Das neue Privatinsolvenzrecht 9783814557182

Das Buch bietet eine umfassende systematische Darstellung der neuen Gesetzeslage. Auch das veränderte Prozesskostenhilfe

267 59 2MB

German Pages 432 [485] Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Das neue Privatinsolvenzrecht
 9783814557182

Citation preview

Martin Ahrens Das neue Privatinsolvenzrecht

ZIP Praxisbuch 8

Das neue Privatinsolvenzrecht Regelungen und Probleme des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte

2014

von Prof. Dr. Martin Ahrens, Göttingen

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) zu vervielfältigen. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort Das Privatinsolvenzrecht erlebt derzeit seinen größten Umbruch zumindest seit der richtungsweisenden Novelle durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl. I S. 2710), vielleicht sogar seit der Verabschiedung der Insolvenzordnung. Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl. I S. 2379) hat der Gesetzgeber den langwierigen, mühevollen und bis zuletzt in nicht wenigen Regelungen strittigen Reformprozess über das Insolvenzrecht natürlicher Personen einstweilen abgeschlossen. Wesentliche Strukturen des bislang geltenden Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens werden aufgegeben oder modifiziert. Letztlich wird die aktuelle Novelle aber wohl nur eine Etappe auf dem Weg zur Weiterentwicklung des Privatinsolvenzrechts darstellen, wie der Evaluierungsauftrag in Art. 107 EGInsO zeigt. Es bleibt abzuwarten, welchen Korrekturbedarf die Evaluation aufzeigen wird und welche sonstigen Änderungsnotwendigkeiten aus den Erfahrungen mit der aktuellen Gesetzgebung resultieren. Stillstand wird es deswegen in den kommenden Jahren nicht geben. Namensgebend für das Reformvorhaben war das rechtspolitisch gewollte, derzeit in seinen Wirkungen aber zumeist eher skeptisch beurteilte Recht des Schuldners aus § 300 InsO, das Restschuldbefreiungsverfahren zu verkürzen. Daneben stehen zahlreiche substanzielle und in ihren Auswirkungen weitaus bedeutsamere Eingriffe in die bekannte Konzeption des Verbraucherinsolvenzund Restschuldbefreiungsverfahrens. Zu nennen ist etwa die Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO, wodurch das eigenständige Verfahrensmuster des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens abgeschafft wird. Sie strahlt weit in das allgemeine Insolvenzverfahren hinein, nicht nur, weil künftig auch in der Verbraucherinsolvenz ein Insolvenzverwalter mit umfassenden Verwertungsund Anfechtungsrechten tätig wird. Besonders umfangreich hat der Gesetzgeber das Gebäude des Restschuldbefreiungsverfahrens verändert und bewährte Tragwerke ab- bzw. umgebaut. In erster Linie ist dabei an das mit der Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO, der entfallenden Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO und der Möglichkeit, Versagungsanträge nach § 290 Abs. 1, 2 Satz 1 1. Halbs. InsO jederzeit ab der Forderungsanmeldung bis zum Schlusstermin und im Rahmen von § 297a InsO auch nachträglich geltend zu machen, in zentralen Bauelementen umgestaltete Verfahrenskonzept zu denken. Dafür müssen veränderte, einen sicheren Halt ermöglichende Orientierungen gesucht werden. Zwischen den rechtspolitisch hoch umstrittenen erweiterten Ausnahmetatbeständen in § 302 Nr. 1 InsO und den minimalinvasiven Eingriffen, etwa bei der Bezeichnung als Abtretungsfrist in § 287 Abs. 2 InsO, stehen manche eher pragmatische Regelungen. Zu denken ist an die neue Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO oder die Vorschrift des § 300a InsO zum Neuerwerb im laufenden

V

Vorwort

Insolvenzverfahren. Mit dieser Norm soll die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den asymmetrischen Verfahren gesetzlich umgesetzt werden. Nicht vergessen werden dürfen die sozialpolitisch bedeutsamen Kündigungsbeschränkungen bei Wohnungsbaugenossenschaftsanteilen in den §§ 66a, 67c GenG. Wie komplex die Bestimmungen geraten sind, erweist sich exemplarisch bei den Vorschriften über das Inkrafttreten. Zu beachten sind vier Referenztermine. Die zentralen Regelungsmaterien traten am 1.7.2014 für die ab diesem Zeitpunkt beantragten Insolvenzverfahren in Kraft, Art. 9 Satz 1 des Gesetzes i. V. m. Art. 103h EGInsO. Modifiziert wird dieser Zeitpunkt durch Art. 9 Satz 2 des Gesetzes und die beiden Sonderregelungen in Art. 103h Satz 2 und 3 EGInsO. Nachdem im Anschluss an die Verkündung des Gesetzes bei allen Beteiligten und Interessierten zunächst eine gewisse Erschöpfung eingetreten ist, setzt inzwischen eine vertiefende Diskussion über die Novelle ein. Obwohl sich manche Fragen erst aus den praktischen Erfahrungen ergeben werden, muss doch eine möglichst tragfähige Grundlage für die Arbeit mit der neuen Materie geschaffen werden. Ziel der Schrift ist, allen am Insolvenzverfahren natürlicher Personen Beteiligten, von den Gläubigern und ihren Vertretern, über die Insolvenzgerichte und Insolvenzverwalter sowie deren Büros, bis hin zu den Schuldnerberatern und Schuldnern einen verlässlichen Ratgeber an die Hand zu geben. Erreicht werden sollen praktisch taugliche, systematisch folgerichtige und wissenschaftlich tragfähige Lösungen. Trotz des Bemühens um eine möglichst umfassende Durchdringung der Materie werden zu einem so frühen Zeitpunkt der Diskussion, in dem noch vieles im Fluss ist, manche Überlegungen etwas vorläufig sein. Dennoch hoffe ich, mit dem Werk Orientierungspunkte für die praktische Arbeit, aber auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung geben zu können. Gegenstand der Schrift sind vor allem die Vorschriften des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte über das Insolvenzrecht natürlicher Personen. Gleichwohl ist der Inhalt dieser Monographie teils enger, teils weiter. Als Artikelgesetz betrifft das Gesetz vom 15.7.2013 unterschiedlichen Rechtsstoff, der nicht durchgängig zum Privatinsolvenzrecht zu rechnen ist. Nicht zum Insolvenzrecht natürlicher Personen gehörige Materien, wie die Regelung in § 15a Abs. 4 InsO über die Insolvenzantragspflicht von Vereinen und Stiftungen, bleiben unberücksichtigt. Gleiches gilt für die weniger bedeutsame Änderung in § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO. Umgekehrt strahlt das zum 1.1.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013 (BGBl. I 3533) aufgrund der Verweisungsregelungen auf das Kostenstundungsrecht aus. Über den engeren Gegenstandsbereich des Gesetzes vom 15.7.2013 hinaus werden auch diese durch die Novellierung des § 4b InsO mit umgesetzten Änderungen behandelt. Sie passen sich in das Gesamtgefüge eines unter verstärktem fiskalischem Zugriff stehenden Privatinsolvenz-

VI

Vorwort

rechts ein. Außerdem werden manche Änderungen im Antragsformular angesprochen. Auf der Verlustliste des Gesetzgebungsverfahrens stehen einige sachlich unzutreffende Verweisungen. § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO verweist nach der verabschiedeten Gesetzesfassung auf die nicht existierende Norm des § 295 Abs. 3 InsO. In § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO ist die Bezugnahme auf § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO gestrichen, weswegen insoweit die Ermächtigungsgrundlage für das Formular zum Schuldenbereinigungsplan zu fehlen scheint. Zudem stellt § 303a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO auf eine Versagung nach § 300 Abs. 2 InsO ab, die tatsächlich in § 300 Abs. 3 InsO normiert ist. Diese offenkundigen Redaktionsfehler sind bislang nicht repariert. Zitiert werden die neuen Vorschriften unter Hinweis auf das jeweilige Gesetz ohne den Zusatz n. F., also etwa als § 287a InsO. Gleiches gilt für die aufgehobenen Vorschriften, wie die §§ 291, 312 – 314 InsO. Die frühere Gesetzesfassung wird mit einem Zusatz gekennzeichnet, so als § 290 InsO a. F. Viele der hier präsentierten Gedanken sind in Diskussionen entstanden, für die ich mich bei meinen Gesprächspartnern bedanke. An erster Stelle darf ich RiAG Ulrich Schmerbach mit seinem feinen Gespür für die praktischen Erfordernisse nennen. Für die zahlreichen anderen Personen möchte ich stellvertretend RiAG Prof. Dr. Hans-Ulrich Heyer und RA Kai Henning danken. Ohne die Unterstützung der Beschäftigten an meinem Lehrstuhl hätte das Buch so nicht Gestalt annehmen können. Dafür danke ich WM Christian Heicke, der auch die Synopsen verfasst hat, sowie den WHK Gabriel Strüder, Catharina Voß und Christian Weiland, außerdem den StudHK Anna Galster, Liliane Janssen, Saskia Köppen, Yvonne Kupfer, Marc Popovic und Annie Wachholtz. Vor allem bedanke ich mich bei meiner Sekretärin Anne Diedrich, die wie stets mit hohem Einsatz und großer Sorgfalt das Manuskript betreut hat.

Göttingen, im September 2014

Martin Ahrens

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort ............................................................................................................ V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXI Literaturverzeichnis .................................................................................. XXV A. Reformdiskussion ........................................................................ 1 ........ 1 I.

Privatinsolvenzrecht mit unvollständigem Konzept .................. 1 ........ 1 1. Kodifikatorische Defizite ..................................................... 1 ........ 1 2. Modellbildung ....................................................................... 6 ........ 2

II. Gescheiterte Reformvorhaben ................................................... 1. Eckpunkte ............................................................................ 2. Ein Aufruf und seine Folgen .............................................. a) Vorstadium ................................................................... b) Gestiegene Verfahrenszahlen ...................................... c) Diskussionsentwurf 2003 und Referentenentwurf 2004 .............................................. 3. Verjährungsmodell .............................................................. 4. Vereinfachtes Entschuldungsverfahren ............................. a) Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ... b) Vorentwurf 2006 .......................................................... c) Referentenentwurf 2007 und Regierungsentwurf 2007 .............................................

13 13 16 16 18

........ ........ ........ ........ ........

4 4 6 6 7

21 25 30 30 32

........ 8 ...... 10 ...... 12 ...... 12 ...... 13

39 ...... 16

III. Erfolgreicher Abschluss ............................................................. 1. Neustart ............................................................................... a) Erste Orientierungen ................................................... b) Überraschender Richtungswechsel ............................. c) Politische Wegmarken ................................................. 2. Referentenentwurf vom 18.1.2012 ..................................... a) Verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren ............... b) Sonstige Novellierungen ............................................. 3. Regierungsentwurf und parlamentarische Beratungen .....

46 46 46 49 53 56 56 58 62

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

19 19 19 20 21 22 22 23 24

IV. Einordnung ................................................................................. 1. Positionswechsel ................................................................. 2. Fiskalisches Leitmotiv ........................................................ a) Perspektivenwechsel .................................................... b) Zentralbereiche ............................................................ c) Einzelaspekte ...............................................................

67 67 72 72 74 79

...... ...... ...... ...... ...... ......

26 26 28 28 28 30

IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

3. 4.

5. 6.

Traditionslinien ................................................................... 85 Orientierungsverluste ......................................................... 89 a) Strukturelle Einbußen ................................................. 89 b) Programmatischer Kontext ......................................... 93 Technische Mängel .............................................................. 98 Neuausrichtung ................................................................. 104

V. Perspektiven .............................................................................. 1. Potenziale .......................................................................... 2. Europäische Impulse ......................................................... a) Politik der zweiten Chance ....................................... b) Reform der Verbraucherentschuldung .....................

110 110 118 118 122

Seite

...... ...... ...... ...... ...... ......

31 33 33 34 36 38

...... ...... ...... ...... ......

40 40 42 42 44

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch .................................. 125 ...... 45 I.

Unveränderter Status quo ........................................................ 125 ...... 45 1. Kein Zustimmungsersetzungsverfahren .......................... 125 ...... 45 2. Kein fakultativer Einigungsversuch ................................. 131 ...... 47

II. Qualifizierte Schuldnerberatung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ........................................................... 1. Umsetzung ........................................................................ 2. Regelungsgehalt ................................................................. a) Persönliche Beratung und eingehende Prüfung ....... aa) Beratung ............................................................ bb) Prüfung .............................................................. cc) Mitwirkung bei der Planerstellung und bei der außergerichtlichen Verhandlung .......... dd) Erweiterte Bescheinigung ................................. b) Rechtliche Wirkungen ...............................................

135 135 138 138 140 145

...... ...... ...... ...... ...... ......

48 48 49 49 50 51

148 ...... 52 150 ...... 53 152 ...... 54

III. Gewandelte Planinhalte ............................................................ 158 ...... 56 C. Insolvenzeröffnungsverfahren ............................................. 163 ...... 59 I.

X

Insolvenzantrag ........................................................................ 1. Ausgangssituation ............................................................. 2. Formularzwang ................................................................. a) Formulare, § 305 Abs. 5 Satz 2 InsO ....................... aa) Grundlagen der Neuregelung ........................... bb) Übergangsprobleme .......................................... cc) Geänderter Inhalt .............................................. b) Ergänzungen, § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO ................... aa) Regelungsansatz ................................................ bb) Nicht vollständig ausgefüllte Formulare ......... cc) Falsch ausgefüllte Formulare ........................... dd) Andere Nachforschungsmöglichkeiten ...........

163 163 168 168 168 171 176 184 184 190 195 198

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

59 59 60 60 60 61 63 65 65 67 69 70

Inhaltsverzeichnis Rn.

II. Vertretungsbefugnis gemäß § 305 Abs. 4 InsO ...................... 1. Vertretung des Schuldners nach § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO .................................................. a) Gesamtes Insolvenzverfahren ................................... b) Andere insolvenzrechtliche Verfahren ..................... c) Vertretung .................................................................. 2. Vertretung der Gläubiger gemäß § 305 Abs. 4 Satz 2 InsO ..................................................

200 200 204 211

III. Schriftliches Verfahren nach § 5 Abs. 2 InsO ......................... 1. Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses ............ 2. Anwendungsbereich .......................................................... a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................ b) Zeitlicher und funktionaler Anwendungsbereich .... 3. Anordnung ........................................................................ 4. Fehlerhafte Anwendung ...................................................

221 221 224 224 227 231 235

Seite

200 ...... 71 ...... ...... ...... ......

71 71 72 74

217 ...... 76 ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

78 78 79 79 80 81 82

IV. Gerichtliche Hinweispflicht nach § 20 Abs. 2 InsO .............. 238 ...... 83 V. Eröffnungsbeschluss gemäß §§ 27, 29, 30 InsO ..................... 1. Beschlussinhalt nach § 27 InsO ....................................... 2. Berichtstermin gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO .............. 3. Bekanntmachung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO ..........

239 239 243 249

...... ...... ...... ......

83 83 84 86

VI. Kostenstundung ........................................................................ 1. Erklärung über den Versagungsgrund nach § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO ..................................................... a) Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ....... b) Erweiternde Auslegung ............................................. 2. Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge gemäß § 4b InsO ................................................. a) Änderung von § 4b InsO .......................................... b) Veränderte Ratenhöhe, § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 115 Abs. 2 ZPO ......................................... c) Inkrafttreten .............................................................. 3. Aufhebung der Stundung gemäß § 4c Nr. 4 InsO ..........

250 ...... 86 250 ...... 86 250 ...... 86 255 ...... 88 261 ...... 90 261 ...... 90 263 ...... 91 266 ...... 92 269 ...... 93

D. Eröffnetes Verfahren .............................................................. 272 ...... 95 I.

Veränderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren ............... 272 ...... 95 1. Aufhebung der §§ 312–314 InsO ..................................... 272 ...... 95 2. Sonstige verfahrensrechtliche Modifikationen ................ 279 ...... 97

II. Folgen der Negativerklärung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO ............................................................ 283 ...... 98 III. Rückschlagsperre gemäß § 88 Abs. 2 InsO ............................. 287 .... 100

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

IV. Aufhebung von § 114 InsO ..................................................... 1. Ausgangslage ..................................................................... a) Zielsetzung ................................................................. b) Inkrafttreten .............................................................. 2. Entgeltabtretungen und -verpfändungen gemäß § 114 Abs. 1 InsO ............................................................. a) Rechtsfolgen vor Beendigung eines Insolvenzverfahrens ................................................... aa) Wirkungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens .......................................... bb) Konsequenzen im eröffneten Insolvenzverfahren ........................................... b) Fallgestaltungen nach Ende des Insolvenzverfahrens ................................................... c) Aufhebung des Insolvenzbeschlags bei anderen insolvenzrechtlichen Wirkungen .............................. aa) Negativerklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO .................................... bb) Treuhandperiode ............................................... d) Rechtsfolgen nach der Restschuldbefreiung ............ aa) Problemlage ....................................................... bb) Konvaleszenz .................................................... cc) Nichtigkeit gemäß § 294 Abs. 2 InsO ............. dd) Sicherungsabrede .............................................. e) Wirkung des Insolvenzplans ..................................... f) Sonderfälle .................................................................. 3. Aufrechnung durch den Dienstberechtigten gemäß § 114 Abs. 2 InsO ............................................................. 4. Vollstreckungsprivileg gemäß § 114 Abs. 3 InsO ........... V. Anmeldung privilegierter Forderungen nach §§ 174, 175 InsO ....................................................................... 1. Forderungsanmeldung gemäß § 174 Abs. 2 InsO ........... a) Rückständiger gesetzlicher Unterhalt gemäß § 174 Abs. 2 Alt. 2 InsO ........................................... b) Verbindlichkeiten aus einer Steuerstraftat gemäß § 174 Abs. 2 Alt. 3 InsO ........................................... c) Darlegungsmaß .......................................................... 2. Hinweispflicht nach § 175 Abs. 2 InsO ...........................

290 290 290 297

Seite

.... .... .... ....

101 101 101 103

299 .... 104 299 .... 104 299 .... 104 303 .... 105 308 .... 107 311 .... 107 311 313 316 316 321 323 332 334 337

.... .... .... .... .... .... .... .... ....

107 108 110 110 111 112 116 116 117

339 .... 118 342 .... 119 343 .... 119 343 .... 119 343 .... 119 347 .... 120 354 .... 122 358 .... 124

VI. Eigenverwaltung gemäß §§ 270 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, 274 Abs. 1 InsO ........................................................................ 360 .... 124 VII. Insolvenzverwalter ................................................................... 366 .... 126 1. Abschaffung des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren ....................................... 366 .... 126 a) Veränderte Rechtsstellung ........................................ 366 .... 126 XII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2. 3.

Seite

b) Berufsausübungsbeschränkung ................................. 369 .... 128 Bestellung des Insolvenzverwalters .................................. 373 .... 129 Aufgabenprofil .................................................................. 378 .... 131

VIII. Insolvenzanfechtung .............................................................. 1. Ausgangssituation ............................................................. 2. Ausübung des Anfechtungsrechts ................................... 3. Gläubigerbenachteiligung ................................................. a) Massezugehörigkeit ................................................... b) Unpfändbares Vermögen .......................................... aa) Geschützte Forderungen .................................. bb) Überweisung auf ein nicht pfändungsgeschütztes Konto ........................... cc) Umsetzung ........................................................ c) Veränderte Umstände ............................................... 4. Einzelfälle .......................................................................... a) Rechtshandlungen ..................................................... b) Gläubigerbenachteiligung ......................................... c) Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO .......... aa) Einordnung ....................................................... bb) Zwangsvollstreckung ........................................ cc) Verrechnungen im Kontokorrent .................... dd) Sonstiges ............................................................ d) Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ........................ e) Unentgeltliche Leistungen gemäß § 134 InsO ........ f) Bargeschäft nach § 142 InsO .................................... 5. Rechtsfolgen ......................................................................

380 380 385 388 388 394 394

.... .... .... .... .... .... ....

131 131 133 134 134 136 136

398 406 410 414 414 415 417 417 418 421 423 424 429 431 434

.... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... ....

138 141 142 143 143 144 145 145 145 147 147 148 149 150 151

IX. Verwertung ............................................................................... 1. Aufhebung von § 313 InsO .............................................. 2. Gegenstände mit Pfand- oder Absonderungsrechten ..... 3. Einzelfragen .......................................................................

435 435 438 440

.... .... .... ....

151 151 152 153

X. Insolvenzplan ............................................................................ 1. Öffnung des Insolvenzplanverfahrens für die Verbraucherinsolvenz ....................................................... 2. Vor- und Nachteile ........................................................... 3. Außergerichtlicher Einigungsversuch und Insolvenzplan .................................................................... 4. Verfahren ........................................................................... a) Vorbereitung .............................................................. b) Initiativrecht und Verfahrensform ........................... c) Gerichtliche Vorprüfung gemäß § 231 InsO ........... d) Terminsbestimmung .................................................. e) Abstimmung .............................................................. f) Planbestätigung ..........................................................

442 .... 154 442 .... 154 449 .... 156 459 463 463 465 469 473 476 480

.... .... .... .... .... .... .... ....

160 161 161 161 163 164 165 166

XIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

5.

g) Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Planüberwachung ....................................................... Gliederung des Insolvenzplans ......................................... a) Vorbemerkung ........................................................... b) Darstellender Teil des Insolvenzplans gemäß §§ 219 Satz 1 Alt. 1, 220 InsO .................................. aa) Allgemeine Anforderungen .............................. bb) Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse ... cc) Gläubigerbefriedigung ohne Insolvenzplan .... dd) Planziele, Gläubigerbefriedigung und Quote ... ee) Gruppenbildung ................................................ (1) Grundlagen ................................................ (2) Zwingende Gruppen ................................. (3) Fakultative Gruppen ................................. ff) Verfahrenskosten .............................................. gg) Sonstiges ............................................................ c) Gestaltender Teil des Insolvenzplans gemäß §§ 219 Satz 1 Alt. 2, 221 InsO .................................. aa) Grundlagen ........................................................ bb) Rechte der Gläubiger ........................................ cc) Nachzügler ........................................................ dd) Restschuldbefreiung ......................................... ee) Sonstige Regelungen ......................................... ff) Wirksamwerden des Plans und Planüberwachung .............................................. d) Anlagen ......................................................................

Seite

484 .... 168 486 .... 168 486 .... 168 489 489 493 500 506 508 508 511 513 517 518

.... .... .... .... .... .... .... .... .... .... ....

169 169 170 173 174 175 175 176 177 178 178

519 519 522 525 528 532

.... .... .... .... .... ....

178 178 179 180 181 182

533 .... 182 535 .... 182

E.

Restschuldbefreiung ................................................................ 538 .... 185

I.

Konzeption des Verfahrens ...................................................... 1. Bisherige Ordnung ............................................................ a) Verfahrensgliederung ................................................ b) Unterschiedliche Versagungsverfahren .................... 2. Orientierungsverlust ......................................................... a) Beeinträchtigte Grundordnung ................................ b) Verfahrensrechtliches Gewicht der Eingangsentscheidung ............................................... c) Abgeschwächte Verfahrensgliederung ..................... d) Veränderung und Vermischung der Versagungsverfahren .................................................

II. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung ....................... 1. Erklärung und Versicherung zu den Sperrfristgründen, § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO .............................................. a) Erklärungs- und Versicherungslast ........................... b) Folgen einer fehlenden oder unzutreffenden Erklärung und Versicherung ..................................... XIV

538 538 538 541 545 545

.... .... .... .... .... ....

185 185 185 185 187 187

548 .... 188 552 .... 189 557 .... 191 562 .... 193 562 .... 193 562 .... 193 572 .... 195

Inhaltsverzeichnis Rn.

2. 3. 4.

Seite

Abtretungsfrist gemäß § 287 Abs. 2 InsO ...................... 580 .... 198 Beeinträchtigende Vereinbarungen nach § 287 Abs. 3 InsO ............................................................. 583 .... 199 Anhörung gemäß § 287 Abs. 4 InsO ............................... 586 .... 200

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO ............................. 1. Grundlagen ........................................................................ a) Rechtssicherheit als primärer Normzweck ............. b) Regelungsaufbau ........................................................ c) Parallelen zum Insolvenzeröffnungs- und Kostenstundungsverfahren ....................................... 2. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen ......................... a) Allgemeine und besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen ........................................................ b) Die einzelnen Sachentscheidungsvoraussetzungen ... aa) Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen ................................................ bb) Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen ................................................ 3. Sperrfristen gemäß § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO ................ a) Grundlagen ................................................................ b) Drei Fallgruppen der Sperrfristen ............................. aa) Allgemeines ....................................................... bb) Wiederholte Restschuldbefreiung nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO ............ cc) Versagung gemäß § 297 InsO, § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO ................................... dd) Sonstige Versagungen gemäß § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO .............................................. c) Fristberechnung ......................................................... d) Verhältnis zur Sperrfristrechtsprechung .................. aa) Vergleich ............................................................ bb) Einschränkung der Sperrfristjudikatur in Altverfahren ...................................................... cc) Erweiterung der Unzulässigkeitsgründe in Neuverfahren .................................................... (1) Ausdrückliche Erwähnung in den Materialien ................................................. (2) Sonstige Fallgruppen ................................. 4. Keine Vorprüfung von Versagungsgründen .................... 5. Verfahren ........................................................................... a) Prüfungsmaßstäbe ..................................................... b) Überzeugungsbildung ............................................... c) Verhältnis zur Kostenstundung ................................ d) Anhörung ...................................................................

591 591 591 598

.... .... .... ....

201 201 201 203

605 .... 205 611 .... 206 611 .... 206 614 .... 207 614 .... 207 619 627 627 630 630

.... .... .... .... ....

208 210 210 211 211

634 .... 212 640 .... 214 648 654 659 659

.... .... .... ....

215 217 218 218

665 .... 220 670 .... 221 670 674 679 685 685 691 694 697

.... .... .... .... .... .... .... ....

221 223 224 226 226 228 229 230

XV

Inhaltsverzeichnis Rn.

6.

Antragsrücknahme gemäß § 287a Abs. 2 Satz 2 InsO ................................................................ f) Sonstige Fragen .......................................................... Entscheidung ..................................................................... a) Beschluss .................................................................... b) Zeitpunkt ................................................................... c) Entscheidungsalternativen ........................................ aa) Zulässiger Antrag .............................................. bb) Unzulässiger Antrag ......................................... d) Hinweis auf die weiteren Anforderungen gemäß § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO ......................................... e) Unterbliebene Eingangsentscheidung ...................... f) Wirkungen der Entscheidung ................................... g) Sofortige Beschwerde ................................................ h) Insbesondere: Die sofortige Beschwerde bei der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO .... i) Bekanntmachung .......................................................

Seite

e)

700 707 710 710 711 716 716 723

.... .... .... .... .... .... .... ....

230 232 233 233 233 234 234 236

725 732 734 739

.... .... .... ....

236 238 238 240

744 .... 241 749 .... 243

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO ............................... 1. Prinzip und Gestaltung ..................................................... a) Obliegenheit .............................................................. b) Einbettung .................................................................. c) Problemfelder ............................................................ 2. Anwendungsbereich .......................................................... a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................ b) Zeitlicher Anwendungsbereich ................................. c) Persönlicher Anwendungsbereich ............................ 3. Nicht selbständig erwerbstätige Schuldner ..................... 4. Selbständig erwerbstätige Schuldner ................................ a) Zulässigkeit der selbständigen Erwerbstätigkeit ...... b) Entsprechende Anwendung von § 295 Abs. 2 InsO ...................................................... c) Anforderungen an die selbständige Erwerbstätigkeit .........................................................

750 750 750 752 757 761 761 765 768 770 775 775

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO ........... 1. Grundlagen ........................................................................ a) Veränderte Versagungsgründe .................................. b) Modifiziertes Versagungsverfahren .......................... c) Konzeptionelle Veränderungen ................................ aa) Unzureichende Erklärungen ............................ bb) Verlust von Ordnungsleistungen ..................... 2. Versagungstatbestände ..................................................... a) Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ............................................ b) Frühere Restschuldbefreiungsverfahren gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO ............................................

790 790 790 796 802 802 807 812

XVI

.... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... ....

243 243 243 243 245 246 246 247 248 249 251 251

778 .... 251 785 .... 254 .... .... .... .... .... .... .... ....

255 255 255 257 259 259 260 262

812 .... 262 820 .... 264

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

c)

3.

Verringerung der Insolvenzmasse gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ............................................ 821 .... 264 d) Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ................... 824 .... 265 e) Unzutreffende Verzeichnisse und Erklärungen gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ................................ 829 .... 267 aa) Unzutreffende Verzeichnisse gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO ......................... 829 .... 267 bb) Unzutreffende Erklärung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO ......................... 832 .... 268 f) Verletzung der Erwerbsobliegenheit gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO ............................................ 840 .... 270 aa) Anwendungsbereich der Erwerbsobliegenheit ... 840 ..... 270 bb) Sonstige Voraussetzungen ................................ 845 .... 271 cc) Verweisung auf § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO ...... 850 ..... 273 Versagungsverfahren ......................................................... 856 .... 275 a) Einordnung ................................................................ 856 .... 275 b) Antragsberechtigung ................................................. 859 .... 276 c) Antragstellung ........................................................... 867 .... 279 aa) Antragsfrist ....................................................... 867 .... 279 bb) Antragsbegründung .......................................... 874 .... 281 cc) Form .................................................................. 879 .... 282 d) Glaubhaftmachung, § 290 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. InsO ............................................................ 880 .... 283 e) Prüfungsmaßstab ....................................................... 882 .... 284 f) Anhörung ................................................................... 884 .... 284 g) Entscheidung ............................................................. 889 .... 286 aa) Nach dem Schlusstermin .................................. 889 .... 286 bb) Vor Beendigung des Insolvenzverfahrens ....... 896 .... 288 cc) Sonstige Fragen ................................................. 899 .... 289 h) Rechtsmittel, § 290 Abs. 3 Satz 1 InsO ................... 900 .... 289 i) Bekanntmachung, § 290 Abs. 3 Satz 2 InsO ............ 901 .... 289

VI. Übergang in die Treuhandperiode ........................................... 902 .... 289 1. Bestimmung des Treuhänders nach § 288 Satz 2 InsO ....... 902 ..... 289 a) Bestellung ................................................................... 902 .... 289 b) Persönliche Kriterien ................................................. 908 .... 291 2. Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 289 InsO ...... 912 ..... 292 3. Abschluss des Insolvenzverfahrens und Übergang in die Treuhandperiode ......................................................... 918 .... 294 VII. Verlauf der Treuhandperiode .................................................. 1. Eintritt der Bindungen ...................................................... 2. Rechtsbeschränkungen des § 294 InsO ........................... 3. Versagungen nach den §§ 295, 296 InsO .........................

922 922 928 931

.... .... .... ....

295 295 297 298

XVII

Inhaltsverzeichnis Rn.

4.

5. 6.

Insolvenzstraftaten gemäß § 297 InsO ............................ a) Versagungsgrund ....................................................... b) Versagungsverfahren ................................................. Vorzeitige Beendigung gemäß § 299 InsO ...................... Streichung des Motivationsrabatts und Verteilung geringfügiger Beträge ........................................................ a) Aufhebung des Motivationsrabatts .......................... b) Verteilung geringfügiger Beträge ..............................

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO ............................................................................... 1. Konzeption ........................................................................ 2. Versagungsgründe ............................................................. 3. Nachträgliches Herausstellen und Kenntniserlangung .... a) Zeitlicher Anwendungsbereich ................................ b) Nachträgliches Herausstellen ................................... c) Kenntniserlangung ..................................................... 4. Versagungsverfahren ......................................................... a) Versagungsantrag ....................................................... b) Antragsberechtigung ................................................. c) Antragsfrist ................................................................ d) Glaubhaftmachung .................................................... e) Anhörung .................................................................. f) Durchführung des Verfahrens .................................. g) Sonstiges .....................................................................

934 934 937 942

299 299 300 301

943 .... 301 943 .... 301 946 .... 302 951 .... 303 951 .... 303 956 .... 305 961 ..... 306 961 .... 306 966 .... 308 971 .... 310 974 .... 311 974 .... 311 975 .... 311 977 .... 312 982 .... 313 986 .... 314 988 .... 314 993 .... 316

IX. Verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren ............................ 995 1. Einordnung ........................................................................ 995 a) Anspruch und Wirklichkeit ...................................... 995 b) Institutionenvergleich ............................................... 998 2. Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung .............. 1007 a) Grundlagen .............................................................. 1007 aa) Wirkungsvoller Rechtsschutz ........................ 1007 bb) Systematik ....................................................... 1009 b) Sofortige Erteilung gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO ................................................................ 1012 aa) Keine Forderungsanmeldung nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO ............ 1012 bb) Vollständige Forderungsberichtigung gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO ............ 1018 c) Verkürzung auf drei Jahre gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO ..................................................... 1023 aa) 35 % Mindestquote ......................................... 1023 (1) Grundlagen .............................................. 1023 (2) Quotenberechnung ................................. 1026 (3) Zeitlicher Anwendungsbereich ............... 1031

XVIII

Seite

.... .... .... ....

.... .... .... .... .... .... .... ....

316 316 316 318 322 322 322 323

.... 324 .... 324 .... 325 .... .... .... .... ....

327 327 327 328 330

Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

4. 5.

bb) Verfahrenskosten und sonstige Masseverbindlichkeiten .................................. cc) Bestimmung der Befriedigungsleistungen ..... (1) Problemstellung ....................................... (2) Auskunftsanspruch ................................. (3) Zahlungsweg ............................................ dd) Sogenannter Herkunftsnachweis gemäß § 300 Abs. 2 Satz 1, 2 InsO ............................ d) Verkürzung auf fünf Jahre gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO ............................... e) Sonstige Fälle .......................................................... Verfahren zur vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung ........................................................ a) Antrag ....................................................................... b) Glaubhaftmachung .................................................. c) Anhörung ................................................................. d) Entscheidung ........................................................... e) Sofortige Beschwerde .............................................. f) Bekanntmachung ..................................................... g) Wirkungen ................................................................ Restschuldbefreiung nach Ende der Abtretungsfrist gemäß § 300 Abs. 1 Satz 1 InsO .................................... Versagung der Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 3 InsO ...........................................................

1035 1042 1042 1046 1054

Seite

.... .... .... .... ....

332 334 334 335 338

1060 .... 340 1068 .... 343 1072 .... 343 1074 1074 1079 1085 1087 1089 1092 1093

.... .... .... .... .... .... .... ....

344 344 346 347 347 347 348 348

1096 .... 349 1097 .... 349

X. Asymmetrische Verfahren gemäß § 300a InsO .................... 1. Einordnung ...................................................................... 2. Anwendungsbereich ........................................................ 3. Neuerwerb nach Ende der Abtretungsfrist ................... a) Insolvenzfreier Neuerwerb ..................................... b) Verwaltung, Zwangsvollstreckung ......................... 4. Vergütung des Insolvenzverwalters gemäß § 300a Abs. 3 InsO .......................................................... 5. Sonstiges Verfahren ........................................................

1098 1098 1100 1106 1106 1113

.... .... .... .... .... ....

349 349 350 352 352 354

XI. Zusätzliche Bereichsausnahmen gemäß § 302 Nr. 1 InsO ..... 1. Rahmenbedingungen ...................................................... 2. Vorsätzlich pflichtwidrig rückständiger Unterhalt gemäß § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO ....................................... a) Drei Tatbestandsmerkmale ..................................... b) Gesetzliche Unterhaltspflicht ................................. c) Rückständiger, pflichtwidrig nicht gewährter Unterhalt .................................................................. aa) Anknüpfungen ................................................ bb) Beweisrechtliche Konsequenzen .................... d) Vorsatz .....................................................................

1120 ..... 356 1120 .... 356

1115 .... 355 1118 .... 355

1125 .... 358 1125 .... 358 1129 .... 359 1130 1130 1134 1138

.... .... .... ....

360 360 361 362

XIX

Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

4.

e) Umfang .................................................................... f) Forderungsübergang ................................................ Verbindlichkeiten aus Steuerschuldverhältnissen gemäß § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO ....................................... a) Tatbestand ................................................................ b) Art und Umfang ...................................................... c) Konkurrenzen .......................................................... Anmeldung und Verfahren .............................................

XII. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung ............................. 1. Widerruf der Restschuldbefreiung ................................. a) Strafrechtliche Verurteilung gemäß § 303 Abs. 1 Nr. 2 InsO .......................................... aa) Konzeption ...................................................... bb) Nachträglich bekannt gewordene Verurteilung gemäß § 303 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO ........... cc) Nachträglich eingetretene Rechtskraft gemäß § 303 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ........... b) Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO ................. c) Verfahren .................................................................. 2. Schuldnerverzeichnis gemäß § 303a InsO .....................

Seite

1140 .... 363 1141 .... 363 1144 1144 1150 1155 1156

.... .... .... .... ....

364 364 366 367 367

1162 .... 369 1162 .... 369 1162 .... 369 1162 .... 369 1164 .... 370 1168 .... 371 1172 .... 372 1174 .... 373 1179 .... 374

F.

Sonstige Neuerungen ............................................................ 1183 .... 377

I.

Kündigungsbeschränkung für Mitgliedschaftsanteile bei Wohnungsbaugenossenschaften gemäß §§ 66a, 67c GenG .... 1183 ..... 377

II. Änderungen der InsVV .......................................................... 1187 .... 378 G. Inkrafttreten und Evaluation ............................................... 1190 .... 381 I.

Inkrafttreten des Gesetzes ..................................................... 1190 .... 381

II. Evaluation ............................................................................... 1196 .... 382 Anhang .......................................................................................................... 385 Änderungen durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.6.2013 ................................................................................................ 387 Ausgewählte Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013 ................... 421 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 425

XX

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. AGR AHB Alt. Anh. Anm. AnwBl AO Art. Aufl. BAföG BAG BB Bd./Bde. BDSG BeckRS BFH BGB BGBl. BGH BGHZ

anderer Ansicht alte Fassung Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl. Runkel (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 2. Aufl. Alternative Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Artikel Auflage

BLAG BMJ BRAO BR-Drucks. BSG BT-Drucks. BT-PlPr BVerfG BZRG bzw.

Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Band/Bände Bundesdatenschutzgesetz Becksche Rechtsprechungssammlung Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bundesministerium der Justiz Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Bundessozialgericht Bundestags-Drucksache Bundestags-Plenarprotokoll Bundesverfassungsgericht Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise

DAV ders. DGVZ d. h. dies.

Deutscher Anwaltverein derselbe Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt dieselbe, dieselben

XXI

Abkürzungsverzeichnis

DiskE DNA DRB DStR DstRE DZWIR

EGInsO EGInsOÄndG EGZPO EL ESUG EuInsVO EWiR FA-InsR

Diskussionsentwurf Deoxyribonucleic Acid (dt. Desoxyribonukleinsäure = DNS) Deutscher Richterbund Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Ergänzungslieferung Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Europäische Insolvenzverordnung Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

Fn. FPR FS

Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 6. Aufl., Köln 2014 folgender, folgende [Paragraf, Seite, Randnummer] Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Familienverfahrensgesetz) folgende [Paragrafen, Seiten, Randnummern] Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung Fußnote Familie, Partnerschaft, Recht Festschrift

GenG ggf.

Genossenschaftsgesetz gegebenenfalls

HambK

Schmidt (Hrsg.), Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht Kreft (Hrsg.), Insolvenzordnung, Heidelberger Kommentar Herausgeber/herausgegeben Halbsatz Haarmeyer/Wutzke/Förster (Hrsg.), Insolvenzordnung

f. FamFG

ff. FK-InsO

HK-InsO Hrsg./hrsg. Halbs. HWF

XXII

Abkürzungsverzeichnis

InsbürO

InsVV i. S. d. i. V. m.

Zeitschrift für Insolvenzsachbearbeitung und Entschuldungsverfahren Insolvenzordnung Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl. I S. 2710) Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung im Sinne des/der in Verbindung mit

JurBüro

Das juristische Büro

KKZ KO KS KTS

Kommunal-Kassen-Zeitschrift Konkursordnung Kölner Schrift zur Insolvenzordnung Zeitschrift für Insolvenzrecht

lit. LK LpartG LS LSZ

littera Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Leitsatz Leonhardt/Smid/Zeuner, Insolvenzordnung

MünchKommBGB

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, mit weiteren Nachweisen

InsO InsOÄndG 2001

MünchKommInsO MünchKommStGB MünchKommZPO m. w. N. n. F. NIVD

NZS

neue Fassung Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische WochenschriftRechtsprechungsreport-Zivilrecht Neue Juristische Wochenschrift-Spezial Nummer Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Sozialrecht

o. Ä.

oder Ähnliches

NJW NJW-RR NJW-Spezial Nr. NZA NZI

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

PG PKH PWW

Prütting/Gehrlein, ZPO Kommentar Prozesskostenhilfe Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar

RSB RDG

Restschuldbefreiung Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz) Referentenentwurf Regierungsentwurf Randnummer Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz

RefE RegE Rn. Rpfleger RPflG S. s. a. SGB II SGB III SGB VIII SGB XII StGB StromGVV st. Rspr.

Seite siehe aber, siehe auch Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe Strafgesetzbuch Stromgrundversorgungsverordnung ständige Rechtsprechung

u. a. UVG

unter anderem, und anderswo Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz)

v. VbrInsFV VbrInsVV vgl. VIA VorE VuR

vom Verbraucherinsolvenzformularverordnung Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung vergleiche Verbraucherinsolvenz aktuell Vorentwurf Verbraucher und Recht

WM

Wertpapier-Mitteilungen, Teil 4

ZInsO ZIP ZPO ZRP ZVI

Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Verbraucher- und PrivatInsolvenzrecht

XXIV

Literaturverzeichnis Ackmann Schuldbefreiung durch Konkurs – Eine rechtshistorische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung zur Reformbedürftigkeit des Rechts der freien Nachforderung (§ 164 Abs. 1 KO), Bielefeld 1983 Adam u. a. Aufruf deutscher Insolvenzrichter und -rechtspfleger zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte und der Insolvenzordnung, ZInsO 2002, 949 und 1077 Ahrens Prozeßabtretung im Restschuldbefreiungsverfahren – Anmerkungen zur Konzeption von § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO, DZWIR 1999, 45 – 53 Ahrens Rücknahmefiktion und Beschwerderecht bei § 305 III InsO, NZI 2000, 201 – 206 Ahrens Insolvenzanfechtung einer erfüllten Bewährungsauflage, NZI 2001, 456 – 460 Ahrens Anmerkung zu BGH vom 24.7.2003, NZI 2003, 558 – 559 Ahrens Schuldbefreiung durch absolute Verjährungsfristen. 12 Antithesen, ZVI 2005, 1 – 9 Ahrens Entschuldungsverfahren und Restschuldbefreiung, NZI 2007, 193 – 197 Ahrens Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück – die geplante Reform des Insolvenzrechts natürlicher Personen, ZRP 2007, 84 – 88 Ahrens Versagung contra Restschuldbefreiung, ZInsO 2007, 673 – 680 Ahrens Die Entschuldung mittelloser Personen im parlamentarischen Verfahren, NZI 2008, 86 – 87 Ahrens Privatinsolvenzrecht – Umrisse eines Systems, ZZP 122 (2009), 133 – 155 Ahrens Asymmetrische Verfahren, in: Dahl/Jauch/Wolf (Hrsg.), Sanierung und Insolvenz, Festschrift für Klaus Hubert Görg, München 2010, 1 – 12 (zit.: Ahrens, FS Görg)

XXV

Literaturverzeichnis

Ahrens Eckpunkte des Bundesjustizministeriums zur Reform der Verbraucherinsolvenz, NZI 2011, 425 – 432 Ahrens Restschuldbefreiung und Versagungsgründe, ZVI 2011, 273 – 287 Ahrens Abpfiff – Eine Stellungnahme zu den geplanten Änderungen in § 302 Nr. 1 InsO-RefE 2012, ZVI 2012, 122 – 126 Ahrens Der Pkw des Schuldners in der Insolvenz, NJW-Spezial 2012, 725 – 726 Ahrens Leistungspflicht nach einer Negativerklärung, NJW-Spezial 2013, 85 – 86 Ahrens Aktuelle Rechtsprechung zu Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen – Rechtsgrund, Anmeldung, Feststellung, VIA 2013, 65 – 67 Ahrens Geplante Gesetzesänderungen im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsrecht, in: Berger/Bähr/Melchior/Sturm/Wunderlich (Hrsg.), 14. Leipziger Insolvenzrechtstag, Dokumentation des Symposions vom 11.2.2013, Berlin 2013, S. 109 – 131 Ahrens Anmerkung zu OLG Brandenburg vom 17.4.2013, NZI 2013, 651 – 65 Ahrens Nicht benannte Gläubiger im Restschuldbefreiungsverfahren, NZI 2013, 721 – 729 Ahrens Anmerkung zu BGH vom 13.6.2013, NZI 2013, 800 – 801 Ahrens Reform des Insolvenzverfahrens natürlicher Personen verabschiedet, NJW-Spezial 2013, 341 – 342 Ahrens Probleme mit der Konvaleszenz von Sicherungsabtretungen, NJW-Spezial 2014, 85 – 86 Ahrens Anfechtungen in der Insolvenz natürlicher Personen, NJW-Spezial 2014, 314 – 315 Ahrens Systematisches und Unsystematisches bei den RSB-Versagungsverfahren, ZVI 2014, 227 – 233

XXVI

Literaturverzeichnis

Ahrens Lohnabtretungen in der Insolvenz nach der Aufhebung von § 114 InsO, NZI 2014, 529 – 535 Ahrens Die Reform des Privatinsolvenzrechts 2014, NJW 2014, 1841 – 1847 Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier (Hrsg.) Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl., Köln 2014 (zit.: AGR/Bearbeiter) Allemand/Dobiey/Henning Musterinsolvenzplan, ZVI 2014, 296 – 299 Andres/Leithaus Insolvenzordnung, 3. Aufl., München 2014 (zit.: Andres/Leithaus/Bearbeiter) Anlauf Vorgänger der Restschuldbefreiung nach heutigem Insolvenzrecht – Von der landwirtschaftlichen Entschuldungsgesetzgebung der Weimarer Republik über die NS-Schuldenbereinigung zur heutigen Restschuldbefreiung, Berlin 2006 Asmuß Anmerkung zu BGH vom 3.12.2009, NZI 2010, 143 – 144 Ast Über den Umgang mit Nullmassen, ZVI 2002, 183 – 184 Baatz § 114 Abs. 1 InsO – Reichweite und Grenzen, ZInsO 2012, 457 – 468 Baczako Was lange währt, wird endlich gut? ZVI 2013, 209 – 214 Bamberger/Roth (Hrsg.) Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3 Bde., 3. Aufl., München 2012 (zit.: Bamberger/Roth/Bearbeiter) Beck Der Referentenentwurf zur Reform des Insolvenzrechts vom 18.1.2012 aus Schuldnerperspektive, ZVI 2012, 223 – 233 Berger Die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Rahmen der Haftungserklärung nach § 35 Abs. 2 InsO, ZInsO 2008, 1101 – 1108 Beyer Insolvenzplanverfahren bei natürlichen Personen, Teil I, ZVI 2013, 334 – 338, Teil II, ZVI 2014, 289 – 295 Biegelsack Ist die Übertragung des Versagungsverfahrens der Restschuldbefreiung auf den Rechtspfleger verfassungskonform? ZInsO 2012, 1009 – 1014 XXVII

Literaturverzeichnis

Blankenburg Änderungen im Ablauf des Eröffnungsverfahrens durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, ZInsO 2014, 801 – 807 Blankenburg/Godzierz Die vorzeitige Restschuldenbefreiung gem. § 300 Abs. 1 Satz 2 InsO im laufenden Insolvenzverfahren, ZInsO 2014, 1360 – 1368 Bork Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 3. Aufl., Tübingen 2011 Braun Insolvenzordnung, 5. Aufl., München 2012 (zit.: Braun/Bearbeiter) Busch/Mäusezahl Restschuldbefreiungsverfahren – was kostet es wirklich, ZVI 2005, 398 – 401 Butenob Kündigungsausschluss bei Wohnungsgenossenschaften – der neue § 67c GenG, ZVI 2014, 129 – 132 Deutscher Anwaltverein Stellungnahme des Deutschen Anwaltverein durch den DAV Insolvenzrechtsausschuss zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze, ZInsO 2005, 32 – 36 Deutscher Richterbund Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, ZInsO 13/2013, III – VI (zit.: DRB, Stellungnahme) Dick Versagungsgründe – aktuelle Rechtslage und Neuregelung durch den Referentenentwurf 2007, ZVI 2007, 123 – 129 Dobmeier Die Behandlung der Vorausabtretungen von Mietzinsen und pfändbaren Arbeitsentgeltansprüchen in der Insolvenz des Zedenten, NZI 2006, 144 – 149 Dornblüth/Pape Ausweitung der ausgenommenen Forderungen des § 302 Nr. 1 InsO ab 1.7.2014, ZInsO 2014, 1625 – 1636 Döbereiner Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, Bielefeld 1997

XXVIII

Literaturverzeichnis

Ehinger/Griesche/Rasch Handbuch Unterhaltsrecht – Ansprüche – Berechnung – Strategien – Verfahren, 6. Aufl., Köln 2010 (zit.: Bearbeiter, in: Ehinger/Griesche/Rasch) Ehlers Die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform – Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, DStR 2013, 1338 – 1345 Enneccerus/Nipperdey Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2 Bde., 15. Aufl., Tübingen 1959 f. Ernst Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, JurBüro 2013, 401 – 406 Flöther/Bräuer Die Abtretung künftiger Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitnehmers. Wirksamkeit und Anfechtbarkeit der (Voraus)Verfügung im Lichte des § 114 I InsO – Normanwendung zu Lasten der par condicio creditorum? NZI 2006, 136 – 144 Förster Restschuldbefreiung – das geht auch anders! ZInsO 2002, 1105 – 1107 Forsblad Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz im künftigen deutschen Insolvenzrecht, Frankfurt/M. 1997 Frind Sicherstellung von Effizienz und Gerechtigkeit der InsO – Notwendige Korrekturen der InsO unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus den Massenverfahren natürlicher Personen aus der Praxis, ZInsO 2003, 341 – 347 Frind Verbraucherinsolvenzverfahren: Dauerbaustelle? Anmerkungen zum Diskussionsentwurf (folgend: DiskE) des BMJ aus praktischer Sicht betreffend die beabsichtigten Änderungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens, ZInsO 2003, 549 – 551 Frind InsO – Quo Vadis? ZInsO 2005, 66 – 68 Frind „Entschuldung light“ – auf dem Rücken der Schuldner und Insolvenzgerichte, ZInsO 2006, 342 – 347 Frind Das neue „Entschuldungsverfahren“ – Eigentor des Gesetzgebers? DRiZ 2006, 193 – 196 XXIX

Literaturverzeichnis

Frind Zwischenruf: Reformstau auf der Dauerbaustelle InsO, ZInsO 2010, 511 – 512 Frind Preiswert ist immer noch nicht gerecht, ZInsO 2010, 1097 – 1102 Frind Praxis-Prüfstand: Die Vorschläge zur Neuordnung des Insolvenzverfahrens natürlicher Personen – Teil 1, ZInsO 2012, 475 – 479, Teil 2, ZInsO 2012, 668 – 677 Frind Ein „schlankes“ neues Privatinsolvenzverfahren? Eine Betrachtung aus insolvenzgerichtlicher Sicht zum RegE vom 18.7.2012 „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“, ZInsO 2012, 1455 – 1461 Frind Praxisprobleme des reformierten Privatinsolvenzverfahrens. Zur praktischen Umsetzung von „Eingangsentscheidung“ und Verkürzung der Restschuldbefreiungszeit, ZInsO 2013, 1448 – 1458 Frind Neue Möglichkeiten zur schnelleren Erlangung der Restschuldbefreiung, BB 2013, 1674 – 1679 Frind Der „auf Halde“ gelegte Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung – Anmerkungen zum praxisgerechten Umgang mit einem gesetzgeberischen Schildbürgerstreich, NZI 2013, 729 – 732 Frind Praxishandbuch Privatinsolvenz, Köln 2014 Frind Anfechtungen im Verbraucherinsolvenzverfahren, ZInsO 2014, 1739 – 1746 Frind Störeinflüsse im Privatinsolvenz-Planverfahren, ZInsO 2014, 280 – 286 Ganter Anmerkung zu BGH vom 26.9.2013, NZI 2013, 969 Gelbe-Haußen Redaktioneller Fehler im Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte in § 303a InsO n. F., ZInsO 2014, 1375 – 1376

XXX

Literaturverzeichnis

Gerhardt Inkongruenz von Leistungen zur Abwendung eines angedrohten Insolvenzantrages – Ein langer abwechslungsreicher Weg zu einem problematischen Ergebnis, in: Haarmeyer/Hirte/Kirchhof/v. Westphalen (Hrsg.), Verschuldung, Haftung, Vollstreckung, Insolvenz, Festschrift für Gerhardt Kreft, S. 267 – 278 (zit.: Gerhard, FS Kreft) v. Gleichenstein „Freigabe der selbstständigen Tätigkeit“ und Zahlungspflicht des Schuldners gem. § 35 Abs. 2, § 295 Abs. 2 InsO, ZVI 2013, 409 – 423 Gold Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren versus pacta sunt servanda- Solidarität versus Subsidiarität und Eigenverantwortung – Wann und unter welchen Voraussetzungen ist es gerechtfertigt, zahlungsunfähigen Privatpersonen wieder ein Leben ohne Schulden zu ermöglichen, und wann ist an einer Haftung für Schulden ohne Ende festzuhalten? Hamburg 2006 Gottwald (Hrsg.) Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., München 2010 (zit.: Gottwald/Bearbeiter) Graeber Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 4. Das Ende der § 313 InsO-Nur-Treuhänder? Insbüro 2013, 339 – 341 Graeber Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, Teil 8, Änderungen des Vergütungsrechts für Treuhänder bzw. Verbraucherinsolvenzverwalter ab dem 1.7.2014, Insbüro 2014, 3 – 6 Graf-Schlicker Analysen und Änderungsvorschläge zum neuen Insolvenzrecht – Eine zusammenfassende Darstellung des Berichtes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur 71. Konferenz der Justizministerinnen und -minister in Potsdam, WM 2000, 1984 – 1994 Graf-Schlicker (Hrsg.) Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., Köln 2014 (zit.: Graf-Schlicker/Bearbeiter) Graf-Schlicker Insolvenzrechtsreform 2014 – aus dem Blickwinkel des Gesetzgebungsverfahrens, ZVI 2014, 202 – 205 Graf-Schlicker/Remmert Das neue Insolvenzrecht auf dem Prüfstand. Zum Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“, ZInsO 2000, 321 – 327

XXXI

Literaturverzeichnis

Grote Die Berücksichtigung vorrangiger Entgeltabtretungen im Verbraucherinsolvenzverfahren, ZInsO 1999, 31 – 35 Grote Paradox: Der Zwang des Verbraucherschuldners zu Verhandlungen mit den Gläubigern verhindert außergerichtliche Einigungen, ZInsO 2001, 17 – 19 Grote Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung: Nulllösungen von unnötigen Verfahrensaufwänden befreien, Kurzbericht über eine Diskussionsveranstaltung der Unterarbeitsgruppe des DAV vom 31.1.2003, ZInsO 2003, 207 Grote Fresh start für natürliche Personen – materiellrechtliche oder insolvenzrechtliche Lösung, in: Gerhardt/Haarmeyer/Kreft (Hrsg.), Insolvenzrecht im Wandel der Zeit, Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, Köln 2003, S. 149 – 163 (zit.: Grote, FS Kirchhof) Grote Zur Abführungspflicht des Selbstständigen gem. § 295 Abs. 2 InsO in der Wohlverhaltensperiode, ZInsO 2004, 1105 – 1112 Grote Baukasten Restschuldbefreiung und das Licht am Ende des Tunnels, ZInsO 2006, 119 – 125 Grote Verbraucherinsolvenz und Entschuldungsverfahren: Neuer Regierungsentwurf – Eine erste Einschätzung der wichtigsten Änderungen, ZInsO 2010, 918 – 921 Grote Festliche Gedanken zur unglücklichen Vorschrift des § 114 Abs. 1 InsO, ZInsO 2010, 1974 – 1978 Grote § 35 Abs. 2 und § 295 Abs. 2 InsO – Echte oder scheinbare Probleme nach der Freigabe der Selbständigkeit, ZInsO 2011, 1489 – 1494 Grote Verbraucherentschuldung durch Planlösungen, in: Grote/Obermüller/ Pape (Hrsg.), Insolvenz und Sanierung – auf der Dauerbaustelle geht es weiter, Festschrift für Hans Haarmeyer, Köln 2013, S. 87 – 94 (zit.: Grote, FS Haarmeyer) Grote Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 2, Inkrafttreten und Überleitungsvorschrift – Lohnt es sich zu warten? Insbüro 2013, 195 – 196 XXXII

Literaturverzeichnis

Grote Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, Teil 3, Schutz für Mitglieder von Wohnungsbaugenossenschaften, Insbüro 2013, 296 – 298 Grote Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 9, Vorzeitige Restschuldbefreiung nach 3 oder 5 Jahren? Insbüro 2014, 47 – 52 Grote Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 11, Insolvenzplanverfahren für Verbraucher? Teil 1, Insbüro 2014, 203 – 207 Grote Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 12, Insolvenzplanverfahren für Verbraucher? Teil 2, Insbüro 2014, 252 – 257 Grote/Heyer Gesetzentwurf – Alternativentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung zur Regelung der Entschuldung mittelloser Personen, ZVI 2006, 528 – 543, nahezu deckungsgleich mit ZInsO 2006, 1138 – 1157 Grote/Müllers Rückflüsse an die Staatskasse bei der Kostenstundung in Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, ZInsO 2006, 187 – 190 Grote/Pape Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze, ZInsO 2004, 993 – 1005 Grote/Pape Der Referentenentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und Stärkung der Gläubigerrechte, ZInsO 2012, 409 – 426 Grote/Pape Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und Stärkung der Gläubigerrechte – Bemerkungen zu dem Regierungsentwurf, ZInsO 2012, 1913 – 1921 Grote/Pape Endlich: Die Reform der Verbraucherinsolvenz – lohnte das den Aufwand? AnwBl 2013, 601 – 614 Grote/Pape Das Ende der Diskussion? Die wichtigsten Neuregelungen zur Restschuldbefreiung, ZInsO 2013, 1433 – 1448

XXXIII

Literaturverzeichnis

Grote/Pape Endlich: Die Reform der Verbraucherinsolvenz- lohnte das den Aufwand? Die Details zählen: Das neue Verfahren zur Restschuldbefreiung, AnwBl 2013, 601 – 614 Grund Anmerkung zu LG Düsseldorf vom 23.10.2012, NZI 2012, 971 – 972 Haarmeyer/Huber/Schmittmann (Hrsg.) Praxis der Insolvenzanfechtung, Köln 2013 (zit.: Bearbeiter, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Insolvenzanfechtung) Haarmeyer/Wutzke/Förster Insolvenzordnung, 2. Aufl., Köln 2012 (zit.: HWF/Bearbeiter) Hackling Die Bescheinigung durch geeignete Personen oder Stellen über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung ohne Mitwirkung an der Einigung, ZVI 2006, 225 – 229 Harder Die geplante Reform des Verbraucherinsolvenzrechts, NZI 2012, 113 – 119 Harder Insolvenzplan für alle? – Die Reform der außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigung, NZI 2013, 70 – 76 Harder Die Obliegenheit des selbstständigen Schuldners gem. § 295 II InsO, NZI 2013, 521 – 528 Hartenbach Stellungnahme des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Justiz Alfred Hartenbach v. 15.11.2002 zum Aufruf deutscher Insolvenzrichter und -rechtspfleger zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte und der Insolvenzordnung, ZInsO 2002, 949 f. Häsemeyer Insolvenzrecht, 4. Aufl., Köln 2007 Heicke Die Zukunft der Sperrfristrechtsprechung, NZI 2012, 873 – 875 Heicke Die Erwerbsobliegenheit des unselbstständigen Schuldners gem. § 295 I Nr. 1 InsO, VIA 2013, 49 – 51

XXXIV

Literaturverzeichnis

Heicke Die Modifikationen des § 290 InsO durch die Insolvenzrechtsreform, VIA 2014, 49 – 51 Heinze Die Finanzierung des neuen Entschuldungsverfahrens, DZWIR 2007, 283 – 284 Heinze Anmerkung zu BGH vom 18.4.2013, DZWIR 2013, 386 – 389 Heinze Die Verwertung von Lohnabtretungen als Kreditsicherheit von Banken, ZInsO 2013, 2401 – 2411 Hellmich Die Entschuldung mittelloser Personen und die Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahrens – Stand der Diskussion, ZInsO 2007, 739 – 743 Helmke Der Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder, die Zahlungsmoral unterhaltspflichtiger Eltern und der Rückgriff des Staates bei nicht zahlungsbereiten Eltern, FPR 2005, 483 – 485 Henckel Rezension, ZZP 97 (1984), 105 – 114 Henckel Insolvenzanfechtung, in: Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e. V., Köln (Hrsg.), Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., Herne u. a. (zit.: Bearbeiter, in: KS) Henning Nachtreffen 16./17.3.2003 zur Veranstaltung Berlin v. 31.1.2003, ZInsO 2003, 787 – 788 Henning Aktuelles zu Überschuldung und Insolvenzen natürlicher Personen, ZInsO 2004, 585 – 594 Henning Die Änderungen in den Verfahren der natürlichen Personen durch die Reform 2014, ZVI 2014, 7 – 17 Henning Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens gem. § 300 InsO n. F. – aus Schuldnersicht, ZVI 2014, 219 – 222 Hentrich/Hollik Die vorzeitige Restschuldbefreiung im Verbraucherinsolvenzverfahren – Eine Feldstudie, ZInsO 2014, 1637 – 1642

XXXV

Literaturverzeichnis

Hergenröder Entschuldungsmodell statt Verbraucherinsolvenz bei Masselosigkeit. Der Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen und zur Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, DZWIR 2006, 265 – 275 Hergenröder Modifizierte Verbraucherinsolvenz bei Massehaltigkeit, DZWIR 2006, 441 – 450 Hergenröder Die Anerkennung geeigneter Stellen nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO, ZVI 2007, 448 – 455 Hergenröder Die Reform des Verfahrens zur Entschuldung natürlicher Personen, KTS 2013, 385 – 422 Hergenröder/Hohmann Die Reform der Verbraucherentschuldung: der nächste untaugliche Versuch, ZVI 2013, 91 – 96 Herresthal Die Kündigung von Girokonten durch private Banken nach dem Recht der Zahlungsdienstleistungen, WM 2013, 773 – 782 Hess Kommentar zur Konkursordnung, 6. Aufl., Neuwied 1998 (zit.: Hess, KO) Hess Insolvenzrecht, Großkommentar in zwei Bänden, 2. Aufl., Heidelberg u. a. 2013 Heyer Reform des Restschuldbefreiungssystems nach §§ 286 ff. InsO – Restschuldbefreiung bei Masselosigkeit ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ZInsO 2003, 201 – 207 Heyer Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren, Baden-Baden 2004 Heyer 3. Deutscher Insolvenzrechtstag: Widerstand gegen den Gesetzentwurf zum Entschuldungsverfahren, ZVI 2006, 169 – 172 Heyer Reform des Restschuldbefreiungsverfahrens, ZInsO 2005, 1009 – 1116 Heyer Der vorläufige Treuhänder – ein notwendiges Element im neuen Entschuldungsverfahren? ZVI 2008, 98 – 104

XXXVI

Literaturverzeichnis

Heyer Nochmals: problematischer Selbstversuch – außergerichtliche Einigungsversuche durch die Schuldner ohne hinreichende Unterstützung durch Beratungsstellen oder geeignete Personen, ZVI 2011, 41 – 45 Heyer Reform der Verbraucherentschuldung: Übertragung der Zuständigkeit für die Verbraucherinsolvenzverfahren auf den Rechtspfleger, ZVI 2011, 437 – 439 Heyer Der Insolvenzplan im Verbraucherinsolvenzverfahren – gut gemeint, aber schlecht gemacht, ZVI 2012, 321 – 324 Heyer Die qualifizierte Abschlussbescheinigung nach der Insolvenzrechtsreform 2013/2014, ZVI 2013, 214 – 217 Heyer Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis nach § 303 InsO n. F., ZVI 2014, 244 – 247 Heyer Die neuen Formulare für den Verbraucherinsolvenzantrag – nur ein bisschen neu, ZVI 2014, 256 – 257 Heyer/Grote Alternativmodell zum Entschuldungsmodell bei Masselosigkeit – Gegenentwurf zum Entwurf des BMJ und der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Neue Wege zur Restschuldbefreiung“, ZInsO 2006, 1121 – 1122 Hingerl Verkürzung des Verbraucherinsolvenzverfahrens durch Insolvenzplan, ZVI 2012, 258 – 261 Hirte Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BT-Drucks. 17/11268) für den Deutschen Bundestag, ZInsO 2013, 171 – 177 Hofmeister Insolvenzrechtsreform 2014: Kein Hinkelstein, aber jede Menge Schotter im Detail. Anmerkungen aus Sicht der Schuldner- und Insolvenzberatung, ZVI 2014, 247 – 252 Hofmeister/Jäger Kleintransporter statt Sattelschlepper. Das „Wustrauer Modell“ – Ausgangspunkt für eine Reform der Verbraucherentschuldung, ZVI 2005, 180 – 188

XXXVII

Literaturverzeichnis

Holzer Regierungsentwurf zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, ZVI 2007, 393 – 397 Hohmann Die Reform des Rechts der Verbraucherentschuldung zum 1. Juli 2014: Evolution statt Revolution, Teil 1, DGVZ 2014, 137 – 145 Horstkötte Der Insolvenzplan in der gerichtlichen Vorprüfung. 18 Monate Insolvenzplanrecht in der Richterzuständigkeit – § 231 InsO in der Praxis, ZInsO 2014, 1297 – 1312 Jaeger Konkursordnung mit Einführungsgesetzen, 8. Aufl., Berlin 1958 ff. (zit.: Jaeger/Bearbeiter, KO) Jaeger Insolvenzordnung, hrsg. von Henckel und Gerhardt, Berlin u. a. 2004 ff. (zit.: Jaeger/Bearbeiter) Jäger Gläubigerbeteiligung und Gläubigerinteressen im Insolvenzverfahren natürlicher Personen, ZVI 2003, 55 – 61 Jäger Masselose Verbraucherinsolvenzverfahren ohne Verfahrenseröffnung – eine Neubelebung einer „alten“ Idee, ZVI 2005, 15 – 21 Jäger Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen – mehr als nur ein Silberstreif am Horizont, ZVI 2010, 507 – 515 Jäger Schnellere Restschuldbefreiung durch Mindestquote – § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO-RefE 2012 auf dem Prüfstand, ZVI 2012, 142 – 146 Jäger Kein großer Wurf – der Referentenentwurf vom 18. Januar 2012, ZVI 2012, 177 – 189 Jäger Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens gem. § 300 InsO n. F. – aus Gläubigersicht, ZVI 2014, 223 – 227 Janlewing Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbständigen in der Insolvenz, Frankfurt/M. u. a. 2014

XXXVIII

Literaturverzeichnis

Joecks/Miebach (Hrsg.) Münchener Kommentar zur Strafgesetzbuch, 2. Aufl., München 2012 (zit.: MünchKommStGB/Bearbeiter) Kainz Das Scheitern der Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens – Gegenüberstellung der Rechtslage mit den geplanten Änderungen im Referenten- und Regierungsentwurf aus 2007, Hamburg 2010 Kemper Verjährungsmodell für „masselose“ Schuldner – der richtige Weg? ZVI 2006, 42 – 43 Kemper Keine Entschuldung für unbenannte Gläubiger nach dem geplanten Entschuldungsverfahren, ZVI 2006, 434 – 437 Kilger/Karsten Schmidt Insolvenzgesetze, KO/VglO/GesO, 17. Aufl., München 1997 Kirchhof Zwei Jahre Insolvenzordnung – ein Rückblick, ZInsO 2001, 1 – 13 Kirchhof/Eidenmüller/Stürner (Hrsg.) Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., München 2013 (zit.: MünchKommInsO/Bearbeiter) Klaas Fünf Jahre Verbraucherinsolvenz – fünf Jahre sind genug, ZInsO 2004, 577 – 580 Klomfaß Die Reform der Restschuldbefreiung ist da – was wird sich für Kommunalkassen ändern (Teil 1), KKZ 2013, 169 – 173 Köchling Der Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte – Stellungnahme aus Sicht eines Gläubigers, ZInsO 2013, 316 – 321 Koark/du Carrois/Haarmeyer Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung mit Zustimmung der Gläubiger oder Ratingsystem als Alternative zur geplanten Mindestbefriedigungsquote im verkürzten Verbraucherinsolvenzverfahren, ZInsO 2012, 469 – 475 Kohte Schuldenbereinigungsverfahren – ein untauglicher Versuch, ZIP 1994, 184 – 187 Kohte Forderungen und Anforderungen an ein vereinfachtes Restschuldbefreiungsverfahren, ZVI 2005, 9 – 14

XXXIX

Literaturverzeichnis

Kohte Regierungspläne zur Benachteiligung verletzlicher Verbraucher, VuR 2012, 381 – 382 Kohte Verbraucherinsolvenz: Phantasieloses Gesetz und phantasievolle Praxis, VuR 2013, 321 – 322 Kranzusch Zur Reform des Insolvenzrechts im Bereich Restschuldbefreiung laut Regierungsentwurf, ZInsO 2012, 2169 – 2179 Kreft (Hrsg.) Insolvenzordnung, Heidelberger Kommentar, 6. Aufl., Heidelberg u. a. 2011 (zit.: HK-InsO/Bearbeiter, 6. Aufl.) Kreft (Hrsg.) Insolvenzordnung, Heidelberger Kommentar, 7. Aufl., Heidelberg u. a. 2014 (zit.: HK-InsO/Bearbeiter) Krüger/Rauscher (Hrsg.) Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., München 2013 (zit.: MünchKommZPO/Bearbeiter) Kübler/Prütting/Bork (Hrsg.) InsO, Kommentar zur Insolvenzordnung, 5 Bde., Loseblatt, Köln (zit.: Kübler/Prütting/Bork/Bearbeiter) Kuhn/Uhlenbruck Konkursordnung, 11. Aufl., München 1994 Lackmann Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, Teil 13, Neue Herausforderungen für die anerkannten Schuldnerberatungsstellen? Insbüro 2014, 303 – 306 Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender Insolvenzrechtsreform 2. Stufe – die geplanten Änderungen in der Insolvenz natürlicher Personen, ZIP 2012, 558 – 568 Laroche/Siebert Neuerungen bei Versagung und Erteilung der Restschuldbefreiung, NZI 2014, 541 – 547 Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.) Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 12. Aufl., Berlin 2010 (zit.: LK/Bearbeiter) Leibner Das Verhältnis des § 295 Abs. 2 InsO zu § 35 GewO, ZInsO 2002, 61 – 63 Leipold Anmerkungen eines Rechtspflegers in Insolvenzsachen zum Gesetz zur „Verkürzung der Wohlverhaltensphase“, ZInsO 2013, 2052 – 2053 XL

Literaturverzeichnis

Leonhardt/Smid/Zeuner (Hrsg.) Insolvenzordnung, 3. Aufl., Stuttgart 2010 (zit.: LSZ/Bearbeiter) Liceni-Kierstein Beweislast und Beweislastumkehr in Unterhaltsverfahren, FPR 2010, 140 – 145 Lindemann (Un)geklärte arbeitsrechtliche Fragen zur Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 InsO. Zugleich Besprechung von BAG, Urt. v. 21.11.2013 – 6 AZR 979/11, ZInsO 2014, 507, ZInsO 2014, 695 – 702 Lissner Die Reform des Verbraucherinsolvenzrechts – Zuständigkeit des Rechtspflegers unabdingbar, ZVI 2012, 93 – 97 Lissner Die geplante Zuständigkeitsübertragung auf den Rechtspfleger im Rahmen der Verbraucherinsolvenzreform, ZInsO 2012, 681–683 Lütcke Insolvenzanfechtung von im Wege des Bargeschäfts erfolgten Lohnzahlungen, NZI 2014, 350 – 354 Maas Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz beim 11. Deutschen Insolvenzrechtstag am 3.4.2014 in Berlin, Dialog zwischen Praxis und Rechtspolitik, ZInsO 2014, 819 – 821 Marotzke Änderungs- und Ergänzungsbedarf bei § 109 und § 313 InsO – Zu dem am 20.12.2000 beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung, KTS 2001, 67 – 72 Martini Die Totgeburt des außergerichtlichen Einigungsversuchs – Ein Erfahrungsbericht aus der Sicht des Praktikers, ZInsO 2001, 249 – 251 Mattern Die Reformierung des Restschuldbefreiungsverfahrens unter Einbeziehung des Stundungsverfahrens – Erörterung von Problemfeldern und Reformüberlegungen im Restschuldbefreiungsverfahren, Diss. Münster 2006 Mäusezahl DAV-Workshop zu Verfahrensvereinfachungen in den Insolvenzverfahren natürlicher Personen, ZVI 2003, 49 – 55 Mävers Abschied von der InsO? DRiZ 2006, 194

XLI

Literaturverzeichnis

Meier Restschuldbefreiung, Zürich u. a. 2012 Meyer „Regel-Nullis“ in der Zukunft – Konkrete Vorschläge zur Änderung der InsO und deren formularmäßige Umsetzung in der Praxis, ZInsO 2002, 348 – 354 Mohrbutter/Ringstmeier (Hrsg.) Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., Köln u. a. 2007 (zit.: Bearbeiter, in: Mohrbutter/Ringstmeier) Mroß Reform der Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung – neue Aufgaben für Gerichtsvollzieher? DGVZ 2007, 49 – 57 Münzel Sanierender Insolvenzplan: Lähmung durch Konvaleszenz? Zu den Konsequenzen der Entscheidung des BGH v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, ZInsO 2013, 1146, ZInsO 2014, 761 – 768 Musielak Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz, 11. Aufl., München 2014 (zit.: Musielak/Bearbeiter) Napoletano Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung: Fresh Start oder „bürgerlicher Tod“? Rechtspolitische Überlegungen zur Entschuldung natürlicher Personen unter Berücksichtigung ökonomischer Aspekte, Hamburg 2012 Nerlich/Römermann (Hrsg.) Insolvenzordnung, Loseblatt, München (zit.: Bearbeiter, in: Nerlich/Römermann) Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. (NIVD) Stellungnahme der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. (NIVD) zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, ZInsO 2012, 1112 – 1121 Nocke Der Gesetzentwurf zur Reform der Verbraucherinsolvenz – Kürzere Wohlverhaltensphase und Mindestquote, FLF 2012, 157 – 162 Obermüller Kreditsicherheiten in der Verbraucherinsolvenz, ZVI 2012, 146 – 150 Obermüller Das Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz des Kontoinhabers, Insbüro 2013, 180 – 186

XLII

Literaturverzeichnis

Ohle/Jäger Der Referentenentwurf zur Änderung der InsO aus Gläubigersicht, ZVI 2004, 714 – 727 Ohle/Schatz/Jäger Zur Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens – ein schlechtes Entschuldungsmodell und eine gute Alternative, ZVI 2006, 480 – 494 Pape, Gerhard Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Insolvenzsachen seit In-Kraft-Treten der InsO, NJW 2001, 23 – 38 Pape, Gerhard Der (unzulässige) Zwang zur Formularverwendung. Erste Schwierigkeiten bei der Anwendung des amtlichen Vordrucks für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren, ZInsO 2002, 806 – 810 Pape, Gerhard Zulässigkeit von Restschuldbefreiungsversagungsanträgen vor Durchführung des Schlusstermins nach DiskE InsO-ÄndG April 2003, ZVI 2003, 377 – 382 Pape, Gerhard Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung – Erste Anmerkungen zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz, ZInsO 2003, 389 – 396 Pape, Gerhard Von der „Perle der Reichsjustizgesetze“ zur Abbruchhalde, ZInsO 2005, 842 – 844 Pape, Gerhard Ende der Restschuldbefreiung für alle? ZInsO 2006, 897 – 912 Pape, Gerhard Neue Wege zur Entschuldung völlig mittelloser Personen – Stellungnahme zu dem im Januar 2007 vorgelegten „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen und zur Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahrens“, ZVI 2007, 239 – 253 Pape, Gerhard Altbekanntes und Neues zur Entschuldung mittelloser Personen. Anmerkungen zum Regierungsentwurf vom 22.8.2007, NZI 2007, 681 – 687 Pape, Gerhard Sperrwirkung gescheiterter Restschuldbefreiungsversuche im Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, in: Christian Berger/ Godehard Kayser/Klaus Pannen (Hrsg.), Sanierung, Insolvenz, Berufsrecht der Notare und Rechtsanwälte, Festschrift für Hans Gerhard Ganter, München 2010, S. 315 – 338 (zit.: Pape, FS Ganter) XLIII

Literaturverzeichnis

Pape, Gerhard Zum Fortgang der Arbeiten auf der Dauerbaustelle InsO, ZInsO 2011, 1 – 10 Pape, Gerhard Verbraucherinsolvenz 2012, gefühlter und tatsächlicher Reformbedarf, ZVI 2012, 150 – 155 Pape, Gerhard Die neue Rechtsprechung des BGH zu § 295 Abs. 2 InsO und ihre Auswirkungen auf die Praxis – Teil 1, Insbüro 2013, 299 – 304 Pape, Gerhard Fortfall der Zweistufigkeit bei den RSB-Versagungsgründen, § 297a InsO n. F., ZVI 2014, 234 – 239 Pape, Gerhard Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, Teil 13, Neuregelung des asymmetrischen Verfahrens im Gesetz zur Verkürzung des Insolvenzverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, Insbüro 2014, 299 – 303 Pape, Gerhard/Grote, Hugo Das neue Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren. Was die lange überfällige Reform bringt – und ob sie Sinn macht, AnwBl 2012, 507 – 516 Pape, Gerhard/Schaltke, Olaf Bestreiten des Versagungsgrunds durch den Schuldner im Schlusstermin, NZI 2011, 238 – 243 Pape, Gerhard/Uhländer, Christoph (Hrsg.) NWB Kommentar zum Insolvenzrecht. Praktikerkommentar mit Schwerpunkt zum Steuerrecht, Herne 2013 (zit.: Pape/Uhländer/Bearbeiter) Pape, Irmtraut Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der InsO – Anmerkungen zu den geplanten Neuregelungen, NZI 2004, 601 – 607 Pape, Irmtraut/Pape, Gerhard Vorschläge zur Reform des Insolvenzverfahrens, insbesondere des Verbraucherinsolvenzverfahrens – Zugleich eine Stellungnahme zu den Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“, ZIP 2000, 1553 – 1564 Pape, Irmtraut/Pape, Gerhard Entwicklung der Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren in den Jahren 2011 und 2012 – Teil 2.1, ZInsO 2013, 685 – 706

XLIV

Literaturverzeichnis

Pech Die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse. Konsequenzen und Probleme des § 35 InsO, Frankfurt/M. u. a. 1999 Pfeffer Restschuldbefreiungsantrag und Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts, ZVI 2004, 232 – 233 Praß Reform 2014: Der Herkunftsnachweis nach § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO, ZVI 2014, 170 – 175 Prütting/Gehrlein ZPO Kommentar, 6. Aufl., Köln 2014 (zit.: PG/Bearbeiter) Prütting/Wegen/Weinreich BGB Kommentar, 9. Aufl., Köln 2014 (zit.: PWW/Bearbeiter) Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Berlin 2010 (zit.: Rauscher/Bearbeiter, EuZPR/EuIPR, 2010) Rendels/Zabel Insolvenzplan, Köln 2013 Reill-Ruppe Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens – Rechtssoziologische Untersuchung zum Prozess der Implementation eines insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiungsverfahrens anhand empirischer Ergebnisse, Baden-Baden 2013 Rein Neue Aufgaben für die Schuldnerberatungsstellen: Wer zahlt die Zeche? NZI 4/2014, V Rein Der Insolvenzplan im Verbraucherinsolvenzverfahren, ZVI 2014, 239 – 244 Reinfelder Aktuelles zur Insolvenz des Arbeitnehmers, NZA 2014, 633 – 637 Renger Wege zur Restschuldbefreiung nach dem Insolvency Act 1986, Frankfurt/M. u. a., 2012 Ritter Die neue 25 %-Quote zur Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase – geht die Reform ins Leere? ZVI 2013, 135 – 136 Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht, 17. Aufl., München 2010

XLV

Literaturverzeichnis

Rothammer Die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung – Probleme und Lösungen, Frankfurt/M. 2008 Ruby Schuldbefreiung durch absolute Anspruchsverjährung – Alternativvorschlag zum Restschuldbefreiungsverfahren der neuen Insolvenzordnung, Frankfurt/M. 1997 Rugullis Schuldenbereinigungsplan und Insolvenzplan – ein Rechtsfolgenvergleich, NZI 2013, 869 – 874 Runkel Probleme bei Neuerwerb in der Insolvenz, in: Prütting/Vallender, Insolvenzrecht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Wilhelm Uhlenbruck, Köln 2000, S. 315 – 333 (zit.: Runkel, FS Uhlenbruck) Runkel (Hrsg.) Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 2. Aufl., Köln 2008 (zit.: Bearbeiter, in: Runkel, AHB Insolvenzrecht) Sabel Änderungen des Insolvenzrechts im Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der InsO, des BGB und anderer Gesetze, ZIP 2003, 781 – 788 Säcker/Rixecker (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2012 ff. (zit.: MünchKommBGB/Bearbeiter) Sander Zur (Un-)Anwendbarkeit von § 114 InsO auf Honorare von Kassenärzten, ZInsO 2003, 1129 – 1133 Schäfer Insolvenzanfechtung anhand von Rechtsprechungsbeispielen, 4. Aufl., Köln 2013 Schmerbach Änderungsbedarf im Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren, ZInsO 2003, 253 – 258 Schmerbach InsO-Änderungsgesetz 2005 – Ein Ausblick, ZinsO 2004, 697 – 702 Schmerbach Strukturreform InsO, ZInsO 2005, 77 – 82 Schmerbach Die geplante Entschuldung völlig mittelloser Personen, NZI 2007, 198 – 203

XLVI

Literaturverzeichnis

Schmerbach Konkrete Änderungsvorschläge zum Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, NZI 2007, 710 – 712 Schmerbach Keine nachträgliche Geltendmachung von Versagungsgründen im Beschwerdeverfahren, NZI 2009, 42 – 43 Schmerbach Das Ende der Abführungspflicht bei Selbstständigen? NZI 2009, 469 – 470 Schmerbach Versagungsgründe außer Rand und Band, NZI 2009, 677 – 679 Schmerbach Leitlinien einer Reform der Insolvenzverfahren natürlicher Personen, NZI 2011, 131 – 134 Schmerbach RefE 2012: Geplante Änderungen im Restschuldbefreiungsverfahren und Vollübertragung auf den Rechtspfleger, NZI 2012, 161 – 168 Schmerbach Ausweitung der Erwerbspflicht des Schuldners auf das eröffnete Verfahren – Startschuss für einheitliche Versagungsgründe? ZVI 2012, 155 – 160 Schmerbach Vereinfachung des Restschuldbefreiungsverfahrens, ZInsO 2012, 916 – 918 Schmerbach Der Regierungsentwurf vom 18.7.2012 – Änderungen im Insolvenzverfahren natürlicher Personen, NZI 2012, 689 – 694 Schmerbach Änderungen im Insolvenzverfahren natürlicher Personen – Der Regierungsentwurf vom 18.7.2012, VIA 2012, 57 – 60 Schmerbach Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 7, Das neue Recht der Versagung, Insbüro 2013, 471 – 476 Schmerbach Übersicht über den Verfahrensablauf in den ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren natürlicher Personen, NZI 2014, 553 – 554 Schmerbach Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte – Ende gut, alles gut? NZI 2013, 566 – 573

XLVII

Literaturverzeichnis

Schmerbach Kosten bei vorzeitiger Erteilung der RSB nach drei Jahren gem. § 300 InsO nF und beim Insolvenzplan, NZI 2014, 554 – 555 Schmerbach/Semmelbeck Zwölf offene Fragen zur Reform der Privatinsolvenzen, NZI 2014, 547 – 552 Schmidberger Die zweite Stufe der Reform des Insolvenzrechts – Analyse und Anregungen, Rpfleger, 2012, 297 – 304 Schmidt, Andreas (Hrsg.) Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl., Köln 2012 (zit.: HambK/Bearbeiter) Schmidt, Andreas Was wird aus der Sperrfrist-Rechtsprechung des BGH? ZVI 2014, 211 – 214 Schmidt, Karsten (Hrsg.) Insolvenzordnung, 18. Aufl., München 2013 (zit.: Karsten Schmidt/Bearbeiter) Schmittmann Reform der Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren – Teil 10. Die Neufassung der Deliktsforderungen in § 302 InsO, Insbüro 2014, 159 – 162 Schöttler/Siebert Änderungsbedarf der Versicherung zum Restschuldbefreiungsantrag in den neuen Verbraucherinsolvenzantragsformularen, NZI 2014, 681 – 683 Scholz-Schulze/Graeber Checkliste der durch die Insolvenzgerichte zu beachtenden Änderungen ab dem 1.4.2014, ZInsO 2014, 587 – 592 Schuschke/Walker (Hrsg.) Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., Köln 2011 (zit.: Schuschke/Walker/Bearbeiter) Schwarz/Brockmann Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger gem. § 213 InsO – Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BGH zur unlauteren Herbeiführung eines Insolvenzplans durch Stimmenkäufe, ZInsO 2014, 1368 – 1371 Semmelbeck Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen im Genossenschaftsgesetz, ZInsO 2013, 1785 – 1786

XLVIII

Literaturverzeichnis

Semmelbeck Auskunftsanspruch des Schuldners im Rahmen des § 300 I 2 InsO, VIA 2014, 57 – 60 Siebert Geplante Änderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren, VIA 2012, 17 – 19 Sinz/Hiebert/Wegener Verbraucherinsolvenz und Insolvenz von Kleinunternehmen, 3. Aufl., Köln 2014 Springeneer Reform des Verbraucherinsolvenzrechts: Das schwierige Unterfangen, Null-Masse-Fälle ohne Systembrüche neu zu regeln, ZVI 2006, 1 – 14 Springeneer Nachbesserungsbedarf bei der Konzeption eines Entschuldungsverfahrens, ZVI 2008, 106 – 111 Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Berlin (zit.: Staudinger/Bearbeiter, Jahr) Stein/Jonas Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., Tübingen 2002 ff. (zit.: Stein/Jonas/Bearbeiter) Stephan Die Umgestaltung des Einigungsversuchs und weitere Änderungen im Insolvenzverfahren natürlicher Personen durch den Diskussionsentwurf InsO-Änderung 2003, ZVI 2003, 145 – 152 Stephan Das InsO-Änderungsgesetz 2005 – Die geplanten Neuerungen im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze, NZI 2004, 521 – 533 Stephan InsO-Änderungsgesetz 2005, ZVI 2004, 505 – 512 Stephan Die Reform des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens, NZI 2006, 671 – 677 Stephan Der vorläufige Treuhänder im Regierungsentwurf zur Entschuldung mittelloser Personen, ZVI 2007, 441 – 447 Stephan Anmerkung zu BGH vom 16.7.2009, VIA 2009, 3 – 4

XLIX

Literaturverzeichnis

Stephan Die Reform des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens, VIA 2011, 25 – 27 Stephan Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, ZVI 2012, 85 – 92 Stephan Die Streichung der §§ 307 bis 310 InsO im Regierungsentwurf vom 18.7.2012, VIA 2012, 65 – 67 Stephan Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch den Insolvenzplan, VIA 2014, 25 – 27 Stephan Der Insolvenzplan im Verbraucherinsolvenzverfahren, Kassel, 2014 Stephan Die Erwerbsobliegenheit des Schuldners ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ZVI 2014, 214 – 218 Stephan Die „vergessenen Gläubiger“ im Verbraucherinsolvenzplan, NZI 2014, 539 – 541 Sternal Die Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahr 2009, NZI 2010, 457 – 466 Stölzel Mit Kurs und Kompass? InDat-Report 8/2012, 40 – 43 Streck Die Eingangsentscheidung gem. § 287a InsO- mehr Arbeit für Gerichte und Verwalter? ZVI 2014, 205 – 210 Thole Die Anfechtbarkeit von Vollstreckungsmaßnahmen und sog. Druckzahlungen – de lege lata und de lege ferenda. Zugleich ein Beitrag zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung, DZWIR 2006, 191 – 196 Thomas/Putzo Zivilprozessordnung, 35. Aufl., München 2014 (zit.: Thomas/Putzo/Bearbeiter) Trendelenburg Restschuldbefreiung, Baden-Baden 2000 Triebiger Die InsO, besser als ihr Ruf? ZInsO 2010, 449 – 459

L

Literaturverzeichnis

Uhlenbruck/Hirte/Vallender (Hrsg.) Insolvenzordnung, 13. Aufl., München 2010 (zit.: Uhlenbruck/Bearbeiter) Vallender Brauchen wir ein Entschuldungsverfahren? Überlegungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen und zur Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, NZI 2006, 279 – 281 Vallender Erfolg beim dritten Anlauf? Der Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, NZI 2007, 617 – 622 Vallender Chance verpasst, NZI 13/2014, V Vallender Die originäre Anfechtungsbefugnis des Insolvenzverwalters im reformierten Verbraucherinsolvenzverfahren, NZI 2014, 535 – 539 Vallender/Fuchs Ein großer Wurf? – Anmerkungen zum Diskussionsentwurf des BMJ, NZI 2003, 292 – 301 Vallender/Laroche 13 Jahre sind genug! – Plädoyer für die Abschaffung des (eigenständigen) Verbraucherinsolvenzverfahrens, VIA 2012, 9 – 11 Wagner Überlegungen zur Struktur eines Entschuldungsverfahrens, ZVI 2005, 173 – 180 Waltenberger Die neue Zulässigkeitsentscheidung des Restschuldbefreiungsantrags und die von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen, ZInsO 2013, 1458 – 1463 Waltenberger Die vorzeitige Restschuldbefreiung und Problemfälle zum „neuen“ § 300 InsO, ZInsO 2014, 808 – 814 Wedekind Anmerkung zu BGH vom 11.2.2010, VIA 2010, 35 – 36 Wegener/Köke Der Bestand der Forderungszession niedergelassener Ärzte in der Insolvenz, ZVI 2003, 382 – 386 Weiß Die Versagung der Restschuldbefreiung bei strafrechtlichen Verurteilungen, ZInsO 2012, 1058 – 1065

LI

Literaturverzeichnis

Wieczorek/Schütze (Hrsg.) Zivilprozessordnung und Nebengesetze, Berlin 2013 ff. (zit.: Wieczorek/Schütze/Bearbeiter) Wiedemann Brauchen wir eine Reform der Verbraucherentschuldung? ZVI 2004, 645 – 655 Wimmer (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl., Köln 2013 (zit.: FK-InsO/Bearbeiter) Wimmer (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., Köln 2014 (zit.: FK-InsO/Bearbeiter, 8. Aufl.) Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl (Hrsg.) Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 6. Aufl., Köln 2014 (zit.: FA-InsR/Bearbeiter) Wittig Insolvenzordnung und Konsumentenkredit, Teil II, WM 1998, 209 – 225 Wolf/Neuner Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl., München 2012 Woltersdorf Lehren aus dem Haifischbecken, InDat-Report 2014, 24 – 27 Zöller Zivilprozessordnung, 30. Aufl., Köln 2014 (zit.: Zöller/Bearbeiter) Zurlinden Reform der Restschuldbefreiung, Göttingen 2007

LII

A. Reformdiskussion I. Privatinsolvenzrecht mit unvollständigem Konzept 1. Kodifikatorische Defizite Das Insolvenzrecht natürlicher Personen steht seit vielen Jahren unter dem 1 Eindruck wiederholter Reformbemühungen und gesetzgeberischer Anläufe. Tages- und finanzpolitische Bedürfnisse, aber auch einzelne laute Stimmen, haben der Diskussion immer wieder veränderte, teilweise sogar vollkommen neue Richtungen gegeben. Vielleicht auch dadurch bedingt hat sich die Vorstellung einer bislang bestehenden unvollkommenen und deswegen korrekturbedürftigen gesetzgeberischen Kodifikation des Insolvenzrechts natürlicher Personen verfestigt, wobei die Mängelbefunde angesichts der kontroversen Vorhaben offenbar deutlich voneinander abweichen. Wichtiger für das Reformbedürfnis als diese eher schwankenden und vielleicht situativen Entwicklungen und Wahrnehmungen, sind demgegenüber die strukturellen Anlagen und teils auch Schwächen des Insolvenzrechts natürlicher Personen. Das Privatinsolvenzrecht ist ein spätgeborenes Kind der Insolvenzrechtsre- 2 form und steht deswegen nicht in einer derart langen, ununterbrochenen Traditionslinie, wie das Unternehmensinsolvenzrecht.1) Zudem ist seine Entwicklung nicht stets kontinuierlich, sondern teilweise durchaus sprunghaft, partiell auch spontan und damit ohne breiten Diskussionsprozess mit dem dadurch möglichen Erkenntnisgewinn verlaufen. So wurden bei der parlamentarischen Beratung der Insolvenzordnung wesentliche Bauelemente erst kurzfristig in die insolvenzrechtliche Architektur eingefügt. Der neunte Teil der Insolvenzordnung über das Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren beruht vollständig auf den Beschlüssen des Rechtsausschusses bei der Beratung der Insolvenzordnung.2) Wegen der teilweise etwas flüchtigen Normierung ist immer wieder um die Ausgestaltung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gerungen worden. Im Verlauf des jetzt verabschiedeten Reformvorhabens schwankten die Ma- 3 terialien etwa zwischen einem gestärkten außergerichtlichen Einigungsversuch durch ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 305a RefE 20123) und einer Aufhebung der §§ 307 – 311 InsO.4) Letztlich wurden beide Vorschläge nicht realisiert. Gestrichen werden dagegen die §§ 311 – 314 InsO. Hinter diesen wechselvollen Vorschlägen steht wohl eine immer noch nicht ausgereifte gesetzgeberische Vorstellung davon, welche Aufgaben und Anforderungen ein Insolvenzverfahren für wirtschaftlich nicht selbständig er___________ 1) 2) 3) 4)

Zu den Entwicklungen jetzt Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit, S. 132 ff. BT-Drucks. 12/7302, S. 132 ff. ZInsO 2012, 69. BT-Drucks. 17/11268, S. 9.

1

A. Reformdiskussion

werbstätige Personen zu erfüllen hat. Darin erweist sich die fehlende Standfestigkeit sowohl der Kodifikation als auch mancher Reformerwägungen. 4 Obwohl das Institut der Restschuldbefreiung einen Meilenstein in der Entwicklung des sozialen Rechtsstaats bildet5) und inzwischen weithin anerkannt ist, mussten wiederholt Diskussionen über die Konzeption der Schuldbefreiung geführt werden (dazu Rn. 25 ff.). Einige kodifikatorische Schwächen wurden im Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.20016) beseitigt, etwa mit dem Institut der Kostenstundung nach den §§ 4a ff. InsO und der in § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO abgekürzten und vorgezogenen Laufzeit der Abtretungserklärung. Als positiv festzuhalten bleibt, dass die Restschuldbefreiung gegenwärtig nicht mehr prinzipiell in ihrem Bestand gefährdet ist. Mit dem Instrument einer verkürzten Verfahrensdauer aus § 300 InsO und dem Evaluationsauftrag in § 107 EGInsO hat der Gesetzgeber ein klares Bekenntnis zugunsten der allgemeinen gesetzlichen Schuldbefreiung abgelegt. 5 Dieser Befund darf aber nicht über die bestehenden prinzipiellen Unsicherheiten hinwegtäuschen, die etwa durch die unterschiedlichen Anläufe zur Veränderung der Versagungsverfahren und die jetzt erfolgten tiefgreifenden Veränderungen in der Struktur des Restschulbefreiungsverfahrens zum Ausdruck kommen. Über viele Jahre hinweg wurden zumeist einseitig gegen eine effektive Restschuldbefreiung gerichtete Gesetzgebungsvorschläge eingebracht. Obwohl diese Vorschläge regelmäßig abgelehnt wurden und damit jeweils zu einem vielleicht nicht geringen Teil zum Scheitern beigetragen haben, wurden sie weithin unbekümmert erneut oder geringfügig modifiziert vorgestellt. Darin erweist sich dann doch eine nicht geringe Distanz gegenüber einer wirkungsvollen Restschuldbefreiung. 2. Modellbildung 6 Bereits in dieser begrenzten Perspektive werden manche Schwächen der Novelle und mehr noch der Reformdiskussion deutlich. Die jeweiligen Ansatzpunkte und Änderungen werden häufig aus einer kleinteiligen Wahrnehmung ohne systematischen Blick gerade auch auf die prinzipiellen Leitlinien verfolgt. Dahinter steht eine oft unzureichende Vorstellung der Aufgaben und Leistungen des Privatinsolvenzrechts. Ein Ziel der Restschuldbefreiung bildet, die insolvenzrechtliche Ungleichbehandlung natürlicher Personen gegenüber Unternehmen zu beseitigen oder zumindest zu begrenzen.7) Mit guten Gründen wird angenommen, dass auch unter dem bislang geltenden Recht natürliche Personen wesentlich stärker haften als juristische Personen.8) Durch das verschärfte Versagungsverfahren, etwa der §§ 290 Abs. 1, 2 Satz 1 ___________ 5) 6) 7) 8)

2

Ahrens, ZVI 2012, 122; Henning, ZVI 2014, 7, 8. BGBl. I S. 2710. AGR/Ahrens, § 1 Rn. 16. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 17 Rn. 2.

I. Privatinsolvenzrecht mit unvollständigem Konzept

1. Halbs. 297a InsO und die erweiterten Ausnahmetatbestände in § 302 Nr. 1 InsO, wird diese Diskrepanz noch verstärkt. Zudem wird das Insolvenzrecht natürlicher Personen häufig auf das Verbrau- 7 cherinsolvenzrecht verengt. Abgesehen von den punktuellen Regelungen der §§ 35 Abs. 2, 3, 295 InsO fehlt ein breites aufgestelltes Modell des Insolvenzverfahrens selbständig wirtschaftlich erwerbstätiger Personen. Zu welchen Schwierigkeiten die wenig abgestimmten Bestimmungen führen, erweist sich etwa bei der Konvaleszenz von Sicherungsabtretungen nach einer Negativerklärung9) oder den Unterhaltsansprüchen gegen den Schuldner.10) Auch steht es in einem fühlbaren terminologischen Abstand zu dem als Regelinsolvenzverfahren bezeichneten Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Unternehmensträgers. Aus dieser sachlichen Schwäche ist das Insolvenzverfahren natürlicher Personen noch nicht hinreichend vitalisiert worden. Als Kernbereich des Privatinsolvenzrechts bildet die Restschuldbefreiung das 8 sichtbarste Zeichen eines Strukturwandels, mit dem das Insolvenzrecht aus seiner einseitigen Ausrichtung auf haftungsrechtliche und unternehmensbezogene Ziele gelöst wird.11) Schuldbefreiende Regelungsmuster gehen notwendigerweise mit Einschnitten in materielle Gläubigerrechte einher. Diese formalisierte prozedurale Struktur einer einseitig zu erlangenden gesetzlichen Schuldbefreiung wird immer noch nicht hinreichend erkannt. Wiederholt wird ihr mit unpassend moralisierenden oder gar gefühligen Einwendungen entgegengetreten, wie dem Hinweis auf den Unwertgehalt der Sperrfristgründe12) oder auf eine ungerechte Situation13). Es stellt deswegen weniger einen gerechten Ausgleich als vielmehr eher einen 9 dialektischen Widerspruch dar, wenn die materielle Schwächung des Forderungsrechts durch eine besondere verfahrensrechtliche Stärkung der Gläubigerbefugnisse kompensiert werden soll. Zweifellos bedarf es einer sorgfältigen Detailanalyse über die erforderlichen Schutzmaßnahmen für die konträren Interessen. Es greift aber zu kurz, vom Eingriff in das materielle Gläubigerrecht auf eine kompensatorisch erforderliche starke Verfahrensposition der Gläubiger zu schließen. So führt die fehlende Einigungsbereitschaft mancher Gläubiger in Nullmasseverfahren dazu, viele kostenaufwändige und langwierige Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren ohne Ertrag für die Gläubiger durchzuführen. Im Unternehmensinsolvenzrecht hat der Gesetzgeber die Konsequenzen ge- 10 zogen und den Einfluss der Gläubiger weitgehend ausgeschaltet,14) um ein ___________ 9) Ahrens, NJW-Spezial 2014, 85. 10) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbständigen in der Insolvenz, S. 37 ff. 11) Ahrens, ZZP 122, 2009, 133, 134 ff. 12) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 13) BT-Drucks. 17/11268, S. 15. 14) Explizit Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270b Rn. 14.

3

A. Reformdiskussion

funktionierendes Sanierungsinstrument zu schaffen. Selbstverständlich können nicht einfach die Mechanismen aus der Unternehmensinsolvenz auf die Privatinsolvenz übertragen werden. Während es dort um ein qualitatives Konzept geht, müssen hier auch quantitative Systeme bestehen können. Dies gelingt freilich nur, wenn der Sanierungs- bzw. Schuldbefreiungsgedanke nicht unterminiert wird. Letztlich erweist sich am geschwächten Gläubigereinfluss in der Unternehmensinsolvenz und an den, ausweislich des Gesetzestitels, gestärkten Gläubigerrechten in der Privatinsolvenz die gesetzgeberische Ungleichbehandlung beider Materien im Bereich der Haftungsrealisierung. 11 Zugleich muss der besondere normative Gehalt des Privatinsolvenzrechts bei der Bestimmung der Insolvenzmasse beachtet werden. Mit der erforderlichen Sicherung des Lebensbedarfs des Schuldners weicht das Insolvenzrecht natürlicher Personen prinzipiell von der Unternehmensinsolvenz ab. In einem signifikanten Unterschied muss der existenzielle Bedarf des Schuldners und seiner Unterhaltsberechtigten gedeckt werden können, §§ 36 Abs. 1 Satz 1, 2, 292 Abs. 1 Satz 3 InsO.15) Welche Schwierigkeiten daraus resultieren können, erweist sich etwa, wenn der Schuldner aus seinem pfändungsfreien Arbeitseinkommen Beträge, etwa für größere Ausgaben, auf einem nicht pfändungsgeschützten Konto ansparen will, weil diese nach einer wenig überzeugenden Rechtsprechung des BGH dem Insolvenzbeschlag unterliegen.16) Außerdem muss das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters sachgerecht auf massezugehörige Gegenstände begrenzt werden. Auch gilt es, die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit des Schuldners zu sichern, vgl. § 35 Abs. 2 InsO. Schließlich ist die existenzielle Bedeutung des Wohnraums zu beachten, wie dies seit Längerem durch § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO und mit der Reform zusätzlich durch die §§ 66a, 67c GenG ermöglicht wird. 12 Aus der wenig organischen Entwicklung des Insolvenzrechts natürlicher Personen resultieren manche konzeptionellen Schwächen, die wohl auch die fortwährende Reformdiskussion befördert haben. Um eine belastbare und dauerhafte Gestaltung des Privatinsolvenzrechts zu erreichen, müssen die genannten Leitgedanken ausgearbeitet oder andere Grundmuster entwickelt werden. Ob die aktuelle Reform einen Beitrag dazu geleistet oder eher noch die Schwächen verstärkt hat, sollte die künftige Diskussion erweisen. Zweifel daran sind jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. II. Gescheiterte Reformvorhaben 1. Eckpunkte 13 Seit der letzten großen Novelle zum Privatinsolvenzrecht und damit seit über einer Dekade wird über die weitere Reform dieser Materie diskutiert. So bildet die aktuelle Reform den Abschluss einer langen Kette ministerieller, aber auch ___________ 15) AGR/Ahrens, § 1 Rn. 43 ff., auch zum Folgenden. 16) BGH, NZI 2013, 968 Rn. 5 ff., mit kritischer Anm. Ganter.

4

II. Gescheiterte Reformvorhaben

privater17) Reformvorschläge. Zahlreiche in den Grundlagen, aber auch vielen Facetten voneinander abweichenden Diskussions-, Referenten- und Regierungsentwürfe prägen das Bild und belegen das hohe Engagement, mit dem auch seitens des Ministeriums die Reform vorangetrieben wurde. Dabei war die Ministerialverwaltung regelmäßig bereit, auf drängende Anliegen einzugehen. Nicht immer war indessen eine klare Richtung zu erkennen. In einer pointierten Stellungnahme zur Schlussetappe des Reformvorhabens hieß es deswegen, die Vorschläge des Bundesministeriums der Justiz glichen einer Fahrt ohne Kurs und Kompass.18) Stärker noch als solche fremden Anregungen wurden indessen eigene Anliegen verfolgt und, wie bei den erweiterten Bereichsausnahmen oder dem umgestalteten Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung, gegen alle sachlich begründeten Einwände und Widerstände durchgesetzt. Im Diskussionsverlauf lassen sich zumindest vier größere, zumeist mehrfach 14 gebrochene Wellen mit verschiedenartigen Laufrichtungen erkennen. Ihre Motivationen reichen von einer Arbeitserleichterung für die Justiz über fiskalische Einsparungen durch eine Ersetzung der gesetzlichen Restschuldbefreiung und die durch ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren legitimierte Aufhebung der Kostenstundung bis hin zur gegenwärtigen Reform. Es fällt freilich schwer, für diese letzte Stufe einen einigenden Leitgedanken zu formulieren. Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens bietet dafür, schon wegen ihrer eher gering einzuschätzenden Bedeutung, kaum einen geeigneten Anknüpfungspunkt. Realisiert wurde ein meist kleinteilig gehaltener Reformansatz. Zu erklären sein dürfte dies weniger als Signal einer hohen Bestandskraft und inneren Plausibilität des geltenden Rechts, sondern eher als Zeichen fehlender Gestaltungskraft und eines verdeckten Regelungswillens. In der Retrospektive erscheint dies nicht als das schlechteste Resultat. Begleitet und befördert wurden die wiederkehrenden Anläufe durch eine 15 kaum mehr überschaubare Literaturmenge.19) Nur zu deutlich wird diese Situation durch die große Zahl von Dissertationen belegt, die sich mit der Reform des Insolvenzrechts natürlicher Personen auseinandersetzen.20) Vieles ___________ 17) Grote/Heyer, ZVI 2006, 528. 18) Stölzel, InDat-Report 8/2012, 40, 42. 19) Vgl. nur FK-InsO/Ahrens, § 286 Literatur: Reform der Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung seit 2002. 20) Vgl. nur Ruby, Schuldbefreiung durch absolute Anspruchsverjährung 1997; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997; Forsblad, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz im künftigen deutschen Insolvenzrecht, 1997; Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 2000; Heyer, Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren, 2004; Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung nach heutigem Insolvenzrecht, 2006; Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren versus pacta sunt servanda, 2006; Mattern, Die Reformierung des Restschuldbefreiungsverfahrens unter Einbeziehung des Stundungsverfahrens, 2006; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, 2007; Rothammer, Die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung – Probleme und Lösungen, 2008; Kainz, Das Scheitern der Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens, 2010; Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung: Fresh Start oder „bürgerlicher Tod“? 2012; Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, 2013; unberücksichtigt bleiben dabei noch zahlreiche rechtsvergleichende Arbeiten.

5

A. Reformdiskussion

ist vorgetragen, verworfen und in abgeänderter Gestalt erneut vorgebracht worden. Kaum verwunderlich haben sich deswegen auf der Schlussetappe der Reform gewisse Abnutzungs- und Ermüdungserscheinungen ergeben. Ein Blick zurück auf die wechselvolle Reformgeschichte schafft dennoch eine stabilere Grundlage für die weiteren Überlegungen. Dies gilt umso mehr, weil die Reform, ungeachtet aller Brüche und Verwerfungen auf den programmatischen Feldern, erhebliche Kontinuitäten im „Brot und ButterBereich“ aufweist. Einzelne der jetzt kodifizierten Regelungen wurden seit 2003,21) andere seit 200422) und nicht wenige seit 2006 teilweise kontrovers oder sogar weithin ablehnend diskutiert.23) 2. Ein Aufruf und seine Folgen a) Vorstadium 16 Im Frühling des Jahres 2000 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“ einen ersten Zwischenbericht zur 71. Konferenz der Justizministerinnen und -minister am 24. und 25.5.2000 in Potsdam über Probleme der praktischen Anwendungen und Schwachstellen des Verbraucherinsolvenzverfahrens vorgelegt.24) Darin finden sich entscheidende Überlegungen, etwa zum persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens, zum Vollstreckungsschutz während des außergerichtlichen Einigungsversuchs, zur fakultativen Ausgestaltung des Schuldenbereinigungsplans, zur Kündigung von Wohnraummietverhältnissen und zum Zugang mittelloser Schuldner zum Insolvenzverfahren, insbesondere über ein Stundungsmodell. Diese eingehende Defizitanalyse bildete die Basis für die erste wesentliche Novellierung des Privatinsolvenzrechts im InsOÄndG 2001.25) 17 Der zwei Jahre später veröffentlichte Abschlussbericht der Bund-LänderArbeitsgruppe „Insolvenzrecht“ zur 73. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 10. bis 12.6.2002 in Weimar26) beschäftigte sich demgegenüber mit Problemen der praktischen Anwendung und den Schwachstellen des Regelinsolvenzverfahrens. Aktuelle Aspekte der Privatinsolvenzen wurden nur noch am Rande aufgegriffen und auch der Abschnitt über die masselosen Verfahren ging deswegen lediglich marginal auf die Insolvenzen natürlicher Verfahren ein.27) ___________ 21) § 290 Abs. 1 DiskE 290, dazu einerseits Pape, ZInsO 2003, 389, 393; ders., ZVI 2003, 377, 378; andererseits Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 297. 22) § 302 Nr. 1 RefE 2004. 23) §§ 297a, 300 Abs. 1 Satz 2 VorE 2006. 24) Dazu Graf-Schlicker, WM 2000, 1984; Graf-Schlicker/Remmert, ZInsO 2000, 321; Pape/ Pape, ZIP 2000, 1553. 25) BGBl. I S. 2710. 26) Siehe http://www.rws-verlag.de/hauptnavigation/ volltexte.html?volltext=3d324c2883882b15fa8fbe8f025a3a99&jahr= 2002&date_anchor=01072002. 27) Dort S. 95 ff.

6

II. Gescheiterte Reformvorhaben

b) Gestiegene Verfahrenszahlen Am Anfang der intensiven, umfassenden, oft aber auch quälenden und erst 18 mit der aktuellen Gesetzgebung abgeschlossenen Auseinandersetzungen im Anschluss an das InsOÄndG 2001 stand der Aufruf deutscher Insolvenzrichter und -rechtspfleger aus dem Jahr 2002 zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte und der Insolvenzordnung.28) Ausgelöst wurde die Reformdiskussion bis hin zur aktuellen Gesetzgebung durch die von den Insolvenzgerichten als sehr belastend empfundenen Verfahrenszahlen.29) Bis in das Jahr 2001 blieben die Fallzahlen zunächst noch weit hinter den bei Verabschiedung der InsO erfolgten Schätzungen zurück.30) Ausdrücklich sprachen die Materialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 28.3.2001 von der geringen Zahl gerichtlicher Verfahren und rechneten mit einem Anstieg der Verfahrenszahlen, weil die Kostenhürde als Zugangsbarriere abgeschafft wurde.31) Wenig überraschend, weil ganz den formulierten Erwartungen entsprechend, 19 erhöhten sich sodann die Fallzahlen deutlich und verdoppelten sich in der Gesamtschau binnen eines Jahres nahezu. Während im Jahr 2001 erst 49.326 Insolvenzen, davon 32.278 Unternehmensinsolvenzen, beantragt wurden, stiegen diese Verfahrenszahlen im Jahr 2002 auf 84.428 beantragte Insolvenzverfahren, darunter 37.579 Unternehmensinsolvenzen. Vollkommen zutreffend wurde im drastischen Anstieg der Verfahrenszahlen ein klarer Beleg für den konzeptionellen Erfolg des neuen Rechts gesehen.32) Aus heutiger Perspektive handelte es sich immer noch um eine eher ruhige Situation. Nach einem Höchststand von 168.458 Insolvenzen bei 31.998 Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2010 sind die Verfahrenszahlen für das Jahr 2013 auf 141.332 Insolvenzen gesunken, davon 25.995 Unternehmensinsolvenzen.33) Damit mussten die Insolvenzgerichte im Jahr 2010 das 3,4-fache der Verfahren aus 2001 und immerhin noch nahezu die doppelte Belastung gegenüber 2002 verkraften. Vorgeschlagen wurde in dem Aufruf, das Verfahren bei Insolvenzen natür- 20 licher Personen regelmäßig schriftlich durchzuführen. Als einzige dort ausgesprochene Empfehlung wurde dies etappenweise bis hin zur aktuell geschaffenen Regelung umgesetzt. Außerdem sollten die Abgrenzung zwischen ___________ 28) ZInsO 2002, 949, 1077; dazu die Stellungnahme des Parlamentarischen Staatssekretärs Hartenbach, ZInsO 2002, 1053. 29) Zum Folgenden Ahrens, in: Berger/Bähr/Melchior/Sturm/Wunderlich, 14. Leipziger Insolvenzrechtstag, S. 109 ff. 30) Vgl. Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit, S. 168; Kohte, ZIP 1994, 184, 186. 31) BT-Drucks. 14/5680, S. 11 f., 15. 32) Hergenröder, DZWIR 2006, 265; ders., KTS 2013, 385, 390. 33) Alle Angaben von Destatis https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/ LangeReihen/Insolvenzen/lrins01.html.

7

A. Reformdiskussion

Verbraucher- und Unternehmensinsolvenzverfahren aufgehoben, ein schneller und kostengünstiger Zugang zur Restschuldbefreiung geschaffen sowie Präklusionsfristen für die Anmeldung von Forderungen, insbesondere aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, eingeführt werden.34) Unmittelbar nach dem Aufruf setzte eine intensive Auseinandersetzung darüber ein, wie das Verbraucherinsolvenzverfahren vereinfacht und dadurch den Forderungen der Insolvenzgerichte abgeholfen werden könnte.35) Alsbald wurde der vielfach als entbehrlich angesehene Aufwand in den sog. Nullmasseverfahren als Entlastungspotenzial identifiziert.36) Bei diesen masselosen Insolvenzen wird das Verfahren unter Bewilligung von Kostenstundung eröffnet, aber keine Masse an die Gläubiger verteilt. Änderungen bei der Versagung der Restschuldbefreiung wurden, abgesehen von dem von Gläubigervertretern gewünschten Recht einer schriftlichen Antragstellung, nicht für erforderlich gehalten.37) c) Diskussionsentwurf 2003 und Referentenentwurf 2004 21 Bereits am 7.4.2003 legte das Bundesministerium der Justiz den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vor.38) Für eine umfassende Reaktion auf die Kritik an den belastenden Verfahrenszahlen und insbesondere den masselosen Insolvenzen war es indessen noch zu früh. Auf die justiziellen Forderungen ging der DiskE daher nur marginal ein. Zunächst und vor allem stützte sich das Ministerium im DiskE 2003 auf den Bericht der BLAG (Bund-Länder-Arbeitsgruppe) Insolvenzrecht,39) doch wurden ebenso Vorschläge zum Privatinsolvenzrecht aufgegriffen, wenn auch die Vorschläge dazu weniger ausgeformt waren.40) Bereichert wurde die Diskussion aber auch durch ganz andere Problembeschreibungen.41) 22 In erster Linie42) sollten im DiskE 2003 der außergerichtliche Einigungsversuch und das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren umgestaltet und zusammengeführt werden.43) Vorgeschlagen wurde, den außergerichtlichen ___________ 34) ZInsO 2002, 949, 950. 35) Siehe z. B. Henning, ZInsO 2003, 787. 36) Heyer, ZInsO 2003, 201; ders., Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren, S. 29 ff.; Grote, ZInsO 2003, 207; Schmerbach, ZInsO 2003, 253; Meyer, ZInsO 2002, 348; Mäusezahl, ZVI 2003, 49; Jäger, ZVI 2003, 55. 37) Henning, ZInsO 2003, 787, 788. 38) ZVI 4/2003, Beilage 1 = ZInsO 2003, 359; dazu die Erläuterungen von Stephan, ZVI 2003, 145; Sabel, ZIP 2003, 781. 39) Vgl. Stephan, ZVI 2003, 145. 40) Gleichgewichtig nach Pape, ZInsO 2003, 389, 392; deutlich stärker gewichtet von Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 301. 41) Vgl. etwa Henning, ZInsO 2004, 585. 42) Zur Versagung der Restschuldbefreiung Pfeffer, ZVI 2004, 232. 43) Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 299.

8

II. Gescheiterte Reformvorhaben

Einigungsversuch durch ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren zu ergänzen und dadurch effektiver zu gestalten, §§ 305 Abs. 1 Nr. 5, 305a DiskE 2003. Der Schuldner sollte mit dem Antrag auf Zustimmungsersetzung ein Initiativrecht für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren erhalten. Abgesehen von der begrenzten Perspektive des DiskE 2003, gab es, wie kaum anders zu erwarten, zustimmende,44) aber auch überaus kritische Stimmen.45) Auch eine zunächst unscheinbare Korrektur der Versagung der Restschuldbefreiung wurde unterschiedlich gewürdigt.46) Es handelte sich um den Vorschlag, den Versagungsantrag nach § 290 Abs. 1 DiskE 2003 spätestens im Schlusstermin, demzufolge also auch früher stellen zu können. Damit wurde eine windungsreiche gesetzgeberische Planung zu den Versagungsregeln47) in Gang gesetzt, die den Grundgedanken für die nunmehr eingeführte Regelung des § 290 Abs. 1, 2 Satz 1 InsO gelegt hat. Dieser Weg wurde mit dem Referentenentwurf vom 16.9.2004 weiter be- 23 schritten.48) Es blieb im Kern beim Konzept eines außergerichtlichen Einigungsversuchs, der mit einem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren kombiniert wurde.49) Ein offensichtlich aussichtsloser Einigungsversuch sollte entfallen können, § 305 Abs. 1 Nr. 1 RefE 2004. Der persönliche Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens sollte nach § 304 RefE 2004 alle natürlichen Personen erfassen, die bei Antragstellung keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, also auch die früher Selbständigen. Neben einigen Änderungen im Kostenstundungsrecht sollte § 302 Nr. 1 RefE 2004 auf vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahlten rückständigen Unterhalt erweitert werden, ein bereits damals abgelehnter Gedanke,50) der nach zehn Jahren mit der aktuellen Reform realisiert wurde. Als weiterer tiefer Einschnitt in das geltende Regelungskonzept sollte das 24 Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung auf eine veränderte systematische Grundlage gestellt werden. In einer fulminanten Kehrtwendung gegenüber der bisherigen gläubigerautonomen Regelungskonzeption wurde in den §§ 290 Abs. 1, 296 Abs. 1, 297 Abs. 1, 300 Abs. 2 Satz 2 RefE 2004 eine Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen vorgesehen. Dieser Regelungsansatz ging auf einen vereinzelten Vorschlag zurück,51) der in der Literatur bereits lange vor der Übernahme durch das Ministerium zurückge___________ 44) Pape, ZInsO 2003, 389, 392. 45) Frind, ZInsO 2003, 549, 551. 46) Grundsätzlich zustimmend Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 297; ablehnend Pape, ZVI 2003, 377, 378. 47) Ahrens, ZInsO 2007, 673, 675. 48) ZVI 9/2004, Beilage 3 = ZInsO 2004, 1016; dazu die Erläuterungen von Stephan, NZI 2004, 521; ders. ZVI 2004, 505; siehe auch Schmerbach, ZInsO 2004, 697. 49) Pape, ZInsO 2005, 842 ff. 50) Schmerbach, ZInsO 2004, 697, 701. 51) Frind, ZInsO 2003, 341, 344.

9

A. Reformdiskussion

wiesen worden ist.52) Ein amtswegiges Versagungsverfahren hätte allerdings die Gerichte zusätzlich belastet und die angestrebte Justizentlastung konterkariert. In einem wiederholt zu beobachtenden Phänomen sollten im Gesetzgebungsverfahren Einzelstimmen gerade dann Gehör finden, wenn sie zu einer Erschwerung der Restschuldbefreiung führen. In oft mühevollen und, wie sich erweisen sollte, nicht immer erfolgreichen Diskussionen,53) musste auf die vielfach kollidierenden Regelungsprinzipien hingewiesen werden. 3. Verjährungsmodell 25 Während die erste Stufe der Reformdiskussion von einer Justizentlastung durch ein umgeformtes Schuldenbereinigungsplanverfahren geprägt war sowie mit einigen ergänzenden Regelungen, insbesondere zur Restschuldbefreiung, angereichert wurde, wendete sich Ende 2004 die Wahrnehmung drastisch. In einer vor allem von den Ländern geforderten und geförderten Neuausrichtung wurde nach einer Kostenentlastung für die Justizhaushalte gesucht, die durch die Ausgaben für eine Kostenstundung belastet wurden. Von vornherein litt diese fiskalisch geprägte Zielsetzung unter einem grundlegenden Mangel, denn die Länder haben bis zum heutigen Tag keine validen Zahlen über die Haushaltsbelastung vorgelegt.54) Einzelne zur Höhe der Kostenbelastung aufgestellte Annahmen erwiesen sich sehr schnell als wenig belastbar. Dennoch prägte die Ausgabenreduzierung als Grundthema die gesamten nachfolgenden Debatten und ist als Basston in den aktuellen Regelungen des § 4b Abs. 1 InsO i. V. m. § 115 Abs. 2 ZPO zur Kostenstundung sowie in den Bereichsausnahmen des § 302 Nr. 1 InsO wahrzunehmen. Wenig überraschend gab es in der weithin vom Kostendiktat geprägten Diskussion kaum einen Konsens über die optimale Verfahrensgestaltung.55) 26 Von einer kritisch-konstruktiven Weiterentwicklung des geltenden Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens lösten sich die materiellrechtlichen Vorschläge, die im Kern unter dem Stichwort eines Verjährungsmodells zusammengefasst werden können. Ihnen ging es im späteren Diskussionsverlauf um nicht weniger als die Ablösung des geltenden Restschuldbefreiungsverfahrens, um infolgedessen die Regelungen der Kostenstundung aufheben zu können. Anfangs stand dahinter eine prinzipielle Skepsis gegen das Insti-

___________ 52) Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 296; I. Pape, NZI 2004, 601, 604 f.; Schmerbach, ZInsO 2004, 697, 700; Grote/G. Pape, ZInsO 2004, 993, 1000 ff.; DAV, ZInsO 2005, 32, 35; Stephan, NZI 2006, 671, 676; Dick, ZVI 2007, 123, 128; Ahrens, ZRP 2007, 84, 88; ders., ZInsO 2007, 673, 678 f.; a. A. Rothammer, Die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung, S. 119 ff., 122; Ohle/Jäger, ZVI 2004, 714, 718. 53) Vgl. nur die Erweiterung von § 302 Nr. 1 InsO. 54) Graf-Schlicker, ZVI 2014, 202; Springeneer, ZVI 2006, 1, 2 f.; Busch/Mäusezahl, ZVI 2005, 398, 399; Grote/Müllers, ZInsO 2006, 187; Pape, ZInsO 2011, 1, 3. 55) Hergenröder, KTS 2013, 385, 390.

10

II. Gescheiterte Reformvorhaben

tut der Restschuldbefreiung,56) doch wurde das Verjährungsmodell dann einseitig zur Kostenreduzierung instrumentalisiert. Vorbereitet wurden die neuen Ansätze durch einige ältere Überlegungen, die 27 bereits vor der Verabschiedung bzw. vor dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung publiziert worden sind, seinerzeit wegen der dominierenden Orientierung an einer gesetzlichen Restschuldbefreiung indessen nur wenig Gehör fanden.57) Im Konzert der Stimmen, die sich zu den Defiziten des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens vernehmen ließen, wurde immer mal wieder auf die Systemalternative einer materiellrechtlichen und insbesondere einer Verjährungslösung verwiesen, doch blieb es lange bei bloßen Nebengeräuschen.58) Dies änderte sich erst, als das bayerische Staatsministerium der Justiz die Vorbehalte gegen das Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren aufgriff und das geltende Modell prinzipiell infrage stellte. Dies wurde als Generalangriff auf das geltende Recht interpretiert.59) In einer knappen, aber zentralen ministeriellen Stellungnahme wurde als Alternative auf eine absolute Verjährungsfrist verwiesen.60) Diese Überlegungen wurden in der Folge auch literarisch präsentiert,61) ohne den vorgeschlagenen Lösungsweg inhaltlich weiter zu befestigen. Eine Strukturschwäche dieses Konzepts bildeten die unzureichend reflektier- 28 ten systematischen Grundlagen und Wirkungen eines solchen Lösungswegs.62) Vorgeschlagen wurde eine absolute, mindestens fünfjährige Frist63) für die Anspruchsverjährung.64) In der Konsequenz führt der Weg in die Einzelzwangsvollstreckung, die mit systemfremden insolvenzrechtlichen Elementen kombiniert wurde, um Vorausverfügungen zu begrenzen und eine Gläubigergleichbehandlung zu ermöglichen.65) Bereits solche konzeptionellen Brüche machen die Leistungsgrenzen einer im bürgerlichen Recht verankerten Lösung deutlich. Da ein materiellrechtlicher Ansatz, der auf den individuellen Ansatzpunkten des Verjährungsrechts beruhte, keine Gesamtwirkung er___________ 56) Siehe auch Wagner, ZVI 2005, 173. 57) Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs, S. 141 ff.; Ruby, Schuldbefreiung durch absolute Anspruchsverjährung, S. 66; differenzierend Henckel, ZZP 97 (1984), 105, 114. 58) Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13; Ast, ZVI 2002, 183, 184; Förster, ZInsO 2002, 1105; Klaas, ZInsO, 2004, 577, 580; siehe auch den Aufruf deutscher Insolvenzrichter und -rechtspfleger, ZInsO 2002, 949, 950; vorsichtig kritisch Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 151 ff. 59) Frind, ZInsO 2005, 66, 67. 60) Siehe http://www.sfz.uni-mainz.de/Dateien/ BayJM_Reform_Verbraucherentschuldung.pdf, S. 24 f. 61) Wiedemann, ZVI 2004, 645, 654. 62) Eingehend allein Ruby, Schuldbefreiung durch absolute Anspruchsverjährung, S. 63 ff. 63) Siebenjährige Frist, Förster, ZInsO 2002, 1105; zehnjährige Frist nach Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs, S. 142; Ast, ZVI 2002, 183, 184; bis zu fünfzehn Jahre, Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13; Beibehaltung der dreißigjährigen Frist für die Titelverjährung, Wagner, ZVI 2005, 173, 189. 64) Ruby, Schuldbefreiung durch absolute Anspruchsverjährung, S. 66 f. 65) Ruby, Schuldbefreiung durch absolute Anspruchsverjährung, S. 140, 150.

11

A. Reformdiskussion

möglichen konnte, die Titelverjährung ungelöst blieb, ein verlässlicher Auslösegrund fehlte sowie erhebliche Transaktionskosten verursacht hätte, fielen bereits die ersten Reaktionen wenig positiv aus.66) 29 Eine vorübergehende Episode67) blieb das nachfolgende Wustrauer-Modell,68) weil es den politischen Forderungen nach einer umfassenden Kostenentlastung nicht genügend entsprach. In einem Zwischenbericht des Bundesministeriums der Justiz zur Reform der Verbraucherentschuldung vom 14.3.2005 wurde nochmals ein Verjährungskonzept vorgeschlagen, angereichert um einige in Wustrau entwickelte Elemente.69) Wegen ihrer unüberwindbaren Schwächen verschwand die Verjährungslösung alsbald wieder aus der Diskussion, auch wenn sie noch im Zwischenbericht der Bund-LänderArbeitsgruppe „Neue Wege zu einer Restschuldbefreiung“ zu einigen kleineren Nachwirkungen führte.70) Letztlich führte die Auseinandersetzung um eine ausgelagerte materiellrechtliche Lösung zu einigen entscheidenden Konsequenzen, auch wenn sie nicht ganz den Vorstellungen der Initiatoren entsprachen. In der Debatte wurden die Leistungen eines Privatinsolvenzrechts deutlich erkannt, weshalb eine Rückbesinnung auf insolvenzrechtliche Ansätze erfolgte. 4. Vereinfachtes Entschuldungsverfahren a) Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe 30 Unter dem Leitthema einer Kostenreduzierung, die zumeist über eine Streichung der Kostenstundung erreicht werden sollte, wurde nach anderen Gestaltungsmustern gesucht. Damit kehrte die Diskussion in prinzipiell insolvenzrechtliches Fahrwasser zurück und gewann neue Dynamik. Neben das reguläre massehaltige Insolvenzverfahren sollte ein kupiertes, nicht alle insolvenzrechtlichen Instrumente bietendes Entschuldungsverfahren treten. Jedenfalls anfangs war dabei die verjährungsrechtliche Hülle noch nicht vollständig abgestreift.71) In verschiedenen Gestaltungen war ein solches Ent-

___________ 66) Ahrens, ZVI 2005, 1; Kohte, ZVI 2005, 9; Schmerbach, ZInsO 2005, 77; Springeneer, ZVI 2006, 1, 5; Kemper, ZVI 2006, 42 f.; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 289 ff., 341 ff.; Meier, Restschuldbefreiung, S. 68 ff.; kritisch auch MünchKommInsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 23; positiver Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 252. 67) Vgl. Grote, ZInsO 2006, 119; Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit, S. 224. 68) Hofmeister/Jäger, ZVI 2005, 180; Springeneer, ZVI 2006, 1, 8; außerdem http:// www.sfz.uni-mainz.de/Dateien/wustrauermodell.pdf. 69) Siehe http://www.sfz.uni-mainz.de/Dateien/zwischenberichtinsobmj032005.pdf, S. 2. 70) ZVI 2005, 445, 452. 71) Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit, S. 224 ff.

12

II. Gescheiterte Reformvorhaben

schuldungsverfahren bereits von der Literatur thematisiert.72) Zweifellos gehört ein solches insolvenzrechtliches Zweitmodell zu den großen rechtsgestaltenden Herausforderungen im Insolvenzverfahren, da es ganz unterschiedlichen Anforderungen Rechnung tragen muss. Erste Orientierungspunkte dazu wurden im Zwischenbericht der Bund-Länder- 31 Arbeitsgruppe „Neue Wege zu einer Restschuldbefreiung“ für die Justizminister-Konferenz am 29./30.6.2005 vorgestellt.73) Neben dem Fundamentalangriff auf die abzuschaffende Kostenstundung74) war hier ein besonderes treuhänderloses Entschuldungsverfahren vorgezeichnet, falls das Vermögen des Schuldners nicht zur Kostendeckung ausreicht. Dieses vorgeschlagene Verfahren war durch substanzielle Einbußen gegenüber der Restschuldbefreiung gekennzeichnet. Es sollte lediglich die vom Schuldner bezeichneten Forderungen erfassen, ein Vollstreckungsstopp war nicht vorgesehen und die Verfahrensdauer sollte auf acht Jahre verlängert werden. Ob die Rechtsfolgen als Verjährungslösung oder entsprechend § 301 InsO ausgestaltet werden sollten, wurde ebenso offengelassen wie die für das daneben stehende reguläre Restschuldbefreiungsverfahren aufgeworfene Frage einer Mindestquote.75) In das Leitmotiv der Kostenstundung mischte sich damit zugleich ein tiefes Misstrauen gegenüber der Restschuldbefreiung, deren wesentliche Leistungen beschränkt und unterminiert werden sollten. b) Vorentwurf 2006 Ausgeformt wurden die wesentlichen Erwägungen im als Vorentwurf be- 32 zeichneten BMJ-Entwurf zum Entschuldungs- und Verbraucherinsolvenzverfahren vom 2.3.2006,76) die auf den Beratungen der BLAG beruhten.77) Geplant war vor allem ein treuhänderloses Entschuldungsverfahren nach den §§ 303a ff. VorE 2006 mit einer auf die vom Schuldner benannten Forderungen beschränkten schuldbefreienden Wirkung. Für die masselosen Insolvenzen wurde eine individualrechtliche Entschuldungslösung bei einer achtjährigen Verfahrensdauer, einem möglichen Vollstreckungsverbot, aber ohne Gesamtwirkung angestrebt. Wegen des einfacheren und kostengünstigeren Verfahrens sollte – nach dem eigentlichen Hauptanliegen des Entwurfs78) – die

___________ 72) Heyer, Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren, S. 29 ff.; ders., ZInsO 2003, 201; ders., ZInsO 2005, 1009, 1012; Schmerbach, ZInsO 2005, 77, 79; Jäger, ZVI 2005, 15; Pape, ZInsO 2005, 842, 843; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 106 f., 189 ff., spricht von einer Abstufungslösung. 73) ZVI 2005, 445; Mroß, DGVZ 2007, 49, 50. 74) ZVI 2005, 445, 452. 75) ZVI 2005, 447 ff. 76) Siehe http://www.sfz.uni-mainz.de/Dateien/RefE_02.03.2006.pdf, S. 3 ff. 77) ZVI 3/2006, Beilage 1; siehe auch ZVI 2006, 263. 78) Hergenröder, DZWIR 2006, 441, 442.

13

A. Reformdiskussion

Kostenstundung entfallen können.79) Zu einem echten wirtschaftlichen Neuanfang konnte ein solches Verfahren nicht führen, zumal es eine Zweiklassengesellschaft vorsah.80) 33 Manche Grundgedanken eines vereinfachten Entschuldungsverfahrens entfalteten eine nachhaltig prägende Wirkung. In der anschließenden Diskussion wurden aber vor allem die Schwächen eines Modells erkannt, das mit der Massegenerierung lediglich eine Funktion des Insolvenzverfahrens wahrnahm, aber mit der Forderungsfeststellung und den Klärungsmechanismen sowie vor allem der Universalität der Verfahrenswirkungen auf wesentliche insolvenzrechtliche Leistungen verzichtete.81) Zudem stellte es wohl weniger ein vereinfachtes als vielmehr ein komplizierteres Entschuldungsverfahren dar. Die Kritik sprach sogar von dogmatischen Brüchen und Ungereimtheiten.82) Auf den angenommenen Reformbedarf wurde letztlich mit einem in wichtigen Elementen rückwärts gewandten Konzept reagiert. Ein anschließender Alternativentwurf zur Entschuldung mittelloser Personen sah ebenfalls eine Streichung der Kostenstundung und einige, allerdings weniger ausgeformte Verfahrensvereinfachungen vor.83) 34 Für das Insolvenzverfahren wurde im BMJ-Entwurf eine Mindestmasse von 1.500,– € vorausgesetzt, § 303e Nr. 2 VorE 2006. Parallel dazu war ein in zwei Stufen verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren geplant. Soweit zwei Jahre der Laufzeit der Abtretungsfrist verstrichen seien und der Schuldner mindestens 40 % der im Schlussverzeichnis aufgenommenen Forderungen befriedigt hätte, § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VorE 2006, bzw. nach einer vierjährigen Frist und einer 20 %igen Befriedigung gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VorE 2006 sollte das Gericht über eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung entscheiden müssen. Dem Schuldner sollte damit ein Anreiz geboten werden, um Gläubigern eine möglichst hohe Befriedigungsquote zu verschaffen. 35 Vollkommen neu waren diese Überlegungen nicht, denn in der vorangegangenen kostenorientierten Diskussion wurde vereinzelt eine Mindestquote für die Restschuldbefreiung vorgeschlagen.84) Sachlich gestaltete die im VorE 2006 entworfene Regelung ein dualistisches Modell mit einem Entschuldungsver___________ 79) Ahrens, in: Berger/Bähr/Melchior/Sturm/Wunderlich, 14. Leipziger Insolvenzrechtstag, S. 109, 111 ff., auch zum Folgenden. 80) Frind, DRiZ 2006, 193, 196. 81) Heyer, ZVI 2006, 169; Vallender, NZI 2006, 279; Frind, ZInsO 2006, 342, 345 ff.; Hergenröder, DZWIR 2006, 265, 271 ff.; Kemper, ZVI 2006, 434, 435; Ohle/Schatz/ Jäger, ZVI 2006, 480, 492; Mävers, DRiZ 2006, 194; s. a. Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit, S. 226 f.; positiv Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 262 ff. 82) So im Tagungsbericht von Heyer, ZVI 2006, 169, 171. 83) Grote/Heyer, ZInsO 2006, 1138 = ZVI 2006, 528; dazu Heyer/Grote, ZInsO 2006, 1121. 84) Vallender, NZI 2004, 17, 18; zustimmend Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 267 f.

14

II. Gescheiterte Reformvorhaben

fahren mit begrenzter Wirkung sowie einem Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren aus. Um den Druck auf die Eingangsvoraussetzung einer Mindestmasse für ein Insolvenzverfahren zu mindern, wurde eine Verkürzungsoption geschaffen. Trotzdem betrafen die leitenden Reformbemühungen die große Zahl der Nullmassefälle, nicht die wenigen massehaltigen Insolvenzverfahren. Als originäres Ziel nach dem gesamten Verfahrenskonzept sollte eine hohe Hürde vor dem Zugang zur Restschuldbefreiung errichtet werden, während eine durch die Mindestquote angereicherte Masse allein eine positive Nebenwirkung bildete. Im Verbraucherinsolvenzverfahren waren ebenfalls weitreichende Eingriffe 36 geplant. Der persönliche Anwendungsbereich sollte nach § 304 VorE 2006 auf Personen bezogen werden, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Ein offensichtlich aussichtsloser Einigungsversuch konnte nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 VorE 2006 entfallen. Aufgegriffen wurde auch der Vorschlag eines Zustimmungsersetzungsverfahrens beim außergerichtlichen Einigungsversuch und einer Verbindung mit dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren aus den §§ 305a, 307 ff. DiskE 2003. Zudem sollten die §§ 312 – 314 InsO gestrichen werden.85) Damit hätte das Verbraucherinsolvenzverfahren insgesamt eine weithin neue Gestalt erhalten. Gegenüber der dominierenden Auseinandersetzung über das Entschuldungs- 37 verfahren wurde dem abgekürzten Restschuldbefreiungsverfahren nur eine geringere Aufmerksamkeit zuteil. Dennoch waren auch hier einige Eingriffe geplant. So sollte etwa ein neuer Versagungstatbestand wegen einer Straftat geschaffen werden, deren zugrunde liegender Straftatbestand dem Schutz von Eigentum oder dem Vermögen dient, § 290 Abs. 1 Nr. 1a VorE 2006. Vorgesehen war aber auch eine Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen, §§ 290 Abs. 2, 296 Abs. 1 Satz 1, 297 Abs. 1 Satz 1 VorE 2006. Schließlich sollten auch nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe noch in der Treuhandperiode geltend gemacht werden können. In der Gesamtschau wird der weit über das Entschuldungsverfahren hinausgehende Eingriff in das Modell der Restschuldbefreiung erkennbar. Für die größte Zahl der Schuldner blieben deren Leistungen unerreichbar und sollten zudem eingeschränkt werden.86) Unterschwellig wirkten in diesen Vorschlägen die vehementen Angriffe gegen die Restschuldbefreiung nach. Ohne die Restschuldbefreiung insgesamt infrage stellen zu können, sollte sie doch weithin kupiert und letztlich auf einen Torso beschränkt werden. Unter dem Eindruck der verheerenden konzeptionellen und systematischen 38 Kritik87) an dem vor allem von den Ministerialverwaltungen beförderten Vorhaben suchte das Bundesministerium der Justiz nach neuen Orientierungs___________ 85) Hergenröder, DZWIR 2006, 441, 444 ff. 86) Frind, DRiZ 2006, 193, meint, es sollte weitgehend abgeschafft werden. 87) Frind, DRiZ 2006, 193.

15

A. Reformdiskussion

mustern.88) Zwar behielten die nachfolgenden Eckpunkte eines vereinfachten Entschuldungsverfahrens des Ministeriums vom 14.11.200689) die Aufgabe der Kostenstundung und ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren bei mittellosen Schuldnern bei. Sie kehrten aber zum Modell einer in das geltende Insolvenzrecht integrierten Entschuldung mit einer insolvenzrechtlichen Gesamtwirkung zurück. Einige Webfehler des Vorentwurfs wurden damit beseitigt, ohne die Vorstellungen eines besonderen Entschuldungsverfahrens insgesamt aufzugeben. c) Referentenentwurf 2007 und Regierungsentwurf 2007 39 Dieses Konzept wurde im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen und zur Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahrens vom 23.1.2007 ausgeformt.90) Geplant war, die Kostenstundung aufzuheben, ein Entschuldungsverfahren gemäß den §§ 289a, 289b, 292a RefE 2007 einzuführen, das Verbraucherinsolvenzverfahren zu vereinfachen und die Versagungsrechte im Restschuldbefreiungsverfahren substanziell zu verändern. Bei fehlender Kostendeckung sollte nach § 289a Abs. 1 Satz 1 RefE 2007 in allen Insolvenzverfahren natürlicher Personen die Eröffnung mangels Masse abgewiesen, § 26 InsO, bzw. das Verfahren eingestellt, §§ 207, 211 InsO, und sogleich ein Restschuldbefreiungsverfahren eingeleitet werden können.91) 40 Im Sommer 2007 waren die vorbereitenden Überlegungen abgeschlossen. Am 22.8.2007 verabschiedete das Bundeskabinett den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen.92) Der außergerichtliche Einigungsversuch sollte, wie in den früheren Vorschlägen, durch ein Zustimmungsersetzungsverfahren mit dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zusammengefasst werden. Eine Kraftquelle des neuen Modells bildete das geplante treuhänderlose Entschuldungsverfahren. Ein vorläufiger Treuhänder sollte die Kostendeckung überprüfen, § 289a Abs. 3 RegE 2007. Wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abzuweisen sei, sollte ohne ein reguläres Insolvenzverfahren in ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren mit eigenen Verfahrensregeln übergeleitet werden müssen. 41 Neben dem bekannten legislatorischen Ziel, die Kostenstundung aufzuheben, weshalb der Schuldner die Verfahrenskosten selber tragen sollte, § 289a ___________ Ahrens, NZI 2010, 193; Vallender, NZI 2010, 617. ZVI 2006, 526; siehe auch Stephan, NZI 2006, 671. ZVI 1/2007, Beilage 1. Dazu Ahrens, NZI 2007, 193; ders., ZRP 2007, 84; Schmerbach, NZI 2007, 198; Pape, ZVI 2007, 239; Heinze, DZWIR 2007, 283; Mroß, DGVZ 2007, 49; Hellmich, ZInsO 2007, 739; Heyer, NZI aktuell, 3/2007, S. VII. 92) BR-Drucks. 600/07 = ZVI 2007 Beilage, S. 25; Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundesrats, BR-Drucks. 600/1/07; Holzer, ZVI 2007, 393; Ahrens, NZI 2008, 86; Ley, in: Runkel, AHB Insolvenzrecht, § 16 Rn. 496 ff., 509 ff. 88) 89) 90) 91)

16

II. Gescheiterte Reformvorhaben

Abs. 2 RegE, sowie dem deswegen konzipierten vereinfachten Entschuldungsverfahren, mischte sich hier mit der Stärkung der Gläubigerrechte ein neuer Grundton in die Debatte.93) Auch früher wiesen die ministeriellen Überlegungen unverkennbar in Richtung verstärkter Gläubigerbefugnisse. Zu denken ist etwa an die erweiterten Antragsbefugnisse aus § 290 Abs. 1 DiskE 2003 und die extensivierte Bereichsausnahme in § 302 Nr. 1 RefE 2004. Diese älteren Vorschläge fügten sich jedoch weder in einen umfassenden Rahmen noch wurden sie aus überzeugend begründeten Bedürfnissen hergeleitet. Dadurch wirkten sie eher zufällig und angreifbar. Mit der Aufnahme der gestärkten Gläubigerrechte in den Gesetzestitel er- 42 hielt diese Aussage einen programmatischen Gehalt. Infolgedessen konnten die einzelnen Vorschläge zumindest partiell von einem konkreten Legitimationsbedürfnis emanzipiert werden, weil sie sich unter einen neuen Kontext fügten. Zudem wurde die scheinbar einseitige gesetzliche Ausrichtung auf das Entschuldungsverfahren durch ein Gegengewicht neu ausbalanciert. Es erscheint indessen geradezu kurzschlüssig, vom Eingriff in das materielle Gläubigerrecht auf verstärkte verfahrensrechtliche Gläubigerbefugnisse zu folgern. So ist der Gesetzgeber im Unternehmensinsolvenzrecht den umgekehrten Weg gegangen und hat die Sanierungschancen gestärkt, indem er die Gläubigereinflüsse geschwächt hat.94) Ob es in der Privatinsolvenz Änderungsbedürfnisse gab und ob die Umorientierung angezeigt war, wurde nicht umfassend analysiert. Mit guten Gründen darf dies bei dem im internationalen Vergleich ohnehin durchaus strengen Restschuldbefreiungsverfahren bezweifelt werden. Jedenfalls konnten unter dem schillernden Begriff gestärkter Gläubigerrechte zahlreiche Fälle und Änderungen versammelt werden. Er rechtfertigte offenbar auch manche kaum veranlasste Korrekturen. Dieses Konzept scheinbar ausgleichender Gesetzgebung wurde bis hin zur letztlich verabschiedeten Novelle durchgehalten und determiniert so den veränderten gesetzgeberischen Grundton. Obwohl im Entwurf einigen Bedenken Rechnung getragen wurde,95) gerieten 43 die Reaktionen hierauf immer noch eher in Moll als Dur.96) Zum wiederholten Mal wurde etwa die Abschaffung der Kostenstundung bemängelt.97) Wenig Zustimmung fand das Entschuldungsverfahren.98) Bedenken wurden aber auch gegen den Kostenaufwand für den vorläufigen Treuhänder erhoben, ___________ 93) Insgesamt Kainz, Das Scheitern der Reform, S. 39 ff.; Vallender, NZI 2007, 617; Heyer, ZVI 2008, 98; Springeneer, ZVI 2008, 106. 94) Vgl. Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270b Rn. 14. 95) Pape, NZI 2007, 681. 96) Ahrens, NZI 2008, 86; Frind, ZInsO 2010, 1097; Grote, ZInsO 2010, 918; Stephan, ZVI 2007, 441; positiver MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 25; Jäger, ZVI 2010, 507. 97) Pape, NZI 2007, 681; Ahrens, NZI 2010, 193, 194. 98) Vgl. etwa die Kritik von Frind, ZInsO 2010, 1097, 1098; abweichend Jäger, ZVI 2010, 507, 512.

17

A. Reformdiskussion

dessen Stellung insgesamt kritisch gesehen wurde.99) Als unzureichend wurde die Beschränkung des Abtretungsvorrangs aus § 114 Abs. 1 InsO auf ein Jahr angesehen, dessen Aufhebung gefordert wurde.100) Befürwortet wurde die vorgesehene Abschaffung des obligatorischen außergerichtlichen Einigungsversuchs.101) 44 Am 5.12.2007 wurde der Entwurf schließlich in die parlamentarischen Beratungen des Deutschen Bundestags eingebracht.102) Vorgesehen war etwa neben einem Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung spätestens im Schlusstermin auch eine amtswegige Versagung, § 290 Abs. 1 Einleitungssatz RegEInsO. Nach der scharfen Kritik der Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestags vom 9. und 23.4.2008 unterstützte die 79. Justizministerkonferenz vom 11./12.6.2009 in ihrem Beschluss zu TOP I. 3 noch einmal den eingebrachten Gesetzentwurf.103) Wegen der eklatanten Probleme wurde dieses Gesetzgebungsvorhaben jedoch nicht mehr umgesetzt und unterlag schließlich der Diskontinuität.104) 45 Zwei wesentliche Faktoren führten zum Scheitern auch dieses erneuten Anlaufs zur Reform des Privatinsolvenzrechts. Rechtspolitisch war der Frontalangriff gegen die Kostenstundung nicht umzusetzen. Dieses Institut hat sich in den Jahren seiner Geltung zu einem uneingeschränkt von allen Beteiligten geschätzten und befürworteten Instrument entwickelt. Es hätte daher nur gegen ihren entschiedenen Widerstand aufgehoben werden können. Zudem konnte keine überzeugende Konzeption für das überaus anspruchsvolle Vorhaben eines vereinfachten Entschuldungsverfahrens entwickelt werden. Zu komplex waren die Anforderungen, zu eng die sachlichen und zeitlichen Restriktionen in einem bereits eingeleiteten Gesetzgebungsvorhaben. Ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren kann nach seiner Struktur kaum ein vollwertiges insolvenzrechtliches Paralleluniversum bieten. Ohne eine konzeptionelle Fundierung, die für das Gesamtprojekt der geplanten Reform nicht geleistet war, stand das Vorhaben auf zu unsicheren, schwankenden Grundlagen.

___________ Stephan, ZVI 2007, 441; Schmerbach, NZI 2007, 710, 711. Grote, ZInsO 2010, 918, 921. Jäger, ZVI 2010, 507, 508. BT-Drucks. 16/7416; Stellungnahme des Bundesrates mit Gegenäußerung der Bundesregierung, ZVI 2008, 129. 103) Siehe http://www.mj.niedersachsen.de/portal/ live.php?navigation_id=3808&article_id=10365&_psmand=13. 104) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 286 Rn. 44. 99) 100) 101) 102)

18

III. Erfolgreicher Abschluss

III. Erfolgreicher Abschluss 1. Neustart a) Erste Orientierungen Durch das erneute Scheitern blieb das Gesamtprojekt einer Reform des Pri- 46 vatinsolvenzrechts nicht unbeschädigt. In der insolvenzrechtlichen Publizistik bestand eine deutliche Reformskepsis. Sie war weniger von intellektuellen Ermüdungserscheinungen als von der im Reformprozess gewachsenen Ernüchterung gegenüber fundamentalen Eingriffen in das Insolvenzrecht natürlicher Personen und der Erkenntnis eines in seinen Grundstrukturen funktionierenden Privatinsolvenzrechts getragen.105) Nicht ohne Grund wurde befürchtet, eine Novelle des Privatinsolvenzrechts könnte den Ansatzpunkt für systematisch nicht veranlasste Verfahrensverschlechterungen liefern.106) Wie das gegenwärtige Ergebnis der Reform zeigt, hat sich diese Sorge wegen der zahlreichen nicht angezeigten Eingriffe in das Verfahrensmodell als nur zu berechtigt erwiesen. Neuen rechtspolitischen Auftrieb erhielt das Projekt im Koalitionsvertrag 47 zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags. Dort wurde unter der Überschrift „Gründerland Deutschland“ das Ziel formuliert, für Gründer die Zeit der Restschuldbefreiung auf drei Jahre zu halbieren.107) Mit diesem einigermaßen bemerkenswerten Vorschlag108) wurde ein in den vorangegangenen Debatten wahrgenommenes, aber nahezu bedeutungsloses Thema aufgegriffen. Noch nicht in diese Richtung fügt sich ein vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung eingebrachter Änderungsantrag einiger Bundesländer ein, die gerade entgegengesetzt eine nicht erreichte zehnprozentige Mindestquote als neuen Versagungsgrund ausgestalten wollten.109) Bereits § 300 VorE 2006 sowie der RefE 2007 und der RegE 2007 haben aber 48 eine zweistufige Abkürzungsmöglichkeit vorgesehen. Obwohl das Restschuldbefreiungsverfahren vor allem in der sozialen Schuldnerberatung immer wieder als zu lang angesehen wurde, blieb dieser Regelungsvorschlag wenig beachtet, wohl wegen der als gering eingeschätzten praktischen Bedeutung. Eine effektive Verfahrensvereinfachung wurde eher in einem verkürzten Restschuldbefreiungsverfahren für alle Schuldner verortet.110) Auf Verbandsebene wurde allerdings eine solche Forderung keinesfalls offensiv verfolgt.111) ___________ 105) Pape, ZInsO 2011, 1; Stephan, VIA 2011, 25; Triebiger, ZInsO 2010, 449. 106) Stephan, VIA 2011, 25. 107) Koalitionsvertrag, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium/ koalitionsvertrag.pdf?__blob=publicationFile, Teil I Wohlstand für alle, Abschnitt 4.1 Mittelstand, S. 25. 108) Henning, ZVI 2014, 7. 109) BR-Drucks. 783/97. 110) Pape, ZInsO 2011, 1, 4. 111) Henning, ZVI 2014, 219.

19

A. Reformdiskussion

b) Überraschender Richtungswechsel 49 In mehrfacher Hinsicht verblüffte dieser Motivwechsel. Während bei den ersten Reformanläufen vor allem über eine Justizentlastung und eine Kosteneinsparung sowie letztlich ein beschränktes Privatinsolvenzverfahren mit verschlechterten Aussichten für eine Restschuldbefreiung diskutiert wurde, sollte künftig gerade über eine einfacher zu erlangende Restschuldbefreiung nachgedacht werden. Zudem und vor allem wechselte der Fokus fort von den zahlreichen masselosen Insolvenzen hin zu den wenigen besonders massehaltigen Verfahren. Binnen kürzester Zeit hatte sich die Perspektive anscheinend geradezu umgekehrt. Jedenfalls war damit ein sichtbares Zeichen für eine veränderte insolvenzrechtliche Landschaft gesetzt. 50 Scheinbar bereiteten die Verfahren ohne kostendeckende Masse keine allzu großen Sorgen mehr.112) Die Ursachen dafür sind freilich nicht ohne Weiteres zu identifizieren. Überraschenderweise hat die Bundesregierung die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens zum Generalthema des neuen Anlaufs erhoben, ohne sich hierbei auf einen umfassenderen Konsens oder auch nur auf eine breitere Debatte stützen zu können. Merkwürdig mutet zudem die Diskrepanz zwischen den bislang regelmäßig angestrebten verschärften Anforderungen gegenüber einer Restschuldbefreiung an, wie sie auch im Titel als Gesetz zur Stärkung der Gläubigerrechte zum Ausdruck kommt, sowie dem schuldnerfreundlichen verkürzten Restschuldbefreiungsverfahren.113) Erst bei einer genaueren Analyse zeigen sich die Gründe. 51 Dabei erweist sich, wie sehr doch die gesamte Reform von fiskalischen Interessen gesteuert ist. Geschickter als früher wurde nicht länger die politisch kaum durchsetzbare Aufhebung der Kostenstundung verfolgt, sondern ein umfassendes Paket einnahmensichernder und kostensparender Regelungen geschnürt. Dies gilt nicht nur bei der ausdrücklich mit Einsparungsgründen gerechtfertigten Aufhebung von § 114 InsO, sondern auch bei zahlreichen anderen Details bis hin zu den als Fiskalvorrechte zu verstehenden Bereichsausnahmen in § 302 Nr. 1 InsO (dazu Rn. 72 ff.). Die Vielzahl der Detailänderungen konnte so unabhängig von Kostengesichtspunkten erklärt werden. 52 Fraglich erscheint, ob die Reform ohne den haushaltsmäßigen Nutzen überhaupt realisiert worden wäre. Aus diesem Blickwinkel bildet das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren einen Anreiz, um die Kostendeckung erreichen, aber wohl mehr noch einen Deckmantel, um Kosteneinsparungen realisieren zu können. So gesehen ist auch die Stärkung der Gläubigerrechte sachgerecht zu erklären. Vorrangig gestärkt werden die Rechte der öffentlichen Gläubiger, sei es als Kostengläubiger und damit Gläubiger von Masseverbindlichkeiten oder als Insolvenzgläubiger der nach § 302 Nr. 1 Alt. 2 und 3 InsO privilegierten Forderungen. Selbstverständlich kommen ihnen auch ___________ 112) Hergenröder, KTS 2013, 385, 391. 113) Vgl. Homann, DGVZ 2014, 137, 139.

20

III. Erfolgreicher Abschluss

die anderen Vorschriften entgegen, wie die veränderten Versagungsregeln, mit denen die Gläubigerrechte befestigt werden sollen. So profitieren dann die sonstigen Insolvenzgläubiger von den veränderten Regeln, etwa der Aufhebung des § 114 InsO, weil die Rechte der öffentlichen Gläubiger erweitert wurden. c) Politische Wegmarken Gegen die Neuorientierung erhob die 80. Justizministerkonferenz am 53 5.9.2009114) nochmals Widerspruch und sprach sich für eine Fortsetzung der Arbeiten am Gesetzentwurf vom 5.12.2007115) aus. Ganz unverbrämt sollte die am allgemeinen Widerstand gescheiterte Aufhebung der Kostenstundung doch noch realisiert werden. Die Zeiten, in der die Reform des Privatinsolvenzrechts allein von der Aufhebung dieses Instituts befördert und bestimmt wurde, waren jedoch offenbar vorbei. Haushaltspolitische Interessen sollten nunmehr auf indirektem Weg und eher verdeckt verfolgt werden. Letztlich sollte dies aber in einer kaum weniger einträglichen Weise geschehen. Die veränderten politischen Triebkräfte waren genügend stark, um zudem andere, längst abgelegte Reformelemente transportieren zu können. Fahrt nahm die Umgestaltung des Privatinsolvenzrechts nach der Rede der 54 Bundesministerin der Justiz vom 7.4.2011 auf dem 8. Berliner Insolvenzrechtstag auf. In ihrer Rede entwarf die Ministerin als zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform die Eckpunkte einer Reform des Insolvenzverfahrens natürlicher Personen.116) Die Eckpunkte des Vorhabens hat die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium Dr. Grundmann auf einer Tagung vom 5.4.2011 weiter ausgeführt.117) Ein entscheidender Durchbruch gelang bei der Kostenstundung, die nicht mehr 55 aufgehoben werden sollte. Es ist bezeichnend für die Reformnotwendigkeit und die Reformqualität, wenn hierin die vielleicht größte Errungenschaft des Entwurfs gesehen wurde.118) Infolgedessen entfielen auch die Überlegungen für ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren. Als wichtiger neuer Akzent sollte eine Zustimmungsersetzung auch beim außergerichtlichen Einigungsversuch ermöglicht werden. Als programmatische Ziele wurden ein verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren119) und schärfere Regeln gegen eine miss___________ 114) Siehe http://www.justiz.nrw.de/WebPortal/JM/justizpolitik/jumiko/beschluesse/2009/ herbstkonferenz09/I_6.pdf. 115) BT-Drucks. 16/7416. 116) Siehe http://www.bmjv.de/SharedDocs/Archiv/DE/Reden/DE/2011/20110407_Achter_ Insolvenzrechtstag.html;jsessionid=B4B7FE6412B818C0ACB6B85EEDE92785.1_ cid324?nn=1468700. 117) Ahrens, NZI 2011, 425. 118) Vgl. Pape/Grote, AnwBl 2012, 507. 119) Ablehnend Jäger, ZVI 2012, 142.

21

A. Reformdiskussion

bräuchliche Wiederholung von Restschuldbefreiungsanträgen und für eine Versagung der Restschuldbefreiung hervorgehoben.120) 2. Referentenentwurf vom 18.1.2012 a) Verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren 56 Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 18.1.2012121) formte dieses Vorhaben aus. Danach sollte ein verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren bei Zahlung eines Mindestbetrags eröffnet werden.122) Am prominentesten war die Abkürzungsmöglichkeit nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RefE 2012 bei einer dreijährigen Verfahrensdauer und einer Mindestquote von 25 %. In der internen Ressortabstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz soll das Bundeswirtschaftsministerium noch für eine Mindestquote von 15 % eingetreten sein. Demgegenüber hat das BMJ die dann letztlich auch im Entwurf festgeschriebene Quote von 25 % favorisiert.123) 57 Obwohl ein abgekürztes Restschuldbefreiungsverfahren Verfahrenskosten reduzieren helfen soll, europäischen Tendenzen entspricht und vielfach konsentiert wird,124) fand eine damit verkoppelte Mindestquote nur wenige Fürsprecher. Vor allem wurde deren Höhe in der Literatur als überzogen und kaum perspektivenreich kritisiert. Aufgrund dieser Zweifel wurden und werden der Vorschlag und die schließlich ergangene gesetzliche Regelung, zumal sie eine noch höhere Quote von 35 % voraussetzt, allgemein als nahezu bedeutungslos angesehen.125) Wegen eines drohenden Verstoßes gegen den grundgesetzlichen Gleichheitssatz126) und rechtsdogmatischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines allein für Gründer127) verkürzten Restschuldbefreiungsverfahrens sollte die kürzere Verfahrensdauer allen Schuldnern eröffnet werden.

___________ 120) Ahrens, NZI 2011, 425. 121) ZInsO 2012, 69. 122) Schmerbach, NZI 2012, 161; ders., ZInsO 2012, 916; Harder, NZI 2012, 113; Stephan, ZVI 2012, 85; ders., VIA 2012, 65; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558; Stellungnahme der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. (NIVD), ZInsO 2012, 1112; Jäger, ZVI 2012, 177; Beck, ZVI 2012, 223; Siebert, VIA 2012, 17. 123) Woltersdorf, InDat-Report 2014, 24, 26. 124) A. A. Jäger, ZVI 2012, 177, 181. 125) Pape/Grote, AnwBl 2012, 507; Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175 ff.; Beck, ZVI 2012, 223, 224; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Kohte, VuR 2013, 321; Vallender, NZI 13/2014, V; Homann, DGVZ 2014, 137, 139. 126) Beck, ZVI 2012, 223, 224; a. A. Baczako, ZVI 2013, 209, 213. 127) Frind, BB 2013, 1674, 1675; zur Motivlage, Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2173.

22

III. Erfolgreicher Abschluss

b) Sonstige Novellierungen Eine Korona wenig zusammenhängender Detailänderungen umgab dieses 58 formulierte Leitmotiv. Die außergerichtliche Einigung sollte wieder einmal durch eine Zustimmungsersetzung erleichtert werden. Offensichtlich aussichtslose außergerichtliche Einigungsversuche sollten nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 RefE 2012 entfallen können. Bei der Einleitung eines Restschuldbefreiungsverfahrens sollte nach § 287a RefE 2012 eine Entscheidung über eine amtswegige Versagung der Restschuldbefreiung in den Fällen von § 290 Abs. 1 Nr. 1, 1a, 3 RefE 2012 erfolgen. Damit wurde die Sperrfristrechtsprechung des BGH aufgegriffen.128) Der legislatorische Vorschlag blieb allerdings noch zu sehr dem Herkunftsbereich der Sperrfristjudikatur im Versagungsrecht verhaftet, obwohl sie inzwischen allgemein als neu konstituierte Zulässigkeitsschranke bzw. Sachentscheidungsvoraussetzung verstanden wird.129) Angelehnt an die höchstrichterliche Rechtsprechung wurde außerdem in § 290 Abs. 1 Nr. 3a RefE 2012 ein Versagungstatbestand mit einer dreijährigen Frist bei einer Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO oder nach § 297a RefE i. V. m. § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO vorgesehen. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Tatbeständen einer amtswegigen und einer antragsabhängigen Sperre blieb freilich nicht nur verfahrensrechtlich weithin unklar. Vorgesehen war in § 290 Abs. 1 Nr. 1a RefE ein sachlich überaus unscharfer 59 Versagungstatbestand, wenn der Schuldner wegen eines Straftatbestands verurteilt worden ist, der dem Schutz von Eigentum und Vermögen dienen soll. § 297a RefE ermöglichte die nachträgliche Geltendmachung der Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 InsO. In § 295 Abs. 1 RefE 2012 wurde die Erwerbsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO aufgenommen und auf den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstreckt. Die verbleibenden Obliegenheiten aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 – 4 InsO wurden in § 295 Abs. 2 Nr. 1 – 3 RefE 2012 umbenannt und die Erwerbsobliegenheit des Selbständigen aus § 295 Abs. 2 InsO wurde in § 295 Abs. 3 RefE 2012 übertragen. Seinerzeit folgerichtig sollte § 35 Abs. 2 RefE 2012 auf § 295 Abs. 3 RefE verweisen. Mit § 290 Abs. 1 Nr. 7 RefE 2012 wurde eine verletzte Erwerbsobliegenheit als Versagungsgrund ausgestaltet. Kritisch beleuchtet130) wurden insbesondere manche der beschriebenen sach- 60 lichen und verfahrensrechtlichen Veränderungen bei einer Versagung der Restschuldbefreiung.131) Tatbestände und Verfahrensregeln einer Versagung der Restschuldbefreiung wurden vielfach aus ihrer bisherigen klaren Rege___________ 128) Überblicke bei AGR/Fischer, § 287 Rn. 12 ff.; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 31a ff. 129) FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 31a; AGR/Fischer, § 287 Rn. 8. 130) Nach Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 63, erfuhr der Entwurf überwiegend Kritik. 131) Schmerbach, NZI 2012, 161, 163; Pape, ZVI 2012, 150, 153; Pape/Grote, AnwBl 2012, 507; a. A. NIVD, ZInsO 2012, 1112, 1114; Ernst, Jurbüro 2013, 401, zum RegE.

23

A. Reformdiskussion

lungsgestalt gelöst. Auch die erweiterten Ausnahmen von der Restschuldbefreiung in § 302 Nr. 1 RefE 2012 wurden wegen ihres Charakters als Fiskalvorrechte abgelehnt.132) Dagegen wurde die schon früher geforderte133) und nunmehr geplante Streichung von § 114 Abs. 1, 2 InsO als positiv, wenn auch als inkonsequent angesehen, soweit § 114 Abs. 3 InsO unberührt bleiben sollte.134) Um die durch das ESUG erfolgte Übertragung des Insolvenzplanverfahrens auf den Richter zu kompensieren, die zusätzliche teure Arbeitskraft in Anspruch nahm, wurde zeitweilig angedacht, das Schuldenbereinigungsplanverfahren sowie das Verfahren über die Versagung der Restschuldbefreiung in die Zuständigkeit des Rechtspflegers zu verlagern, § 18 Abs. 1 RPflG RefE 2012. Aufgrund systematischer, justizpolitischer und wohl auch verfassungsrechtlicher Bedenken, die vor allem die Insolvenzrichter betonten,135) wurde dieser in erster Linie fiskalpolitisch veranlasste Plan wieder fallen gelassen. 61 Ein durch den Reformvorschlag substanziell verbessertes Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren war letztlich nur bei Einzelregelungen zu erkennen. Als belastend wurden dagegen viele Vorschläge angesehen, die das Verfahren noch komplizierter und unüberschaubarer machen würden, als es ohnedies schon war.136) Als reformerisches Traditionsmuster blieben nachhaltige Angriffe auf das Restschuldbefreiungsverfahren erhalten, welche durch die bedeutungslose Verfahrensverkürzung nicht kompensiert wurden. Ob diese Einschränkungsversuche mehr von einer gewissen Orientierungslosigkeit oder ob sie von einer Distanz zur Restschuldbefreiung getragen wurden, muss offenbleiben. 3. Regierungsentwurf und parlamentarische Beratungen 62 Es folgte der Regierungsentwurf vom 18.7.2012.137) Mehrere beachtliche Akzentverschiebungen kennzeichnen diesen Entwurf. Anstelle der ursprünglich geplanten amtswegigen Versagung bei Verfahrenseinleitung wurde auf die schließlich kodifizierte eigenständige Eingangsentscheidung gesetzt, § 287a RegE 2012, mit der das Insolvenzgericht über die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens zu entscheiden hat. Eine Zustimmungsersetzung ___________ 132) Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; Beck, ZVI 2012, 223, 231 f., siehe auch Hergenröder/ Hohmann, ZVI 2013, 91, 92; Ernst, JurBüro 2013, 401, 403. 133) Etwa Pape, ZInsO 2011, 1, 8 f. 134) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 420; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 566; NIVD, ZInsO 2012, 1112, 1115; siehe auch Baatz, ZInsO 2012, 457, 468; dagegen Obermüller, ZVI 2012, 146, 147. 135) Vgl. Schmerbach, NZI 2012, 161, 166; Heyer, ZVI 2011, 437; Laroche/Pruskowski/ Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 567; 509 f.; Biegelsack, ZInsO 2012, 1009; Siebert, VIA 2012, 17, 19; a. A. Lissner, ZVI 2012, 93; ders., ZInsO 2012, 681. 136) Pape/Grote, AnwBl 2012, 507. 137) ZInsO 2012, 1461; Schmerbach, NZI 2012, 689; ders., VIA 2012, 57; Grote/Pape, ZInsO 2012, 1913; Frind, ZInsO 2012, 1455; Ernst, JurBüro 2013, 401.

24

III. Erfolgreicher Abschluss

für den außergerichtlichen Einigungsversuch wurde nicht mehr vorgesehen, doch sollte die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO entfallen und ein Beschwerderecht geschaffen werden, § 305 Abs. 3 Satz 2 RegE 2012. Überraschend wurde in einem prinzipiell begrüßten Schritt das Insolvenzplanverfahren in der Verbraucherinsolvenz eröffnet. In der Literatur wurde allerdings die geplante Streichung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens nach den §§ 307 – 309 InsO als unlogisch und unnötig bezeichnet.138) § 114 InsO sollte insgesamt aufgehoben werden.139) Trotz einiger struktureller Verbesserungen wurden immer noch wesentliche Einwände geäußert.140) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde am 10.8.2012 dem Bundesrat 63 zugeleitet.141) Die Bundesratsausschüsse gaben ihre Empfehlung am 11.9.2012 ab.142) Am 31.10.2012 wurde der Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte mit der Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung der Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebracht.143) Die erste Lesung im Deutschen Bundestag erfolgte sodann am 29.11.2012.144) Auf eine Sachverständigenanhörung vom 14.1.2013 legte der Rechtsaus- 64 schuss seine Beschlussempfehlung und seinen Bericht erst am 15.5.2013 vor,145) ein deutliches Zeichen auch dafür, wie sehr hinter den Kulissen um einzelne Regelungen gerungen wurde.146) Um eine stringentere Ordnung zu erreichen, wurde die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens einsetzende Erwerbsobliegenheit aus § 295 InsO herausgelöst und in § 287b InsO verselbständigt. § 295 InsO behielt damit seine bisherige Gestalt. Unverändert blieb freilich die erstmals in § 35 Abs. 2 RefE 2012 vorgesehene Verweisung in § 295 Abs. 3 InsO, weswegen das Gesetz auf eine nicht eingeführte Norm verweist. Die augenfälligste Korrektur erfolgte bei § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO, dessen Mindestquote aufgrund einer einzelnen Stellungnahme in der Sachverständigenanhörung von 25 % auf 35 % erhöht wurde. Zusätzlich wurde in § 300 Abs. 2 InsO der Herkunftsnachweis für die über die Abtretung hinausgehenden Mittel eingeführt, die an den Treuhänder geflossen sind. ___________ 138) Grote/Pape, ZInsO 2012, 1913, 1920; außerdem Harder, NZI 2013, 70, 75; Kohte, VuR 2012, 381, 382; Baczako, ZVI 2013, 209, 210. 139) Zustimmend Kohte, VuR 2013, 321; Ernst, JurBüro 2013, 401, 403; dagegen aus Gläubigerperspektive, Köchling, ZInsO 2013, 316. 140) Grote/Pape, ZInsO 2012, 1913; siehe auch Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 63, nach dessen Einschätzung der RegE bei den grundlegenden Elementen wenig Zustimmung erhielt. 141) BR-Drucks. 467/12. 142) BR-Drucks. 467/1/12. 143) BT-Drucks. 17/11268; siehe auch Hergenröder/Hohmann, ZVI 2013, 91; Ritter, ZVI 2013, 135. 144) BT-PlPr 17/211, S. 25798, 25929. 145) BT-Drucks. 17/13535. 146) Vgl. Woltersdorf, InDat-Report 2014, 24, 26.

25

A. Reformdiskussion

65 Kaum verwunderlich wurde der Zickzackkurs beim außergerichtlichen Einigungsversuch und beim Schuldenbereinigungsplanverfahren fortgesetzt. Gestrichen wurde der Vorschlag, einen offensichtlich aussichtslosen außergerichtlichen Einigungsversuch abzuschaffen, weswegen er weiterhin in allen Fällen unternommen werden muss.147) Auf der Verlustliste des Gesetzgebungsverfahrens stand auch das oft geforderte Beschwerderecht aus § 305 Abs. 3 Satz 2, 3 RegE 2012 bei einer vom Schuldner nicht erfüllten Ergänzungsaufforderung des Insolvenzgerichts. Gerettet wurden dagegen die Vorschriften der §§ 307 – 309 InsO über das Schuldenbereinigungsplanverfahren. 66 Mit der Beschlussempfehlung des Bundestagsrechtsausschusses waren die letzten wesentlichen Hürden überwunden. Der Gesetzentwurf wurde sodann am 16.5.2013 in zweiter und dritter Lesung vom Deutschen Bundestag verabschiedet.148) Der zweite Durchgang im Bundesrat erfolgte am 7.6.2013. Da der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anrief149) und der Bundesratsbeschluss erging,150) konnte das Gesetz vom Bundespräsidenten unterzeichnet und am 18.7.2013 im Bundesgesetzblatt verkündet werden.151) Sukzessive tritt das Gesetz bis zum 1.7.2014 für alle Insolvenzverfahren in Kraft. IV. Einordnung 1. Positionswechsel 67 Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 hat die mehr als eine Dekade andauernde Reformdiskussion ein vorläufiges Ende gefunden. Bevor diese Novellierung realisiert werden konnte, wurden zahlreiche Gesetzentwürfe und ganze Berge an Reformliteratur verfasst. Es dürfte in der jüngeren wirtschaftsrechtlichen Geschichte kaum ein derart begrenztes Reformvorhaben mit einem solch langwierigen und wechselvollen Verlauf gegeben haben. An der hohen Komplexität der Materie dürfte es wegen der doch eher begrenzten Regelungstiefe des verwirklichten Vorhabens kaum gelegen haben. 68 Von den ursprünglichen Forderungen ist nur weniges unmittelbar realisiert worden. Wie sehr sich die propagierten Zielsetzungen verändert haben, ist in der Retrospektive gut zu erkennen. In rascher Folge haben die rechtspolitischen Schlagworte gewechselt, von einer Justizentlastung über eine Kosteneinsparung, die Funktionsverluste bei masselosen Insolvenzverfahren, das vereinfachte Entschuldungsverfahren bis hin zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens bei Erreichen einer Mindestquote. In der Rückschau auf das verwirklichte Projekt können noch verbesserte Einnahmen genannt ___________ 147) 148) 149) 150) 151)

26

Kritisch Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1436. BT-PlPr 17/240, S. 30296, 30468. Bundesrat, Stenografischer Bericht, 920. Sitzung vom 7.6.2013, 308 D 309 A. BR-Drucks. 380/13 (B). BGBl. I S. 2379.

IV. Einordnung

werden. Einher ging damit eine wechselnde Meinungsführerschaft, von der Justiz und einzelnen Interessengruppen bis hin zu den Ministerialverwaltungen der Länder, die sich wohl am stärksten durchsetzen konnten. Aus diesen Generalthemen sind nur wenige Facetten realisiert worden. Die 69 erhoffte Vereinfachung im Verbraucherinsolvenzverfahren beschränkt sich auf die sicherlich sinnvolle flächige Einführung des schriftlichen Verfahrens in § 5 Abs. 2 InsO. Außerdem wurde das als gesetzgeberischer Misserfolg anzusehende spezielle Verfahren nach den §§ 312 – 314 InsO gestrichen. Sinnvolle Besonderheiten blieben dabei gewahrt, wie die dreimonatige Rückschlagsperre, die in § 88 Abs. 2 InsO überführt wurde. Die Kostenstundung konnte erst durch die überwältigende Unterstützung aller am Insolvenzverfahren Beteiligten gesichert werden. Als nicht tragfähig haben sich die beiden prominenten Alternativen zum In- 70 solvenzverfahren erwiesen. Während eine materielle Verjährungslösung prinzipiell verworfen werden kann, fehlen für ein vereinfachtes Insolvenzverfahren zumindest derzeit belastbare Konzepte. Unter dem gegenwärtigen Erkenntnisstand erscheint es weithin ungeklärt, wie das insolvenzrechtliche Aufgabenund Leistungsprofil auf eine einfachere Grundlage gestellt werden könnte. Allein dies stellt bereits ein positives Zeugnis über die normative Kraft des geltenden Rechts dar. Das rechtspolitische Etikett eines verkürzten Restschuldbefreiungsverfah- 71 rens hat zweifellos die Verabschiedung des Gesetzes vom 15.7.2013 befördert, wurde die Verfahrensverkürzung doch scheinbar zum Motor der Reform. Von einem Systemwechsel, wie der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags formuliert,152) wird man indessen wegen der mutlosen Ausgestaltung nicht sprechen können. Konzeptionell bewegt sich die Novelle vielfach auf bekannten Pfaden, wenn etwa in § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO lediglich die höchstrichterliche Rechtsprechung kodifiziert ist,153) und praktisch dürfte sie voraussichtlich ein Schattendasein fristen. Wegen der überzogenen Hürden wird kaum ein Schuldner diesen Weg einschlagen können,154) zumal mit den konsensualen Optionen einer Schuldenbereinigung einfachere und niedrigschwelligere Alternativen zur Verfügung stehen. Letztlich ist die demonstrative Bezeichnung inhaltlich kaum unterlegt. In den eigenen Worten des BMJ ist eine Mindestbefriedigungsquote von 35 % angesichts der gegenwärtigen Schuldnerleistungen in Restschuldbefreiungsverfahren „völlig unrealistisch“.155)

___________ 152) 153) 154) 155)

BT-Drucks. 17/13535, S. 42. BT-Drucks. 17/11268, S. 30. Frind, BB 2013, 1674, 1676. Zwischenbericht zu einer Reform der Verbraucherentschuldung, 14.3.2005, S. 9.

27

A. Reformdiskussion

Angesichts dieser Defizite und der nachhaltigen Kritik156) kann darin schwerlich ein akzeptierter Kompromiss gesehen werden.157) 2. Fiskalisches Leitmotiv a) Perspektivenwechsel 72 Mit guten Gründen können fiskalische Erwägungen als die wohl wichtigste Antriebskraft der aktuellen Reform angesehen werden.158) Bereits bei den vorangegangenen Reformanläufen ging es, nachdem die Ministerialverwaltungen die Federführungen übernommen hatten, in erster Linie um das Ziel, die öffentlichen Kassen zu entlasten. Über ein Jahrzehnt lang prägte die Suche nach Einsparpotenzialen die vorgelegten Entwürfe und viele Diskussionen.159) Zunächst wurde vor allem an die Ausgabenseite gedacht. Lange wurde angestrebt, die Kostenstundung aufzuheben, um so die dadurch entstehenden Kosten einzusparen. Letztlich ist dies erst am entschiedenen Widerstand aller Beteiligten und sonstigen mit dem Insolvenzverfahren befassten Personen gescheitert. 73 Demgegenüber wird mit dem aktuellen Projekt der Ansatzpunkt verändert. Nunmehr ist in erster Linie die Einnahmenseite verbessert worden, indem mit zahlreichen einzelnen Regelungsbausteinen zusätzliche finanzielle Mittel für die öffentlichen Kassen generiert werden können. Aber auch die Ausgabenseite ist nicht vergessen wurden, denn zum Gesamtpaket gehören wesentliche Änderungen, die Kosten einsparen. Der Reformgesetzgeber hat sich damit weniger neu erfunden, als vielmehr einen veränderten Weg gefunden, um unter einem neuen Titel seine ursprünglichen Absichten weiterhin zu verwirklichen.160) Ein klares Beweisanzeichen dafür bildet, wie viele Vorschriften aus früheren Gesetzentwürfen stammen, die unter dem Primat der Kosteneinsparung standen (Rn. 85 ff.). b) Zentralbereiche 74 Unter dem Aushängeschild des verkürzten Restschuldbefreiungsverfahrens werden zahlreiche Stellschrauben verändert, um den öffentlichen Kassen einige Ausgaben zu ersparen und vor allem zusätzliche Einnahmen für sie zu ermöglichen. Dieser fiskalisch motivierte Subtext bildet zudem eine Erklärung, warum zahlreiche Einwände gegen widersprüchliche, unsystematische oder unpassende Regelungen im Gesetzgebungsverfahren übergangen wurden. ___________ 156) Pape/Grote, AnwBl 2012, 507; Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175 ff.; Beck, ZVI 2012, 223, 224; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Kohte, VuR 2013, 321; Baczako, ZVI 2013, 209, 213. 157) So aber Maas, ZInsO 2014, 819, 821. 158) Ahrens, NJW 2014, 1841. 159) Graf-Schlicker, ZVI 2014, 202. 160) Abweichend Graf-Schlicker, ZVI 2014, 202.

28

IV. Einordnung

Ernüchternd ist wahrzunehmen, wie sehr auch das Insolvenzrecht natürlicher Personen durch fiskalische Interessen gesteuert wird. Zumeist erfolgen diese Eingriffe auf Kosten des Schuldners, wie etwa bei § 300a Abs. 3 Satz 1 InsO oder den im Rahmen der Kostenstundung erhöhten Ratenzahlungen, dessen Situation damit nachhaltig verschlechtert wird, doch sind auch die anderen Gläubiger betroffen. Die Herrschaft des Kostendeckungsgedankens mit seinen systemwidrigen Konsequenzen droht die insolvenzrechtlichen Zielsetzungen und einige wesentliche Institute in den Massenverfahren natürlicher Personen zu erdrosseln. Selbst jahrelange, allseitig getragene nachhaltigste Bedenken gegen die dadurch 75 veranlassten Änderungen, etwa bei der geplanten Aufhebung der Stundungsvorschriften,161) konnten sich nur mühselig Gehör verschaffen. Teilweise wurden sogar kräftigste Einwände vollständig übergangen, wie bei den neuen, vorrangig als Fiskusvorrechte zu verstehenden Ausnahmen von der Restschuldbefreiung in § 302 Nr. 1 InsO, die in erster Linie den öffentlichen Kassen dienen.162) Auch die gestrichenen §§ 312 – 314 InsO lassen sich mit Haushaltsinteressen erklären, denn das dadurch eröffnete Anfechtungs- und Verwertungsrecht des Treuhänders verbreitert die Masse aufgrund der Tilgungsrangfolge zunächst zugunsten der Kostenforderungen. In dem als Anreizmodell vorgestellten Konzept des verkürzten Restschuld- 76 befreiungsverfahrens wird die Verfahrensdauer bereits dann nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO auf fünf Jahre reduziert, wenn lediglich die Kosten berichtigt sind. Da bei jeder Verfahrensverkürzung zumindest die Verfahrenskosten getilgt sein müssen, teilweise aber auch nur dies gefordert ist, stehen die Interessen der Justizkassen stark im Vordergrund. Daneben hat die Verfahrensverkürzung für die öffentlichen Kassen noch einen doppelten Effekt. Für die Gläubiger privilegierter Forderungen, zu denen in großer Zahl die öffentlichen Gläubiger gehören, ist eine vorzeitige Restschuldbefreiung vorteilhaft, weil sie früher von der Forderungskonkurrenz befreit werden und ihr Privileg nach Erteilung der Restschuldbefreiung realisieren können. Auch die neue Kostentragungsregel des § 300a Abs. 3 InsO bestätigt diese 77 Einschätzung. In den asymmetrischen Verfahren hat der Insolvenzverwalter nach dem Ende der Abtretungsfrist, aber vor Erteilung der Restschuldbefreiung, den Neuerwerb, der dem Schuldner zusteht, treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten, § 300a Abs. 2 Satz 1 InsO. Da dieser Aufwand vor Erteilung der Restschuldbefreiung entsteht und damit zum Verfahren zur Restschuldbefreiung gehört, sind die Kosten nach § 4a Abs. 1 Satz 2 InsO eigentlich von der Stundung mit umfasst. Ohne diese Abweichung in den ___________ 161) Vgl. nur den ohne Gegenstimmen angenommenen Beschluss des 1. Deutschen Privatinsolvenztags vom 5.11.2010, http://www.privatinsolvenztag.de/Tagung10/2010.html. 162) Vgl. nur Ahrens, ZVI 2012, 122; Hirte, ZInsO 2013, 171, 174; a. A. Graf-Schlicker, ZVI 2014, 202, 204, aus Sicht des Ministeriums.

29

A. Reformdiskussion

Materialien zu begründen,163) werden in § 300a Abs. 3 Satz 1 InsO die Kosten systemwidrig dem Schuldner überantwortet, obwohl es sich dabei um Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 54 Nr. 2 InsO handelt. Für die Verwaltung seines eigenen Vermögens, die er nicht länger wünscht und auf deren Dauer er keinen Einfluss hat, muss der Schuldner die Kosten tragen. Letztlich dient diese Regelung gerade dazu, den Kostenaufwand der Justizkassen zu reduzieren. 78 Einige von einem breiten Konsens getragene Vorschriften besitzen ebenfalls einen haushaltsrechtlich wirksamen Charakter. Seit Langem ist eine Aufhebung von § 114 InsO gefordert worden, um die Gläubigergleichbehandlung im Verfahren zu stärken. Dennoch kommt diese Regelung zuvorderst den öffentlichen Haushalten zugute, wie die Materialien deutlich kundtun. Danach soll die Streichung von § 114 InsO gerade auch den Justizkassen eine frühere Befriedigung der gestundeten Kostenforderungen ermöglichen.164) Da das Abtretungsprivileg entfällt, können die anderen Gläubiger und hier vorrangig die Kostengläubiger frühzeitiger befriedigt werden. c) Einzelaspekte 79 Als systematisch folgerichtig kann die Erwerbsobliegenheit des § 287b InsO ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens angesehen werden, selbst wenn sie wegen der kostenrechtlichen Erwerbsobliegenheit allein über einen schmalen Anwendungsbereich verfügen wird. Sie verbessert insoweit ebenfalls die Befriedigungsaussichten öffentlicher Gläubiger. Der in § 287 Abs. 3 InsO präzisierte Schutz der Abtretungserklärung sichert nicht zuletzt auch die mögliche Befriedigung der gestundeten Kosten. Ein prinzipiell schriftliches Verfahren nach § 5 Abs. 2 InsO und das mögliche Absehen von einem Berichtstermin, § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO, verhelfen zu einem effizienteren und damit auch kostengünstigeren Verfahren. 80 Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Die Bewertung muss durchaus differenziert ausfallen. Abzulehnen sind die erweiterten Bereichsausnahmen. Die zuletzt genannten Modifikationen, von der Aufhebung des § 114 InsO bis zum flexibler anzuordnenden Berichtstermin, sind demgegenüber sinnvoll in das Verfahren integriert. Sie fügen sich aber auch in ein fiskalisch ausgemaltes Bild ein, dessen Gesamteindruck kritisch zu würdigen ist. 81 Sogar auf den ersten Blick unverdächtige, weil scheinbar fiskalisch neutrale Regelungen können aus dem öffentlichen Ertragsinteresse erklärt werden. Wenn die Gläubigerrechte durch verschärfte Versagungsregeln gestärkt werden, nutzt dies ebenfalls der großen Gruppe der öffentlichen Gläubiger im Restschuldbefreiungsverfahren. Deren gegenwärtig nicht stets planvolles Agieren bildet demgegenüber lediglich einen kleinen praktischen, jederzeit änderbaren, aber keinen systematischen Einwand. Zudem erspart jede zusätzliche Versa___________ 163) BT-Drucks. 17/11268, S. 32. 164) BT-Drucks. 17/11268, S. 23.

30

IV. Einordnung

gung den öffentlichen Kassen weitere Ausgaben im Rahmen der Kostenstundung. Die vorverlagerte Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO soll ebenfalls die Masse stärken, doch wird sie auf die Kostentilgung keinen Einfluss haben, weil sie durch die Obliegenheit aus § 4c InsO kompensiert wird. Ihren größten Effekt wird sie deswegen beim neuen Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO zeigen. Verstärkt werden diese Auswirkungen noch durch die zeitlich parallel erfolgte 82 Reform des PKH-Verfahrens, das insbesondere über die Verweisungsnorm des § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO auf die Kostenstundung ausstrahlt. Durch die Novelle von § 115 Abs. 2 ZPO wesentlich erhöhten Ratenzahlungen können die Justizkassen eine schnellere und deutlich größere Befriedigung ihrer Kostenforderungen erwarten. Einen kleinen Beitrag leistet auch der gestrichene Motivationsrabatt aus § 292 Abs. 1 Satz 4, 5 InsO. Soweit die Verfahrenskosten befriedigt sind, erhalten künftig sämtliche und damit auch die öffentlichen Insolvenzgläubiger eine etwas höhere Befriedigungsquote. Manche sinnvollen Gesetzesänderungen sind zudem aus Kostenerwägungen 83 gescheitert. Die eigentlich zweckmäßige Beschränkung des außergerichtlichen Einigungsversuchs auf nicht von vornherein aussichtslose Verfahren ist offenbar unterblieben, um die unsicheren Finanzierungsgrundlagen der Schuldnerberatungsstellen nicht zu gefährden.165) Zudem konnten sich die wiederholt geäußerten Bedenken gegen die unanfechtbare Rücknahmefiktion aus § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO166) nicht durchsetzen. Als wahrscheinlich ausschlaggebender Gedanke stand dahinter die Überlegung, eine rechtsmittelfähige Entscheidung wegen des dann erforderlichen vermehrten finanziellen Aufwands, etwa für die zusätzliche Arbeitszeit, abzulehnen. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die Reform ohne die zahlreichen 84 größeren und kleineren Umverteilungen der finanziellen Lasten im parlamentarischen Verfahren Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Jedenfalls hat der Gesetzgeber durch die vielfältigen Ansätze eine nachhaltige Veränderung der Ausgabensituation und Ertragslage für die öffentlichen Kassen erreicht. Dies ist wichtig, um den scheinbaren Themenwechsel zu verstehen und den sorglosen Umgang des Gesetzgebers mit den Prinzipien des Restschuldbefreiungsverfahrens einordnen zu können. 3. Traditionslinien Obwohl die Deckschicht der Leitthemen in einer bemerkenswerten Diskon- 85 tinuität steht, ist mit dieser wechselvollen Einschätzung nicht der gesamte Reformverlauf zu kennzeichnen. Zweifellos ist auf dieser vielfach plakativen Ebene der windungsreiche und, wie beim Richtungswechsel von den masselosen hin zu den massehaltigen Insolvenzen, sogar von konträren Entwick___________ 165) Vgl. Lackmann, Insbüro 2014, 303, 304. 166) Vgl. nur FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 61; Ahrens, NZI 2000, 201; Pape, NJW 2001, 23, 28.

31

A. Reformdiskussion

lungen gekennzeichnete Verlauf besonders sichtbar. Als wesentlich stabiler hat sich dagegen die auf Kosteneinsparungen sowie Verschärfungen im Restschuldbefreiungsverfahren bezogene Grundierung erwiesen. Ungeachtet der auch daran regelmäßig geäußerten Kritik stehen zahlreiche schließlich realisierte Vorschriften in einer Traditionslinie mit früheren Entwürfen.167) Die Befugnis der Gläubiger, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung bereits vor dem Schlusstermin zu stellen, findet sich bereits in § 290 Abs. 1 Einleitungssatz DiskE 2003. Nach § 302 Nr. 1 RefE 2004 sollten Verbindlichkeiten aus rückständigem Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, ungeachtet einer Restschuldbefreiung geltend gemacht werden können. 86 Großes legislatorisches Gewicht kommt dem sachlich stark kritisierten Vorentwurf vom 2.3.2006 zu,168) der ebenfalls mit den eben genannten Vorschriften übereinstimmende Regelungen umfasst. Sichtbar wird dieser Zusammenhang zudem beim verkürzten Restschuldbefreiungsverfahren. Eine zweistufige, auf eine zwei- oder vierjährige Abtretungsdauer bezogene Abkürzungsmöglichkeit gegen Leistung einer Mindestquote hat bereits § 300 Abs. 1 Satz 2 VorE 2006 vorgesehen. Die Befugnis der Gläubiger, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung bereits vor dem Schlusstermin zu stellen, wird in § 297a VorE 2006 durch die Berechtigung ergänzt, die nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 Nr. 3 – 6 InsO geltend zu machen. Außerdem war auch damals bereits geplant, die §§ 312 – 314 InsO aufzuheben. So prägt gerade dieser kritisierte, mangelhafte und wenig ausgewogene Entwurf das aktuelle Recht. 87 Auch die erst vom Rechtsausschuss gestrichenen Vorschläge, einen offensichtlich aussichtslosen außergerichtlichen Einigungsversuch abzuschaffen und das Beschwerderecht gegen eine vom Schuldner nicht erfüllte Ergänzungsaufforderung des Insolvenzgerichts zu eröffnen, entstammten § 305 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorE 2006. Zudem sollte der Abtretungsvorrang nach § 114 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 5.12.2007 auf ein Jahr beschränkt werden. Damit ist eines der im gesamten Diskussionsprozess am stärksten kritisierten Vorhaben in wesentlichen Teilen in das letztlich verabschiedete Gesetz eingefügt worden. Diese Kontinuität lässt sich ebenfalls aus der seit dem RegE 2007 gebräuchlichen Bezeichnung als Gesetz zur Stärkung der Gläubigerrechte ablesen.169) 88 In wichtigen Elementen wirkt damit der Geist des VorE 2006 nach. Charakteristisch für dieses Vorhaben waren neben dem unausgereiften Entschul___________ 167) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1441; zurückhaltender MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 26. 168) Schmerbach, NZI 2013, 566, verweist auf den RegE 2007. 169) Kritisch dazu Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 608.

32

IV. Einordnung

dungsverfahren, das nur in einigen Nebenwirkungen beim Verbraucherinsolvenzverfahren adaptiert wurde, vor allem die Angriffe auf das Restschuldbefreiungsverfahren. Es überrascht daher wenig, wenn in dieser Traditionslinie viele Regeln unausgewogen und kompliziert wirken. Eine fortwährende Begleitmusik bei den verschiedenen Reformanläufen bildeten strengere Regeln für die Restschuldbefreiung. Die vielfach gegen diese Änderungsvorschläge geäußerten Bedenken wurden in den wesentlichen Aspekten übergangen. Letztlich ist auch der Schlingerkurs beim außergerichtlichen Einigungsversuch und dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren mit der unausgereiften Orientierung am VorE 2006 zu erklären. 4. Orientierungsverluste a) Strukturelle Einbußen Die alten Haltepunkte des Verfahrens haben durch die Reform vielfach ihre 89 Wirkungsmacht verloren. Die klare Verfahrensgliederung und die Präklusion der Versagungsgründe aus § 290 InsO nach Ende des Schlusstermins werden aufgegeben. Ob diese Umformung dem Restschuldbefreiungsverfahren eine neue Dynamik und/oder jedenfalls Substanz verleiht, bleibt abzuwarten, erscheint indessen eher fraglich. Einige bewährte Verfahrenselemente gehen dadurch verloren. Neue Kraftfelder sollen die Eingangsentscheidung und die Möglichkeit bilden, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens zu verkürzen. Hinter der Formenkraft der Eingangsentscheidung stehen derzeit noch mehrere Fragezeichen. Zur verkürzten Verfahrensdauer kann bereits heute mit guten Gründen angenommen werden, dass sie nicht die vom Gesetzgeber erhoffte Breitenwirkung entfalten wird. Da die neuen Regelungen in das alte Normengefüge eingebaut wurden, sind Friktionen und Verständnisschwierigkeiten nahezu unausbleiblich. Insgesamt ergibt sich ein zwiespältig skeptischer Eindruck. Als positiv her- 90 vorzuheben ist, dass die wenig tauglichen Versuche zur Umgestaltung des Insolvenzverfahrens nicht weiter verfolgt wurden. Offensichtlich wurde aus einigen Fehlern der Vergangenheit gelernt, denn manche besonders fragilen Konzepte wurden vermieden. So wirkt das Grundgerüst des aktuellen Projekts nicht mehr ganz so instabil wie bei früheren Vorhaben. Zugleich erscheint es aber auch wenig konzeptionell170) und zukunftsweisend und bei den Einschränkungen der Restschuldbefreiung eher rückwärtsgewandt. Anstelle einer grundlegenden Reform des Insolvenzrechts natürlicher Personen ist eine Modellierung in Teilbereichen zu konstatieren. Zu verzeichnen ist viel Stückwerk mit einem deutlich limitierten Ertrag. Für die abgeschliffenen Formen und perforierten Grenzen zwischen den 91 beiden Abschnitten des Vorverfahrens und der Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens ist kein adäquates Substitut gelungen. Die gene___________ 170) Kohte, VuR 2013, 321, spricht von einem fantasielosen Gesetz.

33

A. Reformdiskussion

relle Eingangsentscheidung akzentuiert unnötig eine über die begrenzte Anzahl der Sperrfristfälle hinaus wenig problemhaltige Verfahrenslage. Die mit der Aufhebung der Ankündigungsentscheidung aus § 291 InsO formal geschliffene Grenze zwischen Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, lässt die Sachfragen der beendeten insolvenzrechtlichen und neu zu begründenden restschuldbefreiungsrechtlichen Bindungen nicht entfallen. Um sie zu entscheiden, fehlen nunmehr wichtige Orientierungspunkte. Letztlich wurden wegen der gewünschten, wenn auch nicht sachlich angezeigten Änderungen einer vorzeitigen sowie einer nachträglichen Stellung von Versagungsanträgen aus § 290 InsO die Ordnungs- und Abgrenzungselemente zwischen dem Vorverfahren und der Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens aufgelöst, ohne die beiden unterschiedlichen Verfahrensabschnitte und ihre verschiedenen Gestaltungen zu beseitigen. Ein übergreifendes Verständnis wird dadurch erschwert. 92 Außerdem hat das Gesetz ohne hinreichenden Grund manche stabilen Fundamente des bisherigen Verfahrens erodiert. Gerade die neuen Verfahrensformen bei einer Versagung der Restschuldbefreiung führen zu einer undurchsichtigen Typenmischung. Bislang existieren zwei zentrale Muster mit dem Versagungsweg über § 290 InsO sowie alternativ den auf dem Verfahrensplan des § 296 InsO beruhenden Versagungen in den Fällen des § 295 InsO. Beide weichen beim Antragszeitpunkt, der beeinträchtigten Gläubigerbefriedigung sowie dem Verschuldenserfordernis und deswegen auch bei den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Versagungsanträge voneinander ab. Diese zwei verfahrensrechtlichen Stämme wurden durch einige Seitentriebe modifiziert, einerseits des § 314 Abs. 3 Satz 2 InsO und des § 35 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO sowie andererseits der §§ 297, 298 InsO.171) Mit der Novelle werden beide Versagungsformen gekreuzt, obwohl sie eine unterschiedliche verfahrensrechtliche DNA aufweisen. § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO verweist auf das in einem eröffneten Insolvenzverfahren vollkommen fremde und wenig passende Muster der Verfahrensobliegenheiten in der Treuhandperiode aus § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO.172) Umgekehrt stellt § 297a InsO für die in der Treuhandperiode nachträglich geltend gemachten Versagungsgründe auch auf das Konzept des § 290 InsO ab. Stimmig erscheint dies nicht. b) Programmatischer Kontext 93 Gerade die Instrumente zur Stärkung der Gläubigerrechte, wie das veränderte Versagungsverfahren und die verschärften Versagungsregeln sowie die ausgedehnten Bereichsausnahmen, sind sachlich kaum indiziert und vielfach erst aus den fiskalischen Interessen zu erklären. Zudem folgt diese Umformung eher Vorstellungen einer nicht immer umfassend ausgebildeten und zusätz___________ 171) Ahrens, ZVI 2014, 227, 228. 172) Ahrens, ZVI 2014, 227, 232.

34

IV. Einordnung

lich oft moralisierend geprägten Einzelfallgerechtigkeit als einer prinzipienorientierten Modellbildung. Selbst das Vorstellungsbild eines flexibleren Verfahrens passt nicht als umfassendes Deutungsmuster, weil dadurch die Strukturverluste nicht hinreichend benannt werden können und jedenfalls für den Schuldner, abgesehen von der bedeutungsarmen Verkürzungsmöglichkeit nach § 300 InsO, striktere Regeln aufgestellt werden. Unter dem Leitmotiv eines verkürzten Restschuldbefreiungsverfahrens wird 94 eine weithin symbolische Gesetzgebung verwirklicht. Hoffnungen von Schuldnern, eine effektive Chance auf ein abgekürztes Restschuldbefreiungsverfahren zu erhalten, werden weithin enttäuscht. Nachdem einige feste Haltepunkte des Restschuldbefreiungsverfahrens aufgegeben wurden, wirkt das Verfahren jetzt deutlich weniger orientiert und orientierend.173) Beispielhaft dafür steht der Hinweis nach § 287a Abs. 1 InsO. Das Gericht muss den Schuldner belehren, dass er die Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 InsO nicht vorliegen. Eine klare Ordnung ist darin nicht mehr zu erkennen und das angestrebte Ziel, größere Rechtsklarheit zu schaffen,174) ist so kaum zu erreichen. Zudem erscheint der Entwurf moralisierend, wenn etwa die Dauer der Sperr- 95 fristen nach § 287a Abs. 2 InsO vom Unwertgehalt der Versagungstatbestände bestimmt sein soll.175) Aufgrund der Formulierung und des Kontextbezugs erfasst diese Aussage sämtliche Sperrfristgründe. Abgesehen davon, dass es bei der zehnjährigen Sperre nach einer erteilten Restschuldbefreiung gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO schwerfällt, einen Unwertgehalt der Restschuldbefreiung zu erkennen, muss es im Insolvenzrecht um verfahrensbezogene Aufgaben und nicht um vorwurfsvolle Kritik gehen. Selbst oder vielleicht auch gerade die Leuchttürme der Reform weisen ekla- 96 tante Regelungsschwächen auf. Bei einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO lässt die Kombination aus einer übersetzten Mindestquote von 35 % und den zu leistenden Verfahrenskosten, die schnell noch einmal die gleiche Höhe erreichen können,176) die Erfolgsaussichten in zu vernachlässigende Größenordnungen absinken. Erschwert wird der Zugang noch durch ein unnötig enges Verständnis der Frist, wenn der Schuldner ausschließlich bei einer Leistung innerhalb des dreijährigen Zeitraums die Verkürzung erreichen soll,177) was nicht im Gläubigerinteresse liegen kann. Die Eingangsentscheidung ist überbordend angelegt, weil sie in allen Verfahren erfolgen muss, zugleich aber nur fragmentarisch und disparat aus___________ 173) 174) 175) 176) 177)

Vgl. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1443 f. BT-Drucks. 17/11268, S. 24. BT-Drucks. 17/11268, S. 25, ebenso Waltenberger, ZInsO 2013, 1458, 1460. Lackmann, Insbüro 2014, 303 f. Hergenröder, KTS 2013, 385, 412; Henning, ZVI 2014, 219, 221; siehe auch Schmerbach/ Semmelbeck, NZI 2014, 547, 550 f., für die Verfahrenskosten differenzierend.

35

A. Reformdiskussion

gestaltet. Wesentliche Elemente der Entscheidung bleiben diffus, wenn nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO die künftigen Verfahrenswirkungen, nicht aber die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens festzustellen sind. 97 Die Gestaltungskraft der Reform ist auf wenige und dann nicht unbedingt indizierte Gesichtspunkte beschränkt. Regelungstechnische Stärken des früheren Modells werden aufgegeben. Letztlich schreitet auch die Umformung des Insolvenzrechts von den Prinzipen der Gläubigergleichbehandlung hin zu einer offensichtlichen Privilegierung staatlicher Interessen in kleinen, aber deutlich fühlbaren Schritten voran. 5. Technische Mängel 98 Bereits bei einer ersten Inventur zeigen sich zahlreiche Lücken und Defizite der Reformgesetzgebung. Es ist geradezu verblüffend, welche substanziellen Schwächen das Gesetz selbst in langjährig formulierten Positionen aufweist. Jenseits aller sachlichen Positionierungen und inhaltlichen Kontroversen weist die Novelle nicht wenige handwerkliche Mängel und inhaltliche Ungereimtheiten auf. 99 Fehler, wie die Verweisung in § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf die nicht existierende Regelung des § 295 Abs. 3 InsO, die Verweisung in § 303a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO auf § 300 Abs. 2 InsO statt richtig auf § 300 Abs. 3 InsO oder die in § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO gestrichene Bezugnahme auf die Schuldenbereinigungspläne des § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO, können in einem hektischen Gesetzgebungsverfahren unterlaufen. Ähnliche Regelungsschwächen und Merkwürdigkeiten herrschen allerdings auch bei der ein Jahr später verkündeten Verbraucherinsolvenzformularverordnung und dem Formularsatz.178) Während das neue Privatinsolvenzrecht erst am 1.7.2014 in Kraft tritt, gilt die Verbraucherinsolvenzformularverordnung nach Art. 2 seit dem 30.6.2014. Zudem erstreckt sich die Versicherung nach Nr. 5 des Formularsatzes nicht auf die Erklärung, eine Restschuldbefreiung sei bislang nicht beantragt worden.179) Zumindest praktische Schwierigkeiten resultieren außerdem aus der viel zu kurzen Frist von wenigen Tagen zwischen der Bekanntmachung der neuen Formulare und dem Termin, von dem an sie zu verwenden sind. 100 Warum aber nach einem zehnjährigen Reformmarathon die Eingangsentscheidung nicht auf die Bewilligung der Kostenstundung abgestimmt ist (Rn. 694 ff.) und die Folgen des aufgehobenen Abtretungsprivilegs aus § 114 Abs. 1 InsO im Gesetzgebungsverfahren nicht dargelegt wurden (Rn. 294, 315), erschließt sich nicht wirklich. Unverständlich bleibt auch, wieso die Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO tatbestandlich nur die Anforderungen an einen nicht selbständig Erwerbstätigen aufgreift und weswegen im Ver___________ 178) Vom 23.6.2014. 179) Schöttler/Siebert, NZI 2014, 681, 682.

36

IV. Einordnung

sagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO auf die Verfahrensobliegenheiten des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO verwiesen wird.180) Die Liste der regelungstechnisch unklaren Bestimmungen lässt sich nahezu beliebig verlängern. Zu nennen sind etwa der unstrukturierte Hinweis in § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO, der unsystematische Bezug in § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auf die Erklärungslast des § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO oder das unklare Anmeldeerfordernis aus § 174 Abs. 2 InsO, das die Steuerstraftat, nicht aber das Steuerschuldverhältnis, aufführt (Rn. 347 ff.). Kaum verständlich erscheint, warum bei § 297a InsO substanzielle Fragen über den Fristbeginn, etwa einerseits mit dem Bezug auf den Schlusstermin, andererseits auf die Einstellungsentscheidung, ungenau normiert bzw. offengeblieben sind (Rn. 962 ff.). Ebenso wenig nachvollziehbar erscheint, warum bei einer vorzeitig erteilten Restschuldbefreiung § 300a InsO gleichzeitig gemäß § 300 Abs. 4 Satz 3 InsO entsprechend und nach § 300a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InsO unmittelbar anwendbar sein soll (Rn. 1105). Werden Erklärungen für diese Fehler, Widersprüche und Unzulänglichkeiten 101 gesucht, droht schnell die Deutungssicherheit verloren zu gehen. Bemerkenswert ist, welche Mängel gerade langjährig vertretene Änderungsvorschläge aufweisen. Auffällig ist aber auch, dass selbst klare Einwände und nachhaltige Kritik, etwa an der aufgegebenen Präklusionswirkung des Schlusstermins und der Geltendmachung nachträglich bekannt gewordener Versagungsgründe oder den zusätzlichen Privilegierungen des § 302 Nr. 1 InsO übergangen wurden. Offenbar sollte das Vorhaben unbedingt realisiert werden. Vielleicht sollte das Etikett des verkürzten Restschuldbefreiungsverfahrens verwendet werden. Vor allem sollte aber das erstrebte Einspar- und Einnahmenpotenzial realisiert werden. Inhaltliche und systematische Erwägungen hatten sich dem wohl zu beugen. Die alltägliche praktische Beschäftigung mit dem neuen Recht ist noch durch 102 einen anderen Aspekt erheblich belastet. Vieles ist zukünftig umständlicher und arbeitsaufwendiger angelegt. Eine Eingangsentscheidung ist unabhängig von Zulässigkeitsproblemen in allen Verfahren zu treffen. Versagungsanträge nach § 290 InsO müssen über einen langen Zeitraum bearbeitet werden, ganz zu schweigen von den nachträglich geltend gemachten Versagungsgründen gemäß § 297a InsO, die einen nicht geringen Bearbeitungsaufwand verursachen. Hinweis- und Gehörspflichten verlangen in den Versagungsverfahren nicht wenige Arbeitsschritte des Gerichts. Zudem kann die vorzeitig erteilte Restschuldbefreiung nur in einem für alle Beteiligten sehr umständlichen Verfahren vitalisiert werden. Neben diesen originären, unmittelbar im Gesetz angelegten Lasten existieren noch die aus den technischen Unzulänglichkeiten resultierenden derivativen Mühen, die deutlich über die Umstellungsschwierigkeiten beim Übergang auf ein neues Recht hinausgehen werden. ___________ 180) Ahrens, ZVI 2014, 227, 32.

37

A. Reformdiskussion

103 Infolgedessen drängt sich der Eindruck einer gewissen Leichtigkeit und Lässigkeit, vielleicht sogar inhaltlichen Gleichgültigkeit, im Umgang mit dieser für viele Personen, Gläubiger wie Schuldner, Insolvenzverwalter wie Gerichte, sehr bedeutsamen Materie auf. Wie skeptisch die Reform inzwischen in der Literatur eingeschätzt wird, dokumentiert die Aussage, an der Reform sei vor allen Dingen das gut, was nicht geändert wurde.181) Noch drastischer heißt es gar, die neuen Vorschriften seien darauf angelegt, für eine möglichst große Verunsicherung zu sorgen,182) wofür einige Anhaltspunkte in den Materialien existieren.183) 6. Neuausrichtung 104 Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 ist das Insolvenzrecht natürlicher Personen in nicht wenigen Punkten neu ausgerichtet worden. Einige Elemente, wie der im Verbraucherinsolvenzverfahren nunmehr eröffnete Insolvenzplan, begründen vorsichtige Hoffnungen auf perspektivenreiche Einigungs- und Gestaltungsoptionen. Die symbolische Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens bildet dagegen keine praktisch relevante Option. Ob die Eingangsentscheidung mehr als nur eine sachgerechte Reduzierung der Sperrfristrechtsprechung des BGH beinhaltet und sich zu einer neuen geregelten, frühzeitigen Verfahrensorientierung entwickelt, bleibt abzuwarten. Dazu muss das Entscheidungsbündel aus Kostenstundung, Verfahrenseröffnung und Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens noch in zahlreichen Details aufeinander abgestimmt werden. Bislang wurde eine stärkere Standfestigkeit zu Beginn des Verfahrens jedenfalls nicht vermisst. 105 Soweit dagegen, ohne sachlich wirklich veranlasst zu sein, durch die gestrichene Ankündigung der Restschuldbefreiung, die praktisch jederzeit zulässigen Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. InsO sowie die nachträglich ermöglichten Versagungsanträge gemäß § 297a InsO feste Strukturen aufgegeben werden, bleibt eine große Skepsis gegenüber der Novelle. Hier müssen noch sichere Grundlagen entwickelt werden, um die dadurch begründeten Erschütterungen im Verfahrensablauf zu bewältigen. Resigniert muss schließlich die gegen alle Einwände eingeführte systemwidrige Erweiterung von § 302 Nr. 1 InsO hingenommen werden. 106 Jenseits des Strukturverlusts mit allen seinen negativen Auswirkungen wird das Verfahren wesentlich umständlicher und gerade für das Gericht und den Schuldner viel belastender. Künftig muss stets eine Eingangsentscheidung getroffen werden. Eine Ankündigung der Restschuldbefreiung ist nicht mehr ___________ 181) Henning, ZVI 2014, 7, 16 f.; Hofmeister, ZVI 2014, 247, 252. 182) Pape, ZVI 2014, 234. 183) Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 17.

38

IV. Einordnung

erforderlich, doch muss nach § 288 Satz 2 InsO nunmehr stets der Treuhänder eingesetzt werden, weshalb die Gerichte nicht entlastet sind. Versagungsanträge nach § 290 InsO werden nicht mehr konzentriert, sondern können praktisch jederzeit gestellt werden, weswegen sich das Insolvenzgericht fortlaufend damit beschäftigen muss. Zusätzliche Schwierigkeiten verursachen auch die nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründe i. S. v. § 297a InsO mit ihren unklaren Voraussetzungen, ganz zu schweigen von der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Bereits die zusätzlichen Anfragen, ob deren Voraussetzungen erfüllt sind, werden einen nicht geringen Aufwand verursachen. Obwohl diese zusätzlichen Belastungen nicht überraschend aufgetreten sind, wurden sie im Gesetzgebungsverfahren übergangen. Gegenüber derartigen Kritikpunkten sollen die positiven Elemente der No- 107 velle nicht ignoriert werden. Sie betreffen das obligatorische Schriftverfahren des § 5 Abs. 2 InsO, einige verengte Sperrfristen aus § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO, die neuen Begrenzungen der §§ 290 Abs. 1 Nr. 1, 297 Abs. 1 Satz 1 InsO, für Gläubiger das Recht, Versagungsanträge gem. § 290 InsO schriftlich stellen zu können, die verkürzte Treuhandperiode bei einer Kostendeckung nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO, den Insolvenzplan in der Verbraucherinsolvenz sowie den Kündigungsausschluss für Wohnungsbaugenossenschaftsanteile. Prinzipiell ist auch die Aufhebung von § 114 InsO zu erwähnen, obwohl die Konsequenzen nicht hinreichend bedacht wurden. Ansatzweise gilt dies auch für die Erwerbsobliegenheit des § 287b InsO, deren Ausgestaltung sowie Einkleidung in den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO indessen weitgehend misslungen ist. Dennoch wiegen die für das Privatinsolvenzrecht erzielten Fortschritte eher 108 gering,184) weil es sich um kleinteilige Korrekturen handelt, die auf keinem übergreifenden Ansatz beruhen. Letztlich besitzt die Gesetzgebung einen zumeist haushälterischen und oft technokratischen Charakter, ohne über den Tag hinausreichende zukunftswirksame Elemente. Die Narrative der Gesetzgebungsmaterialien erweisen sich zudem oft als wenig substanzhaltig. Wo sie Irrtümer verursachen, drohen später gravierende Folgeprobleme. Für das Insolvenzrecht natürlicher Personen ist damit eine große Chance vertan, weil trotz der langwierigen Arbeiten kein zukunftsweisendes Konzept geschaffen wurde. So kann dann allein von einer Reform als Umgestaltung, nicht aber im Sinn einer Verbesserung des Bestehenden gesprochen werden. Insgesamt gesehen handelt es sich um eine vielgestaltige und weitreichende, 109 das Gesicht des Insolvenzrechts natürlicher Personen deutlich verändernde, aber keine große oder gar modellbildende Novelle. Konzeptionell ist das Privatinsolvenzrecht nicht weiterentwickelt worden. In nicht wenigen Punkten, wie bei den ungelösten Problemen der Eingangsentscheidung nach § 287a InsO, bei der Erwerbsobliegenheit nach den §§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO oder ___________ 184) Vallender, NZI 13/2014, V, spricht dagegen von einigen signifikanten Verbesserungen.

39

A. Reformdiskussion

dem Recht, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens abzukürzen, wirkt die Novelle unfertig, weil zu viele offensichtliche Probleme unbeantwortet blieben. Manches erscheint zudem rückschrittlich, wie die eingeschränkte Verfahrensgliederung oder die erweiterten Bereichsausnahmen. Das Gesetz büßt damit wesentliche Ordnungsleistungen ein und die Restschuldbefreiung wird deutlich entwertet. Insgesamt wirkt die Novelle eher rückwärtsgewandt und auf manche längst überwundenen Diskussionen bezogen als zukunftsgerichtet mit tragfähigen neuen Konzepten versehen. V. Perspektiven 1. Potenziale 110 Sobald die Erschöpfung durch die langwierige Reformdiskussion überwunden ist, werden die Zukunftsfragen eines Privatinsolvenzrechts erneut aufbrechen. Als drängende Grundsatzüberlegung muss eine neue Standortbestimmung des Insolvenzrechts natürlicher Personen innerhalb der Insolvenzordnung erfolgen. Die vergangenen mühevollen Auseinandersetzungen waren dafür durchaus ertragreich. Sie haben die Leistungen und damit letztlich die Notwendigkeit einer insolvenzrechtlichen Lösung mit ihrem Universalitätsprinzip erwiesen. Vereinfachte insolvenzrechtliche Verfahrensansätze müssen diese Aufgabenbestimmung erfüllen können. 111 Nachdem die §§ 312 – 314 InsO aufgehoben sind, verbleibt nur noch ein Torso des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Nicht ohne Grund wird gefordert, die verbliebenen Regelungen in das allgemeine Insolvenzrecht zu integrieren.185) Ein solcher Systemeingriff darf aber nicht auf eine technizistische Überführung notwendiger Spezialregelungen an anderer Stelle beschränkt bleiben. Ohne inhaltliche Umorientierung bleibt jede Neugliederung oberflächlich und formal. Im Vorfeld ist deswegen zu analysieren, welche Elemente ein Insolvenzrecht natürlicher Personen im Unterschied zum Unternehmensinsolvenzrecht kennzeichnen. An der Schnittstelle zwischen dem Unternehmensund Privatinsolvenzrecht stehen die unternehmerisch tätigen natürlichen Personen. Abgesehen von den kargen Bestimmungen der §§ 35 Abs. 2, 3, 295 Abs. 2 InsO fehlen für diese Schuldner weithin belastbare Konzepte. Diese Regelungen müssen auch der Komplexität der neuen Formen von Erwerbstätigkeit Rechnung tragen können. 112 Zu den systembildenden Elementen des Insolvenzrechts natürlicher Personen gehören zunächst gesicherte existenzielle Lebensgrundlagen für den Schuldner und seine Unterhaltsberechtigten. Zugleich müssen ihm Freiräume für eine autonome Lebensführung eröffnet werden. An die Stelle moralisierendedukatorischer Regelungsansätze müssen einem insolvenzrechtlichen Modell entsprechende klare sozio-ökonomische Orientierungen treten. Letztlich ___________ 185) Vallender/Laroche, VIA 2012, 9; Schmerbach, NZI 2012, 689, 690.

40

V. Perspektiven

muss die immer noch konstatierte insolvenzrechtliche Ungleichbehandlung natürlicher Personen gegenüber Unternehmen186) beseitigt werden. Durch den Evaluierungsauftrag in Art. 107 EGInsO wird die Reform des 113 Privatinsolvenzrechts auf der Tagesordnung stehen bleiben. Bis zum 30.6.2018 muss die Bundesregierung unter Angabe der im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren erzielten Befriedigungsquoten berichten, in wie vielen Fällen bereits nach drei Jahren eine Restschuldbefreiung erteilt werden konnte. Im Gespür einer doch wohl nur begrenzt erfolgreichen Reform wird damit gleichsam eine gesetzliche Produktbeobachtungspflicht eingeführt. Soweit danach gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind, sollen diese vorgeschlagen werden. Nach Ansicht des Rechtsausschusses ist das Anreizsystem aus § 300 InsO 114 nur dann effektiv, wenn wenigstens 15 % aller Personen, die sich in einem Restschuldbefreiungsverfahren befinden, die Möglichkeit eröffnet wird, vorzeitig Restschuldbefreiung zu erlangen.187) Sicherlich schafft eine derartige politische Aussage keine interpretationsfeste Basis. In diese Größenordnung können allerdings nicht die nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO auf fünf Jahre verkürzten Verfahren einbezogen werden, weil dazu im Jahr 2018 noch keine Daten vorliegen. Ohnehin bleibt nur ein durch die zeitlichen Restriktionen überaus enger Beurteilungskorridor (Rn. 1198). Wie jetzt schon vorhersehbar ist, können in der vierjährigen Frist kaum aussagekräftige Erkenntnisse gewonnen werden. Jedenfalls wird das genannte politische Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit 115 verfehlt werden. Gerade weil die Hürden des § 300 InsO so hoch gelegt sind, eröffnen sich dadurch neue Perspektiven. Da ohnehin ein kurzfristiger Umbau des Restschuldbefreiungsverfahrens bzw., in den Worten des Rechtsausschusses, ein Systemwechsel188) nicht zu erwarten war, bietet die vierjährige Frist auch Gelegenheit, um das Potenzial effektiver Verkürzungsmöglichkeiten auszuloten. Ein auf das Verhältnis zwischen Verfahrensdauer und Quotenhöhe reduzier- 116 ter Ansatz greift zu kurz. Um eine Begünstigung der wohlhabenderen Schuldnergruppe zu vermeiden, könnte etwa auf überobligationsmäßige Anstrengungen abgestellt werden, wie zusätzliche Bewerbungen, Qualifikationsmaßnahmen oder Erwerbstätigkeiten. Ohne weitergehende Legitimationsbasis wird jede Festsetzung eines Verhältnisses von Zeit gegen Geld unter den Druck der konträren Gläubiger- und Schuldnerinteressen geraten. Zusätzlich können andere Mängel der aktuellen Gesetzgebung repariert werden. Über die engere Sicht auf ein verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren hinaus ___________ 186) Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 17 Rn. 2. 187) BT-Drucks. 17/13535, S. 42. 188) BT-Drucks. 17/13535, S. 42.

41

A. Reformdiskussion

können damit auch andere Bauelemente eines reformierten Privatinsolvenzrechts diskutiert werden. 117 Sinkende Verfahrenszahlen bei den Insolvenzen natürlicher Personen stellen keinen hinreichenden Ausweis einer erfolgreichen Gesetzgebung dar. Bereits seit einiger Zeit steigen die Fallzahlen nicht weiter an, sondern gehen langsam zurück. Neben der verbesserten Wirtschaftslage mag vielleicht auch das Pfändungsschutzkonto einen Beitrag geleistet haben.189) Einen wichtigen Effekt könnte auch das Nadelöhr der Schuldnerberatungsstellen haben. Obwohl sie eine hohe Leistungsbereitschaft besitzen, werden durch die zusätzlichen Aufgaben, etwa beim Ausstellen der Bescheinigungen nach § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO oder jetzt durch die Reform, erhebliche Kapazitäten in Anspruch genommen. Ohne eine verbesserte finanzielle Ausstattung müssen zwangsläufig die Bearbeitungszahlen sinken. 2. Europäische Impulse a) Politik der zweiten Chance 118 Europäische Anstöße können über rechtsvergleichende Untersuchungen190) sowie über die Institutionen der EU und deren Maßnahmen Einfluss auf die nationale Entwicklung erlangen. Zur Umsetzung der Lissaboner Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung verfolgt die Europäische Kommission zumindest seit 2007 eine Politik der zweiten Chance im Fall des unternehmerischen Scheiterns.191) In der Folge sicherte die Kommission in der Europäischen Initiative für kleine und mittlere Unternehmen in Europa zu, dem „Small Business Act“ vom 25.6.2008, eine Politik der zweiten Chance zu fördern. Die Mitgliedstaaten sollten danach sicherstellen, dass rechtschaffene insolvente Unternehmer rasch eine zweite Chance bekommen.192) In mehreren Materialien wird sodann für eine dreijährige Tilgungs- und Entschuldungsfrist nach einer Insolvenz für ehrliche Unternehmer plädiert.193) Gestützt auf diese Initiative hat die Europäische Kommission in der Mitteilung vom 12.12.2012 einen neuen europäischen Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen gefordert.194) Für redliche Unternehmer, von der Verbraucherinsolvenz ist in dem Arbeitspapier nicht die Rede, sollte danach eine automatische Entschuldung möglich sein. Dafür

___________ 189) Homann, DGVZ 2014, 137, 138. 190) Zur englischen Rechtslage und der Automatic Discharge etwa Renger, Wege zur Restschuldbefreiung; dazu und zur US-amerikanischen sowie französischen Rechtslage Gottwald/Ahrens, § 80; MünchKomm-InsO/Stephan, Vor §§ 286 bis 303 Rn. 5 ff. 191) KOM(2007) 584 endgültig. 192) KOM(2008) 394 endgültig; außerdem KOM(2011) 78 endgültig, S. 6. 193) Komm.dok. 10975/11, S. 7; COM(2012) 795 final. 194) KOM(2012) 742 final.

42

V. Perspektiven

wurde eine höchstens dreijährige Tilgungs- und Entschuldungsfrist als vernünftige Obergrenze bezeichnet.195) Auf diesen Erwägungen baut die Empfehlung der Europäischen Kommission 119 vom 12.3.2014 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen auf.196) Mit der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, eine frühzeitige, schnelle und kostengünstige Restrukturierung im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens zu erleichtern. Geschaffen werden sollen nach Erwägungsgrund 11 kohärentere und effizientere nationale Regelungen. Der Empfehlung liegt damit eine Selbstbeschränkung auf grenzüberschreitende Insolvenzen schon wegen des Gegenstandsbereichs fern, weswegen die Kompetenzen dafür durchaus problematisch erscheinen. Unternehmensträger sollen unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder 120 juristische Personen handelt, Zugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen erhalten. In einer frühen Phase der wirtschaftlichen Schwierigkeiten soll der Schuldner, ohne ein gerichtliches Verfahren einleiten zu müssen, die Kontrolle über den täglichen Betrieb seines Unternehmens behalten können. Für einen Zeitraum von vier bis zwölf Monaten soll für den Schuldner ein Gläubigerschutz zu erlangen sein. In dieser Zeitspanne soll er die Möglichkeit erhalten, über einen gerichtlich bestätigten, mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplan bindende Regelungen für alle Gläubiger zu schaffen. Nach Ablauf einer höchstens dreijährigen Entschuldungsfrist sollen den Unternehmern ihre Schulden erlassen werden. In der Empfehlung werden manche Elemente aufgegriffen, die aus den nati- 121 onalen Debatten geläufig sind. Beim personellen Anwendungsbereich scheint der Anknüpfungspunkt des Gründerschutzes aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags jedenfalls motivational auf. Ob eine auf unternehmerisch tätige Personen beschränkte Wirkung praktisch sinnvoll ist, muss bereits wegen der vielfältigen Kombination selbständigen und nicht selbständigen Handelns durchaus fraglich erscheinen. Bei natürlichen Personen als Unternehmensträgern kollidiert eine dreijährige Entschuldungsfrist ohne zusätzliche Mindestvoraussetzungen mit den bestehenden Anforderungen an eine Restschuldbefreiung. Zweifelhaft dürfte bereits sein, ob eine Besserstellung unternehmerisch handelnder Personen gegenüber den Nichtselbständigen mit deutschem Verfassungsverständnis vereinbar ist. Verfahrenspraktisch existieren zwar Unterschiede zwischen dem Verbraucherinsolvenzverfahren und dem sog. Regelinsolvenzverfahren für Selbständige. In das bestehende Einheitsmodell der Restschuldbefreiung lässt sich ein solcher differenzierter Ansatz jedoch kaum einbinden. ___________ 195) KOM(2012) 742 final, S. 6. 196) COM(2014) 1500 final.

43

A. Reformdiskussion

b) Reform der Verbraucherentschuldung 122 Allerdings empfiehlt die Kommission in Erwägungsgrund 15, die Möglichkeiten auszuloten, inwieweit die Empfehlung auf Verbraucher anzuwenden ist, da einige der zugrunde liegenden Prinzipien auch für Verbraucher maßgeblich sein können. Damit fügt sich die Empfehlung in den Rahmen der künftigen Diskussionen über ein reformiertes Privatinsolvenzrecht ein. Wenn diese Empfehlung ernst genommen wird, wären einige weitreichende Korrekturen angezeigt. Der außergerichtliche Einigungsversuch entspricht schon deswegen nicht dem vorgeschlagenen Restrukturierungsplan, weil er konsensual zu begründen ist und nicht sämtliche Gläubiger bindet. Außerdem gerät die Mindestquote des § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO unter zusätzlichen Druck, weil das europäische Vorhaben von einer derartigen Zusatzbedingung gerade absieht. 123 Dennoch dürften aufgrund dieser Empfehlung kaum unmittelbare Konsequenzen für das nationale Recht zu erwarten sein. Im unternehmerischen Bereich wird die Bundesregierung auf die Instrumente des ESUG verweisen. Im Verbraucherbereich wird sicherlich die aktuelle Reform ins Feld geführt werden. Bereits die ersten hochrangigen rechtspolitischen Äußerungen weisen in diese Richtung, wenn das verabschiedete Gesetz als angemessener Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubigern sowie Anreiz für eine schnelle Schuldentilgung gepriesen wird.197) Zumindest Letzteres dürfte kaum auf einer empirisch validen Grundlage stehen. 124 Angesichts der mühevollen bisherigen Diskussionen und der großen Schwierigkeiten mit der soeben erzielten Reform wird in der Rechtspolitik wenig Neigung bestehen, eine erneute Grundsatzdiskussion zu beginnen. Dies gilt umso mehr als die in Deutschland realisierten Änderungen deutlich hinter den europäischen Vorstellungen zurückbleiben und deswegen als eher rückwärts- als zukunftsgewandt erscheinen müssen – kein besonders positives Zeugnis für ein in so mühevoller Arbeit realisiertes Projekt. Unabhängig davon sollte indessen die Empfehlung in den kommenden Debatten zur Reform des Privatinsolvenzrechts nicht ignoriert, sondern in den Argumentationshaushalt aufgenommen werden. Sie erweitert durchaus die Perspektiven einer Neuorientierung.

___________ 197) Maas, ZInsO 2014, 819, 821.

44

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch I. Unveränderter Status quo 1. Kein Zustimmungsersetzungsverfahren Lange wurde auf den verschiedenen Reformetappen darum gerungen, wie der 125 außergerichtliche Einigungsversuch auszugestalten ist. Konzeptionell wurde bereits im Jahr 2003 erwogen, den außergerichtlichen Einigungsversuch um ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren zu ergänzen, § 305a DiskE 2003, und mit dem Schuldenbereinigungsplanverfahren zusammenzufassen. Primär sollte durch das Zustimmungsersetzungsverfahren der außergerichtliche Einigungsversuch gestärkt werden. Dessen Bestandssicherung dient neben seinen komplexen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben auch dazu, die Gerichte zu entlasten, und genießt deswegen eine hohe Akzeptanz durch den Gesetzgeber.198) Als Nebenwirkung sollte zugleich auch dem ausgeprägten Bedeutungsverlust des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans begegnet werden können.199) Eine bedeutsame Veränderung war im DiskE 2003 bei den Rechtsfolgen des 126 Plans vorgesehen. Angelehnt an § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO a. F. sollte der Plan grundsätzlich wie ein Vergleich i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wirken. Im Unterschied zu einem Prozessvergleich und zur bisherigen Rechtslage sollten jedoch die Folgen nicht auf die benannten Gläubiger beschränkt bleiben, sondern prinzipiell zwischen dem Schuldner und allen Gläubigern eintreten, § 308 Abs. 3 Satz 1 DiskE.200) Nicht im Plan aufgeführte, zuvor entstandene Forderungen sollten als erlassen gelten, sofern der Schuldner die Aufnahme des Gläubigers in den Plan nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hätte. An die Stelle eines privatrechtlichen Vergleichskonzepts wäre damit eine verfahrensrechtliche Gestaltung mit wesentlichen Elementen einer Gesamtwirkung getreten. Mit diesem wirkungsvollen Vorschlag hätte das Planverfahren zu einer echten Alternative der Restschuldbefreiung entwickelt werden können. Als unabdingbare Voraussetzung hätte dann allerdings eine mögliche Verfahrensbeteiligung und der Rechtsschutz aller Gläubiger gesichert werden müssen.201) Bereits der Referentenentwurf 2004 kehrte in bekanntere und damit vor allem 127 ruhigere Fahrwasser zurück. Während es beim Zustimmungsersetzungsverfahren blieb, sollte nach § 308 Abs. 3 Satz 2 RefE 2004202) die Erfüllung der im Plan nicht benannten Forderungen weiterhin verlangt werden können, ___________ 198) 199) 200) 201) 202)

Zu den Funktionen Ahrens, NZI 2011, 425, 426. DiskE 2003 ZVI 4/2003, Beilage 1, S. 8. DiskE 2003 ZVI 4/2003, Beilage 1, S. 9. Vgl. Stephan, NZI 2004, 521, 531. ZVI 9/2004, Beilage 3 = ZInsO 2004, 1016; dazu die Erläuterungen von Stephan, NZI 2004, 521.

45

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch

worin eine wesentliche Schwäche des Schuldenbereinigungsplanverfahrens gesehen wird.203) Dieses Modell wurde im Kern in den §§ 305a ff. DiskE 2012 fortgeschrieben, wobei die Reichweite des Plans ebenfalls auf die in dem Verzeichnis benannten Gläubiger beschränkt wurde, § 308 Abs. 3 Satz 2 DiskE 2012. Trotz der Probleme, sämtliche Gläubiger sachgerecht in das Verfahren zu integrieren, um eine angemessene Wirkungserstreckung zu ermöglichen, litt die Konzeption damit unter einem schweren Konstruktionsfehler, denn ein solcher Plan ist wegen seiner beschränkten Wirkungen nur begrenzt attraktiv. 128 Die weitere Entwicklung in diesem Bereich verlief durchaus lebendig. Im Regierungsentwurf vom 18.7.2012 wurden aus den bekannten Strukturdefiziten des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens substanziell modifizierte Konsequenzen gezogen. Vorgesehen war, das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nach den §§ 307 – 309 InsO zu streichen, was trotz des allgemein konstatierten Funktionsverlusts dieses Verfahrensabschnitts eher kritisch vermerkt wurde.204) Ein damit zusammengefasstes Zustimmungsersetzungsverfahren für den außergerichtlichen Einigungsversuch musste infolgedessen ausscheiden, doch sah der Entwurf kein funktionales Äquivalent vor, um diese Mängel des außergerichtlichen Einigungsversuchs zu kompensieren. Erst der Rechtsausschuss rettete dann das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren um den Preis einer weitgehend gleichgebliebenen Rechtslage.205) Maßgebend dafür war eine mittelbare und deswegen deutlich abgeschwächte Aufgabenbestimmung. Angeführt wurde die Erwägung, die Zustimmungsersetzung entfalte eine Druckfunktion, welche die Einigungsbereitschaft von Gläubigern im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren steigere.206) 129 Seit den Anfangsgründen im DiskE 2003 und in der Folgezeit immer wieder bis hin zum Regierungsentwurf 2012 wurde erwogen, die bisherige Doppelung in zwei selbständige planbasierte Verfahren aufzulösen. An deren Stelle sollte ein einheitliches, außergerichtlich einzuleitendes und ggf. gerichtlich mit der Zustimmungsersetzung abzuschließendes Verfahren treten. Obwohl diese Einheitsgestalt manche Verfahrenserleichterungen bewirken sollte, blieb sie doch in den Zwängen einer insolvenzrechtlichen Vereinfachungsgesetzgebung gefangen. Letztlich konnte kein hinreichend stabiler Weg aufgezeigt werden, der einerseits dem notwendigen Rechtsschutz der Gläubiger und andererseits den Zielen einer umfassenden Schuldenbereinigung hinreichend Rechnung getragen hätte. Insgesamt scheiterte diese Vereinheitlichung wohl vor allem an den daraus resultierenden Zwängen. ___________ 203) Grote, in: FS Haarmeyer, S. 87, 89. 204) Grote/Pape, ZInsO 2012, 1913, 1920; außerdem Kohte, VuR 2012, 381, 382; Harder, NZI 2013, 70, 75; Stephan, VIA 2012, 65, 67; Baczako, ZVI 2013, 209, 210. 205) Zustimmend Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1437. 206) BT-Drucks. 17/13535, S. 41.

46

I. Unveränderter Status quo

Der wechselvolle Verlauf zeigt, wie witterungsabhängig die Gesetzesentwürfe 130 ausgestaltet waren. Ohne erkennbare konzeptionelle Entwicklungen wurden substanzielle Änderungen geplant, die soeben entwickelten Vorschläge wieder tiefgreifend umgestaltet und letztlich doch aufgegeben. Aus unterschiedlichen Regelungsansätzen im Bereich der Verbraucherinsolvenz ist dies kaum zu erklären. Nachdem zunächst ein umfassendes Reformbedürfnis konstatiert worden ist, stellt dieser Stillstand für die weiterhin nahezu unverändert geltenden Regelungen kein gutes Zeugnis aus. 2. Kein fakultativer Einigungsversuch Auf der Verlustliste des Gesetzgebungsverfahrens steht ebenfalls der wieder- 131 holt vorgeschlagene fakultativ ausgestaltete außergerichtliche Einigungsversuch. Zu den Schwächen der außergerichtlichen Verhandlungen im geltenden Recht gehört für den Schuldner, in jedem noch so aussichtslosen Fall eine Einigung obligatorisch versuchen zu müssen. Im Gegensatz zur zwingenden vorgerichtlichen Beratung wird dieser unbedingte Zwang zu einem außergerichtlichen Einigungsversuch wegen der hohen und voraussichtlich unnötigen Belastungen seit Langem kritisiert.207) Kann etwa der Schuldner in einem sog. Nullplan208) den Gläubigern keine Leistungen anbieten, sind die Einigungschancen von vornherein gering. Dennoch besteht aufgrund der Gesetzeslage die Notwendigkeit, solche aussichtslosen Verhandlungen zu führen. Durch einen zwingenden Einigungsversuch werden zuvorderst erhebliche 132 Kosten verursacht. Außerdem wird die Arbeitskraft der Schuldnerberatungsstellen und wertvolle Zeit bis zu einem wirtschaftlichen Neubeginn des Schuldners unnötig vergeudet. Schließlich sinkt auch die Einigungsbereitschaft professioneller Gläubiger, die sich mit zahlreichen aussichtlosen Einigungsversuchen konfrontiert sehen und den aussichtsreichen Planvorschlägen vielleicht nicht stets die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Rechnet ein institutionalisierter Gläubiger mit keinem Ertrag, ist er wahrscheinlich geneigt, pauschaler zu entscheiden und eine Zustimmung zu versagen. Als wesentlichen Korrekturmechanismus hat bereits § 305 Abs. 1 Nr. 1 VorE 133 2006 eine Aussichtslosigkeitsbescheinigung vorgesehen. Ein offensichtlich aussichtsloser Einigungsversuch sollte danach unterbleiben können. Um eine unterschiedliche und damit ungerechte Handhabung zu verhindern, waren dafür Schwellenwerte vorgesehen. Als offensichtlich aussichtslos sollte eine Einigung angesehen werden können, wenn die Gläubiger im Rahmen einer Schuldenbereinigung voraussichtlich nicht mehr als fünf Prozent ihrer For___________ 207) FA-InsR/Henning, Kap. 16 Rn. 21; Pape/Sietz, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 16 Rn. 24; Grote, ZInsO 2001, 17, 18; Martini, ZInsO 2001, 249; Laroche/Pruskowski/ Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 564; Harder, NZI 2013, 70, 71 f.; Grote/ Pape, AnwBl 2013, 601, 604; a. A. Jäger, ZVI 2012, 177, 178. 208) Dazu BGH, NZI 2014, 34 Rn. 7.

47

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch

derungen erhalten hätten oder der Schuldner mehr als 20 Gläubiger hat.209) Abgesehen von einer Formulierung als Regelfall, ist dieser Vorschlag wortgleich in § 305 Abs. 1 Nr. 1 RegE 2012 übernommen worden. Obwohl quantitative Kriterien den Einzelfall nicht stets verlässlich abbilden können, war damit eine stabile Beurteilungsgrundlage formuliert, deren notwendige Flexibilität durch den dennoch möglichen, aber nicht erforderlichen, Einigungsversuch gewährleistet wurde. 134 Erst der Rechtsausschuss hat gleichsam in letzter Minute die Aussichtslosigkeitsbescheinigung aus der Gesetzesvorlage gestrichen. Vordergründig erklärt hat er dies mit der Erwägung, auch in diesem Fall sei eine zeit- und kostenintensive Aufbereitung der Unterlagen durch die Schuldnerberatung erforderlich, weswegen sich der Aufwand allenfalls um zehn Prozent reduziere.210) Allerdings erfasst diese Überlegung lediglich einen Teil des Problems. Im Zentrum stand dabei wohl vor allem die Überlegung, die durch fiskalische Begehrlichkeiten oftmals unsichere Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen nicht durch ein reduziertes Aufgabenvolumen zusätzlich zu gefährden.211) Um die ohnedies instabilen Finanzierungsgrundlagen der Schuldnerberatungsstellen nicht noch stärker zu bedrohen, werden unnötige – auch finanzielle – Belastungen in Kauf genommen. Geleitet von einer gut nachvollziehbaren, aber auf überaus problematischen Ursachen beruhenden Erwägung wurde von einer rechtspolitisch sinnvollen sowie bereits in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Korrektur abgesehen. II. Qualifizierte Schuldnerberatung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO 1. Umsetzung 135 Im engen Zusammenhang mit dem zunächst vorgeschlagenen, dann aber nicht verwirklichten fakultativ ausgestalteten Verhandlungsversuch steht eine im Gesetz realisierte Novellierung des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Künftig muss der Schuldner bei einem Eigenantrag die Bescheinigung über einen fehlgeschlagenen Einigungsversuch von einer geeigneten Person oder Stelle vorlegen, die „auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners“ ausgestellt ist. Für die vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren gelten die daraus resultierenden höheren Anforderungen noch nicht.212) Es bleibt hier bei der früheren Rechtslage. 136 Diese Regelung geht noch auf die geplante, jedoch vom Rechtsauschuss gestrichene Aussichtslosigkeitsbescheinigung zurück.213) Um die Qualität der ___________ 209) 210) 211) 212) 213)

48

Kritisch Frind, ZInsO 2012, 475, 479. BT-Drucks. 17/13535, S. 40. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1436; Hofmeister, ZVI 2014, 247, 248. A. A. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 7. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 6 f.

II. Qualifizierte Schuldnerberatung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Bescheinigung über die erfolglose bzw. aussichtslose Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs zu sichern, besitzt nach den Gesetzesmaterialien die vorangehende Analyse der finanziellen Situation des Schuldners eine erhebliche Bedeutung.214) Obwohl die Materialien auf beide Arten der Bescheinigung abstellen, also über einen erfolglosen sowie über einen aussichtslosen Einigungsversuch, zielte das Erfordernis doch in erster Linie auf die Aussichtslosigkeitsbescheinigung. Während bei einem durchgeführten Einigungsversuch die Unterlagen regelmäßig aufbereitet werden, lässt sich dies für einen aussichtslosen Versuch nicht mit gleicher Verlässlichkeit sagen. Die ergänzenden Anforderungen erscheinen deswegen primär im Hinblick auf die zusätzlich geplante Option der Aussichtslosigkeitsbescheinigung sinnvoll. Zudem hat die bestehende Beratungssituation bei einem fehlgeschlagenen Einigungsversuch bislang zu keinen greifbaren Unzulänglichkeiten geführt. Erkennbar gehörten beide Elemente der qualifizierten Beratung und der Aussichtslosigkeitsbescheinigung zusammen.215) Letztlich basiert die gesteigerte Beratungsanforderung auf einer nicht ver- 137 wirklichten Regelung. Die befürchteten Risiken für die Qualität der Schuldnerberatung sind freilich ohne eine Aussichtslosigkeitsbescheinigung obsolet. Funktional ist das qualifizierte Beratungserfordernis damit zumindest partiell von der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention entkoppelt. Obwohl es dadurch schwerer fällt, den Sinngehalt der Regelung zu entwickeln, und keine erkennbaren Schwächen gerade bei den gegenwärtig von den Schuldnerberatungsstellen durchgeführten Beratungen vorliegen, ist die losgelöste Anforderung doch nicht offensichtlich gegenstandslos. Auch eine qualitative Arbeit kann vielleicht noch verbessert werden. So ist der Norminhalt in Bezug auf die bestehende Beratungs- und Bescheinigungssituation zu entwickeln. 2. Regelungsgehalt a) Persönliche Beratung und eingehende Prüfung Mit dem Erfordernis der persönlichen Beratung und eingehenden Prüfung 138 der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird, ungeachtet des problembehafteten Gesetzgebungsverlaufs und der offenen Aussage, mehr als nur eine deklaratorische Bestimmung geschaffen. Über die bisherigen Anforderungen hinaus werden die Standards der Schuldnerberatung konkretisiert und erhöht. An diesen Maßstäben ist die Tätigkeit der Schuldnerberatung auszurichten. Obwohl die beiden Kriterien der Beratung und Prüfung gesetzlich konkretisiert sind, bedürfen sie doch einer weitergehenden Konkretisierung. Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung müssen auch die Konsequenzen bestimmt werden. ___________ 214) BT-Drucks. 17/11268, S. 34. 215) Heyer, ZVI 2013, 214.

49

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch

139 In erster Linie richtet sich das qualifizierte Beratungserfordernis an die geeigneten Personen oder Stellen. Zusätzlich wird auch der Schuldner verstärkt in die Pflicht genommen, der die gesteigerten Angebote annehmen muss. Zumeist wird dies zu keinen besonderen Konsequenzen führen. Entzieht sich der Schuldner indessen einer persönlichen Beratung, indem er angebotene Beratungstermine nicht wahrnimmt, darf die Bescheinigung nicht ausgestellt werden. aa) Beratung 140 Eine persönliche Beratung verlangt einen dialogischen Kontakt mit dem Schuldner bzw. eine Face-to-Face-Beratung.216) In jedem Fall erforderlich ist eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Schuldner. Durch die Konjunktion „und“ ist die persönliche Beratung mit der eingehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners sachlich verbunden. Es genügt daher nicht, beide Bestandteile einer qualifizierten Schuldnerberatung separat zu analysieren, weil sie in einem sprachlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und aufeinander bezogen sind. Bei dem Beratungserfordernis sind daher auch die Prüfungsmöglichkeiten mit zu bedenken und umgekehrt. 141 Die persönlichste Form des Angebots bildet eine individuelle Gesprächsberatung in einem Einzeltermin, doch sind ebenso eine Gruppenberatung,217) in der auf individuelle Fragestellungen eingegangen werden kann, oder ein individuelle und gemeinschaftliche Elemente kombinierendes Angebot zulässig.218) Mehrfache Beratungen werden grundsätzlich nicht verlangt, können aber abhängig von den Verständnismöglichkeiten des Schuldners und der Komplexität der Situation geboten sein. Ob ein unmittelbarer Kontakt erforderlich ist, lässt sich aus der gesetzlichen Formulierung nicht ohne Weiteres ableiten. Eine telefonische Beratung, etwa bei einem bettlägerigen Schuldner, wird im Einzelfall noch die bestehenden Anforderungen erfüllen. Insofern lässt das Kriterium der persönlichen Beratung Spielraum, auf individuelle Konstellationen einzugehen. 142 Eine reine Videoinformation ohne individualisierte Fragemöglichkeiten ist ebenso unzureichend wie die bloße Versendung von Broschüren und anderem allgemeinen Material. Online-Angebote mit Selbstevaluationen und vorgefertigten Informationen sowie Formularen genügen nicht mehr.219) Selbst die Option eines E-Mail-Kontakts ist ohne differenzierte individuelle Kommunikation unzureichend. Erst eine dialogische Struktur ermöglicht eine eingehende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuld___________ 216) 217) 218) 219)

50

So Hofmeister, ZVI 2014, 247, 248; Ahrens, NJW 2014, 1841. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 7. Heyer, ZVI 2013, 214, 215. Heyer, ZVI 2013, 214, 216; Ahrens, NJW 2014, 1841 f.; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 7.

II. Qualifizierte Schuldnerberatung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO

ners. Selbstverständlich können aber Print- oder Online-Materialien Gesprächsberatungen ergänzen. Richtigerweise wird der Beratungsgegenstand nicht weiter positiv fixiert, ist 143 es doch nicht die Aufgabe eines Gesetzes, derartige Einzelfragen zu lösen. Zudem muss es bei der Methodenfreiheit der Schuldnerberatung bleiben. Typischerweise wird sich die persönliche Beratung auf verfahrensbezogene Informationen über den Einigungsversuch, die Verbraucherinsolvenz sowie die Restschuldbefreiung, aber auch auf die Situation des Schuldners erstrecken. Bestandteil dieser komplexen Beratung sind die Sperrfristen bei einem früheren Restschuldbefreiungsverfahren. Der Schuldner ist auf den Fristbeginn mit Eintritt der Rechtskraft und die Möglichkeit eines Rechtskraftzeugnis nach den §§ 4 InsO i. V. m. § 706 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu informieren. Zu beraten ist außerdem über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, ohne die eine nachhaltige Schuldenbereinigung kaum denkbar ist. Konkrete Maßstäbe für den Beratungsumfang bestehen abgesehen von den Verfahrensregeln nicht. Sie werden daher am generellen Kriterium einer sachgerechten Beratung auszurichten sein. Keinen notwendigen Bestandteil der Beratungsaufgabe bildet die Beteiligung 144 am außergerichtlichen Einigungsversuch.220) Die Beratung bildet eine interne informationsbezogene Leistung. Sie soll den Schuldner orientieren sowie stabilisieren und ist deswegen ebenso sprachlich wie sachlich von einer verhandlungsbezogenen Mitwirkung am Einigungsversuch zu unterscheiden. Selbstverständlich kann sich die geeignete Stelle daran beteiligen und oft wird dies auch sinnvoll sein. Allein gesetzlich gefordert wird dies nicht. bb) Prüfung Zusätzlich fordert das Gesetz eine eingehende Prüfung der Einkommens- 145 und Vermögensverhältnisse des Schuldners. Anknüpfungspunkte oder Maßstäbe dafür sind nicht ohne Weiteres zu bestimmen. Auszugehen ist von den Auskünften des Schuldners. Eine umfassende Erforschung von dessen wirtschaftlichen Verhältnissen ist den Schuldnerberatungsstellen nicht aufgegeben. Anhand der vorliegenden Unterlagen werden die Angaben des Schuldners über seine Einkünfte zu kontrollieren sein, selbst wenn nur ein Papierkonvolut in einem Plastikbeutel vorgelegt wird. Ebenso müssen die Unterhaltspflichten von der geeigneten Person oder Stelle berücksichtigt werden. Die Bestimmung der Angaben zu den Einkünften und Unterhaltspflichten darf nicht mehr dem Schuldner überlassen bleiben. Unerheblich ist freilich, wer die entsprechenden Angaben in das Formular einträgt,221) solange die maßgebenden Daten von der geeigneten Person oder Stelle geprüft und dem Schuldner mitgeteilt worden sind. Wegen des funktionalen Konnexes mit dem Bera___________ 220) A. A. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 7. 221) Enger Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 806.

51

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch

tungserfordernis sind regelmäßig die Pfändungsfreigrenzen für das Erwerbsund Erwerbsersatzeinkommen zu überprüfen. Auch kann auf mögliche Vollstreckungsschutzanträge oder eine empfehlenswerte Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto hinzuweisen sein. 146 Bei den Vermögensverhältnissen sind einerseits die Zahlungspflichten zu bestimmen und andererseits die pfändbaren Vermögensgegenstände aufzunehmen. Angaben über werthaltige und wertlose Vermögenspositionen müssen einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden. Zugleich limitiert der Beratungskontext auch die Prüfungsanforderungen, denn Prüfungen außerhalb der Beratungssituation sind nicht zu verlangen. Weder müssen Gläubiger noch Drittschuldner kontaktiert werden, um Verbindlichkeiten zu prüfen oder Forderungen einzubringen. 147 Letztlich ergibt sich die Aufgabenbestimmung und -beschränkung auch aus der funktionalen Ausrichtung der Schuldnerberatung auf den Schuldenbereinigungsplan. Der Plan bildet den Fixpunkt der beratenden und prüfenden Tätigkeit. Verlangt wird daher lediglich eine auf die Plangestaltung hinführende Leistung. Weder ist eine allgemeine Lebensberatung noch eine Schulung in wirtschaftlich-sozialen Fähigkeiten erforderlich, etwa zur Haushaltsführung. Auch eine umfassende Rechtsberatung ist nicht zu leisten, selbst wenn sie in den Grenzen von § 8 Abs. 1 Nr. 3 RDG erbracht werden darf. cc) Mitwirkung bei der Planerstellung und bei der außergerichtlichen Verhandlung 148 Unbeantwortet gelassen hat die Novelle eine andere umstrittene Frage. Seit Langem wird diskutiert, ob die bescheinigende Person oder Stelle lediglich den gescheiterten Einigungsversuch zu attestieren hat oder an der Planerstellung mitwirken bzw. weitergehend noch selbst die außergerichtlichen Verhandlungen geführt haben muss. Obwohl es sinnvoll erscheint, wenn die Schuldnerberatungsstelle aufgrund ihrer Fachkunde unterstützt vom Schuldner die Verhandlung führt, sieht § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO für das gerichtliche Verfahren keinen Vertretungszwang, sondern ein Vertretungsrecht vor. Ein Vertretungserfordernis im außergerichtlichen Verfahren hätte daher bestimmt sein müssen, was gerade nicht vorgesehen ist. Da die Verhandlungen gescheitert sind, wenn ein ernsthafter Einigungsversuch durch einen Gläubiger abgelehnt wird, können ebenso die Verhandlungen wie ihr Scheitern unproblematisch attestiert werden. Eine Beteiligung der geeigneten Personen oder Stellen daran ist nach der bisherigen Regelung nicht erforderlich.222) ___________ 222) OLG Schleswig, NZI 2000, 165, 166; Gottwald/Ahrens, § 82 Rn. 11; FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 19; AGR/Henning, § 305 Rn. 25; Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rn. 63; Kübler/ Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 7; HambK/Streck, § 305 Rn. 15; Römermann, in: Nerlich/ Römermann, EL 21, § 305 Rn. 18; differenzierend HK-InsO/Waltenberger, § 305 a. F. Rn. 32 f.; a. A. AG Hamburg, ZVI 2008, 211; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 305 Rn. 27; Hackling, ZVI 2006, 225, 229; Heyer, ZVI 2011, 41, 43.

52

II. Qualifizierte Schuldnerberatung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO

An dieser Rechtslage hat sich durch die neue gesetzliche Bestimmung über 149 die qualifizierte Beratung nichts geändert. Bereits der systematische Unterschied zwischen den nunmehr kodifizierten Anforderungen an eine persönliche Beratung sowie eine eingehende Prüfung und der unveränderten Verhandlungsführung weist dies aus. Nach dem Wortlaut der Regelung muss die geeignete Person oder Stelle den Schuldner aktiv beraten. Eine aktive Beteiligung am durchzuführenden Einigungsversuch wird dagegen nicht vorausgesetzt.223) Folgerichtig verlangt auch das amtliche Formular keine Aussage darüber, wer an den Verhandlungen mitgewirkt und diese geführt hat. Bestätigt wird damit die Kontinuität in diesem Punkt zwischen altem und neuem Recht. Isolierte Abschlussbescheinigungen sind schon deswegen nicht zweckwidrig, weil sie, gestützt auf die Fachkunde und Zuverlässigkeit der geeigneten Person oder Stelle, ein Verhandlungsergebnis und nicht die Verhandlungsführung dokumentieren sollen. Was früher zur Verhandlungsführung galt, trifft auch heute zu, weswegen die bescheinigende Person oder Stelle weder an der Planerstellung mitgewirkt noch selbst die außergerichtlichen Verhandlungen geführt haben muss.224) dd) Erweiterte Bescheinigung Inhaltlich muss die Bescheinigung keine hohen Standards erfüllen, wenn sie 150 auch den Anforderungen der Vordruckverordnung zu genügen hat.225) Der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 30.4.2014226) sieht in Anlage 2 bei der neuen Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs allein die zusätzliche Formulierung vor, dass die Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erstellt wurde. Weitergehende sachliche Erfordernisse werden nicht aufgestellt, weswegen das formularmäßige Testat genügt. Mehr noch schließt § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO über die formularmäßigen Angaben hinausgehende Anforderungen aus. Demgegenüber werden teilweise weitergehende Ausführungen darüber verlangt, in welchem Umfang die Einkommens- und Vermögensverhältnisse geprüft wurden.227) Derartige Anforderungen widersprechen jedoch dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut, den Schranken des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO und dem Ziel, die Gerichte von zusätzlichen Prüfungsaufgaben zu entlasten.

___________ 223) Graf-Schlicker/Kexel, § 305 Rn. 18. 224) A. A. Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 101; Heyer, ZVI 2013, 214, 215 f.; Hergenröder, KTS 2013, 385, 394. 225) FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 15. 226) BR-Drucks. 179/14, S. 10. 227) MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 34.

53

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch

151 Allerdings muss die bescheinigende Stelle diese ergänzte Erklärung abgeben. Vermag oder will sie dies nicht, wird der Anforderungsgehalt des Formulars nicht erfüllt. Dies kann etwa in Betracht kommen, wenn der Schuldner sich den Erfordernissen einer persönlichen Beratungssituation entzieht. Umgekehrt genügt aber auch diese geringfügig erweiterte Erklärung. Obwohl eine qualifizierte Beratung gefordert wird, ist eine besonders qualifizierte Abschlussbescheinigung nicht erforderlich.228) b) Rechtliche Wirkungen 152 Das Insolvenzgericht darf lediglich prüfen, ob eine formal zutreffende Bescheinigung vorliegt. Dazu gehört die formularmäßige Erklärung, dass die Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erstellt wurde. Sachentscheidungsvoraussetzung ist allenfalls die Erklärung über die persönliche Beratung sowie die eingehende Prüfung in der Bescheinigung und nicht ein bestimmtes sachliches Beratungsprofil. Wie der Vergleich mit der obligatorischen Streitbeilegung gemäß § 15a EGZPO zeigt, können allein formalisierte und nicht materialisierte Anforderungen aufgestellt werden. 153 Ebenso wenig wie nach früherem Recht229) darf künftig eine inhaltliche Prüfung stattfinden,230) wie gerade auch die Gesetzesmaterialien bestätigen. Allerdings wollte die Begründung zu § 305 RegE 2012 eine gerichtliche Überprüfung der vorgetragenen und attestierten Aussichtslosigkeit zulassen,231) was freilich im Gesetzestext keinen Ausdruck gefunden hat.232) Wegen der einfach zu quantifizierenden Anforderungen, die das Gericht in ähnlicher Weise im Rahmen der §§ 5 Abs. 2, 304 Abs. 2 InsO beurteilen muss, bestehen gegen eine solche Prüfung geringere Vorbehalte als in sonstigen Zusammenhängen. Ausdrücklich bezog sich diese Kontrollbefugnis allein auf die Aussichtslosigkeitsbescheinigung. Da dieses gesetzgeberische Vorhaben nicht realisiert wurde, ist der Anknüpfungspunkt einer erweiterten gerichtlichen Prüfung entfallen.233) Das Gericht darf daher lediglich überprüfen, ob die erweiterte Bescheinigung von einer geeigneten Person oder Stelle erteilt worden ist. Fehlt es daran, muss das Gericht den Schuldner nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO auffordern, das Fehlende zu ergänzen. Kommt der Schuldner dem nicht nach, gilt der Insolvenzantrag nach § 305 Abs. 2 Satz 2 InsO als zurückgenommen. Eine weitergehende primäre Rechtskontrolle scheidet allerdings aus. ___________ 228) A. A. Heyer, ZVI 2013, 214. 229) Dazu OLG Schleswig, NZI 2000, 165, 166; FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 15; Uhlenbruck/ Vallender, § 305 Rn. 116, 133; Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 9; Braun/Buck, § 305 Rn. 14. 230) AGR/Henning, § 305 n. F. Rn. 1; Henning, ZVI 2014, 7, 15; siehe auch HK-InsO/ Waltenberger, § 305 n. F. Rn. 3. 231) BT-Drucks. 17/11268, S. 34. 232) Frind, ZInsO 2012, 475, 479. 233) Heyer, ZVI 2013, 214, 217.

54

II. Qualifizierte Schuldnerberatung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Denkbar ist dagegen eine sekundäre Rechtskontrolle. Die Pflichtenmaßstäbe 154 in der Schuldnerberatung sind an diesen gesteigerten Anforderungen auszurichten. Werden die Pflichten verletzt, kommt eine Haftung der geeigneten Person oder Stelle, insbesondere aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Beratungsvertrag, in Betracht. Für die anwaltliche Beratung sollte dies selbstverständlich sein, doch gilt damit auch für die Schuldnerberatungsstellen ein erheblicher Pflichtenmaßstab. Vermehrt wird es deswegen auf eine sorgfältige Dokumentation der Beratung und Prüfung ankommen. Zudem müssen die qualifizierten Beratungsanforderungen, insbesondere im Zulassungs- oder Widerrufsverfahren bzw. bei einer Zertifizierung der Schuldnerberatungsstellen, berücksichtigt werden. Letztere wird vermehrt verlangt. Einerseits gehören dazu Richtlinien über die durchzuführende Beratung und Prüfung. Andererseits muss eine hinreichende Zeit für diese Tätigkeit eingeplant werden. Nicht von ungefähr wird angenommen, das Kriterium der persönlichen Bera- 155 tung sei an der Arbeit der Schuldnerberatungsstellen ausgerichtet.234) Für sie werden sich regelmäßig die geringsten Anpassungszwänge ergeben, denn die Maßstäbe einer qualifizierten Beratung entsprechen den Tätigkeitsformen einer seriösen Schuldnerberatung. Auch Anwälte werden die Maßstäbe typischerweise erfüllen. Gesteigert werden gerade auch die Anforderungen an die landesrechtlich teilweise zugelassenen gewerblichen Schuldenregulierer.235) Wenn sich für sie der höchste Änderungsdruck ergibt, ist dies eine sicherlich nicht unangemessene Konsequenz. Gewerbliche Schuldenregulierer müssen durch die persönliche Kompetenz und die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen dokumentieren, eine hinreichende institutionelle Gewähr zu bieten, um die erforderlichen Standards zu erfüllen. Auf diese Weise kann auch ein Beitrag dazu geleistet werden, unseriöse Anbieter auszuschließen. Neue Impulse erhält vielleicht auch die Diskussion über die subjektiven An- 156 forderungen aus § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO. Wegen des Fehlverhaltens einer Hilfsperson darf zwar die Restschuldbefreiung nicht versagt werden.236) Der Schuldner hat aber die von einem Dritten ausgefüllten Formulare zu überprüfen, weswegen ihm unrichtige Angaben als eigenes Fehlverhalten zuzurechnen sein können.237) Dann liegt es nahe, wenn die Anforderungen an einen persönlich beratenen Schuldner etwas steigen. Dennoch darf beim Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit der personale Bezug238) nicht verkürzt werden, weswegen es nur in Einzelfällen zu Verschiebungen kommen wird. Auch wenn allgemeine Beratungsstandards fehlen und sachlich zu rechtferti- 157 gende Beratungsunterschiede existieren, geht das rechtliche Profil der Neu___________ 234) Jäger, ZVI 2012, 177, 180. 235) FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 21; Hergenröder, ZVI 2007, 448, 453. 236) BGH, NZI 2011, 254 Rn. 8; der abweichenden Rechtsprechung des AG Duisburg, NZI 2005, 462, 463, ist auch insoweit die Grundlage entzogen. 237) BGH, NZI 2011, 254 Rn. 9. 238) Vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 28; Karsten Schmidt/Henning, § 290 Rn. 42.

55

B. Außergerichtlicher Einigungsversuch

regelung deutlich über einen bloßen Appellcharakter hinaus.239) Dafür bildet die verhaltenssteuernde Wirkung von Haftungsnormen ein sichtbares Signal. Ungeachtet der fehlenden Rechtsfolgenanordnung werden nicht dialogische, insbesondere internetgestützte Beratungen ausgeschlossen. In der anwaltlichen Schuldnerberatung wird vermehrt auf eine Prüfung der Einkommensund Vermögensverhältnisse zu achten sein. Zudem werden Untergrenzen für eine sachgerechte Beratungsleistung gezogen. An diesem Profil müssen sich gerade auch gewerbliche Schuldenregulierer messen lassen. III. Gewandelte Planinhalte 158 Einige der reformierten Vorschriften strahlen auf die Inhalte des Schuldenbereinigungsplans aus. Obwohl sich der Schuldenbereinigungsplan beim außergerichtlichen Einigungsversuch nicht zwingend an den Maßstäben des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans orientieren muss, bilden dessen Erfordernisse doch regelmäßig die Leitlinie, weil der Plan sonst kaum eine realistische Einigungschance bietet.240) In mehrfacher Hinsicht kann sich die nach § 300 Abs. 1 InsO verkürzte Verfahrensdauer auf den Schuldenbereinigungsplan auswirken. Da der Schuldner nach dem Gedanken aus § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden darf als bei Durchführung des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens, ist auf die dort zu erwartenden Leistungen abzustellen. 159 Vom Schuldner wird deswegen nicht automatisch eine 35 %ige Quote nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO erwartet. Es bleibt selbstverständlich weiterhin ein Nullplan zulässig,241) denn der Schuldner muss im Restschuldbefreiungsverfahren keine Mindestquote erreichen. Sind keine Zahlungen zu erwarten, kann ein Nullplan vorgeschlagen werden. Ergänzend sind die beiden neuen Gruppen der nach § 302 Nr. 1 InsO privilegierten Gläubiger zu berücksichtigen. Dazu müssen die Gläubiger allerdings die Voraussetzungen dieser Norm darlegen. Selbst dann müssen ihre Forderungen nicht voll berücksichtigt werden, weil eine vollständige Befriedigung nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht sicher ist.242) Sind auch nach Ende des Restschuldbefreiungsverfahrens keine Leistungen zu erwarten, müssen für die privilegierten Gläubiger keine Zahlungen vorgesehen werden.243) 160 Kann der Schuldner dagegen Zahlungen erbringen, ist zu kalkulieren, wann sie welchen Umfang erreichen. Werden geringe Leistungen erbracht, ohne die Verfahrenskosten zu decken, bleibt es bei einem sechsjährigen Vergleichszeitraum. Vermag der Schuldner binnen fünf Jahren zumindest die ___________ Enger AGR/Henning, § 305 Rn. 1; Heyer, ZVI 2013, 214, 217. FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 35; Gottwald/Ahrens, § 82 Rn. 11. Dazu BGH, NZI 2014, 34 Rn. 8. Uhlenbruck/Vallender, § 309 Rn. 67a; FK-InsO/Grote, § 309 Rn. 35; Kübler/Prütting/ Bork/Wenzel, § 309 Rn. 6a. 243) BGH, NZI 2014, 34 Rn. 11.

239) 240) 241) 242)

56

III. Gewandelte Planinhalte

Verfahrenskosten zu berichtigen, könnte er nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO vorzeitig die Restschuldbefreiung erreichen. In diesem Fall ist von einer fünfjährigen Periode als Referenzzeitraum auszugehen.244) Als Referenzzeitraum, um eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Gläubiger nach § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO zu beurteilen, ist dann lediglich auf eine fünfjährige Verfahrensdauer abzustellen. Auch wenn der Schuldner voraussichtlich mehr als allein die Verfahrenskosten und die Masseverbindlichkeiten, aber weniger als eine 35 % Quote erfüllen kann, ist grundsätzlich auf eine fünfjährige Referenzzeit abzustellen. Offen ist, zu welchen Konsequenzen es führt, wenn der Schuldner nicht 161 nach drei Jahren, aber vor Ablauf der fünfjährigen Periode die Insolvenzforderungen voraussichtlich zu 35 % befriedigen kann. Dies hängt von der zu § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO vertretenen Auslegung ab. Wenn in § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO eine Ausschlussregelung gesehen wird, müssen spätere Leistungen unerheblich sein, weswegen es bei einer fünfjähren Periode bleibt. Wenn § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO dagegen, wie hier vertreten (Rn. 1031 ff.), als Mindestfrist verstanden wird, kann die Quote auch nach drei Jahren noch erfüllt und eine kürzere als eine fünfjährige Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens erreicht werden. Solange noch eine Unsicherheit besteht, sollten überobligationsmäßige Leistungen oder Drittleistungen nicht vor Annahme des Plans erfolgen. Künftig kann der Schuldner gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO bei einer 162 Befriedigungsquote von 35 % nach einer dreijährigen Verfahrensdauer die Restschuldbefreiung erreichen. Deswegen muss der Plan bei einer dreijährigen Vergleichsperiode selbst bei einem überdurchschnittlich leistungsfähigen Schuldner regelmäßig eine Quote von nicht mehr als 35 % vorsehen.245) Höhere Zahlungen können sich in den überaus seltenen Fällen ergeben, in denen die 35 %ige Quote bereits vor Ablauf der drei Jahre zu erreichen ist, oder wenn privilegierte Forderungen weitergehend zu berücksichtigen sind. Allerdings wird diese Quote im Schuldenbereinigungsplanverfahren ähnlich selten zu erreichen sein wie im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren. Ein gewisser Vorteil spricht noch für den Schuldenbereinigungsplan, weil die Kosten nicht in gleicher Weise steigen wie nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO. Jedenfalls kann zukünftig eine Kappungsklausel bei einer Befriedigung von 35 % der Forderungen, bezogen auf eine dreijährige Verfahrensdauer, vorgesehen werden, ggf. zuzüglich einer weitergehenden Quote für die privilegierten Gläubiger. Dies gilt etwa auch wegen unvorhergesehener Ereignisse wie einer Erbschaft.

___________ 244) Lackmann, Insbüro 2014, 303, 304; siehe auch Nocke, FLF 2012, 157, 159 f. 245) Jäger, ZVI 2014, 223, 225.

57

C. Insolvenzeröffnungsverfahren I. Insolvenzantrag 1. Ausgangssituation Manche Gesetzesänderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren, wie die Auf- 163 hebung der §§ 312 – 314 InsO, lassen Zweifel an einem sinnvoll gestalteten eigenständigen Konzept der Verbraucherinsolvenz aufkommen.246) Verstärkt werden diese Bedenken noch durch den hohen legislatorischen und normativen Aufwand in den verbleibenden Vorschriften, der beim Schuldenbereinigungsplan in einem deutlichen Kontrast zur praktischen Relevanz steht, aber auch durch den partiellen Funktionsverlust des Verfahrensmodells der Verbraucherinsolvenz. Dennoch wäre ein Abgesang auf das Verbraucherinsolvenzverfahren verfrüht, denn es geht um mehr als nur den symbolträchtigen Fortbestand eines hergebrachten Bauelements für ein Insolvenzverfahren natürlicher Personen. Obwohl sich die Verfahrensarten des sog. Regel- und des Verbraucherinsolvenzverfahrens in wichtigen Bereichen einander angenähert haben und die Legitimationsbasis für separate Regeln brüchiger geworden ist, sollte das eigenständige Modell nicht vorschnell aufgegeben werden. Sicherlich können die fortgeltenden Regeln über den persönlichen Anwen- 164 dungsbereich und die speziellen planbezogenen Verfahrensstationen in der Verbraucherinsolvenz in den allgemeinen Regelungsbereich überführt werden.247) Vielleicht wäre eine solche Reform sogar sinnvoll, soweit die dadurch eintretende systematische Lücke gefüllt werden kann. Dann müsste aber zugleich ein von eigenen Prinzipien geleitetes Privatinsolvenzrecht geschaffen werden. Solange dies nicht geschieht, sprechen gewichtige Gründe für ein weiter geltendes Verbraucherinsolvenzverfahren. Eine kleine, primär formale Korrektur akzentuiert in der Novelle sogar noch 165 das Verbraucherinsolvenzverfahren. Der bislang als „Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren“ wenig passend bezeichnete Neunte Teil der Insolvenzordnung wird in „Verbraucherinsolvenzverfahren“ umbenannt. Zugleich wird die Untergliederung in die drei Abschnitte Anwendungsbereich, Schuldenbereinigungsplan und vereinfachtes Insolvenzverfahren beseitigt, was wohl vor allem durch die aufgehobenen zentralen Bestimmungen des vereinfachten Insolvenzverfahrens der §§ 312 – 314 InsO begründet ist. Jedenfalls wird dadurch der Neunte Teil der Insolvenzordnung konzentriert auf die Verbraucherinsolvenz ausgerichtet, die dadurch legislativ noch betont wird. An der grundlegenden Zweiteilung des Insolvenzverfahrens in das sog. Re- 166 gel- und das Verbraucherinsolvenzverfahren hat die Gesetzesnovelle nichts ___________ 246) Vallender/Laroche, VIA 2012, 9. 247) Vallender/Laroche, VIA 2012, 9, 11.

59

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

geändert. Es bleibt weiterhin bei der durch § 304 InsO bestimmten Differenzierung zwischen den Verfahrensarten. Auch künftig hat ein Schuldner, wenn er unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 304 InsO fällt, die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu beantragen. Praktisch gewendet besteht die Aufteilung in IN- und IK-Verfahren fort. 167 Will der Schuldner die Restschuldbefreiung erreichen, muss er einen eigenen Insolvenzantrag stellen. Dabei ist das Gericht an die vom Antragsteller gewählte Verfahrensart gebunden und darf das Verfahren nicht in einer anderen, als der vom Antragsteller gewählten Verfahrensart eröffnen.248) Ungeachtet einiger durchaus nicht unwichtiger Detailverschiebungen sind die grundsätzlichen Anforderungen an die Antragstellung unverändert geblieben. 2. Formularzwang a) Formulare, § 305 Abs. 5 Satz 2 InsO aa) Grundlagen der Neuregelung 168 Seit über zehn Jahren besteht im Verbraucherinsolvenzverfahren aufgrund von § 305 Abs. 5 Satz 2 InsO ein Formularzwang, weil das Bundesjustizministerium von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, Formulare für die nach § 305 Abs. 1 InsO vorzulegenden Bescheinigungen, Anträge und Verzeichnisse einzuführen. Diese Formulare sind mit der Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung – VbrInsVV) vom 17.2.2002 bindend vorgesehen worden.249) Um auch künftig eine gesetzeskonforme Antragstellung zu ermöglichen, sind sowohl die Verordnung als auch die Vordrucke zum 1.7.2014 an die durch die Novelle im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren eingetretenen Änderungen angepasst worden. Der Verordnungsentwurf sowie der Entwurf des neuen Antragsformulars wurden am 18.3.2014 zur Anhörung verschickt.250) Am 30.4.2014 ist der Entwurf in den Bundesrat eingebracht worden.251) Die Verordnung vom 23.6.2014 ist zusammen mit dem Formularsatz252) am 26.6.2014 im BGBl. verkündet worden.253) 169 Mit der Umstellung auf die neue Rechtslage ist die Regelung in Verordnung zur Einführung von Formularen für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (Verbraucherinsolvenzformularverordnung – VbrInsFV) umbenannt worden. Dadurch wird die mit dem Justiz___________ 248) BGH, NZI 2013, 540 Rn. 8. 249) BGBl. I S. 703. 250) Siehe http://www.forum-schuldnerberatung.de/fileadmin/user_upload/entwurf_insoformular_2014.pdf. 251) BR-Drucks. 179/14. 252) Teilweise abgedruckt in ZVI 2014, 282. 253) BGBl. I S. 825.

60

I. Insolvenzantrag

kommunikationsgesetz vom 22.3.2005254) eingeführte einheitliche Terminologie übernommen und anstelle der bisherigen Bezeichnung als Vordruck der Begriff Formular verwendet werden. Bei dieser begrifflichen Änderung handelt es sich um eine rein äußerliche Korrektur ohne sachliche Auswirkungen. Diese sprachliche Änderung durchzieht den gesamten Verordnungsentwurf, in dem die Bezeichnung des Vordrucks durch Formular ersetzt wird. Nur am Rande sei hier auf einen weiteren Verordnungsentwurf hingewiesen. 170 Mit Datum vom 27.2.2014 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Entwurf einer Verordnung zur Einführung eines Formulars für den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet verschickt.255) Gestützt auf § 13 Abs. 3 InsO sieht dieser Verordnungsentwurf einen Formularzwang für Eigenanträge im sog. Regelinsolvenzverfahren vor. Nach gegenwärtigem Stand ist allerdings nicht abzusehen, ob dieser Vorschlag realisiert wird. bb) Übergangsprobleme Wenig glücklich ist die Verordnung nach Art. 2 VbrInsFV am 30.6.2014 in 171 Kraft getreten. Da gemäß Art. 9 Satz 1 das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zum 1.7.2014 in Kraft tritt, kam es danach für einen Tag zu einem Unterschied einerseits zwischen der alten Gesetzes- und andererseits der bereits novellierten Verordnungs- und Formularlage, die etwa keine Erklärung über bestehende Abtretungen und Verpfändungen verlangt. Es ist zu hoffen, dass dieser handwerkliche Fehler keine gravierenden Folgen haben wird. Jedenfalls darf diese Diskrepanz zu keinen nachteiligen Konsequenzen für den Antragsteller führen. Hat der Schuldner, was allerdings kaum vorstellbar erscheint, am 30.6.2014 die neuen Formulare verwendet, ist er in seinem Vertrauen auf die Formulare zu schützen. An ihn dürfen jedoch keine über die Ermächtigungsgrundlage hinausgehenden Anforderungen gestellt werden. Das umgekehrte Problem wiegt viel gravierender und ist wesentlich schwie- 172 riger zu lösen. Am 30.6.2014 werden einige und nach diesem Datum zahlreiche Eigenanträge auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens unter Verwendung der alten Formulare beantragt werden. Hierbei handelt es sich zwar nur um ein Übergangsproblem, doch bereitet es erhebliche Mühen. Für die wenigen Antragstellungen am 30.6.2014 kann eine Antwort noch verhältnismäßig einfach gegeben werden. Da die neuen Formulare auf die noch nicht in Kraft getretene Novellierung des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens bezogen sind, besteht ein Widerspruch zwischen der Gesetzes- und der Verordnungslage. Dieser Gegensatz darf sich nicht ___________ 254) BGBl. I S. 837, 851. 255) Siehe http://www.insolvenzrecht.jurion.de/uploads/media/Schreiben_des_BMJ.pdf.

61

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

zum Nachteil des Antragstellers auswirken. Er muss daher in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, ein der Insolvenzordnung entsprechendes Formular verwendet zu haben. Das alte Formular bildet gerade die am 30.6.2014 geltenden verfahrensrechtlichen Anforderungen an den Schuldner zutreffend ab, während die weitergehenden Erfordernisse, etwa über die Erklärung und Versicherung zu früheren Restschuldbefreiungsverfahren nach § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO, noch nicht in Kraft getreten ist. Sein Insolvenzantrag ist daher zulässig. Im Kern läuft diese Interpretation darauf hinaus, den Verwendungszwang für die neuen Formulare am 30.6.2014 aufzuheben. 173 Die eigentlichen Schwierigkeiten entstehen ab dem 1.7.2014, wenn Verordnungs- und Gesetzeslage zusammentreffen. Da in den Formularen die Bescheinigungen der geeigneten Personen oder Stellen über einen gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuch enthalten sind, diese Bescheinigungen aber nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO bis zu sechs Monate alt sein dürfen, werden bis zum Ende des Jahres 2014 zahlreiche Eigenanträge auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt werden, in denen noch die alten Formulare verwendet wurden. Nachdem sich der Verordnungsgeber ein Jahr Zeit mit der Änderungsverordnung gelassen hat, musste die neue Rechtslage binnen weniger Tage umgesetzt werden. Darin ist eine mangelnde Sensibilität des Verordnungsgebers für die praktischen Erfordernisse zu sehen, wodurch die Arbeit gerade der Schuldnerberatungsstellen entwertet wird. Sollten die Eingangszahlen nach dem 1.7.2014 sinken, ist dies wohl auch auf diese Umstellungsschwierigkeiten zurückzuführen. 174 Verwendet der Schuldner die nicht mehr gültigen alten Formulare, ist sein Insolvenzantrag grundsätzlich zunächst unzulässig, worauf ihn das Insolvenzgericht hinzuweisen hat. Da die Formulare nicht unvollständig, sondern gar nicht ausgefüllt worden sind, liegt kein Fall des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO vor. Es gilt daher weder die gesetzliche Monatsfrist noch kann die Rücknahmefiktion aus § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO eintreten. Vielmehr muss das Insolvenzgericht eine verlängerbare richterliche Frist setzen, die regelmäßig zunächst einen Monat betragen wird. Reicht der Schuldner fristgerecht die ordnungsgemäß ausgefüllten Anträge nach, wird sein Insolvenzeröffnungsantrag mit dem Datum der ursprünglichen Einreichung zulässig. 175 Der Schuldner muss sich an die geeignete Person oder Stelle wenden, um von ihr die Angaben auf dem neuen Formular bestätigt zu bekommen. Soweit die Beratung bereits bislang den Anforderungen einer persönlichen Beratung und eingehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners entsprochen hat, was bei den anerkannten Schuldnerberatungsstellen anzunehmen ist, kann auch dies im neuen Formular attestiert werden. Zwischen der ursprünglichen Beratung und dem erneuten Ausstellen können sich allerdings die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners verändert haben. Dennoch muss nicht stets eine erneute Prüfung durch die geeignete Person oder Stelle erfolgen. Wie die sechsmonatige Frist des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO zeigt, muss der Beratungsstand nicht dem letzten Ent62

I. Insolvenzantrag

wicklungsstand entsprechen. Innerhalb der sechsmonatigen Frist kann der Beratungs- und Prüfungsstand übernommen werden. Allerdings müssen die Verzeichnisse nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO bei der Antragstellung auf dem aktuellen Stand sein und deswegen ggf. ergänzt werden. cc) Geänderter Inhalt In zwei inhaltlichen Punkten wird der Inhalt der Verordnung verändert, was 176 zu entsprechenden Korrekturen in den Formularen führt.256) Da § 114 InsO gestrichen ist, entfällt die Privilegierung von Vorausverfügungen, weswegen der Gesetzgeber § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO aufgehoben hat. Deswegen konnte in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) VbrInsFV die Erklärung über bereits bestehende Abtretungen und Verpfändungen nach § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO entfallen. Außerdem ist die Übergangsregelung des Art. 107 EGInsO über eine verkürzte Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens in Altfällen, in denen der Schuldner vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig war, bereits zum 1.7.2007 durch Art. 3 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007257) aufgehoben. Daher konnte die entsprechende Erklärung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. d) VbrInsFV gestrichen werden. Ein Redaktionsfehler258) in § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO führt zu möglicherweise 177 gravierenderen Konsequenzen. Nach dem RegE 2012 sollte das Schuldenbereinigungsplanverfahren gemäß den §§ 307 bis 310 InsO und damit auch § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO aufgehoben werden. Folgerichtig wurde der Formularzwang aus § 305 Abs. 5 Satz 1 RegE 2012 auf die Bescheinigungen, Anträge und Verzeichnisse nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO beschränkt. Abweichend von diesem Regierungsentwurf wurden auf Grundlage der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags die §§ 307 bis 310 InsO unverändert gelassen. Übersehen wurde dabei jedoch der von einer Gesetzesänderung ausgehende veränderte Vorschlag für § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO. Obwohl § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO nicht gestrichen wurde, verweist § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO nicht mehr auf diese Bestimmung. Infolgedessen geht die verabschiedete Fassung des § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO von einem Gesetzesstand aus, der nicht realisiert wurde.259) Eine singuläre Änderung der Formularpflichten ohne ein aufgehobenes Schuldenbereinigungsplanverfahren war indessen nach dem beschriebenen Gesetzgebungsverlauf nicht gewollt260) und wäre auch weitgehend zweckwidrig. Dies ist allerdings nicht der einzige Punkt, der auf der Verlustliste der zum 178 Schluss der Legislaturperiode hektischen und vielleicht auch manchen Ein___________ 256) 257) 258) 259) 260)

Insgesamt dazu Heyer, ZVI 2014, 256. BGBl. I S. 509. HK-InsO/Waltenberger, § 305 n. F. Rn. 21. MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 50. Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 807.

63

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

flüsterungen unterliegenden Beratungen im Rechtsausschuss steht. Ein ähnliches Versäumnis ist bei der Verweisung in § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf die letztlich doch nicht geschaffene Regelung des § 295 Abs. 3 InsO zu konstatieren. Abzuwarten bleibt, ob eine Reparaturgesetzgebung erfolgt. Sollte dies nicht geschehen, müssen für die Formularpflicht nach § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO einige Probleme überwunden werden. 179 Ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage wird danach als Anlage 7 zum Eröffnungsantrag ein Schuldenbereinigungsplan verlangt. Bei einer streng dem Gesetzeswortlaut folgenden Interpretation könnte insoweit ein unvollständig ausgefülltes Formular nicht mehr die Wirkung des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO auslösen, weil kein den gesetzlichen Erfordernissen genügendes Formular existiert. So soll dann ein fehlender Schuldenbereinigungsplan nicht mehr beanstandet werden dürfen.261) Eine solche Konsequenz geht aber wohl zu weit, denn nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO bleibt ein Schuldenbereinigungsplan vorzulegen. Lediglich der Formularzwang nach § 305 Abs. 5 Satz 1, 2 InsO entfällt. Der Schuldner bzw. die geeignete Person oder Stelle könnten damit ein eigenes Muster verwenden, ohne nachteilige Konsequenzen befürchten zu müssen. Das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren wäre in diesem Fall nicht gesperrt.262) Allerdings müsste das Gericht bei seiner Entscheidung nach § 306 Abs. 1 Satz 3 InsO über die fakultative Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens berücksichtigen, ob die Annahmebereitschaft der Gläubiger durch einen nicht formalisierten Plan verringert würde. Eine buchstabengetreue oder – richtiger – zifferngetreue Auslegung, wonach allein der Formularzwang entfällt, kollidiert freilich mit den Intentionen des Formularzwangs, eine schnelle und abschließende Information der Beteiligten und des Gerichts über die Antragsvoraussetzungen zu ermöglichen. 180 Obwohl das gesetzgeberische Versäumnis unschwer zu erkennen ist, bleibt doch fraglich, ob und inwieweit der Fehler über eine historisch-teleologische Auslegung korrigiert werden kann. Um das Schuldenbereinigungsplanverfahren nicht zu entwerten und einen sachgerechten Verfahrensfortgang zu ermöglichen, kann im Rahmen einer korrigierenden, den Normtext auf die ursprüngliche Formulierung hin erweiternden Interpretation von einer formularmäßigen Erklärungspflicht auch zu § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO ausgegangen werden.263) Zu eng ist es, an die unterschiedlichen inhaltlichen Anforderungen einerseits von Bescheinigungen, Anträgen und Verzeichnissen i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO und andererseits von Schuldenbereinigungsplänen anzuknüpfen.264) Es geht gerade nicht um eine telelogische Extension der fortgeltenden Formularpflichten, sondern um eine Korrektur einer gesetzgeberischen ___________ 261) 262) 263) 264)

64

Graf-Schlicker/Kexel, § 305 Rn. 41. So aber Graf-Schlicker/Kexel, § 305 Rn. 41. A. A. MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 50. So aber MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 304 Rn. 50.

I. Insolvenzantrag

Fehlleistung. Nach dem beschriebenen Gesetzgebungsverlauf entspricht dies auch den gesetzgeberischen Intentionen. Es existiert daher eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für unverändert fortgeltende Anforderungen auch bei dem vorzulegenden Schuldenbereinigungsplan.265) Legt der Schuldner, wie regelmäßig zu erwarten sein wird, einen formulargestützten Schuldenbereinigungsplan vor, ist dieser Plan wirksam. Noch nicht beantwortet ist damit, ob einem Schuldner der Vertrauensschutz 181 zu versagen ist, der keinen auf ein amtliches Formular gestützten Schuldenbereinigungsplan vorgelegt hat.266) Vielleicht kann auch hier die veränderte Fassung von § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO fruchtbar gemacht werden, wonach der Schuldner das in den Formularen Fehlende zu ergänzen hat. Diese Vorschrift darf nicht nur als Indiz für eine strengere Normbindung des Insolvenzgerichts, sondern auch des Schuldners gesehen werden. Zu lösen ist der Konflikt zwischen der Gesetzes- und der Formularfassung über die gerichtliche Ergänzungsaufforderung aus § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO. Fehlt der formularmäßige Schuldenbereinigungsplan, muss das Insolvenzgericht den Schuldner über den gesetzlichen Redaktionsfehler und die trotzdem geltende Rechtslage aufklären und zu einer Erklärung auffordern. Anschließend können die Wirkungen des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO eintreten. Im Antragsformular sowie den Anlagen sind manche sonstigen Änderungen 182 vorgesehen. Wegen der Eingangsentscheidung müssen gemäß § 287 Abs. 2 Satz 3 InsO zusätzliche Erklärungen zum Restschuldbefreiungsantrag über die Tatbestände der § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 InsO abgegeben werden, deren Richtigkeit und Vollständigkeit entsprechend § 287 Abs. 2 Satz 4 InsO zu versichern sind. Allerdings wird die Versicherung nach Nr. 5 des Formularsatzes nicht auf die Erklärung erstreckt, eine Restschuldbefreiung sei bislang nicht beantragt worden, während nach der Fassung von § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO auch dazu eine Versicherung erforderlich ist.267) Folgerichtig wird dem Schuldner dazu Vertrauensschutz zu gewähren sein (Rn. 193 zu § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO). Die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs 183 muss nach Anlage 2 auf Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erstellt werden. Zudem sind im Hinweisblatt zu den Formularen zahlreiche Umstellungen erfolgt. b) Ergänzungen, § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO aa) Regelungsansatz Zu den unauffälligen, aber die gesetzliche Teleologie präzisierenden und da- 184 durch bedeutsamen, aber auch vielfach interpretationsbedürftigen Nachjus___________ 265) Offengelassen von Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 807. 266) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1842. 267) Schöttler/Siebert, NZI 2014, 681, 682.

65

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

tierungen gehört die Änderung in § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO. Danach darf das Gericht den Schuldner nur noch dazu auffordern, fehlende Angaben aus den amtlichen Formularen zu ergänzen. Mit dieser Novelle reagiert der Gesetzgeber auf eine dreiteilige Problemlage aus offenbar extensiven Ergänzungsanforderungen einiger Insolvenzgerichte, der gesetzlichen Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO sowie den sehr hohen Rechtsmittelhürden durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. 185 Nach der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO muss der Schuldner die in § 305 Abs. 1 InsO genannten Erklärungen und Unterlagen vollständig abgeben. Sind diese Materialien unvollständig, fordert ihn das Insolvenzgericht auf, das Fehlende zu ergänzen. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht binnen eines Monats nach, gilt sein Insolvenzantrag nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen. Ein Rechtsmittel dagegen ist nicht vorgesehen. Rechtsschutz analog § 34 Abs. 1 InsO wird nach der Rechtsprechung des BGH nur gewährt, wenn das Insolvenzgericht unerfüllbare oder willkürliche Auflagen stellt.268) Diese Enge des Rechtsmittelrechts wird immer wieder kritisiert.269) Wegen der Rechtsmittelschranken können bislang gesetzesferne, überbordende Ergänzungsaufforderungen, die ohne Kontrolle im Rechtsmittelzug bleiben müssen, nicht von vornherein vom ausdrücklichen Normtext ausgeschlossen werden. 186 In zweifacher Hinsicht sollte § 305 Abs. 3 RegE 2012 überzogene Auflagenverfügungen und damit verbundene Verfahrensverzögerungen verhindern. Das Ziel der VbrInsVV war, eine Verfahrenserleichterung zu ermöglichen und die vom Schuldner geforderten Angaben auf das unumgängliche Maß zu reduzieren. Dieses Anliegen wird nach der in den Gesetzesmaterialien vertretenen Ansicht konterkariert, wenn das Gericht ohne hinreichende gesetzliche Anhaltspunkte zusätzliche Angaben vom Schuldner fordern könnte.270) Deswegen sollte das Gericht einerseits nur noch zur Ergänzung auffordern dürfen, soweit der Schuldner die amtlichen Formulare nicht vollständig ausgefüllt abgegeben hat. Unterblieb die Ergänzung, sollte andererseits anstelle der Rücknahmefiktion nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO der Insolvenzantrag als unzulässig verworfen werden. Gegen diesen Beschluss war die sofortige Beschwerde vorgesehen. 187 Dieser doppelte Regelungsansatz wurde nur partiell realisiert. Umgesetzt wurde allein das verengte, lediglich auf eine Ergänzung der Formulare bezogene insolvenzgerichtliche Aufgabenspektrum. Damit setzt der Gesetzgeber noch ein sichtbares Zeichen für zurückhaltend durchgeführte Amtsermittlungen. Ausgreifende Ergänzungsforderungen bilden inzwischen wohl die große Ausnahme. So reagiert der Gesetzgeber vielleicht weniger auf konkrete ___________ 268) BGH, NJW 2004, 67, 69; NZI 2005, 403; 2009, 900 Rn. 10; AGR/Ahrens, § 6 Rn. 30; Pape/Sietz, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 16 Rn. 32. 269) FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 61, m. w. N. 270) BT-Drucks. 17/11268, S. 34.

66

I. Insolvenzantrag

Schwierigkeiten als vielmehr auf prinzipielle Problemlagen. Ihm geht es daher um ein kräftiges Bekenntnis zu zurückhaltenden insolvenzgerichtlichen Ermittlungstätigkeiten. Demgegenüber hat sich der Rechtsausschuss bei einer unterbliebenen Ergän- 188 zung gegen eine Verwerfung des Insolvenzantrags als unzulässig und damit für eine Fortgeltung der grundsätzlich unanfechtbaren Rücknahmefiktion entschieden, weil er die Gefahr überzogener Auflageverfügungen nicht mehr in gleicher Schärfe wie früher sah.271) Unausgesprochen blieb der wahrscheinlich tragende Gesichtspunkt, von einer rechtsmittelfähigen Entscheidung wegen des daraus resultierenden finanziellen Aufwands abzusehen. Dennoch werden sich auch im Rechtsmittelrecht einige Akzentverschiebungen ergeben, denn der veränderte Ergänzungsrahmen nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO darf für eine Rechtsmittelprüfung analog § 34 Abs. 1 InsO nicht unbeachtlich bleiben. Künftig stößt das Insolvenzgericht schneller an seine Kompetenzgrenzen aus § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO. Offensichtlich nicht von den Formularen gedeckte Auflagen sind als willkürlich anzusehen. Folgerichtig wird dann gegen die Rücknahmefiktion das Rechtsmittel analog § 34 Abs. 1 InsO eröffnet. Zu erwägen ist freilich, ob der Umweg über eine entsprechende Anwendung 189 von § 34 Abs. 1 InsO entbehrlich ist, weil im Fall des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO stets die sofortige Beschwerde aus § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO eröffnet ist. Tritt für den Insolvenzantrag die Rücknahmefiktion aus § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO ein, ist der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zu verwerfen, denn ein Insolvenzantrag ist nach § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO Sachentscheidungsvoraussetzung der Restschuldbefreiung. In diesem Fall erscheint eine Überprüfung auch der Ergänzungsaufforderung vorstellbar (dazu Rn. 747 f.). Diese Konsequenz wirkt folgerichtig, weil bereits die Möglichkeit eines Rechtsmittelverfahrens zur angestrebten Verhaltenssteuerung beitragen kann. bb) Nicht vollständig ausgefüllte Formulare Mit dem veränderten Gesetzeswortlaut soll eine präzisere Aufgabenbeschrei- 190 bung der Insolvenzgerichte erreicht werden, die nur noch bei nicht vollständig ausgefüllten amtlichen Formularen den Schuldner auffordern dürfen, das Fehlende zu ergänzen. Durch diese veränderte Formulierung ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung gemacht.272) Dennoch dürfen die Effekte nicht überschätzt werden, denn es bleiben weiterhin erhebliche Auslegungsspielräume bestehen. Für ein sachgerechtes Verständnis sind die verschiedenen Fallgestaltungen zu unterscheiden. Unabhängig von der konkreten Sachlage wird an der Leitlinie festzuhalten sein, dass das Insolvenzgericht in aller Regel einen Hinweis auf die unzureichende Antragstellung zu geben hat. Ent___________ 271) BT-Drucks. 17/13535, S. 41. 272) Hergenröder, KTS 2013, 385, 396; Hofmeister, ZVI 2014, 247, 249.

67

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

scheidend ist, ob daran die Rechtsfolge des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO oder eine andere Konsequenz geknüpft ist. 191 An einem Ende der Skala stehen die Konstellationen, in denen der Schuldner die amtlichen Formulare nicht verwendet. Benutzt der Schuldner diese Unterlagen nicht, kann kaum von unzureichend ausgefüllten Formularen i. S. d. § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO die Rede sein. Zur früheren Rechtslage bestand eine Kontroverse, ob nach einem gerichtlichen Hinweis ein nicht korrigierter Antrag als unzulässig zu verwerfen ist273) oder die Rücknahmefiktion aus § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO eintritt.274) Da sich diese Auseinandersetzungen nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern auf die Rechtsfolgen bezogen, wird sie für das neue Recht fortzuschreiben sein. Der Antrag kann daher, jedenfalls nach der einen Ansicht, verworfen werden. Da aber in diesen Fällen ohnedies ein gerichtlicher Hinweis geboten ist, kommt auch eine Ergänzungsaufforderung i. S. v. § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO in Betracht. Zur Verwendung der alten bis zum 30.6.2014 geltenden Formulare s. Rn. 171 ff. 192 Der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO ist jedenfalls dann erfüllt, wenn der Schuldner einzelne Punkte des Formulars nicht ausfüllt. Allein auf eine nicht beantwortete Kategorie abzustellen, greift indessen zu kurz. Gibt der Schuldner einen Gläubiger, dessen Adresse275) oder eine Verbindlichkeit nicht an, sind die Formulare begrifflich ausgefüllt, sachlich aber unvollständig. Gleiches gilt, wenn pfändbare Vermögenswerte unerwähnt bleiben. Nach der differenzierenden Zielsetzung von § 305 Abs. 1 InsO, eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für den Insolvenzantrag, aber auch eine inhaltliche Nachforschungsgrenze mit § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zu schaffen, kommt insoweit eine Ergänzungsaufforderung in Betracht. 193 Eine besondere Konstellation besteht bei der Versicherung über ein früheres Restschuldbefreiungsverfahren. Nach § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO hat der Schuldner die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärung darüber zu versichern, ob ein Fall des § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 InsO vorliegt. In Nr. 5 des Formularsatzes wird die Versicherung indessen nicht auf die Erklärung erstreckt, eine Restschuldbefreiung sei bislang nicht beantragt worden, obwohl nach der Fassung von § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO auch dazu eine Versicherung erforderlich ist.276) Erklärt der Schuldner, bislang keine Restschuldbefreiung beantragt zu haben, muss er nach der Gesetzeslage, nicht aber nach dem Formularsatz, die Richtigkeit und Vollständigkeit versichern. Verlangt werden kann nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO allein eine Ergänzung von unvollständig ausgefüllten Formularen. Da das Formular vollständig ausgefüllt ___________ 273) Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rn. 162b; Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 61. 274) LG Kleve, ZVI 2002, 200; dazu Pape, ZInsO 2002, 806, 808; AGR/Henning, § 305 Rn. 69; FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 67; wohl auch HK-InsO/Waltenberger, § 305 a. F. Rn. 69; HambK/Streck, § 305 Rn. 32. 275) Graf-Schlicker/Kexel, § 305 Rn. 42. 276) Schöttler/Siebert, NZI 2014, 681, 682.

68

I. Insolvenzantrag

ist, darf deswegen keine Ergänzungsaufforderung ergehen. Eine dennoch ausgesprochene Ergänzungsaufforderung führt nicht zu den Konsequenzen des § 305 Abs. 2 Satz 2 InsO. Nicht in den Formularen vorgesehene zusätzliche Auskünfte sowie Hand- 194 lungen und damit auch eine Versicherung darüber, bislang keine Restschuldbefreiung beantragt zu haben, kann das Insolvenzgericht etwa im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung verlangen. Auch kann es nach den §§ 20, 97 InsO Auskünfte begehren. Im Rahmen seiner insolvenzrechtlichen Pflichten muss der Schuldner die verlangten Auskünfte erteilen. Unterlässt er dies, wird dadurch nicht die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO ausgelöst.277) Denkbar ist aber ein Versagungsantrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. cc) Falsch ausgefüllte Formulare Anders liegt der Sachverhalt, wenn der Schuldner eine unzutreffende Angabe 195 tätigt, etwa eine falsche Adresse eines Gläubigers nennt oder einen Vermögenswert bzw. eine Verbindlichkeit fehlerhaft beziffert. Nach einem umfassenden begrifflichen Verständnis ist jedenfalls hinsichtlich eines zu niedrig angesetzten Wertes das Formular unvollständig. Auch widersprüchliche Angaben, etwa im Vermögensverzeichnis, stellen nur unter diesem erweiterten Verständnishorizont unvollständige Angaben dar. Von einem materiell gestützten Überprüfungsansatz aus, erfasst die Vollständigkeitsprüfung auch derartige Mängel.278) Dennoch liegt in diesen Fällen nach der gesetzlichen Konzeption kein un- 196 vollständig, sondern ein falsch ausgefülltes Formular vor, das nicht zu den Konsequenzen des § 305 Abs. 3 InsO führt.279) Ausdrücklich verweisen die Materialien allein auf das Erfordernis vollständiger Unterlagen zum Insolvenzantrag.280) Ziel ebenso der engeren gesetzlichen Formulierung wie der Novelle von § 305 Abs. 3 InsO insgesamt ist, die gerichtlichen Ermittlungen auch im Interesse eines effektiven Verfahrens zu begrenzen, denn überzogene Auflagenverfügungen und damit verbundene Verfahrensverzögerungen sollen vermieden werden. Letztlich fügt sich eine inhaltlich-materielle Antragsprüfung auch nicht in das System der begrenzten Kontrollbefugnisse des Insolvenzgerichts ein. Wie § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ausweist, wird auch nicht die Durchführung des Insolvenzverfahrens sachwidrig verhindert, denn den Gläubigern wird in diesen Fällen ein Versagungsgrund eröffnet. Weist das Gericht auf eine falsche Angabe hin und eröffnet es dem Schuldner 197 die Möglichkeit, seinen Fehler zu korrigieren, wird damit nicht die Monatsfrist des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO in Gang gesetzt und die Rücknahmefiktion ___________ 277) 278) 279) 280)

HK-Ins/Waltenberger, § 305 n. F. Rn. 13. Graf-Schlicker/Kexel, § 305 Rn. 42. Ahrens, NJW 2014, 1841, 1842. BT-Drucks. 17/11268, S. 34.

69

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

ist ausgeschlossen. Durch diese Konsequenz werden auch nicht die Aufklärungsmittel des Insolvenzgerichts sachwidrig beschnitten. Im Schuldenbereinigungsplanverfahren wird ein außenstehender, nicht benannter Gläubiger von den Wirkungen nicht erfasst.281) Der Schuldner geht daher mit der unterlassenen Angabe eines Gläubigers ein hohes Risiko ein. Im Eröffnungsverfahren stehen dem Gericht bereits die durch § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO bewehrten Aufklärungsmittel aus § 22 Abs. 3 Satz 3 InsO zu. In Betracht kommt aber ggf. ein Versagungsantrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Unterschreibt der Schuldner den Kostenstundungsantrag nicht persönlich,282) liegt kein Fall des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO vor, weswegen die Rücknahmefiktion nicht eintritt. Zum Beschwerderecht siehe Rn. 189, 744 ff. dd) Andere Nachforschungsmöglichkeiten 198 Die Aufklärungsstrategien der Insolvenzgerichte sind indessen nicht auf das Ergänzungsverlangen in § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO beschränkt. Selbst wenn die Gesetzesnovelle einige Spitzen beschneidet, existieren doch weiterhin andere Ansatzpunkte. Im eilbedürftigen Kostenstundungsverfahren ist das Gericht lediglich berechtigt, solche Angaben zu verlangen, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob aus dem Vermögen des Schuldners die Verfahrenskosten gedeckt sind. Weitergehende Auskünfte kann das Gericht nicht einfordern. Das Insolvenzgericht darf den Schuldner in diesem Rahmen nicht nach dem Grund der Verschuldung, den Ursachen einer Darlehensaufnahme und der Verwendung der Darlehensvaluta fragen.283) Ein Formularzwang besteht hierfür gerade nicht.284) Zudem ist das Gericht auf eine summarische Prüfung beschränkt.285) 199 Einen anderen Ansatzpunkt bieten die Entscheidungen über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags. Zu denken ist hierbei vor allem an Gutachtenaufträge, in deren Rahmen der Schuldner gegenüber dem Gutachter auskunftspflichtig ist. Auch dabei darf das Gericht nicht über seinen Aufgabenbereich hinausgehen. Ein Gutachten über den Insolvenzantrag darf sich deswegen nicht auf massefreie Gegenstände beziehen und der Schuldner kann zur Prüfung von § 287a InsO zu keinen weiteren Auskünften, als über die gesperrten Gründe, veranlasst werden. Insofern sind den gerichtlichen Aufklärungswünschen durchaus Grenzen gesetzt. Überschreitet das Gericht seine Kompetenzen und verwirft es deswegen einen Insolvenz-, Restschuldbefreiungs- oder Kostenstundungsantrag oder weist ihn als unbegründet ab, ist hiergegen der Rechtsmittelweg eröffnet. ___________ 281) 282) 283) 284) 285)

70

FK-InsO/Grote, § 308 Rn. 15. Vgl. LG Stendal, NZI 2014, 571. BGH, ZInsO 2011, 931 Rn. 8 f. BGH, NZI 2003, 556, 557, mit Anm. Ahrens. AGR/Ahrens, § 4a Rn. 60.

II. Vertretungsbefugnis gemäß § 305 Abs. 4 InsO

II. Vertretungsbefugnis gemäß § 305 Abs. 4 InsO 1. Vertretung des Schuldners nach § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO a) Gesamtes Insolvenzverfahren Bislang konnte sich der Schuldner nach § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO a. F. im ge- 200 richtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren von einer geeigneten Person oder Stelle i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO, namentlich also die Schuldnerberatungsstellen, vertreten lassen. Mit dieser durch das EGInsOÄndG vom 19.12.1998286) eingeführten Regelung wurde es dem Schuldner ermöglicht, sich durch die gleichen Personen oder Institutionen beim gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren unterstützen zu lassen, denen er beim außergerichtlichen Einigungsversuch vertraut hat.287) Neben der dadurch eröffneten personellen Kontinuität sollten durch die Tätigkeit der Schuldnerberatungsstellen zudem die Justizkassen entlastet werden.288) Da die Vertretungsbefugnis auf das „Verfahren nach diesem Abschnitt“ beschränkt blieb, also auf den zweiten Abschnitt des Neunten Teils über den Schuldenbereinigungsplan nach den §§ 305 – 310 InsO, war eine Vertretung im vereinfachten Insolvenz- und im Restschuldbefreiungsverfahren bislang ausgeschlossen.289) Die Novelle hat die Beschränkung dieser Vertretungsbefugnis auf das Ver- 201 fahren nach diesem Abschnitt aufgehoben. Nach den Materialien soll der Wirkungskreis der geeigneten Personen und der Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle erweitert und ihnen die gerichtliche Vertretung im gesamten Insolvenzverfahren erlaubt werden.290) Infolgedessen kann eine Vertretung durch die geeigneten Personen und Stellen auf allen Stationen des Verbraucherinsolvenzverfahrens erfolgen. Diese Vorschrift enthält eine spezialgesetzliche Sonderregelung gegenüber § 4 InsO i. V. m. § 79 Abs. 2 ZPO. Ungelöst bleibt freilich die Finanzierungsfrage.291) Jedenfalls bis zur Aufhebung oder Einstellung des Verbraucherinsolvenzver- 202 fahrens und bei einer Nachtragsverteilung, auch bis zu deren Abschluss, besteht das Vertretungsrecht. Selbstverständlich umfasst die Vertretungsbefugnis das Widerspruchsrecht gegen die Qualifikation einer nach § 302 Nr. 1 InsO privilegierten Forderung. Auch über Anfechtungsansprüche darf beraten werden. Verfahrensrechtlich ist das Insolvenzplanverfahren besonders geordnet. Dennoch handelt es sich um einen Bestandteil des Insolvenzverfahrens. Die Vertretungsbefugnis der geeigneten Personen erstreckt sich auch ___________ 286) BGBl. I S. 3836. 287) Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 56; HK-InsO/Waltenberger, § 305 a. F. Rn. 65. 288) MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 305 Rn. 103; FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 65; Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 56. 289) BGH, NZI 2004, 510, 511; AGR/Henning, § 305 Rn. 67; Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rn. 160; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 44. 290) BT-Drucks. 17/11268, S. 34. 291) Schmerbach, NZI 2013, 566, 568.

71

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

darauf, zumal sie bereits im Bereich des außergerichtlichen Einigungsversuchs Kompetenz in der Planerstellung erworben haben. 203 Eine Vertretungsbefugnis im Regelinsolvenzverfahren kann dagegen aus der neuen Gesetzesfassung nicht abgeleitet werden. Einerseits sind dort die besonders qualifizierenden Kompetenzen und die wesentlichen Anknüpfungspunkte beim außergerichtlichen Einigungsversuch und bei den einzureichenden Unterlagen sowie den Bescheinigungen im Zusammenhang mit dem Eigenantrag bedeutungslos. Andererseits fehlen den geeigneten Personen und Stellen regelmäßig weitergehende Fähigkeiten bei einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners. b) Andere insolvenzrechtliche Verfahren 204 Die Vertretungsbefugnis besteht nach § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO vor dem Insolvenzgericht und damit prinzipiell in allen Verfahren, für die das Insolvenzgericht funktionell zuständig ist. Das Vertretungsrecht ist aus einer begrifflich geprägten Perspektive nicht auf das eigentliche Insolvenzverfahren beschränkt. 205 Deswegen ist die Vertretungsbefugnis auf das Nebenverfahren über die Stundungen der Verfahrenskosten zu erstrecken. Hierbei handelt es sich zwar um ein formal selbständiges, sachlich aber unmittelbar vom Insolvenzverfahren abhängiges Verfahren. Die Materialien weisen in Richtung einer Vertretungsmöglichkeit, wenn sie auch kein vollkommen eindeutiges Bild ergeben. Für ein weites Verständnis spricht neben der gesetzlichen Formulierung, die auf die Verfahren vor dem Insolvenzgericht verweist, vor allem das angeführte praktische Bedürfnis, den Wirkungskreis der geeigneten Personen und Stellen zu erweitern und ihnen die gerichtliche Vertretung im gesamten Insolvenzverfahren zu erlauben.292) Der Begriff des gesamten Insolvenzverfahrens ist in diesem Zusammenhang hinreichend offen, um darunter auch das insolvenzrechtliche Nebenverfahren der Kostenstundung zu verstehen, zumal dafür gerade das praktische Bedürfnis streitet. Wegen der thematisch engen Verschränkung und der zumal in den masselosen Insolvenzverfahren von einer Kostenstundung abhängigen Entscheidung über die Eröffnung besteht im Verfahren nach den §§ 4a ff. InsO ebenfalls ein Vertretungsrecht. 206 Weniger klar erscheint freilich, ob auch eine Vertretung im Restschuldbefreiungsverfahren erfolgen darf.293) Die Gesetzesmaterialien schweigen hierzu. Der terminologische Bezug auf das Insolvenzgericht legt dies nahe. Die systematische Stellung von § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO im Neunten Teil der Insolvenzordnung über das Verbraucherinsolvenzverfahren deutet indessen eher auf eine Trennung hin. Es leuchtet nicht ohne Weiteres ein, warum eine allgemeine Vertretungsregel beim Verbraucherinsolvenzverfahren normiert ___________ 292) BT-Drucks. 17/11268, S. 34. 293) Bejahend Lackmann, Insbüro 2014, 303, 305.

72

II. Vertretungsbefugnis gemäß § 305 Abs. 4 InsO

sein sollte. Genauso gut kann umgekehrt erwogen werden, warum eine Vertretungsregelung, die ihren Schwerpunkt eindeutig im Verbraucherinsolvenzverfahren besitzt und deswegen dort sachlich zutreffend zugeordnet ist, zerschnitten und partiell an anderer Stelle normiert werden sollte. Auch ist die systematische Scheidung zwischen Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren gerade in § 305 InsO nicht in letzter Strenge durchgeführt. So muss der Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO seinen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung oder die Erklärung, keine Restschuldbefreiung zu beantragen, mit dem Insolvenzeröffnungsantrag vorlegen. Zudem erfassen die nach § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO eingeführten Formulare, die der Vereinfachung des Verbraucherinsolvenzverfahrens dienen sollen, zwanglos die Erklärungen zur Restschuldbefreiung. Wie die Materialien zutreffend betonen, war nach der bisherigen Rechtslage 207 eine Vertretung im Restschuldbefreiungsverfahren ausgeschlossen. Wenn diese Beschränkung dort mit der neuen Berechtigung im gesamten Insolvenzverfahren kontrastiert wird, kann dies vielleicht doch als umfassende Ermächtigung gedeutet werden. Diese Interpretation verfestigt sich weiter, wenn das erwähnte praktische Bedürfnis als funktional verstandenes Auslegungskriterium interpretiert wird, denn eine zweckorientierte Auslegung spricht klar für ein Vertretungsrecht. Damit wird der Begriff des gesamten Insolvenzverfahrens nicht technisch verstanden, sondern teleologisch auf die mit der Verbraucherinsolvenz verkoppelten insolvenzrechtlichen Verfahren bezogen.294) Solange das Insolvenzverfahren läuft, ist das Restschuldbefreiungsverfahren 208 eng damit verbunden. Aus sachlichen Gründen darf die geeignete Person oder Stelle sicherlich nicht nur den Insolvenz-, sondern auch den Restschuldbefreiungsantrag stellen. Ob darüber hinaus auch eine Vertretung, etwa im Verfahren über die Zulässigkeitsentscheidung nach § 287a InsO, bei einem Versagungsantrag nach § 290 InsO oder in der Treuhandperiode zulässig ist, bedarf kaum noch einer besonderen Rechtfertigung, wird doch die geeignete Person oder Stelle, wenn sie den Insolvenzantrag mit vorbereitet hat, die Verfahrenssperre mit dem Schuldner erörtert haben. Abzustellen ist auf den sachlichen Zusammenhang zwischen Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, etwa bei einem Versagungsantrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 InsO, bei dem gerade Aspekte des Insolvenzverfahrens zu erörtern sind. Auch wird die Schlussanhörung im Insolvenzverfahren kaum sachgerecht von der Anhörung im Restschuldbefreiungsverfahren zu trennen sein. So kann dann von einem Vertretungsrecht im Restschuldbefreiungsverfahren und insbesondere in den Versagungsverfahren ausgegangen werden, solange das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben ist. Abgesehen von einem formal-begrifflichen Verständnis ist weitergehend kaum 209 ein Grund ersichtlich, eine Vertretungsbefugnis während der Treuhandperi___________ 294) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1842.

73

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

ode auszuschließen. Auch das reduzierte Aufgabenprofil spricht gerade für eine Unterstützung des Schuldners, insbesondere durch Schuldnerberatungsstellen, die dadurch nicht überlastet werden. Zudem können durch eine Vertretung manche Kommunikationsschwierigkeiten mit Gericht oder Treuhänder überwunden werden. Wegen der engen sachlichen und vom Gesetzgeber letztlich auch geförderten Verbindung zwischen dem Schuldner und der geeigneten Person und Stelle sowie wegen des funktionalen Zusammenhangs ist eine Vertretung sowohl im Verbraucherinsolvenz- als auch Restschuldbefreiungsverfahren zulässig. 210 Nicht vom Vertretungsrecht umfasst sind die insolvenzrechtlichen Zivilverfahren, denn diese Verfahren werden entgegen der tatbestandlichen Anforderung aus § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO nicht vor dem Insolvenzgericht geführt. Deswegen sind die geeigneten Personen oder Stellen nicht nach § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO berechtigt, den Schuldner in einem Feststellungsprozess über die Qualifikation einer Verbindlichkeit als privilegierte Forderung zu vertreten. Im Anfechtungsprozess dürfen sie den Schuldner ebenso wenig vertreten, obwohl sie wegen des Massebezugs außergerichtlich beraten dürfen. c) Vertretung 211 Wie schon bislang,295) ist mit der Erlaubnis keine Verpflichtung der geeigneten Personen oder Stellen zur Vertretung des Schuldners im gerichtlichen Verfahren verbunden.296) Soweit die geeigneten Personen oder Stellen im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs handeln, sind ihre Rechtsdienstleistungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 RDG erlaubt.297) Sollte der Schuldner durch eine geeignete Person oder Stelle im Verfahren vertreten werden, wird folgerichtig die Beiordnung eines Anwalts, etwa im Verfahren über die Versagung der Restschuldbefreiung, nur noch ganz ausnahmsweise in Betracht zu ziehen sein. 212 Übernimmt eine Schuldnerberatung die Vertretung im gerichtlichen Verfahren, hat sie den daraus resultierenden Anforderungen zu genügen. Dabei muss sie allerdings nicht in jeder Hinsicht dem anwaltlichen Pflichtenmaßstab genügen, was jedenfalls bei dessen umfassender beruflicher Qualifikation für alle Rechtsangelegenheiten auf der Hand liegt. Zudem werden sie bei ihren Finanzierungsmitteln und damit ihren Organisationsressourcen extern gesteuert, was ebenfalls zu beachten ist. Dennoch muss für ein fachlich hinreichend qualifiziertes Personal gesorgt sein.

___________ 295) FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 65. 296) BT-Drucks. 17/11268, S. 34; AGR/Henning, § 305 n. F. Rn. 3; Henning, ZVI 2014, 7, 15; Lackmann, Insbüro 2014, 303, 305. 297) Ein Spannungsfeld gegenüber dem RDG sieht demgegenüber Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 96.

74

II. Vertretungsbefugnis gemäß § 305 Abs. 4 InsO

Außerdem sind wesentliche organisatorische Erfordernisse in der Geschäfts- 213 stelle zu erfüllen. So ist im Organisationsplan für eine Vertretungsregelung im Krankheits- oder Urlaubsfall zu sorgen.298) Große Bedeutung besitzt eine Fristenkontrolle mit einem Fristenkalender und klaren Verantwortlichkeiten.299) Belastend für die Schuldnerberatungsstellen dürften sich weniger die zusätzlichen Beratungsaufgaben als vielmehr die hohen administrativen Anforderungen erweisen, wenn für die Schuldner einer Beratungsstelle über viele Jahre die Beschlüsse kontrolliert und überwacht werden müssen. Jährlich dürfte dann eine drei- bis vierstellige Zahl von Beschlüssen zu prüfen und ggf. in den Fristenkalender einzutragen sein. Zudem sollte eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen werden.300) Unabhängig von der Vergütungsfrage301) dürfte wegen der verbleibenden Unsicherheiten zumindest auf absehbare Zeit eine Vertretung durch Schuldnerberatungsstellen eher die Ausnahme darstellen.302) Von einer umfassenden Vertretung ist allerdings die beratende Begleitung während des weiteren Verfahrens zu unterscheiden. Diese wird derzeit nicht selten praktiziert303) und besitzt künftig eine belastbare Grundlage. Der Schuldner kann im Verfahren vor den Insolvenzgerichten als Parteiver- 214 fahren von einer Schuldnerberatungsstelle oder einer anderen geeigneten, nicht anwaltlichen Person oder Stelle vertreten werden. Im Beschwerdeverfahren vor den Landgerichten besteht zwar prinzipiell, aber nicht durchgängig Anwaltszwang, weswegen hier zu differenzieren ist. Da die sofortige Beschwerde nach § 6 Abs. 1 Satz 2 InsO beim Insolvenzgericht eingelegt werden muss, vor dem kein Anwaltszwang herrscht, ist dafür keine anwaltliche Vertretung erforderlich. Dies gilt nicht nur, wenn die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, § 4 InsO i. V. m. §§ 78 Abs. 3, 569 Abs. 3 ZPO, sondern auch wenn sie schriftsätzlich eingelegt wird. Bei Einlegung der Beschwerde304) und im insolvenzgerichtlichen Abhilfeverfahren305) ist deswegen eine Vertretung durch die geeignete Person oder Stelle zulässig. Außerdem ist der Anwaltszwang nach § 571 Abs. 4 ZPO zumindest bei der 215 Begründung der sofortigen Beschwerde gelockert. Ordnet das Beschwerdegericht eine schriftliche Erklärung an, kann diese ohne anwaltliche Vertretung nach § 571 Abs. 4 ZPO zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden, weil nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO bereits die Beschwerde zu Protokoll der Ge___________ 298) Zu den anwaltlichen Pflichten BGH, NJW-RR 2014, 701. 299) Henning, ZVI 2014, 7, 15; Hofmeister, ZVI 2014, 247, 250 f.; Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 96. 300) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445; Lackmann, Insbüro 2014, 303, 305. 301) Zu diesem ungelösten Problem Rein, NZI 4/2014, V; Hergenröder, KTS 2013, 385, 394 f. 302) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1446; Hofmeister, ZVI 2014, 247, 248. 303) Hofmeister, ZVI 2014, 247, 250. 304) MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 6 Rn. 42. 305) AGR/Ahrens, § 6 Rn. 51.

75

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

schäftsstelle eingelegt werden konnte, d. h. im ersten Rechtszug kein Anwaltszwang bestand.306) Umstritten ist, ob wegen der insoweit einheitlichen Verfahrensgestaltung keine anwaltliche Vertretung erforderlich ist, wenn das Landgericht eine mündliche Verhandlung anordnet.307) Soweit für den Beschwerdeführer kein Anwaltszwang besteht, gilt dies auch für den Gegner.308) 216 Die Verfahrensvollmacht ist entsprechend § 4 InsO i. V. m. § 80 ZPO schriftlich zu den Gerichtsakten zu reichen. Ihr Umfang ist grundsätzlich nach den §§ 81 ff. ZPO zu bestimmen. Die Vertretung kann auch auf einen Teil des Verfahrens beschränkt bzw. eine Empfangsvollmacht kann ausgeschlossen werden. Die davon abweichende Regelung des § 83 Abs. 1 ZPO ist im Parteiverfahren unanwendbar. Dies folgt aus § 83 Abs. 2 ZPO, denn wenn im Parteiprozess Vollmachten für einzelne Prozesshandlungen erteilt werden können, muss umgekehrt die Prozessvollmacht bis hin zu einzelnen Prozesshandlungen beschränkbar sein.309) 2. Vertretung der Gläubiger gemäß § 305 Abs. 4 Satz 2 InsO 217 Registrierte Inkassounternehmen i. S. d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG waren bislang nach § 305 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 174 Abs. 1 Satz 3 InsO zur Vertretung im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren310) und bei der Forderungsanmeldung und -prüfung berechtigt.311) § 174 Abs. 1 Satz 3 InsO verweist insoweit auf das Verfahren nach diesem Abschnitt und damit auf die Vertretung bei der Forderungsfeststellung nach den §§ 174 – 186 InsO. Entsprechend wurde das Vertretungsrecht für Inkassounternehmen aus § 305 Abs. 4 Satz 2 InsO auf den Verfahrensabschnitt des Schuldenbereinigungsplanverfahrens beschränkt. Das Vertretungsrecht der geeigneten Personen und Stellen einerseits und der registrierten Inkassounternehmen andererseits war deswegen nicht vollständig ausbalanciert, sondern sachlich differenziert. Daran hat sich auch unter der neuen Rechtslage nichts geändert. Während bislang Inkassounternehmen eine weitergehende Vertretungsbefugnis hatten,

___________ 306) MünchKomm-ZPO/Lipp, § 571 Rn. 22; Stein/Jonas/Jacobs, § 571 Rn. 14. 307) Kein Anwaltszwang: Jaeger/Gerhardt, § 6 Rn. 31; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 36; AGR/Ahrens, § 6 Rn. 75; Uhlenbruck/Pape, § 6 Rn. 18; Anwaltszwang: Nerlich/ Römermann/Becker, § 6 Rn. 52; Braun/Baumert, § 6 Rn. 25; Stein/Jonas/Jacobs, § 571 Rn. 14; Musielak/Ball, § 571 Rn. 10. 308) PG/Lohmann, § 571 Rn. 7. 309) BGHZ 92, 137, 142 f.; MünchKomm-ZPO/Toussaint, § 83 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork, § 83 Rn. 5; PG/Burgermeister, § 83 Rn. 3. 310) AGR/Henning, § 305 Rn. 68; Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rn. 160a; FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 66; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 46; Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 57; HambK/Streck, § 305 Rn. 31. 311) Jaeger/Gerhard, § 174 Rn. 61; MünchKomm-InsO/Riedel, § 174 Rn. 22; AGR/Wagner, § 174 Rn. 8; FK-InsO/Kießner, § 174 Rn. 6; Braun/Specovius, § 174 Rn. 19.

76

II. Vertretungsbefugnis gemäß § 305 Abs. 4 InsO

ist dieses Verhältnis nunmehr umgekehrt und die geeigneten Personen und Stellen haben künftig ein umfassenderes Vertretungsrecht.312) Im Unterschied zur bisherigen Gesetzesfassung entfällt allerdings im neuen 218 Recht die Untergliederung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in verschiedene Abschnitte. Daraus darf indessen nicht die Konsequenz abgeleitet werden, die Bestimmung des § 174 Abs. 1 Satz 3 InsO sei nunmehr für das gesamte Verbraucherinsolvenzverfahren entsprechend anzuwenden. Dann wäre mit der lediglich formalen Neugliederung eine weitgehende inhaltliche Umgestaltung verbunden, obwohl jene in den Gesetzesmaterialien lediglich als Folgeänderung bezeichnet wird.313) Schließlich hat es der Gesetzgeber bei der erweiterten Vertretungsbefugnis der geeigneten Personen und Stellen nicht bei der gestrichenen Gliederung bewenden lassen, sondern eine textliche Korrektur vorgenommen. Da eine vergleichbare Änderung bei den Inkassobüros fehlt, existieren keine Anhaltspunkte, die insoweit auf einen veränderten Normgehalt schließen lassen. Vor allem aber widerspricht ein erweitertes Vertretungsrecht dem klaren ge- 219 setzgeberischen Willen bei der Einführung von § 305 Abs. 4 Satz 2 InsO. In den Materialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts wird die Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen ausdrücklich auf das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren beschränkt. Allein in diesem Verfahrensabschnitt sei eine Vertretung des Gläubigers durch Inkassounternehmen sinnvoll, denn es handele sich um ein formalisiertes Vergleichsverfahren, für das die Inkassounternehmen ersichtlich qualifiziert seien.314) Weder haben sich seitdem die Kompetenzen der Inkassounternehmen verändert noch ist der gesetzgeberische Wille aufgegeben worden. Sonst käme es auch zu einem offensichtlichen Wertungswiderspruch zum Regelinsolvenzverfahren, in dem eine entsprechend umfassende Vertretungsbefugnis nicht existiert. Deswegen ist auch eine analoge Anwendung der Regelung über die Vertretungsbefugnis der geeigneten Personen oder Stellen auf die Inkassounternehmen ausgeschlossen.315) Auch künftig sind Inkassounternehmen nach § 305 Abs. 4 Satz 2 InsO allein 220 zur Vertretung im Schuldenbereinigungsplanverfahren nach den §§ 305 – 310 InsO berechtigt.316) So hat sich dann das Ungleichgewicht bei der Vertretungsbefugnis umgekehrt. Während früher Inkassounternehmen die weitergehenden Befugnisse besaßen,317) bestehen diese jetzt für die geeigneten Personen oder Stellen. Anlass zur Sorge bietet dies nicht. ___________ 312) Anders Graf-Schlicker/Kexel, § 305 Rn. 8, Einklang mit der Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen. 313) BT-Drucks. 17/11268, S. 33. 314) BT-Drucks. 16/3655, S. 92. 315) Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547. 316) Jäger, ZVI 2012, 177, 180 f.; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1842. 317) Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 57; HK-InsO/Waltenberger, § 305 a. F. Rn. 66.

77

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

III. Schriftliches Verfahren nach § 5 Abs. 2 InsO 1. Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses 221 Ursprünglich bestand die Möglichkeit, das Insolvenzverfahren insgesamt oder einzelne Teile schriftlich durchzuführen allein in der Verbraucherinsolvenz, § 312 Abs. 2 Satz 1 InsO. Erst das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007318) hat diese Befugnis auch für andere Insolvenzverfahren eröffnet. In einfachen Insolvenzverfahren mit überschaubaren Vermögensverhältnissen und einer geringen Gläubigerzahl oder einer geringen Höhe der Verbindlichkeiten konnte das Gericht optional ein schriftliches Verfahren anordnen. Da ein schriftliches Verfahren besonders angeordnet werden musste, ging das Gesetz vom Regelfall des durch § 5 Abs. 3 InsO modifizierten mündlichen Verfahrens aus. Ohne Anordnung blieb es beim mündlichen Verfahren. Mit diesem Zwischenschritt wurde der Anwendungsbereich des Schriftverfahrens erweitert, doch sind die Effizienzsteigerungen eines flexibel gestalteten Schriftverfahrens noch nicht vollständig ausgeschöpft. 222 Auf dem damit vorgezeichneten Weg ist die Novelle einen Schritt weitergegangen und hat das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Insolvenzverfahren, in denen die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind, werden künftig schriftlich durchgeführt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Verbraucherinsolvenzen oder Regelverfahren bzw. ein Eröffnungsverfahren oder das eröffnete Insolvenzverfahren handelt. Mit dieser Regelung werden die Konsequenzen aus der Gerichtspraxis gezogen, die gerade Verbraucherinsolvenzverfahren aus Vereinfachungsgründen weithin schriftlich durchführt.319) Trotz des scheinbar umfassenden Ansatzes erschöpft sich die Regelung darin, das Verhältnis von Schriftverfahren und mündlichem Verfahren in einfachen Insolvenzen umzukehren. Die übrigen Elemente und auch die Voraussetzungen bleiben unverändert.320) 223 Liegen überschaubare Vermögensverhältnisse vor, ist das Verfahren schriftlich durchzuführen. Infolgedessen müssen keine Termine mehr wahrgenommen, sondern Fristen eingehalten werden, wie dies bislang schon in vielen Verbraucherinsolvenzverfahren üblich war. Dies erleichtert eine Partizipation der Gläubiger,321) die keine Termine wahrnehmen müssen und insbesondere Versagungsanträge schriftlich stellen können. Außerdem werden Verwalter sowie Gerichte von einfachen Terminen entlastet. Bedeutungslos für die gesetzliche Anordnung ist dagegen, wie komplex die verfahrensrechtliche Situation ist. ___________ 318) 319) 320) 321)

78

BGBl. I S. 509. BT-Drucks. 17/11268, S. 20. AGR/Ahrens, § 5 n. F. Rn. 1. Klomfaß, KKZ 2013, 169 f.

III. Schriftliches Verfahren nach § 5 Abs. 2 InsO

2. Anwendungsbereich a) Sachlicher Anwendungsbereich Die Kategorie der überschaubaren Vermögensverhältnisse ist § 304 InsO 224 entlehnt. Sie liegen vor, wenn sich das Vermögen und die Verbindlichkeiten des Schuldners nach dem Stand des bisherigen Verfahrens zuverlässig beurteilen lassen.322) Dennoch sind die möglichen Parallelen begrenzt, weil die Vorschriften auch eine unterschiedliche Teleologie besitzen. Während § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO darauf abstellt, ob die Verschuldungsstruktur der eines Verbrauchers entspricht, um die Verfahrensart zu bestimmen,323) knüpft § 5 Abs. 2 InsO an die Komplexität der Insolvenz an, um die mündliche respektive schriftliche Verfahrensform festzulegen. Obwohl in § 304 Abs. 2 InsO überschaubare Vermögensverhältnisse nur bei weniger als zwanzig Gläubigern angenommen werden, bildet dieser Wert für § 5 Abs. 2 InsO zwar ein Indiz, aber keine feste Schranke.324) Auch bei mehr als zwanzig Gläubigern können deswegen noch überschaubare Vermögensverhältnisse vorliegen. Als zweite Position stellt das Gesetz auf eine geringe Höhe der Verbindlich- 225 keiten ab. Maßgebend ist allein der Umfang, nicht die Zahl der Verbindlichkeiten, weswegen zahlreiche geringfügige Verbindlichkeiten unerheblich sind. Auch für die Höhe der Verbindlichkeiten ist keine feste Grenze vorgesehen, weswegen absolute Richtgrößen, wie 10.000,– €325) oder 25.000,– €326), ausscheiden müssen, weil sie nicht normativ verankert sind und sachlich kaum begründbar erscheinen.327) In jedem Fall bleibt eine Einzelabwägung erforderlich. Generell genügt es, wenn einer der beiden Faktoren einen geringen Umfang aufweist.328) Für dieses System kommunizierender Voraussetzungen gelten aber auch immanente Grenzen. Ein Insolvenzverfahren mit nur ein oder zwei Gläubigern und einer extremen Höhe der Verbindlichkeiten ist nicht sachgerecht als Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen. Trotz der differenzierenden Kriterien sind die Anforderungen auch im Zusammenhang zu interpretieren, also bei einer gewissen Forderungshöhe und Gläubigerzahl, aber insgesamt sehr überschaubaren Verhältnissen, die Anforderungen zu bejahen. Der Anwendungsbereich des schriftlichen Verfahrens wird dadurch, wenn 226 auch mit gewissen Spielräumen, durchaus eng konturiert, zumal die geringe ___________ 322) 323) 324) 325) 326)

MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 5 Rn. 64b. BGH, NZI 2005, 676 (677); NZI 2009, 384 Rn. 5. BT-Drucks. 17/11268, S. 21. HambK/Rüther, § 6 Rn. 34; kritisch FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 37. MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 5 Rn. 64b; Uhlenbruck/Pape, § 5 Rn. 28; HKInsO/Kirchhof, § 5 Rn. 28. 327) AGR/Ahrens, § 5 Rn. 41. 328) Vgl. Graf-Schlicker/Kexel, § 6 Rn. 16.

79

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

Zahl der Gläubiger oder die geringe Höhe der Verbindlichkeiten eigenständige Voraussetzungen darstellen.329) Im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens kann das Insolvenzgericht anordnen, das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchzuführen.330) Hält das Insolvenzgericht dies für sachgerecht, kann es eine einzelne Gläubigerversammlung anordnen. Der Beschluss muss veröffentlicht werden.331) b) Zeitlicher und funktionaler Anwendungsbereich 227 Das schriftliche Verfahren erstreckt sich über alle Abschnitte des Insolvenzverfahrens. Es beginnt mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und reicht bis zu dessen Beendigung. Die Verfahrensgestaltung betrifft gleichermaßen das sog. Regel- wie das Verbraucherinsolvenzverfahren. In der Verbraucherinsolvenz etwa reicht diese Verfahrensform vom Insolvenzeröffnungsantrag über das Schuldenbereinigungsplanverfahren, das Eröffnungsverfahren bis hin zum eröffneten Insolvenzverfahren. Die Schriftlichkeit gilt auch für das Insolvenzplanverfahren. Deswegen können die in § 235 InsO vorgesehenen Termine schriftlich durchgeführt werden (Rn. 467). 228 Der Schriftlichkeitsgrundsatz gilt in einfachen Insolvenzverfahren und den darauf bezogenen Nebenverfahren. Die Verfahren über die Kostenstundung sowie die Erteilung bzw. die Versagung der Restschuldbefreiung sind schriftlich durchzuführen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners schriftlich abzuwickeln ist. Unerheblich ist, ob etwa das Restschuldbefreiungsverfahren einfach gestaltet ist, weil gesetzlich nicht auf die Komplexität der verfahrensrechtlichen Lage, sondern auf die wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt wird. 229 Nicht eindeutig bestimmt ist das Verhältnis zwischen § 5 Abs. 2 InsO und § 75 InsO. § 75 InsO regelt, wer neben dem Insolvenzgericht die Initiative zur Einberufung einer Gläubigerversammlung ergreifen darf.332) In einem originär mündlichen Verfahren geht es dabei ausschließlich um einen zusätzlichen Termin. Unproblematisch ist, daraus im schriftlichen Verfahren das Recht auf eine der Gläubigerversammlung entsprechende Anhörung abzuleiten. Durch die veränderte Verfahrensform kann der Vorschrift aber auch eine veränderte Bedeutung beizumessen sein, als Recht, einen mündlichen Versammlungstermin zu verlangen. Dafür spricht jedenfalls der Wortlaut der Regelung, der auf eine einzuberufende Gläubigerversammlung abstellt. Wenn § 75 InsO den Einfluss der Gläubiger im Verfahren333) und auf den Ablauf ___________ 329) 330) 331) 332) 333)

80

Vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 5 Rn. 35. Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 314. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1439. MünchKomm-InsO/Ehricke, § 75 Rn. 1. Jaeger/Gerhardt, § 75 Rn. 2; AGR/Lind, § 75 Rn. 1.

III. Schriftliches Verfahren nach § 5 Abs. 2 InsO

des Verfahrens334) stärken soll, dann kann dies auch auf ein gewünschtes persönliches Zusammentreffen in einem Versammlungstermin zu beziehen sein. Letztlich ist deswegen abzuwägen, ob der Grundsatz der Verfahrensverein- 230 fachung durch ein schriftliches Verfahren oder die Selbstorganisation der Gläubiger vorrangig sein soll. Wie bereits § 75 InsO hinreichend belegt, denn sonst dürfte es kein inhaltlich voraussetzungsloses Antragsrecht geben, kommt einem einfachen und schnellen Verfahrensgang nicht die entscheidende Bedeutung zu. Bei einfachen Verfahren sind zwar Gläubigerversammlungen weithin funktionslos, weil die Gläubiger den Aufwand scheuen, persönlich im Termin zu erscheinen. Da mit dem Antrag ein Wunsch nach einer gemeinsamen Problemerörterung und Entscheidung ausgedrückt wird,335) tritt der empirische Befund hinter dem tatsächlichen Bedürfnis zurück. Selbst bei einem gesetzlich vorgesehenen schriftlichen Verfahren bleibt deswegen den Antragsberechtigten nach § 75 InsO die Befugnis, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu verlangen. 3. Anordnung Nach der Novelle wird das Verfahren kraft Gesetzes schriftlich durchgeführt, 231 § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO. Einer besonderen Anordnung bedarf es dazu nicht mehr.336) Dennoch kann es sinnvoll sein, die Beteiligten frühzeitig über die Verfahrensform zu informieren, da ihnen häufig keine hinreichenden Informationen über die Beurteilungsgrundlagen vorliegen. Im Interesse einer bürgernahen Justiz kann das Insolvenzgericht damit bekannt geben, wie es die gesetzlichen Anforderungen interpretiert und erfüllt sieht. Der Eröffnungsbeschluss bildet dafür einen durchaus geeigneten Zeitpunkt,337) weil erst anschließend Gläubigerversammlungen vorgesehen sind, doch kann ein mündliches Verfahren auch früher angeordnet werden. Damit ist künftig in den Verfahren mit überschaubaren Vermögensverhält- 232 nissen vom Typus eines Schriftverfahrens auszugehen. Eine mündliche Verhandlung steht aber im Ermessen des Gerichts. Soweit es zur Förderung des Verfahrensablaufs sinnvoll ist, kann das Insolvenzgericht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 InsO anordnen, das Verfahren oder einzelne Teile mündlich durchzuführen. Das Gericht kann die im Einzelfall zweckmäßige Verfahrensgestaltung wählen und sich von seiner Erfahrung und seinen Erwartungen leiten lassen, wobei es die Schwierigkeiten der Verfahrensdurchführung beachten wird. Es kann schriftliche und mündliche Elemente weitgehend frei verbinden. Zudem kann das Gericht seine Anordnung jederzeit aufheben oder ändern und ___________ 334) 335) 336) 337)

FK-InsO/Schmitt, § 75 Rn. 1; Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 75 Rn. 1. Vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke, § 74 Rn. 4a. AGR/Ahrens, § 5 n. F. Rn. 2. Scholz-Schulze/Graeber, ZInsO 2014, 587, 589.

81

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

so in das Schriftverfahren zurückkehren, § 5 Abs. 2 Satz 3 InsO.338) Ein Anspruch der Beteiligten auf ein mündliches Verfahren existiert nicht. 233 Ein entsprechendes Anordnungsrecht ist im mündlichen Verfahren nicht vorgesehen. Das grundsätzlich schriftlich durchzuführende einfache Verfahren kann nach § 5 Abs. 2 Satz 2 InsO mündlich durchgeführt werden. Da eine entsprechende Anordnungsbefugnis für die prinzipiell mündlichen Verfahren fehlt, darf es nicht schriftlich durchgeführt werden.339) Zudem gestattet § 5 Abs. 3 InsO lediglich, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, nicht aber das Verfahren insgesamt mündlich durchzuführen. 234 Die Anordnung einer abweichenden Verfahrensweise muss wegen der damit verbundenen beachtlichen Konsequenzen grundsätzlich ausdrücklich durch Beschluss erfolgen und ist öffentlich bekannt zu machen, § 5 Abs. 2 Satz 4 InsO.340) Weder die Anordnung noch die unterlassene Anordnung können nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO durch eine sofortige Beschwerde angefochten werden. Eine weithin unnötige Extension enthält § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO, wonach ein Versagungsantrag bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Abs. 1 InsO schriftlich gestellt werden kann.341) Selbst wenn das Gericht eine mündliche Verhandlungsführung anordnet, bleibt das gesetzliche Recht der Insolvenzgläubiger aus § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO unberührt, Versagungsanträge schriftlich zu stellen. Das Insolvenzgericht kann auch nicht gerade für die Antragstellung ein mündliches Verfahren anordnen. Die Verhandlung über den Versagungsantrag kann aber mündlich erfolgen. 4. Fehlerhafte Anwendung 235 Im Einzelfall besteht die Gefahr, dass vom Insolvenzgericht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO unzutreffend angewendet werden. Trotz der nicht überschaubarer Vermögensverhältnisse oder einer nicht geringen Gläubigerzahl bzw. einer nicht geringen Forderungshöhe kann das Gericht fehlerhaft von einem gesetzlich angeordneten Schriftverfahren ausgehen. Dieser Fehler der Rechtsanwendung führt nicht zur Nichtigkeit. Allenfalls kommt eine Anfechtbarkeit der daraufhin ergangenen Entscheidungen in Betracht, die aber regelmäßig ausgeschlossen sein wird (dazu sogleich). 236 Soweit das Insolvenzgericht nach § 312 Abs. 2 Satz 1 InsO in Verbraucherinsolvenzen ein schriftliches Verfahren anordnen konnte, hat der BGH eine nicht beschwerdefähige Entscheidung angenommen.342) Dies gilt jedenfalls bei einer richterlichen Anordnung. Ordnet ein Rechtspfleger ein mündliches ___________ 338) 339) 340) 341) 342)

82

HK-InsO/Kirchhof, § 5 Rn. 31. Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 805. BGH, NZI 2006, 481. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1439. BGH, NJW 2003, 2167, 2169; NZI 2006, 481 Rn. 10.

IV. Gerichtliche Hinweispflicht nach § 20 Abs. 2 InsO

Verfahren an, ist hiergegen die Erinnerung nach § 11 RPflG eröffnet.343) Ein anfechtbarer Beschluss ist zu begründen. Da sich nur der Gegenstand der Anordnung, nicht aber seine Qualität geändert hat, ist auch künftig von nicht beschwerdefähigen richterlichen Entscheidungen auszugehen. Über den Regelungsbereich des § 5 Abs. 2 InsO hinaus kann das Insolvenz- 237 gericht kein schriftliches Verfahren anordnen, sondern nur nach § 5 Abs. 3 Satz 1 InsO vor einer Entscheidung von einer mündlichen Verhandlung absehen. Obwohl es im Einzelfall ein Interesse an einer weitergehenden allgemeinen Schriftlichkeit geben mag, ist diese Grundentscheidung des Gesetzgebers zu respektieren. Bei den Terminen für die Gläubigerversammlung handelt es sich dagegen um keine mündlichen Verhandlungen vor dem Gericht, sondern Veranstaltungen der Gläubigerorganisation. Der Grundsatz der freigestellten mündlichen Verhandlung ist für diese Termine unanwendbar, die deswegen durchgeführt werden müssen.344) Ordnet das Gericht dennoch ein schriftliches Verfahren anstelle einer Gläubigerversammlung an, sind diese Anordnung und die daraufhin ergehenden Beschlüsse der Gläubigerversammlung und Entscheidungen nichtig.345) IV. Gerichtliche Hinweispflicht nach § 20 Abs. 2 InsO Vordergründig wird § 20 Abs. 2 InsO lediglich an die veränderte Gesetzes- 238 fassung angepasst. Als Folgeänderung zu dem neu eingefügten § 303a InsO erstreckt die Vorschrift die Hinweispflicht auf § 303a InsO.346) Der Schuldner soll künftig darauf hingewiesen werden, dass er nach den §§ 286 – 303a InsO Restschuldbefreiung erlangen kann. Insoweit sind die Formulare an die neue Rechtslage anzupassen. Über diese enge Hinweispflicht hinaus ist zu überlegen, ob die Regelung bei einer Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens einen Auskunftsanspruch des Schuldners gegen das Insolvenzgericht über die Höhe der zu zahlenden Verfahrenskosten ergänzend rechtfertigen kann (dazu Rn. 467 f.). V. Eröffnungsbeschluss gemäß §§ 27, 29, 30 InsO 1. Beschlussinhalt nach § 27 InsO Einige kleinteilige Änderungen sind für den Eröffnungsbeschluss zu beach- 239 ten. In § 27 Abs. 1 Satz 2 InsO wird als Folgeänderung zur Aufhebung von § 313 InsO die Verweisung auf § 313 Abs. 1 InsO gestrichen.347) Zwei weitere Änderungen bei § 27 Abs. 2 Nr. 1 und 4 InsO betreffen den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses. ___________ 343) MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 5 Rn. 64e. 344) MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 5 Rn. 71; AGR/Ahrens, § 5 Rn. 52; HKInsO/Kirchhof, § 5 Rn. 23. 345) Die zum Urteilsverfahren ergangene Entscheidung, BGHZ 32, 370, 372, ist insofern zu eng. 346) BT-Drucks. 17/11268, S. 21; AGR/Sander, § 20 n. F. Rn. 1. 347) BT-Drucks. 17/11268, S. 21.

83

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

240 Nach der strengen Rechtsprechung des BGH muss eine öffentliche Bekanntmachung den Adressaten dazu befähigen, die Rechte wahrzunehmen, derentwegen die Bekanntmachung erfolgt.348) Diese Erwägungen lassen sich auch auf den Eröffnungsbeschluss übertragen. Bei häufig vorkommenden Namen genügen Vor- und Nachname sowie das Geburtsjahr nicht stets, um den Schuldner hinreichend zu individualisieren. Deswegen ist nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO künftig nicht nur das Geburtsjahr, sondern das Geburtsdatum anzugeben.349) Damit ist die Auseinandersetzung darüber beendet, ob das Geburtsdatum veröffentlicht werden darf.350) 241 Bislang musste nach § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO im Eröffnungsbeschluss darauf hingewiesen werden, ob der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Diese Regelung ist gestrichen, wodurch der bisherige § 27 Abs. 2 Nr. 5 InsO zu § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO wird. Künftig werden die Gläubiger durch die öffentliche Bekanntmachung der Eingangsentscheidung nach § 287a Abs. 1 InsO vor oder zumindest zeitnah zum Eröffnungsbeschluss darüber informiert, ob der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt hat.351) Da eine doppelte Information entbehrlich ist, entfällt die gerichtliche Hinweispflicht. 242 Nicht beantwortet ist damit freilich, ob die Insolvenzgerichte weiterhin einen entsprechenden Hinweis in den Eröffnungsbeschluss aufnehmen dürfen.352) Im Einzelfall, wenn ein besonderes Informationsbedürfnis der Gläubiger zu konstatieren ist, werden sie ganz unproblematisch dazu berechtigt sein. Aber auch ein Standardhinweis ist weiterhin zulässig. Obwohl er nicht erforderlich ist, kann er doch das Partizipationsinteresse der Gläubiger steigern, ohne in geschützte Rechte des Schuldners einzugreifen. 2. Berichtstermin gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO 243 Nach der neuen Vorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO soll das Gericht in geeigneten Fällen auf den Berichtstermin verzichten können, weil die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. Die Formulierung, das Insolvenzgericht könne auf den Berichtstermin verzichten, ist untechnisch im Sinne eines Absehens von dem Termin zu verstehen. Eine Verzichtswirkung, auch im verfahrensrechtlichen Sinn, ist damit nicht verbunden. Das Insolvenzgericht kann deswegen seine getroffene Entscheidung revidieren. 244 In erster Linie wird mit der Regelung auf die Streichung von § 312 Abs. 1 Satz 2 InsO reagiert, nach dem in vereinfachten Insolvenzverfahren lediglich ___________ 348) BGH, NZI 2014, 77 Rn. 12. 349) Scholz-Schulze/Graeber, ZInsO 2014, 587, 588. 350) Geburtsdatum, MünchKomm-InsO/Schmahl/Busch, § 29 Rn. 22; FK-InsO/Schmerbach, § 27 Rn. 26; AGR/Sander, § 27 Rn. 14; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 27 Rn. 13; Geburtsjahr, HK-InsO/Kirchhof, § 27 Rn. 19; HambK/Schröder, § 27 Rn. 10. 351) BT-Drucks. 17/11268, S. 21. 352) Scholz-Schulze/Graeber, ZInsO 2014, 587, 588.

84

V. Eröffnungsbeschluss gemäß §§ 27, 29, 30 InsO

ein Prüfungstermin durchzuführen war. Sachlich ist damit eine gewisse Änderung gegenüber § 312 Abs. 1 Satz 2 InsO erfolgt. Während § 312 Abs. 1 Satz 2 InsO zwingend einen Berichtstermin ausgeschlossen hat, stellt § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO die Entscheidung ins Ermessen des Insolvenzgerichts. Da in Verbraucherinsolvenzverfahren nicht über die Fortführung oder Stilllegung eines Unternehmens nach § 157 InsO zu befinden ist und für eine Sanierung das Insolvenzplanverfahren eröffnet wird, ist jedenfalls insoweit ein Berichtstermin entbehrlich.353) Über diese unmittelbare Folgeänderung hinaus ermöglicht § 29 Abs. 2 Satz 2 245 InsO eine flexiblere Entscheidung über den Berichtstermin in anderen Kleinverfahren. Dort soll ein Absehen von dem Termin eine zügige Insolvenzbereinigung fördern und die Gerichte entlasten.354) Der Maßstab der überschaubaren Vermögensverhältnisse und der geringen Zahl der Gläubiger oder der geringen Höhe der Verbindlichkeiten entspricht den Voraussetzung des Schriftverfahrens in § 5 Abs. 2 InsO. Insofern kann auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (Rn. 224 ff.). Damit werden das schriftliche Verfahren und das Absehen von einem Berichtstermin an den gleichen Kriterien ausgerichtet. Wo schriftlich verfahren wird, kann typischerweise von einem Berichtstermin abgesehen werden. Dennoch dürfen beide Konstellationen nicht vorschnell gleichgesetzt werden, 246 denn ein vollständiger Gleichlauf der Verfahrensweisen ist ungeachtet der parallelen Voraussetzungen weder systematisch noch funktional geboten. Deswegen muss gerade nicht von einem Prüfungstermin zugunsten eines schriftlichen Verfahrens abgesehen werden,355) wie bereits die unterschiedliche gesetzliche Entwicklung signalisiert. Die Wertungsgrundlagen für ein schriftliches Verfahren, die von einer einfachen Verfahrensgestaltung ausgehen, haben nicht mit denen für Terminsvereinfachungen übereinzustimmen, wenn kein zu sanierender Unternehmensträger existiert. Erleichtert wird eine differenzierende Anwendung auch, weil beide Regelungen bei allgemeinen Vorschriften normiert sind, die wegen ihres umfassenderen Anwendungsbereichs und ihrer größeren Variationsbreite weitere Auslegungsspielräume eröffnen. Trotz einer erheblichen Schnittmenge kann es aufgrund der abweichenden Teleologien im Einzelfall zu unterschiedlichen Verfahrenslagen kommen. Zudem tritt die Rechtsfolge des § 5 Abs. 2 InsO kraft Gesetzes ein, während nach § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO eine als Sollvorschrift ausgestaltete Ermessensentscheidung vorgesehen ist. Diese weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen dem Gericht eine 247 erhebliche verfahrensrechtliche Flexibilität. Es kann ungeachtet eines mündlichen Verfahrens einen Berichts- sowie einen Prüfungstermin anordnen. Ebenso kann es im schriftlichen Verfahren allein einen Prüfungstermin vor___________ 353) BT-Drucks. 17/11268, S. 21. 354) BT-Drucks. 17/11268, S. 22. 355) So aber HK-InsO/Kirchhof, § 29 Rn. 6.

85

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

sehen. Ermöglicht wird eine offene Kombination der sinnvollen Verfahrensgestaltungen.356) 248 Zu steuern ist eine angemessene verfahrensrechtliche Behandlung über den gerichtlichen Beurteilungsspielraum aus § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO. So wie das Gericht im Einzelfall einen Berichtstermin anordnen kann, wird es umgekehrt mit Blick auf einen fernliegenden Sanierungszweck die überschaubaren Vermögensverhältnisse und eine geringe Zahl der Gläubiger und eine geringe Höhe der Verbindlichkeiten etwas weiter verstehen können als nach § 5 Abs. 2 InsO. Ordnet das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss keinen Berichtstermin an, existiert bereits damit eine klare Rechtslage. Ein Berichtstermin, der nach § 74 Abs. 1 Satz 1 InsO vom Insolvenzgericht einzuberufen ist, wird nicht durchgeführt. Dennoch darf das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss einen klarstellenden Hinweis aufnehmen.357) Sieht das Insolvenzgericht von einem Berichtstermin ab, können dennoch die Antragsberechtigten nach § 75 InsO die Einberufung einer Gläubigerversammlung verlangen. 3. Bekanntmachung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO 249 Die bisher in § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO normierte Verpflichtung, einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung öffentlich bekannt zu machen, sofern kein Hinweis nach § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO erfolgt ist, wird gestrichen. Wenn künftig die Eingangsentscheidung des Insolvenzgerichts über die Restschuldbefreiung nach § 287a InsO veröffentlicht wird, ist ein weiterer öffentlicher Hinweis entbehrlich.358) Die Vorschrift korrespondiert mit der Aufhebung von § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO. VI. Kostenstundung 1. Erklärung über den Versagungsgrund nach § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO a) Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO 250 In der durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte geschaffenen neuen Fassung von § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO ist die mit dem Antrag auf Kostenstundung einzureichende Erklärung über das Vorliegen von Versagungsgründen modifiziert worden. Während die gesetzliche Regelung bislang eine Aussage über die Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO vorschrieb, wird künftig nur noch eine Erklärung über den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO verlangt. Dabei handelt es sich um eine Folgeänderung zur reformierten Fassung von § 290 Abs. 1 InsO.359) Nach neuem Recht ist der bisherige Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgehoben und durch die Zulassungsent___________ 356) 357) 358) 359)

86

Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 805. Vgl. Scholz-Schulze/Graeber, ZInsO 2014, 587, 589. AGR/Sander, § 30 n. F. Rn. 1. BT-Drucks. 17/11268, S. 20.

VI. Kostenstundung

scheidung des § 287a InsO ersetzt. Folgerichtig musste auch die bisherige Verweisung in § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO auf § 290 Abs. 1 InsO gestrichen werden. Die Kostenstundung ist nach der neuen Gesetzeslage nur noch ausgeschlossen, 251 wenn der Schuldner entsprechend § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 283 – 283c StGB verurteilt worden ist. Wegen des systematischen Zusammenhangs zwischen § 4a Abs. 1 Satz 3 und § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist in den ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren allein die neue Fassung von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO maßgebend. Da die Kostenstundung den Zugang zur Restschuldbefreiung eröffnen soll, verfehlt sie ihren Zweck, wenn die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO versagt werden kann, wofür die neuen Maßstäbe gelten. Zu beachten ist die doppelte Änderung von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Durch 252 die eingeführte fünfjährige Frist ist die Verurteilung wegen einer Katalogtat unerheblich, die länger als fünf Jahre zurückliegt. Außerdem ist eine Erheblichkeitsgrenze geschaffen. Abzustellen ist allein auf eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten. Nicht rechtskräftige, außerhalb der Frist oder unterhalb der Schwelle liegende Verurteilungen nach den §§ 283 – 283c StGB bzw. sonstige Verurteilungen muss der Schuldner nicht angeben. Ist der Schuldner wegen einer Katalogstraftat und anderer Delikte zu einer 253 Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, kam es früher vor allem darauf an, die für die Insolvenzstraftat maßgebende Einzelstrafe und die dafür geltende Tilgungsfrist zu ermitteln.360) Unter dem neuen Recht ist dieses Problem durch die Einheitsfrist gelöst. Es bleibt aber die Aufgabe, die Einzelstrafe zu bilden. Hierfür dürfte die auf die Insolvenzstraftat entfallende fiktive Einzelstrafe maßgebend sein. Unterschreitet deren Höhe den Schwellenwert, muss der Schuldner die Straftat nicht angeben. Allerdings trägt er das Risiko, wenn das Insolvenzgericht seiner Einschätzung nicht folgt. In diesem Fall droht eine Aufhebung der Kostenstundung sowie, neben der sperrfristlosen Versagung der Restschuldbefreiung nach § 298 InsO,361) eine mit einer Sperrfrist nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO bewehrte Versagung. Führt der Schuldner dagegen die Verurteilung mit seiner Einschätzung über den nicht einschlägigen Versagungsgrund an, kann die Kostenstundung abgelehnt und der Insolvenzantrag mangels Kostendeckung abgewiesen werden. Der Restschuldbefreiungsantrag ist dann als unzulässig zu verwerfen, doch riskiert der Schuldner keine Sperre nach § 287a InsO.362) Beantragt der Schuldner in einem vor dem 1.7.2014 eingeleiteten Insolvenz- 254 verfahren ab dem 1.7.2014 Kostenstundung, etwa für einen späteren Verfah___________ 360) BGH, NZI 2010, 349 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 27; FK-InsO/ Ahrens, § 290 Rn. 17; AGR/Fischer, § 290 Rn. 27. 361) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 362) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

87

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

rensabschnitt, gilt nach Art. 9 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte i. V. m. Art. 103h Satz 1 EGInsO die alte Rechtslage weiter.363) Da die geltende Rechtslage dann nicht mehr unmittelbar aus dem Gesetzestext abzulesen ist, sollte der Schuldner auf die fortgeltenden Regelungen hingewiesen werden, sofern er nicht bereits früher entsprechend belehrt wurde. b) Erweiternde Auslegung 255 Zum alten Recht geht die Praxis ganz überwiegend davon aus, dass § 4a Abs. 1 Satz 3 und 4 InsO keine abschließende Regelung treffen. Diese Rechtsprechung wird von der Überlegung geleitet, eine Kostenstundung müsse auch in anderen, als den gesetzlich bestimmten Fällen ausgeschlossen sein, in denen der Schuldner die Restschuldbefreiung zweifelsfrei nicht erreichen könne.364) Der BGH hat deswegen eine Kostenstundung in allen Fällen des § 290 Abs. 1 InsO abgelehnt.365) Außerdem soll es sich nach der höchstrichterlichen Judikatur unmittelbar auf die Stundung auswirken, wenn ein Restschuldbefreiungsantrag nach der Sperrfristrechtsprechung unzulässig ist.366) Zu denken ist etwa an die Verwerfung des Restschuldbefreiungsantrags nachdem die Kostenstundung abgelehnt und das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen wurde, die Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags oder eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 298 InsO.367) 256 Ob dieser allgemeinen Praxis unter der neuen Rechtslage die Grundlage entzogen ist oder ob sie dessen ungeachtet fortgeschrieben werden kann, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten, weil sich der Gesetzgeber nicht ausdrücklich dazu verhalten hat. Der Gesetzgeber wollte zwar eine Kostenstundung ausschließen, soweit nach § 287a InsO eine Restschuldbefreiung nicht zu erreichen sei.368) Ob dieser Gedanke zu erstrecken und auch in anderen Fällen der Unerreichbarkeit die Kostenstundung ausgeschlossen ist oder ob ein Umkehrschluss berechtigt erscheint, wonach in anderen Konstellationen die Kostenstundung bewilligt werden muss, lässt sich aus der Aussage kaum verlässlich ableiten. 257 Dennoch sprechen gewichtige Gründe gegen eine uneingeschränkte Fortsetzung der bisherigen Judikatur. Jedenfalls kann kaum angenommen werden, der Gesetzgeber wollte die bisherige Rechtsprechungslage im Kostenstundungsrecht uneingeschränkt adaptieren. In Kenntnis der Rechtsprechungssituation hat der Gesetzgeber die Novelle verabschiedet, ohne die höchst___________ 363) AGR/Ahrens, § 4a n. F. Rn. 8. 364) BGH, NZI 2005, 232 f.; 2006, 712 Rn. 8; ZInsO 2011, 1223; MünchKomm-InsO/ Ganter/Lohmann, § 4a Rn. 16; Jaeger/Eckardt, § 4a Rn. 37. 365) BGH, NZI 2005, 232; 2010, 948 Rn. 13. 366) MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 4a Rn. 19; siehe auch AGR/Ahrens, § 4a Rn. 52. 367) Vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 31d. 368) BT-Drucks. 17/11268, S. 20.

88

VI. Kostenstundung

richterliche Rechtsprechung zur erweiternden Anwendung von § 4a Abs. 1 Satz 3 und 4 InsO zu kodifizieren. Genau dies, nämlich eine bestehende Rechtsprechung zu kodifizieren, hat er dagegen in mehreren anderen Bereichen, etwa bei den §§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 300a InsO, und gerade auch auf dem Gebiet der Kostenstundung bei § 4c Nr. 4 InsO getan. Dies deutet nicht auf eine vom gesetzgeberischen Willen gedeckte weitere Extension des § 4a Abs. 1 InsO hin. Ausdrücklich stellt jetzt auch der Wortlaut des § 4a Abs. 1 Nr. 4 InsO im Singular nur noch auf einen Versagungsgrund ab, was kaum mit einer Anwendung auf alle Versagungsgründe zu vereinbaren ist. Zudem dokumentiert die Novelle des § 287a InsO, dass der Gesetzgeber einer erweiternden Anwendung, in diesem Fall von § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO, prinzipiell ablehnend gegenübersteht.369) Letztlich kollidiert eine erweiternde Anwendung mit der ebenso in § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO wie in § 287a InsO ausgedrückten Beschleunigungsfunktion.370) In seiner Entscheidung vom 20.3.2014 über das durchaus vergleichbare Ver- 258 hältnis zwischen der durch § 287a InsO geschaffenen neuen Rechtslage und der Sperrfristrechtsprechung hat sich der BGH bereits eine einzelfallbezogene Prüfung vorbehalten.371) Aus systematischen und teleologischen Erwägungen wird bei den Auswirkungen der veränderten Rechtslage auf die § 4a Abs. 1 InsO erweiternde Judikatur zu differenzieren sein. Am Ausschluss der Kostenstundung bei einem zweifelsfrei vorliegenden Versagungsgrund wird die Rechtsprechung voraussichtlich festhalten, weil der Gesetzeskontext zwar gegen eine Extension spricht, aber die Grundlagen im Bereich der Versagungstatbestände unverändert geblieben sind. Allein eine entsprechende Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 287b InsO ist zweifelsfrei ausgeschlossen. Diese Erwerbsobliegenheit greift erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, während die speziellere Erwerbsobliegenheit aus § 4c Nr. 4 InsO bereits ab erstmaliger Bewilligung der Kostenstundung und damit regelmäßig schon im Eröffnungsverfahren besteht.372) Auch an der Vorstellung, eine Restschuldbefreiung sei nicht erreichbar und eine Kostenstundung daher abzulehnen, wenn die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen nach § 302 InsO privilegiert sind,373) wird sich wahrscheinlich nichts ändern. Soweit künftig vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Restschuldbe- 259 freiungsantrag nach § 287a InsO als unzulässig verworfen wird, kommt keine Kostenstundung in Betracht.374) Da die Restschuldbefreiung nicht zu erreichen ist, muss auch eine Kostenstundung ausgeschlossen sein.375) Anders verhält es sich dagegen in den Fällen, in denen das neue Recht von der Sperrfrist___________ 369) 370) 371) 372) 373) 374) 375)

AGR/Ahrens, § 4a n. F. Rn. 4. FK-InsO/Kohte, § 4a Rn. 19. BGH, ZInsO 2014, 795. AGR/Ahrens, § 4a n. F. Rn. 5. BGH, NZI 2005, 232, 233. FK-InsO/Kohte, 8. Aufl., § 4a Rn. 24; Graf-Schlicker/Kexel, § 4a Rn. 20. AGR/Ahrens, § 4a n. F. Rn. 4.

89

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

rechtsprechung abweicht und im Unterschied dazu künftig der Restschuldbefreiungsantrag nicht mehr als unzulässig verworfen werden darf.376) Ausdrücklich lehnen die Gesetzesmaterialien Sperrfristen in den Fällen der Versagung nach § 298 InsO, bei einem früher als unzulässig verworfenen oder einem unterlassenen Restschuldbefreiungsantrags im Vorverfahren ab.377) Gleiches dürfte auch für die Rücknahme eines Restschuldbefreiungsantrags und die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO gelten, die ebenfalls zu einem unzulässigen Restschuldbefreiungsantrag führen. Da in diesen Fällen der Weg in die Restschuldbefreiung nicht mehr verschlossen ist, kann auch die Kostenstundung nicht abgelehnt werden.378) Auch eine mögliche Doppelbelastung des Gerichts steht dem nicht entgegen. 260 Damit sind aber längst nicht alle Fragen aus dem Verhältnis zwischen der Eingangsentscheidung und der Kostenstundung geklärt. Bevor nicht insbesondere der Gegenstandsbereich von § 287a InsO näher abgesteckt ist, kann hierauf keine Antwort gegeben werden. Deswegen sind das Verhältnis zwischen dem Gegenstandsbereich von § 287a InsO und dem Ausschluss der Kostenregelung, aber auch den unterschiedlichen Verfahrensvorschriften und vielleicht auch die Entscheidungszeitpunkte erst bei der Eingangsentscheidung zu erörtern (Rn. 605 ff., 694 ff.). 2. Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge gemäß § 4b InsO a) Änderung von § 4b InsO 261 Bereits durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013379) ist § 4b InsO in zwei primär redaktionellen Punkten geändert worden. Anstelle der bisherigen Verweisung in § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO auf § 115 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO wird nunmehr auf § 115 Abs. 1 – 3 ZPO abgestellt. Damit wird lediglich ein Redaktionsversehen380) korrigiert. Bislang verwies die Vorschrift nicht ausdrücklich auf § 115 Abs. 3 ZPO, doch wurde die Regelung ganz überwiegend entsprechend herangezogen,381) wofür der Weg über § 4 InsO eröffnet war. Künftig ist zur Vermögensbestimmung über die ausdrückliche Verweisung auf § 115 Abs. 3 ZPO die Vorschrift des § 90 SGB XII kraft Gesetzes entsprechend anzuwenden. 262 Zugleich ist auch § 4b Abs. 2 Satz 3 InsO novelliert worden. Da § 120 Abs. 4 Satz 1 und 2 ZPO aufgehoben worden sind, auf welche die Stundungsre___________ 376) 377) 378) 379) 380) 381)

90

FK-InsO/Kohte, 8. Aufl., § 4a Rn. 24. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. So wohl auch Graf-Schlicker/Kexel, § 4a Rn. 23. BGBl. I S. 3533. MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 4b Rn. 4; FK-InsO/Kohte, § 4b Rn. 6. LG Dresden, ZVI 2010, 67; MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 4b Rn. 4; FKInsO/Kohte, § 4b Rn. 6; AGR/Ahrens, § 4a Rn. 23; Uhlenbruck/Pape, § 4b Rn. 11.

VI. Kostenstundung

gelung bislang verwies, wird nunmehr auf die Neuregelung in § 120a Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO abgestellt. Eine sachliche Änderung ist damit nicht verbunden. Zu beachten ist, dass die stundungsrechtliche Anpassungsvorschrift des § 4b Abs. 2 InsO nicht auf § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO verweist, der eine prozesskostenhilferechtliche Sollvorschrift zur Änderung der Bewilligung enthält. Für die Kostenstundung bleibt es bei der Kann-Regelung des § 4b Abs. 2 Satz 1 InsO.382) b) Veränderte Ratenhöhe, § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 115 Abs. 2 ZPO Ziel des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilfe- 263 rechts ist, die finanzielle Belastung der Länder durch die Ausgaben für Prozessund Verfahrenskostenhilfe zu reduzieren,383) was sich auch auf die Kostenstundung auswirkt. Wesentliches Mittel ist eine verstärkte Belastung der Schuldner durch abgesenkte Freibeträge und anders berechnete Raten.384) Wie bislang, verweist § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO auf eine entsprechende Anwendung u. a. von § 115 Abs. 1, 2 ZPO. Wenn auch die äußerliche Anknüpfung unverändert ist, ist mit dem novellierten Inhalt der prozesskostenhilferechtlichen Vorschrift eine sachlich weitreichende Modifikation verbunden,385) die über die Verweisungsregel des § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO unmittelbar auf die Kostenstundung durchschlägt. Besonders einschneidend wirken sich die Änderungen bei der Ratenhöhe in § 115 Abs. 2 ZPO aus. Bislang wurden die Raten vom einzusetzenden Einkommen nach folgender Tabelle in § 115 Abs. 2 ZPO bemessen. einzusetzendes Einkommen (Euro) bis

über

15 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600

eine Monatsrate von (Euro) 0 15 30 45 60 75 95 115 135 155 175 200 225

___________ 382) 383) 384) 385)

AGR/Ahrens, § 4b n. F. Rn. 7. BT-Drucks. 17/11472, S. 24. BT-Drucks. 17/11472, S. 27. AGR/Ahrens, § 4b n. F. Rn. 4.

91

C. Insolvenzeröffnungsverfahren einzusetzendes Einkommen (Euro) 650 700 750 750

eine Monatsrate von (Euro) 250 275 300 300 zuzüglich des 750 übersteigenden Teils des einzusetzenden Einkommens.

264 Diese Tabelle ist aufgehoben und in § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch eine neue Berechnungsregel ersetzt. Danach sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen, weshalb der Schuldner eine einheitliche 50 %ige Quote vom einzusetzenden Einkommen zu leisten hat. Allein bei einem einzusetzenden Einkommen zwischen 16,– € und 30,– € hat sich eine zu vernachlässigende Entlastung ergeben. In den anderen Konstellationen sind die Zahlungspflichten mehrfach gesteigert. Die Stufen der früheren Tabelle sind von Zahlungsquoten zwischen 30 % und 40 % ausgegangen. Zudem sank durch die festen Stufen die Quote, wenn sich das Einkommen des Schuldners erhöht, ohne die nächste Stufe zu erreichen.386) Schließlich war früher zusätzlich zu der Rate von 300,– € der 750,– € übersteigende Teil des einzusetzenden Einkommens vollständig zu zahlen. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO beträgt die Monatsrate bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600,– € nunmehr 300,– € zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600,– € übersteigt. Schließlich wird die bisherige Mindestrate von 15,– € in § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf 10,– € herabgesetzt. 265 Für den zur Ratenzahlung verpflichteten Schuldner stellt dies eine einschneidende Belastung dar. Gerade in der vierjährigen Nachhaftungszeit nach Ende der Treuhandperiode erhöhen sich damit deutlich die Risiken, dass die Entschuldung fehlschlägt. Wie bei der Änderung von § 302 Nr. 1 InsO387) dominieren auch hier die fiskalischen Interessen, selbst wenn sie den Wert der Restschuldbefreiung aushöhlen. c) Inkrafttreten 266 Nach Art. 20 ist das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts zum 1.1.2014 in Kraft getreten. Die neuen Prozesskostenhilfevorschriften und damit die modifizierte Stundungsregelung des § 4b InsO gelten gemäß § 40 Satz 1 EGZPO für jeden Rechtszug, in dem ab dem 1.1.2014 die Kostenstundung beantragt wird.388) Im Allgemeinen ist der aus § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO übernommene Begriff des Rechtszugs kostenrechtlich zu ___________ 386) AGR/Ahrens, § 4b n. F. Rn. 5. 387) Ahrens, ZVI 2012, 122. 388) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 4b Rn. 2a; AGR/Ahrens, § 4b n. F. Rn. 9; FK-InsO/ Kohte, 8. Aufl., § 4b Rn. 5.

92

VI. Kostenstundung

verstehen.389) Jeder Verfahrensabschnitt, der besondere Kosten verursacht, ist danach als eigener Rechtszug zu behandeln.390) Dies entspricht auch dem üblichen Verständnis des Verfahrensabschnitts in § 4a Abs. 3 Satz 1 InsO,391) für den die Bewilligung jeweils erfolgt. § 40 Satz 1 EGZPO betrifft zwar eine Übergangsregelung und nicht eine im engeren Sinn kostenrechtliche Vorschrift. Dennoch ist auch für die Vorschrift die kostenrechtliche Auslegung maßgebend, weil ihre Hauptwirkungen auf kostenrechtlichem Gebiet liegen. Maßgebend ist der Antrags-, nicht der Entscheidungszeitpunkt, wie bereits aus 267 der eindeutigen gesetzlichen Formulierung folgt. Sonst könnte das Gericht durch sein Entscheidungsverhalten bestimmen, welches Recht anzuwenden ist. Stellt der Schuldner vor dem 1.1.2014 einen Stundungsantrag für einen Verfahrensabschnitt, etwa das eröffnete Insolvenzverfahren, über den vor dem 1.1.2014 entschieden wird, gilt selbstverständlich altes Recht. Hat der Schuldner vor dem 1.1.2014 zusätzlich einen Stundungsantrag für die Treuhandperiode gestellt, ist darauf ebenfalls altes Recht anzuwenden. Wann das Gericht jeweils entscheidet, ist unerheblich. Wird die Stundung für das eröffnete Insolvenzverfahren vor dem 1.1.2014 und für die Treuhandperiode nach dem 1.1.2014 beantragt, gilt unterschiedliches Recht.392) Ein Teil der Kosten ist nach dem alten und ein Teil nach dem neuen Recht abzuwickeln. Eine solche differenzierte Anwendung dürfte freilich dem Schuldner schwer zu vermitteln sein und ist für die Gerichte wegen der doppelten Berechnung belastend. Dennoch erscheint diese Auslegung überzeugender. Alternativ könnte aller- 268 dings der Begriff des Rechtszugs abweichend von der verbreiteten kostenrechtlichen Interpretation verstanden und nicht auf den Verfahrensabschnitt, sondern die Instanz bezogen werden. Dadurch gäbe es weniger kritische Fälle, doch wäre das prinzipielle Problem nicht überwunden. Folgerichtig sollte es bei der antragsabhängigen Bestimmung bleiben. 3. Aufhebung der Stundung gemäß § 4c Nr. 4 InsO § 4c Nr. 4 InsO erstreckte bislang die in der Treuhandperiode des Restschuld- 269 befreiungsverfahrens bestehende Erwerbsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Satz 1 InsO auf das Kostenstundungsverfahren, ohne die beiden Voraussetzungen einer beeinträchtigten Gläubigerbefriedigung und des, aus beweisrechtlichen Erwägungen negativ formulierten schuldhaften Handelns aus § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO zu adaptieren. Während § 296 Abs. 2, 3 InsO bislang bereits entsprechend anwendbar war, fehlte eine entsprechende Bezugnahme auf § 296 ___________ 389) Stein/Jonas/Bork, § 119 Rn. 3; PG/Völker/Zempel, § 119 Rn. 2; Thomas/Putzo/Seiler, § 119 Rn. 8. 390) BGH, NZI 2004, 595; MünchKomm-ZPO/Motzer, § 119 Rn. 2; Zöller/Geimer, § 119 Rn. 1. 391) BGH, NJW 2003, 3780, 3781; NZI 2004, 595; MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 4a Rn. 30; FK-InsO/Kohte, § 4a Rn. 30. 392) AGR/Ahrens, § 4b n. F. Rn. 10.

93

C. Insolvenzeröffnungsverfahren

Abs. 1 Satz 1 InsO. Obwohl damit keine ausdrückliche Regelung existierte, wurden die Voraussetzung einer beeinträchtigten Gläubigerbefriedigung und der Einwand fehlenden Verschuldens aus § 296 Abs. 1 InsO auch bislang schon auf § 4c Nr. 4 InsO entsprechend angewendet. An die kostenrechtliche Erwerbsobliegenheit sollten keine strengeren Anforderungen als an die entsprechende Obliegenheit im Restschuldbefreiungsverfahren gestellt werden dürfen.393) 270 Mit der Neufassung durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte soll die bislang im positiven Gesetzesrecht fehlende Bezugnahme auf § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. Alt. 2, 2. Halbs. InsO kompensiert werden. Damit verfolgte der Gesetzgeber ein genügsames Ziel, denn mit der Änderung sollte lediglich die Rechtsprechung des BGH nachgezeichnet werden.394) Anstelle einer Verweisungsregelung ist eine ausdrückliche, aber sachlich identische Regelung in den Normtext aufgenommen, wonach die verletzte Erwerbsobliegenheit die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt haben muss. Fehlendes Verschulden entlastet zudem den Schuldner.395) Mit dieser durchaus vorzugswürdigen Regelungstechnik wird eine komplizierte Verweisung vermieden, die von einem Gläubigerantrag und einer Obliegenheitsverletzung abgesehen und damit Missverständnisse provoziert hätte. Mit dieser Novelle sind daher keine sachlichen Veränderungen gegenüber der bisherigen überwiegend vertretenen Auffassung verbunden.396) Infolgedessen ist primär eine redaktionelle Klarstellung erfolgt. 271 Weiterhin fehlt freilich eine § 295 Abs. 2 InsO entsprechende Bestimmung. Ob der Schuldner mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit seiner Erwerbsobliegenheit genügt und ob für seine Zahlungen der Maßstab aus § 295 Abs. 2 InsO angewendet werden muss, ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, dessen Formulierung allein den Wortlaut von § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO wiederholt. Zutreffend wird auf die vom Gesetzgeber gewollte Gleichwertigkeit selbständiger und nicht selbständiger Erwerbstätigkeit im Bereich des § 295 InsO abgestellt, die auch für die Kostenstundung zu gelten hat.397) Wegen der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit darf der Schuldner selbständig erwerbstätig sein, ohne gegen § 4c Nr. 4 InsO zu verstoßen. Seine Zahlungen sind dann in entsprechender Anwendung von § 295 Abs. 2 InsO zu bemessen.398) ___________ 393) BGH, NZI 2009, 899 Rn. 12 ff.; ZInsO 2011, 147 Rn. 7; NZI 2012, 852 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, § 4c Rn. 12. 394) BT-Drucks. 17/11268, S. 20. 395) AGR/Ahrens, § 4c n. F. Rn. 1. 396) BT-Drucks. 17/11268, S. 20. 397) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 4c Rn. 34 f. 398) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 4c Rn. 35; siehe auch HambK/Nies, § 4c Rn. 6; a. A. Jaeger/Eckardt, § 4c Rn. 52.

94

D. Eröffnetes Verfahren I. Veränderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren 1. Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO Das autonome Verfahrensprogramm der Verbraucherinsolvenz wird bislang 272 durch drei verfahrensrechtliche Schwerpunkte geprägt. Sie umfassen einen Komplex eigenständiger Vorschriften zur Verfahrenseinleitung, spezielle konsensbezogene Instrumente der Schuldenbereinigung sowie die Sonderregeln des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens. Durch die Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO wird diese Statik des gesamten Modells verändert, denn die eigenständigen Regelungselemente sind künftig weitgehend auf die Phase bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens konzentriert. Abgesehen von einigen Sondervorschriften wird das reformierte Verbraucherinsolvenzverfahren in einem seiner Haltepunkte skelettiert, wodurch die Belastbarkeit des gesamten Konzepts infrage steht. Offen ist, ob ein derart modelliertes Verbraucherinsolvenzverfahren noch benötigt wird.399) Obwohl die in § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO angelegte verfahrensrechtliche Un- 273 terscheidung zwischen dem Verbraucherinsolvenzverfahren und dem sog. Regelinsolvenzverfahren und damit auch die Differenzierung zwischen IKund IN-Verfahren fortexistiert, besitzt das modifizierte Verbraucherinsolvenzverfahren nur noch phasenweise eine autonome Bedeutung. Ein besonderes Verfahrensrecht für die Verbraucherinsolvenz existiert praktisch nur noch beim außergerichtlichen Einigungsversuch, beim Insolvenzeröffnungsantrag sowie dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren. Für das eröffnete Insolvenzverfahren sind einige Sondervorschriften in die generellen Bestimmungen integriert. Im Übrigen folgt das Verbraucherinsolvenzverfahren weithin den allgemeinen Bahnen. Nach den ursprünglichen Vorstellungen sollte das vereinfachte Insolvenzver- 274 fahren der §§ 312 – 314 InsO ein Verfahren mit geringem Aufwand, reduzierten Kosten und einer niedrigeren Belastung der Gerichte ermöglichen.400) Diese Erwartungen haben sich indessen nie vollkommen erfüllt.401) Man muss nicht vom vereinfachten Insolvenzverfahren als besonders kompliziertes Verfahren sprechen, um den Korrekturbedarf anzuerkennen. Folgerichtig werden die §§ 312 – 314 InsO zum 1.7.2014 aufgehoben. Veranlasst ist dies freilich nicht durch einen fehlenden Bedarf für ein spezifisches, vom Unternehmensinsolvenzrecht zu unterscheidendes Verfahrensrecht. Für ein Insolvenzrecht na-

___________ 399) Verneinend Vallender/Laroche, VIA 2012, 9; Schmerbach, NZI 2012, 689, 690. 400) BT-Drucks. 12/7302, S. 151; FK-InsO/Kohte/Busch, § 312 Rn. 1; MünchKomm-InsO/ Ott/Vuia, § 312 Rn. 1. 401) BT-Drucks. 17/11268, S. 35; Henning, ZVI 2014, 7, 15.

95

D. Eröffnetes Verfahren

türlicher Personen bestehen zahlreiche Anlässe und eine tragfähige Legitimationsbasis.402) 275 Noch nicht gesagt ist damit freilich, dass diese Verfahren die Gestalt des Verbraucherinsolvenzverfahrens erhalten müssen. So bereitet bereits die Abgrenzung des Verbraucherinsolvenzrechts erhebliche Probleme, die durch die Abschaffung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nicht beseitigt sind. Planbasierte Akkordinstrumente stellen wichtige Elemente einer Schuldenbereinigung dar. Ihre Potenziale werden indessen nicht ausgeschöpft, weil sie beim außergerichtlichen Einigungsversuch, etwa mit dem obligatorischen Ansatz und dem vollständigen Konsenszwang, sowie beim Schuldenbereinigungsplan deutliche Funktionsschwächen aufweisen. Ansätze zu einer breit angelegten Reform auch dieser Planverfahren sind jedenfalls in der aktuellen Novelle nicht realisiert worden. Es bleibt daher bei der überkommenen Separierung in außergerichtliches und gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren mit unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Ausgestaltungen. 276 Schließlich ist es nicht gelungen, Kernelemente eines Insolvenzrechts natürlicher Personen zusammenzufassen und in einen einheitlichen Kontext zu stellen. Dazu gehören etwa die Sicherung des Existenzminimums, der Schutz der Familie, die Gewährleistung einer autonomen Lebensführung, die Bewahrung eines angemessenen Wohnraums sowie eine angemessene Ausgestaltung der Erwerbsobliegenheit nicht zuletzt des selbständig tätigen Schuldners. Diese Bereiche sind bislang nur punktuell und unvollständig geregelt. Die verringerten Unterschiede zum Regelinsolvenzverfahren allein sind noch nicht sehr aussagekräftig, da es dafür auch beachtliche Gründe gegeben hat. Die fehlende Weiterentwicklung signalisiert aber doch eine gewisse Abstinenz des Gesetzgebers gegenüber dem Konzept der Verbraucherinsolvenz. Eine diese Fixpunkte erfassende substanzielle Reform war indessen in einem ganz erheblich von fiskalischen Interessen geleiteten Gesetzgebungsvorhaben nicht zu erwarten. 277 Da die §§ 312 – 314 InsO aufgehoben werden, gelten im neuen Insolvenzrecht verstärkt die allgemeinen Verfahrensmuster, wodurch die Verbraucherinsolvenz stärker an die Regelinsolvenz herangerückt wird.403) Offensichtlich wird dies beim Insolvenzverwalter, der künftig den Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren ablöst, auch wenn es beim Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren bleibt. Der Insolvenzverwalter in der Verbraucherinsolvenz besitzt die allgemeinen Kompetenzen, wodurch die bisherigen Beschränkungen beim Anfechtungs- und Verwertungsrecht aus § 313 Abs. 2, 3 InsO entfallen. In einem weiteren Schritt hat der Gesetzgeber das Insolvenzplanverfahren für die Verbraucherinsolvenz geöffnet. Wegen der vom außergerichtlichen Einigungsversuch und dem gerichtlichen Schuldenbereinigungs___________ 402) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1437. 403) Hohmann, DGVZ 2014, 137, 139.

96

I. Veränderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren

planverfahren abweichenden verfahrensrechtlichen Gestalt dieses Planverfahrens, etwa bei der Mehrheitsbildung nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO, werden dadurch zusätzliche Einigungsmöglichkeiten eröffnet. In diesen, für die Regelinsolvenz bekannten, aber für die Verbraucherinsolvenz neuen Strukturen sind die speziellen Anforderungen und Folgen für ein Insolvenzrecht natürlicher Personen zu entwickeln. Ersatzlos gestrichen wurde § 314 InsO. Diese Vorschrift hat ein, verglichen 278 mit anderen Verwertungsvereinbarungen, eher kompliziertes Verfahren geschaffen, obwohl sie doch der Verfahrensvereinfachung404) dienen sollte. Folgerichtig wird ihre Aufhebung begrüßt.405) Da § 314 InsO den normativen Anknüpfungspunkt für Verwertungsvereinbarungen zwischen dem Treuhänder und dem Schuldner bildete,406) ist zu entscheiden, inwieweit derartige Vereinbarungen auch künftig zulässig sind. Soweit diese Verwertungsabsprachen mit dem Schuldner weiterhin möglich sind und bei einer Nichterfüllung insolvenzrechtliche Konsequenzen eintreten, hinterlässt die Aufhebung von § 314 InsO keine merkliche Lücke (Rn. 440). 2. Sonstige verfahrensrechtliche Modifikationen Als verbraucherinsolvenzspezifische Sonderregeln im eröffneten Verfahren 279 existieren nur noch wenige rudimentäre Vorschriften. Spezielle Vorschriften sind dann erforderlich, wenn sie durch den Dialog mit den Instrumenten über die Verfahrenseinleitung verlangt werden. Dies betrifft die neu verortete Rückschlagsperre des § 88 Abs. 2 InsO. Sie ist zum Schutz vor zwangsvollstreckenden Akkordstörern mit der gegenüber § 88 Abs. 1 InsO auf drei Monate verlängerten Frist geboten. Die jetzt durch § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO blockierte Eigenverwaltung gestaltet einen Ansatz aus, der auch im vereinfachten Insolvenzverfahren verfolgt wurde. Systematisch muss dieses Modell nicht auf einen selbständig erwerbstätigen Schuldner beschränkt sein. Deswegen ist die Verfahrenssperre für die Verbraucherinsolvenz eher durch Zweckmäßigkeitserwägungen als durch unabdingbare Sachgründe geboten. Weiteres spezielles Verbraucherinsolvenzrecht beinhaltet noch das ebenfalls im eröffneten Verfahren bestehende Vertretungsrecht aus § 305 Abs. 4 InsO. Die Regelungen der §§ 5 Abs. 2, 29 Abs. 2 Satz 2 InsO betreffen einfache Verfahren. Obwohl sie ihren Wirkungsbereich hauptsächlich in der Verbraucherinsolvenz entfalten werden, sind sie doch nicht darauf beschränkt. Insgesamt handelt es sich bei den verbleibenden Sondervorschriften, je für 280 sich gesehen, um wichtige verfahrensrechtliche Ergänzungen und Modifikationen. Ihr Regelungsansatz speist sich freilich aus einzelnen verfahrensrechtlichen Bedürfnissen oder Anlässen. Wenig überraschend liegt ihnen in___________ 404) Uhlenbruck/Vallender, § 314 Rn. 1; Hergenröder, KTS 2013, 385, 402. 405) AGR/Henning, § 314 n. F. Rn. 1. 406) Uhlenbruck/Vallender, § 314 Rn. 7.

97

D. Eröffnetes Verfahren

dessen kein einheitliches Gesamtmodell zugrunde, denn bereits die Bestimmungen über das vereinfachte Insolvenzverfahren wiesen eine deutliche konzeptionelle Schwäche auf. Mit dem aufgelösten gemeinsamen Regelungsbereich sind auch diese schwachen Verbindungslinien zerschnitten. Selbst die Anknüpfung an überschaubare Vermögensverhältnisse und eine geringe Zahl der Gläubiger oder einer geringen Höhe der Verbindlichkeiten bleibt als subsidiäres Leitmuster singulär und wird nicht zu einem darauf gestützten Verfahrensprogramm verbreitert. 281 Erst auf den zweiten Blick sind einige andere tektonische Verschiebungen sichtbar. Nicht alle Vorschriften und Regelungselemente können unverändert angewendet werden. Selbst dort, wo im Verbraucherinsolvenzverfahren der Normtext unberührt blieb, kann durch die veränderten Aufgabenstellungen und Zusammenhänge eine Neuinterpretation geboten sein. Vorstellbar erscheint etwa eine schnellere Einstellung der Zwangsvollstreckung nach den §§ 306 Abs. 2 Satz 1, 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO.407) 282 Ebenso muss die Interpretation der allgemeinen Vorschriften an die Besonderheiten im Verbraucherinsolvenzverfahren angepasst werden. Selbstverständlich ist etwa bei den Verwertungsentscheidungen der Existenzsicherung des Schuldners Rechnung zu tragen. Ohne normative Änderung werden faktisch aber doch manche Verschiebungen eintreten, etwa zu welchen besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters die Zustimmung der Gläubigerversammlung – ein Gläubigerausschuss erscheint kaum vorstellbar – nach § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO einzuholen sein wird. Im Anfechtungsrecht erscheint eine Übertragung der Anfechtungsbefugnis auf den Schuldner nicht erwägenswert. II. Folgen der Negativerklärung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO 283 Die selbständige Erwerbstätigkeit des Schuldners im Insolvenzverfahren gehört zu den komplexen, aber nur rudimentär geregelten Bereichen der Insolvenzordnung. Einen Regelungskern schafft § 35 Abs. 2, 3 InsO. Diese Vorschrift eröffnet dem Insolvenzverwalter das Recht, durch Positiv- oder Negativerklärung über die Zuordnung des Vermögens aus selbständiger Tätigkeit zum Insolvenzverfahren zu entscheiden. Vehement umstritten ist, welche Vermögensgegenstände dadurch aus der Insolvenzmasse ausgeschieden werden.408) Obwohl nach einer Entscheidung des BAG der Insolvenzverwalter nach einer Negativerklärung nicht mehr für eine Kündigungsschutzklage passivlegitimiert ist,409) sind die arbeitsrechtlichen Folgen weithin ungeklärt.410) ___________ 407) Zur bisherigen Rechtslage FK-InsO/Grote, § 306 Rn. 20. 408) Vgl. MünchKomm-InsO/Peters, § 35 Rn. 47d ff.; AGR/Ahrens, § 35 Rn. 159 f.; HambK/ Lüdtke, § 35 Rn. 261. 409) BAG, NZI 2014, 324 Rn. 13 ff. 410) Vgl. Lindemann, ZInsO 2014, 695.

98

II. Folgen der Negativerklärung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO

Auch die Verweisung auf § 295 Abs. 2 InsO bleibt in vieler Hinsicht rätsel- 284 haft. Liegt der Gewinn des Schuldners aus der Selbständigkeit unterhalb des pfändbaren Betrags aus einer angemessenen hypothetischen abhängigen Beschäftigung, besteht eine Auskunfts-, aber keine Zahlungspflicht.411) Noch nicht beantwortet ist damit, ob sich der Schuldner ggf. um eine nicht selbständige Tätigkeit bemühen muss, wie dies zu § 295 Abs. 2 InsO vertreten wird.412) Ob es sich bei der Verweisung auf § 295 Abs. 2 InsO um eine Obliegenheit oder Pflicht handelt, wobei für die zweite Möglichkeit auch die Judikatur des BGH spricht,413) und ob der Insolvenzverwalter einen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Schuldner hat,414) ist noch nicht endgültig geklärt. Schwierig ist zudem das Verhältnis zwischen dem Zahlungserfordernis aus § 295 Abs. 2 InsO und den Folgen der Konvaleszenz einer Sicherungsabtretung.415) Trotz dieser zahlreichen drängenden Probleme hat der Gesetzgeber keine dieser Fragen behandelt. Eine Gesetzesänderung ist lediglich bei der Verweisung in § 35 Abs. 2 Satz 2 285 InsO auf § 295 Abs. 2 InsO erfolgt, die durch eine entsprechende Anwendung von § 295 Abs. 3 InsO ersetzt werden soll. Dieser Novelle liegt dabei ein redaktionelles Versehen zugrunde, denn die novellierte Vorschrift verweist auf eine nicht existierende, genauer im Gesetzgebungsverfahren letztlich nicht verabschiedete Bestimmung. Im RegE 2012 war vorgesehen, § 295 InsO umzugestalten und die bisherige Regelung aus § 295 Abs. 2 InsO in § 295 Abs. 3 InsO zu überführen.416) Geplant war keine inhaltliche Änderung, sondern lediglich eine äußerliche Anpassung an die veränderte Gliederung der Vorschrift. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags hat die vorgesehene Umstellung in § 295 InsO gestrichen, dabei aber vergessen, auch § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO unverändert zu lassen.417) In dieser Fassung ist das Gesetz verabschiedet, das damit auf eine inexistente Vorschrift verweist. Dennoch sollte die neue irrtümliche Verweisung in der Rechtsanwendung keine 286 Schwierigkeiten verursachen. Wegen des gesetzgeberischen Fehlers ist § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO so zu lesen, als ob die Vorschrift weiterhin auf § 295 Abs. 2 InsO verweist.418) Der Gesetzgeber wollte lediglich eine redaktionelle Umstellung vornehmen, selbstverständlich aber keine sinnlose Regelung treffen, weswegen der verfehlte Wortlaut trotz der ausdrücklichen Änderung bedeutungslos ist. Systematik und Teleologie weisen auf die weiterhin ent___________ 411) 412) 413) 414) 415) 416) 417) 418)

BGH, NZI 2013, 797 Rn. 21, mit Anm. Ahrens. BGH, NZI 2009, 482 Rn. 5; NZI 2013, 189 Rn. 22. BGH, NZI 2013, 797 Rn. 20, mit Anm. Ahrens. OLG Brandenburg, NZI 2013, 650, mit Anm. Ahrens; LG Düsseldorf, NZI 2012, 970, mit Anm. Grund. Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 575; Ahrens, NJW-Spezial 2014, 85. BT-Drucks. 17/11268, S. 7, 28 f. BT-Drucks. 17/13535, S. 7, 13 f.; AGR/Ahrens, § 35 n. F. Rn. 1. AGR/Ahrens, § 35 n. F. Rn. 2; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1843.

99

D. Eröffnetes Verfahren

sprechend anzuwendende Bestimmung über die Erwerbsobliegenheit und die Leistungen bei selbständiger Erwerbstätigkeit. Der Schuldner ist deswegen auch künftig sachgerecht auf die Anforderungen aus § 295 Abs. 2 InsO hinzuweisen und muss bei einem Verstoß dagegen mit den gesetzlichen Konsequenzen rechnen. III. Rückschlagsperre gemäß § 88 Abs. 2 InsO 287 Die Gesetzesänderung überführt die bislang in § 312 Abs. 1 Satz 3 InsO für Verbraucherinsolvenzverfahren geregelte verlängerte Rückschlagsperre in § 88 Abs. 2 InsO. Da § 312 InsO aufgehoben wird, musste der Gesetzgeber für diese sachlich gebotene Sonderregelung Ersatz schaffen. Nach § 88 Abs. 2 2. Halbs. RegE 2012 sollte die verlängerte Rückschlagsperre nur eintreten, wenn eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans erfolglos geblieben ist.419) Grund für diese eingeschränkte Dreimonatssperre war das Vorhaben im Regierungsentwurf, einen offensichtlich aussichtslosen außergerichtlichen Einigungsversuch entfallen zu lassen. Die seinerzeit aufgestellte Gleichung lautete, ohne Einigungsversuch keine verlängerte Rückschlagsperre. Da der obligatorische außergerichtliche Einigungsversuch beibehalten wurde, ist die verlängerte Rückschlagsperre weiterhin allgemein erforderlich und folgerichtig keine sachliche Änderung erfolgt.420) 288 Die zurückwirkende Vollstreckungssperre aus § 88 Abs. 1 InsO soll im kritischen Monatszeitraum vor der Antragstellung einen Sonderzugriff von Gläubigern auf das Schuldnervermögen verhindern, damit sich nicht Einzelne ein besseres Befriedigungsrecht als die Gläubigergesamtheit verschaffen können.421) Über diesen anfechtungsähnlichen Sinngehalt hinaus ist die Aufgabenstellung der rückwirkenden Vollstreckungssperre im Verbraucherinsolvenzverfahren deutlich erweitert. Ihr Ziel besteht zusätzlich darin, Störungen des außergerichtlichen Einigungsversuchs durch einen Vollstreckungszugriff einzelner Gläubiger während dieser Verhandlungsperiode entgegenzuwirken.422) Dieser Schutzgedanke gilt aufgrund des beibehaltenen obligatorischen Einigungsversuchs uneingeschränkt weiter und ist sachgerecht durch § 88 Abs. 2 InsO fortgeschrieben worden.423) 289 Sprachlich ist die Regelung an die veränderte Stellung im Gesetz angepasst, ohne damit eine inhaltliche Modifikation zu bezwecken. Die verlängerte Vollstreckungssperre ist von einem Verbraucherinsolvenzverfahren abhängig, das auf einen Eigenantrag hin eröffnet wurde. Ihre Frist wird vom An___________ 419) BT-Drucks. 17/11268, S. 23. 420) BT-Drucks. 17/13535, S. 38 f. 421) MünchKomm-InsO/Breuer, § 88 Rn. 1; AGR/Piekenbrock, § 88 Rn. 1; differenzierend Jaeger/Eckardt, § 88 Rn. 6 ff. 422) Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rn. 19. 423) BT-Drucks. 17/11268, S. 22 f.

100

IV. Aufhebung von § 114 InsO

trag an zurückgerechnet. Dabei wird eine geringfügige Ungenauigkeit beibehalten, die bereits in der alten Fassung zu verzeichnen war. Angeknüpft wird an den Insolvenzeröffnungsantrag. Diese Referenz ist regelmäßig präzise. Im Fall des § 306 Abs. 3 Satz 2 InsO, falls zunächst ein Gläubiger und erst anschließend der Schuldner einen Insolvenzantrag stellen, ist der zeitliche Bezugspunkt indessen nicht mehr eindeutig. Nach dem gesetzlichen Zusammenhang, der auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren abstellt, das auf eigenen Antrag des Schuldners eröffnet werden muss, und der Teleologie der verlängerten Rückschlagsperre ist dann auf den Schuldnerantrag abzustellen. Da dem Schuldnerantrag auch in diesem Fall ein außergerichtlicher Einigungsversuch vorauszugehen hat, § 306 Abs. 3 Satz 3 InsO, dessen Störung durch die Vollstreckungssperre verhindert werden soll, ist die Frist vom Eigenantrag an zu berechnen. IV. Aufhebung von § 114 InsO 1. Ausgangslage a) Zielsetzung Mit einem entschiedenen Federstrich hat der Gesetzgeber § 114 InsO aufge- 290 hoben.424) Damit sind alle Privilegierungen aus § 114 InsO und namentlich das Abtretungsprivileg des § 114 Abs. 1 InsO beseitigt. Von den Privilegierungen werden Bezüge aus einem Dienstverhältnis erfasst, die allein aus der Verwertung der Arbeitskraft resultieren, ohne Masseverbindlichkeiten zu begründen.425) Im Unterschied dazu stellen die von einem Arzt abgetretenen Ansprüche gegen die Kassenärztliche bzw. Kassenzahnärztliche Vereinigung keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis dar und werden deswegen nicht von § 114 InsO privilegiert.426) Ursprünglich war eine auf das Abtretungs- und Aufrechnungsprivileg be- 291 schränkte Korrektur geplant. Es sollten vor allem diese zentralen Regelungen, nicht aber § 114 InsO insgesamt, aufgehoben werden. Noch im Referentenentwurf 2012 war vorgesehen, lediglich § 114 Abs. 1, 2 InsO zu streichen.427) Die Bevorrechtigung von Verfügungen durch eine Zwangsvollstreckung sollte dagegen nach dem Referentenentwurf bestehen bleiben, was in den Materialien nicht näher erläutert,428) aber in der anschließenden Diskussion kriti-

___________ 424) 425) 426) 427) 428)

Zum Folgenden Ahrens, NZI 2014, 529. Karsten Schmidt/Ahrens, § 114 Rn. 4 f. BGHZ 167, 363 Rn. 13, 16. Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 420. http://www.sfz.uni-mainz.de/Dateien/Referentenentwurf2012.pdf), S. 42 f.; insoweit nicht in ZInsO 2012, 69 abgedruckt.

101

D. Eröffnetes Verfahren

siert wurde.429) Schließlich setzte sich dann aber doch der umfassende Ansatz mit einer vollständigen Aufhebung durch. 292 Wie seit Langem immer wieder gefordert,430) soll mit der Aufhebung von § 114 InsO die Insolvenzmasse angereichert und die Verteilungsgerechtigkeit erhöht werden. In dem während des Insolvenzverfahrens fortwirkenden Sicherungsrecht wurde eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Sicherungsnehmer zulasten der ungesicherten Gläubiger gesehen.431) Zudem erleichtert die Abschaffung des Abtretungsprivilegs planbasierte Schuldenbereinigungen, wenn nicht mehr in den ersten zwei Jahren die möglichen Leistungen durch die Sicherungsrechte aufgezehrt werden.432) Allerdings sind damit noch nicht sämtliche abtretungsbezogenen Risiken einer Schuldenbereinigung durch einen Akkord ausgeschlossen. Letztlich hätte das Gleichbehandlungsargument aber wohl doch nicht genügt, um das Vorrecht des § 114 InsO substanziell zu erschüttern. Zu lange ist in der Vergangenheit die Aufhebung des Abtretungsprivilegs ohne nachhaltige Reaktion gefordert worden. 293 Erst nachdem die rechtspolitische Entscheidung für eine Beibehaltung der Kostenstundung gefallen war und deswegen nach neuen Refinanzierungsmöglichkeiten gesucht wurde, kam in die Diskussion Bewegung. So begründet der Regierungsentwurf 2012 den Vorschlag, § 114 InsO zu streichen, auch mit der dadurch eröffneten Chance, die Landesjustizverwaltungen zu entlasten.433) Das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren bildet demgegenüber, obwohl es in den Gesetzgebungsmaterialien durchaus herausgestellt wurde,434) lediglich ein sekundäres Argument. Auf das Erreichen der 35 % Quote nebst einer Kostendeckung hat die Sicherungsabtretung nur begrenzten Einfluss. Allerdings droht bei einer verkürzten Verfahrensdauer eine noch größere Ungleichbehandlung zwischen den gesicherten und den ungesicherten Gläubigern, weil die Quote auf die gesamten Forderungen und nicht die Einzelforderung zu beziehen ist. 294 Etwas überraschend war diese Novelle viel weniger umstritten, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Obwohl es einige Einwände der Kreditwirtschaft und der institutionellen Gläubiger gab,435) blieben sie doch ohne größere Wucht. Selbst in der Sachverständigenanhörung des Bundestagsrechtsaus___________ 429) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 420; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 566. 430) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 26.06; Grote, ZInsO 1999, 31, 32; ders., ZInsO 2010, 1974, 1976; Schmidberger, Rpfleger, 2012, 297; Schmerbach, NZI 2012, 161, 165; Henning, ZVI 2014, 7, 9 spricht von einer überfälligen Änderung; a. A. Wittig, WM 1998, 209, 219 ff. 431) AGR/Hergenröder, § 114 Rn. 1; Hergenröder, KTS 2013, 385, 404; Harder, NZI 2012, 113; DRB, Stellungnahme, ZInsO 13/2013, III. 432) Harder, NZI 2012, 113, 114. 433) BT-Drucks. 17/11268, S. 23. 434) BT-Drucks. 17/11268, S. 23; Hergenröder, KTS 2013, 385, 404. 435) Obermüller, ZVI 2012, 146, 147; Jäger, ZVI 2012, 177, 184 f.; Nocke, FLF 2012, 157, 161.

102

IV. Aufhebung von § 114 InsO

schusses wurde von der Vertreterin des Bankenfachverbands nur wenig eindringlich mit einer befürchteten Kreditverknappung argumentiert.436) Vielleicht stand dahinter die Überlegung, durch die Aufhebung von § 114 InsO nur begrenzt in den eigenen Interessen betroffen zu werden.437) Bezeichnend für eine insgesamt eher oberflächliche Diskussion über § 114 295 InsO ist die fehlende literarische Auseinandersetzung darüber, zu welchen Konsequenzen die gestrichene Regelung führt. Soweit ersichtlich, gibt es lediglich eine alsbald in der Reformdebatte vorgetragene Überlegung, wonach die Aufhebung von § 114 Abs. 1 InsO das Absonderungsrecht des Zessionars nicht berührt.438) Eine weitergehende Auseinandersetzung mit diesem Problem unterblieb. Um die Wirkungen des gestrichenen Abtretungsprivilegs beurteilen zu können, 296 muss zwischen den verschiedenen Stationen eines Insolvenzverfahrens differenziert werden. Die Rechtsfolgen sind danach zu unterscheiden, ob das Insolvenzverfahren nicht eröffnet oder als eröffnetes Verfahren aufgehoben bzw. eingestellt respektive in anderer Weise beendet wurde. Zu besonderen Konsequenzen führen die gesetzliche Restschuldbefreiung und die Schuldbefreiung durch einen Insolvenzplan. b) Inkrafttreten Die Aufhebung von § 114 InsO gilt nach Art. 9 des Gesetzes zur Verkür- 297 zung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte i. V. m. Art. 103h Satz 1 EGInsO für alle ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren.439) Unabhängig vom Zeitpunkt der Sicherungsabtretung entfällt ab diesem Termin das Abtretungsprivileg. Demgegenüber wird angenommen, bei Abtretungen, die noch unter dem alten Recht erfolgt seien, müsse der Vorrang für zwei Jahre fortbestehen, weil die Wirksamkeit der Zession nach der Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Vornahme zu beurteilen sei.440) Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen, weil mit der Aufhebung von § 114 InsO keine materiellrechtlich zu beurteilende Wirksamkeitsregel fixiert, sondern bestimmt wird, wie eine Sicherungszession verfahrensrechtlich zu behandeln ist. Vor allem kollidiert diese Auffassung aber mit dem Verständnis von § 114 298 Abs. 1 InsO als einer den Rechtserwerb zeitweilig eröffnenden Norm (dazu ___________ 436) Nocke, in: Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Rechtsausschuss, Protokoll der 110. Sitzung, S. 10 f., http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/ Gesetzesmaterialien/17_wp/Restschuldverk/wortproto.pdf?__blob= publicationFile. 437) Ahrens, NZI 2014, 529, 530. 438) Ahrens, Norddeutsches Insolvenzforum, 5.11.2012, S. 65, http://www.insoforum.de/ dateien/vortragprofdrahrensvom51120122012.2012. 439) Andres/Leithaus/Andres, § 114 Rn. 1. 440) MünchKomm-InsO/Caspers, § 114 Rn. 5.

103

D. Eröffnetes Verfahren

Rn. 303 f.).441) Da nach dieser Ansicht der Rechtserwerb bereits nach § 91 Abs. 1 InsO unwirksam sein soll und § 114 Abs. 1 InsO lediglich eine vorübergehende Privilegierung begründet, ist keine neue Unwirksamkeitsregel geschaffen. Bestätigt wird dieses Verständnis auch durch eine ganz pragmatische Erwägung. Weder bei der Einführung der Insolvenzordnung und § 114 InsO noch bei der Verkürzung des Abtretungsprivilegs von drei auf zwei Jahre durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001442) wurden die Sicherungszessionen nach der bei ihrer Vereinbarung geltenden Rechtslage beurteilt. 2. Entgeltabtretungen und -verpfändungen gemäß § 114 Abs. 1 InsO a) Rechtsfolgen vor Beendigung eines Insolvenzverfahrens aa) Wirkungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens 299 Die Lohnabtretung begründet ein dingliches Sicherungsrecht. Wird kein Insolvenzverfahren eröffnet, besteht die Sicherungszession so lange, wie in der Sicherungsabrede bestimmt. In einem außergerichtlichen Einigungsversuch kann die Aufhebung des Sicherungsrechts vorgesehen werden. Ohne eine derartige Regelung existiert das Sicherungsrecht fort. Allerdings unterliegt der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan dem Konsenszwang. Auch der Sicherungsnehmer muss deswegen der in einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan vorgesehenen Aufhebung der Sicherungsabtretung zustimmen. Obwohl beim außergerichtlichen Einigungsversuch kein Schlechterstellungsverbot gilt,443) ist eine Einigung nur zu erwarten, wenn die Gläubiger nicht schlechter als in einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan gestellt werden. 300 Im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren darf der Gläubiger nicht schlechter gestellt werden, als er voraussichtlich stünde, wenn das Verfahren über den Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrag durchgeführt würde, § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO. Da nach der hier entwickelten Ansicht mit einer eingeleiteten Treuhandperiode die Sicherungsabtretung entfällt (Rn. 314), kann im Plan eine Aufhebung des Sicherungsrechts vorgesehen werden. Da die insolvenzrechtlichen Wirkungen noch nicht unmittelbar eingreifen, muss ggf. auch eine Aufhebung bestimmt sein. 301 Im Insolvenzverfahren begründet die Sicherungsabtretung als dingliches Recht ein Absonderungsrecht i. S. d. §§ 50, 51 Nr. 1 InsO. Inwieweit dieses Recht während des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden kann, beantworteten bislang die §§ 91, 114 InsO. Auch wenn dieses Vorzugsrecht während der ___________ 441) BGHZ 167, 363 Rn. 9 ff.; BGH, NZI 2007, 39 Rn. 9; 2010, 564 Rn. 15; Ahrens, NZI 2014, 529, 530. 442) BGBl. I S. 2710. 443) FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 35.

104

IV. Aufhebung von § 114 InsO

Insolvenz nicht realisiert werden kann, muss damit nicht zugleich die Sicherungskraft des Rechts enden. Anders formuliert ist zu untersuchen, wie sich die Streichung von § 114 InsO auf die Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz und auf die dingliche Sicherung auswirkt. Endet das Insolvenzverfahren ohne Schuldenbereinigungsplan und ohne er- 302 öffnet worden zu sein, bleibt die Sicherungszession wirksam.444) Eine solche Sachlage kann eintreten, wenn der Insolvenzantrag unzulässig ist oder die Verfahrenskosten nicht gestundet wurden und deswegen der Insolvenzantrag mangels Kostendeckung abgewiesen wurde, § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO. Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, hat dieser die zur Sicherheit abgetretenen Forderungen einzuziehen.445) Zusätzlich kann das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Eröffnungsverfahren einen Verwertungs- und Einziehungsstopp für Absonderungsrechte anordnen und dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Einziehung der zur Sicherung abgetretenen Forderungen übertragen.446) Diese Sicherungsmaßnahmen heben lediglich bestimmte aus der Zession resultierende Gläubigerrechte, nicht aber das Absonderungsrecht als solches auf. Enden die Sicherungsmaßnahmen, weil der Eröffnungsantrag verworfen oder abgewiesen wird, kann die Forderungsabtretung anschließend uneingeschränkt realisiert werden. bb) Konsequenzen im eröffneten Insolvenzverfahren Das überwiegend vertretene Verständnis von § 114 Abs. 1 InsO ist durch die 303 aktuelle Rechtsprechung des BGH geprägt. Geleitet wird dessen Ansicht durch ein Modell zum Rechtserwerb an Gegenständen der Insolvenzmasse und insbesondere zum Verhältnis zwischen § 91 Abs. 1 InsO und § 114 Abs. 1 InsO. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung447) und ihm folgend die ältere Literatur448) sind noch von der Vorstellung ausgegangen, § 114 Abs. 1 InsO lasse Abtretungen und Verpfändungen befristet wirksam werden. Infolgedessen wurde § 114 Abs. 1 InsO eine die Vorausverfügung begrenzende Wirkung beigemessen. Allerdings kollidierte diese Interpretation mit § 91 Abs. 1 InsO. § 91 Abs. 1 InsO schließt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen 304 Rechtserwerb an Gegenständen der Insolvenzmasse aus. Verfügungen des Insolvenzverwalters werden dadurch nicht betroffen.449) Da Gehaltsforderungen erst nach Erbringung der Gegenleistung durch den Dienstverpflichteten ___________ 444) Ahrens, NZI 2014, 529, 530. 445) BGH, NZI 2001, 191, 193; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 41; Jaeger/Gerhardt, § 22 Rn. 97; siehe auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 22 Rn. 22. 446) MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 96. 447) BT-Drucks. 12/2443, S. 151. 448) Flöther/Bräuer, NZI 2006, 136, 140 f.; Dobmeier, NZI 2006, 144, 148; a. A. Wegener/ Köke, ZVI 2003, 382, 385 f.; Sander, ZInsO 2003, 1129, 1131. 449) Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, § 91 Rn. 9.

105

D. Eröffnetes Verfahren

entstehen,450) wäre ihre Vorausabtretung ab der Insolvenzeröffnung generell unwirksam. Eine zusätzliche Wirksamkeitsbeschränkung der Vorausabtretung durch § 114 Abs. 1 InsO wäre sinnlos,451) weswegen der BGH § 114 Abs. 1 InsO in seiner aktuellen Rechtsprechung eine andere Bedeutung beimisst. Als Ausnahme zu § 91 Abs. 1 InsO normiert § 114 Abs. 1 InsO die Wirksamkeit von Vorausabtretungen.452) Die Vorschrift privilegiert damit Vorausabtretungen über die binnen zwei Jahren nach Insolvenzeröffnung entstehenden Dienstbezüge. Mit der Aufhebung von § 114 Abs. 1 InsO endet diese Bevorrechtigung. 305 Zwischen den verschiedenen Arten von Sicherungsabtretungen wird nicht differenziert. Betroffen ist gleichermaßen die Sicherungszession von Entgeltforderungen für einen Bankkredit als auch für ein Arbeitgeberdarlehen.453) Verschafft der Schuldner dennoch dem Arbeitgeber besondere Vorteile, ist das Abkommen nach § 294 Abs. 2 InsO nichtig und es droht eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO. 306 Neben dem praktisch besonders wichtigen und deswegen die Aufmerksamkeit nahezu vollständig absorbierenden Lohnabtretungsprivileg normiert § 114 InsO weitere Bevorrechtigungen. Sachlich und zeitlich parallel zum Abtretungsprivileg begründet § 114 Abs. 2 InsO über eine erweiterte Aufrechnungsbefugnis ein Aufrechnungsprivileg des Dienstberechtigten gegen den Schuldner. Außerdem erweitert § 114 Abs. 3 InsO die Wirksamkeit von Pfändungen in Bezügeforderungen geringfügig über den Eröffnungszeitpunkt hinaus454) und schafft insoweit ein Pfändungsprivileg.455) 307 Das Zusammenspiel von § 91 Abs. 1 InsO als eine den Rechtserwerb ausschließende und § 114 Abs. 1 InsO als eine den Rechtserwerb eröffnende Vorschrift ist freilich sachlich begrenzt. Ungeachtet der bestehenden Schwierigkeiten, den Regelungsgehalt von § 91 Abs. 1 InsO sachgerecht zu erfassen,456) soll § 91 Abs. 1 InsO eine Abgrenzungsfrage zur Sicherung der Insolvenzmasse zugunsten der Gläubiger regeln und damit zu gleichmäßigeren und insgesamt besseren Befriedigungsaussichten beitragen.457) § 91 Abs. 1 InsO verhindert den Rechtserwerb an Gegenständen der Insolvenzmasse. Der Rege___________ 450) RGZ 142, 291, 295; BGHZ 167, 363 Rn. 7; BGH, NZI 2008, 563 Rn. 13; BAG, NJW 1993, 2699, 2700; NZA 2013, 1079 Rn. 36. 451) BGHZ 167, 363 Rn. 11. 452) BGHZ 167, 363 Rn. 9 ff.; BGH, NZI 2007, 39 Rn. 9; 2010, 564 Rn. 15; MünchKommInsO/Caspers, § 114 Rn. 2 f.; Karsten Schmidt/Ahrens, § 114 Rn. 1; AGR/Hergenröder, § 114 Rn. 1; FK-InsO/Eisenbeis, § 114 Rn. 2; Jaeger/Giesen, § 114 Rn. 5 ff.; Kübler/ Prütting/Bork/Moll, § 114 Rn. 12; Hergenröder, KTS 2013, 385, 404; a. A. Uhlenbruck/ Berscheid/Ries, § 114 Rn. 17 ff. 453) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1436; Hergenröder, KTS 2013, 385, 405. 454) BAG, NZI 2010, 35 Rn. 16; NZA 2013, 1079 Rn. 40. 455) Vgl. BGH, NZI 2011, 365 Rn. 10 ff.; Karsten Schmidt/Ahrens, § 114 Rn. 3. 456) Vgl. Jaeger/Windel, § 91 Rn. 5. 457) MünchKomm-InsO/Breuer, § 91 Rn. 2.

106

IV. Aufhebung von § 114 InsO

lungsbereich der Vorschrift setzt also einen Insolvenzbeschlag voraus. Beschlagsfreies Vermögen des Schuldners ist nicht betroffen.458) Endet der Insolvenzbeschlag, bleibt die Frage nach den Konsequenzen für eine Vorausabtretung. b) Fallgestaltungen nach Ende des Insolvenzverfahrens Endet das Insolvenzverfahren mitsamt seiner insolvenzrechtlichen Wirkun- 308 gen, ohne in ein Restschuldbefreiungsverfahren übergeleitet zu werden, steht den Insolvenzgläubigern das unbeschränkte Nachforderungsrecht aus § 201 Abs. 1 InsO zu. Dies betrifft die Fälle, in denen kein Restschuldbefreiungsantrag gestellt, der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig verworfen oder die Restschuldbefreiung nach § 290 InsO versagt wurde. Mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens enden auch die Rechtsbeschränkungen aus § 91 Abs. 1 InsO,459) vom Sonderfall der Nachtragsverteilung mit dem insoweit ex nunc erneuerten Insolvenzbeschlag abgesehen.460) Die Sicherungsabtretung wird dann nach den Maßstäben des BGH durch Konvaleszenz wirksam und kann gegenüber dem Schuldner realisiert werden. In anderen Konstellationen ist zwar das Insolvenzverfahren in Bezug auf die 309 Entgeltforderungen aufgehoben, doch sind damit noch nicht sämtliche insolvenzrechtliche Einbettungen und Bindungen beendet. Einerseits betrifft dies die Sicherungsabtretung nach einer Negativerklärung über die selbständige Tätigkeit des Schuldners gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, andererseits die Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens sowie den dann zumeist daran anschließenden Übergang in die Treuhandperiode. Außerdem sind zwei Gestaltungen zu analysieren, in denen das Insolvenzver- 310 fahren aufgehoben und eine weitergehende schuldbefreiende Wirkung eingetreten ist. Vorrangig ist hierbei an eine nach Ablauf der Abtretungsfrist erteilte Restschuldbefreiung zu denken. Es kommt aber auch eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Anschluss an einen bestätigten Insolvenzplan in Betracht.461) Schließlich sind noch einige Sonderkonstellationen zu beachten. c) Aufhebung des Insolvenzbeschlags bei anderen insolvenzrechtlichen Wirkungen aa) Negativerklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO Die erste Fallgruppe bildet ein Kontrastprogramm zur Vorausabtretung 311 künftiger Lohnforderungen, weil ein selbständig erwerbstätiger Schuldner ___________ 458) Jaeger/Windel, § 91 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Breuer, § 91 Rn. 8; Uhlenbruck/ Uhlenbruck, § 91 Rn. 3, 8. 459) AGR/Piekenbrock, § 91 Rn. 2. 460) MünchKomm-InsO/Hintzen, § 203 Rn. 21. 461) Münzel, ZInsO 2014, 761, 765.

107

D. Eröffnetes Verfahren

betroffen ist. Auf die Abtretung seiner Entgeltansprüche ist § 114 Abs. 1 InsO nicht anwendbar.462) Um die Masse zu schützen sowie den Betrieb des Unternehmens fortführen zu können, besteht in diesen Fällen während des Insolvenzverfahrens die Rechtsbeschränkung aus § 91 Abs. 1 InsO. Als Kompensation für die Masseverbindlichkeiten, die durch die Betriebsausgaben im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit entstehen, sollen Wertschöpfungen mit Mitteln der Masse uneingeschränkt der Gläubigergemeinschaft zugutekommen.463) 312 Nach einer Negativerklärung fällt der Neuerwerb des Schuldners nicht mehr in die Insolvenzmasse. Es endet damit auch die Rechtsbeschränkung aus § 91 Abs. 1 InsO. Aus der Perspektive des Masseschutzes, der einer Privilegierung des Sicherungsnehmers nach § 114 Abs. 1 InsO entgegenstand, ist keine weitere Begünstigung geboten. Aufgrund dieser Teleologie kann der Sicherungsnehmer sein Sicherungsrecht nach einer Negativerklärung realisieren, weil aus der selbständigen Erwerbstätigkeit keine neuen Masseverbindlichkeiten entstehen und die Masse belasten können. Auf dieser Linie liegt die Rechtsprechung des BGH, nach der eine Konvaleszenz der Sicherungsabtretung eintritt, weswegen Vorausabtretungen von Vergütungsforderungen ab dem Zeitpunkt der Negativerklärung als gültig zu betrachten sind.464) Die danach wirksame Sicherungsabtretung kollidiert allerdings mit der für den selbständig erwerbstätigen Schuldner bestehenden Zahlungspflicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO i. V. m. dem entsprechend anzuwendenden § 295 Abs. 2 InsO. Die Lösung ist in diesen Fällen wohl über § 850i ZPO zu suchen.465) bb) Treuhandperiode 313 Tritt der Schuldner in die Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens ein, sind das Insolvenzverfahren und damit auch die Beschlagswirkung aufgehoben. Dann könnte allerdings eine zeitlich frühere, möglicherweise durch Konvaleszenz wirksam gewordene Sicherungsabtretung mit der Bezügeabtretung aus § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO kollidieren. Dem steht § 81 Abs. 2 InsO nicht entgegen, denn die Regelung hindert den Schuldner lediglich daran, nach der Verfahrenseröffnung über sein künftiges Einkommen zu verfügen.466) Mit dieser Bestimmung wird zwar angestrebt, das Einkommen des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens für die Gläubigerbefriedigung in der Treuhandperiode oder einem Insolvenzplan fruchtbar zu ___________ 462) BGHZ 167, 363 Rn. 13 ff. 463) BGHZ 167, 363 Rn. 18 f. 464) BGH, NZI 2013, 641 Rn. 26; vorbereitet durch BGHZ 166, 74 Rn. 20 ff.; außerdem Jaeger/Windel, § 91 Rn. 114; MünchKomm-InsO/Breuer, § 91 Rn. 69; a. A. v. Gleichenstein, ZVI 2013, 409, 419 ff.; Heinze, DZWIR 2013, 386, 387 ff. 465) Ahrens, NJW-Spezial 2014, 85. 466) Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 81 Rn. 19.

108

IV. Aufhebung von § 114 InsO

machen.467) Vor der Verfahrenseröffnung vorgenommene Vorausverfügungen werden davon aber nicht betroffen. Einen belastbaren Anknüpfungspunkt dafür, wie die konfligierenden Rechts- 314 positionen aufzulösen sind und welche Wirkungen eine Vorausabtretung in der Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens entfalten könnte, liefert § 294 Abs. 2 InsO. Aufgrund des weit zu verstehenden Tatbestandsmerkmals können Abtretungen allgemein und damit auch Vorausabtretungen des Arbeitseinkommens unzulässige Sonderabkommen bilden.468) Erfasst werden gerade auch Abtretungen künftiger Lohnforderungen des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens,469) denn das Abkommen muss nicht während der Laufzeit der Abtretungserklärung, sondern kann bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen worden sein.470) Eine subjektive Komponente ist nach dem objektiv formulierten Wortlaut und Normzweck nicht erforderlich. Die Parteien müssen deswegen nicht bei Abschluss des Abkommens die Ankündigung der Restschuldbefreiung als möglich angesehen und das Abkommen auch auf diesen Fall bezogen haben.471) Es genügt, wenn die Rechtsfolgen in der Treuhandperiode eintreten.472) So handelt es sich um eine Wirkung, nicht um eine Vorwirkung473) des § 294 Abs. 2 InsO. Im Übrigen wäre diese Voraussetzung für Sicherungsabtretungen ganz unproblematisch zu bejahen, die gerade insolvenzfest sein und vor den daraus resultierenden Konsequenzen schützen sollen. Lohnabtretungen scheitern deswegen bereits an der Schranke des § 294 Abs. 2 InsO. Sie können während der Treuhandperiode nicht realisiert werden, wovon auch die allgemeine Praxis ausgeht. In den parlamentarischen Beratungen ist mit Blick auf die Bezügeabtretung 315 § 287 Abs. 3 InsO neu gefasst worden. Danach sind u. a. Vorausverfügungen insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO vereiteln oder beeinträchtigen würden. Ausdrücklich bezeichnet der Rechtsausschuss diese Novelle als Klarstellung.474) Offenbar sind die Parlamentarier ebenfalls von einer durch § 294 Abs. 2 InsO geklärten, hinreichend stabilen Rechtsgrundlage ausgegangen und wollten nur letzte Zweifel beseitigen. Wegen der argumentativ sparsamen wissenschaftlichen Diskussion sind die Folgefragen einer Aufhebung von § 114 InsO sichtbar erst auf der letzten Etappe der parlamentarischen Beratungen wahrgenommen worden. ___________ 467) Jaeger/Windel, § 81 Rn. 79. 468) FK-InsO/Ahrens, § 294 Rn. 31; Uhlenbruck/Vallender, § 294 Rn. 22. 469) Dem steht auch die Position von Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 294 Rn. 6, nicht entgegen, der lediglich von Dritten bestellte Kreditsicherheiten für wirksam hält. 470) MünchKomm-InsO/Ehricke, § 294 Rn. 28; FK-InsO/Ahrens, § 294 Rn. 32; HambK/ Streck, § 294 Rn. 8. 471) A. A. Uhlenbruck/Vallender, § 294 Rn. 25. 472) FK-InsO/Ahrens, § 294 Rn. 32. 473) So aber Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 551. 474) BT-Drucks. 17/13535, S. 39; ebenso Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1436.

109

D. Eröffnetes Verfahren

So liegt dann der Novellierung von § 287 Abs. 3 InsO keine umfassende Analyse zugrunde. Die Regelung trägt daher einen Versicherungscharakter, der eingreifen soll, wenn keine anderen Schutzmechanismen greifen. Jedenfalls sollte eine Vorausabtretung bis zum Ende der Abtretungsfrist wirkungslos bleiben. Zeitlich schließt § 287 Abs. 3 InsO unmittelbar an § 91 Abs. 1 InsO an und bestätigt die Rechtsbeschränkung bis zum Ende der Abtretungsfrist.475) d) Rechtsfolgen nach der Restschuldbefreiung aa) Problemlage 316 Endet die Abtretungsfrist und wird die Restschuldbefreiung erteilt, ist unter einem veränderten Blickwinkel zu prüfen, ob die Vorausabtretung künftiger Gehaltsforderungen vom Sicherungsnehmer realisiert werden kann. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist laufen die zugunsten der Gläubigergemeinschaft bestehenden spezifischen Schutzerfordernisse aus. Aus diesem entfallenden Schutzzweck scheint § 301 Abs. 2 InsO die Konsequenz zu ziehen, soweit Absonderungsrechte der Insolvenzgläubiger durch die Restschuldbefreiung nicht berührt werden.476) 317 Diese Rechtsfolge träfe zunächst den Schuldner. Die ihm erteilte Restschuldbefreiung wäre durch fortbestehende Lohnabtretungen in einem ganz wesentlichen Bereich entwertet. Außerdem kehrt sich die mit der Aufhebung von § 114 InsO intendierte Wirkung von einem Masseschutz in eine Schuldnerbenachteiligung um. Solange das Abtretungsprivileg aus § 114 Abs. 1 InsO bestand, konnte die Forderung des Sicherungsnehmers während des Verfahrens zumindest bevorrechtigt befriedigt und damit getilgt werden. Ohne Abtretungsprivileg entfällt diese Konsequenz. Soweit der Zessionar durch die Aufhebung von § 114 Abs. 1 InsO im Verfahren mit seiner Befriedigung ausfällt, könnte er jedoch seine Ansprüche problemlos nach Erteilung der Restschuldbefreiung realisieren und damit die Haftung des Schuldners verlängern. Die Chancen auf einen Fresh Start wären nachhaltig beeinträchtigt. Ein Fortbestand der Entgeltabtretung wird deswegen als untragbar und mit den Zielen der Restschuldbefreiung unvereinbar angesehen.477) 318 Zudem berührt eine über die Erteilung der Restschuldbefreiung hinaus wirksame Vorausabtretung der Bezüge auch die fiskalischen Interessen. Im vierjährigen Nachhaftungszeitraum konkurrieren dann die Befriedigungsansprüche der Landesjustizkassen mit den Sicherungsabtretungen. Für den anhand der Leistungsfähigkeit des Schuldners zu bemessenden Zahlungsanspruch für die gestundeten Kosten aus § 4b InsO ist nach § 115 ZPO nur frei verfügbares ___________ 475) Ahrens, NZI 2014, 529, 531 f. 476) Vgl. etwa Münzel, ZInsO 2014, 761, 764. 477) Heinze, DZWIR 2013, 386, 388; Münzel, ZInsO 2014, 761, 768.

110

IV. Aufhebung von § 114 InsO

Einkommen zu berücksichtigen.478) Folgerichtig mindern abgetretene Vergütungsansprüche das Einkommen.479) In der Konsequenz sinken die Chancen der Justizkassen, in der vierjährigen Nachhaftungsperiode ihre Ansprüche realisieren zu können. Soweit ersichtlich, sind diese Konsequenzen aus einer Aufhebung von § 114 319 InsO im aktuellen Gesetzgebungsverfahren nicht vorab erörtert worden. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung scheint freilich von einer Unwirksamkeit der Lohnabtretung auch nach der Restschuldbefreiung ausgegangen zu sein. In den Materialien wird darauf abgestellt, solange die regelmäßig vorliegende Abtretung der Bezüge wirksam wäre, müsste der Schuldner den pfändbaren Teil des Einkommens an den gesicherten Gläubiger zahlen, ohne insoweit eine Schuldbefreiung erreichen zu können. Die Restschuldbefreiung gegenüber den übrigen Gläubigern würde ihm dann nur wenig nutzen.480) Infolgedessen sollten die Wirkungen der Vorausverfügungen über Dienstbezüge eingeschränkt werden. Unabhängig von der bekanntlich unsicheren dogmatischen Einordnung sollte im Gesetzgebungsverfahren eine dauerhafte Schuldbefreiung auch gegenüber den durch eine Lohnabtretung gesicherten Gläubigern erreicht werden. Jedenfalls erscheint es kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber der Insolvenzordnung ein Zugriffsrecht der Zessionare nach Erteilung der Restschuldbefreiung billigen wollte. Gerade die verlängerte Haftung des Schuldners und die Interessenkollision 320 zwischen den Sicherungsnehmern und den Landesjustizkassen sind offenbar auch im aktuellen Gesetzgebungsverfahren nicht erkannt worden. Im Gegenteil wird in den Materialien darauf abgestellt, mit Aufhebung des Lohnabtretungsprivilegs werde es dem Schuldner leichter gelingen, die gestundeten Verfahrenskosten zurückzuzahlen.481) Bei einer Konvaleszenz der Sicherungsabtretung nach Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist wäre dies freilich weithin unzutreffend. Jedenfalls erscheint es sehr zweifelhaft, ob diese Folgen vom gesetzgeberischen Willen gedeckt sind, der eher eine verfahrensrechtliche Besserstellung auch für den Schuldner beabsichtigte. bb) Konvaleszenz Da die Vorausabtretung der Bezüge während des Insolvenzverfahrens un- 321 wirksam ist, kann der Sicherungsnehmer die abgetretenen Forderungen nur dann realisieren, wenn die Abtretung nach Erteilung der Restschuldbefreiung durch Konvaleszenz wirksam geworden ist.482) Dies hat der BGH für die ___________ 478) MünchKomm-ZPO/Motzer, § 115 Rn. 7. 479) Stein/Jonas/Bork, § 115 Rn. 7; PG/Völker/Zempel, § 115 Rn. 7; Zöller/Geimer, § 115 Rn. 5. 480) BT-Drucks. 12/2443, S. 151; siehe auch BGHZ 167, 363 Rn. 10. 481) BT-Drucks. 17/11268, S. 23. 482) Dies ist dann auch die Konsequenz von Heinze, ZInsO 2013, 2401, 2411.

111

D. Eröffnetes Verfahren

Rechtslage nach einer Negativerklärung angenommen.483) Damit ist jedoch noch nicht beantwortet, ob auch im Anschluss an eine Restschuldbefreiung die Konvaleszenz eintreten kann. Dazu müssen die Wirkungen der jeweiligen Rechtsbeschränkungen während des Insolvenz- und des Restschuldbefreiungsverfahrens analysiert und verglichen werden. 322 Aufgrund der Rechtsfolgenanordnung des § 91 Abs. 1 InsO können nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechte an Massegegenständen nicht wirksam erworben werden. Der Rechtserwerb ist danach absolut unwirksam, aber nicht nichtig.484) Deswegen kann die Unwirksamkeit durch Konvaleszenz geheilt werden. An diesen Gedanken knüpft auch die Rechtslage bei der Konvaleszenz im engeren Sinn des § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB an, die wie der Fall des § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB voraussetzt, dass die Verfügung noch schwebend unwirksam ist.485) Daran fehlt es, wenn das Geschäft bereits endgültig unwirksam ist.486) Auf diese systematische Einbettung der Konvaleszenz in eine schwebende Unwirksamkeit stellt auch der BGH in seiner Leitentscheidung zu § 88 InsO ab.487) cc) Nichtigkeit gemäß § 294 Abs. 2 InsO 323 Von dieser Unwirksamkeitsfolge des § 91 Abs. 1 InsO weicht die Folgenanordnung des § 294 Abs. 2 InsO bereits aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts ab, nachdem unzulässige Sonderabkommen nichtig sind. Einem nichtigen Geschäft versagt die Rechtsordnung die gewollte Wirkung und zwar grundsätzlich umfassend, endgültig, von Anfang an und gegenüber jedermann.488) Niemand kann aus dem nichtigen Geschäft rechtliche Wirkungen ableiten, weil es in jeder Beziehung unwirksam ist und dauernd unwirksam bleibt.489) Diese Nichtigkeitsanordnung ist aus § 181 Satz 3 KO entlehnt.490) Dort wurde die Nichtigkeitsanordnung als ein im öffentlichen Interesse gegebenes Verbotsgesetz angesehen, weswegen die Rechtsfolge nach Maßgabe von § 134 BGB eintritt.491) Die Wirkung erfolgt gegenüber jedermann und kann auch

___________ 483) BGH, NZI 2013, 641 Rn. 26. 484) MünchKomm-InsO/Breuer, § 91 Rn. 69; Jaeger/Windel, § 91 Rn. 114; HK-InsO/ Kayser, § 91 Rn. 47; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, § 91 Rn. 5; für ein endgültiges Erlöschen Münzel, ZInsO 2014, 761, 767 f. 485) Dazu Staudinger/Gursky, 2009, § 185 Rn. 48; MünchKomm-BGB/Bayreuther, § 185 Rn. 47. 486) BGH, NJW 1993, 2525, 2526. 487) BGHZ 166, 74 Rn. 20. 488) Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1207. 489) Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 55 Rn. 1. 490) BT-Drucks. 12/2443, S. 191. 491) Kuhn/Uhlenbruck, § 181 Rn. 10; Kilger/Karsten Schmidt, § 181 KO Anm. 3.

112

IV. Aufhebung von § 114 InsO

nicht durch Genehmigung geheilt werden.492) Folgerichtig trifft die Nichtigkeitsanordnung des § 294 Abs. 2 InsO das Sonderabkommen als Ganzes.493) Eine zeitliche Beschränkung ist der Nichtigkeitsanordnung fremd. Dem stehen 324 auch nicht die Materialien zu § 243 Abs. 2 des Entwurfs einer Insolvenzordnung entgegen, der dem geltenden § 294 Abs. 2 InsO entspricht. Danach stellt die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung während der Treuhandperiode einen wesentlichen Grundsatz der Vorschriften über die Restschuldbefreiung dar.494) Zu den Wirkungen nach Ende der Treuhandperiode positionieren sich diese Erwägungen nicht. Erst recht kann daraus nicht die positive Bedeutung abgeleitet werden, nach Eintritt der Restschuldbefreiung trete das Sonderabkommen erneut in Kraft. Wenn eine befristete Rechtsfolge gewollt gewesen wäre, hätte eine Unwirksamkeit und nicht die Nichtigkeit angeordnet werden müssen. Ebenso wenig kommt es auf eine dialektische Spannung aus einer fehlenden 325 Vorwirkung und einer deswegen ebenfalls nicht existierenden Nachwirkung an.495) Bereits die Vorstellung einer Nachwirkung496) ist mit dem Konzept einer Nichtigkeitsanordnung nicht in Einklang zu bringen. Ohne dies auszusprechen, werden damit systematisch allenfalls in das Gefüge einer Unwirksamkeitsfolge passende Überlegungen angestellt. Für eine solche vom zweifelsfreien Gesetzeswortlaut und der eindeutigen Systematik sowie der klaren Teleologie abweichende Interpretation existieren jedoch keine Anhaltspunkte und sie wird auch sonst, soweit ersichtlich, nicht vertreten. Auch der den Materialien497) entnommene Gedanke einer Gläubigergleichbehandlung während der „Wohlverhaltensphase“498) vermag keinen weiteren Aufschluss über die nach Erteilung der Restschuldbefreiung eintretenden Konsequenzen zu geben. Als Sonderabkommen ist die Vorausabtretung künftiger Entgeltforderungen 326 des Schuldners nichtig. Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann jedoch in aller Regel nicht nach Erteilung der Restschuldbefreiung durch Konvaleszenz wirksam werden. Dies gilt unabhängig vom Zeitpunkt, in dem die Forderungen entstehen. § 294 Abs. 2 InsO erfasst auch die mit Eintritt in den Rentenbezug insgesamt entstandenen,499) sicherungshalber abgetretenen Rentenforde___________ 492) Kuhn/Uhlenbruck, § 181 Rn. 10. 493) Uhlenbruck/Vallender, § 294 Rn. 26; FK-InsO/Ahrens, § 294 Rn. 31; AGR/Fischer, § 294 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 294 Rn. 33; HambK/Streck, § 294 Rn. 12; Ahrens, NZI 2014, 529, 533. 494) BT-Drucks. 12/2443, S. 191. 495) So aber Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 551. 496) Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 551. 497) BT-Drucks. 17/13535, S. 27. 498) So aber Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 551 f. 499) BGH, NZI 2009, 574 Rn. 20 ff.

113

D. Eröffnetes Verfahren

rungen.500) Die Einkünfte Selbständiger werden nach der Rechtsprechung des BGH von der Bezügeabtretung grundsätzlich nicht erfasst.501) Bereits deswegen den Anwendungsbereich von § 294 Abs. 2 InsO zu verneinen, engt den Schutz durch die Bestimmung zu sehr ein. Eine Sicherungsabtretung der Einkünfte des Selbständigen konkurriert mit seinen Zahlungen aus § 295 Abs. 2 InsO. Um diese Leistungen zu schützen, ist es gerechtfertigt, die Abtretung als nichtiges Sonderabkommen zu behandeln. 327 Dieses Verständnis von § 294 Abs. 2 InsO kollidiert auch nicht mit § 287 Abs. 3 InsO. Allerdings sind bereits nach dem Wortlaut dieser neuen Vorschrift Vereinbarungen des Schuldners nur insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO vereiteln oder beeinträchtigen würden. Dies spricht für eine den sonstigen Rechtsbeschränkungen, etwa nach den §§ 88, 91 InsO, entsprechende Unwirksamkeit einer Lohnabtretung und gegen eine Nichtigkeitsanordnung. Über das Verhältnis der konkurrierenden Vorschriften ist damit noch nichts besagt. Nach seiner Zielsetzung soll § 287 Abs. 3 InsO die Gläubigergleichbehandlung sichern, nicht aber die Stellung des Schuldners verschlechtern. Die §§ 287 Abs. 3, 294 Abs. 2 InsO stehen unabhängig nebeneinander. Nach § 287 Abs. 3 InsO sind Vereinbarungen unwirksam, soweit sie die Bezügeabtretung nach § 287 Abs. 2 InsO vereiteln. Wenn wegen der Nichtigkeitsanordnung des § 294 Abs. 2 InsO keine Unwirksamkeitsfolge eintreten muss, bleibt § 287 Abs. 3 InsO unberührt. Dadurch wird auch der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 3 InsO nicht ausgehöhlt, der immer noch einen vereinbarten Abtretungsausschluss erfasst. 328 Nur scheinbar widerspricht die Interpretation von § 294 Abs. 2 InsO dem rechtlichen Gehalt von § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese Norm besagt lediglich, dass bestehende Rechte der Insolvenzgläubiger, die im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigen, durch die Restschuldbefreiung nicht berührt werden. Es fehlt bereits die tatbestandliche Anknüpfung, weil bei einer Vorausabtretung künftiger Bezüge nach den §§ 91, 287 Abs. 3, 294 Abs. 2 InsO keine abgesonderte Befriedigung beansprucht werden kann. 329 Verantwortlich für diese Verständnisschwierigkeiten ist wohl auch die partielle Rezeption von § 193 Satz 2 KO. Bei einem Zwangsvergleich nach der KO sollten die nicht erfüllten Teile der Verbindlichkeiten in unvollkommene Verbindlichkeiten umgewandelt werden.502) Absonderungsrechten wurde die Möglichkeit zugesprochen, diese unvollkommenen Verbindlichkeiten nach dem Vergleichsschluss zu sichern.503) Über die Folgen für sicherungshalber ___________ 500) A. A. wohl Heinze, ZInsO 2013, 2401, 2405. 501) BGH, NZI 2010, 72 Rn. 11 ff.; ZInsO 2011, 2101 Rn. 9; ZInsO 2012, 1488 Rn. 7. 502) RGZ 153, 338, 342 f.; BGHZ 102, 104; Jaeger/Weber, KO, § 193 Rn. 5; Kuhn/ Uhlenbruck, § 193 Rn. 8; Kilger/Karsten Schmidt, § 193 KO Anm. 4 a; Hess, KO § 193 Rn. 24. 503) Jaeger/Weber, KO, § 193 Rn. 12; Kuhn/Uhlenbruck, § 193 Rn. 12; Hess, KO § 193 Rn. 18.

114

IV. Aufhebung von § 114 InsO

zedierte Lohnforderungen besagt die Bestimmung freilich nur wenig. Als diese Regelung geschaffen wurde, besaßen Lohnabtretungen, insbesondere als Kreditsicherungsinstrumente, keine der heutigen Situation auch nur annähernd vergleichbare Bedeutung. Es erscheint daher überaus zweifelhaft, ob der damalige Gesetzgeber die Auswirkungen bedenken konnte und regeln wollte. An den Normtext von § 193 Satz 2 KO knüpft § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO 330 äußerlich und in wesentlichen Formulierungselementen an. Abgesehen von graduellen Unterschieden bei den aufgeführten Rechten, übernimmt § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO scheinbar weithin die Aussage des § 193 Satz 1 KO. Es liegt daher nahe, den aus § 193 Satz 2 KO stammenden Ansatz der auf unvollkommene Verbindlichkeiten erstreckten Sicherungsrechte auf § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO zu übertragen. Eine solche lineare Vorstellung historischer Kontinuitäten überdeckt indessen die jedenfalls im Bereich der Lohnabtretung zu konstatierenden wesentlichen sachlichen Unterschiede. Abgesehen von den rechtstatsächlichen Veränderungen im Bereich der Kreditsicherungen ist mit der Restschuldbefreiung auch ein vom Zwangsvergleich weithin abweichendes Institut eingeführt worden. Im Zusammenspiel der §§ 91 Abs. 1, 114 Abs. 1, 287 Abs. 3 sowie 294 Abs. 2 InsO sind neue Rechtsschranken geschaffen, die einen Rechtserwerb an abgetretenen künftigen Bezügen unter engere Voraussetzungen stellen als das historische Vorbild. Die tradierten Vorstellungen zu § 193 KO können deswegen nicht fortgeschrieben werden. Letztlich setzt § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO ein bestehendes Absonderungsrecht 331 voraus, ohne zu beantworten, welche Absonderungsrechte bestehen. Folgerichtig kommt es auch nicht darauf an, ob die erteilte Restschuldbefreiung dingliche Rechtspositionen unberührt lässt,504) weil die maßgebende Rechtsänderung bereits mit Eintritt in die Treuhandperiode bewirkt wurde. § 294 InsO fordert auch nicht, Abtretungen künftiger Bezüge als wirksam anzusehen. Es genügt, wenn andere Absonderungsrechte sowie andere Sicherungsabtretungen als die künftiger Bezüge von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt bleiben. Dies entspricht dem vor der Novelle zu § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO vertretenen Verständnis, wonach Lohnabtretungen wegen § 114 Abs. 1 InsO nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr realisiert werden können.505) Dadurch wird zudem eine überschießende Rechtsfolge der Vorschrift verhindert, wonach Lohnabtretungen zwar nicht während des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens, wohl aber nach Erteilung der Restschuldbefreiung realisiert werden könnten.

___________ 504) So aber Heinze, DZWIR 2013, 386, 388. 505) FK-InsO/Ahrens, § 301 Rn. 19; Uhlenbruck/Vallender, § 301 Rn. 24; HambK/Streck, § 301 Rn. 16; Pape/Uhländer/Pape, § 301 Rn. 20; LSZ/Kisbye § 301 Rn. 21; Heyer, Restschuldbefreiung, S. 157; a. A. Uhlenbruck/Berscheid/Ries, § 114 Rn. 29.

115

D. Eröffnetes Verfahren

dd) Sicherungsabrede 332 Selbst wenn die hier entwickelte Ansicht nicht geteilt wird, kann damit noch nicht automatisch auf die zur Sicherung einer Insolvenzforderung abgetretenen künftigen Vergütungsansprüche zugegriffen werden. Maßgebend dafür ist, ob die Sicherungsabrede eine Befriedigung auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung ermöglicht. Jedenfalls erscheint es nicht als selbstverständlich vom Willen beider Parteien umfasst, wenn nach der gesetzlichen Schuldbefreiung weiterhin das Sicherungsrecht realisiert werden soll. Typischerweise dient die Zession der Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Ansprüche des Sicherungsnehmers oder eines Rechtsnachfolgers. 333 Eine so formulierte Sicherungsvereinbarung umfasst nicht die durch Erteilung der Restschuldbefreiung in eine unvollkommene Verbindlichkeit umgewandelte Insolvenzforderung.506) Gesicherte Ansprüche oder Forderungen als schuldrechtliche Ansprüche begründen nach § 194 BGB das Recht, ein Tun und Unterlassen verlangen zu können. Eine Forderung berechtigt den Gläubiger, eine dem Inhalt des Rechtsverhältnisses entsprechende Leistung zu fordern.507) Daran fehlt es allerdings bei einer unvollkommenen Verbindlichkeit. Offenbleiben kann, ob die Klagbarkeit als notwendiges Element des Anspruchs anzusehen ist.508) Unvollkommene Verbindlichkeiten werden jedenfalls nicht als Ansprüche im strengen Sinn angesehen, weil sie keine einklagbaren Verbindlichkeiten begründen.509) Ohne besondere Anhaltspunkte ist bei einer klaren Wortwahl als Anspruch oder Forderung nicht davon auszugehen, dass unvollkommene Verbindlichkeiten nach der Abrede gesichert werden sollen. e) Wirkung des Insolvenzplans 334 Bislang besaßen die Wirkungen von Insolvenzplänen auf Sicherungsabtretungen von Entgeltforderungen eine zu vernachlässigende Bedeutung. Abgesehen von der insgesamt nicht allzu hohen Zahl von Insolvenzplänen, konnten diese in Verbraucherinsolvenzverfahren ohnehin nicht vereinbart werden. So blieben nur wenige Planentschuldungen Selbständiger übrig, in denen die Planwirkungen mit der Sicherungsabtretung kollidieren konnten. Mit der Öffnung des Insolvenzplanverfahrens für die Verbraucherinsolvenz wird sich die Zahl der planbasierten Entschuldungen möglicherweise deutlich steigern. Den Auswirkungen auf Sicherungsabtretungen kommt deswegen eine gesteigerte Aufmerksamkeit zu.510) ___________ 506) 507) 508) 509) 510)

116

Ahrens, NZI 2014, 529, 534. MünchKomm-BGB/Bachmann, § 241 Rn. 10. So Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 222 Abs. 2 Satz 5. Bamberger/Roth/Henrich, § 194 Rn. 14. Vgl. Münzel, ZInsO 2014, 761, 765 ff.

IV. Aufhebung von § 114 InsO

Sobald der Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt und sofern im Plan nichts 335 anderes bestimmt ist, hebt das Gericht nach § 258 Abs. 1 InsO das Insolvenzverfahren auf. Damit endet die Rechtsbeschränkung aus § 91 Abs. 1 InsO. Sollte eine Konvaleszenz eintreten, könnte der Sicherungsnehmer seine Rechte möglicherweise nach der Planentschuldung geltend machen. Dazu bestimmt § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO u. a., dass die Rechte der Insolvenzgläubiger an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, durch den Plan nicht berührt werden. Dabei handelt es sich um eine in wichtigen Teilen mit § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO übereinstimmenden Norm, allerdings mit dem abweichenden Bezug auf nicht massezugehörige Gegenstände. Gemeint sind damit wohl persönliche Ansprüche der Gläubiger gegen Dritte als Sicherungsgeber,511) womit eine andere Akzentuierung als im Restschuldbefreiungsverfahren erfolgen könnte. Die Parallelen zum Restschuldbefreiungsverfahren erweisen sich an einer an- 336 deren Stelle als deutlicher. Nach § 226 Abs. 3 InsO ist jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Beteiligten nichtig, durch das diesen im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird. Damit wird der Gedanke der nichtigen Sonderabkommen im Planverfahren aufgegriffen. Derartige Abreden sind nichtig, wenn der Begünstige durch sie mehr erhält, als ohne ihre Vereinbarung und dies im Plan nicht aufgedeckt wird.512) Unerheblich ist, ob bei ihrem Abschluss bereits ein Insolvenzantrag gestellt ist, solange es sich um eine verfahrensbezogene Abrede handelt.513) Folgerichtig erfasst § 226 Abs. 3 InsO Sicherungsabtretungen von Entgeltforderungen.514) Wie im Restschuldbefreiungsverfahren sind bei einem vereinbarten Insolvenzplan Sicherungsabtretungen nichtig. f) Sonderfälle Einige weitere Konstellationen können auf Grundlage der bislang gewonnenen 337 Erkenntnisse unproblematisch gelöst werden. Aus der Perspektive der Gläubigergleichbehandlung bereitet die Zeit zwischen dem Ende der Abtretungsfrist und der Erteilung der Restschuldbefreiung manche Schwierigkeiten.515) Hier gibt die Nichtigkeitsfolge aus § 294 Abs. 2 InsO eine präzise Antwort, denn das Sicherungsrecht ist bereits vor der Restschuldbefreiung untergegangen. Im Fall einer nach den §§ 295 – 298 InsO versagten Restschuldbefreiung lebt zwar das Absonderungsrecht wegen der Nichtigkeitswirkung nicht wieder auf. Das persönliche Forderungsrecht bleibt aber bestehen. Fol___________ 511) AGR/Silcher, § 254 Rn. 11; FK-InsO/Jaffé, § 254 Rn. 17. 512) MünchKomm-InsO/Breuer, § 226 Rn. 14, 16. 513) MünchKomm-InsO/Breuer, § 226 Rn. 17; AGR/Silcher, § 226 Rn. 8; FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 13. 514) Ahrens, NZI 2014, 529, 534. 515) FK-InsO/Ahrens, § 294 Rn. 21.

117

D. Eröffnetes Verfahren

gerichtig treten diese Konsequenzen auch nach einem Widerruf der Restschuldbefreiung gemäß § 303 InsO ein. 338 Nicht geklärt sind damit die asymmetrischen Verfahren, in denen die Restschuldbefreiung ohne Übergang in die Treuhandperiode erteilt wird, in denen also § 294 Abs. 2 InsO unanwendbar ist. Zu erwägen ist dann, ob sich § 301 Abs. 2 InsO nur auf fortbestehende und nicht auf neu entstehende Sicherheiten bezieht.516) Im Übrigen wird regelmäßig die Auslegung der Sicherungsabrede einer Realisierung der Sicherungszession entgegenstehen. 3. Aufrechnung durch den Dienstberechtigten gemäß § 114 Abs. 2 InsO 339 § 114 Abs. 2 InsO hat Aufrechnungen des Dienstberechtigten gegen den Schuldner privilegiert. Generell muss entweder die Aufrechnungslage, § 94 InsO, bzw. die Hauptforderung, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben. Abweichend davon konnte nach § 114 Abs. 2 InsO der Zahlungspflichtige gegen die erst nach Erbringung der Gegenleistung durch den Dienstverpflichteten517) und insoweit erst im eröffneten Verfahren entstehende Forderung aufgerechnet werden. Diese Aufrechnungsbefugnis bestand in der Frist des § 114 Abs. 1 InsO, war also auf zwei Jahre begrenzt.518) Insoweit beinhaltet § 114 Abs. 2 InsO eine doppelte, die Aufrechnungsbefugnis teils erweiternde, teils begrenzende Regelung.519) Da die Verrechnungsbefugnis des Sozialleistungsträgers nach § 52 SGB I abweichend von § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO privilegiert war, konnte auch der Sozialleistungsträger noch für zwei Jahre verrechnen.520) 340 Mit der aufgehobenen Bestimmung des § 114 Abs. 2 InsO entfällt dieses Aufrechnungsprivileg. Der Dienstberechtigte kann zwar weiterhin unter den Voraussetzungen der §§ 94, 96 InsO aufrechnen, aber nicht gegen die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Forderungen des Schuldners auf Bezüge. Eine wichtige Fallgruppe betrifft die Aufrechnung mit einem Arbeitgeberdarlehen. Durch die Aufhebung des Aufrechnungsprivilegs hat sich die Situation für den Arbeitgeber verschlechtert. Hier ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass der Arbeitgeber versucht, seine Forderungen unberechtigt zu befriedigen, wodurch in der Konsequenz ein Verstoß des Schuldners gegen § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO drohen kann.521) ___________ 516) Vgl. Ahrens, NZI 2014, 529, 535. 517) RGZ 142, 291, 295; BGHZ 167, 363 Rn. 7; BGH, NZI 2008, 563 Rn. 13; BAG, NJW 1993, 2699, 2700; NZA 2013, 1079 Rn. 36. 518) Karsten Schmidt/Ahrens, § 114 Rn. 14; MünchKomm-InsO/Caspers, § 114 Rn. 27; Uhlenbruck/Berscheid/Ries, § 114 Rn. 21. 519) MünchKomm-InsO/Caspers, § 114 Rn. 27. 520) BGHZ 177, 1 Rn. 10 ff.; BSG, ZInsO 2004, 741, 742; Karsten Schmidt/Ahrens, § 114 Rn. 16; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, § 96 Rn. 25; AGR/Hergenröder, § 114 Rn. 23. 521) Hergenröder, KTS 2013, 385, 405.

118

V. Anmeldung privilegierter Forderungen nach §§ 174, 175 InsO

Dem muss durch eine angemessene Berücksichtigung eines ausgeübten Drucks im Rahmen des Versagungstatbestands Rechnung getragen werden.522) Damit wird auch die Verrechnungsbefugnis des Leistungsträgers in künftig 341 entstehende Leistungsansprüche des Schuldners eingeschränkt. Anders verhält es sich aber mit den bei Insolvenzeröffnung bereits entstandenen Forderungen, bei denen die zweijährige Aufrechnungsfrist entfällt. Gegen die mit Eintritt in den Rentenbezug insgesamt entstandenen Rentenforderungen523) kann der Sozialleistungsträger im Insolvenzverfahren unbefristet aufrechnen. Erst in der Treuhandperiode wird die Verrechnungsbefugnis durch § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen. Mit Erteilung der Restschuldbefreiung entfällt die Verrechnungsbefugnis endgültig, soweit nicht mit einer nach § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO privilegierten Forderung aufgerechnet wird. 4. Vollstreckungsprivileg gemäß § 114 Abs. 3 InsO Aufgehoben wird auch das Vollstreckungsprivileg des § 114 Abs. 3 InsO. 342 Zwangsvollstreckungen in künftige Bezügeforderungen sind deswegen nicht mehr für den zurzeit der Eröffnung laufenden Kalendermonat bzw. bei einer Eröffnung nach dem 15. des Monats nicht für den folgenden Monat wirksam. V. Anmeldung privilegierter Forderungen nach §§ 174, 175 InsO 1. Forderungsanmeldung gemäß § 174 Abs. 2 InsO a) Rückständiger gesetzlicher Unterhalt gemäß § 174 Abs. 2 Alt. 2 InsO Mit zwei Änderungen im Bereich der Forderungsanmeldung hat der Gesetz- 343 geber auf die erweiterte Bereichsausnahme des § 302 Nr. 1 InsO reagiert. Bei seiner Forderungsanmeldung hat der Gläubiger nach § 174 Abs. 2 InsO künftig auch Tatsachen anzugeben, aus denen sich nach seiner Einschätzung eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO ergibt. Ist eine Forderung aus einer vorsätzlich pflichtwidrig verletzten gesetzlichen Unterhaltspflicht oder aus einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO angemeldet, muss das Insolvenzgericht gemäß § 175 Abs. 2 InsO den Schuldner auf die Rechtsfolgen von § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinweisen. In der Bestimmung über die Forderungsanmeldung werden allerdings die 344 neuen Tatbestände aus § 302 Nr. 1 InsO nicht deckungsgleich abgebildet. Während § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO auf Verbindlichkeiten aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt abstellt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, geht § 174 Abs. 2 Alt. 2 InsO von der vorsätzlich pflicht___________ 522) FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 66. 523) BGH, NZI 2009, 574 Rn. 20 ff.

119

D. Eröffnetes Verfahren

widrigen Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht aus. Deutlich sichtbar ist die Bereichsausnahme des § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO enger formuliert, weil sie lediglich rückständigen gesetzlichen Unterhalt privilegiert, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt. Demgegenüber genügt es nach dem Wortlaut der Anmeldungsbestimmung aus § 174 Abs. 2 Alt. 2 InsO, wenn die anzugebenden Tatsachen nach Einschätzung des Gläubigers eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht begründen. 345 Sollte die Formulierung des § 174 Abs. 2 Alt. 2 InsO maßgebend sein, entfällt bei der Anmeldung die enge Beschränkung auf den rückständigen Unterhalt. Es könnten dann auch andere auf dem Rechtsgrund beruhende Forderungen angemeldet werden, wie Verzugszinsen und andere mehr. Allerdings handelt es sich nach den Gesetzesmaterialien bei der Neufassung von § 174 Abs. 2 InsO lediglich um eine Folgeänderung zu § 302 Nr. 1 InsO.524) Bei einer konsequenten Umsetzung dürfte dann der Normbereich nicht erweitert sein. Letztlich folgt aus dem sachlichen Verhältnis zwischen der inhaltsbestimmenden Aussage von § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO und der unterstützenden Funktion von § 174 Abs. 2 Alt. 2 InsO eine sachliche Schranke. Selbst wenn der Gläubiger weitere Ansprüche anmeldet, wird die privilegierte Verbindlichkeit nicht über den Tatbestand des rückständigen Unterhalts hinaus erstreckt. Durch eine Anmeldung kann der gesetzliche Tatbestand des § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO nicht erweitert werden. 346 Die Angabe des Forderungsattributs Deliktsforderung genügt allerdings nicht, um dem Anmeldeerfordernis bei den Unterhaltsverbindlichkeiten nach § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO Rechnung zu tragen, denn bei ihnen handelt es sich gerade nicht um eine deliktisch begründete Verbindlichkeit. Entsprechendes gilt für die Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO. b) Verbindlichkeiten aus einer Steuerstraftat gemäß § 174 Abs. 2 Alt. 3 InsO 347 Auch die zweite neue Bereichsausnahme wird von der Anmeldungsvorschrift nicht vollständig widergespiegelt. § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO privilegiert Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Bei der Anmeldung anzugeben sind dagegen nach § 174 Abs. 2 Alt. 3 InsO Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers eine Steuerstraftat gemäß den §§ 370, 373, 374 AO ergibt. Nach den Gesetzesmaterialien soll unerheblich sein, wann die Verurteilung zu einer Steuerstraftat erfolgt.525) Infolgedessen müssten bei der An___________ 524) BT-Drucks. 17/11268, S. 23. 525) BT-Drucks. 17/11268, S. 32.

120

V. Anmeldung privilegierter Forderungen nach §§ 174, 175 InsO

meldung noch nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale der qualifizierten Verbindlichkeit erfüllt sein. Aus dieser Diskrepanz zwischen den Voraussetzungen der privilegierten 348 Forderung und der Anmeldung resultieren mannigfaltige Probleme. Auf der grundsätzlichen Ebene ist zu erwägen, ob ein begründeter Vermögensanspruch vorliegt. Dazu muss der Rechtsgrund für die entstehende Forderung bereits vor der Insolvenzeröffnung gelegt sein.526) Ein begründeter Anspruch kann jedenfalls im Hinblick auf die Forderungen aus einem Steuerschuldverhältnis für einen vor der Insolvenzeröffnung liegenden Zeitraum bestehen. Sollten auch Strafverfolgungskosten privilegiert werden (was zu verneinen ist, Rn. 1153), müsste die erste Vollstreckungsmaßnahme vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sein. Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch entsteht aufschiebend bedingt mit der Begründung des Prozessrechtsverhältnisses,527) ein strafprozessualer Anspruch mit Beginn der Ermittlungsmaßnahmen. Werden Strafverfolgungsmaßnahmen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, bilden sie Neuforderungen und keine Insolvenzforderungen. Bei der Anmeldung anzugeben sind damit die Tatsachen, dass es sich um eine 349 Forderung aus einem Steuerschuldverhältnis handelt und wieso der Schuldner nach Einschätzung des Finanzamts eine Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO begangen hat. Insoweit besitzt die Anmeldungsregelung eine zugleich konstituierende und konkretisierende Wirkung, weil bei der Anmeldung der Hinweis auf eine rechtskräftige Verurteilung noch nicht erforderlich ist. Ist der Schuldner verurteilt, muss dies zur zweifelsfreien Identifizierung und nach Eintritt der Rechtskraft auch diese angemeldet werden. Bei einer Verurteilung nach der Anmeldung, aber während des Insolvenzverfahrens, ist dies ebenfalls nachzumelden. Gänzlich offen ist bislang, ob hiergegen ein isolierter Widerspruch des 350 Schuldners zulässig ist, wogegen sich dieser richten muss und wie dabei mit einer noch nicht erfolgten Verurteilung umzugehen ist. Auch die Zulässigkeit eines positiven oder negativen Feststellungsprozesses vor einer strafrechtlichen Verurteilung erscheint derzeit unabsehbar (Rn. 1159). Wegen der unterschiedlichen Ausdrucksweise ist zudem nicht auf den ersten 351 Blick ersichtlich, ob der Umfang der nach § 174 Abs. 2 Alt. 3 InsO anzumeldenden und der gemäß § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Verbindlichkeiten identisch bestimmt wird. Für die Privilegierung nach § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO wird auf Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis abgestellt, wenn der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO rechtskräftig ___________ 526) MünchKomm-InsO/Ehricke, § 38 Rn. 16; AGR/Ahrens, § 38 Rn. 29; HK-InsO/Ries, § 38 Rn. 27. 527) AGR/Ahrens, § 42 Rn. 10.

121

D. Eröffnetes Verfahren

verurteilt worden ist. Im Hinblick auf die Privilegierung anmeldefähig sollen Forderungen sein, denen nach Einschätzung des Gläubigers eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373, 374 AO zugrunde liegt. Der besondere Bezug auf das Steuerschuldverhältnis fehlt hier. Insoweit geht der Normtext offenbar allein von einer Privilegierung der Verbindlichkeiten aus der Steuerstraftat aus, wozu die Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis wohl nicht gehören. Nach den Materialien soll allerdings die Nachhaftung, insbesondere für hinterzogene Steuern, bestehen.528) Ungeachtet der Dissonanz zwischen dem Wortlaut von § 174 Abs. 2 Alt. 3 InsO sowie von § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO ist insoweit von einer einheitlichen Reichweite auszugehen. Anzumelden sind die nach § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO privilegierten Verbindlichkeiten. 352 Nicht unter die allgemeinen Anmelderegeln fallen Geldstrafen aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat. Bei ihnen handelt es sich gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO um nachrangige Verbindlichkeiten,529) die gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO nur auf besondere insolvenzgerichtliche Aufforderung hin anzumelden sind. Eine unaufgeforderte Anmeldung ist wirkungslos. Dennoch sind diese Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung ausgenommen, wie aus § 302 Nr. 2 InsO,530) aber nicht aus § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO folgt. 353 Eine noch andere Rechtslage besteht bei den Säumniszuschlägen gemäß den §§ 152, 240 AO. Sie stellen ebenfalls nachrangige Verbindlichkeiten dar, unterfallen aber § 39 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO und nicht § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO.531) Infolgedessen sind diese Verbindlichkeiten nicht nach § 302 Nr. 2 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Ihre systematische Stellung als nachrangige Verbindlichkeiten schließt es zudem aus, sie ohne eine gerichtliche Aufforderung gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO nach § 174 Abs. 2 Alt. 3 InsO mitanzumelden. Nach den Maßstäben der Rechtsprechung zu § 302 Nr. 1 Alt. 1 InsO532) werden sie privilegiert sein. c) Darlegungsmaß 354 Der Darlegungsumfang hat sich an den vom BGH zur Anmeldung des Rechtsgrunds einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung entwickelten Maßstäben auszurichten. Noch im Herbst 2013 hatte der Senat im Rahmen eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Anforderungen an eine Anmeldung nach § 174 Abs. 2 InsO mit einer erheb___________ 528) BT-Drucks. 17/11268, S. 32. 529) AGR/Ahrens, § 39 Rn. 21; FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 8; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rn. 23. 530) Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rn. 24; FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 8; HambK/Lüdtke, § 39 Rn. 12. 531) MünchKomm-InsO/Ehricke, § 39 Rn. 18; AGR/Ahrens, § 39 Rn. 23. 532) BGH, ZInsO 2011, 102 Rn. 11.

122

V. Anmeldung privilegierter Forderungen nach §§ 174, 175 InsO

lichen Darstellungshöhe formuliert. Danach sollte die schlüssige Darlegung des Lebenssachverhalts erforderlich sein, aus dem der Gläubiger seinen Zahlungsanspruch und den deliktischen Haftungsgrund herleitet.533) Anfang des Jahres 2014 hat der Senat jedoch von einer schlüssigen Darlegung des objektiven und subjektiven Tatbestands abgesehen. Der geltend gemachte Anspruch müsse in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt sein und der Schuldner müsse erkennen können, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft. Dazu müssten nicht sämtliche objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale der behaupteten unerlaubten Handlung vorgetragen werden.534) Dieses Darlegungsmaß bleibt hinter der bislang überwiegend verlangten 355 plausiblen Darstellung zurück.535) Obwohl die Beschreibung als plausible Darstellung eine gewisse Unschärfe aufweist, wie der BGH zutreffend konstatiert, sieht sie doch gerade nicht von einzelnen Tatbestandsmerkmalen ab. Zweifelsfrei bestimmt ist ein Tatbestand nur, wenn jede Verwechselungsgefahr ausgeschlossen ist und der Schuldner deswegen weiß, um welche Forderung es geht und welches Verhalten ihm als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorgeworfen wird. Bei den Verbindlichkeiten aus § 302 Nr. 1 Alt. 2 und 3 InsO handelt es sich 356 um eigenständig qualifizierte und privilegierte Forderungen und gerade nicht um deliktische Forderungen. Obwohl sie durch die Integration in § 302 Nr. 1 InsO in einen normativen Zusammenhang mit den Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen gestellt werden, sind sie systematisch deutlich von diesen zu unterscheiden, denn sie weichen gerade vom Anforderungsprofil der bislang von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Deliktstatbestände ab. Sonst wären die zusätzlich in § 302 Nr. 1 InsO geregelten Ausnahmetatbestände entbehrlich. Eine Qualifikation als Deliktsforderung geht deswegen fehl536) und kann die 357 erforderlichen Darlegungsanforderungen nicht erfüllen. Um den Tatbestand zweifelfrei zu bestimmen, muss der Gläubiger des Unterhaltsanspruchs grundsätzlich einen vorsätzlich pflichtwidrig nicht geleisteten gesetzlichen Unterhalt darlegen, wobei der Vorsatz im Einzelfall aus den Umständen zu schließen sein kann. Die pflichtwidrige Nichtleistung hat der Unterhaltsgläubiger anhand der für den Leistungszeitpunkt bestehenden Leistungsfähigkeit des Schuldners und der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten darzulegen. Regelmäßig kann dazu auf eine die Unterhaltspflicht feststellende Entscheidung Bezug genommen werden. Sie genügt dann nicht, wenn zwischen der Entscheidung und dem Zeitpunkt der Unterhaltspflicht wesentliche Verän___________ 533) BGH, BeckRS 2013, 17289; ebenso AG Köln, ZVI 2013, 150; AGR/Wagner, § 174 Rn. 14; Uhlenbruck/Sinz § 174 Rn. 38. 534) BGH, NZI 2014, 127 Rn. 8. 535) MünchKomm-InsO/Stephan, § 302 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke, § 184 Rn. 58; Ahrens, VIA 2013, 65, 66; a. A: Jaeger/Gerhardt, § 174 Rn. 56. 536) A. A. wohl Schmittmann, Insbüro 2014, 159, 160.

123

D. Eröffnetes Verfahren

derungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten sind, die dem anmeldenden Gläubiger bekannt waren. 2. Hinweispflicht nach § 175 Abs. 2 InsO 358 Ist eine Forderung aus einer vorsätzlich pflichtwidrig verletzten gesetzlichen Unterhaltspflicht oder aus einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO angemeldet, muss das Insolvenzgericht den Schuldner gemäß § 175 Abs. 2 InsO auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinweisen. Selbstverständlich gilt dies auch wie bislang schon bei einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Mit diesen Informationen soll der Schuldner befähigt werden, sich ggf. gegen die Forderung zu verteidigen. Der Hinweis muss den Gläubiger, den Betrag und die angeführten Tatsachen537) sowie die angegebene rechtliche Qualifikation enthalten.538) Meldet der Gläubiger eine Forderung an, der eine Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO zugrunde liegt, für die der Schuldner noch nicht rechtskräftig verurteilt wurde, muss das Gericht den Schuldner zusätzlich auf diese Voraussetzung hinweisen. Da sich der Hinweis auf die konkrete Forderung beziehen muss, genügt eine formularmäßige Belehrung nicht.539) 359 Wird eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet, muss der Schuldner auch auf die Möglichkeit eines isolierten Widerspruchs hingewiesen werden.540) Diese Möglichkeit eines isolierten Widerspruchs ist auch für die durch die Novelle erstmals privilegierten Tatbestände des § 302 Nr. 1 Alt. 2 und 3 InsO eröffnet (Rn. 1158 f.). Das Insolvenzgericht hat den Schuldner deswegen auch in diesen Fällen auf den isolierten Widerspruch hinzuweisen. VI. Eigenverwaltung gemäß §§ 270 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, 274 Abs. 1 InsO 360 Für das bisherige Recht schloss § 312 Abs. 2 InsO im Anwendungsbereich des – wie genau zu lesen ist – vereinfachten Insolvenzverfahrens eine Eigenverwaltung aus. Da mit den aufgehobenen §§ 312 – 314 InsO auch diese Bestimmung entfiel, sollte ihr Gegenstand an anderer Stelle geregelt werden. Der Gesetzgeber hat deswegen den früheren Regelungsgehalt an anderer Stelle normiert. § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO besagt nunmehr, dass die Vorschriften der Eigenverwaltung nicht auf das Verbraucherinsolvenzverfahren

___________ 537) MünchKomm-InsO/Riedel, § 175 Rn. 21 f. 538) Jaeger/Gerhardt, § 175 Rn. 29. 539) Jaeger/Gerhardt, § 175 Rn. 29; FK-InsO/Kießner, § 175 Rn. 19; Kübler/Prütting/Bork/ Pape/Schaltke, § 175 Rn. 8; Uhlenbruck/Sinz, § 175 Rn. 28. 540) Vgl. BGH, NZI 2007, 416 Rn. 10; außerdem MünchKomm-InsO/Riedel, § 175 Rn. 22; HambK/Preß/Henningsmeier, § 175 Rn. 9.

124

VI. Eigenverwaltung gemäß §§ 270 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, 274 Abs. 1 InsO

nach § 304 InsO anzuwenden sind. Diese Bestimmung wird in den Materialien als Folgeänderung zum gestrichenen § 312 Abs. 2 InsO angesehen.541) Ein geringfügiger Kontrast ist aber doch festzustellen. Der Unterschied be- 361 ruht auf dem bisher normierten Ausschluss der Eigenverwaltung im Bereich des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens gegenüber der jetzt geregelten Unanwendbarkeit der Eigenverwaltung für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Das frühere Recht erklärte die Eigenverwaltung erst für das vereinfachte Insolvenzverfahren als unzulässig. In den vorgelagerten Verfahrensabschnitten, insbesondere des Antrags- und des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens, war die Eigenverwaltung nach dem gesetzlichen Wortlaut nicht ausgeschlossen. Sachlich war ein bloßer Teilausschluss weder sinnvoll noch in irgendeiner Weise praktikabel durchzuführen. Folgerichtig wurde die Eigenverwaltung insgesamt für die Verbraucherinsolvenz abgelehnt,542) also einheitlich für alle Verfahrensstadien. Durch die Neuregelung wird diese gesetzliche Ungenauigkeit korrigiert. 362 Gemäß § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO sind die Vorschriften der Eigenverwaltung nicht auf das Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO anzuwenden. § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO bestimmt nicht nur den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens, sondern in § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO auch den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften des Insolvenzverfahrens, die gelten, soweit in den §§ 304 – 311 InsO keine Sonderregelungen getroffen sind. In der Konsequenz ist jetzt die Eigenverwaltung von Beginn des Verbraucherinsolvenzverfahrens an unzulässig. Aus der Novelle resultiert noch eine zweite Akzentverschiebung. § 270 Abs. 1 363 Satz 3 InsO schließt die Anwendung der Eigenverwaltung in der Verbraucherinsolvenz gemäß § 304 InsO aus. Auf die Verbraucherinsolvenzverfahren sind aber nach § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO die allgemeinen Vorschriften anzuwenden, soweit im Neunten Teil der Insolvenzordnung nichts anderes geregelt ist. Da dort keine Aussage zur Eigenverwaltung getroffen ist, wären deren Bestimmungen grundsätzlich anwendbar. Sie werden deswegen erst durch die Ausnahmebestimmung in § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO gesperrt. Diese veränderte Regelungstechnik modifiziert vielleicht nicht die Rechtsfolge, wohl aber die Teleologie. Nicht mehr die Sachgründe aus dem Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern die Maßstäbe der Eigenverwaltung blockieren diese Regelungen. Anders formuliert wäre die Eigenverwaltung in der Verbraucherinsolvenz nicht kategorial ausgeschlossen, wenn es nicht § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO gäbe. Früher sprach die im vereinfachten Insolvenzverfahren vorgesehene Bestellung eines Treuhänders mit begrenzten Kompetenzen gegen eine Eigenverwaltung, bei der der Sachwalter ebenfalls nur reduzierte Befugnisse hatte.543) ___________ 541) BT-Drucks. 17/11268, S. 23. 542) MünchKomm-InsO/Stephan, § 312 Rn. 12; AGR/Henning, § 312 Rn. 14. 543) HK-InsO/Waltenberger, § 312 Rn. 14.

125

D. Eröffnetes Verfahren

Dieser inhaltliche Grund ist mit der Bestellung eines Insolvenzverwalters in der Verbraucherinsolvenz entfallen. 364 Für den Rechtsanwender bedeutet dies zunächst keinen Unterschied, denn nach beiden Rechtslagen schließen sich das Verbraucherinsolvenzverfahren und die Eigenverwaltung gegenseitig aus. Zu erwägen ist freilich, ob diese Sperre erforderlich und damit sachlich unabdingbar ist. Wie bereits die aufgehobene Schranke für das Insolvenzplanverfahren in den Verbraucherinsolvenzverfahren zeigt, müssen solche Anwendungsgrenzen nicht unabänderlich sein. Zu diskutieren ist, ob diese Muster in allen Verfahren gelten oder ob positive Erfahrungen mit dem veränderten Recht der Eigenverwaltung in der Verbraucherinsolvenz fruchtbar gemacht werden können. Nun existieren wohlweislich besondere Gründe, die im Insolvenzverfahren natürlicher Personen gegen eine Eigenverwaltung sprechen können, wie eine Überforderung des Schuldners oder die fehlende Verlässlichkeit. Ob in der großen Zahl masseloser Insolvenzverfahren gerade ein Bedürfnis für eine eigenverwaltete Insolvenzmasse fehlt544) oder ob damit gerade die Notwendigkeit einer Insolvenzverwaltung entfällt, kann hier offenbleiben, sollte aber weiter überprüft werden. 365 Über den Ausschlusstatbestand des § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO hinaus erfolgen zwei weitere kleinteilige Änderungen im Bereich der Verbraucherinsolvenz. Da § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO aufgehoben und deswegen die Ziffernfolge dieser Vorschrift verändert wurde, verweisen in einer geringfügigen redaktionellen Korrektur die §§ 270 Abs. 4 2. Halbs., 274 Abs. 1 InsO auf die neue Bestimmung in § 27 Abs. 2 Nr. 4 InsO. Eine sachliche Modifikation wird damit nicht bewirkt. VII. Insolvenzverwalter 1. Abschaffung des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren a) Veränderte Rechtsstellung 366 Bislang wurden die Aufgaben des Insolvenzverwalters von einem Treuhänder wahrgenommen, dessen allgemeine Rechtsstellung durch § 313 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 292 InsO bestimmt wurde. Zwei wesentliche Kompetenzbeschränkungen kennzeichneten sein Aufgabengebiet. Abweichend vom allgemeinen Insolvenzrecht war der Treuhänder nur dann anfechtungsberechtigt, wenn ihn die Gläubigerversammlung dazu berechtigt hatte, § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO. Da zudem die allgemeine Anfechtungsberechtigung der Insolvenzgläubiger in einem Gemeinschaftsverfahren sachfremd und mit Kostenrisiken belastet war, bestanden keine positiven, sondern eher negative Anreize zur Ausübung des Anfechtungsrechts. Deswegen konnten Anfechtungsrechte deutlich seltener als sonst realisiert werden. Außerdem war der Treuhänder nicht zur ___________ 544) MünchKomm-InsO/Stephan, § 312 Rn. 12.

126

VII. Insolvenzverwalter

Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestanden, § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO. Das Verwertungsrecht war dem Gläubiger übertragen, wodurch die Verwertungsregeln erheblich belastet waren. Insgesamt hat sich die Aufgabenverlagerung auf die Gläubiger nicht bewährt.545) Die Unzulänglichkeiten dieser Regeln sollen den ausschlaggebenden Grund 367 für die Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO gebildet haben.546) Durch die Materialien ist dieser Erklärungsansatz allerdings nicht zu belegen. Es heißt dort lediglich, wenn künftig der Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren selbst anfechten und verwerten könne und keine vereinfachte Verteilung durchzuführen habe, gäbe es keine rechtlichen Unterschiede zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren.547) Dennoch erscheint der Gedanke plausibel. Beide gesetzgeberischen Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Masse anzureichern. Verbessert wird dadurch zunächst die Situation der Justizkassen als Kostengläubiger. In einer derart stark von fiskalischen Interessen geprägten Reform, wie der aktuellen Novelle des Insolvenzrechts natürlicher Personen, sprechen gute Gründe dafür, darin eine wesentliche Triebkraft der Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO zu sehen. Allenfalls unwesentlich ändert sich die Situation durch die künftig nicht 368 mehr nur entsprechend anzuwendenden §§ 56 bis 66 InsO, wie dies § 313 Abs. 1 Satz 3 InsO vorgeschrieben hat, sondern jetzt direkt geltenden Regeln. Seine erforderliche Unabhängigkeit ist nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil er den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag allgemein über den Verlauf und die Folgen eines Insolvenzverfahrens beraten hat, § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InsO. Für die unternehmerische Insolvenz wird diskutiert, ob der Ersteller eines Insolvenzplans als Insolvenzverwalter bestellt werden darf.548) Wegen der Gefahr eines Interessenkonflikts und der nach § 43a BRAO für Rechtsanwälte verbotenen Vertretung widerstreitender Interessen549) muss dies regelmäßig ausscheiden. Sollte dennoch im Einzelfall die Bestellung eines Beraters, der einen außergerichtlichen Einigungsversuch des Schuldners begleitet hat, zum Insolvenzverwalter erwogen werden, ist abzuwägen, ob die durch das ESUG für die Unternehmensinsolvenz ermöglichte größere Nähe zwischen Schuldner und späterem Insolvenzverwalter auf die Verbraucherinsolvenz übertragen werden kann. Neben der Generalverweisung auf die §§ 56 ff. InsO spricht dafür die in der Verbraucherinsolvenz durch das eröffnete Insolvenzplanverfahren nochmals gestärkte konsensuale Schuldenbereinigung. ___________ 545) 546) 547) 548)

BT-Drucks. 17/11268, S. 35. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1438. BT-Drucks. 17/11268, S. 35. MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 28 ff.; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, § 56 Rn. 49c; AGR/Lind, § 56 Rn. 11. 549) AGR/Lind, § 56 Rn. 10.

127

D. Eröffnetes Verfahren

b) Berufsausübungsbeschränkung 369 Mit den aufgehobenen Vorschriften über das vereinfachte Insolvenzverfahren und den gestrichenen Sonderregeln über die Anfechtung und Verwertung entfallen die Unterschiede zwischen dem Insolvenzverwalter im sog. Regelinsolvenzverfahren und dem Treuhänder in der Verbraucherinsolvenz. Folgerichtig entfällt das Amt des Treuhänders im eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren.550) Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren wird künftig ein Insolvenzverwalter tätig, dessen Rechtsstellung den allgemeinen Regelungen und Anforderungen unterliegt. 370 Das Tätigkeitsbild als Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren ist damit aufgehoben, wogegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art. 12 Abs. 1 GG bestehen. Dies gilt selbst gegenüber den Nur-Treuhändern. Für das Amt des vorläufigen Treuhänders hat der BGH festgestellt, dass seine Ausübung durch die Berufsfreiheit geschützt ist.551) Gleiches gilt für das Insolvenzverwalteramt552) und das Amt als Treuhänder im Insolvenzverfahren.553) Bei der Aufhebung von § 313 InsO mit den daraus resultierenden Konsequenzen für die Berufstätigkeit handelt es sich jedenfalls um eine durch vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimierte Berufsausübungsbeschränkung.554) 371 Eine Berufsausübungsbeschränkung ist zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt ist, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist sowie wenn bei einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Zumutbarkeitsgrenze noch gewahrt ist.555) Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto gewichtiger müssen die Interessen des Gemeinwohls sein.556) Weder haben sich die berufsqualifizierenden Anforderungen an den vormaligen Treuhänder verändert noch werden seine Aufgaben wesentlich verändert. Die überschaubaren Veränderungen seines Tätigkeitsprofils sind durch das im Gemeinwohlinteresse bedeutsame Ziel der Masseanreicherung zu legitimieren. 372 Noch in einem anderen Punkt ist die Berufsausübung des Verwalters gegenüber dem Treuhänder neu justiert. Vormals wurde nach § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO der Treuhänder für das Restschuldbefreiungsverfahren abweichend von § 292 Abs. 2 InsO bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt. ___________ 550) 551) 552) 553) 554) 555) 556)

128

Henning, ZVI 2014, 7, 15. BGH, NZI 2009, 604 Rn. 6. BGH, NZI 2006, 158 Rn. 8. Vgl. BGH, NJW-RR 2012, 952 Rn. 10; NZI 2012, 247 Rn. 9. BVerfG, NJW 1958, 1035, 1038; 1988, 2292, 2293. BVerfG, NJW 1996, 1882, 1883; 2001, 353, 354. BVerfG, NJW 2001, 353, 354.

VII. Insolvenzverwalter

Nach der Rechtsprechung des BGH wird der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren zugleich auch für das Restschuldbefreiungsverfahren bestellt, sofern die Bestellung im Eröffnungsbeschluss nicht eingeschränkt ist.557) Um das Verfahren zu vereinfachen und Kosten zu sparen, sollte in Kleinverfahren nur eine Person für die Wahrnehmung der Verwalter- und Treuhänderaufgaben bestellt werden.558) Nachdem die Regelung aufgehoben ist, besteht diese gesetzliche Bindung nicht mehr. Dennoch besitzen diese Kriterien künftig bei der Bestellung des Treuhänders Gewicht. Eine verfassungsrechtlich kritische Konsequenz resultiert daraus nicht. Während vielleicht in einigen Verfahren die Treuhänderbestellung verloren zu gehen droht, kann sie in anderen Verfahren errungen werden. 2. Bestellung des Insolvenzverwalters Da das Amt des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren abgeschafft 373 ist, tritt an dessen Stelle ein nach den allgemeinen Regeln einzusetzender und befugter Insolvenzverwalter. Bislang schon waren über die Verweisung in § 313 Abs. 1 Satz 3 InsO die Anforderungen der §§ 56 – 66 InsO entsprechend anzuwenden, die künftig unmittelbar gelten. Zu beachten ist damit das Anforderungsprofil des § 56 InsO. Erforderlich ist eine fachliche und persönliche Eignung,559) wofür auf eine konkrete Einzelfalleignung abzustellen ist.560) Im Anwendungsbereich des § 304 InsO gelten damit die Qualifikationsanforderungen für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Der Verwalter hat deswegen seine Eignung für Insolvenzverfahren natürlicher Personen mit dem dort existierenden Aufgabenspektrum nachzuweisen. Wesentliche Erfahrungen können gerade auch mit den bisherigen Tätigkeiten als Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren nachgewiesen werden. Besondere Kompetenzen im Bereich einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners müssen auch weiterhin nicht vorhanden sein.561) Ein beachtlicher Unterschied existiert freilich bei den Anfechtungsansprü- 374 chen und für das Insolvenzplanverfahren. Da der Treuhänder im Bereich der Verbraucherinsolvenzverfahren dafür keine Kompetenzen besaß, musste er insoweit auch keine Qualifikation nachweisen.562) Wegen der weitgehenden sachlichen Angleichung der Aufgabenbereiche als Insolvenzverwalter im neuen Recht existiert nur noch für die nach § 270 Abs. 1 Satz 3 InsO vom Verbraucherinsolvenzverfahren ausgenommene Eigenverwaltung ein Vorbehaltsbereich. Soweit die Treuhänder auch als Insolvenzverwalter tätig waren, wird es regelmäßig mit den Kompetenznachweisen für die neuen Tätigkeitsfelder ___________ 557) 558) 559) 560) 561) 562)

BGH, ZInsO 2003, 750; NZI 2008, 114; NJW-RR 2012, 952 Rn. 6. BT-Drucks. 12/7302, S. 193; BGH, ZInsO 2003, 750. Vgl. FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 6. MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 21. Graeber, Insbüro 2013, 339, 340. Graeber, Insbüro 2013, 339.

129

D. Eröffnetes Verfahren

keine besonderen Schwierigkeiten geben. Im Übrigen sind im Einzelnen die bislang erworbenen Fähigkeiten und ihre Gewichtung im Verhältnis zu den neuen Funktionen abzuwägen, die nicht die gleiche Komplexität und Häufigkeit besitzen, wie im sog. Regelinsolvenzverfahren. 375 Die geeigneten Personen und Stellen, also insbesondere die Schuldnerberatungsstellen, können den Schuldner aufgrund der modifizierten Fassung von § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO im gesamten Insolvenzverfahren vertreten. Eine Kompetenz, als Insolvenzverwalter tätig zu werden, ist ihnen damit nicht eröffnet.563) Bereits sachlich weicht das im Interesse der Gläubiger und zugunsten der Masse ausgerichtete Tätigkeitsprofil eines Insolvenzverwalters von dem als einseitiger Interessenvertreter des Schuldners ausgerichteten Modell der Schuldnerberatungsstellen ab. Ziel des § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO ist dann auch nicht, Konkurrenten der bislang tätigen Insolvenzverwalter zu kreieren, sondern dem Schuldner im Verfahren Hilfestellungen zu gewähren. 376 Ein vorläufiger Gläubigerausschuss nach § 22a InsO ist im Verbraucherinsolvenzverfahren ausgeschlossen, weswegen eine Gläubigerbeteiligung nach § 56a InsO nicht in Betracht kommt. Nicht schon prinzipiell ausgeschlossen ist die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters nach § 57 InsO.564) An die Stelle der ersten auf die Bestellung folgenden Gläubigerversammlung tritt im schriftlichen Verfahren die diese Gläubigerversammlung ersetzende Anhörung, worauf im Anschreiben hinzuweisen ist. In den einfachen Verfahren nach § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO ist dies der Prüftermin bzw. die entsprechende Anhörung.565) Da nicht über die Fortführung eines Unternehmens zu befinden ist, weswegen sich der Eilbedarf vielleicht anders darstellt, und weil die Kosten gestundet sind, kann eine durchaus andere Interessenlage als im sog. Regelverfahren bestehen. Wegen des geringen Gläubigerengagements wird dennoch allenfalls ausnahmsweise ein anderer Insolvenzverwalter gewählt werden. 377 Zulässig ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, § 306 Abs. 2 Satz 1 InsO i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO, dessen Tätigkeitsprofil jedenfalls nicht prinzipiell von dem im sog. Regelinsolvenzverfahren abweicht. Bereits für das alte Recht war die Möglichkeit anerkannt, einen vorläufigen Treuhänder zu bestellen.566) Umso mehr muss dies nach neuem Recht gelten, das keine verbraucherinsolvenzspezifische Aufgabenbeschränkung vorsieht. Dennoch muss eine vorläufige Insolvenzverwaltung wegen des häufig fehlenden Sicherungsbedarfs und der entstehenden Kosten die Ausnahme bleiben.567) Für die Tätigkeit der geeigneten Personen und Stellen gilt das Gleiche wie ___________ 563) 564) 565) 566)

A. A. FK-InsO/Grote, § 306. Vgl. zum früheren Recht Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 12. MünchKomm-InsO/Graeber, § 57 Rn. 21. BGH, VuR 2007, 470 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 306 Rn. 17; Uhlenbruck/ Vallender, § 306 Rn. 476 ff.; AGR/Henning, § 306 Rn. 11. 567) Uhlenbruck/Vallender, § 306 Rn. 47; HK-InsO/Waltenberger, § 306 a. F. Rn. 17.

130

VIII. Insolvenzanfechtung

für die Bestellung als Insolvenzverwalter. Ihr Aufgabenfeld ist dafür prinzipiell nicht geeignet.568) 3. Aufgabenprofil Dem Insolvenzverwalter obliegen grundsätzlich die auch im Regelinsolvenz- 378 verfahren vom Verwalter wahrzunehmenden Aufgaben. Soweit dies bereits bislang zutraf,569) gilt dies selbstverständlich auch unter dem neuen Recht. Erst recht ist dies künftig zutreffend, weil die Aufgabenbegrenzungen aus § 313 Abs. 2, 3 InsO entfallen sind. Der Insolvenzverwalter hat die Insolvenzmasse einschließlich des Neuerwerbs in Besitz zu nehmen, § 148 InsO, zu sichern und im Interesse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu verwerten, §§ 159 ff. InsO.570) Außerdem muss er die Verzeichnisse sowie die Vermögensübersicht erstellen, §§ 151 ff. InsO, die Anmeldung von Forderungen und den Prüfungstermin vorbereiten, §§ 174 ff. InsO, Prozesse aufnehmen und fortsetzen, §§ 85 ff. InsO, sowie vertragliche Beziehungen abwickeln, §§ 103 ff. InsO.571) Der Insolvenzverwalter darf aber die Wohnung des Schuldners nicht gegen 379 dessen Willen betreten. Der Eröffnungsbeschluss, § 148 Abs. 2 Satz 1 InsO, bildet zwar die Grundlage, die Wohnung ohne zusätzliche richterliche Anordnung zu betreten, doch ist dies allein in Begleitung eines Gerichtsvollziehers zulässig.572) Die Kompetenzen des Insolvenzverwalters sind streng durch die Massezugehörigkeit beschränkt und beziehen sich nicht auf unpfändbare Gegenstände. Dies ist etwa beim Lastschriftwiderruf zu beachten, soweit das pfändungsfreie Schonvermögen berührt ist.573) VIII. Insolvenzanfechtung 1. Ausgangssituation Zu den Unzulänglichkeiten des bisherigen Verbraucherinsolvenzverfahrens 380 gehören die Kompetenzschranken des Treuhänders, falls er Anfechtungsansprüche zu realisieren sucht. In der ursprünglichen Fassung von § 313 Abs. 2 InsO blieb ein Anfechtungsrecht des Treuhänders vollständig ausgeschlossen, was alsbald kritisiert wurde.574) Um das Anfechtungsrecht effektiver nutzen zu können, wurde mit dem insoweit bereits im Gesetzgebungsverfahren kri___________ 568) 569) 570) 571) 572)

A. A. FK-InsO/Grote, § 306 Rn. 24. BGHZ 175, 307 Rn. 15. BGHZ 175, 307 Rn. 15. FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 2. MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 148 Rn. 66; AGR/Henning, § 313 Rn. 15; FK-InsO/Wegener, § 148 Rn. 21; a. A. FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 14, zusätzlicher richterlicher Beschluss. 573) BGHZ 186, 242 Rn. 13 ff. 574) Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 65 f.; Henckel, in: KS, S. 813 Rn. 97.

131

D. Eröffnetes Verfahren

tisierten575) InsOÄndG vom 26.10.2001 der Gläubigerversammlung die Befugnis eröffnet, den Treuhänder oder einen Gläubiger mit der Anfechtung zu beauftragen.576) Beide neu geschaffenen Alternativen konnten den fortbestehenden Funktionsverlust der Anfechtung im Verbraucherinsolvenzverfahren wegen der immer noch bestehenden faktischen und rechtlichen Hürden nicht verhindern.577) So bereitete es gerade in den einfachen und deswegen schriftlich durchgeführten Verfahren keine geringen Mühen, den Beschluss der Gläubigerversammlung zu erreichen. In der Praxis erfolgten deswegen weitaus weniger Anfechtungen als nach der Rechtslage möglich. Die mit der speziellen Gestaltung in der Verbraucherinsolvenz angestrebte Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung wurde weiterhin verfehlt.578) 381 Primäres Ziel der nunmehr erfolgten Novelle ist, die Anfechtungsmöglichkeiten wirkungsvoller auszugestalten, um die Masse anzureichern. Man muss nicht die Schwächen des § 313 Abs. 2, 3 InsO als ausschlaggebenden Faktor für die Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO ansehen,579) um dieses berechtigte Motiv anzuerkennen. Angestrebt ist wohl vor allem, eine schnellere Befriedigung der gestundeten Kosten zu erreichen. Ermöglicht werden soll dies durch ein originäres Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters, weswegen u. a. § 313 Abs. 2 InsO entfällt. Ein strikteres Anfechtungsregime entspricht damit gerade den gesetzgeberischen Vorstellungen. 382 Soweit seitens institutioneller Gläubiger eine hohe Anzahl zusätzlich geltend gemachter Anfechtungsansprüche befürchtet wird,580) bleibt abzuwarten, ob von den Insolvenzverwaltern vorschnell wenig substantiierte Ansprüche erhoben werden. Die angestrebte wirkungsvollere Realisierung von Anfechtungsansprüchen wird prinzipiell ermöglicht. Da überschuldete Verbraucher zumeist an der Pfändungsgrenze leben, werden wirtschaftlich erfolgversprechende Anfechtungsprozesse nicht allzu häufig sein. Die Alltagsphänomene der massenhaften Kleinstzahlungen werden nicht von den Anfechtungen betroffen sein, weil es in diesen Fällen regelmäßig an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt (Rn. 406 ff.). Da der Insolvenzverwalter über die Insolvenzanfechtung auch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten für die von ihm verwaltete Insolvenzmasse entscheidet,581) kann er zudem, insbesondere bei Kleinbeträgen, bei denen der Aufwand in keinem Verhältnis zum unsicheren Ertrag steht, von einer Rechtsverfolgung absehen. 383 Einen nicht unerheblichen Einfluss dürfte insbesondere das Vorgehen der Insolvenzgerichte im Rahmen der Amtsermittlungen haben. Sollten die In___________ 575) 576) 577) 578) 579) 580) 581)

132

Marotzke, KTS 2001, 67, 70. BT-Drucks. 14/5680, S. 33. BT-Drucks. 17/11268, S. 35. Andres/Leithaus/Andres, § 313 Rn. 12; AGR/Henning, § 313 Rn. 20. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1438. Siehe auch Hergenröder, KTS 2013, 385, 401. MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 192.

VIII. Insolvenzanfechtung

solvenzgerichte dazu übergehen, regelmäßig einen Gutachter zu bestellen, um Anfechtungsansprüche zu ermitteln, werden sich die Insolvenzverwalter dem daraus resultierenden Sog nicht entziehen können und verstärkt Anfechtungen erklären. Soweit in den Gutachten Anfechtungsansprüche festgestellt werden, ist der Weg für den Verwalter weithin vorgezeichnet. Ohne besondere Anhaltspunkte sind indessen derartige Gutachten in der Verbraucherinsolvenz nicht zu empfehlen. Sie verursachen erhebliche Zusatzkosten, welche die Masse belasten, zumal die Anfechtungsansprüche im Verbraucherinsolvenzverfahren zumeist in Zahl und Umfang überschaubar sein werden.582) Die neue Rechtslage schafft nicht allein für die Gläubiger, sondern auch für 384 den Schuldner manche Risiken. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hat der Schuldner im Insolvenzverfahren auch die Umstände anzugeben, die für eine Insolvenzanfechtung von Bedeutung sein können, weil eine erfolgreiche Anfechtung die Masse mehrt. Seine Pflicht besteht bereits dann, wenn konkrete Anhaltspunkte die Anfechtung möglich erscheinen lassen, ohne dass die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung tatsächlich erfüllt sein müssen.583) Sollten häufiger anfechtungsrelevante Tatsachen ermittelt werden, wird ein stärkeres Augenmerk auf die Auskünfte des Schuldners zu richten sein. Entscheidend wird sein, eine angemessene Balance zwischen ersichtlich massebeeinträchtigenden und damit aufzudeckenden sowie anderen Rechtshandlungen zu finden. 2. Ausübung des Anfechtungsrechts Zukünftig ist der Insolvenzverwalter nach den allgemeinen Regeln kraft Ge- 385 setzes anfechtungsberechtigt. Da § 313 InsO aufgehoben wird, entfallen die dort für den Treuhänder errichteten Schranken des Anfechtungsrechts. Eine Entscheidung der Gläubigerversammlung, mit der dem Insolvenzverwalter die Anfechtungsbefugnis erteilt wird, ist weder nötig noch besitzt sie einen rechtsbegründenden Charakter. Umgekehrt kann die Gläubigerversammlung dem Insolvenzverwalter auch nicht das Anfechtungsrecht entziehen, wie das früher möglich war.584) Der Verwalter bleibt allerdings im Rahmen der allgemeinen Regeln, etwa nach § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO, an die Entscheidungen der Gläubigerversammlung gebunden. Zudem entfällt die nach § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO bestehende gesetzliche Prozessstandschaft der Insolvenzgläubiger zur Geltendmachung der Anfechtungsansprüche. Da die Anfechtung nunmehr zu den gesetzlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört, besitzt die Gläubigerversammlung keine Kompetenz dafür, wie früher nach § 313 Abs. 2 Satz 2 InsO, einem einzelnen Gläubiger das Anfechtungsrecht zu übertragen. ___________ 582) Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 310. 583) BGH, NZI 2010, 264 Rn. 6; BGH, NZI 2010, 999 Rn. 5; ZInsO 2012, 751 Rn. 14; AGR/Fischer, § 290 Rn. 65; krit. Wedekind, VIA 2010, 35, 36. 584) Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 87.

133

D. Eröffnetes Verfahren

386 Ob eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter auf einen Insolvenzgläubiger künftig zulässig ist, wird damit indessen noch nicht beantwortet.585) Nach den allgemeinen Regeln ist der Insolvenzverwalter berechtigt, einen Dritten als gewillkürten Prozessstandschafter zu ermächtigen, den Anfechtungsanspruch zu verfolgen.586) Der BGH hat eine gewillkürte Prozessstandschaft des Schuldners als natürliche Person für zulässig angesehen.587) Prinzipiell wird dies ungeachtet einer möglichen Restschuldbefreiung zu gelten haben, wenn dem Schuldner eine Nachhaftung für die Kosten droht. Im Verbraucherinsolvenzverfahren setzen dem eher die begrenzten Fähigkeiten des Schuldners als rechtliche Hindernisse Schranken. 387 Aber auch ein für die gewillkürte Prozessstandschaft hinreichendes Eigeninteresse der Insolvenzgläubiger wird zu bejahen sein.588) Dementsprechend ist regelmäßig ebenso eine Abtretung des Anfechtungsanspruchs wirksam.589) Aus der aufgehobenen früheren Rechtslage ist letztlich kein Argument gegen eine Übertragung des Anfechtungsrechts auf einen Insolvenzgläubiger zu gewinnen. Vorrangiges Ziel des Reformgesetzgebers war nicht, das Anfechtungsrecht der Insolvenzgläubiger aufzuheben, sondern das originäre Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters zu eröffnen, um die Insolvenzanfechtung zu erleichtern. Wenn eine effektivere Ausübung des Anfechtungsrechts ermöglicht werden soll, dann dürfen die Wege, um eine wirkungsvollere Durchsetzung der Anfechtungsansprüche zu erreichen, nicht versperrt sein. Dem Insolvenzverwalter muss überlassen bleiben, auf welche Weise er dieses Ziel im gesetzlichen Rahmen zu erreichen sucht. 3. Gläubigerbenachteiligung a) Massezugehörigkeit 388 Bislang besitzen Insolvenzanfechtungen in den Kleinverfahren natürlicher Personen kein nennenswertes Gewicht, wenn es um die Massemehrung geht.590) Wohl auch deswegen sind die spezifischen Fragen der Anfechtung von Rechtshandlungen natürlicher Personen nur unzureichend wahrgenommen worden. In erster Linie geht es um die aus den existenzsichernden Pfändungsschutzvorschriften für das Arbeitseinkommen, aber auch den sonstigen Vollstreckungsschutzbestimmungen, etwa für unpfändbare Sachen, resultierenden anfechtungsrechtlichen Folgen. In der Insolvenz natürlicher Perso___________ Ablehnend Graeber, Insbüro 2013, 339, 340; Henning, ZVI 2014, 7, 15. MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 215; AGR/Gehrlein, § 129 Rn. 18. BGHZ 100, 217, 218; BGH, NZI 2011, 486 Rn. 7. Vgl. BGHZ 125, 196, 203. BGH, NZI 2011, 486 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 214 ff.; AGR/Gehrlein, § 129 Rn. 18; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, § 143 Rn. 8; Jaeger/Henckel, § 143 Rn. 102; Karsten Schmidt/Büteröwe, § 142 Rn. 17; a. A. FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rn. 58. 590) Zum Folgenden Ahrens, NJW-Spezial 2014, 314. 585) 586) 587) 588) 589)

134

VIII. Insolvenzanfechtung

nen existiert damit ein anfechtungsrechtliches Massenphänomen, welches für die Insolvenzverfahren von Unternehmen praktisch bedeutungslos ist. Erst langsam werden die daraus resultierenden Probleme sichtbar. Die Anfechtung soll der Masse diejenigen Vorteile wiederverschaffen, die ihr 389 ohne die angefochtene Rechtshandlung zugestanden hätten.591) Ohne die anfechtbare Rechtshandlung müsste eine günstigere Befriedigungsaussicht für die Insolvenzgläubiger existieren.592) Deswegen ist eine Rechtshandlung nach § 129 Abs. 1 InsO lediglich dann anfechtbar, wenn sie die Insolvenzgläubiger benachteiligt.593) Infolgedessen sind beim Anfechtungsrecht die Pfändbarkeit und damit die Massezugehörigkeit des Gegenstands zu beachten. So klar dieser Grundsatz auch erscheint, so schwer sind doch die Konse- 390 quenzen daraus abzuleiten. Die Gläubiger werden i. S. d. Anfechtungsrechts nicht belastet, wenn der weggegebene Gegenstand unpfändbar und deswegen nicht massezugehörig ist,594) falls er im Vermögen des Schuldners verblieben wäre.595) Verfügungen über unpfändbares Vermögen sind daher regelmäßig nicht anfechtbar.596) Dies gilt jedenfalls soweit die Unpfändbarkeit dazu dient, den Schuldner zu schützen.597) Nicht damit gleichzusetzen ist die anders geartete Überlegung, ob das Exis- 391 tenzminimum des Anfechtungsgegners nicht dem Zugriff des Insolvenzverwalters unterliegt und deswegen nicht zur Masse gezogen werden kann. Jedenfalls im Bereich der Kongruenzanfechtung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung Zweifel daran geäußert.598) Auf den Bereich der Inkongruenzanfechtung unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sollen diese Erwägungen indessen nicht übertragen werden können.599) Der Schutz des Anfechtungsgegners wird durch die unmittelbar geltenden Vollstreckungsschutzbestimmungen realisiert, etwa der §§ 850 ff. ZPO. Demgegenüber ist in den hier maßgebenden Fällen über die durch § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO vermittelte Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstands zu entscheiden. Kein geeignetes Kriterium bildet dagegen, ob der unpfändbare Betrag dazu 392 dient, existenzielle Risiken des Schuldners zu beseitigen. Zentrale Aufgabe ___________ 591) 592) 593) 594) 595)

596) 597) 598) 599)

BGHZ 86, 349, 355; 97, 87, 97. Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 77. MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 76. BGHZ 186, 242 Rn. 13; 189, 65 Rn. 21; Karsten Schmidt/Karsten Schmidt, § 129 Rn. 52. BGH, 123, 183, 185; 155, 75, 82; AGR/Gehrlein, § 129 Rn. 97; Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 80; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 129 Rn. 73; HambK/Rogge/Leptien, § 129 Rn. 48; Hess, § 129 Rn. 156; Gottwald/Huber, § 46 Rn. 64. MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 84; Sinz/Hiebert/Wegener, Verbraucherinsolvenz, Rn. 519. FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rn. 39. BAG, NZI 2014, 372 Rn. 17 ff.; kritisch Lütcke, NZI 2014, 350, 351. BAG, NZI 2014, 559 Rn. 34.

135

D. Eröffnetes Verfahren

der Unpfändbarkeitsregeln und insbesondere der Pfändungsfreibeträge ist zweifellos, existenzielle Bedürfnisse des Schuldners zu befriedigen. Weitergehend soll ihm im Rahmen der Pfändungsfreibeträge aber auch ein gewisser Betrag zu einer bescheidenen, aber eben auch selbstbestimmten Lebensführung belassen und ein Anreiz zur Erwerbstätigkeit gegeben werden.600) Diese vollstreckungsrechtlichen Wertungen werden durch § 36 Abs. 1 InsO in das Insolvenzrecht transportiert. 393 Systematisch verfehlt ist freilich, die Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anzuwenden. Nach einer vereinzelten Ansicht sollen zwar nur die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens zur Masse gezogen werden können, doch gehörten danach allein das bei Eröffnung des Verfahrens vorhandene und das danach erworbene Vermögen zur Masse. Auf die Zeit vor der Eröffnung könnte diese Gestaltung nicht übertragen werden, weil der Schuldner hier nicht in seinem Verfügungsrecht beschränkt sei.601) Eine Gläubigerbenachteiligung tritt indessen bei Erfüllungshandlungen aus dem Schuldnervermögen ein, weil dadurch für die Insolvenzgläubiger die Zugriffsmasse reduziert wird.602) Da der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht verliert, § 80 Abs. 1 InsO, und seine Verfügungen nach § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam sind, müssen die anfechtbaren Rechtshandlungen vor der Insolvenzeröffnung erfolgt sein. Folgerichtig kann es nicht darauf ankommen, ob bereits eine Masse gebildet ist, sondern die Massevorschriften wirken maßstäblich für die wertende Beurteilung der Gläubigerbenachteiligung. b) Unpfändbares Vermögen aa) Geschützte Forderungen 394 Im Mittelpunkt der wirtschaftlich bedeutsamen Handlungen des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz stehen Verfügungen über sein Arbeitseinkommen bzw. sein Erwerbsersatzeinkommen. Andere Rechtshandlungen des Schuldners besitzen längst kein vergleichbares Gewicht. Seine Einkünfte sind nach den §§ 850 ff. ZPO und § 54 SGB I pfändungsgeschützt sowie gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. den §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g – 850k, 851c, 851d ZPO insolvenzfrei. Dadurch sollen die für die Pfändungsschutzbestimmungen der ZPO maßgebenden sozialpolitischen Erwägungen auf das Insolvenzverfahren übertragen werden.603) In Einzelfällen können indessen Pfändbarkeit und Insolvenzbeschlag voneinander abweichen.604) Zu___________ 600) PG/Ahrens, § 850c Rn. 1. 601) OLG Zweibrücken, ZInsO 2013, 2061 Rn. 6; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 548. 602) MünchKomm-InsO/Kayser, § 130 Rn. 23. 603) BGH, NZI 2013, 942 Rn. 19. 604) Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 80.

136

VIII. Insolvenzanfechtung

meist bleibt dabei der Insolvenzbeschlag hinter der Pfändbarkeit zurück, wie etwa im Fall des § 850f Abs. 2 ZPO. Umgekehrt sollen nach der Rechtsprechung des BGH bedingt pfändbare Ansprüche auf Berufsunfähigkeitsrenten i. S. d. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO massezugehörig sein.605) Jenseits dieser Bereiche fallen Pfändbarkeit und Massezugehörigkeit sowie eine mögliche Gläubigerbenachteiligung prinzipiell zusammen. Dagegen spricht auch nicht, wenn Rückzahlungen von Nebenkosten, die aus dem unpfändbaren Vermögen geleistet wurden, zu Masse gezogen werden.606) In diesen Fällen geht es gerade nicht um die anfechtungsrechtlich maßgebende Frage des Vermögensabflusses, sondern die umgekehrte Konstellation des Vermögenszuflusses. Anders formuliert für das Einkommen des Schuldners gelten die §§ 850 ff. ZPO, für die Nebenkostenrückerstattung besteht dieser Vollstreckungsschutz gerade nicht. Die zentralen Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO sowie § 54 395 SGB I setzen grundsätzlich an der Quelle an und schützen die Forderungen des Schuldners auf das Arbeitseinkommen bzw. die Sozialleistungen. Zahlt der Arbeitgeber das Entgelt in bar aus oder überweist er es auf ein Konto des Schuldners, ist die Forderung erfüllt. Sie erlischt damit und der Pfändungsschutz nach den §§ 850 ff. ZPO endet.607) Verfügungen über unpfändbare Forderungen des Schuldners auf Arbeitseinkommen sind deswegen nur im schmalen Bereich der Anrechnung oder Einbehaltung vorstellbar.608) Solche Konstellationen kommen vor, wenn etwa der Arbeitgeber die Kosten für Mitarbeitereinkäufe oder das Kantinenessen abrechnet. Anfechtungsrechtlich können derartige Gestaltungen beachtlich sein, praktisch sind sie aber weithin bedeutungslos. Überweist der Arbeitgeber die Forderung auf ein Pfändungsschutzkonto des 396 Schuldners, erlangt der Schuldner eine Forderung gegen das Kreditinstitut als neuen Drittschuldner. An die Stelle des Pfändungsschutzes aus den §§ 850 ff. ZPO, § 54 SGB I tritt der Kontopfändungsschutz nach § 850k ZPO. Unabhängig von der Einkommensquelle ist auf einem Pfändungsschutzkonto jeder Zahlungseingang und jedes Guthaben in den gesetzlichen Grenzen pfändungsgeschützt.609) Der Kontopfändungsschutz bildet indessen nicht automatisch den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen ab und kann etwa dahinter zurückbleiben, wenn eine mögliche Aufstockung nicht verlangt wurde.610) Über das unpfändbare Guthaben darf der Schuldner in jeder zulässigen Weise verfügen, § 850k Abs. 5 Satz 1 ZPO. Unter diesen Umständen, also bei einer Verfügung aus dem unpfändbaren Guthaben eines Pfändungsschutzkontos, ___________ 605) 606) 607) 608) 609) 610)

BGH, NZI 2010, 141 Rn. 10 ff. mit Anm. Asmuß; 2010, 777 Rn. 41. BGH, NZI 2014, 614 Rn. 29 ff.; so aber Frind, ZInsO 2014, 1739, 1743. BGHZ 186, 242 Rn. 15. MünchKomm-BGB/Schlüter, § 394 Rn. 5. PG/Ahrens, § 850k Rn. 45. PG/Ahrens, § 850k Rn. 56 ff., 72 ff.

137

D. Eröffnetes Verfahren

scheiden eine Massezugehörigkeit der Forderung und damit eine die Gläubiger benachteiligende Verfügung aus. 397 Systematisch und faktisch schwieriger einzuordnen ist eine bar ausgezahlte Vergütung. Leisten der Arbeitgeber bzw. der Sozialleistungsträger wiederkehrende Zahlungen in bar oder wird eine Kindergeldzahlung bar ausgezahlt, besteht der Pfändungsschutz gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO. Danach ist ein Geldbetrag nicht pfändbar, der dem unpfändbaren Teil der Einkünfte von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht. Dazu muss das unpfändbare Einkommen berechnet und zeitanteilig aufgeschlüsselt werden.611) In der Retrospektive der Anfechtungsprüfung werden manche Beurteilungsschwierigkeiten auftreten (zur Umsetzung siehe Rn. 406 ff.). Zahlt der Schuldner etwa seine Stromrechnung bar am Schalter des Energieversorgungsunternehmens aus diesen Mitteln, ist die Leistung unanfechtbar.612) bb) Überweisung auf ein nicht pfändungsgeschütztes Konto 398 Schwieriger sind die Konsequenzen zu beurteilen, wenn das Arbeitseinkommen auf ein einfaches, nicht pfändungsgeschütztes Konto des Schuldners überwiesen wurde. Ob in diesen Fällen eine weitere Verfügung über das Einkommen anfechtungsrechtlich dennoch wie eine Verfügung über das pfändungsgeschützte Arbeitseinkommen bzw. Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto zu behandelt sein kann, ist weithin unklar.613) Damit ist auch unklar, ob derartige wirtschaftlich aus einem Arbeitsverhältnis bzw. aus dem gleichgestellten Erwerbsersatzeinkommen stammende Mittel anfechtungsrechtlich den gleichen Schutz genießen wie die Entgeltforderungen selbst. Manche Einwände sprechen dagegen, von insolvenzfreien Mitteln auszugehen, denn dann wären die anfechtungsrechtlichen Grenzen enger gezogen, als die zwangsvollstreckungsrechtlichen Schranken. Zudem droht sonst möglicherweise die gesetzliche Teleologie unterlaufen zu werden, wonach die Masse durch wirksame Anfechtungsmöglichkeiten gestärkt werden soll.614) Letztlich habe es der Schuldner selbst in der Hand, ein Pfändungsschutzkonto einzurichten und dadurch seine Rechtshandlungen anfechtungsrechtlich freizustellen.615) 399 Allerdings deuten einige Stellungnahmen in der Kommentarliteratur auf insolvenzfreie Mittel sowie Verwendungsmöglichkeiten hin. Regelmäßig wird die Verfügung über unpfändbare Rechte mit Hinweis auf die §§ 850 ff. ZPO ___________ 611) Stein/Jonas/Münzberg, § 811 Rn. 62 f.; PG/Flury, § 811 Rn. 40; Schuschke/Walker/ Walker, § 811 Rn. 38. 612) Lackmann, Insbüro 2014, 303, 305. 613) Für eine Gleichstellung Ahrens, NJW-Spezial 2014, 341; a. A. Vallender, NZI 2014, 535, 538. 614) BT-Drucks. 12/2443, S. 85, 156. 615) Vallender, NZI 2014, 535, 538.

138

VIII. Insolvenzanfechtung

als unanfechtbar angesehen.616) Wegen des nahezu bedeutungslosen Bereichs der unmittelbaren Verfügungen über Forderungen auf das Arbeitseinkommen ist nach anderen Anknüpfungspunkten zu suchen. Dann sprechen einige Gründe für ein umfassenderes Verständnis der insolvenzfreien Mittel. Sicher erscheint eine solche Interpretation indessen nicht. Um hier eine stabile Beurteilungsgrundlage zu gewinnen, können wichtige Maßstäbe der Rechtsprechung des BGH entnommen werden. Erbringt der Schuldner Zahlungen mit Mitteln aus einer lediglich geduldeten 400 Kontoüberziehung, tritt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Gläubigerbenachteiligung ein, obwohl der Schuldner keinen pfändbaren Anspruch auf die Leistung hat.617) Obwohl hier kein pfändbarer Anspruch verlangt wird, kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ohne originären Pfändungsschutz stets eine Massezugehörigkeit und damit Gläubigerbenachteiligung zu bejahen ist. Als qualifizierenden Unterschied zu der hier zu beurteilenden Situation geht es bei der Inanspruchnahme einer geduldeten Kontoüberziehung darum, ob der Schuldner überhaupt auf einen Vermögenswert zugreift. Bei einer Zahlung aus den Einkünften ist dagegen nicht der Vermögenswert, sondern ein dafür bestehender Pfändungsschutz problematisch. Es liegt nahe, in der Funktionsübertragung der §§ 850 ff. ZPO von den For- 401 derungen gegen den Arbeitgeber auf das ausgezahlte Einkommen bzw. die erlangten Mittel eine pfändungsschutzrechtliche Surrogation zu erblicken, die üblicherweise abgelehnt wird.618) Auf dieser Linie liegt es, wenn der BGH aus dem unpfändbaren Arbeitseinkommen auf einem Sparkonto angespartes Vermögen als pfändbaren Neuerwerb ansieht.619) Dennoch muss nicht notwendig von einem Neuerwerb ausgegangen werden.620) Im Unterschied zum Gedanken der pfändungsschutzrechtlichen Surrogation wird kein anderer Vermögenswert erworben, sondern der Geldwert im Vermögen belassen. Einen entsprechenden Gedanken hat der BGH in der Lastschriftrechtspre- 402 chung aktualisiert.621) Dort hat das Gericht einen Neuerwerb verneint, weil die betreffenden Beträge ohne eine Genehmigung des Schuldners nicht aus seinem Vermögen abgeflossen seien.622) Dem steht auch nicht eine mögliche ___________ 616) MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 84 Fn. 358; AGR/Gehrlein, § 129 Rn. 97; HKInsO/Kreft, § 129 Rn. 53; HambK/Rogge/Leptien, § 129 Rn. 48. 617) BGH, NZI 2009, 764 Rn. 10 ff.; siehe auch HambK/Rogge/Leptien, § 129 Rn. 41. 618) BGH, NZI 2013, 648 Rn. 19; Runkel, in: FS Uhlenbruck, S. 315, 318 ff.; MünchKommInsO/Peters, § 35 Rn. 45; Uhlenbruck/Hirte, § 36 Rn. 51a; Jaeger/Henckel, § 35 Rn. 118; differenzierend dagegen AGR/Ahrens, § 35 Rn. 123; a. A. Pech, Die Einbeziehung des Neuerwerbs, S. 94. 619) BGH, NZI 2013, 968 Rn. 8. 620) Ganter, NZI 2013, 969. 621) A. A. jetzt Frind, ZInsO 2014, 1739, 1743. 622) BGHZ 186, 242 Rn. 21.

139

D. Eröffnetes Verfahren

Anfechtbarkeit der Genehmigung623) entgegen, weil die auf die andere Rechtshandlung der Genehmigung bezogen ist. Ausdrücklich hat der IX. Zivilsenat eine Anwendung des dem § 850k ZPO innewohnenden Rechtsgedankens bejaht, um einen Schutz der zur Lebensführung erforderlichen Mittel zu ermöglichen, obwohl die Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt waren.624) Auch jenseits des unmittelbaren Anwendungsbereichs der Pfändungsschutzvorschriften kann ihr Sinngehalt über die Massezugehörigkeit eines Gegenstands entscheiden. 403 Bereits der vom BGH dabei verwendete Begriff des Schonvermögens625) erweitert den Pfändungsschutz über den engen Bezug auf die pfändungsgeschützten Entgeltforderungen. Der sozialrechtlich geprägte Terminus des Schonvermögens bezeichnet das nicht für den Bezug der subsidiären Sozialleistung einzusetzende Vermögen, wie in § 12 Abs. 2, 3 SGB II und § 90 Abs. 2, 3 SGB XII.626) Indem der BGH auf diesen Ausdruck abstellt, löst er den Bezugsrahmen für den Insolvenzbeschlag aus der engeren zwangsvollstreckungsrechtlichen Prägung. Maßgebend ist damit nicht mehr der unmittelbare Bezug auf die Quelle der Einkünfte, sondern der Zweck des Vermögensschutzes. 404 Diese Überlegungen lassen sich folgerichtig auf die Verwendung des Arbeitseinkommens übertragen. Solange das erzielte Einkommen sich noch derart im Vermögen des Schuldners befindet, um damit die existenziellen Subsistenzmittel zu erwerben, handelt es sich um pfändungsfreies Schonvermögen.627) Dies entspricht dem Schutzzweck von § 36 InsO, dem Schuldner einen unantastbaren Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter zu belassen.628) Dieser fundamentale Gedanke ist auch anfechtungsrechtlich zu beachten, weswegen insoweit von geschützten Leistungen ausgegangen werden kann. Diese Mittel müssen nicht mit einem angesparten Guthaben gleichgestellt werden. Ihre Verwendung begründet keine Gläubigerbenachteiligung. Bereits deswegen kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner ein Pfändungsschutzkonto einrichten kann. Zudem ist für den Schuldner die anfechtungsrechtliche Privilegierung durch ein Pfändungsschutzkonto kaum ersichtlich. 405 Da die Legitimation des Pfändungsschutzes aus einer entsprechenden Anwendung von § 850k ZPO gespeist wird, ist zu entscheiden, welche Pfändungsfreigrenzen gelten. Der Kontopfändungsschutz bildet nicht automatisch den Pfändungsschutz für das Arbeitseinkommen und die Tabellenbe___________ 623) 624) 625) 626) 627) 628)

140

BGHZ 186, 242 Rn. 24. BGHZ 186, 242 Rn. 16. BGHZ 186, 242 Rn. 23. BSG, NZS 2008, 263 Rn. 19; 2012, 871 Rn. 28; NJW 2009, 2327 Rn. 26. Ahrens, NJW-Spezial 2014, 314, 315. BGHZ 167, 352 Rn. 16; NZI 2013, 942 Rn. 18.

VIII. Insolvenzanfechtung

träge nach § 850c ZPO ab. Als Basispfändungsschutz ist das Guthaben nur in Höhe des Sockelfreibetrags nach § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO mit dem Betrag von derzeit 1045,04 € pfändungsgeschützt.629) Nur auf Antrag wird dem Schuldner auf dem Pfändungsschutzkonto ein erhöhter Pfändungsschutz wegen Unterhaltspflichten oder bei Mehrbedarf gewährt, § 850k Abs. 2, 4, 5 Satz 4 ZPO. Da der Pfändungsschutz aus dem entsprechend anzuwendenden Gedanken des § 850k ZPO abgeleitet wird, müssen allerdings nicht alle im Einzelfall bestehenden Voraussetzungen des Kontopfändungsschutzes erfüllt sein, weswegen ein erhöhter Pfändungsfreibetrag systematisch möglich ist. Der Schuldner wird dann zwar gegenüber dem Kontopfändungsschutzsystem insoweit begünstigt, als er keinen Erhöhungsantrag stellen muss, doch kann er einen solchen Antrag auch nicht stellen. Folgerichtig gelten für den Umfang des Pfändungsschutzes die Maßstäbe des § 850c Abs. 1, 2 ZPO. cc) Umsetzung Verhältnismäßig klar erscheint die Situation, wenn das Arbeitseinkommen 406 des Schuldners gepfändet ist oder der pfändbare Teil aufgrund einer Sicherungsabtretung eingezogen wird. Dann müssen sonstige Leistungen des Schuldners aus dem Unpfändbaren stammen und können deswegen nicht angefochten werden. Angefochten werden können ggf. die aus einer Zwangsvollstreckung oder einer Sicherungsabtretung erlangten Positionen. Schwieriger ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Verfügungen des 407 Schuldners den Pfändungsfreibetrag übersteigen. Auch dieses Problem ist gestützt auf die Lastschriftrechtsprechung zu entscheiden. Der Insolvenzverwalter muss dem Schuldner dann grundsätzlich die Entscheidung ermöglichen, ob und welche Leistungen aus dem pfändungsfreien Schonvermögen erbracht worden sind.630) Damit besitzt der Schuldner ein Bestimmungsrecht über den anfechtungsrechtlich zu beachtenden Schutzbereich. Ob der Schuldner ein Interesse an der Anfechtung hat, um die Masse anzureichern und möglichst seine Kostenverbindlichkeiten zu erfüllen, kann dahingestellt bleiben, denn sein Interesse an einer Erfüllung der Verbindlichkeit dürfte gleichgewichtig sein. Barabhebungen des Schuldners werden aber wegen des Wertungsgesichtspunkts aus § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO dem Unpfändbaren zuzurechnen sein. Eine Anfechtung sämtlicher Leistungen durch den Insolvenzverwalter ist in derartigen Konstellationen jedenfalls ausgeschlossen. Ob weitergehend eine Vermutung begründet ist, wonach bestimmte, einer 408 Existenzsicherung dienende Leistungen aus dem Unpfändbaren erbracht werden, kann nicht ohne Weiteres beantwortet werden. Die Mietwohnung und die Energieversorgung besitzen für den Schuldner essenzielle Bedeu___________ 629) PG/Ahrens, § 850k Rn. 53. 630) BGHZ 186, 242 Rn. 23; Ahrens, NJW-Spezial 2014, 341, 342; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 548.

141

D. Eröffnetes Verfahren

tung, weswegen er wahrscheinlich gerade dafür die Gegenleistung erbringen will. Einen ähnlich hohen Stellenwert haben Unterhaltsleistungen. Aus der Zweckbestimmung des pfändungsgeschützten Einkommens kann möglicherweise auf eine entsprechende Verwendungsabsicht geschlossen werden.631) 409 Macht der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch geltend, trägt er grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtungsvoraussetzungen.632) Folgerichtig muss der anfechtende Insolvenzverwalter auch eine vorliegende Gläubigerbenachteiligung darlegen und beweisen.633) Der Insolvenzverwalter muss darlegen, dass und inwieweit pfändbares Vermögen des Schuldners betroffen ist.634) Der Anfechtungsgegner trägt sodann die sekundäre Darlegungslast und muss ausführen, weswegen das Vermögen unpfändbar war. Soweit der nicht pfändungsgeschützte Teil des Einkommens zugunsten eines anderen Gläubigers gepfändet oder abgetreten ist, wird eine Leistung regelmäßig aus dem Unpfändbaren erfolgen, etwa wenn der Schuldner die Miete oder die Stromrechnung bezahlt hat. c) Veränderte Umstände 410 Nicht selten werden sich im Lauf der Zeit die Umstände verändern, nach denen die Pfändbarkeit zu bestimmen ist. Dann ist zu entscheiden, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, um die Massezugehörigkeit des Gegenstands zu beurteilen. Erwirbt der Schuldner einen Pkw, weil er diesen benötigt, um seine Arbeitsstelle zu erreichen, ist das Fahrzeug pfändungsgeschützt.635) Wechselt der Schuldner zu einer Arbeitsstelle, die in zumutbarer Weise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, oder verliert er seinen Arbeitsplatz, entfällt der Pfändungsschutz. Steigt oder sinkt das Arbeitseinkommen des Schuldners, verändert sich gemäß § 850c Abs. 2 ZPO der nach der Tabelle pfändbare Betrag. Ebenso kann sich der unpfändbare Betrag des Arbeitseinkommens durch zusätzliche Unterhaltspflichten, etwa die Geburt eines Kindes, oder entfallende Unterhaltspflichten bei der Beendigung der Ausbildung eines Kindes verändern. Auch kann ein einfaches Konto, über das der Zahlungsverkehr abgewickelt wurde, in ein pfändungsgeschütztes Konto umgewandelt werden oder der unpfändbare Betrag aufgrund von Schutzanträgen etwa nach den §§ 850f Abs. 1, 850i ZPO verändert sein. 411 Als maßgebende Zeitpunkte kommen insbesondere die Vornahme der Rechtshandlung sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Betracht. Um eine unmittelbare Benachteiligung festzustellen, wird in § 140 Abs. 1 InsO ___________ 631) Ahrens, NJW-Spezial 2014, 341, 342; Vallender, NZI 2014, 535, 539. 632) BGH, NZI 2000, 422, 423; Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 230; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 548. 633) BGHZ 77, 350, 354; NZI 2000, 422, 423. 634) Ahrens, NJW-Spezial 2014, 341, 342; Vallender, NZI 2014, 535, 539. 635) BGH, NJW-RR 201, 642 Rn. 16; Ahrens, NJW-Spezial 2012, 725.

142

VIII. Insolvenzanfechtung

prinzipiell auf die Vornahme der Rechtshandlung abgestellt.636) Für diesen Termin spricht vor allem die Rechtssicherheit, weil der Gläubiger spätere Veränderungen nicht berücksichtigen kann. Vereinzelt wird demgegenüber die Pfändbarkeit anhand der Situation bei der Verfahrenseröffnung beurteilt.637) Da die Insolvenzanfechtung auf die Herstellung der Masse bei Verfahrenseröffnung gerichtet sei, müsse von diesem durch die Gleichbehandlung der Gläubiger geprägten Datum ausgegangen werden. Wechselt bei Sachen die Pfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 ZPO abhängig von 412 der Zweckbestimmung, ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung abzustellen.638) Entfallen die Voraussetzungen der Unpfändbarkeit nach Vornahme der Rechtshandlung, kann damit noch keine Gläubigerbenachteiligung begründet werden.639) Da der Pfändungsschutz von Bargeld zeitanteilig bis zum nächsten Zahlungstermin zu bestimmen ist, muss der Schutz abhängig von der Vornahme der Rechtshandlung bemessen werden. Verfügt der Schuldner über eine Guthabenforderung gegen ein Kreditinsti- 413 tut, ist auf einen anderen Anknüpfungspunkt abzustellen. Die Pfändungsschutzregeln für das Erwerbs- bzw. das Erwerbsersatzeinkommen und deren Übertragung auf das ausgezahlte Einkommen dienen der Existenzsicherung des Schuldners. Dies unterscheidet sie von Pflichtteilsansprüchen oder Urheberrechten, die zunächst unpfändbar, später aber beschlagsfähig sein können.640) Der existenzsichernde Zweck ist nur in dem Moment sachgerecht zu bewerten, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird. Zahlt der Schuldner seine Strom- oder Gasrechnung, wird deren Höhe durch die Zahl der Haushaltsangehörigen und damit im Zweifel unterhaltsberechtigten Personen bestimmt. Dieser Bedarf wird von der Höhe des Pfändungsfreibetrags abgebildet. Spätere Veränderungen sind hierfür unerheblich. 4. Einzelfälle a) Rechtshandlungen Anfechtbar sind grundsätzlich, ausgenommen die Fälle des § 147 InsO, nur 414 die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Rechtshandlungen. Nach der Eröffnung ist ein anfechtungsrechtlicher Schutz der Masse entbehrlich, weil die Rechtshandlungen nach § 81 InsO regelmäßig unwirksam sind.641) Die Rechtsbeschränkung endet mit Beendigung des Insolvenzver___________ 636) BGHZ 129, 236, 242; 156, 350, 357; 170, 196 Rn. 13; BGH, NZI 2009, 644 Rn. 35; MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 113; AGR/Gehrlein, § 129 Rn. 2. 637) Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 129 Rn. 73. 638) Uhlenbruck/Hirte, § 129 Rn. 102. 639) Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 80. 640) Uhlenbruck/Hirte, § 129 Rn. 102. 641) HK-InsO/Kreft, § 129 Rn. 35.

143

D. Eröffnetes Verfahren

fahrens. Da in diesem Zeitpunkt keine zu schützende Masse existiert, sind nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens in der Treuhandperiode vorgenommene Rechtshandlungen nicht anfechtbar.642) b) Gläubigerbenachteiligung 415 In die Masse fällt zwar das pfändbare Arbeitseinkommen. Zur Masse gehört aber nicht die Arbeitskraft des Schuldners oder dessen Arbeitsverhältnis als solches, denn die Arbeitskraft des Schuldners ist Ausdruck seiner eigenen Persönlichkeit und kein Vermögensobjekt.643) Wie bereits aus der Normierung bloßer Erwerbsobliegenheiten in den §§ 4c Nr. 4, 287b, 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO folgt, kann der Schuldner nicht gezwungen werden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.644) Infolgedessen besitzt der Insolvenzverwalter keine Möglichkeit, die Tätigkeit des Schuldners zu beeinflussen. Da der Schuldner über seine Arbeitskraft frei verfügen kann, entscheidet er auch allein über die vertraglichen Beziehungen, welche seine Arbeitskraft betreffen. Nur der Schuldner kann das Arbeitsverhältnis kündigen, einen Aufhebungsvertrag abschließen oder es inhaltlich verändern.645) Auch die Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit ist unanfechtbar, anders ist dagegen die Veräußerung einer freiberuflichen Praxis zu beurteilen.646) Zudem ist die unterlassene Aufnahme einer entgeltlichen Tätigkeit nicht anfechtbar.647) 416 Höchstpersönliche, dem Schutz ideeller Interessen dienende Rechte stellen keine pfändbaren Vermögensgegenstände dar und fallen nicht in die Masse.648) Darauf bezogene Rechtshandlungen sind nicht benachteiligend, selbst wenn sie, wie die Eheschließung oder die Adoption, zu Unterhaltspflichten führen.649) Ebenso wie die Ausschlagung einer Erbschaft, §§ 1942, 1953 BGB,650) ist auch die Mitwirkung an der Aufhebung einer Erbeinsetzung als höchstpersönliches Rechtsgeschäft nicht anfechtbar.651) Wegen des starken vermögensrechtlichen Bezugs kann dagegen eine Unterhaltsvereinbarung gläubigerbenachteiligend wirken.652) Auch eine Güterrechtsvereinbarung ist prinzipiell ___________ 642) BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 147/11 Rn. 2. 643) BGHZ 167, 363 Rn. 16; BGH, NZI 2013, 942 Rn. 17, 21; MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 91; Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 47. 644) BGH, NZI 2013, 942 Rn. 21. 645) BGH, NZI 2013, 942 Rn. 24; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 129 Rn. 74. 646) MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 93; Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 149; HambK/ Rogge/Leptien, § 129 Rn. 43. 647) Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 129 Rn. 74. 648) BGHZ 186, 65 Rn. 38; BGH, NZI 2013, 942 Rn. 21. 649) MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 89; Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 146; AGR/ Gehrlein, § 129 Rn. 96; Uhlenbruck/Hirte, § 129 Rn. 101. 650) Vgl. BGH, NJW 1997, 2384; außerdem Uhlenbruck/Hirte, § 129 Rn. 100; HambK/Rogge/ Leptien, § 129 Rn. 45. 651) BGH, NZI 2013, 137, 138. 652) MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 89; AGR/Gehrlein, § 129 Rn. 96.

144

VIII. Insolvenzanfechtung

unanfechtbar,653) während nach der höchstrichterlichen Judikatur eine spätere Auseinandersetzung durchaus angefochten werden kann.654) c) Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO aa) Einordnung Einfache Insolvenzverfahren natürlicher Personen können häufig sehr zügig 417 eröffnet werden, teils noch am Tag, an dem der Antrag bei Gericht eingeht. Insoweit ist eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO tatbestandlich ausgeschlossen.655) Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, darf eine früher ernsthaft eingeforderte Forderung nicht mehr berücksichtigt werden, wenn zwischenzeitlich eine Stundung oder auch nur ein Stillhalteabkommen mit dem Gläubiger abgeschlossen wurde. Ist das Stillhalten insbesondere an Ratenzahlungen geknüpft, kann der Schuldner allerdings von Neuem zahlungsunfähig werden, wenn er nicht in der Lage ist, diese Leistungen zu erbringen.656) bb) Zwangsvollstreckung Ausdrücklich können nach § 141 Alt. 2 InsO durch Zwangsvollstreckung er- 418 wirkte Rechtshandlungen angefochten werden. Nach der übereinstimmenden Ansicht von Rechtsprechung657) und Lehre658) ist eine in der kritischen Zeit bis zu drei Monate vor dem Eröffnungsantrag durch Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen. Unerheblich ist, ob der Schuldner daran mitgewirkt hat.659) Eine in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag erlangte Sicherung hält bereits der Rückschlagsperre aus § 88 Abs. 2 InsO nicht stand, weswegen es insoweit keiner Anfechtung bedarf. Hat die Zwangsvollstreckung dagegen zur Befriedigung des Gläubigers geführt, kommt allein eine Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlung in Betracht.660)

___________ 653) BGHZ 116, 178, 180; anders, wenn sie unentgeltliche Zuwendungen enthalten FKInsO/Dauernheim, § 134 Rn. 21. 654) BGHZ 57, 123, 126 f.; HambK/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 32. 655) Frind, ZInsO 2014, 1739. 656) BGH, NZI 2008, 231 Rn. 26. 657) BGHZ 157, 350, 353; 162, 143, 149; 167, 11 Rn. 9; BGH, NZI 2007, 161 Rn. 6; 2008, 297 Rn. 19; 2010, 58 Rn. 6. 658) MünchKomm-InsO/Kayser, § 131 Rn. 26; AGR/Gehrlein, § 131 Rn. 15; Jaeger/ Henckel, § 131 Rn. 49; Uhlenbruck/Hirte, § 131 Rn. 20; Sinz/Hiebert/Wegener, Verbraucherinsolvenz, Rn. 554 ff.; Borgrakos/Kirstein, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Insolvenzanfechtung, § 131 Rn. 18; Vallender, NZI 2014, 535, 536. 659) BGH, NJW 1995, 1090, 1091; FK-InsO/Dauernheim, § 131 Rn. 26. 660) FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 98.

145

D. Eröffnetes Verfahren

419 Eine Zahlung, bzw. genauer eine Befriedigung oder Sicherung, ist insbesondere nach der Rechtsprechung des BGH auch dann inkongruent, wenn sie im kritischen Zeitraum unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung erbracht respektive gewährt wurde.661) Allein das Erwirken eines Vollstreckungstitels und etwa die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids genügen noch nicht, um einen hinreichenden Vollstreckungsdruck annehmen zu können.662) Nicht entscheidend ist jedoch, ob die Zwangsvollstreckung bereits formal begonnen hat oder ob sie erst bevorstand.663) Dafür ist darauf abzustellen, ob der Schuldner im Einzelfall aus objektiver Sicht aufgrund eines unmittelbaren Vollstreckungsdrucks geleistet hat.664) Eine solche Situation liegt vor, wenn der Schuldner damit rechnen muss, dass der Gläubiger ohne die Zahlung nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der Zwangsvollstreckung beginnen wird.665) Es genügt, wenn die Aufforderung zur umgehenden Leistung unter Androhung der Zwangsvollstreckung erfolgt, selbst wenn keine exakt, etwa nach Tagen, bemessene Leistungsfrist gesetzt worden ist.666) 420 Eine besondere Konstellation ist bei einer Zwangsvollstreckung in die künftigen Entgeltforderungen des Schuldners zu berücksichtigen. Zwangsvollstreckungen gelten regelmäßig als in dem Zeitpunkt nach § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen, in dem das Pfändungspfandrecht entsteht, weil der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt ist, §§ 829 Abs. 3 ZPO, 309 Abs. 2 Satz 1 AO.667) Wird allerdings eine künftige Forderung gepfändet, ist ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet.668) Gehaltsforderungen entstehen nicht vor Erbringung der Dienstleistung durch den Dienstverpflichteten,669) weswegen das Pfändungspfandrecht erst mit Fälligkeit der einzelnen Ansprüche entsteht.670) Demgegenüber ist bei der Pfändung von Altersrenten nicht auf die monatliche Rentenzahlung, sondern auf die Realisierung des Bezugsrechts durch Erreichen des Renteneintrittsalters abzustellen.671) ___________ 661) BGH, NZI 2012, 561 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Kayser, § 131 Rn. 26c; FK-InsO/ Dauernheim, § 131 Rn. 27; FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 100; Uhlenbruck/Hirte, § 131 Rn. 20; kritisch, Gerhardt, in: FS Kreft, S. 267, 276 f.; Thole, DZWIR 2006, 191, 193. 662) BGH, NZI 2007, 161 Rn. 11 ff.; MünchKomm-InsO/Kayser, § 131 Rn. 26c; Borgrakos/ Kirstein, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Insolvenzanfechtung, § 131 Rn. 19. 663) BGH, NZI 2011, 140 Rn. 7; AGR/Gehrlein, § 131 Rn. 15. 664) BGH, NZI 2007, 161 Rn. 8. 665) BGHZ 157, 242, 248; BGH, NZI 2003, 433 f. 666) BGH, NZI 2011, 140 Rn. 10. 667) BGHZ 157, 350, 353 f.; Jaeger/Henckel, § 140 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Kayser, § 140 Rn. 17; Kupka, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Insolvenzanfechtung, § 140 Rn. 16. 668) BGHZ 157, 350, 354; HK-InsO/Kreft, § 129 Rn. 26. 669) BGHZ 167, 363 Rn. 7; BGH, NZI 2008, 563 Rn. 13; BAG, NZA 2013, 1079 Rn. 36; AGR/Gehrlein, § 140 Rn. 9. 670) BGHZ 167, 363 Rn. 6; Jaeger/Henckel, § 140 Rn. 20; MünchKomm-InsO/Kayser, § 140 Rn. 9c; FK-InsO/Dauernheim, § 140 Rn. 6; Schäfer, Insolvenzanfechtung, Rn. 152. 671) Vgl. BGH, NZI 2009, 574 Rn. 24.

146

VIII. Insolvenzanfechtung

cc) Verrechnungen im Kontokorrent Verrechnet in der kritischen Zeit das Kreditinstitut Ansprüche des Kunden 421 aus Gutschriften mit eigenen Forderungen aus einer in Anspruch genommenen Kreditlinie im Rahmen eines Kontokorrents, ist diese Rechtshandlung grundsätzlich nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar.672) Von welcher Norm auszugehen ist, hängt davon ab, ob das Kreditinstitut einen fälligen Zahlungsanspruch hat oder ob ein solcher Rückzahlungsanspruch bei der Verrechnung noch nicht entstanden war.673) Hat das Kreditinstitut aufgrund einer vor der kritischen Zeit erklärten Kreditkündigung einen fälligen Rückzahlungsanspruch oder kann es die Rückführung eines überzogenen Betrags verlangen, kommt allein eine Anfechtung nach Kongruenzgrundsätzen in Betracht.674) Hält sich der Kunde dagegen im Rahmen des vereinbarten Kreditlimits und ist der Kredit auch nicht gekündigt, ist eine dennoch vorgenommene Verrechnung inkongruent. Wandelt der Schuldner ein Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto um, en- 422 det damit nicht ein eingeräumter Kredit. Klauseln, die das Kreditinstitut in diesem Fall von einer Kündigung freistellen, sind unwirksam.675) Umstritten ist, ob die Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto ein Kündigungsrecht des Kreditinstituts begründet, doch wird dies abzulehnen sein, um das gesetzlich verankerte Umwandlungsrecht des Kunden nicht zu unterlaufen.676) Soweit Sparkassen einem Kontrahierungszwang unterliegen, ist eine ordentliche Kündigung wegen der Kontoumwandlung ohnehin ausgeschlossen.677) Verrechnet das Kreditinstitut dennoch, liegt eine inkongruente Deckung vor. Die Umwandlung selbst kann nicht angefochten werden, weil eine Anfechtung gegen den Schuldner nach § 143 InsO ausgeschlossen ist und der Schuldner ein nicht massezugehöriges höchstpersönliches Recht geltend macht.678) dd) Sonstiges Bei der Bezahlung einer Geldstrafe679) oder Geldauflage nach § 153a StPO680) 423 bzw. einer Bewährungsauflage sollen keine Besonderheiten gelten. Trotz ihres Strafcharakters sollen sie der Insolvenzanfechtung unterliegen, soweit deren ___________ 672) AGR/Gehrlein, § 131 Rn. 23. 673) BGHZ 171, 38 Rn. 10. 674) BGHZ 138, 40, 47; MünchKomm-InsO/Kayser, § 131 Rn. 18; Sinz/Hiebert/Wegener, Verbraucherinsolvenz, Rn. 562. 675) BGH, NZI 2013, 973 Rn. 29; EWIR 2013, 631 (Ahrens). 676) PG/Ahrens, § 850k Rn. 24; a. A. Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850k Rn. 3. 677) PG/Ahrens, § 850k Rn. 24; Herresthal, WM 2013, 773, 777. 678) PG/Ahrens, § 850k Rn. 121; a. A. Obermüller, Insbüro 2013, 180, 185. 679) BGH, NZI 2011, 189 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rn. 142; AGR/Gehrlein, § 131 Rn. 19; Sinz/Hiebert/Wegener, Verbraucherinsolvenz, Rn. 560. 680) BGH, NZI 2008, 488 Rn. 8 ff.

147

D. Eröffnetes Verfahren

Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Befriedigung unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, nachdem die Staatsanwaltschaft ein Gesuch des Schuldners um Zahlungsaufschub abgelehnt, ihn zur sofortigen Überweisung aufgefordert und angekündigt hatte, im Fall nicht fristgerechter Zahlung müsse er mit Zwangsmaßnahmen bis hin zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechnen, ist danach inkongruent.681) d) Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO 424 Außerhalb der wirtschaftlichen Krise des Schuldners unterliegen die Gläubiger der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO. Schließt ein Kreditinstitut mit dem Schuldner ein Stillhalteabkommen und nimmt es darin vereinbarte Raten entgegen, so kann eine Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes durch die Gläubigerin zu vermuten sein. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn das Kreditinstitut Kenntnis von weiteren Gläubigern hat, die erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt werden.682) 425 Zahlungsvereinbarungen des Schuldners mit einem Gerichtsvollzieher nach § 802b ZPO können der Vorsatzanfechtung unterliegen. Erbringt der Schuldner nach einer fruchtlosen Zwangsvollstreckung aufgrund einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung Teilzahlungen an den Gläubiger, sind diese nach § 133 InsO wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar.683) Auch § 133 InsO verlangt eine Gläubigerbenachteiligung,684) weswegen Leistungen des Schuldners aus seinem unpfändbaren Vermögen nicht angefochten werden können. 426 Ist das Konto des Schuldners gepfändet und unterlässt er es, ein anderes Konto einzurichten, ist dieses Unterlassen nicht anfechtbar.685) Ebenso wird auch die unterlassene Umwandlung eines gepfändeten Kontos in ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO nicht anfechtbar sein. 427 Honorarzahlungen an einen in den außergerichtlichen Einigungsversuch oder die Insolvenzantragstellung einbezogenen Berater können der Vorsatzanfechtung unterliegen. Ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners können dabei gegen den Benachteiligungsvorsatz sprechen. In der Unternehmensinsolvenz muss dazu ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.686) Da in der ___________ 681) 682) 683) 684) 685) 686)

148

BGH, NZI 2011, 189 Rn. 8; AGR/Gehrlein, § 131 Rn. 19. BGH, NZI 2008, 231 Rn. 36. BGH, NZI 2010, 184 Rn. 21 ff. MünchKomm-InsO/Kayser, § 133 Rn. 11. BGH, NZI 2014, 218 Rn. 11 ff. BGH, NZI 2009, 171 Rn. 52; 2012, 142 Rn. 11; 2013, 133 Rn. 17.

VIII. Insolvenzanfechtung

Verbraucherinsolvenz auch in wenig aussichtsreichen Fällen ein außergerichtlicher Einigungsversuch verlangt wird, reicht hier ein belastbares Schuldenbereinigungskonzept aus, auch auf Grundlage eines Nullplans. Als Erfolgsaussicht genügt, wenn damit die Grundlage für ein gerichtliches Insolvenzund Restschuldbefreiungsverfahren gelegt wird. Eine erfüllte Bewährungsauflage kann der Vorsatzanfechtung unterliegen.687) 428 Wandelt der Schuldner sein Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto um, begründet der daraus resultierende Pfändungsschutz noch keinen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Wenn der Schuldner eine Lebensversicherung in eine pfändungsgeschützte Altersvorsorge nach § 851c ZPO umwandelt, kann er selbst nicht tauglicher Anfechtungsgegner sein. Eine Anfechtung nach § 132 InsO soll dagegen nicht prinzipiell ausgeschlossen sein.688) Diskutiert wird, ob der maßgebende Zeitpunkt für die Umwandlung mit Zugang der Umwandlungserklärung beim Versicherungsunternehmen oder am Ende der Versicherungsperiode eintritt. Für die vollstreckungsrechtlichen Fragen, und damit auch im insolvenzrechtlichen Kontext, ist auf den Zugang der Erklärung abzustellen.689) e) Unentgeltliche Leistungen gemäß § 134 InsO Leistet der Schuldner den gesetzlichen Unterhalt, handelt es sich grundsätz- 429 lich nicht um eine unentgeltliche Leistung.690) Unbenannte bzw. ehebezogene Zuwendungen691) unter Ehegatten beinhalten dagegen regelmäßig unentgeltliche Leistungen i. S. d. § 134 InsO.692) Auch Zuwendungen, mit denen ein nicht berufstätiger Ehegatte ein Entgelt bzw. eine Kompensation für die Haushaltsführung oder Kinderbetreuung erhalten soll, werden insolvenzrechtlich als unentgeltliche Leistungen angesehen.693) Erfüllt der Schuldner eine Geldauflage nach § 153a StPO bzw. eine Bewäh- 430 rungsauflage, liegt keine unentgeltliche Leistung i. S. d. § 134 InsO vor.694) Für die Entgeltlichkeit genügt auch eine freiwillige Leistung, die aufschiebende Rechtsbedingung einer Gegenleistung ist, wie der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens.

___________ 687) 688) 689) 690) 691) 692)

BGH, NZI 2008, 488 Rn. 16 ff. BGH, NZI 2011, 937 Rn. 3. PG/Ahrens, § 851c Rn. 10; Frind, ZInsO 2014, 1739, 1740 f. FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 21. Zum Begriff MünchKomm-BGB/Koch, § 516 Rn. 60. BGH, NJW 1999, 1033; MünchKomm-InsO/Kayser, § 134 Rn. 36; AGR/Gehrlein, § 134 Rn. 19; Uhlenbruck/Hirte, § 134 Rn. 30. 693) BGHZ 71, 61, 66 f.; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 21. 694) BGH, NZI 2008, 488 Rn. 11 ff.; Ahrens, NZI 2001, 456, 459.

149

D. Eröffnetes Verfahren

f) Bargeschäft nach § 142 InsO 431 Ziel des § 142 InsO ist gerade auch, dem Schuldner die weitere Lebensführung zu sichern und die im Zusammenhang damit getätigten Geschäfte insolvenzfest auszugestalten. Ihm soll der Erwerb notwendiger, aber unpfändbarer Gegenstände oder der Bezug von Leistungen für den persönlichen Bedarf in der wirtschaftlichen Krise ermöglicht werden.695) Unabhängig davon, ob nach § 142 InsO die Gläubiger durch eine Leistung des Schuldners nicht benachteiligt werden oder eine vorliegende Benachteiligung nach dem Tatbestand unbeachtlich bleibt,696) sind insoweit Geschäfte zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs geschützt, die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vergütet werden. Infolgedessen erfolgt eine Mietzahlung grundsätzlich im Rahmen eines Bargeschäfts.697) Dies gilt auch für die vom Schuldner vereinbarungsgemäß monatlich zu erbringenden Zahlungen auf die jährlich abzurechnenden Mietnebenkosten. Ebenso können auch die vom Schuldner an ein Energieversorgungsunternehmen geleisteten Abschlagszahlungen auf die Energielieferungen bei einer zeitnahen Erfüllung als Bargeschäft angesehen werden, ebenso bei Zahlung der Telefonrechnung oder der GEZ. Werden bereits länger fällige Abschläge verzögert erbracht, kann der zeitliche Zusammenhang zertrennt sein. 432 In der Insolvenz- bzw. Sanierungsberatung besitzt das Bargeschäftsprivileg eine zentrale Bedeutung. Wichtig ist dies insbesondere, wenn ein Rechtsanwalt den außergerichtlichen Einigungsversuch begleitet bzw. eine Bescheinigung über einen gescheiterten aussichtslosen Einigungsversuch ausstellt. Die Zahlung eines angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen kann selbst im Fall eines Scheiterns ein Bargeschäft bilden.698) Deswegen können etwa anwaltliche Dienstleistungen im Rahmen eines gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuchs als Bargeschäft vergütet werden, wenn ein schlüssiges Sanierungskonzept vorgelegt wird. Es fehlt dagegen an der erforderlichen gleichwertigen Gegenleistung, wenn die Leistungen des Sanierungsberaters wegen der finanziellen Lage des Schuldners von vornherein nicht sachgerecht699) bzw. von vornherein erkennbar wertlos waren.700) Verfügt der Schuldner über kein pfändbares Einkommen und kein verwertbares Vermögen, müssen die daraus resultierenden Konsequenzen bei einer Beratung über eine Schuldenbereinigung klar herausgestellt werden. Eine Beratung über eine Automatic Discharge, also eine Restschuldbefreiung in England,701) dürfte nicht sachge___________ 695) 696) 697) 698) 699) 700) 701)

150

MünchKomm-InsO/Kayser, § 142 Rn. 9. Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rn. 1. BGHZ 166, 125 Rn. 48. BGH, NZI 2002, 602, 603; 2008, 173 Rn. 24; FK-InsO/Dauernheim, § 142 Rn. 3. BGH, NZI 2001, 81, 83. MünchKomm-InsO/Kayser, § 142 Rn. 14. Dazu Renger, Wege zur Restschuldbefreiung, S. 103 ff.

IX. Verwertung

recht sein, wenn der Schuldner die Voraussetzungen dafür erkennbar nicht erfüllt. Privilegiert ist auch ein gezahltes Anwaltshonorar für eine Beratungsleistung, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Stellung eines Insolvenzantrags erbracht wird.702) Liegen zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung 433 einer Gegenleistung mehr als 30 Tage, kann nach der Rechtsprechung des BGH kein Bargeschäft angenommen werden.703) Dies gilt sowohl, wenn ein Rechtsanwalt Leistungen erbringt, die ein zwischenzeitlich in der Krise befindlicher Schuldner mehr als 30 Tage später vergütet, als auch bei vorgeleisteten Vorschüssen durch den insolventen Mandanten bzw., wenn der vom Anwalt geltend gemachte Vorschuss die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet.704) Will ein Rechtsanwalt das Bargeschäftsprivileg erreichen, muss er in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einfordern, die etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen.705) 5. Rechtsfolgen Kann eine Miet- oder Stromzahlung angefochten werden, entstehen infolge- 434 dessen lediglich Insolvenzforderungen, § 144 Abs. 1 InsO. Bei einer Mietwohnung des Schuldners besteht dann für den Vermieter die Kündigungssperre nach § 112 Nr. 1 InsO. Eine solche gesetzliche Schranke existiert gegenüber dem Energielieferanten nicht. Wegen des geringen Werts der Insolvenzforderung wird eine Stromsperre typischerweise ausscheiden müssen, denn sie darf nach § 19 Abs. 2 Satz 1 StromGVV nicht unverhältnismäßig sein. Außerdem wird der Kunde regelmäßig darlegen können, dass aufgrund des Insolvenzverfahrens eine hinreichende Aussicht für eine Erfüllung seiner Verpflichtungen besteht. IX. Verwertung 1. Aufhebung von § 313 InsO Zu den zentralen Aufgaben, früher des Treuhänders und jetzt des Insolvenz- 435 verwalters, gehört die Verwertung der Insolvenzmasse. Obwohl diese Aufgabenbestimmung prinzipiell übereinstimmt, existieren aber doch einige Unterschiede, die über Detailabweichungen hinausgehen. Insbesondere werden die Konsequenzen aus der veränderten Rechtslage bei einer Immobilienverwertung und den Kostenbeiträgen spürbar. Da § 114 InsO aufgehoben ist, kann der Insolvenzverwalter die pfändbaren Einkommensbestandteile zur Masse ziehen, ohne durch das Abtretungsprivileg beschränkt zu sein. ___________ 702) 703) 704) 705)

LG Würzburg, ZInsO 2014, 564. BGHZ 167, 190 Rn. 35; BGH, NZI 2008, 173 Rn. 20. BGHZ 167, 190 Rn. 36 ff. BGH, NZI 2008, 173 Rn. 20.

151

D. Eröffnetes Verfahren

436 Im sog. Regelinsolvenzverfahren darf der Verwalter nach § 159 InsO grundsätzlich nicht vor dem Berichtstermin mit der Verwertung der Insolvenzmasse beginnen.706) Da im Verbraucherinsolvenzverfahren kein Berichtstermin durchgeführt wird, ist dort umstritten, ob der Treuhänder bereits vor dem Prüfungstermin die Verwertung einleiten darf.707) Im neuen Recht entfällt der Berichtstermin nicht mehr in der Verbraucherinsolvenz, sondern aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung unter den Voraussetzungen eines einfachen Verfahrens nach § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die sachlichen Probleme bleiben indessen identisch. Typischerweise wird dabei nicht bis zum ersten Termin, also dem Prüftermin bzw. der entsprechenden Anhörung, gewartet werden müssen, weil der im Vergleich zur sonst nach dem Berichtstermin möglichen Verwertung viel zu spät erfolgt. Abzustellen ist darauf, ob eine besonders gewichtige Verwertungsentscheidung zu treffen ist, die der Entscheidung der Gläubigerversammlung unterliegen muss. 437 Besonders bedeutsame Rechtshandlungen, für die § 160 Abs. 2 InsO exemplarisch ein Zustimmungserfordernis der Gläubigerversammlung vorsieht, werden in der Verbraucherinsolvenz die Ausnahme bleiben.708) Soll eine Immobilie verwertet werden, muss der Insolvenzverwalter regelmäßig die Gläubigerversammlung nach § 160 Abs. 1 InsO beteiligen. Erscheinen dazu auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis keine Gläubiger bzw. nehmen keine Gläubiger Stellung, ist die Zustimmung zur freihändigen Verwertung erteilt.709) 2. Gegenstände mit Pfand- oder Absonderungsrechten 438 Bislang durfte der Treuhänder keine Gegenstände verwerten, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestanden, § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO. Diese Kompetenzbeschränkung für den Insolvenzverwalter entfällt. Infolgedessen sind künftig zunächst die §§ 165 – 169 InsO anwendbar. Soweit bislang der Treuhänder nicht nach § 165 InsO berechtigt sein soll, die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines Grundstücks zu beantragen,710) entfällt künftig diese Sperre. Auch der bislang bestehende Konflikt, ob eine entsprechende Anwendung von § 173 Abs. 2 InsO für grundpfandrechtlich belastete Immobilien eröffnet ist,711) wird damit obsolet. Ihre freihändige Verwertung kann künftig unter den allgemeinen Voraussetzungen erfolgen. ___________ 706) AGR/Lind, § 159 Rn. 1. 707) Bejahend HK-InsO/Landfermann, § 312 Rn. 7; verneinend Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 41. 708) FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 2; Hess, § 313 Rn. 32. 709) Vgl. AGR/Henning, § 313 Rn. 27. 710) HK-InsO/Waltenberger, § 313 a. F. Rn. 22; Pape/Uhländer/Brenner, § 313 Rn. 36. 711) Bejahend FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 91; verneinend Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 111; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 313 Rn. 3b; Hess, § 313 Rn. 45.

152

IX. Verwertung

Von den Pfandrechtsinhabern bzw. Sicherungsnehmern sind folgerichtig 439 auch die Kostenbeiträge für eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter zu leisten.712) Damit werden die engen Grenzen des bisherigen Rechts überwunden, das diese Kostenbeiträge prinzipiell ausgeschlossen hat.713) Sie konnten ausnahmsweise dann verlangt werden, wenn der Treuhänder nach Untätigkeit des gesicherten Gläubigers die Verwertung durchgeführt hat.714) Nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 158 Abs. 2 Satz 1, 161 Satz 1 InsO ist zudem der Schuldner über wichtige Verwertungsentscheidungen zu unterrichten, was bislang wohl vor allem bei Verwertungsmaßnahmen von existenzieller Bedeutung verlangt wurde.715) 3. Einzelfragen Da § 314 InsO ersatzlos gestrichen wurde, entfällt die in dieser Vorschrift 440 vorgesehene vereinfachte Verteilung. Dennoch bleiben die bislang möglichen und oft auch üblichen Verwertungsvereinbarungen zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner716) weiterhin zulässig.717) Funktional sind die Regelungselemente des § 314 InsO weithin substituierbar. Die vereinfachte Verteilung wird durch die erkaufte Freigabe kompensiert. Zu beachten ist freilich, dass der Insolvenzverwalter kein Zugriffsrecht auf unpfändbare Gegenstände hat, insoweit also eine Verwertungsvereinbarung über einen nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Pkw seine Kompetenzen überschreitet. Außerdem wird der Versagungstatbestand aus § 314 Abs. 3 Satz 2 InsO durch eine Versagung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ersetzt. Verletzt der Schuldner seine in der Verwertungsabsprache vereinbarte Zahlungspflicht, verstößt er gegen eine insolvenzrechtliche Pflicht i. S. d. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Damit sind die bislang durch § 314 InsO erfüllten Aufgaben auch auf anderem Weg zu erreichen. Zugleich sind auch eher unterschwellige Verschiebungen zu beachten. Bis- 441 lang war etwa eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach den §§ 306 Abs. 2 Satz 1, 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO wegen des eingeschränkten Verwertungsrechts des Treuhänders nach § 313 Abs. 3 InsO lediglich begrenzt möglich. Es musste zumindest die Chance bestehen, die zu sichernden Werte zur Masse zu ziehen.718) Da der Insolvenzverwalter nach neuem Recht zur Verwertung befugt ist, wird häufiger die Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erwägen sein. ___________ 712) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1438. 713) Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 108; HK-InsO/Waltenberger, § 313 a. F. Rn. 22; Hess, § 313 Rn. 45; Pape/Uhländer/Brenner, § 313 Rn. 35. 714) FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 92; Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 116. 715) Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 44; FK-InsO/Busch, § 313 Rn. 25. 716) AGR/Henning, § 314 Rn. 2; FK-InsO/Busch, § 314 Rn. 5; HK-InsO/Waltenberger, § 314 Rn. 1. 717) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1438. 718) FK-InsO/Grote, § 306 Rn. 20.

153

D. Eröffnetes Verfahren

X. Insolvenzplan 1. Öffnung des Insolvenzplanverfahrens für die Verbraucherinsolvenz 442 Bislang war ein Insolvenzplan allein in der sog. Regelinsolvenz eröffnet. Er dient hier der Sanierung, Übertragung oder Liquidation unternehmerischer Rechtsträger. Für die selbständig erwerbstätigen natürlichen Personen besaß er, etwa in der Insolvenz von Freiberuflern, eine gewisse Bedeutung. Im Verbraucherinsolvenzverfahren blieb er nach § 312 Abs. 2 Alt. 1 InsO ausgeschlossen, weil dort mit dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan ein funktionsähnliches Instrument existiert.719) Nicht zuletzt wurde auch eine zusätzliche Belastung der Gerichte, insbesondere durch die Vorprüfung nach § 231 InsO sowie die Erörterungs- und Abstimmungstermine, befürchtet.720) Da sich der Insolvenzplan nicht zu einem Massenverfahren entwickelt hat, verliert die letzte Überlegung deutlich an Gewicht, ohne die richterliche Vorprüfung damit zu entwerten. 443 Nach dem neuen Recht ist der Anwendungsbereich des Insolvenzplanverfahrens nicht mehr auf die sog. Regelinsolvenz beschränkt. Der Insolvenzplan ist daher in sämtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren zugelassen. Damit ist für die Verbraucherinsolvenz ein zusätzliches Instrument der konsensualen Schuldenbereinigung eröffnet. Im Gesetzgebungsverfahren sollte anfänglich mit dem Insolvenzplanverfahren die geplante Streichung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens kompensiert werden.721) Wegen der kräftigen Einwände gegen die beabsichtigte Aufgabe des Schuldenbereinigungsplanverfahrens722) wurden die §§ 307 bis 310 InsO dann doch nicht aufgehoben.723) Unberührt davon blieb das versprochene Insolvenzplanverfahren, auf das manche Hoffnungen gerichtet waren.724) Künftig muss deswegen nicht mehr versucht werden, durch die Aufnahme selbständiger Nebentätigkeiten von nennenswertem Umfang, den Zugang zum Regelinsolvenz- und damit auch Insolvenzplanverfahren zu erreichen.725) 444 Damit existieren inzwischen in der Verbraucherinsolvenz vier Verfahrensmuster zur konsensualen Streitbeilegung. Neben dem außergerichtlichen Einigungsversuch sowie dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren ist eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 213 InsO nach einer Einigung mit den Gläubigern und schließlich auch ein Insolvenzplan zulässig. Selbst ___________ 719) MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 312 Rn. 11; AGR/Henning, § 312 Rn. 14; HK-InsO/ Waltenberger, § 312 a. F. Rn. 13. 720) Uhlenbruck/Vallender, § 313 Rn. 82. 721) BT-Drucks. 17/11268, S. 18. 722) Grote/Pape, ZInsO 2012, 1913, 1920; außerdem Harder, NZI 2013, 70, 75; Kohte, VuR 2012, 381, 382; Baczako, ZVI 2013, 209, 210. 723) BT-Drucks. 17/13535, S. 29. 724) Hingerl, ZVI 2012, 258. 725) So in der Entscheidung BGH, NZI 2011, 410 Rn. 7; Rein, ZVI 2014, 239.

154

X. Insolvenzplan

wenn eine außergerichtliche Einigung gescheitert und ein gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren aussichtslos ist, kann in einigen Konstellationen dennoch ein Insolvenzplan sinnvoll sein. Zu denken ist etwa an eine zu erwartende Erbschaft, die der Schuldner auch ausschlagen könnte, oder eine Drittleistung.726) Ob es sich beim Insolvenzplan, wie in den aktuellen Gesetzgebungsmaterialien angenommen,727) um ein bewährtes Instrument handelt, mag angesichts seines doch eher begrenzten Verbreitungsgrads dahingestellt bleiben. Jedenfalls weisen die vier konsensualen Verfahren beachtliche Unterschiede bei ihren Verfahrenskonzepten und Wirkungsweisen auf, die dem Insolvenzplan einen eigenständigen Bereich reservieren. Wegen des abweichend ausgestalteten Verfahrensmodells spricht auch der geringe Verbreitungsgrad des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens nicht gegen den Insolvenzplan. In vieler Hinsicht erweist sich das Verfahren und der Regelungsgehalt des Insolvenzplans als dem Schuldenbereinigungsplan überlegen (dazu Rn. 460 ff., 999 f.). Ein Insolvenzplan unterliegt zwar bei der verfahrensrechtlichen Durchfüh- 445 rung und inhaltlichen Ausgestaltung strenger formalisierten Anforderungen, als die anderen konsensualen Wege zur Schuldenbereinigung. Befürchtungen gegenüber der hohen Komplexität des Insolvenzplanverfahrens728) können aber weithin entkräftet werden und lassen sich auf einige spezielle verfahrensrechtliche Schritte und zu beachtende Aufbauelemente reduzieren. Soweit jedoch kritisiert wird, der Insolvenzplan biete ein Instrument zur wirtschaftlich sinnvollen Abwicklung von Unternehmensinsolvenzen, ohne auf Verbraucher ausgerichtet zu sein,729) spiegelt diese Aussage naheliegend die bisherige Praxis wider. Als flexibel handhabbares Instrument kann der Insolvenzplan aber in wesentlichen Elementen an die Bedingungen auch einer Verbraucherinsolvenz angepasst werden. Erforderlich ist dafür eine gewisse Neuorientierung, um den Insolvenzplan 446 aus seiner einseitigen Fixierung auf die unternehmerische Insolvenz herauszulösen. Unternehmensbezogene Strukturelemente, wie darzustellende Krisenursachen oder geplante Betriebsänderungen, müssen aufgegeben werden. Dagegen verlangen in der Verbraucherinsolvenz personenbezogene Faktoren erhöhte Aufmerksamkeit. So ist etwa im Rahmen der persönlichen Verhältnisse die Erwerbsbiographie des Schuldners darzustellen. Auch müssen seine Unterhaltspflichten beachtet werden. Zudem können bei der Gruppenbildung emotionale Bindungen eine Rolle spielen. Soll die Gläubigerbefriedigung auch aus der Erwerbstätigkeit des Schuldners erfolgen, ist den Gläubigern eine verlässliche Grundlage darzustellen. Dazu müssen die vorhandenen Gestaltungsspielräume genutzt werden, denn die Inhalte des Plans sind in ___________ 726) 727) 728) 729)

Heyer, ZVI 2012, 321. BT-Drucks. 17/11268, S. 18. Heyer, ZVI 2012, 321, 322. Heyer, ZVI 2012, 321, 322.

155

D. Eröffnetes Verfahren

wesentlichen Bereichen dispositiv, auch wenn planfeste Vorgaben existieren.730) Das im Insolvenzplanverfahren enthaltene Potenzial ist derzeit, insbesondere für natürliche Personen, wohl noch nicht hinreichend erkannt. 447 Dennoch bildet der Insolvenzplan kein allgegenwärtiges, sondern ein durchaus spezialisiertes Instrument der Schuldenbereinigung. Gerade in der großen Zahl masseloser Verfahren kann er kaum eingesetzt werden. Obwohl Nullpläne auch im Insolvenzplanverfahren zulässig sind,731) werden Insolvenzplanvorschläge praktisch nur dann aussichtsreich sein, wenn der Schuldner den Gläubigern Leistungen anbieten kann.732) Zudem bleibt auch die Kostenfrage zu beachten (vgl. Rn. 456). 448 Insolvenzpläne sind in Verbraucherinsolvenzen ab dem 1.7.2014 auch in den zuvor beantragten Insolvenzverfahren zulässig (Rn. 1193). Art. 103h Satz 2 EGInsO enthält die Übergangsvorschrift, wonach das Insolvenzplanrecht der §§ 217 – 269 InsO auf die vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren anzuwenden ist. Art. 103h EGInsO tritt jedoch nach Art. 9 Satz 1 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 selbst erst zum 1.7.2014 in Kraft.733) Noch nicht beantwortet ist damit, ob die Übergangsregelung für sämtliche Insolvenzverfahren unabhängig von dem Zeitpunkt der Antragstellung gilt oder nur die frühestens am Tag nach der Verkündung des Gesetzes, also ab dem 19.7.2013, beantragten Insolvenzverfahren meint. Die Übergangsregelung begründet eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung und bezieht sich auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte sowie Rechtsbeziehungen.734) Sie erfasst damit sämtliche vor dem 1.7.2014 beantragten und noch nicht aufgehobenen Verbraucherinsolvenzen unabhängig vom Termin der Antragstellung. 2. Vor- und Nachteile 449 Die Gesamtbilanz der Qualitäten des Insolvenzplanverfahrens fällt durchaus differenziert aus, auch wenn die positiven Seiten zu überwiegen scheinen.735) Trotz der strenger formalisierten und in einigen Aspekten komplexeren Anforderungen an eine Planerstellung weist ein Insolvenzplan beachtliche komparative Vorteile auf, die sich der Schuldner als Planinitiator und -architekt nutzbar machen kann. Schlagwortartig kann der Insolvenzplan als schnell, flexibel, kostengünstig und umfassend wirkend beschrieben werden. Dennoch dürfen auch seine negativen Seiten nicht verkannt werden. Neben einer ___________ 730) Frind, ZInsO 2014, 280, 281. 731) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 130; zur Zulässigkeit im Schuldenbereinigungsplanverfahren NZI 2014, 34 Rn. 7. 732) Rein, ZVI 2014, 239, 242. 733) Grote, Insbüro 2013, 295; a. A. offenbar Beyer, ZVI 2013, 334. 734) BVerfG, NJW 2000, 413, 415. 735) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1844.

156

X. Insolvenzplan

vielfach zu beobachtenden Scheu vor dem Planverfahren, die zum Teil durch die komplexere Rechtslage gerechtfertigt ist, bestehen einige klar erkennbare rechtliche Nachteile. Weniger günstig als bei einem außergerichtlichen Einigungsversuch setzt ein Insolvenzplan etwa einen Eröffnungsantrag voraus, der öffentlich bekannt gemacht wird und gravierende ökonomische und berufsrechtliche Konsequenzen haben kann.736) Wirtschaftsauskunfteien dürfen einen bestätigten Insolvenzplan nach § 35 Abs. 2 Nr. 4 BDSG für drei Jahre speichern.737) Zumindest derzeit fühlen sich manche Schuldnerberatungsstellen noch durch 450 das Insolvenzplanverfahren überfordert, doch könnte dem durch die Einrichtung von Kompetenzzentren begegnet werden. Nicht selten scheuen Insolvenzgerichte den bei Insolvenzplänen scheinbar bestehenden zusätzlichen Aufwand, doch ermöglichen gerade einfache Pläne eine rasche Verfahrensabwicklung. Insolvenzverwalter befürchten deswegen teilweise, im Ergebnis vielleicht nicht ganz zu Unrecht, durch eine größere Zahl vorgelegter Insolvenzpläne ihre künftigen Bestellungsaussichten zu verschlechtern. Welchen Wert der Gesetzgeber einer zügigen Durchführung des Insolvenz- 451 planverfahrens beigemessen hat, zeigen die straffen (Soll-)Fristen der gesetzlichen Regelung.738) Da Verbraucherinsolvenzverfahren regelmäßig wesentlich schneller als Unternehmensinsolvenzen abgewickelt werden können, erweist sich der Verdienst dieser gesetzlichen Beschleunigung gerade in der Insolvenz natürlicher Personen. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass wegen schnellen Beendigungschancen für das Privatinsolvenzverfahren nur ein relativ kleines Zeitfenster zur Planvorlage existiert. Binnen zwei Wochen soll das Gericht die Vorprüfung des vorgelegten Plans 452 abschließen, § 231 Abs. 1 Satz 2 InsO. Anschließend ist der Plan zur Stellungnahme weiterzuleiten, für die nach § 232 Abs. 3 Satz 2 InsO zweiwöchige Fristen angeordnet werden sollen. Binnen einer Monatsfrist soll sodann der Erörterungs- und Abstimmungstermin anberaumt werden, § 235 Abs. 1 Satz 2 InsO. Zur Verfahrensbeschleunigung kann der Erörterungs- und Abstimmungstermin zugleich mit der Einholung der Stellungnahmen anberaumt werden, § 235 Abs. 1 Satz 3 InsO.739) In dieser Zeit kann auch die mindestens zweiwöchige Anmeldefrist aus § 28 Abs. 1 Satz 2 InsO, sowie die anschließende mindestens einwöchige Frist für den Prüftermin laufen. Gegen die Entscheidung über die Bestätigung des Plans ist binnen einer zweiwöchigen Frist die sofortige Beschwerde eröffnet. Im Idealfall kann ein Insolvenzplan innerhalb eines Quartals nach der Vorlage rechtskräftig bestätigt sein. ___________ 736) Frind, ZInsO 2014, 280, 282. 737) LG Dessau-Roßlau, ZVI 2014, 103. 738) Auf die folgenden Termine hat Stapper auf dem 1. ZVI-Kolloquium vom 27.6.2014 hingewiesen. 739) FK-InsO/Jaffé, § 235 Rn. 25a.

157

D. Eröffnetes Verfahren

453 In erster Linie kann der Schuldner schneller und einfacher eine Schuldbefreiung erlangen, ohne etwa an die dreijährige Mindestfrist und die 35 %ige Quote aus § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO gebunden zu sein.740) Typischerweise wird der Plan deswegen der Verfahrensverkürzung dienen. Allerdings kann ein Insolvenzplan nur im Insolvenzverfahren vorgelegt werden, § 218 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO. Sind die Leistungsmöglichkeiten des Schuldners frühzeitig abzusehen, spricht dies für einen Insolvenzplan. Ergeben sich die Leistungsmöglichkeiten erst in der Treuhandperiode, etwa durch einen erbrechtlichen Erwerb oder eine erst jetzt erreichbare Drittzahlung, ist ein Insolvenzplan versperrt, weil das Insolvenzplanverfahren nur bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens eröffnet ist. 454 Im Vergleich mit den konsensual zu vereinbarenden außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsplänen ist für die Annahme des Plans lediglich eine Kopf- und Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger in den Gruppen erforderlich, § 244 Abs. 1 InsO.741) Außerdem werden die Wirkungen des Plans nach den §§ 254, 254b InsO auf alle Gläubiger erstreckt,742) während der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan unberücksichtigt gebliebene Forderungen grundsätzlich nicht erfasst, § 308 Abs. 3 InsO. Außerdem ist die Situation beim Insolvenzplan psychologisch auch deswegen günstiger, weil die Angaben des Schuldners über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse teilweise überprüft sind. 455 In vielen Bereichen sind selbst bindende insolvenzrechtliche Regelungen plandispositiv, können also privatautonom substituiert werden. Einen für den Schuldner beachtlichen Vorteil bietet der Insolvenzplan bei den Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, denen künftig die Verbindlichkeiten aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahltem Unterhalt und aus einer rechtskräftig verurteilten Steuerstraftat gleichzusetzen sind. Im Unterschied zu § 302 Nr. 1 InsO werden derartige Verbindlichkeiten in einem Insolvenzplan von einer Schuldbefreiung erfasst, soweit nicht der Plan etwas anderes bestimmt.743) Dennoch darf dem Plan nicht zwangsläufig wegen einer Schlechterstellung des Gläubigers nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Bestätigung versagt werden, denn dies setzt eine messbare wirtschaftliche Schlechterstellung voraus.744) Erzielt der Schuldner perspektivisch lediglich unpfändbare Einkünfte, wird es schon daran fehlen. Für die nach § 302 Nr. 1 Alt. 1, 2 InsO privilegierten Delikts- und Unterhaltsgläubiger können allerdings die Vollstreckungsmöglichkeiten in den Vorrechtsbereich zu berücksichtigen sein.745) ___________ 740) 741) 742) 743) 744) 745)

158

Stephan, VIA 2014, 25, 27; Rein, ZVI 2014, 239. MünchKomm-InsO/Hintzen, § 244 Rn. 4. Vgl. Harder, NZI 2013, 70, 74. BGH, NJW-Spezial 2010, 343. BGH, WM 2012, 1640 Rn. 6; Rein, ZVI 2014, 239, 243. Rein, ZVI 2014, 239, 243.

X. Insolvenzplan

Ein Insolvenzplan kann auch ein Instrument darstellen, um die Wirkungen 456 eines gesperrten Restschuldbefreiungsverfahrens zu überwinden. Unter den Voraussetzungen des § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO ist ein Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zu verwerfen. Nimmt der Schuldner in diesem Fall nicht den Insolvenzantrag nach § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO zurück, ist das Insolvenzverfahren unter der Maßgabe einer Kostendeckung weiter durchzuführen, in dem der Schuldner einen Insolvenzplan vorlegen kann. Allerdings muss der Schuldner dann die Verfahrenskosten tragen können, weil er regelmäßig keine Kostenstundung erhalten wird (Rn. 457), doch ist ohnehin nur in derartigen Konstellationen eine plandeterminierte Schuldbefreiung möglich. Wegen eines unzulässigen Restschuldbefreiungsverfahrens kann der Insolvenzplan auch nicht im Rahmen der gerichtlichen Vorprüfung nach § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO als offensichtlich aussichtslos zurückgewiesen werden. Ohne nähere Anhaltspunkte kann kaum angenommen werden, dass die Gläubiger eine planbasierte Schuldbefreiung voraussichtlich ablehnen werden, weil der Insolvenzplan die Befriedigungsaussichten der Gläubiger gegenüber der Restschuldbefreiung verbessern soll. Die Kostensituation erscheint gleichzeitig vorteilhaft und nachteilig. Günstig 457 ist die Rechtslage bei den in den Plan einbezogenen Drittleistungen, denn diese sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV nicht für die Bemessung der Verwaltervergütung zu berücksichtigen. Will der Schuldner demgegenüber im Restschuldbefreiungsverfahren eine nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO verkürzte Verfahrensdauer erreichen, erhöhen Drittleistungen wohl den Vergütungsanspruch des Verwalters746) und sodann die zu tilgenden Verfahrenskosten. Allerdings erhält der Insolvenzverwalter einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 lit. e) InsVV, wenn er den Insolvenzplan ausgearbeitet hat.747) Ungünstig ist ein Plan im Vergleich zur regulären Restschuldbefreiung nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist, weil der Insolvenzverwalter nach § 258 Abs. 2 InsO die unstreitigen fälligen Masseansprüche berichtigen muss. Dazu gehören die Kostenforderungen, für die der Schuldner keine Kostenstundung erlangen kann.748) Als rein theoretischer Nachteil kann ein Insolvenzplan gemäß § 247 Abs. 2 458 Satz 1 InsO dem Schuldner aufgezwungen werden, doch dürfte es gerade im Insolvenzverfahren natürlicher Personen kaum jemals dazu kommen. Ein Insolvenzplan darf nach § 250 Nr. 2 InsO nicht bestätigt werden, wenn die Annahme des Plans durch einen Forderungskauf erreicht werden soll, der dem veräußernden Insolvenzgläubiger über die Quote hinausgehende Vorteile bietet.749) Ob eine derart strikte Bindung an eine Gläubigergleichbehandlung auch sonst im Insolvenzverfahren und damit auch bei einer Einstellung aufgrund einer Zustimmung der Gläubiger nach § 213 InsO besteht, ist ___________ 746) 747) 748) 749)

BT-Drucks. 17/11268, S. 30. Vgl. Schmerbach, NZI 2014, 554, 555. BGH, NZI 2011, 683 Rn. 12; Harder, NZI 2013, 70, 75. BGHZ 162, 283, 288 ff.

159

D. Eröffnetes Verfahren

noch nicht gesagt. Einige Erwägungen sprechen dann für eine weniger strikte Umsetzung bei einer Einstellung nach § 213 InsO,750) zumal beim Insolvenzplan abweichende Gläubiger überstimmt werden können, während § 213 InsO einen Konsens aller erfordert. 3. Außergerichtlicher Einigungsversuch und Insolvenzplan 459 Droht in der Unternehmensinsolvenz eine außergerichtliche Restrukturierung zu scheitern, kann als Auffanglösung zu einem gerichtlichen Insolvenzverfahren übergegangen werden, um dort eine Sanierung auf Grundlage eines Insolvenzplans zu erreichen. Der Schuldner kann dann nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO zusammen mit einem Insolvenzantrag einen – in amerikanischer Terminologie sog. Prepackaged Plan751) – vorbereitenden Plan vorlegen. 460 Insoweit vergleichbar bildet der Insolvenzplan auch in der Verbraucherinsolvenz ein Instrument konsensualer Schuldenbereinigung. Allerdings sind die Verfahrensstadien teilweise abweichend und in verschiedener Hinsicht wohl auch strikter ausmodelliert. Vom Schuldner muss obligatorisch ein außergerichtlicher Einigungsversuch unternommen werden. Manche Elemente und wichtige Baumaterialien können von einem Schuldenbereinigungsplan auf den Insolvenzplan übertragen werden. Es müssen aber auch die Unterschiede im Detail erkannt werden, um die Potenziale beider Instrumente vollständig ausnutzen zu können. 461 Verfahrensrechtlich weichen beide Modelle voneinander ab und verlangen deswegen u. a. unterschiedliche Verhandlungsstrategien. Wegen des Konsenszwangs beim außergerichtlichen Einigungsversuch wird dort diskutiert, ob alle Gläubiger,752) nur die wesentlichen Gläubiger753) oder ggf. sogar lediglich ein Gläubiger,754) wenn dieser den vorgelegten Plan ablehnt, am Einigungsversuch zu beteiligen sind bzw. ist. Nicht selten wird die Verhandlung mit allen Gläubigern auf ablehnende Stellungnahmen fokussiert sein. Demgegenüber setzt ein Insolvenzplan lediglich eine Kopf- und Summenmehrheit bei den abstimmenden Gläubigern voraus. Obwohl die Planautonomie sowohl den Insolvenzplan als auch den außergerichtlich vorgelegten Schuldenbereinigungsplan prägt, ist dem Insolvenzgericht beim Insolvenzplan ein etwas weiteres, auf die Tatbestände des § 231 Abs. 1 InsO bezogenes Kontrollfenster ___________ 750) Schwarz/Brockmann, ZInsO 2014, 1368, 1370. 751) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 218 Rn. 66. 752) AG Nürnberg, ZVI 2004, 185; Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rn. 4; MünchKomm-InsO/ Ott/Vuia, § 305 Rn. 25; der BGH, VIA 2011, 28, hat es nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot angesehen, wenn eine Verhandlung mit allen Gläubigern verlangt wird. 753) AG Köln, ZVI 2002, 68; FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 14; AGR/Henning, § 305 Rn. 19; HK-InsO/Waltenberger, § 305 a. F. Rn. 23; Karsten Schmidt/Stephan, § 305 Rn. 12; HambK/Streck, § 305 Rn. 16; Gottwald/Ahrens, § 82 Rn. 7. 754) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 305 Rn. 6, ein wesentlicher Gläubiger.

160

X. Insolvenzplan

eröffnet.755) Eine materielle Überprüfung des Schuldenbereinigungsplans ist dagegen ausgeschlossen (vgl. Rn. 196). Auch bei den inhaltlichen Gestaltungen können beachtliche Unterschiede 462 existieren. Um Fehlvorstellungen über den Schuldenbereinigungsplan auszuschließen, hat der Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbs. InsO darauf hinzuweisen, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden. Dabei kann die Aufhebung einer Lohnabtretung vorgesehen werden, doch unterliegt sie dort dem Konsenszwang, weswegen ihr der Sicherungsnehmer zustimmen muss.756) Im Insolvenzverfahren sind Absonderungsrechte ebenfalls grundsätzlich dispositiv, vgl. § 223 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO.757) Sicherungsvereinbarungen über Lohnabtretungen sind freilich in einem Insolvenzplan gemäß § 226 Abs. 3 InsO nichtig (vgl. Rn. 336).758) 4. Verfahren a) Vorbereitung Für die Unternehmensinsolvenz wird empfohlen, mit dem Insolvenzgericht 463 bereits Kontakt aufzunehmen, bevor der Insolvenzantrag gestellt ist.759) Vielfach wird es dabei um ein Schutzschirmverfahren sowie die Besetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gehen. Vergleichbare Anknüpfungspunkte fehlen im Verbraucherinsolvenzverfahren. Da es sich zudem um das insolvenzrechtliche Massenverfahren handelt, vor allem aber, weil zunächst ein außergerichtlicher Einigungsversuch unternommen werden muss, werden sich derartige Vorgespräche zumeist gerade nicht anbieten. Bei der Antragstellung kann eine Kontaktaufnahme mit dem Gericht sinnvoll 464 sein, um einen unnötigen Doppelaufwand durch ein ausnahmsweise durchgeführtes gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren zu verhindern. Dabei ist sorgfältig abzuwägen, wie sicher die Vorlage eines Insolvenzplans erscheint. Sollte mit dem Eröffnungsantrag gerade ein Insolvenzplanverfahren angestrebt werden, wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Kostenstundung regelmäßig ausscheiden.760) b) Initiativrecht und Verfahrensform Ein Insolvenzplan kann nach § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO vom Schuldner oder 465 vom Insolvenzverwalter vorgelegt werden. Eine Planvorlage durch den Ver___________ 755) 756) 757) 758) 759) 760)

MünchKomm-InsO/Breuer, § 231 Rn. 1. Ahrens, NZI 2014, 529, 530. MünchKomm-InsO/Breuer, § 231 Rn. 8; Nerlich/Römermann/Braun, § 223 Rn. 1. Ahrens, NZI 2014, 529, 534. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 80 ff. Vgl. BGH, NZI 2011, 683 Rn. 12.

161

D. Eröffnetes Verfahren

walter, gleich ob im Gläubigerauftrag oder aus eigener Initiative,761) wird in der Verbraucherinsolvenz wohl nur überaus selten erfolgen. Hat aber der Verwalter den Plan ausgearbeitet, erhält er nach § 3 Abs. 1 lit. e) InsVV einen Vergütungszuschlag. Typischerweise wird die Initiative vom Schuldner ausgehen, der durch einen Schuldnerberater unterstützt werden kann. Das Vertretungsrecht der Schuldnerberatungsstellen aus § 305 Abs. 4 Satz 1 InsO umfasst auch das Insolvenzplanverfahren. 466 Ein Insolvenzplan kann frühestens mit einem Insolvenzantrag und spätestens bis zum Schlusstermin vorgelegt werden. Der Schuldner kann nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO die Planvorlage mit einem Insolvenzantrag verbinden bzw. den Plan zu dem Zeitpunkt vorlegen, zu dem von einem Antragsberechtigten ein statthafter Insolvenzantrag gestellt ist.762) Der Insolvenzverwalter kann erst nach Übertragung des Amts, also im eröffneten Insolvenzverfahren, einen Insolvenzplan vorlegen. Spätester Zeitpunkt für eine Vorlage ist der Schlusstermin, § 218 Abs. 1 Satz 3 InsO. Wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren schnell durchgeführt, kann sich das Zeitfenster schnell schließen.763) Während der Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens ist ein Insolvenzplan unzulässig.764) In dieser Verfahrensetappe kommt als konsensuales Schuldenbereinigungsinstrument lediglich eine Einstellung des Verfahrens mit Zustimmung aller Gläubiger analog § 213 InsO in Betracht. Sonst bleiben dem Schuldner allein die einseitigen Möglichkeiten der Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 InsO.765) 467 Auch in einfachen Verfahren kann ein Insolvenzplan eingereicht werden. Ob bei überschaubaren Vermögensverhältnissen und einer geringen Zahl von Gläubigern oder einer geringen Höhe der Verbindlichkeiten ein Insolvenzplan sinnvoll ist, bleibt dem Planinitiator überlassen und ist gerichtlich nicht zu überprüfen. Soweit dann die gesetzliche Regelanordnung des § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO eines schriftlichen Verfahrens eingreift, erfasst sie auch das Insolvenzplanverfahren.766) Eine für das Insolvenzplanverfahren abweichende Interpretation ist weder systematisch angezeigt noch wird sie vom Ziel einer Verfahrenserleichterung veranlasst. § 235 InsO steht dem ebenso wenig entgegen. Im Ergebnis bestätigt dies auch § 242 InsO, nach dem bei einem gesonderten Abstimmungstermin eine schriftliche Abstimmung zulässig ist.767) Sinnvoll erscheint ein schriftliches Verfahren vor allem dann, wenn der Plan ___________ 761) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 218 Rn. 15 ff., 25 ff.; FK-InsO/Jaffé, § 218 Rn. 27 ff., 33 ff. 762) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 218 Rn. 113. 763) Stephan, VIA 2014, 25. 764) Harder, NZI 2013, 70, 73; für einen Insolvenzplan auch in dieser Verfahrensphase Hingerl, ZVI 2012, 258, 260. 765) BGH, NZI 2011, 947 Rn. 6; Waltenberger, ZInsO 2014, 808, 809. 766) AGR/Ahrens, § 5 Rn. 35; Henning, ZVI 2014, 7, 9; Rein, ZVI 2014, 239, 241; a. A. AGR/Silcher, § 242 Rn. 1. 767) FK-InsO/Jaffé, § 242 Rn. 1; HK-InsO/Haas, § 242 Rn. 1.

162

X. Insolvenzplan

mit den Beteiligten bzw. zumindest den wesentlichen Gläubigern weithin abgestimmt ist.768) Selbstverständlich kann das Gericht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 InsO zur Förde- 468 rung des Verfahrensablaufs das gesamte Insolvenzplanverfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchführen. Zu denken ist in erster Linie an mündliche Erörterungs- und Abstimmungstermine. Dabei ist der erhöhte Aufwand eines mündlichen Termins zu berücksichtigen, nicht zuletzt auch durch die Fahrtkosten der Gläubiger. Allerdings kann die Abstimmungsregel des § 244 InsO die Mehrheitsbildung erleichtern,769) weil in jeder Gruppe nur die Kopf- und Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger erforderlich ist. Die taktischen Handlungsmöglichkeiten des Planvorlegers sind allerdings eingeschränkt, weil letztlich das Gericht über die Verfahrensform entscheidet. Es sollte freilich bei einer mündlichen Terminierung die Beteiligung zumindest eines Gläubigers in jeder Gruppe erreicht und damit durch den Planvorleger mobilisiert sein, um den Plan nicht schon an dieser Voraussetzung scheitern zu lassen.770) Ein gesonderter Abstimmungstermin mit den dann nach § 242 InsO zulässigen schriftlichen Abstimmungen wird in den einfachen Insolvenzverfahren kaum durchgeführt werden.771) c) Gerichtliche Vorprüfung gemäß § 231 InsO § 231 Abs. 1 Satz 1 InsO verlangt eine gerichtliche Vorprüfung, die gemäß § 231 469 Abs. 1 Satz 2 InsO binnen zwei Wochen, also unmittelbar nach der Vorlage des Plans, erfolgen muss. Das Insolvenzgericht überprüft zunächst, ob die Vorschriften über das Recht zur Vorlage des Plans und zum Inhalt des Plans, insbesondere zur Gruppenbildung (dazu Rn. 508 ff.), eingehalten wurden, § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dabei ist die Prüfung an den Verhältnissen der Verbraucherinsolvenz auszurichten. Da etwa Eingriffe in eine Gesellschafterstellung ausgeschlossen sind,772) müssen keine entsprechenden Prüfungsanforderungen erfüllt werden. Die Maßstäbe einer voraussichtlichen Schlechterstellung aus den §§ 245 Abs. 1 Nr. 1, 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO entsprechen denen des § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbs. InsO, weswegen sich das Insolvenzgericht auf bekanntem Boden bewegt. Umstritten ist, welche Prüfungstiefe das Gericht zu erreichen hat, wobei über- 470 wiegend von einer Evidenzkontrolle ausgegangen wird.773) Jenseits dieser Frage muss aber den Bedingungen der Verbraucherinsolvenz mit ihren einfa___________ 768) 769) 770) 771) 772) 773)

Vgl. Stephan, VIA 2014, 25, 26. Grote, in: FS Haarmeyer, S. 87, 89 f. Vgl. Frind, ZInsO 2014, 280, 281; Grote, Insbüro 2014, 203, 205. Vgl. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 415 ff. Vgl. aber Horstkötte, ZInsO 2014, 1297, 1302. MünchKomm-InsO/Breuer, § 231 Rn. 17; Braun/Braun/Frank, § 231 Rn. 3; HambK/ Thies, § 231 Rn. 18; a. A. FK-InsO/Jaffé, § 231 Rn. 4; Horstkötte, ZInsO 2014, 1297, 1300 f.

163

D. Eröffnetes Verfahren

cheren Verhältnissen und den vielfach auf eine Schulbefreiung konzentrierten Wirkungen Rechnung getragen werden. Ein gravierender Mangel liegt bei einem abweichend von § 219 InsO ungegliederten und die Anlagen nicht erkennen lassenden Plan vor.774) Ein Plan, der dem Schuldner nicht einmal das Existenzminimum belässt, ist vom Gericht zurückzuweisen.775) 471 Bei einem vom Schuldner vorgelegten Plan sind vom Insolvenzgericht zwei weitere Punkte zu beachten. Es überprüft, ob der Plan offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Beteiligten oder auf eine Bestätigung des Gerichts hat, § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Offensichtlich aussichtslos ist ein Plan, wenn ohne gerichtliche Amtsermittlung776) mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ablehnung des Plans zu erwarten ist.777) Aussichtslos ist der Plan, wenn keine Mehrheiten nach den §§ 243 ff. InsO zu erreichen sein werden.778) Ob damit bereits ein Nullplan ausscheiden muss, erscheint jedenfalls nicht zwangsläufig. Im Einzelfall kann dies auch von den Stellungnahmen der Gläubiger abhängen.779) Selbst einzelne ablehnende Äußerungen von Gläubigern werden nicht prinzipiell gegen den Plan sprechen, weil es auf die Mehrheiten bei den abstimmenden Gläubigern ankommt. Signalisieren einzelne Gläubiger, dem Plan zustimmen zu wollen oder haben sie einem entsprechenden außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zugestimmt, kann nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit ausgegangen werden. Schließlich prüft das Gericht nach § 231 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch eine offensichtlich fehlende Aussicht auf Erfüllbarkeit. 472 Wird der Plan nicht zurückgewiesen, leitet ihn das Gericht nach § 232 InsO zur Stellungnahme weiter. Da im Verbraucherinsolvenzverfahren zuvor keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet worden ist, stellt das Gericht einen vom Verwalter vorgelegten Plan dem Schuldner und einen Schuldnerplan dem Verwalter zur Stellungnahme binnen einer höchstens zweiwöchigen Frist zu, § 231 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 3 InsO. d) Terminsbestimmung 473 Berichts-, Prüfungs-, Erörterungs- und Abstimmungstermin können verbunden werden, §§ 235 Abs. 1 Satz 1, 236 Satz 2 InsO.780) In Verbraucherinsolvenzverfahren wird ein Berichtstermin nach § 29 Abs. 2 Satz 2 InsO vielfach entfallen. Gerade dann, aber auch wenn ein Berichtstermin durchgeführt wird, ___________ 774) 775) 776) 777)

Nerlich/Römermann/Braun, § 231 Rn. 7. BR-Drucks. 1/92, S. 204. FK-InsO/Jaffé, § 231 Rn. 15; HK-InsO/Haas, § 231 Rn. 11. Uhlenbruck/Lüer, § 231 Rn. 31; MünchKomm-InsO/Breuer, § 231 Rn. 19, stellt auf eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Ablehnung ab. 778) Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 406. 779) Vgl. AGR/Silcher, § 231 Rn. 11. 780) MünchKomm-InsO/Schmahl/Busch, § 29 Rn. 85; FK-InsO/Jaffé, § 231 Rn. 3; Rendels/ Zabel, Insolvenzplan, Rn. 415.

164

X. Insolvenzplan

kann eine solche Terminsverbindung sinnvoll sein, um das Verfahren zu vereinfachen und zu fördern sowie Kosten zu ersparen. Allerdings ist das Insolvenzplanverfahren mit dem Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG dem Richter vorbehalten, während das eröffnete Insolvenzverfahren und damit auch der Berichts- und Prüfungstermin zur funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers gehören.781) Wenn sich nicht Richter und Rechtspfleger im Termin abwechseln, eine praktisch und in der Außenwirkung wenig günstige Gestaltung, muss sich der Richter gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 RPflG die Durchführung des zusammengefassten Termins vorbehalten. Wird das Insolvenzverfahren nach § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO schriftlich durch- 474 geführt, können die danach erforderlichen Anhörungen ebenfalls zusammengefasst werden. Ob dies für die auch nacheinander vorgesehene Erörterung und Abstimmung zweckmäßig ist, erscheint als eher fraglich. Die flexibel ausgeformten Verfahrensgestaltungen lassen jedoch dem Gericht genügend Spielraum, um einzelne Termine oder die verbundenen Termine mündlich durchzuführen, § 5 Abs. 2 Satz 2 InsO. Mit der Ladung zum Termin wird grundsätzlich eine vollständige Kopie des 475 Plans und seiner Anlagen vorzulegen sein. Angesichts der regelmäßig nur geringen Komplexität des Plans ist eine Zusammenfassung i. S. v. § 235 Abs. 3 Satz 2 InsO regelmäßig entbehrlich und wird nicht vom Gericht anzufordern sein. e) Abstimmung Ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan ergeht auf rechtsgeschäft- 476 licher Basis und verlangt eine Zustimmung aller Gläubiger. Dieses Konsensprinzip wird beim gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan modifiziert, weil nach § 307 Abs. 2 Satz 1 InsO Schweigen als Zustimmung gilt und nach § 309 Abs. 1 InsO bei einer mehrheitlichen Annahme des Plans durch die Gläubiger die Zustimmung der opponierenden Gläubiger ggf. ersetzt werden kann.782) Demgegenüber unterliegt der Insolvenzplan nicht dem Konsens-, sondern dem Mehrheitsprinzip. Der Insolvenzplan ist nach § 244 Abs. 1 InsO angenommen, wenn in jeder Gruppe die Kopf- und Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger sowie die Mehrheit der zustimmenden Gruppen erreicht wird. Da auf die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger abgestellt wird, bleiben ebenso die Stimmenthaltungen wie die nicht mit abstimmenden Gläubiger unberücksichtigt.783) Als Mindesterfordernis muss ein Gläubiger dem Plan zugestimmt haben, was etwa genügen kann, wenn keine Gruppenbildung erfolgt. Um den Plan nicht an einer mangelnden Beteiligung schei___________ 781) Heyer, ZVI 2012, 321, 324. 782) Gottwald/Ahrens, § 83 Rn. 36. 783) MünchKomm-InsO/Hintzen, § 244 Rn. 5.

165

D. Eröffnetes Verfahren

tern zu lassen,784) sollte sichergestellt werden, dass zumindest ein Gläubiger an der Abstimmung teilnimmt, also zu einem mündlichen Termin erscheint. Zulässig könnte auch eine Stimmrechtsvollmacht sein,785) doch darf nach § 43a Abs. 4 BRAO nicht der Insolvenzverwalter bevollmächtigt werden. 477 Mit dem Obstruktionsverbot des § 245 InsO können opponierende Plangruppen in die Konsensbildung eingebunden werden. Allerdings ist das Obstruktionsverbot nur anwendbar, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen mit den entsprechenden Kopf- und Summenmehrheiten dem Plan zugestimmt hat, § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO.786) Vereinzelt wird dafür auch die Zustimmung nur einer Gläubigergruppe als ausreichend angesehen,787) doch weicht diese Interpretation von der klaren Gesetzesfassung ab. Sieht der Insolvenzplan keine Abstimmungsgruppen vor, ist § 245 InsO unanwendbar.788) Eine Mehrheitsbildung ist bei einer am Gesetzeswortlaut orientierten Auslegung nur möglich, wenn mindestens drei Gläubigergruppen gebildet wurden.789) 478 Unter zwei weiteren Bedingungen gilt die Zustimmung der Dissenter als erteilt. Durch den Insolvenzplan dürfen alle Angehörigen der Gruppe voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden, § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Außerdem müssen die Angehörigen der Gruppe angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der aufgrund des Plans den Beteiligten zufließen soll, § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 479 Wenn der Schuldner nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich widerspricht, gilt nach § 247 Abs. 1 InsO auch seine Zustimmung zum Plan als erteilt. Sein Widerspruch ist unbeachtlich, wenn er durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt würde, als ohne den Plan, und kein Gläubiger einen den vollen Wert seines Anspruchs übersteigenden Betrag erhält, § 247 Abs. 2 InsO. Im Insolvenzverfahren der natürlichen Personen bleibt wegen der erforderlichen Mitwirkung des Schuldners an der Planerfüllung ein gegen den Willen des Schuldners angenommener Plan bloße Theorie. f) Planbestätigung 480 Nach § 248 InsO muss der durch die Beteiligten angenommene Insolvenzplan vom Gericht bestätigt werden. Die Bestätigung ist bei wesentlichen Verfahrensmängeln, § 250 Nr. 1 InsO, oder einer unlauter herbeigeführten Annahme des Plans von Amts wegen zu versagen, § 250 Nr. 2 InsO. Ein wesentlicher Verstoß in diesem Sinn liegt dann vor, wenn es sich um einen Mangel ___________ Vgl. Heyer, ZVI 2012, 321, 323; Stephan, VIA 2014, 25, 26. Vgl. BGH, NZI 2009, 106; Rein, ZVI 2014, 239, 241. Uhlenbruck/Lüer, § 245 Rn. 33. MünchKomm-InsO/Drukarczyk, § 245 Rn. 25; kritisch auch Nerlich/Römermann/ Braun, § 245 Rn. 33. 788) AG Duisburg, NZI 2001, 605, 606; FK-InsO/Jaffé, § 245 Rn. 3. 789) Nerlich/Römermann/Braun, § 245 Rn. 33; HK-InsO/Haas, § 245 Rn. 6.

784) 785) 786) 787)

166

X. Insolvenzplan

handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte.790) Blieb der Verstoß erkennbar ohne Einfluss auf das Abstimmungsergebnis, ist er nicht wesentlich.791) Auf Antrag eines Gläubigers ist die Bestätigung zu versagen, wenn der An- 481 tragsteller dem Plan spätestens im Abstimmungstermin widersprochen hat, § 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO, und er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne Plan stünde, § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO. § 251 InsO soll jedem Gläubiger den Wert garantieren, den seine Rechtsposition im Insolvenzverfahren noch hat. Zu vergleichen ist dafür die Position des Gläubigers bei einem nach den Vorschriften der Insolvenzordnung durchgeführten Insolvenzverfahren und bei Ausführung des Insolvenzplans. Bringt der Plan für den widersprechenden Gläubiger wirtschaftliche Nachteile, ist der Widerspruch erfolgreich.792) Diese Schlechterstellung muss der Antragsteller gemäß § 251 Abs. 2 InsO spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft machen. Unklar ist, inwieweit ein bereits gestellter Antrag auf Versagung der Rest- 482 schuldbefreiung im Rahmen des Minderheitenschutzes zu berücksichtigen ist. Solche Anträge können nach der neuen Rechtslage häufiger zu berücksichtigen sein, weil sie nach § 290 Abs. 1, 2 InsO bereits ab der Forderungsanmeldung gestellt werden dürfen. Erwogen werden könnte, ob der Forderungsverlust durch den Plan zu einer Schlechterstellung gegenüber einer versagten Restschuldbefreiung führt.793) Problematisch ist daran, dass im Verfahren nach § 251 InsO ein Versagungsantrag nach § 290 InsO inzident zu prüfen wäre,794) selbst wenn ähnliche Prüfungen etwa im Rahmen der Kostenstundung erfolgen. Allerdings führt ein überwiegend wahrscheinlich zulässiger und begründeter Versagungsantrag noch nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber dem Planresultat. Der Gläubiger muss auch glaubhaft machen, welche Befriedigung er bei einer versagten Restschuldbefreiung im Rahmen der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und unter Berücksichtigung konkurrierender Ansprüche im Vergleich zu der im Plan vorgesehenen Quote erhalten kann. Der Schuldner kann auch für den Gläubiger, der eine Versagung der Restschuldbefreiung und Minderheitenschutz beantragt hat, eine erhöhte Befriedigungsquote vorsehen. Typischerweise wird aber keine 100 %-Quote erforderlich sein,795) weil der Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens kaum mit einer vollständigen Befriedigung rechnen kann. Gegen den Beschluss über die Bestätigung des Insolvenzplans oder dessen 483 Versagung ist die sofortige Beschwerde eröffnet, § 253 Abs. 1 InsO. Die so___________ 790) BGH, NZI 2010, 101 Rn. 3; 2010, 734 Rn. 44; 2012, 139 Rn. 11; HK-InsO/Haas, § 250 Rn. 5. 791) HambK/Thies, § 250 Rn. 7. 792) BGH, NZI 2009, 515 Rn. 12. 793) AG Düsseldorf, ZInsO 2008, 463, 464; a. A. wohl Braun/Frank, § 251 Rn. 6. 794) Vgl. Frind, ZInsO 2014, 280, 283. 795) A. A. Frind, ZInsO 2014, 280, 284.

167

D. Eröffnetes Verfahren

fortige Beschwerde gegen die Bestätigung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen, § 253 Abs. 2 Nr. 1 InsO, sowie gegen den Plan gestimmt hat, § 253 Abs. 2 Nr. 2 InsO, und glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde, falls er keine Kompensationsleistung erhält, § 251 Abs. 2 Nr. 3 InsO. g) Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Planüberwachung 484 Nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, soweit im Plan keine abweichende Regelung getroffen ist, § 258 Abs. 1 InsO. Dabei müssen die unstreitigen fälligen Masseansprüche berichtigt und es muss für die streitigen oder nicht fälligen Masseansprüche Sicherheit geleistet sein, § 258 Abs. 2 Satz 1 InsO. Sodann erhält u. a. der Schuldner sein Verfügungsrecht zurück, § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO. 485 Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann nach § 260 Abs. 1 InsO vorgesehen werden, die Planerfüllung zu überwachen. Eine solche Planüberwachung dient primär den Interessen der Gläubiger.796) Die Überwachung des Insolvenzplans ist vor allem dann entbehrlich, wenn der Plan als wesentliche Leistung eine Einmalzahlung vorsieht. Für den Schuldner erweist sich eine Planüberwachung häufig als besonders belastend, weil er nach der plandispositiven Vorschrift797) des § 269 Satz 1 InsO die Kosten trägt. 5. Gliederung des Insolvenzplans a) Vorbemerkung 486 Inzwischen liegen zahlreiche Musterinsolvenzpläne vor, die eine erste Orientierung bei der Erstellung eines Insolvenzplans ermöglichen.798) Wie stets bei derartigen Mustern können sie nur einen allgemeinen Rahmen vorgeben, der die Besonderheiten der unterschiedlichen Fallkonstellationen nicht vollständig abbildet. Bei der Planaufstellung sind deswegen kreative, individuelle Lösungen möglich und teilweise auch gefragt. 487 Dem Plan kann eine Vorbemerkung bzw. Präambel vorangestellt werden.799) Dort sind zunächst die äußeren Verfahrensdaten zu nennen, also der Schuldner, das Antragsdatum, das zuständige Gericht und das Aktenzeichen sowie der Insolvenzverwalter. Zusätzlich kann darauf hingewiesen werden, dass der Plan zum Zweck der gerichtlichen Vorprüfung sowie ggf. zur Erörterung ___________ 796) Vgl. MünchKomm-InsO/Stephan, § 260 Rn. 1. 797) FK-InsO/Jaffé, § 269 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Stephan, § 269 Rn. 10. 798) Planmuster etwa bei Stephan, Insolvenzplan, S. 83 ff.; Beyer, ZVI 2013, 334, 335 ff., 2014, 289 ff.; Allemand/Dobiey/Henning, ZVI 2014, 296 ff.; Grote, Insbüro 2014, 252, 254 ff. 799) Allemand/Dobiey/Henning, ZVI 2014, 296, 297.

168

X. Insolvenzplan

und Abstimmung vorgelegt wird. Außerdem ist an dieser Stelle auch Raum, um das Ziel des Insolvenzplans darzustellen, wie etwa die sofortige Restschuldbefreiung für den Schuldner und eine verbesserte Quotenzahlung für die Gläubiger. Vor allem sollte aber auf die flexiblen Anforderungen an einen Insolvenzplan hingewiesen werden, an denen sich der Vorleger des Plans für den konkreten Insolvenzsachverhalt orientiert hat. Hierfür kann die Kategorie eines von den unternehmensbezogenen Plantypen800) abweichenden, am ehesten noch dem Liquidationsplan angenäherten Schuldenbereinigungsplans formuliert werden. Nach der Rechtsprechung des BGH können bindende, in allen Planverfahren 488 einzuhaltende Vorgaben schon wegen der Vielfalt der in Betracht kommenden Pläne sowie der unterschiedlichen Schuldner nicht gemacht werden.801) Deswegen sind die Maßstäbe für die vorzulegenden Übersichten und Prognoseberechnungen vom Umfang und der jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung der Tätigkeit des Schuldners abhängig. Überhaupt müssen die erforderlichen Planinhalte im Rahmen der gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten an den Umfang des Insolvenzverfahrens angepasst werden.802) In wenig komplexen Insolvenzverfahren sind deswegen einfach gestaltete Insolvenzpläne zulässig.803) b) Darstellender Teil des Insolvenzplans gemäß §§ 219 Satz 1 Alt. 1, 220 InsO aa) Allgemeine Anforderungen Im darstellenden Teil des Insolvenzplans sind im Allgemeinen die Beteiligten 489 und das Insolvenzgericht über die gegenwärtige wirtschaftliche Lage des Schuldners sowie ihre Ursachen zu informieren. Neben dieser Zustandsbeschreibung sind außerdem die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufzunehmenden Maßnahmen zu erklären,804) unabhängig davon, ob sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahren bereits getroffen worden oder noch vorgesehen sind. Unerlässlich sind alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans, welche die Gläubiger entsprechend ihrer eigenen Interessen für ein sachgerechtes Urteil über den Plan benötigen.805) Als sachgerechte Vergleichsgröße ist auf die auf Grundlage des Insolvenzverfahrens zu erreichende Restschuldbefreiung abzustellen. ___________ 800) Liquidationsplan, Übertragungsplan und Sanierungsplan, vgl. nur Kübler/Prütting/ Bork/Otte, § 220 Rn. 2. 801) BGH, NZI 2010, 101 Rn. 3; 2010, 734 Rn. 43; FK-InsO/Jaffé, § 220 Rn. 8a. 802) BGH, NZI 2010, 101 Rn. 3. 803) Henning, ZVI 2014, 7, 9; Allemand/Dobiey/Henning, ZVI 2014, 296, 297. 804) HK-InsO/Haas, § 222 Rn. 2. 805) BGH, NZI 2012, 139 Rn. 9; WM 2012, 1640 Rn. 9; Uhlenbruck/Maus, § 220 Rn. 1; Beyer, ZVI 2013, 334.

169

D. Eröffnetes Verfahren

490 Darzustellen sind die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Schuldners, die Planziele, die wirtschaftliche Entwicklung, die Gruppenbildung, die Quotenhöhe sowie mögliche Anfechtungsansprüche.806) Erforderlich ist auch eine Vergleichsrechnung, wieweit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger durch den Plan verbessert werden.807) Außerdem gehören zum darstellenden Teil ein Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht.808) 491 Aussagen zur gesellschaftsrechtlichen Organisationsform, zu durchgeführten Betriebsänderungen oder anderen organisatorischen und personellen Maßnahmen oder sonstige betriebswirtschaftliche Informationen,809) werden in der Insolvenz eines Selbständigen geboten sein, etwa bei einem Insolvenzplan für einen Freiberufler.810) Umgekehrt sind bei Insolvenzplänen in der Verbraucherinsolvenz sämtliche allein auf eine unternehmerische Insolvenz bezogenen Stellungnahmen überflüssig. Ein Sanierungsvorschlag ist an den Maßstäben der Schuldenbereinigung einer natürlichen Person auszurichten. Gerade auch die vom Institut der Wirtschaftsprüfer formulierten Maßstäbe für ein Sanierungskonzept811) können nicht übertragen werden. In der Verbraucherinsolvenz kann ein Insolvenzplan einfach strukturiert und gestaltet sein,812) ohne allgemein bindenden Vorgaben zu unterliegen.813) 492 Selbst wenn einzelne erforderliche Angaben nicht ganz vollständig erfolgen, muss der Insolvenzplan daran nicht scheitern. Kleinere Defizite können zudem ggf. durch die mit dem außergerichtlichen Einigungsversuch zugeleiteten Informationen kompensiert werden. Erst wesentliche Mängel stehen dem Insolvenzplan entgegen. Bei gravierenden Fehlern ist der Plan im Prüfungsverfahren nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzuweisen oder ihm ist nach § 250 Nr. 1 InsO die Bestätigung zu versagen. bb) Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse 493 Trotz des substanziellen sachlichen Unterschieds zwischen der Sanierung eines Unternehmensträgers und der Schuldenbereinigung einer natürlichen Person lassen sich doch einige Parallelen feststellen. So tritt an die Stelle einer Beschreibung des Unternehmens mit der Unternehmenshistorie sowie den recht-

___________ 806) 807) 808) 809) 810) 811)

HK-InsO/Haas, § 222 Rn. 2. MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 220 Rn. 4; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 115. BGH, WM 2012, 1640 Rn. 9. Vgl. dazu Beyer, ZVI 2014, 289, 290. Dazu in der Unternehmensinsolvenz Nerlich/Römermann/Braun, § 219 Rn. 16. Nerlich/Römermann/Braun, § 219 Rn. 31 ff.; FK-InsO/Jaffé, § 220 Rn. 35 ff.; Rendels/ Zabel, Insolvenzplan, Rn. 123 ff. 812) Stephan, Insolvenzplan, S. 17. 813) Vgl. BGH, NZI 2010, 101 Rn. 3; 2010, 734 Rn. 43.

170

X. Insolvenzplan

lichen, finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Verhältnissen814) eine Darstellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners.815) Als persönliche Verhältnisse des Schuldners sind zunächst Alter und Famili- 494 enstand mit den entsprechenden Unterhaltsverpflichtungen sowie ggf. die für die Bemessung der unpfändbaren Beträge wichtige Steuerklasse darzustellen. Außerdem ist über den Beruf, also die aktuell ausgeübte Erwerbstätigkeit, sowie die Erwerbsbiographie des Schuldners mit Ausbildungen und bisherigen Tätigkeitszeiten und -arten zu informieren. Auch Krankheitsbilder, die auf eine Erwerbstätigkeit Einfluss haben, können aufgeführt werden. Hindert eine Kindererziehung an der Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit, ist dies zu erklären. Im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse muss zunächst die Zahlungs- 495 unfähigkeit des Schuldners dargestellt werden. Bei einem Insolvenzplan für eine nicht selbständig erwerbstätige Person sind regelmäßig keine Aussagen zu den Insolvenzursachen erforderlich, weil sie dort keine entscheidungserhebliche Bedeutung besitzen. Schließlich kann der Schuldner unabhängig von den Ursachen der Zahlungsunfähigkeit einseitig, ohne einen Plan, die Restschuldbefreiung erlangen. Auch wenn eine Historie der Krise in der Verbraucherinsolvenz entbehrlich ist, kann sie doch sinnvoll sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner Maßnahmen zur Verbesserung seiner Situation eingeleitet hat, etwa eine besser bezahlte Erwerbstätigkeit übernommen bzw. eine Haushaltsberatung besucht hat, oder auch nur Unterhaltspflichten entfallen. Zusätzlich zu den bereits in der Präambel aufgelisteten Informationen können verfahrensbezogene Angaben gemacht werden, etwa über die Anmeldefrist oder die Termine. Außerdem ist das Vermögen aufzulisten, wobei vorrangig die Einkünfte des 496 Schuldners aufgeführt werden müssen. Zu nennen sind sowohl die unpfändbaren als auch die pfändbaren Teile der Einkünfte. Sind Vollstreckungsschutzanträge nach den §§ 850c ff. ZPO gestellt, müssen sie mit erwähnt werden. Für einen selbständigen Schuldner ist vor allem ein Pfändungsschutzantrag nach § 850i ZPO wesentlich. Als Einkünfte eines selbständigen Schuldners können nicht sämtliche erzielten Einnahmen des Schuldners ohne Berücksichtigung der zur Fortführung erforderlichen Ausgaben, sondern nur der zu erwartende Gewinn berücksichtigt werden.816) Arbeitet der Schuldner als Selbständiger weiter, kann ihm ein geringer Gewinn als Unterhalt belassen werden. Überschreitet diese Vergütung nicht die Pfändungsgrenzen, fällt sie nicht in die Masse. Zudem kann dem Schuldner unabhängig von der Arbeits___________ 814) FK-InsO/Jaffé, § 220 Rn. 39 ff.; Kübler/Prütting/Bork/Otte, § 220 Rn. 10; Nerlich/ Römermann/Braun, § 219 Rn. 34 ff. 815) Allemand/Dobiey/Henning, ZVI 2014, 296, 297. 816) BGH, NZI 2009, 515 Rn. 17.

171

D. Eröffnetes Verfahren

leistung Unterhalt nach § 100 InsO gewährt werden.817) Auszuführen sind die Umstände auch, wenn der Schuldner eine selbständige mit einer nicht selbständigen Erwerbstätigkeit kombiniert. 497 Pfändbares Sachvermögen ist anzugeben, doch sollte auch erklärt werden, wenn etwa ein Pkw für eine Erwerbstätigkeit benötigt wird und deswegen nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar ist. In jedem Fall anzugeben ist Immobilenvermögen mit dem Verkehrswert, den Grundbuchbelastungen und den valutierten Verbindlichkeiten.818) Für die massezugehörigen Sachen ist vom Liquidationswert auszugehen, da ein Fortführungswert nicht vorstellbar erscheint. Unrichtige Angaben über Einkommen oder Vermögen des Schuldners verstoßen gegen § 220 Abs. 2 InsO. Da derartige Falschangaben Einfluss auf die Annahme des Plans haben können, stellen sie einen Mangel dar, aufgrund dessen die Planbestätigung von Amts wegen zu versagen ist.819) 498 Zusätzlich sind die Verbindlichkeiten anzugeben. Dabei sind laufende Verbindlichkeiten, wie Unterhaltsverpflichtungen, aber auch die Wohn- und ggf. Telekommunikationskosten anzuführen. Von einer Restschuldbefreiung nach § 302 InsO ausgenommene Verbindlichkeiten können bereits hier genannt werden, wobei neben den Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung auch die Verpflichtungen aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahltem Unterhalt sowie im Zusammenhang mit Steuerstraftaten zu berücksichtigen sind. Erklärt werden sollte auch, wie zukünftig eine Neuverschuldung vermieden werden soll, etwa durch eine verbesserte Hauswirtschaftsführung mit etwaigen Schulungen. 499 Ein Finanzplan gemäß § 229 Satz 2 InsO ist nicht erforderlich, denn er muss nur dann vorgelegt werden, wenn die Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen. Allerdings können aus den nach § 229 InsO erforderlichen Informationen einige Maßstäbe für Insolvenzpläne natürlicher Personen gewonnen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH können keine bindenden, für alle Insolvenzpläne geltenden Anforderungen aufgestellt werden. Selbst in der Unternehmensinsolvenz können an die Stelle einer Liquiditätsrechnung in tabellarischer Form schriftsätzliche Ausführungen zu den Einnahmen und Ausgaben des Schuldners während des Planzeitraums erfolgen.820) In der Verbraucherinsolvenz mag zwar eine tabellarische Einnahmen-/Ausgabenrechnung sinnvoll sein. Zu verlangen ist sie aber nicht.

___________ 817) 818) 819) 820)

172

BGH, NZI 2009, 515 Rn. 18 ff. Beyer, ZVI 2014, 289, 290. BGH, WM 2012, 1640 Rn. 9. BGH, NZI 2010, 101 Rn 3.

X. Insolvenzplan

cc) Gläubigerbefriedigung ohne Insolvenzplan Zu den zentralen Entscheidungsfaktoren für die Gläubiger gehört, wie sie bei 500 einer regelmäßigen und bei einer planbasierten Insolvenzabwicklung stehen.821) Als Basis des Entschuldungskonzepts ist deswegen eine Vergleichsberechnung zwischen den gesetzlichen und den im Plan vorgesehenen Befriedigungsaussichten aufzustellen. Im Rahmen der gesetzlichen Befriedigungsaussichten ist zunächst die Masse bei Durchführung des Insolvenzverfahrens zu berechnen. Hier müssen die Erlöse aus der Verwertung des Vermögens und damit insbesondere aus den pfändbaren Teilen des Arbeitseinkommens eingesetzt werden. Bestehende Anfechtungsansprüche sind in den darstellenden Teil aufzunehmen, 501 soweit sie für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Angesprochen werden müssen nur die wahrscheinlich bestehenden Anfechtungsansprüche, die sinnvollerweise geltend gemacht werden können. Nicht bestehende oder unwahrscheinliche Ansprüche müssen nicht dargestellt und erörtert werden.822) Dies kann etwa der Fall sein, wenn ersichtlich eine Gläubigerbenachteiligung fehlt. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Maßstäbe zur Bestimmung von Leistungen aus dem unpfändbaren Vermögen des Schuldners.823) Wie umfassend die entsprechenden Hinweise sein müssen, hängt auch davon ab, wieweit die Sachverhalts- und Rechtsklärung vorangeschritten ist. Zusätzlich sind die vom Schuldner während der Treuhandphase des Rest- 502 schuldbefreiungsverfahrens abzutretenden Einkünfte zu berücksichtigen. Als Vergleichsgröße ist nicht auf die regelmäßige sechsjährige Abtretungsfrist, sondern nur auf die fünfjährige Frist aus § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO abzustellen. Da ein Insolvenzplan eine Kostendeckung erfordert, ist von einer kostendeckenden Masse bzw. kostendeckenden Zahlungen während der Treuhandperiode auszugehen, die eine Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf fünf Jahre ermöglicht. Abzuführen wäre nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch die Hälfte des erbrechtlichen Erwerbs, doch wird es dafür regelmäßig keine vorhersehbaren verlässlichen Anhaltspunkte geben. Abzustellen ist auf die prognostizierten Einkünfte des Schuldners. Da eine 503 § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbs. InsO vergleichbare Regelung fehlt, wonach im Zweifel die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners bei dem Antrag auf Zustimmungsersetzung während der gesamten Verfahrensdauer gleichbleiben, ist unklar, wie mögliche Veränderungen berücksichtigt werden können. Wegen der vergleichbaren Problemlage spricht viel für eine analoge Anwendung von § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbs. InsO im Insolvenzplanverfahren. Jedenfalls muss ein Gläubiger, der einen Antrag ___________ 821) Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 138; Allemand/Dobiey/Henning, ZVI 2014, 296, 298. 822) BGH, NZI 2010, 734 Rn. 56 f. 823) Ahrens, NJW-Spezial 2014, 314.

173

D. Eröffnetes Verfahren

nach § 251 Abs. 1 InsO stellt, seine Schlechterstellung darlegen. Er muss konkrete Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, § 251 Abs. 2 InsO, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit seiner Schlechterstellung ergibt.824) 504 Bei der Frage, ob der Schuldner etwaige Versagungsgründe im Insolvenzplan angeben muss, zeichnet sich inzwischen ein klares Bild ab. Verurteilungen wegen einer Insolvenzstraftat muss der Schuldner nur dann im Insolvenzplan aufführen, wenn er eine Unternehmensfortführung plant. Ist dies nach dem Plan nicht vorgesehen, kommt ihrer Benennung dagegen regelmäßig keine ausschlaggebende Bedeutung zu.825) Auch ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO muss nicht angegeben werden.826) Die dafür gegebene Begründung, eine solche Hinweispflicht stünde nicht mit der sonst bei einem Versagungsantrag den Gläubiger treffenden Darlegungs- und Beweislast in Einklang,827) kann auch auf die anderen Versagungsgründe nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 – 6 InsO übertragen werden, weswegen diese Versagungsgründe nicht zu nennen sind.828) Trotz der nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 2. Halbs. InsO entsprechend anwendbaren Verfahrensobliegenheiten, die auf der Basis eines statthaften Versagungsantrags eine amtswegige Versagung ermöglichen, wird dies entsprechend für eine Versagung wegen einer verletzten Erwerbsobliegenheit gelten. 505 Noch nicht beantwortet ist damit, ob der Schuldner auf eine Sperrfrist nach § 287a Abs. 2 InsO hinweisen muss. Während der Sperrfrist ist allerdings nur das Restschuldbefreiungs-, nicht aber das Insolvenzverfahren unzulässig. Da der Schuldner aufgrund der Sperre die Restschuldbefreiung erst später erreichen kann, muss er sie als wesentlichen Umstand angeben. Außerdem ist bei der Vergleichsrechnung die entsprechend verlängerte Verfahrensdauer bis zu einer möglichen Erteilung der Restschuldbefreiung zu beachten. dd) Planziele, Gläubigerbefriedigung und Quote 506 Vorrangige Ziele des Insolvenzplans sind, die Gläubiger besser zu stellen, als sie voraussichtlich ohne einen Insolvenzplan stünden, § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO, und die Restschuldbefreiung für den Schuldner. Infolgedessen sind die Gläubigerbefriedigung und die Restschuldbefreiung herauszustellen. Angeführt werden kann auch eine effizientere Verfahrensgestaltung mit geringeren Kosten und Belastungen für die Beteiligten. Dazu kann vor allem eine gegenüber der sechsjährigen Dauer von Insolvenz- und Restschuldbefreiungs___________ 824) 825) 826) 827) 828)

174

MünchKomm-InsO/Sinz, § 251 Rn. 19. BGH, NZI 2012, 139 Rn. 14. BGH, NZI 2009, 515 Rn. 27. BGH, NZI 2009, 515 Rn. 27; 2012, 139 Rn. 12. Karsten Schmidt/Spliedt, § 221 Rn. 8.

X. Insolvenzplan

verfahren deutlich verkürzte Ausführungszeit beitragen, etwa bis zur Annahme des Plans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens.829) Aus Sicht der Gläubiger besitzt die Höhe der auf Grundlage des Plans zu er- 507 reichenden Quote eine entscheidende Bedeutung, die deswegen unbedingt anzugeben ist. Um einschätzen zu können, wie verlässlich die Angaben zur Quote sind, werden für die Gläubiger regelmäßig auch Informationen über die Quelle der zu erbringenden Leistungen erforderlich sein. Wenn Drittleistungen in den Plan eingestellt werden, ist auch der Zahlungsgrund zu erklären. Aussagen zur Ausschüttungssicherheit830) sind dagegen im Verbraucherinsolvenzverfahren regelmäßig entbehrlich. ee) Gruppenbildung (1) Grundlagen Eine Schlüsselentscheidung für eine erfolgreiche Annahme des Insolvenz- 508 plans stellt die Gruppenbildung dar. Sie liegt in der Hand derjenigen Person, die den Plan vorlegt.831) Dabei kann und wird sich der Vorlegende im Rahmen der gesetzlichen Regelungen von strategischen Interessen leiten lassen. Abgesehen von den nach § 222 Abs. 1 InsO zwingenden Gruppen erlaubt § 222 Abs. 2 Satz 1 InsO Gruppen von Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung und gleichartigen wirtschaftlichen Interessen. Wie die Gruppen gebildet werden und nach welchen Kriterien die Gruppenbildung erfolgt, muss im darstellenden Teil des Insolvenzplans erläutert werden.832) Bei einer Gruppenbildung ist eine ungerade Zahl der Gruppen sinnvoll, um 509 die für eine Überwindung eines ablehnenden Votums erforderliche Mehrheit der Gruppen nach § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO einfacher erreichen zu können.833) Eine Beschränkung auf zwei Gruppen ist wenig sinnvoll, weil dann eine ablehnende Entscheidung in einer Gruppe nicht überwunden werden kann. Zulässig sind auch Gruppen mit nur einem Gläubiger, wie etwa dem zuständigen Finanzamt.834) Eine Gruppenbildung ist entbehrlich, wenn keine zwingenden Gruppen nach § 222 Abs. 1 Satz 2 InsO zu bilden sind, was im Plan kurz erläutert werden muss. In diesem Fall kann von allen Gläubigern gemeinsam

___________ 829) Allemand/Dobiey/Henning, ZVI 2014, 296, 298. 830) Dazu Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 121. 831) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 6; FK-InsO/Jaffé, § 222 Rn. 2; HK-InsO/ Haas, § 222 Rn. 4. 832) Kübler/Prütting/Bork/Otte, § 222 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 22; vgl. Beyer, ZVI 2014, 289, 290 ff. 833) Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 188. 834) Nerlich/Römermann/Braun, § 222 Rn. 10b; MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 31; HambK/Thies, § 222 Rn. 4.

175

D. Eröffnetes Verfahren

über den Plan abgestimmt werden.835) Gerade in den einfachen Verfahren der Verbraucherinsolvenz kann eine Gruppenbildung häufig entbehrlich sein. Dann sollte allerdings nur ein geringes Risiko für ein wegen § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht kompensierbares negatives Votum bestehen. Unerheblich ist, ob insoweit von Insolvenzplänen mit einer Gruppe836) oder von einem gruppenfreien Plan837) gesprochen wird. 510 Die Risiken durch ablehnende Gläubiger kann der Planvorleger minimieren, wenn er für potenziell ablehnende Gläubiger eine selbstverständlich nach den besonderen wirtschaftlichen Interessen sachgerecht abzugrenzende spezielle Gruppe bildet. Oft wird die Ablehnung gerade von einem speziellen wirtschaftlichen Interesse gespeist sein. Innerhalb dieser Sachgrenzen wird der Planvorleger darauf achten, ob von der Mehrheit der Gruppen und damit auch in den Gruppen eine Zustimmung zum Plan zu erreichen sein wird. (2) Zwingende Gruppen 511 § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 InsO sieht prinzipiell vier obligatorische Gruppen vor. An der Schuldnerin beteiligte Personen i. S. v. § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 InsO scheiden bereits systematisch aus. Für nachrangige Gläubiger müssen gemäß § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO keine besonderen Gruppen gebildet werden, soweit deren Forderungen nach § 225 InsO als erlassen gelten sollen. Selbst wenn nachrangige Verbindlichkeiten aus Geldstrafen oder diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellte Verbindlichkeiten nach § 225 Abs. 3 InsO bestehen, muss für die nachrangigen Gläubiger keine besondere Gruppe gebildet werden.838) Dagegen spricht bereits, dass die Haftung für diese nachrangigen Verbindlichkeiten nicht eingeschränkt werden kann. 512 Nach der Aufhebung von § 114 InsO hat auch die wichtige Gruppe der Absonderungsberechtigten aus § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO weithin ihre Bedeutung verloren. Obwohl das Sicherungsrecht nicht verloren geht, ist deswegen bei einer sicherungshalber abgetretenen Gehaltsforderung der Sicherungsnehmer nicht mehr zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Da die Sicherungsabtretung zudem als unzulässiges Abkommen nach § 226 Abs. 3 InsO nichtig ist (oben Rn. 336), besteht auch kein sachlicher Anlass, ihre Interessen durch eine besondere Gläubigergruppe zu schützen. Eine besondere Gruppe der Absonderungsberechtigten kann zu bilden sein, wenn zur Masse Immobilienvermögen des Schuldners gehört, an dem Grundpfandrechte bestellt sind oder beispielsweise Vermieterpfandrechte bestehen. Dies gilt frei___________ 835) Kübler/Prütting/Bork/Otte, § 222 Rn. 26; MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 23; Nerlich/Römermann/Braun, § 222 Rn. 6; AGR/Silcher, § 222 Rn. 1; HambK/Thies, § 222 Rn. 4. 836) HambK/Thies, § 222 Rn. 4. 837) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 23, 37. 838) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 62 f.

176

X. Insolvenzplan

lich nur, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird.839) Besondere Gruppen i. S. d. § 222 Abs. 3 InsO für Arbeitnehmer sind stets und für Kleingläubiger vielfach entbehrlich. (3) Fakultative Gruppen Jenseits der zwingenden Gruppen können, wie erwähnt, sachgerecht abge- 513 grenzte Gruppen aus Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung und gleichartigen wirtschaftlichen Interessen gebildet werden, § 222 Abs. 2 InsO.840) In einer planvollen Bildung dieser Gruppen liegt der Schlüssel zu einer erfolgreichen Gruppenkonzeption. Abgestellt werden kann auf den Entstehungsgrund des Rechts, die Person des Berechtigten oder die Fälligkeit.841) Vielfach wird es deswegen sinnvoll sein, eine besondere Gruppe der Gläubiger von Steuerverbindlichkeiten zu bilden, die nach Entstehungsgrund und Gläubiger eine eigene Struktur aufweisen. Zudem werden Vorgespräche mit dem Finanzamt oft keine klaren Aussagen über das Abstimmungsverhalten erbringen, weswegen eine Ablehnung einzukalkulieren ist. Denkbar ist eine Gruppe von Kleingläubigern, die eine höhere Quote erhalten 514 kann, um ihre Zustimmung zu erreichen. Um nicht die Ablehnung anderer Gruppen zu provozieren,842) sollte dies zumindest mit den wesentlichen Gläubigern abgestimmt sein. Wird die Zustimmung der Kleingläubiger benötigt, um eine Annahme des Plans durch die Mehrheit der Gruppen sicherzustellen, dürfen diese Gläubiger nicht vollständig befriedigt werden. Erhalten Gläubiger eine 100 %-Quote, werden ihre Forderungen durch den Plan nicht beeinträchtigt und ihr Stimmrecht entfällt nach § 237 Abs. 2 InsO.843) Sinnvoll kann daneben eine besondere Gruppe der unterhaltsberechtigten 515 Gläubiger sein. Grundsätzlich sind ihre Insolvenzforderungen von den Planwirkungen betroffen. Ihren möglicherweise existenziellen Interessen kann durch eine spezielle Gruppenbildung Rechnung getragen werden. Zudem werden sich häufig ehemalige Partner verstärkt von persönlichen Emotionen leiten lassen, was bei ihren sonstigen Forderungen ebenfalls zu beachten ist. Auch für die nach § 302 Nr. 1 InsO privilegierten Gläubiger kann eine besondere Gruppe gebildet werden.844) Wegen der Privilegierung von Verbindlichkeiten aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahltem Unterhalt wird in diesem Fall ggf. eine Gruppe der Unterhaltsberechtigten entbehrlich sein.

___________ 839) 840) 841) 842) 843) 844)

Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 196. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 183. MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 90 ff. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 215 f. Kübler/Prütting/Bork/Otte, § 222 Rn. 23. Rein, ZVI 2014, 239, 242; Grote, Insbüro 2014, 252, 257; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 221.

177

D. Eröffnetes Verfahren

516 Zu unterscheiden sein können etwa auch Darlehen einer Bank, die in die Gruppe der Gläubiger von Bankverbindlichkeiten eingeordnet werden können, von der Gruppe der Darlehen aus der Familie mit der Gruppe der sonstigen Darlehensverbindlichkeiten. Um dem Risiko möglicher Nachzügler zu begegnen, kann eine Gruppe sonstiger bzw. übriger Gläubiger gebildet werden, in welche diese Nachzügler eingefügt werden können. ff) Verfahrenskosten 517 Ohne eine besondere Kostenregelung trägt der Schuldner die Kosten des Insolvenzplanverfahrens. Psychologisch vorteilhaft, um die Annahmechancen zu erhöhen, erscheint etwa eine Kostendeckung durch eine Drittzahlung. Um den Schuldner nicht mit diesen Zahlungen zu belasten, kommt auch eine Regelung in Betracht, wonach die Kosten aus der Masse bezahlt werden sollen, worauf im darstellenden Teil des Insolvenzplans hinzuweisen ist. gg) Sonstiges 518 Gemäß § 220 Abs. 1 InsO ist zu beschreiben, welche Maßnahmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind und noch getroffen werden, um die Grundlagen für die geplante Rechtsgestaltung zu schaffen. In der Insolvenz nicht unternehmerisch tätiger natürlicher Personen werden regelmäßig nur wenige Angaben erforderlich sein. Hinzuweisen sein kann auf eine noch durchzuführende Verwertung, etwa einer Immobilie, sowie auf die Fortsetzung eines Anfechtungsprozesses. c) Gestaltender Teil des Insolvenzplans gemäß §§ 219 Satz 1 Alt. 2, 221 InsO aa) Grundlagen 519 In den gestaltenden Teil des Insolvenzplans sind alle Änderungen aufzunehmen, die der Plan bewirken soll.845) Dies gilt unabhängig davon, ob die entsprechenden Punkte bereits im darstellenden Teil behandelt sind. Trotz dieser Verbindungen muss der gestaltende Teil des Plans unabhängig vom darstellenden Teil verständlich sein. Rechtsänderungen sind alle Änderungen der Rechte und Pflichten nach materiellem Recht oder der Insolvenzordnung.846) Einschätzungen, Zielvorstellungen und Berichte gehören dagegen nicht in den gestaltenden Teil. Da der Insolvenzplan zusammen mit dem Tabellenauszug gemäß § 257 InsO einen Vollstreckungstitel bildet, ist auf einen vollstreckungsfähigen Inhalt und insbesondere eine hinreichende Bestimmtheit zu achten.847) ___________ 845) HK-InsO/Haas, § 221 Rn. 3. 846) AGR/Silcher, § 221 Rn. 5; HK-InsO/Haas, § 221 Rn. 3. 847) HambK/Thies, § 221 Rn. 2.

178

X. Insolvenzplan

Durch einen Insolvenzplan können die Rechtsverhältnisse des Schuldners, 520 der Insolvenzgläubiger, nachrangiger Insolvenzgläubiger, absonderungsberechtigter Gläubiger sowie Dritter als Plangaranten gestaltet werden. Es ist daher nicht möglich, im Insolvenzplan Regelungen über die Rechtsstellung der Neugläubiger oder Massegläubiger zu treffen.848) Insbesondere können damit nicht in die Verpflichtungen aus Mietverhältnissen849) oder aus Unterhaltsverpflichtungen für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegriffen und damit laufende Zahlungspflichten reduziert werden. Die Planwirkungen erfassen die genannten Beteiligten unabhängig davon, ob 521 sie sich am Insolvenzverfahren beteiligt haben, §§ 254, 254b InsO. Der Planinhalt ist deswegen ebenso für die am Insolvenzverfahren desinteressierten wie die im Gläubigerverzeichnis vergessenen Gläubiger bindend.850) bb) Rechte der Gläubiger Im Insolvenzplan ist aufzuführen, welche Gläubiger welche quotale Befriedi- 522 gung zu welchem Zeitpunkt erhalten sollen. Regelmäßig werden die Gläubiger die Quote auf ihre zur Insolvenztabelle unbedingt festgestellten Forderungen erhalten. Da der Insolvenzplan zu einer Besserstellung der Gläubiger führen soll, wird typischerweise, wenn auch nicht notwendig, eine zusätzlich zu den insolvenzrechtlichen Ausschüttungsbeträgen vorzusehende Zahlung zu regeln sein. Empfehlenswert ist, einen zusätzlich zu erbringenden absoluten Betrag zu benennen. Wird dagegen eine zusätzliche Quote versprochen, trägt der Schuldner bei übersehenen Verbindlichkeiten das Risiko für die darauf zu erbringende Quote, woran der Insolvenzplan scheitern kann.851) Zu bestimmen ist außerdem, zu welchen Zeitpunkten die Ausschüttungen erfolgen sollen. Für die nach § 302 Nr. 1 InsO privilegierten Forderungen ist zu bestimmen, 523 ob die Gläubiger vollständig befriedigt werden. Da diese Forderungen von der Restschuldbefreiung erfasst werden, sofern der Insolvenzplan keine andere Regelung trifft,852) kann eine vollständige Befriedigung erforderlich sein, um eine Schlechterstellung des Gläubigers zu verhindern. Der antragstellende Gläubiger muss die Schlechterstellung gemäß § 251 Abs. 2 InsO darlegen und glaubhaft machen, wofür ein allgemeiner Hinweis auf die nach § 302 Nr. 1 InsO bestehende Privilegierung nicht genügt. Regelmäßig muss der privilegierte Gläubiger darlegen und glaubhaft machen, dass aus dem pfändbaren Vermögen des Schuldners eine vollständige Befriedigung möglich ist. Selbst wenn der Gläubiger einer privilegierten Forderung nicht vollständig befriedigt wird, fehlt es an einer Schlechterstellung, falls der Schuldner kein ___________ 848) 849) 850) 851) 852)

MünchKomm-InsO/Huber, § 254 Rn. 14. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 303. Stephan, NZI 2014, 539, 540. Beyer, ZVI 2013, 334, 337. BGH, BeckRS 2010, 01432 Rn. 2 = NJW-Spezial 2010, 343; Henning, ZVI 2014, 7, 9 f.

179

D. Eröffnetes Verfahren

verwertbares Vermögen besitzt und insbesondere während des Insolvenzund Restschuldbefreiungsverfahrens keine pfändbaren Einkünfte erzielen kann,853) also etwa die Quote auf Drittzahlungen beruht. 524 Ist im Plan nichts anderes bestimmt, werden die Befriedigungsrechte der absonderungsberechtigten Gläubiger durch den Plan nicht berührt, § 223 Abs. 1 InsO. Sonst ist im Plan zu regeln, um welchen Bruchteil diese Rechte gekürzt werden.854) In diesem Fall ist nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger zu bilden. Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, aber bei der Ausarbeitung des Plans bekannt waren, können unberücksichtigt bleiben. § 229 Satz 3 InsO sieht nur dann eine abweichende Regelung vor, wenn die Gläubiger aus den Erträgen eines fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen. cc) Nachzügler 525 Nicht selten treten vergessene Gläubiger oder Nachzügler auf, die den Erfolg des Insolvenzplans gefährden können. Manche Schuldner mit problematischen Lebensumständen mögen den Überblick über ihre Verbindlichkeiten verloren haben.855) Auch kann das Finanzamt eine Betriebsprüfung durchgeführt haben, die bei (ehemals) Selbständigen zu erheblichen zusätzlichen Steuerverbindlichkeiten führen kann. 526 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Insolvenzgläubiger als „Nachzügler“, deren Forderungen bei der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans unbekannt und nicht angemeldet waren, mit ihren Forderungen nicht ausgeschlossen.856) Sie müssen ihre Forderungen aber zunächst rechtskräftig durch das Prozessgericht feststellen lassen, bevor sie ihre Ansprüche durch Leistungsklage gegenüber dem Schuldner durchsetzen können.857) Prinzipiell möglich erscheint ein Vollstreckungsschutz nach § 259a InsO. Allerdings wird dieser Schutz teilweise auf Insolvenzpläne zur Sanierung eines Schuldnerunternehmens beschränkt.858) Außerdem ist die einjährige Verjährungsfrist des § 259b InsO zu beachten. 527 Das durch die Nachzügler entstehende Risiko kann eventuell begrenzt werden, indem für die Gläubiger bestrittener Forderungen eine vergleichsweise kurze Ausschlussfrist bestimmt wird, in der sie die Klage auf Feststellung zur Tabelle erheben müssen. Diese Frist beginnt erst mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses zu laufen und die Regelung darf lediglich Verteilungsfragen ___________ 853) 854) 855) 856) 857) 858)

180

Henning, ZVI 2014, 7, 10. Rugullis, NZI 2013, 869, 871 f. Stephan, NZI 2014, 539 f. BGH, NZI 2013, 84 Rn. 10; BAG, NZI 2013, 1076 Rn. 25 ff. BAG, NZI 2013, 1076 Rn. 25 ff. MünchKomm-InsO/Madaus, § 259a Rn. 9; Stephan, NZI 2014, 539, 540.

X. Insolvenzplan

betreffen.859) Zugelassen werden kann eine Nachmeldung unverschuldet nicht angemeldeter Forderungen. Eine eigene Gruppe für die unbekannten Gläubiger könnte problematisch sein, wenn diese Gruppe von vornherein darauf angelegt ist, dass die Gruppenmitglieder nicht an der Abstimmung teilnehmen, zumal die unterschiedliche Behandlung allein auf der unterlassenen Forderungsanmeldung beruht.860) Weniger bedenklich erscheint eine Gruppe der sonstigen Gläubiger. Zulässig ist, für Nachmeldungen eine Rückstellung zu bilden, die ohne einen Nachmeldenden an die Gläubiger verteilt wird.861) dd) Restschuldbefreiung Die Schuldbefreiung ist in materiellrechtliche Kategorien zu fassen und kann 528 etwa als Verzicht oder Erlass formuliert sein.862) Eine Stundung erreicht demgegenüber nicht das Ziel einer Restschuldbefreiung. Typischerweise verzichten die Gläubiger auf die nicht befriedigten Teile ihrer Insolvenzforderungen. Übereinstimmend mit der gesetzlichen Regelung des § 254 Abs. 1 InsO kann dies unter die Bedingung einer rechtskräftigen Bestätigung des Plans gestellt werden. Vorgesehen sein sollte auch eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Schuldners. Die Annahme kann zwar konkludent oder nach § 151 Satz 1 BGB erfolgen, wobei der Insolvenzverwalter aufgrund seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts für den Schuldner handelt, doch dient eine ausdrückliche Erklärung der Sicherheit. Zur Klarstellung ist sodann die Gesamtwirkung der §§ 254, 254b InsO aus- 529 zusprechen. Danach erfasst der Plan alle Insolvenzforderungen der Gläubiger, unabhängig davon, ob sie angemeldet, festgestellt, bestritten oder nachrangig sind. Außerdem wird der Schuldner von den damit zusammenhängenden Forderungen von Gesamtschuldnern, Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten befreit, wie § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO klarstellt. Diese Folgen gelten gemäß § 254b InsO auch für die Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet oder dem Plan widersprochen haben. Die Haftung des Schuldners für Geldstrafen und die ihnen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten ist planfest, denn sie kann gemäß § 225 Abs. 3 InsO durch einen Plan weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden. Sicherungsrechte nach § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO werden nicht vom Plan be- 530 rührt. Im Unterschied zu der vergleichbaren Regelung des § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO werden jedoch die Absonderungsberechtigten nicht speziell geschützt. Daher können die Rechte der Absonderungsberechtigten aufgehoben werden. Für Gehalts- bzw. Einkommensabtretungen kann ergänzend ausgesprochen ___________ 859) Vgl. BGH, NZI 2010, 734 Rn. 8 ff.; zweifelnd Frind, ZInsO 2014, 280, 286; ablehnend Stephan, VIA 2014, 25, 26; siehe auch dens., NZI 2014, 539, 541. 860) Stephan, NZI 2014, 539, 540 f. 861) Grote, Insbüro 2014, 252, 253. 862) MünchKomm-InsO/Huber, § 254 Rn. 11.

181

D. Eröffnetes Verfahren

werden, dass diese Sicherungsabtretungen bereits nach § 226 Abs. 3 InsO nichtig sind. 531 Erfüllt der Schuldner nicht seine Verpflichtung aus dem Plan, insbesondere nicht die vorgesehenen Zahlungen, gilt die Wiederauflebensklausel des § 255 InsO. Um die Annahmebereitschaft der Gläubiger zu erhöhen, sollte ausdrücklich eine Wiederauflebensregelung vorgesehen werden. Dazu kann auf § 255 InsO verwiesen werden, doch sind nach § 255 Abs. 3 InsO abweichende Regelungen zugunsten des Schuldners möglich. Denkbar ist etwa, die Regelung des § 255 Abs. 1 Satz 2 InsO über einen erheblichen Rückstand zu konkretisieren. ee) Sonstige Regelungen 532 Werden im Insolvenzplan zusätzlich andere Regelungen getroffen, ist eine Zustimmung der Gläubiger vorzusehen. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfällt die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für Anfechtungsklagen. Deswegen ist zu regeln, ob bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens anhängig gemachte Anfechtungsklagen fortgeführt werden sollen.863) ff) Wirksamwerden des Plans und Planüberwachung 533 Wie § 254 Abs. 1 InsO ausdrücklich bestimmt, wird der Insolvenzplan mit der rechtskräftigen Bestätigung wirksam. Zum besseren Verständnis für alle Beteiligten sollte diese Konsequenz im Insolvenzplan explizit ausgesprochen werden. 534 Ob eine nach § 269 Satz 1 InsO prinzipiell für den Schuldner kostenpflichtige Planüberwachung vorzusehen ist, muss einzelfallabhängig beantwortet werden. Bei einem einfachen Sachverhalt und etwa einer Einmalzahlung wird eine Überwachung zumeist unnötig sein. Hat der Schuldner dagegen über einen längeren Zeitraum Zahlungen an viele Gläubiger vorzunehmen, liegt eine Planüberwachung näher. Entbehrlich kann sie dann sein, wenn der Schuldner durch eine Beratungsstelle oder anwaltlich unterstützt wird. Sie kann aber auch in diesem Fall entbehrlich sein, wenn für alle Beteiligten einfach zu bestimmende fixe Zahlungsbeträge vorgesehen sind und die Planerfüllung durch zusätzliche Instrumente gesichert ist. d) Anlagen 535 Als erforderliche Anlage ist dem Plan nach § 229 Satz 1 InsO eine Vermögensübersicht beizufügen. Diese Vermögensübersicht muss die pfändbaren Vermögenswerte und die Verbindlichkeiten des Schuldners umfassen.864) Bei ___________ 863) BGH, NZI 2010, 734 Rn. 56. 864) Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger, § 229 Rn. 3.

182

X. Insolvenzplan

einfachen, unveränderten Vermögensverhältnissen kann auf das nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorgelegte Verzeichnis und den Bericht des Insolvenzverwalters abgestellt werden. Außerdem sind ein Gläubigerverzeichnis und eine Liste der angemeldeten 536 Tabellenforderungen beizufügen. Eine Erklärung des Schuldners nach § 230 InsO ist nur erforderlich, wenn dieser ein Unternehmen fortführen soll. Zweckmäßigerweise werden auch vorliegende Stellungnahmen der Gläubiger zu dem Plan mit eingereicht. Sollen Planleistungen durch einen Drittmittelgeber erbracht werden, ist eine den Drittmittelgeber bindende Verpflichtungserklärung beizufügen, § 230 Abs. 3 InsO. Dabei ist auf einen vollstreckungsfähigen Inhalt der Verpflichtungserklärung zu achten. Eine Zusammenfassung des wesentlichen Planinhalts hat der Vorlegende 537 nach § 235 Abs. 3 Satz 2 InsO erst nach Aufforderung des Insolvenzgerichts einzureichen. Bei den einfachen Plangegenständen in der Verbraucherinsolvenz wird davon regelmäßig abgesehen werden können. Vorsorglich kann dem Plan eine Zusammenfassung beigefügt werden, in der vor allem die Quotenhöhe für die betroffenen Gläubiger und der Forderungsverzicht nach Bestätigung des Plans und damit die schuldbefreiende Wirkung aufzuführen sind.

183

E. Restschuldbefreiung I. Konzeption des Verfahrens 1. Bisherige Ordnung a) Verfahrensgliederung Zu den Kraftzentren des Privatinsolvenzrechts gehört die Restschuldbefrei- 538 ung. Erst dieses Instrument hat das Insolvenzrecht natürlicher Personen mit seinen wesentlichen Leistungen, einerseits einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung und andererseits einer Perspektive auf einen wirtschaftlichen Neubeginn für den Schuldner, aus der früheren Bedeutungslosigkeit erweckt. Sein Charakter als insolvenzrechtliches Massenverfahren mit standardisierter Verfahrensdauer verlangt gleichermaßen eine hohe Ordnungskraft wie eine verlässliche Rechtssicherheit. Mit großer systematischer Klarheit und Stringenz sind bislang die Orientie- 539 rungsmuster des Verfahrens ausgebildet. Die Statik des Restschuldbefreiungsverfahrens beruht im bisherigen Modell auf einem überzeugend geordneten zweistufigen Verfahren.865) In der ersten Etappe bleibt das Restschuldbefreiungsverfahren weithin vom Verfahrensgerüst und von den Leistungen des parallel dazu verlaufenden Insolvenzverfahrens abhängig. Wegen seiner zurückgenommenen Bedeutung kann dieses Zulassungsverfahren zur Restschuldbefreiung einschließlich der Versagung auf den Schlusstermin bzw. die Schlussanhörung konzentriert werden. Rückblickend kann dort für das bisherige Verfahren geprüft werden, ob der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Pflichten erfüllt hat.866) Mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung verändert sich dieses Verfah- 540 rensbild. Für diese Etappe wird in den §§ 292, 294 – 296, 299 – 301 InsO ein eigenständiges reduziertes Verfahren für die Treuhandperiode geformt. Insolvenzrechtlich gestaltete Bindungen bestehen nur noch, soweit sie für den begrenzten Aufgabenumfang im Rahmen der Gläubigerbefriedigung, § 294 InsO, oder der Versagungsverfahren, § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO, erforderlich sind. Geschützt und gesichert wird die Verfahrensautonomie der Treuhandperiode durch die prinzipiell beendeten Bindungen des Insolvenzverfahrens sowie durch die Präklusion der Versagungsgründe nach dem Ende des Schlusstermins bzw. der Schlussanhörung. b) Unterschiedliche Versagungsverfahren Die spezifische Konzeption dieser zwei Verfahrensabschnitte spiegelt sich 541 auch in den beiden Versagungsverfahren wider. Bislang werden die Verfahren ___________ 865) FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 32 ff. 866) FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 85; Hergenröder, KTS 2013, 385, 415.

185

E. Restschuldbefreiung

zur Versagung der Restschuldbefreiung durch zwei zentrale Muster geprägt. Es existieren der Versagungsweg über § 290 InsO sowie alternativ die auf dem Verfahrensplan des § 296 InsO beruhenden Versagungen in den Fällen des § 295 InsO.867) Damit wird ein abgestuftes System der Versagungsgründe geregelt.868) Wie die Materialien ausdrücklich bestätigen, sollen mit jedem Verfahrensschritt, wie einem erfolgreich absolvierten Insolvenzverfahren, die Anforderungen an eine Versagung oder einen Widerruf der Restschuldbefreiung steigen.869) 542 In der frühen Phase des Zulassungsverfahrens bestehen die relativ niedrigsten Hürden gegenüber einer Versagung der Restschuldbefreiung. Mit dem Bezug auf die Pflichtverletzungen des § 290 Abs. 1 InsO und vor allem die vollständig durch § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO in Bezug genommenen insolvenzrechtlichen Pflichten wird ein breites Feld an Versagungsmöglichkeiten eröffnet. Typischerweise, ausgenommen § 290 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 7 InsO, wird keine beeinträchtigte Gläubigerbefriedigung verlangt, die eine erhebliche Schwelle für erfolgreiche Versagungsverfahren bildet. Wegen des parallel zum ergebnisbezogenen Insolvenzverfahren verlaufenden ersten Verfahrensabschnitts wird die Versagung auf einen Zeitpunkt fixiert, von dem aus das Verhalten des Schuldners im Insolvenzverfahren retrospektiv zu beurteilen ist. Zugleich wird mit dem auf den Schlusstermin bzw. die Schlussanhörung fixierten Antragszeitpunkt eine Antragskonzentration erreicht.870) Den Übergangspunkt zum zweiten Verfahrensabschnitt bildet die Ankündigung der Restschuldbefreiung. 543 Während der zweiten Etappe der Treuhandperiode gilt nach § 296 InsO ein eigenständiges Versagungsverfahren mit erhöhten originären Anforderungen.871) Wegen des zeitbezogenen Dauercharakters dieses Verfahrensabschnitts ist jetzt die Antragstellung jederzeit möglich. Angeknüpft wird aber nur noch an schuldhafte Obliegenheitsverletzungen, die zu einer beeinträchtigten Gläubigerbefriedigung geführt haben müssen. Da in der Treuhandperiode keine originären insolvenzrechtlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten existieren und deswegen in den Versagungsverfahren Erkenntnisschwierigkeiten bestehen können, konstituiert § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO eigens verfahrensbezogene Informations- und Mitwirkungsobliegenheiten. 544 Beide verfahrensrechtlichen Stämme zur Versagung der Restschuldbefreiung werden durch einige Seitentriebe modifiziert.872) Die praktisch nahezu bedeutungslose Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung nach ___________ 867) 868) 869) 870) 871) 872)

186

Ahrens, ZVI 2014, 227, 228. FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 37. BT-Drucks. 17/11268, S. 26. AGR/Fischer, § 290 Rn. 7. FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 37. Ahrens, ZVI 2014, 227, 228.

I. Konzeption des Verfahrens

§ 314 Abs. 3 Satz 2 InsO wird als Sonderfall des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verstanden,873) weswegen dafür die Verfahrensregeln aus § 290 InsO gelten. Auch die Verweisung in § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf § 295 Abs. 2 InsO mündet in das Verfahren nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ein.874) Im Regelungskern am Leitbild des § 296 InsO orientiert sind die Verfahren nach den §§ 297, 298 InsO. § 297 Abs. 2 InsO verweist allerdings nicht auf § 296 Abs. 2 InsO und die dort geregelten Verfahrensobliegenheiten, was durch die einfache tatsächliche und rechtliche Lage bei diesem Versagungsgrund zu rechtfertigen ist.875) Trotz einiger eigenständiger Gestaltungen, auch bei § 298 InsO, werden in diesen Variationen die beiden Grundformen der §§ 290, 296 Abs. 1 InsO weder aufgelöst noch abgelöst. 2. Orientierungsverlust a) Beeinträchtigte Grundordnung Von diesem in sich ruhenden, gefestigten Modell löst sich der Gesetzgeber 545 mit dem neuen Recht, ohne dafür überzeugende oder auch nur nachvollziehbare Gründe aufzeigen zu können.876) Überhaupt herrscht in den Materialien trotz substanzieller gesetzgeberischer Interventionen in überzeugende Strukturbildungen eine merkliche Abstinenz gegenüber konzeptionellen Deutungen. Gravierende Eingriffe in das bestehende Verfahrenskonzept werden etwa mit dem diffusen Argument gerechtfertigt, die bisherige Rechtslage sei von den Gläubigern „teilweise als beschwerlich angesehen“ worden.877) Es fehlt daher an hermeneutischen Deutungsmustern und funktionalen Ansätzen, die ein Verständnis der neuen Ansätze erleichtern könnten. Von einer wertungssicheren Flankierung kann jedenfalls nicht gesprochen werden. Vielleicht auch wegen der fehlenden Konzeptionalisierung der Gesetzesände- 546 rungen verschwimmt die präzise Linienführung des bisherigen Systems künftig in einem ungeordneten Angebot neuer Verfahrenselemente. Als Webfehler des neuen Rechtsstoffs werden wesentliche Ordnungsformen nachhaltig beschädigt und müssen Funktionseinbußen für eine rechtssichere Verfahrensgestaltung hinnehmen. In erheblichem Maß unabgestimmt wirkt das Zusammenspiel der neuen Ordnungsbestandteile untereinander, vor allem aber mit den bestehenden Instrumenten. Um nur einige Beispiele zu nennen: Wie sich die Eingangsentscheidung aus § 287a InsO zum Eröffnungsbeschluss nach § 27 InsO verhält, bleibt unklar. Obwohl weiterhin der Übergang aus dem Vorverfahren der Restschuldbefreiung in die Treuhandperiode auszu___________ 873) FK-InsO/Busch, § 314 Rn. 38; AGR/Henning, § 314 Rn. 5; Uhlenbruck/Vallender, § 314 Rn. 34. 874) BGH, NZI 2013, 797 Rn. 20, mit Anm. Ahrens. 875) FK-InsO/Ahrens, § 297 Rn. 11. 876) Pape, ZVI 2014, 234, 235. 877) BT-Drucks. 17/11268, S. 15; kritisch Ahrens, ZVI 2014, 227, 228; Pape, ZVI 2014, 234, 235.

187

E. Restschuldbefreiung

gestalten ist, werden die zentralen Koordinationsregeln aus den §§ 289, 291 InsO abgeschafft. In das Versagungsverfahren bei einer verletzten Erwerbsobliegenheit werden mit der Verweisung in § 297 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO auf § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO Verfahrenselemente implementiert, die ihren Sinngehalt einzig aus der Gestaltung der Treuhandperiode erlangen. Es wirkt so, als ob die unterschiedlichen Reagenzien zusammengemischt sind, ohne Sicherheit über ihre Reaktionen zu besitzen. 547 Während manche unnötigen oder verfehlten Änderungen vorgesehen werden, sind umgekehrt zentrale Probleme ungelöst geblieben. Dies gilt zunächst für den Gesamtkomplex einer selbständigen Tätigkeit in der Insolvenz. So wirft der rudimentäre Regelungsansatz von § 35 Abs. 2 InsO zahlreiche Fragen auf. Vor allem ist die eklatante und oft bemängelte materiellund verfahrensrechtliche Schwäche von § 295 Abs. 2 InsO878) trotz eines erheblichen Reformbedarfs nicht beseitigt worden. Weitere Aspekte sind die Konkordanz der Versagungsgründe, das Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz oder, aus generellerer Perspektive, die Abstimmung zwischen dem Insolvenzverfahren natürlicher Personen und dem Unternehmensinsolvenzrecht. b) Verfahrensrechtliches Gewicht der Eingangsentscheidung 548 Mit mehreren, teils massiven Einschnitten wird die bislang geltende klare zweigliedrige Struktur des Restschuldbefreiungsverfahrens umgestaltet. Dadurch werden die beiden großen bisherigen Verfahrensblöcke des Vorverfahrens und der Treuhandperiode in einige teils kleinteilige Abschnitte zerschlagen. Eine erste Etappe verläuft vom Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung bis zur Eingangsentscheidung. Obwohl die Eingangsentscheidung allein eine negative Funktion besitzt, um die Sperrfristfälle und einige andere Konstellationen fehlender Sachentscheidungen auszusondern, muss sie in allen Verfahren erfolgen und wirkt mit diesem positiven Gegenstand deutlich überbetont. An die Zulässigkeitsentscheidung kann sich eine fakultative Zwischenstation anschließen, wenn sie vor dem Eröffnungsbeschluss ergeht. In dieser intertemporalen Phase ist die Restschuldbefreiung zulässig, doch besteht noch nicht die Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO. 549 Ein sachlicher Konnex zwischen der Ankündigung der Restschuldbefreiung einerseits und der Eingangsentscheidung andererseits und damit eine inhaltlich determinierte Erklärung für eine Substitution der Ankündigung durch die Eingangsentscheidung ist freilich nur entfernt erkennbar. Bislang musste zwar bei Ankündigung der Restschuldbefreiung auch über die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags entschieden werden. Diese Zulässigkeitsfragen kamen aber nur in wenigen Verfahren zum Tragen. Demgegenüber er___________ 878) Leibner, ZInsO 2002, 61; Grote, ZInsO 2004, 1105; Schmerbach, NZI 2009, 469; Harder, NZI 2013, 521; Ahrens, ZVI 2014, 227, 228.

188

I. Konzeption des Verfahrens

füllt die neue Zulassungsentscheidung einen umfassenderen Zweck, weil sie insbesondere die Sperrfristrechtsprechung des BGH kodifizieren soll. So ist denn eher eine gesetzliche Aufgabenveränderung, als eine Funktionsverlagerung für die veränderte Gestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens entscheidend.879) Gerade die prinzipiell überzeugend als Sachentscheidungsvoraussetzungen 550 zu prüfenden fehlenden Sperrfristgründe führen durch die aufgeblähte Eingangsentscheidung zu einer verfahrensrechtlichen Schieflage. Jedenfalls ist nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO künftig in jedem Restschuldbefreiungsverfahren eine Eingangsentscheidung zu treffen. Die positive Zulässigkeitsentscheidung erlangt dadurch ein formelles Gewicht, das ihr verfahrensbezogen nicht zukommt. In den Sog dieser übertriebenen Struktur ist die aus § 291 Abs. 1 InsO herausgelöste Hinweispflicht auf die an den Schuldner gerichteten Anforderungen geraten, die in § 287a Abs. 1 Satz1 InsO in neuer unübersichtlicher Gestalt geregelt ist. Obwohl die Eingangsentscheidung eine eingehendere Auseinandersetzung 551 mit den Sachentscheidungsvoraussetzungen einfordert, haben die daraus resultierenden Konsequenzen das Gesetzgebungsverfahren nicht erreicht. Infolgedessen treten die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsverfahrens in überraschend ungeordneter Gestalt auf. Zutreffend werden in § 287 Abs. 1, 2 InsO manche Erfordernisse, wie ein Eigenantrag, die Erklärung und Versicherung zu den Sperrfristgründen und die Abtretungserklärung normiert. Obwohl die Sperrfristen ebenfalls eine Sachentscheidungsvoraussetzung bilden, werden sie nicht in § 287 InsO, sondern bei den Verfahrensregeln des § 287a InsO normiert. Auch die auf eine Sachentscheidungsvoraussetzung reduzierte Vorschrift des § 289 InsO wird nicht zum Regelungskomplex des § 287 InsO geholt. So bleibt die Legalordnung zufällig, missverständlich und lässt kein durchgehendes Verständnis erkennen. c) Abgeschwächte Verfahrensgliederung Im Anschluss an die Eingangsentscheidung und den Eröffnungsbeschluss 552 folgt die durch einen partiellen Autonomieverlust gekennzeichnete zweite Etappe des Vorverfahrens bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens und die anschließende Treuhand- oder Wohlverhaltensperiode. Beide Abschnitte füllen zusammen in den regelmäßigen Verfahren die Abtretungsfrist aus. Daneben eignet sich die Abtretungsfrist von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis sechs Jahre danach, § 287 Abs. 2 InsO, kaum zu einer eigenständigen Kennzeichnung der Verfahrensstationen, weil sich die rechtlichen ___________ 879) Ahrens, Geplante Gesetzesänderungen im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsrecht, in: Berger/Bähr/Melchior/Sturm/Winderlich, 14. Leipziger Insolvenzrechtstag, S. 109, 117.

189

E. Restschuldbefreiung

Bindungen bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens und danach deutlich unterscheiden.880) 553 Während die Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch die Zulässigkeitsentscheidung nach § 287a InsO schärfer konturiert werden soll, ist die bislang geltende klare Zweiteilung in Vor- bzw. Zulassungsverfahren und Treuhandperiode künftig nicht mehr in der bisherigen Klarheit zu konstatieren, weil die §§ 289, 291 InsO a. F. weitgehend aufgehoben sind und eine nachträgliche Geltendmachung der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO durch § 297a InsO ermöglicht wird. Allenfalls partiell ist die Streichung von den §§ 289 Abs. 1, 2, 291 InsO a. F. mit einer Funktionsübertragung auf die Eingangsentscheidung und die aufgehobene Präklusionswirkung des Schlusstermins für Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 InsO zu erklären. Zudem erscheint es verkürzt, allein auf die Versagung bzw. Ankündigung der Restschuldbefreiung zu blicken. 554 Ungeachtet des entfallenen § 291 InsO a. F. bleibt das Sachproblem zu lösen, wann die Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens beginnt. Die aufgehobene Ankündigung stellt lediglich ein äußeres Signal dar, denn sie lässt das Koordinationserfordernis zwischen dem Vorverfahren und der Treuhandperiode nicht entfallen. Diese Leistung kann von der Eingangsentscheidung nicht übernommen werden. Zu bestimmen ist deswegen, wo die Grenze zwischen dem ersten und dem zweiten Abschnitt des Restschuldbefreiungsverfahrens verläuft und wie der Grenzübertritt erfolgt. Bedeutsam ist dies insbesondere wegen der zeitlichen Abgrenzungen und inhaltlichen Unterschiede zwischen den insolvenzrechtlichen Bindungen und den Rechtsbeschränkungen im Restschuldbefreiungsverfahren. Ein Teil der Antwort ergab sich bislang aus § 289 Abs. 2 Satz 2 InsO, einer Vorschrift, die ebenfalls gestrichen worden ist. Nachdem die klaren Ordnungspunkte aufgegeben worden sind, ist jetzt die Antwort aus dem verbleibenden Normenbestand und den sachlichen Anforderungen zu entwickeln. Einfacher geworden ist dies nicht. 555 Dementsprechend erscheint eine verständnisleitende Zweiteilung weiterhin möglich und sinnvoll. Wenn sie auch weniger deutlich im äußeren Verfahrensbau zu erkennen ist, bleibt sie doch deutlich den Verfahrensregeln unterlegt. Im ersten Abschnitt bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens gelten unmittelbar die insolvenzrechtlichen Vorschriften und insbesondere Pflichten sowie Rechtsbeschränkungen. Im zweiten Abschnitt nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens gelten nur die kraft spezieller Anordnung, insbesondere durch die §§ 294 – 296 InsO, formulierten Beschränkungen bzw. Anforderungen. Diese unterschiedliche Rechtsstellung bilden die beiden Verfahrensabschnitte des Vorverfahrens und der Treuhandperiode ab. Die Zäsur

___________ 880) Anders wohl Homann, DGVZ 2014, 137, 139.

190

I. Konzeption des Verfahrens

zwischen beiden Verfahrensabschnitten ist daher nicht faktisch,881) sondern allein äußerlich aufgegeben. Ob künftig noch von einer Ankündigung der Restschuldbefreiung gesprochen 556 werden kann,882) erscheint zumindest fraglich und ist letztlich zu verneinen,883) weil die äußeren Merkmale der bisherigen Ankündigung entfallen und die Wirkungen nur noch indirekt zu bestimmen sind.884) Zugleich verliert der Schuldner die bisherige Rechtssicherheit, die Restschuldbefreiung erreichen zu können (Rn. 558). Außerdem entfällt der bislang in § 291 Abs. 2 InsO fixierte gesetzliche Bezugspunkt für die Bestellung des Treuhänders. Ganz ohne Gliederung geht es dennoch nicht. d) Veränderung und Vermischung der Versagungsverfahren Am stärksten werden die bisherigen Strukturen in den Verfahren zur Versa- 557 gung der Restschuldbefreiung aufgebrochen. In den Verfahren nach § 290 InsO entfällt die Konzentrationswirkung des Schlusstermins, weil Versagungsanträge jederzeit nach der Forderungsanmeldung gestellt werden können, § 290 Abs. 1 Einleitung, Abs. 2 Satz 1 InsO. Dadurch wird den Gläubigern ein fortwährendes Ergänzungs- und Korrekturrecht eröffnet, welches Gerichte, Verwalter und Schuldner erheblich belastet.885) Wegen der weithin geltenden schriftlichen Verfahrensführung ist eine vorverlagerte Antragsmöglichkeit unnötig, weil die Gläubiger dort von den Mühen eines persönlichen Erscheinens im Schlusstermin entbunden sind,886) worauf bereits frühzeitig hingewiesen wurde.887) Die bislang zwischen den beiden Verfahrensabschnitten gerade durch die 558 Präklusionswirkung des Schlusstermins geschaffene Zäsur888) wird zumindest perforiert und in wichtigen Elementen, wenn auch nicht vollständig, aufgegeben. Die Gläubiger erhalten mit § 297a InsO das Recht, die nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 InsO in der Treuhandperiode geltend zu machen. Äußerlich dokumentieren dies die gestrichenen Regelungen über die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 289 InsO und die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO. So irritierend das klingt, stellen doch die Materialien den Verlust an Rechtssicherheit für den Schuldner als gesetzliches Ziel heraus. Durch die von der Novelle ___________ 881) 882) 883) 884)

885) 886) 887) 888)

Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1441. So aber Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 787, 819. Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 27 f. Ahrens, Geplante Gesetzesänderungen im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsrecht, in: Berger/Bähr/Melchior/Sturm/Winderlich, 14. Leipziger Insolvenzrechtstag, S. 109, 116 f. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 19; Pape, ZVI 2014, 234, 235. Ahrens, NJW-Spezial, 2013, 341; Pape, ZVI 2014, 234, 235. Ahrens, NZI 2011, 425, 431. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 85.

191

E. Restschuldbefreiung

ermöglichte nachträgliche Geltendmachung der Versagungsgründe verliert, so die Materialien, die Ankündigung ihre bisherige Funktion, dem Schuldner die Sicherheit zu geben, nunmehr die Erlangung der Restschuldbefreiung weitgehend selbst in der Hand zu haben.889) Der bislang bestehende Vertrauensschutz des Schuldners soll entfallen.890) 559 Die bisherige Regelung schuf nicht nur für die ganz überwiegende Zahl von Schuldnern Rechtssicherheit, die ihren insolvenzrechtlichen Pflichten nachkamen, sondern trug zu einer effektiven Verfahrensgestaltung bei, weil sie die Konzentration auf das Verfahren unterstützte. Durch die neue Regelung werden gerade nachlässige Gläubiger prämiiert. Systematisch geht zudem die klare Trennung zwischen den beiden Abschnitten des Restschuldbefreiungsverfahrens partiell verloren. Die bisherige Unterscheidung zwischen den im Zulassungsverfahren maßgebenden Pflichten und den Obliegenheiten in der Treuhandperiode verschwimmt. 560 Schließlich wird die klare Zuordnung der Versagungsverfahren zu den beiden Verfahrensabschnitten aufgegeben. In § 290 InsO wird mit § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO das besondere Versagungsverfahren bei verletzten Verfahrensobliegenheiten aus § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO implantiert, ohne dies in den Materialien zu erklären.891) Aufgabe des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO ist, das Informationsdefizit in der Treuhandperiode zu beseitigen, das während des parallel zum Insolvenzverfahren verlaufenden Zulassungsverfahrens aufgrund der §§ 97, 98 InsO gerade nicht besteht. So kollidiert § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO mit § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.892) Umgekehrt werden die Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 InsO in die Treuhandperiode implantiert, ohne klar zu bezeichnen, welches Verfahrensmodell gilt. Wird also etwa über die Bezugnahme auf § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO nur der Versagungsgrund, wofür der Wortlaut spricht, oder zusätzlich das Verfahrensmodell in § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO aufgegriffen?893) 561 Abgesehen von diesen eher äußerlichen Komponenten sind die Binnenstrukturen wenig überzeugend geraten. Wie sich die gerichtlichen Prüfungen im Rahmen der Eingangsentscheidung zur Kostenstundung verhalten, wird nicht aufgezeigt. Durch die prinzipiell begrüßenswerte Regelung des § 287b InsO ist die Erwerbsobliegenheit des Schuldners inzwischen vierfach894) in den §§ 4c Nr. 4, 287b, 295 Abs. 1 Nr. 1, 295 Abs. 2 InsO normiert, wodurch manche Fragen aufgeworfen werden.

___________ 889) 890) 891) 892) 893) 894)

192

BT-Drucks. 17/11268, S. 17. BT-Drucks. 17/11268, S. 28. BT-Drucks. 17/11268, S. 27, 17/13535, S. 28. Ahrens, ZVI 2014, 227, 232. Ahrens, ZVI 2014, 227, 233. Hergenröder, KTS 2013, 385, 416, spricht von drei verschiedenen Vorschriften.

II. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung

II. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung 1. Erklärung und Versicherung zu den Sperrfristgründen, § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO a) Erklärungs- und Versicherungslast Einige primär technisch-organisatorische Veränderungen erfolgen beim An- 562 trag auf Erteilung der Restschuldbefreiung und der Abtretungserklärung, also im Bereich des § 287 InsO. Zur Unterstützung bei der neuen Eingangsentscheidung im Restschuldbefreiungsverfahren werden in § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO zwei neue Lasten konstituiert. Hierbei handelt es sich um verfahrensrechtliche Lasten, die dem Schuldner im eigenen Interesse auferlegt sind, und nicht um Pflichten. Dies folgt insbesondere aus dem besonderen Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO, denn als insolvenzrechtliche Pflichten wären die Erklärung und Versicherung nach § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO bereits vom Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst. Um die Zulassungsentscheidung aus § 287a InsO zu befestigen und die Ent- 563 scheidungsgrundlagen für das Insolvenzgericht zu verbessern, wird dem Schuldner eine zusätzliche Erklärungslast auferlegt.895) Er muss seinem Restschuldbefreiungsantrag eine Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO beifügen, ob ein Fall des § 287a Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 InsO vorliegt. Außerdem muss er im Rahmen der Versicherungslast aus § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung versichern. Mit seinem Antrag auf Restschuldbefreiung muss jeder Schuldner896) im 564 Hinblick auf § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO erklären, ob ihm in den letzten zehn Jahren vor dem aktuellen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder ob ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag gemäß § 297 InsO versagt worden ist. Außerdem muss er nach Maßgabe von § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO ausführen, ob ihm in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 InsO, nach § 296 InsO oder gemäß § 297a InsO aus den Gründen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 InsO versagt wurde. Obwohl diese Regelung für den Rechtsanwender klar und einfach ausgestal- 565 tet zu sein scheint, wird sie sich doch in verschiedener Hinsicht als fehleranfällig erweisen. Manche Fehlerursachen entstammen dabei dem Verantwortungsbereich des Insolvenzgerichts und können dem Schuldner nicht vorgeworfen werden. Die in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO aufgezählten Sperrfristgründe müssen der Versagungsentscheidung zu entnehmen sein. Nicht selten werden Versagungen auf mehrere Gründe gestützt. Bleibt offen, ob der Be___________ 895) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 (neu) Rn. 8; Henning, ZVI 2014, 7, 10. 896) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287 Rn. 9.

193

E. Restschuldbefreiung

schluss etwa auf § 290 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 InsO beruht, kann dem Schuldner eine unzutreffende Erklärung nicht angelastet werden. Den Schuldner trifft dazu keine Nachforschungslast. Die in der Praxis viel häufigere Unbestimmtheit, insbesondere zwischen § 290 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 InsO, ist dagegen unerheblich, weil beide Versagungsgründe zu einer Sperrfrist führen. Abzustellen ist darauf, ob die fehlende Abgrenzung zwischen einem Versagungsgrund mit Sperrwirkung und einem ohne Sperrwirkung erfolgt, was dem Schuldner nicht anzulasten ist, oder ob die alternativ angeführten Versagungsgründe stets eine Sperre begründen und deswegen genannt werden müssen. 566 Führt der Schuldner einen von § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfassten Versagungsgrund an, resultieren für ihn daraus keine nachteiligen Konsequenzen. Zieht der Schuldner dagegen aus einem präzisen Versagungsbeschluss über die einschlägigen Versagungsgründe unzutreffende Schlüsse, ist ihm dies vorzuwerfen. Falls er unsicher ist, sollte er vorsorglich jede Versagung nennen, denn aus einer zu umfangreichen Erklärung resultieren für ihn keine nachteiligen Konsequenzen. Hat der Schuldner, wie regelmäßig, Kostenstundung beantragt, muss er zudem die Angaben im Stundungsverfahren machen. 567 Sind die Sperrfristen abgelaufen, kann der Schuldner das Vorliegen eines Sperrgrunds verneinen. Dazu muss er allerdings die Fristen richtig berechnen. Wie bislang schon,897) ist dafür auf die rechtskräftige Entscheidung über die Erteilung bzw. Versagung der Restschuldbefreiung abzustellen (Rn. 654). Wegen der nicht einfachen Datierung der formellen Rechtskraft bestehen für den Schuldner erhebliche Schwierigkeiten. Diese werden nur teilweise durch die Möglichkeit eines Rechtskraftzeugnisses nach den §§ 4 InsO i. V. m. § 706 Abs. 1 Satz 1 ZPO gemildert, denn der Schuldner wird dieses Instrument regelmäßig nicht kennen. Um einen rechtsunkundigen Schuldner nicht die Möglichkeiten einer Rechtsverwirklichung zu nehmen, ist er auf den vom Eintritt der Rechtskraft abhängigen Fristbeginn und die Möglichkeit eines Rechtskraftzeugnisses hinzuweisen. Dennoch bleibt die Berechnung durchaus fehleranfällig. In Zweifelsfällen sollte der Schuldner auch letztlich unerhebliche Sperrfristgründe nennen, da ihm dies nicht nachteilig entgegengehalten werden kann. 568 Insgesamt ist die Erklärung des Schuldners zu den Versagungsgründen skeptisch zu bewerten. Der Schuldner wird oft nicht wissen, welche Angaben er machen muss. Auch fehlen ihm möglicherweise die Informationsgrundlagen. Zudem wird er die unterschiedlichen Fristen nicht kennen und eventuell auch nicht berechnen können. Dies muss für den objektiven und subjektiven Maßstab eines Verstoßes gegen die Lasten im Rahmen von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu beachten sein. ___________ 897) BGH, NZI 2009, 691 Rn. 17; 2010, 263 Rn. 5; 2010, 407 Rn. 6; 2011, 544 Rn. 6; AGR/ Fischer, § 287 InsO Rn. 16.

194

II. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung

Die Erklärung ist nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO dem Antrag auf Erteilung 569 der Restschuldbefreiung beizufügen, regelmäßig also zusammen mit dem Restschuldbefreiungsantrag abzugeben. In der Verbraucherinsolvenz sieht das Antragsformular die entsprechende Erklärung vor. In den sonstigen Verfahren ist grundsätzlich eine zeitgleiche Abgabe von Antrag und Erklärung erforderlich. Zu den Folgen einer fehlenden Erklärung siehe Rn. 572 ff. In den sog. Regelinsolvenzverfahren ist keine bestimmte Formulierung vorgeschrieben,898) solange sie nur hinreichend eindeutig ist. Zusätzlich muss der Schuldner die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklä- 570 rungen versichern, § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO. Diese Versicherung ist in jedem Fall abzugeben, also unabhängig davon, ob der Schuldner einen Sperrfristgrund angibt oder nicht. Eine eidesstattliche Versicherung ist nach dieser Regelung nicht vorgesehen.899) Ob sie nach den §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 97, 98 Abs. 1 Satz 1 InsO verlangt werden darf, ist damit indessen nicht beantwortet. Gegen eine eidesstattliche Versicherung spräche es, wenn § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO eine abschließende Spezialvorschrift bildet. Eine Antwort darauf ist mit Blick auf die gerichtliche Prüfungsintensität zu geben. Soweit eine gerichtliche Amtsermittlungspflicht besteht, sind korrespondie- 571 rende Mitwirkungs- und Auskunftspflichten des Schuldners nicht allein sinnvoll, sondern sogar notwendig. Die Versicherungslast nach § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO ist aber in das Verfahrensmodell des § 287a Abs. 2 InsO eingepasst, dem eine Prüfung von Amts wegen mit den engeren gerichtlichen Handlungsmöglichkeiten zugrunde liegt. Dieser amtswegige Prüfungsrahmen würde indessen gesprengt, wenn daneben mit einer eidesstattlichen Versicherung bewehrte insolvenzrechtliche Pflichten des Schuldners bestünden. Folgerichtig ist eine eidesstattliche Versicherung ausgeschlossen. b) Folgen einer fehlenden oder unzutreffenden Erklärung und Versicherung Über die Rechtsfolgen einer fehlenden oder unzutreffenden Erklärung bzw. 572 Versicherung treffen § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO sowie die Materialien900) keine Aussage. Aus dem konzeptionellen Zusammenhang sind die Prüfungsanforderungen zu entwickeln. Bei den Konsequenzen der nicht hinreichend erfüllten Erklärungs- und Versicherungslast ist zwischen den Verfahrensarten zu unterscheiden. Der Regelungsgedanke aus § 287 Abs. 1 Satz 3 und 4 InsO ist im Ausgangs- 573 punkt an das Modell des § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO901) angelehnt. Erst der Rechtsausschuss hat auf Anregung des Bundesrats902) zusätzlich auch das Er___________ 898) 899) 900) 901) 902)

Vgl. MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 (neu) Rn. 16. MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 (neu) Rn. 18; AGR/Fischer, § 287 n. F. Rn. 1. BT-Drucks. 17/11268, S. 23. BT-Drucks. 17/11268, S. 23; Henning, ZVI 2014, 7, 10. BR-Drucks. 467/12 (B), S. 4.

195

E. Restschuldbefreiung

fordernis des Satzes 4 eingefügt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung zu versichern,903) und dadurch die Konzeption stärker an die der §§ 13 Abs. 1 Satz 7904), 305 Abs. 1 Nr. 3 letzter Halbs. InsO herangerückt. Aus dem Kostenstundungsrecht werden damit nicht die inhaltlichen Anforderungen übertragen, die gerade im Fall des § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO in eine wesentlich andere Richtung weisen, aber doch einige verfahrensbezogene Referenzpunkte. Bei der gerichtlichen Prüfungsintensität ist allerdings formal zwischen den jeweiligen Verfahren zu unterscheiden. Während im Kostenstundungsverfahren allein eine summarische Prüfung durchzuführen ist, erfolgt beim Restschuldbefreiungsantrag eine Zulässigkeitsprüfung. Bei einer Kostenstundung ist indessen keine Versicherung erforderlich. So entsprechen die Elemente und wohl auch die Anforderungen in manchen Punkten eher den Maßstäben der §§ 13 Abs. 1 Satz 7, 305 Abs. 1 Nr. 3 letzter Halbs. InsO. 574 Wie aus dem funktionalen Zusammenhang mit dem Restschuldbefreiungsantrag und dem Regelungszusammenhang in § 287 Abs. 1 InsO folgt, bilden die Erklärung und Versicherung nach § 287 Abs. 1, 3 und 4 InsO Sachentscheidungsvoraussetzungen905) des Restschuldbefreiungsverfahrens. Als besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen sind die Erklärung und Versicherung im Rahmen der Eingangsentscheidung zu prüfen. Es gelten daher die für Sachentscheidungsvoraussetzungen bestimmten Anforderungen und Rechtsfolgen. 575 Gibt der Schuldner die erforderliche Erklärung nicht bzw. nicht vollständig ab oder unterlässt er es, deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu versichern, muss ihn das Insolvenzgericht auf die bestehenden Lasten hinweisen und unter Fristsetzung zur Ergänzung auffordern. Entsprechend der Begründung für einen erforderlichen Eigenantrag wird in den sog. Regelinsolvenzverfahren diese richterliche Frist regelmäßig nicht mehr als vier Wochen betragen und kann ggf. gemäß den §§ 4 InsO, 224 Abs. 2 ZPO verlängert werden.906) Ergänzt der Schuldner seinen Restschuldbefreiungsantrag nicht, ist dieser in den Regelinsolvenzverfahren als unzulässig zu verwerfen.907) Soweit die Materialien auf § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO abstellen,908) verdrängt dieser Versagungsgrund nicht das Recht des Insolvenzgerichts, bei einer fehlenden Erklärung oder Versicherung den Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zu verwerfen. ___________ 903) 904) 905) 906) 907)

BT-Drucks. 17/1353, S. 7. Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 802. Vgl. HK-InsO/Waltenberger, § 287 n. F. Rn. 3. BGHZ 162, 181, 186; BGH, ZInsO 2008, 1138 Rn. 6. So auch MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 (neu) Rn. 17, ohne zwischen dem sogenannten Regel- und dem Verbraucherinsolvenzverfahren zu differenzieren. 908) BT-Drucks. 17/1353, S. 27.

196

II. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung

In den Verbraucherinsolvenzverfahren ist die Erklärung im Verbraucherin- 576 solvenzformular vorgesehen und muss nach den §§ 305 Abs. 1 Nr. 2, 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO abgegeben werden. Deswegen sind die speziellen Regelungen aus § 305 Abs. 3 Satz 1, 2 InsO zu beachten. Ist der Antrag nicht vollständig ausgefüllt worden, fordert das Insolvenzgericht den Schuldner auf, das Fehlende unverzüglich zu ergänzen, § 305 Abs. 5 Satz 1 InsO. Ergänzt der Schuldner seinen Insolvenzantrag nicht, gilt dieser nach Ablauf der Monatsfrist als zurückgenommen, § 305 Abs. 5 Satz 2 InsO. Dann entfällt die nach § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO für das Restschuldbefreiungsverfahren erforderliche Sachentscheidungsvoraussetzung eines selbst beantragten Insolvenzverfahrens.909) Deswegen ist der Restschuldbefreiungsantrag auch in der Verbraucherinsolvenz als unzulässig zu verwerfen. Infolgedessen ergeben sich bei einer fehlenden Erklärung oder Versicherung sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren die gleichen Konsequenzen. Bei der Versicherung nach § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO über die Sperrfristgründe 577 ist freilich eine besondere Konstellation zu beachten. Die Versicherung ist in jedem Fall abzugeben, also auch, wenn der Schuldner zuvor noch niemals eine Restschuldbefreiung beantragt hat. Der Formularsatz sieht in Nr. II. 2. eine entsprechende Erklärung vor, doch wird in Nr. V. keine Versicherung darüber verlangt.910) Infolgedessen kann die Versicherung nicht auf den Formularsatz gestützt und eine unterbliebene Versicherung nicht als ein unvollständig ausgefülltes Formular gewertet werden. Der Mangel des Formularsatzes berührt jedoch nicht die gesetzliche Verpflichtung, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung zu versichern. Fehlt die Versicherung, muss das Insolvenzgericht den Schuldner auffordern, die Versicherung nachzuholen. Erfolgt dies nicht, ist der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zu verwerfen. Nicht ganz einfach präsentiert sich die Situation bei unzutreffenden Äuße- 578 rungen des Schuldners. Hier wird der Schuldner auf die falsche Erklärung und eine Richtigstellung hinzuweisen sein. In den Verbraucherinsolvenzverfahren greift in diesen Fällen nicht die Rücknahmefiktion ein (Rn. 195 ff.). Dies belegt gerade die Formulierung in den Materialien, wonach ein Gleichlauf mit § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO erreicht werden soll,911) was nur dann erforderlich ist, wenn § 305 InsO nicht einschlägig ist. Diese Konsequenz ist unproblematisch, weil der Restschuldbefreiungsantrag bei einer falschen Erklärung oder Versicherung als unzulässig verworfen werden kann. Stellt sich, wie wohl zumeist, erst nachträglich eine falsche Erklärung heraus, 579 ist zu entscheiden, ob das Gericht durch einen neuen Beschluss den Restschuldbefreiungsantrag verwerfen kann oder ob es durch die Eingangsent___________ 909) BGH, NZI 2004, 511; AG Dresden, ZVI 2005, 50, 51; 2005, 384; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 Rn. 12 f. 910) Schöttler/Siebert, NZI 2014, 681, 682. 911) BT-Drucks. 17/13535, S. 27.

197

E. Restschuldbefreiung

scheidung daran gehindert ist. In diesen Konstellationen ist grundsätzlich ein Versagungsgrund nach der neuen Regelung des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO eröffnet. Es erscheint wenig überzeugend, wenn ein Geschehen sowohl einen Versagungs- als auch einen Verwerfungsgrund eröffnen soll. Zugleich wären dann die qualifizierten Verschuldensvoraussetzungen und die verfahrensund insbesondere beweisrechtlichen Anforderungen entbehrlich, an die das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Zulässigkeitsprüfung nicht gebunden ist. Folgerichtig ist bei einer sich nachträglich herausstellenden falschen Erklärung allein ein Versagungsverfahren zulässig. 2. Abtretungsfrist gemäß § 287 Abs. 2 InsO 580 Die bisher im Gesetz verwendete Terminologie der Laufzeit der Abtretungserklärung war ungenau, weil eine Erklärung keine Laufzeit hat. Diese Unschärfe bestand seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung,912) vgl. §§ 299, 300 InsO. Sie trat allerdings erst mit dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 in den Blickpunkt. Die Treuhandperiode und die Frist der Abtretung entsprachen sich seit dieser Novelle nicht mehr, weswegen zwischen der Dauer und den Wirkungen der Abtretung unterschieden werden musste.913) Seit Langem haben jedoch Wissenschaft und Praxis die Probleme mit der Formulierung überwunden.914) 581 In einem Akt gesetzlicher Textredaktion setzt die Novelle für den sechsjährigen Zeitraum, in dem der Schuldner seine pfändbaren Forderung auf Bezüge und die gleichgestellten Forderungen abtritt, die neue Legaldefinition der Abtretungsfrist ein. Dadurch ergeben sich Folgeänderungen bei den §§ 294, 295, 296, 297, 298, 299 und 300 InsO. Eine sachliche Modifikation ist damit nicht verbunden. Als Abtretungsfrist wird jetzt die gesamte Frist des § 287 Abs. 2 InsO bezeichnet. Der Zeitraum zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist kennzeichnet die für die Wirksamkeit der Abtretungsfrist maßgebende Zeitspanne.915) 582 Die Novelle führt letztlich zu einer Sekundärfolge. Obwohl der gesetzliche Regelungskern unberührt geblieben ist, wird die Fristigkeit der Anordnung stärker betont. Kann der Schuldner ausnahmsweise nachträglich einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag stellen, weil das Insolvenzverfahren auf einen Gläubigerantrag ohne den erforderlichen Hinweis auf die Antragsberechtigung für den Schuldner eröffnet wurde,916) ist bislang unklar, ob die Abtretungsfrist von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an oder ab dem ___________ 912) Ahrens, DZWIR 1999, 45 ff. 913) AGR/Fischer, § 287 n. F. Rn. 2; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 127. 914) BGHZ 186, 223 Rn. 4; BGH, NZI 2009, 191 Rn. 8; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 48, 119 ff.; Karsten Schmidt/Henning, § 287 Rn. 28; HK-InsO/Waltenberger, § 287 a. F. Rn. 32 ff. 915) BT-Drucks. 17/11268, S. 24; MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 (neu) Rn. 9, 20. 916) BGHZ 162, 181, 186; AGR/Fischer, § 287 Rn. 6.

198

II. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung

Restschuldbefreiungsantrag zu stellen ist. Für den ersten Termin spricht, dass der gerichtliche Fehler sich nicht zulasten des Schuldners auswirken darf. Der spätere Zeitpunkt könnte mit der Anforderung einer sechsjährigen Abtretungswirkung erklärt werden. Da die neue Regelung auf die Abtretungsfrist abstellt, wird die Zeitspanne stärker zu einer Rechengröße und damit von der Erklärung entkoppelt. Infolgedessen kann die Fristberechnung bereits vor der Abtretungswirkung beginnen. 3. Beeinträchtigende Vereinbarungen nach § 287 Abs. 3 InsO Da § 114 InsO aufgehoben ist, wird diese Änderung mit der Streichung von 583 § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO für das Restschuldbefreiungsverfahren nachvollzogen.917) Bislang musste der Schuldner nach § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO bei seiner Abtretungserklärung auf vorhergehende Abtretungen und Verpfändungen hinweisen, damit sich die Gläubiger auf die zu erwartenden Leistungen einstellen konnten. Ihr Absonderungsrecht können die Sicherungsnehmer nach den §§ 91, 287 Abs. 3 InsO während des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens nicht geltend machen, weswegen ein entsprechender Hinweis überflüssig ist. Als dingliches Sicherungsrecht bleibt die Lohnabtretung von der Aufhebung 584 des Abtretungsprivilegs aus § 114 InsO unberührt. Deswegen könnte sie, nachdem das Insolvenzverfahren und damit die Wirkung des § 91 InsO beendet ist, wieder durchgreifen. Auf diese Situation soll § 287 Abs. 3 InsO reagieren. Mit dieser Bestimmung wird die Regelung über vereinbarte Abtretungsverbote umformuliert und gestrafft. Nach der Begründung des Rechtsausschusses, auf den diese Regelung zu- 585 rückgeht, weist § 287 Abs. 3 InsO zur Klarstellung aus, dass vorinsolvenzlich erklärte Lohnabtretungen während der Restschuldbefreiungsphase insoweit unwirksam sind, als sie die Wirkungen der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO beeinträchtigen.918) Wenn jedoch § 287 Abs. 3 InsO lediglich eine klarstellende Funktion besitzt, dann muss bereits aufgrund anderer Rechtsgrundlagen der Erfolg der insolvenzrechtlichen Abtretung geschützt sein. Diesen Grund bildet naheliegend die Nichtigkeitsanordnung des § 294 Abs. 2 InsO (Rn. 315). Gegenüber der weitergehenden Konsequenz aus § 294 Abs. 2 InsO bleibt § 287 Abs. 3 InsO allerdings zurück, weil die Vorschrift im Einklang mit § 287 Abs. 3 InsO a. F. allein von einer relativen Unwirksamkeit919) ausgeht. Aufgrund der Ergänzungsfunktion von § 287 Abs. 3 InsO ist die abweichende Rechtsfolge jedoch unschädlich. Unwirksam sind etwa tarifvertragliche oder individualarbeitsvertragliche Abtretungsverbote.920) ___________ 917) 918) 919) 920)

BT-Drucks. 17/11268, S. 24; MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 (neu) Rn. 10. BT-Drucks. 17/13535, S. 27. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287 Rn. 32; Graf-Schlicker/Kexel, § 287 Rn. 33. HK-InsO/Waltenberger, § 287 n. F. Rn. 14.

199

E. Restschuldbefreiung

4. Anhörung gemäß § 287 Abs. 4 InsO 586 Schließlich sind nach § 287 Abs. 4 InsO die durch eine Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligten Insolvenzgläubiger zum Restschuldbefreiungsantrag zu hören. Damit soll die bisher in § 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F. vorgesehene Anhörung der Insolvenzgläubiger im Wesentlichen übernommen werden.921) Kleine Unterschiede existieren aber doch, wenn sich die Abweichungen auch weniger auf den Personenkreis und mehr auf die Durchführung der Anhörung beziehen. Anzuhören sind alle, aber auch nur die Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben.922) Insoweit besteht ein rein terminologischer Unterschied, denn auch nach der früheren Rechtslage aus § 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F. mussten allein die durch eine Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligten Insolvenzgläubiger angehört werden.923) 587 Unerheblich ist nach der gesetzlichen Formulierung, ob die Forderung bestritten ist. Meldet ein Insolvenzgläubiger seine Forderung nachträglich bis spätestens zum Schlusstermin an, muss er auch nachträglich gehört werden, falls die Anhörungsfrist bereits abgelaufen ist. Hat das Insolvenzgericht nachrangige Gläubiger nicht nach § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Forderungsanmeldung aufgefordert, sind diese nicht zu hören. Ebenso wenig sind Massegläubiger anzuhören. 588 Im Unterschied zur früheren Rechtslage nach § 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F. wird der Insolvenzverwalter nicht mehr angehört. In diesem Punkt weicht der personale Anwendungsbereich der Anhörungspflicht dann doch ab. Dies ist formal richtig, weil der Insolvenzverwalter durch den Restschuldbefreiungsantrag grundsätzlich nicht in seiner Amtsstellung berührt sein kann, denn seine Aufgaben beziehen sich auf das Insolvenz- und nicht das zu diesem Zeitpunkt noch nicht laufende Restschuldbefreiungsverfahren. Selbst eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO lässt das Insolvenzverfahren unberührt. Dennoch wird das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungen regelmäßig auch den Insolvenzverwalter zur Stellungnahme auffordern. 589 Die Anhörung ist allerdings nicht mehr zwingend auf den Schlusstermin bzw. die Schlussanhörung festgelegt, denn sie kann nunmehr bis zu diesem Termin erfolgen. Die Anhörung darf deswegen bereits vor dem Schlusstermin erfolgen. In der Praxis wird das Insolvenzgericht dennoch zumeist eine Schlussanhörung durchführen bzw. die Gläubiger im Schlusstermin hören, um Doppelbelastungen durch eine sonst ggf. erforderliche zweite Anhörung zu vermeiden. Der durch § 287 Abs. 4 InsO ermöglichte flexible Anhörungstermin passt deswegen kaum zu den verfahrensrechtlichen Gegebenheiten und wird keine Rolle spielen. ___________ 921) BT-Drucks. 17/11268, S. 24. 922) HK-InsO/Waltenberger, § 287 n. F. Rn. 15. 923) FK-InsO/Ahrens, § 289 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Stephan, § 289 Rn. 15.

200

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Sind die Insolvenzgläubiger ausnahmsweise zur Eingangsentscheidung ange- 590 hört worden, ist jedenfalls dann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs eine weitere Anhörung erforderlich, wenn sich im Insolvenzverfahren für die Erteilung bzw. eine Versagung der Restschuldbefreiung wesentliche Umstände ergeben haben. Ist eine vorgezogene Anhörung erfolgt und wird erst anschließend ein Versagungsantrag gestellt, müssen die Insolvenzgläubiger notwendig erneut gehört werden. Überhaupt kann erst am Ende des Insolvenzverfahrens sachgerecht beurteilt werden, ob der Schuldner die an ihn gerichteten Anforderungen erfüllt hat. III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO 1. Grundlagen a) Rechtssicherheit als primärer Normzweck Mit einem verfahrensrechtlichen Novum im Restschuldbefreiungsverfahren 591 wird in § 287a InsO eine allgemeine Zulässigkeitsentscheidung eingeführt. Als erstes Ziel der Eingangsentscheidung aus § 287a InsO nennen die Gesetzgebungsmaterialien, Rechtsklarheit herzustellen.924) Dieser Normzweck prägt nachhaltig das Verständnis der Regelung. Wie die weiteren Ausführungen dort sehr schnell erweisen, zielt die neue Eingangsentscheidung in erster Linie auf eine sachgerechte Ausformung der Sperrfristen für ein wiederholtes Restschuldbefreiungsverfahren. Die gesetzliche Regelung eröffnete bislang bei einem erneuten Restschuldbe- 592 freiungsverfahren lediglich den sachlich begrenzten Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO bei einer Restschuldbefreiung oder ihrer Versagung nach den §§ 296, 297 InsO in den letzten zehn Jahren. Um dieser antragsabhängigen Regelung und ihrer engen tatbestandlichen Fassung zu entgehen, gestaltete der BGH in seiner methodisch stark kritisierten Sperrfristrechtsprechung925) die Wiederholungssperre als Sachentscheidungsvoraussetzung aus.926) Durch die Novelle wird der bislang geltende Versagungsgrund des § 290 593 Abs. 1 Nr. 3 InsO in eine Zulässigkeitsvoraussetzung umgeformt.927) Nach der Entstehungsgeschichte ist der Regelungsgedanke nicht allein der Sperrfristrechtsprechung aus dem Versagungsrecht entlehnt. Obwohl damit das ___________ 924) BT-Drucks. 17/11268, S. 24; ebenso MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 1; HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 1. 925) AG Göttingen, NZI 2010, 447, 448; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 31b f.; Uhlenbruck/ Vallender, § 290 Rn. 66a; Karsten Schmidt/Henning, § 287 Rn. 21, § 290 Rn. 45; Gottwald/Ahrens, § 77 Rn. 30; Schmerbach, NZI 2009, 677, 678; Stephan, VIA 2009, 3, 4; Sternal, NZI 2010, 457, 462. 926) BGHZ 183, 13 Rn. 8, 11 ff.; AGR/Fischer, § 287 InsO Rn. 12 ff.; HambK/Streck, § 287 Rn. 6a f.; Hess, § 286 Rn. 105; Pape, in: FS Ganter, S. 315, 324 ff. 927) BT-Drucks. 17/11268, S. 24.

201

E. Restschuldbefreiung

Typenbild der Eingangsentscheidung in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO noch eine gewisse Nähe zu den Versagungsgründen aufweist, sind aber doch Gegenstand und Normstruktur deutlich davon zu unterscheiden. Bereits in der Sperrfristjudikatur ist die Konzeption eines Versagungsinstruments aufgegeben und eine Sachentscheidungsvoraussetzung geschaffen worden.928) Dieser verfahrensrechtliche Gehalt ist mit der ausdrücklichen Zulässigkeitsbestimmung des § 287a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 InsO übernommen worden. Schon deswegen ist eine Funktionsähnlichkeit mit einem amtswegigen Versagungstatbestand abzulehnen, was einer Verbreiterung auf andere Versagungsfälle entgegensteht (Rn. 670 ff.). 594 Durch diese prinzipiell sachgerechte Regelung wird eine positive Grundlage für eine Zulässigkeitsentscheidung in den Sperrfristfällen geschaffen. Einerseits orientiert sich der Gesetzgeber mit dem Verständnis der Sperrfrist als Sachentscheidungsvoraussetzung und damit bei der dogmatischen Konzeption der Wiederholungsschranken an der Judikatur gerade auch des BGH. Andererseits halten dagegen die Gesetzesfassung des § 287a Abs. 2 InsO und die Materialien929) bei den Konstellationen, die eine Sperrfrist begründen, einen deutlichen Abstand zur Sperrfristjudikatur. Es soll gerade nicht der immer weiter auf jede Form der verfahrensverzögernden Handlungen ausgedehnte Anwendungsbereich der Sperrfristjudikatur übernommen werden.930) Letztlich verhindert die Novelle eine Petrifizierung der Sperrfristrechtsprechung. 595 In mehrfacher Hinsicht weist diese gesetzliche Teleologie die Richtung. Allgemein spricht die Aufgabe, Rechtsklarheit zu sichern, für ein konkret am ausdrücklichen Regelungsbereich orientiertes und damit für ein enges Verständnis von § 287a InsO. Die Vorschrift soll nicht neue generelle und vielleicht sogar zusätzliche Zugangshürden zur Restschuldbefreiung errichten, sondern eine konkrete Sperre verlässlich ausgestalten und klar abgrenzen. Insofern stellt sie eine Ausnahmevorschrift dar, die in § 287a Abs. 2 InsO normiert, wann atypisch der Zugang zum Verfahren gesperrt ist. Die Bestimmung eröffnet dagegen gerade keine allgemeine Verfahrensschranke bei einem Fehlverhalten des Schuldners.931) 596 Mit der gesetzlichen Zielsetzung einer rechtsklaren und exakt abgegrenzten Verfahrenssperre für wiederholte Restschuldbefreiungsverfahren sind breit angelegte Extensionsversuche kaum zu vereinbaren. Dies gilt jedenfalls auf der abstrakten Ebene einer allgemeinen Funktionsbestimmung. Überhaupt kann der Regelungszweck der Vorschrift nicht darin gesehen werden, offensichtlich aussichtslose Insolvenzverfahren nicht mehr bis zum Schlusstermin führen zu müssen.932) Darauf gründenden Erweiterungsbestrebungen fehlt ___________ 928) 929) 930) 931) 932)

202

AGR/Fischer, § 287 InsO Rn. 12; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 31d. BT-Drucks. 17/11268, S. 24 f. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. Anders Henning, ZVI 2014, 7, 10.

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

damit die Grundlage. Jedenfalls der allgemeine Normgehalt spricht deswegen gegen eine aus § 287a InsO abzuleitende Berechtigung, die Verfahrenssperren auf andere Fallkonstellationen auszudehnen. Schließlich regelt § 287a InsO gerade die Entscheidung über Sachentscheidungsvoraussetzungen. Die eng geführte gesetzliche Teleologie lässt es kaum zu, die Prüfung auf andere Verfahrensschranken zu erweitern. Über diese primäre Aufgabe hinaus, die Sperrfristfälle als Sachentscheidungs- 597 voraussetzungen gesetzlich zu regeln, besitzt § 287a InsO einen deutlich überschießenden Gehalt. Neben den exakt bestimmten Sperrfristen ist die Eingangsentscheidung auch auf andere Zulässigkeitsfragen zu beziehen. Wie aus der Formulierung von § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO abzuleiten ist, muss das Gericht in allen Restschuldbefreiungsverfahren, unabhängig davon, ob das Verfahren unzulässig oder zulässig ist, eine Zulassungsentscheidung treffen.933) Für das Insolvenzgericht führt das zu zusätzlichen, bei einem zulässigen Restschuldbefreiungsverfahren grundsätzlich überflüssigen Mühen. Mit seiner Eingangsentscheidung stellt das Insolvenzgericht fest, ob der Restschuldbefreiungsantrag zulässig ist. Unzulässig ist das Restschuldbefreiungsverfahren nach § 287a Abs. 2 InsO in den Sperrfristfällen. Aber auch aus anderen Gründen kann das Restschuldbefreiungsverfahren unzulässig sein, wenn etwa der erforderliche Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens fehlt. Das Insolvenzgericht muss dann ebenfalls nach § 287a InsO den Restschuldbefreiungsantrag verwerfen. Dies ist in § 287a Abs. 2 InsO nicht durch ein „insbesondere“ zum Ausdruck gebracht worden, weil diese Formulierung als eine gerade nicht gewünschte Erweiterungsmöglichkeit der Sperrfristen verstanden werden kann. b) Regelungsaufbau § 287a InsO enthält drei unterschiedliche Regelungselemente, deren Verbin- 598 dung und Vermischung zu manchen Unklarheiten führt. Zunächst ist mit der Vorschrift in Abs. 1 Satz 1 die Rechtsgrundlage für die in sämtlichen Restschuldbefreiungsverfahren zu fällende Eingangsentscheidung über die Zulässigkeit geschaffen. Da für alle Restschuldbefreiungsverfahren eine Eingangsentscheidung erfolgen muss, wird es, entgegen der in den Materialien formulierten Erwartung,934) zu einer relevanten Mehrbelastung der Insolvenzgerichte kommen. Besonders prominent sind sodann die speziellen Sachentscheidungsvoraus- 599 setzungen der Sperrfristtatbestände des § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO bei wiederholten Restschuldbefreiungsanträgen hervorgehoben, während die sonstigen Zulässigkeitsanforderungen eines Restschuldbefreiungsverfahrens an anderer ___________ 933) Dies hält Schmerbach, NZI 212, 689, 692, für überflüssig. 934) BT-Drucks. 17/11268, S. 24.

203

E. Restschuldbefreiung

Stelle normiert sind. Schließlich werden in § 287a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 InsO einige Verfahrensfragen normiert. 600 Zu erklären ist diese wenig glückliche Gestaltung aus dem Gesetzgebungsverfahren. Ein Ziel war, die Sperrfristtatbestände zu kodifizieren und dafür ein Verfahrens- und Entscheidungsmuster zu schaffen. Zugleich sollte aber auch das bisherige Konzept des zweiteiligen Restschuldbefreiungsverfahrens aufgebrochen und die Demarkationslinie beim Schlusstermin und der Ankündigung der Restschuldbefreiung überdeckt werden. Dazu wurde die Zulässigkeitsprüfung zu einer sachlich wenig angezeigten allgemeinen Eingangsentscheidung aufgewertet. Nicht näher bedacht wurde dabei wohl der Konnex mit den sonstigen Sachentscheidungserfordernissen. 601 Mit den Sperrfristtatbeständen wird eine singuläre Gruppe von Sachentscheidungsvoraussetzungen geregelt. Ihre Positivierung in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO weicht von den üblichen Regelungsvorstellungen ab, denn die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsverfahrens sind außerhalb von § 287a InsO normiert. Systematisch gehören die Sperrfristen zu den in § 287 InsO normierten Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsantrags. Zu einer sinnvollen Regelungstechnik gehört, die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen eines Verfahrens zusammenhängend zu regeln. Durch die in zwei unterschiedlichen Rechtsblöcken normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen wird einerseits der umfassende Anwendungsbereich der Verfahrens- und Entscheidungsbestimmungen für alle Zulässigkeitsfragen verdeckt. Andererseits ist aber auch umgekehrt die Konzentration von § 287a InsO auf die Zulässigkeitsentscheidung schlechter zu identifizieren, wie die beginnende Diskussion um eine Vorprüfung der Versagungstatbestände belegt. 602 Zugleich steht die separat in § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO normierte Erklärung und die Versicherung etwas verloren da, weil ihr Regelungszusammenhang mit den Sperrfristtatbeständen zerrissen ist. Vorzugswürdig hätten die Sperrfristen in § 287 InsO ausgeformt werden müssen. Durch die unvorteilhafte Positivierung in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO zertrennen sie den Verständniszusammenhang und führen zu manchen unnötigen Problemen. 603 Schließlich gestaltet die Vorschrift einige Verfahrenselemente der Eingangsentscheidung aus, ohne dabei ein vollständiges Verfahrensmodell zu entwerfen. Die wesentlichen Verfahrenselemente sind daher aus den allgemeinen Anforderungen einer Zulässigkeitsprüfung zu entwickeln. Die Verfahrensvorschriften sind in Abs. 1 sowie Abs. 2 Satz 2 normiert und werden durch die Sperrfristtatbestände auseinandergerissen. So bleibt auch der äußere Eindruck einer fragmentarischen Regelung. 604 Durch die eingeschobene Sperrfristregelung wird etwa der Verständniszusammenhang für das Recht zur sofortigen Beschwerde zerrissen. Dieses Rechtsmittel des Schuldners wird in § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO eröffnet. Da in § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Regelung über den zulässigen Restschuldbe204

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

freiungsantrag getroffen ist, steht das Beschwerderecht im Zusammenhang mit einem zulässigen Restschuldbefreiungsantrag und nicht mit einem unzulässigen Antrag, auf den § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO abstellt. Sachlich ist das Recht zur sofortigen Beschwerde aus § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO wie ein selbständiger Abs. 3 zu lesen. c) Parallelen zum Insolvenzeröffnungs- und Kostenstundungsverfahren Zumindest äußerlich nähert sich der Verlaufsplan des Restschuldbefreiungs- 605 verfahrens stärker als bislang dem des Insolvenzverfahrens an. Gleichwohl muss mit dem Attribut, das Restschuldbefreiungsverfahren sei mit dem Insolvenzverfahren stärker verzahnt,935) vorsichtig umgegangen werden. Ebenso wie das Insolvenzeröffnungsverfahren in das Zulassungsverfahren und das Entscheidungsverfahren bzw. das Vorprüfungs- und das Hauptprüfungsverfahren936) über die Eröffnung gegliedert ist, entwickelt sich jetzt auch die erste Etappe des Restschuldbefreiungsverfahrens in zwei Stationen bis zur und nach der Zulässigkeitsentscheidung. Ob sich der Gesetzgeber bei der Novelle bewusst am Vorbild des Insolvenzverfahrens orientiert hat oder ob diese Parallele unbewusst dem Ablaufplan unterlegt ist, mag dahinstehen. In der Sache führt dies zu manchen Verbindungslinien, doch sind auch einige beachtliche Unterschiede zu konstatieren. Einerseits stimmen einige Prüfungspunkte überein, wie vor allem die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen etwa der gerichtlichen Zuständigkeit oder der Prozessfähigkeit. Andererseits sind die Verfahren nicht in jeder Hinsicht kohärent. Als vielleicht auffälligster Kontrast existiert im Insolvenzeröffnungsverfah- 606 ren keine allgemeine positive Zulassungsentscheidung. Das Gericht prüft zwar im Rahmen der Zulässigkeit des Insolvenzantrags wesentliche Fragen, doch existiert dafür keine gesetzlich ausdrücklich ausgeformte Zwischenstation. Obwohl Zulässigkeitsfragen mit ihren bedeutsamen Konsequenzen im Insolvenzverfahren vielleicht eine noch größere Bedeutung als in einem Restschuldbefreiungsverfahren besitzen, ist das Insolvenzverfahren weniger strikt geordnet. So wird ohne besonderen Grund während des ersten Stadiums des Restschuldbefreiungsverfahrens eine verstärkte Standfestigkeit geschaffen, wodurch das Verfahren auf dieser einleitenden Etappe durchaus überreglementiert wirkt. Trotz der weitgehenden zeitlichen Parallele der Verfahren sind die Zeitpunkte, 607 zu dem die Eingangsentscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag und die Eröffnungsentscheidung über das Insolvenzverfahren getroffen werden, nicht fest aufeinander abgestimmt (Rn. 711 ff.). Die Eingangsentscheidung kann auch vor dem Eröffnungsbeschluss erfolgen. Zu erwarten ist freilich, dass die Entscheidungen regelmäßig gemeinsam gefällt werden. ___________ 935) Reinfelder, NZA 2014, 633, 634. 936) Vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 2.

205

E. Restschuldbefreiung

608 Außerdem weichen die Inhalte beider Entscheidungen deutlich voneinander ab. Im Insolvenzeröffnungsverfahren erfolgt keine besondere Zulässigkeitsentscheidung, weswegen der Eröffnungsbeschluss die Zulässigkeit und die Begründetheit des Insolvenzantrags feststellt. Eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit ist gesetzlich nicht erforderlich. In der Eingangsentscheidung wird dagegen nur über die Zulässigkeit und nicht auch über die Begründetheit des Restschuldbefreiungsantrags entschieden. Begründet ist der Restschuldbefreiungsantrag erst unter den Voraussetzungen des § 300 InsO. Dazu müssen die Kosten gedeckt, es darf kein Versagungsgrund erfolgreich geltend gemacht worden und es muss die Abtretungsfrist abgelaufen oder eine Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens eingetreten sein. Daher ist der Entscheidungsgegenstand der Eingangsentscheidung wesentlich enger als der Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses gefasst. Infolgedessen wirkt die Eingangsentscheidung deutlich überdimensioniert. 609 Aus diesem äußeren Strukturverständnis sind wesentliche Anknüpfungspunkte für inhaltliche Aussagen zu gewinnen. Offensichtlich wird dies beim Entscheidungszeitpunkt für die Zulässigkeitsentscheidung (Rn. 711 ff.). Betroffen ist aber auch die Verfahrensform bis zur Eingangsentscheidung (Rn. 685 ff.). Schließlich muss bestimmt werden, in welchem Umfang bei der Zulässigkeitsentscheidung über die Restschuldbefreiung eine Bindung durch den Eröffnungsbeschluss und vielleicht auch umgekehrt besteht (Rn. 734 ff.). Nicht zu vergessen ist, inwieweit der Eröffnungsbeschluss Teile der Eingangsentscheidung kompensiert (Rn. 736). 610 Das Insolvenzeröffnungsverfahren bildet nicht die einzige zu beachtende Parallele. Zusätzlich zu berücksichtigen ist das Kostenstundungsverfahren. Oft wird der Prüfungszeitpunkt für die Voraussetzungen der Kostenstundung und für ein zulässiges Restschuldbefreiungsverfahren zusammenfallen. Vollkommen offen ist, inwieweit die Prüfungspunkte übereinstimmen, während aber wohl die Verfahrensweisen des Insolvenzgerichts wesentlich voneinander abweichen (Rn. 694 ff., 715). 2. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen a) Allgemeine und besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen 611 Das Insolvenzgericht stellt mit der Entscheidung die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags fest, § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO, und befindet deswegen über alle Sachentscheidungsvoraussetzungen. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung, die mit umfassendem Aussagegehalt darauf abstellt, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen oder besser die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens vorliegen.937) Eine gegenständliche Beschränkung bei den Zulässigkeitsvoraussetzungen ist deswegen mit dem Feststellungsgehalt von § 287a Abs. 1 Satz 1 ___________ 937) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

206

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

InsO nicht zu vereinbaren. So besitzt der Zulässigkeitsbeschluss die Gestalt einer gesetzlich ausgeformten Zwischenfeststellungsentscheidung. Die Eingangsentscheidung enthält damit einen klar über die Sperrfristfälle 612 hinausweisenden sachlichen Gehalt. Dieser Entscheidungsgegenstand bleibt etwas verdeckt, weil die Aufmerksamkeit ganz auf die Sperrfristregelung gerichtet ist und andere Sachentscheidungsvoraussetzungen in § 287a Abs. 2 InsO nicht thematisiert werden. Insoweit ist der Regelungsgehalt erst aus den kombinierten allgemeinen verfahrensrechtlichen Anforderungen, den besonderen Voraussetzungen des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens und den in § 287a Abs. 2 InsO geregelten Verfahrenssperren zu entnehmen. Ob es sich um eine systematisch überzeugende Gestaltung handelt, einige besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsverfahrens in § 287 InsO, die Verfahrenssperre aber in § 287a Abs. 2 InsO bei der Zulässigkeitsentscheidung zu regeln, mag dahingestellt bleiben, obwohl Aufbauzweifel berechtigt erscheinen. Entscheidungsgegenstand sind die allgemeinen938) und besonderen Sachent- 613 scheidungsvoraussetzungen939) des Restschuldbefreiungsantrags. Trotz des eigenständigen Verfahrens konkurrieren die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen und die auf das Insolvenzverfahren bezogenen Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsverfahrens mit denen des Insolvenzverfahrens. Dies spricht sachlich dagegen, die Eingangsentscheidung vor dem Eröffnungsbeschluss zu fällen. Ergehen beide Entscheidungen gleichzeitig, bildet das Insolvenzverfahren den primären Verfahrensgegenstand. Dann wird im Eröffnungsbeschluss mit präjudizieller Wirkung über diese Sachentscheidungsvoraussetzungen befunden. b) Die einzelnen Sachentscheidungsvoraussetzungen aa) Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen Im gerichtlichen Verfahren über die Erteilung der Restschuldbefreiung gelten 614 regelmäßig die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen. Dies folgt aus der Qualifikation der Restschuldbefreiung als insolvenzrechtliches Verfahren, für das über die Verweisung in § 4 InsO die zivilverfahrensrechtlichen Regelungen entsprechend anzuwenden sind. Obwohl diese Anforderungen bereits vor dem 1.7.2014 galten, werden sie erst jetzt durch die Eingangsentscheidung deutlich sichtbar. Unterschieden werden diese Sachentscheidungsvoraussetzungen danach, ob sie auf das Gericht, den Schuldner oder den Verfahrensgegenstand bezogen sind.940) ___________ 938) HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 3; Waltenberger, ZInsO 2013, 1458, 1459; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845. 939) Waltenberger, ZInsO 2013, 1458, 1459; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845. 940) PG/Prütting, Einleitung Rn. 10.

207

E. Restschuldbefreiung

615 Auf das Gericht sind neben dem Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit auch die Zuständigkeitsregeln bezogen. Es muss insbesondere die internationale, die örtliche und die sachliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts vorliegen, §§ 2, 3 InsO. 616 Zu den auf die Parteien bezogenen Anforderungen gehört die Parteifähigkeit, § 4 InsO i. V. m. § 50 ZPO, die im Restschuldbefreiungsverfahren einer natürlichen Person gegeben ist. Zu verlangen ist außerdem eine Prozessbzw. Verfahrensfähigkeit, § 4 InsO i. V. m. den §§ 51 f. ZPO.941) Verstirbt der Schuldner, ist nach dem Verfahrensstadium zu unterscheiden.942) 617 Als Sachentscheidungsvoraussetzung über den Verfahrensgegenstand darf nach § 4 InsO i. V. m. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO keine anderweitige Rechtshängigkeit bestehen. Im eigentlichen Sinn betrifft dies nur die Rechtshängigkeit eines anderen Restschuldbefreiungsverfahrens. Außerdem muss ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, was nicht schon dann entfällt, wenn der überwiegende Teil der Forderungen nach § 302 InsO privilegiert ist. 618 Diese allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsverfahrens sind regelmäßig mit denen des Insolvenzverfahrens deckungsgleich. Obwohl es sich bei der Restschuldbefreiung um ein eigenständiges gerichtliches Verfahren handelt, stimmen die im Insolvenzverfahren bestehenden Anforderungen damit überein und kompensieren regelmäßig die restschuldbefreiungsrechtlichen Erfordernisse. Unterschiede sind indessen denkbar, wenn die Anträge nicht zeitgleich gestellt und zwischenzeitlich Veränderungen eingetreten sind. Die zuständigkeitsverändernden Umstände sind freilich nach dem Grundsatz der perpetuatio fori unerheblich, § 4 InsO i. V. m. § 261 Abs. 3 Nr. 2 InsO. bb) Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen 619 Als besondere Sachentscheidungsvoraussetzung muss der Schuldner einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt haben, § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO.943) Es genügt, wenn der Insolvenzantrag nach dem Vortrag des Schuldners zulässig und begründet ist. Wegen dieser Abhängigkeit des Restschuldbefreiungsantrags vom Insolvenzantrag wird die Eingangsentscheidung typischerweise zusammen mit dem Eröffnungsbeschluss ergehen. 620 Eine gesetzliche und eine in der Praxis ausgestaltete Ausnahme schränken das Erfordernis eines Insolvenzverfahrens ein. Beide Exemtionen greifen erst im eröffneten Insolvenzverfahren ein. Trotz nachträglicher Änderungen oder der nachträglichen Feststellung fehlender Elemente bleibt danach das Restschuldbefreiungsverfahren zulässig. Als gesetzliche Ausnahme von einem ___________ 941) FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 11. 942) FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 48 ff.; siehe auch FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 23 ff. 943) BGH, NZI 2004, 511; Blankenburg, ZInsO 2014, 801.

208

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

vollständig und damit bis zum Schlusstermin durchgeführten Insolvenzverfahren ist nach § 289 InsO eine Restschuldbefreiung in einem masseunzulänglichen Insolvenzverfahren zulässig. Bei einer fehlerhaften Entscheidung des Insolvenzgerichts hat die Rechtsprechung eine weitere Ausnahme anerkannt. Wurde ausnahmsweise das Insolvenzverfahren auf einen Gläubigerantrag ohne gerichtlichen Hinweis auf den erforderlichen eigenen Insolvenz- und einen Restschuldbefreiungsantrag eröffnet, ist im eröffneten Insolvenzverfahren ein isolierter Restschuldbefreiungsantrag zulässig.944) Zu den besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen des Insolvenzverfahrens 621 gehört in der Verbraucherinsolvenz der Formularzwang aus § 305 Abs. 5 Satz 2 InsO.945) In der allgemeinen Insolvenz gilt das Schriftlichkeitserfordernis aus § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO. Als selbstverständliches Erfordernis muss der Schuldner einen Antrag auf 622 Restschuldbefreiung stellen, § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO, der schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären ist, § 4 InsO i. V. m. § 496 ZPO.946) Soweit eine schriftliche Antragstellung erfolgt, muss der Antrag vom Schuldner oder seinem Vertreter unterschrieben sein.947) Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist nach § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO dem Insolvenzantrag ggf. der Restschuldbefreiungsantrag beizufügen und unterliegt damit dem Formularzwang. Sachentscheidungsvoraussetzung in einem gerichtlichen Verfahren ist außer- 623 dem ein Rechtsschutzbedürfnis. Es fehlt nicht, wenn der Schuldner über kein pfändbares Einkommen verfügt.948) Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn die Verbindlichkeiten niedriger als die Verfahrenskosten sind.949) Selbst wenn die Verbindlichkeiten nach § 302 InsO überwiegend von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, entfällt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Es kann dagegen fehlen, falls in einem anderen Insolvenzverfahren Restschuldbefreiung beantragt, aber noch nicht erteilt worden ist. Eine analoge Anwendung der Sperrfristregelungen ist daher nicht geboten.950) Zusätzlich zu seinem Restschuldbefreiungsantrag muss der Schuldner die 624 Bezügeabtretung nach § 287 Abs. 2 InsO erklären. Außerdem hat er nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO zu erklären, ob ein Fall des § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 InsO, also ein Sperrfristgrund, vorliegt und die Richtigkeit und ___________ 944) BGHZ 162, 181, 186; NZI 2008, 609; AGR/Fischer, § 287 InsO Rn. 6; FK-InsO/ Ahrens, § 287 Rn. 22. 945) Zu den weiteren Voraussetzungen FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 5 ff. 946) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 Rn. 22; Römermann, in: Nerlich/Römermann, EL 19, § 287 Rn. 8. 947) FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 11. 948) AG Dortmund, ZInsO 1999, 118, 119. 949) LG Dresden, ZVI 2005, 553, 554. 950) A. A. Graf-Schlicker/Kexel, § 287a Rn. 11.

209

E. Restschuldbefreiung

Vollständigkeit dieser Erklärung zu versichern, § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO.951) Auch dabei handelt es sich um besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsantrags. 625 Ein spezielles Augenmerk ist auf die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO gerichtet, mit denen die Sperrfristen und Sperrfristgründe bei einem wiederholten Restschuldbefreiungsantrag eigenständig normiert werden. Während die anderen Sachentscheidungsvoraussetzungen den allgemeinen verfahrensrechtlichen Anforderungen bzw. den sonstigen Regelungen des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens zu entnehmen sind, ist die Sperrfristregelung in § 287 Abs. 2 InsO speziell normiert. 626 Keine Sachentscheidungsvoraussetzung stellt dagegen die Kostendeckung für das Restschuldbefreiungsverfahren dar. Dies folgt bereits aus der Parallele zu § 26 Abs. 1 InsO und einer möglichen Kostenstundung. Der Restschuldbefreiungsantrag darf daher nicht mangels Kostendeckung als unzulässig verworfen, sondern muss als unbegründet abgewiesen werden. Typischerweise fehlt in diesen Fällen auch die Kostendeckung für das Insolvenzverfahren, das dann abgewiesen werden muss. In diesem Fall ist der Restschuldbefreiungsantrag aufgrund des erforderlichen Insolvenzverfahrens als unzulässig zu verwerfen. 3. Sperrfristen gemäß § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO a) Grundlagen 627 Mit den neuen Sachentscheidungsvoraussetzungen des § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO soll eine Sperre gegenüber missbräuchlich wiederholten Restschuldbefreiungsverfahren geschaffen werden.952) Wie die Akzentuierung des Missbrauchsgedankens klarstellt, darf nicht jedes Wiederholungsverfahren in den gesetzlichen Fristen verschlossen sein. Einfaches Fehlverhalten erachten die Materialien als unzureichend für eine Verfahrenssperre.953) Damit weisen diese Ausführungen in Richtung eines qualifizierten unrechtmäßigen Verhaltens. Dieser konzeptionelle Ansatz wird wohl mit der Formulierung aufgegriffen, der Gesetzentwurf verfolge das Anliegen, die unterschiedlichen Sperrfristen nach dem Unwertgehalt der ihnen zugrunde liegenden Pflicht- und Obliegenheitsverletzungen zu harmonisieren.954) 628 In diesen Ausführungen vermischen sich mehrere Argumentationsstränge. Die Verfahrenssperre als solche knüpft an den Verfahrensmissbrauch im neuerlichen Restschuldbefreiungsverfahren an. Die Dauer der Sperre wird ___________ 951) 952) 953) 954)

210

Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 802. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

dagegen von der Art des Abschlusses im vorangegangenen Restschuldbefreiungsverfahren abhängig gemacht. Wegen der unterschiedlichen Erklärungsgründe ist es systematisch verfehlt, die Sperre bei einem wiederholten Restschuldbefreiungsantrag in der gleichen Ziffer zu regeln, wie die Sperre wegen einer Insolvenzstraftat. Für die Wiederholungsverfahren konkretisiert die Sperrfristregelung das 629 Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners.955) Damit wird eine in der Lehre geforderte gesetzlich determinierte klare Regelung geschaffen. Das mit der Restschuldbefreiung geschaffene subjektive Recht darf nur bei einem eindeutig zweckwidrigen Verfahren ausgeschlossen werden. Ein verweigerter Rechtsschutz muss die Ausnahme bleiben und ist nur dort zu rechtfertigen, wo sich dies aus den Verfahrenszwecken zwingend ergibt.956) Als Fallgruppe der zweckwidrigen Verfahren ist hier auf ein rechtsmissbräuchliches prozessuales Vorgehen abzustellen.957) Erst ein solcher qualifizierter Vorwurf trägt einen durch die Sperre versagten Rechtsschutz. b) Drei Fallgruppen der Sperrfristen aa) Allgemeines Als zentrale Aussage ist in § 287a Abs. 2 InsO ein Drei-Fristen-Modell mit 630 zehn-, fünf- und dreijährigen Fristen vorgesehen. Im Kern wird damit die früher bestehende Regelung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgelöst. Diese Vorschrift wird folgerichtig gestrichen und mit einigen Grundelementen der Sperrfristrechtsprechung in eine neue Gestaltung überführt. Sachgerecht sind die Herauslösung dieser Tatbestände aus dem antragsabhängigen Versagungsrecht und die Überführung in eine amtswegig zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung. Prinzipiell überzeugend wirkt das gestufte Fristenmodell. Das neue Recht 631 der Eingangsentscheidung und Versagungsgründe reduziert die oft verwirrende Fristenvielfalt, etwa bei den §§ 290 Abs. 1 Nr. 1, 297 InsO. Ob dies bereits zur angenommenen Harmonisierung führt,958) muss offenbleiben. Dafür sind derzeit noch zu viele Faktoren unklar, denn neben der Fristenlänge sind für den Grad der Vereinheitlichung auch der Fristbeginn und der Prüfungszeitpunkt maßgebend. Begründet werden die unterschiedlichen Fristen mit einem angeblichen Un- 632 wertgehalt der den Sperrfristen zugrunde liegenden Tatbestände,959) der teils ___________ 955) HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 9. 956) Stein/Jonas/Roth, Vor § 253 Rn. 133, 135 ff.; siehe auch Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor § 253 Rn. 78. 957) Stein/Jonas/Roth, Vor § 253 Rn. 154; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, Vor §§ 253 Rn. 12; Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor § 253 Rn. 93. 958) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 959) BT-Drucks. 17/11268, S. 25; ebenso Graf-Schlicker/Kexel, § 287a Rn. 2.

211

E. Restschuldbefreiung

auch als Unrechtsgehalt bezeichnet wird.960) Aufgrund der Formulierung und des Kontextbezugs erfasst die Aussage in den Gesetzgebungsmaterialien sämtliche Sperrfristgründe. Dieser Rekurs weist jedoch in die Irre. Sonst müsste die zu einer zehnjährigen Sperre nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO führende frühere Restschuldbefreiung den doppelten Verfahrensunwert gegenüber einer Versagung wegen einer Insolvenzstraftat haben, die nach § 287 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO eine fünfjährige Sperre begründet.961) Es stellt freilich einen massiven Wertungswiderspruch dar, einem subjektiven Recht des Schuldners962) den doppelten Unwertgehalt gegenüber einer straftatdeterminierten Entscheidung beizumessen. Vielmehr geht es um die objektiv zu bemessenden Voraussetzungen der Verfahrensgewährleistung. Während die zehnjährige Sperrfrist bei einer erteilten Restschuldbefreiung primär die beeinträchtigten Gläubigerinteressen berücksichtigt, wird bei den fünf- und dreijährigen Sperren nach § 287 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 2 InsO auf die Schuldnerinteressen abgestellt. 633 Zudem erscheint es systematisch wenig überzeugend, die Sperre bei einer früheren Restschuldbefreiung in der gleichen Ziffer von § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO zu normieren, wie die Sperre im Fall einer nach § 297 InsO wegen einer Insolvenzstraftat versagten Restschuldbefreiung. Beide Regelungen knüpfen an wesentlich verschiedene Geltungsgründe an. Zu erklären ist die Gesetzesfassung wohl mit einer wenig reflektierten Übernahme des früheren Versagungsgrunds aus § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Das neue Gesamtmodell der Sperrfristkonzeption wird damit nur unzureichend beachtet. bb) Wiederholte Restschuldbefreiung nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO 634 Ein erneutes Restschuldbefreiungsverfahren ist nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO unzulässig, wenn dem Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt wurde. Diese Regelung übernimmt die tatbestandlichen Voraussetzungen und weithin auch die Teleologie des § 290 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 InsO a. F. Die Auslegung der Sperrfrist kann deswegen an den früheren Regelungsgehalt anknüpfen, soweit es nicht gerade um die Besonderheiten des antragsabhängigen Versagungsverfahrens geht. 635 Zu den bestandsfesten Grundlagen der Restschuldbefreiung gehört einerseits, dem Schuldner nicht nur einmalig das Recht auf Restschuldbefreiung zu eröffnen, andererseits die Anzahl möglicher Restschuldbefreiungen für eine Person zu begrenzen,963) um die gesetzliche Schuldbefreiung nicht zu ___________ 960) Graf-Schlicker, ZVI 2014, 202, 203. 961) Vgl. Waltenberger, ZInsO 2013, 1458, 1460. 962) FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 4; AGR/Fischer, § 286 InsO Rn. 1; MünchKomm-InsO/ Stephan, § 291 Rn. 8; Graf-Schlicker/Kexel, § 286 Rn. 1; HambK/Streck, § 291 Rn. 2. 963) FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 32.

212

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

einem flexibel einsetzbaren und ständig verfügbaren Mittel der Schuldenabwälzung degenerieren zu lassen. Mit der Sperre im Fall einer erteilten Restschuldbefreiung wird gesetzlich zwischen den Schuldner- und Gläubigerinteressen abgewogen.964) Da eine schuldhaft herbeigeführte Verschuldung für die Erteilung der Restschuldbefreiung unerheblich ist, kann umgekehrt eine unverschuldete erneute Verschuldung keine verkürzte Sperre rechtfertigen. Eine Restschuldbefreiung wird dem Schuldner nach § 300 Abs. 1 Satz 1 InsO 636 erteilt. Zu den Kennzeichen dieser gesetzlichen Schuldbefreiung gehört, dass sie der Schuldner auf Antrag durchsetzen kann. Mit dem Merkmal der Erteilung stellt der Sperrfristgrund auf die einseitige gerichtliche Entscheidung ab.965) Unerheblich ist, ob die Restschuldbefreiung vorzeitig, also nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO sofort,966) gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO nach drei Jahren Abtretungsfrist bzw. nach fünfjähriger Abtretungsfrist gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO oder ob sie nach dem Ende der sechsjährigen Abtretungsfrist erteilt wird, § 300 Abs. 1 Satz 1 InsO. In allen Fällen wird die Restschuldbefreiung einseitig und damit unabhängig von den spezifischen Gläubigerinteressen realisiert. Da die im Geltungsbereich der EuInsVO erteilten Restschuldbefreiungen 637 nach Art. 25 EuInsVO anzuerkennen sind,967) begründen auch solche anzuerkennende ausländischen Restschuldbefreiungen die Sperrfrist.968) Andere ausländische Restschuldbefreiungen sperren nach diesem Gedanken nur dann ein Wiederholungsverfahren, wenn sie in Deutschland anzuerkennen sind.969) Konsensual erlangte Schuldbefreiungen können einer einseitig erlangten Rest- 638 schuldbefreiung nicht gleichgestellt werden. In diesen Fällen wird die Schuldbefreiung durch einen freiwilligen Forderungsverzicht der Gläubiger erreicht, was im Rahmen der abzuwägenden Interessen zu berücksichtigen ist. Unerheblich ist dabei, ob diese Schuldbefreiung auf einem vollständigen Konsens oder durch eine Mehrheitsentscheidung auf einem generalisierten Willen der Gläubiger beruht. Jedenfalls kann hier kein einseitiger Eingriff in die Gläubigerrechte konstatiert werden. Damit führen weder außergerichtliche Einigungen970) noch gerichtliche Schuldenbereinigungspläne971) oder Insolvenzpläne sowie Einstellungen des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger nach oder analog § 213 InsO zu einer Sperre. ___________ 964) 965) 966) 967) 968)

FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 33. So wohl auch BGH, NZI 2010, 655 Rn. 16. Vgl. BGH, NZI 2010, 655 Rn. 16 f. Rauscher/Mäsch, EuZPR/EuIPR, 2010, Art. 25 EG-InsVO Rn. 3. Vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 33; HWF/Schmerbach, § 290 Rn. 51; dagegen nehmen Uhlenbruck/Vallender, § 290 Rn. 46a, eine Analogie an. 969) Vgl. MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 57b. 970) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 9. 971) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 50 ff.

213

E. Restschuldbefreiung

639 Die Restschuldbefreiung muss binnen einer zehnjährigen Frist vor bzw. nach dem Antrag auf Eröffnung der Restschuldbefreiung bewilligt worden sein. Ausgangspunkt ist die rechtskräftige Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Schlusspunkt ist so zu verstehen, dass eine bis zu zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag, aber auch eine noch danach erteilte Restschuldbefreiung zur Sperre führt. cc) Versagung gemäß § 297 InsO, § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO 640 Ein wiederholtes Restschuldbefreiungsverfahren ist nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO unzulässig, wenn dem Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag die Restschuldbefreiung gemäß § 297 InsO versagt wurde. Tatbestandlich abgestellt wird auf eine Versagung nach § 297 InsO. Daher rechtfertigt allein eine Versagung der Restschuldbefreiung die Sperre, wenn der Schuldner nach dem Schlusstermin wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283 – 283c StGB verurteilt wurde. 641 Im Unterschied zur früheren Regelung ist mit der Novelle des § 297 InsO für eine Versagung eine Mindeststrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder mehr als drei Monaten Freiheitsstrafe eingeführt worden, um Bagatelldelikte als Versagungsgrund auszuschließen. Offen ist, ob diese Mindeststrafe auch für eine Sperre nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO zu verlangen ist. Zu entscheiden ist daher, inwieweit für die Sperre auf die Fassung des § 297 InsO im Versagungszeitpunkt oder zur Zeit des wiederholten Restschuldbefreiungsantrags bzw. genauer der Entscheidung über die Zulässigkeit des wiederholten Antrags abzustellen ist. 642 Einen ersten Anhaltspunkt liefert der gesetzliche Wortlaut, der allein auf § 297 InsO unabhängig von einer Mindeststrafe abstellt. Gemeint wäre dann jede in der Frist erfolgte Versagung nach § 297 InsO, unabhängig davon, ob sie nach früherem oder aktuellen Recht erfolgt ist. Allerdings kann die Sperre sprachlich kaum anders gefasst werden, wenn unnötige Redundanzen vermieden werden sollen. 643 Diese scheinbare Eindeutigkeit geht indessen verloren, wenn die gesetzliche Systematik einbezogen wird. Nach Art. 9 Satz 1 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 tritt die Novellierung am 1.7.2014 in Kraft. In den Neuverfahren gilt § 297 InsO mit dem Erfordernis einer Mindeststrafe. Verweist das Gesetz für die Neuverfahren auf § 297 InsO, dann wird damit § 297 InsO in der geltenden novellierten Fassung gemeint sein. Zwangsläufig ist dieser Schluss freilich nicht, denn es erscheint auch eine Verweisung auf die jeweils geltende Fassung vorstellbar. 644 Wie die angeglichenen Fristen des § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO und des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zeigen, soll zwischen dem Versagungstatbestand und der Sperre eine weitgehende Konkordanz herrschen. Zugleich ist mit der 214

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

einheitlichen Mindeststrafe der §§ 290 Abs. 1 Nr. 1, 297 Abs. 1 InsO ein deutliches Signal für einen Ausschluss von Bagatellverurteilungen gesetzt. Sonst könnten die Sachentscheidungs- und Versagungsvoraussetzungen voneinander abweichen und in den Neuverfahren müssten zudem Versagungen gemäß § 297 InsO vor und nach dem 1.7.2014 unterschiedlich behandelt werden. Aufgrund dieser Zielsetzungen ist § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO te- 645 leologisch so zu reduzieren, dass unabhängig vom Zeitpunkt der Versagung eine Sperre allein bei einer Verurteilung zu einer dem neuen Recht entsprechenden Mindeststrafe erfolgen darf. Dies ist konsequent, da Sachentscheidungsvoraussetzungen prinzipiell nach dem bei der Verfahrenseinleitung geltenden Recht zu beurteilen sind und weil für die fünfjährige Sperrfrist auf das neue Recht abgestellt wird. In der Konsequenz sind die Versagungen nach § 297 InsO a. F. nicht insgesamt unbeachtlich, sondern nur soweit sie die neue Mindeststrafe nicht erreichen. Alle anderen Versagungen sind entsprechend der neuen Standards maßgeblich. Die Restschuldbefreiung muss binnen einer fünfjährigen Frist vor bzw. nach 646 dem Antrag auf Eröffnung der Restschuldbefreiung versagt worden sein. Abzustellen ist auf die Rechtskraft der Entscheidung. Im Übrigen gilt das Gleiche wie bei der Erteilung der Restschuldbefreiung (Rn. 639). Um keine Verdoppelung und damit keine übermäßige Länge der Sperre auf 647 insgesamt zehn Jahre herbeizuführen, darf eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Versagung nach § 297 InsO nicht gleichgestellt werden.972) Nicht in § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO erwähnt wird der Widerruf nach § 303 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Obwohl dieser an die gleiche tatbestandliche Konstellation anknüpft, wie eine Versagung nach § 297 InsO, kann auf diesen Widerrufsgrund nach dem Wortlaut von § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO keine Sperre gestützt werden. Damit ist aber noch nicht beantwortet, ob eine Analogie in Betracht kommt (Rn. 670 ff.). dd) Sonstige Versagungen gemäß § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO Schließlich ist ein erneutes Restschuldbefreiungsverfahren unzulässig, wenn 648 in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag dem Schuldner in dem vorangegangenen Verfahren die Restschuldbefreiung nach den §§ 290 Abs. 1 Nr. 5 – 7, 296 InsO sowie nach § 297a InsO in den Fällen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 – 7 InsO versagt worden ist, § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO. Bei nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründen sperren ebenfalls nur die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 5 – 7 InsO ein Folgeverfahren. Als Versagungsgründe nach § 296 InsO kommen sowohl Obliegenheitsverletzungen nach § 295 InsO als auch ___________ 972) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

215

E. Restschuldbefreiung

die verletzten Verfahrensobliegenheiten gemäß § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO in Betracht. 649 Mit dieser Sperre wird die Zulässigkeitsvoraussetzung über den bisher geltenden Versagungstatbestand erweitert und damit ein Kernelement der Sperrfristrechtsprechung aufgegriffen. Allerdings soll nicht jede Versagung nach § 290 Abs. 1 InsO eine Sperre rechtfertigen. Darin ist die Verfahrenssperre an den früheren Vorschlag des § 290 Abs. 1 Nr. 3a RegE 2007 angelehnt, der die Legitimationsgrundlage für die Sperrfristjudikatur bildete,973) aber ebenfalls nur auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO erweitert werden sollte. 650 Die Versagungstatbestände rechtfertigen damit nicht großflächig, sondern nur punktuell eine Sperre. Um die Verfahrensschranken nicht unnötig zu verlängern, bleiben die Versagungen nach § 290 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 InsO unberücksichtigt. Eine Sperre bei einer Versagung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfolgt nicht, weil dieser Tatbestand aufgehoben ist. Die gleichen Erwägungen gelten im Rahmen der nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründe, die daher übereinstimmend beschränkt werden. 651 Ausländische Ausschlussregelungen für eine Restschuldbefreiung rechtfertigen jedoch keine Sperre. Dagegen spricht bereits der Wortlaut von § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO, der explizit auf die Versagungsnormen verweist.974) Sachlich können sie auch deswegen nicht gleichgestellt werden, weil die jeweiligen Tatbestände zu verschieden sind,975) während nur die sehr präzise bezeichneten Versagungsgründe eine Sperre rechtfertigen sollen. 652 Die Restschuldbefreiung muss binnen einer dreijährigen Frist vor bzw. nach dem Antrag auf Eröffnung der Restschuldbefreiung versagt worden sein. Abzustellen ist auf die Rechtskraft des Versagungsbeschlusses. Im Übrigen gilt das Gleiche wie bei einer Versagung der Restschuldbefreiung nach § 297 InsO (Rn. 646 f.). 653 Nicht erwähnt wird der Widerruf nach § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der tatbestandlich an die in § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO normierten Fälle der Obliegenheitsverletzungen aus § 296 InsO anknüpft. Dabei stellt § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO mit der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung und der erheblich beeinträchtigten Gläubigerbefriedigung sogar noch höhere Anforderungen auf, als eine Versagung nach § 296 InsO. Ähnliches gilt auch bei einem Widerruf nach § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der eine Parallele zu der sperrfristbedrohten Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO darstellt. Nach dem Wortlaut von § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO kann auf einen der-

___________ 973) BGHZ 183, 13 Rn. 16. 974) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 57c. 975) FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 41; HWF/Schmerbach, § 290 Rn. 51; a. A. Uhlenbruck/ Vallender, § 290 Rn. 47.

216

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

artigen Widerruf keine Sperre gestützt werden. Nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint indessen eine analoge Anwendung (Rn. 670 ff.). c) Fristberechnung Als Anknüpfungspunkt für die Fristberechnung wird in den Fallgruppen des 654 § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO jeweils auf die Erteilung bzw. Versagung der Restschuldbefreiung im Erstverfahren abgestellt. Offen ist, ob damit das Entscheidungsdatum oder ob der Eintritt der Rechtskraft gemeint ist. Für das Entscheidungsdatum spricht der leichter erkenn- und berechenbare Bezugspunkt, wodurch eine mögliche Fehleranfälligkeit der Erklärung reduziert wird. Außerdem stellt § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO nicht ausdrücklich auf eine rechtskräftige Entscheidung ab, wie sie § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO etwa verlangt. Dennoch beginnt die Frist erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Erteilung bzw. Versagung der Restschuldbefreiung.976) § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO stellt nicht auf die Entscheidungen, sondern auf die Wirkungen ab, die erst mit Eintritt der Rechtskraft bindend feststehen. Zudem hat der BGH bislang schon in seiner Sperrfristrechtsprechung auf eine rechtskräftige Versagung abgestellt.977) Da der Beschluss über die Erteilung bzw. die Versagung der Restschuldbe- 655 freiung dem Schuldner zuzustellen ist, § 4 InsO i. V. m. § 329 Abs. 3 ZPO,978) muss von diesem Datum aus der Eintritt der Rechtskraft gegenüber dem Schuldner bestimmt werden. Gemildert wird die Unsicherheit über den betreffenden Zeitpunkt, weil der Schuldner nach den § 4 InsO i. V. m. § 706 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Rechtskraftzeugnis beantragen kann, das auch für Beschlüsse auszustellen ist, die der sofortigen Beschwerde unterliegen.979) Endpunkt der zehn-, fünf- und dreijährigen Fristen ist zunächst der Antrag 656 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Sperrfristgrund kann jeweils nach dem Eröffnungsantrag im Wiederholungsverfahren verwirklicht worden sein. Die Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung im vorangegangenen Verfahren begründet also auch dann eine Sperre, wenn sich beide Verfahren überschneiden und die Restschuldbefreiung nach dem Eröffnungsantrag, aber vor der Eingangsentscheidung erteilt oder versagt wurde. Ist ein früheres Restschuldbefreiungsverfahren rechtshängig, aber noch nicht entschieden, ist kein Sperrfristgrund verwirklicht. Der erneute Restschuldbefreiungsantrag ist dennoch wegen der Rechtshängigkeit des Erstverfahrens zu verwerfen.

___________ 976) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 13. 977) BGH, NZI 2009, 691 Rn. 17; 2010, 263 Rn. 5; 2010, 407 Rn. 6; 2011, 544 Rn. 6; AGR/ Fischer, § 287 InsO Rn. 16. 978) Vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 19. 979) RGZ 25, 387, 392; Stein/Jonas/Münzberg, § 706 Rn. 13.

217

E. Restschuldbefreiung

657 Bezugspunkt für die Fristberechnung ist das Datum des Eröffnungsantrags, nicht des Restschuldbefreiungsantrags. Sind mehrere Eröffnungsanträge gestellt, wie dies bei einem Gläubigerantrag und einem anschließend nach § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO gestellten Schuldnerantrag denkbar ist, muss entschieden werden, von welchem Antrag aus die Frist zu bestimmen ist. Eine erste Überlegung legt nahe, dafür jeweils auf den frühesten Antrag abzustellen. Diese Überlegung verliert allerdings ihre Plausibilität, wenn das Insolvenzverfahren auf den späteren anderen Antrag hin eröffnet wird. Es überzeugt nicht, die Sperrfrist auf einen erledigten oder gar zurückgenommenen Insolvenzantrag zu beziehen. Maßgebend muss vielmehr der Antrag sein, auf den hin das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll und der für den Restschuldbefreiungsantrag maßgebend ist. Regelmäßig wird dies wegen § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO der Schuldnerantrag sein. Um eine stabile Beurteilungsgrundlage zu erhalten, sollte auch aus diesem Grund die Eingangsentscheidung zusammen mit dem Eröffnungsbeschluss erfolgen. 658 Eher theoretisch wirkt die Überlegung, ob die Sperrfristen eine neue Gläubigertaktik eröffnen. Nach Beendigung des ersten Insolvenzverfahrens, aber noch vor Ablauf der Sperrfrist, können Gläubiger, jedenfalls wenn neue Forderungen existieren, einen neuen Insolvenzantrag stellen. Wenn der Gläubigerantrag so rechtzeitig gestellt wird, dass ein nach § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO zu eröffnender Schuldnerantrag noch in der Sperrfrist liegt, ist für die Dauer dieses zweiten Insolvenzverfahrens ein Restschuldbefreiungsantrag weiterhin gesperrt. d) Verhältnis zur Sperrfristrechtsprechung aa) Vergleich 659 Mit der Zulässigkeitsprüfung im Rahmen der Eingangsentscheidung wird eine an die Sperrfristrechtsprechung des BGH980) angelehnte Konzeption von Sachentscheidungsvoraussetzungen eingeführt. Allerdings wird die Sperrfristkonzeption der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vollständig übernommen. Einige Sperren stimmen mit der Rechtsprechung überein. In anderen Fällen geht das Gesetz über die Rechtsprechung hinaus oder bleibt dahinter zurück. 660 Über die bisherige, durch die Rechtsprechung geprägte Lage geht die gesetzliche Unzulässigkeitsbestimmung mit den Sperren nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO sowie § 297a i. V. m. § 290 Abs. 1 Nr. 5 – 7 InsO hinaus. Begründet ist dies freilich nicht durch eine besonders strenge Konzeption des Gesetzgebers. Vielmehr sind die entsprechenden Versagungsgründe erst mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung ___________ 980) Ausgangsentscheidung BGHZ 183, 13 Rn. 11 ff.; zusammenfassend FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 31a; AGR/Fischer, § 287 InsO Rn. 12 ff.; Karsten Schmidt/Henning, § 287 Rn. 21 ff.

218

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 eingeführt und konnten deswegen noch nicht von der Judikatur in Sperrfristen umgeformt werden. Letztlich handelt es sich weniger um eine inhaltliche Extension der Sperren, sondern um eine folgerichtig umgesetzte Einheitsgestaltung. Diese Verlängerung ist bei einer Versagung wegen der im eröffneten Insol- 661 venzverfahren verletzten Erwerbsobliegenheit nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO sachgerecht, weil auch die in der Treuhandperiode verletzte Erwerbsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO über die Versagung nach § 296 InsO eine Sperre legitimiert. Im Rahmen der – selbst allerdings kritikwürdigen – gesetzlichen Entscheidung für das nachträgliche Versagungsrecht aus § 297a InsO erscheint eine Sperre bei einer Versagung aufgrund der Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 5 – 7 InsO folgerichtig, spiegelt sie doch die sonst geltenden Sperren wider. Unverändert bleibt die Sperrsituation bei einer Versagung nach den §§ 290 662 Abs. 1 Nr. 5, 6, 296 InsO, die einheitlich eine dreijährige Schranke begründen. Übereinstimmend mit der Rechtsprechung des BGH wird wegen der Fristenlänge aus § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Sperre angenommen.981) Annähernd gleich erscheint ebenfalls die Rechtslage bei § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Bei diesem Versagungsgrund hat der BGH bislang eine Sperre angenommen.982) Da die Frist in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO von einem auf drei Jahre verlängert worden ist, wird eine Sperre abgelehnt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt deswegen keine Sperre in Betracht, weil diese bei Versagungsgründen mit Fristen von drei und mehr Jahren ausgeschlossen ist.983) Mit § 297 InsO ist ein neuer Sperrgrund geschaffen, denn wegen der vielfach 663 zehnjährigen Tilgungsfrist im Bundeszentralregister für § 297 InsO a. F. hatte die Rechtsprechung hier bislang keine Sperre vorgesehen. Die Frist gegenüber dem Versagungsgrund wird allerdings verringert, weil die Sperrfrist fünf Jahre beträgt. Andere als die genannten Fallgruppen sind nicht geregelt, weswegen im Gesetz nicht alle Sperrfristfälle übernommen sind. In den sonstigen Konstellationen sind aufgrund einer bewussten legislatori- 664 schen Dezision keine Sperren normiert. Explizit sollen für anderweitige Fälle vorhergehenden Fehlverhaltens des Schuldners keine Sperren vorgesehen sein.984) Ausdrücklich lehnen die Materialien Sperrfristen in den Fällen des § 298 Abs. 1 InsO, des § 290 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 InsO, eines vorhergehend als unzulässig verworfenen Restschuldbefreiungsantrags oder eines im vorhergehenden Verfahren unterlassenen Restschuldbefreiungsantrags ab. Ebenso wenig ist danach eine Sperre zu rechtfertigen, wenn im früheren Verfahren ___________ 981) 982) 983) 984)

BGH, NZI 2013, 99 Rn. 7 ff. = VIA 2013, 1,1 mit Anm. Schmerbach. BGH, NZI 2010, 407 Rn. 6. BGH, NZI 2013, 99 Rn. 9 ff. BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

219

E. Restschuldbefreiung

eine Kostenstundung versagt wird, weil ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zweifelsfrei gegeben ist.985) bb) Einschränkung der Sperrfristjudikatur in Altverfahren 665 Zu den bereits jetzt sichtbaren bedeutsamen Streitfragen der Novelle gehört, wie sich die bestehende Rechtsprechung zum neuen Recht verhält. Mehrere Konstellationen sind dafür zu unterscheiden. Für Altverfahren hat der BGH für die Zeit vor dem 1.7.2014 eine Voranwendung von § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO abgelehnt.986) Ausdrücklich offengelassen hat der Senat, welche Konsequenzen ab dem 1.7.2014 eintreten.987) Zu prüfen ist sowohl eine Vorberücksichtigung von § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO mit dem Ziel, die Sperrfristrechtsprechung einzuschränken, als auch eine analoge Anwendung der Sperrgründe des neuen Rechts auf andere Fälle, um die Sperren zu erweitern. 666 Die Sperrfristrechtsprechung hat der BGH auch mit einem nicht in Kraft getretenen Gesetzentwurf gerechtfertigt.988) Nachdem zwischenzeitlich die Sperrregelung kodifiziert ist, läge es nahe, den methodischen Ansatz auf die nunmehr normierten Zulässigkeitsschranken zu übertragen und § 287a Abs. 2 InsO mit seinem engeren Anwendungsfeld entsprechend auf die Altverfahren anzuwenden. Gegen die dann notwendige Restriktion der Sperrfristjudikatur ließe sich vielleicht einwenden, dass sich die Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich verfestigt und damit Gesetzesqualität habe.989) Aufgrund der kurzen zeitlichen Geltungsdauer der Judikatur und der weiterhin ablehnenden Stellungnahmen, vermag eine solche Konsequenz nicht zu überzeugen.990) Folgerichtig stünde dann die Sperrfristrechtsprechung auf einer sich selbst auflösenden Grundlage. 667 Äußerlich sind zwei Anknüpfungspunkte zu unterscheiden, nach denen die Altverfahren behandelt werden können. Vorberücksichtigt werden könnte zunächst das verabschiedete, aber noch nicht in Kraft getretene Gesetz in der Zeitspanne zwischen dem 15.7.2013 und dem 30.6.2014. Dies hat der BGH für die Altverfahren bis zum 30.6.2014 abgelehnt.991) Als tragendes Argument der ersten Entscheidung hat das Gericht darauf abgestellt, auf die Versagung nach § 298 InsO gehe der Gesetzentwurf nicht ein.992) Dies widerspricht allerdings der eindeutigen Stellungnahme in den Materialien.993) ___________ 985) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 986) BGH, NZI 2013, 846 Rn. 15, mit Anm. Schädlich; 2014, 416 Rn. 11, mit insoweit zustimmender Anm. Heicke. 987) BGH, 2014, 416 Rn. 11. 988) BGHZ 183, 13 Rn. 16. 989) Vgl. Heicke, NZI 2012, 873, 874. 990) AG Göttingen, NZI 2014, 574, mit zustimmender Anm. Laroche = VIA 2014, 54, mit zustimmender Anm. Voß; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 31b m. w. N. 991) BGH, NZI 2013, 846 Rn. 15, mit Anm. Schädlich; 2014, 416, mit Anm. Heicke. 992) BGH, NZI 2013, 846 Rn. 15. 993) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

220

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Offen ist derzeit noch, ob seit dem 1.7.2014 § 287a InsO auf die vor diesem 668 Zeitpunkt beantragten Altverfahren analog angewendet werden kann. Diese Konsequenz kann mit beachtlichen Gründen bejaht werden, denn der Gesetzgeber hat seinen klaren Willen zur Restriktion der ausufernden Sperrfristjudikatur bekundet. Infolgedessen wäre seit dem 1.7.2014 in allen Verfahren, unabhängig von der Antragstellung, eine Sperre in den Fällen ausgeschlossen, die nicht von § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO abgedeckt sind.994) Spiegelbildlich gilt in allen Verfahren eine Sperre, die tatbestandlich unter § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO fallen. Konsequent müsste in diesem Fall aber die Rechtsgrundlage von der mit der Sperrfristjudikatur gegebenen Begründung hin zum neuen Gesetz ausgetauscht werden. Unter dieser Voraussetzung würde § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO vor seinem Inkrafttreten umfassend angewendet. Allerdings ist an der Sperrfristjudikatur die für eine Analogie fehlende Lücke 669 bemängelt worden. Dann sollte aber jetzt nicht diese sachliche Fundierung aufgegeben und einer Vorberücksichtigung oder gar Voranwendung der Unzulässigkeitsgründe aus § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO das Wort geredet werden. Neben der methodischen Stringenz ist ebenfalls die Rechtssicherheit gegen eine erneute Umkehr anzuführen. Derart weitreichende Konsequenzen müssen einer gesetzlichen Entscheidung vorbehalten bleiben. Zudem spricht die differenzierte Regelung über das Inkrafttreten des neuen Gesetzes in Art. 103h EGInsO sowie Art. 9 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte gegen eine analoge Anwendung auf die Altverfahren. cc) Erweiterung der Unzulässigkeitsgründe in Neuverfahren (1) Ausdrückliche Erwähnung in den Materialien Wie bereits erwähnt, werden in § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO nicht sämt- 670 liche Konstellationen berücksichtigt, in denen bislang von der Rechtsprechung eine Sperre angenommen wurde. Die Novelle ist durch einen autonomen Ansatz gekennzeichnet und hält damit einen gewissen Abstand zur Judikatur. In der Literatur wird bislang ganz überwiegend abgelehnt, die Sperrfristjudikatur fortzusetzen bzw. unter den veränderten Bedingungen des neuen Rechts zu den gleichen Ergebnissen zu gelangen, wie nach der Sperrfristrechtsprechung.995) Allerdings werden auch einige differenzierende Positionen vorgetragen.996) Zu entscheiden ist, ob in den nicht mit einer Sperre ___________ 994) So AG Göttingen, ZInsO 2014, 1677, 1678. 995) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 18; HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 9; Graf-Schlicker/Kexel, § 287a Rn. 14 ff.; Andres/Leithaus/Andres, § 287 Rn. 2; Heicke, NZI 2012, 873, 874; Ahrens, NJW-Spezial 2013, 341; ders., NJW 2014, 1841, 1845; Schmerbach, NZI 2012, 689, 692; ders., NZI 2013, 566, 569; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1440; Henning, ZVI 2014, 7, 10 f. 996) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 14; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 542; Schmidt, ZVI 2014, 211, 213 f.

221

E. Restschuldbefreiung

versehenen Konstellationen eine gesetzliche Lücke vorliegt, die durch eine analoge Anwendung der Verwerfungsregelung, insbesondere des § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO, geschlossen werden könnte. 671 Gegen eine gesetzliche Lücke spricht bereits die enge Beschränkung der Sperre auf missbräuchlich wiederholte Restschuldbefreiungsverfahren. Darin scheint eine klare legislatorische Dezision auf, die zwischen den Qualitäten und Gründen der Sperren differenziert. Diese Zielsetzung wird konsequent weiterentwickelt, soweit in den Materialien ausgeführt wird, in anderen Fällen vorhergehenden Fehlverhaltens des Schuldners seien keine Sperrfristen vorzusehen.997) Mit dieser umfassenden Aussage sind die Materialien in Kenntnis der methodischen Grundlagen der Sperrfristrechtsprechung bereits eindeutig gegen eine umfassende Analogiefähigkeit positioniert.998) Nicht jeder nachlässige Schuldner verletzt seine Pflichten gegenüber den Gläubigern.999) 672 Ausdrücklich werden sodann zahlreiche Fallgruppen genannt, in denen eine Sperre ausgeschlossen sein soll. Abgelehnt werden Sperrfristen in den Fällen des § 298 Abs. 1 InsO, des § 290 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 InsO, eines vorhergehend als unzulässig verworfenen Restschuldbefreiungsantrags oder eines im vorhergehenden Verfahren unterlassenen Restschuldbefreiungsantrags. Ebenso wenig ist danach eine Sperre zu rechtfertigen, wenn im früheren Verfahren eine Kostenstundung versagt wird, weil ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zweifelsfrei gegeben ist.1000) Jedenfalls in diesen ausdrücklich aufgeführten Konstellationen muss eine Analogie ausscheiden, weswegen eine Verwerfung des Restschuldbefreiungsantrags nach § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO oder aus anderen Gründen keine Sperrfrist rechtfertigt. Einigkeit herrscht deswegen, in diesen explizit in der Gesetzesbegründung aufgeführten Fallgruppen eine Sperre abzulehnen.1001) 673 Dies gilt auch für die Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags.1002) Taktischem Verhalten wird eine klare Grenze gezogen, soweit noch kein zulässiger Versagungsantrag gestellt sein darf.1003) In den Materialien heißt es, das Insolvenzgericht könne dem Schuldner Gelegenheit geben, seinen Antrag auf Restschuldbefreiung nach § 287a Abs. 2 Satz 2 InsO zurückzunehmen. Dies sei zulässig, weil die Entscheidung nach § 287a Abs. 1 InsO keine Sperrfrist für ein späteres Restschuldbefreiungsverfahren auslöse.1004) ___________ 997) BT-Drucks. 17/11268, S. 25; ebenso Schmidt, ZVI 2014, 211, 213. 998) Diese vom Parlament durch den Gesetzesbeschluss übernommene Aussage der Materialien ist allerdings mehr als ein obiter dictum und steht in der exegetischen Hierarchie oberhalb der BGH-Judikatur, a. A. Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 156. 999) Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 549. 1000) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1001) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 15; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1440; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 542. 1002) Vgl. Pape/Pape, ZInsO 2013, 685 f.; a. A. Streck, ZVI 2014, 205, 208. 1003) Vgl. Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 14. 1004) BT-Drucks. 17/11268, S. 25; Andres/Leithaus/Andres, § 287 Rn. 3.

222

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

(2) Sonstige Fallgruppen Nicht ganz so eindeutig erscheint die Situation bei den von den Materialien 674 an dieser Stelle nicht erwähnten Gestaltungen, etwa der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO. Auch hier steht indessen der gesetzgeberische Wille mit einer Beschränkung auf die Missbrauchsfälle einer Analogie entgegen,1005) denn es ist nicht zu verlangen, dass in den Gesetzesmaterialien sämtliche denkbaren Konstellationen angesprochen werden müssen, um eine Analogie auszuschließen. Zudem wäre es kaum plausibel, bei den in der Gesetzesbegründung genannten Fällen eine Übertragung abzulehnen, in einigen zusätzlichen Fällen aber eine Erweiterung zuzulassen. Obwohl die Bewertungsgrundlagen der Fallgruppen sonst übereinstimmen, käme es lediglich aufgrund der erfolgten oder fehlenden Erwähnung in den Materialien zu einer abweichenden und deswegen nicht überzeugenden Behandlung. Folgerichtig begründet auch ein vor einem Versagungsantrag zurückgenommener Restschuldbefreiungsantrag keine Sperre. Bei verfahrensrechtlichen Versäumnissen, wie der unterlassenen Umstellung 675 von einem Regel- auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren,1006) bei der unterlassenen Anschließung an einen Gläubigerantrag oder der Versäumung einer vom Insolvenzgericht nach § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO gesetzten Frist, tritt keine Sperre ein. Letztlich ermöglichen die gesetzlich geregelten Sperrkonstellationen eine klare Anknüpfung an eine zweifelsfreie Grundlage, die bei einem Bezug auf ein sonstiges Fehlverhalten des Schuldners mit einer Mehrbelastung des Gerichts nicht mehr besteht. Das eng geführte gesetzliche Sperrfristmodell darf nicht erweitert werden,1007) zumal es auch in einem konzeptionellen Zusammenhang mit anderen eng gefassten Schranken gegenüber einer Restschuldbefreiung steht. Auch im Insolvenz- und Kostenstundungsverfahren sollen keine zusätzlichen Hürden den Zugang zur Restschuldbefreiung blockieren. Diese konsequente Anwendung der gesetzlichen Sperren, aber auch nur der 676 positivierten Sperren, hat zudem den Vorteil einer einheitlichen zeitlichen Anknüpfung. Die früher geltenden unterschiedlichen zeitlichen Bezugspunkte der Sperrfristrechtsprechung entfallen damit.1008) Einen Sonderfall bildet die Frage, ob ein Widerruf nach § 303 Abs. 1 InsO 677 eine Sperre rechtfertigt, denn hierzu liegt, soweit ersichtlich, keine Sperrfristrechtsprechung vor. Es geht daher nicht um eine Parallele zur Sperrfristjudikatur, sondern um eine regelmäßige Analogie. Für eine analoge Anwendung spricht die weithin vergleichbare Bewertung der Widerrufe nach ___________ 1005) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 17; vgl. Pape/Pape, ZInsO 2013, 685, 686. 1006) Streck, ZVI 2014, 205, 207. 1007) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287a Rn. 15; Graf-Schlicker/Kexel, § 287a Rn. 16 f.; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 549; Waltenberger, ZInsO 2013, 1458, 1460. 1008) Karsten Schmidt/Henning, § 287 Rn. 22.

223

E. Restschuldbefreiung

§ 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO, zumal hier mit der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung und der erheblich beeinträchtigten Gläubigerbefriedigung noch höhere Anforderungen bestehen, und nach § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO mit den Fällen des § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO. Auch der Widerruf nach § 303 Abs. 1 Nr. 2 InsO stellt auf die gleichen tatbestandlich Anforderung ab, wie § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO. 678 Dennoch wird eine Sperre auszuschließen sein. In den Fällen eines Widerrufs hat der Schuldner bereits das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren vollständig absolviert. Die Gläubiger haben die gesetzmäßigen Befriedigungsleistungen vollständig erhalten. Vor allem aber führt eine solche Sperre zu einer überlangen Dauer und widerspräche der klaren Positionierung, wonach Sperrfristen für anderweitige Fälle eines vorhergehenden Fehlverhaltens des Schuldners nicht vorzusehen seien.1009) 4. Keine Vorprüfung von Versagungsgründen 679 Die Eingangsentscheidung ergeht allein über die Sperrfristgründe und andere Zulässigkeitserfordernisse. Damit kollidieren Überlegungen, die gestützt auf § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO eine vorgezogene Prüfung der Versagungsgründe legitimieren wollen.1010) Potenzielle Versagungsgründe darf das Insolvenzgericht jedoch weder vorab prüfen noch bei Gelegenheit des Eingangsbeschlusses darüber entscheiden. Weder der Wortlaut, noch die Systematik oder die Teleologie des § 287a InsO lassen für eine derartige erweiternde Anwendung Raum, die sich auch nicht in das Prüfungskonzept des Restschuldbefreiungsverfahrens einfügt. 680 In erster Linie folgt dies aus der Umformung von § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO in eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Mit dieser Kodifikation in § 287a Abs. 2 InsO hat der Gesetzgeber nicht nur einer die Versagungsgründe in Zulässigkeitsregeln umdeutenden Rechtsprechung die Grundlage entzogen, sondern zugleich auch den Willen bekundet, keine zusätzlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen zu schaffen.1011) Ziel war gerade auch, die ausgreifende Judikatur zu den von Amts wegen zu prüfenden Verfahrenssperren zurückzudrängen.1012) In der Folge modelliert § 287a InsO ein Prüfungsverfahren für Sachentscheidungsvoraussetzungen. Diese auf Sachentscheidungsvoraussetzungen konzentrierte Funktion schließt es aus, die nicht zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Restschuldbefreiung zu zählenden (fehlenden) Versagungsgründe mit der Eingangsentscheidung zu beurteilen.

___________ 1009) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1010) Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 575; Hergenröder, KTS 2013, 385, 409. 1011) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1012) Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

224

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Eine Vorkontrolle möglicher Versagungsgründe entstammt der Vorstellungs- 681 welt amtswegig zu prüfender Versagungstatbestände.1013) In einem geringfügig veränderten Gewand sollen damit die Versagungsgründe von Amts wegen geprüft werden können. Die Idee einer amtswegigen Versagungsprüfung ist bereits frühzeitig in der Literatur abgelehnt1014) und dann auch im Gesetzgebungsverfahren verworfen worden. Diesen Grundentscheidungen widerspräche es, sogleich ein neues Prüfungsfenster zu öffnen. Methodisch sind weder zusätzliche Sachentscheidungsvoraussetzungen noch amtswegig ohne Gläubigerantrag zu prüfende Versagungsgründe zu rechtfertigen. Auch die Fassung von § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO rechtfertigt kein anderes 682 Ergebnis. Nach dieser Vorschrift stellt das Gericht bei einem zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten aus § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 InsO nicht vorliegen. Bereits der Wortlaut lässt keine Prüfung zu, denn die konditionale Verweisung auf die Voraussetzungen der §§ 290, 297 bis 298 InsO ist ohne einen Versagungsantrag sowie Glaubhaftmachung nicht erfüllt. Darin ist § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO auch von § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO zu unterscheiden, auf den die kostenrechtliche Vorprüfung der Versagungsgründe gestützt wird. Während § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO allein auf den Versagungsgrund abstellt, verweist § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO auf den Gesamtumfang der Voraussetzungen und deswegen einschließlich der Verfahrenshandlungen der Insolvenzgläubiger. Vor allem aber übernimmt diese Formulierung mit unverändertem Aussage- 683 gehalt die Beschlussformel aus der aufgehobenen Ankündigungsentscheidung des § 291 Abs. 1 InsO.1015) Für diese Beschlussformel ist niemals eine Vorprüfung der zu benennenden Versagungstatbestände verlangt worden. Anhaltspunkte für eine Bedeutungsänderung bestehen nicht, zumal die Materialien dies auch nicht andeuten.1016) Weder handelt es sich um eine konstitutive noch auch nur deklaratorische Entscheidung, denn das Gericht trifft insoweit keine Feststellung, sondern spricht eine gesetzlich verlangte Information aus. Dieser auf die Information des Schuldners zielenden Norm ist kein verdeckter Subtext unterlegt, der einen zusätzlichen Prüfungsrahmen für das Insolvenzgericht eröffnet. Insgesamt gesehen überzeugt es nicht, wenn ein so substanzieller Eingriff in 684 die Verfahrensstruktur, wie eine von Amts wegen durchzuführende Prüfung ___________ 1013) Vorgeschlagen von Frind, ZInsO 2003, 341, 344. 1014) Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 296; I. Pape, NZI 2004, 601, 604 f.; Schmerbach, ZInsO 2004, 697, 700; Grote/G. Pape, ZInsO 2004, 993, 1000 ff.; DAV, ZInsO 2005, 32, 35; Stephan, NZI 2006, 671, 676; Dick, ZVI 2007, 123, 128; Ahrens, ZRP 2007, 84, 88; ders., ZInsO 2007, 673, 678 f.; a. A. Rothammer, Die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung, S. 119 ff., 122; Ohle/Jäger, ZVI 2004, 714, 718. 1015) Streck, ZVI 2014, 205, 209. 1016) BT-Drucks. 17/11268, S. 25 f.

225

E. Restschuldbefreiung

der Versagungsgründe, ohne klar erkennbare Regelung sowie ohne deutliche Akzentuierung in den Materialien eingeführt sein soll. Weder der Wortlaut noch die Gesetzgebungshistorie oder die Systematik bzw. Zielrichtung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt für eine vorgezogene Prüfung der Versagungsgründe, für die auch wegen der erweiterten Möglichkeiten der Gläubiger, einen Versagungsantrag nach § 290 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 InsO zu stellen, keine Notwendigkeit besteht. 5. Verfahren a) Prüfungsmaßstäbe 685 Nach den allgemeinen zivilverfahrensrechtlichen Grundsätzen sind die Sachentscheidungsvoraussetzungen, abgesehen von den verzichtbaren Rügen, von Amts wegen zu prüfen.1017) Im Rahmen dieser amtswegigen Prüfung sind Zweifel von Amts wegen aufzuklären.1018) Eine Untersuchung von Amts wegen findet indessen nicht statt,1019) weswegen die Beteiligten nicht vom Beibringungsgrundsatz befreit sind,1020) wenn auch der Grundsatz des Freibeweises gilt.1021) Die Behauptungs- und Beweislast für die tatsächlichen Grundlagen der Zulässigkeit trifft dabei grundsätzlich die Partei, welche die Sachentscheidung anstrebt.1022) 686 Diesen Grundsätzen folgt im Wesentlichen das Insolvenzeröffnungsverfahren. Obwohl besondere Lasten bestehen, etwa zur Glaubhaftmachung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO, gilt dort noch nicht die Amtsermittlungspflicht des § 5 Abs. 1 InsO. Diese greift erst ein, wenn ein zulässiger Insolvenzantrag vorliegt.1023) Den Antragsteller trifft in dem Vorstadium die Beibringungslast, doch muss ihn das Gericht auf etwaige Mängel hinweisen und ihm eine Frist zur Behebung setzen.1024) 687 Im Verfahren über die Eingangsentscheidung gelten die gleichen Leitlinien wie bei einer sonstigen Prüfung von Amts wegen. Dafür sprechen die Konkordanz der Zulässigkeitsprüfungen und die konstatierten Parallelen zwischen dem Verlaufsplan des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem des Restschuldbefreiungsverfahrens. So geht der BGH auch bislang schon davon aus, die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags sei von Amts wegen zu ___________ 1017) Stein/Jonas/Brehm, Vor § 1 Rn. 254; MünchKomm-ZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 328; PG/Prütting, Einleitung Rn. 13. 1018) BGHZ 143, 122, 124. 1019) Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 93 Rn. 35. 1020) Stein/Jonas/Brehm, Vor § 1 Rn. 257. 1021) BGHZ 143, 122, 124. 1022) Stein/Jonas/Brehm, Vor § 1 Rn. 257. 1023) BGHZ 153, 205, 207; MünchKomm-InsO/Schmahl/Vuia, § 13 Rn. 11; FK-InsOSchmerbach, § 13 Rn. 2, 5. 1024) BGHZ 153, 205, 207.

226

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

prüfen.1025) Neben diesen allgemeinsystematischen Erwägungen weisen auch spezialkonzeptionelle Gesichtspunkte auf einen derart konkretisierten Prüfungsmaßstab hin. Die Überprüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsverfahrens fügt sich in ein umfassenderes Modell gerichtlicher Kontrollintensitäten ein. Stabilisiert wird diese Konzeption von der Leitlinie, dem Schuldner den Zugang zur Restschuldbefreiung zu eröffnen. Um keine übermäßigen Hürden zu errichten, ist über die verschiedenen Verfahrensformen hinweg die gerichtliche Prüfungsdichte reduziert. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist das Gericht nach dem nochmals ak- 688 zentuierten gesetzgeberischen Willen durch § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO auf eine Vollständigkeitsprüfung der Formulare beschränkt. Im Kostenstundungsverfahren sollen nur offensichtliche Mängel in einem summarischen Verfahren ermittelt werden. Zu diesen beiden Verfahren fügt sich die Zulässigkeitsentscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag. Es wäre auch funktional kaum verständlich, wenn hier eine wesentlich größere Prüfungstiefe eröffnet wäre. Zu prüfen sind allein die strikt limitierten Sperrfristgründe sowie die sonstigen Sachentscheidungsvoraussetzungen mit einem fixierten Einsatz von Ermittlungsinstrumenten. Bei einem dermaßen konturierten Prüfungsprogramm sind auch kein relevanter Mehraufwand und keine Verfahrensverzögerungen zu befürchten.1026) Im Einzelfall gebotene Einstellungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO,1027) auf die verwiesen wird, können formularmäßig ohne nennenswerte Zusatzbelastungen angeordnet werden. Im Gegenteil führt der gegenüber der Sperrfristjudikatur des BGH engere Ansatz zu manchen Beschleunigungen. Die Prüfung erfolgt von Amts wegen und nicht im Rahmen einer Amtser- 689 mittlung.1028) Als Erkenntnisquelle kann sich das Gericht auf das Schuldnerverzeichnis gemäß § 303a InsO stützen, das allerdings zumindest derzeit deutliche Schwächen aufweist, weil es erst noch aufgebaut werden muss und keine Aussagen zur Restschuldbefreiung enthält. Weitere Informationsgrundlagen bilden die Erklärung und Versicherung des Schuldners nach § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO,1029) deren Wert wegen des Versagungsrisikos nach den §§ 290 Abs. 1 Nr. 6, 297a InsO nicht zu gering eingeschätzt werden darf. Schließlich kann sich das Gericht auch auf die im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens gewonnenen bzw. amtlich bekannten1030) Erkenntnisse stützen. ___________ 1025) BGH, NZI 2014, 416 Rn. 7. 1026) Graf-Schlicker/Kexel, § 287a Rn. 9; anders Schmerbach, NZI 2913, 566, 569. 1027) Schmerbach, NZI 2913, 566, 569 Fn. 54. 1028) Vgl. Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 415. 1029) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 22; Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 295; Sinz/Hiebert/Wegener, Verbraucherinsolvenz, Rn. 1013. 1030) HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 20.

227

E. Restschuldbefreiung

690 Einen möglicherweise häufiger begangenen Umweg, um zu zusätzlichen Informationen zu gelangen, eröffnet das Gutachten im Insolvenzverfahren.1031) Bislang werden in masselosen Verbraucherinsolvenzverfahren nur ganz ausnahmsweise Gutachtenaufträge erteilt. Mit Blick auf den Restschuldbefreiungsantrag könnte sich diese Praxis ändern. Das Gutachten darf zwar nur in Auftrag gegeben werden, um für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderliche Informationen zu gewinnen, wozu die Sachentscheidungsvoraussetzungen des Restschuldbefreiungsantrags nicht gehören. Ein weitergehender Auftrag ist aber nicht kontrollierbar. b) Überzeugungsbildung 691 Gelangt das Gericht aufgrund dieser oder anderer ihm vorliegenden Informationen zur Überzeugung, dass ein Sperrfristgrund vorliegt, hat es den Antrag als unzulässig zu verwerfen. Bleiben Zweifel bestehen, ist es im Rahmen der Zulässigkeitsentscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag nicht zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen berechtigt.1032) Ist der Insolvenzantrag zulässig und das Gericht bereits zur Begründetheitsprüfung im Hauptverfahren übergegangen, sind insoweit zwar Amtsermittlungsmaßnahmen zulässig. Diese dürfen sich aber nur auf die Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens beziehen, wozu die Sperrfristen gerade nicht gehören. 692 Bei den Sperrfristen existiert zudem eine Besonderheit. Im Gegensatz zu den positiv geforderten besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen, etwa der Abtretungserklärung oder der Erklärung und der Versicherung nach § 287 Abs. 1 Satz 3, 4 InsO, erklärt das Gesetz hier den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung aus den Sperrgründen für unzulässig. Damit wird eine negative Formulierung gewählt, die typischerweise die Beibringungslast auf die andere Seite verlagert. Für eine Verwerfung des Restschuldbefreiungsantrags als unzulässig aufgrund einer Sperre sind daraus die Konsequenzen zu ziehen. 693 Dieses Ergebnis ist nicht sonderlich überraschend, weil mit den in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO gewählten Anknüpfungspunkten einer gerichtlichen Entscheidung typischerweise schnell und einfach feststellbare Voraussetzungen aufgestellt werden. Obwohl die Erkenntnismöglichkeiten des Insolvenzgerichts beschränkt sind, erscheint dies durch den klaren Tatbestand des § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO, die absehbaren künftigen Erkenntnismöglichkeiten und das Versagungs- bzw. Schadensersatzrisiko für den Schuldner weithin unproblematisch. Auch wenn Unsicherheiten über ein gesperrtes Restschuldbefreiungsverfahren bestehen, darf das Insolvenzgericht den Restschuldbefreiungsantrag nicht als unzulässig verwerfen. Dieses Resultat steht in einem ___________ 1031) Streck, ZVI 2014, 205, 208, ohne den zulässigen Anwendungsbereich klar abzustecken. 1032) Waltenberger, ZInsO 2013, 1458, 1462; a. A. Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 295, der aus der auf das Schuldnerverzeichnis beschränkten Ermittlung, BTDrucks. 17/11268, S. 33, ein allgemeines Ermittlungsrecht ableitet.

228

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

folgerichtigen Zusammenhang mit dem erweiterten Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, denn wenn der Schuldner eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO abgegeben hat, kann ihm in einem Korrekturmechanismus die Restschuldbefreiung versagt werden. c) Verhältnis zur Kostenstundung Ein nicht ohne Weiteres aufzulösender Kontrast besteht zu den Anforde- 694 rungen im Kostenstundungsverfahren, worauf bereits frühzeitig hingewiesen wurde.1033) Vielfach werden die Entscheidungen über die Kostenstundung und die Eingangsentscheidung zeitgleich oder zumindest zeitnah erfolgen. Nur in einigen wenigen Fällen, in denen eine Eröffnung ohne Kostenstundung erfolgt, konkurrieren beide Verfahren nicht miteinander. Beide Materien sind nicht vollständig aufeinander abgestimmt, wie sich vor allem in zwei Bereichen erweist. Die Regelungen weichen sowohl bei den zulasten des Schuldners zu berücksichtigenden Umständen als auch bei dem maßgebenden Verfahren voneinander ab. Dann ist allerdings zu bestimmen, wie sich möglicherweise unterschiedliche Ergebnisse zueinander verhalten. Ein klarer Unterschied besteht bei den Umständen, die für eine Ablehnung 695 der Kostenstundung und einer Verwerfung der Restschuldbefreiung als unzulässig aufgrund einer Sperre heranzuziehen sind. Im Stundungsverfahren werden voraussichtlich weiterhin alle offensichtlich vorliegenden Versagungsgründe berücksichtigt werden, während die Restschuldbefreiung nur bei den in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO genannten Gründen gesperrt ist.1034) Demgegenüber ist die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags von Amts wegen zu prüfen, während die Prüfung der Kostenstundung an den summarischen Charakter des Verfahrens anzupassen und auf leicht feststellbare und für den Schuldner offensichtliche Tatsachen zu beschränken ist.1035) Zusammenfassend gesehen erfolgt bei der Kostenstundung eine sachlich breitere, aber weniger eingehende Prüfung. Jedes Verfahren unterliegt damit seinen eigenen Anforderungen. Trotz man- 696 cher zeitlicher und sachlicher Parallelen sind diese Trennungen aufrechtzuerhalten. Erkenntnisse aus dem Restschuldbefreiungsverfahren dürfen zwar im Kostenstundungsverfahren fruchtbar gemacht werden. Es darf jedoch wegen noch ausstehender Erkenntnisse im Rahmen der Eingangsentscheidung die Stundungsentscheidung bei Entscheidungsreife nicht aufgeschoben werden.

___________ 1033) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 415; Schmerbach, NZI 2012, 689, 691; ders., NZI 2013, 566, 569. 1034) Vgl. Schmerbach, NZI 2012, 689, 691. 1035) BGH, NZI 2006, 712 Rn. 7; FK-InsO/Kohte, § 4a Rn. 19; AGR/Ahrens, § 4a Rn. 57.

229

E. Restschuldbefreiung

d) Anhörung 697 Eine Anhörung der Insolvenzgläubiger ist im Rahmen der Eingangsentscheidung weder ausdrücklich vorgesehen1036) noch regelmäßig erforderlich. Die durch eine Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligten Insolvenzgläubiger sind nach § 287 Abs. 4 InsO bis zum Schlusstermin anzuhören. Da eine Forderungsanmeldung zum Zeitpunkt der Eingangsentscheidung noch nicht erfolgt ist, kann eine Anhörungspflicht nicht auf § 287 Abs. 4 InsO gestützt werden. Überhaupt bestehen bei der Eingangsentscheidung noch keine verlässlichen Anhaltspunkte, wer als Gläubiger verfahrensbeteiligt sein und Verfahrensrechte geltend machen könnte, weswegen eine allgemeine Anhörung ausscheidet.1037) 698 Die Erwägung aus den Materialien, durch die Eingangsentscheidung seien spätere Einwendungen der Gläubiger nicht präkludiert,1038) überzeugt indessen nicht. Mit der Eingangsentscheidung wird rechtskräftig festgestellt, dass kein Sperrfristgrund vorliegt. Von den Gläubigern können deswegen später nur noch andere Einwendungen und Versagungsgründe vorgetragen werden. Dennoch ist allenfalls im Einzelfall eine Anhörung geboten, um das rechtliche Gehör zu wahren. Da die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Restschuldbefreiungsantrags regelmäßig noch keine Rechte der Insolvenzgläubiger berührt, wird dies die Ausnahme bleiben. 699 Auch eine Anhörung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist nicht vorgesehen. Er wird kaum aus eigener Erkenntnis über Sachentscheidungsvoraussetzungen berichten können. Die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags betrifft ihn nicht in seinen Rechten. e) Antragsrücknahme gemäß § 287a Abs. 2 Satz 2 InsO 700 Liegt ein Verwerfungsgrund vor, hat das Insolvenzgericht dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Insolvenzeröffnungsantrag vor der Eingangsentscheidung zurückzunehmen. Dadurch sollen der Aufwand und die Kosten eines für den Schuldner überflüssigen Insolvenzverfahrens vermieden werden können.1039) 701 Erforderlich sind zwei gerichtliche Hinweise und zwei Fristsetzungen. Zunächst muss das Gericht auf Zweifel an der Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags hinweisen und den Schuldner unter Fristsetzung auffordern, die Mängel zu beseitigen. Dabei handelt es sich um eine Konsequenz der amtswegigen Prüfung und der gerichtlichen Fürsorgepflicht. Nach Ablauf ___________ 1036) BT-Drucks. 17/11268, S. 24. 1037) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 11; HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 5; Graf-Schlicker/Kexel, § 287a Rn. 4. 1038) BT-Drucks. 17/11268, S. 24. 1039) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

230

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

dieser Frist hat der gerichtliche Hinweis auf das Rücknahmerecht zu erfolgen. Der Hinweis ist erst vorgesehen, wenn nach der amtswegigen Prüfung nicht ausgeräumte, beachtliche Zweifel an der Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags bestehen. Das Gericht darf beide Hinweise in einem Schreiben geben und dort auch zwei Fristen setzen, doch ist die Trennung zwischen dem aus § 4 InsO i. V. m. § 139 ZPO erforderlichen Hinweis und dem nach § 287a Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachten. Der in § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO vorgeschriebene, also der zweite Hinweis 702 auf das Rücknahmerecht muss rechtzeitig vor dem Eröffnungsbeschluss erfolgen, denn der Insolvenzantrag darf nur bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung des Eröffnungsantrags zurückgenommen werden, § 13 Abs. 2 InsO. Dafür ist dem Schuldner eine richterliche Frist von regelmäßig zwei bis vier Wochen zu setzen. Nach dem Gesetzestext von § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO ist dem Schuldner „in 703 diesen Fällen“ und damit offenbar in den Sperrfristfällen von § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO der sachliche Anwendungsbereich der Rücknahmemöglichkeit eröffnet. Dafür sprechen gerade die systematische Stellung und die Aufzählung bestimmter Fallgruppen in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO, aber auch die Gesetzesmaterialien, die auf eine Versagung bzw. Erteilung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren abstellen.1040) Dennoch ist in den übrigen Konstellationen eines unzulässigen Restschuldbefreiungsantrags der Hinweis geboten. Die gleichen Gründe wie in den Sperrfristfällen sprechen hier für einen gesetzlichen Hinweis und ein Rücknahmerecht. Ist der Restschuldbefreiungsantrag unzulässig, können die Verfahrenskosten 704 nicht gestundet bzw. eine bewilligte Stundung muss aufgehoben werden. Da der Schuldner die Verfahrenskosten nicht tragen kann, wird er häufig den Insolvenzantrag zurücknehmen. Sind die Voraussetzungen der Verwerfung umstritten, sprechen gute Gründe dafür, den Antrag zunächst nicht zurückzunehmen und eine sofortige Beschwerde einzulegen. In der Beschwerdeinstanz ist dem Schuldner vor einer negativen Entscheidung erneut eine Rücknahmemöglichkeit zu eröffnen. Kann der Schuldner die Verfahrenskosten tragen, wird er vor einer Rücknahme prüfen, ob er eine Schuldbefreiung durch einen Insolvenzplan anstreben kann und deswegen das Insolvenzverfahren durchführen will. Der gesetzliche Wortlaut sieht allein eine Rücknahme des Insolvenzantrags 705 vor. In der Konsequenz wäre dann der Restschuldbefreiungsantrag wegen der fehlenden Sachentscheidungsvoraussetzung eines Insolvenzantrags zu verwerfen. Um diese folgerichtige, aber wenig sinnvolle Situation zu vermeiden, ist dem Schuldner zusätzlich Gelegenheit zu geben, seinen Restschuldbefreiungsantrag zurückzunehmen, worauf die Materialien ausdrücklich hin___________ 1040) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

231

E. Restschuldbefreiung

weisen.1041) Da eine Antragsrücknahme zu keiner Sperre führt, kann der Schuldner einen neuen Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrag stellen, nachdem die hindernde Sperrfrist abgelaufen ist. 706 Wird der Schuldner nicht auf die Rücknahmemöglichkeit hingewiesen, ist eine ergangene Verwerfungsentscheidung fehlerhaft, aber nicht nichtig. Ist die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde bereits abgelaufen, wird dem Schuldner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein, § 4 InsO i. V. m. den §§ 233, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die fehlende Information über das Rücknahmerecht führt zu einer unverschuldeten Hinderung an der Einlegung der sofortigen Beschwerde. f) Sonstige Fragen 707 Für die Eingangsentscheidung ist der Richter funktionell zuständig. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG ist in Insolvenzsachen der Richter für das Verfahren über den Eröffnungsantrag zuständig. Da die Eingangsentscheidung spätestens mit dem Eröffnungsbeschluss zu ergehen hat, ist deswegen auch die Eingangsentscheidung dem Richter vorbehalten, wie § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG ausdrücklich bestimmt.1042) Die Zuständigkeitsanordnung ist allerdings wenig glücklich formuliert, denn der Relativsatz des § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG, wenn ein Insolvenzgläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, ist nach seiner Stellung auch auf § 287a InsO bezogen. Bei der Eingangsentscheidung sind allerdings noch keine Versagungsanträge statthaft. In der Konsequenz entfällt nicht die Zuständigkeit des Richters, sondern seine Zuständigkeit ist unabhängig von einem Restschuldbefreiungsantrag begründet. 708 Im Verfahren über die Eingangsentscheidung gelten grundsätzlich die allgemeinen insolvenzrechtlichen Regeln. Soweit danach das Insolvenzverfahren schriftlich durchzuführen ist, erfasst dieses Schriftlichkeitsprinzip auch das Restschuldbefreiungsverfahren und damit auch das Verfahren über die Eingangsentscheidung.1043) Das Gericht kann aber nach § 5 Abs. 2 Satz 2 InsO einzelne Verfahrensteile und damit etwa auch das Verfahren über die Restschuldbefreiung mündlich durchführen. 709 Mit den allgemeinen Gerichtsgebühren für die Durchführung des Insolvenzverfahrens soll grundsätzlich auch das Verfahren über die Restschuldbefreiung abgegolten sein. Ein Rechtsanwalt erhält für das Restschuldbefreiungsverfahren grundsätzlich keine zusätzlichen Gebühren.1044) ___________ 1041) BT-Drucks. 17/11268, S. 25; Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 303. 1042) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 9; HK-InsO/Waltenberger, § 287a n. F. Rn. 2. 1043) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 17. 1044) FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 67 ff.

232

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

6. Entscheidung a) Beschluss Die Eingangsentscheidung über die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsan- 710 trags ergeht nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO durch Beschluss.1045) In jedem Restschuldbefreiungsverfahren muss eine solche Entscheidung erfolgen, sei es als Entscheidung über einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag, sei es in Form einer Verwerfung als unzulässig. Diese Konsequenz folgt aus der gesetzlichen Regelung des § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO, wonach gerade auch bei einem zulässigen Restschuldbefreiungsantrag ein Beschluss zu ergehen hat, und entspricht den in den Materialien artikulierten Vorstellungen.1046) Bei dieser Entscheidung steht dem Gericht kein Ermessen zu. b) Zeitpunkt Der Zeitpunkt der Eingangsentscheidung ist nur teilweise festgelegt. In den 711 Materialien heißt es zwar, das Insolvenzgericht soll mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens treffen. Mehr als eine Erwartung ist damit indessen nicht formuliert. Eine insolvenzrechtliche Bindung ist in diesem Punkt nicht vorgesehen. Das Insolvenzgericht kann, muss aber nicht, mit dem Eröffnungsbeschluss über die Zulässigkeit der Restschuldbefreiung entscheiden. Der einzige feste Referenzpunkt aus § 287a Abs. 2 Satz 2 InsO verlangt vom 712 Insolvenzgericht, den Schuldner auf einen unzulässigen Restschuldbefreiungsantrag hinzuweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, seinen Insolvenzantrag vor der Eröffnung zurückzunehmen. Der Schuldner muss daher vor der Eröffnungsentscheidung auf das Rücknahmerecht hingewiesen werden. Erfolgt dieser Hinweis in einem entsprechend frühen Verfahrensstadium, kann die Eingangsentscheidung sehr schnell ergehen. Da in einer entscheidungsreifen Sache entsprechend § 4 InsO i. V. m. § 300 Abs. 1 ZPO eine Entscheidung zu ergehen hat, kann das Insolvenzgericht ggf. noch vor der Eröffnungsentscheidung seine Eingangsentscheidung fällen. Nicht dem Plan des Gesetzes entspricht dagegen eine Eingangsentscheidung 713 nach der Eröffnung. Liegen die Voraussetzungen der Eingangsentscheidung im Zeitpunkt der Eröffnung vor, ist die Sache entscheidungsreif und der Beschluss muss erfolgen. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, weil noch einzelne Punkte zu klären sind, dann darf kein Hinweis nach § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO erfolgen. In diesem Fall kann auch kein Eröffnungsbeschluss ergehen. Aus praktischen Erwägungen wird die Eingangsentscheidung regelmäßig zu- 714 sammen mit dem Eröffnungsbeschluss erfolgen. Sachlich sinnvoll ist dies, wenn mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden sind. Erst dann steht fest, ___________ 1045) Muster bei Schmerbach, NZI 2014, 553. 1046) BT-Drucks. 17/11268, S. 24.

233

E. Restschuldbefreiung

auf welchen Insolvenzantrag hin das Verfahren eröffnet wird. Diese Bestimmung kann erforderlich sein, um eine mögliche Sperrfrist zu berechnen. 715 Noch offener erscheint das Verhältnis zur Kostenstundung. Die Stundungsentscheidung ist zeitlich nicht besonders fixiert. Sie muss aber bei einer Entscheidungsreife erfolgen. Da das Gericht im Stundungsverfahren summarisch prüft, wird es regelmäßig noch vor der Eingangsentscheidung über die Kostenstundung befinden können. c) Entscheidungsalternativen aa) Zulässiger Antrag 716 Zur Entscheidung über einen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung erfolgen in § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO einige Andeutungen. Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig, muss das Insolvenzgericht danach durch Beschluss positiv feststellen,1047) dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten aus § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 – 298 InsO nicht vorliegen. Damit scheint die Regelung ganz auf der Linie von § 291 Abs. 1 InsO zu liegen. Im Ausgangspunkt wird der wesentliche Aussagegehalt dieser aufgehobenen Vorschrift übernommen, ergänzt um einige neue Akzentuierungen. Auf dieser Linie liegt es, wenn die zu § 291 InsO eingebürgerte Bezeichnung für die Entscheidung als Ankündigung der Restschuldbefreiung zumindest teilweise beibehalten wird.1048) 717 Gerade diese unaufgeregte vordergründige Übernahme eines bekannten Regelungsgehalts ist das Überraschende, denn die Wirkungen der Eingangsentscheidung weichen deutlich von denen der Ankündigung der Restschuldbefreiung ab. Während mit der Eingangsentscheidung über die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags befunden wird, organisierte die Ankündigung einige Folgen des Übergangs in die Treuhandperiode. Um diesen Unterschied nicht zu verwischen, sollte die Eingangsentscheidung nicht als Ankündigung bezeichnet werden. 718 Beim Normtransfer aus § 291 Abs. 1 InsO in § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO ist die Ernennung des Treuhänders sachgerecht nicht übernommen worden, vgl. § 288 Satz 2 InsO. Dennoch wirkt die neue Regelung unfertig. Im Fall eines zulässigen Restschuldbefreiungsantrags ist offenbar lediglich der gleichsam sekundäre Hinweis auf die vom Schuldner einzuhaltenden Anforderungen normiert. Erst ein genauerer Blick auf die Regelung deckt das gesetzliche Defizit auf. Festzustellen sind nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO einige Voraussetzungen, unter denen der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangen kann. ___________ 1047) Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 803. 1048) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 25; Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 787, 819.

234

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Nicht festzustellen ist danach die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags. Nach der gesetzlichen Regelung muss das Insolvenzgericht feststellen, dass 719 der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er bestimmte Anforderungen erfüllt. Die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags wird damit nicht angesprochen. Mit der in § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Feststellung könnte vielleicht eine ausdrückliche Feststellung der Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags gemeint sein. Dagegen sprechen freilich mehrere Erwägungen. Die gesetzliche Formulierung ist aus § 291 Abs. 1 InsO und damit aus einer Vorschrift übernommen, die keine besondere Entscheidung über die Zulässigkeit und auch keinen speziellen Ausspruch darüber vorsah. Nun ist ein Bedeutungswandel zwar nicht ausgeschlossen, liegt aber auch nicht auf der Hand. Vor allem aber bezieht sich die Feststellung auf die künftig zu erreichende Restschuldbefreiung und nicht auf die derzeit bejahte Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags. Etwas zugespitzt formuliert wird damit ein Ausspruch dieser Nebenbestim- 720 mung verlangt, wohingegen der eigentliche Entscheidungsgegenstand eines zulässigen Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung unerwähnt bleibt. Aufgrund der einfachen Übernahme einer gesetzlichen Regelung wird nicht der feststellungsbedürftige Ausspruch der Zulässigkeit, sondern der nicht feststellungsbedürftige gesetzliche Hinweis auf die zu erreichende Restschuldbefreiung normiert. Selbstverständlich kann das Insolvenzgericht in seiner Tenorierung die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags feststellen und ist vielleicht im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit gehalten, dies zu tun. Spricht das Insolvenzgericht nicht ausdrücklich die Zulässigkeit aus, müssen 721 die verfahrensrechtlichen Konsequenzen bestimmt werden. Erteilt das Insolvenzgericht lediglich den vorgeschriebenen Hinweis, setzt es die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags voraus. Damit wird die Zulässigkeit des Antrags in der Eingangsentscheidung festgestellt. Konkret geht es zusätzlich um die Tatbestandswirkung der Eingangsent- 722 scheidung, denn ein zulässiger Antrag ist Voraussetzung der Restschuldbefreiung. Formuliert das Insolvenzgericht allein den nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO erforderlichen Hinweis, bleibt offen, ob damit auch eine Tatbestandswirkung zu erreichen ist. Obwohl dies nicht selbstverständlich ist, wird man dies bejahen können, denn nur bei einem zulässigen Restschuldbefreiungsantrag darf der Hinweis erteilt werden. Sollten Zweifel daran bestehen, kann dem Schuldner ein Rechtsschutzbedürfnis für eine sofortige Beschwerde nicht abgesprochen werden. Zudem ist zu erwägen, ob der Schuldner einen Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit seines Restschuldbefreiungsantrags stellen kann.

235

E. Restschuldbefreiung

bb) Unzulässiger Antrag 723 Fehlt eine Sachentscheidungsvoraussetzung, hat das Insolvenzgericht den Schuldner darauf aufmerksam zu machen und eine Frist zur Beseitigung des Mangels zu setzen. Außerdem ist der Schuldner unter Fristsetzung auf das Rücknahmerecht hinzuweisen (Rn. 700). Das Gericht muss den Antrag verwerfen, wenn danach der Mangel nicht behoben bzw. der Antrag nicht zurückgenommen wird. In diesem Fall ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 4 InsO i. V. m. § 232 ZPO erforderlich. 724 Eine ausdrückliche normative Anknüpfung, um den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu verwerfen, eröffnet allein § 287a Abs. 2 InsO für die Sperrfristfälle.1049) In den sonstigen Konstellationen ist die Rechtsgrundlage aus einem Umkehrschluss zu § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO abzuleiten. Wenn das Insolvenzgericht die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags feststellen kann, dann muss es selbstverständlich auch den Antrag als unzulässig verwerfen dürfen. d) Hinweis auf die weiteren Anforderungen gemäß § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO 725 In das relativ schlichte, weitgehend aus § 291 Abs. 1 InsO übernommene und damit vielleicht etwas kurz gedachte gesetzliche Modell fügt sich auch der in § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO normierte Hinweis auf die an den Schuldner gerichteten Anforderungen ein. Ist der Restschuldbefreiungsantrag zulässig, muss das Insolvenzgericht den Schuldner darauf hinweisen, dass er die Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten aus § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 – 298 InsO nicht vorliegen. Damit erfolgt eine nicht ganz wortlautgetreue, sondern geringfügig ergänzte und vielleicht auch etwas modifizierte Übernahme des bisher in § 291 Abs. 1 InsO geregelten Hinweises. Aufgeführt werden damit einige für die Begründetheit des Restschuldbefreiungsantrags wesentlichen Voraussetzungen. Vollständig ist der Hinweis jedoch nicht. 726 Einige offensichtliche Fragen lassen sich im Einklang mit dem bisherigen Verständnis von § 291 Abs. 1 InsO lösen. Für die Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags besitzt der Hinweis keine konstitutive Bedeutung, weswegen die Eingangsentscheidung auch ohne diesen Hinweis wirksam ist. Die verfahrensbezogenen Obliegenheiten aus § 296 Abs. 2 InsO werden in § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO, wie früher in § 291 Abs. 1 InsO, nicht erwähnt, doch stehen sie den angeführten Versagungsgründen gleich.1050) Das Gericht sollte über sie ebenfalls informieren, doch ist ein unterlassener Hinweis für die Zulässigkeitsentscheidung unschädlich. ___________ 1049) Noch enger Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 804. 1050) Vgl. MünchKomm-InsO/Stephan, § 291 Rn. 13; Gottwald/Ahrens, § 77 Rn. 99.

236

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Aus nicht ersichtlichen Gründen wird die bisherige Hinweisstruktur des 727 § 291 Abs. 1 InsO entlang der Legalordnung und damit auch der Chronologie des Restschuldbefreiungsverfahrens aufgegeben. Die Novelle stellt zunächst auf die Obliegenheit aus § 295 InsO ab, um erst anschließend auf die §§ 290, 297 – 298 InsO zu verweisen. Dieser etwas ungeordnet wirkende Hinweis verursacht gewisse Unsicherheiten und vielleicht auch einiges Unbehagen. Wieso die Unterscheidung zwischen Obliegenheiten und den sonstigen Anforderungen an den Schuldner für dessen Information Bedeutung besitzt, erschließt sich nicht. Ein Grund für die gesetzliche Reihung wird in den Materialien nicht genannt und ist auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Selbst wenn mit der Novelle keine vollständige Vorstellung über den sachlichen 728 Gehalt der Änderung verbunden gewesen sein sollte, ist doch die veränderte gesetzliche Fassung nicht bedeutungslos. Kaum vorstellbar erscheint indessen eine qualitative Ordnung nach der Wichtigkeit der Versagungsgründe. Zunächst fehlen bereits jegliche Hinweise darauf, wie eine Relevanzbestimmung erfolgt sein könnte. Wegen der niedrigeren Anforderungen bestimmt zudem § 290 Abs. 1 InsO die wahrscheinlich wichtigsten Versagungsgründe, denn diese Vorschrift verlangt regelmäßig keine beeinträchtigte Gläubigerbefriedigung. Eine gewisse Plausibilität als Anlass der veränderten gesetzlichen Fassung 729 besitzt eine Kombination aus Ordnungsvorstellungen und Ergänzungsnotwendigkeiten. Sprachlich wird nach den Obliegenheiten des § 295 InsO und den Voraussetzungen für eine Versagung nach den anderen Versagungsgründen differenziert. Soweit es heißt, der Schuldner erlange Restschuldbefreiung, wenn er den Obliegenheiten aus § 295 InsO nachkommt, entspricht dies der früheren Fassung von § 291 Abs. 1 InsO. Dennoch ist der Hinweis unzutreffend, denn es kommt nicht darauf an, ob der Schuldner den Obliegenheiten nachkommt, sondern ob ein erfolgreicher Versagungsantrag gestellt worden ist. Sollte mit der Formulierung ein systematischer Ansatz verfolgt werden, legt 730 er zumindest nahe, dass allein in den Fällen des § 295 InsO eine Obliegenheitsverletzung anzunehmen ist. In der Konsequenz wären die Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO nicht als Obliegenheiten anzusehen, was für § 290 Abs. 1 Nr. 1 – 6 InsO und damit die bisherigen Versagungsgründe zutrifft. Bei § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO kollidiert dies freilich mit den allgemeinen Vorstellungen einer Erwerbsobliegenheit. An einer systematisch ungewöhnlichen Stelle hätte dann der Gesetzgeber die Erwerbsobliegenheit in eine Erwerbspflicht umgemünzt. Davon sollte freilich nicht ausgegangen werden. Die anderen Elemente von § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO, d. h. die im 3. Halbs. geregelten Verfahrensobliegenheiten, können dagegen sehr wohl in Pflichten uminterpretiert werden (Rn. 853). Letztlich verbleibt für den Schuldner eine gewisse Irritation, wenn ihm nicht 731 verständlich ist, warum eine derartige unsystematische Reihung vorgenom-

237

E. Restschuldbefreiung

men wird. Dem kann das Gericht begegnen, indem es den Hinweis entsprechend der Legalordnung umformuliert. e) Unterbliebene Eingangsentscheidung 732 Unterlässt das Insolvenzgericht die Eingangsentscheidung und eröffnet es das Insolvenzverfahren, ohne über die Zulässigkeit befunden zu haben, ist offen, welche Konsequenzen daraus insbesondere für den Restschuldbefreiungsantrag, aber auch für den Insolvenzantrag resultieren. Naheliegend erscheint, die Eingangsentscheidung im eröffneten Verfahren nachzuholen. Dies dürfte jedenfalls dann möglich sein, wenn dem keine zwingenden verfahrensrechtlichen Wirkungen und keine schützenswerten Interessen des Schuldners entgegenstehen. Das ist der Fall, falls das Insolvenzgericht den Restschuldbefreiungsantrag für zulässig erklärt. Die Entscheidung kann letztlich noch zusammen mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Einsetzung des Treuhänders nach § 288 Satz 2 InsO ergehen. 733 Erfüllt der Restschuldbefreiungsantrag dagegen nicht die Sachentscheidungsvoraussetzungen, ist nicht sicher, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Restschuldbefreiungsantrag noch verworfen werden kann. Nicht verzichtbare Sachenentscheidungsvoraussetzungen müssen am Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen.1051) Prinzipiell dürften deswegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geprüft werden. Allerdings ist die Eingangsentscheidung gesetzlich auf die Zeitspanne bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgelegt und damit wohl auch beschränkt. Zudem wäre bei einem erst nach der Insolvenzeröffnung verworfenen Restschuldbefreiungsantrag das Rücknahmerecht des Schuldners aus den §§ 287a Abs. 2 Satz 2, 13 Abs. 2 InsO abgeschnitten. Selbst wenn diese Rücknahmebefugnis nachträglich eröffnet wird, könnten die Außenwirkungen der Insolvenzeröffnung nicht vollständig beseitigt werden. Damit sprechen gute Gründe dafür, ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners anzunehmen und eine nachträgliche Verwerfung des Antrags auszuschließen. f) Wirkungen der Entscheidung 734 Die Eingangsentscheidung ergeht durch Beschluss. Da sie nach § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO durch die sofortige Beschwerde angefochten werden kann, ist sie grundsätzlich für das erkennende Insolvenzgericht nach Maßgabe von § 4 InsO i. V. m. den entsprechend anzuwendenden Bestimmungen der §§ 329, 318 ZPO bindend.1052) Das Gericht darf deswegen seine ursprüngliche Entscheidung nicht nachträglich ändern. ___________ 1051) BGHZ 32, 279, 282; Stein/Jonas/Brehm, Vor § 1 Rn. 261. 1052) Vgl. Stein/Jonas/Roth, § 329 Rn. 21; MünchKomm-ZPO/Musielak, § 329 Rn. 11.

238

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Auch Beschlüsse sind der Rechtkraft fähig, wenn sie formell rechtskräftig 735 und damit unabänderlich sind sowie für das weitere Verfahren maßgeblich sein können,1053) was wegen der Konsequenzen der Eingangsentscheidung für die Restschuldbefreiung anzunehmen ist. Hat das Gericht den Restschuldbefreiungsantrag verworfen, besteht eine Rechtskraftbindung über den entschiedenen Punkt. Aufgrund der Rechtskraftwirkung der Eingangsentscheidung können nur berücksichtigungsfähige nachträgliche Änderungen bei den Sachentscheidungsvoraussetzungen zu einer Verwerfung des Restschuldbefreiungsantrags führen. Ergeht die Eingangsentscheidung vor dem Eröffnungsbeschluss und wird danach der Insolvenzeröffnungsantrag des Schuldners wirksam zurückgenommen, kann der Restschuldbefreiungsantrag verworfen werden. Außerdem entfaltet die Eingangsentscheidung Tatbestandswirkung für die nachfolgend zu erteilende Restschuldbefreiung. Weniger klar ist das Verhältnis zwischen dem Eröffnungsbeschluss und der 736 Eingangsentscheidung. Für das bisherige Recht hat der BGH die Selbständigkeit beider Verfahren betont. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trifft danach das Insolvenzgericht keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung.1054) Da nach neuem Recht die Eingangsentscheidung spätestens zusammen mit dem Eröffnungsbeschluss erfolgen muss, wird es künftig, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, nicht mehr um die Rechtskraftbindung durch den Eröffnungsbeschluss gehen. Wegen der sachlichen Parallele, aber möglichen zeitlichen Disharmonie zwi- 737 schen Eröffnungsbeschluss und Eingangsentscheidung, ist indessen zu erwägen, ob eine vor dem Eröffnungsbeschluss ergangene Eingangsentscheidung das Insolvenzgericht bindet. Aus § 318 ZPO kann diese Bindungswirkung kaum abgeleitet werden, weil es sich bei dem Insolvenz- und dem Restschuldbefreiungsverfahren um zwei unterschiedliche Verfahren handelt. Unerheblich ist das einheitliche Aktenzeichen, denn dieses rein äußerliche Ordnungsmerkmal darf nicht über die verfahrensrechtlichen Inhalte bestimmen. Die Rechtskraftwirkung der Eingangsentscheidung erfasst aber den Eröffnungsbeschluss, sofern dort über identische Punkte zu befinden ist. Im Übrigen sind die Verfahren unabhängig voneinander durchzuführen. Ist 738 der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung unzulässig, wird der Insolvenzantrag vielfach dennoch zulässig sein. Nimmt der Schuldner seinen Insolvenzantrag nicht zurück, ist das Insolvenzverfahren durchzuführen. Die Kosten müssen dann allerdings gedeckt sein, weil keine Kostenstundung zu erreichen ist. Für den Schuldner kann die Fortführung des Insolvenzverfahrens eine sachgerechte Option darstellen, wenn er eine konsensuale Schuldbefreiung über einen Insolvenzplan erreichen möchte. ___________ 1053) MünchKomm-ZPO/Musielak, § 329 Rn. 12; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 153 Rn. 2. 1054) BGH, NZI 2011, 544 Rn. 5; 2014, 416 Rn. 7; AGR/Fischer, § 287 Rn. 8.

239

E. Restschuldbefreiung

g) Sofortige Beschwerde 739 Gegen den Beschluss, mit dem der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig verworfen wird, steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu, § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO. Dieses Beschwerderecht besteht nur für den Schuldner. Da allein er befugt ist, die sofortige Beschwerde einzulegen, ist ein Rechtsmittelverfahren nur dann zulässig, wenn der Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig verworfen wurde. Lediglich in diesem Fall liegt die erforderliche Beschwer vor. Gegen eine Abweisung des Antrags als unbegründet ist nicht die Beschwerde nach § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO eröffnet. Es sind die dafür jeweils vorgesehenen Rechtsmittel einzulegen, etwa nach § 300 Abs. 4 Satz 2 InsO. 740 Eine Beschwerdeberechtigung der Gläubiger ist nicht vorgesehen und deswegen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO mangels gesetzlicher Zulassung ausgeschlossen. Eine Rechtsbeeinträchtigung der Gläubiger durch eine fehlerhaft angenommene Sachentscheidungsvoraussetzung erscheint nicht prinzipiell ausgeschlossen, wird aber gesetzlich als unerheblich angesehen. Diese Konsequenz ist nicht völlig bedenkenfrei, wird aber durch die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen von Amts wegen gemildert. 741 Systematisch ist die Beschwerdeberechtigung wenig plausibel in § 287a Abs. 1 InsO normiert.1055) § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO regelt die Eingangsentscheidung über einen zulässigen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Da der allein beschwerdeberechtigte Schuldner bei einem zulässigen Antrag nicht beschwert ist, kommt in diesem Fall keine sofortige Beschwerde in Betracht. Erst aus einem Umkehrschluss zu § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO ist abzuleiten, dass ein unzulässiger Restschuldbefreiungsantrag zu verwerfen ist. 742 Die Sperrfristfälle, in denen ein Restschuldbefreiungsantrag für unzulässig erklärt wird, sind dagegen in § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO geregelt. Über die Sachentscheidungsvoraussetzungen hinaus ist in dieser Vorschrift zugleich die Folgenanordnung der Unzulässigkeit des Antrags bestimmt, weswegen der Antrag im Fall einer Sperre zu verwerfen ist. Aufgrund der zweigleisig normierten Unzulässigkeit, ausdrücklich in den besonderen Sperrfristfällen des § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO und im Umkehrschluss zu § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO in den sonstigen allgemeinen Fällen, muss eine umfassende Beschwerdeberechtigung existieren. Die Regelung in § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO erfasst nach ihrer systematischen Stellung jedoch nicht unmittelbar die Sperrfristfälle. Um dennoch den gebotenen Rechtsmittelzugang zu eröffnen, ist § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO als § 287a Abs. 3 InsO zu lesen und auf alle Verwerfungen des Restschuldbefreiungsantrags als unzulässig zu beziehen.

___________ 1055) Ahrens, Norddeutsches Insolvenzforum, 5.11.2012, S. 32, http://www.insoforum.de/ dateien/vortragprofdrahrensvom51120122012.2012.

240

III. Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO

Wenn das Insolvenzgericht den Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig 743 verwirft, wird es regelmäßig zusätzlich den Kostenstundungsantrag ablehnen und in der Konsequenz auch den Insolvenzeröffnungsantrag abweisen. Legt der Schuldner gegen die Verwerfung des Restschuldbefreiungsantrags sofortige Beschwerde ein, wird dieses Rechtsmittel regelmäßig zugleich gegen die anderen Entscheidungen gerichtet sein, soweit kein anderer ausdrücklicher Wille feststellbar ist. Dann können bei einer positiven Entscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag die Verfahrenskosten gestundet und das Insolvenzverfahren eröffnet werden. h) Insbesondere: Die sofortige Beschwerde bei der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO Ganz unproblematisch besteht dieses Beschwerderecht, wenn der Restschuld- 744 befreiungsantrag mangels eines Insolvenzantrags verworfen wird. Hat das Insolvenzgericht den Schuldner nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Ergänzung seines Insolvenzantrags aufgefordert und ist der Schuldner dem nicht nachgekommen, gilt gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO der Insolvenzantrag als zurückgenommen. Da dann die besondere Sachentscheidungsvoraussetzung eines Insolvenzantrags fehlt, ist der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zu verwerfen. Folgerichtig ist die sofortige Beschwerde im Fall der Rücknahmefiktion ebenso eröffnet.1056) Gegen die nunmehr eröffnete sofortige Beschwerde sprechen nicht die bis- 745 lang gegen das Beschwerderecht im Fall der Rücknahmefiktion angeführten Gründe. Als entscheidende Argumente, weswegen bislang die sofortige Beschwerde gegen die Wirkungsweise des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO ausgeschlossen sein soll, nennt der BGH die Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung. Um einen zügigen Ablauf des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten, sei die sofortige Beschwerde ausgeschlossen, ausgenommen allein die gesetzlich zugelassenen Fälle.1057) Dieser Beschleunigungszweck trägt nicht länger, um eine sofortige Beschwerde auch weiterhin auszuschließen. Da die sofortige Beschwerde ohnedies nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO eröffnet ist, bestehen keine funktionalen Bedenken gegen ein auf die Voraussetzungen der Rücknahme erstrecktes Beschwerdeverfahren. Mit dem durch § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO eröffneten Rechtsmittelzug werden bereits gesetzlich die wesentlichen Verzögerungsmöglichkeiten in Kauf genommen. Die erforderliche Kontrolle, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO erfüllt sind, wiegt dann wenig schwer und ist typischerweise sehr schnell anhand der Aktenlage durchführbar. Der Bundesrat hat allerdings die noch im Regierungsentwurf vorgesehene 746 Umwandlung der Rücknahmefiktion in eine Verwerfungsentscheidung und ___________ 1056) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845. 1057) BGH, NZI 2004, 40, 41; 2005, 403.

241

E. Restschuldbefreiung

eine dagegen eröffnete sofortige Beschwerde als entbehrlich angesehen, weil die Gefahr exzessiver Auflagen nicht mehr in gleicher Weise bestünde wie früher.1058) Dem hat sich der Rechtsausschuss angeschlossen,1059) weswegen keine sofortige Beschwerde in § 305 Abs. 3 InsO geregelt wurde. Ausgeschlossen wird die sofortige Beschwerde durch diese Erwägungen indessen nicht. Das reine Zweckmäßigkeitsargument einer nicht erforderlichen sofortigen Beschwerde schließt sie nicht prinzipiell aus. Vor allem fügt sich die Überlegung einer in § 305 Abs. 3 InsO nicht erforderlichen Beschwerdeberechtigung systematisch folgerichtig in das gesetzliche Modell ein. Weil sich das Beschwerderecht aus § 287a Abs. 1 Satz 3 InsO ergibt, muss es nicht in § 305 Abs. 3 InsO geregelt werden.1060) 747 Vom damit statthaften Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist freilich der Prüfungsumfang im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu differenzieren. Da die Rücknahmefiktion keine rechtskraftfähige Entscheidung darstellt, ist aus diesem Grund eine anschließende Rechtskontrolle nicht blockiert. Substanziell davon zu unterscheiden ist, ob die Rücknahmefiktion überhaupt einer Kontrolle im Rechtsmittelzug unterliegen kann oder als gesetzlich angeordnete Wirkung einer solchen Überprüfung entzogen ist. Allerdings hat bislang der BGH keine nachhaltigen Zweifel an der Kontrollfähigkeit, sondern allein an der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels gehabt. 748 Bei der Regelung des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO handelt es sich um eine Fiktion, wie aus der verwendeten Formulierung, der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung „gilt“ als zurückgenommen, ersichtlich wird.1061) Bei dieser Fiktion wird ein in Wirklichkeit nicht bestehender Tatbestand als bestehend angenommen.1062) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist der Richter ohne weitere Entscheidungsalternativen an das Gesetz gebunden. Die Tatbestandsvoraussetzungen müssen jedoch prinzipiell vom Begünstigten behauptet und bewiesen werden.1063) Wegen der einseitigen Struktur im Eröffnungsverfahren über einen Verbraucherinsolvenzantrag ist im Fall des § 305 Abs. 3 Satz 1, 2 InsO die Darlegungs- und Beweislast verschoben. Unverändert erforderlich bleibt aber die richterliche Überzeugungsbildung aufgrund der vorliegenden Tatsachen. Da prinzipiell die Voraussetzungen einer Fiktion im Rechtsmittelverfahren überprüft werden können, sind die Voraussetzungen der Überzeugungsbildung für die nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO eintretende Rücknahmefiktion im Verfahren über die sofortige Beschwerde kontrollierbar. ___________ 1058) BR-Drucks. 467/12 (Beschluss), S. 9 f. 1059) BT-Drucks. 17/13535, S. 29. 1060) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1842. 1061) Vgl. MünchKomm-ZPO/Prütting, § 292 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 292 Rn. 17. 1062) MünchKomm-ZPO/Prütting, § 292 Rn. 8. 1063) Wieczorek/Schütze/Assmann, § 292 Rn. 18.

242

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO

i) Bekanntmachung Der Beschluss ist nach § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO gemäß § 9 InsO öffentlich 749 bekannt zu machen. Diese Bekanntmachungspflicht besteht in jedem Fall, also unabhängig davon, ob der Restschuldbefreiungsantrag für zulässig erklärt oder als unzulässig verworfen wird.1064) Durch die Bekanntmachung sollen die Gläubiger hinreichend über die vom Schuldner beantragte Restschuldbefreiung informiert werden.1065) Die Bekanntmachung ersetzt die Zustellung, § 9 Abs. 3 InsO, die aber dennoch gesetzlich vorgesehen ist, § 4 InsO i. V. m. § 329 Abs. 3 ZPO.1066) IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO 1. Prinzip und Gestaltung a) Obliegenheit Weithin konsensfähig normiert § 287b InsO eine Erwerbsobliegenheit des 750 Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren. Seit Langem wurde über eine solche Obliegenheit diskutiert, die in sachlich vergleichbarer Gestalt bereits in § 303e VorE 2006 vorgesehen war. Bedenken gegen eine solche Obliegenheit wurden nicht erhoben und dürften im Grundsatz auch kaum berechtigt sein. Nicht die Erwerbsobliegenheit als solche, sondern ihre Ausgestaltung im neuen Recht erweist sich als durchaus problematisch. Dabei ist die Ausgangslage eindeutig. Als Ausfluss der Berufsfreiheit aus 751 Art. 12 Abs. 1 GG stellt die Übernahme einer Erwerbstätigkeit eine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners dar. Die Arbeitskraft des Schuldners ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, also kein Vermögensobjekt, und fällt deswegen nicht in die Masse. Der Schuldner kann nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen werden.1067) Folgerichtig wird in § 287b InsO lediglich eine Obliegenheit normiert, die dem Schuldner die Entscheidung über die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit belässt, auch wenn ihn in diesem Fall nachteilige Folgen treffen können. b) Einbettung Da in der ganz überwiegenden Anzahl der Insolvenzverfahren natürlicher 752 Personen Kostenstundung bewilligt wird und dort die Erwerbsobliegenheit aus § 4c Nr. 4 InsO gilt, dürfen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Novelle nicht überbewertet werden.1068) Allein für die wenigen Verfahren, in denen ___________ 1064) Blankenburg, ZInsO 2014, 801, 804 f. 1065) BT-Drucks. 17/11268, S. 26. 1066) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 26. 1067) BGHZ 167, 363 Rn. 16; BGH, NZI 2009, 191 Rn. 11; 2013, 797 Rn. 15; 2014, 461 Rn. 22; BAG, NZI 2013, 942 Rn. 15, 21. 1068) Schmerbach, Insbüro 2013, 471, 475; Hergenröder, KTS 2013, 385, 403; Stephan, ZVI 2014, 214, 215.

243

E. Restschuldbefreiung

keine Kostenstundung bewilligt wird, ist damit eine neue Obliegenheit geschaffen. Geschlossen wird insoweit eine kleine Lücke mit einem gewissen symbolischen Gehalt, doch kann darin kaum eine Kernvorschrift des neuen Rechts gesehen werden.1069) Zudem wirkt sich die Obliegenheit nur aus, wenn der Schuldner pfändbares Einkommen hat, weswegen ihr originär neuer Anwendungsbereich limitiert ist.1070) 753 Bei den Effekten der Erwerbsobliegenheit muss freilich differenziert werden. Wegen der konkurrierenden kostenrechtlichen Obliegenheit werden sich die ökonomischen Konsequenzen mit zusätzlich für die Masse generierten Einnahmen in Grenzen halten. Es ist aber unzureichend, allein auf diese Massemehrung zu blicken. Als wesentlich bedeutsamere Folge bildet die verletzte Erwerbsobliegenheit den tatbestandlichen Anknüpfungspunkt für den neuen Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO. Erstmals wird damit ein an die Erwerbstätigkeit anknüpfender Versagungstatbestand für die Restschuldbefreiung geschaffen. Bei einer verletzten kostenrechtlichen Erwerbsanforderung wird lediglich die Kostenstundung aufgehoben, § 4c Nr. 4 InsO, wodurch nur mittelbare Auswirkungen auf das Restschuldbefreiungsverfahren eintreten. Der neue Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung stellt wahrscheinlich die viel wichtigere Antriebskraft für die Normierung der Erwerbsobliegenheit dar. 754 Mit der Novelle existieren jetzt insgesamt vier Vorschriften über die Erwerbsobliegenheit des Schuldners.1071) Den konzeptionellen Ausgangs-, aber zeitlichen Endpunkt bilden die beiden Bestimmungen über die Erwerbsobliegenheit eines nicht selbständigen Schuldners aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO und eines selbständig erwerbstätigen Schuldners gemäß § 295 Abs. 2 InsO in der Treuhandperiode. Mit dem InsOÄndG 2001 wurde ergänzend in § 4c Nr. 4 InsO eine Erwerbsobliegenheit für das Stundungs-, nicht aber für das Insolvenzverfahren geschaffen.1072) Die aktuelle Novelle fügt dem als weiteren Baustein eine Erwerbsobliegenheit für das eröffnete Insolvenzverfahren hinzu. 755 Aus diesen punktuell geregelten Bereichen entsteht eine großflächige, aber immer noch keine vollständige Normierung der Erwerbsobliegenheit des Schuldners. Aus der mit vier Anknüpfungspunkten1073) und drei eigenständigen Verfahrensregelungen deutlich hypertrophen, durch die unterschiedlichen Aussagen nicht einfach verständlichen Normierung entsteht ein eher buntscheckiges, als harmonisch ausgemaltes Bild der Erwerbsobliegenheit. Noch immer decken die Erwerbsobliegenheiten die Verfahren nicht gleichmäßig ab. Die §§ 287b, 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO begründen eine Erwerbsob___________ 1069) So aber Reinfelder, NZA 2014, 633, 635. 1070) Schmerbach, Insbüro 2013, 471, 475. 1071) Hergenröder, KTS 2013, 385, 416, nennt drei Regelungsfelder. 1072) BGH, NZI 2009, 191 Rn. 11. 1073) Stephan, ZVI 2014, 214, 215, spricht von drei Vorschriften.

244

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO

liegenheit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum Ende der Abtretungsfrist. Demgegenüber begründet § 4c Nr. 4 InsO die Obliegenheit für das Stundungsverfahren. Da die Kostenstundung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und bewilligt sein kann, kommt bereits ab diesem Zeitpunkt, und damit noch bevor die Anforderungen aus § 287b InsO einsetzen, eine Erwerbsobliegenheit in Betracht. Infolgedessen können in den Verfahren mit Kostenstundung weiterhin frühere und damit quantitativ strengere Anforderungen an die Erwerbstätigkeit des Schuldners bestehen als in Verfahren ohne Kostenstundung. Näher konkretisiert werden müssen noch die möglichen Interdependenzen 756 zwischen der Erwerbsobliegenheit des § 287b InsO und einer Unterhaltsgewährung aus der Insolvenzmasse nach § 100 InsO. Eine erste Plausibilität spricht dafür, bei einer Bindung des Schuldners im Interesse der Insolvenzmasse auch die Bindung der Masse im Interesse des Schuldners zu verstärken. Ob ein derartiger Konnex berechtigt ist, bedarf einer näheren Analyse. Jedenfalls kann die Bereitschaft des Schuldners, seine Erwerbsobliegenheit zu erfüllen, im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden.1074) Allerdings ist auch die umgekehrte Wirkung denkbar. Wenn § 100 InsO gerade überobligationsmäßige Leistungen prämiieren soll, fällt der Anwendungsbereich der Unterhaltsgewährung möglicherweise sogar schmaler als bislang aus.1075) Jedenfalls sind noch manche prinzipiellen Fragen offen. c) Problemfelder Obwohl die erweiterte Erwerbsobliegenheit schon lange auf der gesetzgebe- 757 rischen Agenda stand, vgl. § 303e Nr. 1 VorE 2006, § 295 Abs. 1 DiskE 2012, ist die Umsetzung überraschend problembeladen und beinah ungeschickt erfolgt. Die neue Bestimmung des § 287b InsO übernimmt die Formulierung aus den früheren Entwürfen, die wiederum mit den §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 4c Nr. 4 InsO übereinstimmen. Diese auf den nicht selbständig beschäftigten Schuldner bezogene Regelung deckt die Anforderungen an den Selbständigen nicht ausdrücklich mit ab.1076) Als gesetzlicher Redaktionsmangel bleibt offen, ob und wie eine Erwerbsobliegenheit für den Selbständigen existiert. Diese Defizite wirken umso auffälliger, als die gegenwärtige Ausgestaltung 758 von § 295 Abs. 2 InsO eine der wenigen allgemein als reformbedürftig angesehenen Versagungsvorschriften darstellt.1077) Bei der bedeutsamen Frage, wie die Erwerbsobliegenheit des Selbständigen materiell- und verfahrensrechtlich ausgestaltet sein soll, herrscht damit ein bemerkenswertes Vakuum. ___________ 1074) Vgl. MünchKomm-InsO/Stephan, § 100 Rn. 21. 1075) HambK/Wendler, § 100 Rn. 1. 1076) Pape, Insbüro 2013, 299. 1077) Vgl. nur Grote, ZInsO 2004, 1105; Leibner, ZInsO 2002, 61; Schmerbach, NZI 2009, 469; Harder, NZI 2013, 521; Ahrens, ZVI 2014, 227, 228; siehe auch Grote, ZInsO 2011, 1489.

245

E. Restschuldbefreiung

An den verschiedenen Kontaktpunkten mit der Erwerbsobliegenheit zeigt sich ein unvollständiges Problembewusstsein. 759 Vergleichbare Schwächen erweisen sich auch beim Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO wegen einer verletzten Erwerbsobliegenheit. Vollkommen atypisch für § 290 Abs. 1 InsO werden hier in den Versagungstatbestand Elemente des Versagungsverfahrens integriert. Sachlich hätte dies eher im Anschluss an § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO geregelt werden müssen. Kaum verständlich erscheint zudem, warum und mit welchem sachlichen Gehalt § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO auf § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO verweist.1078) Die Verfahrensobliegenheiten des § 296 Abs. 2 InsO sollen die im Restschuldbefreiungsverfahren bestehenden Informationsschwächen kompensieren, die im Insolvenzverfahren gerade nicht existieren. Zudem resultiert aus der Verweisung eine wenig glückliche Konkurrenz von zwei Auskunfts- und Mitwirkungsanforderungen gegenüber dem Schuldner. 760 Letztlich sind die neuen Bestimmungen auf eine kaum reflektierte bzw. wenig inspirierte Übernahme bekannter Regelungsstrukturen beschränkt. Die aus einem solchen Normtransfer resultierenden eigenständigen Anforderungen werden nicht wahrgenommen. So ist es wohl doch kein Zufall, wenn bei beiden normativen Ankern der neuen Erwerbsobliegenheit in den §§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO deutliche legislatorische Mängel bestehen. Jedenfalls werden durch diese Regelungsschwächen für den Rechtsanwender zahlreiche vermeidbare Schwierigkeiten geschaffen. 2. Anwendungsbereich a) Sachlicher Anwendungsbereich 761 Die Erwerbsobliegenheit besteht bei einem Restschuldbefreiungsantrag in den eröffneten Insolvenzverfahren natürlicher Personen unabhängig davon, ob es sich um ein Verbraucher- oder um ein sog. Regelinsolvenzverfahren handelt. Die Verfahrensart ist für die Erwerbsobliegenheit unerheblich. Deswegen gilt die Obliegenheit in allen diesen eröffneten Verfahren. 762 Diese Aussage ist zu präzisieren, denn die Erwerbsobliegenheit besteht allein in den eröffneten Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren. So selbstverständlich dies zunächst erscheint, so sehr bedarf es doch einer eingehenderen Erklärung. Durch die Gesetzgebungsgeschichte wird diese Interpretation allerdings nur teilweise und dann eher durch den äußerlichen Ablauf belegt. Anfangs sollte die Erwerbsobliegenheit für die Treuhandperiode aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO erweitert und auf das Insolvenzverfahren vorverlagert werden. Dazu wurde ein verselbständigter Tatbestand für die Restschuldbefreiungsverfahren in § 295 Abs. 1 InsO geplant.1079) Erst der Rechts___________ 1078) Ahrens, ZVI 2014, 227, 232. 1079) BT-Drucks. 17/11268, S. 28.

246

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO

ausschuss hat diese Regelung in § 287b InsO überführt, um die systematische Klarheit zu verbessern.1080) Aus dieser Genese scheint die Regelung klar auf das Restschuldbefreiungsverfahren bezogen zu sein. In den Materialien wird indessen ein etwas anderer Erklärungsansatz gege- 763 ben. Durch die Ausgestaltung der Erwerbsobliegenheit in § 287b InsO solle der Geltungsbereich für die unterschiedlichen Verfahrensabschnitte angesprochen werden. Eine während des Insolvenzverfahrens verletzte Erwerbsobliegenheit soll § 290 InsO unterliegen und ein Verstoß während des Restschuldbefreiungsverfahrens nach § 296 InsO zu behandeln sein.1081) Obwohl die Materialien zweifach auf den Verfahrensabschnitt des Insolvenzverfahrens verweisen und damit nicht in letzter Konsequenz besagen, ob ein Restschuldbefreiungsverfahren notwendige Voraussetzung ist, folgt dies doch aus der Bezugnahme auf die Versagungsnormen. Allein in einem Restschuldbefreiungsverfahren kann die Erwerbsobliegenheit über die Versagungstatbestände der §§ 290, 296 InsO befestigt sein. Gewichtiger noch sind andere Erwägungen. Durch den sprachlichen Bezug 764 auf die Abtretungsfrist in § 287b InsO wird deutlich, dass die Erwerbsobliegenheit allein in Verfahren besteht, in denen der Schuldner einen Restschuldbefreiungsantrag gestellt hat.1082) Da die Obliegenheit systematisch in den Achten Teil der Insolvenzordnung über die Restschuldbefreiung und gerade nicht bei den allgemeinen insolvenzrechtlichen Vorschriften eingeordnet ist, muss sie auf die Restschuldbefreiungsverfahren beschränkt sein. Zudem ist die Obliegenheit funktional als Anforderung an den Schuldner zu erklären, der er unterliegt, um die Restschuldbefreiung zu erlangen. Hat der Schuldner keine Restschuldbefreiung beantragt, besteht keine Erwerbsobliegenheit. b) Zeitlicher Anwendungsbereich Zeitlich besteht die Erwerbsobliegenheit vom Beginn der Abtretungsfrist bis 765 zur Beendigung des Insolvenzverfahrens. Die Abtretungsfrist beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hat das Insolvenzgericht den Schuldner nicht auf die Möglichkeit eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrags hingewiesen und wurde das Insolvenzverfahren auf den Gläubigerantrag hin eröffnet, kann der Schuldner nach der Eröffnung einen isolierten Restschuldbefreiungsantrag stellen.1083) Da die Erwerbsobliegenheit ein Restschuldbefreiungsverfahren erfordert, setzt sie in den Fällen eines zulässigen nachträglichen Restschuldbefreiungsantrags erst mit der Antragstellung ein. ___________ 1080) BT-Drucks. 17/13535, S. 27. 1081) BT-Drucks. 17/13535, S. 27 f. 1082) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287b (neu) Rn. 3. 1083) BGHZ 162, 181, 186; AGR/Fischer, § 287 Rn. 6.

247

E. Restschuldbefreiung

766 Die Erwerbsobliegenheit endet, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Nach dem klaren Gesetzeszusammenhang ist damit eine Beendigung des Insolvenzverfahrens vor Ablauf der Abtretungsfrist gemeint. Mit Beginn der Treuhandperiode setzt die dafür geltende Erwerbsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO ein, weswegen die Obliegenheit aus § 287b InsO entfällt. Die Anforderungen an den Schuldner bleiben unverändert. 767 Soweit in den asymmetrischen Verfahren das Insolvenzverfahren erst nach Ablauf der Abtretungsfrist endet, ist die Erwerbsobliegenheit auf die Dauer der Abtretungsfrist zu beschränken.1084) Nach § 300a Abs. 1 Satz 1 InsO gehört das nach dem regelmäßigen oder früheren Ende der Abtretungsfrist erworbene Vermögen nicht mehr zur Insolvenzmasse. Wenn das Vermögen aus der Abtretungserklärung nicht mehr zur Masse gezogen werden kann und die Gläubiger dadurch nicht weiter befriedigt werden, dann muss auch die darauf bezogene Erwerbsobliegenheit entfallen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Einziehungs- und Verwaltungsrecht des § 300a Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese Vorschrift besagt nur, wie erzielter Neuerwerb zu verwenden ist, nicht aber, ob Neuerwerb zu erzielen ist. Dem Schuldner kann deswegen nicht wegen eines nach Ende der Abtretungsfrist begangenen Verstoßes die Restschuldbefreiung versagt werden. c) Persönlicher Anwendungsbereich 768 Eine andere Problemstellung lässt sich nicht ganz so einfach auflösen. § 287b InsO übernimmt beim Anforderungsprofil wortgleich die Formulierung des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Damit wird auf die Erwerbsobliegenheit für den nicht selbständigen Schuldner abgestellt. Eine ausdrückliche Regelung für den selbständigen Schuldner nach Maßgabe von § 295 Abs. 2 InsO fehlt. Unzweifelhaft besteht auch für den selbständigen Schuldner eine Erwerbsobliegenheit.1085) Davon ist auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags ausgegangen, auf den die Regelung des § 287b InsO zurückgeht.1086) 769 Beantwortet wird freilich nur die Frage nach dem Ob einer Erwerbsobliegenheit, nicht aber nach dem Wie. Offen ist, ob ein Recht zur selbständigen Erwerbstätigkeit existiert und ob dafür die Maßstäbe des § 295 Abs. 2 InsO gelten. Vielleicht hat sich der Gesetzgeber vom Muster des § 4c Nr. 4 InsO leiten lassen wollen, der ebenfalls nur die Maßstäbe für eine nicht selbständige Erwerbstätigkeit erfasst. Problematisch war dies bislang nicht. Wegen des engeren Regelungszwecks von § 4c Nr. 4 InsO, der allein auf eine Kostendeckung abstellt, gegenüber der umfassenderen Aufgabe des § 287b InsO, ___________ 1084) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287b Rn. 4. 1085) HK-InsO/Waltenberger, § 287b n. F. Rn. 4. 1086) BT-Drucks. 17/13535, S. 28.

248

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO

die Masse insgesamt anzureichern, müssen die Konsequenzen dieser Teilregelung genauer analysiert werden. 3. Nicht selbständig erwerbstätige Schuldner Für den nicht selbständig erwerbstätigen Schuldner bestehen nach § 287b InsO 770 drei Anforderungen. Wie § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO, regelt § 287b InsO in drei alternativen Tatbeständen die Erwerbsobliegenheit des nicht selbständig tätigen Schuldners. Ihm obliegt es zunächst, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Außerdem muss er sich um eine solche Erwerbstätigkeit bemühen und darf, nach der dritten Anforderung, keine zumutbare Tätigkeit ablehnen. Mit diesen drei tatbestandlichen Alternativen ist für den Schuldner ein abgestuftes System von Belastungen geschaffen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige insolvenzrechtliche Anforderung, die von familien-, sozialhilfeund kostenrechtlichen Erwerbsobliegenheiten zu unterscheiden ist.1087) Die daraus resultierenden Lasten für den Schuldner stimmen vollständig mit denen aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO1088) sowie aus § 4c Nr. 4 InsO1089) überein. Für die Ausfüllung der Anforderungen kann auf diese Regelungen verwiesen werden. Als erstes Element der Obliegenheit muss der Schuldner eine angemessene 771 Erwerbstätigkeit ausüben. Der unbestimmte Rechtsbegriff einer angemessenen Erwerbstätigkeit schafft eine doppelte Bindung an die bestehenden Lebensverhältnisse sowie die bestmögliche Gläubigerbefriedigung.1090) Eine adäquate Erwerbstätigkeit fordert deswegen insgesamt neben der gebührenden Arbeitsleistung auch eine angemessene Bezahlung.1091) Eine solche Vergütung erfolgt, wenn der Schuldner ein übliches Einkommen erzielt, das insbesondere der tariflichen Entlohnung entspricht.1092) Eine Teilzeitbeschäftigung muss durch besondere Gründe gerechtfertigt sein, wie etwa eine Kinderbetreuung.1093) Eine Straf- oder sonstige Haft setzt einer Erwerbstätigkeit Grenzen, führt aber gerade nicht zu einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit.1094) Verliert der Schuldner seine Beschäftigung ohne anschließend eine ___________ 1087) Vgl. FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 13. 1088) Dazu FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 13 ff.; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 295 Rn. 15 ff.; AGR/Weinland, § 295 Rn. 19; Uhlenbruck/Vallender, § 295 Rn. 9 ff. 1089) Dazu AGR/Ahrens, § 4c Nr. 4 Rn. 34 ff.; FK-InsO/Kohte, § 4c Nr. 4 Rn. 25 ff.; Karsten Schmidt/Stephan, § 4c Rn. 26. 1090) FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 295 Rn. 15 f. 1091) BGH, NZI 2012, 87 Rn. 3; HambK-InsO/Streck, § 295 Rn. 5. 1092) Karsten Schmidt/Henning, § 295 Rn. 11. 1093) BGH, NJW 2008, 3125; Gottwald/Ahrens, § 78 Rn. 20; a. A. Pape, in: Mohrbutter/ Ringstmeier, § 17 Rn. 135, ein arbeitsfähiger Schuldner müsse sich um eine Vollzeitbeschäftigung bemühen. 1094) BGH, NZI 2010, 911 Rn. 12; LG Koblenz, VuR 2008, 348, selbst bei lebenslanger Freiheitsstrafe; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 295 Rn. 16; AGR/Weinland, § 295 InsO Rn. 25; FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 18; HK-InsO/Waltenberger, § 295 a. F. Rn. 8; HWF/ Schmerbach, § 295 Rn. 28.

249

E. Restschuldbefreiung

neue Erwerbstätigkeit zu übernehmen, verletzt dies nicht automatisch seine Obliegenheit. Kein Verstoß liegt vor, wenn ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis endet oder die für den Bezug einer Altersrente maßgebenden Grenzen erreicht werden.1095) Bei einer Beendigungskündigung hängt dies davon ab, wer aus welchem Grund gekündigt hat. 772 Übt der Schuldner keine oder keine angemessene Erwerbstätigkeit aus, muss er sich nach dem zweiten Element um eine solche bemühen. Dies gilt ebenso für den erwerbstätigen Schuldner.1096) An den Umfang der erforderlichen Bemühungen werden erhebliche Anforderungen gestellt. Der Schuldner muss insbesondere bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sein, sich aber auch selbst um eine Arbeitsstelle bemühen, etwa durch regelmäßige Lektüre der einschlägigen örtlichen Tageszeitungen und durch Bewerbungen auf Anzeigen oder Vorstellungsbesuche.1097) Als Richtgröße ist von zwei bis drei ernsthaften Bewerbungen je Woche auszugehen, sofern entsprechende Stellen angeboten werden.1098) Zu berücksichtigen sind etwa der Beschäftigungsstand in der Region, die persönlichen Verhältnisse, wie Alter, Gesundheitszustand und berufliche Qualifikation, sowie die Arbeitsbiographie des Schuldners.1099) 773 Findet ein beschäftigungsloser Schuldner keine angemessene Arbeit, darf er als dritte Facette keine zumutbare Erwerbstätigkeit ablehnen. Seine Erwerbsobliegenheit entfällt, wenn ihm aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit nicht zugemutet werden kann.1100) Nach dem Schulabschluss darf ein Studium aufgenommen bzw. fortgesetzt werden, sofern dafür ein zeitlich angemessener Rahmen eingehalten wird.1101) Ein betreuender Elternteil kann sich bei einem dreijährigen Kind nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht bzw. nach den individuellen Verhältnissen besuchen könnte.1102) 774 Verletzt der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit, ist damit der Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO noch nicht erfüllt. Zusätzlich muss der Schuldner dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt und schuldhaft gehandelt haben, § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. und 2. Halbs. InsO.

___________ 1095) Heicke, VIA 2013, 49, 50. 1096) BGH, NZI 2009, 482 Rn. 5; 2010, 228 Rn. 5. 1097) BGH, NZI 2011, 596 LS. 1098) BGH, NZI 2011, 596 Rn. 17; 2012, 721 Rn. 14. 1099) BVerfG, NJW 2012, 2420 Rn. 19, zu § 1603 BGB; LG Dessau-Roßlau, BeckRS 2014, 14603. 1100) BGH, NZI 2010, 114 Rn. 9. 1101) AG Göttingen, ZVI 2002, 81 [82]; HambK/Streck, § 295 Rn. 5. 1102) BGH, NJW 2012, 1868 Rn. 18.

250

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO

4. Selbständig erwerbstätige Schuldner a) Zulässigkeit der selbständigen Erwerbstätigkeit Wenn auch für den selbständigen Schuldner eine Erwerbsobliegenheit be- 775 steht, ist damit noch nicht gesagt, wie er die Obliegenheit zu erfüllen hat. Darf er also weiter selbständig erwerbstätig bleiben oder muss er sich automatisch um die Aufnahme einer nicht selbständigen Tätigkeit bemühen? Aus der bestehenden Erwerbsobliegenheit kann noch nicht auf die Art der zulässigen Tätigkeit geschlossen werden. Auf die Erwerbstätigkeit eines selbständigen Schuldners stellt § 287b InsO 776 nicht ab. So bleibt der Regelungsansatz unvollständig und verursacht dadurch manche Anwendungsfragen, die eine etwas sorgfältigere Redaktion hätte vermeiden können. Aus diesen Schwächen darf indessen nicht gefolgert werden, der Schuldner sei im Insolvenzverfahren nicht zur selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt. Dem steht bereits die gesetzliche Systematik entgegen, denn § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO lässt ausdrücklich eine selbständige Tätigkeit zu. Damit ist aber noch nicht zwingend beantwortet, ob mit einer selbständigen 777 Erwerbstätigkeit die Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO erfüllt werden kann. Dafür spricht vor allem die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Berufsfreiheit. Als Ausdruck der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit bleibt dem Schuldner die Wahl zwischen einer selbständigen und einer nicht selbständigen Erwerbstätigkeit überlassen.1103) Dies entspricht auch den zu § 4c Nr. 4 InsO entwickelten Vorstellungen.1104) Obwohl dort ebenfalls nur auf die Formulierung der Erwerbsobliegenheit für den nicht selbständigen Schuldner abgestellt wird, ist der Schuldner nach dem Kostenstundungsrecht unzweifelhaft zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt, um seine Obliegenheit zu erfüllen.1105) Im Insolvenzverfahren ist daher eine selbständige Tätigkeit zulässig, um die Erwerbsobliegenheit auszufüllen.1106) b) Entsprechende Anwendung von § 295 Abs. 2 InsO § 287b InsO begründet eine Obliegenheit. Der Schuldner ist weder ver- 778 pflichtet, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, noch diese auszuüben oder fortzusetzen. Folgerichtig existieren keine klagbaren Zahlungspflichten. ___________ 1103) Ahrens, NJW-Spezial 2013, 341; ders., NZI 2013, 800; Stephan, ZVI 2014, 214, 215; siehe auch HK-InsO/Waltenberger, § 287b n. F. Rn. 4. 1104) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287b Rn. 5. 1105) AGR/Ahrens, § 4c Nr. 4 Rn. 42. 1106) HK-InsO/Waltenberger, § 287b n. F. Rn. 4; Ahrens, NJW-Spezial 2013, 341; ders., NJW 2014, 1841, 1845; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1443; Heicke, VIA 2014, 49.

251

E. Restschuldbefreiung

779 Wegen des offenen, gesetzlich nicht positiv strukturierten Regelungszusammenhangs ist unklar, wie die aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit resultierenden Wirkungen während des Insolvenzverfahrens zu konkretisieren sind. Das herrschende Regelungsvakuum lässt Raum für unterschiedliche Deutungen. Dafür kommt eine Wertungsparallele zu § 295 Abs. 2 InsO in Betracht.1107) Auf den ersten Blick spricht für eine solche Bezugnahme auf § 295 Abs. 2 InsO ihr maßstäblicher Charakter, denn § 295 Abs. 2 InsO trifft eine vielleicht generalisierbare Aussage, wie ein selbständiger Schuldner seine Erwerbsobliegenheit zu erfüllen hat. Dennoch sind auch die Unterschiede zu beachten. 780 Während des Insolvenzverfahrens fällt der gesamte Neuerwerb aus einer selbständigen Tätigkeit in die Masse, § 35 Abs. 1 InsO. Dies gilt insbesondere, wenn der Insolvenzverwalter eine Positiverklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO abgegeben hat.1108) Der Schuldner kann aber beantragen, dass ihm vom massezugehörigen Einkommen so viel belassen wird, wie ihm verbliebe, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde.1109) Zusätzlich erforderlich ist ein Maßstab, ob der Schuldner mit den in die Masse fließenden Mitteln seine Erwerbsobliegenheit erfüllt. Hierzu kann sachgerecht auf § 295 Abs. 2 InsO abgestellt werden. Insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie im Restschuldbefreiungsverfahren.1110) 781 Einschränkend wird demgegenüber angenommen, der strenge Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO dürfe in der ersten Phase der Insolvenz nicht gelten. Dem Schuldner müsse erst Gelegenheit gegeben werden, die Sanierungsfähigkeit des Betriebs im Insolvenzverfahren zu prüfen.1111) Für eine solche Abkühlungs- und Reflexionsphase fehlen indessen die normativen Anknüpfungspunkte. Zudem ist nach der bisherigen Praxis kein wirkliches Bedürfnis für eine solche modifizierende Interpretation ersichtlich. Erkennt der Schuldner, dass er nicht die Beträge einer angemessenen abhängigen Beschäftigung erwirtschaftet, muss er seine selbständige Tätigkeit zunächst nicht aufgeben. Es genügt, wenn er sich entsprechend einem erwerbslosen Schuldner nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht.1112) Ob die Gläubigerbefriedigung beeinträchtigt ist und ob der Schuldner die Erwerbsobliegenheit schuldhaft verletzt hat, ist im Rahmen eines Versagungsverfahrens aufgrund der Regelung des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO zu bestimmen.

___________ 1107) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 287b Rn. 5; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845; siehe auch Schmerbach, Insbüro 2013, 471, 475. 1108) Zur Terminologie AGR/Ahrens, § 35 Rn. 148. 1109) BGH, NZI 2003, 389, 392; ZinsO 2014, 1488 Rn. 7. 1110) Vgl. FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 72 ff. 1111) HK-InsO/Waltenberger, § 287b n. F. Rn. 5. 1112) BGH, NZI 2009, 482 Rn. 5; ZInsO 2012, 1488 Rn. 16; NZI 2013, 189 Rn. 22.

252

IV. Erwerbsobliegenheit gemäß § 287b InsO

Im Fall einer Negativerklärung verweist § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf die ent- 782 sprechend anzuwendende Regelung des § 295 Abs. 2 InsO.1113) Zu dieser Regelung hat der BGH bislang entschieden, dass die Grundsätze aus der Treuhandperiode wegen der systematischen Unterschiede nicht auf § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO übertragen werden könnten, insbesondere auch, weil den Schuldner im Insolvenzverfahren keine Erwerbsobliegenheit träfe.1114) Infolge der fehlenden Erwerbsverpflichtung könne die Grundlage der abzuführenden Beträge nur der von dem Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn sein. Der Maßstab sei dann § 295 Abs. 2 InsO zu entnehmen, mit dem anzunehmenden fiktiven Nettoeinkommen aus einem hypothetischen Arbeitsverhältnis.1115) Wegen der nunmehr geschaffenen Erwerbsobliegenheit gelten jedenfalls für 783 ein Versagungsverfahren die Anforderungen aus § 295 Abs. 2 InsO.1116) Danach muss sich der Schuldner um ein Anstellungsverhältnis bemühen, wenn der Ertrag aus seiner selbständigen Tätigkeit hinter demjenigen zurückbleibt, was dem Treuhänder bei einer angemessenen abhängigen Beschäftigung aus der Abtretungserklärung zuflösse. Bleibt die selbständige Tätigkeit erfolglos und bemüht sich der Schuldner nicht um eine nach seiner Qualifikation und den Verhältnissen des Arbeitsmarkts mögliche Beschäftigung, kann er sich nicht darauf berufen, aufgrund fehlender Einnahmen hätten ihm keine Zahlungen an den Treuhänder oblegen. Kann der Schuldner durch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis keine pfändbaren Bezüge erwirtschaften, so obliegen ihm nach § 295 Abs. 2 InsO keine Zahlungen an den Treuhänder, wenn die ausgeübte selbständige Beschäftigung ebenfalls keine solchen Erträge hervorbringt.1117) Nicht erneuert werden muss die Diskussion darüber, ob die Verweisung in 784 § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf den entsprechend anzuwendenden § 295 Abs. 2 InsO eine Obliegenheit1118) oder eine Zahlungspflicht1119) begründet. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich dabei um eine selbständig einklagbare Zahlungspflicht.1120) Auch unter den veränderten Rahmenbedingungen muss es bei dieser Konsequenz bleiben. Es wäre etwas überraschend, wenn die stärkere Bindung des Schuldners durch die neue Erwerbsobliegen___________ 1113) Der Gesetzeswortlaut stellt auf die nicht existierende Bestimmung des § 295 Abs. 3 InsO ab, die sachgerecht in § 295 Abs. 2 InsO uminterpretiert werden muss, Rn. 286. 1114) BGH, NZI 2013, 461 Rn. 13, 15. 1115) BGH, NZI 2013, 461 Rn. 16 f. 1116) HK-InsO/Waltenberger, § 287b n. F. Rn. 6; Stephan, ZVI 2014, 214, 216; Schmerbach, NZI 2013, 566, 570. 1117) BGH, NZI 2013, 461 Rn. 12. 1118) OLG Brandenburg, NZI 2013, 650; LG Düsseldorf, NZI 2012, 970; HK-InsO/ Waltenberger, § 287b n. F. Rn. 6; Grote, ZInsO 2011, 1489, 1494. 1119) AGR/Ahrens, § 35 Rn. 163; HambK/Lüdtke, § 35 Rn. 254; Ahrens, NJW-Spezial 2013, 85, jeweils m. w. N.; Berger, ZInsO 2008, 1101, 1107. 1120) BGH, NZI 2013, 797 Rn. 20, mit Anm. Ahrens; 2014, 461 Rn. 17.

253

E. Restschuldbefreiung

heit des § 287b InsO im Ergebnis zu einer abgeschwächten Konsequenz bei seinen Zahlungen führt, weil hier nur noch eine Obliegenheit begründet ist. Systematisch ist eine solche Folge nicht geboten. Die Erwerbsobliegenheit im Insolvenzverfahren bestimmt, ob und in welchem Umfang Anforderungen an den Schuldner gerichtet sind. Wie die Anforderungen zu realisieren sind, ist dagegen aus den Rechtsfolgen der Negativerklärung und damit aus dem unveränderten Modell der §§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295 Abs. 2 InsO abzuleiten. c) Anforderungen an die selbständige Erwerbstätigkeit 785 Übt der Schuldner eine selbständige Tätigkeit aus, muss er die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Abzustellen ist auf das hypothetische Einkommen aus einer angemessenen, nicht notwendig der selbständigen Tätigkeit entsprechenden abhängigen Beschäftigung. Auf die tatsächlichen Einkünfte des Schuldners kommt es nicht an. Unerheblich ist, ob der Schuldner einen Gewinn erzielt hat oder einen höheren Gewinn hätte erzielen können. Damit entkoppelt die Regelung den Umfang der zu erbringenden Leistungen vom wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit.1121) 786 Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit.1122) Für die Vergütungshöhe ist auf die tarifübliche Entlohnung abzustellen.1123) Zu berücksichtigen ist, ob dem Schuldner nach seiner Ausbildung und seinem beruflichen Werdegang,1124) der Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie seinen sonstigen persönlichen Verhältnissen die Tätigkeit möglich gewesen wäre. Eine Körperbehinderung kann einer abhängigen Beschäftigung entgegenstehen.1125) 787 Der Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO ist erst erfüllt, wenn der Schuldner die Erwerbsobliegenheit verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt und schuldhaft gehandelt hat. Kann der Schuldner, etwa auf Grund seines Alters oder seines gesundheitlichen Zustands, durch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis keine pfändbaren Bezüge erwirtschaften, so obliegen ihm jedenfalls dann keine Zahlungen an den Treuhänder, wenn die ausgeübte selbständige Beschäftigung ebenfalls keine solchen Erträge hervorbringt.1126) 788 Einige Fragen werden allerdings neu zu bewerten sein. Da für den Schuldner bislang im Insolvenzverfahren keine Erwerbsobliegenheit bestand, nahm der ___________ 1121) BGH, NZI 2011, 596, Rn. 6 mit Anm. Ahrens; 2013, 189 Rn. 10; NZI 2013, 404 Rn. 7 mit Anm. Ahrens; FK-InsO/Ahrens, § 295 Rn. 78. 1122) BGH, NZI 2011, 596 Rn. 13 mit Anm. Ahrens. 1123) BGH, NZI 2014, 32 Rn. 8. 1124) BGH, NZI 2013, 189 Rn. 14. 1125) BGH, NZI 2014, 32 Rn. 13. 1126) BGH, NZI 2012, 718 Rn. 16.

254

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

BGH nur dann eine Auskunftspflicht über den aus der Tätigkeit erzielten Gewinn an, wenn der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrags bei abhängiger Tätigkeit lag.1127) Aufgrund der nunmehr geltenden Erwerbsobliegenheit ist der Schuldner auskunftspflichtig, schon um dem Insolvenzverwalter die Entscheidung über eine Positiv- oder Negativerklärung zu ermöglichen. Während der Treuhandperiode verlangt der BGH vom selbständigen Schuldner 789 zumindest jährliche Zahlungen.1128) Ob diese Fristen auch für die Erwerbsobliegenheit während des eröffneten Insolvenzverfahrens gelten können, ist damit noch nicht gesagt. Übt der Schuldner die selbständige Tätigkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens, also ohne Negativerklärung, aus, kann der Insolvenzverwalter den Zahlungszeitpunkt bestimmen. Wegen des Massebezugs kann er auch unterjährige und sogar monatliche Zahlungstermine bestimmen. Mit einer Negativerklärung wandelt sich die Rechtslage auch bei den Zahlungszeitpunkten. Das Bestimmungsrecht des Verwalters entfällt. Konkrete Fälligkeitstermine sind nicht besonders geregelt, doch dürfte eine quartalsweise Zahlung angemessen sein. V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO 1. Grundlagen a) Veränderte Versagungsgründe Auf mehreren Ebenen und mit immer wieder abgewandelten Vorschlägen 790 wurde über veränderte Regelungen zur Versagung der Restschuldbefreiung diskutiert.1129) Eine nicht unerhebliche, wenn auch vielleicht nicht die entscheidende Rolle spielten dabei modifizierte, das heißt erweiterte bzw. verschärfte Versagungsgründe. Über die Zeiten hinweg gehörten derartige Vorschläge fest zur Kolorierung der Gesetzentwürfe im Insolvenzrecht natürlicher Personen. Etwas verblüffend wirkt die Vergänglichkeit mancher Ideen, die ebenso schnell vorgetragen wie aufgegeben wurden. In einer überaus problematischen Konzeption sollte in § 290 Abs. 1 Nr. 1a 791 VorE 2006 ein Versagungsgrund wegen einer rechtskräftigen Verurteilung aufgrund eines Straftatbestands geschaffen werden, der dem Eigentum oder Vermögen zu dienen bestimmt ist. In § 290 Abs. 1 Nr. 1a RegE 2007 wurde der Vorschlag einerseits durch eine Mindeststrafenbestimmung eingeschränkt, andererseits auf Steuerstraftaten nach den §§ 370, 373, 374 AO erweitert. Mit der Ausrichtung auf die Eigentums- und Vermögensstraftatbestände wurde dieser Versagungsgrund noch in § 290 Abs. 1 Nr. 1a RefE 2012 er___________ 1127) BGH, NZI 2013, 797 Rn. 21 f. mit Anm. Ahrens. 1128) BGH, NZI 2012, 718 Rn. 14. 1129) Vgl. Ahrens, ZInsO 2007, 673, 675.

255

E. Restschuldbefreiung

wogen.1130) Eine insolvenzsteuernde Wirkung und eine systematisch nachvollziehbare Funktion in einem sichtbaren Zusammenhang mit der Restschuldbefreiung sind bei diesen diffusen Tatbeständen nicht ersichtlich.1131) 792 Mit § 290 Abs. 1 Nr. 3 VorE sollte der Tatbestand zu den früheren Restschuldbefreiungsverfahren – soweit hier relevant – auf eine Versagung nach § 290 InsO erweitert werden. In § 290 Abs. 1 Nr. 3a RegE 2007 wurde diese Überlegung aufgegriffen, aber auf Versagungen nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO beschränkt. Diese Regelung hat Insolvenzrechtsgeschichte geschrieben, weil sie eine Legitimationsgrundlage der Sperrfristjudikatur des BGH bildete.1132) Die Restriktion auf die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO wurde von der Rechtsprechung alsbald aufgegeben und erst in § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO mit neuem Leben gefüllt. 793 Bereits in § 290 Abs. 1 Nr. 5 RefE 2004 wurde vorgeschlagen, die einschränkende Formulierung „während des Insolvenzverfahrens“ zu streichen und die Regelung auf das Eröffnungsverfahren zu erweitern. Dieser Vorschlag wurde in § 290 Abs. 1 Nr. 5 VorE 2006 sowie in § 290 Abs. 1 Nr. 5 RegE 2007 übernommen. Bereits Ende 2004 hat der BGH von der einschränkenden Bezugnahme auf das Insolvenzverfahren abgesehen1133) und für die Praxis eine umfassende Interpretation eröffnet. Im Unterschied zur später ergangenen Sperrfristrechtsprechung ließ er dabei den nicht verabschiedeten Gesetzentwurf unbeachtet. 794 Eine Episode blieb § 290 Abs. 1 Nr. 7 RegE 2007, wonach ein Versagungsgrund vorliegen sollte, wenn der Schuldner als vertretungsberechtigtes Organ einer Gesellschaft oder als Gesellschafter den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig gestellt hat. Damit sollten originär gesellschaftsrechtliche Pflichten die Anforderungen im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens auskleiden. 795 Anstelle dieser Regelung ist in § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO ein Versagungsgrund bei einer verletzten Erwerbsobliegenheit normiert. Auch dieser Versagungstatbestand hat eine durchaus wechselvolle Kodifikationsgeschichte erlebt. Ursprünglich sollten die Obliegenheit und der Versagungsgrund in den §§ 303e Nr. 1, 303f VorE 2006 geregelt werden. Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren war zunächst geplant, die Obliegenheit in § 295 Abs. 1 RegE 2012 und den Versagungstatbestand in § 290 Abs. 1 Nr. 7 RegE 2012 zu normieren. Erst der Rechtsausschuss hat die letztlich verabschiedete Regelungsstruktur entworfen.1134) Der mehrfache Positionswechsel dokumentiert ___________ 1130) Ablehnend etwa Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 410; Schmerbach, NZI 2012, 161, 163; Stephan, ZVI 2012, 85, 88. 1131) Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 562 f.; Jäger, ZVI 2012, 177, 186; Beck, ZVI 2012, 223, 232. 1132) BGHZ 183, 13 Rn. 16. 1133) BGH, NZI 2005, 232, 233. 1134) BT-Drucks. 17/13535, S. 27.

256

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

bereits die Unsicherheiten bei der Ausgestaltung dieser weithin konsentierten Regelung. Letztlich ist ein Versagungstatbestand mit unübersehbaren materiellen und verfahrensbezogenen Schwächen geschaffen worden. b) Modifiziertes Versagungsverfahren Wahrscheinlich bedeutsamer, in jedem Fall aber sachlich konzentrierter, fielen 796 die Vorschläge für ein reformiertes Restschuldbefreiungsverfahren aus. Seit § 290 Abs. 1 Einleitungssatz DiskE 2003 wurden regelmäßig Entwürfe vorgestellt, nach denen Versagungsanträge nach § 290 Abs. 1 InsO spätestens mit dem Schlusstermin gestellt werden mussten, womit die Konzentrationswirkung des Schlusstermins aufgegeben werden sollte.1135) Unbekümmert von jeder Kritik1136) wurde diese Gestaltung schließlich durchgesetzt.1137) Für das Gericht, den Insolvenzverwalter und den Schuldner führt diese Option zu erheblichen zusätzlichen Belastungen. In einer substanziellen Abkehr vom gläubigerautonomen Insolvenzverfahren 797 wurde erstmals in § 290 Abs. 1 RefE 2004 eine Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen entworfen. Dieser Regelungsansatz ging auf einen vereinzelten Vorschlag zurück.1138) Obwohl der Vorschlag bereits frühzeitig und konsequent in der Literatur abgelehnt wurde,1139) hallte er noch lange bis zu § 290 Abs. 1 RegE 2007 nach. Trotz des offensichtlichen Systembruchs und der erheblichen Zusatzbelastung für die Gerichte konnte der Gedanke einer amtswegigen Versagung der Restschuldbefreiung nur mühevoll überwunden werden. In der Sperrfristregelung scheinen einzelne Elemente davon noch auf.1140) Während bislang das Versagungsverfahren nach § 290 Abs. 1 InsO klar ge- 798 ordnet war, werden nunmehr mit der Verweisung auf die entsprechend anzuwendenden Bestimmungen des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO Elemente aus den Versagungsregeln für das Treuhandverfahren eingemischt (Rn. 850 ff.). Deren systematisches Verständnis bereitet erhebliche Schwierigkeiten, weil sie sich nicht in das bestehende Konzept des Versagungsverfahrens aus § 290 Abs. 2 InsO einfügen. In den Gesetzgebungsmaterialien mangelt es zudem ___________ 1135) Übersicht bei Ahrens, ZInsO 2007, 673, 675. 1136) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 414; Harder, NZI 2012, 113, 114; Schmerbach, NZI 2012, 161, 163; Frind, ZInsO 2012, 668, 671; zustimmend aber Mattern, Reformierung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 77 f. 1137) Vgl. Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 609. 1138) Frind, ZInsO 2003, 341, 344; zustimmend Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 299 ff. 1139) Vallender/Fuchs, NZI 2003, 292, 296; I. Pape, NZI 2004, 601, 604 f.; Schmerbach, ZInsO 2004, 697, 700; Grote/G. Pape, ZInsO 2004, 993, 1000 ff.; DAV, ZInsO 2005, 32, 35; Stephan, NZI 2006, 671, 676; Dick, ZVI 2007, 123, 128; Ahrens, ZRP 2007, 84, 88; ders., ZInsO 2007, 673, 678 f.; a. A. Rothammer, Die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung, S. 119 ff., 122; Ohle/Jäger, ZVI 2004, 714, 718. 1140) Vgl. Schmerbach, NZI 2012, 161, 162.

257

E. Restschuldbefreiung

an jeder Erklärung, was mit dieser Verweisung und dann mit diesem Systembruch erreicht werden soll.1141) 799 Umgekehrt fehlen in der Literatur nicht Vorschläge zur Vereinfachung des Versagungsverfahrens, insbesondere zur Reduzierung der Versagungstatbestände,1142) aber auch nicht zur Vereinheitlichung des Antragszeitpunkts und der Versagungsvoraussetzungen.1143) Obwohl gewichtige Erwägungen für einen derartigen systematisierenden, vereinheitlichenden und vereinfachenden Ansatz sprechen, sind diese Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen worden. 800 Ein Vollmodell der Schrankenbestimmungen ist allein im Fall einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung aufgrund einer Katalogstraftat geschaffen worden. Bereits im Vorfeld des Verfahrens begründet § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO eine fünfjährige Sperre bei Versagungen nach § 297 InsO in einem früheren Restschuldbefreiungsverfahren. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO eröffnet einen materiellen Versagungstatbestand bei einer rechtskräftigen Verurteilung bis zum Schlusstermin. Unmittelbar daran anschließend ist in § 297 InsO ein sachlich übereinstimmender materieller Versagungsgrund für derartige Verurteilungen bis zum Ende der Abtretungsfrist formuliert. Als verfahrensrechtlich gegründeter Versagungstatbestand ermöglicht § 297a i. V. m. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Versagung bei objektiv im Schlusstermin bereits vorliegenden rechtskräftigen Verurteilungen, die sich erst nachträglich herausgestellt haben. § 303 InsO schafft einen Doppeltatbestand mit einem materiellrechtlichen Widerrufsgrund bei einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Straftat, § 303 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, und einem verfahrensrechtlichen Widerrufstatbestand bei einer Verurteilung gem. § 297 Abs. 1 InsO, die sich erst nachträglich herausgestellt hat, § 303 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO. 801 Mit großer Regelungsintensität ist ein mehrschichtiges Gesamtmodell der Zulässigkeits-, Versagungs- und Widerrufsregeln bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat geschaffen worden. Über alle Stadien hinweg und für die unterschiedlichen Verfahrenskonstellationen wird gegenüber dem Zugang zur Restschuldbefreiung ein möglichst undurchlässiger Zaun errichtet. Offenbar haben die Folgen strafrechtlicher Verurteilungen den Gesetzgeber ganz besonders bewegt. Für andere Versagungsgründe fehlt ein derartiges Gesamtpaket. Dies ist aber bereits deswegen positiv, weil eine Vereinheitlichung des Regelungsmodells nicht dahingehend verstanden werden darf, immer neue und höhere Hürden vor der Restschuldbefreiung zu errichten, um letztlich möglichst vielen Schuldnern den Zugang zu versperren. Als Grundlage einer umfassenden Vereinheitlichung ___________ 1141) BT-Drucks. 17/13535, S. 27. 1142) Schmerbach, ZInsO 2005, 77, 81. 1143) Schmerbach, NZI 2011, 131, 133; ders., ZVI 2012, 155, 157; Grote/Pape, ZInsO 2012, 1913, 1916.

258

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

eignet sich dieses Muster auch deswegen nicht, weil es nicht auf die unterschiedlichen Anforderungen der Verfahrenssituationen reagieren kann. Erforderlich ist ein Gesamtverständnis der Regelungserfordernisse, das auch zum Fortfall mancher Schranken führen kann. c) Konzeptionelle Veränderungen aa) Unzureichende Erklärungen Die beschriebenen Änderungen gleichen einer tastenden Suche nach Re- 802 formansätzen sowohl bei den Gründen als auch beim Verfahren, um die Restschuldbefreiung zu versagen. Eine klare sachbezogene Ausrichtung ist kaum zu erkennen. Zu unterschiedlich sind viele Vorschläge geartet, zu instabil und zu wenig folgerichtig die einzelnen Entwürfe konzipiert. So wurden auch manche Vorschläge, wie der gesellschaftsrechtlich determinierte Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 Nr. 7 RegE 2007, alsbald wieder aufgegeben. Die vorgeschlagenen verschiedenartigen zusätzlichen Versagungstatbestände deuten auch darauf hin, wie gezeitenabhängig die Änderungsvorschläge waren. Insgesamt herrschte eine bemerkenswerte Kontinuität in der Diskontinuität. Die einzig klar erkennbare Linie besteht in dem Bestreben, eine Versagung der Restschuldbefreiung zu erleichtern.1144) Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn die Perspektive über § 290 InsO 803 hinaus erweitert wird. Trotz nachhaltiger Kritik an dem Tatbestand wird eine Versagung wegen nachträglich bekannt gewordener Gründe gemäß § 297a InsO ermöglicht. Umgekehrt ist die offensichtliche und häufig kritisierte Schwäche von § 295 Abs. 2 InsO1145) ungeachtet eines ersichtlichen Reformbedarfs nicht beseitigt worden. Jedenfalls deutet dieser Befund auf einen eher selektiven Umgang mit den Reformanlässen hin. Bemerkenswert einfach und zurückhaltend fallen zudem die Erklärungen aus, 804 warum die Versagungsregeln novelliert wurden. Als tragende Begründung, gerade auch für ein über das gesamte Insolvenzverfahren eröffnetes Antragsrecht, wird auf eine Stärkung der Gläubigerrechte abgestellt, denn die gesetzlichen Regelungen zum Restschuldbefreiungsverfahren wiesen diverse Schwachstellen auf. So werde die Wahrnehmung ihrer Rechte von den Gläubigern teilweise als beschwerlich angesehen.1146) Dieses Deutungsmuster ist durch eine entschiedene Freihändigkeit gekennzeichnet. Weder wird das Bild der Schwachstellen begrifflich näher erläutert noch werden sie quantifiziert.1147) Belastbare Begründungen werden nicht gegeben.1148) Erst recht fehlt eine ___________ 1144) Übersicht bei Ahrens, ZInsO 2007, 673, 675. 1145) Vgl. nur Grote, ZInsO 2004, 1105; Leibner, ZInsO 2002, 61; Schmerbach, NZI 2009, 469; Harder, NZI 2013, 521; Ahrens, ZVI 2014, 227, 228. 1146) BT-Drucks. 17/11268, S. 15. 1147) Pape, ZVI 2014, 234, 235. 1148) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 416, sprechen von reinen Vermutungen.

259

E. Restschuldbefreiung

systematische Erklärung oder gar eine Einordnung in das Modell und Leistungsprogramm des Restschuldbefreiungsverfahrens. 805 Unter den Voraussetzungen des in § 5 Abs. 2 InsO eingeführten obligatorischen schriftlichen Verfahrens entfällt zudem der für die Gläubiger scheinbar beschwerliche Aufwand,1149) in der Gläubigerversammlung erscheinen zu müssen, um dort einen Versagungsantrag zu stellen.1150) Darauf ist im Gesetzgebungsverfahren bereits frühzeitig hingewiesen worden.1151) Letztlich sind diese stichhaltigen Einwände übergangen worden. 806 Als weiterer Begründungsansatz wird im Kern darauf abgestellt, es sei ungerecht, einem unredlichen Schuldner die Restschuldbefreiung zu gewähren.1152) Offenbleibt, was unter einem unredlichen Schuldner zu verstehen ist und wie die einzelnen Verhaltensweisen differenziert zu würdigen sind. Dabei handelt es sich freilich um ein allgemeines, nicht allein die Gesetzesmaterialien kennzeichnendes Begründungsdefizit. Den unbestimmten Begriff des redlichen Schuldners verwendet das Gesetz allein im Rahmen von § 1 Satz 2 InsO. Dort dient der Terminus weder dazu, eine konkrete Rechtsfolgenanordnung noch eine Regelfallbestimmung zu treffen, sondern trägt lediglich zu einer Zielbestimmung bei. In den Materialien wird die Bezeichnung weder systematisiert noch in einen differenzierenden Bedeutungsgehalt aufgelöst. So dient gerade die terminologische Unschärfe der Unredlichkeit dazu, in den Materialien konkretisierende Erklärungen zu vermeiden. bb) Verlust von Ordnungsleistungen 807 Verfahrensstrukturierende konzeptionelle Leistungen im Rahmen der Restschuldbefreiung werden zerschlagen, ohne dafür eine belastbare Erklärung zu geben oder eine eigene Modellvorstellung zu formulieren und dem Istzustand entgegenzusetzen. So wird durch das eröffnete Recht, Versagungsanträge vor dem Schlusstermin stellen zu können, die Konzentrationswirkung des Schlusstermins mit ihren wichtigen Wirkungen für einen effektiven Verfahrensablauf zerschlagen. Infolgedessen entsteht für die Verfahrensbeteiligten eine erhebliche Unruhe. Die dadurch bedingten Auswirkungen auf den Verfahrensgang scheinen kaum bedacht zu sein. 808 Besonders nachteilig für ein beschleunigtes Verfahren wirkt sich die Befugnis aus, nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe gemäß § 297a InsO geltend machen zu können. Dadurch wird die motivierende und ordnende Funktion der Präklusionswirkung des Schlusstermins in wesentlichen Punkten aufgegeben. Zugleich wird der normative Zusammenhang zwischen den insolvenzrechtlichen Pflichtverletzungen und dem kohärenten Verfahrensab___________ 1149) So aber BT-Drucks. 17/11268, S. 15; dagegen Pape, ZVI 2014, 234, 235. 1150) Kritisch Ahrens, ZVI 2014, 227, 228; Pape, ZVI 2014, 234, 235. 1151) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 410; Frind, ZInsO 2012, 668, 671. 1152) BT-Drucks. 17/11268, S. 15.

260

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

schnitt aufgegeben, in dem diese Pflichten geltend gemacht werden können. Aus dem leichthändig tranchierten Restschuldbefreiungsverfahren sind damit wesentliche Stücke herausgelöst. Zudem wird der bisher bestehende klare Pflichtenbezug der Versagungs- 809 gründe in § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO und § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO aufgegeben. Ohne Rechenschaft in den Materialien über die dadurch eintretenden Modifikationen abzulegen, knüpfen diese beiden Versagungstatbestände insoweit an Obliegenheiten bzw. Lasten an. Trotz oder besser wegen dieser nur punktuellen Erweiterung dürfen die Versagungstatbestände nicht allgemein auf verletzte Obliegenheiten bezogen werden (vgl. Rn. 827). Jenseits der zu verneinenden Analogiefähigkeit der Versagungsgründe schließt bereits die Strukturfremdheit von Obliegenheitsverletzungen eine Generalisierung aus. Im Übrigen eröffnet die schmale Basis der verletzten Obliegenheiten aus § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO bzw. § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO keine hinreichend breite Grundlage, um eine Versagung auf andere Obliegenheiten zu stützen. Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept ist deswegen nicht ohne Weiteres abzuleiten, ob § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO entsprechend der in Bezug genommenen Regelung Obliegenheiten oder, orientiert an dem bisherigen Standard des § 290 Abs. 1 InsO, Pflichten normiert. Gewisse systematische Schwächen sind auch beim subjektiven Tatbestand 810 von § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO zu verzeichnen. Ganz untypisch für § 290 Abs. 1 InsO wird dort lediglich ein einfaches Verschulden verlangt, welches durch eine Beweislastumkehr zusätzlich in seinen Anforderungen reduziert ist. Demgegenüber setzen die Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 Nr. 2 – 6 InsO zumindest eine grobe Fahrlässigkeit voraus. Zudem wird bei der für den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO erforderlichen strafrechtlichen Verurteilung zumeist von einem vorsätzlichen Verhalten auszugehen sein. Als Erklärungsansatz mag an ein einheitliches Anforderungsprofil des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO gedacht worden sein, welches mit den §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 Abs. 1 InsO übereinstimmt, doch ist dies weder zwingend noch überzeugend. Verletzt der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Pflichten, verlangt § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten, während die gespiegelte Bestimmung in § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf das vermutete Verschulden aus § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO bezogen ist. Zu erklären ist der nach § 290 Abs. 1 InsO erforderliche qualifizierte Grad des Verschuldens mit den während des Insolvenzverfahrens existierenden besseren Erkenntnisquellen der Gläubiger gegenüber der Treuhandperiode, die eine leichtere Beurteilung des subjektiven Tatbestands ermöglichen. Gleiches gilt freilich uneingeschränkt für die Erwerbsobliegenheit. Die Ausgestaltung bildet daher auch in subjektiver Hinsicht einen Fremdkörper im Regelungskonzept von § 290 InsO. Zusammenfassend werden die argumentativen Schwächen der Gesetzesbe- 811 gründung überdeutlich. In dem für alle Beteiligten zentralen Bereich der Versagung einer Restschuldbefreiung werden oft diffuse Erklärungen ohne kon261

E. Restschuldbefreiung

zeptionelle Einbindung gegeben. So drängt sich der Eindruck auf, dass es in manchen Fällen weniger auf die Begründungen als auf ein bestimmtes Ergebnis angekommen ist. Dies gilt insbesondere, wenn Regelungen unter veränderten Umständen beibehalten werden, obwohl die dafür vorgetragenen Sachgründe entfallen sind. 2. Versagungstatbestände a) Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO 812 Die alte Fassung von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO sah im Unterschied zu den anderen Tatbeständen des § 290 Abs. 1 InsO keine ausdrückliche zeitliche Grenze vor, um eine Insolvenzstraftat als Versagungsgrund zu berücksichtigen.1153) Dem ist die Rechtsprechung bereits frühzeitig entgegengetreten. Die Regelung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach für den Schuldner nur tragbar, wenn zeitliche Schranken gesetzt werden. Als Maßstab hat der BGH auf die Länge der Tilgungsfristen nach dem BZRG, höchstens jedoch auf eine zehnjährige Frist abgestellt.1154) Damit hängt die Länge der Berücksichtigungsgrenze von der Höhe der Strafe ab. 813 Nach der neuen Gesetzesfassung besteht ein Versagungsgrund, wenn der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist. Mit der positiv zu bewertenden Novellierung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO werden die Ausschlussfristen vereinheitlicht sowie eine Erheblichkeitsschwelle bzw. Verhältnismäßigkeitsgrenze eingeführt.1155) Bagatellstraftaten rechtfertigen es nicht mehr, die Restschuldbefreiung zu versagen.1156) 814 Mit der fünfjährigen Frist vollzieht der Gesetzgeber nicht nur die allgemein geteilte Ansicht einer notwendigen zeitlichen Höchstgrenze nach, sondern setzt einen eigenen Akzent. Ermöglicht wird eine bisher fehlende Klarheit und dadurch Rechtssicherheit.1157) Ein Rückgriff auf die Tilgungsfristen aus § 46 BZRG mit der daraus resultierenden, vom Strafmaß abhängigen unterschiedlichen Fristenlänge wird überflüssig.1158) Vielmehr soll die neue Befristung an der fünfjährigen Zeitspanne des § 34 Abs. 1 Nr. 3 BZRG für die Aufnahme einer Verurteilung in ein Führungszeugnis orientiert sein.1159) Dabei stimmt ___________ 1153) FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 17. 1154) BGH, NZI 2003, 163, 164; 2010, 349 Rn. 8; AGR/Fischer, § 290 InsO Rn. 27. 1155) Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1442; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845. 1156) Kritisch dagegen Weiß, ZInsO 2012, 1058. 1062. 1157) AGR/Fischer, § 290 n. F. InsO Rn. 3; Heicke, VIA 2014, 49. 1158) Graf-Schlicker, ZVI 2014, 202, 204. 1159) BT-Drucks. 17/11268, S. 26.

262

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

die fünfjährige Frist mit der neuen Sperrfrist aus § 287a Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO überein, wodurch eine Wertungsharmonie erreicht werden soll.1160) Konkretisiert werden außerdem die Fristberechnung und der zeitliche An- 815 wendungsbereich für den Versagungsgrund. Folgerichtig sollen nicht nur rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen innerhalb der fünfjährigen Frist vor dem Eröffnungsantrag, sondern auch nach dem Eröffnungsantrag abgedeckt sein. Die Formulierung entspricht der in § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO (Rn. 640 ff.), weswegen sie übereinstimmend auszulegen ist. Sind mehrere Insolvenzanträge gestellt, ist derjenige maßgebend, auf den hin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Bislang genügte es, wenn die rechtskräftige Verurteilung bis zum Schluss- 816 termin bzw. dem Ende der Schlussanhörung erfolgt war,1161) weil zuvor kein Versagungsantrag gestellt werden konnte. Noch nicht beantwortet ist damit, ob künftig die Verurteilung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO gleichfalls erst bis zum Schlusstermin rechtskräftig geworden sein muss. Dafür spricht das Zusammenspiel mit § 297 InsO, der fugenlos an § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO anschließen soll und auf Verurteilungen nach dem Schlusstermin abstellt. Allerdings kann der Gläubiger inzwischen nach § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO einen Versagungsantrag auch vor dem Schlusstermin stellen. Die rechtskräftige Verurteilung bildet ein Element des Versagungsgrunds, der im Rahmen eines zulässigen Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. InsO glaubhaft gemacht werden muss. Entscheidend ist daher, wann die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Versagungsantrags erfüllt sein müssen. Maßgebend ist deswegen nicht mehr der Termin der Antragstellung, sondern der einer ggf. erforderlichen Glaubhaftmachung des Versagungsgrunds. Da diese voraussichtlich bis zum Schlusstermin oder bis zur Schlussanhörung zulässig ist, wird sich insoweit keine Änderung ergeben.1162) Sollte indessen die Glaubhaftmachung früher erfolgen müssen, bleibt die Sicherungsfunktion der Verfahrensregeln zu beachten. Die Regelungslücke zwischen § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 297 InsO ist dann nicht durch ein abweichendes Verständnis der Verfahrensanforderungen, sondern eine erweiternde Interpretation des Anwendungsbereichs von § 297 InsO zu schließen. Abzustellen ist darauf, wann die formelle Rechtskraft für den Schuldner eingetreten ist, weil dessen Rechtsmitteleinlegung entscheidend ist. Wie der BGH soeben nochmals entschieden hat, ist eine analoge Anwendung 817 von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf andere Straftaten ausgeschlossen. Dies gilt auch im Fall einer Insolvenzverschleppung.1163) Nicht besonders geregelt wird die Gesamtstrafenbildung bei einer Insolvenz- und einer anderen Straftat.1164) ___________ 1160) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1161) Uhlenbruck/Vallender, § 290 Rn. 21; FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 14; AGR/Fischer, § 290 InsO Rn. 26. 1162) Im Einzelnen auch MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 27. 1163) BGH, BeckRS 2014, 15559 Rn. 10. 1164) Hirte, ZInsO 2013, 171, 174; Ernst, JurBüro 2013, 401, 402.

263

E. Restschuldbefreiung

Bislang kam es darauf an, wenn die Höhe der Strafe über die Länge der Tilgungsfrist entschied. Die Rechtsprechung bildete in diesem Fall die fiktiv auf die Insolvenzstraftat entfallende Strafe und bestimmte hiernach die Länge der Tilgungsfrist.1165) Da die Länge der Berücksichtigungsgrenze gesetzlich festgelegt ist, kommt es hierauf nicht mehr unmittelbar an. Allerdings ist künftig die Bagatellgrenze zu bestimmen. Hierfür wird weiterhin die fiktiv auf die Insolvenzstraftat bzw. die Insolvenzstraftaten entfallende Strafe zu bemessen sein.1166) 818 Im Übrigen bleiben die Anforderungen prinzipiell unverändert. Dies betrifft insbesondere die maßgebenden Katalogtaten und den Eintritt der Rechtskraft. Grundsätzlich gilt dies auch für die Art der Strafen, doch ist bei ihnen eine Einschränkung geboten. Verurteilungen nach Jugendstrafrecht sollen weder zu Geld- noch zu Freiheitsstrafen erfolgen.1167) Übereinstimmend damit sieht § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. c), d) BZRG typischerweise eine nur dreijährige Frist für die Aufnahme in ein Führungszeugnis vor. 819 Obwohl diese Novelle insgesamt positiv zu bewerten ist und einige Auslegungsschwierigkeiten ausräumt, die bislang bestanden, darf doch der gesetzgeberische Kontext nicht übersehen werden. Unternehmerisches Handeln wird durch diese Gesetzesänderung risikoärmer. Im Unterschied dazu treten bei den sonstigen Versagungsgründen beachtliche Erschwerungen ein. Dabei dürfte es sich um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung gehandelt haben. b) Frühere Restschuldbefreiungsverfahren gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO 820 Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO bei einer früheren Erteilung der Restschuldbefreiung oder Versagung nach den §§ 296, 297 InsO wird aufgehoben. Dies ist folgerichtig, weil die entsprechenden Tatbestände in die Sperrfristregelung des § 287a Abs. 2 Satz 1 InsO überführt wurden und so eine Konkurrenz zwischen einer Sachentscheidungsvoraussetzung und einem Versagungsgrund ausgeschlossen wird. Zugleich entfällt damit der bisherige Ausgangspunkt der Sperrfristrechtsprechung. c) Verringerung der Insolvenzmasse gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO 821 Eine technisch geringfügige, praktisch aber durchaus bedeutsame Änderung ist in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO erfolgt. Dessen Frist wird von einem Jahr auf drei Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlängert. Als einziger sachlicher Grund dafür wird in den Materialien die an die Sperrfrist des ___________ 1165) BGH, NZI 2010, 349 Rn. 8; OLG Celle, NZI 2001, 314, 316. 1166) HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 5; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/ Vallender, ZIP 2012, 558, 563. 1167) Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 563.

264

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

§ 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO angeglichene Dauer genannt.1168) Dies überzeugt nicht, weil die Sperrfrist an einfach feststellbare gerichtliche Entscheidungen anknüpft, während der Versagungstatbestand auf komplexe wirtschaftliche Sachverhalte abstellt, wie unangemessene Verbindlichkeiten oder eine Vermögensverschwendung. Obwohl der Pflichtenbezug des § 290 Abs. 1 InsO durchbrochen wird und 822 § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 sowie Nr. 7 1. Halbs. InsO neuerdings auf verletzte Lasten bzw. Obliegenheiten abstellen, ist eine allgemeine Erweiterung auf Obliegenheitsverletzungen ausgeschlossen. Deswegen kann § 290 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 3 InsO nicht über die verletzte Antragspflicht hinaus auf eine beeinträchtigte Antragsobliegenheit erweitert werden. Bislang wird in der Verbraucherinsolvenz eine Antragspflicht abgelehnt.1169) Überwiegend wird aber eine Antragsobliegenheit eines Schuldners im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern sowie den ihnen gleichgestellten Kindern bei einem Mangelfall bejaht.1170) Da die Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO nicht analogiefähig sind und Obliegenheitsverletzungen zudem atypische Versagungsgründe darstellen, kann § 290 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 3 InsO nicht auf eine verletzte Antragsobliegenheit erweitert werden. Als einschränkende Voraussetzung verlangt § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO eine be- 823 einträchtigte Gläubigerbefriedigung. Sie entfällt jedenfalls dann, wenn aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung der Gegenstand zur Masse zurückgewährt worden ist. Fraglich ist, was bei einem bloß möglichen Anfechtungsanspruch gilt. Bislang wird hier eine beeinträchtigte Gläubigerbefriedigung angenommen.1171) Dies ist nachvollziehbar, weil die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen nicht zu den originären Aufgaben des Treuhänders gehörte. Mit dem Wechsel zum Insolvenzverwalter hat sich diese Situation jedoch verändert. Im Rahmen des Versagungsverfahrens ist vom antragstellenden Gläubiger ggf. vorzutragen, warum ein Anfechtungsanspruch ausgeschlossen ist. Überfordert wird er dadurch nicht, denn auch der Schuldner muss im Rahmen seiner insolvenzrechtlichen Auskunftspflicht die für eine Insolvenzanfechtung maßgebenden Umstände anführen.1172) d) Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO Bislang stellt § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf die Verletzung von Auskunfts- oder 824 Mitwirkungspflichten während des Insolvenzverfahrens ab. Die Verweisung ___________ 1168) BT-Drucks. 17/11268, S. 27. 1169) BGH, NZI 2012, 330 Rn. 9. 1170) BGH, NJW 2005, 1279; NZI 2008, 114 Rn. 23; kritisch FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 25. 1171) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 54; Römermann, in: Nerlich/Römermann, EL 21, § 290 Rn. 70. 1172) BGH, NZI 2010, 264 Rn. 6; BGH, NZI 2010, 999 Rn. 5; ZInsO 2012, 751 Rn. 14; AGR/Fischer, § 290 Rn. 65.

265

E. Restschuldbefreiung

auf das Insolvenzverfahren wird gestrichen und durch die Formulierung „nach diesem Gesetz“ ersetzt. Damit soll die Regelung auch positivrechtlich auf das Eröffnungsverfahren bezogen werden.1173) Bereits seit Langem wird diese Auslegung von der Rechtsprechung vertreten, weil eine differenzierende Behandlung nicht zu erklären ist.1174) Überzeugend werden in der Novelle die Anforderungen auf die insolvenzrechtlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten beschränkt. Unerheblich sind deswegen materiellrechtliche Anforderungen. 825 Obwohl keine inhaltliche Änderung geplant war,1175) stimmt der neue Anwendungsbereich nicht vollkommen mit der bisherigen Praxis überein. Der erweiterte Regelungsbereich der Vorschrift ist nicht allein auf das Eröffnungsverfahren sowie das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren,1176) sondern auf alle insolvenzrechtlichen Pflichten in sämtlichen Verfahren erstreckt. Dies gilt insbesondere für die Pflichten im Kostenstundungsverfahren. Dagegen wurde bislang die unzureichende Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse im Stundungsantrag, auch wenn sie im Eröffnungsverfahren erfolgte, nicht von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst.1177) 826 Gemeint sind nur die Pflichten aus dem eigenen Insolvenzverfahren.1178) Erfüllt der Schuldner im Insolvenzverfahren eines anderen Schuldners einen Insolvenzanfechtungsanspruch nicht oder nicht vollständig, verstößt er möglicherweise gegen insolvenzrechtliche Pflichten im weiteren Sinn. Wegen des erforderlichen verfahrensbezogenen Zusammenhangs ist jedoch diese Nichterfüllung unbeachtlich. Ein Verstoß gegen eine Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht aus einer Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder stellt keine Verletzung der in § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorausgesetzten gesetzlichen Pflichten dar.1179) Weiterhin nicht eingeschlossen sind die Auskunftsobliegenheiten in der Treuhandperiode, die gerade keine Pflichten begründen. 827 Erfasst werden nur Pflichten, nicht Obliegenheiten oder verfahrensrechtliche Lasten, wie die Sonderregelung für die Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO belegt. Eine entsprechende Regelung für den sog. Herkunftsnachweis aus § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO ist nicht erfolgt. Sachlich handelt es sich dabei, wie sich aus der Funktion der Erklärung und dem Vergleich mit § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO ergibt, ebenfalls um eine verfahrensrechtliche Last,1180) weswegen ___________ 1173) BT-Drucks. 17/11268, S. 27. 1174) BGH, NZI 2005, 232; 2009, 65 Rn. 6. 1175) HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 11. 1176) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 63. 1177) BGH, NZI 2005, 232, 233. 1178) BGH, ZInsO 2009, 684 Rn. 8. 1179) BGH, NJW 2003, 2167, 2170. 1180) Praß, ZVI 2014, 170, 174; an einer Pflicht zweifelnd auch Frind, BB 2013, 1674, 1677.

266

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO und demzufolge auch § 297a Abs. 1 InsO unanwendbar sind. Bislang hat der BGH eine Heilung von verfahrensbezogenen Pflichtverlet- 828 zungen in der Verbraucherinsolvenz nur im Eröffnungsverfahren zugelassen. Da das Kontrollraster des § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO nunmehr enger auf unzutreffend ausgefüllte Formulare bezogen ist, könnte in den sonstigen Fällen eine längere Heilungsmöglichkeit eröffnet sein. Allerdings hat die höchstrichterliche Judikatur die enge Beschränkung auch damit begründet, dass im Verbraucherinsolvenzverfahren schon für das der Verfahrenseröffnung vorangehende Schuldenbereinigungsplanverfahren richtige und vollständige Angaben des Schuldners erforderlich sind.1181) Da dieser Grund fortbesteht, ist eine Rechtsprechungsänderung nicht zu erwarten. e) Unzutreffende Verzeichnisse und Erklärungen gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO aa) Unzutreffende Verzeichnisse gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO Bislang bildete § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO eine Spezialvorschrift, mit der eine 829 Lücke beim Verbraucherinsolvenzverfahren geschlossen werden sollte, weil § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO a. F. das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren nicht betraf.1182) Von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO mit dem nunmehr in Alt. 2 normierten Tatbestand wurden unzutreffende Verzeichnisse erfasst, die der Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbraucherinsolvenzverfahren vorzulegen hat. Ohne diesen besonderen Tatbestand hätten fehlerhafte Verzeichnisse keinen Versagungsgrund eröffnet. Durch die erweiternde Rechtsprechung des BGH, die § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO 830 auf das Eröffnungs- und Schuldenbereinigungsplanverfahren bezog,1183) ist die Legitimationsbasis bereits brüchig geworden.1184) Diese Judikatur ist jetzt gesetzlich nachvollzogen. Durch den umfassenden Anwendungsbereich von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO, der jetzt das Schuldenbereinigungsplanverfahren und damit die Verzeichnisse nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO einschließt, wird der Gegenstandsbereich von § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO weithin von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO abgedeckt. Wie diese neue Konkurrenz aufzulösen ist, ist in den Gesetzgebungsmaterialien nicht thematisiert. Folgerichtig ist von einer gewandelten Funktion des § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO auszugehen. § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO stellt deswegen eine spezialgesetzliche Regelung gegenüber § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dar, die auf eine besondere Konstellation im Verbraucherinsolvenzverfahren reagiert. Da das Insolvenzgericht den Schuldner nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Ergänzung unvoll___________ 1181) BGH, NZI 2005, 461. 1182) Uhlenbruck/Vallender, § 290 Rn. 75. 1183) BGH, NZI 2005, 232, 233. 1184) Karsten Schmidt/Henning, § 290 Rn. 57.

267

E. Restschuldbefreiung

ständiger Angaben im Formular auffordert, können derartige Mängel in den Formularen, denen der Schuldner abgeholfen hat, keinen Versagungsgrund bilden.1185) 831 Die Vermögensübersicht aus § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird weiterhin nicht in § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO erwähnt, weswegen eine fehlerhafte Übersicht auch unter dem neuen Recht keinen Versagungsgrund begründet.1186) Dieser besondere Aussagegehalt von § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO darf nicht durch den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterlaufen werden. Insoweit grenzt § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO ebenfalls ab, wann in Verbraucherinsolvenzverfahren kein Versagungsgrund verwirklicht ist. bb) Unzutreffende Erklärung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO 832 Mit einem zusätzlichen Regelungselement wird der sachliche Anwendungsbereich von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auf die nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO vorzulegende Erklärung erweitert. Damit eröffnet § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO eine Reaktionsmöglichkeit auf eine falsche Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO darüber, ob ein Sperrfristgrund aus § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 InsO vorliegt. Auf diese Weise soll der Richtigkeitsgehalt der Entscheidung über die Sperrfristgründe zusätzlich abgesichert werden. Aus dem systematischen und funktionalen Gehalt dieser Regelung sind verschiedene Konsequenzen zu entwickeln. 833 Zunächst wird durch diesen neuen Anwendungsfall von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO der Anwendungsbereich und damit der sachliche Regelungsgehalt der Norm verändert. Während die Vorschrift in ihrem bisherigen Aussagegehalt des § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 2 InsO auf das Verbraucherinsolvenzverfahren beschränkt war, erfasst die neue Alternative sämtliche Restschuldbefreiungsverfahren. Da die Erklärungslast aus § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO in allen Restschuldbefreiungsverfahren gilt und eine unterschiedliche Behandlung von allgemeinen Insolvenzverfahren und Verbraucherinsolvenzverfahren nicht zu rechtfertigen ist, wird der sachliche Anwendungsbereich der Norm jedenfalls für diese Tatbestandsalternative erweitert. 834 Wegen des Kontrasts, der aus dem unterschiedlichen Anwendungsbereich resultiert, wirkt der neue Versagungstatbestand irritierend und systematisch befremdlich. Auf den ersten Blick hätte eine Normierung des Versagungsgrunds im Fall einer unzutreffenden Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO bei § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nähergelegen. Soweit eine solche, sich doppelt aufdrängende Regelungsstelle nicht gewählt wird, die sich aus der scheinbaren Nähe zu den insolvenzrechtlichen Anforderungen aus § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO und dem unterschiedlichen Anwendungsbereich gegenüber § 290 Abs. 1 ___________ 1185) BGH, NZI 2005, 461. 1186) Heicke, VIA 2014, 49, 50.

268

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

Nr. 6 Alt. 2 InsO ergibt, spricht dies für einen aufgrund der Positionierung klar akzentuierten Aussagegehalt. Als wesentliche Erkenntnis daraus normiert § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO 835 keinen Versagungsgrund bei einer verletzten insolvenzrechtlichen Pflicht, sondern bei einer verletzten verfahrensrechtlichen Last. Wenn das Erklärungserfordernis aus § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO eine insolvenzrechtliche Pflicht begründen sollte, wäre eine Sonderregelung entbehrlich. Allenfalls wäre, um den Versagungstatbestand klarzustellen, eine ergänzende Regelung in § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu erwägen gewesen. Die Spezialregelung in § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO weist so den besonderen Gehalt als Erklärungslast aus. Dennoch bleibt ein ungelöstes Problem existent. Bislang betraf § 290 Abs. 1 InsO allein Pflichtverletzungen. Dieses Konzept wird jetzt durchbrochen. Obwohl die einzelnen Versagungsgründe gleichgeordnet erscheinen, sind sie doch verschiedenrangig. Allerdings entspricht dies offenbar den Vorstellungen des Gesetzgebers, der auch in § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO eine Obliegenheitsverletzung zur tatbestandlichen Voraussetzung eines Versagungsgrunds bestimmt hat. Der Umfang der Erklärungslast folgt aus § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO. Jeder 836 Schuldner, der die Restschuldbefreiung beantragt, hat zu erklären, ob ihm in den letzten zehn Jahren vor dem aktuellen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt worden ist. Außerdem muss er angeben, ob ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag gemäß § 297 InsO versagt wurde. Zusätzlich hat er nach § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO auszuführen, ob ihm in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 InsO, nach § 296 InsO oder gemäß § 297a InsO aus den Gründen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 InsO versagt wurde. In den Verbraucherinsolvenzverfahren muss der Schuldner die entsprechenden Angaben im Formular ankreuzen. Für die Fristberechnung ist auf den Eintritt der Rechtskraft abzustellen, wie dies bislang schon der Sperrfristrechtsprechung des BGH entspricht.1187) § 290 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1 InsO betrifft allein unrichtige oder unvollständige 837 Angaben in der Erklärung. Gibt der Schuldner keine Erklärung ab, ist der Anwendungsbereich des Versagungsgrunds nicht erfüllt. Dadurch wird ein sachgerechtes Zusammenspiel der Eingangsentscheidung und des Versagungsgrunds normiert. In der Eingangsentscheidung hat das Insolvenzgericht über die Sachentscheidungsvoraussetzungen und damit zugleich über eine vorliegende Äußerung gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO zu entscheiden. Erachtet das Insolvenzgericht das Restschuldbefreiungsverfahren für zulässig, legt es eine Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO zugrunde. Es wäre ver___________ 1187) BGH, NZI 2009, 691 Rn. 17; 2010, 263 Rn. 5; 2010, 407 Rn. 6; 2011, 544 Rn. 6.

269

E. Restschuldbefreiung

fehlt, wenn diese rechtskräftige Entscheidung im Rahmen eines Versagungsverfahrens revidiert werden könnte. Wegen des beschränkten Prüfungsprogramms des Insolvenzgerichts ist es konsequent, im Versagungsverfahren überprüfen zu können, ob die Erklärung richtig und vollständig abgegeben wurde. 838 Keinen Versagungsgrund bildet eine fehlende, unrichtige oder unvollständige Versicherung nach § 287 Abs. 1 Satz 4 InsO. Der Versagungstatbestand ist allein auf die Erklärung und nicht auf die Versicherung bezogen. 839 In der Erklärung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO muss der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht haben. Bei diesem qualifizierten Verschulden ist die Komplexität der vom Schuldner erwarteten Erklärung zu berücksichtigen. Wenn das Insolvenzgericht im Erstverfahren Fehler gemacht hat und eine falsche Norm nennt, kann dies dem Schuldner nicht angelastet werden. Ihn trifft möglicherweise auch dann keine grobe Fahrlässigkeit, wenn das Insolvenzgericht eine unklare Entscheidung getroffen hat. Bleibt offen, ob der Beschluss etwa auf § 290 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 InsO beruht, kann dem Schuldner eine unzutreffende Erklärung nicht angelastet werden. f) Verletzung der Erwerbsobliegenheit gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO aa) Anwendungsbereich der Erwerbsobliegenheit 840 In einem mehrstufigen Tatbestand normiert § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO den Versagungsgrund bei einer verletzten Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO. Dieser Versagungsgrund bildet wohl die entscheidende Triebkraft dafür, überhaupt die Erwerbsobliegenheit im Insolvenzverfahren zu normieren. Auf Antrag eines Insolvenzgläubigers ist die Restschuldbefreiung, unter den sonstigen Voraussetzungen, nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO zu versagen, wenn der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Dies gilt nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 2. Halbs. InsO nicht, falls den Schuldner kein Verschulden trifft. Außerdem ist in § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO eine entsprechende Anwendung von § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO angeordnet. Gestaltet und ausgeformt ist der Versagungstatbestand nach dem Modell der in der Treuhandperiode verletzten Erwerbsobliegenheit und dem dafür zu beachtenden Versagungsverfahren. 841 Unter den sachlichen Anwendungsbereich von § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO fällt allein die im eröffneten Insolvenzverfahren verletzte Erwerbsobliegenheit aus § 287b InsO. Im Rahmen der Vorschrift sind weder Verhaltensweisen vor noch nach dem eröffneten Insolvenzverfahren beachtlich. Im Eröffnungsverfahren besteht noch kein Erwerbserfordernis. Die Obliegenheit in der Treuhandperiode aus § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO führt allein nach § 296 InsO zu einer Versagung der Restschuldbefreiung. Allerdings kann die im Insolvenzverfahren verletzte Erwerbsanforderung unter den 270

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

Voraussetzungen von § 297a InsO nachträglich geltend gemacht werden. Verletzt der Schuldner die kostenrechtliche Erwerbsobliegenheit, kann die Kostenstundung aufgehoben werden, § 4c Nr. 4 InsO. Ist eine Kostenstundung bewilligt worden, konkurriert diese Rechtsfolge mit dem Versagungstatbestand. § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO definiert nicht selbst die Erwerbsobliegen- 842 heit, sondern verweist auf die Obliegenheit aus § 287b InsO. Dieses Regelungsmuster entspricht dem Vorbild aus den §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO. Insoweit handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, die den gesamten Inhalt von § 287b InsO und damit auf dessen vollständigen Anwendungsbereich Bezug nimmt. Einen solchen Aufbau hat bereits § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. RegE 2012 gewählt, wenn dort die Erwerbsobliegenheit auch noch in § 295 Abs. 1 InsO selbständig normiert war und erst durch den Rechtsausschuss in § 287b InsO überführt wurde.1188) Nicht ganz selbstverständlich ist, ob § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO auf 843 eine verletzte Erwerbsobliegenheit bei einer selbständigen Tätigkeit gestützt werden kann.1189) Da § 287b InsO allein auf die Obliegenheiten im Rahmen einer nicht selbständigen Tätigkeit abstellt, könnte darin eine unzulässige analoge Anwendung des Versagungsgrunds zu sehen sein. Allerdings wird nicht § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO, sondern der davon zu unterscheidende Tatbestand des § 287b InsO erweitert. Vor allem aber eröffnet die Extension von § 287b InsO auf eine zur Erfüllung der Erwerbsobliegenheit zulässige Selbständigkeit dem Schuldner ein zusätzliches Recht, denn sonst dürfte er nicht selbständig erwerbstätig sein. Dann ist es aber folgerichtig, die damit verbunden Lasten korrespondieren zu lassen. Wegen der eindeutigen Terminologie, der grundrechtlich gewährleisteten Be- 844 rufsfreiheit, der systematischen Einbindung1190) und der insoweit eindeutigen Gesetzesbegründung1191) ist von einer Obliegenheit und keiner Erwerbspflicht auszugehen. Dadurch wird eine Obliegenheit atypisch als Versagungsgrund im Rahmen von § 290 Abs. 1 InsO ausgestaltet. bb) Sonstige Voraussetzungen Durch die verletzte Erwerbsobliegenheit muss die Befriedigung der Insol- 845 venzgläubiger beeinträchtigt worden sein, womit eine weitere Tatbestandsvoraussetzung aus § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO übernommen wird. Es gelten daher die gleichen Anforderungen wie bei § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO. Der Schuldner muss die Befriedigung der Gläubiger konkret messbar beeinträchtigt haben, was vom Gläubiger darzulegen und glaubhaft zu machen ___________ 1188) BT-Drucks. 17/13535, S. 27. 1189) Bejahend Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 83. 1190) Vgl. nur BGH, NZI 2014, 461 Rn. 22; BAG, NZI 2013, 942 Rn. 15, 21. 1191) BT-Drucks. 17/11268, S. 27, 28.

271

E. Restschuldbefreiung

ist.1192) Es genügen auch beeinträchtigte Befriedigungsaussichten der Massegläubiger einschließlich der Staatskasse. Es reicht aus, wenn die vom Schuldner nicht abgeführten Beträge eine teilweise Deckung der Verfahrenskosten ermöglicht hätten.1193) Kann der Schuldner aus einer zumutbaren Tätigkeit lediglich ein unpfändbares Einkommen erwerben, wird die Gläubigerbefriedigung nicht beeinträchtigt.1194) Nach Abzug aller vorrangig zu befriedigenden Verbindlichkeiten muss eine pfändbare Summe verbleiben und dieser an die Insolvenzgläubiger verteilbare Betrag verkürzt sein.1195) Die Pfändungsfreibeträge für das Arbeitseinkommen sind entsprechend der Unterhaltspflichten zu bestimmen, wobei zu unterstellen ist, dass der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nachgekommen wäre.1196) 846 Bei den verfahrensbezogenen Versagungsgründen aus § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO hat der BGH eine Heilung zugelassen.1197) Holt der Schuldner von sich aus eine gebotene, aber zunächst unterlassene Auskunftserteilung nach, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist, beeinträchtigt seine Obliegenheitsverletzung die Gläubigerinteressen nicht.1198) Dieser Gedanke ist prinzipiell auf eine Heilung der Erwerbsobliegenheit übertragbar. Ein Unterschied ist aber doch geboten. Im Verbraucherinsolvenzverfahren müssen die Auskünfte nach Auffassung des BGH noch im Eröffnungsverfahren nachgeholt werden, weil dort schon für das der Verfahrenseröffnung vorangehende Schuldenbereinigungsverfahren richtige und vollständige Angaben des Schuldners erforderlich sind.1199) Da die Erwerbsobliegenheit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einsetzt, also kein vergleichbar früher Bedarf besteht, kann die verletzte Erwerbsobliegenheit in der Verbraucherinsolvenz noch im eröffneten Verfahren geheilt werden. 847 Als weiteres aus § 296 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. InsO übernommenes Regelungselement entfällt nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 2. Halbs. InsO der Versagungsgrund, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. Der Schuldner muss sich danach für sein mangelndes Verschulden entlasten.1200) Es entschuldigt einen selbständigen Schuldner nicht, wenn er mit seinem Geschäft nicht so viel erwirtschaftet, dass er monatlich den ermittelten Betrag an den Treuhänder abführen kann. Erkennt der Schuldner, dass er nicht die Beträge einer angemessenen nicht selbständigen Erwerbstätigkeit erwirtschaftet, muss er seine selbständige Tätigkeit zunächst nicht aufgeben. Um den Ver___________ 1192) BGH, ZInsO 2010, 1456 Rn. 4. 1193) BGH, NZI 2011, 639 Rn. 4 f. 1194) BGH, NZI 2010, 114 Rn. 10. 1195) BGH, ZInsO 2009, 2210 Rn. 11; 2010, 1558 Rn. 7; 2011, 2101 Rn. 7. 1196) BGH, BeckRS 2013, 17214 Rn. 3. 1197) BGH, NZI 2005, 461; NZI 2009, 777 Rn. 11; NZI 2011, 114 Rn. 6. 1198) BGH, NZI 2009, 777 Rn. 11; NZI 2011, 114 Rn. 6. 1199) BGH, NZI 2005, 461. 1200) BGH, ZInsO 2009, 2069 Rn. 6; 2010, 345 Rn. 12.

272

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

schuldensvorwurf zu entkräften, muss sich der Schuldner wie eine erwerbslose Person nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen.1201) Auch beim Verschuldensmaß folgt § 290 Abs. 1 Nr. 7 2. Halbs. InsO dem Modell des § 296 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. InsO und nicht den Vorstellungen des § 290 Abs. 1 InsO. Während die Versagungstatbestände des § 290 Abs. 1 InsO typischerweise ein qualifiziertes Verschulden erfordern, lässt § 290 Abs. 1 Nr. 7 2. Halbs. InsO ein einfaches Verschulden genügen, nochmals abgeschwächt durch die Beweislastumkehr. Eine vom Modell der §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 InsO abweichende Ausgestal- 848 tung ist aber doch zu konstatieren. Da § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO nicht auf die entsprechend anzuwendende Bestimmung des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist, soll für diesen Versagungsgrund keine Ausschlussfrist von einem Jahr gelten.1202) Aus der unterbliebenen Verweisung folgt freilich noch nicht, ob keine oder im Gegenteil eine noch kürzere Ausschlussfrist gilt. Im Rahmen eines übergreifenden Verständnisses mit der novellierten Antragsberechtigung aus § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO ist indessen eine innerhalb des gesetzlichen Rahmens von der Forderungsanmeldung bis zum Schlusstermin oder den gleichgestellten Verfahrenssituationen unbefristete Antragsberechtigung zu entwickeln. Abgesehen von der von § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO abweichenden Ausschluss- 849 frist sind für den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. und 2. Halbs. InsO die Regelungsmuster vollständig aus den §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 Abs. 1 Satz 1 InsO entlehnt. Was auf den ersten Blick noch wie ein einheitliches Konzept erscheinen mag, weist sehr schnell substanzielle Mängel auf. Nur mühselig ist die lückenhafte Regelung bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu vervollständigen (Rn. 775 ff.). Zudem zerreißt der singuläre Bezug in § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO auf § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO ersichtlich den Verständniszusammenhang. Offenbleibt, warum nicht bei § 290 Abs. 1 InsO insgesamt eine beeinträchtigte Gläubigerbefriedigung erforderlich ist, wie sie neben § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO bereits § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO und jetzt auch § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbs. InsO verlangen. Noch eklatanter werden die Regelungsprobleme bei § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO. cc) Verweisung auf § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO Auf die Spitze getrieben ist die Verweisungstechnik mit § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. 850 Halbs. InsO. Die Regelung erklärt § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO für entsprechend anwendbar. Der Schuldner hat nach § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO über die Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides statt zu versichern. Ihm ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn er die Aus___________ 1201) BGH, NZI 2009, 482 Rn. 5; NZI 2012, 718 Rn. 16; NZI 2013, 189 Rn. 22. 1202) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 84.

273

E. Restschuldbefreiung

kunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist abgibt oder der Schuldner trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem entsprechenden Termin erscheint. Damit werden die Verfahrensobliegenheiten der Treuhandperiode in das Verfahrensmuster des § 290 InsO überführt. Diese Bestimmung lädt zu manchen skeptischen Betrachtungen ein, denn welche Funktion die Verweisung erfüllen soll, bleibt weithin rätselhaft. 851 In vielerlei Hinsicht stellt die Verweisung einen Fremdkörper im Regelungsbereich des § 290 Abs. 1 InsO dar. So scheitert auch eine funktionale Annäherung weithin. In der Treuhandperiode sind die Verfahrensobliegenheiten sinnvoll, weil dort nur eine abgeschwächte Bindung des Schuldners existiert. Dem Insolvenzgericht und den Insolvenzgläubigern fehlen deswegen Erkenntnismöglichkeiten, ob der Schuldner seine Obliegenheit aus § 295 InsO erfüllt. Die Verfahrensobliegenheiten aus § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO sichern daher die Kooperation und Information durch den Schuldner. Für die Verfahrensobliegenheiten gelten grundsätzlich die Maßstäbe aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO.1203) Während des Insolvenzverfahrens ist eine solche Regelung unnötig. Dort bestehen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners aus den §§ 97 f. InsO, die durch § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO abgesichert sind.1204) Diese umfassenden Pflichten gehen weit über die gegenständliche Beschränkung des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO hinaus. So bleibt die Aufgabenstellung indifferent, denn auch die Materialien geben über den angestrebten Regelungszweck keine Auskunft. 852 Unklar ist zudem, ob mit der Verweisung ein Versagungsgrund oder ein zusätzliches Element des Versagungsverfahrens geregelt werden soll. Für einen Versagungsgrund spricht jedenfalls die Stellung in § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO, denn sonst wären, vollkommen atypisch für diese Vorschrift, in den Versagungstatbestand Elemente des Versagungsverfahrens eingemischt. Eine Verfahrensregelung hätte dagegen sachgerecht nach § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO erfolgen müssen. Bei einer Verfahrensregelung über eine Auskunftserteilung, das Erscheinen und eine eidesstattliche Versicherung besteht außerdem eine ungelöste Konkurrenz mit den insolvenzrechtlichen Pflichten aus den §§ 97 f. InsO.1205) Offen ist nicht allein, wie sich die parallelen Obliegenheiten und Pflichten zueinander, sondern auch wie sie sich im Verhältnis zu § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verhalten. 853 Gewichtige Erwägungen sprechen deswegen dafür, in § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO einen zusätzlich normierten Versagungsgrund zu sehen.1206) Aus einem solchen Verständnis resultieren mehrere Konsequenzen. Zunächst ___________ 1203) BGH, NZI 2013, 404 Rn. 9 mit Anm. Ahrens. 1204) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845; Heicke, VIA 2014, 49, 50. 1205) Ahrens, ZVI 2014, 227, 232. 1206) Siehe auch Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 82.

274

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

kann der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO in ein Pflichtenkonzept eingefügt werden,1207) wodurch sich der Abstand zu den §§ 97 f. InsO verringert. Die vorgesehene entsprechende Anwendung von § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO lässt dafür genügend Raum. Ähnlich interpretiert der BGH auch die auf § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO beruhende Leistung nach dem entsprechend anzuwendenden § 295 Abs. 2 InsO als Pflicht.1208) Wenn ein Versagungsgrund angenommen wird, dann sind darauf vor allem 854 die zu § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO entwickelten Vorstellungen zu übertragen. Das Insolvenzgericht kann danach die Restschuldbefreiung versagen, wenn ein antragsberechtigter Insolvenzgläubiger einen statthaften Versagungsantrag gestellt hat1209) und die konkretisierten Verfahrensanforderungen nicht erfüllt werden. Letztlich werden dadurch auch die Beweisanforderungen an den antragstellenden Gläubiger reduziert.1210) Obwohl eine solche systemwidrige Sonderregelung nicht erforderlich ist, erscheint sie wegen der gesetzlichen Bezugnahme unabweisbar. Sie ist aber auf den speziellen Tatbestand der Erwerbsobliegenheit und die Erfüllung der darauf bezogenen Auskunfts-, Erscheinens- und Versicherungsanforderung beschränkt. Wegen des legislatorischen Bezugs auf die entsprechend anzuwendende Bestimmung des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO bestimmt diese Regelung den Umfang der maßgebenden Pflichten und definiert den Versagungsgrund. Die ausschließliche Geltungsanordnung allein in § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO lässt eine erweiternde Anwendung nicht zu. Auf andere Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 InsO kann diese Regelung nicht übertragen werden. Insgesamt ist der kodifizierte Versagungsgrund wegen einer verletzten Er- 855 werbsobliegenheit im Insolvenzverfahren mit eklatanten Schwächen behaftet. Es überrascht, warum eine so lange angestrebte und weithin konsentierte Regelung derart unklar normiert ist. Insbesondere der wenig reflektierte Bezug auf das Versagungskonzept der §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, 3 InsO bezeugt ein unzureichendes Problemverständnis. Rätselhaft bleibt die Verweisung auf § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO, der, wenn überhaupt, nur mühevoll ein eigenständiger Sinn beigemessen werden kann. Man kann hier vom Paradoxon des § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO sprechen, denn die überflüssige Verweisung macht lediglich Schwierigkeiten. 3. Versagungsverfahren a) Einordnung In mehrfacher Hinsicht wird das Versagungsverfahren nach § 290 Abs. 1, 2 856 InsO verändert. In einer eher unscheinbaren Modifikation wird der Einlei___________ 1207) Ahrens, ZVI 2014, 227, 232. 1208) BGH, NZI 2013, 641 Rn. 20; 2014, 461 Rn. 17; ebenso Ahrens, NJW-Spezial 2013, 85. 1209) BGH, NZI 2011, 640 Rn. 13; ZInsO 2012, 1580 Rn. 4. 1210) Ahrens, ZVI 2014, 227, 231, 232.

275

E. Restschuldbefreiung

tungssatz von § 290 Abs. 1 InsO um den Hinweis ergänzt, wonach der antragstellende Insolvenzgläubiger seine Forderung angemeldet haben muss. 857 Ganz im Vordergrund steht demgegenüber eine andere Änderung von § 290 Abs. 1 InsO, die zusammen mit § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO zu lesen ist. Im Einleitungssatz der Vorschrift wird der Bezug auf den Schlusstermin gestrichen. Im neuen Recht kann nach § 290 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. InsO der Versagungsantrag bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Abs. 1 InsO schriftlich gestellt werden. Damit wird allerdings ein tiefer Einschnitt in das bisherige Verfahrenskonzept vorgenommen und eine Antragstellung nahezu während des gesamten Insolvenzverfahrens zugelassen. Unverändert bildet die Glaubhaftmachung eine Zulässigkeitsvoraussetzung des Versagungsantrags, § 290 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. InsO. Die Entscheidung über den Versagungsantrag soll sodann aufgrund § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt erfolgen. Das bislang in § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. normierte Beschwerderecht und die Bekanntmachung nach § 289 Abs. 2 Satz 3 InsO a. F. sind nunmehr in § 290 Abs. 3 InsO geregelt. 858 Zu keinen verfahrensrechtlichen Änderungen führt dagegen die Verweisung in § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO auf die entsprechend anzuwendenden Vorschriften des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO. Wie oben ausgeführt (Rn. 852 ff.), handelt es sich um die Normierung eines Versagungsgrunds und nicht um eine verfahrensrechtliche Gestaltung. b) Antragsberechtigung 859 Ohne Versagungsantrag eines Gläubigers darf die Restschuldbefreiung nicht versagt werden.1211) Trotz einiger systematischer Friktionen, etwa bei der auf einen statthaften Versagungsantrag beschränkten Voraussetzung nach § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO,1212) ist damit ein amtswegiges Versagungsverfahren ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter ist nicht antragsberechtigt.1213) Verlangt wird von der neuen Fassung des § 290 Abs. 1 Einleitungssatz InsO ein Versagungsantrag eines Insolvenzgläubigers, der seine Forderung angemeldet hat. Antragsberechtigt ist allein ein durch die Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligter Gläubiger. Als unerlässliche Voraussetzung eines Versagungsantrags und damit der Ausübung von Gläubigerbefugnissen hat der BGH bereits früher eine Forderungsanmeldung verlangt.1214) Dieses Kriterium ist jetzt in die einleitende Formulierung von § 290 Abs. 1 InsO übernommen worden.1215) ___________ 1211) BGHZ 156, 139, 141; NZI 2011, 640 Rn. 10. 1212) BGH, NZI 2011, 640 Rn. 13; ZInsO 2012, 1580 Rn. 4. 1213) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 13. 1214) BGH, NZI 2007, 357 Rn. 2; AGR/Fischer, § 290 InsO Rn. 2. 1215) AGR/Fischer, § 290 n. F. Rn. 2; Henning, ZVI 2014, 7, 11.

276

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

Mit dieser Gesetzesänderung sollte eigentlich keine veränderte Rechtslage 860 geschaffen werden, sprechen doch die Materialien ausdrücklich davon, nur die Rechtsprechung nachzeichnen zu wollen.1216) Unverändert bleibt das bereits in § 38 InsO angelegte Erfordernis eines verfahrensbeteiligten Gläubigers.1217) Da die Notwendigkeit einer Forderungsanmeldung bereits aus dem in § 38 InsO angelegten Begriff der Insolvenzgläubiger abzuleiten ist, könnte in der neuen Gesetzesfassung eine überflüssige Wiederholung zu sehen sein. Als positivrechtliche Normierung gewinnt sie aber auch einen zusätzlichen Aussagegehalt. Die mit der Novelle erfolgte Kodifizierung der Judikatur grenzt deswegen nicht den persönlichen, sondern den zeitlichen Anwendungsbereich der Anfechtungsbefugnis ab, der mit Anmeldung eröffnet ist.1218) Aufgestellt ist das Erfordernis der Forderungsanmeldung allein im Verfahren 861 nach § 290 InsO, doch gilt es wegen seiner aus § 38 InsO abzuleitenden allgemeinen Fundierung ebenso bei Anträgen nach den §§ 296, 297, 297a, 300, 303 InsO.1219) Zugleich bestätigen diese Vorschriften das Verständnis des neuen Tatbestandsmerkmals eines Anmeldungserfordernisses in § 290 Abs. 1 InsO als zeitliches Koordinierungsinstrument. Da einerseits das Anmeldungserfordernis in diesen Verfahren ohnedies existiert, andererseits hierbei aber die zeitliche Bestimmung des frühestmöglichen Anmeldungstermins bedeutungslos ist, mussten diese Antragsrechte nicht ergänzt werden. Das Antragsrecht entsteht mit einer ordnungsgemäßen Anmeldung. Fehlt 862 die Anmeldung oder erweist sie sich als fehlerhaft, ist der Versagungsantrag unzulässig. Bei den an sie zu richtenden Anforderungen ist zwischen dem Zugang des Gläubigers zum Insolvenzverfahren, der nicht durch übertriebene Anforderungen blockiert werden darf, und der erforderlichen Erkennbarkeit und Rechtssicherheit für die anderen Beteiligten abzuwägen. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung bildet und der Gläubiger aus der Eintragung als Titel die Zwangsvollstreckung betreiben kann, muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden.1220) Als Grundlage, um am Insolvenzverfahren teilzunehmen, hat der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH in der Anmeldung einen Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem, nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden, Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt.1221) Antragsberechtigt ist grundsätzlich auch der Gläubiger einer privilegierten 863 Forderung.1222) Der BGH bejaht dies, jedenfalls soweit der Schuldner dem ___________ 1216) BT-Drucks. 17/11268, S. 15. 1217) Vgl. AGR/Ahrens, § 38 Rn. 3. 1218) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845 f. 1219) AGR/Fischer, § 290 n. F. InsO Rn. 2. 1220) BGH, NZI 2009, 242 Rn. 10; 2013, 388 Rn. 15. 1221) BGH, NZI 2009, 242 Rn. 10; 2013, 388 Rn. 15. 1222) HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 23.

277

E. Restschuldbefreiung

Forderungsgrund aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung isoliert widersprochen hat.1223) Obwohl der Versagungsantrag eines privilegierten Gläubigers regelmäßig nicht sinnvoll ist, weil nach der Versagung die Zugriffskonkurrenz mit anderen Gläubigern fortbesteht, wird doch ein Rechtsschutzbedürfnis prinzipiell zu bejahen sein,1224) weil der Gläubiger ein Interesse haben kann, die Zwangsvollstreckung früher zu betreiben. 864 Unerheblich sind Mängel bei der Anmeldung des Forderungsprivilegs aus § 302 InsO. Es kommt allein darauf an, ob der Antragsteller Insolvenzgläubiger ist, ungeachtet einer möglichen Privilegierung. Für die Anmeldung der zusätzlichen Forderungsqualifikation lässt der BGH zudem niedrigere Anforderungen gelten. Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung soll bereits dann wirksam angemeldet sein, wenn der geltend gemachte Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt sei und der Schuldner erkennen könne, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft.1225) 865 Ein Versagungsantrag kann daher erst im Anschluss an die Aufforderung zur Forderungsanmeldung im Eröffnungsbeschluss gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 InsO und an eine Anmeldung durch den konkreten Gläubiger erfolgen. Etwas ungenau ist es daher, wenn das Antragsrecht auf das gesamte Eröffnungsverfahren bezogen wird,1226) weil das Antragsrecht erst mit der Anmeldung entsteht. Unschädlich ist, wenn der Gläubiger seine Forderung nach Ablauf der Anmeldungsfrist angemeldet hat, denn auch eine nachträglich angemeldete Forderung begründet die Verfahrensrechte. Im Eröffnungsverfahren bleibt ein Versagungsantrag weiterhin unzulässig.1227) 866 Nach der Rechtsprechung des BGH sind bisher die Gläubiger bestrittener Forderungen antragsbefugt.1228) Dies gilt auch nach neuem Recht, denn es wird auf die angemeldete und nicht auf die festgestellte Forderung abgestellt. Teilweise wird allerdings verlangt, in diesem Fall müsse der Gläubiger die Erhebung einer Feststellungsklage gemäß § 289 InsO nachweisen.1229) Unerheblich ist, ob der Insolvenzgläubiger nicht mehr materiellrechtlicher Inhaber der Forderung ist.1230) Ist dagegen das Forderungsrecht erloschen, weil der Gläubiger zulässigerweise vor dem Schlusstermin befriedigt wurde, entfällt das Antragsrecht. ___________ 1223) BGH, NZI 2013, 940 Rn. 2; AGR/Fischer, § 290 Rn. 2c. 1224) AG Köln, NZI 2012, 90 f.; MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 14b; HK-InsO/ Waltenberger, § 290 a. F. Rn. 48. 1225) BGH, NZI 2014, 127 Rn. 8. 1226) So aber Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1441. 1227) A. A. Frind, NZI 2013, 729, 731. 1228) BGH, NZI 2012, 892 Rn. 17; kritisch FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 81. 1229) HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 23. 1230) BGH, NZI 2010, 865 Rn. 4.

278

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

c) Antragstellung aa) Antragsfrist Der Versagungsantrag kann vom Insolvenzgläubiger gemäß § 290 Abs. 2 867 Satz 1 1. Halbs. InsO schriftlich bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Abs. 1 InsO gestellt werden. Mit dieser in den Materialien nur oberflächlich mit einem sonst von den Gläubigern gescheuten Aufwand begründeten, sachlich durch das regelmäßige schriftliche Verfahren überflüssigen und inhaltlich durch die eintretenden Unsicherheiten verfehlten Konzeption (Rn. 807) wird die Konzentrationswirkung des Schlusstermins aufgegeben. Es handelt sich dabei um eine, in Kenntnis der daraus resultierenden verfahrensrechtlichen und praktischen Schwierigkeiten, bewusst vorgenommene rechtspolitische Dezision. Die Antragsfrist für den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung be- 868 ginnt mit der ordnungsgemäßen Anmeldung der Forderung durch den Gläubiger. Ein vor der Anmeldung gestellter Versagungsantrag ist unzulässig. Da ein Insolvenzgläubiger, der seine Forderung nicht angemeldet hat, keine Verfahrenshandlungen vornehmen kann, ist der Versagungsantrag nichtig.1231) In ihm kann noch nicht einmal, wie nach früherem Recht,1232) die unzulässige Ankündigung eines Versagungsantrags gesehen werden. Der Versagungsantrag kann deswegen nicht nachträglich durch eine Anmeldung geheilt werden. Zur Antragstellung ist damit ein Zeitfenster von der ordnungsgemäßen An- 869 meldung bis zum Schlusstermin bzw. zur Schlussanhörung in den schriftlichen Verfahren oder der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit geöffnet. Eine Ausschlussfrist dafür ist nicht zu rechtfertigen. Dies gilt selbstverständlich für eine rein subjektiv an die Kenntnis des Versagungsgrunds durch den Antragsteller anknüpfende Frist, weil dann die Frist abgelaufen sein könnte, bevor das Antragsrecht überhaupt eröffnet ist. Aber auch ein kombinierter subjektiv-objektiver Fristbeginn, abhängig von einer Kenntnis des Versagungsgrunds sowie der Forderungsmeldung, ist nicht zu begründen. Innerhalb der Zeitspanne zwischen der Anmeldung und dem Schlusstermin 870 bzw. den entsprechenden Verfahrenssituationen existiert keine ausdrückliche Ausschlussfrist, weil sie von zu vielen unbestimmten Faktoren abhängt, wie dem Zeitpunkt der Forderungsanmeldung und der Dauer des Insolvenzverfahrens. Deswegen kann sich der Gläubiger mit seinem Versagungsantrag bis zum Schlusstermin oder den gleichgestellten Verfahrenskonstellationen Zeit lassen. Bereits zum bisherigen Recht hat der BGH eine analoge Anwendung von § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO abgelehnt, weil bis zum Schlusstermin ein ___________ 1231) A. A. LG Hildesheim, ZVI 2004, 545, 546, zum schriftlichen Verfahren. 1232) BGH, NJW 2003, 2167, 2168.

279

E. Restschuldbefreiung

schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners fehle.1233) Dieser Gedanke gilt uneingeschränkt weiter. Bestätigt wird dieses Verständnis durch den Versagungstatbestand bei einer verletzten Erwerbsobliegenheit aus § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO. Da diese Vorschrift nicht auf die entsprechend anzuwendende Bestimmung des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist, soll für diesen Versagungsgrund keine Ausschlussfrist von einem Jahr gelten. Diese Ausgestaltung fügt sich in die allgemeine Vorstellung einer innerhalb der gesetzlichen Einfassung unbefristeten Antragsberechtigung. 871 Nach dem Schlusstermin bzw. der Schlussanhörung in den schriftlichen Verfahren oder der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist ein Versagungsantrag grundsätzlich unzulässig. Er kann deswegen nicht im Rechtsmittelverfahren nachgeholt werden.1234) Insoweit existiert nur noch eine beschränkte Präklusionswirkung. Sie tritt nicht mehr absolut für alle, sondern nur relativ für die im Schlusstermin bzw. den entsprechenden Zeitpunkten bekannten Versagungsgründen ein. Hat sich ein Versagungsgrund aus § 290 Abs. 1 InsO erst nach den betreffenden Terminen herausgestellt, kann der Grund unter den Voraussetzungen von § 297a InsO nachträglich geltend gemacht werden. 872 Ausnahmsweise endet in den sog. asymmetrischen Verfahren die Antragsfrist vor dem Schlusstermin bzw. den entsprechenden Terminen. Da die neue Vorschrift des § 300a InsO über die asymmetrischen Verfahren lediglich eine Teilregelung des Neuerwerbs trifft, gelten weiterhin die bisherigen Kriterien zur Versagung der Restschuldbefreiung. Läuft die Abtretungsfrist vor Beendigung des Insolvenzverfahrens ab, muss das Insolvenzgericht einen entsprechenden Anhörungstermin anberaumen bzw. im schriftlichen Verfahren eine Anhörungsfrist setzen.1235) Nach diesen Terminen ist ein Versagungsantrag selbst dann ausgeschlossen, wenn der Schlusstermin erst später anberaumt wird. 873 Bei einer versäumten Antragsfrist hat der BGH eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 4 InsO i. V. m. § 233 ZPO zugelassen. Bei einem fehlerhaften gerichtlichen Verfahren könne der Insolvenzgläubiger schuldlos an der Einhaltung der Antragsfrist gehindert gewesen sein. Das sei der Fall, wenn im Internet unzutreffende Daten über das Insolvenzverfahren veröffentlicht worden seien und dadurch eine Kenntnisnahme von der Frist ausgeschlossen oder übermäßig erschwert sei. Obwohl es sich dabei um keine der Wiedereinsetzung zugängliche Notfrist handelt, eröffnet der BGH hier eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit.1236) Künftig entfällt dieses Wiederein___________ 1233) BGH, NZI 2011, 193 Rn. 4 = VIA 2011, 29 mit Anm. Kortleben. 1234) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 17. 1235) BGH, NZI 2012, 330 Rn. 12. 1236) BGH, NZI 2014, 77 Rn. 14 ff.; a. A. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 87; MünchKommInsO/Stephan, § 290 Rn. 17; Uhlenbruck/Vallender, § 290 Rn. 8; Karsten Schmidt/ Henning, § 290 Rn. 20; Büttner, ZVI 2007, 116, 118.

280

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

setzungsrecht. Die bislang vom BGH angenommene Regelungslücke wurde geschlossen, weil der Gläubiger bei nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründen einen Antrag nach § 297a InsO stellen kann. bb) Antragsbegründung Nach dem Schlusstermin war bislang eine nachgeschobene Begründung un- 874 zulässig.1237) Der Versagungsantrag konnte deswegen nicht nachträglich auf die von anderen Versagungsantragstellern vorgebrachten Gründe gestützt werden, die sich der Antragsteller im Schlusstermin nicht wenigstens hilfsweise zu eigen gemacht hat.1238) Ein neuer Sachverhalt oder ein neuer Versagungsgrund durften nicht mehr vorgetragen werden.1239) Abgesehen vom Fall eines gerichtlich fehlerhaft durchgeführten Verfahrens,1240) war bislang selbst bei einer unverschuldeten späteren Kenntniserlangung eine nachträgliche Geltendmachung ausgeschlossen.1241) Gegenüber dem bisherigen engen Verständnis treten unter dem neuen Recht 875 mehrere Modifikationen ein. Ist der Versagungsantrag unzulässig oder, sei es auch nur aus Sicht des Antragstellers, unvollständig, darf er vor Ablauf der Antragsfrist nachgebessert bzw. vervollständigt werden.1242) Deswegen kann der Antrag nunmehr in der Zeitspanne bis zum Schlusstermin ergänzt, abgewandelt oder verändert werden. Auch ist ein vollkommen neuer Vortrag zulässig, wobei selbstverständlich nicht gegen die prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen werden darf. Zu beachten ist, ob der ursprüngliche Antrag lediglich modifiziert oder ein anderer Antrag gestellt wird. Wird ein neuer Lebenssachverhalt vorgetragen und damit der Streitgegenstand verändert, sind für diesen neuen Antrag die Sachentscheidungsvoraussetzungen eigenständig zu prüfen. Außerdem ist künftig bei einer späteren Kenntniserlangung unter den Vor- 876 aussetzungen von § 297a InsO eine nachträgliche Antragstellung zulässig. Noch nicht beantwortet ist damit, ob auch in der Zeit zwischen dem Schlusstermin und der Versagungsentscheidung des Insolvenzgerichts eine korrigierte, ergänzte oder sogar neue Antragstellung unter der Voraussetzung eines Versagungsgrunds bzw. Umstands zulässig ist, sofern sich diese erst nachträglich herausgestellt haben. Die Antwort darauf wird wesentlich dadurch bestimmt, wie § 297a InsO zu verstehen ist. § 297a InsO soll die Präklusionswirkung des Schlusstermins bzw. der entsprechenden Termine durchbrechen, wenn sich ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO erst nach ___________ 1237) BGH, NZI 2008, 48 Rn. 3. 1238) BGH, NZI 2009, 327 Rn. 4; ZInsO 2011, 244 Rn. 25; AGR/Fischer, § 290 Rn. 3. 1239) BGH, NZI 2009, 64 Rn. 9 ff.; Schmerbach, NZI 2009, 42, 43. 1240) BGH, NZI 2014, 77 Rn. 17. 1241) BGH, NZI 2009, 64 Rn. 10; Ahrens, NZI 2013, 721, 722. 1242) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 19; HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 20.

281

E. Restschuldbefreiung

diesem Zeitpunkt herausstellt. Um einen lückenlosen Schutz der Insolvenzgläubiger zu ermöglichen, muss funktional der zeitliche Anwendungsbereich der Regelung unmittelbar an das Ende des Schlusstermins anknüpfen, wie dies auch dem Wortlaut von § 297a InsO entspricht. Sonst könnte der Schuldner das neue Antragsrecht unterlaufen, indem er nach dem Schlusstermin und vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens sämtliche Gläubiger über alle Versagungsgründe unterrichtet. Hat sich der Versagungsgrund erst nachträglich herausgestellt, kann ein auf § 297a InsO gestützter Antrag noch vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens gestellt werden. 877 Wenn das weitergehende Antragsrecht nach § 297a InsO eröffnet ist, dann scheint viel für ein argumentum a maiore ad minus zu sprechen, wonach die Möglichkeit eines korrigierten und ergänzten Versagungsantrags zulässig sein müsste. Ganz so einfach ist der Schluss indessen nicht, denn dem Antragsteller war in diesen Fällen ein Versagungstatbestand zumindest in den Umrissen bekannt. Soweit der Gläubiger Anlass hatte, dem Versagungsgrund nachzugehen und die näheren Umstände zu erforschen, dies jedoch von ihm unterlassen wurde, fehlt eine § 297a InsO entsprechende Situation und eine nachträglich ergänzte Begründung ist ausgeschlossen. Bestehen dagegen keine derartigen Anhaltspunkte, ist eine Modifikation oder Erweiterung zulässig, die als ergänzende Antragstellung nach § 297a InsO zu deuten sein wird. 878 Das Insolvenzgericht muss den Antragsteller gemäß § 4 InsO i. V. m. § 139 Abs. 2 ZPO auf etwaige Mängel hinweisen.1243) An dieser gesetzlichen Verpflichtung rührt auch nicht der späte Entscheidungszeitpunkt nach § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO.1244) Vom Insolvenzgericht wird damit zudem keine fortwährende Prüfung etwaiger Versagungsanträge verlangt. Die erforderlichen Hinweise können zusammenfassend vor dem Schlusstermin erfolgen. Zuständig dafür ist der Richter, der auch über eine Versagung entscheiden muss. Eine gesetzliche Präklusionsfrist ist nicht vorgesehen.1245) Auch eine richterliche Frist kann die bis zum Schlusstermin oder den gleichgestellten Terminen laufende gesetzliche Frist entsprechend § 4 InsO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO nicht verkürzen. Der Versagungsantrag kann vom antragstellenden Gläubiger zurückgenommen werden.1246) cc) Form 879 Der Versagungsantrag kann nach § 290 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. InsO schriftlich bis zu den genannten Terminen gestellt werden. Sprachlich nicht eindeutig geregelt ist, ob sich die Kann-Regelung allein auf den Zeitpunkt oder auch auf die Form des Antrags bezieht. Für die Terminierung ist eine Kann___________ 1243) Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 543; a. A. HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 20. 1244) A. A. HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 20. 1245) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 19. 1246) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 19; Pape, ZVI 2014, 234, 235.

282

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

Vorschrift indessen nicht erforderlich. Dazu hätte die Formulierung genügt, der Antrag ist bis zum Schlusstermin etc. zu stellen. Sachgerecht interpretiert bezieht sich die Kann-Bestimmung gerade auch auf die Schriftform. In einem mündlich durchzuführenden Verfahren ist daher eine schriftliche Antragstellung zulässig, doch kann der Antrag dort weiterhin mündlich zu Protokoll erklärt werden.1247) Selbstverständlich kann der Antrag schriftlich gestellt und mündlich zu Protokoll begründet werden. In einem schriftlichen Verfahren muss der Antrag schriftlich gestellt und begründet werden, obwohl in § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Kann-Regelung getroffen ist. Insoweit überlagert die generelle Schriftlichkeit aus § 5 Abs. 2 InsO die bloß optionale Schriftlichkeit des § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO. d) Glaubhaftmachung, § 290 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. InsO Der Versagungsantrag ist nach § 290 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. InsO nur zulässig, 880 wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht werden kann. Diese Regelung stimmt mit § 290 Abs. 2 InsO a. F. überein, weswegen insoweit prinzipiell auf die früheren Erwägungen dazu abzustellen ist.1248) Nach der Rechtsprechung des BGH zum früheren Recht1249) muss der Schuldner den Versagungsgrund im Schlusstermin bestreiten. Wird nach neuem Recht der Versagungsantrag vor dem Schlusstermin etc. gestellt und der Schuldner dazu angehört und bestreitet der Schuldner dabei den Versagungstatbestand, ist ein zusätzliches Bestreiten im Schlusstermin bzw. den entsprechenden Terminen entbehrlich. Ein wesentlicher Unterschied ist zusätzlich zu beachten. Bislang fielen die 881 Antragstellung und eine erforderliche Glaubhaftmachung zeitlich prinzipiell zusammen.1250) Unter dem neuen Recht ist diese notwendige Einheit verloren gegangen, weil für eine zulässige Antragstellung ein Zeitfenster eröffnet ist. Stellt der Gläubiger einen Insolvenzantrag, ohne den Versagungsgrund zugleich glaubhaft zu machen, ist der Antrag nicht notwendig unzulässig. Bestreitet der Schuldner den Versagungsgrund nicht, ist ohnehin nach der bisherigen Rechtsprechung eine Glaubhaftmachung entbehrlich.1251) Auch sonst wird sie bis zum Ende der Antragsfrist zulässig sein.1252) Eine richterliche Frist zur Glaubhaftmachung kann diese gesetzliche Frist nicht abkürzen, § 4 InsO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO.

___________ 1247) Frind, NZI 2013, 729, 731. 1248) Dazu FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 88. 1249) BGH, NZI 2009, 256 Rn. 8, mit Anm. Schmerbach, NZI 2009, 226. 1250) FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 91. 1251) BGHZ 156, 139, 141; ZInsO 2009, 298 Rn. 4; NZI 2009, 253 Rn. 6; NZI 2013, 904 Rn. 4. 1252) Heicke, VIA 2014, 49, 51.

283

E. Restschuldbefreiung

e) Prüfungsmaßstab 882 Der Gläubiger ist unter den bislang geltenden Verfahrensbestimmungen allein dafür verantwortlich, die an eine Glaubhaftmachung seines Versagungsantrags gerichteten Anforderungen zu erfüllen. Bis dahin greift die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts noch nicht ein,1253) weswegen der Versagungsgrund nicht von Amts wegen untersucht werden darf. Erst wenn der Versagungsantrag zulässig und damit auch die Glaubhaftmachung gelungen ist, darf das Insolvenzgericht zu Amtsermittlungsmaßnahmen greifen.1254) 883 An diesem grundsätzlichen Gerüst hat die neue Fassung von § 290 Abs. 2 InsO nichts geändert. Ermöglicht wurden allein eine frühere Antragstellung und damit ein zeitlicher Abstand zwischen dem Versagungsantrag und der gerichtlichen Entscheidung darüber. Erst nach einer Glaubhaftmachung sind Amtsermittlungsmaßnahmen möglich.1255) Solange kein zulässiger Versagungsantrag gestellt ist, darf indessen die Zwischenzeit nicht vom Insolvenzgericht für Amtsermittlungsmaßnahmen genutzt werden. f) Anhörung 884 Eine besondere Anhörung zum Versagungsantrag ist weder für den Schuldner noch für andere Gläubiger oder den Insolvenzverwalter unmittelbar vorgesehen.1256) Für die verfahrensbeteiligten Insolvenzgläubiger folgt die Anhörungspflicht indessen aus § 287 Abs. 4 InsO sowie dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Dies stimmt mit dem bisherigen Verständnis überein, bei der die Anhörung auch die Versagungsmöglichkeit umfasst.1257) 885 Anzuhören sind allein die durch eine Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligten Insolvenzgläubiger. Andere Gläubiger sind nicht zu hören. Obwohl ein geringfügiger redaktioneller Unterschied in § 287 Abs. 4 InsO durch den Bezug auf die Forderungsanmeldung existiert, entspricht dies doch der früheren Rechtslage nach § 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F.1258) Wurden die Insolvenzgläubiger nach § 287 Abs. 4 InsO bereits zu einem früheren Zeitpunkt angehört, wird regelmäßig eine weitere Anhörung im Zusammenhang mit dem Schlusstermin geboten sein. Zwingend geboten ist dies, wenn zwischenzeitlich ein Versagungsantrag gestellt wird. Zudem kann erst am Ende des Insolvenzverfahrens sachgerecht beurteilt werden, ob der Schuldner die an ihn gerichteten Anforderungen erfüllt hat. Aus praktischen Gründen wird regelmäßig erst eine Schlussanhörung erfolgen. Eine frühere Information der ___________ 1253) BGHZ 156, 139, 142. 1254) BGHZ 156, 139, 146; Heicke, VIA 2014, 49, 51. 1255) HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 27. 1256) Pape, ZVI 2014, 234, 235. 1257) Uhlenbruck/Vallender, § 289 Rn. 5. 1258) FK-InsO/Ahrens, § 289 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Stephan, § 289 Rn. 15.

284

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

Gläubiger über eingegangene Insolvenzanträge ist verfahrensrechtlich nicht geboten.1259) Zu jedem Versagungsantrag ist dem Schuldner rechtliches Gehör zu gewäh- 886 ren.1260) Dies betrifft auch unzulässige1261) und unbegründete Versagungsanträge, weil über sie erst nach dem Schlusstermin entschieden werden darf und deswegen eine allgemeine Stellungnahme möglich ist. Offen ist, ob der Schuldner sogleich nach einem Versagungsantrag zu hören ist. Hier wird zu differenzieren sein. Wird ein vor dem Schlusstermin etc. gestellter Versagungsantrag auf eine verfahrensbezogene Handlung gestützt, wie eine verletzte Mitwirkungspflicht oder eine verletzte Erwerbsobliegenheit, ist der Schuldner jedenfalls umgehend anzuhören, wenn der Verletzungstatbestand nicht eindeutig vorliegt. Dann kann der Schuldner zugleich auf die bestehenden Anforderungen hingewiesen werden. Im Übrigen sprechen gegen eine sofortige Anhörung weniger systematische als vielmehr praktische Gründe. Wird der Schuldner frühzeitig angehört und anschließend ein weiterer Versagungsantrag gestellt, muss er erneut gehört werden. Eine effektive Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt zugleich eine Beleh- 887 rung des Schuldners über die Konsequenzen eines Versagungsantrags. Dies gilt zunächst, wenn er bereits vor dem Schlusstermin oder der Schlussanhörung gestellte Anträge zugeleitet bekommt. Außerdem ist er bei Anberaumung des Schlusstermins ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Insolvenzgläubiger einen Versagungsantrag noch bis zum Schlusstermin stellen können und der Schuldner die geltend gemachten Versagungsgründe nur bis zu diesem Termin bestreiten kann.1262) Unterbleibt die Belehrung, kann der Schuldner den Versagungsgrund auch noch nach Ablauf des Schlusstermins bestreiten.1263) Die Hinweise nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO ersetzen diese Belehrung nicht, weil sie sich nicht auf die verfahrensrechtlichen Erfordernisse erstrecken. Eine Anhörung des Insolvenzverwalters zur Gewährung des rechtlichen Ge- 888 hörs wird durch das seit dem 1.7.2014 geltende Recht nicht mehr vorgeschrieben, anders als früher in § 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F. Die Novelle steht zudem im Gegensatz zur weiterhin geltenden Anhörungspflicht für den Treuhänder aus § 296 Abs. 2 Satz 1 InsO. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung ist nur schwer zu erkennen. Er ist vielleicht daraus abzuleiten, dass der Insolvenzverwalter ohnehin im Schlusstermin zu hören ist. Jedenfalls wird der Verwalter weiterhin zu hören sein. ___________ 1259) A. A. Pape, ZVI 2014, 234, 236. 1260) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 12; HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 21. 1261) A. A. AG Duisburg, NZI 2002, 328, 329, zu § 296 Abs. 2 Satz 1 InsO. 1262) BGH, ZInsO 2011, 837 Rn. 12; NZI 2011, 861 Rn. 7; AGR/Fischer, § 289 InsO Rn. 4; Pape/Schaltke, NZI 2011, 238, 239. 1263) BGH, NZI 2013, 648 Rn. 9.

285

E. Restschuldbefreiung

g) Entscheidung aa) Nach dem Schlusstermin 889 Die Entscheidung über den Versagungsantrag ergeht gemäß § 290 Abs. 1 Einleitungssatz InsO durch Beschluss. Der Beschluss erfolgt gemäß § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO nach dem durch § 290 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. InsO bestimmten Zeitpunkt. § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO eröffnet das Antragsrecht bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Abs. 1 InsO. Damit erfolgt nur noch ein singulärer Beschluss über den Versagungsantrag, ohne, wie früher in § 291 Abs. 1 InsO a. F. bestimmt, alternativ eine Ankündigung der Restschuldbefreiung vorzusehen. Zudem wird die Entscheidung von der früheren zeitlichen Abfolge mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entkoppelt, denn die ausdrücklich angeordnete zeitliche Reihenfolge in § 289 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO wird gestrichen. 890 In der Gesetzesbegründung klingt der Entscheidungszeitpunkt sehr gewiss. Da nach der Konzeption des Gesetzentwurfs die Insolvenzgläubiger bis zum Schlusstermin einen Versagungsantrag stellen könnten, werde im Interesse der Justizentlastung vorgesehen, dass das Gericht über alle Anträge erst nach diesem Termin zu entscheiden hat.1264) Die Konzentrationswirkung des Schlusstermins soll, wenn auch nicht für die Antragstellung, so doch zumindest halbseitig für die Entscheidung bestehen bleiben. Dies soll keine unangemessen lange Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 1 GVG begründen.1265) Die anfängliche Sicherheit über den Entscheidungstermin gemäß § 289 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. InsO geht indessen schnell wieder verloren. 891 Bereits sprachlich wirkt die Aussage weniger eindeutig, als in den Materialien angenommen. § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO spricht von dem gemäß § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO maßgebenden Zeitpunkt, während dort auf den Zeitraum von der Anmeldung bis spätestens zum Schlusstermin abgestellt wird.1266) Als Zeitpunkt ist an den Endtermin für die Antragstellung oder das Datum des konkreten Versagungsantrags zu denken. Der Antragszeitpunkt ist aber doch sehr schnell auszuschließen, denn dann hätte der Gesetzgeber die Selbstverständlichkeit einer Entscheidung über den Antrag nach der Antragstellung speziell normiert. 892 Wie bereits im laufenden Gesetzgebungsverfahren angemerkt wurde,1267) ist die Entfernung der Antragstellung vom Entscheidungszeitpunkt nicht sachgerecht, denn sie verursacht für alle Beteiligten unangemessene Belastungen. Der antragstellende Gläubiger erhält keine Klarheit über seinen Antrag. Der Schuldner wird verunsichert, ob ihm die Restschuldbefreiung versagt wird ___________ 1264) BT-Drucks. 17/11268, S. 27. 1265) BT-Drucks. 17/11268, S. 27. 1266) Heicke, VIA 2014, 49, 51. 1267) Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 416; Frind, ZInsO 2012, 668, 671.

286

V. Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO

und reduziert eventuell seine Bemühungen, das Insolvenz- und Restschulbefreiungsverfahren erfolgreich abzuschließen. Der Insolvenzverwalter wird durch zusätzliche Anfragen beschwert. Das Gericht wird durch die zu verwaltenden Anträge und die bei ihm eingehenden Nachfragen belastet. Dies hat zu der pragmatischen Ansicht geführt, unzulässige und unbegründete Versagungsanträge könnten umgehend verworfen bzw. abgewiesen werden.1268) Zudem begännen dann die etwaigen Sperrfristen für einen Wiederholungsantrag früher zu laufen.1269) Trotz des Charmes einer schnellen Lösung vermag dieser Vorschlag letztlich nicht zu überzeugen. Selbst aus praktischer Sicht bestehen gegen eine umgehende Entscheidung 893 durchgreifende Einwände. Zunächst muss der Antragsteller auf behebbare Antragsmängel hingewiesen werden. Fehlt etwa eine Glaubhaftmachung, kann nicht sogleich entschieden werden, ob der Antrag unzulässig ist. Da unklar bleibt, ob der vorgetragene Versagungsgrund vom Schuldner bestritten wird und ob deswegen überhaupt eine Glaubhaftmachung erforderlich ist sowie ob der Gläubiger die Glaubhaftmachung ggf. nachholt, müsste jedenfalls in diesen Fällen mit einer Entscheidung gewartet werden. Infolgedessen käme es zu einer abzulehnenden gespaltenen Lösung, bei der teils sogleich, teils später über unzulässige Versagungsanträge zu entscheiden wäre. Für eine andere differenzierende Behandlung, nach der jedenfalls unzulässige Versagungsanträge vor dem Schlusstermin verworfen werden können,1270) existieren keine normativen Anhaltspunkte. Zudem könnte der Gläubiger regelmäßig einen erneuten Versagungsantrag 894 stellen.1271) War der Erstantrag unzulässig und werden die Mängel beseitigt, steht ihm auch die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung nicht entgegen.1272) Letztlich könnten die Anträge auch mehrfach wiederholt werden, bis ein ordnungsgemäßer Antrag gelingt, wodurch das Gericht und die anderen Beteiligten erheblich belastet werden. Dies erscheint nicht allzu fern von einem Trial-and-Error-Modell. Vor allem sprechen aber systematische Gründe gegen eine vorgezogene Ent- 895 scheidung. Auch für insolvenzrechtliche Beschlüsse gilt gemäß § 4 InsO die Grundregel des § 300 Abs. 1 ZPO, wonach in einer entscheidungsreifen Sache die Entscheidung zu ergehen hat. § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO ist deswegen gerade als Ausnahme zu § 300 Abs. 1 ZPO zu verstehen, denn sonst wäre die Regelung entbehrlich. Folgerichtig darf die Entscheidung erst nach dem Schlusstermin bzw. der Schlussanhörung im schriftlichen Verfahren oder der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglich___________ 1268) Frind, NZI 2013, 729, 731 f.; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 550. 1269) Schmerbach, Insbüro 2013, 471, 474; Henning, ZVI 2014, 7, 12. 1270) So Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 543. 1271) Pape, ZVI 2014, 234, 236. 1272) Vgl. Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 898.

287

E. Restschuldbefreiung

keit ergehen.1273) Bis dahin sind die Versagungsanträge vom Insolvenzgericht zu sammeln. bb) Vor Beendigung des Insolvenzverfahrens 896 Geregelt ist, wann frühestens die Versagungsentscheidung ergehen kann. Noch nicht beantwortet ist damit, wann die Restschuldbefreiung spätestens nach § 290 InsO versagt werden darf. Bislang durfte nach § 289 Abs. 2 Satz 2 InsO a. F. das Insolvenzverfahren erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Ankündigung oder die Versagung aufgehoben werden. Mit dieser Anordnung ist mehr als nur eine äußere Abfolge der Entscheidungen bestimmt. Vorrangig organisiert § 289 Abs. 2 Satz 2 InsO a. F. zusammen mit den Bestimmungen über die Abtretungsfrist und deren Wirkungen das Zusammenspiel zwischen den insolvenzrechtlichen Bindungen und den Rechtsbeschränkungen in der Treuhandperiode. Wenn das Insolvenzverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Versagung oder Ankündigung der Restschuldbefreiung fortbesteht, gelten auch die insolvenzrechtlichen Bindungen weiter, bis die Wirkungen des Restschuldbefreiungsverfahrens einsetzen, wobei insbesondere an § 294 InsO zu denken ist. 897 Nach neuem Recht treten die Beschränkungen durch das Restschuldbefreiungsverfahren aus § 294 InsO mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens ein. Sollte erst anschließend die Restschuldbefreiung versagt werden können, müssten rückwirkend die Bindungen entfallen. Für die abgetretenen Bezüge des Schuldners könnte auf das Vorbild von § 300a Abs. 2 InsO abgestellt werden, doch existieren für die anderen Bindungen keine vergleichbar naheliegenden Orientierungspunkte. Obwohl § 289 Abs. 2 Satz 2 InsO a. F. aufgehoben wurde und die Restschuldbefreiung nicht mehr anzukündigen ist, bestehen doch die Sachgründe für die dort vorgeschriebene Reihenfolge fort. Ungeachtet der durch die Novelle geschaffenen Unklarheiten muss auch künftig rechtskräftig über sämtliche Versagungsanträge entschieden sein, bevor das Insolvenzverfahren beendet ist. 898 Beendet das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren, ohne über einen Versagungsantrag entschieden zu haben, ist dies im Rechtsmittelverfahren gegen die Beendigungsentscheidung zu rügen. Unterbleibt diese Rüge und wird die Beendigungsentscheidung rechtskräftig, ist eine nachträgliche Geltendmachung ausgeschlossen. Der Beschluss über die Beendigung ist dann fehlerhaft, aber rechtskräftig, und nicht nichtig. Eine Versagung nach § 290 InsO kann während der Treuhandperiode nicht erfolgen. ___________ 1273) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 76; AGR/Fischer, § 290 n. F. Rn. 10; HK-InsO/Waltenberger, § 290 n. F. Rn. 31; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 290 Rn. 24; Graf-Schlicker/Kexel, § 290 Rn. 31; Andres/Leithaus/Andres, § 290 Rn. 5; Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 609; Schmerbach, NZI 2013, 566, 569; ders., Insbüro 2013, 471, 474; Ahrens, ZVI 2014, 227, 231 f.; Heicke, VIA 2014, 49, 51; ScholzSchulze/Graeber, ZInsO 2014, 587, 590.

288

VI. Übergang in die Treuhandperiode

cc) Sonstige Fragen Sind mehrere Versagungsanträge gestellt, muss das Gericht über jeden An- 899 trag entscheiden. Es darf wegen des Beschleunigungszwangs nicht einem Antrag stattgeben und die anderen Anträge dahingestellt sein lassen. Dann müsste, wenn die Versagungsentscheidung im Rechtsmittelverfahren auf die sofortige Beschwerde des Schuldners aufgehoben wird, eine Entscheidung über den nächsten Antrag mit einem eventuell weiteren Rechtsmittelverfahren erfolgen. Bei jeder Entscheidung über einen Versagungsantrag ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 4 InsO i. V. m. § 232 ZPO erforderlich. h) Rechtsmittel, § 290 Abs. 3 Satz 1 InsO Versagt das Insolvenzgericht dem Schuldner auf einen Antrag nach § 290 900 Abs. 1 InsO die Restschuldbefreiung, ist dem Schuldner hiergegen die sofortige Beschwerde eröffnet, § 290 Abs. 3 Satz 1 InsO. Verwirft das Insolvenzgericht den Versagungsantrag als unzulässig oder weist es den Antrag als unbegründet ab, steht nach dem Wortlaut von § 290 Abs. 3 Satz 1 InsO jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu, der die Versagung beantragt hat. Allerdings ist diese Formulierung ungenau, denn nicht jeder Insolvenzgläubiger, der einen Versagungsantrag gestellt hat, darf die sofortige Beschwerde einlegen. Gemeint ist damit der den erfolglosen Versagungsantrag stellende Gläubiger. Das Verfahren über die sofortige Beschwerde ist nach § 6 InsO i. V. m. den allgemeinen Regelungen durchzuführen. i) Bekanntmachung, § 290 Abs. 3 Satz 2 InsO Der rechtskräftige Beschluss ist nach § 290 Abs. 3 Satz 2 InsO gemäß § 9 In- 901 sO öffentlich bekannt zu machen. Diese Bekanntmachungspflicht besteht in jedem Fall, also unabhängig davon, ob der Versagungsantrag erfolgreich oder erfolglos war.1274) Die Bekanntmachung ersetzt die Zustellung, § 9 Abs. 3 InsO. Sie ist aber dennoch gesetzlich vorgesehen, § 4 InsO i. V. m. § 329 Abs. 3 ZPO.1275) VI. Übergang in die Treuhandperiode 1. Bestimmung des Treuhänders nach § 288 Satz 2 InsO a) Bestellung Bislang bestand eine terminologisch-funktionale Doppelung bei dem Treu- 902 händer im Insolvenzverfahren und dem Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren. Durch die Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO entfällt diese sprachliche Zweigleisigkeit, denn künftig ist auch in Verbraucherinsolvenz___________ 1274) MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 (neu) Rn. 92. 1275) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287a (neu) Rn. 26.

289

E. Restschuldbefreiung

verfahren ein Insolvenzverwalter tätig. Ein Treuhänder wird im neuen Recht nur noch für die Treuhandperiode des Restschuldbefreiungsverfahrens ernannt. Er ist sodann in allen Restschuldbefreiungsverfahren natürlicher Personen tätig, unabhängig davon, ob sie mit einem allgemeinen Insolvenzverfahren oder einem Verbraucherinsolvenzverfahren eingeleitet wurden. § 288 Satz 2 InsO betrifft allein dessen Einsetzung.1276) 903 Früher war die Bestimmung des Treuhänders für das Restschuldbefreiungsverfahren in den §§ 291 Abs. 2, 313 Abs. 1 Satz 2 InsO normiert. Da nach dem neuen entstrukturierten Recht § 291 InsO aufgehoben ist und die Restschuldbefreiung nicht mehr angekündigt wird, musste die Einsetzung des Treuhänders neu geregelt werden. Falls noch keine Entscheidung über die Restschuldbefreiung ergangen ist, bestimmt das Gericht zusammen mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 288 Satz 2 InsO den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung übergehen. 904 Obwohl bislang die Einsetzung des Treuhänders prinzipiell mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung erfolgen sollte, besaß diese Bestimmung nur eine eingeschränkte Bedeutung. In der Verbraucherinsolvenz umfasste die Bestellung zum Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren auch das Restschuldbefreiungsverfahren, sofern die Bestellung im Eröffnungsbeschluss uneingeschränkt erfolgte. Diese Konsequenz wurde mit § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO begründet, wonach der Treuhänder abweichend von § 291 Abs. 2 InsO bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt wird.1277) Durch die Aufhebung der §§ 312 – 314 InsO entfällt diese Sonderanknüpfung, weswegen künftig für alle Restschuldbefreiungsverfahren eine einheitliche Rechtslage besteht. 905 Im Eröffnungsbeschluss ist die Bestellung des Insolvenzverwalters anzuordnen, § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO. Wegen der unterschiedlichen Terminologie und der abweichenden amtlichen Stellung besteht trotz der vielfach sachgerechten personellen Identität im Eröffnungsbeschluss keine Rechtsgrundlage, um bereits dort den Treuhänder für die Treuhandperiode zu bestimmen. Dies folgt nicht allein aus der besonderen Bestimmungsregel des § 288 Satz 2 InsO. Sonst wäre vor allem die frühere Spezialvorschrift des § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO entbehrlich gewesen, denn wozu musste die Bestellung besonders geregelt sein, wenn sie ohnehin mit dem Eröffnungsbeschluss erfolgt wäre. Das Amt des Insolvenzverwalters endet daher automatisch mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens, ohne dass dafür etwa eine Kündigung aus wichtigem Grund erforderlich ist.1278) Mit der Bestellung ___________ 1276) Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 880. 1277) BGH, NJW-RR 2012, 952 Rn. 6. 1278) So aber früher BGH, NZI 2012, 515 Rn. 7.

290

VI. Übergang in die Treuhandperiode

als Treuhänder wird für die Treuhandperiode eine neue Amtstätigkeit begründet. Der Treuhänder muss nach § 288 Satz 2 InsO mit der Entscheidung über die 906 Aufhebung oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit eingesetzt werden. Prinzipiell ist der Treuhänder also am Ende des Insolvenzverfahrens zu ernennen. Einschränkend darf jedoch noch keine Entscheidung über die Restschuldbefreiung ergangen sein. Dies betrifft die asymmetrischen Verfahren, in denen eine Treuhänderbestellung entfällt. Jenseits dieser Fälle ist zu erwägen, ob der Treuhänder schon vor der Aufhebung oder Einstellung, vielleicht gar im Eröffnungsbeschluss ernannt werden darf. Unter dem Regime des § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO war dies keine Frage, doch bietet das neue Recht dafür keinen Anhaltspunkt und damit auch keine Rechtsgrundlage für eine derartige vorgezogene Bestellung. Das mit § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO aufgehobene frühe Ernennungsrecht, die offengehaltene Entscheidungsbefugnis des Insolvenzgerichts und die mögliche Konkurrenzsituation zwischen den Amtsträgern im Falle der Personenverschiedenheit sprechen gegen eine frühere Bestellung. Ein technisches Detail birgt aber doch ein gewisses Irritationspotenzial. Er- 907 teilt die Gläubigerversammlung dem Treuhänder einen Überwachungsauftrag, ist er bei einer Übernahme des Amts verpflichtet, den Schuldner zu überwachen.1279) Wegen des fehlenden Rechts, den Auftrag abzulehnen, muss er prinzipiell die Gelegenheit erhalten, zum Auftrag Stellung zu nehmen. Da die Gläubigerversammlung nur bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens konstituiert ist, der Treuhänder jedoch erst danach eingesetzt wird, ist dies sachlich ausgeschlossen. Früher waren solche Konstellationen wegen der einerseits sehr seltenen Überwachungsaufträge und der andererseits bestehenden personellen Identität nach § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO nahezu ausgeschlossen. In den ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren kommt es stets, wenn ein Überwachungsauftrag erteilt wird, zu dieser Friktion. Zu lösen ist diese Gestaltung wahrscheinlich nur, indem der Insolvenzverwalter als funktioneller Substitut Stellung nimmt. b) Persönliche Kriterien Unverändert bleiben die formalen Kriterien für die Bestellung des Treuhän- 908 ders, auch wenn die prognostische Einschätzung, ob eine Person als Treuhänder für die Treuhandperiode geeignet ist, nicht mehr mit dem gleichen Fernblick vom Beginn des Verfahrens aus erfolgen muss. Dennoch dürfen die Unterschiede nicht zu gering eingeschätzt werden. An den Treuhänder werden im Rahmen der von ihm eingeforderten Informationen im Fall des § 300 InsO und bei der Verwaltung des Neuerwerbs nach § 300a Abs. 2 Satz 1 InsO einige zusätzliche Anforderungen gestellt werden. Von einer ___________ 1279) FK-InsO/Grote, § 292 Rn. 25; Uhlenbruck/Vallender, § 292 Rn. 57.

291

E. Restschuldbefreiung

auch als Insolvenzverwalter tätigen Person können freilich diese Leistungen unschwer erbracht werden. 909 Zudem begründete § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht allein eine zeitliche, sondern auch eine personelle Festlegung. Um das Verfahren zu vereinfachen und Kosten zu sparen, sollte in Kleinverfahren nur eine Person für die Wahrnehmung der Verwalter- und Treuhänderaufgaben bestellt werden.1280) Nachdem diese Vorschrift aufgehoben worden ist, besteht weder diese positivierte Bindung noch ist ein wichtiger Grund erforderlich, um die bestellte Person austauschen zu können. Deswegen muss das Insolvenzgericht diese Kriterien nur noch in seine Ermessensentscheidung über die Bestellung des Treuhänders einfließen lassen. Erweist sich der eingesetzte Verwalter als weniger geeignet, existiert jetzt nicht mehr die hohe Hürde eines wichtigen Grunds, um ihn austauschen zu können. Infolgedessen wird der Wechsel etwas vereinfacht. Dennoch besitzt die personelle Kontinuität, schon wegen des sonst erforderlichen zusätzlichen Einarbeitungsaufwands, der durch die Vergütungsvorschriften für den Treuhänder kaum abgedeckt wird, einen hohen Wert. 910 Das Vorschlagsrecht von Schuldner und Gläubigern für den Treuhänder aus § 288 Satz 1 InsO bleibt seinem äußeren Gehalt nach unverändert. Durch das vereinfachte Wechselrecht besitzen die Beteiligten jetzt einen etwas größeren Einfluss. Zudem eröffnet die sachliche und personale Zäsur neue argumentative Ansatzpunkte. Die Beteiligten sollten deswegen auf etwaige Bedenken gegen den eingesetzten Insolvenzverwalter hinweisen und ggf. aktiv einen anderen Treuhänder vorschlagen. 911 Funktionell ist der Rechtspfleger für die Entscheidung über den Treuhänder zuständig. Seine Zuständigkeit besteht ungeachtet der vom Insolvenzrichter nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG vorzunehmenden Ernennung des Insolvenzverwalters. Der Rechtspfleger kann deswegen eine andere Person als den Insolvenzverwalter zum Treuhänder ernennen. Um die unterschiedlichen Akzentuierungen gering zu halten, sollten Richter und Rechtspfleger möglichst ihre Kriterien abstimmen. Ist fehlerhaft noch keine Entscheidung über die Zulassung erfolgt, wird sie zusammen mit der Einsetzung eines Treuhänders nach § 288 Satz 2 InsO erfolgen. 2. Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 289 InsO 912 Dem legislatorischen Verfahrensumbau ist § 289 InsO a. F. weitgehend zum Opfer gefallen. Lediglich die partielle Zugangsregelung zur Restschuldbefreiung aus § 289 Abs. 3 Satz 1 InsO a. F., falls das Insolvenzverfahren eingestellt wird, gilt unverändert als einziger Norminhalt von § 289 InsO weiter. Entscheidend dafür ist die gestrichene Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO. Da die Abschlussentscheidung über den ersten Abschnitt des Restschuldbefreiungsverfahrens aufgehoben wird, ist der Regelungs___________ 1280) BT-Drucks. 12/7302, S. 193; BGH, ZInsO 2003, 750; NZI 2012, 515 Rn. 5.

292

VI. Übergang in die Treuhandperiode

grund für die in § 289 InsO normierten Verfahrensregeln für diese Entscheidung teils entfallen, teils sind die Bestimmungen in andere Vorschriften überführt. Dennoch ist es nicht gelungen, den bisherigen Regelungsgehalt vollständig abzudecken. Aufgehoben bzw. in andere Vorschriften übernommen werden fünf eng mit- 913 einander verbundene Regelungselemente des § 289 InsO a. F. Dies betrifft die Anhörungspflicht des § 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F., die Abschlussentscheidung nach § 289 Abs. 1 Satz 2 InsO a. F., das Beschwerderecht aus § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F., die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 289 Abs. 2 Satz 2 InsO a. F. und die öffentliche Bekanntmachung nach § 289 Abs. 2 Satz 3 InsO a. F. Die Anhörungsregelung wurde mit verändertem Regelungsgehalt in § 287 Abs. 4 InsO überführt. Eine besondere Entscheidung zur Restschuldbefreiung ist nur noch bei einer Versagung vorgesehen und deswegen in § 290 InsO normiert. Infolgedessen sind für diesen Fall Rechtsmittel und öffentliche Bekanntmachungen in § 290 Abs. 3 InsO normiert. Als Residuum des früheren Regelungskomplexes bleibt lediglich der Zugang 914 zur Restschuldbefreiung in masseunzulänglichen Verfahren eröffnet, § 289 InsO, der mit § 289 Abs. 3 Satz 1 InsO a. F. übereinstimmt. Das Restschuldbefreiungsverfahren kann danach auch durchgeführt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse gem. § 209 InsO verteilt und anschließend das Insolvenzverfahren wegen Masselosigkeit nach § 211 InsO eingestellt wird.1281) Versperrt ist der Zugang zur Treuhandperiode in den masselosen Verfahren nach § 207 InsO. Insoweit kann auf die bisherigen Überlegungen verwiesen werden.1282) Sachentscheidungsvoraussetzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist ein 915 auf einen eigenen Antrag des Schuldners durchgeführtes Insolvenzverfahren. Um die Ordnungsleistungen und die Chancen auf eine Gläubigerbefriedigung durch das Insolvenzverfahren für die Restschuldbefreiung nutzen zu können, muss das Insolvenzverfahren prinzipiell bis zur Schlussverteilung durchgeführt worden sein. Von diesem aus § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO abzuleitenden Erfordernis lässt § 289 InsO eine Ausnahme zu. Als Ausnahmetatbestand konkretisiert § 289 InsO eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung und stellt damit selbst eine besondere Sachentscheidungsvoraussetzung dar. Systemkonform hätte diese Ausnahmebestimmung in § 287 Abs. 1 InsO überführt oder jedenfalls vor den §§ 288, 290 InsO geregelt werden müssen. Wie die Regelung gegenwärtig ausgestaltet ist, steht sie verfehlt zwischen der 916 Bestimmung des Treuhänders nach § 288 InsO und der Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO, die beide auf einen späteren Zeitpunkt des ___________ 1281) BGH, ZVI 2009, 346; FK-InsO/Ahrens, § 289 Rn. 27; Karsten Schmidt/Henning, § 289 Rn. 14. 1282) FK-InsO/Ahrens, § 289 Rn. 27; MünchKomm-InsO/Stephan, § 289 Rn. 55.

293

E. Restschuldbefreiung

Restschuldbefreiungsverfahrens bezogen sind. Zu erklären ist diese Gesetzesredaktion aus einer gewissen regelungstechnischen Konstanz bzw. Schwerkraft, mit der eine bekannte Norm an der bisherigen Stelle gelassen wird. Allerdings hat dieser Traditionsgedanke den Gesetzgeber nicht gehindert, andere Bauelemente des § 289 InsO an eine neue Stelle zu überführen. In diesen Fällen hat sich im Gesetzgebungsverfahren jeweils, wie bei der Anhörungspflicht nunmehr aus § 287 Abs. 4 InsO, ein veränderter Blick auf die betreffende Normierung ergeben. Soweit die verbleibende Normierung des § 289 InsO an der bisherigen Regelungsstelle belassen wurde, ist wohl die akzentuierte Qualität als Sachentscheidungsvoraussetzung nur unzureichend wahrgenommen worden. Vielleicht sollte aber auch der äußere Gesetzesumbau unabhängig von Sachfragen möglichst beschränkt werden. 917 Durch die Fehlstellung bleibt die Qualität des § 289 InsO als besondere Sachentscheidungsvoraussetzung verdeckt. Als erste Konsequenz sind die Resultate des Insolvenzverfahrens im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen zugrunde zu legen. Als zweite Konsequenz bleibt das Restschuldbefreiungsverfahren zulässig und die Eingangsentscheidung muss nicht aufgehoben werden. 3. Abschluss des Insolvenzverfahrens und Übergang in die Treuhandperiode 918 Eine eklatante Regelungsschwäche besteht zwischen dem Abschluss des Insolvenzverfahrens und der Ausgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens, sei es im Versagungsfall, sei es bei einem Übergang in die Treuhandperiode. In den vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren wurde dieser Grenzübertritt zunächst durch § 289 Abs. 2 Satz 2 InsO gestaltet. Diese Vorschrift enthielt eine zeitliche Abstimmungsregel, wonach das Insolvenzverfahren erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung über die Ankündigung oder Versagung der Restschuldbefreiung aufgehoben wird. Damit war nicht allein ein terminlicher Ablaufplan vorformuliert, sondern auch eine insgesamt unterlegte Grundlage für eine angemessene Sachbehandlung geschaffen. 919 Als unabänderliches Regelungserfordernis müssen die unterschiedlichen Bindungen zwischen dem Insolvenz- und dem Restschuldbefreiungsverfahren bzw. dem Vorverfahren und der Treuhandperiode, aber auch die bei einer Versagung entfallenden Bindungen miteinander koordiniert werden. Hinter der äußerlichen Frage, wann das Insolvenzverfahren zu beenden sowie ob und wann die Treuhandperiode einzuleiten ist, steht die zentrale sachliche Überlegung, wieweit die unterschiedlichen Rechtsbeschränkungen gelten. Diese zur Abstimmung der Rechtsbereiche unbedingt erforderliche Fixierung ist durch das neue Recht wesentlich erschwert. Vielleicht hat die erforderliche Koordinierung den Gesetzgeber nicht beschäftigt oder er wollte den neu gestalteten Grenzübergang in die Treuhandperiode nicht damit belasten. In den Materialien ist das Ende der ersten Stufe des Restschuldbefreiungsver294

VII. Verlauf der Treuhandperiode

fahrens nur kurz erwähnt, denn die Überlegungen werden ganz von der vorgesehenen Streichung der Ankündigung dominiert.1283) Unberücksichtigt bleibt, dass die Ankündigung nicht mit dem Ende des ersten Verfahrensabschnitts identisch ist, weswegen die Konsequenzen nicht wahrgenommen werden. Jedenfalls hätte der ersichtlich fortbestehende Regelungsbedarf die Sinnhaftigkeit der gestrichenen Ankündigung und des nur noch flach normierten Übergangs in die Treuhandperiode sichtbar infrage gestellt. Ein erstes Übergangsproblem betrifft die verfahrensrechtlichen Wirkungen 920 bei einer versagten gesetzlichen Schuldbefreiung. Obwohl dies nicht mehr ausdrücklich geregelt ist, muss die Versagung der Restschuldbefreiung rechtskräftig vor Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgen. Sollte die Restschuldbefreiung erst nach dem beendeten Insolvenzverfahren versagt werden, droht ein Regelungs- bzw. Bindungsvakuum. Um dies nicht eintreten zu lassen, müssten zunächst die während der Treuhandperiode geltenden Bindungen begründet und sodann mit der Versagung rückwirkend aufgehoben werden, was kaum sachgerecht möglich wäre. Folgerichtig muss daher die Restschuldbefreiung zunächst rechtskräftig versagt sein, bevor das Insolvenzverfahren beendet werden kann (Rn. 897). Wird die Restschuldbefreiung nicht versagt, scheint der Transfer vom Insol- 921 venzverfahren in die Treuhandperiode klarer normiert zu sein. Als maßgebende Bezugsgröße wird vorwiegend auf die Beendigung des Insolvenzverfahrens verwiesen. Unbestimmt bleibt indessen, ob dafür auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über das zu beendende Insolvenzverfahren oder auf den Eintritt der Rechtskraft abzustellen ist. Wenig deutlich erscheint auch die Normierung von § 297a InsO. Der Versagungstatbestand des § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO knüpft an einen Grund an, der sich nach dem Schlusstermin bzw. der Einstellung herausgestellt hat. Noch nicht entschieden ist damit, ab wann der Versagungsantrag gestellt werden darf. VII. Verlauf der Treuhandperiode 1. Eintritt der Bindungen Wann die Treuhandzeit mit ihren Wirkungen beginnt, lässt sich allein aus 922 den auf sie bezogenen Einzelvorschriften bestimmen. Es fehlt eine Gesamtanknüpfung, die eine einheitliche Referenz respektive Datierung für alle Regelungsfragen gemeinsam festlegt. Diese Situation herrschte bereits bislang und ist von der wenig konzeptionellen Novellierung, welche die Abgrenzungselemente zwischen den Verfahren eher noch beseitigt hat, nicht überwunden worden. Infolgedessen existiert keine einheitliche Anknüpfung bei den einzelnen Wirkungen bzw. Normsetzungen. Durchbrechungen werden deswegen nicht an einem Grundmuster überprüft und ebenso wenig auf eigene ___________ 1283) BT-Drucks. 17/11268, S. 16 f.

295

E. Restschuldbefreiung

Geltungsgründe zurückgeführt. Ersichtlich werden die nachteiligen Folgen etwa bei der abweichenden Tatbestandsstruktur von § 297a InsO. 923 Dennoch existiert ein wiederkehrender Regelungsansatz, auf den einige Einzelbestimmungen abstellen. Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung wurde dazu auf die Laufzeit der Abtretungserklärung verwiesen. Zu erklären ist dieses Kriterium mit der ursprünglichen Formulierung von § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F., wonach die Bezüge für sieben Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens abzutreten waren. Seit dem InsOÄndG 2001 begann die Laufzeit der Abtretungserklärung aus § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Infolgedessen bestand zunächst eine gewisse Unsicherheit darüber, wann die Wirkungen der Treuhandperiode eintreten. Inzwischen wird einhellig vom Ende des Insolvenzverfahrens ausgegangen.1284) 924 Diese ungenaue Terminologie wird mit der Novelle aufgegeben. In einer konzertierten Gesetzesänderung werden die Wirkungen der Treuhandperiode in den §§ 294 – 297 InsO auf den Zeitraum zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist bezogen. Sachlich soll damit keine Änderung verbunden sein.1285) Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens ist die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 Abs. 1 InsO bzw. die Einstellung des Verfahrens nach § 211 Abs. 1 InsO gemeint. 925 Unabhängig davon, ob das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt wird, muss bestimmt werden, wann es beendet ist. Geklärt werden muss, ob damit der Zeitpunkt der Beschlussfassung, der Bekanntmachung oder des Eintritts der Rechtskraft gemeint ist. Zum früheren Recht hat der BGH auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abgestellt, denn der Schuldner dürfe nicht länger gebunden werden, als dies durch die Verfahrenszwecke geboten sei.1286) Diese Erwägung erweist sich auch für das neue Recht als tragfähig, weswegen die Rechtsfolgen der §§ 295 – 297 InsO weiter mit dem Zeitpunkt der Beschlussfassung eintreten. Ist auf den genauen Termin der Beschlussfassung abzustellen und gibt der Beschluss keinen Wirkungszeitpunkt an, muss dieser analog § 27 Abs. 3 InsO auf die Mittagsstunde festgesetzt werden.1287) 926 Ohne ausdrücklichen Bezug auf das Ende des Insolvenzverfahrens sind die Einsetzung des Treuhänders und der Beginn der Abtretungswirkung geregelt. Unproblematisch gehen die abgetretenen Forderungen mit dem Ende der Verfügungsbeschränkungen durch das Insolvenzverfahren und deswegen mit dem aufgehobenen oder eingestellten Insolvenzverfahren über. Weniger deutlich ist der Anfang des Treuhänderamts zu fixieren, doch bestand dort be___________ 1284) BGH, NZI 2005, 635, 636; 2006, 538; 2009, 191 Rn. 8; 2010, 741 Rn. 4; FK-InsO/ Ahrens, § 290 Rn. 127 ff. 1285) BT-Drucks. 17/11268, S. 28 f. 1286) BGH, NZI 2010, 741 Rn. 5, 8. 1287) BGH, NZI 2010, 741 Rn. 9.

296

VII. Verlauf der Treuhandperiode

reits früher diese Unschärfe. Er ist systematisch und funktional aus den Aufgaben des Treuhänders zu entwickeln. Wenn die abgetretenen Forderungen auf Bezüge und die gleichgestellten Forderungen auf den Treuhänder übergehen, dann muss er mit Beendigung des Insolvenzverfahrens bestellt sein. Vollständig im Ungewissen bleibt die Reichweite des neuen Versagungs- 927 grunds aus § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO. Der Tatbestand stellt auf die Versagungsgründe ab, die sich nach dem Schlusstermin oder nach der Einstellung gemäß § 211 InsO herausgestellt haben. Einerseits wird damit auf einen Termin, andererseits auf eine Entscheidung verwiesen, eine sachlich kaum nachvollziehbare Differenzierung. Unklar bleibt zudem, ob mit dieser Datierung allein der Versagungsgrund oder ebenfalls das Antragsrecht gemeint ist. Wo die Novelle eine eigene Fixierung schaffen musste, ergeben sich substanzielle Mängel. Eine sachgerechte Differenzierung könnte eventuell zwischen dem Antragsgrund und dem Antragsrecht erfolgen. Während der zeitliche Anwendungsbereich für den Antragsgrund nach dem Schlusstermin oder der abschließenden Anhörung im Fall einer Einstellung beginnt, setzt das Antragsrecht nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ein. Ungewöhnlich ist ein solches aufgeschobenes Antragsrecht nicht, wie vor allem die frühere, aber in begrenztem Umfang auch noch die aktuelle Fassung von § 290 Abs. 1 InsO belegt. 2. Rechtsbeschränkungen des § 294 InsO Mit kleineren Eingriffen werden das Zwangsvollstreckungs- und das Auf- 928 rechnungsverbot des § 294 Abs. 1, Abs. 3 InsO an den modifizierten systematischen Zusammenhang angepasst. Die Änderung beim Zwangsvollstreckungsverbot aus § 294 Abs. 1 InsO ist auf eine sprachliche Korrektur beschränkt. Wie insgesamt in den §§ 294 ff. InsO wird der Bezug auf die Laufzeit der Abtretungserklärung durch den Zeitraum zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist ersetzt. Eine sachliche Änderung ist damit nicht verbunden. Etwas umfassender ist das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO umge- 929 formt worden. Bislang eröffnete § 294 Abs. 3 InsO a. F. nach seinem Wortlaut eine Aufrechnungsbefugnis des Verpflichteten gegen eine Bezügeforderung in der zweijährigen Frist des § 114 Abs. 2 InsO a. F. Danach konnte der zur Leistung Verpflichtete gegen eine Bezügeforderung nur aufrechnen, soweit er bei Fortdauer des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung nach § 114 Abs. 2 InsO a. F. berechtigt gewesen wäre. Als wesentlicher Regelungsinhalt wurde außerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums ein Aufrechnungsverbot gegenüber den pfändbaren Teilen der Bezügeforderung aufgestellt.1288) Das Aufrechnungsprivileg aus § 114 Abs. 2 InsO a. F. wurde in die Treuhandperiode erstreckt. ___________ 1288) BGHZ 163, 391, 394 f.; FK-InsO/Ahrens, § 294 Rn. 40.

297

E. Restschuldbefreiung

930 Mit der Streichung von § 114 Abs. 2 InsO a. F. und der dort geschaffenen befristeten Aufrechnungsbefugnis ist auch der Regelungsgedanke von § 294 Abs. 3 InsO a. F. entfallen. Als Folgeänderung zu dem aufgehobenen § 114 Abs. 2 InsO a. F. wurde § 294 Abs. 3 InsO umformuliert.1289) Die Bestimmung ist nunmehr als Aufrechnungsverbot während der gesamten Treuhandperiode ausgestaltet, wodurch ihr rechtlicher Gehalt präziser zum Ausdruck gebracht wird. Dieses Verbot ist auf die Aufrechnung gegen die pfändbaren Teile der Bezüge beschränkt und sichert die abgetretenen Bezügeforderungen zunächst zugunsten der Kosten- und dann der Insolvenzgläubiger. 3. Versagungen nach den §§ 295, 296 InsO 931 Für die Obliegenheiten des Schuldners aus § 295 Abs. 1 InsO sowie das Versagungsverfahren nach § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO wird der Bezug auf die Laufzeit der Abtretungserklärung durch den an § 287 Abs. 2 InsO angepassten, sachlich identischen Zeitraum zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist ersetzt. Eine inhaltliche Änderung ist damit, ebenso wie in den parallelen Fällen der §§ 294, 297 InsO, nicht verbunden. 932 Zu erwägen ist indessen, ob das sprachlich unveränderte Antragsrecht der Insolvenzgläubiger aus systematischen Erwägungen in seinem sachlichen Gehalt verändert wurde. Da in § 290 Abs. 1 Einleitungssatz InsO zusätzlich eine Forderungsanmeldung verlangt wird, könnte im Umkehrschluss in § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO, für den diese ergänzende Voraussetzung nicht aufgestellt wird, eine Forderungsanmeldung entbehrlich sein. Allerdings ist mit der Novelle des § 290 InsO keine gesetzliche Änderung erfolgt, sondern nur ein von der höchstrichterlichen Judikatur angenommenes,1290) allgemein anerkanntes Kriterium kodifiziert worden. Ausdrücklich verlangt wird eine Forderungsanmeldung allein in den Verfahren nach § 290 InsO, doch ist sie auch bei den Anträgen nach § 296 InsO erforderlich,1291) denn nur ein durch die Anmeldung verfahrensbeteiligter Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO darf die Beteiligungsrechte ausüben. 933 Letztlich bestätigt § 296 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. InsO die Interpretation des Anmeldeerfordernisses in § 290 Abs. 1 Einleitungssatz InsO als Regelung, die den zeitlichen Anwendungsbereich koordiniert.1292) Wenn mit dem in § 290 Abs. 1 Einleitungssatz InsO bestimmten Anmeldungskriterium der frühestmögliche Zeitpunkt für einen Versagungsantrag konkretisiert wird, dann ist eine entsprechende Regelung in der Treuhandperiode entbehrlich. Da das Anmeldungserfordernis allgemein aus § 38 InsO abzuleiten ist und ___________ 1289) BT-Drucks. 17/11268, S. 28; MünchKomm-InsO/Stephan, § 294 (neu) Rn. 3. 1290) BGH, NZI 2007, 357. 1291) AGR/Fischer, § 290 n. F. Rn. 2. 1292) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1845 f.

298

VII. Verlauf der Treuhandperiode

weil in diesem Verfahrensabschnitt das Insolvenzverfahren aufgehoben sowie eine nachträgliche Anmeldung ausgeschlossen ist, muss nicht nach der Anmeldung differenziert werden. 4. Insolvenzstraftaten gemäß § 297 InsO a) Versagungsgrund Mit zwei Änderungen wird § 297 InsO an das neue Gefüge angepasst, das 934 durch die Gesetzesnovelle geschaffen wurde. Für die Verurteilung wegen einer Katalogstraftat nach dem Schlusstermin wird der Bezug auf die Laufzeit der Abtretungserklärung durch den auf § 287 Abs. 2 InsO abgestimmten, sachlich identischen Zeitraum zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist ersetzt. Eine inhaltliche Änderung ist damit, ebenso wie in den entsprechenden Konstellationen der §§ 294 – 296 InsO, nicht verbunden. Übereinstimmend mit den Kriterien aus § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird auch 935 in § 297 Abs. 1 InsO eine Erheblichkeitsschwelle bzw. Verhältnismäßigkeitsgrenze eingeführt. Bagatellstraftaten rechtfertigen danach keine Versagung. In den ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren ist als zusätzliche Voraussetzung für den Versagungsgrund die Verurteilung zu einer Mindeststrafe erforderlich. Der Schuldner muss rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden sein (dazu Rn. 813). Im Fall einer Gesamtstrafenbildung aus einer Insolvenzstraftat und anderen Straftaten muss eine Einzelstrafe für die Insolvenzstraftat gebildet werden, wie dies auch bei § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu erfolgen hat. Unterschreitet das Einzelstrafmaß die Erheblichkeitsschwelle, ist der Versagungsgrund ausgeschlossen (Rn. 817). Im Unterschied zur Novelle von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird keine fünfjäh- 936 rige Ausschlussfrist gesetzt. Dies wird in den Gesetzesmaterialien nicht erklärt, wohl weil dies als selbstverständlich unterstellt wird. Ganz so einfach liegt die Situation dennoch nicht. In der Regel bedarf es in der Treuhandperiode keiner Frist, weil zwischen einer zu berücksichtigenden rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung und dem Ende der Abtretungsfrist weniger als fünf Jahre liegen werden. Indessen sind Konstellationen nicht von vornherein auszuschließen, in denen das Insolvenzverfahren sehr schnell durchgeführt wird und die Zeit zwischen Schlusstermin und Ende der Abtretungsfrist mehr als fünf Jahre beträgt. Dann müssen die gleichen Kriterien berücksichtigt werden, die im Rahmen von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO für die fünfjährige Ausschlussfrist maßgebend waren,1293) denn die Referenz auf § 34 BZRG ist auch in der Treuhandperiode zu beachten. Dieses Erfordernis wird nicht durch den in § 297 Abs. 2 InsO bestimmten Bezug auf die Jahresfrist des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO kompensiert, denn dabei handelt es sich um eine ___________ 1293) Dazu BT-Drucks. 17/11269, S. 26.

299

E. Restschuldbefreiung

subjektiv von der Kenntniserlangung abhängigen Frist, während die fünfjährige Ausschlussfrist rein objektiv zu bestimmen ist. Der unbeschränkte Versagungsgrund ist deswegen teleologisch auf eine höchstens fünfjährige Frist nach Eintritt der Rechtskraft zu reduzieren. b) Versagungsverfahren 937 Um einen nahtlosen Anschluss an § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu gewährleisten, beginnt der zeitliche Anwendungsbereich von § 297 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InsO nach dem Schlusstermin, gefolgt vom Geltungsbereich des § 297 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InsO. Damit ist noch nicht beantwortet, ab wann der Versagungsantrag gestellt werden kann. Abzuwägen ist, ob der zeitliche Anwendungsbereich der Norm von der Terminierung des Antragsrechts abweicht. Nach der äußeren und inneren Systematik ist das Antragsrecht erst in der Treuhandperiode nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eröffnet. Belegt wird dies durch die Stellung von § 297 InsO zwischen den auf die Treuhandperiode bezogenen Vorschriften. Zudem verweist § 297 Abs. 2 InsO auf das Verfahren des § 296 InsO. Unschädlich ist der fehlende Bezug auf die durch § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgenommene Datierung, weil dort der zeitliche Anwendungsbereich der Versagungstatbestände abgesteckt wird. So weist dann die Extension des Antragsgrunds auf die Zeit zwischen Schlusstermin und Beendigung des Insolvenzverfahrens dessen Besonderheit aus. Im Übrigen ist die vom Versagungsgrund abweichende Befristung des Antragsrechts am Ende der Treuhandperiode geläufig, wenn dort der Versagungsantrag nach Ende der Abtretungsfrist in der abschließenden Anhörung gestellt werden kann. 938 Ungeregelt bleibt weiterhin die Anhörung des Schuldners. Eine zumindest schriftliche Anhörung des Schuldners ist jedoch wegen des im Insolvenzverfahren zu gewährenden rechtlichen Gehörs zwingend geboten.1294) 939 Antragsberechtigter Insolvenzgläubiger ist nur ein durch eine Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligter Gläubiger. Es gelten die gleichen Erwägungen wie zu § 296 InsO (Rn. 932). 940 Stützt der Insolvenzgläubiger seinen Versagungsantrag auf einen unzutreffenden Versagungsgrund wegen einer strafrechtlichen Verurteilung, also auf § 297 InsO statt auf § 297a InsO oder umgekehrt, ist zu erwägen, ob davon der zutreffende Versagungstatbestand erfasst sein soll. Obwohl Prozesshandlungen nach den recht verstandenen Interessen des Beteiligten auszulegen sind,1295) darf eine Versagungsentscheidung grundsätzlich nicht auf andere, als die vom Antragsteller geltend gemachten Versagungsgründe gestützt werden.1296) Allerdings sind die Versagungsgründe einerseits aus § 297 InsO, ___________ 1294) MünchKomm-InsO/Stephan, § 297 Rn. 17; FK-InsO/Ahrens, § 297 Rn. 11. 1295) St. Rspr. des BGH, vgl. nur BGHZ 146, 298, 310; NJW 2003, 665, 666. 1296) BGH, NZI 2007, 297 Rn. 7; ZInsO 2014, 1675 Rn. 7.

300

VII. Verlauf der Treuhandperiode

andererseits aus § 297a i. V. m. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO weitgehend deckungsgleich. Vollständig stimmen beide Versagungsregeln jedoch nicht überein. So be- 941 steht wegen der übereinstimmend erforderlichen rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung eine erkennbare Wertungsnähe. Deutliche Abweichungen existieren aber beim unterschiedlichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft und der nachträglichen Kenntniserlangung. Zudem verlangt ein zulässiger Versagungsantrag nach § 297a Abs. 1 Satz 2 InsO eine Glaubhaftmachung der fehlenden Kenntnis zum Zeitpunkt des Schlusstermins oder der gleichgestellten Verfahrenskonstellationen. Im Weg der Auslegung muss dann der Versagungsantrag erkennbar auch auf den anderen Versagungsgrund bezogen werden können. Wird der Antrag ausdrücklich allein auf eine der Grundlagen gestützt, scheidet zumeist eine Übertragung aus. Zusätzlich müssen die jeweils erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorgetragen und glaubhaft gemacht sein. Ggf. ist insoweit ein rechtlicher Hinweis erforderlich. 5. Vorzeitige Beendigung gemäß § 299 InsO Durch eine geringfüge, aber erforderliche Änderung wird § 299 InsO auf den 942 neuen Versagungstatbestand des § 297a InsO erstreckt. Für alle Versagungsregeln während der Treuhandperiode gelten damit einheitliche Rechtsfolgen. 6. Streichung des Motivationsrabatts und Verteilung geringfügiger Beträge a) Aufhebung des Motivationsrabatts In doppelter Hinsicht werden die Verteilungsregeln des § 292 Abs. 1 Satz 4, 943 5 InsO a. F. für die vom Treuhänder aus der Abtretung erlangten Beträge modifiziert. Beide Änderungen erleichtern dem Treuhänder wesentlich die Geschäftsführung. In den ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren entfällt die Auskehrung des Motivationsrabatts und der Treuhänder kann Kleinbeträge deutlich einfacher abrechnen und verteilen. Zunächst werden die Vorschriften des § 292 Abs. 1 Satz 4, 5 InsO a. F. über 944 den sog. Motivationsrabatt für den Schuldner gestrichen. Der Treuhänder muss nicht mehr nach Ablauf von vier Jahren seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens 10 % und nach Ablauf von fünf Jahren 15 % der durch die Abtretung erlangten Beträge an den Schuldner zurückreichen. In den masselosen Verfahren mit einer Verfahrenskostenstundung war diese Vorschrift weithin bedeutungslos, weil an den Schuldner regelmäßig keine Zahlungen erfolgten, solange die Verfahrenskosten nicht berichtigt waren. Ausgenommen blieben nur die Fälle, in denen das Einkommen des Schuldners nicht den Betrag nach § 115 Abs. 1 ZPO überstieg. In diesen letztgenannten Fällen und in den massehaltigen Verfahren, bei denen die Verfahrenskosten nicht gestundet bzw. die gestundeten Verfahrenskosten berichtigt sind, wirkte sich der Motivationsrabatt aus. 301

E. Restschuldbefreiung

945 Begründet wird die Streichung in den Gesetzgebungsmaterialien damit, der Schuldner erhalte durch die auf drei bzw. fünf Jahre verkürzte Abtretungsfrist einen weit höheren Anreiz, das Verfahren durchzustehen und durch entsprechende Eigenleistungen zu verkürzen.1297) Im Ergebnis kann dem für die auf fünf Jahre verkürzte Verfahrensdauer bei einer Kostendeckung zugestimmt werden. Schlechtergestellt werden allerdings die früher von § 292 Abs. 1 Satz 5 Alt. 2 InsO i. V. m. § 115 Abs. 1 ZPO begünstigten Personen. Beseitigt wird damit letztlich eine Verfahrensunebenheit, die von den sonst im Insolvenzverfahren geltenden Pfändungsgrenzen als Bezugsgröße abweicht. b) Verteilung geringfügiger Beträge 946 Gesetzeschronologisch, wenn auch nicht sachlich, wird der Motivationsrabatt durch die neue Verteilungsregelung für geringfügige Beträge in § 292 Abs. 1 Satz 4 InsO substituiert. Nach der Neuregelung kann der Treuhänder die Verteilung geringfügiger Beträge äußerstenfalls bis zum Ende der Abtretungsfrist aussetzen, falls dies angemessen erscheint, § 292 Abs. 1 Satz 4 1. Halbs. InsO. Schiebt er die Verteilung auf, muss er dies dem Gericht einmal jährlich unter Angabe der Höhe der erlangten Beträge mitteilen, § 292 Abs. 1 Satz 4 2. Halbs. InsO. Von zwei Kriterien hängt ab, ob der Treuhänder die Verteilung aufschieben darf. Die Beträge müssen geringfügig sein und die Aussetzung muss angemessen erscheinen. Beide Elemente sind eigenständig, aber mit Bezug aufeinander auszulegen. 947 Aus dem unbestimmten Begriff der geringfügigen Beträge ist nicht ohne Weiteres abzuleiten, bei welcher Summe eine Verteilung ausgesetzt werden darf. Zu berücksichtigen sind die Beträge nach ihrer absoluten Höhe sowie die auf den einzelnen Gläubiger entfallende Summe. Bei einem kleineren Gesamtbetrag und einer nur ganz geringen Gläubigerzahl ist daher eher eine Verteilung zu erwägen,1298) als bei einem etwas höheren Gesamtbetrag, aber einer deutlich größeren Gläubigerzahl. Ein wesentliches, wenn auch nicht allein entscheidendes Kriterium, um die Geringfügigkeit zu bestimmen, ist daher der Zahlungsbetrag für den einzelnen Gläubiger. Eine absolute Summe kann dafür nicht genannt werden, doch wird sie typischerweise einen geringeren zweistelligen Betrag nicht überschreiten dürfen. 948 Zudem muss die Aussetzung angemessen erscheinen. Dafür sind das wirtschaftliche Interesse der Gläubiger an einer zeitnahen Auszahlung der Quote und der Aufwand für den Treuhänder gegeneinander abzuwägen. Das Interesse der Gläubiger wird vorrangig durch die Höhe der Quote und damit der gesamten Forderungssumme bestimmt. Eine Zahlung, deren Buchungsaufwand den Ertrag übersteigt, ist kaum interessant. Der Aufwand des Treu___________ 1297) BT-Drucks. 17/11269, S. 28. 1298) Vgl. HK-InsO/Waltenberger, § 292 n. F. Rn. 5.

302

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

händers hängt primär von der Anzahl der Gläubiger ab. Zahlungen an den einzelnen Gläubiger von weniger als 20,– € dürften typischerweise unangemessen, von mehr als 50,– € dagegen regelmäßig angemessen sein. Bei der Entscheidung besitzt der Treuhänder einen Ermessensspielraum, weil 949 die aufgeschobene Verteilung lediglich angemessen erscheinen muss und seine eigenen Interessen betroffen sind. Er kann die Zahlung nicht nur einmal, sondern auch mehrmals, längstens aber bis zum Ende der Treuhandperiode aussetzen.1299) Seine Ermessensabwägung muss jedoch jährlich erfolgen, wobei er die Gesamtsumme einschließlich der Vorjahresbeträge zu berücksichtigen hat. Zulässig bleiben jährliche oder auch kürzere Auszahlungstermine,1300) wobei der Treuhänder ebenfalls die jeweiligen Belastungen zu berücksichtigen hat. Über seine Entscheidung muss der Treuhänder das Gericht einmal jährlich 950 unter Angabe der Höhe der erlangten Beträge informieren. Mehr als deren Gesamthöhe und die Entscheidung sind nicht mitzuteilen.1301) Der Treuhänder muss nicht, sollte aber auch die auf den einzelnen Gläubiger entfallende Summe und die Quote nennen. Die gerichtliche Kontrolle ist daher auf rechtsmissbräuchliches Handeln beschränkt und erstreckt sich nicht auf eine Prüfung der Zweckmäßigkeit.1302) VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO 1. Konzeption Wegen des Verlusts an systematischer Stringenz, Glätte und Tiefe gehört die 951 neue Vorschrift des § 297a InsO zu den am schärfsten seit dem Gesetzgebungsverfahren kritisierten Regelungen.1303) Eine entsprechende, allerdings noch enger allein auf § 290 Abs. 1 Nr. 1 – 3, 6 InsO bezogene Vorschrift hat bereits § 297a VorE 2006 vorgesehen. Erfasst werden sollten allein die auf leicht nachweisbaren Sachverhalten beruhenden Versagungsgründe. § 290 Abs. 1 Nr. 4 und 5 InsO seien aus Gründen der Rechtssicherheit von einer nachträglichen Versagung ausgenommen, zumal diese Versagungstatbestände von einer wertenden Betrachtung abhängig wären.1304) Diese Erwägungen ___________ 1299) AGR/Fischer, § 292 n. F. Rn. 4; MünchKomm-InsO/Stephan, § 292 (neu) Rn. 6. 1300) MünchKomm-InsO/Stephan, § 292 (neu) Rn. 7. 1301) A. A. MünchKomm-InsO/Stephan, § 292 (neu) Rn. 8, die Gründe sind offenzulegen. 1302) AGR/Fischer, § 292 n. F. Rn. 4. 1303) Ahrens, ZRP 2007, 84, 87, kein schlüssiges Konzept; Grote/Pape, ZInsO 2012, 409, 416, komplizierteres Verfahren, erhöhtes Streitpotenzial; Harder, NZI 2012, 113, 115, Rechtsunsicherheit; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1444, erhebliche Verunsicherungen; Ahrens, NJW-Spezial 2013, 341, 342, Prämierung nachlässiger Gläubiger; Hergenröder, KTS 2013, 385, 416, eher Konfusion; Hohmann, DGVZ 2014, 137, 141, Rechtsunsicherheit; Pape, ZVI 2014, 234, 237, große Unsicherheit. 1304) ZVI 3/2006, Beilage 1, S. 12.

303

E. Restschuldbefreiung

und damit auch die mangelnde Rechtssicherheit haben für das aktuelle Vorhaben keine Rolle mehr gespielt. Entfallen sind die Bedenken jedoch nicht. 952 Die jetzt kodifizierte Bestimmung eröffnet den Insolvenzgläubigern das Recht, Versagungsgründe aus § 290 Abs. 1 InsO, die sich erst nach dem Schlusstermin herausgestellt haben und dem Antragsteller nicht länger als sechs Monate bekannt sind, noch nachträglich in der Treuhandperiode geltend zu machen. Mit der Norm soll eine angenommene Lücke bei verspätet bekannt gewordenen Versagungsgründen geschlossen werden. Um die erforderliche gesetzliche Regelung zu legitimieren, verweisen die Gesetzesmaterialien1305) auf mehrere, allein abstrakt benannte gerichtliche Entscheidungen,1306) die allerdings wenig symptomatisch erscheinen.1307) Diese Fälle könnten bereits mit den bewährten Instrumenten einer Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO bzw. eines Schadensersatzanspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gem. § 826 BGB zufriedenstellend gelöst werden. 953 Durch die Novelle wird gerade die Nachlässigkeit von Gläubigern prämiiert. Mehr noch, denn es werden sogar Anreize geschaffen, sich nach einer Forderungsanmeldung nicht mehr am Insolvenzverfahren zu beteiligen. Das mit einer sechsmonatigen Ausschlussfrist versehene nachträgliche Antragsrecht eröffnet den Insolvenzgläubigern nicht selten gegenüber dem typischerweise nicht allzu langwierigen Insolvenzverfahren natürlicher Personen vor allem in der Verbraucherinsolvenz eine längere Frist, als sie bei einer Kenntniserlangung vom Versagungsgrund während des Insolvenzverfahrens bestünde. Zudem können Insolvenzgläubiger, die wegen des Prioritätsgrundsatzes außerhalb der Insolvenz keine veritablen Befriedigungsaussichten besitzen, über einen längeren Zeitraum die Quote beziehen. Schließlich wird durch die spätere Versagungsentscheidung der Beginn der Sperrfrist nach hinten verschoben. Bei der Anwendung von § 297a InsO müssen diese wenig sachgerechten Wirkungen ausbalanciert werden. 954 Mit der Befugnis, nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe gemäß § 297a InsO geltend machen zu können, wird die Präklusionswirkung des Schlusstermins in wichtigen Elementen perforiert. Ganz aufgegeben ist die verfahrensbeschleunigende Wirkung der Präklusion noch nicht, denn es sind immerhin die vor dem Ende des Schlusstermins bekannten Versagungsgründe präkludiert. Dennoch wird in einem wesentlichen Punkt verspätetes Vorbringen zugelassen. 955 Erklärt wird diese systemfremde Durchbrechung mit der materiell aufgeladenen Erwägung, eine Restschuldbefreiung sei in diesem Fall ungerecht,1308) ___________ 1305) BT-Drucks. 17/11268, S. 29. 1306) Zu denken ist etwa an AG Oldenburg, ZVI 2002, 220. 1307) Pape, ZVI 2014, 234, 235. 1308) BT-Drucks. 17/11268, S. 15.

304

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

ohne diese gefühlige Aussage mit konkreten verfahrensrechtlichen Instrumenten zu unterlegen. Auf die prozessrechtlichen Leistungen der Präklusion für ein beschleunigtes Vorbringen wird nicht eingegangen. Ebenso wenig werden die Prinzipien einer formellen Wahrheit und Richtigkeit analysiert. Es scheint fast so, als ob für die nicht länger abschließende Wirkung des Schlusstermins weder seine allgemeine prozessuale Qualität noch die umfassende Einbindung in Präklusionsregeln näher erwogen worden ist. Vor allem widerspricht die Novelle den seit nahezu vierzig Jahren alle wesentlichen zivilverfahrensrechtlichen Reformen durchziehenden Beschleunigungsgedanken. Ein tröpfchenweises Vorbringen, das eigentlich verhindert werden soll, wird auf diese Weise gerade befördert. 2. Versagungsgründe Als Versagungsgründe, auf die sich die Insolvenzgläubiger berufen können, 956 kommen gemäß § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO sämtliche Tatbestände des § 290 Abs. 1 InsO in Betracht. Ein Wertungswiderspruch liegt sicherlich darin, wenn verfahrensbezogene Versagungsgründe, wie die aus § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO, nach Aufhebung des Verfahrens geltend gemacht werden dürfen. Dadurch wird der Zusammenhang zwischen der Verfahrenslage zertrennt, in der die Anforderungen entstanden sind und in der ihre Verletzung geltend zu machen ist. Dieser systematische Bruch führt zu manifesten praktischen Schwierigkeiten. Abgesehen vom zeitlichen Abstand, werden die verletzten Verfahrenspflichten nicht mehr immanent, sondern von außen beurteilt. Leichter wird dies nicht. Zu beachten sind sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Versagungs- 957 gründe. Bei den verfahrensbezogenen Versagungsgründen aus § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO hat der BGH eine Heilung zugelassen. Holt der Schuldner in den allgemeinen Insolvenzverfahren von sich aus eine gebotene, aber zunächst unterlassene Auskunftserteilung nach, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist, beeinträchtigt seine Obliegenheitsverletzung die Gläubigerinteressen nicht.1309) Im Verbraucherinsolvenzverfahren müssen die Auskünfte noch im Eröffnungsverfahren nachgeholt werden, weil dort schon für das der Verfahrenseröffnung vorangehende Schuldenbereinigungsplanverfahren richtige und vollständige Angaben des Schuldners erforderlich sind (Rn. 828).1310) Übertragen auf die Situation des § 297a InsO ist im sog. Regelinsolvenzver- 958 fahren eine Heilung zumindest bis zum Ende des Insolvenzverfahrens zulässig. Da § 297a InsO allerdings die Präklusionswirkung für die Gläubiger durchbricht, muss Entsprechendes auch für den Schuldner gelten. Sachgerecht wird auch noch in der Treuhandperiode die erforderliche Auskunftserteilung, ___________ 1309) BGH, NZI 2009, 777 Rn. 11; NZI 2011, 114 Rn. 6. 1310) BGH, NZI 2005, 461.

305

E. Restschuldbefreiung

etwa über einen Vermögensgegenstand, nachgeholt werden können. In der Verbraucherinsolvenz wird es voraussichtlich bei einer auf das Eröffnungsverfahren beschränkten Heilungsmöglichkeit bleiben (Rn. 828). 959 Wenig klar ist zudem die Bezugnahme auf § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO und hier insbesondere auf dessen 3. Halbs. InsO geraten. Vom umfassend bestimmten sachlichen Anwendungsbereich des § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO werden alle Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO und damit selbstverständlich auch § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO eingeschlossen. Dies besagt freilich noch nicht, ob auf sämtliche Elemente der Vorschrift verwiesen wird. Für die den Versagungsgrund konstituierenden Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 7 1. und 2. Halbs. InsO ist dies ganz unproblematisch zu bejahen. Ob jedoch die Inklusion auch für § 290 Abs. 1 Nr. 7 3. Halbs. InsO gilt, kann nicht so einfach beantwortet werden.1311) 960 Mit dieser Bestimmung wird auf die Verfahrensobliegenheiten des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO verwiesen. Wer dies als Verweisung auf eine Verfahrensregel interpretiert, wird die Vorschrift des § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO im Rahmen von § 297a InsO unberücksichtigt lassen müssen, weil § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich nur auf Versagungsgründe abstellt. Wird in der Regelung, wie hier (Rn. 853), ein Versagungsgrund gesehen, muss entschieden werden, ob auch dieser Versagungsgrund nachträglich geltend gemacht werden kann. Begrifflich-systematisch spricht gegen einen anwendbaren Versagungsgrund die Verwurzelung des Tatbestands in § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO. Wie sollte in diesem Fall die nach § 297a Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 InsO erforderliche Glaubhaftmachung geschehen? Außerdem liegen mit dem Schlussbericht des Treuhänders qualifizierte Informationen vor, weshalb der Umweg über § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO nicht erforderlich ist. Das Fremdkörpergefühl wird noch gesteigert, wenn funktionale Gesichtspunkte einbezogen werden. Dieser Versagungsgrund kann schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil er eine zusätzliche Kompetenz des Gerichts eröffnen würde, obwohl die Befugnis zur nachträglichen Geltendmachung eines Versagungstatbestands allein den Insolvenzgläubigern und nicht auch dem Insolvenzgericht eröffnet ist. 3. Nachträgliches Herausstellen und Kenntniserlangung a) Zeitlicher Anwendungsbereich 961 Zu bestimmen ist, wann der Versagungsgrund erfüllt sein muss, also insbesondere nach welchem Zeitpunkt sich der Versagungsgrund herausgestellt haben darf. § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO nennt dazu anscheinend zwei Bezugspunkte. Eine Versagung kommt in Betracht, wenn sich nach dem Schlusstermin oder im Fall des § 211 InsO nach der Einstellung ein Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 InsO nachträglich herausstellt. Bereits an dieser Stelle ist anzumerken, dass der zeitliche Anwendungsbereich der Norm nicht mit ___________ 1311) Ahrens, ZVI 2014, 227, 233.

306

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

der Antragsberechtigung deckungsgleich ist. Für die Versagungsanträge nach den §§ 296, 297 InsO ist dies ganz unproblematisch anerkannt, wenn die Anträge in der abschließenden Anhörung gemäß § 300 Abs. 1 Satz 1 InsO nach dem Ende der Abtretungsfrist gestellt werden können. Merkwürdig und kaum einzuordnen erscheint der zeitliche Bezug einerseits 962 auf den Schlusstermin, andererseits auf die Einstellung des Verfahrens. Damit wird nicht die Formulierung der §§ 294 – 296 InsO übernommen, die auf die Beendigung des Insolvenzverfahrens abstellen. Auch die Gesetzesfassung von § 297 Abs. 1 Satz 1 InsO wird nicht aufgegriffen, der in Alt. 1 auf die Zeit zwischen Schlusstermin und Aufhebung und in Alt. 2 auf den Zeitraum ab Beendigung des Insolvenzverfahrens verweist. Während diese Datierungen systematisch verständliche und einzuordnende Zeitpunkte nennen, fehlt es daran bei § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO. Zum einen stellt § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO auf den Schlusstermin ab, also 963 den letzten Verhandlungstermin. Zum anderen verweist die Norm auf die Einstellung nach § 211 InsO, also gerade den Entscheidungstermin. Damit werden zwei sachlich unterschiedliche Bezugspunkte verbunden. Gleichrangig hätte der Schlusstermin mit der abschließenden Gläubigerversammlung über die Einstellung oder alternativ die Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit seiner Einstellung kontrastiert werden müssen. Ein innerer Grund, weswegen diese verschiedenartigen Referenzen gewählt worden sind, ist nicht unmittelbar ersichtlich. Eine verfehlte gesetzliche Redaktion ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Möglicherweise hat der Gesetzgeber die vor einer Einstellung erforderliche Gläubigerversammlung bzw. Anhörung übersehen. Im Allgemeinen ist bei einer Einstellung nach § 211 Abs. 1 InsO keine abschließende Gläubigerversammlung erforderlich.1312) Hat jedoch der Schuldner die Restschuldbefreiung beantragt, ist zumindest eine abschließende Anhörung geboten, um den Insolvenzgläubigern letztmals die Möglichkeit zu geben, Versagungsanträge nach § 290 InsO zu stellen und dem Schuldner dazu rechtliches Gehör gewähren zu können.1313) Um einen lückenlosen Schutz der Insolvenzgläubiger zu ermöglichen, muss 964 zweckorientiert der zeitliche Anwendungsbereich der Regelung unmittelbar an das Ende des Schlusstermins anknüpfen.1314) Diesem Schlusstermin steht die Schlussanhörung im schriftlichen Verfahren bzw. die abschließende Gläubigerversammlung oder die Anhörung vor einer Einstellung gleich. Unerheblich muss für den zeitlichen Anwendungsbereich des Versagungsgrunds dagegen sein, wann die Entscheidung über die Aufhebung nach § 200 Abs. 1 InsO oder Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 211 Abs. 1 InsO er___________ 1312) MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 211 Rn. 10. 1313) FK-InsO/Ahrens, § 289 Rn. 30; MünchKomm-/InsO/Stephan, § 289 Rn. 56; MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 211 Rn. 16; HambK-InsO/Streck, § 289 Rn. 10; Karsten Schmidt/Jungmann, § 211 Rn. 7. 1314) HK-InsO/Waltenberger, § 297a n. F. Rn. 2.

307

E. Restschuldbefreiung

folgt. Sonst könnte der Schuldner das Versagungsrecht aus § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO unterlaufen, indem er nach dem Schlusstermin, aber vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens sämtliche Gläubiger über alle Versagungsgründe unterrichtet. Eine differenzierte Auslegung, nach der im Fall einer Aufhebung des Verfahrens der Schlusstermin, bei Einstellung aber die Beschlussfassung maßgebend sein soll, vermag schon wegen der in der letztgenannten Konstellation ebenfalls erforderlichen Anhörung nicht zu überzeugen. Den einheitlichen Anfangstermin für den Versagungsgrund bildet damit das Ende der letzten Anhörung der Insolvenzgläubiger. 965 Unbestimmt ist ebenfalls der Endtermin, bis zu dem der Versagungsgrund besteht, den das Gesetz nicht ausdrücklich fixiert. Denkbar ist das Ende der Treuhandperiode,1315) die abschließende Anhörung der Insolvenzgläubiger, die Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung oder deren Rechtskraft. Jedenfalls nach diesem Zeitpunkt kommt nur noch ein Widerruf der Restschuldbefreiung in Betracht. Kaum verständlich erscheint, wenn die auf einen früheren Verfahrensabschnitt bezogene ergänzende Regelung des § 297a InsO länger als die Haupttatbestände der §§ 295 – 297 InsO anzuwenden wäre. Schlusspunkt ist daher das Ende der Abtretungsfrist. Daraus resultiert eine eindeutige Konsequenz für die asymmetrischen Verfahren. Mit dem Ende der Abtretungsfrist hört auch der Geltungsbereich von § 297a InsO auf. b) Nachträgliches Herausstellen 966 Mit zwei getrennten Voraussetzungen wird einerseits in § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO auf Versagungsgründe, die sich nachträglich herausgestellt haben, und andererseits in § 297a Abs. 1 Satz 2 InsO auf dem Gläubiger nicht länger als sechs Monate bekannte Versagungsgründe abgestellt. Diese kombinierten Anforderungen eröffnen mehrere Verständnismöglichkeiten.1316) Sie können als persönlich auf den Antragsteller bezogene Voraussetzungen mit dem Schlusstermin bzw. den gleichzustellenden Verfahrenslagen als Anfangstermin und dem Ablauf der sechsmonatigen Frist als Endtermin verstanden werden. Maßgebend ist dann allein, ob dem Antragsteller die Frist (un)bekannt war.1317) Möglich ist aber auch ein Verständnis als kombinierte objektive und subjektive Voraussetzungen, die auf das allgemeine nachträgliche Herausstellen für jeden Insolvenzgläubiger und die persönliche Kenntnis des Antragstellers bezogen sind.1318) 967 Als systematisches Argument für eine allein maßgebende Unkenntnis des antragstellenden Gläubigers wird die Formulierung von § 297a Abs. 1 Satz 3 ___________ 1315) Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 878; HK-InsO/Waltenberger, § 297a n. F. Rn. 2. 1316) Pape, ZVI 2014, 234, 237. 1317) Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 297a Rn. 2; AGR/Weinland, § 297a InsO n. F. Rn. 1; Graf-Schlicker/Kexel, § 297a Rn. 3; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 543. 1318) Andres/Leithaus, § 297a Rn. 4; Grote/Pape, ZInsO 2014, 1433, 1444.

308

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

Alt. 2 InsO angeführt, wonach der Antragsteller lediglich seine Unkenntnis glaubhaft zu machen hat.1319) Richtig gelesen besagt diese Regelung indessen das Gegenteil, denn der Antragsteller muss bereits nach § 297 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. InsO die Voraussetzungen von § 297a Abs. 1 Satz 1, 2 InsO glaubhaft machen. Dies umfasst beide Voraussetzungen, unabhängig davon, wie sie zu interpretieren sind. Wenn von § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO allein die Unkenntnis des Antragstellers materiell gefordert wird, wäre der Nachsatz überflüssig, denn dann könnte auch die Glaubhaftmachung nicht weitergehen. Sinnvoll wird dieser Zusatz gerade, wenn das Tatbestandsmerkmal des nachträglichen Herausstellens auf alle Insolvenzgläubiger bezogen, aber allein die Unkenntnis des Antragstellers glaubhaft zu machen ist. Dann enthält § 297a Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. InsO eine sachgerechte Einschränkung der verfahrensrechtlichen Last zur Glaubhaftmachung gegenüber dem 1. Halbsatz. Schließlich kann der antragstellende Gläubiger kaum mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die fehlende Kenntnis aller Gläubiger glaubhaft machen.1320) Auch der Bezug auf die Gesetzgebungsmaterialien trägt keine Reduktion auf die Unkenntnis des antragstellenden Gläubigers.1321) Ebenso, wie die Materialien auf den Kenntnisstand des Antragstellers verweisen, beziehen sie sich auf einen den Gläubigern zu spät bekannt gewordenen Versagungsgrund.1322) Zudem entspricht die objektive, auf den Kenntnisstand aller Gläubiger bezogene Interpretation auch der überzeugenden Auslegung von § 303 Abs. 1 InsO a. F. Für das bereits dort verwendete Merkmal des nachträglichen Herausstellens wird nach einer, allerdings umstrittenen Interpretation gleichfalls auf die allgemeine Kenntnis verwiesen.1323) Überzeugender erscheint daher die andere, kombiniert objektiv-subjektive 968 Auslegung, wonach sich der Versagungsgrund für alle Insolvenzgläubiger erst nachträglich herausgestellt hat und dem Antragsteller nicht länger als sechs Monate bekannt sein darf. Bereits die systematisch in zwei Sätzen der Norm separierten Voraussetzungen weisen auf einen unterschiedlichen Aussagegehalt beider Regelungselemente hin. Ein einheitlicher Bezug allein auf die Unkenntnis des antragstellenden Gläubigers hätte geradezu in einem Satz geregelt werden müssen, etwa als Versagungsgrund, der sich nachträglich herausgestellt hat und dem Antragsteller nicht länger als sechs Monate bekannt ist. Offensichtlich besteht bei der Stellung und Formulierung von § 297a Abs. 1 Satz 2 InsO eine eindeutige Parallele zu § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO, von der sich der Gesetzgeber leiten lassen hat. Das spricht für einen in § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO klar unterscheidbaren Gegenstand und damit eine Berücksichtigung sämtlicher Insolvenzgläubiger. ___________ 1319) Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 543. 1320) Vgl. dazu Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rn. 876. 1321) So aber Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 543 f. 1322) BT-Drucks. 17/11268 D. 1323) FK-InsO/Ahrens, § 303 Rn. 12; a. A. MünchKomm-InsO/Stephan, § 303 Rn. 14; Uhlenbruck/Vallender, § 303 Rn. 2; AGR/Weinland, § 303 InsO Rn. 17.

309

E. Restschuldbefreiung

969 Funktionale Erwägungen bestätigen diese Interpretation. Der Zweck der Regelung besteht darin, eine Versagungsmöglichkeit für die im Insolvenzverfahren unbekannt gebliebenen Versagungsgründe zu eröffnen. Auf prinzipiell bekannte, aber von einzelnen Insolvenzgläubigern nicht geltend gemachte Versagungstatbestände lässt sich dieser Gedanke nicht übertragen. Sonst verändert sich die Zielsetzung der Vorschrift von einem Instrument des Gläubigerschutzes zu einer individuellen Verjährungsregel. So könnte der allgemein bekannte, nur dem einzelnen, im Schlusstermin nicht erschienenen Gläubiger unbekannte Grund nach § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO zur Versagung führen. Zudem wären damit Umgehungsmöglichkeiten weithin ermöglicht. Letztlich könnten gleichartige, zunächst erfolglose Anträge wiederkehrend von unterschiedlichen Personen gestellt werden. Folgerichtig muss sich der Versagungstatbestand für alle Insolvenzgläubiger nachträglich herausgestellt haben. 970 § 297a InsO erfasst danach auch die Konstellationen, in denen der BGH ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer verstrichenen Antragsfrist wegen einer fehlerhaften öffentlichen Bekanntmachung bejaht hat.1324) Obwohl die Anwendungsvoraussetzungen beider Regelungsbereiche nicht vollkommen übereinstimmen, ist eine Analogie zu § 233 ZPO künftig ausgeschlossen. Es kann nicht länger von einer gesetzlichen Lücke ausgegangen werden. c) Kenntniserlangung 971 Der Antrag darf nach § 297a Abs. 1 Satz 2 InsO nur binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Versagungsgrund dem Gläubiger bekannt geworden ist. Diese Formulierung entspricht, abgesehen von der Länge der Ausschlussfrist, insgesamt § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO.1325) Deswegen kann die Auslegung dieser Vorschrift vollständig auf § 297a Abs. 1 Satz 2 InsO übertragen werden. 972 Erforderlich ist die Kenntnis der rechtsbegründenden Tatsachen, während ihre zutreffende rechtliche Würdigung nicht gefordert wird. Ebenso wenig wird eine Kenntnis aller Einzelheiten verlangt.1326) Es genügt, wenn ein Versagungsantrag mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg gestellt werden kann.1327) Ein Kennenkönnen oder -müssen wird dafür einer Kenntnis grundsätzlich nicht gleichgestellt.1328) Der den Fristenlauf auslösende Kenntnisstand wird selbst dann angenommen, wenn der Gläubiger die Kenntnis zwar nicht positiv besaß, wohl aber die Möglichkeit hatte, sich die erforderlichen ___________ 1324) BGH, NZI 2014, 77 Rn. 14 ff. 1325) BT-Drucks. 17/11268, S. 29. 1326) FK-InsO/Ahrens, § 296 Rn. 26. 1327) Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 296 Rn. 24; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, § 296 Rn. 2. 1328) HambK-InsO/Streck, § 296 Rn. 5.

310

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

Kenntnisse in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe zu beschaffen.1329) Eine Kenntnis des Wissensvertreters steht der Kenntnis des Gläubigers gleich.1330) Für die Antragstellung gilt eine sechsmonatige Frist. Nach Ablauf der Frist 973 ist eine Geltendmachung des Versagungsgrunds ausgeschlossen. Maßgebend ist das Datum der Antragstellung, nicht der gerichtlichen Entscheidung über den Versagungsantrag. Da es sich bei der Frist weder um eine Notfrist noch um eine gleichgestellte Frist handelt, ist nach dem Fristablauf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO ausgeschlossen.1331) Die Ausschlussfrist läuft für jeden Versagungsgrund gesondert.1332) 4. Versagungsverfahren a) Versagungsantrag Die Versagung der Restschuldbefreiung setzt den Antrag eines Insolvenz- 974 gläubigers voraus.1333) Der Antrag ist schriftlich,1334) zu Protokoll der Geschäftsstelle, § 4 InsO i. V. m. § 496 ZPO, oder im Termin zur Anhörung über einen anderen Versagungsantrag zu stellen. b) Antragsberechtigung Antragsberechtigt sind die Insolvenzgläubiger. Wegen der terminologischen 975 Übereinstimmung spricht viel für ein mit den §§ 296, 297 InsO kohärentes Verständnis (Rn. 932, 939).1335) Danach können allein die durch eine Forderungsanmeldung verfahrensbeteiligten Insolvenzgläubiger einen Versagungsantrag stellen.1336) Auch der Zweck von § 297a InsO rechtfertigt keine andere Interpretation. Geschützt werden sollen die Insolvenzgläubiger vor zu spät bekannt gewor- 976 denen Versagungsgründen, etwa bei verheimlichtem Vermögen.1337) Abgestellt wird in der Vorschrift auf nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe, nicht auf einen nachträglich bekannt gewordenen Insolvenzgläubiger oder ein nachträglich bekannt gewordenes Insolvenzverfahren. Hat der Insolvenzgläubiger seine Forderung nicht angemeldet und sei es auch, weil er ___________ 1329) FK-InsO/Ahrens, § 296 Rn. 26; MünchKomm-InsO/Stephan, § 296 Rn. 1. 1330) Uhlenbruck/Vallender, § 296 Rn. 6; AGR/Weinland, § 296 Rn. 8. 1331) Graf-Schlicker/Kexel, § 297a Rn. 5. 1332) Graf-Schlicker/Kexel, § 297a Rn. 5. 1333) MünchKomm-InsO/Stephan, § 297a (neu) Rn. 4. 1334) HK-InsO/Waltenberger, § 297a n. F. Rn. 5. 1335) Ahrens, ZVI 2014, 227, 233. 1336) MünchKomm-InsO/Stephan, § 297a (neu) Rn. 4; HK-InsO/Waltenberger, § 297a n. F. Rn. 4; Andres/Leithaus, § 297a Rn. 2; Ahrens, NJW 2014, 1841, 1846; Schmerbach/ Semmelbeck, NZI 2014, 547, 550. 1337) BT-Drucks. 17/11268, S. 29.

311

E. Restschuldbefreiung

unverschuldet von dem Insolvenzverfahren keine Kenntnis hatte, ist er nicht antragsberechtigt. Diese sog. vergessenen Gläubiger können deswegen weiterhin keinen Insolvenzantrag stellen. c) Antragsfrist 977 Vom zeitlichen Anwendungsbereich des Versagungstatbestands ist die Antragsfrist zu unterscheiden. Während der zeitliche Geltungsbereich über die beachtlichen Fallgestaltungen entscheidet, bestimmt die Antragsfrist, in welchem Zeitraum der Versagungsantrag gestellt werden kann. Die zeitliche Erstreckung der Norm endet, wie ausgeführt (Rn. 964), mit dem letzten Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens, in dem die Gläubiger gehört werden können. Damit ist noch nicht beantwortet, ab wann der Versagungsantrag gestellt werden kann. Die Gesetzesfassung bestimmt dies nicht, lässt sie doch wegen des unklaren Bezugs auf den Schlusstermin sowie die Einstellung des Verfahrens wesentliche Punkte im Unklaren. 978 Gegen ein unmittelbar nach der letzten Vortragsmöglichkeit für die Insolvenzgläubiger einsetzendes Antragsrecht spricht, dass dann der Versagungsgrund bereits im noch nicht aufgehobenen Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnte. Dies ermöglicht auf den ersten Blick eine schnellere Entscheidung, kollidiert aber mit der parallelen Versagungslage des § 290 InsO. Damit könnte es im Zeitraum nach dem Schlusstermin, aber vor Beendigung des Insolvenzverfahrens zu einem Zwischenverfahren nach § 297a InsO kommen. Vor allem müssten die anderen Gläubiger und der Schuldner erneut angehört werden, obwohl dieses Verfahrensstadium bereits abgeschlossen ist. Zudem könnte durch weitere Versagungsanträge die Beendigung des Insolvenzverfahrens unabsehbar hinausgezögert werden. Letztlich führt eine Antragstellung noch während des Insolvenzverfahrens nicht zu einem schnelleren, sondern einem langsameren Abschluss. 979 Auch nach der äußeren und inneren Systematik der Norm ist das Antragsrecht erst in der Treuhandperiode nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eröffnet. Belegt wird dies durch die Stellung von § 297a InsO zwischen den auf die Treuhandperiode bezogenen Vorschriften. Anderenfalls hätte die Regelung in der freigewordenen Stelle des § 291 InsO a. F. getroffen werden müssen. Infolgedessen verweist § 297a Abs. 2 InsO auf das Beschwerderecht nach § 296 Abs. 3 InsO, das für Versagungsanträge eröffnet ist, die auf die Treuhandperiode bezogen sind, und nicht auf die Beschwerdebefugnis gemäß § 290 Abs. 3 InsO. 980 Das Antragsrecht beginnt damit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, wenn es aufgehoben oder eingestellt ist. Damit erhält der Bezug auf die Einstellung nach § 211 InsO in § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO doch einen Sinn, weil damit ein Ausschnitt der maßgebenden Elemente genannt wird. Die auf den Schlusstermin und die Verfahrenseinstellung nach § 211 InsO abstellende unklare Formulierung des § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO ist dann letztlich präzise

312

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

aufzulösen. Der Schlusstermin stellt den exemplarischen Bezugspunkt für den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm dar und die Einstellungsentscheidung nennt beispielhaft den Anfangstermin des Antragsrechts. Das Antragsrecht endet mit dem Zeitpunkt, in dem letztmalig die auf die 981 Treuhandperiode bezogenen Versagungsanträge gestellt werden können. Dies ist die abschließende Anhörung nach § 300 Abs. 1 Satz 1 InsO. Neben der objektiven Befristung ist die auf den Antragsteller bezogene sechsmonatige Ausschlussfrist aus § 297a Abs. 1 Satz 2 InsO zu beachten, die noch nicht abgelaufen sein darf. d) Glaubhaftmachung Der Versagungsantrag ist nach § 297a Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 InsO nur zulässig, 982 wenn die Voraussetzungen aus § 297a Abs. 1 Satz 1, 2 InsO glaubhaft gemacht werden. Dabei muss der Gläubiger gemäß § 297a Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 InsO glaubhaft machen, bis zu dem nach § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO maßgebenden Zeitpunkt keine Kenntnis von den Voraussetzungen gehabt zu haben. Die Formulierung der ersten Alternative ist an § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO angelehnt, weswegen die Auslegung von § 297a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InsO an der Interpretation von § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO auszurichten ist. Gegenstand der Glaubhaftmachung sind zwei Punkte. Glaubhaftzumachen 983 ist zunächst der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 InsO, auf den sich der Antragsteller beruft. Welche Anforderungen dafür im Einzelnen bestehen, ist übereinstimmend mit den zu § 290 Abs. 1 InsO entwickelten Kriterien1338) zu bestimmen. Da die Anwendungsvoraussetzungen von § 290 InsO auf die Treuhandperiode bezogen werden, spricht dies für übereinstimmende Standards. Auf keinen Fall sind niedrigere Maßstäbe zu rechtfertigen. Allenfalls könnten höhere Anforderungen zu erwägen sein, um der nachträglichen Verfahrenskonstellation Rechnung zu tragen. Außerdem muss der Antragsteller glaubhaft machen, bis zu dem nach § 297a 984 Abs. 1 Satz 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusstermins keine Kenntnis von den Voraussetzungen gehabt zu haben. Wie oben ausgeführt (Rn. 964), handelt es sich bei dem nach Satz 1 der Norm entscheidenden Zeitpunkt um den Schlusstermin bzw. die abschließende Verhandlung, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Dabei muss der Antragsteller allein seine eigene (Un-)Kenntnis und nicht auch die der anderen Insolvenzgläubiger glaubhaft machen (Rn. 967 f.).1339) Glaubhaftmachen kann der Antragsteller nicht die innere Tatsache der Unkenntnis, sondern allein die positive Tatsache der Kenntniserlangung. Macht der Gläubiger ein konkretes Datum der Kenntniserlangung glaubhaft, muss als offenkundige, weil nach dem ___________ 1338) FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 92 ff. 1339) Pape, ZVI 2014, 234, 238.

313

E. Restschuldbefreiung

Kalender berechenbare Tatsache nicht noch die Einhaltung der sechsmonatigen Frist glaubhaft gemacht werden. 985 Wie die Glaubhaftmachung durchzuführen ist, kann nach den allgemeinen Maßstäben des § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO1340) bestimmt werden. Beweismaß ist entsprechend § 294 ZPO nicht die volle Überzeugungsbildung des Gerichts, sondern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Zur Beweisführung sind entsprechend § 294 Abs. 2 ZPO lediglich die präsenten Beweismittel zugelassen. e) Anhörung 986 Weder die Anhörung der Insolvenzgläubiger noch des Schuldners sind gesetzlich geregelt.1341) Insbesondere verweist § 297a InsO nicht auf § 296 Abs. 2 Satz 1 InsO, der eine entsprechende Anhörungsnotwendigkeit konstituiert. Abgesehen von den offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Versagungsanträgen wird eine Anhörung der Insolvenzgläubiger geboten sein, um ihr rechtliches Gehör zu wahren, weil ein erfolgreicher Versagungsantrag in ihre Verfahrensrechte eingreift.1342) 987 Eine Anhörung des Schuldners ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zwingend geboten.1343) Da der Versagungsantrag nach § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO auf die Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO bezogen ist, sind die dafür geltenden Maßstäbe zu beachten. Um das rechtliche Gehör effektiv wahren zu können, muss der Schuldner darauf hingewiesen werden, dass er nur bis zum Ende der Anhörung den Versagungsantrag des Gläubigers bestreiten kann und sonst eine Glaubhaftmachung entbehrlich ist.1344) Unterbleibt die Belehrung, kann der Schuldner den Versagungsgrund auch noch nach Ablauf der Anhörung bestreiten.1345) f) Durchführung des Verfahrens 988 Die Verfahrensweise besitzt eine eigentümliche Zwittergestalt, in der sich Elemente von § 290 InsO mit denen des § 296 InsO mischen. Die systematische Stellung und der Aufbau der Norm sprechen für eine Nähe zu § 296 InsO. Demgegenüber deutet der funktionale Zusammenhang auf ein Zusammenspiel mit § 290 InsO hin. Obwohl nur eine begrenzte ausdrückliche Verweisung in § 297 Abs. 2 InsO auf das Rechtsmittel der sofortigen Be___________ 1340) FK-InsO/Ahrens, § 296 Rn. 30 ff.; AGR/Weinland, § 296 Rn. 14. 1341) Pape, ZVI 2014, 234, 237. 1342) Abweichend Graf-Schlicker/Kexel, § 297a Rn. 9. 1343) MünchKomm-InsO/Stephan, § 297a (neu) Rn. 7. 1344) BGH, ZInsO 2011, 837 Rn. 12; NZI 2011, 861 Rn. 7; BeckRS 2011, 20362 Rn. 5; AGR/Fischer, § 289 InsO Rn. 4; Gottwald/Ahrens, § 77 Rn. 91; Pape/Schaltke, NZI 2011, 238, 239; Ahrens, ZVI 2011, 273, 282. 1345) BGH, NZI 2013, 648 Rn. 9.

314

VIII. Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe nach § 297a InsO

schwerde und die öffentliche Bekanntmachung erfolgt, sind doch einige andere Elemente ebenfalls an § 296 InsO orientiert. Zunächst gilt dies für die angelehnt an § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO formulierte Glaubhaftmachung nach § 297a Abs. 1 Satz 3 InsO. Außerdem entspricht die in der Antragsfrist jederzeit mögliche Antragstellung und die dann nach § 4 InsO i. V. m. § 300 Abs. 1 ZPO bei Entscheidungsreife erforderliche Beschlussfassung dem Muster des § 296 InsO. Umgekehrt folgt die Belehrung des Schuldners den Vorgaben aus § 290 989 Abs. 1 InsO. Es erfolgt aber auch keine ausdrückliche Verweisung auf die Verfahrensobliegenheiten aus § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO. Trotz der verfahrensrechtlichen Schwäche in der Treuhandperiode, während der die insolvenzrechtlichen Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheiten im Zeitpunkt des § 297a InsO nicht mehr gelten, ist keine Kompensation vorgesehen. Damit steht § 297a InsO in einer Reihe mit dem allerdings einfacher strukturierten Tatbestand des § 298 InsO, der ebenfalls keine Verweisung auf § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO vorsieht. Dennoch wird eine analoge Anwendung von § 296 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO ausgeschlossen sein. Die erforderlichen Informationsmöglichkeiten haben im Insolvenzverfahren existiert, weswegen sich der Antragsteller dort hätte hinreichend informieren können. Zudem kann er sich auf den Bericht des Insolvenzverwalters berufen. Schließlich ist eine Erweiterung der enumerierten Versagungsgründe und damit eine Analogie zu § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO wegen der gebotenen Rechtssicherheit ausgeschlossen.1346) Infolgedessen ist ein changierendes Mischverfahren kreiert, bei dem für jede 990 Verfahrensfrage einzeln zu bestimmen ist, ob sie nach den Vorstellungen des § 290 InsO oder denen des § 296 InsO beurteilt werden muss. Für den Rechtsanwender resultieren daraus nicht unerhebliche Schwierigkeiten, zumal es länger dauern wird, bis die notwendige Rechtsvereinheitlichung zu erreichen ist. Die erfolgreiche Glaubhaftmachung ist eine besondere Sachentscheidungs- 991 voraussetzung des Versagungsantrags. Ausnahmsweise ist sie dann entbehrlich, wenn der schlüssige Sachvortrag des Gläubigers nicht vom Schuldner bestritten wird.1347) Erst wenn die Zulässigkeit des Antrags feststeht und damit auch die Glaubhaftmachung gelungen ist, wird seine sachliche Berechtigung geprüft. Ist die Glaubhaftmachung bewerkstelligt, unterliegt das weitere Verfahren dem allgemeinen Grundsatz der Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO.1348)

___________ 1346) Ahrens, ZVI 2014, 227, 233. 1347) BGH, NZI 2008, 623 Rn. 7; BGH, NZI 2010, 114 Rn. 7; außerdem BGHZ 156, 139, 141; ZInsO 2009, 298 Rn. 4; NZI 2009, 253 Rn. 6; NZI 2013, 904 Rn. 4. 1348) FK-InsO/Ahrens, § 296 Rn. 33.

315

E. Restschuldbefreiung

992 Einen Sonderfall bildet das nachträgliche Herausstellen des Versagungsgrunds nach § 297a Abs. 1 Satz 1 InsO. Der Antragsteller muss diese Voraussetzung schlüssig vortragen, aber nicht glaubhaftmachen. Bestreitet der Schuldner dieses Erfordernis substantiiert, trägt er also eine Kenntnis des Versagungsgrunds durch einzelne Insolvenzgläubiger vor dem Schlusstermin vor, muss das Insolvenzgericht Amtsermittlungsmaßnahmen durchführen und etwa die Insolvenzgläubiger vernehmen. Die Feststellungslast trägt der Antragsteller. g) Sonstiges 993 Das Insolvenzgericht entscheidet über den Versagungsantrag durch Beschluss, sobald die Sache entscheidungsreif ist, § 4 InsO i. V. m. § 300 Abs. 1 ZPO. Funktionell zuständig für die Versagung ist der Richter, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG.1349) Die Entscheidung ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 4 InsO i. V. m. § 232 ZPO zu versehen. Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu, § 297a Abs. 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 InsO. 994 Der rechtskräftige Beschluss ist nach § 297a Abs. 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 InsO gemäß § 9 InsO öffentlich bekannt zu machen. Diese Bekanntmachungspflicht besteht in jedem Fall, also unabhängig davon, ob der Versagungsantrag erfolgreich oder erfolglos war. Die Bekanntmachung ersetzt die Zustellung, § 9 Abs. 3 InsO. Sie ist aber dennoch gesetzlich vorgesehen, § 4 InsO i. V. m. § 329 Abs. 3 ZPO. IX. Verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren 1. Einordnung a) Anspruch und Wirklichkeit 995 Als medienwirksamen kodifikatorischen Fixpunkt sieht der Gesetzgeber die Chance des Schuldners auf ein verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren an, wie bereits in der Namensgebung des Gesetzes zum Ausdruck kommt. Die lange Verfahrensdauer, beginnend mit dem außergerichtlichen Einigungsversuch über das Insolvenzeröffnungsverfahren und die sechsjährige Abtretungsfrist bis hin zur vierjährigen Nachhaftung für die gestundeten Kosten, stellt auch im internationalen Vergleich1350) eine sehr hohe Belastung für den Schuldner dar, die kaum durch einen besonderen Ertrag für die Gläubiger zu rechtfertigen ist. Die Gesetzgebungsmaterialien sprechen von einer vierzehnjährigen Dauer, von dem die Überschuldung auslösenden Ereignis bis zur ___________ 1349) Graf-Schlicker/Kexel, § 297a Rn. 8. 1350) Eindrucksvoll Renger, Wege zur Restschuldbefreiung, S. 104 ff.; Henning, ZVI 2014, 7, 13.

316

IX. Verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren

Löschung der Negativeinträge bei den Wirtschaftsauskunfteien.1351) Jedenfalls in den Nullmasseverfahren verbessert eine längere Verfahrensdauer nicht die Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Es existieren schon wegen der entstehenden Kosten gute Gründe für ein verkürztes Verfahren. Dennoch bleiben Zweifel, ob ein demonstrativ zu betonender gesetzgeberi- 996 scher Glanzpunkt gelungen ist. So fallen die konkreten Maßnahmen zu zaghaft aus, um eine effektive Verkürzung bewirken zu können. Insbesondere die im Rechtsausschuss für die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von 25 % auf 35 % erhöhte Mindestquote1352) wird eine kaum zu überwindende Hürde darstellen. Nach der eigenen Aussage des BMJ ist eine Mindestbefriedigungsquote von 35 % angesichts der gegenwärtigen Schuldnerleistungen im Restschuldbefreiungsverfahren völlig unrealistisch.1353) Dies gilt umso mehr, wenn noch die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten hinzugerechnet werden.1354) Zudem sind auch die sonstigen materiellen Bestimmungen und Verfahrensregeln nicht wirklich auf eine Effektivierung des Rechts ausgerichtet. Manche scheinen so ausgestaltet zu sein oder drohen jedenfalls so angewendet zu werden, dass die verbleibende restliche Bedeutung des Verkürzungsrechts entwertet wird. Dies betrifft etwa den als Höchstfrist verstandenen Zahlungszeitpunkt, die Kenntnismöglichkeiten über die Leistungshöhe, den Zufluss beim Insolvenzverwalter, den sog. Herkun