Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat [1 ed.] 9783428507818, 9783428107810

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Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat [1 ed.]
 9783428507818, 9783428107810

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STEFAN H A A C K

Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 887

Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat

Von Stefan Haack

Duncker & Humblot • Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Haack, Stefan: Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat / Stefan Haack. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 887) Zugl.: Leipzig, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10781-0

D 15 Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10781-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Die staatsrechtliche Dogmatik zur Rechtsstaatlichkeit, aber auch zur Bundestreue und zur Kompetenzordnung steht vor einer Herausforderung, wenn der Gesetzgeber neue Steuerungsformen entwickelt. Dort, wo er die hergebrachten ordnungsrechtlichen Instrumentarien durch ökonomische Lenkungsmittel ersetzt oder Kooperationselemente hinzufügt, sind auch die Maßstäbe des Verfassungsrechts neu zu überdenken und auf ihre Tauglichkeit für die Behandlung der nunmehr sich aufwerfenden Fragen hin zu überprüfen. Die folgenden zehn Kapitel sollen dazu ein Stück weit beitragen. Entstanden sind sie von 1999 bis 2001 als Dissertation an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. Besonders zu danken habe ich Herrn Prof. Dr. Christoph Degenhart, der die Arbeit anregte und betreute und das erste Gutachten erstattete, sowie den weiteren Gutachtern Prof. Dr. Helmut Goerlich und Prof. Dr. Hartmut Bauer. Sehr herzlich danke ich außerdem Gunda Heinze sowie meiner Mutter, Frau Ingeborg Haack, und Frau Brigitta Haack für die private Hilfeleistung und Unterstützung. Leipzig, den 1.12.2001

5. H.

Inhaltsüberblick Einleitung: Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Verfassungsverstoß Erster

15

Teil

Widersprüche in der Rechtsordnung

22

1. Kapitel: Konzeptionelle Widersprüche zwischen verschiedenen Ebenen des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges: ihr Auftreten in den gerichtlich entschiedenen Fällen

22

2. Kapitel: Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen im Bundesstaat Erscheinungsformen und Orte ihres Auftretens

51

3. Kapitel: Abgrenzungen

69 Zweiter

Teil

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Kompetenzverstoß 4. Kapitel: Kompetenznormen als Grund und Grenze der Zuständigkeit: der kompetenztitelübergreifende Normkonflikt

92

92

5. Kapitel: Legislative Zuständigkeitsformen unter dem Gesichtspunkt gesetzgeberischer Konzeptionierung: der kompetenztitelinterne Normkonflikt 106 Dritter

Teil

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Prinzipienverstoß

120

6. Kapitel: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Postulate der Theorie und als Gebot der Verfassung 120 7. Kapitel: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot als Beschränkung der konzeptionellen Unvereinbarkeit von Gesetzgebungsakten 141 8. Kapitel: Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch konzeptionelle Ungereimtheiten 163

Inhaltsüberblick 9. Kapitel: Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Grundrechtsverstoß und ihre Berührungen mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit 187 10. Kapitel: Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue

198

Schlußbemerkungen

219

Zusammenfassung

222

Literaturverzeichnis

229

Sachwortverzeichnis

251

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Verfassungsverstoß I. Zum Anlaß dieser Untersuchung II. Untersuchungsziel und Vorgehensweise Erster

15 15 18

Teil

Widersprüche in der Rechtsordnung

22

Erstes Kapitel Konzeptionelle Widersprüche zwischen verschiedenen Ebenen des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges: ihr Auftreten in den gerichtlich entschiedenen Fällen I. BVerfGE 98, 106 (Kommunale Verpackungssteuer) 1. Die Konzeption von Abfallgesetz und Verpackungsverordnung 2. Die Konzeption der Kasseler Verpackungssteuersatzung 3. Die Widersprüchlichkeit der Konzeptionen II. BVerfGE 98, 83 (Landesabfallabgaben) 1. Die Konzeption der abfallrechtlichen Bestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes in ihrem Zusammenspiel mit dem Abfallrecht 2. Die Regelungen der Abfallabgabengesetze 3. Die Widersprüchlichkeit der Konzeptionen III. BVerfGE 98, 265 (Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz) 1. Die bundesrechtliche Konzeption des Abtreibungsstrafrechts (deren maßgeblicher Teil) 2. Konzeptionierung durch Verzicht 3. Die Regelungen des BaySchwHEG 4. Die Widersprüchlichkeit der Konzeptionen IV. BVerfGE 97, 332 (Einkommensgestaffelte Kindergartengebühren) V. Fälle aus der Verwaltungsrechtsprechung 1. Die Entscheidungen zur Spielautomatensteuer 2. Die Rechtsprechung zur Bioabfallkompostierung VI. Kriterien einer Konzeption

22 22 23 27 28 31 32 34 35 36 36 38 40 41 42 44 44 48 49

10

Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen im Bundesstaat Erscheinungsformen und Orte ihres Auftretens

I. Denkbare Gestalten des Widerspruchs 1. Der Widerspruch zwischen Regelungskonzeptionen in Gestalt des Auseinanderlaufens ihrer Ziele 2. Der Widerspruch in Gestalt einer Diskrepanz der gesetzgeberischen Handlungsmittel 3. Widersprüche im Hinblick auf die Normwirkung II. Orte des Auftretens konzeptioneller Widersprüchlichkeiten 1. Das Aufeinandertreffen von Steuerkompetenz und Sachzuständigkeit 2. Das Aufeinandertreffen von Strafrechtskompetenz und Sachzuständigkeit 3. Die Divergenz zweier Abgabennormen 4. Die Divergenz zweier Sachregelungen

51 51 51 54 55 57 58 61 64 66

Drittes Kapitel Abgrenzungen I. Widersprüchliche Konzeptionen desselben Normgebers: Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit 1. Systembrüche und konzeptionelle Unvereinbarkeiten 2. Die Behandlung des Systemgerechtigkeitsgedankens in der Rechtsprechung des BVerfG 3. Der Stand der wissenschaftlichen Diskussion 4. Die Übertragbarkeit der Gesichtspunkte ins Bund-Länder-Verhältnis II. Rechtsfolgenkonflikte im Bundesstaatsverhältnis: Art. 31 GG und die konfliktvermeidende Bedeutung der Kompetenznormen 1. Unterscheidbarkeit und Unterscheidungsnotwendigkeit der Konfliktlagen 2. Kompetenzvorschriften als Konfliktvermeidungsnormen 3. Artikel 31 GG als Konfliktlösungsnorm 4. Vorstöße zu einer Neuinterpretation des Artikel 31 GG III. Das Anwendungsfeld der Derogationssätze IV. Konzeptionelle Unvereinbarkeiten im Verhältnis von nationalem und europäischem Recht Zweiter

69

69 69 72 73 78 79 79 81 82 87 89 89

Teil

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Kompetenzverstoß

92

Viertes Kapitel Kompetenznormen als Grund und Grenze der Zuständigkeit: der kompetenztitelübergreifende Normkonflikt I. Die beiden Erscheinungsweisen des Normkonflikts in der Kompetenzordnung

92 92

Inhaltsverzeichnis II. Zum Zusammenhang von kompetenzrechtlicher Qualifikation und konzeptionellem Konflikt 93 III. Der Ausschluß kompetenztitelübergreifender Normkonflikte durch das Erfordernis doppelter Zuständigkeit 96 IV. Die Leistungsfähigkeit der Kompetenznormen bei der Verhinderung titelübergreifender Normkonflikte 97 1. Die Sicherung des Zuweisungsgehalts grundgesetzlicher Zuständigkeiten als Gesichtspunkt ihrer Auslegung 97 2. Konkretisierungen anhand einzelner Kompetenztypen 99 3. Die methodische Interpretation der Zuständigkeitsordnung als Prüfstein des entworfenen Deutungsansatzes 101 4. Wesen und Inhalt einer vom Grundgesetz zugewiesenen Kompetenz 102 5. Die Unterscheidung einer Befugnis von den Schranken ihrer Ausübung 104 Fünftes Kapitel Legislative Zuständigkeitsformen unter dem Gesichtspunkt gesetzgeberischer Konzeptionierung: der kompetenztitelinterne Normkonflikt I. Zum Zusammenhang von Zuständigkeitstypus und Gesetzeskonzeption II. Konzeptionierungen bei konkurrierender Gesetzgebung, insbesondere: die erschöpfende Regelung III. Konzeptionierungen im Fall der Bundesrahmenzuständigkeit IV. Landesgesetzgeberische Gestaltungsräume unter den Gesichtspunkten des Föderalismus und der Demokratie V. Abgeschlossenheit und Entwicklungsoffenheit einer Konzeption als Determinanten ihrer kompetenzrechtlichen Wirkung 1. Sperrende und bindende Wirkungen des Kompetenzrechts aus Sicht der gesetzgeberischen Konzeption: eine Skizze des Entscheidungsmaßstabs 2. Die Entscheidungskriterien im einzelnen 3. Schlußfolgerungen Dritter

106 106 107 110 113 115 115 116 118

Teil

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Prinzipien verstoß

120

Sechstes Kapitel Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Postulate der Theorie und als Gebot der Verfassung I. Die rechtstheoretischen Aspekte 1. Rechtstheoretische Vorfragen eines verfassungsrechtlichen Problems 2. Die Einheit der Rechtsordnung als Zueinandeigehörigkeit und Wechselbezüglichkeit aller Normen eines Systems 3. Die Einheit der Rechtsordnung als deren logische Widerspruchsfreiheit

120 120 120 122 123

12

Inhaltsverzeichnis 4. Die Einheit der Rechtsordnung als deren Freisein von widersprüchlichen Wertungen 124 5. Der wissenschaftstheoretische Begründungsansatz des Widerspruchsverbots .. 126

II. Die verfassungsrechtlichen Aspekte 1. Einheit und Widerspruchsfreiheit als Figuren des Verfassungsrechts

128 128

2. Die Rechtsstaatlichkeit als Quelle eines verselbständigten Widerspruchsverbots 129 3. Widerspruchsfreiheit und Gleichheitssatz

131

4. Der Beitrag des Bundesstaatsprinzips zur Unwidersprüchlichkeit einer föderalen Gesetzgebungsordnung 133 5. Beiträge zur Widerspruchsfreiheit durch grundgesetzliche Kongruenzverpflichtungen, Ordnungsvorgaben und Kontrollmechanismen 133 6. Die Widerspruchsfreiheit als Bündel von Einzelmaßstäben und die Gefahr ihrer Verselbständigung 134 III. Deutung und Bedeutung der Widerspruchsfreiheit in den dargestellten Entscheidungen des BVerfG 135 1. Die entscheidenden Aussagen in ihrem Wortlaut

135

2. Die Verselbständigung des Postulats hinsichtlich der gerichtlichen Alimentation 136 3. Die Verselbständigung des Postulats angesichts seines Einsatzfeldes und seiner Maßstäbe 137 4. Die Verselbständigung des Postulats als Produkt einer Fusion

137

5. Entgegenstehende Bedenken

138

Siebentes Kapitel Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot als Beschränkung der konzeptionellen Unvereinbarkeit von Gesetzgebungsakten

141

I. Die Klarheit der Gesetze als Ausschnitt des Rechtssicherheitsgebots: ihre Herleitung und ihre Hintergründe 141 II. Rechtsklarheit als Prüfungsmaßstab und Untersuchungsgegenstand III. Die Formen der Rechtsunklarheit: Gründe, Gestalt und Behandlung

143 144

1. Unklarheiten durch Unverständlichkeit

144

2. Unklarheiten durch Unbestimmtheit

147

3. Unklarheiten angesichts eines nicht zu überschauenden Normengemenges .... 152 4. Unklarheiten als Fehlverweisungsfolge

154

5. Unklarheiten und Irreführung

155

IV. Unklarheit durch konzeptionelle Divergenzen

156

1. Die Gefahren einer Verkürzung der Problematik

156

2. Das Charakteristikum eines klarheitsbedrohenden Widerspruchs

158

3. Die Maßstäbe einer widerspruchsbedingten KlarheitsVerletzung

160

4. Die Bestimmung der verfassungswidrigen Norm

162

Inhaltsverzeichnis Achtes Kapitel Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch konzeptionelle Ungereimtheiten I. Leistungskraft und Geltungsgrund des Prüfungsmaßstabs Vertrauensschutz II. Konzeptionelle Widersprüche und rückwirkende Gesetze III. Die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes und ihre Anwendung auf den Fall des konzeptionellen Konflikts 1. Der Vertrauenstatbestand: die bestehende Konzeption 2. Das vertrauensbedingte Verhalten: die konzeptionsgerechte Disposition 3. Die Ausnahmen vom Vertrauendürfen 4. Der staatliche Vertrauensbruch in Gestalt des Hinzusetzens einer dispositionsentwertenden Regelungskonzeption 5. Zur Abwägung der Positionen: das vorgezeichnete Ergebnis im Fall eines staatlichen Anreizes 6. Die Abwägung in den Fällen des fehlenden Anreizes 7. Die Folgen des Vertrauensverstoßes IV. Vertrauensschutzfragen in den Fällen der kommunalen Verpackungssteuer und des Bayerischen Sch wangerenhilferechts

163 163 168 172 172 176 178 180 181 185 186 186

Neuntes Kapitel Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Grundrechtsverstoß und ihre Berührungen mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit I. Grundrechtseingriffe in der Gestalt eines konzeptionellen Konflikts 1. Die Plazierung der Widerspruchsfrage in der Grundrechtsdogmatik 2. Das Berührtsein grundrechtsgeschützter Bereiche 3. Eingriffe durch Widersprüchlichkeiten 4. Die Funktion des Gesetzes als Schranke 5. Die Schrankenschranken Klarheit und Kontinuität (die sedes materiae) II. Das Grundrecht als Garant objektiver Anforderungen an seine eigene einfachgesetzliche Ausformung 1. Die Determiniertheit des grundrechtlichen Freiheitsraums durch die Züge der einfachgesetzlichen Ausgestaltung 2. Der Streit um den Geltungsgrund der Rechtsstaatssätze III. Widersprüchliche Regelungskonzeptionen als ein Problem der Verhältnismäßigkeit 1. Die Zweifel an der Erforderlichkeit des strengeren Modells 2. UnVerhältnismäßigkeiten bei Vertrauensbrüchen

187 187 187 188 189 189 190 191 191 192 195 195 197

Zehntes Kapitel Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue I. Die bundesstaatliche Seite der Widerspruchsthematik

198 198

14

Inhaltsverzeichnis

II. Die Bundestreue: ihre Herleitung und ihre drei Funktionen 1. Die Treuepflicht als Emanation des Bundesstaatsprinzips nach herrschender Sicht 2. Das Treuegebot als eine Forderung des politischen Stils 3. Die Bundestreue als Auslegungsfaktor 4. Die Bundestreue als Rechtssatz der Verfassung III. Die einzelnen Voraussetzungen und ihr Erfülltsein im Fall des konzeptionellen Konflikts 1. Die konkrete, zurechenbare Verhaltensweise als Ansatzpunkt 2. Die (formal gesehen) vorhandene Befugnis, sich so zu verhalten 3. Die Verletzung von schutzwürdigen Interessen eines fremden Kompetenzinhabers 4. Die nötige Schwere der Störung IV. Das Gewicht der Störung in den Fällen des konzeptionellen Konflikts 1. Die Verschiedenheit der gewählten Gestaltungsmittel als ein ungeeignetes Kriterium 2. Der Gegensatz der verfolgten Ziele als gleichermaßen ungeeigneter Anhaltspunkt 3. Der entscheidende Gesichtspunkt: die Beeinträchtigung der intendierten Wirkung einer fremden Norm V. Die Rechtsfolgen der Bundestreueverletzung, insbesondere: die Bestimmung der unterliegenden Norm VI. Die Sonderfrage: Bundestreuepflichten bei kommunaler Rechtsetzung VII. Die Mißachtung der Bundestreue in den behandelten Entscheidungen

213 215 216

Schlußbemerkungen

219

I. Widerspruchsfreiheit als Gebot von Einzelmaßstäben II. Die Zusammenhänge der bundesstaatlichen und rechtsstaatlichen Aspekte III. Der aktuelle Kontext der Diskussion

199 199 201 201 203 204 204 205 206 207 209 209 209 210

219 220 221

Zusammenfassung

222

Literaturverzeichnis

229

Sachwortverzeichnis

251

Einleitung: Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Verfassungsverstoß I. Zum Anlaß dieser Untersuchung Drei Urteile des BVerfG aus dem Jahr 1998 bereicherten den Meinungsaustausch über den Umgang mit Widersprüchen in der Rechtsordnung - eine seit langem währende, stets aktuelle Diskussion - um neue Aspekte. Hier in den Entscheidungen zur kommunalen Verpackungssteuer 1, zu den Landesabfallabgabengesetzen 2 sowie zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz 3 verwendete das Gericht den Gedanken der Widerspruchsfreiheit erstmals zur kompetenzrechtlichen Begrenzung der Gesetzgebung im Bundesstaat. Es hat sich damit an den Berührungspunkt mehrerer Konfliktfelder begeben, deren Behandlung bisher unabhängig voneinander geschah: neben der Zuweisung und Abstimmung gesetzgeberischer Gestaltungsbefugnisse von Bund und Bundesländern, wie sie die Kompetenzordnung gemeinsam mit den anderen bundesstaatlichen Verfassungsvorgaben erzielen soll, geht es nun zugleich um den Spannungsbereich zwischen dem rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheitsstandard und der Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers, um Verläßlichkeit und Transparenz des Normbestandes und zuletzt um eine daraus entspringende Fremdbindung eines demokratisch zur Gesetzgebung legitimierten Hoheitsträgers. Diese verfassungsrechtlichen Fragestellungen sind mit grundsätzlichen Aspekten der Rechtstheorie verzahnt - dort etwa, wo an die Anwendung der Derogationsregeln gedacht werden muß, um Widersprüche bereits auf der Stufe der Normauslegung und Anwendung von vornherein auszuschließen und so den Einsatz des verfassungsrechtlichen Instrumentariums überflüssig zu machen. Rechtstheoretisch und verfassungsrechtlich geprägt war auch die bisherige Kontroverse darüber, ob es ein selbständiges Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gibt, welchen Inhalt es besitzt und wie vorzugehen ist, wenn sich Normen in dieser oder jener Weise ins Bestehende nicht fügen. Angesichts dessen verwundert das Aufsehen nicht, welches die bezeichneten Entscheidungen hervorriefen - und dies um so mehr, als alle drei in Streitfragen ergin1

BVerfG - Urteil des Zweiten Senats vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991,2004/95 = E98,106. BVerfG - Urteil des Zweiten Senats vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1876/91, 1083, 2188, 2200/92, 2624/94 = E98, 83. 3 BVerfG - Urteil des Ersten Senats vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306, 2316/96, 1108, 1109, 1110/97 = E98, 265. 2

16

Einleitung

gen, die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ebenso wie in der politischen Diskussion Gegenstand spannungsreicher Auseinandersetzungen waren. In den Fällen der kommunalen Verpackungssteuer und der Landesabfallabgaben ebenso wie im Fall des bayerischen Schwangerschaftsrechts sollte der Landesgesetzgeber4 seine Kompetenz dadurch überschritten haben, daß seine Regelung - die auf einem der Sache nach einschlägigen Kompetenztitel fußte - der Konzeption des Bundesrechts zuwiderlief, wo dieses - zum Teil von einem anderen Kompetenztitel her - die gleiche Materie erfaßte. Das Rechtsstaatsprinzip - so die Begründung - verpflichte „alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß die Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnungen widersprüchlich machen."5 Auf diese Weise erweitere und verdeutliche das Rechtsstaatsprinzip „die Verpflichtung zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme."6 Die rechtsstaatlichen Vorgaben setzten, so das BVerfG weiter, im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zugleich der Kompetenzausübung Schranken.7 Konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers dürften auch durch die auf Spezialzuständigkeiten gründenden Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden.8 Was die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Frage betrifft, ist das seither erschienene Schrifttum dem teilweise gefolgt. 9 In der Mehrzahl jedoch trat es diesen, vom BVerfG neu entworfenen Gedanken mit Bedenken entgegen10: Widersprüche zwischen Konzeptionen ließen sich nicht mit Gewißheit ausmachen - die Handhabung einer so verstandenen Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sei „sehr unsi4 Im Fall BVerfGE 98,106 war die Landesgesetzgebungskompetenz, die sich nach Ansicht des BVerfG für diese Form der Lenkungssteuer aus Art. 105 Abs. 2 a GG ergab, gemäß § 7 Abs. 2 HessKAG den Kommunen übertragen. 5 BVerfGE 98, 83, 97; 98, 106, 119; 98, 265, 301. 6 BVerfGE 98, 106, 118; 98, 265, 301. 7 BVerfGE 98, 106, 119; 98, 265, 301 - sinngemäß auch E98, 83, 98. 8 BVerfGE 98, 265, 301. 9 M.Bothe , NJW 1998, 2333; U. DiFabio , NVwZ 1999, 1153, 1157; W. Frenz , DÖV 1999, 41; H.-G. Henneke , ZG 1998, 275; W. Kluth , DStR 1998, 892, 893; H. Krüger , EWiR 1998, 653 (Art. 12 1/98 - Kurzkommentar); H. Sodan, JZ 1999, 864; C. Weidemann , DVB1. 1999, 73. 10 J.Berkemann , JR 1999, 9, 15; C.Bumke, ZG 1999, 376; K.Fischer , JuS 1998, 1096; M. Führ , KJ 1998,503; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229; K. Gelinsky, DRiZ 1999,46; A. T. Jobs, DÖV 1998, 1039; K. Konrad , DÖV 1999, 12; J. Lege, Jura 1999, 125; D. Murswiek , Die Verwaltung 33 (2000), 241, 275; M. Rodi, StuW 1999,105; H.P. Schneider , ZRP 1998, 323, 327; C. Schräder, ZUR 1998, 152; H. Sendler , NJW 1998, 2875; ders., NJ 1998, 365. Differenzierend, aber mit deutlicher Zurückhaltung auch M. KloepferlK. T. Bröcker, DÖV 2001, 1. R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37, 38 bezweifelten die Einsatzfähigkeit dieser Argumentation außerhalb des Verhältnisses von Steuer- und Sachkompetenz. BVerfGE 98,265,301 dürfte die Vorstellungen des Gerichts von einem umfassenden Anwendungsbereich inzwischen verdeutlicht haben.

Einleitung

eher und nicht durchweg justiziabel." 11 Für einzelne, insgesamt unabgestimmt und systeminkonsequent normierte Teilrechtsordnungen habe die Anlegung der neuen Maßstäbe unabschätzbare Folgen12: genannt werden hier das Steuerrecht und das Umweltrecht. Deren Vermeidung nötige zu anderen unbefriedigenden Auswegen.13 Ohnedies sei eine Rechtsordnung, frei von jedweden Widersprüchlichkeiten, illusorisch und könne deshalb kein Gebot der Verfassung sein.14 Weitere Kritik wendet sich gegen das Rechtsstaatsprinzip als Anknüpfungspunkt: dieses eröffne in seiner Unbestimmtheit dem eigenen Gutdünken des Anwenders zu breiten Raum.15 Hinzu komme, daß das BVerfG Maßstäbe der Rechtssicherheit - bedeutsam für das Verhältnis von Staat und Bürger - mit Fragen der formellen Verfassungskonformität bei der kompetenzrechtlichen Fortentwicklung des Einheitsgedankens zusammenwerfe. 1 6 Kaum zu klären sei es auch, welche der widersprüchlichen Normen in jedem einzelnen Fall zu weichen hätten17; ob die vom BVerfG herangezogenen Derogationsregeln tatsächlich das passende Kriterium liefern, wurde bislang nicht vertieft. Mit früheren Aussagen, im Zusammenhang etwa mit Gesichtspunkten der Systemgerechtigkeit und der Bundestreue, sei der neue Begründungsweg zudem unvereinbar. 18 Hinsichtlich des Gewaltenteilungsgrundsatzes gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG sei es nicht ungefährlich, den Prüfungsumfang des BVerfG gegenüber Akten der Gesetzgebung in solcher Weise auszuweiten.19 Die ebenso stark artikulierte, bundesstaatlich ausgerichtete Kritik 2 0 tadelt die Verschärfung des Konformitätserfordernisses im Bundesstaat gegenüber dem bishe11 K.Fischer, JuS 1998, 1096, 1100; ähnlich J.Berkemann, JR 1999, 9, 15; J.Lege, Jura 1999, 125, 128; C. Schräder, ZUR 1998, 152, 153 f. 12 Vgl. das bewußt überspitzte Szenario bei H. Sendler, NJW 1998, 2875, 2877; s. auch T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 235; M. Rodi, StuW 1999, 105, 110; C. Schräder, ZUR 1998, 152, 153. 13 H. Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; ders., NJ 1998, 365. 14 H. Sendler, NJW 1998, 2875, 2876, der sich auf M. Kloepfer (Verantwortlichkeit für Altlasten im Öffentlichen Recht, S. 34) und M. Baldus (Die Einheit der Rechtsordnung, S. 197) beruft. „Kleinere" Widersprüchlichkeiten hinzunehmen rät auch K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1100. S. auch C. Bumke, ZG 1999, 376, 381 und 384; M. Führ, KJ 1998, 503, 516; A.T. Jobs, DÖV 1998,1039,1044; Lege, Jura 1999,125,128; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 276; C. Schräder, ZUR 1998, 152, 153. 15 A. T. Jobs, DÖV 1998, 1039, 1043; J. Lege, Jura 1999, 125, 128; D. Murswiek , Die Verwaltung 33 (2000), 241, 276; M. Rodi, StuW 1999, 105, 109f.; H. Sendler, NJW 1998, 2875. 16 K.Fischer, JuS 1998, 1096, 1100; M. Führ, KJ 1998, 503, 511. 17 Vgl. dazu C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 356. 18 K.Fischer, JuS 1998, 1096, 1099; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 232f.; H. Sendler, NJW 1998, 2875, 2876. 19 A. T. Jobs, DÖV 1998, 1039, 1043; K. Konrad, DÖV 1999, 12, 17; H. P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327. Ähnlich D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 276. 20 C.Bumke, ZG 1999,376,384; M. Führ, KJ 1998,503,513; T. Gas, SächsVBl. 1998,229, 233; A.T. Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044; J. Lege, Jura 1999, 125, 128; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241,276; H. P. Schneider, ZRP 1998,323,327. Als Fortschritt begrüßte diese Verschärfung demgegenüber//. Krüger, EWiR 1998, 653, 654.

2 Haack

18

Einleitung

rigen Prüfstein Bundestreue. Die neue Vorgehensweise drohe zudem, die Entscheidungen der Kompetenzordnung zu überspielen.21 In den entschiedenen Fällen habe das Gericht das Gebot der Widerspruchsfreiheit letztlich sogar unnötigerweise bemüht, weil zur befriedigenden Lösung das bisher bekannte kompetenzrechtliche Instrumentarium genügt hätte.22 Diese Bedenken gewinnen angesichts der Verwerfungskompetenz der Untergerichte für untergesetzliches Recht an Gewicht.23 Entscheidungen nach diesem Begründungsmuster sind - zuungunsten des Satzunggebers - schon mehrfach im Verfahren gemäß § 47 VwGO oder bei inzidenten Satzungsüberprüfungen ergangen.24 Am Ende, so scheint es, könnte eine allgemeine verwaltungsgerichtliche Suche25 nach Widersprüchen stehen, die sich in einer Normenwelt voller wirklich und vermeintlich gegensätzlicher Tendenzen in reicher Zahl finden oder konstruieren lassen.

II. Untersuchungsziel und Vorgehensweise Anspruch dieser Untersuchung ist es, diese plötzlich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückte Art von Normwidersprüchen zu beschreiben und ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in jeder Hinsicht aufzuklären. Sie beschränkt sich also auf die konzeptionelle Unvereinbarkeit zweier Normwerke gesetzlicher oder untergesetzlicher Art, die verschiedenen Ebenen des Bundesstaatsgefüges entstammen. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Betrachtung in exemplarischer Weise bei den vom BVerfG entschiedenen Fällen: hier ist zu veranschaulichen, in welcher Form der Gesetzgeber seine Lösung eines bestimmten Problems in die Konzeption eines Normwerks umsetzte und inwiefern sich das Ergebnis dessen vom Inhalt der fremden Bestimmungen in einem Maß unterschied, daß vom Widerspruch gesprochen wurde. Dann läßt sich ermitteln, ob hier eine greifbare Gestalt besteht, deren Unvereinbarkeit mit einer anderen der Rechtsanwender überprüfen kann. Verhält es sich so, bleibt zu erörtern, in welcher Weise und in welchen Fallgruppen sie sich widersprechen können; Differenzierungen und besondere Kennzeichen in ihrer Struktur könnten Anlaß oder Indiz für eine unterschiedliche verfassungsrechtliche Behandlung an späterer Stelle sein. Eine Abgrenzung dieser Erscheinung von ähnlichen, 21 M.Führ, KJ 1998, 503, 512, T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 235; A.T. Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044. 22 K . Fischer, JuS 1998,1096,1100; /T. Konrad, DÖV 1999,12,16; J. Lege, Jura 1999,125, 128; H. Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; ders., NJ 1998, 365 f. 23 Vgl. auch die Diskussion im Rahmen des Symposiums „Abfallrecht und Föderalismus", welches das Forschungszentrum Umweltrecht e. V. gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt am 29.5.1998 an der Humboldt-Universität Berlin veranstaltete; wiedergegeben bei K Breitkreutz, NuR 1999, 34, 35. 24 OVG Lüneburg DVB1. 1999, 406; OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187; OVG Münster DVB1. 1998, 1234. 25 Eine Entwicklung, die im Schrifttum bereits ihren Anfang nimmt: s. R. Wernsmann, Jura 2000,175 zur Zweitwohnungssteuer, sowie H. List, BB 2000, 1216 zur Ökosteuer.

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verwandten ist sowohl phänomenologisch - hinsichtlich der Gestalt und des Wesens anderer Normkollisionen - als auch rechtsfolgenbezogen - also nach dem jeweils anzuwendenden verfassungsrechtlichen und rechtstheoretischen Auflösungsinstrumentarium - notwendig. Um das Problem einer Grenzfindung handelt es sich, wo Widersprüche intensiverer Art - also ein Gegeneinander unvereinbarer Rechtsfolgen - auftreten. Hierbei könnte sich die hergebrachte Einteilung der Normkonflikte in „Wertungswidersprüche" und echte „Normkollisionen" als nützlicher Anhaltspunkt erweisen. Beim Anwendungsbereich von Art. 31 GG könnte es hierauf möglicherweise ebenso ankommen wie bei der Heranziehung der Regeln über die Rechtsderogation. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei stets auf die Besonderheit unserer Konstellation: das Auftreten der Widersprüchlichkeit im Bundesstaatsverhältnis. Um Normkonflikte in einem weiteren Sinn handelte es sich auch bei der oft erörterten Frage nach Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit in der Gesetzgebung. Die Argumente, die für und wider ein solches Postulat als Maßstab auch der verfassungsrechtlichen Normüberprüfung seitens des BVerfG und im Schrifttum zu vernehmen waren, könnten hier ebenfalls von Interesse sein, denn beide Fragestellungen erscheinen beziehungsreich: hier wie dort forscht man nach den Grenzen des zulässigen Auseinanderlaufens von unabgestimmt nebeneinandergestellten Normwerken. Die rechtsstaatlichen Gebote, die diese Grenze ziehen, könnten die gleichen sein. Bevor die einzelnen Verfassungsgebote der Rechts- und Bundesstaatlichkeit erörtert werden dürfen, ist die Rolle der Konzeption eines Gesetzes in der grundgesetzlichen Kompetenzordnung zu beleuchten. So weist es zunächst auf eine hohe Relevanz, wenn sich z. B. bei Art. 72 Abs. 2 GG das ins Werk gesetzte Regelungsmuster in einem Normwerk niederschlägt, welches den Kompetenzbereich abschließend gestaltet. Dies deutet hinüber zur Frage, bis zu welchem Grad die Konzeption als Gesetzesinhalt eine Erscheinung politischer Natur ohne verfassungsrechtliche Kompetenzrelevanz ist. Die Leistungsfähigkeit der Kompetenzordnung ist auch für jene Fälle zu ergründen, wo es um punktuelle Überschneidungen von Zuständigkeitstiteln sowie um echte oder vermeintliche Übergriffe des Gesetzgebers in fremde Kompetenzräume geht. Die in der Vergangenheit von Schrifttum und Rechtsprechung entwickelten Lösungsvorstellungen sind dabei in den Blick zu nehmen und zu würdigen. Zentrales Anliegen der Arbeit ist die anschließende Untersuchung, inwieweit sich konzeptionelle Widersprüche mit den Anforderungen der Rechtssicherheit als Gebot des Rechtsstaats und der Bundestreue als Emanation des Bundesstaatsgedankens vertragen. Moderne Lenkungsformen, die der Gesetzgeber in manchen Bereichen Schritt für Schritt an die Stelle ordnungsrechtlicher Verbote treten läßt, fordern die staatsrechtliche Dogmatik dazu heraus, diese hergebrachten Kategorien zu überdenken und ihrem Sinn entsprechend zu erweitern, um sie auf neue Lagen anwendbar zu machen. Je häufiger sich der Gesetzgeber für „sanfte" Formen der Verhaltenssteuerung entscheidet, desto stärker drängt auch die Frage, welche rechtsstaat2*

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liehen und bundesstaatlichen Vorgaben ihn dabei binden. Wenn sich ein selbständiges Postulat der Widerspruchsfreiheit einer Rechtsordnung aus dem Prinzip Rechtsstaat deduzieren läßt, wäre dies der entscheidende Maßstab für die aufgeworfene Verfassungsfrage. Sollte sich allerdings dort und in anderen Verfassungssätzen nichts finden lassen, was über die Einzelanforderungen in irgendeiner Weise hinausreicht, bliebe es bei der Anwendung der einzelnen, bislang bekannten Gesichtspunkte der Rechtssicherheit, aus denen sich möglicherweise ein punktuelles Verbot bestimmter Formen des Widerspruchs ergibt. So garantiert das Rechtssicherheitsgebot ein Mindestniveau an Luzidität, was die Beschaffenheit der Einzelnormen und deren Gesamtbestand angeht. Es ist leicht vorstellbar, daß Widersprüche von einem gewissen Ausmaß einzelne Rechtssätze oder ein Normwerk als solches unverständlich und damit unklar werden lassen. Ebenso denkbar ist, daß Vertrauen in den Bestand eines Gesetzes enttäuscht und eine getätigte Investition entwertet wird, wenn eine spätere Norm das Gegenteil von einer früheren anordnet oder durch ihre Lenkungswirkung erstrebt. Kriterien, die einst in der Diskussion um die Plangewährleistung ins Gespräch gebracht wurden, könnten hier möglicherweise zu einer Lösung führen. Bei allem geht es wiederum um die Suche nach einer Grenze, bis wohin die Gegensätzlichkeiten vom Rechtsunterworfenen hinzunehmen sind. Eine Besinnung auf die Leitlinien, wie sie vom BVerfG entwickelt wurden, dient als Richtschnur bei der Ermittelung dessen, was als nicht hinnehmbar aufzufassen ist. In engem Zusammenhang hierzu steht die Frage eines Verstoßes gegen Grundrechte: je zurückhaltender man die Rechtsfolgenableitung unmittelbar aus dem rechtsstaatlichen Prinzip beurteilt, desto mehr kommt es darauf an, einen geeigneten Anknüpfungspunkt zur Durchsetzung eines gebotenen Mindeststandards an Klarheit und Vertrauensschutz innerhalb der betroffenen Grundrechte zu entwickeln, deren gesicherte Ausübung der Rechtsstaat gewährt. Eine Klärung der bundesstaatlichen Bedenken soll die Prüfung vervollständigen. Bedarf es vielleicht dort eines zusätzlichen Einsatzfeldes der Bundestreue, wo weder das geschriebene Verfassungsrecht, voran die Kompetenznormen der Artt. 70 bis 75 GG, noch die bisher entwickelten Fallgruppen, welche die Rechtsprechung des BVerfG zu diesem Institut kennt, etwas gegen solche Widersprüche auszurichten imstande sind, die einem der Bundesteile in spürbarer Weise schaden? Widersprüchlichkeiten sind in der Rechtsordnung keine seltene Erscheinung, sie sind - nach einem Wort von Karl Engisch26 - als Keim in der Dynamik des Rechts angelegt. Sie besitzen als Erscheinung eine Struktur und kennzeichnen durch diese die Beschaffenheit des Rechtsstoffs in bestimmten Situationen. Der erste Teil der Untersuchung dient dazu, diese Strukturen im geltenden Recht zu erkennen und begreiflich zu machen. Sodann geht es im zweiten Teil darum, das Verhältnis zwischen diesen der Rechtsmaterie innewohnenden Kennzeichen und den in der Verfassung, speziell in den Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenz, niedergelegten, an 26

Die Einheit der Rechtsordnung, S.67.

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die Regelungsbeschaffenheit gebundenen Prämissen („abschließende Regelung", „Rahmencharakter") herauszustellen. Der dritte Teil zielt darauf ab festzumachen, wann diese Strukturen jenem qualitativen Mindesterfordernis an Ordnung genügen, welches das Grundgesetz bei Normkomplexen unter seiner Geltung noch zu dulden bereit ist.

Erster

Teil

Widersprüche in der Rechtsordnung Erstes Kapitel

Konzeptionelle Widersprüche zwischen verschiedenen Ebenen des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges: ihr Auftreten in den gerichtlich entschiedenen Fällen I. BVerfGE 98,106 (Kommunale Verpackungssteuer) Die Unvereinbarkeit der Konzeptionen zweier Normenwerke wurde vom BVerfG i m Fall der kommunalen Verpackungssteuer 1 am ausführlichsten begründet 2 ; sie soll bestanden haben zwischen den Bundesregelungen des Abfallgesetzes vom 27. August 1986 3 sowie der auf dessen Grundlage 4 ergangenen Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 5 einerseits 6 und andererseits der Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer in Kassel 7 . Der Bundesgesetzgeber handelte dabei aufgrund seiner Befugnis gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 1. Alt. G G 8 , die Gemeinde auf1 Urteilsanmerkungen und Besprechungsaufsätze: M. Bothe, NJW 1998, 2333; J. Eschenbach, ZKF 1998, 246; K. Fischer , JuS 1998, 1096; W. Frenz, DÖV 1999, 41; M. Gädeke, in: Brinktrine (Hrsg.), Alte und neue Streitfragen im Bau-, Umwelt- und Telekommunikationsrecht, S. 95; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229; F. S. M. Heselhaus, JA 1999, 635; A. T. Jobs, DÖV 1998, 1039; W. Kluth, DStR 1998, 892; K. Konrad, DÖV 1999, 12; H. Krüger, EWiR 1998, 653; J. Lege, Jura 1999, 125; R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37; C. Schräder, ZUR 1998,152; H. Sendler, NJW 1998,2875; ders., NJ 1998, 365; C. Weidemann, DVB1. 1999,73; O. Zugmaier , BayVBl. 1998, 592; s. auch J. Berkemann, JR 1999, 9, 15; U. DiFabio, NVwZ 1999, 1153, 1156f.; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 269ff. 2 BVerfGE 98, 106, 120ff. 3 BGB1I S. 1410, berichtigt S. 1501; inzwischen abgelöst vom Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 27.9.1994 (BGBl I S.2705). 4 § 14 Abs. 2 Satz 2 AbfG. 5 BGBl I S. 1234. 6 Alle seither eingetretenen Rechtsänderungen können deshalb außer Betracht bleiben. 7 Abgedruckt in NVwZ 1992, 961. 8 Der nicht nur die Abfallbeseitigung, sondern das Abfallrecht insgesamt erfaßt: BVerfGE 98, 106, 120; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 89 zu Art. 74; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 231.

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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grund des Art. 105 Abs. 2 a GG und der ihr auf dieser Grundlage - in Hessen gemäß § 7 HessKAG - zugewiesenen Befugnis zum Erlaß örtlicher Steuern. Es kommt nun darauf an, aus den Grundzügen der konkreten Regelungskonzeption Anhaltspunkte zu gewinnen, anhand derer die entscheidenden Wesenszüge jedes Normwerks - nach seinem Inhalt und der Regelungstechnik, die diesen umsetzt - erfaßt werden können. Eine Gesetzeskonzeption in dem Sinn, um den es hier geht, steht zwischen dem materiellen Inhalt und der technischen Struktur des Normganzen: sie meint im Grunde jene Gestalt, in die ein sachlicher Regelungsgehalt gebracht wird, um ihn in der intendierten Weise zur Geltung kommen zu lassen; diese Gestalt prägt ihrerseits die konkrete regelungstechnische Normstruktur, deren ein Norminhalt zu seiner wirksamen Umsetzung bedarf. 1. Die Konzeption von Abfallgesetz und Verpackungsverordnung § 1 a Abs. 1 Satz 1 AbfG forderte die Abfallvermeidung nach Maßgabe von Rechtsverordnungen, die aufgrund des § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG erlassen werden konnten. § 14 Abs. 2 Satz 1 AbfG sah vor, daß die Bundesregierung Ziele zur Abfallmengenverringerung unter Anhörung der beteiligten Kreise vorgibt. Zu diesen Kreisen rechnete § 16 AbfG unter anderem Vertreter der Wirtschaft, der Wissenschaft sowie des Verkehrswesens. Die Entscheidung über die Vorgehens weise oblag zunächst den Betroffenen, vorrangig Industrie und Handel. Soweit erforderlich, insbesondere wenn durch Zielvorgaben die bezweckte Verminderung nicht erreicht werden konnte, gestattete § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG die Festlegung bestimmter Zwangsverpflichtungen durch Rechtsverordnungen. 10 Intention dieser ursprünglichen Regelung war die Abfallmengenverminderung ohne staatlichen Eingriff durch eigenes Tätigwerden der abfallproduzierenden Industrie und des Handels.11 Verbindlich vorgegeben wurde ihnen ein Ziel, überlassen blieb ihnen dagegen die Wahl der Mittel, um dieses zu erreichen 12; Sanktionen, die das AbfG unmittelbar an das Nichterreichen des Ziels knüpfte, gab es nicht. 13 Das Gesetz verteilte so die Verant9 Zum Streit, ob dieser Titel für Steuern mit lenkender Wirkung ausreicht oder ob es zusätzlich der einschlägigen Sachgestaltungsbefugnis bedarf, s.u. 2. Kapitel, II., 1. sowie 4. Kapitel, III. 10 Näher ß. BenderlR. Sparwasser, Umweltrecht, 2. Auflage, Rn.917. 11 BVerfGE 98, 106, 121 und 127ff.; R. Bergmüller, BayVBl. 1987, 193, 195; U. DiFabio, NVwZ 1995, 1,2; R.P. Eckert, NVwZ 1986, 898, 899; L.-A. Versteyl, in: Kunig/Schwermer/ Versteyl, Abfallgesetz, Rn. 6 zu § 14; s. zudem Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Drs. 10/5656, S.74. 12 BVerfGE 98,106,121;L.-A. Versteyl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, Abfallgesetz, Rn.25 zu § 14. 13 BVerfGE 98,106, 122; M. Gädeke, in: Brinktrine (Hrsg.), Alte und neue Streitfragen im Bau-, Umwelt- und Telekommunikationsrecht, S.95, 108. Wenn im Schrifttum der Erlaß der VerpackV gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG als Sanktion bezeichnet wurde (F. S.M. Heselhaus, JA 1999, 635, 638; M. Kloepfer, Umweltrecht, 1. Auflage, § 12 Rn.63; R. SchmidtIL. Diederichsen, JZ 1999, 37, 39 - bei allen »Sanktionen' jedoch in Anführungszeichen; ähnlich M. Bothe,

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

wortung für die erstrebte Abfallvermeidung: der Staat trug sie hinsichtlich des vorzugebenden Maßes, die Wirtschaft - in ungleich größerem Umfang - hinsichtlich aller Umsetzungsmodalitäten. Nicht als Sanktion, sondern allenfalls als Druckmittel, vielmehr jedoch als Konsequenz einer um weltpolitischen Notwendigkeit 1 4 gestattete § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG erforderlichenfalls weitere Zwangsverpflichtungen. Festzuhalten ist als Ziel dieser Regelung die Vermeidung 15 von Abfällen als ein Ausschnitt 1 6 des nächsthöheren Zieles Umweltschutz. Doch zielt sie dabei auch auf den Ausgleich der Interessen von Umweltschutz und Wirtschaft und erstrebt die Abfallvermeidung nicht um jeden Preis 17 : die abfallerzeugenden Unternehmen sollen, anders als dies bei einem rigiden ordnungsrechtlichen Vorgehen möglich wäre, jene Lösung suchen können, die bei Erreichung des Vorgegebenen ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten am nächsten kommt. Das Problem, welches der Gesetzgeber des A b f G zu lösen sich aufgab, erkannte er in einem umweltschädlichen Zuviel an Abfall, abhängig von wirtschaftlichen Interessen und Notwendigkeiten 1 8 , die mit gleichem Recht Beachtung beanspruchen können; sein Ziel war - kurz gesagt - eine wirtschaftliche Abfallvermeidung. Hier den Sachverstand der Wirtschaft nutzbar zu machen 19 , gleichzeitig unverzichtbare Ziele vorzugeben, bedeutete, Industrie und Handel die von ihnen mitverursachten Probleme in ihrem und i m Gemeininteresse NJW 1998,2333,2334), so darf dies nicht über den grundlegenden Unterschied zwischen dem Erlaß zusätzlicher, dem Ziel dienender Vorschriften und der Fälligkeit einer Strafe oder eines Ordnungsgeldes täuschen. § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG enthielt ein Druckmittel und zeichnete vor, was im Fall eines Scheiterns der Kooperation erforderlich sein würde. 14 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Drs. 10/5656 S.74, 78 sowie das Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen vom September 1990, Tz. 161, BT-Drs. 11/8493 S.56. 15 Ob die Vermeidung dem Rang nach vor der Verwertung stand, wurde unterschiedlich beurteilt - vgl. einerseits W. Hoppe!M. Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 20, gegenüber C. Bakkes, DVB1. 1987, 333, 335 undM. Kloepfer, Umweltrecht, 1. Auflage, § 12 Rn.57. 16 Gesetzliche Zwecke sind stets in irgendeiner Weise Mittel eines übergeordneten Ziels. Weder die Abfallvermeidung noch der Schutz der Umwelt sind endgültige Zwecke, sie dienen als Mittel zur Förderung des nächsthöheren; der Umweltschutz beispielsweise zur Erhaltung der menschlichen Lebensgrundlage. Zu diesem Problem der Ermittelung von Zweck und Mitteln K.F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.256. 17 BVerfGE 98, 106, 132; vgl. dazu auch die deutlichen Aussagen im Bericht der Bundesregierung über den Vollzug des Abfallgesetzes, BT-Drs. 11/756 S. 12, sowie das Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen vom September 1990, Tz. 161, BT-Drs. 11/8493 S.56. Als Ziel allein die Abfallvermeidung bzw. den Umweltschutz herauszunehmen (so G.C. Biletzki, BayVBl. 1996,301, 304; M. Bothe, NJW 1998,2333; B. Pieroth, WiVerw 1996, 65, 76), verkürzt die Aufgabe, die der Gesetzgeber zur Lösung bringen wollte. 18 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Drs. 10/5656, S.74; Bericht der Bundesregierung über den Vollzug des Abfallgesetzes, BT-Drs. 11/756, S. 12. 19 BVerfGE 98, 106, 121 und 130f.; vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Drs. 10/5656, S.74.

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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bewältigen zu lassen. Dementsprechend ordnete der Gesetzgeber die Mittel des AbfG in eine Rangfolge, an deren vorderster Stelle das eigenverantwortliche Handeln der wirtschaftlich Beteiligten stand; erst wo sich deren Leistungsvermögen erschöpfte oder ihr Kooperationswille endete und eine weitere Verminderung erforderlich blieb 20 , sollten Zwangsmittel die Durchsetzung des Ziels sichern 21. Auszumachen ist damit zumindest die Annäherung 22 an eines der bekannten Modelle umweltrechtlicher Normierung: das Kooperationsprinzip 23. Die bundesrechtliche Konzeptionierung der Abfallvermeidung und -Verminderung veränderte ihr Gesicht mit dem Inkrafttreten der Verpackungsverordnung 1991. Diese enthielt sanktionsbewehrte24 Rücknahmepflichten, unter anderem für Verkaufs Verpackungen gemäß §6 VerpackV 1991. Die ordnungsrechtlich 25 ausgerichtete Einschränkung des vormaligen Spielraums wurde indes durch die Bestimmung des § 6 Abs. 3 VerpackV 1991 ausgeglichen26: Herstellern und Vertreibern gewährte diese Vorschrift die Gelegenheit, den Rücknahmepflichten für Verkaufsverpackungen (§ 6 Abs. 1,1a und 2 VerpackV 1991) durch Beteiligung an einem selbsteingerichteten Sammelsystem27 zu entgehen. Die wirtschaftsinteressengerechte Eigeninitiative als Alternative zu ordnungsrechtlichen Mitteln wie Pflicht und Verbot blieb damit, wenngleich in veränderter Gestalt, erhalten. 28 Auch vom Verordnungs20

Streitig blieb, ob der Mißerfolg abgewartet werden mußte: verneinend C. Backes, DVB1. 1987,333,338; R.P Eckert, NVwZ 1986,898,899; bejahendL.-A. Versteyl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, Abfallgesetz, Rn. 22 zu § 14 m. w. N. Vgl. auch Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes, BT-Drs. 10/5656, S.74ff. sowie das Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen vom September 1990, Tz. 162, BT-Drs. 11/8493, S.56f. 21 R.Bergmüller,BayVBl. 1987,193,195;M. Kloepfer,Umweltrecht, 1. Auflage,§ 12Rn.64. 22 BVerfGE 98,106,126; Bericht der Bundesregierung über den Vollzug des Abfallgesetzes, BT-Drs. 11/756, S. 12; M. Bothe, NJW 1998, 2333, 2334; H. Krüger, EWiR 1998, 653, 654; C. Schräder, ZUR 1998, 152, 154; kritisch R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37, 39; H. Sendler, NJ 1998, 365. 23 Zu diesem s. etwa B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 3. Auflage, Rnrn. 1/ 78 ff.; U. DiFabio, NVwZ 1999,1153 m. w. N. in Fn. 2; M. Gädeke, in: Brinktrine (Hrsg.), Alte und neue Streitfragen im Bau-, Umwelt- und Telekommunikationsrecht, S.95,104 ff.; W. Hoppe/M. Beckmann, Umweltrecht, § 1 Rnrn. 53 f.; M. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auflage, §4 Rnrn. 45 ff.; G. Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295; H.-W. Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, passim; C. Tünnesen-Harmes, in: Himmelmann/Pohl/Tünnesen-Harmes, Handbuch des Umweltrechts, A. 2 Rnrn. 45 ff.; S. Westphal, DÖV 2000, 996 sowie die ausführliche Erörterung des Kooperationsmodells in BVerfGE 98, 106, 120ff. 24 § 12 VerpackV 1991. 25 K Fischer, JuS 1998, 1096, 1097. 26 C. Weidemann, VerwArch 90 (1999), 533, 534. 27 Hierauf gründete sich die „Duales System Deutschland GmbH" mit ihrem Sammelsystem „Grüner Punkt". 28 BVerfGE 98, 106, 130; U. DiFabio, NVwZ 1995, 1,2; H.P Sander, CR 1992, 568, 572; L.-A. Versteyl, NVwZ 1991, 848, 851; C. Weidemann, DVB1. 1999,73,76; ders., DVB1. 1992, 1568, 1569; zu einseitig betont C. Schräder (ZUR 1998, 152, 154) die ordnungsrechtlichen Momente.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

geber wurden wirtschaftliche Bedürfnisse bei der Umsetzung des Umweltschutzkonzepts in den Blick genommen.29 An die Stelle einer - im Schrifttum 30 so bezeichneten - normantizipierenden Selbstverpflichtung, bei welcher der Normerlaß ausbleibt, solange das Ziel durch freiwillige Maßnahmen erreicht wird, trat eine normakzessorische, bei der einer ordnungsrechtlichen Norm durch selbstverpflichtende Eigeninitiative ausgewichen werden kann.31 Die Mittel, die gewählt werden dürfen, sind in diesem Fall eingeschränkter, bleiben in ihrer wirtschaftlichen Ausgestaltung aber frei. 32 Verbindlich ist hier ein vorgezeichnetes Handlungsinstrumentarium insofern, als nur die Wahl zwischen diesem und den ordnungsrechtlichen Verpflichtungen bleibt. Doch erstreckt sich diese Verbindlichkeit, von einigen qualitativen Mindeststandards abgesehen, nicht auf die eigentlichen Ausgestaltungsmodalitäten. Der Staat läßt die Wirtschaft an der Verantwortung für die Abfallverwertung teilhaben und kann sie ihr nicht entziehen, solange sie die Anforderungen der Vorschrift erfüllt. Die konstatierte Abschichtung der gesetzlichen Handlungsmittel erscheint gewissermaßen reziprok: der Unternehmer kann sich den eigentlich vorrangigen Ordnungsregeln entziehen.33 Doch darf die aufgezeigte Alternative von vornherein frei gewählt werden und hängt nicht vom Erfolg oder Mißerfolg des erstrangigen Lösungswegs ab. An das Kooperationsprinzip als hergebrachtes Modell umweltrechtlicher Gestaltung wird auch insoweit angeknüpft. 34

29 Den Zweck der Verpackungsverordnung allein in der Vermeidung von Einwegverpackungen zu suchen (so K. Fischer; JuS 1998,1096,1097; ähnlich M. Gädeke, in: Brinktrine [Hrsg.], Alte und neue Streitfragen im Bau-, Umwelt- und Telekommunikationsrecht, S.95, 103) verkürzt auch hier das Problem, dessen Lösung der Verordnungsgeber sich aufgab. Wäre dies allein sein Ziel gewesen, hätte es des § 6 Abs. 3 VerpackV 1991 nicht bedurft. 30 Die Begriffe „normantizipierend" bzw. „normakzessorisch" finden sich bei M. SchmidtPreuß, in: FS Lieberknecht, S.549, 551 und C. Weidemann, VerwArch 90 (1999), 533, 534. 31 C. Weidemann, VerwArch 90 (1999), 533, 534. 32 Zwar enthält § 6 Abs. 3 VerpackV 1991 eine Reihe von Anforderungen an das zu errichtende Sammelsystem. Diese betreffen aber Einzelfragen der Qualitätssicherung, denen das System im Ergebnis genügen muß; sie besagen nichts über seine innere Ausgestaltung. Auch das Erfordernis der behördlichen Systemanerkennung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 6 VerpackV 1991 ändert nichts daran: es handelt sich nur um die Feststellung, daß das System den vorstehenden Anforderungen entspricht. Ermessen ist der Behörde hierbei nicht eingeräumt. Siehe dazu und allgemein zu den Anforderungen des §6 Abs. 3 VerpackV 1991 L.-A. Versteyl, NVwZ 1991, 848, 851; C. Weidemann, DVB1. 1992, 1568, 1571 ff. In der Einschätzung wie hier/?. Scholz/ J. Aulehner, BB 1993, 2250, 2252. 33 R. Scholz/J. Aulehner, BB 1993, 2250, 2251. 34 J.Ekkenga, BB 1993, 945; R. Scholz/J. Aulehner, BB 1993, 2250, 2252; siehe auch Umweltgutachten 1998 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Tz. 556, BT-Drs. 13/10195, S. 208.

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

2. Die Konzeption der Kasseler Verpackungssteuersatzung

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An die Verwendung von Einwegverpackungen und -geschirren beim Verkauf von Speisen und Getränken knüpfte sich nach der Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer in Kassel gemäß deren §§1,2 und 4 eine Steuerschuld. Entziehen konnte sich ihr der steuerpflichtige Verkäufer, indem er Verpackung und Geschirr zurücknahm und außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung verwertete (§ 3 Abs. 1). So erstrebte man eine Verringerung des Abfallaufkommens innerhalb der Gemeinde, zugleich aber auch Einnahmen für den öffentlichen Haushalt.36 Im Kontext des Umweltrechts stellte sich der Satzunggeber damit allein die Aufgabe der Abfallmengenverringerung. Mittel ihrer Durchsetzung sollte die verhaltenslenkende Wirkung der Steuer sein: um die Abgabe zu umgehen, so hoffte man, würden viele der betroffenen Verkäufer ihre Erzeugnisse in anderer, abfallvermeidender Weise verpacken. Ein finanzieller Anreiz beziehungsweise wirtschaftlicher Druck sollten Beweggrund sein für die Befolgung 37 des gesuchten umweltfreundlichen Verhaltens.38 Die Verpackungssteuer entspricht damit ebenfalls einem identifizierbaren Typ umweltrechtlicher Gestaltung: der Lenkungssteuer39. Verbindlichkeit beanspruchte somit ein bestimmtes umweltrechtliches Mittel, kein Ziel. 40 Ihre Adressaten ließ die Norm zwischen drei Verhaltensweisen wählen: der Vermeidung des unerwünschten Verhaltens, der Abgabenleistung und der Beteiligung an einem fremden, gleichwertigen Problemlösungskonzept. Die Verhaltensanordnungen sind hinsichtlich der Art und Weise, in der sie zu befolgen sind, nur teilweise strikt. So ist die Abgabenpflicht selbst eine Möglichkeit, die von jedem gewählt werden konnte, dem die Abfallvermeidung ungünstiger erschien.41 Dem Betroffenen stand es zudem frei, in welcher Weise er die Vermeidung erreicht. Insofern blieb ihm ein Spielraum erhalten und unterscheidet sich dieses Konzept von den typischen Gebots- oder Ver35 Finanzverfassungsrechtlich betrachtet von G.C. Biletzki, BayVBl. 1996, 301; J. Eschenbach, ZKF 1998,246,247ff.; K.H. Friauf, GewArch 1996,265; T. Gas, SächsVBl. 1998,229; R. HedderichlP. Rust, ZKF 1992, 270; K. Konrad, BayVBl. 1997, 353; ders., DÖV 1999, 12; H. Mohl, WiVerw 1996,102; B. Pieroth, WiVerw 1996,65; H. Sendler, WiVerw 1996, 83; vgl. auch BVerfGE 98, 106, 123 ff. Umweltrechtliche Aspekte beleuchten R. Hedderich, WiVerw 1996, 114; K. Konrad, BayVBl. 1997, 353. Alle Fundstellen mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 36 Vgl. die Wiedergabe der Begründung der Stadt Kassel in BVerfGE 98, 106, 107; ferner auch H.-G. Henneke, ZG 1998, 275 f.; H. Mohl, WiVerw 1996, 102, 108. 37 Beziehungsweise verteuern sich einwegverpackte Güter, was die Verbraucher bewegt, sich für mehrwegverpackte Erzeugnisse zu entscheiden. Vgl. H. Krüger, EWiR 1998,653,654. 38 M. Kloepfer, JZ 1991, 736, 742; H. Mohl/R. Schick, KStZ 1995,41 f. 39 Siehe H. List, BB 2000, 1216. Allgemein zu dieser H.D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, passim; F. Kirchhof DVB1. 2000, 1166; P. SelmerIC. Brodersen, DVB1. 2000, 1153; C.Trzaskalik, in: Verhandlungen des 63. DJT, Gutachten E, passim. 40 BVerfGE 98,106,121 und 131;//. Mohl, WiVerw 1996,102,108; ders.lR. Schick, KStZ 1995,41,42. 41 H. Mohl/R. Schick, KStZ 1995,41, 42.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

botsbestimmungen des Ordnungsrechts. 42 Nicht zu übersehen ist aber, wie die Verantwortungsverteilung einer ordnungsrechtlichen Gestaltung angenähert ist: die Verantwortung für die Wahl jenes Mittels, das dem Umweltschutz, also dem gesetzgeberischen Ziel selbst dient, verbleibt dem Hoheitsträger; die Entscheidung, die er dem einzelnen überläßt, beschränkt sich darauf festzulegen, in welcher Weise er das mißbilligte Verhalten umgeht. Wie die Anerkennung einer bestehenden Kooperation wirkt schließlich § 3 Abs. 1: Vermeidung und Zahlung blieben jedem erspart, soweit er den Verpackungsmüll außerhalb des öffentlichen Sammelsystems entsorgt. Als steuerschuldbefreiend erwies sich daher auch die Beteiligung am Dualen System, doch nur in Höhe jenes Prozentsatzes, in dem dieses System die Abfallstoffe tatsächlich verwertete. Hier stellt sich nun die Frage nach der Abgestimmtheit beider Regelungskonzepte aufeinander - und damit zugleich nach ihrer Vereinbarkeit. 3. Die Widersprüchlichkeit der Konzeptionen Inwieweit beide Konzeptionen möglicherweise unvereinbar sind und infolgedessen in einen Konflikt mit bundesstaatlichen oder rechtsstaatlichen Mindestgeboten geraten, hängt zunächst von der Art und Weise ab, in der sie zueinander in Beziehung treten. Finden sich in einem der Regelungswerke Bestimmungen hierüber, die ein beziehungsloses Nebeneinandertreten verhindern, so bilden diese den Ausgangspunkt für die Beantwortung der Vereinbarkeitsfrage. In den Blick zu rücken ist deshalb § 3 Abs. 1 der Verpackungssteuersatzung: bei Beteiligung an einem außerkommunalen Entsorgungssystem - also auch am Dualen System nach § 6 Abs. 3 VerpackV 1991 - entfällt die von der Satzung oktroyierte Zahlungsverpflichtung in entsprechender Höhe. Diese normakzessorische Selbstverpflichtungsbestimmung, die derjenigen aus der VerpackV 1991 ähnelt, deutet hier auf eine Übereinstimmung beider Vorgehens weisen und auf die Abgestimmtheit beider Regelungswerke: an einem selbsteingerichteten Entsorgungssystem teilzunehmen, erscheint hier ebenso wie dort als offengelassene Ausweichvariante, als Angebot an Industrie und Handel zur eigenen, ihren Interessen besser entsprechenden Problembewältigung. Diese scheinbare Abgestimmtheit entpuppt sich auf den zweiten Blick jedoch als vordergründig 43: dem Verkäufer ein weg verpackter Speisen war eine vollständige Steuerbefreiung unmöglich, soweit nachgewiesen werden mußte, daß die auf anderem Weg entsorgten Abfallstoffe verwertet wurden. Sammelsysteme wie das Duale System konnten keine vollständige Verwertung sicherstellen, weshalb dem einzelnen nur eine anteilige Steuerbefreiung zufiel. 44 An dieser Unvollständigkeit erweist sich, daß die Befreiungsklausel nicht wie § 6 Abs. 3 VerpackV 1991 als Anreiz zur Eigeninitiative gemeint sein konnte; sie sollte allenfalls dem Konflikt zum Bundesabfall42

H.Mohl, WiVerw 1996, 102, 103; dersJR. Schick, KStZ 1995, 41, 42. Vgl. K. Konrad, BayVBl. 1997, 353, 356; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, Iii.; H. Mohl, WiVerw 1996, 102, 110f. 44 BVerfGE 98, 106, 133; H. Mohl, WiVerw 1996, 102, 111. 43

auch

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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recht die Schärfe nehmen. Individuallösungen, auf welche die Steuerschuldner als Alternative zu dieser finanziellen Doppelbelastung auswichen, ließen zugleich die Mitwirkung am kollektiven Sammelsystem46 unattraktiv werden. 47 Die Verpakkungssteuer begünstigte diese Suche nach individuellen Vermeidungsmöglichkeiten und gefährdete jenes System, für das sich der Bundesverordnungsgeber entschieden hatte und das auf eine breite Beteiligung wirtschaftlich angewiesen war. 48 Bereits hierin findet sich ein wesentliches Moment des Widerspruchs. Die Verpackungssteuer kann somit auch nicht als ein der VerpackV 1991 nachgeordnetes Steuerungsinstrument begriffen werden: sie wurde hinzugesetzt, ohne in ihrer Wirkung vollständig auf deren Regelungskonzept abgestimmt zu sein. Auch die Ziele beider Normwerke divergieren, soweit das AbfG und danach die VerpackV 1991 anders als die Steuersatzung neben der Abfallvermeidung einen Interessenausgleich erzielen wollten. 49 Die zahlreichen, vom BVerfG 50 im einzelnen beschriebenen Unterschiede beider Regelungsmodelle weisen über ein Auseinanderlaufen des gewählten Handlungsinstrumentariums hinaus: sie entspringen der Verschiedenheit dessen, was sich der jeweilige Gesetzgeber als zu lösende Aufgabe stellte. Wenn man erwägt, welche Wirkungen die Normen - besonders im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer Wahlmöglichkeiten - herbeiführen sollten, wie sie die finanziellen und organisatorischen Lasten verteilten, wessen Interessen berücksichtigt und in die Wirkungsweisen einbezogen wurden 51, welche Zusammenhänge also dem Normgeber für die Problemlösung bedeutsam erschienen - so muß als Summe dieser Aspekte die Verschiedenheit des gesetzten Ziels geschlußfolgert werden. In all diesen Punkten, die ein gesetzgeberisches Ziel in seiner Differenziertheit kennzeichnen, weichen Bundesabfallrecht und Verpackungssteuersatzung voneinander ab.52 Auch die Annäherungen 45

Vgl. dazu VGH Kassel KStZ 1996, 94, 98. Wodurch unter Umständen die ökonomisch und ökologisch bessere Lösung verhindert wird, wie es in BVerfGE98, 106, 131 heißt. Dazu auch M.Bothe, NJW 1998, 2333, 2334. Wenn R. Schmidt/L. Diederichsen (JZ 1999, 37, 38) dem Gericht vorhalten, daß es die Kooperation anstelle der Abfallvermeidung zum Zweck erhebe, wird augenfällig, daß dem Zweck der Norm hier mit einem allzu groben Raster nachgespürt wurde. 47 BVerfGE98, 106, 132f. Dazu auch M.Bothe, NJW 1998, 2333, 2335; K Konrad, BayVBl. 1997, 353, 356; J.Lege, Jura 1999, 125, 126; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 77. T. Gas (SächsVBl. 1998, 229, 235) hält eine Auslegung von § 3 der Satzung in dem Sinn für möglich, daß bei Beteiligung am Dualen System eine vollständige Befreiung eintritt. 48 BVerfGE 98, 106, 132f.; K. Konrad, BayVBl. 1997, 353, 356; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 77. 49 BVerfGE 98,106, 121 und 123. 50 E98, 106, 125 ff. 51 Siehe BVerfGE 98, 106, 122 und 130. 52 Zielkonformität anzunehmen (soM. Bothe, NJW 1998,2333; K. Fischer, JuS 1998,1096, 1097; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 234; R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37, 38), zeugt von einer verkürzten Betrachtung dessen, was der Gesetzgeber mit dem Regelungswerk bewirken wollte. In bewußter Übertreibung ließe sich als Konsequenz solcher Überlegungen festhalten, daß alle Normen dem gleichen, letzten Zweck dienen. Vgl. auch C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 77. 46

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

an identifizierbare Modelle umweltrechtlicher Gestaltung (Kooperationsprinzip und Lenkungssteuer) sind ein Hinweis auf ein Auseinanderfallen der Ziele, weil der Gesetzgeber sich dann für ein bestimmtes Regelungsmuster entscheidet, wenn die Interessengewichtung, die diesem Modell von vornherein innewohnt, dem entspricht, was er hinsichtlich der bestehenden Bedürfnisse aller Beteiligten als Aufgabe begreift. Eine Gegenüberstellung beider Instrumentarien verdeutlicht zunächst die Gemeinsamkeiten: Verpackungssteuer und VerpackV 1991 lassen dem Normadressaten die Wahl, sich der jeweiligen Maßnahme (Abgabenleistung bzw. Rücknahmepflicht) zu unterwerfen oder sich ihr durch eigene Initiative, durch Entwicklung eines gleichwertigen Systems zu entziehen. Dennoch treten auch deutliche Unterschiede hervor: während insbesondere das AbfG die Betroffenen lediglich zu einem bestimmten Erfolg, nicht zu einem konkreten Vorgehen verpflichtete, war die Verpackungssteuersatzung ihrerseits bereits das Resultat einer ins Detail gehenden gesetzgeberischen Mittelwahl. 53 Die Verantwortung für die Erreichung des umweltrechtlichen Ziels tragen im einen Fall in hohem Maß die privaten Abfallerzeuger und Händler, auf deren Initiative das Gesetz bzw. die Verordnung zielt; im anderen Fall liegt sie in den Händen des Hoheitsträgers, der über Reichweite und Höhe der Abgabenlast und damit über den Weg, der zum Umweltschutz führen soll, abschließend entschieden hat. Während AbfG und VerpackV 1991 auf die weitgespannte Einbeziehung aller Beteiligten zielten (Hersteller, Zwischenhändler, Endverkäufer und mittelbar die Verbraucher), lastete der Druck der Verpackungssteuer vorrangig auf den Endverkäufern, denen als Ausweg nur blieb, diese Kosten soweit wie möglich auf ihre Kundschaft umzuwälzen. Bundesverordnungsgeber und Bundesgesetzgeber schufen ein System aufeinander abgestimmter Maßnahmen, um das Abfallproblem als ökologische und ökonomische Frage zu bewältigen; hierbei verbanden sie ordnungsrechtliche mit kooperationsgerichteten Regelungsansätzen. Die Verpackungssteuer als singuläres Mittel zur Bewirkung eines isolierten, beziehungslos definierten Zwecks brachte einen Teil dieses Modells in Gefahr 54, indem sie der Kooperation in Gestalt einer Beteiligung am Sammelsystem einen Teil ihrer wirtschaftlichen Reizkraft nahm.

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BVerfGE 98, 106, 121. Was im Schrifttum die Vermutung hervorrief, dem BVerfG sei es in seiner Entscheidung um die Rettung des Dualen Systems gegangen; vgl. M. Bothe, NJW 1998, 2333, 2334f.; J. Lege, Jura 1999, 125, 126; R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37, 40; C. Weidemann, DVB1.1999,73,77. Daß dieser Gedanke bei der Entscheidung in keinem geringen Maß ausschlaggebend gewesen sein könnte, legt die Formulierung nahe, die Verpackungssteuer gäbe „Anlaß, die Erfüllung der kollektiven Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung zugunsten steuerbefreiender Individuallösungen zu vernachlässigen." (BVerfGE 98,106,133). 54

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

II. BVerfGE 98, 83 (Landesabfallabgaben)

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Den gleichen Lösungsweg hinsichtlich der aufgeworfenen Verfassungsfrage beschritt das BVerfG in seiner Entscheidung zur Verfassungskonformität landesrechtlicher Sonderabfallabgaben, einem nahe gelagerten Problemfeld. 56 Die zu überprüfenden Landesabfallabgabengesetze von Baden-Württemberg 57 , Niedersachsen 58 , Hessen 59 und Schleswig-Holstein 6 0 erkannte das Gericht i m Konflikt mit der Konzeption der abfallrechtlichen Bestimmungen des BImSchG 6 1 in ihrem Zusammenwirken mit sonstigem Abfallrecht. Die Frage nach der rechtlichen Natur dieser Abgaben ließ das Gericht ungeklärt 6 2 und damit ebenso, auf welche Kompetenz sie sich stützen. Qualifiziert man sie nach vorherrschender Betrachtungsweise als Sonderabgaben 63 , handelt es sich um Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG, um den gleichen Titel also, der auch die erwähnten Bundesvorschriften trägt. 6 4 Daß es sich um ein Tätigwerden innerhalb desselben Titels handelt, besitzt für die kompetenzrechtliche Seite der aufgeworfenen Widerspruchsfrage Bedeutung.

55 Urteilsbesprechungen: M. Bothe, NJW 1998, 2333; M. Führ, KJ 1998,503; H.D. Jarass, UPR 2001, 5; J. Lege, Jura 1999, 125, 129ff.; C. Schräder, ZUR 1998, 152; H. Sendler, NJ 1998, 366; H. Siekmann, EWiR 1998, 841. 56 Zum bisherigen, finanzverfassungs- und kompetenzrechtlich geprägten Meinungsaustausch hierüber s. R. Hendler, NuR 1996,165; ders., Die Sonderabfallabgabe, passim; F. Kirchhof, in: Rengeling (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S.47; M. Kloepfer/M. Schulte, UPR 1992, 201; J. W. Kügel, NVwZ 1994, 535; R. Kühner, VB1BW 1991, 201; B. Münch, VB1BW 1995, 121; FA. Schendel, in: Rengeling (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S.65; P. Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 17ff. und passim. 57 Landesabfallabgabengesetz vom 11. März 1991, GBl S. 133. 58 Niedersächsisches Abfallabgabengesetz vom 17. Dezember 1991, GVB1 S.373. 59 Hessisches Sonderabfallabgabengesetz vom 26. Juni 1991, GVB1 S.218. 60 Gesetz über die Erhebung einer Abfallabgabe vom 22. Juli 1994, GVOB1 S. 395. 61 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge, i. d. F. der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990, BGBl IS. 881. 62 BVerfGE 98,83, 101. 63 Für die Einstufung als Lenkungssonderabgaben: VG Stuttgart NVwZ 1996, 614, 615 f.; R. Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 75 m. w. N.; R.Kühner, VB1BW 1991, 201, 205; B. Münch, VB1BW 1995, 121, 127. Demgegenüber nehmen eine Finanzierungssonderabgabe an: M. Kloepfer/M. Schulte, UPR 1992, 201, 208; J. W. Kügel, NVwZ 1994, 535, 540; F.A. Schendel, in: Rengeling (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 65, 76; P. Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S.55, 71. Eine Qualifikation als Lenkungssteuer erwägt, aber verwirft J. W. Kügel, a. a. O., S. 537f. Grundsätzlich zu den Formen der Sonderabgabe, ihrer Funktionsweise und ihren - rechtlichen und realen - Grenzen F. Kirchhof, DVB1. 2000, 1166; P. Kirchhof, in: FS Friauf, S.669ff., insbes. S.678ff. 64 Im Zentrum des kompetenzrechtlichen Interesses stand daher stets die Frage, inwieweit mit dem gesetzten Bundesrecht eine abschließende Regelung i. S.v. Art. 72 Abs. 2 GG vorliegt, welche jeder landesgesetzgeberischen Betätigung von vornherein entgegenstünde. Dazu Näheres im Zweiten Teil.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

1. Die Konzeption der abfallrechtlichen Bestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes in ihrem Zusammenspiel mit dem Abfallrecht Für die Abfallproblematik bei immissionsschutzrechtlich relevanten Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) sind sowohl die Vorschriften des BImSchG als auch diejenigen des Abfallrechts zu berücksichtigen. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG verpflichtet die Betreiber und Errichter immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen, Reststoffe zu vermeiden, sofern diese nicht ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden. 65 Wo Vermeidung und Verwertung technisch unmöglich oder unzumutbar sind, gestattet die Vorschrift ihre Beseitigung als Abfall, wenn dies ohne Beeinträchtigung des Allgemeinwohls geschieht. Anlagen, die keiner Genehmigung bedürfen, sind gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG derart zu gestalten und zu betreiben, daß entstehende Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.66 § 1 a Abs. 1 Satz 1 AbfG gebot die Abfall Vermeidung nach Maßgabe der abfallrechtlichen Rechtsverordnungen, wovon die immissonsschutzrechtlichen Vermeidungspflichten jedoch gemäß § 1 a Abs. 1 Satz 2 AbfG unberührt bleiben sollten.67 Das seit dem 7. Oktober 1996 anzuwendende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz68 ändert am Verhältnis immissionsschutzrechtlich-anlagenbezogener und abfallrechtlich-stoffbezogener Vermeidungspflichten nichts (§9 KrW-/AbfG) 69 ; § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG bezieht sich nun ebenfalls auf technische Möglichkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit und definiert für das Abfallrecht, was hiermit gemeint ist (§ 5 Abs. 4 Sätze 2 und 3 KrW-/AbfG). Diese Regelungen aus BImSchG und KrW-/AbfG 70 zielen auf eine Verringerung der industriellen Abfallmenge 71 bis zur Grenze dessen, was den Anlagenbetreibern 65

Dazu E. Kutscheidt, NVwZ 1986, 622f.; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 78. Einen Vorrang der Vermeidung sieht M. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auflage, § 18 Rn. 87. 66 1994 w u r d e die Bundesregierung durch den hinzugefügten §22 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ermächtigt, in einer Rechtsverordnung bestimmte Anlagen festzulegen, für die § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gilt. 67 Hinsichtlich der Konzeption des Abfallrechts ist auch auf die oben angestellte Untersuchung hinzuweisen: es handelt sich um eine „spezifische Vermeidungskonzeption, die sich durch ein stufenweises Vorgehen von der bloßen Zielfestlegung und der von dieser erhofften Interventionswirkung bis zur verordnungsrechtlichen Ordnungsmaßnahme auszeichnet" (P. Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 49). S. auch J. W. Kügel, NVwZ 1994,535,539. 68 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994, BGBl I S. 2705. 69 J. Fluck, DVB1.1997,463. Vgl. auch den Beitrag desselben Autors in NuR 1989,409 zur Rechtslage unter dem Abfallgesetz. Beide Beiträge erörtern das Zusammenwirken von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht früher und jetzt. S. dazu femer M. Beckmann/A. Kersting, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht III, Rnrn.6ff. zu § 9 KrW-/AbfG; M.-J. Seibert, UPR 1994, 415. 70 Das Zusammenspiel der abfallrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Vorschriften klärt §9 Abs. 1 Sätze 1, 2 KrW-/AbfG. Danach gelten für die anlagenbezogene Seite der Ab-

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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zuzumuten ist. Jenseits dieser verantworten sie eine gemeinwohlgerechte Entsorgung. Mit der Anknüpfung an Möglichkeit und Zumutbarkeit ist der Umfang der Vermeidungs- und Verwertungspflicht von Beschaffenheit und Funktion jeder einzelnen Anlage abhängig.73 Sie bilden „den Maßstab der umweltrechtlichen Verantwortlichkeit des Anlagenbetreibers". 74 Hierdurch wird es möglich, ökonomische und ökologische Bedingungen im einzelnen Fall zu würdigen, Vor- und Nachteile umfassend gegeneinander abzuwägen und dem Verhältnismäßigkeitsgebot bei der Pflichtenvorgabe gerecht zu werden. Dieser Intention entspricht es, daß keinem Betreiber diese oder jene Vermeidungsweise oktroyiert werden kann: ihm selbst obliegt es, sein Vorgehen hinsichtlich der Abfälle zu entwerfen, die der Betrieb seiner Anlage mit sich bringt. Ihm soll es freistehen, diejenige Lösung zu suchen, die seine eigenen Wirtschaftsinteressen bestmöglich wahrt. 75 Die Behörde entscheidet dann ordnungsrechtlich über die Genehmigungsfähigkeit der entwickelten Lösung (§§4 ff. BImSchG)76. Das Verfahren hierfür, normiert durch die 9. BImSchV 77 , enthält in bedeutendem Umfang Merkmale der Verständigung und des Zusammenwirkens von Genehmigungsbehörde und Antragsteller. 78 Wird davon auch der ordnungsrechtliche Charakter der Genehmigung nicht berührt 79, so verteilt sich zumindest die Verantwortung für die Abfallvermeidung oder -Verwertung im konkreten Fall. 80 Eine verbindliche Vorzeichnung dessen, wie der einzelne vorzugehen hat, fehlt; daß das jeweilige Vorgehen allen Anforderungen genügt, wird durch die Behörde festgestellt, die damit ein Ziel steckt, hinter dem der einzelne nicht zurückbleiben darf. Verfahrenskooperation zur Vorbereitung einer ordnungsrechtlichen Entscheidung, die inhaltliche Freiheit des fallvermeidung und -Verwertung die Regelungen des BImSchG; für die stoffbezogene Ausgestaltung von Vermeidung und Verwertung die des KrW-/AbfG. Dazu ausführlich M. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auflage, § 18 Rn. 84. 71 E. Kutscheidt, NVwZ 1986, 622, 623. 72 Etwas davon klingt wohl auch in der Formulierung von M. Rebentisch (UPR 1989, 209, 210) an, bei den Umweltschutzregeln des BImSchG handele es sich um „ein auf die Umweltverträglichkeit ausgerichtetes Industriezulassungsgesetz." 73 BVerfGE 98, 83, 99 und 102; auch G. Feldhaus, UPR 1985, 385, 387; H.D. Jarass, BImSchG, Rn.75 zu §5. 74 BVerfGE 98, 83, 102. 75 Dies läßt M. Führ (KJ 1998, 503, 505) in seiner Kritik zu Unrecht unbeleuchtet. 76 Einfacher liegt es bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gemäß §22 BImSchG, für die auch durch Rechtsverordnung gemäß Abs. 1 Satz 2 nicht die entsprechende Geltung von § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG angeordnet wurde. Hier ist der Betreiber nur zur ordnungsgemäßen Beseitigung verpflichtet (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). S. dazu K. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht I Rn. 28 zu § 22 BImSchG. 77 1.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Mai 1992, BGBl I S. 1001. 78 Dazu ausführlich BVerfGE 98, 83, 99. 79 M.Bothe, NJW 1998, 2333, 2335; H.D. Jarass, UPR 2001, 5, 6. Doch ändert das unkooperative Ende nichts daran, daß der Unternehmer wählt, wie er die Genehmigungserfordernisse erfüllt, und daß er hierbei mit der Behörde kooperiert. 80 BVerfGE 98, 83, 102. 3 Haack

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

einzelnen bei seiner Suche danach, wie er den Vermeidungs- und Verwertungspflichten nachkommt (die hier das eigentliche Mittel zum Zweck 81 ist), und deren individuelle Bemessung im einzelnen Fall prägen damit die Konzeption der abfallrechtlich relevanten Bestimmungen in BImSchG und BImSchV.82 2. Die Regelungen der Abfallabgabengesetze Die Erzeuger besonders überwachungsbedürftiger Abfälle - sogenannter Sonderabfälle 83 - wurden von den genannten Landesgesetzen zu einer zusätzlichen Abgabe verpflichtet, gestaffelt nach der Art der zu entsorgenden Stoffe. 84 Alle Gesetze enthielten dabei eine Reihe umgrenzter Befreiungstatbestände 85, so zum Teil 86 für die stoffliche Verwertung. Ihr Ziel war die Mengenverringerung überwachungsbedürftiger Abfälle 87 ; die Abgabenpflicht sollte mittels eines finanziellen Drucks die Abfallerzeuger zur Vermeidung veranlassen. Wie die Verpackungssteuer entsprechen sie damit dem Typus der Lenkungsabgabe88, die ein Entweder-Oder statuiert zwischen der Vermeidung von etwas Mißbilligtem und der Zahlung einer - meist empfindlich ins Gewicht fallenden - Geldsumme. Trotz punktueller Befreiungen findet sich kein individualisierender Maßstab, sieht man von Abfallart und Abfallmenge als Grundlage der Abgabenbemessung einmal ab.89 Dem einzelnen blieb es frei, ob und wie und in welchem Maß er eine entsprechende Mengenreduzierung bewerkstelligte90, doch konnte er dem geschaffenen wirtschaftlichen Zwang nicht ausweichen. Hierin erweist sich das gesetzgeberische Handlungsmittel als kompromißlos und verbindlich. Die Landesabfallabgaben waren ein finanzielles Druckmittel, dem sich der Abfallerzeuger durch eigene Entschließung zur Abfallvermeidung entziehen konnte. Für alle, denen dies technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumut81

BVerfGE 98, 83, 103 f. Ob man mit dem BVerfG die Zuordnung dieser Regelungen zum umweltrechtlichen Kooperationsprinzip vertritt (E 98,83, 100 - ablehnend H. D. Jarass, UPR 2001, 5,7; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 76f.) ist letztlich nicht entscheidend. Maßgeblich bleibt, was der Gesetzgeber in concreto an Zusammenwirken, Rücksichtnahme und Verantwortungsverteilung umgesetzt hat. Siehe auch D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 270. 83 Näheres ergibt sich aus den Gesetzen. Siehe § 2 Abs. 2 LAbfAG BW; § 1 Abs. 1 HSondAbfAbgG; § 1 Abs. 1 NAbfAbgG. Dem schleswig-holsteinschen Gesetz fehlt die Beschränkung auf Sonderabfälle: § 1 LAbfAG SH. 84 § 1 Abs. 1 LAbfAG BW; § 1 Abs. 1 HSondAbfAbgG; § 1 Abs. 1 NAbfAbgG; § 2 Abs. 1 LAbfAG SH. 85 § 1 Abs. 3 LAbfAG BW; § 2 Abs. 1 NAbfAbgG; § 2 Abs. 2 LAbfAG SH. 86 §2 Abs. 1 Nr. 1 NAbfAbgG. 87 Vgl. § 1 Satz 1 LAbfAG SH sowie LT-Dr. 10/4434, S.29 (Baden-Württemberg); LT-Dr. 13/80, S. 19 (Hessen); LT-Dr. 12/1930, S.26 (Niedersachsen). Dahinter steckt das generelle Ziel, entstehende Umweltkosten zum Verursacher zurückzuführen. S. dazu F. Kirchhof, in: Rengeling (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S.47, 48. 88 s. oben Fn. 39. 89 BVerfGE 98, 83, 104. 90 Diesen Aspekt betont einseitig H. Siekmann, EWiR 1998, 841, 842. 82

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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bar war, bestand die Abgabenpflicht - ohne Ausnahmemöglichkeit - unvermindert fort. 3. Die Widersprüchlichkeit der Konzeptionen Die Normgeber beider Regelungswerke bezweckten eine Abfallmengenverringerung bei industrieller Gütererzeugung. Der Bundesgesetz- und -Verordnungsgeber wollte dabei anders als der Landesgesetzgeber individuelle wirtschaftliche Belastungsgrenzen der Betroffenen nicht unberücksichtigt lassen.91 Jenseits dieser Belastungsgrenzen genügt ihm die gemeinwohlunschädliche Beseitigung, wogegen nach den Abfallabgabengesetzen - mit Ausnahme des niedersächsischen (§2 Abs. 1 Nr. 1 NAbfAbgG) - selbst die schadlose Verwertung keinen Steuerbefreiungsgrund ausmachte. In keiner Form enthielt die Abgabenregelung Anknüpfungspunkte für eine ökologisch-ökonomische Vor- und Nachteilsabwägung angesichts aller Umstände des konkreten Falls, an der dem Bundesnormgeber erkennbar lag. Es fand sich kein individualisierender Maßstab der konkreten Verhältnismäßigkeit, dem zufolge unter Umständen auch Beseitigung oder Verwertung anstelle einer strikten Vermeidung angemessen sein könnten. Deshalb ist es nur eine äußerliche Ähnlichkeit der gesetzgeberischen Handlungsinstrumentarien, wenn beide ein EntwederOder enthalten: hier in Gestalt einer Verknüpfung von Vermeidung bzw. Verwertung und Genehmigung; dort als Verkoppelung von Vermeidung und Abgabenbefreiung. In beiden Fällen kann der Betroffene zwar frei danach suchen, in welcher Weise er dem Gesetzeserfordernis gerecht wird, wie er also der Steuer entgeht beziehungsweise die begehrte Genehmigung erhält. Neben der Berücksichtigung individueller Umstände ist es jedoch vor allem das Moment der Verfahrenskooperation, das als Unterschied hervortritt. Es findet sich in den Abgabengesetzen nichts vom Anliegen der 9. BImSchV, das alle Belange bestmöglich berücksichtigende Resultat (im Sinne praktischer Konkordanz zwischen Umweltschutz und Grundrechten) durch ein Zusammenwirken von Behörde und Antragsteller zu finden. Auch hier wirken beide Normwerke unabgestimmt nebeneinander, was zudem die Gefahr einer gegenseitigen Beraubung ihrer Wirkung birgt 92 , wenn etwa ein Anpassungszeitraum durch die erdrückende Abgabe vereitelt oder der Investitionsspielraum verengt wird, vor allem in Fällen also der Unzumutbarkeit von Vermeidung und schadloser Verwertung. Der Erfolg des bundesgesetzgeberischen Plans, schwächere, nach seiner Auffassung ausreichende Formen des Umweltschutzes un91

C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 78. BVerfGE 98, 83, 104. Erwägenswert auch F. Kirchhof, in: Rengeling (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S.47, 59: „Sobald auf die Adressaten mehrere Lenkungsanreize ausgeübt werden, übersehen sie den Regelungsmechanismus nicht mehr oder erkennen, daß sich die Ziele konterkarieren; dann spielen sie die Abgaben gegeneinander aus oder reagieren überhaupt nicht mehr auf die Anreize. Wo eine einzelne Lenkungsabgabe isoliert durchaus geeignet sein kann, verhakt sich das Ensemble gegenseitiger Lenkungsziele und Mechanismen mehrerer Abgaben und wird in seiner Gesamtheit ungeeignet." 92

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

ter Umständen zum Vorteil wirtschaftlicher Belange ausreichen zu lassen, droht ebenso auszubleiben wie der Nutzen des erstrebten Zusammenspiels von Behörde und privatem Unternehmer im Verfahren.

I I I . BVerfGE 98, 265 (Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz) Neben den beiden dargestellten bezieht sich noch eine weitere Entscheidung des BVerfG 93 auf die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bei der Feststellung des Kompetenzumfangs von Bund und Ländern, wenngleich jener Gedanke die Argumentation zur Gesetzgebungszuständigkeit diesmal nur unterstützte, nicht trug. Im Widerspruch zueinander fand das Gericht hier mehrere Vorschriften des Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetzes vom 9. August 199694 und Teilaspekte der bundesgesetzlichen Regelungskonzeption zum Abtreibungsstrafrecht (§§ 218 ff. StGB; 5 Abs. 2 SchKG) 95 . Die Bundesnormen gründeten sich dabei im Schwerpunkt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. GG; nach Ansicht des BVerfG 96 sollten sie ergänzend auch von Art. 74 Abs. 1 Nrn. 7, 11, 12 und 19 GG getragen werden. Zugunsten des Landes bestand eine Zuständigkeit aus Art. 70 Abs. 1 GG zur Regelung des ärztlichen Berufsrechts. 1. Die bundesrechtliche Konzeption des Abtreibungsstrafrechts (deren maßgeblicher Teil) BVerfGE 88, 203 hatte das seit 1992 neu geregelte Abtreibungsrecht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. 97 Dem Gesetzgeber war dessen Umgestaltung somit aufgegeben 98, gleichwohl besaß er einen eigenen Entscheidungsspielraum, da das Urteil nur Mindestanforderungen an den gesetzlichen Schutz Ungeborener enthielt und nicht in allen vom Gericht angerissenen Einzelheiten Verbindlichkeit beanspruchte.99 Der Straftatbestand des Schwangerschaftsabbruchs (§218 StGB) ist 93 Besprochen von R. Beckmann, MedR 1999,138; B. Büchner, NJW 1999,833; M. Demel, JA 1999, 754; W. Rüfner, ZG 1999, 366; J. Suerbaum, NJW 2000, 849. 94 BayGVBl S.328. 95 Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG) vom 21. August 1995, BGBl I S. 1050: Art. 1 - Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG); Art. 8 - Änderung des Strafgesetzbuches. 96 E98, 265,301. 97 Zum Weg des Abtreibungsstrafrechts seit 1974 zusammenfassend BVerfGE 98, 265, 268ff.; ferner A. Laufs, NJW 1995, 3042; S. Raasch, KJ 1997, 310ff.; G.H. Schlund, ArztR 1997, 235; H. Tröndle, NJW 1995, 3009. 98 Zu diesen Neuregelungen (z.T. sehr kritisch) T. Helmke, ZRP 1995,441; W. Kluth, MedR 1996, 546; A.Laufs, NJW 1995, 3042; H. Otto, Jura 1996, 135; S. Raasch, KJ 1997, 310, 313f.; G.H. Schlund, ArztR 1997, 235; H. Tröndle, NJW 1995, 3009. 99 BVerfGE 98,265,320f. und 326f.; W. Rüfner, ZG 1999,366,374; D. Seckler, NJW 1996, 3049, 3052.

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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gemäß § 218 a Abs. 1 StGB nicht verwirklicht, wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen verstrichen sind, ein Arzt den Abbruch vornimmt und die Schwangere ihn verlangt. Durch eine Bescheinigung (nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB) hat sie dem Arzt dabei eine Beratung nachzuweisen, die spätestens drei Tage vor dem Eingriff stattgefunden hat. § 219 Abs. 1 StGB regelt zusammen mit § 5 Abs. 2 SchKG die Anforderungen an diese Beratung. Sie dient dem Schutz des ungeborenen Kindes, indem sie die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigen soll (§219 Abs. 1 Sätze 1, 2 StGB), hat aber ergebnisoffen zu geschehen. Daß die beratene Frau ihren Beweggrund mitteilt, wird erwartet, zählt aber nicht zu den Voraussetzungen für die Ausstellung eines Beratungsscheins (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 SchKG). Von der ärztlichen Einrichtung fordert § 13 Abs. 1 SchKG, daß sie die notwendige Nachbehandlung gewährleistet. Die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an derartigen Einrichtungen verantworten gemäß § 13 Abs. 2 SchKG die Länder. § 218 c Abs. 1 StGB regelt die Strafbarkeit des mitwirkenden Mediziners, der gemäß § 218 c Abs. 1 Nr. 1 StGB unter anderem dann strafbar handelt, wenn er tätig wird, ohne der Schwangeren zur Offenlegung ihrer Beweggründe Gelegenheit gegeben zu haben. Das vom Bundesgesetzgeber bevorzugte und ins Werk gesetzte Regelungsmuster firmiert in der bisherigen politischen Kontroverse unter dem Begriff „Beratungslösung" und ist damit vom strengeren Indikationsmodell ebenso abzuheben wie von reinen Fristenlösungen 100, deren schwächerer Schutz dem Grundgesetz nicht gerecht wird. 101 Ziel dieser Regelungen ist es, ungeborenes Leben wirksam zu schützen 102 (vgl. § 219 Abs. 1 Satz 1 StGB), wie es das BVerfG 103 dem Gesetzgeber aufgetragen hatte. Erreicht werden sollte dieses durch geeignete, abgestimmte rechtliche Rahmenbedingungen104, die trotz des ausschnittsweisen Strafverzichts dazu führen, daß sich die Schwangere zur Fortsetzung ihrer Schwangerschaft entschließt. Zwar bleibt ihr die letzte Entscheidung über den Schritt zum Abbruch 105 ; die Verantwortung dafür, Perspektiven für eine Mutterschaft zu finden, wird indes geteilt: alle Erwägungen, die zu einer Lösung zugunsten des Lebensrechts des ungeborenen Kindes führen, sind von Berater und Beratener gemeinsam anzustellen.106 Sie sollen Grundlage für die Entscheidung der Schwangeren sein. Für den Erfolg dieses gemeinsamen Bemühens im Beratungsgespräch kommt es nach Vorstellung des Gesetzgebers auf dessen offene und vertrauensvolle Atmosphäre an, die seltener zu100

BVerfGE 98,265,302 und 323. H. Otto (Jura 1996,135,138) spricht von einer „Fristenlösung mit Beratungspflicht". Kritisch H. Tröndle, NJW 1995, 3009, 3010. Zu den verschiedenen Lösungen siehe auch BVerfGE 88, 203, 264ff.; A. Eser, JZ 1994, 503, 507. 101 BVerfGE 39, 1, 43; 88, 203, 254. 102 H. Otto, Jura 1996, 135, 140. 103 E 88, 203. 104 BVerfGE 88, 203, 270; 98, 265, 303; zweifelnd A. Laufs, NJW 1995, 3042. 105 BVerfGE 88, 203, 270; H. Tröndle, NJW 1995, 3009, 3014 und 3019. 106 Ausführlich zur psychischen Situation der Schwangeren BVerfGE 88, 203, 266f.; 98, 265, 323. Vgl. auch A. Eser, JZ 1994, 503, 508.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

Stande käme, wenn ein Gesetz die Frau von vornherein zur Offenlegung ihres Motivs zwingt. 107 Aufgabe des Gesprächs mit dem Arzt vor dem Eingriff ist nach diesem Modell nicht die Beratung, da sie stattgefunden hat und die Schwangere auf ihrer Basis entscheiden konnte. Es ist weder ärztliche Pflicht noch Aufgabe, erneut mit der Schwangeren die Entscheidung zu besprechen, vielmehr gibt §218c Abs. 1 Nr. 2 StGB Aufschluß darüber, was ihm beim Gespräch vor dem Eingriff obliegt: seine Aufgabe ist es, die medizinischen Umstände und Risiken zu erläutern und auf psychische und physische Folgen des Abbruchs aufmerksam zu machen. Anders als beim Beratungsgespräch handelt es sich um kein ergebnisoffenes gemeinsames Suchen nach einer Lösung für die Schwangere, die ihr die Fortsetzung der Schwangerschaft ermöglicht. Ein Arzt, der darauf hinwirkt, tut dies aus freien Stücken; mit dem Beratungsschein besitzt die Schwangere das erforderliche Dokument, welches ihr den straffreien Abbruch ermöglicht. Ein Anspruch darauf, daß ein bestimmter Arzt ihn vornimmt, besteht ohnehin nicht. Deshalb ist nicht auszumachen, daß auch für das Gespräch mit dem Arzt gilt, was die Regelung der §§219 Abs. 1 StGB, 5 Abs. 2 SchKG für das Beratungsgespräch anordnet und bezweckt.108

2. Konzeptionierung durch Verzicht Bedacht, aber verworfen hat der Gesetzgeber die vom BVerfG 109 angeregte Strafbarkeit eines Arztes, der einer Mutter in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft das Geschlecht ihres Kindes mitteilt. Ebenso schuf er bewußt keine Bestimmung, wonach der Arzt nur einen festgelegten Anteil seiner Einnahmen durch die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen erwirtschaften darf. 110 Statt dessen begrenzte er die Gebührenhöhe und schloß Honorarvereinbarungen aus (§§2 Abs. 1 Satz 2; 5 a GOÄ). Geht man mit dem BVerfG davon aus, daß der Bundesgesetzgeber zum Erlaß der verworfenen Bestimmungen kraft Sachzusammenhangs mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG befugt gewesen wäre 111 , so wirft sich die Frage auf, inwieweit auch die bewußte Nichtregelung Bestandteil der Konzeption zur Regelung eines Sachgebietes zu sein vermag, inwieweit demzufolge der spätere Normerlaß eines fremden Hoheitsträgers auch hierzu in einen inhaltlichen Widerspruch geraten kann. Bereits in den abfallrechtlichen Fällen hatte der Bund jene Lenkungssteuern selbst in Betracht gezogen, die der Landesgesetzgeber beziehungsweise die Gemeinde schließlich erhob. Wie dort entschied er sich auch hier beim Abtreibungsstrafrecht bewußt gegen eine Umsetzung der beiden ursprünglich erwogenen Regelungen. Einfach zu 107

BVerfGE 98,203,282 f.; zur Beeinträchtigungsanfälligkeit auch BVerfGE 98,265; 304 f. Sondervotum der Richter Papier, Graßhof, Haas, in: BVerfGE 98, 329, 341. 109 E 88, 203, 293. 110 Siehe BVerfGE 88, 203, 295. 111 BVerfGE 98, 265, 313 f.; a. A. Sondervotum der Richter Papier, Graßhof, Haas, in: BVerfGE 98, 329, 346 ff. 108

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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lösen ist dies, wo sich der Gesetzgeber von einer bestimmten Normierung abwendet, weil er sich für unzuständig hält. Hier wollte er nichts konzeptionieren, sondern gerade von jeder Gestaltung absehen.112 In den Fällen eines inhaltlich motivierten Schweigens bedarf es der Besinnung auf jenes Ziel, welches mit jeder näheren Beleuchtung einer Konzeption erstrebt wird. Von Interesse ist eine Gesetzeskonzeption angesichts möglicher Widersprüchlichkeiten aus rechtsstaatlicher und bundesstaatlicher, vor allem kompetenzrechtlicher Sicht. Dies zugrundegelegt, geht es nicht um die Deskription eines kaum greifbaren Phänomens, sondern um die Ausmachung seiner Wesenszüge, soweit sie für die verfassungsrechtliche Arbeit bedeutsam sind. Nur unter diesem Blick ist deshalb zu fragen, inwieweit Nichtregelungen Beachtung finden. Diese Verdeutlichung führt zugleich zur Lösung. Im Kern muß es darauf ankommen, das gezielte Nichtregeln in einer bestimmten Art vom Unbehandeltlassen eines Aspekts zu scheiden. Zu suchen ist deshalb ein äußeres Abgrenzungskennzeichen innerhalb des in Geltung gesetzten Normwerks, das mit Hilfe folgender Erwägung gefunden werden kann: Hat sich der Normgeber einer Detailfrage in der Weise angenommen, daß er auf die Aufnahme dieser oder jener Regelung verzichtet, um denselben Teilaspekt in anderer Weise zu gestalten, in irgendeiner Art durch Normen positiv zu prägen, so liegt eine Konzeptionierung vor, deren negativer Bestandteil in bestimmter Weise auch die nichtgesetzte Norm ist, insofern ihr Fehlen seine Ursache in der Existenz einer anderen Bestimmung hat, die ihre Funktion im Hinblick auf das Gesamtziel der Regelungen einnimmt. An der geschaffenen, nicht an der weggelassenen Norm ist dann primär die Vereinbarkeit des fremden Normkonzepts zu messen, doch kann das Fallenlassen einer bestimmten Norm hochrangiges Indiz für Widersprüchlichkeit sein, wenn die gleiche Bestimmung nunmehr durch den fremden Normgeber hinzugesetzt werden soll. Wird eine Norm dagegen fallengelassen, ohne daß zur Geltung gelangte Bestimmungen die offengebliebene Stelle in irgendeiner Weise ausfüllen, handelt es sich also um ein - möglicherweise bewußtes - Schweigen des Gesetzgebers zu einem Teilaspekt, so kann dem für alle hier untersuchten Fragen nach der verfassungsrechtlichen Bedeutung gesetzgeberischer Konzeptionierungen keine Beachtung zu schenken sein. Sollte sich ein Normgeber finden, der zu ihrem Erlaß die Zuständigkeit besitzt (möglicherweise auf dem Gebiet der konkurrierenden Kompetenz), so stünde seinem entsprechenden Tätigwerden nichts entgegen (sofern der Bereich nicht ohnehin abschließend durchnormiert ist). Eine Abgrenzung der Behandlung einer Frage durch Nichtsetzung bestimmter Vorschriften von ihrem Unbehandeltlassen ist in diesem Fall unvorstellbar; das genau müßte andernfalls aber geleistet werden. Der Bundesgesetzgeber des Abtreibungsstrafrechts erwog und verwarf eine Begrenzung des Gebührenanteils 113; um der Gefahr entgegenzuwirken, daß Ärzte aus 112

Dies nehmen Papier; Graßhof und Haas in ihrem Sondervotum zu BVerfGE98, 265 (ebd. S. 329, 335) für die Frage der Einnahmenquotierung an. 113 Ob diese Nichtregelung kompetenzrechtlich sperrende Wirkungen entfaltet und ob er zu ihrem Erlaß überhaupt befugt gewesen wäre (vgl. zu beidem die Kritik im Sondervotum der

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Gewinnsucht bei einem Rest an Ungewißheit seitens der Frau nicht auf ein Austragen der Schwangerschaft hinwirken könnten, schuf er Regeln über die Gebührenhöhe und schloß Honorarvereinbarungen aus. Das Absehen von der Anteilsbegrenzung gehört folglich insofern zur Konzeptionierung des Abtreibungsstrafrechts, als vom Gesetzgeber bewußt ein anderes, ihm geeigneter erscheinendes Herangehen bevorzugt wurde. 114 Dagegen steht das Verbot einer Angabe des Geschlechts in keinem Zusammenhang mit anderen Normen des Bundesabtreibungsstrafrechts, das mit dieser Bestimmung ebenso wie ohne sie vorstellbar ist. Der Gesetzgeber hat diesen Gesichtspunkt ungeregelt gelassen. Diese Nichtregelung ist somit nicht Bestandteil der inhaltlichen Konzeption des geltenden Abtreibungsstrafrechts. 3. Die Regelungen des BaySchwHEG115 § 5 Abs. 2 BaySchwHEG bestimmte, daß der Gebührenanteil von Schwangerschaftsabbrüchen an den Gesamteinnahmen einer ärztlichen Einrichtung nicht mehr als ein Viertel betragen durfte. Art. 11 Nr. 1 a BaySchwHEG änderte eine Bestimmung des Bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes dergestalt, daß Ärzte die Mitwirkung an einer Abtreibung unterlassen müssen, wenn sie diese für nicht verantwortbar halten, insbesondere wenn die Frau ihre Beweggründe ihnen gegenüber verschweigt. Ziel der Regelungen (die in weitere, in diesem Zusammenhang nicht bedeutsame116, eingebettet sind) war eine Verstärkung des Lebensschutzes Ungeborener, da der Bundesgesetzgeber den Auftrag des BVerfG, ein wirksames Lebensschutzkonzept umzusetzen, unzureichend erfüllt habe.117 Ihr Regelungsmuster ist damit auf das vom Bund gewählte Modell zugeschnitten. Die Nichtzulassung von Spezialeinrichtungen sollte es verhindern, daß sich einzelne Krankenhäuser oder Arztpraxen in solchem Maß auf Abtreibungen spezialisieren, daß sie auf diese Art von Operationen wirtschaftlich angewiesen und demzufolge an ihrer hohen Zahl interessiert sind. Das Verbot, ohne Angabe eines Motivs Richter Papier, Graßhof, Haas, in: BVerfGE 98, 329, 332 ff. bzw. 352), spielt hier erst einmal keine Rolle. Die Fragen lauten: Was hat der Gesetzgeber bewußt ins Werk gesetzt? Was hat er aus welchem Grund verworfen? 114 BVerfGE 98, 265, 316f.; D. Seckler, NJW 1996, 3049, 3051 f.; a. A. Sondervotum der Richter Papier, Graßhof, Haas, in: BVerfGE 98, 329, 332 ff. unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte, die ein Unberührtlassen als Konsequenz einer vom Bundestag sich selbst bescheinigten Unzuständigkeit annehmen. Vgl. auch M. Demel, JA 1999, 754, 757. 1,5 Zu diesem B. Daiber, ZRP 1997, 464; M. Frommel, KJ 1996, 362; D. Oberlies, ZRP 1997,149; S. Paasch, KJ 1997, 310, 314ff.; G.H. Schlund, ArztR 1997, 235, 240; D. Seckler, NJW 1996, 3049. 116 Wobei es durchaus der Mühe wert wäre, der konzeptionellen Vereinbarkeit etwa des Bayerischen Schwangerenberatungsgesetzes vom 9. August 1996 (BayGVBl S.320) mit den ihm gegenüberliegenden bundesrechtlichen Regeln nachzugehen (hierzu D. Seckler, NJW 1996,3049 f.; D. Oberlies, ZRP 1997,149,151). Doch hierüber hatte das BVerfG nicht zu entscheiden. 117 Nachweise bei BVerfGE 98, 265, 283.

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durch die Schwangere den Eingriff vorzunehmen, sollte sicherstellen, daß der Arzt jeden Abbruch nach all seinen Umständen beurteilen kann und vor seinem Gewissen rechtfertigen muß. Er soll für sich entscheiden müssen, ob er ihn für vertretbar hält. 118 Diese Detailvorschriften waren dazu bestimmt, außerhalb der vom Bund geregelten Beratung die Intention des Schutzprogramms zu sichern. Hierfür wurde das ärztliche Berufsrecht ergänzt, das Ensemble der Schutzansätze (Beratungspflicht, Zwölfwochenfrist) also um ein Element erweitert, das nach dem Stadium von Beratung und Entscheidung, erst unmittelbar vor dem Eingriff selbst, hinzutritt. 119 Da auch der Arzt, unter Umständen entscheidender noch als der Berater, den die Schwangere möglicherweise als aufgezwungen empfindet, als Vertrauensperson vor einem Eingriff Einfluß nehmen kann, wurde auch hier ein möglicher Ansatzpunkt für eine Effektivierung des Lebensschutzes gesehen. Kann im Gespräch der Schwangeren mit dem Arzt auch kein zweites Beratungsgespräch erblickt werden, so sollten die Regelungen doch sicherstellen, daß jener nicht aus Gewinnsucht oder wirtschaftlicher Angewiesenheit auf Abbrüche hinwirkt und diese in Unkenntnis entscheidender Umstände vornehmen kann. 4. Die Widersprüchlichkeit der Konzeptionen Beide Normgeber verfolgten hier das gleiche Ziel und verwirklichten dem Grunde nach das gleiche Modell; die Landesbestimmungen sollten Ergänzungen und Verstärkungen des bundesgesetzlichen Schutzkonzepts sein. Mit der Anteilsbegrenzung griff der Landesgesetzgeber ein Instrument auf, gegen dessen Einsatz sich der Bundesgesetzgeber entschieden hatte, der zur Lösung dieses Aspekts mit der Gebührenobergrenze und dem Honorarvereinbarungsausschluß auf zwei andere Maßnahmen setzte. Dem faktischen Verbot abbruchsspezialisierter Einrichtungen hatte er die Herabsetzung der wirtschaftlichen Attraktivität solcher Eingriffe gezielt vorgezogen. Ein faktisches Verbot spezialisierter Einrichtungen birgt nach teilweise vertretener Sicht 120 zudem die Gefahr, daß ein vom SchKG vorausgesetztes ausreichendes Angebot an stationären und ambulanten Einrichtungen, die zur Vornahme von Abbrüchen bereit und imstande sind, nicht gewährleistet werden kann (vgl. § 13 Abs. 2 SchKG). Wenn dem so ist, würde das Landesgesetz in seiner Wirkung eine wichtige Voraussetzung des Bundesgesetzes untergraben. Im Hinblick auf die Offenlegungspflicht erscheinen die Verhältnisse zunächst verwandt: in der Ausgestaltung der Beratung gezielt nicht enthalten, wird sie nun faktisch begründet durch das Verbot gegenüber dem Arzt, den Eingriff durchzuführen, wenn die Schwangere keine Beweggründe nennt. Doch ergibt sich aus der unterschiedlichen Funktion von Beratung und Arztkonsultation vor einem Abbruch, 118

Vgl. auch das Sondervotum der Richter Papier, Graßhof und Haas, in: BVerfGE 98,329,

340. 119 120

Vgl. auch S. Paasch, KJ 1997, 310, 315. M.Frommel, KJ 1996, 362, 363; S. Raasch, KJ 1997, 310, 319.

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daß die Maßstäbe einer Beratung - Vertrauen, Ergebnisoffenheit - nur für diese gelten. Das Bundesrecht stellt außer in §218 c Abs. 1 StGB keine Forderungen an ein entsprechendes ärztliches Verhalten. 121 Von der Frage eines abschließenden Charakters der Regelungskonzeption zunächst abgesehen 122 , läßt sich keine Unvereinbarkeit der faktischen Offenlegungspflicht zu dem von § 218 c Abs. 1 StGB geforderten Mindestinhalt des Gesprächs ausmachen. Allein i m Hinausgehen über eine bestehende Regelung ist hier kein Widerspruch zu erkennen. 123

IV. BVerfGE 97, 332 (Einkommensgestaffelte Kindergartengebühren) 124 Vor dem Hintergrund dieser Urteile fragt sich, ob es nicht bereits in früheren Entscheidungen um Konstellationen ging, bei dem sich innerhalb des Bundesstaatsgefüges zwei divergierende gesetzgeberische Konzeptionen gegenüberstanden, ohne daß diesem Umstand vom Gericht in irgendeiner Form entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen wurde. Aufhorchen läßt hier eine Passage innerhalb des Vorbringens der Beschwerdeführer i m Streit um einkommensgestaffelte Kindergartengebühren: die Gebührenstaffelung nach dem Familieneinkommen, so wurde be121 Im Gesetz findet sich kein Hinweis darauf, daß für Beratungen und Arztkonsultationen hinsichtlich der Offenlegungspflicht Gleiches gelten sollte (so aber BVerfGE 98, 265, 326; s. demgegenüber das Sondervotum der Richter Papier, Graßhof, Haas, in: BVerfGE 98, 329, 339ff.). Die gesonderte Erwähnung der Beratung in §§219 StGB und 5-11 SchKG spricht ebenso für das Gegenteil wie das Fehlen jedes Hinweises auf eine entsprechende Heranziehung. §§ 12-14 SchKG, die Regeln über die Vornahme des Abbruchs, entbehren bereits ihrer Formulierung nach, aber auch im Gesamtzusammenhang, einer Anordnung, die zumindest in eine entsprechende Richtung weist. Wenn das BVerfG (a. a. O.) seine Aufmerksamkeit auf die Entstehungsgeschichte richtet, orientiert es sich zu stark am Willen einzelner im Gesetzgebungsverfahren (vgl. Sondervotum a. a. O., S. 339) und zu wenig an dem, was durch Normauslegung dem gesetzten Recht entnehmbar ist. Der Bundesgesetzgeber hat das Verhalten des Arztes unterhalb der Strafbarkeitsschwelle danach nicht geregelt. Hierfür fehlte ihm bereits die Befugnis. 122 Die zudem zweifelhaft erscheint, wenn der Gesetzgeber durch „absichtsvollen Regelungsverzicht" (BVerfGE 98, 265, 300) Sperrwirkungen in einem Bereich entfaltet haben soll, für den er allenfalls eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs besitzt, vgl. BVerfG a. a. O., S. 326. Kritisch dazu das Sondervotum der Richter Papier, Graßhof Haas, in: BVerfGE 98, 329, 352. 123 BVerfGE 98,265,324 argumentiert, daß einer Schwangeren sich kaum erschließen werde, „daß der Arzt die Gründe nicht überprüfen und bewerten wird". Ihr wird aber in aller Regel klar sein, daß sie mit dem Besitz eines Beratungsscheins die Abtreibung durchführen lassen kann - gegebenenfalls bei einem anderen Arzt. Ohnehin hat sie keinen Anspruch gegenüber einem bestimmten Arzt (vgl. § 12 Abs. 1 SchKG); im Fall ihres Schweigens stünde es ihm ebenso wie bei jeder freiwilligen Aufzeigung des Motivs frei, eine entsprechende Behandlung abzulehnen. Der Arzt wird durch ein faktisches Offenlegungsgebot nicht mehr und nicht minder „zum Richter". 124 Anmerkungen hierzu verfaßten M. Sachs!K. Windthorst, JuS 1999, 857 sowie R. Wiesner, ZfJ 2000, 24.

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hauptet, sei willkürlich und verletze, weil nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, Art. 3 Abs. 1 GG. Dann heißt es: „Insbesondere könne auch nicht auf das Sozialstaatsprinzip verwiesen werden, da dessen Konkretisierung im Rahmen der Einkommenssteuer ausschließlich dem Bund obliegt. Anderenfalls würden sozialstaatliche Entlastungen auf Bundesebene - wie etwa finanzielle Zuweisungen nach dem Kindergeldgesetz - auf gemeindlicher Ebene relativiert. Das verbiete sich, weil Besteuerung und Entlastung aufeinander abgestimmt seien".125 Deshalb könnte auch in diesem Streit eines der zentralen Probleme darin erblickt werden, daß eine kommunale Kindergartengebührensatzung126 durch eine Gebührenstaffelung nach dem Familieneinkommen gesetzgeberische Pläne des Bundessteuergesetzgebers vereitelt, der eine ausbalancierte Gewichtung einkommensbezogener Be- und Entlastungen (wie beispielsweise im Rahmen der Einkommenssteuer, des Kindergelds oder sonstiger steuerlicher Familienvergünstigungen) schuf. Die Besonderheit besteht hier in § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII 1 2 7 : der Bundesgesetzgeber selbst ermächtigt danach die Länder zur Einführung einkommensgestaffelter Gebühren für die Kindergarteninanspruchnahme. Mit diesem Gesichtspunkt ist eine Abgrenzungsfrage zu einem Fragenkomplex aufgeworfen, dessen Verwandtschaft mit dem hier untersuchten Problemfeld nun zum ersten Mal deutlicher zutage tritt. BVerfGE 97, 332 berührt die Problematik der Systeminkonsequenz ein und desselben Normgebers. 128 Bundesnormen und Landesnormen können sich dann nicht im Widerspruch befinden, wenn die zuletzt genannten umsetzen, wozu die ersten sie ermächtigten. Wenn dabei einzelne Ausschnitte, auch Hauptbestandteile des Bundesgesetzes mit den landesrechtlichen Bestimmungen in ihren Wertungen und angesichts ihrer Regelungsmechanismen nicht überein gebracht werden können, so darf dabei nicht aus dem Blick geraten, daß jedes Normwerk und zuletzt jede Rechtsordnung als ein Ganzes wahrgenommen werden muß, weil nur ein Blick auf alle Vorschriften einer Normordnung zuverlässig offenbart, was nach ihr gelten soll, welche Ziele verfolgt und welche Mittel dafür bevorzugt werden. Daher verbietet es sich, einen Normkomplex als Inbegriff und als eine Integrationsleistung gegensätzlicher Gesichtspunkte, die von Gegensätzlichkeiten der Realität herrühren, in seinem Facettenreichtum zu verkürzen und isoliert einzelne seiner Züge oder auch nur deren Gros als Anknüpfungspunkte für Unverträglichkeiten herauszustreichen. Der Widerspruch - falls er besteht - läge deshalb in der bundesgesetzgeberischen Betätigung, wenn der Gesetzgeber ein ausbalanciertes Einkommensbe- und -entlastungssystem kreiert und zugleich dessen Störung ermöglicht durch eine Ermächtigung an den Landesgesetzgeber, die sich hierein nicht fügt. 125

BVerfGE 97, 332, 338. Kindergartengebührensatzung der Stadt Idstein vom 11. März 1994; soweit von Interesse, abgedruckt in BVerfGE 97, 332, 333 f. Die Ermächtigung zum Erlaß dieser Satzung findet sich in § 10 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 HessKAG i. V. m. § 10 HessKiGaG. 127 1. d. F. der Bekanntmachung vom 3. Mai 1993, BGBl I S. 637. 128 Dazu 3. Kapitel, I. 126

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V. Fälle aus der Verwaltungsrechtsprechung 1. Die Entscheidungen zur Spielautomatensteuer Seit dem Bekanntwerden der oben besprochenen Entscheidungen bedienten sich wiederholt auch Oberverwaltungsgerichte bei ihrer Überprüfung untergesetzlichen Landesrechts - gemäß § 47 VwGO oder inzident in anderen Verfahren - der verfassungsgerichtlichen Begründung von der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. In zwei Urteilen, die vor dem BVerwG keinen Bestand hatten129, verwarf das OVG Lüneburg 130 Teile einer kommunalen Vergnügungssteuersatzung, die das Betreiben von Gewaltspielautomaten in Spielhallen erhöht besteuerten. Ein entgegenstehendes Konzept erkannte das Gericht in einer weiten Reihe bundesrechtlicher Vorschriften, die für den Spielautomatenbetrieb in verschiedener Hinsicht Bedeutung besitzen, angefangen von den sanktionsrechtlichen Bestimmungen der §§131 StGB und 118 OWiG über die Jugendschutznormen der §§ 6 i. V. m. 1 Abs. 3; 21 GjS und 8 JÖSchG bis zu den §§ 33 c ff. GewO, Vorschriften also des Gesetzgebungsgegenstandes Gewerberecht. 131 Ihnen gemeinsam sei entnehmbar, daß nach dem Willen des Gesetzgebers Gewaltspielautomatenbetrieb grundsätzlich bis zur strafrechtlichen Grenze erlaubt sein soll. 132 Demnach treten einander hier kommunale Steuernormen, die sich, bei entsprechender Delegation133, auf Art. 105 Abs. 2 a GG stützen können 134 , und Strafbestimmungen beziehungsweise Sachregelungen auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nrn. 1, 7 sowie 11 GG 1 3 5 gegenüber. Die kommunale Abgabe sollte als ein für sich stehendes Mittel die Verdrängung derartiger Geräte aus den Spielhallen bewirken 136, um nachteilige Einflüsse derartiger Gewaltsimulationen auf das Verhalten und die Entwicklung der Konsumenten zu verringern. Der erhobene Steuersatz entfaltete dabei zwar eine eindämmende, doch keine verbotsgleiche Wirkung. 137 Ein gezieltes Inbeziehungsetzen dieser Maßnahme zu anderen gesetzgeberischen Instrumenten - jenen genannten des Bundes beispielsweise - läßt sich nicht ausmachen. Sich die Palette der einzelnen Regelungsinstrumente des Bundes - hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Ziele - zu vergegenwärtigen, kann in diesem Fall erhel129

Urteile des BVerwG vom 22.12.1999 - 11C 9/99 (= E110, 248) und 11C 10/99. Urteil vom 30.11.1998 - 13 L 7153/95 (= DVB1. 1999, 406) sowie das Urteil 13 L 6854/94 (=NdsVBl. 1999, 187) vom gleichen Tag. 131 OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187,188; OVG Lüneburg DVB1. 1999, 406,407. 132 OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187, 188; OVG Lüneburg DVB1. 1999,406,407. 133 Gemäß §3 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. NKAG. 134 Vom Begriff der „örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern" in Art. 105 Abs. 2 a GG werden Vergnügungssteuern umfaßt: BVerfGE 40,52,55; 40,56,64; 42,38,41; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn.55 zu Art. 105. 135 OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187; OVG Lüneburg DVB1. 1999, 406. 136 OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187; OVG Lüneburg DVB1. 1999, 406. 137 BVerwGE 110, 248, 251. 130

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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len, ob ein Minimalmaß an innerer Konzertierung mitspielen muß, wenn man Konzeptionen erwähnt und die Unvereinbarkeit mehrerer von ihnen feststellen will. Ein Blick auf jenes Bündel von Rechtssätzen, welches das OVG Lüneburg als „Konzeption" seiner Entscheidung zugrunde legte, verdeutlicht ein weiteres, bisher nicht angesprochenes Problem: welche inhaltlichen Vorstellungen knüpfen sich daran, wenn das BVerfG, ein Fachgericht oder eine Stellungnahme im Schrifttum von einer „Konzeption" spricht? Was wird der Widerspruchsprüfung demnach zugrunde gelegt? An den Stellungnahmen des OVG Lüneburg und des BVerwG zeigt sich, wie die Ideen vom Inhalt des Begriffs, und mehr noch als das die Ideen darüber, was nicht in einen Widerspruch geraten darf, auseinanderklaffen. § 131 StGB schützt unsere Gesellschaft vor sozialschädlicher Aggression, damit deren inneren Frieden. 138 Dieses Gesetz soll durch Kriminalisierung ihrer verwerflichsten Formen der Darstellung von Gewalttätigkeiten, welche zur Aggression stimulieren, entgegenwirken, und damit auch labile Konsumenten vor Fehlentwicklungen ihrer Persönlichkeit bewahren. 139 § 118 OWiG soll den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung gegen Handlungen sichern, die deren Beeinträchtigung befürchten lassen.140 Unter den weitgreifenden Tatbestand kann auch die Bereitstellung von „Spielen" fallen, wenn sie die Mindesterwartungen an ein sittliches Zusammenleben in hohem Maß gefährden. 141 Somit wird eine zusätzliche sanktionsbewehrte Grenze gezogen. Ziel der genannten Vorschriften des GjS ist es, Kinder und Jugendliche unter anderem auch von solchen Gewaltsimulationen fernzuhalten 142, die imstande sind, Persönlichkeitsfehlentwicklungen bei leicht beeinflußbaren, in ihrer Entwicklung teils noch ungefestigten Personen hervorzurufen. 143 Dafür sorgen gemäß §§ 3 bis 5 GjS Abgabe-, Vertriebs- und Werbebeschränkungen. §§ 33 c bis 33 i GewO dienen dazu, die Vermeidung glücksspieltypischer Gefahren für dessen Teilnehmer mit den zulässigen Gewinnerzielungsabsichten des redlichen Spielhallenbetreibers in einen Einklang zu bringen. 144 138 T.Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, 49. Auflage, Rn.3 zu § 131 \K. Kühl, in: Lackner/ Kühl, StGB, 23. Auflage, Rn. 1 zu § 131; T. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Auflage, Rn. 1 zu § 131; H.-J. Rudolphi, in: Rudolphi/Hom/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Rn.2 zu § 131. 139 K.Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 23. Auflage, Rn. 1 zu § 131; H.-J. Rudolphi, in: Rudolphi/Horn/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Rn.2 zu § 131. Kritisch zu diesem Schutz des einzelnen T. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Auflage, Rn. 1 zu §131. 140 E. Göhler, OWiG, 11. Auflage, Rn. 1 zu § 118; S. Herrmann, in: Rebmann/Roth/Herrmann (Hrsg.), OWiG, Rn. 2 zu § 118. 141 OVG Lüneburg NdsVBl. 1999,187,188; OVG Lüneburg DVB1.1999,406,408; E. Göhler, OWiG, 11. Auflage, Rn.4 zu § 118; S. Herrmann, in: Rebmann/Roth/Herrmann (Hrsg.), OWiG, Rn.5 zu § 118. 142 A.Deisenhofer/U. Deisenhofer, Einführung zu: Jugendrecht, dtv-Textausgabe, 17. Auflage, S. XXIII. 143 Vgl. OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187, 188; OVG Lüneburg DVB1. 1999, 406, 408. 144 D. Hahn, in: Friauf (Hrsg.), GewO, Rn. 3 vor § 33 c.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

Sie gehen deshalb ordnungsrechtlich vor und statuieren umfassende Genehmigungspflichten. § 8 JÖSchG zielt in eine ähnliche Richtung 145 , allerdings unter dem speziellen Gesichtspunkt des Schutzes Jugendlicher, bei denen die genannten Risiken oft in einem Maß gesteigert sind, daß ein ausnahmsloses Verbot 146 des Spielhallenzutritts gerechtfertigt ist. § 8 Abs. 5 JÖSchG stellt hierbei die Beziehung her zum Problem der dargestellten Gewalt. Ein ihnen allen gemeinsamer Zweck ist hinsichtlich dieser Gesamtzahl von Vorschriften nicht auffindbar, will man ihn nicht in einer solchen Allgemeinheit definieren, daß er für jede Normbetrachtung wertlos wird. Legt man indes die gewerberechtlichen Vorschriften beiseite, so läßt sich als eines der Probleme, zu dessen Bewältigung die Regelungen dienen, die Gefährdung der einzelnen Persönlichkeit und der Gesellschaft als Ganzes durch die Verführungskraft dargestellter Gewalttätigkeiten herausfinden. Die Lösungswege haben verschiedene Ansatzpunkte und verlaufen zusammenhanglos; die Normwerke beziehen sich in ihren Instrumenten nicht aufeinander. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz nimmt das BVerwG deshalb an, daß in der Hinzufügung eines weiteren Steuerungsmittels keine Widersprüchlichkeit gesehen werden könne. Zu Recht heißt es in der Revisionsentscheidung, es fehle jeder Hinweis, daß der Gesetzgeber unterhalb der sanktionsrechtlichen Schwelle der §§ 131 StGB, 118 OWiG einen Freiraum habe schaffen wollen, „in dem sich das Marktgeschehen unbehelligt von staatlichen Lenkungsmaßnahmen entwickeln darf". 147 Zu knapp und mit falscher Selbstverständlichkeit hatte das OVG Lüneburg in seinen Urteilen alle Zweifel übergangen, ob tatsächlich jede Normenmenge, die auf einen einzelnen Sachverhaltsausschnitt in irgendeiner Hinsicht anzuwenden ist, zugleich als die gesetzgeberische „Konzeption" seiner Behandlung angesehen werden muß, deren Vereinbarkeit mit einer anderen es dann im Sinn des BVerfG zu ergründen gilt, oder ob von einer solchen stets nur hinsichtlich eines umgrenzten Rechtsgebiets (die Konzeption des Steuerrechts, des Abfallrechts oder des Abtreibungsstrafrechts) bzw. sogar nur hinsichtlich eines bestimmten Normwerks gesprochen werden kann. 148 Nach der ersten Verständnisweise ginge es um eine Erkennung dessen, wie - als Ganzes und in allen ihren Einzelheiten - die Normenordnung die rechtliche Gestaltung eines bestimmten Moments des wirklichen Geschehens, in letzter Zuspitzung die Entscheidung einer konkreten Frage prägt. Die zweite Verständnisweise zielt auf die Charakterisierung eines konkreten Normsetzungsaktes beziehungsweise mehrerer von ihnen, soweit sie in einem planmäßigen Zusammenhang zueinander stehen, d. h. in ihrem Zusammenspiel aufeinander abgestimmt 145

Vgl. dazu auch W. Gernert/M. Stoffers, Das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, S. 118 ff. 146 OVG Lüneburg NdsVBl. 1999,187,188; OVG Lüneburg DVB1.1999,406,408; W. Gernert/M. Stoffers, Das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, S. 124. 147 BVerwGE 110, 248, 251. 148 Das OVG Lüneburg ging diesen Fragen nicht nach, sondern setzte das Vorhandensein verschiedenartiger Regeln ohne Begründung mit dem Vorhandensein einer Konzeption gleich.

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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sind. Ohne zumindest stillschweigend zu prüfen, was das BVerfG in seinen Entscheidungen als „Konzeptionen" auffaßte, folgte das OVG Lüneburg dem geschilderten ersten Deutungsmuster, das es erlaubt, gesetzgeberische Konzeptionen in großzügigerer Weise für nahezu jeden Sachverhalt anzunehmen, und das es deshalb leicht macht, mit dem Gesichtspunkt ihrer Widersprüchlichkeit zu operieren. Die Rechtsprechung des BVerfG bewegte sich demgegenüber bislang innerhalb der zweiten, gesetzesorientierten Auffassungsweise. Ins Zentrum seiner Konzeptionsschau rückte es in jedem der drei Fälle ein konkretes Regelungswerk oder mehrere eng miteinander verzahnte Vorschriften, wie z. B. §§ 218 ff. StGB und das SchKG; §§ 14 AbfG und 6 VerpackV oder § 5 BImSchG und die 9. BImSchV. Hiervon ausgehend ergründete es den Charakter der Regelungen („Verfahrenskooperation", „Selbstverpflichtungsvorrang", „Beratungsmodell" usw.) und bildete sich so seinen Konzeptionsbegriff als weitgehende Identifikation von Konzept und prägendem Gestaltungszug. Auch dabei mußte es eine Gesamtbesichtigung vornehmen und durfte nicht einzelne Aspekte isoliert ins Licht der Betrachtung stellen. Auf den zweiten Blick erweisen sich beide Verständnisweisen als typisierte Endpunkte einer Akzentverschiebung im Herangehen des Norminterpreten, determiniert durch die zu lösende Aufgabe: spürt man der Frage einer konzeptionellen Unvereinbarkeit unter besonderer Konzentration auf das konkrete Rechtsproblem nach, für welches beide Normwerke zum Tragen kommen, führt dies eher zu jener Sichtweise, die in der Konzeption die Summe aller anwendbaren Normen in einer bestimmten Situation erkennt. Eine vom konkreten Fall gelöste, abstrakte Überprüfung von Normen, insbesondere ihrer Verfassungsvereinbarkeit, bringt es mit sich, ein konkretes Normwerk und dessen nächsten Kontext ins Zentrum aller Überlegungen zu stellen. Dadurch prägt es auch einen entsprechenden Begriff der Konzeption. Um Maßstäbe für eine verfassungsmäßige Überprüfung geht es auch in der vorliegenden Arbeit. Von vornherein den Gesamtkomplex, der auf eine punktuelle Frage Anwendung findet, als gesetzgeberische Konzeption auszugeben, ist hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Prüfung auch deshalb nicht möglich, weil sich mit jeder Verrückung einzelner Problemaspekte auch der Inhalt jener „Konzeption" verschöbe, deren Verfassungsmäßigkeit es zu durchleuchten gilt. Bei geringen Verschiebungen im Sachverhalt fielen einzelne Normen geradezu willkürlich in den Rahmen, der zur verfassungsrechtlichen Prüfung steht beziehungsweise der ihren Maßstab bildet (je nachdem, ob die Norm zur vor- oder zur nachrangigen Konzeption zählt). Mit entsprechender Zufälligkeit wäre im einen Fall ein Widerspruch auszumachen, in einem anderen, bei dem im entscheidenden Detail eine Bestimmung im Blickfeld aufgetaucht oder aus ihm herausgefallen ist, nicht. Die groteske Konsequenz dessen wäre, daß es von der einzelnen Konstellation, welche die Normüberprüfung auslöste, abhängen müßte, ob sich die Bestimmung als verfassungsgemäß erweist. Doch entspricht eine Norm entweder dem Grundgesetz oder sie tut es nicht. Wenn deshalb hier von Konzeptionen gesprochen wird, ist stets - bei aller gebotenen Umsicht - die

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

Annäherung an ein Gesetzes werk und an ein umgrenztes, von ihm geprägtes Rechtsgebiet zu suchen. 2. Die Rechtsprechung zur Bioabfallkompostierung Die letzte hier vorzustellende Entscheidung, das Urteil des OVG Münster zur Selbstkompostierung von Bioabfällen vom 10.8.1998149, betrifft wiederum gesetzgeberische Disharmonien auf dem Gebiet des Umweltrechts. Für unvereinbar hielt das Gericht die Verwertungskonzeption gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 2 S. 1 KrW-/ AbfG, nach der nichtvermeidbare Abfälle vom Verursacher zu verwerten sind 150 , und die Bestimmung einer kommunalen Satzung151, wonach alle Haushalte an ein örtliches Biotonnensystem angeschlossen werden sollten. Von diesem Anschlußzwang ungefährdet blieb dabei zunächst das Wahlrecht 152 des einzelnen aus § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG, da zur Überlassung der Bioabfälle keine Verpflichtung bestand. Die Satzung selbst forderte sogar zur Selbstkompostierung auf. 153 Die Perspektive, aus der heraus das Gericht eine Widersprüchlichkeit beider Konzeptionen ausfindig machte, unterscheidet sich wahrnehmbar von den Ansätzen in den bisher geschilderten Fällen. § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG, so führt es aus, zeige durch seine Formulierung („soweit"), daß sich für Hausmüll nichts am Selbstverwertungsvorrang gemäß § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG ändern sollte. 154 Diesem wirke nun die Satzung entgegen, da sie auch kompostierwilligen Haushalten eine Abfalltonne aufdränge, die - als Einladung an die menschliche Bequemlichkeit - zur Entsorgung aller kompostierbaren Abfälle anreizt. 155 Diese Pflicht zu einer Beteiligung störe insofern das vom Bundesgesetzgeber gewählte abfallrechtliche Instrumentarium mit seinem Primat der Selbstverwertung. Die Richtigkeit der vom OVG Münster angenommenen Zusammenhänge unterstellt, erkennt man die Besonderheit hier darin, daß die Widersprüchlichkeit nunmehr allein mit dem Moment der Beeinträchtigung oder Störung statt mit jenem des Auftretens gegensätzlicher Normbefehle 156 begründet wird. Sie besteht zwar aus der Sicht des anderen

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22 A 5429/96 (= DVB1. 1998, 1234). J.Fluck, in: Fluck (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Rn.78 zu § 5 KrW-/AbfG; W. Frenz, KrW-/AbfG, Rn. 8 zu § 5; M. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auflage, § 18 Rn. 118; s. weiterhin B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 3. Auflage, S.575. 151 s. dazu die Angaben in OVG Münster DVB1. 1998, 1234ff. 152 Dazu P.Kunig, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Rnrn. 15, 18 zu § 13; auch C. Weidemann, in: Brandt/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, Rnrn.41 ff., insbes. 45 zu § 13. 153 Vgl. OVG Münster DVB1. 1998, 1234, 1236. 154 OVG Münster DVB1. 1998,1234,1236; W. Frenz, KrW-/AbfG, Rn. 2 zu § 13; M. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auflage, § 18 Rn. 141. 155 Vgl. OVG Münster DVB1. 1998, 1234, 1236f. 156 Wohingegen das BVerfG den Aspekt des gegensätzlichen Normbefehls in jeder Entscheidung betonte: s. E98, 83, 97; 98, 106, 119; 98, 265, 301. Das OVG Münster (DVB1. 1998, 150

1. Kap.: Widersprüche im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge

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Legislativkompetenzträgers, nicht jedoch aus der des Normadressaten: die Anordnungen, die ihn erreichen, haben nichts Auseinanderlaufendes, geschweige denn etwas Unvereinbares. Auch der Besitzer einer solchen aufgezwungenen Tonne kann wählen, wie er mit seinem Abfall verfährt. Selbst bei einer großzügigen Bemessung der Widersprüchlichkeit, wie sie das BVerfG handhabte, kann in der bloßen Pflicht zur Annahme der Tonne kein Gegensatz zur gesetzlich angestrebten Selbstkompostierungsmöglichkeit erblickt werden. Es ist hervorzuheben, daß auch das OVG Münster 157 dies nicht zu konstruieren versuchte. Anders verhielte es sich, wäre auch für Abfälle dieser Art eine umfängliche Überlassungspflicht festgelegt worden. Dies geschah jedoch gerade nicht. Der Widerspruch wird im Fall der Bioabfallkompostierung somit aus keinem rechtsstaatlichen Blickwinkel sichtbar; zu erkennen vermag man ihn - wenn überhaupt - unter dem Aspekt einer Störung, einem Gesichtspunkt also der Bundesstaatlichkeit.

VI. Kriterien einer Konzeption158 Normgebungsakte, auf gesetzgeberischer ebenso wie auf untergesetzlicher Ebene, verfolgen mit Hilfe eines festzulegenden Instrumentariums ein bestimmtes Ziel. Sie bedienen sich bestimmter Verhaltensvorgaben, verhaltenssteuernder Anreize oder aussichtsreich erscheinender Kooperationsangebote. Der Facettenreichtum sowohl einer Zielfestlegung als auch einer Mittelauswahl wurde anhand der geschilderten Fallgestaltungen deutlich. 159 In den Blick einer Zweck-Mittel-Schau ist dabei zunächst das konkrete Normwerk zu rücken in seiner Einbettung in die Gesamtstruktur eines Regelungsbereichs. Dabei müssen die Charakteristika der strukturprägenden, die Eckpunkte und Leitlinien des Rechtsbereichs determinierenden Normen bestimmt werden, ohne daß die Bedeutung der einzelnen Detailregelung darüber vernachlässigt wird. Zumindest für die Frage der Widersprüchlichkeit von Normen in konzeptioneller Hinsicht bedarf es bei der Beleuchtung einer Regelungs1234), sich ausdrücklich auf diese Rechtsprechung berufend (a.a.O. S. 1236), hatte ihn weder erwähnt noch beachtete es ihn der Sache nach. 157 DVB1. 1998, 1234, 1236f. 158 Zu weiteren Fallgruppen vgl. unten 2. Kapitel, II. Herauszuheben ist dabei noch die Entscheidung OVG Lüneburg NVwZ-RR 1999, 790 zur Zweitwohnungssteuer, die sich auf ein Gebot der „Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung" beruft (S. 791). Da sie jedoch zeitlich vor der ersten besprochenen Entscheidung des BVerfG erging, ist zweifelhaft, ob sich hiermit die gleiche Vorstellung - hinsichtlich der kompetenzrechtlichen Wirkung und hinsichtlich einer Zusammenführung bundesstaatlicher und rechtsstaatlicher Aspekte - verbinden läßt. Das aufhebende Urteil des BVerwG (Urteil vom 12.4.2000- 11 C 12/99 = E 111, 122) bezieht sich zwar auf die neue Rechtsprechung des BVerfG zur Widerspruchsfreiheit, vermag indes keine relevante Gegensätzlichkeit auszumachen. 159 Wie wenig bisher versucht wurde, sich der Beschaffenheit eines Gesetzes und des gesamten Rechtsstoffs von dieser Seite aus zu nähern, illustriert die Behauptung C. Bumkes (ZG 1999, 376, 380), eine Gesamtkonzeption bestehe „aus Zielen, Wünschen und vielleicht bestimmten Ordnungsprinzipien", doch enthalte sie „keine bestimmten Gebote oder Erlaubnisse". 4 Haack

1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

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konzeption des greifbaren Anknüpfungspunktes in Gestalt eines bestimmten Gesetzes oder Gesetzesbündels. Von vornherein den Gesamtnormbestand, der auf eine punktuelle Frage Anwendung findet, als gesetzgeberische Konzeption auszugeben, verbietet sich für die verfassungsrechtliche Überprüfung von konzeptionellen Normwidersprüchlichkeiten aus den dargestellten Gründen. Bei einer solchen Besichtigung gesetzgeberischer Normierungskonzepte mit dem konkreten Regelungswerk zu beginnen, bedeutet sogleich, daß Nichtnormiertes kein Bestandteil irgendeiner Konzeption sein kann, es sei denn, auf eine konkrete Regelung wurde bewußt verzichtet, um denselben Teilaspekt in anderer Weise positiv zu gestalten. Sodann kommt es entscheidend auf die genauestmögliche Ermittelung dessen an, was dem Normgeber als die zu lösende Aufgabe vorschwebte 160, insbesondere in welchem Umfang und mit welchen Zusammenhängen er bestimmte Wirklichkeitsverhältnisse als das mit Hilfe seiner Regelung zu bewältigende Problem begriff, welche Aspekte die selbst auferlegte Aufgabe für ihn also umschloß. Dieses zu ergründen hilft ein Blick darauf, welche Wirkungen eine Regelung - zu wessen Gunsten, auf wessen Kosten - entfalten sollte, welche Interessen in ihrer Gestaltung berücksichtigt oder gar in den Mechanismus ihres Funktionierens integriert sind. Die gleichermaßen notwendige Vertiefung in das festgelegte Instrumentarium setzt an dessen Systematik an und hat zu klären, in welchen Beziehungen einzelne Handlungsmittel zueinander stehen und welche Rangfolge von Haupt- und Nebenmitteln sich gegebenenfalls feststellen läßt. Mit der Festlegung einer Regelung wird die Verantwortung für die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels in bestimmter Weise unter den Beteiligten aufgeteilt. Wo einzelne Handlungsmittel in großem Umfang Verbindlichkeit beanspruchen (beispielsweise durch umfangreiche Pflichten und Verbote), liegt sie in den Händen des Staates. Die Einschränkung des privaten Spielraums beschränkt auch die private Verantwortung. Die Verantwortung tragen dagegen in desto größerem Maß die Normadressaten, je mehr sich eine Vorschrift darauf beschränkt, Ziele vorzugeben oder auf Kooperation hinzuwirken, und dabei ohne ordnungsrechtliche Zwänge auskommt. Die Betrachtung der Widersprüchlichkeit vereinfacht sich, wo sich Konzepte hergebrachten Modellen der Problemlösung annähern. Nicht selten wird es um so schwieriger sein, über diese Annäherung Gewißheit zu gewinnen.161 Wer es sich zur Aufgabe setzt, der Verfassungsverträglichkeit konzeptioneller Unvereinbarkeiten nachzuspüren, kann nur dann zu Erfolgen gelangen, wenn er die Inhalte der untersuchten Konzeptionen mit einem besonders genauen Raster wahrnimmt, das dem Maß ihrer Komplexität gerecht zu werden vermag.

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Auf die Vielschichtigkeit bei der Ermittelung eines Gesetzesziels machen aufmerksam: R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S.298; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 80; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.331; D. Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, Rn. 252; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 50. Im nächsten Kapitel, in dem es um die verschiedenen Gestalten konzeptioneller Widersprüche geht, wird hierauf angesichts divergierender Gesetzesziele zurückzukommen sein. 161 Vgl. die oben (II., 1., insbesondere in Fn.82) erwähnte Diskussion, welche Regelungsformen dem umweltrechtlichen Kooperationsprinzip zugerechnet werden können.

2. Kap.: Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen

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Zweites Kapitel

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen im Bundesstaat Erscheinungsformen und Orte ihres Auftretens I. Denkbare Gestalten des Widerspruchs Die Grenzziehung, wann gesetzgeberische Konzeptionen in einem rechtlich relevanten Widerstreit liegen, wurde im Schrifttum für undurchführbar erklärt. 162 Eine Vertiefung in die Gesamtzüge, aber auch in die Einzelmerkmale von Struktur und Inhalt eines Regelungswerks erlaubt es aber, diese in nachvollziehbarer Weise unter verschiedenen Gesichtspunkten den entsprechenden Aspekten eines fremden Normkomplexes gegenüberzustellen. Im folgenden geht es um die Prämissen hierfür.

1. Der Widerspruch zwischen Regelungskonzeptionen in Gestalt des Auseinanderlaufens ihrer Ziele Der materielle Gehalt jeder Regelung wird ebenso wie dessen konkret gewählte Umsetzungsweise durch die Problemauffassung des Gesetzgebers geprägt, davon also, was der Gesetzgeber mit seinem Rechtssetzungsakt in einer von ihm bevorzugten Weise zu lösen beabsichtigte. Kaum einmal dürften dabei konträre (im Sinne einander offensichtlich ausschließender) Ziele angestrebt werden. Weitaus eher ist zu erwarten und ist es geschehen, daß verschiedene Gesetzgeber den im Kern gleichen Problemkreis aus divergierenden politischen Blickwinkeln unterschiedlich weit auffassen, daß sie Zusammenhänge der einzelnen Gesichtspunkte einer zu lösenden Frage untereinander und zu benachbarten Fragenkreisen in bestimmtem Umfang bedenken und in den Vordergrund rücken oder - im entgegengesetzten Fall - ignorieren, und daß sie damit Aspekte aus einer Aufgabe ausblenden oder umgekehrt diese gerade bewußt einbeziehen. Als selbstverständlich vorauszusetzen ist dabei, daß von Zielkonflikten nur gesprochen werden kann, wo beide Normgeber den gleichen Regelungsbereich gestalten. Von abweichenden Problemauffassungen gelangen die Normgeber dabei zu unterschiedlichen Normzwecksetzungen hinsichtlich der einzelnen Bestimmungen163. Hinzu kommt ein Umstand, auf den Karl Engisch164 aufmerksam machte: Normen verfolgen demnach nicht bloß den Zweck, die Wirklichkeit in dieser oder jener Weise zu beeinflussen - was man als unmittelbar gestaltende Wirkung bezeichnen könnte - , viele von ihnen dienen auch oder ausschließlich dazu, die Reichweite anderer Bestimmungen einzuschränken, deren wirklichkeitsgestal162 163 164

4*

K Fischer, JuS 1998, 1096, 1100. s.o. 1. Kapitel, I., 2. Die Einheit der Rechtsordnung, S.33f. sowie vor allem S.72.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

tender Kraft also in bestimmtem Maß entgegenzusteuern, um unliebsame, zu weitreichende Normfolgen auszuschalten.165 In dieser Weise wirken sie nicht selten auch mittelbar gestaltend. Auch wenn hierin kein autonomer, für sich allein stehender Zweck gesehen werden darf, der losgelöst vom Ganzen eines Regelungswerks und dessen Zielen begriffen werden könnte, handelt es sich um ein zusätzliches Moment jener Komplexität, mit der es der Interpret im Fall einer Normzweckermittelung zu tun hat. 166 Dies zugrundegelegt, wird man, unter Zurkenntnisnahme aller enthaltenen Interessengewichtungen und Ausgleichsbemühungen, nur selten Gleichläufigkeit annehmen können. Der eingangs erwähnten Kritik ist zuzugestehen, daß häufig nicht mit letzter Gewißheit zu klären ist, welche Interessen eine Norm in welchem Maß berücksichtigt. 1 6 7 Die Widersprüchlichkeiten beginnen hier mit Nichtübereinstimmungen im Detail, diefließend übergehen zu deutlichen Divergenzen im Gesamtziel (indiziert etwa durch eine Entscheidung für verschiedene, hergebrachte Lösungsmuster mit Unterschieden in der Frage, wen die Norm belastet) bis hin zur offenkundigen Gegensätzlichkeit. Dennoch und eben deshalb verbietet es sich, im Fall der Zielermittelung auf diese Einzeluntersuchung aller für den Erlaß einer Norm (ebenso wie für die Gestalt, die sie gefunden hat) bedeutsamen Gesichtspunkte zu verzichten. 168 Auch schwächere Widersprüchlichkeiten sind nach diesen Erkenntnissen diagnostizierbar. Wer sich indes mit einem groben Raster der Zielbestimmung begnügt, wird immer einen kleinsten Nenner finden, auf den er den Zweck zweier Normwerke reduzieren kann, wenn er ihn hinreichend verallgemeinert. Methodische Schwierigkeiten haften außerdem an der Ermittelung dieser Gesetzesziele. Berührt wird dabei der traditionelle Streit darüber, was maßgeblich sein soll: der subjektive Wille des historischen Gesetzgebers oder ein objektiver Sinn, den die Vorschrift gegenwärtig besitzt und der letztlich auf konsensfähigen Vorstellungen der Allgemeinheit beruht. Dringender als in anderen Fällen der Gesetzesinterpretation wirft sich hier, wo es um einen Vergleich der Normziele geht, die Frage auf, ob es ausreichend sein soll, den Zweck, von dem sich der Gesetzgeber beim Normerlaß leiten ließ, genetisch anhand der Gesetzesentstehung und historisch an165 Vorschriften über den Anwendungsbereich eines Gesetzes (z. B. § 2 AuslG, § 2 BImSchG, § 3 UVPG usw.) sind nur das augenfälligste Beispiel dafür. 166 Vgl. K.-D. Drüen, JuS 1997, L81, 82f.; R.D. Herzberg, NJW 1990, 2525, 2527f.; F.E. Schnapp, JuS 1983, 850, 854. 167 Hieraus entwickelt R.D. Herzberg (NJW 1990,2525,2526 ff.) eine umfassende Kritik jeder teleologischen Norminterpretation. Seine Beispiele illustrieren in der Tat die Beliebigkeit, mit der als Normzweck oft dieses und jenes, ebensogut aber auch dessen Gegenteil behauptet werden könnte. Konsequenz dessen wäre, beim Wortlaut zu bleiben und anzunehmen, daß die Norm einen Zweck nur bis zu dieser Grenze verfolgt (von Herzberg selbst angedeutet - a. a. O., S. 2526). Unzutreffend nimmt K.-D. Drüen (JuS 1997, L81, 83 f.) an, es sei Sache des Norminterpreten, die verschiedenen identifizierten Zwecke zu gewichten. Dessen Aufgabe besteht darin, jene Gewichtung herauszufinden, die der Normgeber vorgeben wollte bzw. die sich bei einer objektiven Betrachtung als die gebotene erweist (dazu sogleich Näheres). 168 Vgl. auchfl.D. Herzberg, NJW 1990,2525,2529; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 332.

2. Kap.: Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen

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hand vorausgegangener Normierungen 169 nachzuvollziehen. Anderenfalls wäre das entstehungsgeschichtliche Moment als eines unter mehreren Indizien zu begreifen, welches die Normfunktion - im Hinblick auf eine unmittelbare Gestaltungs wirkung und im Zusammenhang mit einer Begrenzung anderer Normen - kennzeichnet.170 Der subjektive Ansatz blockiert bei der Zielermittlung sinnvolle Berücksichtigungen der historischen Wandlung, während der objektivierende, um seinen Vorteil zu nutzen, sie nahelegt.171 Zu bedenken bleibt auch, ob sich auf diese Frage eine vom Staatstypus gelöste, allein auf rechtsmethodische Überlegungen gründende Antwort finden läßt. 172 Für ein System der repräsentativen Demokratie gilt, daß sich die Parlamentsabgeordneten nach dem Grundgedanken demokratischer Legitimation an den konsensfähigen Gerechtigkeitsvorstellungen derer zu orientieren haben, die sie vertreten: die beschließende Parlamentsmehrheit demnach an denjenigen der überwiegenden Wählerschaft. Die Zielentscheidungen sind so aufzufassen, wie sie die Mitglieder des Legislativorgans als Repräsentanten der in der Gemeinschaft konsensfähigen Vorstellungen aufnehmen mußten.173 Dies berücksichtigt den zutreffenden Kern des subjektiven Ansatzes, wonach ein Gesetz Ausdruck des Ordnungswillens des Legislativkompetenzträgers ist. 174 Gleichzeitig erlaubt ein solches Herangehen die Identifizierung des normativen Sinns 175 des Gesetzes, weshalb die Wertentscheidung des Normgebers auf Aspekte übertragen werden kann 176 , die er zeitbedingt nicht erblickte. Sie zu übertragen setzt voraus, die zugrundeliegenden Vorstellungen des historischen Gesetzgebers ausgewertet zu haben. Die Ermittelung 169 Zur Unterscheidung zwischen genetischer und historischer Auslegung F. Müller; Juristische Methodik, Rn.360. 170 Darstellungen der Positionen u. a. bei F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 428 ff.; W. Fikentscher, Methoden des Rechts III, S.678; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.316ff.; K.F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 645ff.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.21 ff. - jeweils m. w.N. 171 Daß dies keine von der Logik gebotene Verknüpfung ist, besitzt allenfalls theoretische Bedeutung. Vgl. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 428 und die Selbstverständlichkeit der Zuordnung jener Aspekte bei R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.51. 172 Vgl. einerseits R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.22ff.; andererseits F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S.431, dessen Aufmerksamkeit sich nur auf die verschiedenartigen Willensbildungsprozesse der Gesetzgeber richtet und nicht auch auf die uneinheitliche Funktion der Auslegung. Die Frage nach der richtigen Auslegungsmethode knüpft sich an das Gesetzes Verständnis und wandelt sich mit ihm. 173 R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.24. Ähnliche Gedanken entwickelt R. Alexy (Theorie der juristischen Argumentation, S.296) vor einem diskurstheoretischen Hintergrund. 174 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S.436; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316. 175 Was soviel heißt, wie: die Norm in einem Sinn verstehen, daß sie „Teil einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung" ist - s. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 454; D. Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, Rn. 260. Vertiefend R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S.296. 176 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.317; vgl. auch BVerfGE 34, 269,

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

des Gesetzeszwecks hat deshalb dort zu beginnen177, bevor sie nach den gegenwärtigen konsensfähigen Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit sucht und ihnen innerhalb 178 der ursprünglichen Wertentscheidung Geltung verschafft. 179 2. Der Widerspruch in Gestalt einer Diskrepanz der gesetzgeberischen Handlungsmittel Ebensoschwer wie die Feststellung fehlender Zielkongruenz fällt die Antwort darauf, ob im einzelnen Fall gesetzgeberische Handlungsmittel übereinstimmen und wann sie sich in einer Weise voneinander unterscheiden, daß von einem Widerspruch gesprochen werden kann. Auch hier versteht es sich, daß Handlungsmittel nur innerhalb eines Problemkreises gegenübergestellt werden können. Des weiteren hat man sich zu vergegenwärtigen, daß eine echte Gleichheit der Handlungsmittel innerhalb des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges undenkbar ist. Nach keiner Form der legislativen Zuständigkeit kann es dazu kommen, daß Bund und Land inhaltlich identische Normen auf ein und demselben Rechtsgebiet erlassen. Dies versteht sich für ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse (Artt. 70, 71 GG) von selbst. In den Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72 GG) ist gleichlautendes Landesrecht durch die Sperrung des Art. 72 Abs. 2 GG ausgeschlossen, im Fall der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) hätte entweder der Bund oder das Land seine Kompetenz überschritten. 180 Statt auf Identität kann deshalb der Vergleich der Handlungsmittel nur auf Konformität zielen. Diese läßt sich allerdings nicht durch eine Betrachtung der einzelnen konkreten Bestimmungen ergründen, sondern be177 Durch das Studium der Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, durch Vergegenwärtigung der Tradition, in der sich das Gesetz befindet, und - zuerst - durch die Gesetzeslektüre selbst (etwa der Präambel oder des ersten Paragraphen). Siehe K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 329 ff.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.51; detailliert zur Bestimmung des Normzwecks M. Sachs, Verfassungsrecht II Grundrechte, S. 153; D. Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, Rnrn.252ff. 178 Zu den Grenzen BVerfGE 34,269,288ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 318; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.52. 179 Fikentschers erwägenswerte Einwände gegen eine solche objektivierende Herangehensweise (Methoden des Rechts III, S. 680) betreffen die teleologische Normauslegungsmethode, bei der durch die Objektivierung die Gerechtigkeit zum Auslegungsmaßstab gemacht wird, anstatt das Auslegungsergebnis am Gerechtigkeitsmaßstab zu überprüfen. Dagegen geht es hier nicht um eine anwendungsbezogene Gesetzesauslegung, sondern um die Normzielermittelung anhand konsensfähiger Vorstellungen der Allgemeinheit. Es liegt ein Unterschied darin zu sagen: Ziel des Gesetzes ist diese oder jene (d.h. gerechte) Lösung einer bestimmten Frage (wie hier), oder festzustellen, daß eine Norm, in concreto in dieser oder jener Weise ausgelegt, zum gerechten Ergebnis führt (worum es Fikentscher ging). Als Ziel des Gesetzes die Umsetzung einer Gerechtigkeitsvorstellung anzunehmen, nimmt in der Frage seiner Anwendung nichts vorweg. Gesetzgeberische Ziele müssen sich demnach anhand solcher Gerechtigkeitsvorstellungen identifizieren lassen, will man nicht unterstellen, daß der Gesetzgeber selbst nicht von ihnen geleitet war. 180 BVerfGE 36, 342, 364; 37, 191, 200; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.26 zu Art. 72; H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1043.

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darf einer Untersuchung auf abstrakterer Ebene durch eine Sichtbarmachung und Gegenüberstellung des spezifischen Charakters jeder Regelung. Den deutlichsten Anhaltspunkt liefert dabei die Zugehörigkeit zu verschiedenen typisierten Problemlösungsmustern („Kooperationsmodell" gegenüber „Ordnungsrecht" u. ä. 181 ). Ähnlich verhält es sich, wo ein Normgeber ein bestimmtes Instrument aufgreift, welches der andere verworfen hatte, um dieselbe Frage in einer alternativen Weise zu lösen 182 (beispielsweise im Fall der Strafbarkeit eines von beiden bekämpften Verhaltens). Von Widersprüchlichkeiten kann auch gesprochen werden, wo von einer bestehenden Rangordnung der einzelnen Instrumente abgewichen wird, indem der hinzutretende Gesetzgeber den ursprünglich nachrangigen Mitteln nun in seiner Regelung den Vorzug gibt oder umgekehrt. 183 Wann allerdings eine gesetzte Rangfolge bestimmter Mittel besteht, und erst recht, wann sie soweit verlassen wurde, daß sich ein Mittel, dessen sich das Land bedient, in das Instrumentensystem der Bundesnormen nicht fügt, kann im Einzelfall wiederum schwer zu erkennen sein. 184 Auch hier verschwimmt jene Grenze, bis wohin von einer bloßen Nichtidentität (im Sinne irgendeines Unterschiedes in der Beschaffenheit) und ab welchem Grad von Widersprüchen zu sprechen ist. Doch präjudiziell die Einschätzung zweier Konzeptionen als widersprüchlich nicht deren verfassungsrechtliche Beurteilung. 185 Die konstatierte Abgrenzungsunschärfe bleibt für die Überprüfung der Regelungen am Maßstab des Grundgesetzes deshalb folgenlos. Die Grenzen des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren sind allein den Verfassungsgeboten zu entnehmen und nicht aus einem Begriff des Widersprüchlichen heraus zu entwickeln. Um einen Konflikt gesetzgeberischer Handlungsmittel handelt es sich auch, wo die Wirkungsweise des einen Gesetzes diejenige des anderen bremst. Verglichen mit den hier vorgestellten Widersprüchen besitzen diese jedoch bereits eine andere Qualität. 3. Widersprüche im Hinblick auf die Normwirkung Die Untersuchung der Widersprüchlichkeit muß indes nicht wie dargestellt bei der Gestalt des Normwerks selbst, bei seinem Normziel und seinen Umsetzungsmitteln ansetzen. Die Vereinbarkeit zweier Regelungskonzepte zeigt sich auch an den Auswirkungen, die beide im Verhältnis zueinander entfalten. Als widersprüchlich 181 Ein Beispiel für deren Divergenz bietet BVerfGE 98,106; die gleiche Zugehörigkeit findet sich demgegenüber in BVerfGE 98, 265. 182 So etwa in BVerfGE 98, 265. 183 Vgl. BVerfGE 98, 106: einseitige Zwangsregelungen zur Abfallvermeidung waren zunächst der Kooperation nachgeordnet. 184 K.Fischer, JuS 1998, 1096, 1099f. 185 K.Fischer (JuS 1998, 1096, 1100) trennt diese Gesichtspunkte nicht hinreichend, wenn er aus der von ihm behaupteten Unfeststellbarkeit des Widerspruchs zweier „Strategien" ein Argument gegen ein verfassungsrechtliches Verbot solcher Widersprüche herleitet. Im verfassungsrechtlichen Kontext geht es nicht um die Abgrenzung des Widerspruchs an seiner Untergrenze (also gegenüber dem bloßen Unterschied in der Beschaffenheit), sondern um eine Obergrenze, bis zu der ihn die Verfassungsordnung toleriert.

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erweisen sie sich, wenn eines den „Normmechanismus" und damit die Wirksamkeit des anderen bremst oder beseitigt.186 Hier ist es unnötig, die Betrachtung auf den Gesichtskreis eines Regelungsfeldes zu begrenzen: auch Normen eines sachfremden Regelungszusammenhangs können es mit sich bringen, daß die intendierte Wirkung eines bestimmten Gesetzes ausbleibt.187 Um zufällige oder beabsichtigte Wirkungsvereitelungen in einem solchen Sinn handelt es sich, wenn Steuervorteile dazu animieren, ein vom anderen Gesetzgeber gesuchtes Verhalten zu unterlassen 188, ebenso wenn ein Gesetzgeber zugunsten der Normadressaten gezielt einen Weg eröffnet, der nach dem Willen eines anderen zweitrangigen Charakter haben sollte, und dies in einer Weise, daß sich die Normadressaten, aus Gründen der wirtschaftlichen Lukrativität oder aus Bequemlichkeit, ganz überwiegend für dessen Inanspruchnahme entscheiden.189 Diese Konstellationen kennzeichnet, daß das ausgewogenere Regelungswerk mit einer breiter gefächerten Zurkenntnisnahme der hineinspielenden Interessen und dementsprechend differenzierteren Zielen sowie ausbalancierten Umsetzungsmitteln dasjenige ist, welches ein Stück weit unwirksam gemacht wird von Bestimmungen, die mit einem einzelnen Mittel einen isoliert aufgefaßten Zweck voranzubringen suchen.190 Das simplere und mitunter, im Hinblick auf betroffene Grundrechte, rücksichtslosere Konzept gefährdet jenes, bei welchem abgestimmte Mechanismen die berührten Interessen umsichtiger berücksichtigen sollen. Bereits ihrer Natur nach sind sie die störungsanfälligeren Konzepte. Graduelle Abstufungen, die für die vorliegenden Verfassungsfragen bedeutsam sein können, weisen die Widersprüchlichkeiten auch auf, wenn sie unter dem Vereitelungsgesichtspunkt wahrgenommen werden. Sie beginnen, wo die Landesnorm noch in geringem Maß bundesgesetzlich statuierte Rechte kürzt und so gegebene Freiräume verstellt, und reichen über Konstellationen, wo eine Vorschrift bewirkt, daß sich die Adressaten ihren Verpflichtungen gegenüber den anderen Bestimmungen entziehen191, bis dorthin, wo der Anwendungsbereich einer fremden Norm voll186

Vgl. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.360. So beispielsweise, wenn Bundeskartellrecht und Landesrundfunkrecht in einen Konflikt treten. Vgl. dazu H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 1 ff. iss Wenn z. B. die Adressaten einer kommunalen Satzung - wie in BVerfGE 98, 106 - ein von AbfG und VerpackV erstrebtes, selbst organisiertes Abfallsammelsystem verlassen (s. BVerfG a.a.O., S. 132f.). Eine Wirkungsvereitelung nahmen in diesem Fall auch an: M. Bothe, NJW 1998, 2333, 2334; C. Bumke, ZG 1999, 376, 380; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 235; J. Lege, Jura 1999, 125, 126; R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37, 40; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 77. 187

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So im Fall OVG Münster DVB1. 1998, 1234. Der nahe Zusammenhang, der zu einem Handlungsmittelvergleich trotz allem besteht, wird hier sehr deutlich. 190 Besonders deutlich wurde dies in den Fällen BVerfGE 98, 83 und 98, 106. - s. o. 1. Kapitel, I. und II. 191 Dazu T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 234. Auch dieser Autor vermengt das Problem der Verfassungsverträglichkeit mit der grundsätzlichen Frage, ob in einem konkreten Fall überhaupt widersprüchliche Regelungen bestehen. Unter der Überschrift „Das Vorliegen von widersprüchlichen Regelungen im konkreten Fall" ist zu lesen: „Es muß unerheblich sein, daß hinsichtlich der Bestimmtheit des Ziels, der Wahl der Mittel und der in die Pflicht genommenen

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ständig entfällt. Die Identifikation der Widersprüchlichkeit dürfte unter diesem Gesichtspunkt leichter fallen als unter den zuvor dargestellten. Zu suchen wäre, ob die Rechtsnorm des einen Gesetzgebers die Wirksamkeit einer Anordnung des anderen meßbar herabsetzt. Kein Widerspruch läge demnach vor, wenn das fremde Regelungswerk in allen Fällen seiner ursprünglichen Einschlägigkeit auch weiterhin im intendierten Maß zur Anwendung kommt und die erstrebten Wirkungen entfaltet. Die Unvereinbarkeit gesetzgeberischer Konzeptionen wird auf diese Art allein aus bundesstaatlicher Sicht erfaßt. Es ist eine hier noch zu beleuchtende Aufgabe der bundesstaatlichen Kompetenzlehre, mit Hilfe des geschriebenen Verfassungsrechts und der ihm zugrundeliegenden Prinzipien das Tun eines in solcher Weise übergreifenden Normgebers einzuschränken.192 Wenn es aber darum geht, den möglichen Verfassungsbedenken gegen ein solches Auftreten von Widersprüchlichkeit innerhalb unserer Gesamtrechtsordnung in jeder Hinsicht nachzugehen193, darf das Vorliegen von Widersprüchen nicht allein anhand bestimmter, in fremde Zuständigkeitsräume eingreifender Normwirkungen ermittelt werden.

II. Orte des Auftretens konzeptioneller Widersprüchlichkeiten Da das Grundgesetz die Gesetzgebungszuständigkeiten so verteilt, daß Überschneidungen möglichst vermieden werden und jede Materie nur einem bzw. in geregelter Weise mehreren Kompetenzträgern zugeordnet wird 194 , ist die Zahl der GePersonen gravierende Unterschiede bestehen, sofern die zusätzliche Belastung der Letztanbieter durch die Verpackungssteuer nicht dazu führt, daß diese sich[...] bundesrechtlichen Pflichten entziehen." Doch muß die Erfassung bestimmter Strukturen in der Beschaffenheit des Rechtsstoffs von der Klärung der verfassungsrechtlichen Folgen dieser Erscheinungen zunächst einmal unterschieden werden, da ein Herangehen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsverträglichkeit Gefahr läuft, einzelne Erscheinungsformen dieser Widersprüchlichkeit von vornherein nicht wahrzunehmen, weil der Verfassungsaspekt, für den sie relevant sind, in der konkreten Fragestellung des Betrachters nicht enthalten war. 192 Vgl. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 368. 193 Wenn den Adressaten gegenläufige Regelungen erreichen, die ihn nicht mehr erkennen lassen, welches Verhalten der Staat wünscht, berührt dies den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, ohne daß es auf eine Wirkungsvereitelung ankäme. S. dazu BVerfGE 98, 106, 119; W. Frenz, DÖV 1999, 41, 44f.; A. T. Jobs, DÖV 1998, 1039, 1043; vgl. außerdem C. Degenhart, Staatsrecht, Rnm.347, 356f.; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 74. C. Bumke (ZG 1999, 376, 383) trennt zutreffend bundesstaatliche und rechtsstaatliche Aspekte, verkennt aber, daß auch Wertungswidersprüche rechtsstaatlich einzuhaltende Grenzen sprengen, wenn sie so deutlich hervortreten, daß der Adressat nicht mehr wissen kann, was der Staat von ihm will. Ausführlich dazu das 7. Kapitel. 194 BVerfGE 36, 193, 202f.; 61, 149, 204; 67, 299, 321; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.53 zu Art.70;M. Rodi, StuW 1999,105,113;/?. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 32 zu Art. 70. Versuche, das Gegenteil zu begründen und Doppelzuweisungen als ein Problem der Normkonkurrenz zu behandeln, finden sich bei C. Pestalozza (DÖV 1972,181, 190) und P. Lerche (JZ 1972, 468, 471). Dazu Näheres im 4. Kapitel, II. Die Ausführungen von T. Maunz (in: Maunz/Dürig, GG, Rn.42 zu Art. 70) beziehen sich dagegen auf mehrere Zuständigkeitstitel zugunsten des Bundes.

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legenheiten, wo Bundes- und Landesgesetzgeber unvereinbare Konzeptionen entwickeln können, von vornherein begrenzt. Vor allem dort, wo Regelungen Bezüge zu verschiedenen, unterschiedlich zugeteilten Rechtsgebieten aufweisen, an den Schnittstellen dieser Rechtsgebiete also, findet sich Platz für die Kollision unvereinbarer Regelungskonzepte. Seltener wird es auch dann dazu kommen, wenn Bund und Land vom gleichen Kompetenztitel Gebrauch machen. Im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit gemäß Art. 72 GG erscheint dies möglich, sofern im Bundesgesetz keine abschließende Regelung i. S. von Art. 72 Abs. 2 GG erblickt werden kann; im Bereich der Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 GG kann es zur Kollision kommen, wenn das Land sich an die Grenzen des gezogenen Rahmens begibt - je nachdem, mit welcher Strenge man die Wahrung des Rahmens prüft. 1. Das Aufeinandertreffen von Steuerkompetenz und Sachzuständigkeit Die möglicherweise wichtigste Konstellation eines Gegeneinanders zweier Regelungskonzeptionen findet sich im Aufeinandertreffen eines Landessteuergesetzes und einer Bundessachregelung; doch kann sich eine solche Konfliktlage auch im umgekehrten Verhältnis entwickeln. Die Wirkungsbeeinträchtigung ist ebenso wie ein Auseinanderfallen von Ziel und Mitteln besonders bei der Begegnung sogenannter Lenkungssteuern (vor allem gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG) mit entsprechenden Sachregelungen (nach irgendeinem Titel bundesgesetzgeberischer Zuständigkeit) häufig vorgezeichnet: während die Sachgesetzgebungsbefugnis abgestimmten Regelungskonzepten mit einer gestuften Ordnung verschiedener Einsatzmittel Raum bietet, bedient sich der Steuergesetzgeber eines einzigen Mittels: der Abgabenlast, das auch die Verwirklichung von Interessenausgleichen kaum zu leisten vermag. 195 Ausnahmeregelungen, mitunter zugunsten einzelner Betroffener in den Lenkungssteuergesetzen enthalten, schwächen dies allenfalls ab. Eine Kongruenz der Gesetzesziele wird deshalb hier selten aufzufinden sein, wogegen eine Beeinträchtigung des sachgesetzgeberischen Instrumentariums häufig befürchtet werden muß. Dennoch sind auch gegenteilige Fälle, in denen sich die Begegnung als unproblematisch herausstellt, vorstellbar 196: dies insbesondere dann, wenn die sachgesetzgeberische Betätigung zu keinem abgeschlossenen und ausgewichteten Instrumentarium der Problemlösung geführt hat, sondern in Regelungen besteht, deren Ziel eng, als die Vermeidung eines unerwünschten Verhaltens definiert ist und deren Herangehensweise in ihrer Stringenz dem Charakter einer eindämmenden Lenkungsabgabe verwandt ist. Der hier erörterte Fragenkreis, vor allem die Unzulässigkeit jeder Einwirkung in einen fremden Zuständigkeitsbereich durch Lenkungssteuern, stand schon seit ei195 Vgl. auch W. Frenz, DÖV 1999, 41, 47f.; K.H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steueigesetze, S. 35; P. Kirchhof, in: FS Friauf, S.669, 679; H. List, BB 2000, 1216, 1217f. (speziell zum Umweltrecht). 196 W.Frenz, DÖV 1999,41,48.

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ner geraumen Zeit i m Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Diskussion 1 9 7 über die rechtlichen Grenzen des Abgabeninterventionismus. Daß Lenkungsabsichten grundsätzlich durch Steuernormerlaß verfolgt werden dürfen 1 9 8 , stand dabei allerdings ebensowenig in Frage wie die Notwendigkeit der Beschränkung solcher Steuerungsmöglichkeiten angesichts der bestehenden Beeinträchtigungsgefahr. Wie diese Beschränkung kompetenzrechtlich geschehen sollte, blieb indes streitig. U m disparate Wirkungen von Lenkungssteuer und Sachregelung auszuschließen, dürfe - so die Antwort zahlreicher Stimmen i m Schrifttum - zum Lenkungssteuererlaß nur befugt sein, wer auch die Sachzuständigkeit für den betreffenden Bereich besitzt. 1 9 9 Eine weitergehende Ansicht sah den Erlaß der Lenkungssteuer schließlich allein von der Sachgesetzgebungsbefugnis umfaßt. 2 0 0 Das BVerfG lehnte beides a b 2 0 1 , solange die Steuer nicht erdrosselnd, d. h. verbotsgleich w i r k t . 2 0 2 I m Be197 Aus der Fülle der Literatur: H.-W. Bayer, StuW 1972,149; E. Benda, DStZ 1973,49,52; K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S.25ff.; ders., GewArch 1996, 265; H.-G. Henneke, ZG 1998, 275, 286ff.; W.Jakob, in: FS Offerhaus, S.65, 73ff.; W.Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 139ff.; C. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, S.41 f.; B. Pieroth, WiVerw 1996, 65; M.Rodi, StuW 1999, 105; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160ff.; H. Spanner, StuW 1970, 377; C. Starck, in: FS Wacke, S. 193; K. Vogel, JbFSt 1968/69, 225, 230 - jeweils m. w. N. 198 BVerfGE 93,121,148; 98,106,117. Es soll dabei auch keine Rolle spielen, ob eine Lenkung Haupt- oder Nebenzweck ist, sofern noch der Rest einer Finanzierungsfunktion auszumachen ist-vgl. E98,106,118 und bereits E55,274,299. s. mch A.T.Jobs, DÖV 1998,1039, 1040; K. Konrad, BayVBl. 1997, 353, 355; H. List, BB 2000, 1216, 1217; M. Rodi, StuW 1999, 105, 106. Wenn K.H. Friauf (Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 17) schreibt, ein Steuernormerlaß liege nicht vor, „wenn der finanzielle Zweck von dem wirtschafts- oder sozialpolitischen vollständig überlagert wird und sich bei objektiver Betrachtung als reine Scheinmotivation erweist", so besagt das nur, daß es sich bei derartigen Bestimmungen um Sachgesetzgebung - in Gestalt sog. Sonderabgaben - handelt. Es geht weniger um das Dürfen überhaupt, sondern eher darum, wer darf. Welches strenge Maß an die Zulässigkeit von Sonderabgaben anzulegen ist, ist die nächste sich hieraus ergebende, noch nicht abschließend geklärte Frage. S.P. SelmerIC. Brodersen, DVB1. 2000, 1153,1161 ff. m. w.N. 199 Sog. „Doppelkompetenztheorie": K.H. Friauf, GewArch 1996, 265, 270; ders., in: Fischer (Hrsg.), Steuervereinfachung, S. 85,88; A. Gern, NVwZ 1995,771,772; P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 88 Rn. 56; W. Kluth, DStR 1998,892,893; K. Konrad, BayVBl. 1997, 353, 355; C. Moench, WiB 1994, 970, 972; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1105; für den Fall des außerfiskalischen Hauptzwecks auch H. Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 3,3. Auflage, Rn.9 zu Art. 105; C. Pestalozza, StuW 1972, 81, 87; ähnlich auch E. Benda, DStZ 1973, 49, 52. Auch BVerfGE 14, 76, 99 läßt sich in diese Richtung verstehen. 200 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1062 (für echte Lenkungssteuern, bei denen die Einnahmeerzielung nur ein Beiprodukt ist); K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 87 Rn. 52; ähnlich H.-W. Bayer, StuW 1972, 149, 152 für Lenkungssteuerregelungen im Hinblick auf Befreiungen. Gegen diesen Ansatz P. Selmer, FinArch n. F. 52 (1995), 234, 238 f. 201 BVerfGE 98, 106,118; vgl. auch E13, 181,196f.; 14,76,99 (noch mit einer Einschränkung im Fall eines nichtfiskalischen Hauptzwecks); 16, 147, 162; 36, 66, 70; 38, 61, 78; BVerwGE 96,272,289; VGH Kassel KStZ 1996,94,96. Dazu auch K.H. Friauf, Verfassungs-

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

reich gemeindlicher oder landesrechtlicher Lenkungssteuern verblieb somit ein weites Feld dafür, durch Verfolgung außerfiskalischer Absichten in Konzepte des Bundesgesetzgebers einzugreifen. 203 Doch auch jene Autoren, in deren Augen die Steuergesetzgebungskompetenz gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG für den Erlaß einer Lenkungssteuer mit außerfiskalischem Hauptzweck genügte204, waren gezwungen, Korrekturmöglichkeiten für den Fall der Kompetenzzusammenstöße zu entwerfen. Zur Diskussion gestellt wurde neben dem Institut der Bundestreue als allgemeine Grenze einer mißbräuchlichen Zuständigkeitsausübung205 die Herleitung eines Beeinträchtigungsverbots aus den Kompetenzvorschriften selbst.206 Der Doppelkompetenztheorie steht dieser zweite Vorschlag sehr nahe, als ein hinüberwirkender Lenkungssteuererlaß auch danach nur möglich ist, wenn beide Zuständigkeiten in einer Hand vereint sind. 207 Von beiden Ansätzen wird an späterer Stelle noch zu sprechen sein. 208 Zu dieser Kategorie der Lösungsansätze zählt nunmehr auch der vom BVerfG ins Spiel geworfene Gedanke der Widerspruchsfreiheit. 209 Aus diesem Grund wurde die Beschränkung dieses Begründungsmusters auf die Lenkungssteuerkonstellationen zunächst erwartet und gefordert 210, die allerdings - mit dem Rekurs im Urteil zum BaySchwHEG - nicht stattfand und auch von den Untergerichrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S.26f. (gleiche Maßstäbe für Bund und Land!). 202 BVerfGE 16, 147, 161; 29, 327, 331; 31, 8, 23; 38, 61, 81; 98, 106, 118; BVerwGE 96, 272, 288; VGH Kassel KStZ 1996, 94, 96; auch T. Gas, SächsVBl. 1998, 229. 203 Vgl. F. Kirchhof, DVB1. 2000, 1166, 1169. 204 G. C. Biletzki, BayVBl. 1996, 301, 303; W. Jakob, in: FS Offerhaus, S. 65, 74; H.D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 15; VK Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 139; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 24 zu Art. 105; B. Pieroth, WiVerw 1996,65,73 f.; C. Starck, in: FS Wacke, S. 193,210; C. Trzaskalik, in: Verhandlungen des 63. DJT, Bd. I, E37f.; mit Einschränkungen auch K.H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 19. 205 P SelmerIC. Brodersen, DVB1. 2000, 1153, 1157; C. Starck, in: FS Wacke, S. 193, 210; auch BVerwGE 96,272,292. Dazu ausführlich das 10. Kapitel, dessen Verständnis die Lektüre des 4. und 5. Kapitels voraussetzt. 206 K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S.28; W. Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 143; ähnlich auch P. Selmer, FinArch n. F. 52 (1995), 234,239. Gegen Lösungen dieser Art wendet sich C. Trzaskalik, in: Verhandlungen des 63. DJT, Bd.I, E34. Dazu ausführlich das 4. Kapitel. 207 Während bei Knies (Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 139) die Unterschiede besonders stark heraustreten, verschwinden sie in der Darstellung von Friauf (GewArch 1996, 265, 269 f.) fast völlig und erscheint die Korrektur mit Hilfe der Bundestreue als eigentlich entgegengesetzte Ansicht. Der Unterschied zur Doppelkompetenztheorie liegt jedoch darin, daß es sich bei jener um eine Figur der kompetenzrechtlichen Zuordnung, bei den anderen Lösungen um Schranken der Kompetenzausübung handelt. 208 s. unten 4. Kapitel, III. und IV. 209 H.-G. Henneke, ZG 1998, 275, 293; W. Jakob, in: FS Offerhaus, S.65, 74f.; K. Konrad, DÖV 1999, 12, 16; H. List, BB 2000, 1216, 1217; M. Rodi, StuW 1999, 105. 210 J.Lege, Jura 1999, 125, 128; R. SchmidtIL. Diederichsen, JZ 1999, 37, 38; vgl. auch das Sondervotum der Bundesverfassungsrichter Papier, Graßhof und Haas, in: BVerfGE 98, 329, 349.

2. Kap.: Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen

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ten nicht mitgetragen wurde. Die nachfolgenden Situationen beweisen, daß auch in anderen Zusammenhängen die zu besprechenden Verfassungsprobleme im Grunde in identischer Weise bestehen. Die Frage nach dem Erfordernis einer Doppelkompetenz mündet in die allgemeine Problematik des kompetenzrechtlichen Umgangs mit Einwirkungen in einen fremden Zuständigkeitsbereich auf dem Gebiet der Gesetzgebung innerhalb des Bundesstaats.211 Sie nur in diesem Fall anzunehmen, löste nur einen Ausschnitt aus einem umfassenden Problem und verdeckt das Eingebundensein dieses Ausschnitts in einen kompetenzrechtlichen Gesamtzusammenhang. 2. Das Aufeinandertreffen von Strafrechtskompetenz und Sachzuständigkeit Gelegenheit für den Widerstreit zweier Konzeptionen in einer der beschriebenen Formen liefert auch das Auseinanderfallen der Kompetenzen für eine bestimmte Materie als Sachregelungsgegenstand und für die Strafnormen, die in diesem Bereich die Unterschreitung des Mindestgebotenen sanktionieren. Ein und derselbe Problemkreis gerät auch hier unter Umständen in die Hände verschiedener Normgeber. 212 Zum Erlaß strafrechtlicher Vorschriften ist der Bund im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG befugt. Unter den Zuständigkeitstitel „Strafrecht" fällt dabei zunächst das hergebrachte Kriminalstrafrecht, Normen also zur Sicherung des unverzichtbaren ethischen Minimums. 213 Daß - seit langem und einhellig 214 - das Ordnungswidrigkeitenrecht hinzu gerechnet wird, vergrößert das Feld möglicher Konflikte erheblich. Dem Bund steht es frei, neue Straftatbestände zu schaffen und an Regelungen außerhalb des Strafrechts zu knüpfen, ohne dabei an die Zuständigkeiten aus der Kompetenzordnung gebunden zu sein. 215 Doch gilt, daß er Landessachzuständigkeiten auf diesem Weg nicht beeinträchtigen darf. 216 Da Strafrecht und Sachregelung somit kompetenziell grundsätz211

K.H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 29. 212 K.H. Friauferkannte die Nähe dieses Fragenkreises zum dargestellten Konflikt zwischen Sach- und Steuergesetzgebung (Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S.29f.). 213 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 10 zu Art. 74; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 64 zu Art. 74; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 131. 214 BVerfGE 23, 113, 123; 27, 18, 23; 29, 11, 16; 45, 272, 288; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 10 zu Art. 74; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn.65 zu Art. 74; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 131. 215 BVerfGE 23,113,124; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 10 zu Art. 74; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 66 zu Art. 74; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 133; R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn.21 zu Art. 74. 216 BVerfGE 13,367,373; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 10 zu Art. 74; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rnrn.66 und 69 zu Art. 74; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn.5 zu Art. 74; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 133.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

lieh selbständig verortet sind 217 , kann es sich unter Umständen zutragen, daß das Bundesstrafrecht Verstöße gegen Landesrecht sanktioniert. 218 Um Einwirkungen auf die Sachgesetzgebungszuständigkeit auszuschließen, wurde in der Vergangenheit für die Konstellation eines solchen erforderlichen Zusammenspiels von Strafund Sachgesetz ein Übergang der Strafnormkompetenz kraft Sachzusammenhangs in die Hände des Sachgesetzgebers gefordert. 219 Auch in dieser Diskussion, die bis ins vorletzte Jahrhundert zurückreicht 220, war der Ruf nach dem Erfordernis einer Doppelkompetenz vereinzelt vernehmbar. 221 Dem folgte das BVerfG 222 nicht. Wenngleich sich die Diskussion um die Frage einer Beeinträchtigung, verstanden als unzulässige Einmischung in den Sachkompetenzbereich, bewegte, ist dahinter stets auch ein Moment des Widersprüchlichen sichtbar: beeinträchtigt wird eine Sachregelungsbefugnis, wenn die strikte, intensiv eingreifende Strafnorm Bewegungsräume schließt, die der Landesgesetzgeber unversperrt lassen oder in schonenderer Weise behandeln wollte. 223 Die Einschätzungen beider Gesetzgeber über die Notwendigkeit des Strafnormerlasses als ultima ratio 224 , damit letztlich über dessen Verhältnismäßigkeit, können unter Umständen auseinanderklaffen. Die Pönalisierung eines Verhaltens, das nach dem fremden Konzept sanktionslos bleiben oder erlaubt sein sollte 225 , und das in diesem möglicherweise in irgendeiner Form eine eigene Rolle spielt, verschärft in feststellbarem Maß die Handlungsmittel, trotz des möglicherweise identischen ins Auge gefaßten Zwecks. Der Eingriff des Strafgesetzgebers kann das Bemühen der sachzuständigen Legislativkompetenz hinfällig werden lassen. Sah man bislang im Nebeneinander von Straf- und Sachnormen die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder gefährdet 226, so deutete sich im Fall BVerfGE 98, 265 227 in einer außergewöhnlichen Konstellation erstmals die Möglichkeit des Ge217 C. Degenhart, Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 10 zu Art. 74; C. Pestalozza, in: von Mangoldt/ Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Auflage, Rnrn.85f. zu Art.74. 218 T.Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rnm. 66 und 69 zu Art. 74; B.Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Rn. 5 zu Art. 74. 219 E.Dreher, NJW 1952,1282; W. Patzig, DÖV 1956,261,265; vgl. auchK.H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S.30. 220 Siehe statt vieler H. Triepel, in: FG Laband, Bd. II, S. 247, 299 f. m. w. N. und die umfangreichen Nachweise bei K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 29 (dort in Fn. 82) sowie bei H. Schneider, NJW 1965,937,941. 221 G. Wolf, DVB1. 1962, 663, 664. 222 E23, 113, 125. 223 Vgl. H. Schneider, NJW 1965, 937, 941. 224 R.Breuer, DÖV 1987, 169, 177. 225 Vgl. H. Schneider, NJW 1965, 937, 941; auch G. Wolf, DVB1. 1962, 663, 665. 226 Vgl. C. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Auflage, Rn.81 zu Art. 74 (dort Fn. 166). 227 Siehe 1. Kapitel, III.

2. Kap.: Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen

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genteils an 2 2 8 : wenn man mit dem BVerfG allen Zweifeln zum Trotz 2 2 9 die Sachregelungen des Bundes kraft Sachzusammenhangs mit dem Strafrecht 230 (!), auch soweit sie schweigen, als kompetenzgerechtes Normkonzept begreift, so konnte man erkennen, daß dieses ein Stück weit in Gefahr zu geraten drohte durch standesrechtliche Strafbestimmungen des Landes, die als flankierende Sanktionsvorschriften den Regelungen aus dem Bereich der Landessachzuständigkeit hinzugefügt waren. 2 3 1 Bei Zuständigkeiten konkurrierender Art (nach Artt.72, 74 GG) muß dabei allerdings beachtet werden, daß oftmals abschließende Bundessachnormierungen landesgesetzgeberischen Unternehmungen den Weg versperren. 232 Ob dies auch kompetenztitelübergreifend gilt mit der Folge, daß Bundessachregelungen aus einem Bereich des Art. 74 G G Landesstrafregelungen aufgrund eines anderen Kompetenztitels auszuschließen vermögen, wenn beide Bereiche sich schneiden, bleibt an späterer Stelle zu beantworten. Fehlende Strafregelungen weisen beiderseits auf den Willen, es bei einem unsanktionierten Verbot zu belassen. A n der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Sachgesetzgebung tritt als ein weiteres Problem die Frage des gespaltenen Rechtmäßigkeitsbegriffs auf. 2 3 3 Auch dort wichen Wertungen des Strafrechts und des Verwaltungsrechts voneinander ab und 228 Um mehr als eine Andeutung dieser Konstellation handelt es sich deshalb nicht, weil seitens des Landes die entscheidenden Bestimmungen, hinsichtlich derer von Widersprüchlichkeit gesprochen wurde, nur standesrechtlich sanktioniert waren. Daß standesrechtliche Sanktionsvorschriften dem Strafrechtstitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nach dessen streng begrifflicher Deutung eigentlich zugehören müßten, äußert C. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Auflage, Rn.71 zu Art. 74. 229 s. o. 1. Kapitel, III., 2.; außerdem W. Rüfner, ZG 1999, 366, 368 ff. 230 BVerfGE 98, 265, 302; eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache erwägt W. Rüfner (ZG 1999, 366, 371), da hier möglicherweise nur der einheitliche Schutz eines wichtigen Rechtsguts ein wirksamer Schutz wäre. 231 Zumindest unter Zugrundelegung der vom BVerfG (E98, 265, 324) aufgestellten Behauptung, daß die Offenlegungspflicht beim Arztgespräch das Freiwilligkeitsmoment, für welches sich der Bundesgesetzgeber hinsichtlich der Konfliktberatung entschieden hatte, insgesamt gefährdet. In der Sanktionsdrohung gegenüber dem Arzt gemäß Art. 11 BaySchwHEG i. V. m. §§ 60ff. BayHKaG findet sich damit eine Landesstrafbestimmung, die dem Sachkonzept des Bundes in Gestalt der §§219 StGB, 5 SchKG zuwiderläuft, s. dazu oben 1. Kapitel, III. Hinsichtlich der Einnahmenquotierung fehlte es an der Sanktionsbestimmung im Landesrecht (vgl. Art. 10 BaySchwHEG). 232 C. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Auflage, Rn. 92 zu Art. 74; ferner E. Göhler, OWiG, Rn. 10 zu § 2\T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 68 zu Art. 74. 233 s. dazu beispielsweise im Zusammenhang des Umweltstrafrechts M. Jünemann, UPR 1997,399; F. Ossenbühl, in: Verhandlungen des 57. DJT, Bd.II, L36; ders./M. Huschens, UPR 1991,161; R. Scheele, Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht, insbes. S.57ff.; J. Wasmuth/M. Koch, NJW 1990,2434,2440; in anderem oder allgemeinem Kontext/?. Breuer, DÖV 1987, 169; R. Felber, Die Rechtswidrigkeit des Angriffs in den Notwehrbestimmungen, S.77ff.; D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 16 ff., 57 ff., 233 ff., 294ff., 336 ff. „Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht" war auch Beratungsgegenstand der Staatsrechtslehrertagung 1990, vgl. VVDStRL 50 (1991), S. 196 ff. mit den Referaten von Schröder und Jarass.

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lösten eine breite Diskussion über Einheit und Widerspruchsfreiheit in einer Rechtsordnung aus. Im Unterschied zu den hier betrachteten Fällen ging es aber nicht um den Konflikt gesetzgeberischer Konzeptionen (d. h. um unvereinbare Handlungsziele oder -instrumente bzw. vereitelte Wirkungen): mit der Uneinheitlichkeit des Rechtswidrigkeitsurteils wurde ein punktuelles Einzelmoment verschiedener Regelungssysteme (die Grenze des Erlaubten) herausgegriffen und dem entsprechenden Moment des anderen Normwerks gegenübergestellt. Sinn hat dies aufgrund der überragenden Bedeutung des Normierungsmerkmals Rechtmäßigkeit für den einzelnen. Mit der Frage von Unvereinbarkeiten im Bund-Länder-Verhältnis hat sich diese Problematik bislang ebenfalls nicht berührt. Die Unstimmigkeiten entstammten dem Tätigkeitsfeld ein und desselben Gesetzgebers, was nicht heißen soll, daß die Möglichkeit des gemeinsamen Auftritts beider Probleme in der Zukunft ausgeschlossen wäre.

3. Die Divergenz zweier Abgabennormen Abgabennorm und Sachnorm können kollidieren, weil Abgabennormen auf einen bestimmten Lebensbereich zugreifen, den sie nicht regeln, sondern nur finanziell in Anspruch nehmen. Sie dulden oder erfordern die Sachregelung neben sich, erzeugen aber selbst - gewollt oder ungewollt - bestimmte Wirkungen durch ihren Einfluß auf das Verhalten der Steuerschuldner, welche die Abgabenpflicht vermeiden wollen und Vergünstigungen erstreben. Auch zwei Abgabenregelungen können deshalb in Konflikt geraten, wenn der Zweck einer von ihnen einen Sachbezug aufweist, indem er beispielsweise bestimmte Sachverhalte aus diesem oder jenem sozialpolitischen Grund verschont. Die Kernfrage, über die in diesem Zusammenhang diskutiert wurde, lautete, ob der Landesgesetzgeber Steuerlasten an Tatbestände knüpfen darf, die das Bundesrecht in irgendeiner Form privilegiert. 234 Die Schwierigkeiten dieser Problemlage resultieren wiederum aus einer möglichen Beeinträchtigung, sind also bundesstaatlich, nicht rechtsstaatlich geprägt. 235 So besteuerten Kommunen Filmtheaterbesuche bzw. den Filmtheaterbetrieb, während § 12 Abs. 2 Nr. 7 b UStG für kulturelle Veranstaltungen dieser Art unter bestimmten Voraussetzungen den Umsatzsteuersatz mindert. 236 Auch kommunale Zweitwohnungssteuern wurden in einem Konflikt gesehen237 mit Vergünstigungen des EStG für die Schaf234

P. Selmer, DÖV 1974, 374, 378 ff. m.N. für beide Standpunkte. Um rechtsstaatliche Fragen geht es dagegen im Konflikt von Steuerrecht und Strafnorm, wenn beispielsweise eine Landessteuernorm in irgendeiner Weise ein verbotenes Verhalten zugunsten ihres Adressaten berücksichtigt. Im Bund-Länder-Verhältnis ist es dazu bisher nicht gekommen. Vgl. T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 235. 236 Dazu VGH Mannheim KStZ 1972,74,76; G. Bauer-Wild, BB 1973,512,513; R Selmer, DÖV 1974, 374, 379. 237 Vgl. dazu BVerwGE 111, 122; OVG Lüneburg NVwZ-RR 1999, 790, 791; G. BauerWild, BB 1973, 512, 515; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 235; J. Lege, Jura 1999, 125, 128. 235

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fung von eigenem Wohnraum bzw. mit der Absetzbarkeit von Kosten einer doppelten Haushaltsführung. 239 In diesen Fällen trifft die sozialpolitisch motivierte Verschonung durch den Bund auf eine ungebremste Abgabenlast des Landes bzw. der Kommune, deren Motiv rein finanzwirtschaftlicher Art ist. Ebenfalls vorstellbar, bislang aber unerörtert geblieben, ist die umgekehrte Fallgestaltung. Wie die Steigerung dieser Schwierigkeiten mutet es an, wenn sich eine Abgabenpflicht an Unternehmungen und Verhaltensweisen knüpft, die der andere Legislativkompetenzträger - direkt oder indirekt - subventioniert. 240 Auch hier hat es seine Ursache in der Kompetenzverteilung, daß Widersprüchlichkeiten der geschilderten Art auftreten können. Zwar sind innerhalb der konkurrierenden Zuständigkeit des Art. 105 Abs. 2 GG gegenläufige Gestaltungen insofern unwahrscheinlich geworden, als der Bund die entsprechenden Titel des Art. 106 GG und viele von Art. 105 Abs. 2 GG zusätzlich erfaßte Besteuerungsmöglichkeiten umfänglich in Anspruch genommen und erschöpft hat, womit sie jeder landesgesetzgeberischen Betätigung verschlossen bleiben. Doch besitzen die Länder - bzw. im Fall der Delegation die Kommunen - nach Art. 105 Abs. 2 a GG eine ausschließliche Zuständigkeit für Aufwand- und Verbrauchsteuern 241, deren Grenze sich im Verbot der Gleichartigkeit mit Bundessteuern findet. Dieses Gleichartigkeitsverbot 2 4 2 ist nicht imstande, die Hintertreibung bundesgesetzlicher Vergünstigungen durch unverminderte Landessteuerpflichten auszuschalten.243 Als Instrument der Korrektur wurde, wie im Konflikt von Sach- und Steuernorm, das Gebot der Bundestreue vorgeschlagen. 244 Dessen Einsatz blieb nicht ohne Zweifel: zu großzügig angewendet, drohte es landesstaatliche Gestaltungsräume in hohem Maß zu verengen. 245 Wie nah der bundesstaatlich gebotene Schutz vor Beeinträchtigungen durch die Aktivitäten einer fremden Legislativkompetenz und die Gefahr eines bundesstaatswidrigen Uniformitätszwangs 246 beieinander liegen, tritt hier in aller Deutlich238 Vgl. §§ 7 b EStG, 82 f II. WohnungsbauG, die inzwischen ihre Bedeutung verloren haben; s. W. Drenseck, in: Schmidt, EStG, Rn. 1 zu §7b; M. Troll, Grundsteuergesetz, S.581 f. 239 Vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG. Zur Behandlung der Zweitwohnung nach dieser Norm BFHE 182, 243, 247. 240 Als Beispiel wurde die Einführung einer Energiesteuer zur Verminderung des CO2-Ausstoßes genannt, die mit der vom Bund geleisteten Steinkohlesubventionierung konfligiert. Ein solcher Konflikt, sein Möglichwerden im bundesstaatlichen Verhältnis unterstellt, wäre allerdings nur indirekter Art und beträfe den Fall einer Lenkungssteuer. Siehe T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 235; A.T. Jobs, DÖV 1998, 1039, 1045ff. 241 D.Birk, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Bd.2, Rn. 16 zu Art. 105; P. Selmer, DÖV 1974, 374, 379; H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.31 zu Art. 105. 242 Dazu VGH Mannheim KStZ 1972, 74, 76; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 231 f. 243 P. Selmer, DÖV 1974, 374, 379. 244 D. Bökelmann, DÖV 1973, 631, 637 - im von ihm durchleuchteten Fall verneinend; weitere Nachweise bei P. Selmer, DÖV 1974, 374, 379. Von einem Verbot aufgrund der „Kompetenzverteilung" geht F. Klein (Gleichheitssatz und Steuerrecht, S. 194) aus. 245 Vgl. P. Selmer, DÖV 1974, 374, 380. 246 P. Selmer (DÖV 1974, 374, 379): „Die Länder haben dementsprechend bei der Ausgestaltung ihres Verbrauch- und Aufwandsteuerrechts grundsätzlich auch keine Homogenitäts-

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keit heraus. Um jedes verfassungsunverträgliche Übergewicht des föderalen oder des unitarischen Elements auszuschließen, bleibt die Grenzfindung trotz dieser Schwierigkeit unerläßlich.

4. Die Divergenz zweier Sachregelungen Daß zwei Sachregelungskonzepte in einem Konflikt zueinander stehen können, wurde im Fall der Bioabfallkompostierung 247 deutlich. Beispiele für Gegenläufigkeiten dieser Art finden sich auch auf anderen Feldern des öffentlichen Rechts.248 Im Grenzbereich von Bauplanungs- und Raumordnungsrecht, Bergrecht und Naturschutzrecht verfälscht der Landesgesetzgeber die vom Bund gezielt gestellten Anforderungen, wenn er mittels eines Abgrabungsgesetzes die Voraussetzungen für bergrechtsirrelevante Abgrabungen um Merkmale wie „Sparsamkeit" oder „Nachhaltigkeit" anreichert. 249 Nah verwandt erscheint die Problematik der Anforderungsausdehnung durch landesrechtliche Erschließungsvorschriften. 250 Besonders intensiv erörtert wurde weiterhin ein unvereinbares Gegenübertreten von Landesrundfunk- und Bundeskartellrecht in einer Reihe von Situationen.251 Dort überschnitt sich das Problem der unvereinbaren Konzepte sowohl mit den Schwierigkeiten der kompetenzrechtlichen Qualifikation als auch mit dem Fragenkreis, wie durch systematische Normauslegung Anwendungskollisionen zu verhindern sind. Eine im rundfunkrechtlichen Kontext erlassene Landesnorm förderte die Zusammenarbeit privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, während kartellrechtliche Bundesregelungen sie verboten. 252 Der nahe Zusammenhang zum Gesichtspunkt der kompetenzrechtlichen Qualifikation tritt hier besonders deutlich hervor. Widersprüche zwischen Sachregelungskonzepten sind zum einen kompetenztitelübergreifend möglich, wenn die auseinanderlaufenden Regelungen auf verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften beruhen. Dann handelt es sich meist um punkpflichten in dem Sinne, daß sie von vornherein verbindlich auf die in der Bundesgesetzgebung zum Ausdruck kommenden wirtschafts- und sozialpolitischen Wert- und Zielvorstellungen festgelegt sind." 247 OVG Münster DVB1. 1998, 1234. s.o. 1. Kapitel, IV, 2. 248 Ein Beispiel für die gleiche Konfliktlage im amerikanischen Verfassungsrecht gibt H. G. Rupp, in: FG Schmid, S. 141, 146 f. 249 C. Degenhart, UTR 54 (2000), 211, 225. 250 BVerwGE 89, 222, 227: landesrechtliche Erschließungsvorschriften dürften „das Bundesrecht lediglich »ergänzen4 [...], nicht hingegen derart unterlaufen, daß [sie] ohne überzeugende Gründe die vom Bundesrecht gestellten Anforderungen - genauer: die vom Bundesrecht im Interesse der Bebaubarkeit von Grundstücken geübte Zurückhaltung - leerlaufen" lassen. 251 Vgl. dazu den Beschluß des Bundeskartellamtes ZUM 1989,477; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, passim; F.-J. Peine, NWVB1. 1990, 73. 252 H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.2ff.; F.-J. Peine, NWVB1. 1990, 73 f.

2. Kap.: Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen

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tuelle Überschneidungen in der Form, daß Normen hinsichtlich eines Einzelaspekts und möglicherweise auch nur hinsichtlich einer kleinen Zahl der ihnen unterfallenden Sachverhalte Anforderungen unabgestimmt modifizieren oder gegenläufige Rechtsfolgen bestimmen. Die Durchkreuzung einer Normwirkung wird hier gegenüber folgenlosen Differenzen im Vordergrund stehen. Daß rechtsstaatliche Belange dennoch eine Rolle spielen, zeigt der Fall des Kartellrechts: bundesrechtlich sollte dort nicht gelten, was nach Landesrecht möglich sein mußte. Kompetenztitelübergreifende Konflikte entstehen an den Nahtstellen der Legislativzuständigkeitstitel (Artt. 73 bis 75 GG), wo ein und derselbe Sachverhalt gleich starke Bezüge zu zwei Titeln besitzt, die nicht den gleichen Kompetenzträger zur Gestaltung berechtigen. Mit Hilfe des hergebrachten kompetenzrechtlichen Instrumentariums wurde zunächst versucht zu vermeiden, daß ein regelungsrelevantes Detail (wie beispielsweise die Zusammenarbeit von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk) in verschiedene Hände gelangt.253 Wo dieser Konsequenz nicht zu entrinnen war, wurde darüber nachgedacht, wie eine Pflicht zur rücksichtsvollen Ausübung der eigenen Zuständigkeit begründet werden kann. Bereits auf der Kompetenzzuordnungsebene begann also die Suche nach einer lex specialis.254 Zugleich wird in solchen Fällen um die Spezialitätsproblematik bezüglich der konkreten Normanwendung gestritten, beispielsweise hinsichtlich eines lex-specialis-Vorrangs des Rundfunkrechts gegenüber den Normen des GWB. 255 Doch sind Spezialitätsverhältnisse ebenso wie die lex-posterior-Regel auf den Binnenraum einer Rechtsordnung beschränkt und im Nebeneinander von Landes- und Bundesrechtsordnung demzufolge unanwendbar. 256 Dagegen ist es durchaus vorstellbar, Sachnormen bei günstiger Beschaffenheit in konfliktvermeidender Weise auszulegen. Die Norm wird dann so interpre253 Vgl. F.-J. Peine, NWVB1. 1990, 73, 77. Dabei sind die kompetenzrechtliche Zuordnung eines Regelungswerks und die Frage seines Anwendungsbereichs auseinanderzuhalten. Bei letzterer geht es um die Subsumierbarkeit eines Sachverhalts unter die jeweilige, den Anwendungsbereich bestimmende Norm. Allein bei deren Auslegung kann das Kompetenzrecht - in Form einer Rücksichtnahmeverpflichtung oder in Form der Bundestreue - eine Rolle spielen. Die Aspekte vermischen sich bei F.-J. Peine, a. a. O., S. 77 und 80. 254 Vgl. W. Brohm, DÖV 1983, 525, 527; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.36; F.-J. Peine, NWVB1. 1990, 73, 77. 255 Diesen Aspekt zieht F.-J. Peine (NWVB1.1990,73,77 und 80) unzulässigerweise auf die Ebene der Kompetenzzuordnung. Er schlußfolgert aus dem Verbot der Doppelkompetenz zunächst richtig, daß für die Ausgestaltung einer Detailfrage nur dieser oder jener Gesetzgeber zuständig sein könne. Doch ist es nicht zu vermeiden, daß unter verschiedenen Gesichtspunkten verschiedene Normkomplexe - auch aus der Hand verschiedener Gesetzgeber - auf einen identischen Sachverhalt anzuwenden sind. (Siehe W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.40). Ob dann eine Norm Anwendung auf ein Geschehnis findet, richtet sich nicht nach der Zuständigkeitsvorschrift, aufgrund derer sie erlassen wurde, sondern nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Anwendungsbereich. Ein Moment dieser Auslegung ist auch die Frage, welche Deutung des Anwendungsbereichs mit bundesstaatlichen Vorgaben vereinbar ist. Zutreffend deshalb OVG Greifswald NJW 1998, 175, 176ff. sowie H.D. Jarass, a.a.O., S.36. 256 OVG Greifswald NJW 1998,175, III f.; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 36.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

tiert, wie es die Berücksichtigung des Bundestreue- bzw. Rücksichtnahmegedankens gebietet.257 Die kompetenzrechtliche Schwierigkeit bedarf in allen verbleibenden Fällen einer kompetenzrechtlichen Lösung. Vorgeschlagen werden dazu abermals das Gebot der Bundestreue 258 und eine in die Zuständigkeitsnormen hineingelesene Grenze, wonach die Zuständigkeit dort enden soll, wo die Beeinträchtigung einer gleichwertigen anderen beginnt.259 Die Nähe zu den anderen Konfliktkonstellationen wird anhand des Lösungsinstrumentariums abermals offensichtlich. Kompetenztitelinterne Unvereinbarkeiten können sich ergeben, wo die Befugnis zur Gestaltung eines Regelungsfeldes beiden Legislativebenen - in konkurrierender Weise oder in Form der Rahmenzuständigkeit - zugewiesen wird. Bei konkurrierender Zuständigkeit ist der Konflikt möglich, wenn der Bund Ausschnitte eines entsprechenden Titels (Art. 74 GG) unberührt ließ und somit keine vollständig sperrende Wirkung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG erzeugte. Das daraufhin geschaffene Landeskonzept kann sich in seinen Zielen und in seinen Mitteln erheblich vom vorhandenen Bundesnormbestand innerhalb desselben Titels abheben. Liegt die abschließende Regelung dagegen vor, kommt es nicht auf Gegensätzlichkeiten an: die Landesvorschrift verstößt dann aufgrund ihrer Kompetenzwidrigkeit gegen das Grundgesetz.260 Die Vielzahl der damit aufgeworfenen Abgrenzungs- und Unterscheidungsfragen wird hier, beim Gegeneinander zweier Sachgesetzgebungskonzepte, am deutlichsten. Ihre kompetenzrechtliche Bewältigung hat deshalb bei diesen Überlegungen anzusetzen. Zuvor gilt es jedoch, die hier betrachteten Konfliktlagen von anderen Erscheinungsformen der widersprüchlichen Normierung abzugrenzen. So können sich auch solche Regelungskonzeptionen unvereinbar gegenüberstehen, die ein und derselbe Gesetzgeber schuf: die beleuchtete Thematik berührt sich an diesem Punkt mit dem Fragenkreis der Systemgerechtigkeit. Die Unterscheidung beider Konfliktlagen zeigt dabei, welche Rolle der föderalistische Aspekt bei der Frage widersprüchlicher Regelungskonzeptionen aus verfassungsrechtlicher Sicht spielt.

257 Wie das Landesrecht in diesem Zusammenhang die Auslegung des Bundesrechts bestimmen kann, um Widersprüchlichkeiten auszuschließen, zeigen - in gänzlich verschiedenen Zusammenhängen - OVG Greifswald NJW 1998, 175, 176ff. und P. LerchelP. Ulmer, Kurzberichterstattung im Femsehen, S. 18. 258 H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.45ff., 50ff.; s. auch W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528. 259 W. Brohm, DÖV 1983,525,528, der allerdings die Bundestreue als Ursprung dieses Maßstabs anerkennt. Dazu auch H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.49f. 260 Obschon auch in manchem dieser Fälle widersprüchliche Konzeptionen auszumachen sind (insbesondere hinsichtlich der Handlungsmittel, da dem Landesgesetzgeber das vom Bund geschaffene Recht in diesen Fällen einer Nachbesserung als nicht wirkungsvoll genug erschien). Vgl. zu den entsprechenden Konstellationen im Baurecht BVerwG NVwZ 1984, 303; R.-P. Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Rn. 25 zu § 29; im Abfallrecht BVerfG NVwZ 2000, 1160 (Lizenz bei Sonderabfällen); dazu R. Schwartmann, DStR 2000, 1364; L.-A. Versteyl, UPR 2000, 297. Weitere Beispiele behandelt P.M. Huber, ThürVBl. 1999, 97.

3. Kap.: Abgrenzungen

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Drittes Kapitel

Abgrenzungen I. Widersprüchliche Konzeptionen desselben Normgebers: Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit Widersprüchlichkeiten der geschilderten Art in Gestalt von Zieldivergenzen, Unstimmigkeiten innerhalb des Handlungsinstrumentariums oder Vereitelungen der Normwirkung können auch dort auftreten, wo ein und derselbe Gesetzgeber unvereinbare Konzeptionen entworfen hat, unter Umständen, ohne sich dessen bewußt zu sein. Im geschilderten Fall der einkommensgestaffelten Kindergartengebühren 261 deutete sich dies (einmal mehr) an: wenn § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII eine einkommensabhängige Staffelung zuläßt und damit das Konzept einkommenssteuerlicher Be- und Entlastungen in Gefahr bringt, so liegen sowohl Störquelle als auch das ins Ungleichgewicht geratene System innerhalb der Bundesgesetze. Ein weiter zeitlicher Abstand zwischen beiden Normierungen, die Zäsur eines Mehrheitswechsels mit Beginn einer neuen Legislaturperiode sowie Fehleinschätzungen hinsichtlich der Normfolgen oder hinsichtlich des bestehenden Rechtsstoffs können dafür Ursachen sein. Angesprochen ist damit der Fragenkreis um das Erfordernis der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit bei einer Neunormierung oder Normänderung. 262 Die Argumente aus der Diskussion hierüber könnten für die hier angestellte Untersuchung nützlich sein, wenn man sich sowohl die Verschiedenheiten als auch das Gemeinsame beider Konstellationen vergegenwärtigt und das seinerzeit Vorgebrachte anhand dessen auf seine Brauchbarkeit für die gegenwärtig zu lösende Frage prüft. 1. Systembrüche und konzeptionelle Unvereinbarkeiten Eine neu eingeführte Bestimmung kann dem vorhandenen Normbestand in der Weise widersprechen, daß sie die Wirkung bestehender Vorschriften bremst oder ausschaltet. Der Struktur nach entspricht dies der beschriebenen Art des Widerspruchs. Die Abweichung kann auch darin bestehen, daß ein bestimmtes Regelungsmuster unvermittelt aufgegeben, eine bisher konsequent umgesetzte Konzeption von einer Einzelnorm durchbrochen wird, indem sie beispielsweise bestehende Vor- und Nachrangigkeiten des vorhandenen Gesetzesinstrumentariums ignoriert oder in irgendeiner anderen Weise vorgezeichnete Weitungen übergeht. Konflikte dieser Art sind vor allem innerhalb unüberschaubar gewordener Rechtsgebiete vorstellbar (häufig zitiert: das Steuerrecht 263), in gleichem Maß auch an den Schnittstellen thematisch ver261

BVerfGE 97, 332. s.o. 1. Kapitel, IV. Ausgewähltes Schrifttum dazu in Fn. 279. 263 E.Benda, DStZ 1984, 159, 162; C. Münch, in: FS Hahn, S.673, 687ff.; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 69. 262

1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

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wandter Regelungsfelder. Systemgerechtigkeit im allgemeinsten Sinn bedeutet dann, daß sich eine gesetzgeberische Entscheidung hinsichtlich ihrer technischen Beschaffenheit, vor allem aber hinsichtlich der ihr innewohnenden Wertung in den gegebenen Rechtsnormbestand fügt. 264 Die regelungstechnische Seite der Systemgerechtigkeit fordert vor allem die Identität der Bedeutung mehrfach verwendeter Begriffe sowie ein mindestnotwendiges Maß an Abgestimmtheit auf die vorgefundene Regelungsstruktur. 265 Bedeutsamer und für die Gegenüberstellung von Konzeption und System ergiebiger erscheint der Systemgedanke in bezug auf die Weitungen, die einem Normgefüge zugrunde liegen und seine Einzelregelungen in ihrem materiellen Kern und hinsichtlich der entsprechenden äußeren Gestalt prägen. Tatbestände und Rechtsfolgen eines Gebiets sind anhand dieser Wertungen konzertiert. 266 Sowohl bei der Gesetzeskonzeption im untersuchten Sinn wie auch bei dem, was als System einer Normierung begriffen werden kann, handelt es sich um die wertungsmäßige Ordnung eines Normbereichs, um ein nach Charakter und enthaltener Entscheidung identifizierbares Regelungsbündel zur Umsetzung eines Problembewältigungsmusters als Ergebnis einer bestimmten Interessengewichtung. Der Bruch mit einer bestimmten Lösungsvorstellung durch Hinzusetzen einer modellfremden Norm, hier als ein Auseinanderklaffen der Handlungsmittel beschrieben, ist zugleich Ausgangspunkt der Systemgerechtigkeitserwägung. Deutlich zeigt sich der gemeinsame Kern auch, wenn man sein Augenmerk auf die mögliche Inkongruenz der Gesetzesziele lenkt: in beiderlei Hinsicht geht es darum, daß eine Neunormierung die bisherige gesetzgeberische Entscheidung, d. h. die den Normen inhärente Interessenbewertung und das dadurch definierte Ziel, durchbricht. 267 Daß es sich bei den Thematiken der Systembrüche und der Vereinbarkeit gesetzgeberischer Konzeptionen dem Kern nach um dasselbe Problem handelt, wird auch dadurch belegt, daß im Kontext der Systemgerechtigkeit schon in der Vergangenheit häufig von gesetzgeberischen „Konzeptionen" gesprochen wurde. 268 264

F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S.25, 52 („Systemerhaltungsgebot"). Zur Bindung des Gesetzgebers an normativ vorgeprägte Ordnungen („Sachgesetzlichkeit") C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 39. 266 v g l a u c h c. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.3; U. Kischel, AöR 124 (1999), 174, 177. F.-J. Peine, (Systemgerechtigkeit, S.51) unterscheidet 14 Verständnisweisen des Systems. Insbesondere die Nm.4, 5, 6 nähern sich dem, was hier als Konzeption vorgestellt wurde. 265

267 Die Nähe beider Fragestellungen gibt VerfGH Rheinland-Pfalz DÖV 1969, 560, 566 (m. Anm. J. Salzwedel, a. a. O., 546) deutlich zu erkennen, wo die Systemgerechtigkeit ausgehend von Zweck und Mitteln geprüft wird. Ähnlich//./. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht I, S. 154. K. Konrad (DÖV 1999, 12, 17) gelangt ohne überzeugende Begründung zum gleichen Resultat. 268 So differenziert H. Maurer (in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], HdBStR III, § 60 Rn. 62) zwischen „konzeptioneller Selbstbindung" und „gesetzlicher Selbstbindung", d. h. der Bindung ausführender Gesetze durch ältere Grundsatzgesetze, s. außerdem BVerfGE 7, 305, 319; 14, 263, 285; C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 19 f., 31, 52; M. Oldiges, NJW 1977, 2062. Vgl. ferner D. Felix, Einheit der

3. Kap.: Abgrenzungen

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Die Akzente der Normbetrachtung unterscheiden sich insofern, als unter dem Gesichtspunkt Systemgerechtigkeit meist das Auftreten einer einzelnen neu entworfenen Norm gegenüber einem bestehenden Regelungsgesamtkomplex untersucht wurde. In den Fällen der Unvereinbarkeit verschiedener Gesetzeskonzeptionen richtet sich der Blick dagegen auf mehrere Gesetzeswerke bzw. Gesetzeskomplexe, die, für sich betrachtet durchaus stimmig, erst im Vergleich miteinander als unabgestimmt erscheinen. Diese Akzentverschiebung rührt zunächst daher, daß Systembrüche innerhalb des Schaffens eines Normgebers gewöhnlich nur im Fall systemwidriger Einzelvorschriften diagnostizierbar sind: sobald hier eine neue, mit früheren Wertungen brechende Gesamtheit von Normen in Kraft tritt, liegt kein Bruch des Systems, sondern dessen Auswechselung vor; mit jeder umfassenden Änderung oder Ergänzung des Rechts variieren die Prämissen, die das Regelungssystem ausmachen.269 Dagegen ist die Gegenüberstellung der gesamten Gesetzeswerke im Verhältnis von Bund und Bundesländern gestattet und zur genauen Ermittelung ihrer Verträglichkeit notwendig. Die Entscheidung zwischen Systembruch und Systemwechsel existiert hier nicht. Der Landesgesetzgeber kann Systeme des Bundes ebensowenig auswechseln oder ergänzen, wie dies umgekehrt möglich wäre. Die Frage der Vereinbarkeit tritt damit klar heraus. Der entscheidende Unterschied beider Probleme liegt folglich in der Identität bzw. Nichtidentität der tätig gewordenen Gesetzgebungskörperschaften. Innerhalb des Wirkens eines Gesetzgebers handelt es sich um die Frage der Selbstbindung aufgrund der Verfassungsmaßstäbe von Gleichheit und Rechtssicherheit. Beim zuerst genannten Verfassungsrechtssatz nahm die Erörterung der Systemgerechtigkeit ihren Ausgangspunkt: Systembrüchen wurde anfangs vor allem unter dem Aspekt von Regel und gleichheitswidriger Ausnahme nachgespürt. Je mehr die Erörterung neben der Gleichheitsfrage unter andere Gesichtspunkte (Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte) geriet, desto deutlicher verschob sich der Betrachtungsschwerpunkt hin zur Thematik der Stetigkeit und Verläßlichkeit gesetzgeberischer Ziele und Wertungen sowie der dafür gewählten Handlungsmittel. Auch innerhalb einer Gesetzgebungsebene konnten unter diesen erweiterten Aspekten Normwerke und nicht allein Einzelbestimmungen verglichen werden. Rechtsstaatswidrige Kontinuitätsbrüche erscheinen gerade bei Systemauswechselungen vorstellbar. Bei Divergenz zwischen den Ebenen des Bundesstaats kommen zur Rechtssicherheit kompetenzrechtliche Aspekte und das Bundestreuegebot; die Gleichheitsproblematik entfällt ebenso wie der Gedanke an einen zulässigen Systemwechsel. Hinsichtlich dessen ist es grundsätzlich gleich, ob Bund oder Land mit den vorgefundenen Wertungen des anderen brechen. Auch die Beschränkungen des Bundes durch die vom Land geschaffenen Normsysteme wurden im Schrifttum bejaht, sofern die Rechtsordnung, S.288 (dort Fn.610); D. Merten, in: Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, §5 Rn. 103. 269 Vgl. H. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60 Rn. 63.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

Voraussetzungen eines verfassungsrelevanten System Verstoßes vorliegen. 270 Ebenso unterscheiden sich Selbst- und Fremdbindung hinsichtlich einer demokratiebezogenen Argumentation: im ersten Fall beschränkt sich ein zur Gesetzgebung legitimiertes Organ selbst, wenn man es trotz sich wandelnder Mehrheiten und ungeachtet personeller Zäsuren durch jede neue Wahl in seiner Kontinuität sieht. Im Fall der Fremdbindung wird ein zur Gesetzgebung demokratisch legitimiertes Organ von einem fremden beschränkt. Die Widersprüchlichkeit im Bundesstaat wirft auch in dieser Hinsicht die größeren Bedenken auf. Widersprechende Gesetzeskonzeptionen werden im Wirkungsfeld eines Gesetzgebers zum Systemgerechtigkeitsproblem. Die Unterschiede im Prüfungsmaßstab und im Herangehen folgen aus dem entscheidenden Unterschied des Prüfungsgegenstandes: dem Aspekt eines Konflikts im bundesstaatlichen Verhältnis. 2. Die Behandlung des Systemgerechtigkeitsgedankens in der Rechtsprechung des BVerfG 271 In frühen Entscheidungen hatte das BVerfG den Systembruch durch eine neugeschaffene Norm für rechtfertigungsbedürftig gehalten, dem Muster des Gleichheitssatzes gemäß also nach einem sachlichen Grund 272 für die Abweichung gesucht. Art. 3 GG war dabei nicht nur das Leitbild, sondern die vorrangige Quelle einer so verstandenen Systemgerechtigkeit. Diese weitreichende Konsequenz schränkte das Gericht alsbald ein: die Systeminkongruenz einer Norm sei das Indiz 273 eines GleichheitsVerstoßes, der allein damit aber noch nicht erwiesen sei. Zurückhaltend äußerte sich das Gericht insbesondere auch bei der Überprüfung rechtsgebietsübergreifender Systembrüche 274: ein sachlicher Differenzierungsgrund für Ungleichbehandlungen könne danach bereits in der Zugehörigkeit der Normen zu verschiedenen Rechtsgebieten liegen.275 Das Gericht prüfte nach eigenem Bekunden nur am 270

C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.42f. und 114. 271 Weiterführende Darstellungen dessen bei U. Battis, in: FS Ipsen, S. 11, 13 ff.; A. Bleckmann, Staatsrecht II, S. 669 ff.; C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.8ff.; F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S.53ff. 272 BVerfGE 13, 331, 340: „...,sachlich gerechtfertigt' im Sinne der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts [...] ist jedoch eine Abweichung in einem Fall, in dem das Steuergesetz die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit aufgibt, nur dann, wenn sie von überzeugenden Gründen getragen ist." Ähnlich BVerfGE 18, 366, 372. Vgl. dazu C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 8 f. Wenn F.-J. Peine (Systemgerechtigkeit, S.57 Fn.85) meint, auch hierbei sei „freilich" die Indizwirkung gemeint, hat er diese, sich seinem Funktionsschema sperrenden Entscheidungen beiseite geschoben. Interessant auch BVerfGE 7,129, 153; 12,264,273 als Vorläufer dieser Rechtsprechung. 273 BVerfGE 18, 315, 334; 24,75, 100; 34, 103, 115; 59, 36,49; 61, 138, 148. Dazu C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.22. 274 Dazu H.F. Zacher, AöR 93 (1968), 341, 354; ausführlich G. Leibholz/H.-J. Rinck/ D. Hesselberger, Grundgesetz, Rnm.57f. zu Art. 3.

3. Kap.: Abgrenzungen

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Maßstab des Grundgesetzes (gemeint war damit die hergebrachte Dogmatik zu Art. 3 GG), nicht losgelöst am Gebot der Systemgerechtigkeit, die Verfassungswidrigkeit einer Regelung. 2 7 6 Vom Gebot der Systemgerechtigkeit schwer zu unterscheiden 277 ist das vom BVerfG neuerdings geprüfte Folgerichtigkeitskriterium. 278 Eine einmal getroffene grundsätzliche Entscheidung für eine bestimmte Normierungsweise in diesem oder jenem Bereich ist danach konsequent auszuführen. Mehr als auf den Gesichtspunkt einer strengen Gleichbehandlung aller vor einem bestimmten Gesetz (die hier meist vorliegt) kommt es darauf an, ob vorgefundenes und neugeschaffenes Recht bruchlos aufeinander abgestimmt sind. Doch kann nach Ansicht des Gerichts auch fehlende Folgerichtigkeit für sich allein keinen Verfassungsverstoß begründen. 3. Der Stand der wissenschaftlichen Diskussion I m Schrifttum werden die Postulate Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit auch heute, nach drei Jahrzehnte währendem Meinungsaustausch, kontrovers beurteilt. 2 7 9 Wenn man an ihrer Verfassungserheblichkeit festhält, beginnen mit der Suche nach dem verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt zugleich die Zweifel über Natur, Umfang und Funktionen 2 8 0 des Gebots. Ausgegangen wird (oft parallel) von 275 Vgl. C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 14,51; U. Kischel, AöR 124 (1999), 174,181; s. auch BVerfGE 11,283,293; 34, 118, 131. 276 BVerfGE 59,36,49; 61,138,149. Doch bleibt die Frage, ob nicht ein bestimmtes Maß an Systemgerechtigkeit vom Grundgesetz verlangt wird und damit Teil seines Maßstabs ist. 277 W. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Rn. 34 zu Art. 3. Zu den Unterschieden D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 282 (dort Fn. 582). 278 BVerfGE 84,239,271; 87,153,170; 93,121,136; s. auch die frühere Gleichsetzung von Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit in E 60,16,43. Aus dem Schrifttum D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 274ff.; P. Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S.38ff., insbes. S.41; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR V, §124 Rnm. 222 ff. 279 Monographisch erörterten die Systemgerechtigkeit C. Degenhart (Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat) und F.-J. Peine (Systemgerechtigkeit). Aus dem übrigen, schwer zu überschauenden Material U. Battis, in: FS Ipsen, S. 12 ff.; E. Benda, DStZ 1984,159,161 f.; M. Bockel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S.32ff.; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 283 ff.; S. Huster, Rechte und Ziele, S.386ff.; R Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR V, § 124 Rnrn.231 ff.; ders., NJW 1987, 2355, 2356; ders., Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S.38ff.; ders., StuW 1984, 297, 301 f.; U. Kischel, AöR 124 (1999), 174; C. Koenig, JuS 1995,313,317f.; K. Lange, Die Verwaltung 4 (1971), 259; D. Merten, in: Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 5 Rnrn. 103 ff.; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 155 ff.; G. Robbers, DÖV 1988, 749, 755 f.; F. Schoch, DVB1. 1988, 863, 878f.; C. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 4. Auflage, Rnrn.44ff. zu Art.3 Abs. 1; R. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 29 f. - meist m. N. des älteren Schrifttums. 280 Überblick über die Funktionen des Topos Systemgerechtigkeit in der älteren Literatur bei F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S.70ff. Über denkbare Anknüpfungspunkte und deren dogmatische Verortung ders., a. a. O., S. 183 ff.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

Art. 3 GG und dem Rechtsstaatsprinzip, letzteres im Hinblick auf Vertrauensschutzgesichtspunkte ebenso wie angesichts des Normenklarheitsgebots. Zu beobachten ist, wie sich die Diskussion allmählich von der vertieften Gleichheitserörterung löst und den zuletzt genannten Aspekten mehr Aufmerksamkeit schenkt. Die Indiz-Formel des BVerfG zur Verortung in Art. 3 GG fand nur teilweise Zustimmung; die Diskussion hierüber mündete in Auseinandersetzungen, die in allgemeinerer Hinsicht um die verfassungsgerichtliche Handhabung des Gleichheitssatzes geführt wurden. 281 Der Vertrauensschutzaspekt kommt ins Spiel, wenn der einzelne im Vertrauen auf den Fortbestand einer gegenwärtigen Konzeption in dieser oder jener Weise disponiert und eine gesetzgeberische Systemdurchbrechung seine Erwartung enttäuscht.282 Getätigte Investitionen werden so möglicherweise entwertet, weshalb auch der Ansatz des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) bedeutsam sein kann. 283 Das Normenklarheitsgebot tritt hinzu, wenn systemfremde Normen eine Teilrechtsordnung in solchem Maß stören, daß der Adressat die ihm eröffneten Handlungsräume nicht mehr zu ermessen vermag. 284 Doch ist daran allenfalls bei besonders groben Systembrüchen oder einer mißglückten Systemauswechselung zu denken. Gegen ein Systemgerechtigkeitsgebot richten sich vielfältige Einwände. Seine Existenznotwendigkeit wird bestritten, weil Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, gegen Normenklarheit oder Vertrauensschutz für sich allein als Prüfsteine genügten.285 Doch hieße das, Indiz Wirkungen im allgemeinen den Nutzen abzusprechen. Darüber hinaus geht es bei der Herleitung des Systemgerechtigkeitserfordernisses nicht um die Etablierung eines weiteren, für sich stehenden Rechtssatzes. Wenn diese Gebote sie tragen, ist Systemgerechtigkeit als Konkretisierung des Vertrauensschutzgedankens oder des Gleichheitssatzes aufzufassen. 286 Ob den Geboten eine Konkretisierung entnommen werden kann, ist eine Frage ihres mate281 Ausführlich zu dieser Anknüpfung C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 125 ff.; C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.49ff.; C. Gusy, NJW 1988, 2505, 2508; P. Kirchhof, NJW 1987, 2355, 2356; U.Kischel, AöR 124 (1999), 174, 193ff.; P Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, S. 56. Zur Gleichheitsverletzung bei Gesetzesänderungen auch BVerfGE 4, 219, 243 ff. 282 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 71 f.; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 52; K. Stern, Staatsrecht, Bd.I, S. 838; W. Zeidler, DVB1. 1971, 565, 572. 283 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 58 (zu den sogenannten Durchgriffsfällen), S. 59 (zur Kontinuitätswidrigkeit). 284 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.75; W.Rüfner, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rn.43 zu Art. 3 Abs. 1. 285 U.Battis, in: FS Ipsen, S. 12, 18, 27; S. Huster, Rechte und Ziele, S.390; C. Koenig, JuS 1995,313,318; vgl. auch F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S.98,302 zu verschiedenen Aspekten dieser Frage. 286 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.79f.; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.286; vgl. auchß. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 157.

3. Kap.: Abgrenzungen

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riellen rechtsstaatlichen Gehalts. In Frage gestellt wird außerdem die Diagnostizierbarkeit des Systembruchs: wenn man den Gesamtnormbestand eines Regelungsfeldes als dessen Normsystem begreift, werde jede hinzukommende Bestimmung von selbst ein Teil davon. Systembrüche seien dann begrifflich unmöglich. Anderenfalls müsse man einzelne Wertungsgesichtspunkte gegenüber anderen gezielt in den Vordergrund stellen, was eine willkürliche Verkürzung bedeute.287 Doch lassen sich in jeder Gesetzeskonzeption Leitideen und Ziele, Interessengewichtungen sowie die darauf hinzielenden und entsprechend geprägten Handlungsmittel ausmachen. Die dazu notwendigen Betrachtungen sind begründbar und damit juristisch handhabbar. Wo die Einzelbestimmung anders als die Normen in ihrem Kontext wertet, wo sie ausschnittsweise einem entgegengesetzten Ziel dient (Belastung statt Entlastung), wo sie Interessen, bisher immer in irgendeiner Weise berücksichtigt, als einzelne Norm ignoriert oder eine stets beachtete Stufung einzelner Handlungsmittel verwirft und die darin enthaltene Verteilung der Verantwortung verwischt, ist sie nicht Teil jenes konzeptionellen Systems, das mit den bisher vorhandenen Normen ins Werk gesetzt wurde. Sie durchbricht es. Am deutlichsten verhält es sich dort, wo von vornherein - möglicherweise von Verfassungs wegen - das Handlungsinstrumentarium des Staats typusgebunden ist (Steuern, Beiträge, Gebühren) und die Einzelnorm diese Typusbindung verfehlt. 288 Kritik entzündet sich weiterhin an der notwendigen Ungleichwertigkeit formell gleichrangiger Normen: die Bindung eines Gesetzgebers an ein von ihm selbst in der Vergangenheit entworfenes Regelungsmuster verschaffe diesen systembegründenden Normen gegenüber einer hinzutretenden Bestimmung trotz formeller Gleichrangigkeit eine gesetzestheoretisch nicht begründbare Höherwertigkeit. 289 Jeder Systemgerechtigkeitsgedanke - soviel ist zuzugeben - impliziert in seiner Konsequenz den Vorrang der systembegründenden Normen. Da der Gesetzgeber seinem Gesetz keinen formellen Vorrang verschaffen kann, kommt es auf die Vermittelung einer entsprechenden Höherwertigkeit durch die Verfassung an. 290 Soweit das Grundgesetz zum Schutz seiner Güter Systemgerechtigkeit fordert, müssen formelle Gleichrangigkeit und materielle Gleichwertigkeit nicht dasselbe bedeuten. In seiner jüngsten Entscheidung zum Länderfinanzausgleich hat auch das BVerfG hinsichtlich der Maßstabsbildung für die bundesstaatliche Finanzverteilung einen ähnlichen Ansatz verfolgt. 291 Ein solcher Vorrang müßte sich also nach grundgesetzli287 U. Kischel, AöR 124 (1999), 174, 207; ähnlich H.-P. Schneider (VVDStRL 50 [1991], 298), der fragt, welches System im konkreten Fall maßgeblich sein soll. Zweifelnd auch F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S. 97. 288 Ein Beispiel hierfür findet sich bei C. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Auflage, Rnrn.47f. zu Art. 3 sowie bei dems., in: Link (Hrsg.), Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat, S. 51, 71 f. 289 U. Kischel, AöR 124 (1999), 174, 205; F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S. 247ff. Dagegen bleibt die lex-posterior-Regel unberührt, da sie auf Systemwidrigkeiten und konzeptionelle Brüche nicht anwendbar ist. Anders aber U. Kischel, a. a. O., 204. 290 C. Degenhart, ZG 2000, 79, 87. 291 E101, 158, 216ff.; dazu C. Degenhart, ZG 2000, 79, 86ff.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

chen Maßstäben als verfassungsgeboten erweisen. Dies kann in den Fällen einer besonderen Verfassungsnähe des einfachgesetzlichen Normsystems angenommen werden. 292 Wo der Gesetzgeber eine Konzeption zur Regelung eines Bereichs entwirft, den die Verfassung in besonderem Maß schützt (z.B. Grundrechte, institutionelle 293 und Institutsgarantien 294, Staatszielbestimmungen), verpflichtet ihn sein Konzept insofern auch zukünftig 295 , als es ihm verwehrt sein muß, mit Gütern solchen Rangs willkürlich umzuspringen oder zu experimentieren. Ganz besonders der Vertrauensschutzgesichtspunkt bindet ihn an eine bestehende Ausformung verfassungsrechtlich geschützter Sphären, wenn es um die Wahrung individueller Freiheitsräume geht, wie sie das Grundgesetz vorsieht. Wenn auch ein losgelöstes Gebot der Systemgerechtigkeit nicht begründbar ist, so ist es um so mehr die entsprechende verfassungsgüterbezogene Konkretisierung des Vertrauensschutzes (sowie der Rechtsklarheit und der GleichheitsVerpflichtung), wenn eine Systemdurchbrechung das für den einzelnen Gesicherte in Frage stellt. Peine296 wandte sich hiergegen mit dem Argument, daß eine solche Sicht die Trennung von einfachem Recht und Verfassung verwische und deshalb mit dem Vorrang des Grundgesetzes im Widerspruch stehe. Zur Entkräftung dessen genügt es wohl nicht, darauf hinzuweisen, daß keine formelle Höherrangigkeit behauptet wird. Auch der Vorrang der Verfassung besitzt neben der formellen eine materielle Bedeutung: die Entscheidungen des Verfassungsrechts binden das einfache Gesetz inhaltlich. Doch gerade dieser materielle Vorrang der Verfassung wird durch das Systemgerechtigkeitsgebot als Konkretisierung der genannten Verfassungssätze gesichert. Gesetze, die grundgesetzliche Wertentscheidungen ausführen und ausfüllen, müssen ihrerseits aufgrund ihrer Funktion (z. B. für den einzelnen Grundrechtsträger) in stärkerem Maß als andere Vorschriften den Launen der Gesetzgebung entzogen sein, nicht um ihrer selbst, sondern um des materiellen Gehalts der Verfassung willen. Mit Hilfe des Systemgerechtigkeitsgedankens stärkt sie vordergründig ein bestimmtes Gesetz: dahinter sichert sie die notwendige Umsetzung ihrer eigenen Wertung. Dem Gleichheitssatz bzw. dem Rechtssicherheitsgebot ein Systemgerechtigkeitspostulat zu entnehmen heißt, den grundgesetzlichen Schutz bestimmter Bereiche verstärkt zur Geltung zu bringen und damit einem materiell verstandenen Verfassungsvorrang den Vorzug zu geben. Auf der Gleichwertigkeit aller einfachen Gesetze zu beharren, um den Vorrang der Verfassung in formeller Hinsicht nicht an292 Vgl. C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, insbes. S.79ff.; ders., ZG 2000, 79, 88, der diesen Lösungsansatz entwickelte. 293 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 63 (für Art. 28 Abs. 2 GG). 294 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.61 (für Art. 14 GG). 295 C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.72,74, insbes. S.80ff.; P. Kirchhof, NJW 1987, 2355, 2356; K Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.838. 296 Systemgerechtigkeit, S.248f. Vgl. auch K Müller, DÖV 1964, 332, 339; R. Wahl, Der Staat 20(1981), 485, 286f.

3. Kap.: Abgrenzungen

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zutasten, bedeutet, ihn in materieller Hinsicht in Gefahr zu bringen. Der Grund der Unterscheidung von Verfassung und Gesetz erschöpft sich gerade nicht in der Trennung der Formen um eines formellen Gesichtspunkts willen, vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit dieser Unterscheidung aus der grundsätzlichen Bedeutung des Verfassungsinhalts. Dies macht letztlich den Grund dafür aus, daß sich systembrechende Normen nach der Rechtfertigung des Systembruchs fragen lassen müssen. Die Durchschlagskraft der Verfassungswertung erscheint dort gefährdeter, wo die Gesetze, die diese Wertung ausformen und ohne die sie oft wertlos bleibt, willkürlich, d. h. ohne sachliche Rechtfertigung, ausgewechselt werden können. Ein letztes erwägenswertes Argument ist verbunden mit dem Grundsatz der Demokratie. Wenn ein bestehendes Regelungssystem spätere Gesetzgeber bindet, die - vielleicht infolge anderer Mehrheitsverhältnisse - von ihm abrücken wollen, verkürzten sich, so der Einwand, in bedenklichem Maß die Befugnisse des demokratisch zur Gesetzgebung legitimierten Parlaments. 297 Dies berge zudem die Gefahr einer Verkrustung der bestehenden Ordnung. 298 Eine solche Sichtweise verwechselt Ob und Wie. Ein richtig verstandener Systemgerechtigkeitsgrundsatz zielt nicht auf die Unantastbarkeit und Unersetzbarkeit des gegenwärtigen Normbestands. Er gebietet aber, daß ein Austausch einzelner Systembausteine ebenso wie eine Systemauswechselung nicht durch unvermittelten Systembruch geschieht. Die Möglichkeit, ein konzeptionelles System zu ändern, zu ergänzen oder insgesamt auszuwechseln und damit seine Prämissen neu zu setzen, bleibt späteren Parlamenten ihrem Umfang nach erhalten. 299 Systemgerechtigkeit ist, so verstanden, ein Gebot der Vorgehensweise. Der Rechtsstaatsgedanke schränkt die demokratische Gestaltungsfreiheit des Parlaments soweit ein, daß es Änderungen oder Auswechselungen geordnet und gegebenenfalls mit Übergangsabfederungen, klar und unter Wahrung der Gleichheit der Betroffenen vorzunehmen hat. 300 Verfassungsausformung durch einfaches Recht geschieht als ein sich immer neu vollziehender Prozeß. 301 Mit den Verfassungsausgestaltenden Normstrukturen wandelt sich hinsichtlich ihrer konkreten Auswirkung die Substanz einer Verfassungsgarantie. Schon aus diesem Grund bedeutet Systemgerechtigkeit keine konservative Höherstellung des Bestehenden.302 Sie sichert einen Mindeststandard an Qualität bei gesetzgeberischen Änderungsaktivitäten.

297

U. Kischel, AöR 124 (1999), 174, 206. BVerfGE 60, 16, 43; E. Benda, DStZ 1984, 159, 161; W. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Rn. 34 zu Art. 3; U. Kischel, AöR 124 (1999), 174,205; G. Leibholz/H.-J. RinckID. Hesselberger, Grundgesetz, Rn. 101 zu Art. 3; G. Robbers, DÖV 1988, 749, 755. 299 H. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60 Rn. 63. 300 R Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR V, § 124 Rn. 234; ders., Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 39. 301 Vgl. ausführlich C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 83 ff., 89. 302 M. Bockel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S.37. 298

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

4. Die Übertragbarkeit der Gesichtspunkte ins Bund-Länder-Verhältnis Innerhalb des Bund-Länder-Verhältnisses scheidet Art. 3 GG und mit ihm der Gleichheitsaspekt als Anknüpfungspunkt einer verfassungsrechtlichen Lösung gesetzgeberischer Konzeptionsbrüche aus. Der Gleichheitssatz bindet die hoheitliche Gewalt nur innerhalb einer Zuständigkeit, Bundes- oder Landeslegislative deshalb nur im Binnenraum der jeweiligen Bundesstaatsebene.303 Dagegen bleibt der Vertrauensschutzaspekt bedeutsam und mit ihm auch die Erwägungen im Hinblick auf die von einer möglichen Vertrauensverletzung berührten Grundrechte. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Gesetzgeber durch sein Abweichen von einer fremden Konzeption Dispositionen in grundrechtlich geschützten Bereichen wertlos macht, ist nicht als geringer, sondern eher als höher einzustufen, verglichen mit Systembrüchen auf gleicher Ebene. Das Gefühl, durch bestehende Normen konzeptionell verpflichtet zu sein, könnte sich im Fall eines fremden Regelungswerks als noch ein Stück schwächer erweisen. Ins Bund-Länder-Verhältnis übertragbar ist auch die Erörterung der Normenklarheit. Die Vorschriften, deren Unabgestimmtheit es mit sich bringt, daß der einzelne über die Anforderungen an sein Verhalten keine Gewißheit erlangt, können durchaus von verschiedenen Trägern legislativer Kompetenz herrühren. Hier bestehen aus rechtsstaatlicher Sicht, die von den Wirkungen für den einzelnen ausgeht, keine Unterschiede. Fraglicher erscheint die Verwendbarkeit des Verfassungsnähe-Gedankens. Grundsätzlich ist den Verfassungswertungen auch im Fall des hier untersuchten Gegeneinanders von Bundes- und Landesnorm zur Geltung zu verhelfen. Das Hinzutreten bundesstaatlicher Aspekte modifiziert jedoch die Einsatzweise dieses Ansatzes. Da es sich um zwei unabhängig voneinander existierende Normordnungen handelt, kann nur von gleichwertigen, nicht von gleichrangigen oder ungleichrangigen Bestimmungen gesprochen werden. Die grundsätzliche Gleichwertigkeit beider Normen bedarf hier jedoch ebenfalls einer Differenzierung, um das Nachgeben einer der beiden konfligierenden Vorschriften begründbar zu machen. Hier nun, in Anlehnung an Art. 31 GG, stets die Bundesnorm vortreten zu lassen, erweist sich als bundesstaatlich problematisch und erörterungsbedürftig. 304 Die Verfassungsnähe und die grundrechtliche Relevanz sind deshalb auch hier in einer variierten Weise als Kriterien für die Begründung der „Höherwertigkeit" vorstellbar. Dabei bleibt zu klären, ob dies gleichermaßen für Widersprüche gilt, die ausschließlich aus bundesstaatlicher Sicht (also unter dem Aspekt eines nicht hinnehmbaren Kompetenzübergriffs) verfassungswidrig erscheinen. Auch die Bedenken angesichts des Umstands, daß gesetzgeberische Gestaltungsräume verkürzt werden, sind übertragbar. Daß es sich um eine vom Bund unabhän303 BVerfGE 21, 54, 68; 60, 337, 339; 76,1,73; H.D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 3. 304 s.u. II., 4.

3. Kap.: Abgrenzungen

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305

gige eigene Staatlichkeit handelt, die vom Landesgesetzgeber ausgeübt wird, vergrößert ihr Gewicht. Bedenken und Dafürhalten angesichts eines Verfassungsgebots Systemgerechtigkeit sind mit Ausnahme der Gleichheitsthematik auch im Fall widersprüchlicher Konzeptionen im Bundesstaat bedeutsam. Sie sind dabei unter dem spezifischen Aspekt des föderalen Verhältnisses zu erörtern. Die Abgrenzungsfrage, der sich die Betrachtung nunmehr zuzuwenden hat, erscheint gegenüber dem Fragenkreis der Systemgerechtigkeit als ein diametral entgegengesetztes Phänomen: die Rede ist von jenen Konflikten, die sich im föderalen Verhältnis zutragen, bei denen aber nicht Regelungsmuster und Konzeptionierungsweisen, sondern konkrete Rechtsfolgen in einer unvereinbaren Weise aufeinanderstoßen. Es geht um den sogenannten echten Normkonflikt im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht. Inwieweit sind auch hier die Instrumentarien, die Wissenschaft und Praxis bei seiner Lösung zur Hand haben, auf konzeptionelle Widersprüchlichkeiten übertragbar?

II. Rechtsfolgenkonflikte im Bundesstaatsverhältnis: Art. 31 GG und die konfliktvermeidende Bedeutung der Kompetenznormen 1. Unterscheidbarkeit und Unterscheidungsnotwendigkeit der Konfliktlagen Wie eine Zuspitzung des Falls widerstreitender Konzeptionen wirkt es, wenn Bund und Land den gleichen Sachverhalt hinsichtlich der festgelegten Rechtsfolgen in unvereinbarer Weise regeln, wenn sie also an ein und denselben Tatbestand Verhaltenspflichten knüpfen, die einander faktisch oder logisch ausschließen.306 Die Abgrenzung, wann davon gesprochen werden kann, erscheint nur bei oberflächlichem Hinsehen als einfach. Daß Bund oder Land ein Verhalten verlangen, welches der andere Teil verbietet 307, wird sich wegen der Offensichtlichkeit des Widerspruchs kaum zutragen. Schwieriger verhält es sich, wo eine Norm dasjenige untersagt, was die andere erlaubt. Der Widerspruch tritt dann deutlich zutage, wenn die Vorschrift das in Frage stehende Verhalten expressis verbis zuläßt. Ebenso kann es in vielfältiger Weise geschehen, daß sie ein bestimmtes Verhalten duldet, indem sie keine Aussage zu dessen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit enthält und damit zumindest auf seine sanktionierte Mißbilligung verzichtet. Beiden Normen zu folgen, wäre in allen zuletzt genannten Fällen durch die Nichthandlung in der bestimmten Weise immerhin vorstellbar. Vollends offenbar wird die Schwierigkeit, wenn man erkennt, daß deutliche Verbote und klar ausgesprochene Erlaubnisse nur einen Aus305

C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.99; W. Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.2 zu Art. 30. Zur faktischen gegenüber der logischen Unvereinbarkeit E. Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), 311, 314. 307 Vgl. S.L. Paulson, ARSP 66 (1980), 487, 491. 306

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

schnitt der Normen weit ausmachen.308 Vorschriften, die nicht als Gebote oder Verbote aufgefaßt werden können, ohne diese Begriffe über jedes Maß zu beanspruchen, lassen sich in allen Rechtsgebieten zahllos finden. Exemplarisch genannt seien Zuständigkeitsregelungen, Leistungsverwaltungsnormen und Staatszielbestimmungen309 im öffentlichen Recht, dingliche Rechtszuweisungen, Rechtsfähigkeitsregelungen und Erbfolgebestimmungen im Zivilrecht sowie Verjährungsregeln oder Vorschriften über den Geltungsbereich des Strafgesetzbuchs im Strafrecht, von den Normen der Prozeßordnungen ganz abgesehen. Diese Normen inhaltlich auf Gebote und Verbote zu reduzieren, wäre ebenso falsch 310 wie die Behauptung, hier könnten keine Unvereinbarkeiten entstehen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Kriterien für die verfassungsrechtliche Behandlung konzeptioneller Widersprüche zu finden. Die Unterscheidung einer so beschaffenen Unvereinbarkeit von den Formen des offenen Rechtsfolgenkonflikts kann nur insoweit bedeutsam sein, als davon das verfassungsrechtlich zur Anwendung zu bringende Instrumentarium abhängt. Die Abgrenzung beider Konfliktfälle kann folglich in phänomenologischer Hinsicht auf sich beruhen. Von Interesse ist sie im Hinblick auf den Einsatz des entsprechenden verfassungsrechtlichen Konfliktlösungssatzes. In den Blick rückt deshalb Art. 31 GG, der dazu dient, verbleibende Widersprüche im föderalen Rechtsgefüge aufzulösen. 311 Die Identifizierung und Unterscheidung verschiedener Arten von Gesetzeswidersprüchen ist deshalb insoweit notwendig, als es darum geht, den Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu bestimmen, um ihren Einsatz auszuscheiden. Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen (insbesondere in den Artt. 70 bis 75 GG) soll die Einsatznotwendigkeit des Art. 31 GG begrenzen. Ihre Wahrung ist vor dessen Anwendung zu prüfen. 312 308 Vgl. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 253 ff., insbes. S. 256 m. N. der Gegenauffassung („Imperativentheorie"); T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S.40ff. 309 Zu diesen C. Degenhart, Staatsrecht, Rnm. 448 ff.; ders., in: Degenhart/Meissner (Hrsg.), HdBSächsVerf, S. 157 ff. 310 Selbst wenn sich dies rechtstheoretisch in irgendeiner Weise begründen ließe, wäre diese Reduzierung für die Ermittelung von Rechtsfolgenkonflikten wertlos. Nur in den Fällen einer offenkundigen Aussage sind die Kategorien des Erlaubtseins und des Verpflichtetwerdens für die Bestimmung des Maßes an Widersprüchlichkeit von Nutzen. Wo die Zurechnung einer Norm zu einem Erlaubtheitssatz auf einem weiten Umweg geschieht, stellt sich die Frage der Widersprüchlichkeit im Fall einer entgegenstehenden fremden Bestimmung in gleicher oder verwickelterer Weise, als wenn diese Zurechnung unterblieben wäre. Einem ähnlichen Einwand begegnet der Versuch F.-J. Peines (Das Recht als System, S. 105), Normwidersprüche mit logischen Widersprüchen zu identifizieren, indem man im Kern aller teleologischen Gegenläufigkeiten unvereinbare Rechtsbefehle ausmacht. Die Konstruktion des unvereinbaren Befehls bedarf auch hier eines enormen Begründungsaufwands, dem keine gesteigerte Überzeugungskraft der so gefundenen Ergebnisse entspricht. 311

W.März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, 4. Auflage, Rn.40 zu Art. 31. Vgl. C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 159; P.M. Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 8 zu Art. 31; F. Müller/B. Pieroth/F. Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S.52. 312

3. Kap.: Abgrenzungen

2. Kompetenz Vorschriften als Konfliktvermeidungsnormen

81 313

Primäres Mittel zur Herstellung einer widerspruchsfreien bundesstaatlichen Rechtsordnung sind die Vorschriften über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz. 314 Unabhängig vom Anwendungsbereich des Art. 31 GG verhindern sie durch die eindeutige Zuweisung der einzelnen Materien, daß ein und dasselbe Regelungsfeld in gegensätzlicher Weise normiert wird. Weil insbesondere die Artt.70ff. GG zusammen mit den übrigen Kompetenzbestimmungen die Gesetzgebungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern (insbesondere durch Art. 70 Abs. 1 GG) lückenlos verteilen 315, ohne Doppelzuweisungen zu dulden 316 , können konträre Rechtsfolgenanordnungen innerhalb einer Sachfrage nur ausnahmsweise beiderseits kompetenzgerecht geschehen. Vor Art. 31 GG sind deshalb die Gesetzgebungszuständigkeiten zu erörtern, da kompetenzwidriges und mithin nichtiges Landesrecht nicht erst gebrochen werden muß. 317 Wenn Bundes- und Landesnorm in irgendeiner Weise in einen Widerspruch zueinander treten, ist das ein Hinweis darauf, daß einer der Legislativkompetenzträger seine Zuständigkeit überschritten haben könnte. Wo sich ein Land auf dem Gebiet ausschließlicher Bundeskompetenz gemäß Art. 73 GG gesetzgeberisch betätigt, erläßt es von Beginn an kompetenzwidriges Recht, dessen Nichtigkeit sich aus einem Verstoß gegen Art. 71 GG ergibt. 318 Entsprechendes gilt für bundesgesetzgeberische Aktivitäten im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG. Den Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit versperrt Art. 72 Abs. 1 GG jeder landesgesetzgeberischen Betätigung, sobald der Bund einen Kompetenztitel nach Art. 74 Abs. 1 GG erschöpfend geregelt und dabei den Erfordernissen des Art. 72 Abs. 2 GG genügt hat. 319 Wenn Rechtsfolgen im Bereich einer konkurrierenden Zuständigkeit kollidieren, deutet dies darauf hin, daß 313

„Kollisionsentscheidungsnormen" und „Kollisionsvermeidungsnormen" unterscheidet W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rnrn. 19 ff. zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 109. 314 G.Barbey, DÖV 1960, 566, 575; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.21 zu Art. 31. 3,5 Vgl. C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.3 zu Art. 70; W. März, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 22 zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, 5. 109, 123; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 30; ferner T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 30 zu Art. 70. 316 BVerfGE 36, 193, 202f.; 61, 149, 204; G. Barbey, DÖV 1960, 566, 574; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.53 zu Art. 70; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 22 zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 110, 122f. Zu abweichenden Überlegungen im Schrifttum s. nachstehend 4. 317 G.Barbey, DÖV 1960, 566, 569; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 159; ders., in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.42 zu Art.75; P.M. Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.8 zu Art.31; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rn. 49 zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 117; F. Müller/B. Pieroth/F. Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S.52. 318 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 159; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.51 zu Art.31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 143. 6 Haack

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

der Bund diesen Ausschnitt aus dem Gesamtregelungsfeld erschöpfend normiert und dem Land damit die Befugnis zum Hinzusetzen der eigenen Norm genommen hatte. In einem Regelungsfeld der Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 GG ist das Land nach Erlaß eines Rahmengesetzes durch den Bund auf die Ausfüllung dieses Rahmens beschränkt. Daß dies beachtet wurde, erscheint zweifelhaft, wenn der Landesgesetzgeber Rechtsfolgen setzt, die mit denjenigen der Rahmenbestimmung zusammenstoßen. Das Landesgesetz wäre dann wegen fehlender Zuständigkeit nichtig 320 ; es sei denn, der Bund selbst hätte sich nicht auf die Vorzeichnung eines ausfüllungsfähigen Rahmens beschränkt. In dieser Weise verhindert die grundgesetzliche Kompetenzverteilung das Hervorbrechen von Normkonflikten im Bundesstaat in erheblichem Umfang. 321 Die Frage, welches Maß an konzeptioneller Kongruenz sie herzustellen vermag, ist Gegenstand des zweiten Teils dieser Arbeit.

3. Artikel 31 GG als Konfliktlösungsnorm Hinsichtlich aller Normkonflikte, zu denen es trotz beiderseitiger Wahrung der Kompetenzgrenzen gekommen ist, richtet sich das Augenmerk auf Art. 31 GG. Anwendbar bleibt diese Vorschrift nach teilweise vertretener Ansicht beispielsweise, wenn gültiges Landesrecht in einem Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit existierte, bevor der Bundesgesetzgeber diesen Bereich mittels einer erschöpfenden Normierung an sich gezogen hat. 322 Gleiches müßte bei einer Verfassungsrevision im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten gelten, durch die dem Landesgesetzgeber bestimmte Materien verlorengehen und Bundesregelungen dazutreten. In diesen Fällen können unvereinbare Rechtsfolgen aufeinanderprallen oder inkongruente Konzeptionen einander gegenüberstehen. Im Zentrum des Interesses steht damit die Frage, welche Konflikte diese Vorschrift erfaßt. Sollte sich dabei erweisen, daß auch konzeptionelle Konflikte über Art. 31 GG gelöst werden können, wäre dieses Ergebnis notwendigerweise auch auf die dargestellten Fälle kompetenztitelübergreifender Konzeptionskonflikte anzuwenden, sofern nicht, was an späterer Stelle zu untersuchen ist 323 , die Kompetenzordnung selbst hier Abhilfe schafft. 319 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 159; zur Widersprüchlichkeit im Rahmen konkurrierender Gesetzgebungstätigkeit G. Leibholz/H.-J. Rinck/D. Hesselberger, Grundgesetz, Rn. 12 zu Art. 72. 320 C.Degenhart, Staatsrecht, Rn. 159; ders., in: Sachs (Hrsg.), GG, Rnrn.41f. zu Art. 75; nach a. A. soll hier Art. 31 GG eingreifen: T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 15 zu Art. 75; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn.3 zu Art. 75; ders., SächsVBl. 1993, 15, 17. 321 Zur widerspruchsvermeidenden Funktion der Kompetenznormen s. auch unten das 5. Kapitel, passim. 322 K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 721 f.; nach a. A. entzieht Art. 72 Abs. 1 GG dem Landesgesetz die Kompetenzgrundlage, so daß Art. 31 GG auch hier nicht zum Einsatz kommen muß; so C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 159; ders., in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.30 zu Art. 72 (dort Fn. 141) m.w.N.; P.M. Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 17 zu Art.31. 323 s. u. 4. Kapitel, passim.

3. Kap.: Abgrenzungen

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Die Auffassungen zur Beschaffenheit der von Art. 31 GG erfaßten Kollision gehen auseinander.324 Nach der stets wiederholten Wendung des BVerfG „müssen beide Normen auf einen Sachverhalt anwendbar sein und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen können". 325 Die Ungewißheit beginnt bereits damit, wann von einer solchen Anwendbarkeit gesprochen werden darf. Das erwähnte Gegenübertreten von Bundeskartellrecht und Landesrundfunkrecht illustrierte das: auf ein und denselben Sachverhalt (Beteiligung der öffentlich rechtlichen Anstalt am privaten Hörfunkanbieter) waren beide Normkomplexe (Vorschriften also aus verschiedenen Rechtsgebieten) mit jeweils entgegengesetztem Ergebnis anwendbar. Danach könnte Art. 31 GG auch rechtsgebietsübergreifend Normen vernichten, die punktuell zu einem möglicherweise nur theoretischen Konflikt führen. 326 Ob diese folgenschwere Konsequenz eintritt, hängt von der Festlegung ab, was mit „Sachverhalt" gemeint sein soll: allein das Geschehnis in der Wirklichkeit oder dieses Geschehnis in seiner Beurteilung durch ein bestimmtes Rechtsgebiet? Ebensoschwer läßt sich sagen, wann „verschiedene Ergebnisse" vorliegen „können". Genügt es für einen Konflikt gemäß Art. 31 GG, daß die Ermessensbestimmung eines Landes ein Verhalten theoretisch zuläßt, das nach bundesgesetzlichen Vorschriften, unter Umständen ebenfalls nach einer - auch anders anwendbaren - Ermessensbestimmung, unzulässig wäre? Um derartige Ungewißheiten auszuschalten327, forderten Stimmen im Schrifttum mit Recht die konkrete, zutage getretene Differenz in der Normanwendung. Hier entfallen die genannten Bedenken angesichts nicht deckungsgleicher Ermessensvorschriften. Wo der Konflikt bei einer konkreten Ermessensentscheidung hervortritt, wurde von der Norm in ermessensfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht, wenn genausogut eine Entscheidung möglich war, bei der es nicht zum Konflikt gekommen wäre. Des Einsatzes von Art. 31 GG bedarf es hier nicht. Auf die Adressatenidentität als maßgeblichen Gesichtspunkt abzustellen328, ist ein Ansatz, der kumulativ herangezogen werden kann, obwohl auch ihm Zweifel anhaften, wenn objektive Rechtssätze zu vergleichen sind. Verheißungsvoller erscheint zunächst jene Ansicht, die prüft, ob sich bei der Anwendung beider Normen unvereinbare Normbefehle gegenüberstehen.329 Diese Herangehens weise ist jedoch ohne 324

Zu den Positionen W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rn.41 zu Art. 31. 325 E36, 342, 363; s. auch P.M. Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 10 zu Art. 31. 326 Undeutlich bleibt, was W. März (in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.41 zu Art.31) mit „partiell identischem Regelungsgegenstand" meint. Eine ähnliche Formulierung verwendet/. Pietzcker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, §99 Rn.33. 327 Daß die Möglichkeit verschiedener Ergebnisse nicht ausreichen könne, betonen R. Bernhardt/U. Sacksofsky, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rn.53 zu Art. 31. 328 Sondervotum des Richters Geiger in: BVerfGE 36, 369; M. Bothe, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Rn. 15 zu Art. 31 m. w. N.; H. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd.II, Rn.38 zu Art.31; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2,4. Auflage, Rn.41 zu Art.31. 329 H.Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd.II, Rn.39 zu Art.31; M. Führ, KJ 1998, 503, 512; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rn. 41 zu Art. 31;/. Pietzcker, 6*

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

Kenntnis und Entscheidung der dahinterstehenden rechtstheoretischen Auseinandersetzung 330 um das Vorliegen unvereinbarer Normbefehle nicht umsetzbar. Das Vorhandensein dieser sogenannten echten Normwidersprüche wird oft anhand verschiedener Varianten des Gegenübertretens von Verbots- und Erlaubnisnormen erörtert. 331 Warum dies zur hier gesuchten Abgrenzung nicht genügt, wurde bereits begründet. Ebensowenig reicht es aus, nur jene Widersprüche als relevant aufzufassen, wo zwei Normbefehle einander logisch 332 ausschließen. Da das Recht mittelbar und unmittelbar ein Instrument zur Steuerung des menschlichen Verhaltens ist, macht die Unterscheidung zwischen logischer und faktischer Unerfüllbarkeit, zumindest was ihre verfassungsrechtliche Behandlung angeht, keinen Sinn. 333 Nach Kelsen soll ein echter Normkonflikt vorliegen, „wenn das, was die eine Norm als gesollt setzt, mit dem, was die andere als gesollt setzt, unvereinbar ist, und daher die Befolgung oder Anwendung der einen Norm notwendiger- oder möglicherweise die Verletzung der anderen involviert". 334 Unter Verletzung kann man sich dabei jedes Geschehen und jeden Zustand vorstellen, die nicht dem entsprechen, was die Norm - in zutreffender Weise ausgelegt - für diesen Fall fordert. Zu einem engeren Prüfungsmaßstab führt es, wenn man fragt, ob es den Adressaten nach Befolgung einer Norm noch möglich bleibt, auch der anderen zu genügen. Wo Erlaubnis- und Verbotssatz aufeinandertreffen, bleibt den Adressaten die Befolgung beider Bestimmungen möglich. Die Antwort auf die Frage, welche Normwidersprüche Art. 31 GG erfaßt, ist in allererster Linie im Verfassungsrecht zu suchen. Rechtstheoretische Erwägungen können, wenn überhaupt, helfen, die Struktur denkbarer Normwidersprüche herauszustellen, um der vorzunehmenden verfassungsrechtlichen Normexegese die nötige Präzision hinsichtlich der Behandlung des Rechtsstoffs zu verschaffen. Die Wortlautauslegung verhilft bei Art. 31 GG ebensowenig wie eine historische oder genetische Betrachtung zur Antwort darauf, welche Widersprüche die Norm erfaßt. 335 in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, §99 Rn.34; ähnlich/?. Bernhardt/U. Sacksofsky, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 53 zu Art. 31. 330 Ein empfehlenswerter Überblick über das ältere Schrifttum hierzu findet sich bei S. L. Paulson, ARSP 66 (1980), 487 Fn. 1; vgl. außerdem D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 244ff.; E. Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), 311. 331 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.46ff.; unter dem etwas anderen Gesichtspunkt der logischen Unvereinbarkeit auch O. Weinberger/C. Weinberger, Rechtstheorie 10 (1979), 1,43 ff. 332 Den Unterschied zwischen logischer und faktischer Unvereinbarkeit verdeutlichen die Beispiele E. Wiederins (Rechtstheorie 21 [1990], 311, 314ff.). 333 E. Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), 311, 316; zur logischen Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung O. Weinberger, Rechtslogik, S. 214 ff.; dersJC. Weinberger, Rechtstheorie 10 (1979), 1,46. 334 Allgemeine Theorie der Normen, S.99 (Hervorhebung im Original). Ähnlich auch ders., Reine Rechtslehre, S.209; zustimmend E. Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), 311, 317, der dort noch einen weiteren Ansatz vorstellt. 335 Vgl. H.-P. Schneider (Hrsg.), Das Grundgesetz, Dokumentation seiner Entstehung, Bd. 10, S. 52.

3. Kap.: Abgrenzungen

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Das Problem ist somit anhand des Zusammenspiels dieser Norm mit den übrigen bundesstaatlichen Vorschriften und mittels der dadurch definierten Zielsetzung zu lösen: - Im Bundesstaatsgefüge stehen die Kompetenzräume von Bund und Land nebeneinander. Die Landesstaatlichkeit rührt nicht vom Bund her. Jede Erweiterung der Anwendungsfälle, in denen Bundesrecht Landesrecht bricht, verschiebt die Balance zwischen Föderalismus und Unitarismus in Richtung der Einheitlichkeit und verschließt föderale Gestaltungsräume. Jede Einschränkung dieses Satzes gibt ein Stück Einheitlichkeit, möglicherweise zu Lasten der Rechtsunterworfenen, auf. Art. 31 GG dient dazu, jene Widersprüchlichkeiten auszuräumen, die trotz der Konfliktvermeidungsnormen über die Gesetzgebungskompetenzen entstehen konnten. Demgegenüber deutet nichts darauf hin, daß diese Vorschrift in der Breite noch andere Unstimmigkeiten erfassen und ausräumen soll, die zu geringfügig waren, als daß sie vom Raster der Kompetenzordnung hätten erfaßt werden können. So verstanden, sichert Art. 31 GG die Rechtseinheit im Bundesstaat an jenen Stellen, wo unvermeidbare Lücken in der Kompetenzordnung das Gegeneinander von Bundes- und Landesrecht theoretisch zulassen, ohne die Anforderungen an die Uniformität in irgendeiner Weise zu verschärfen. Was folglich seinem Charakter nach von der Kompetenzordnung nicht ausgeschlossen wird, kann nicht als Konflikt im Sinne von Art. 31 GG begriffen werden. Ob rechtsgebietsübergreifende Zusammenstöße hiervon erfaßt werden, stellt sich heraus, wenn klar wurde, ob auch die Kompetenzordnung selbst in einer entsprechenden konfliktvermeidenden Weise auszulegen ist. - Art. 31 GG soll Widersprüche im Bundesstaatsgefüge nicht allein im Interesse der Normadressaten, sondern auch im allgemeinen Interesse an einer effektiven und deshalb notwendigerweise verläßlichen Normordnung sowie im Interesse der Bundeskompetenz an der Wirksamkeit ihrer Bestimmungen ausräumen. Das Kriterium der Adressatengleichheit spielt demzufolge, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Wie im Fall des BaySchwHEG zu beobachten war, handelt es sich bei der Festlegung des Adressaten mitunter auch um Zufälligkeiten. Zur Klärung dessen, welche Widersprüche Art. 31 GG erfaßt, vermag es auch aus diesem Grund nichts Entscheidendes beizutragen. - Den Charakter von Art. 31 GG als Konfliktlösungsnorm in seinem Gegensatz zur Konfliktvermeidungsnorm ernstzunehmen, zwingt dazu, auf den konkret zutage getretenen Normkonflikt abzustellen. Anzunehmen ist ein solcher Konflikt nur dort, wo trotz des vorangegangenen Bemühens um eine kollisionsvermeidende Auslegung unvereinbare Rechtsfolgen aufeinanderprallen. 336 Der Normanwender hat sich innerhalb des Deutungsspielraums einer Bestimmung stets in solcher Weise zu entscheiden, daß die Normanwendung nicht zum Konflikt führt. Dieser Vorrang der konfliktvermeidenden Auslegung ließe sich gleichermaßen jedoch 336 w.März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 102.

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

dann praktizieren, wenn man die abstrakte Kollision als ausreichend ansieht. Die einschneidende Folge von Art. 31 GG und sein Gebundensein an die von der Kompetenzordnung an sich zu verhindernden, im Einzelfall aber dennoch nicht bewältigten Fälle gebieten es allerdings, die Anwendungsfläche dieser Norm gering zu halten. Um differenzierte Konfliktkonstellationen (der bundesstaatlichen Beeinträchtigung, der Rechtsunsicherheit) nicht undifferenziert mit einem Mittel zu lösen, das die Einzelumstände zwangsläufig ignoriert, ist als Normkonflikt im Sinne des Art. 31 GG nur der unvermeidbare Anwendungskonflikt anzusehen.337 In der Kategorie der Erlaubnis- und Verbotsnormen erfaßt dies nur den Konflikt von Befehl und Verbot. Dort dagegen, wo gezielt ein Verhalten erlaubt sein sollte, wo der Adressat durch Unterlassen des einerseits verbotenen, andererseits erlaubten Verhaltens beiden Normen gerecht werden kann, fehlt es an einem Konflikt, den Art. 31 GG zugunsten des Bundes lösen könnte.338 Daß dies für den Rechtsadressaten unter Umständen ebensowenig akzeptabel sein kann wie für den fremden Normgeber, ist ein Problem der Rechts- bzw. Bundesstaatlichkeit. Hieraus Fragen des Anwendungsbereichs von Art. 31 GG zu machen, heißt, die Konturen dieser Bestimmung aufzulösen. Doch gerade die Schärfe dieses Instruments: die unvermeidliche Brechung der Landesnorm, zwingt zur Schärfung der Kontur ihres Anwendungsbereichs. Wo Erlaubnis und Verbot einander gegenübertreten, handelt es sich letztlich - anders als bei Befehl und Verbot - um eine besonders gravierende Form der konzeptionellen Unvereinbarkeit. In Anbetracht der möglichen Gestaltungsvielfalt ist die Abgrenzung kaum vorstellbar, wann eine Norm etwas erlaubt, wann sie es gezielt geschehen läßt 339 und wann sie sich - wenn man so will - für ein bestimmtes Geschehnis überhaupt nicht interessiert. Auch angesichts dessen erscheint Art. 31 GG ausuferungsgefährdet. Er ist deshalb nur anwendbar, wenn zwei Normanordnungen in einem konkreten Fall einander notwendigerweise logisch oder faktisch ausschließen.

337 Zur Kategorie des einseitigen bzw. mehrseitigen unvermeidbaren („notwendigen") Konflikts D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 246; H. Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, S.99f.; E. Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), 311, 319f. 338 Im Ergebnis ähnlich W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 42 zu Art. 31. Vgl. in diesem Zusammmenhang das Problem weiterreichender Landesgrundrechte gegenüber den entsprechenden Gewährleistungen des Grundgesetzes; dazu M. Sachs, DÖV 1985,469,478. 339 Treffen Vorschriften aufeinander, die unvereinbare Bedingungen enthalten, wird zudem schnell zweifelhaft, ob „entgegen der Vorschriftenformulierung nicht gleichzeitiges Setzen der unvereinbaren Verhaltensweisen, sondern bedingungsvermeidendes Verhalten als gesollt anzusehen" ist, wie E. Wiederin (Rechtstheorie 21 [1990], 311, 333) bemerkt. Zur Verdeutlichung siehe die Auflösung der Beispielsfälle a. a. O.

3. Kap.: Abgrenzungen

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4. Vorstöße zu einer Neuinterpretation des Artikel 31 GG Die Anregung, Art. 31 GG in einer neuen, erweiterten Weise auszulegen, die auch schwächere Formen der Unvereinbarkeit umfaßt, war in verschiedenem Zusammenhang bereits vernehmbar. Die Kollisionsnorm - bzw. der ihr inhärente Gedanke der Durchsetzung des Bundesrechts gegenüber allem Landesrecht - wäre dann auch im konzeptionellen Konflikt heranziehbar. Lerche 340 und Pestalozza341 erwogen ein solches Vorgehen angesichts jener Fälle, in denen ein bestimmter Normkomplex auch unter Zurhilfenahme aller Gesichtspunkte der Kompetenzzuordnung (Sachbezug, Hauptzweck, Schwerpunkt usw.) nicht eindeutig diesem oder jenem Titel zugeschrieben werden kann und die Materie somit zwangsläufig in die Hände zweier Gesetzgeber gerät. Der Gedanke des Art. 31 GG soll hier den Ausschlag geben für ein Zurücktreten des Landeskonzepts im Fall der Nichtübereinstimmung. 342 Das Verbot der Doppelkompetenz würde in Ausnahmefällen (um die es geht) abgelöst vom Nebeneinander nicht zuordnungsfähiger Sachregelungen, von denen im Fall ihres Konflikts die landesrechtliche weichen muß. Diesen Überlegungen wurde der Grundsatz der Primärzuständigkeit der Länder entgegengehalten343: wo sich letzte Zweifel und Ungewißheiten in der Zuordnung bis zum Schluß nicht ausräumen ließen, unterfalle die Sachmaterie nach Art. 70 Abs. 1 GG der Zuständigkeit der Länder. Hinter diesem Einwand verbirgt sich ein Kompetenzverständnis, das die Bundesgesetzgebungsbefugnisse als eng auszulegende, weil aufgezählte Ausnahmen vom Grundsatz der Landeszuständigkeiten begreift. Die Richtigkeit des Satzes enumeratio ergo limitatio 344 angesichts der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten unter dem Grundgesetz bedürfte einer ein340

JZ 1972, 468,471. DÖV 1972,181, 190. 342 Daß Art. 31 GG hier als Konfliktlösungsinstrumentarium angesichts zweier in Geltung stehender Normwerke wirksam werden soll, wird bei Pestalozza (DÖV 1972, 181) am deutlichsten: „Doppelkompetenzen stellen sich demgegenüber als Problem der Atormkonkurrenz dar, die sich nicht nach Art. 70 ff. GG, sondern nach der Ranghierarchie der Normen entscheidet" (a. a. O. S. 189 f. - Hervorhebung im Original); „Art. 31 GG wirkt sich dahin aus, daß die Länder unbeschadet der Bundeskompetenz ,ihr' Sonderrecht setzen können, jedoch seine Verdrängung durch einschlägiges Bundessonderrecht hinnehmen müssen" (a.a.O. S. 190). Demgegenüber deuten das Fehlen dieser Klarstellung und die Bemerkung: „Nur einer kann schließlich Kompetenzträger sein." (JZ 1972,468,471 - Hervorhebung im Original) im Beitrag Lerches an, daß der Einsatz von Art. 31 GG hier auch als ultima ratio auf der Ebene der Kompetenzzuordnung begriffen werden kann. Dementsprechend verschieden wurde dieser Ansatz gedeutet. Wie hier W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rnrn. 62 f. zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 134ff; F. Müller/B. Pieroth/F. Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S.50. Als letztentscheidenden Kompetenzzuordnungsgesichtspunkt interpretiert/?. Wolfrum (DÖV 1982,674,678) die Rolle von Art. 31 GG im Ansatz von Lerche und Pestalozza. 343 W.März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2,4. Auflage, Rn.63 zu Art.31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 135 f.; F. Müller/B. Pieroth/F. Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S.50. 344 C.Schmitt, Verfassungslehre, S.386. 341

1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

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gehenderen Untersuchung, die hier nicht zu leisten ist, weil es nicht darauf ankommt. Wo es im Fall einer solchen Doppelqualifikation (wenn man sie annehmen will) in einer unvermeidbaren Weise zu einem Normkonflikt mit unvereinbaren Normbefehlen im konkreten Fall kommt, wäre Art. 31 GG tatsächlich das geeignete Instrument der Auflösung. Art. 31 GG zur Lösung von Doppelqualifikationen einzusetzen, sagt aber nichts darüber aus, welche Widersprüche dann von ihm erfaßt wären. Alles oben Gesagte gilt hier in gleichem Maß. Art. 31 GG im Fall zugelassener Doppelqualifikationen anzuwenden, kann nicht dazu führen, gleichzeitig die Art der ihm unterfallenden Widersprüche auszuweiten. Daß Doppelqualifikationen eine breite Flut konzeptioneller Unvereinbarkeiten mit sich brächten, ändert daran nichts. Dies wäre hinzunehmen bzw. mit Hilfe des noch zu sichtenden Instrumentariums aufzulösen. Reicht dies nicht aus, so liegt hierin ein zusätzlicher Einwand gegen Doppelqualifikationen. Einen deutlichen Schritt darüber hinaus geht der Vorschlag, im Interesse bundespolitischer Zielsetzungen Art. 31 GG generell auf alle Fälle der Zieldivergenz anzuwenden.345 Wenn man sich noch einmal die Differenziertheit gesetzgeberischer Zielsetzungen vor Augen führt, wird die Tragweite dieser Anregung begreiflich. Ein solches Herangehen hätte zur Folge, daß in diesen Fällen stets die Landesbestimmungen nichtig wären, unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem entsprechenden Bundesgesetz ergingen, in welchem Maß die Ziele auseinanderklaffen und welches der Konzepte die Rechte des einzelnen stärker beschränkt. Hinzu kommt wiederum das bereits Gesagte, hier in noch deutlicherem Maß: die einschneidende und rigide Rechtsfolge des Art. 31 GG verbietet Aufweichungen seines Anwendungsbereichs. Sie unbesehen auf Zielunvereinbarkeiten anzuwenden, bringt diese Vorschrift in Gefahr, zu einer der unsichersten Bestimmungen des Grundgesetzes zu werden 346, da sie dann u. U. auch zahlreiche Konflikte erfaßt, welche die Kompetenzordnung hinnimmt. Sie erzwingt dann die Uniformität im politischen Kurs. 347 Widersprüchlichkeiten wären in jedem Fall nur einseitig, in eine bundesgünstige Richtung korrigierbar; das Land könnte unter keinen Umständen Rücksicht auf seine Konzeptionierung verlangen. Für all diese Konsequenzen bietet auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift keinen Anhalt. 348 Die Lösung, die es zufinden gilt, muß vielmehr gewährleisten, daß beide Seiten ihre Gestaltungsräume unbeeinträchtigt ausfüllen können. 345

A. Bleckmann, DÖV 1986, 125, 130. Derartige Bedenken spielen bei A. Bleckmann (DÖV 1986, 125, 130), der diesen Weg vorschlägt, keine Rolle. 347 So spricht A. Bleckmann (DÖV 1986, 125,131) von einem Vorrang der Bundes- vor den Landesinteressen, sich ergebend „aus dem Verfassungswandel des Grundgesetzes, nach welchem das Sozialstaatsprinzip heute eine einheitliche Politik [!] von Bund und Ländern bei der Verfolgung einzelner Ziele insbesondere im Wirtschaftsbereich verlangt". Daß auch Landesziele berücksichtigungsfähig sind, wird a. a. O. immerhin noch angedeutet. Gegen eine solche Homogenitätspflicht in etwas anderem Zusammenhang auch BVerfGE 49, 343, 359. 348 Vgl. H.-P. Schneider (Hrsg.), Das Grundgesetz, Dokumentation seiner Entstehung, Bd. 10, S. 52. 346

3. Kap.: Abgrenzungen

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III. Das Anwendungsfeld der Derogationssätze Um Regeln zur Lösung von Normkonflikten handelt es sich auch bei den Sätzen vom Vorrang der spezielleren gegenüber der allgemeinen bzw. der späteren gegenüber der älteren Norm. 349 Ihre Anwendung ist auf jene Lagen beschränkt, wo die Rechtsfolgen der Vorschriften in gezeigter Weise unvereinbar sind und beide Bestimmungen aus der gleichen Normquelle herrühren. 350 Existiert in einer Rechtsordnung verschiedenrangiges Recht, so verdrängt im Fall des Widerspruchs die höhere Norm die niederrangigere. 351 Ins bundesstaatliche Verhältnis läßt sich dieser Satz nicht übertragen 352, da dort keine hierarchisch gestuften, sondern nebeneinanderstehende Normräume existieren, die ihre Geltung nicht voneinander ableiten. Der Einsatz des lex-superior-Satzes erfordert aber, daß es sich um den Binnenkreis einer Rechtsordnung handelt, in dem die Geltung aller Normen auf ein und dieselbe Grundnorm zurückzuführen ist. 353 Der Anwendungsbereich der Derogationssätze berührt folglich nicht das hier zu besichtigende Konfliktfeld konzeptioneller Unvereinbarkeiten.

IV. Konzeptionelle Unvereinbarkeiten im Verhältnis von nationalem und europäischem Recht Konzeptionelle Unstimmigkeiten und Widersprüche können auch im Nebeneinander von nationalen Vorschriften und den Bestimmungen des primären und sekundären europäischen Gemeinschaftsrechts auftreten. 354 Die europarechtliche Litera349 Siehe F.-J. Peine, Das Recht als System, S. 101. Beide Sätze waren bereits im römischen Recht bekannt (für lex specialis s. Dig. 50,17,80; für lex posterior Dig. 1,4,4), wenngleich insbesondere der lex-posterior-Satz erst in modernen Rechtsordnungen tatsächlich zur Geltung gelangte; vgl. T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.347. Zu den Grenzen ihrer Anwendbarkeit vgl. für die Spezialitätsderogation E.A. Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 81 ff., für den lex-posterior-Satz K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 601 und insgesamt D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 153 ff. 350 K. E. Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 148; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.36; W. März, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 17 zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 107; K. Zeidler, DÖV 1960, 23, 25. 351 Vgl. F.-J. Peine, Das Recht als System, S. 99. Die lex-superior-Regel ist in ihrem Ursprung und im Kern ihrer Aussage identisch mit der Idee der gestuften Rechtsordnung und hängt von deren Ausgestaltung ab. Neuzeitliche Rechtsordnungen determinieren diesen Satz durch ihre Begriffe von Verfassungsgesetz und formellem Gesetz. Dazu W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 16 zu Art. 31; ferner auch K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.49. 352 W.März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, 4. Auflage, Rn. 17 zu Art.31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 107. 353 W.März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 107. 354 Monographisch untersucht von K. E. Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, insbes. S. 141 ff. Vgl. ferner W. Frenz, DÖV 1999,41,49f., der die Anwendung eines Gebots der Widerspruchsfreiheit auf diese Konstellationen aus rechtsstaat-

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1. Teil: Widersprüche in der Rechtsordnung

tur erörterte diese Konflikte unter dem Begriff der „indirekten Kollision". 355 Die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts - einzelner Richtlinien oder einer generellen Aussage des Primärrechts - wird in diesen Fällen durch mitgliedstaatliche Normsetzungsakte gestört. Ähnlich wie im Bundesstaatsgefüge wirft sich auch hier die Frage nach der Rücksichtnahme eines Glieds auf das Körperganze auf, ebenso wie das Problem der Beachtung schützenswerter Einzelinteressen an einer selbst verantworteten Gestaltung innerhalb des Kreises der eigenen Zuständigkeit. Beurteilungsmaßstab ist einerseits die Bundestreuepflicht der Teilstaaten in ihrem Eingebundensein in den Gesamtstaat bzw. dessen Rücksichtnahmeverpflichtung ihnen gegenüber, andererseits die Pflicht zu einem gemeinschaftsfreundlichen Verhalten der EU-Mitgliedstaaten, die aus ihrem Mitgliedstatus herrührt. Auch Rechtsklarheit und Vertrauensschutz können in beiden Situationen gleichermaßen in Gefahr geraten. 356 Die gemeinsame Behandlung beider Fallgruppen verbietet sich trotz aller Ähnlichkeit der Konfliktlage 357 , da es sich hier um eine staatsrechtliche, dort um eine europarechtliche Schwierigkeit handelt, deren Auflösung hier im nationalen Bundesverfassungsrecht, dort im Recht der europäischen Gemeinschaften (in seinem Zusammenspiel mit nationalem Verfassungsrecht) zu suchen ist. Die aufgeworfenen Kompetenzfragen erweisen sich aufgrund der Unvergleichbarkeit einer bundesstaatlichen Struktur mit der Organisationsform des überstaatlichen Gebildes EU ebenfalls als inkommensurabel. 358 Demzufolge unterscheiden sich auch die Sanktionen, die der jeweilige Konflikt möglicherweise nach sich zieht: das Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Unvereinbarkeiten im Bundesstaat (unter den Gesichtspunkten der Kompetenzüberschreitung und der bundesstaatlichen Rücksichtnahme ebenso wie hinsichtlich rechtsstaatlicher Grenzen) ist für den Fall eines Verstoßes gegen die Verfassung die Nichtigkeit einer der Normen gemäß §§79 Satz 1; 82 Abs. 1 BVerfGG. Beim Gegeneinander von EU-Recht und mitgliedstaatlichen Bestimmungen greift die Verpflichtung, alle Maßnahmen zu treffen, um Geltung und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten 359, für welches ein Anwendungsvorrang 360 besteht. Widersprüche im Verhältnis zu Normen des europäischen Rechts sind trotz aller phänomenologischen Verwandtschaft wegen dieser Unterschiede auszublenden. liehen Gründen bejaht. S. auch D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 150ff.; H.D. Jarass, DVB1. 1995, 954, 959; M. Niedobitek, VerwArch 92 (2001), 58, 74ff. 355 Vgl. K.E. Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrecht bei indirekten Kollisionen, S. 134 ff.; H.D. Jarass, DVB1. 1995, 954, 959; M. Niedobitek, VerwArch 92 (2001), 58, 74 ff. - jeweils m. w. N. 356 W.Frenz, DÖV 1999,41, 50. 357 Die insbesondere bei K. E. Huthmacher (Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 135,150) sehr deutlich sichtbar wird. 358 Vgl. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 152. 359 H.D. Jarass, DVB1. 1995, 954, 959 (insbes. Fn.84). Zur Rechtsprechung des EuGH in dieser Frage siehe etwa Slg. 1982, 1449, 1463. 360 D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 152; T. Oppermann, Europarecht, Rn.633.

3. Kap.: Abgrenzungen

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Die entscheidenden Abgrenzungsfragen sind damit, soweit es hier notwendig ist, beantwortet. Die Beschaffenheit des beschriebenen Konflikts gesetzgeberischer Regelungskonzeptionen als ein besonderer Ausschnitt aus dem Feld von Widersprüchlichkeiten im Rechtsstoff ist im Blick zu behalten, wenn es nun um die kompetenzrechtliche Relevanz des Phänomens geht. Ihrer Idee nach ist es die Zuständigkeitsordnung, die gegenläufige Normierungen in ein und derselben Angelegenheit verhindern soll. Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Regelungskonzeptionen ist ein Prüfstein ihrer Leistungskraft.

Zweiter

Teil

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Kompetenzverstoß Viertes Kapitel

Kompetenznormen als Grund und Grenze der Zuständigkeit: der kompetenztitelübergreifende Normkonflikt I. Die beiden Erscheinungsweisen des Normkonflikts in der Kompetenzordnung Konflikte auf dem Feld der gesetzgeberischen Konzeptionierung sind, was die Art ihres Auftretens innerhalb der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten1 betrifft, in zwei Erscheinungsweisen wahrnehmbar. Das Gegeneinander kann einerseits hervortreten, wo sich Bund und Land auf verschiedene Zuständigkeitsvorschriften berufen 2, wenn Rechtsgebiete einander an ihren Rändern berühren und es dabei zu punktweisen Überschneidungen kommt. Hierbei kann es geschehen, daß ein und dieselbe Sachfrage von verschiedener Warte aus in gegensätzlicher Weise beurteilt und geregelt wird, mitunter auch nur, weil eine Regelung reflexhaft erfaßt, was Gegenstand der Gesetzgebung des anderen ist.3 Ebensogut kann es sich aber auch zutragen, daß zwei Gesetzgeber gezielt dieselbe Gestaltungsaufgabe (wie z.B. das Abfallproblem) mit entgegengesetzten Handlungsmitteln zu bewältigen versuchen, weil ihre Zuständigkeit nur den Einsatz eines bestimmten Instrumentariums trägt. 4 Diese Erscheinungen werden durch die verschiedenen Kennzeichnungsweisen5, mit denen insbesondere die Artt. 73 bis 75 GG die einzelnen Zuständigkeitsmaterien auseinanderhalten, weiter begünstigt.6 1 Zur Identität der Begriffe „Kompetenz" und „Zuständigkeit" R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.35ff., insbes. S.42f. (zum Sprachgebrauch des BVerfG). 2 So in den Fällen der kommunalen Verpackungssteuer (s.o. 1. Kapitel, I.), des BaySchwHEG (s.o. 1. Kapitel, III.) und der Spielautomatenbesteuerung (s.o. 1. Kapitel, V., 1.). 3 R. Wolfrum, DÖV 1982, 674. 4 So am deutlichsten in den Fällen der kommunalen Verpackungssteuer (s.o. 1. Kapitel, I.) und des BaySchwHEG (s.o. 1. Kapitel, III.). 5 Dazu C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.45 zu Art. 70; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 124.

4. Kap.: Der kompetenztitelbergreifende Normkonflikt

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Zu einer Begegnung konzeptionell inkongruenter Gesetzeswerke kann es andererseits auch innerhalb eines bestehenden Zuständigkeitstitels kommen7, wenn die Befugnis zur Gesetzgebung, in konkurrierender Weise gemäß Art. 72 GG oder in Gestalt einer Bundesrahmenkompetenz gemäß Art. 75 GG, zwischen Bund und Bundesländern verteilt wird. Dem Landesgesetzgeber bleibt im Fall der Artt. 72, 74 GG Gestaltungsraum, wenn das Bundesgesetz den von ihm erfaßten Bereich erkennbar nicht abschließend regelt.8 Rahmenzuständigkeiten gemäß Art. 75 GG überlassen den Bundesländern die Ausfüllung des vom Bund vorzuzeichnenden Rahmens, in dem sich dessen Normierungsbefugnis erschöpft. 9 Während es in der zuerst geschilderten Konstellation - hier als kompetenztitelübergreifender Normkonflikt bezeichnet - darum geht zu klären, inwieweit Übergriffe in den fremden Zuständigkeitsbereich mit den Kategorien der kompetenzrechtlichen Dogmatik zu vermeiden oder auszuräumen sind, führt das zweite Verhältnis - der hier so genannte kompetenztitelinterne Konflikt (dem sich das nächste Kapitel zuwendet) - zum Versuch, den im Grundgesetz angelegten Prämissen der einzelnen Kompetenzzuweisungsformen im Hinblick auf gesetzgeberische Gestaltungskonzepte und deren mögliche Widersprüchlichkeit deutlichere Konturen zu verschaffen, um so die Leistungsfähigkeit der Kompetenzordnung beim Ausschluß der Unvereinbarkeiten zu ermessen.

II. Zum Zusammenhang von kompetenzrechtlicher Qualifikation und konzeptionellem Konflikt Daß einzelne Gegenstände an den Berührungspunkten der Gesetzgebungszuständigkeit in tendenziell gegenläufiger Weise von Regelungen der verschiedenen Normgeber erfaßt und gestaltet werden, soll die grundgesetzliche Kompetenzordnung ihrer Idee nach verhindern. 10 Sie ist dazu nur unvollkommen imstande.11 Dies liegt auf der Hand, wenn man als Behandlung ein und desselben Problems bereits ganz allgemein den Bewältigungsversuch einer sozial unerwünschten Entwicklung begreift. Hier wird es häufig dazu kommen, daß beide Gesetzgeber ihr Instrumentarium ausschöpfen, um ein identisches Problemfeld zu lösen.12 Wie im exemplari6 W.Erbguth, DVB1. 1988, 317, 319f.; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, 4. Auflage, Rn. 61 zu Art. 31; ders., Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 128; C. Pestalozza, DÖV 1972, 181, 182; M. Rodi, StuW 1999, 105, 113; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.412; R. Wolfrum, DÖV 1982, 674. 7 So im Fall der Sonderabfallabgaben (siehe oben 1. Kapitel, II.) und der Bioabfallentsorgung (siehe oben 1. Kapitel, V., 2.). 8 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 144; ders., in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.20 zu Art. 70. 9 C. Degenhart, Staatsrecht, Rnrn. 148 f. 10 Vgl. auch H. Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 14f. 11 W.Brohm, DÖV 1983,525. 12 H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.29.

. Teil: Widersprüchlichkeit als

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penverstoß

sehen Fall des Nebeneinanders von Lenkungssteuer und Sachgesetz gezeigt13, beginnen bereits hier auch die Fragen der kompetenzrechtlichen Qualifikation. Noch deutlicher stellt sich der Zusammenhang dar, wenn ein einzelnes, konkretes Moment eines Problemfeldes infolge seiner Verortung an der Grenze zweier Zuständigkeitsbereiche in die Hände zweier Normgeber gelangt, die diesen Ausschnitt nun von verschiedenen Zuständigkeitstiteln aus - gegebenenfalls in unverträglicher Weise - gestalten. Diesen Zusammenhang zur Qualifikationsfrage veranschaulicht das Beispiel des Zeugnisverweigerungsrechts für Pressemitarbeiter im Strafprozeß 14, das einer Regelung aufgrund der Bundeszuständigkeit für das Strafverfahrensrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 5. Alt. GG) ebenso zugänglich scheint wie einer Landesnormierung, die sich auf die Befugnis zur Gestaltung des Presserechts aus Art. 70 Abs. 1 GG gründet. 1 5 Dabei zeigt sich, daß der Gegenstand nicht mehr geteilt und getrennt zur Gestaltung zugewiesen werden kann.16 Konzeptionelle Widersprüchlichkeiten auszuschließen verlangt deshalb als ersten Schritt stets, den zu regelnden Stoff in zutreffender Weise einem Titel zuzuweisen.17 Grundlage dieser Verortung ist eine vom BVerfG geprägte Kriterienkette 18, deren Hauptgesichtspunkt19 die traditionelle Zurechnung einer Materie ist. 20 Der Blick des Gerichts richtet sich außerdem auf den vorrangigen Zweck des zu verortenden Gesetzes21 sowie auf dessen Abgestimmtheit hinsichtlich der normativen Grundstrukturen eines Bezirks. 22 Von einer Abgestimmtheit, einem Einfügen ist auch auszugehen, wo die Norm bestehende Strukturen auswechselt oder ergänzt, insofern sie sich in der Regelungsbreite mit dem vorgefundenen Normmaterial identifiziert. Größere Schwierigkeiten begleiten meist den Versuch, Spezialitätsbeziehungen innerhalb der einzelnen Positionen gesetzgeberischer Zuständigkeit auszumachen.23 In den Fällen der Begegnung von Bundeskartellrecht und Landesrundfunkgeset13

Siehe oben 2. Kapitel, II., 1. BVerfGE 36, 193, 202ff.; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 127; C. Pestalozzi DÖV 1972, 181, 188. 15 Weitere Beispiele behandeln W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 127; C. Pestalozza, DÖV 1972, 181, 188f.; R. Wolfrum, DÖV 1982, 674, 677. 16 C.Pestalozza, DÖV 1972, 181, 188. 17 M. Kloepfer/K. T. Bröcker, DÖV 2001,1, 3. 18 Dazu W. Erbguth, DVB1.1988,317,320; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.414ff. 19 Siehe H. D. Jarass, NVwZ 2000, 1089; ders., Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 22; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 125; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 384; R. Wolfrum, DÖV 1982, 674, 676; siehe auch C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.50 zu Art. 70. 20 BVerfGE 41, 205, 220; 48, 367, 373; 61, 149, 175; 67, 299, 315; 68, 319, 328. 21 BVerfGE 8, 143, 150; 13, 181, 196; 13, 367, 371; 14, 76, 99; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.50 zu Art.70. 22 BVerfGE 67, 299, 314ff.; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 129. 23 Dazu W. Erbguth, DVB1. 1988, 317, 320; P Lerche, JZ 1972,468,471. 14

4. Kap.: Der kompetenztitelbergreifende Normkonflikt

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zen bzw. von Strafverfahrensvorschriften und Landespresserecht wird rasch ersichtlich, daß die Kategorie allgemein-speziell infolge der Fremdheit und inneren Beziehungslosigkeit beider Regelungsfelder nicht heranziehbar ist. So wird auch angesichts eines konkreten Falls zu keinem zufriedenstellenden Schluß kommen, wer zu ergründen versucht, ob eine Zeugnisverweigerungsregelung für Pressemitarbeiter im Strafprozeß die spezielle strafrechtliche Seite gegenüber den allgemeinen Regeln des Presserechts darstellt oder umgekehrt einen presserechtlich zuzuordnenden Sonderaspekt gegenüber den allgemeinen Vorschriften des Strafprozesses. 25 Verhältnisse dieser Art 2 6 bleiben Zweifelsfragen, da sich die Normierungsbefugnisse auch bei Heranziehung der bezeichneten Prüfsteine nicht ausschließlich dem einen oder dem anderen Titel entnehmen lassen. Wie bereits oben dargestellt 27, wurde vorgeschlagen28, in diesen Fällen des „idealkonkurrierenden Sonderrechts" 29 eine Doppelqualifikation ausnahmsweise zu gestatten, um der willkürlichen Zusprechung der Materie zu einem der konkurrierenden Titel zu entgehen. Entstehenden Unvereinbarkeiten sollte Art. 31 GG entgegentreten. Warum sich Erweiterungen seines Anwendungsbereichs über den Bereich des unvermeidbaren Normfolgenkonflikts hinaus verbieten, wurde bereits ausgeführt. 30 Doppelqualifikationen zuzulassen und die dadurch hervorbrechenden Konflikte (so gut es geht) über andere Instrumente (sei es Art. 31 GG in seinem engen Rahmen, seien es die Verfassungsprinzipien des Rechtsstaats und der Bundestreue) zu bewältigen, bedeutet vor allem aber, sich über die entsprechenden Intentionen des Verfassungsgesetzgebers hinwegzusetzen, nach dessen Vorstellung es in allererster Linie die Kompetenzordnung sein soll, welche die Widerspruchsfreiheit innerhalb der föderalen Struktur gewährleistet.31 Die Zuordnung der Befugnis zu einem Titel und einem Träger ist deshalb unerläßlich. 32 Sie entscheidet sich, wenn alle anderen Kriterien erschöpft sind, nach dem Gesichtspunkt des überwiegenden Sachzusammenhangs bzw. Schwerpunkts einer Regelung.33 Der nicht zu leugnende Rest an Ungewißheit34, der trotz allem möglich bleibt, wird vom Gewinn einer eindeutigen Zuordnung aufgewogen. 24

Siehe H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 36. Siehe P Lerche, JZ 1972, 468, 471; C. Pestalozza, DÖV 1972, 181, 188. BVerfGE 36, 193, 203 läßt auch hier die „wesensmäßige und historische Zugehörigkeit" entscheiden. 26 s. auch R. Wolfrum, DÖV 1982, 674, 677. 27 s. oben 3. Kapitel, II., 4. 28 C. Pestalozza, DÖV 1972, 181, 189 (der diese Idee am prononciertesten vorbringt). 29 Zu diesem Begriff W. Erbguth, DVB1. 1988, 317, 321; C. Pestalozza, DÖV 1972, 181, 182 ff. 30 s. oben 3. Kapitel II., 3. 31 Vgl. R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.374. 32 s. auch H. Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 14f.; R. Wolfrum, DÖV 1982, 674, 677. 33 C.Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.53 zu Art.70; M. KloepferlK.T. Bröcker, DÖV 2001, 1,4; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 133; M. Rodi, StuW 1999, 105, 113; R. Wolfrum, DÖV 1982, 674, 678; vgl. demgegenüber P Lerche, JZ 1972,468,471. 34 s. auch P. Lerche, JZ 1972,468,471; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.61 zu Art. 31. 25

. Teil: Widersprüchlichkeit als

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Trotz gelungener Kompetenzqualifikation kann es eintreten, daß ein Normkomplex in den Bereich einer fremden Zuständigkeit hinüberwirkt. 35 Kompetenzrechtliche Auswege hieraus soll die folgende Erörterung des kompetenztitelübergreifenden Konflikts finden.

I I I . Der Ausschluß kompetenztitelübergreifender Normkonflikte durch das Erfordernis doppelter Zuständigkeit Eine Möglichkeit, Normkonflikten in Gestalt kompetenztitelübergreifender Störungen entgegenzutreten, findet sich im Erfordernis der legislativen Zuständigkeit für all jene Felder, auf denen ein Normsetzungsakt in einem bestimmten Ausmaß zurechenbare Wirkungen entfaltet. Eine solche doppelte Zuständigkeit forderten die Anhänger dieser sogenannten Theorie der Doppelkompetenz36 zuerst für den Fall, daß eine landesgesetzliche Lenkungssteuer das Verhalten der Abgabepflichtigen in einem Bereich beeinflußt, der zusätzlich Gegenstand einer fremden Sachgesetzgebungskompetenz ist. Doch läßt sich dieser Ansatz, den das BVerfG in seiner Entscheidung zur kommunalen Verpackungssteuer verwarf 37, ebensogut auf alle anderen Fälle titelübergreifender Störwirkungen übertragen. 38 Es gibt kompetenzrechtlich keinen Grund, die Kollision von Steuer- und Sachnorm hier anders zu behandeln als derartige Konflikte in den anderen möglichen Konstellationen. Gesetzgebungszuständigkeiten sind untereinander gleichwertig. 39 Differenzierungen sind in der Kompetenzordnung nicht angelegt. Sehr häufig wird im Fall eines solchen Konflikts die übergreifende Norm allerdings reflexhaft und ungewollt in einen fremden Bezirk hineinwirken. Eine handhabbare Abschichtung zwischen schwereren Formen der übergreifenden Wirkung (bei denen die Doppelkompetenztheorie anzuwenden wäre) und Fällen einer schwachen reflexiven Wirkung, wie sie fast jede Norm in irgendeiner Weise mit sich bringt, scheitert am Facettenreichtum des Phänomens. Damit verbietet es sich, den Problemkreis der Kompetenzbeeinträchtigung aufzuspalten und nur zu einem Teil mit Hilfe der Doppelkompetenzlösung zu bewältigen. Desweiteren muß man sich bei der Anwendung dieses Ansatzes darüber im klaren sein, daß er das Verbot der Doppelqualifikation ausschnittsweise außer Kraft setzt40, indem er eine solche doppelte Qualifizierung eines einzelnen Gesetzes (der Lenkungssteuer) nicht nur geschehen läßt, sondern gezielt herbeikonstruiert. Das 35

H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.40. s. oben 2. Kapitel, II., 1. 37 BVerfGE 98, 106,118. 38 Vgl. K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 30. 39 W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528. 40 Diesen Zusammenhang erkennt H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 15 f. 36

4. Kap.: Der kompetenztitellibergreifende Normkonflikt

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behauptete Erfaßtsein von beiden Titeln dient dann zur Begründung, daß sich diese Befugnisse in einer Hand befinden müßten. Der Idee der Kompetenzordnung, daß ein Gesetzgebungsgegenstand zu einem bestimmbaren Kompetenzinhaber gehört, widerspricht diese Theorie deshalb zunächst insofern, als sie sich gegen die Grundprämisse hierfür, die eindeutige Zuordnung wendet. Sie wird der Idee jedoch im Ergebnis dadurch gerecht, daß sie dann, in den Fällen der doppelten Qualifikation, auch die zweifache Zuständigkeit verlangt und so verhindert, daß beide Gesetzgeber tätig werden können. Die Doppelkompetenztheorie nimmt eine Doppelqualifikation also gerade deshalb vor, um zwei Zuständigkeitsgrundlagen verlangen zu können. Der Ausweg, mit dem sie sich behilft, ist ein Ausdruck der unleugbaren Unzulänglichkeit des Doppelqualifikationsverbots zur Herstellung einer auch tendenziell vollkommen widerspruchsfreien Ordnung. Ein zweiter Blick auf die These vom Erfordernis der doppelten Zuständigkeit offenbart den weiteren Zusammenhang, in den sie ihrer Idee nach eingebettet ist, und führt zur Frage, inwieweit eine vom Grundgesetz erteilte Gesetzgebungsbefugnis nur bis dorthin reicht, wo eine andere, gleichwertige, ihr entgegensteht. Der Doppelkompetenztheorie ist diese Entscheidung vorgelagert: ihrer Aussage ist keine Antwort darauf entnehmbar. Ihr kann nur folgen, wer diese Prämisse akzeptiert. Dann nämlich versteht es sich von selbst, daß eine zweite Kompetenz bei titelübergreifenden Normierungen benötigt wird. Erschöpft sich die Kompetenzverteilungsordnung dagegen in der Zuweisung von Gestaltungsbefugnissen, ohne deren Schranken selbst zu setzen, so ist auch der Doppelkompetenzthese der Boden entzogen. Sie erweist sich mithin als überflüssig, wenn man sich ihren kompetenzrechtlichen Gesamtkontext vor Augen führt. Zum Erfordernis der doppelten Zuständigkeit gelangt, wer dem Hoheitsträger Übergriffe versagt. Anders als der Ursprung dieser Betätigungsschranke, bedarf diese Konsequenz nicht der Begründung. Wer die Herleitung solcher Prämissen aus der Kompetenzordnung dagegen ablehnt, um die Einschränkung gesetzgeberischer Übergriffsmöglichkeiten in abgefederterer Weise mit Blick auf den Ausnahmefall und die miterfaßten Geringfügigkeiten mittels eines flexibleren Instruments zu bewerkstelligen, gelangt nebenbei und notwendigerweise zur Verneinung der Doppelkompetenztheorie, ohne hierauf sein Augenmerk richten zu müssen.

IV. Die Leistungsfähigkeit der Kompetenznormen bei der Verhinderung titelübergreifender Normkonflikte 1. Die Sicherung des Zuweisungsgehalts grundgesetzlicher Zuständigkeiten als Gesichtspunkt ihrer Auslegung Die Frage, deren Antwort nunmehr zu suchen ist, lautet, inwieweit grundgesetzliche Kompetenzvorschriften eine Zuständigkeit nur insoweit begründen, als deren Ausübung keine gleichwertige fremde Kompetenz beeinträchtigt. Die Beeinträchti7 Haack

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. Teil: Widersprüchlichkeit als

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gung des fremden Zuständigkeitsbereichs ist dabei nicht mit der Störung eines fremden Normwerks gleichzusetzen. Auch der Übergriff auf das Gebiet einer bisher ungenutzten Befugnis schmälert den fremden Gestaltungsspielraum. Insofern ist jedes Hineinwirken hier zugleich eine Beeinträchtigung. Ansätze, den grundgesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften eine solche Grenze zu entnehmen, hat es - von der Doppelkompetenztheorie abgesehen - vereinzelt bereits gegeben.41 Zwei Herangehensweisen kommen in Betracht 42: Einerseits 43 ist daran zu denken, Normen zur Zuständigkeit so zu deuten, daß sie zur Gestaltung von vornherein nur in ihrem Binnenbereich befugen. Fremde Befugnisse wären dann ein entscheidendes Kriterium der Auslegung der eigenen Zuständigkeit. Sie erschienen damit nicht als Ausübungsschranken, sondern als Abzirkelung der Kompetenz selbst: jenseits der Beeinträchtigungsgrenze wäre der übergreifend tätig gewordene Gesetzgeber von vornherein unzuständig. Von selbst versteht sich eine solche Beschränkung auf den Binnenbereich hinsichtlich der Norm selbst, hinsichtlich ihrer Tatbestände und Rechtsfolgen. Die Möglichkeiten gesetzgeberischer Konzeptionierung decken sich insofern mit dem jeweiligen Kompetenzthema in seiner Breite. Der Gesetzgeber darf, was die Auswahl der einzubeziehenden Tatbestände und die Festlegung der angeknüpften Rechtsfolgen betrifft, nur das konzeptionieren, wozu ihn die Zuständigkeitsnorm berechtigt. Die Deutung, um die es hier geht, zielt dagegen nicht auf das Erfaßtsein bestimmter Tatbestände oder die Anordnung einzelner Rechtsfolgen. Sie interpretiert die Kompetenzordnung von den Wirkungen her, die eine Norm entfaltet. Zuständigkeitszuweisungen wären danach in dem Sinn restriktiv zu deuten, daß sie nur insoweit zur Gestaltung befugen, als der Zuweisungsgehalt fremder Kompetenzpositionen von ihnen unberührt bleibt. Umgekehrt - aus Sicht der beeinträchtigten Kompetenz - wäre daran zu denken, ihr Entgegenstehen als Grenze der fremden Zuständigkeiten zu interpretieren. 44 Die Auslegung der Kompetenznormen wäre um den Aspekt einer Nichthinnahme von Übergriffen anzureichern, die den Zuweisungsgehalt des Gestaltungstitels in Gefahr 41 Vgl. W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528; W.Frenz, DÖV 1999, 41, 43; M.Kloepfer, VVDStRL 50 (1991), 305, 306f.; für den Konflikt von Steuer- und Sachnorm: K.H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S.28; W. Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 143; M. Rodi, StuW 1999, 105, 114; P. SelmerIC. Brodersen, DVB1. 2000, 1153, 1157. s. außerdem D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 364: „[Es] stellt sich die Frage, ob die im Grundgesetz enthaltene Regelung der Gesetzgebungskompetenzen nicht allein der Festlegung des jeweils zuständigen Gesetzgebers dient, sondern darüber hinaus beide Gesetzgebungsberechtigte - Bund und Land - zu einer Gesetzgebung verpflichtet, die auch auf der Stufe der Kompetenzausübung in ihren praktischen Auswirkungen nicht die Ausübung der jeweils anderen Kompetenz behindert." Doch verfolgt sie diesen Ansatz nicht, sondern rekurriert im selben Schritt auf das Bundestreuegebot. 42 Vgl. W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528. 43 Siehe W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528. 44 Vgl. auch//. Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 15: „Die Auslegung [der Kompetenznormen - S. H.] muß darauf ausgerichtet sein, einen eigenen Bereich der Kompetenzwahmehmung sicherzustellen; er bedarf umrissener Grenzen, um Konflikte und Beeinträchtigungen des eigenen Entscheidungsbereichs einer Kompetenz zu meiden".

4. Kap.: Der kompetenztitelübergreifende Normkonflikt

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bringen. Fremde Gesetzgebungsbefugnisse wären dann in der Tat als Kompetenzausübungsschranken zu begreifen. 45 Was ihren Ursprung und ihre Anwendung betrifft, sind beide Betrachtungsweisen als einheitlicher Ansatz aufzufassen, der darauf beruht, die Kompetenzordnung nicht als Summe beziehungslos nebeneinandergesetzter Einzelbefugnisse, sondern als abgeschlossenes und autarkes Gebilde innerhalb der Verfassung zu begreifen, das keines Korrektivs von außen bedarf, sondern alle Konflikte aus sich selbst heraus bewältigt.46 Der Unterschied ihrer Ausgestaltung - Zuständigkeitsabmessung oder Ausübungsschranke - darf deshalb nicht überbewertet werden. 47 Zuständigkeitszuweisungen wären nach beiden Spielarten dieser Idee zugleich Garanten für den unbeeinträchtigten Fortbestand dessen, was der zur Gestaltung Berechtigte in Ausnutzung seiner Befugnis geschaffen hat. 2. Konkretisierungen anhand einzelner Kompetenztypen Anhand der kennzeichnenden Strukturen der verschiedenen Formen grundgesetzlicher Gesetzgebungszuständigkeit läßt sich der dargestellte Interpretationsansatz präzisieren und verdeutlichen. Die von Art. 73 GG bezeichneten Gebiete ausschließlicher Bundeszuständigkeit ebenso wie die gemäß Art. 70 Abs. 1 GG verbliebenen Bezirke der ausschließlichen Landeszuständigkeit bleiben der Betätigung fremder Hoheitsträger verschlossen, ohne daß es eines Zutuns des Kompetenzinhabers bedarf. 48 Der vorgestellten Interpretation zufolge bedeutet das: kein Normgeber darf von außerhalb Regelungen hervorbringen, die in irgendeiner Weise auf das Terrain ausschließlicher Zuständigkeiten hinüberwirken. Die anzustellende Betrachtung erschöpft sich in der Ermittelung der Reichweite des Kompetenzthemas; die Folge, daß hineinspielende Regelungen ihrerseits zuständigkeitswidrig sind, auch wenn ihr Titel sie bei formaler Betrachtung in der Breite der erfaßten Tatbestände und hinsichtlich der ausgewählten Rechtsfolgen trägt, ergibt sich in jenen Fällen, wo eine beeinträchtigende Wirkung aufzuspüren ist, ohne weiteres von selbst. Die Maxime der vorgeschlagenen Kompetenzinterpretation tritt hier am deutlichsten zutage. Im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit (nach Artt. 72, 74 GG) macht gemäß Art. 72 Abs. 1 GG das bundesgesetzgeberische Tätigwerden die bis dahin bestehenden Landesvorschriften nichtig und versperrt den Bereich des jeweiligen Kompetenzthemas gegenüber weiteren landesgesetzgeberischen Aktivitäten. 49 Da45

Diesem Ansatz folgen W. Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 143 und M. Rodi, StuW 1999, 105, 114. 46 Vgl. M.Rodi, StuW 1999, 105, 114. Ähnlich W.Brohm (DÖV 1983, 525, 528): „Jede Kompetenz dient einer einheitlichen Aufgabenbewältigung des Staates und muß im Interesse dieser Einheit ausgelegt und ausgeübt werden. Insofern findet jede Kompetenz ihre Grenze an den entsprechenden Befugnissen des anderen Hoheitsträgers." 47 W.Brohm, DÖV 1983, 525, 528. 48 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 1 zu Art. 71. 49 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.30 zu Art. 72. 7*

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mit wirft sich die Frage auf, inwieweit eine solche Sperrwirkung nur solche Gesetze erfaßt, die ihre Grundlage im selben Titel finden. Anderenfalls - und dies entspräche dem hier skizzierten Weg - würde sich die abschließende bundesgesetzgeberische Normierung eines Bereichs der konkurrienden Zuständigkeit auch solchen Landesgesetzen als Sperre entgegenstellen, die von einem anderen Titel aus in diesen Bereich einwirken. 50 So war im Verpackungssteuerfall die Auffassung 51 vernehmbar, es hätte des Rekurses auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit deshalb nicht bedurft, weil der Bundesgesetzgeber das Abfallrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) abschließend geregelt habe. Ein kommunaler beziehungsweise landesgesetzlicher Verpackungssteuererlaß auf Grundlage des Art. 105 Abs. 2 a GG sei dadurch ausgeschlossen gewesen. Die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG wurde damit kompetenztitelübergreifend verstanden. Wie bei der ausschließlichen Zuständigkeit läßt sich eine solche Deutungsweise auch hier zugunsten des Landes wenden: dem Bundesgesetzgeber wäre es danach versagt, von einem anderen Kompetenztitel aus dort Normwirkungen zu erzeugen, wo ein konkurrierender Bereich mangels abschließender bundesgesetzlicher Normierung der landesgesetzgeberischen Gestaltung weiterhin offenstand. Entsprechendes läßt sich auf die Fälle der Rahmengesetzgebungskompetenz übertragen. Die Befugnis des Bundes ist hier darauf beschränkt, Vorschriften zu erlassen, die der Ausfüllung durch die Landesgesetzgebung fähig und bedürftig sind.52 Diese hat sich ihrerseits innerhalb des vom Bund konturierten Rahmens zu bewegen.53 Eine den Kompetenzzuweisungsgehalt sichernde Verständnisweise müßte die Bindungskraft des Rahmens auf solche Landesgesetze erweitern, die von einem fremden Zuständigkeitstitel her (oft also von Art. 70 Abs. 1 GG) in einer Weise wirken, daß sie gegen die Intention des Rahmengesetzes verstoßen. Der Rahmen wäre über den Titel hinaus Grenzkontur für alle Vorschriften, die auf irgendeine Art in diesem Bereich wirken. In umgekehrter Richtung versagt es eine solche Interpretation der Bundeslegislative, Vorschriften aufgrund einer anderen Zuständigkeit zu setzen, die in den vom Rahmen gesteckten Raum hineinzielen und dabei möglicherweise ein rahmenkonformes, ausfüllendes Landesgesetz behindern. Die dargestellte Deutungsweise der Zuständigkeitsverteilung läßt sich, wie diese Ausführungen gezeigt haben, konstruktiv in die einzelnen Formen der grundgesetzlichen Gesetzgebungszuständigkeit integrieren. Doch beseitigt das nicht die Zwei50 Eine Interpretation, die BVerfGE 14,76, 99 unmißverständlich ablehnt. Ähnlich BVerfG NVwZ 2000, 1160. 51 P. Selmer/C. Brodersen, DVB1. 2000, 1153, 1157; H.Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; ders., NJ 1998, 365, 366. Auch W. Knies (Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 141) vermißte die Begründung dafür, daß eine Steuernorm nicht der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG unterfällt, wenn sie mittelbar in einen Bezirk der konkurrierenden Sachzuständigkeit hinüberwirkt. Gegen derartige Erwägungen wenden sich jedoch D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 274 sowie C. Trzaskalik, in: Verhandlungen des 63. DJT, Bd. I, E33. 52 BVerfGE 4, 115, 129; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.4 zu Art.75; W. Erbguth, DVB1. 1988, 317, 322; K. Stern, Staatsrecht, Bd.II, S.599; R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 6 zu Art. 75. 53 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.41 zu Art. 75.

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fei, die einer solchen Betrachtungsweise anhaften. Wenn es einen entsprechenden Aussagegehalt gibt, vermag vor allem die methodische Interpretation der Kompetenzzuordnungsnormen ihn zu erschließen. 3. Die methodische Interpretation der Zuständigkeitsordnung als Prüfstein des entworfenen Deutungsansatzes Nur der gründliche Blick auf die Kompetenzordnung selbst, ihre Formulierungen, ihr inneres Zusammenspiel, ihre Entstehung und Zwecksetzung, ermöglicht es zu ergründen, ob die Zuständigkeitstitel als das beschriebene autarke System sich gegenseitig beschränkender Befugnisse begriffen werden können54 oder ob in ihnen eine Gesamtzahl nebeneinandergestellter Gestaltungspositionen erblickt werden muß, deren Korrektur im Fall ihres Konflikts nicht anhand einer Auslegung der Kompetenzordnung selbst, sondern mit Hilfe anderer Rechtssätze vorzunehmen ist. Dem Wortlaut der Kompetenzvorschriften, insbesondere den Artt. 70 bis 72 und 75 GG, sind keine zuverlässigen Hinweise entnehmbar. Wenn hier von „Befugnis" (Artt. 71, 72 GG) bzw. „Recht zur Gesetzgebung" (Art. 70 GG) die Rede ist, deutet dies, da es ohne Hinzufügung einer Einschränkung in den Raum gestellt bleibt, eher auf eine Festlegung reiner Gestaltungspositionen. Die interne Systematik der grundgesetzlichen Kompetenzordnung ist durch die Lückenlosigkeit und Eindeutigkeit der Zuordnungen gekennzeichnet. Beide Momente bezeugen die innere Planhaftigkeit des Verteilungssystems und damit die Zusammengehörigkeit seiner Teile. Ob dieser Zusammengehörigkeit in verstärkterem Maß Rechnung getragen werden muß, als ohnehin durch das positiv Normierte erreicht wird, ist eine weiterhin offene, hier nur scheinbar beantwortete Frage. Zusammengehörigkeit im Sinne einer Struktur, die Lücken55 und Doppelungen56 um der optimalen Funktionstüchtigkeit willen ausschließt, bedeutet nicht notwendigerweise, daß auch die einzelnen zusammengefügten Glieder über die Festlegungen der positiv-äußeren Struktur hinaus in einer konzertierten Weise zu interpretieren sein müssen, so daß eines das andere begrenzt. Entstehung und traditionelle Herkunft der föderalen Legislativzuständigkeitsverteilung ergeben ebensowenig Hinweise. Den Zweck der Kompetenzverteilung charakterisiert zweierlei: Koordination und Abgestimmtheit sollen dazu dienen, Zuständigkeitskonflikte (der Gestalt, daß sich 54

Vgl. W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528; M. Rodi, StuW 1999, 105, 114. W.Erbguth, DVB1. 1988, 317; M. KloepferlK.T. Bröcker, DÖV 2001, 1, 3; W. März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.21 zu Art. 31; H.-W. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 100 Rn. 30. 56 BVerfGE 36, 193, 202f.; 67, 299, 321; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.53 zu Art. 70; M. Kloepfer/K. T. Bröcker, DÖV 2001,1,3; P. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Rn. 12 zu Art. 70. 55

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jeder oder keiner der Hoheitsträger für zuständig hält) auszuschließen.57 Zugleich soll sie - als ein zentrales Moment des föderalen Modells - den Hoheitsträgern im Bundesstaat Gestaltungsräume abstecken, die sie in eigener Verantwortung, unbeeinflußt vom anderen, ausfüllen. 58 Das richtige Kompetenzverständnis ist allerdings auch hieraus nicht zu gewinnen: zwar soll der zugewiesene Gestaltungsraum unbeeinträchtigt bleiben, woraus zu folgern ist, daß es Grenzen des Übergriffs geben muß. Wo sie zu finden sind, läßt sich auch im Blick auf den Zweck der Kompetenzordnung nicht entscheiden. 4. Wesen und Inhalt einer vom Grundgesetz zugewiesenen Kompetenz Wesen und Inhalt einer vom Grundgesetz zugewiesenen Gesetzgebungskompetenz wurden bereits von verschiedenen Seiten wissenschaftlich beleuchtet.59 Auch die Rekapitulation dieser Überlegungen kann einen Hinweis darauf erbringen, inwieweit Gesetzgebungsbefugnisse einander begrenzen können. Eine von allen Zweifeln befreite Antwort, soviel zeichnet sich bereits ab, wird sich möglicherweise nicht finden lassen. Der Annahme innerer Beschränkungen haftet der Verdacht an, in die Kompetenzordnung hineingetragen statt ihr entnommen zu sein. Die Ablehnung ist mit dem Vorwurf konfrontiert 60, Zuflucht zu beliebig biegsamen ungeschriebenen Grundsätzen zu suchen, ohne den geschriebenen Verfassungsinhalt erschöpfend interpretiert zu haben. Beim Versuch, hier eine vorzugswürdige Antwort zu finden, kann man sich an jenen Vorstellungen orientieren, die bisher unter der Geltung des Grundgesetzes mit der Zuweisung einer Gesetzgebungsbefugnis bzw. mit der Kategorie der Kompetenz im allgemeinen Sinn verbunden wurden. 61 Zuständigkeit besitzt, wer unter mehreren die Angelegenheiten einer bestimmten Art zu erledigen hat, definierte Herbert Krüger 62. Kompetenz ist demnach eine Aufgabenzuteilung: wo ein Titel des Grundgesetzes sie vornimmt, wird ihr Träger für die Bewältigung dieses Bereichs verantwortlich. Die Kompetenzordnung, wie das 57

Vgl. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 108; G. Lassar, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.), HdBDStR I, S. 301; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 306; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S.62. 58 H. Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 15. 59 s. dazu umfassend/?. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.31 ff. 60 Vgl. dazu E. Saröevic, Das Bundesstaatsprinzip, passim. 61 Hierbei geht es stets um die Kategorie der Kompetenz unter der Geltung der gegenwärtigen Verfassung. Zur Abhängigkeit des Kompetenzverständnisses vom Staats- und Verfassungsdenken in vorgrundgesetzlicher und heutiger Zeit/?. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 79 ff. - Daß die hier vorgestellten Begriffsannäherungen zum Teil über den legislativen Kompetenzbereich hinausgreifen, sollte beachtet werden. Dennoch besitzen die folgenden Erklärungsansätze ihrem jeweiligen Grundgedanken nach die notwendige Abstraktion, um auch hier von Nutzen zu sein. 62 Allgemeine Staatslehre, S. 104; ähnlich aus Schweizer Sicht M. Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 96; vgl. auch W. Brohm, DÖV 1983, 525; E.-W. Fuß, AöR 83 (1958), 383,402; H.J. Wolff, Verwaltungsrecht II, S.9.

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Grundgesetz sie ausprägt, enthält dann die Summe dieser Verantwortlichkeiten. Noch ein Stück deutlicher tritt dies in den Aussagen Ossenbühls heraus, der Kompetenzen als „Machtpositionen"63 bezeichnet: eine Kompetenzzuweisung ist danach die Zuteilung von Hoheitsgewalt und verschafft die Gestaltungsmacht für einen bestimmten Bereich. Aufgabe der Zuständigkeitsordnung ist es dann, diese Machtpositionen vollständig zu verteilen; die Kompetenzzuweisungen sind insofern ein System der Machtverteilung. Schranken ergeben sich aus dem Verhältnis ihrer Träger. Ähnliches formuliert aus Schweizer Sicht Saladin64, für den Kompetenz die Ermächtigung, Befugnis, Erlaubnis bedeutet, auf einem bestimmten Gebiet in bestimmter Weise, auf bestimmte Ziele hin tätig zu werden. Aufmerken läßt die Anreicherung um den Gesichtspunkt des Ziels: der nach der Kompetenzverteilung Zuständige darf selbst Ziele setzen und verfolgen. Wo Bund und Länder für verwandte Gegenstände zuständig sind, bedeutet das angesichts der Gleichwertigkeit grundgesetzlicher Gesetzgebungsbefugnisse konsequenterweise die Lizenz zum Festlegen gegenteiliger Ziele, zum Entgegensteuerndürfen. Als Zusammenfassung von sachlicher Staatsaufgabe und hoheitlicher Gewalt erscheint der Kompetenzinhalt in den Ausführungen Ehmkes65. Ein Kompetenztitel zieht folglich den Aufgabenkreis, für den Hoheitsbefugnisse bestehen; die Kompetenzordnung ist vorrangig eine Aufgabenabgrenzungsordnung. 66 Die Kategorie der , Aufgabe 4 sperrt sich gegen die Vorstellung der gegenseitigen Beschränkung: Aufgaben enden nicht dort, wo andere beginnen. Sie stehen nebeneinander und mitunter in einem beziehungsreichen Zusammenhang. Sie zu erfüllen, kann den Übergriff in fremde Bereiche unter Umständen notwendig machen.67 Die Vorstellung der Kompetenzordnung als Aufgabenabgrenzungsordnung führt in ihrer Konsequenz zum erlaubten Hineinwirken in einen fremden Zuständigkeitsraum, wenn es die Bewältigung der eigenen Aufgabe erfordert. Schranken finden sich auch hier nur außerhalb dieser Ordnung. Selbstverantwortung und selbständige Wahrnehmung bestimmen auch nach Auffassung Häberles 68 das Wesen der vom Grundgesetz zugewiesenen Kompetenz. Diese Selbständigkeit gerät in Gefahr, wo das Hinüberwirken eines 63 Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 209. Ähnlich („nach Inhalt und Grenzen vom Rechtssatz umschriebene Handlungsmacht") H. Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 14. Vgl. allgemein auch F. Ermacora, Allgemeine Staatslehre, Teilband 2, S.913f. 64 In: Totalrevision der Bundesverfassung, S. 192. 65 VVDStRL 20 (1963), 53,90. Vgl. dazu die Erörterungen/?. Stettners, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.39. In ähnliche Richtung W. Erbguth, DVB1. 1988, 317; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rnrn. 490f.; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 112. 66 P.Lerche, VVDStRL 21 (1964), 66, 78. 67 Die Umsetzung dieses Ansatzes findet sich in BVerfGE 98,265,302 f., wo das Gericht aus dieser Erwägung heraus punktuelle Übergriffe des Bundesgesetzgebers in die Landeszuständigkeiten bei der Entwicklung seines Schwangerschaftsschutzkonzeptes rechtfertigte. S. oben 1. Kapitel, III. 68 Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S.472. Vgl. auch/>. Lerche, VVDStRL 21 (1964), 66, 77; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 112.

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anderen Befugnisträgers die Ausfüllung des eigenen, durch die Verfassung zugewiesenen Gestaltungsraums beeinträchtigt. Verdeutlichende Anregungen lieferte auch Stettner in seiner monographischen Analyse der Kompetenzlehre: Kompetenz erscheint ihm als eine anvertraute Macht zur Gemeinwohlkonkretisierung, zur Suche und zur Bewältigung öffentlicher Interessen.69 Wenn die Verfassung diese Befugnis materienweise zwischen verschiedenen Inhabern verteilt, veranlaßt sie selbst die Möglichkeit auseinanderlaufender Ergebnisse in den Berührungsfeldern zweier Bereiche, weil das sogenannte Gemeinwohlinteresse nichts anderes ist als die Balance zahlreicher gegenläufiger Staatsund Privatinteressen, deren Herstellung auf einer subjektiven Identifikation dieser Interessen, auf Abwägungen, Wertungen und Gewichtungen beruht. Wertungswidersprüche sind in einem solchen Programm unvermeidbarerweise enthalten. In diesen Zusammenhang fügt sich das weitere von Stettner 70 beigesteuerte Merkmal der Entscheidungsgewalt. Der Befugnisträger entscheidet aufgrund der von ihm gefundenen Wertung das Vorgehen bei der Wahrnehmung öffentlicher Interessen. Bei benachbarten Sachfragen, die das Grundgesetz verschiedenen Legislativen zuweist, können diese Entscheidungen in gegenteiligen Maßnahmen, bedingt durch auseinanderlaufende Ziele, bestehen. Die Beschränkungen, die zur Funktionsfähigkeit des Staatsganzen unerläßlich bleiben, rühren nicht aus dem System dieser Entscheidungsräume selbst, sondern müssen von außen hineingetragen werden. Diese ineinander verschlungenen Deutungsansätze der grundgesetzlichen Zuständigkeitsordnung auf dem Terrain der Legislative weisen deutlich auf ein Verständnis, das Kompetenzzuweisungen als Gestaltungspositionen begreift, deren Schranken sich in demfinden, was der einzelne Titel als Gestaltungsraum eröffnet, in der Summe also der dem Kompetenzbereich unterfallenden Tatbestände und der von ihm gedeckten Auswahl an Rechtsfolgen. Ausübungsschranken selbst ließen sich dann ausschließlich in jenen Rechtssätzenfinden, die außerhalb der Zuständigkeitsverteilung stehen. Im föderalen Verhältnis wird ein Gesamtbestand an Gestaltungsmacht verteilt. 71 Ausübungsbeschränkungen entstammen nicht dem System der Verteilung 72, sondern dem Verhältnis der Kompetenzinhaber zueinander und den rechtsstaatlichen Bindungen, die unabhängig von der Frage föderaler Befugnisse bestehen. 5. Die Unterscheidung einer Befugnis von den Schranken ihrer Ausübung Die sichtbar gewordenen Bedenken werden durch folgende Erwägungen vertieft: Gesetzgebungskompetenzen sind untereinander gleichwertig. 73 Wo zwei gleichwer69

R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.72, im Anschluß an P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S.679. 70 Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.73ff.; vgl. auch W. Herschel, RdA 1973,147,155. 71 Vgl. auch E.-W. Fuß, AöR 83 (1958), 383, 402. 72 So aberM. Rodi, StuW 1999, 105, 114. 73 W.Brohm, DÖV 1983, 525, 528.

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tige Rechtspositionen aufeinandertreffen, modifiziert dieser Konflikt, wenn es nicht ausdrücklich bestimmt ist, nicht die Positionen selbst. Die Kollision zweier Befugnisse löst sich, soweit eine andere Festlegung fehlt, nach dem Verhältnis der Befugnisträger zueinander. Aus ihrer Beziehung ergeben sich auch die Schranken der Ausübung. Die Zuweisung der Positionen ist ein Ausschnitt dieser Beziehung, die zur Lösung des Konflikts vollständig wahrgenommen werden muß. Die föderalistischen Bestimmungen des Grundgesetzes und das ihnen zugrunde liegende bundesstaatliche Prinzip statuieren Verpflichtungen und Rechte, die das Verhältnis zwischen Bund und Bundesländern definieren. Anhand dessen und nicht anhand einiger hierzu kaum aussagekräftiger Kompetenzvorschriften löst sich deshalb auch ein zutage getretener kompetenztitelübergreifender Normkonflikt. Der Maßstab, der hier ins Spiel gebracht werden muß, ist der Grundsatz der Bundestreue, die als Teil des Verfassungsprinzips Bundesstaatlichkeit an einer späteren Stelle zu erörtern ist. 74 Ihr Einsatz ist erforderlich, weil das Einbezogensein beider Teile in ein Geflecht von Bindungen und Freiräumen bei der Beschränkung kompetenztitelübergreifender Gesetzgebung mitzubeachten ist. Deren Verbot unmittelbar aus den Kompetenznormen selbst abzuleiten, versperrt - neben aller methodischen Problematik - die Einbeziehung weiterführender bundesstaatlicher Gesichtspunkte. Auch im Schrifttum 75 wurde das Bundestreuegebot zur Bewältigung kompetenztitelübergreifender Normkonflikte - in sehr gegensätzlicher Weise - herangezogen. Während es einerseits als Mißbrauchsschranke begriffen wurde, diente sie anderen zur Anknüpfung eines Gebots der kompetenzrechtlichen Konkordanz 76, das in seinen Folgen der Doppelkompetenztheorie ähnelt. Die Bundestreue in ihrer Funktion als Ausübungsschranke in strengerer Weise als bisher zu handhaben (so daß sie sich im Ergebnis der Forderung nach doppelter Zuständigkeit tatsächlich annähert), erscheint diskutierbar. Die Zuständigkeitsordnung sagt über die Behandlung kompetenztitelübergreifender Kollisionen nichts aus. Sie trägt die Vorstellung nicht, daß die Gesetzgebung sich auch hinsichtlich der von ihr ausgelösten Wirkungen innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs bewegen müsse. Kompetenznormen erschöpfen sich in der Eröffnung einzelner Gestaltungsräume; die Grenzen, welche die Kompetenzinhaber bei deren Ausfüllung zu beachten haben, ergeben sich aus deren Verhältnis zueinander. Die Frage nach der Leistungskraft der grundgesetzlichen Ordnung der Gesetzgebungsbefugnisse ist damit, wie bereits mehrfach bemerkt, erst zur einen Hälfte beantwortet. In welchem Maß verhindert es die Kompetenzverteilung, daß innerhalb 74

s. unten das 10. Kapitel, passim. D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.365ff.; H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1044; ders., Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.41. W. Brohm (DÖV 1983,525,528) will diese Anknüpfung neben der oben dargestellten Interpretation der Kompetenzordnung gelten lassen; unentschieden auch W. Frenz, DÖV 1999, 41, 43. Vgl. ferner C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 56 zu Art. 70. 76 Siehe W. Brohm, DÖV 1983, 525, 528. 75

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ein und desselben Themas Konflikte aufbrechen, wenn weder der Bund noch das Land für einen Gegenstand ausschließlich zuständig sind? Fünftes Kapitel

Legislative Zuständigkeitsformen unter dem Gesichtspunkt gesetzgeberischer Konzeptionierung: der kompetenztitelinterne Normkonflikt I. Zum Zusammenhang von Zuständigkeitstypus und Gesetzeskonzeption Zum Konflikt von Gesetzeswerken kann es möglicherweise auch kommen, wo sich zwei Gesetzgeber innerhalb des gleichen Zuständigkeitstitels betätigen, wenn die jeweilige Kompetenzkonstruktion die Befugnis zur Gestaltung zwischen beiden Hoheitsträgern verteilt. Der Frage, welches Maß an Widerspruchsfreiheit die Kompetenzordnung in diesen Fällen herzustellen vermag, ist nunmehr nachzugehen. Es geht folglich darum, die Konturen der einzelnen Zuständigkeitsformen aus dem Blickwinkel der gesetzgeberischen Konzeptionierung zu verdeutlichen und die hergebrachten Verteilungskriterien innerhalb des jeweiligen Typus um entsprechende Einzelgesichtspunkte zu erweitern. Angesichts des Art. 72 Abs. 1 GG wirft sich beispielsweise die Frage auf, inwieweit die hier in dem Kürzel Konzeption inbegriffenen Normierungsmerkmale 77 auf das Vorhandensein einer Sperrwirkung im Sinne dieser Vorschrift hinweisen. Hinsichtlich des Art. 75 GG gilt es aufzuklären, inwieweit sie als Teil des Rahmens den Landesgesetzgeber binden und zur konzeptionellen Uniformität zwingen können. Wenn es sich in einem hohen Maße so verhält, bedeutet die Inswerksetzung der Konzeption Ausübung der Kompetenz und damit zugleich Bindung bzw. Ausschluß der fremden Zuständigkeit. Die Kompetenzordnung verhinderte konzeptionelle Divergenzen dann in einem beträchtlichen Umfang. Den Äußerungen des BVerfG ist dazu eine einheitliche Tendenz nicht entnehmbar: einerseits zeigt das Gericht dem Bund gegenüber im Hinblick auf Art. 72 Abs. 1 GG Großzügigkeit, was die Annahme sperrender Wirkungen betrifft. So genügt seines Erachtens beispielsweise das Inkrafttreten der ersten Normierung aus einer geplanten Reihe mehrerer Gesetzeswerke, um dem Landesgesetzgeber den entsprechenden Bezirk vollständig zu verschließen.78 Demgegenüber heißt es in einer an77

Das gesetzgeberische Ziel, das damit festgelegte Instrumentarium in seiner gewollten Systematik und inneren Abgestimmtheit, insbesondere die Bestimmung von Verantwortlichkeiten und die Entscheidung, welches Maß an Verbindlichkeit bei einer Maßnahme am wirkungsvollsten erscheint. 78 BVerfGE 34, 9, 28. Ob diese Rechtsprechung angesichts der Umbildung von Art. 72 GG haltbar ist, erscheint zweifelhaft; vgl. C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 28 zu Art. 72.

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deren Entscheidung zur gleichen Kompetenzart, daß die Länder berechtigt seien, Vorschriften zu erlassen, die den wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Bundesgesetzgebers zuwiderlaufen. Eine Homogenitätspflicht bestünde insofern nicht. Diese Aussage liegt nah bei dem Gedanken, Konzeptionierungen, insbesondere Gesetzesziele und zielbedingte Beschränkungen des gesetzgeberischen Instrumentariums, dem verfassungsirrelevanten, nur politischen Bereich zuzurechnen, dessen Geschehen auf den inhaltlichen Umfang kompetenzrechtlicher Sperrungen und Bindungen ohne Wirkung bleibt. Alle derartigen Beschränkungen wären dann aus der Tragweite der Einzelnormen (ihrem Anwendungsbereich, ihrem Tatbestand, ihren Rechtsfolgen) zu ergründen. Mit Gesetzesintentionen und dem Zusammenspiel einzelner Normen hätte man sich dann nur insoweit zu befassen, als sie beim Auffinden eines im Gesetz positiv zum Ausdruck gebrachten Indizes für den Ausschluß der fremden Zuständigkeit bzw. für das Maß ihrer Bindung behilflich sind. Die Gebiete der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten bleiben von diesen Erwägungen unberührt, innerhalb ihrer kann es von vornherein kaum zu einem kompetenztitelinternen Konflikt kommen. Der fremde Gesetzgeber darf hier höchstens im Fall der Delegation tätig werden (vgl. Art. 71 GG), welche die Grenzen der eingeräumten Gestaltungsmöglichkeit eng absteckt. Hierin läge die einzige, rein theoretische Möglichkeit eines Konflikts. 80 Weil es keines Tätigseins bedarf, um Sperrwirkungen auszulösen (die sich aus dem Kompetenzbereich selbst ergeben), kommt es auch nicht auf den Inhalt dessen an, was der Kompetenzinhaber in Ausnutzung seiner Befugnis schuf. Konzeption und kompetentielle Normierungsschranke treten bei dieser Zuständigkeitsform in keine praktisch relevante Beziehung zueinander.

II. Konzeptionierungen bei konkurrierender Gesetzgebung, insbesondere: die erschöpfende Regelung Art. 72 Abs. 1 GG in gegenwärtiger Fassung sagt, daß im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit die Länder zur Gestaltung befugt sind, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Die Anforderungen an sein Tätigwerden bestimmt Art. 72 Abs. 2 GG. Soweit sich der Bund im Sinne von Abs. 1 betätigt hat, tritt eine Sperrwirkung gegenüber der Landesgesetzgebung ein. 81 Die Weite dieser Sperrung bemißt sich zunächst nach entsprechenden positiven Aussagen des Bundesgesetzes.82 Wann eine erschöpfende, 79

BVerfGE 49, 343, 359. Rein theoretisch deshalb, weil diese Ermächtigungsmöglichkeit bisher kaum genutzt wurde; s. C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.4 zu Art. 71; ders., Staatsrecht, Rn. 139. 81 BVerfG NVwZ 2000,1160; H.-U. Erichsen, Jura 1993,385,386. Einen Überblick über die Rechtsprechung hierzu verschafft M.D. Müller; Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, S.28 ff. 82 Dazu C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rnm.22ff., insbes. 25 zu Art.72; M.D. Müller, Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungs80

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den Landesgesetzgeber ausschließende Regelung des Gegenstandes anzunehmen ist, ermittelt sich anhand einer Gesamtbesichtigung des jeweiligen Normkomplexes.83 Das Regelungswerk des Bundes müßte, objektiv betrachtet, als ein abschließendes erscheinen, und es muß, subjektiv gesehen, vom Bundesgesetzgeber auch als ein solches gemeint gewesen sein.84 Mißverständlich mutet demgegenüber die verbreitete Formulierung an, eine Normierung sei erschöpfend, wenn kein Raum für eine zusätzliche Landesregelung bleibt (und bleiben sollte).85 Wo eine landesgesetzliche Bestimmung zu den Bundesvorschriften hinzugestellt wurde, hat der Landesgesetzgeber diesen Raum - in Gestalt einer vermeintlichen oder tatsächlichen Lükke - offensichtlich gefunden. Ausgehend vom Gesetzeszweck ist deshalb zu schauen, ob innerhalb des Sachbereichs Tatbestandsgruppen offenbleiben, die der Gesetzgeber nicht mitregeln wollte: für diese bliebe es bei der Landeszuständigkeit.86 Zu betonen ist weiterhin, daß eine Sperrung auch durch gezielten, ausschnittsweisen Regelungsausschluß hervorgerufen werden kann.87 Den Gesamtbereich unbehandelt zu lassen und dennoch den Landesgesetzgeber auszuschließen, ist dem Bund dagegen nicht möglich. 88 Ziele und Vorstellungen des Gesetzgebers allein bewirken nach Auffassung des BVerfG auch dann keine Kompetenzsperre zugunsten des Bundes, wenn sie in dessen Gesetz in irgendeiner Form niedergelegt sind.89 Landesgesetzgeberische Aktivitäten, die den politischen Vorstellungen des Bundes entgegenwirken, könne jener nur mittels einer ausdrücklichen und eindeutigen Regelung der Frage unterbinden. 90 Die untersuchten Entscheidungen zur Widerspruchsfreiheit der kompetenzen zwischen Bund und Ländern, S. 30; S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rn. 68 zu Art. 72 Abs. 1. 83 BVerfGE 1,283,296; 7,342,347; 49,343,458; 67,299,324; BVerfG NVwZ 2000,1160; vgl. dazu auch C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.20 zu Art. 72; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 595; R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 26 zu Art. 72. 84 BVerfG NVwZ 2000, 1160. 85 Vgl. etwa P. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Rn. 11 zu Art. 72; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 14 zu Art. 72; S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.69 zu Art. 72 Abs. 1. Kritisch auch M.D. Müller, Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, S.32. 86 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 22 zu Art. 72; P. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Rn. 14 zu Art. 72; S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rnrn.79, 81 zu Art. 72 Abs. 1. 87 H.D.Jarass, NVwZ 1996,1041,1044; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG,Rn. 35 zu Art.74; 5. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rnrn.67,70 zu Art. 72 Abs. 1. Den Grundsatz wendet BVerfGE 98, 265, 300 unbesehen auch auf die Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs an, wobei sich der Sachzusammenhang allerdings auf einen Titel der konkurrierenden Zuständigkeit (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) bezieht. Wenn man dies ablehnt (so insbes. die Richter Papier, Graßhof und. Haas in ihrem Sondervotum [a. a. O., S. 329,352]), entfällt die Annahme einer sperrenden Wirkung auch deshalb, weil es sich dann um eine kompetenztitelübergreifende Konfliktsituation handelt. 88 S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 67 zu Art. 72 Abs. 1. 89 BVerfGE 49, 343, 359; R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 24 zu Art. 72. 90 Vgl. auch H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1044.

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Rechtsordnung sind an den grundlegenden Gedanken dieser Aussage - es besteht keine Homogenitätspflicht 92 - nicht bruchlos anknüpfbar, da sie, nun in Gestalt einer Kompetenzausübungsschranke, diese Bindungen akzeptieren. Die sperrende Wirkung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG beginnt erst auf der nächsten Stufe hin zum Inhalt konkreter Regelungen.93 Platz für Landesregelungen findet sich dort nur, wenn abschließende Entscheidungen ungetroffen geblieben sind.94 Die sperrende Wirkung, soviel läßt sich bereits ganz allgemein sagen, ist demnach in dem Maß anzunehmen, wie es dem Bund geglückt ist, seine Vorstellungen zur Bewältigung eines bestimmten Problemfeldes in die entstandenen Normen in wahrnehmbarer Weise einzupflanzen. 95 Gibt sich eine Wertung dagegen in keinem adäquaten Regelungsmoment zu erkennen und bleibt demzufolge eine anhand der Einzelvorschriften nicht belegbare Mutmaßung, so ist sie angesichts der Sperrwirkung kompetenzrechtlich bedeutungslos. Der erschöpfende Charakter der Normen ermittelt sich dann mit Hilfe der bekannten Kriterien. Die Betrachtung der gesetzgeberischen Konzeption zur Bestimmung einer erschöpfenden Regelung versteht sich damit als Glied der Kriterienkette und als Ausschnitt der vom BVerfG geforderten Gesamtschau. Voraussetzung dafür bleibt es, daß sich Anhaltspunkte entwickeln lassen, nach denen eine bestimmte Konzeptionierung zur Sperrwirkung führt. Der Formenreichtum dieses Inbegriffs von Normierungsmerkmalen verschließt diese Frage einer pauschalen Antwort. Ein erschöpfender Charakter des Regelungsganzen wird bei einer Festlegung detaillierter und ausbalancierter, gegenstandsgestaltender Sachregeln ebenso zu bejahen sein wie beim erkennbaren Ausschluß weiterer Handlungsmittel. Gleiches gilt möglicherweise auch in den Fällen einer konkreten Zielvorgabe bei einer entsprechenden Einrichtung eines bestimmten autonomen Instrumentariums. Die abschließende Behandlung eines Bereichs kann dagegen abzulehnen sein, wenn der Bundesgesetzgeber eine Reihe von Instrumenten zur Bewältigung ein und desselben Problems beziehungslos nebeneinanderstellt oder wenn sich eine Vorschrift in allgemeinen Wertungen und der Skizze einer gesetzgeberischen Vorgehensweise erschöpft. So weisen Detailgenauigkeit und Detailfülle eines Regelungswerks, seine innere und äußere Abgestimmtheit und möglicherweise auch seine Kompromißhaftigkeit auf seinen erschöpfenden Charakter, während es gegen ihn spricht, wenn mehrere, unabgestimmt nebeneinandergesetzte Normen auf die Förderung des gleichen Rechtsguts hinzielen. Um dies in abschließender Weise zu vertiefen, ist es not91

s. oben 1. Kapitel, I.—III. BVerfGE 49, 343, 359. 93 Siehe C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.24 zu Art. 72; S. Oeter, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 80 zu Art. 72 Abs. 1. 94 C.Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.24 zu Art.72; P: Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Rn. 14 zu Art. 72. 95 Vgl. auch H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1044; S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 67 zu Art. 72 Abs. 1. 92

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wendig, auch die Gesichtspunkte zu kennen, die gegen die Kompetenzrelevanz einer gesetzgeberischen Wertung und Gewichtung angeführt werden können.

I I I . Konzeptionierungen im Fall der Bundesrahmenzuständigkeit Unter neue, besondere Gesichtspunkte tritt die Frage des Verhältnisses von Konzeption und Kompetenz in den Fällen der Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 GG. Deren Gegenstände darf der Bund nur in solcher Weise normieren, daß dem Landesgesetzgeber Freiraum zur eigenen gestalterischen Ausfüllung dieser Regelungen bleibt. 96 Der Bund ist auf die Vorzeichnung eines Rahmens durch den Erlaß ausfüllungsfähiger und ausfüllungsbedürftiger Vorschriften beschränkt.97 Das den Ländern zur eigenen Regelung Übriggelassene muß substantielles Gewicht besitzen.98 Daraus folgt, daß den Landesgesetzgebern Möglichkeiten der eigenen Willensentscheidung bei ihrer sachlichen Rechtsgestaltung erhalten bleiben müssen. Die Bedeutung von Art. 75 GG liegt darin, daß die Gesetzgebung auf diese Weise den besonderen Verhältnissen jedes Landes entspricht, ohne die erforderliche einheitliche Grundlinie (s. Art. 75 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG) preiszugeben.99 Dem genügt beispielsweise die Möglichkeit der Wahl aus einer Palette von mehreren angebotenen Lösungen nicht. 100 Detailregelungen und Vorschriften mit verbindlicher Außenwirkung, die keiner Ausführungsnorm bedürfen, sind gemäß Art. 75 Abs. 2 GG nur in Ausnahmefällen zulässig; ihr Vorhandensein bedarf des rechtfertigenden Grundes. 101 96

BVerfGE 4, 115, 129; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.4 zu Art. 75; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 599; R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 6 zu Art. 75; vgl. auch den Rechtsprechungsaufriß bei M. D. Müller, Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, S. 107 ff. 97 BVerfGE 4, 115, 130; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 25 zu Art. 75; D. Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S.431, 432; C. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8,3. Auflage, Rnrn.71 ff. zu Art. 75; H. Rybak/H. Hofmann, NVwZ 1995,230,234; vgl. außerdem?. Kunig, Jura 1996,254,259; K. Müller, DÖV 1964, 332, 336; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 102. 98 BVerfGE 4,115, 129; M. Bothe, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Rn.2 zu Art. 75; H.-U. Erichsen, Jura 1993, 385, 387; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn.32 zu Art. 75; D. Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S.431,433. 99 R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 5 zu Art. 75. 100 BVerfGE 4, 115,130; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 14 zu Art. 75; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, Rn.32 zu Art.75; ders., BayVBl. 1955, 2,4; D. Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S.431, 433. 101 Seit der Neufassung des Art. 75 GG von 1994. Dazu C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rnrn. 12af. zu Art.75; H. RybaklH. Hofmann, NVwZ 1995,230,234; J. Siebelt, NVwZ 1996, 122, 123 f. Zu den Möglichkeiten partieller Vollregelung mit Außenverbindlichkeit bis 1994 C. Degenhart, a. a. O., Rnrn. 3 ff. zu Art. 75; K. Müller, DÖV 1964, 332, 335 ff.

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Als Rechtsfolge einer verfassungskonformen Rahmensetzung durch den Bund, die insbesondere die Voraussetzungen von Art. 75 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt, tritt (im Gegensatz zur sperrenden) hier eine - wie man sagen könnte - absperrende Wirkung gegenüber der landesgesetzgeberischen Betätigung ein, die sich nun auf die Ausfüllung des vorgezeichneten Rahmens beschränkt. Beurteilung und Gewichtung der hineinspielenden Interessen sowie die entsprechende Festlegung der Handlungsmittel werden dem Land nicht vollständig entzogen und in abschließender Weise oktroyiert: sie dürfen sich aber nicht außerhalb dessen bewegen, worauf der Rahmengeber die Lösungsmöglichkeiten - seinerseits aufgrund eigener Wertung - beschränkt. 102 Anders als im Fall der konkurrierenden Gesetzgebung gilt hier das bundes- und landesgesetzgeberisch Konzeptionierte zugleich.103 Angesichts des Umfangs an Verbindlichkeit, den ein Rahmengesetz beansprucht, aber auch hinsichtlich der Grenzen, die dem Bundesgesetzgeber beim Rahmenerlaß gezogen sind, ist es insbesondere diese Regelungskonzeptionierung des Bundes, die hier von kompetenzrechtlichem Interesse ist. Zwei Fragen sind dabei zu trennen: Erstens - wie konkret muß eine Konzeptionierung im Rahmengesetzgebungsakt Gestalt gefunden haben, um den Landesgesetzgeber inhaltlich an ihre Entscheidungen zu binden? - oder anders gefragt: inwiefern verpflichten auch Wertungen und Ziele des Bundesrahmengesetzes, inwiefern sind sie Teil des Rahmens? Und zweitens - welche Schranken setzt die rahmenbedingte Zuständigkeitsgrenze dem Vorgeben konkreter Wertentscheidungen durch den Bund? - bzw. welche Hinweise liefert die Konzeptionierung als ein Inbegriff verschiedener Normierungsmerkmale darauf, wann eine Bundesvorschrift kein Rahmenrecht, sondern unzulässige Detailbestimmung ist? Beides berührt das Wesen des Rahmens, die zuerst gestellte Frage vornehmlich seinen Charakter, die zweite seine Gestalt. Das Rahmengesetz basiert wie jedes Rechtsetzungswerk auf einem bestimmten gesetzgeberischen Ziel, das seinerseits eine Gewichtung und Ausbalancierung verschiedener auszugleichender Interessen ist. Diese Festlegung eines Ziels führt stets zur Beschneidung jener Lösungsmu102

Auf die verschiedenen Begründungen der Verfassungswidrigkeit im Fall eines Verstoßes gegen den Rahmen wurde bereits hingewiesen (3. Kapitel, II., 2., insbes. Fn.320). Überzeugender erscheint die Annahme einer Verletzung von Art. 75 GG: wie Art. 72 Abs. 1 GG sperrend für Bereiche wirkt, wo sich der Bund erschöpfend betätigt hat, so besitzt Art. 75 GG, wenn man sich die in ihm angelegte Kompetenzkonstruktion vor Augen hält, eine absperrende (d.h. die Gesetzgebung inhaltlich begrenzende) Funktion, wenn der Bundesgesetzgeber den Rahmen in Kraft gesetzt hat. Art. 75 GG verbietet es seinem Gedanken nach selbst, daß das Land aus diesem Rahmen fällt. Es fällt damit zugleich aus seiner Kompetenz. Ähnlich C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.42 zu Art.75; ders., Staatsrecht, Rn. 159; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S.274; anders dagegen H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1047. Allein Art. 72 Abs. 1 GG als den denkbaren Grund der Sperrung nimmt M. Bothe (in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Rn. 4 zu Art. 75) in den Blick, verwirft ihn zu Recht und rekurriert dann auf Art. 31 GG. 103 D.Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 431,434.

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ster , an die zur Bewältigung eines bestimmten Konfliktfelds gedacht werden kann. Der Ausschluß eines bestimmten Instrumentariums beruht auf einer wertungsbedingten, in erster Linie politischen Gestaltungsentscheidung. Insoweit mündet die erste Frage in das oben skizzierte Problem, inwieweit eine Konzeptionierung im Gesetz Gestalt gefunden haben muß, um kompetenzrechtlich bedeutsam zu sein. Aus demselben Grund wie im Fall der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit verbietet sich die schematische Antwort auch hier. Die Linie aber, die es dabei zufinden gilt, muß mit derjenigen bei der Ermittelung des Sperrumfangs von Art. 72 Abs. 1 GG nicht notwendigerweise deckungsgleich sein. Das Maß, in dem eine Rahmenkonzeption Verbindlichkeit verlangt, ist nicht dasselbe wie dasjenige, in dem die Konzeptionierung eines in Kraft gesetzten Regelungswerks auf dem Gebiet der konkurrierenden Kompetenz den Landesgesetzgeber auszuschließen vermag. Während es im einen Fall darum geht, ein Miteinander verschiedener Rechtssätze zu arrangieren 105, geht es im anderen Fall um die erheblich schwerer wiegende Beseitigung einer bestehenden Zuständigkeit. Die Anhaltspunkte, die zur Beantwortung führen, sind demgegenüber identisch. Sie sind die zu findenden Kriterien der gemeinsamen Skala, anhand derer sich beide Grenzbestimmungen abmessen lassen. Wertungen und Ziele in einem erheblichen Maß in die Bindungs Wirkung des Rahmens einzubeziehen, verengt den Spielraum der Landesgesetzgebung. Durch den Umstand, daß sie der Ausgangspunkt einer Normierung ist und deren Einzelzüge in allen Details prägt, zwingt die Zielfestlegung des Rahmengesetzgebers als ein vorwiegend politischer Akt diejenige der Landeslegislative ein Stück weit in ihre Richtung - innerhalb der Maßgabe von Art. 75 Abs. 2 GG und nur, soweit dafür gemäß Artt. 75 Abs. 1 Satz 1, 72 Abs. 2 GG ein Erfordernis besteht.106 Das Land ist gemäß Art. 75 Abs. 3 GG verpflichtet, durch seinen Beitrag der Mitgestaltung dem Regelungskomplex zur notwendigen Ganzheit zu verhelfen. 107 Dessen Ausrichtung gestaltet der Bund ebenso wie die Grundzüge seiner Struktur. Das Land macht ihn durch Hinzufügung seiner Teilkonzeption zu einem vollständigen, wirksamen Rechtsinstrumentarium. 108 Der Bund überschreitet deshalb seine Befugnis, wenn die von ihm in Kraft gesetzte Teilkonzeption ein vollständiges und aus sich heraus 104 C.Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Auflage, Rn. 72 zu Art. 75. K. Müllers (DÖV 1964, 332, 335) Beleuchtungen des möglichen Inhalts einer Rahmenvorschrift („Institutionsnorm" oder ausfüllungsfähige Bestimmung) können angesichts des neugefaßten Art. 75 Abs. 2 GG wohl nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden. 105 Vgl. D. Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 431,434. 106 Ausführlich zur Verschiedenheit der Funktionen von Art. 72 Abs. 2 GG und Art. 75 Abs. 2 GG C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rnrn.9ff. zu Art.75. 107 Vgl. auch D. Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 431,434f. 108 Vgl. zum Zusammenspiel W.R. Beyer, NJW 1957, 1348, 1349; K. Müller, DÖV 1964, 332, 339; femer T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 271 ff.

. Kap.: Der kompetenztitelierne Normkonflikt

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wirksames Lösungsinstrumentarium enthält. Wenn Art. 75 Abs. 2 GG dem Bund freistellt, im rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall einzelne Details selbst mit unmittelbarer Wirkung zu regeln, verwehrt ihm dies zugleich, Vorschriften zu entwerfen, welche mit der zur Problembewältigung notwendigen Außenwirkung bereits ausgestattet sind. Er darf nur solche Unfertigkeiten entstehen lassen, die durch hinzutretende landeseigene Konzeptionierungen (durch Zielfestlegungen innerhalb der vorgegebenen Grenzen, durch entsprechende eigene Wertungen und Gewichtungen sowie durch die Freiheit, ein entsprechendes Instrumentarium selbst zu ersinnen) ergänzt werden müssen, um als Ganzes wirksam zu sein. Eine fertige Konzeptionierung mittels inhaltlich bereits festgelegter Ausführungsvorschriften vom Land ins Werk setzen zu lassen, genügt demzufolge nicht. Damit ist auch auf die zweite der oben aufgeworfenen Fragen eine vorläufige Antwort gefunden. Auch sie bedarf der weiteren Präzisierung. Da es sich auch hier um die Beschaffenheit einer Normierung im Hinblick auf Konkretheit und Detailgenauigkeit der Vorgaben handelt (damit letztlich auch darum, wie konkret die gesetzgeberische Intention Gestalt gefunden hat und Gestalt finden durfte), kann der oben angedeutete Maßstab auch hier herangezogen werden. Vertretbare Ergebnisse lassen sich dabei nur gewinnen, wenn auch die Bedenken gegen eine zu feste Bindung der Landesgesetzgebungsgewalt vollumfänglich mitbeachtet werden.

IV. Landesgesetzgeberische Gestaltungsräume unter den Gesichtspunkten des Föderalismus und der Demokratie Eine grundsätzliche Abgrenzung von legislativen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern - um einen Ausschnitt dessen geht es hier - ist zugleich eine Festlegung über das Maß des Unitarismus auf dem Gebiet der Gesetzgebung.110 Gesetzgeberischen Konzeptionen auch hinsichtlich der normprägenden Ziele, Interessengewichtungen und Wertungen sperrende oder bindende Wirkungen zuzusprechen, schmälert das Gestaltungsfeld des Landesgesetzgebers und fördert die Homogenität von Ländern und Bund. Auf dem Gebiet der Gesetzgebung, wo der Ausgleich von Unitarismus und Föderalismus 111 in erhöhtem Maß störungsempfindlich 112 ist, gilt 109 Zu diesbezüglichen Formulierungen des BVerfG und der Kritik der Literatur daran D. Merten, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S.431, 434. 110 Vgl. C. Degenhart, ZfA 1993, 409 mit zurückhaltender Stellungnahme gegenüber einer Überbetonung föderaler Vielgestaltigkeit; K.-P. Sommermann, Jura 1995, 393 f. 111 Dazu aus jüngerer Zeit C. Degenhart, ZfA 1993,409,419f.; O. Kimminich, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, §26 Rnrn.49ff und 56ff; F.Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1233 ff. 112 Zur Bedeutung der Zuständigkeitsordnung als tragendem Pfeiler der grundgesetzlichen Bundesstaatlichkeit s. etwa C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 106; P. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Rn. 1 zu Art.70; ders., Jura 1996,254,255; C. Pestalozza, DÖV 1972,181; vgl. zum Grundsätzlichen auch W. Herschel, RdA 1973, 147, 155.

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. Teil: Widersprüchlichkeit als

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es, anhand der Vorgaben der Verfassung diese Balance vor einem Umkippen zu dieser oder jener Seite hin zu bewahren. So fällt die Tendenz der Kompetenzreformen vom 27.10.1994113 ins Gewicht, welche die Anforderungen hinsichtlich eines bundesgesetzgeberischen Tätigwerdens an mehreren Stellen anhob, um den Ländern ein Stück verlorene 114 Gestaltungsbefugnis zurückzuverschaffen. 115 Die Intention würde konterkariert, wollte man sperrende und bindende Wirkungen auch den unsichtbaren Ziel- und Wertvorstellungen hinter den ins Werk gesetzten Regelungen zuerkennen. Doch auch ohne den Rekurs auf die Intention der Neugestaltung muß man sehen, daß grundsätzlich keine der beiden Hoheitsgewalten der anderen vorgesetzt ist. Die Position des Bundes erscheint im Fall konkurrierender Zuständigkeit trotz Art. 72 Abs. 2 GG als die stärkere, da es in erster Linie von seiner Gestaltungsweise abhängt, ob - und wenn, welcher - Raum den Ländern zur eigenen Konzeptionierung übrig bleibt. Auch bei einer Rahmenzuständigkeit besitzt die gesamtstaatliche Gesetzgebung das Primat hinsichtlich der Schaffung struktureller Grundzüge und der damit verbundenen Festlegung einer grundsätzlichen Tendenz. Ein Bedürfnis, diese Positionen zusätzlich um die Einbeziehung nicht zum Ausdruck gekommener Normierungsaspekte anzureichern, ist nicht auszumachen. Wo landesgesetzgeberische Betätigungsräume verkleinert werden, entstehen darüber hinaus Bedenken, weil das Landesparlament ein demokratisch erteiltes Mandat zur Gestaltung der Landespolitik wahrnimmt. Sein Gesetz ist ebenso wie dasjenige des Bundes die Verwirklichung der jeweiligen politischen Entscheidung116, mit dessen Hilfe die Gestaltungsabsichten der beschließenden Parlamentsmehrheit 117 verwirklicht werden sollen. Politisch motiviert sind daher auch die Auswahl der Mittel und die Festlegung der Form, die man ihnen gibt. Gesetze sind insofern als Mittel der Politik zu begreifen. Die ihnen zugrunde liegende Konzeption ist der unmittelbare rechtliche Ausdruck und Niederschlag des politischen Gestaltungswillens. Die 113

Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994 (BGBl I, S.3146). Nicht zuletzt im Rahmen der europäischen Einigung, vgl. den Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 33; eingehend G. Schmidt, DÖV 1995, 657, 660 ff. 115 K.Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 240; P. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Rn.4 zu Art. 72; C. Neumeyer, Der Weg zur neuen Erforderlichkeitsklausel für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 Abs. 2 GG), S. 142; B. Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Rn. 1 zu Art. 72; K.-P. Sommermann, Jura 1995, 393, 399; vgl. auch den Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 32. 116 s. vor allem D. Grimm, JuS 1969, 501, 502 und insbes. 503f.: „... Politik zielt über das Gesetz auf die Aktion, die aufgrund des Gesetzes durchgeführt wird. [...] Recht nimmt einen instrumentalen Charakter an. Es ist heute auch Werkzeug der Politik." S. 507: „Das Recht - politisch in Ursprung, Zweck und Wirkung - kann nur als politisches Phänomen voll begriffen werden." Vgl. außerdem E. Bülow, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HdBVerfR, §30 Rn.72; M. Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), 63, 70; F. Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 61 Rn. 22; U. Scheuner, in: FS Huber, S. 127, 133; H. Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 375, 378. 117 Zur Teilnahme anderer Verfassungsorgane und der Bürokratie an der Gesetzeserzeugung U. Scheuner, in: FS Huber, S. 127, 136f.; ders., DÖV 1960, 601, 605. 114

5. Kap.: Der kompetenztitelinteme Normkonflikt

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Länderparlamente sind zur Fassung von eigenen, vom Bund unabhängigen Beschlüssen vom jeweiligen Staatsvolk legitimiert; die Landesstaatlichkeit leitet sich nicht vom Bund her. 118 Mit der Weite des gesetzgeberischen Zugriffsfeldes wird auch diese Staatsgewalt selbst geschmälert; der Legitimierungsakt als solcher verliert ein Moment seiner Bedeutung, wenn das Land mittels einer kompetenzrechtlichen Fessel an fremde politische Konzepte geschnürt ist. 119

V. Abgeschlossenheit und Entwicklungsoffenheit einer Konzeption als Determinanten ihrer kompetenzrechtlichen Wirkung 1. Sperrende und bindende Wirkungen des Kompetenzrechts aus Sicht der gesetzgeberischen Konzeption: eine Skizze des Entscheidungsmaßstabs Nach dieser Verdeutlichung der zur Vorsicht zwingenden Bedenken kann die Suche nach einer abschließenden Aussage zu sperrenden und bindenden kompetenzrechtlichen Wirkungen der Bundesgesetzgebung durch die Art und Weise ihrer Konzeptionierung fortgesetzt werden. Der Konzeptionierungsgesichtspunkt als Inbegriff allgemeiner Normierungsmerkmale ist dabei ein Glied jener Kriterienkette, anhand derer sich diese Wirkungen bestimmen lassen; es handelt sich um einen einzelnen Ausschnitt aus der vom BVerfG geforderten Gesamtbesichtigung. Gerade dieses Moment - die Perspektive der Konzeptionierung - ermöglicht es zu ergründen, inwieweit auch die gesetzgeberischen Intentionen, das Gestaltungsziel und die damit verbundenen Weitungen (die auch für die Wahl der Mittel den Ausschlag geben), Teil der kompetenzrechtlichen Wirkung sind. Diese Sicht erlaubt es damit auch festzustellen, bis zu welchem Grad die Politik hinter den Normen verpflichtet. Um bindende oder sperrende Wirkungen auszulösen, muß es dem Gesetzgeber gelungen sein, den hervorgebrachten Normen die Leitmotive in identifizierbarer Weise einzupflanzen. 120 Im folgenden geht es um die Endpunkte einer Skala, an denen Gelingen oder Scheitern dieser Erkennbarmachung am klarsten zutage treten. Ein auf Kompetenzverstöße zu prüfendes Gesetz ist dann in seiner Annäherung an einen dieser Pole zu betrachten. 118 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 99; J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 98 Rn. 64 m. w. N.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 667. 119 Bedenklich wird dies außerdem, weil auch Bundesrechts Verordnungen als exekutiv erlassene Normen im Sinn von Art. 72 Abs. 1 GG Sperrwirkungen entfalten, sofern sie auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhen. Die Zufügung des Wortes „durch Gesetz" in der Neufassung des Art. 72 Abs. 1 GG sollte hieran nichts ändern; vgl. C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rnrn. 19 f. zu Art. 72; S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rnrn. 74 ff. zu Art. 72 Abs. 1; C. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Auflage, Rn. 343 zu Art. 72. 120 „Der Bundesgesetzgeber muß sich für eine bestimmte inhaltliche Konzeption entscheiden und diese verbindlich verankern." {H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1044). Ebenso S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn.67 zu Art. 72 Abs. 1.

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. Teil: Widersprüchlichkeit als

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Der erste, sperrende und bindende Fall soll - angelehnt an die hergebrachte Ausdrucksweise in der Dogmatik zu Art. 72 Abs. 1 GG - in der folgenden Erörterung mit Hilfe des Begriffs der abgeschlossenen Konzeption gekennzeichnet sein. Von ihr ist zu sprechen, wenn ein System aufeinander abgestimmter Normen die Verwirklichung eines bestimmten Problemlösungsmusters erkennen läßt und dabei ohne ein Hinzutun fremder Wertungsentscheidungen auskommt. Das in einem solchen Regelwerk vorhandene Instrumentarium erscheint, was die Entscheidungen über seinen Charakter und über seine Gestaltung betrifft, vollständig; es ist als solches imstande, die problemlösenden Wirkungen hervorzubringen. Ein Hinzusetzen weiterer Normen wurde vom Gesetzgeber gar nicht oder allenfalls - hier beginnen die abgeschwächten Formen - in Gestalt detailgenau vorgezeichneter Ausführungsvorschriften erwartet. An der Skala anderem Ende findet sich ein Konglomerat von Normen mit halbwegs identischem Ziel, die - ohne in spürbarer Weise aufeinander abgestimmt zu sein - zufällig oder gar nicht zusammenwirken. Hinweise darauf, daß ein Hinzutreten weiterer, grundsätzlich gleichgerichteter Normen beschränkt oder ausgeschlossen sein soll, dürfen auch innerhalb der einzelnen Normwerke nicht aufzufinden sein. Die Konzeptionierung kann deshalb auch als entwicklungsoffen beschrieben werden. Um festzulegen, welchem der beiden Pole sich ein bestimmtes Regelungswerk nähert, bedarf es handhabbarer Anhaltspunkte.

2. Die Entscheidungskriterien im einzelnen Bei der Ermittelung kompetenzrechtlicher Wirkungen eines bestimmten Regelungswerks aus Sicht seiner Konzeption gerät zuerst die gesetzgeberische Zielsetzung als zentraler Bezugspunkt jedes Konzepts ins Blickfeld. Dienen zwei Normen, auch wenn man ihr Zusammenspiel betrachtet und dieses als den Ausgleich gegenläufiger Interessen interpretiert 121, keinem gemeinsamen Zweck, so entstammen sie entweder verschiedenen Bereichen, kollidieren also kompetenztitelübergreifend, oder sie konkurrieren auf gleichem Gebiet und fallen in die hier behandelte Kategorie des konzeptionellen Konflikts. In keinem Fall bilden sie einen Zusammenhang, der sich als einheitliche Konzeption verstehen läßt, da diese die Zielgleichheit ihrer Bestandteile per definitionem voraussetzt. Die Kongruenz der Ziele muß bei einer abgeschlossenen Konzeption ebenso vorliegen wie bei den noch offenen. Je präziser ein Gesetzesziel festgelegt ist, desto eher ist jedoch anzunehmen, daß fremde Gestaltungsmuster daran gebunden oder ausgeschlossen sind. 121 Über allem hier Gesagten darf nicht vergessen werden, daß es innerhalb der Konzeption eines Regelungswerks Normen geben kann, die verschiedene, auch gegenläufige Interessen zur Geltung bringen, wie z.B. im Zivilrecht die §§ 104ff. BGB den Minderjährigenschutz gegenüber den Grundsätzen der Privatautonomie. Ziel der Konzeption ist dann der Interessenausgleich, wie er sich beim Blick auf das Gesamte darstellt. Von Zieldifferenzen ist zu sprechen, wenn die fremde Norm dieser Gewichtung widerspricht, indem sie beispielsweise zugunsten der Privatautonomie auf den Minderjährigenschutz verzichtet.

. Kap.: Der kompetenztitelierne Normkonflikt

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Hauptgesichtspunkt einer konzeptionellen Abgeschlossenheit ist das System der im Gesetz entwickelten Handlungsmittel. Dabei ist festzustellen, welche Regelungsinstrumente sich im Normkomplex aufeinander beziehen, und weiterhin, ob hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit eine Rangfolge in Form einer zeitlichen oder andersgearteten Abstufung existiert. Der Natur des gewählten Instrumentariums entsprechend können andere Mittel erkennbarerweise vollständig oder zum Teil ausgeschlossen sein, wie beispielsweise Zwang bei einem System der Kooperation. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Störungsempfindlichkeit des gewählten Umsetzungsmittels: wo sich die Bundeslegislative für ein bis ins Detail abgestimmtes und deshalb leicht zu beeinträchtigendes Instrumentarium entschieden hat, läßt sich begründet mutmaßen, daß sie die Zufügung beliebiger weiterer Mittel nicht wünscht.122 So sollte im Fall der Sonderabfallabgaben 123 neben den Kooperationsmomenten der Bundesregelung kein Platz für fremde Zwangsvorschriften sein. Wie oben bereits erwähnt, spielt es eine entscheidende Rolle, inwieweit das geschaffene Instrumentarium aus sich heraus wirksam sein kann. Vollständigkeit, Abgestimmtheit und Störungsempfindlichkeit sind Orientierungspunkte, die auf die Abgeschlossenheit des Regelungswerks hinweisen. Seine Ergänzungsoffenheit wird dagegen indiziert, wenn weitere, dem grundsätzlichen Ziel nach gleichgerichtete Mittel folgenlos danebengestellt werden könnten, weil bereits hinsichtlich der vorhandenen ein gewisses Maß an Zufall und Beliebigkeit besteht. Anhand des Gesetzes ist folglich zu prüfen, inwieweit andere Legislativkompetenzträger an der Zielverwirklichung mitwirken und selbst über das Wie entscheiden dürfen. Mitunter werden diese Hinweise jedoch fehlen oder bestreitbar sein. Aufschluß über die Abgeschlossenheit einer bestimmten Konzeptionierung bringt dann möglicherweise die Entstehungsgeschichte einer Norm, beispielsweise, wenn es sich bei der zustande gekommenen Bundesvorschrift um einen abschließenden Kompromiß oder ein abgerungenes Zugeständnis in einer lange strittigen Sache handelt und im Gesetzgebungsverfahren jeder Aspekt und jede Auswirkung des Regelungsinstrumentariums erkannt, behandelt und abgewogen wurde 124 , bevor 122

Vgl. auch BVerfG NVwZ 2000, 1160: „Führt der Vollzug einer landesrechtlichen Bestimmung dazu, dass die bundesrechtliche Regelung nicht mehr oder nicht mehr vollständig oder nur noch verändert angewandt und so in ihrem Regelungsziel nur modifiziert verwirklicht werden kann, so ist dies jedenfalls ein sicheres Anzeichen dafür, dass die betr. landesrechtliche Bestimmung sich auf einem Feld bewegt, das der Bundesgesetzgeber durch eigene Vorschriften bereits besetzt hat." 123 s. oben 1. Kapitel, II. H. Sendler (NJ 1998, 366, 367) nimmt daher zu Recht an, daß hier bereits eine abschließende Regelung des Bereichs vorhanden war, die der Erhebung der Abfallabgaben entgegenstand. Unzutreffend ist diese Annahme dagegen angesichts des Problems der kommunalen Verpackungssteuern (so aber//. Sendler; NJW 1998, 2875, 2876; ders., NJ 1998, 365), da zugunsten des Landesgesetzgebers (und damit der Kommunen) in diesem Fall ein eigener Zuständigkeitstitel (Art. 105 Abs. 2 a GG) existierte. Der Konflikt ist damit ein kompetenztitelübergreifender. 124 Wie im Fall des Abtreibungsstrafrechts, vgl. BVerfGE 98, 265, 271; A. Eser, JZ 1994, 503; H. Tröndle, NJW 1995, 3009, 3012.

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. Teil: Widersprüchlichkeit als

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man sich für oder gegen seine Einbeziehung entschied. Um so weniger darf angenommen werden, daß andere Kompetenzträger nach ihrem Belieben zum Danebenstellen ihrer eigenen Normschöpfung befugt sind. Gegen die Abgeschlossenheit einer Konzeptionierung spricht es prima facie, wenn die in einen Zusammenhang gerückten Bestimmungen solchen Gesetzeswerken entstammen, die der Gesetzgeber in einem beträchtlichen zeitlichen Abstand voneinander schuf. Zwar schließt dieser Umstand ihre inhaltliche Konzertierung nicht notwendigerweise aus, da der Gesetzgeber gezielt ältere Normen in sein Konzept integrieren oder überkommene Konzeptionen durch das Hinzutun neuer Regeln umbilden kann. Dies setzt voraus, daß die auf diese Art einander begegnenden Normen imstande sind, ein planmäßiges Zusammenspiel zu leisten. Wenn ein Gesetzgeber zu der ihm vorschwebenden Aufgabe eine erschöpfende, fremde Zuständigkeiten ausschließende oder verpflichtende Lösung entwickelt, kann trotz Beweisbarkeit des Gegenteils angenommen werden, daß dies zunächst einmal mittels eines oder mehrerer eng zusammenhängender Gesetze geschieht. 3. Schlußfolgerungen Abgeschlossene Konzeptionierungen in dem hier dargestellten Sinn sollen andere Hoheitsträger von einer kreativen Mitwirkung bei der Bewältigung eines bestimmten Problemkreises durch Rechtsetzung ausschließen. Entwirft der Bundesgesetzgeber eine solche Konzeption in einem Bereich konkurrierender Zuständigkeit, so handelt es sich um eine erschöpfende Regelung im Sinn von Art. 72 Abs. 1 GG, die dem Landesgesetzgeber ein eigenes, auf demselben Titel beruhendes125 Tätigwerden versagt und seine bisherigen Normen außer Kraft treten läßt. 126 Auf einem Gebiet der Bundesrahmenzuständigkeit verstoßen abgeschlossene Konzeptionierungen des Bundes gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, da der Bund mit der Schaffung eines Regelungswerks von derartiger Gestalt seine Rahmensetzungsbefugnis übertritt. Der gesamtstaatliche Gesetzgeber muß sich bei seiner Gestaltung in einer solchen Weise beschränken, daß dem Land die Möglichkeit zur Entwicklung eines eigenen Instrumentariums erhalten bleibt. Soweit gesetzgeberische Wertungen in einer solchen entwicklungsoffenen Rahmenkonzeption zum Ausdruck gebracht wurden (durch den Ausschluß von Mitteln eines bestimmten Typs, durch die Vorzeichnung ihrer Hierarchie usw.), binden auch sie als ein Teil der Rahmenfestlegung die Landesgesetzgebung. Ob sie zum Ausdruck gekommen sind, läßt sich anhand der angeführten Kriterien überprüfen. Dort dagegen, wo sich die Norminterpretation bei der Ermittelung dessen in Mutmaßungen erschöpft, bewirken sie auch kompetenzrechtlich nichts. 125

Zur sperrenden Wirkung über diesen Bereich hinaus s. oben 4. Kapitel, passim. Vgl. auch H.D. Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1044; S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 67 zu Art. 72 Abs. 1. 126

. Kap.: Der kompetenztitelierne Normkonflikt

119

Bei beiden Zuständigkeitsformen wird es sich nur selten so verhalten, daß ein vom Bund in Geltung gesetztes Regelungswerk ohne einen Rest an Zweifeln als abgeschlossene oder entwicklungsoffene Konzeptionierung einzustufen ist. Anhand der vorstehend skizzierten Anhaltspunkte ist zu entscheiden, welchem Gestaltungsmuster das zu überprüfende Normgebilde in höherem Maß ähnelt. Damit wurde nunmehr auch der Umfang verdeutlicht, in dem die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung kompetenztitelintern konzeptionelle Normwidersprüche verhindert. Auf den Feldern der konkurrierenden Zuständigkeit gemäß Art. 72 GG nimmt das mit einer abgeschlossenen Konzeption des Bundes verbundene Normierungsverbot dem Land jede Möglichkeit, innerhalb des gleichen Titels in tendenziell gegenläufiger Weise tätig zu werden. 127 Der damit nicht erfaßte Fall des Widerspruchs: die Normbeeinträchtigung im Bereich konkurrierender Zuständigkeit bei fehlender Sperrwirkung, löst sich wie das Problem der titelübergreifenden Kollision 128 mit Hilfe des Bundestreuegebots. Auch angesichts kompetenztitelinterner Konflikte reicht die Aussage der Kompetenznormen nicht über die Befugniszuweisung hinaus.129 Wenn es dem Bund im Fall seiner Rahmenzuständigkeit gelingt, seine Wertung der Rahmenregelung in wahrnehmbarer Weise einzupflanzen, versperrt er dem Land den Weg einer alternativen Konzeption. Wenn ein Land dann innerhalb dieses Zuständigkeitstitels eine Vorschrift in Kraft setzt, die auf einer anderen Wertung beruht, sprengt es den ihm gezogenen Rahmen und erläßt verfassungswidriges Recht.

127 Die widerspruchsvermeidende und -bereinigende Wirkung der Sperrung aus Art. 72 Abs. 1 GG zeigte sich im Fall der nordrhein-westfälischen Lizenzpflicht für Abfallablagerungen (BVerfG NVwZ 2000, 1160), wenn man annimmt, daß die statuierte Lizenzpflicht auch konzeptionell den Vorschriften des Bundesabfallrechts widersprach. Hinweise darauf gibt das BVerfG a.a.O. 128 s. oben 4. Kapitel, IV., 5. 129 s. oben 4. Kapitel, IV., 4. und 5.

Dritter

Teil

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Prinzipienverstoß Sechtes Kapitel

Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Postulate der Theorie und als Gebot der Verfassung I. Die rechtstheoretischen Aspekte 1. Rechtstheoretische Vorfragen eines verfassungsrechtlichen Problems Der Vertiefung in die verfassungsrechtlichen Einzelfragen von Rechtsstaatlichkeit und Bundestreue muß die Betrachtung eines Prinzips vorangehen, dem in der Diskussion um die eingangs erörterten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen sofort eine besondere Rolle zufiel: dem Postulat der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.1 Seine Natur, seine Reichweite und seine Bedeutung im Bundesstaatsverhältnis bilden den verfassungsrechtlichen Kern der Entscheidungen und zugleich den Grund für die Verwirrung um deren Konsequenz. Ohne Sondierung der rechtstheoretischen Ideen hinter den Begriffen Einheit und Widerspruchsfreiheit bleibt auch deren Verfassungsrelevanz, um die es hier gehen muß, unergründbar. 2 Eine Nachzeichnung dieser Ideen verdeutlicht die Umrisse einer Figur, von der anschließend zu schauen ist, ob - und wenn, inwiefern - es sich bei ihr um eine verfassungsrechtlich begründbare und gerichtlich kontrollierbare Anforderung an Akte der Normsetzung handelt. 1 Monographisch als „Die Einheit der Rechtsordnung" behandelt von K. Engisch (1935) und unter fast identischem Titel von D. Felix (1997). Siehe ferner W. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77 ff.; H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S.90ff.; W. Herschel, RdA 1973,147,153ff.; F.-J. Peine, Das Recht als System, S.99ff.; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 372ff.; K. Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts - Einheit der Rechtsordnung?, S.9ff.; W.R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 199 ff. Weg und Wandel der Formel, ihre verschiedenen Einsatzweisen und Bedeutungsgehalte im juridischen Diskurs des 19. und 20. Jahrhunderts schildert M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung. 2 Vgl. auch das Vorgehen von D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 244.

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Der Topos Einheit der Rechtsordnung steht seit langem in einer permanenten - zum Teil offenen, zum Teil nur latenten - Aktualität. Überall, wo an den Schnittstellen der Rechtsgebiete Unstimmigkeiten zutage treten, werden Argumente vernehmbar, die, mehr oder weniger deutlich, auf diesem Gedanken beruhen.3 Beispielhaft dafür sind die Auseinandersetzungen um divergente Rechtmäßigkeitsmaßstäbe in Polizeirecht und Strafrecht 4, um die Ungleichbehandlung zivilrechtlich formal identischer Tatbestände im Steuerrecht 5 oder um die richtige Verständnisweise des Befugtheitsbegriffs 6 in den §§ 324ff. StGB. Mit dem Bewußtwerden der Ungereimtheiten7 setzte eine Beschäftigung damit auf verschiedenen Ebenen ein 8 : neben die rechtslogische Grundlagenforschung trat die methodische Diskussion um die Bewältigung dieser Widersprüche und beeinflußte ihrerseits wiederum - vor allem durch die Schrift „Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz" von Canaris - die verfassungsrechtliche Diskussion, die zunächst in die Auseinandersetzungen um Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers mündete.9 Die vorgestellten Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahr 1998 entfachten die Einheitsdebatte erneut und brachten sie in einen bisher nicht problematisierten Zusammenhang zu bundesstaatlichen und kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten. Einheit der Rechtsordnung erweist sich somit als eine Bezeichnung für verschiedene, aufeinander bezogene Vorstellungen. Was man findet, wenn man sie sucht, hängt davon ab, aus welchem Blickwinkel man sie ins Auge faßt. 10 3

K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.56f.; R. Scheele, Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht, S.67ff. 4 Dazu P. Lerche, in: FS von der Heydte, 2. Halbband, S. 1033 ff., insbes. 1037. 5 Dazu W. Mohr, Der Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, S. 202 ff. und öfter; K. Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts - Einheit der Rechtsordnung?, S. 9, 15 ff.; W.R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S.200. 6 Dazu und zum Parallelproblem bei § 113 StGB D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 340ff.; W. Meyer, NJW 1972, 1845 ff.; F. Ossenbühl, in: Verhandlungen des 57. DJT, Bd. II, L36,41 ff.; R. Scheele, Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht, S.71ff.; M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196, 210ff. S. auch R. Stürner, Der straffreie Schwangerschaftsabbruch in der Gesamtrechtsordnung, S.68ff. zur Schnittstelle von Strafrecht und Zivilrecht. 7 Eine weitere Fallgruppe ist das Problem zivilrechtlicher Rechtswidrigkeiten bei öffentlichrechtlicher Genehmigung; dazu H.D. Jarass, VVDStRL 50 (1991), 238, 259ff.; G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, S. 90ff.; zu anderen Problemkonstellationen bei der Berührung verschiedener Rechtsgebiete s. auch K. Tipke, in: FS Friauf, S.741, 742f. 8 Vgl. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.5ff.; E.-J. Lampe, in: Verhandlungen des 57. DJT, Bd. II, L158; G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, S.93. 9 Zu den gegenwärtigen Verwendungsweisen der Einheits-Formel M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 11 ff. 10 Beiseite gelegt werden darf hier die soziologische Einheit der Rechtsordnung als identifizierbares Gesellschaftsgebilde in ihrer Abgrenzung zu anderen Normenordnungen. Dazu W. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 80 und 84; K.F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.454.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

2. Die Einheit der Rechtsordnung als Zueinandergehörigkeit und Wechselbezüglichkeit aller Normen eines Systems Auf rechtstheoretischer Ebene liegt die Vorstellung von der Einheit der Rechtsordnung als Zusammengehörigkeit und Wechselbezüglichkeit allen Rechts gerade innerhalb einer gestuften Normenordnung. 11 Das Gesamte - die Einheit - der Normen bildet die Rechtsordnung; ihr Zugehörigkeitsgrund ist die Zurückführbarkeit auf eine Grundnorm, die allen Normen aufgrund dieses Bezugs Geltung verschafft. 12 Auf dieser Grundnorm basiert das Recht selbst und seine Ordnung, deren grundsätzliche Ausrichtung sie hervorbringt. Grundnorm gegenwärtiger Verfassungsstaaten sind die zentralen materiellen Prinzipien ihrer Verfassungen. 13 Sie lassen sich in der grundgesetzlichen Verfassungsordnung in Art. 79 Abs. 3 GG finden; es handelt sich dabei um die dem Verfassungsgesetzgeber verschlossenen Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit, Bundesstaatlichkeit und Demokratie. 14 Die Normen, die gelten, weil dieses gilt (weil jene Organe sie schufen, welche die Grundnorm oder eine von ihr abgeleitete Bestimmung dazu befugt 15), die sich also dergestalt auf die Grundnorm zurückverfolgen lassen, bilden in ihrer Einheit die Rechtsordnung, die selbst insofern als Einheit bezeichnet werden kann. Sie verbindet der gemeinsame Ursprung, der ihre gleichzeitige und grundsätzlich gleichberechtigte Geltung mit sich bringt und sie insofern in Beziehung zueinander setzt. Mit dem Begriff der Einheit in einem solchen Sinn haben Vorstellungen von Widerspruchsfreiheit nichts zu tun. 16 Er weist auf das Vorhandensein eines grundsätzlich homogenen Normbestandes und erschöpft sich im Moment der Zueinandergehörigkeit seiner Einzelglieder aufgrund des gemeinsamen Grundnormbezugs. 17 Eine solche Vorstellung tritt, wenn man so sagen darf, aus der Sphäre des Ontologischen kaum heraus, ihr zu entnehmen ist allenfalls die grundsätzlich gleiche Geltung aller der Einheit zugrunde liegenden Einzelglieder. 18 Ganz in diesem Sinne ist 11 M.Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 199; W. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 81; K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 10f.; K.F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.458. Anklänge daran auch bei C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 14. 12 C.Schmitt, Verfassungslehre, S.7; vgl. auch M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 199. 13 Ähnlich begreifen die Grundnorm W. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 84 sowie K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 12, Fn. 1. 14 W.Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 84. 15 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 11. 16 M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 199; a. A. ohne Begründung K.F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.458. 17 So schützt das Strafrecht die Rechtsgüter, die das Zivilrecht konstituiert (Eigentum, Vermögen). Das Prozeßrecht dient ihrer Durchsetzung; das öffentliche Recht hat sie bei seiner Verfolgung des öffentlichen Interesses zu respektieren. Vgl. W. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 83. 18 Weiterreichende Folgen aus dem System der Normen schlußfolgert C.-W. Canaris (Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz), im Ergebnis unter Umständen Verfassungswidrigkeit. Seine Systembegründung anhand der Grundprinzipien der Rechtsordnung

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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es zu verstehen, wenn von der Einheit der Rechtsordnung als Voraussetzung allen Rechts und allen juristischen Denkens gesprochen wurde 19; insofern zählt sie zur Essentia der Rechtsidee - und ist, nach einem Wort von Santi Romano20, eine „Art Gemeinplatz der verschiedenen juristischen Auslegungstheorien". 3. Die Einheit der Rechtsordnung als deren logische Widerspruchsfreiheit Den Schritt von der Beschreibung zur Forderung vollzieht die Vorstellung, daß die Sätze einer Normenordnung nicht in logischen Widersprüchen zueinander stehen dürfen. Eine Norm darf also nichts anordnen, was der Rechtsfolge einer anderen Bestimmung aus logischem Grund entgegensteht.21 Die Einheitsidee hat in dieser Gestalt mehrere Wurzeln: sie ist zuerst eine Emanation des Begriffs vom Recht als verbindlichem, auf Befolgung zielenden generellen Befehl, mit dem es nicht zu vereinbaren ist, daß aus Gründen der Logik einzelnen seiner Aussagen nicht gehorcht werden kann. Die Funktion des Rechts, menschliches Verhalten durch bestimmte Festlegungen in genereller Form zu steuern, wird im Fall eines solchen Konflikts in elementarer Weise verfehlt. 22 Der vom Gesetzgeber mit dem Erlaß vergegenständlichte Gestaltungswille erledigt sich von selbst, wo er auf sein Gegenteil trifft, das mit gleichem Recht Geltung beansprucht.23 Das Postulat der logischen Widerspruchsfreiheit wurde bisweilen auch aus einer wissenschaftstheoretischen Perspektive heraus begründet. Da dieser Weg erst jetzt, in unmittelbarem Zusammenhang mit den bezeichneten Urteilen des BVerfG, erneut betreten und ausgebaut wurde, ist er hier noch hintanzustellen, um ihn an späterer Stelle24 eingehend zu beleuchten. Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung im logischen Sinn bedeuten ihrer Funktion nach zweierlei: als Gebot sind sie das Ziel, das es im Wege der Rechtsharmonisierung 25 zu erreichen gilt. Die Aufgabe der juristischen Arbeit ist es, (S.46ff.) erinnert beim ersten Hinsehen an den hier dargestellten Einheitsbegriff aufgrund des gemeinsamen Grundnormbezugs, meint aber etwas anderes. Er hält sich mit dieser ontologischen Feststellung der Zueinandergehörigkeit und Wechselbezüglichkeit nicht auf, ihm geht es auch nicht um den Inhalt der Einheit: Canaris sucht methodologische und anwendungsbezogene Konsequenzen der Systemhaftigkeit. Dies ist jedoch mehr als eine weitergehende Schlußfolgerung, es ist ein Mehr in der Voraussetzung: Einheit und Ordnung (S. 16!) sind Teil der Rechtsidee, auf Gleichbehandlung und Rechtssicherheit gerichtet. Die Auffassung von Canaris kann deshalb auch nicht ohne weiteres den nachstehend unter 3. und 4. nachgezeichneten Vorstellungen zugeordnet werden. Vgl. auch die Kritik, die das Ableiten so weitreichender Schlüsse aus diesem Ansatz-nicht diesen selbst - bemängelt: D. Grimm, AcP 171 (1971), 266 f. 19 C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 18. 20 Die Rechtsordnung, S.21. 21 K.Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.46ff.; F.-J. Peine, JZ 1990, 201, 209ff. 22 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 55. 23 Vgl. G. Müller, in: Eichenberger/Buser/Metraux/Trappe (Hrsg.), Grundfragen der Rechtssetzung, S.369, 374. 24 Nachstehend 5. 25 Vgl. W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 101 f.; W. Meyer, NJW1972,1845,1846.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

sie zur Geltung zu bringen. Logische Normkonflikte sind von Wissenschaft und Praxis aufzuspüren und mit juristischer Methodik (den Vorrangregeln und der widerspruchsvermeidenden Deutung 2 6 ) auszuräumen. 27 Das Gebot wird damit seinerseits zum Gesichtspunkt der Auslegung. 2 8 Als Forderung richtet sich die Einheitsidee auch an den Gesetzgeber 29 , der i m Interesse seiner Handhabbarkeit 30 den Rechtsstoff stets widerspruchsfrei zu gestalten hat. Ihrer Natur nach handelt es sich bei dieser Idee der Einheit um einen dialektischen Prozeß 31 , bei dem die Widerspruchsfreiheit in einer Doppelrolle gleichzeitig als Ziel und als argumentatives Mittel zu seiner Erreichung auftritt. 3 2 4. Die Einheit der Rechtsordnung als deren Freisein von widersprüchlichen Wertungen Eine Rechtsordnung frei von Wertungswidersprüchen ist die am weitesten gehende Vorstellung, die sich an die Idee der Einheit des Rechts knüpft. 3 3 Als Argument tritt sie insbesondere hervor, wenn der Gesetzgeber vergleichbare Gegenstände in gleichen Zusammenhängen verschieden bewertet 34 und demzufolge uneinheitlich regelt. 35 U m WertungsWidersprüche handelt es sich auch bei den sogenannten Prinzipienwidersprüchen. 36 Prinzipien sind die grundlegendsten Wertungen. Weniger 26 Vgl. auch BVerwG NVwZ 1991, 1074, 1075; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 102; G. Müller, in: Eichenberger/Buser/Metraux/Trappe (Hrsg.), Grundfragen der Rechtssetzung, S.369, 371. 27 H.D. Jarass, VVDStRL 50 (1991), 340, 341; F.-J. Peine, Das Recht als System, S. 102; ders., JZ 1990, 201, 210; G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, S.94. 28 W.Herschel, RdA 1973, 147, 154; W.Meyer, NJW 1972, 1845, 1846; R. Stürner, Der straffreie Schwangerschaftsabbruch in der Gesamtrechtsordnung, S. 68; G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, S.98. 29 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.68; G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, S.95; ausführlich G. Müller, in: Eichenberger/Buser/Metraux/Trappe (Hrsg.), Grundfragen der Rechtssetzung, S.369, 371 ff. 30 Vgl. K. Tipke, in: FS Friauf, S.741, 743. 31 Zur Verdeutlichung K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 83; K. Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts - Einheit der Rechtsordnung?, S.9, 28 ff. 32 M.Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 190; K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.69; H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S.97. 33 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.59ff.; F. Ossenbühl, in: Verhandlungen des 57. DJT, Bd. II, L36,42; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn.58; W.R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S.201. Peines scheinbare Leugnung des Unterschieds von Wertungskonflikten und logischen Widersprüchen in „Das Recht als System" (S. 105) läßt sich bezogen auf seinen Untersuchungsgegenstand begreifen. Er identifiziert nur einen Teil der Wertungswidersprüche mit logischen und legt die übrigen beiseite (S. 104). Mißverständlich erscheint daher seine Verallgemeinerung in NJW 1990, 2442, 2446. 34 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.61. 35 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.62f. 36 K.Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.64. In Fn.2 (a.a.O.) schreibt er: „Wertungswidersprüche und Prinzipienwidersprüche kann man vielleicht so voneinander unter-

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die Rechtsidee, sondern vielmehr die Gerechtigkeitsidee kommt hier in den Vordergrund. 37 An der Befolgbarkeit der Einzelsätze bestehen ebensowenig Zweifel wie daran, daß die konsequente Wertung dem Wesen des Rechts, wie wir es verstehen, nicht zwangsläufig innewohnt. Als Frage nach der Hinnehmbarkeit ungleicher Bewertungen werden Wertungswidersprüchlichkeiten zu einem Problem von Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit und damit zu einem Thema des Verfassungsrechts. Die Widerspruchsfreiheit in diesem Sinn richtet sich als rechtspolitisches Gebot an jede Gesetzgebung38, sich nicht zu eigenen Wertungen in Widerspruch zu setzen. Einem so verstandenen Gebot der Widerspruchsfreiheit zieht allerdings der Grundsatz der parlamentarischen Demokratie eine erste Grenze: mit jedem Mehrheitswechsel ändern sich die gesellschaftspolitischen Vorstellungen und mit ihnen die jeweiligen Gestaltungsweisen des Gesetzgebers. Neu gewählte Parlamente müssen in einer abweichenden Weise werten dürfen, weil sie dafür das Mandat der Wähler besitzen. Die Forderung heißt deshalb nur, neue Weitungen planvoll und abgestimmt umzusetzen und neues gegen altes Recht auszuwechseln, statt beide nebeneinanderzustellen. Aus methodischer Sicht müssen die Gesetz gewordenen Wertungswidersprüchlichkeiten hingenommen werden 39, da es dem Norminterpreten nicht zusteht, schlecht eingefügte gesetzgeberische Wertungen durch eigene, vermeintlich bessere zu ersetzen. Sie mittels methodischer Werkzeuge zu nivellieren, ist daher weder zulässig noch notwendig40 oder aussichtsreich.41 Spezialitätsverhältnisse sind im Fall scheiden, daß im Fall der WertungsWidersprüche [...] Prinzipien der Regelung bei deren näherer Ausgestaltung versehentlich nicht konsequent festgehalten werden, daß dagegen bei Prinzipienwidersprüchen gegensätzliche Prinzipien aufeinander stoßen. Möglicherweise handelt es sich aber auch um bloße Gradunterschiede!" Das letzte trifft es. Vgl. auch dens., Einführung in das juristische Denken, S. 167; C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.4. 37 H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 91 ff.; M. Kloepfer, VVDStRL 50 (1991), 305, 306. F. Ossenbühl (in: Verhandlungen des 57. DJT, Bd.II, L36,42 sowie ders./M. Huschens, UPR 1991, 161, 166) übertreibt die Bedeutung der Wertungswiderspruchsfreiheit, wenn er sie „oberstes Prinzip einer Rechtsordnung" nennt. Vgl. auch C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 17. 38 M. Bockel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S. 100; P. Fischer, FR 1992, 765, 770; H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 96f.; M. Kloepfer, VVDStRL 50 (1991), 305,306; vgl. auch G. Müller, in: Eichenberger/Buser/Métraux/Trappe (Hrsg.), Grundfragen der Rechtssetzung, S.369, 372 ff. 39 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.63; ders., Einführung in das juristische Denken, S. 164; abgeschwächt H.D. Jarass, in: VVDStRL 50 (1991), 238, 262, insbes. auch 316 und 341; letztlich auch J. Renzikowski, G A 1992, 159, 174; anders aber£. Meyer, Grundzüge einer systemorientierten Wertungsjurisprudenz, S. 102. 40 K.Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S.63; anders C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 116. 41 Anders C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 116ff., der dies im Wege der systematischen, also systemkonformen Auslegung und Lückenergänzung sowie der Rechtsfortbildung für machbar und gefordert hält. Auch er ist dabei aber gezwungen, Grenzen anzuerkennen, die diese Möglichkeit stark verkürzen: „Zusammenfassend ist somit

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zweier gegensätzlicher Wertungen nicht auszumachen; der späteren stets den Vorzug zu geben, kann sich als ein heikles Unternehmen erweisen, wenn die neu erlassene Einzelnorm einem ganzen Komplex gegensätzlich wertender Bestimmungen gegenübertritt. Auch verbietet es sich, widerspenstige Gesetzeszwecke durch eine entsprechende „Auslegung" zurechtzubiegen. Die Geltung des Rechts ist in solchen Fällen nicht in Frage gestellt 42 , wenngleich Wertungswidersprüche es mit sich bringen, daß sein Ansehen bröckelt. 4 3 Die Einheit der Rechtsordnung, begriffen als deren Freisein von Weitungsunstimmigkeiten, ist deshalb rechtspolitisch erstrebenswert. 4 4 Möglicherweise ist diese Forderung in noch festzustellendem Umfang auch verfassungsrechtlich sanktioniert.

5. Der wissenschaftstheoretische Begründungsansatz des Widerspruchsverbots Auch der Wissenschaftscharakter der Jurisprudenz diente hin und wieder als Begründung für Einheit und Widerspruchsfreiheit des Rechts. 45 Dieser wissenschaftstheoretischen Herleitungsvariante versuchte Helge Sodan neues Leben einzuhauchen 4 6 und brachte sie dazu in unmittelbaren Zusammenhang zu den Entscheidungen des BVerfG vom 7.5. und 23.10.1998. Aufhorchen läßt das, weil sein Entwurf festzustellen, daß es Wertungswidersprüche gibt, die mit Hilfe der legitimen Methoden der Auslegung und Rechtsfortbildung nicht zu überwinden sind. Dies ist der Fall, wo der Wertungswiderspruch sich nicht als Lücke, sondern als ,rechtspolitischer Fehler4 darstellt oder wo zwar eine Lücke vorliegt, aber deren Ausfüllung verboten oder unmöglich ist" (S. 121). Dahinter versteckt sich letztlich der Streit, wie genau man den Willen des Normgebers in die Auslegung einbeziehen will, oder anders gesagt: wie „objektiv" auszulegen man sich getraut. 42 P.Noll, Gesetzgebungslehre, S.208. 43 R.Bergmann, FR 1981, 292, 293; G.Müller, in: Eichenberger/Buser/Metraux/Trappe (Hrsg.), Grundfragen der Rechtssetzung, S.369, 372. S. auch G. Roellecke, KritV 1998, 241, 250: „Die Politik darf darauf hoffen, daß einer gesetzlichen Regelung umso weniger widersprochen wird, je widerspruchsfreier sie ist". 44 K. Gelinsky, DRiZ 1999, 46; R. Thiel, in: GS Spitaler, S. 195, 205. 45 Zu diesen Versuchen und ihrer Überholtheit M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 195 f. 46 JZ 1999, 864, 866 ff. Die im folgenden nachgezeichnete Begründung bezieht sich auf diese Arbeit. - Daß es sich bei der Einheit der Rechtsordnung um einen „in den Rechtsordnungen der Moderne versunkenen Anspruch" (a. a. O., S. 864) handelt, wird bezweifeln, wer sich das Rechtswirrwarr des alten Reichs vor Augen führt: neben dem originären Reichsrecht stand das gemeine römische Recht; beides verhielt sich nachrangig gegenüber jedem Partikularrecht und örtlichem Recht. Das ältere Recht galt dem neueren als überlegen, die Rechtsordnung als ein aus unvordenklicher Zeit überkommenes Gut, menschlicher Gestaltung nur begrenzt zugänglich. Vgl. Samuel Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 5. Kapitel, §13. Einheitsvorstellungen, sofern sie überhaupt existiert haben, wären gegenüber unseren heutigen gänzlich inkommensurabel. Alles moderne Rechtsdenken knüpft sich an den Begriff des Gesetzes, dessen Bedeutung sich gewandelt hat. Vgl. auch M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 195; R. Bergmann, FR 1981, 292, 293.

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weit über das hinauszielt, was man bisher mit diesem Ansatz verknüpfte 47: nicht nur der offenkundige logische Konflikt, sondern auch die schwächeren Wertungszwiste und konzeptionellen Ungereimtheiten sollten angesichts dessen nicht hinnehmbar sein. Weil es sich bei der Jurisprudenz um eine Wissenschaft handele48, so die Begründung, müßten ihre Aussagen von Widersprüchen frei sein. Logik als Fundamentalbedingung aller wissenschaftlichen Tätigkeit verlange das Nichtvorhandensein von Sätzen, die sich ihrem Inhalt nach gegenseitig ausschließen. Auch die Rechtswissenschaft könne demzufolge nicht auf die Unwidersprüchlichkeit ihrer Sätze, Positionen und Begriffe verzichten. Durch die Identifizierung der Konflikte und die Entwicklung eines Instrumentariums zur Behebung der Kollision wirke sie an der Verwirklichung dieser Notwendigkeit mit. Weil deduzierte Untersätze nur nach Maßgabe allgemeinerer Obersätze gelten, bestehe (offenbar in Rechtsordnung und Rechtswissenschaft) ein Vorrang des Allgemeinen und der Prinzipien. Diese Hierarchie von Ober- und Untersätzen als logische Einheit gewährleistet die formale Richtigkeit jeder systematischen Wissenschaft (und damit wohl auch diejenige ihres Stoffs). Das Recht und seine Ordnung als zentrale Bezugspunkte der Rechtswissenschaft forderten demzufolge die Freiheit von jeder Art Widersprüchen. Sodans Herangehensweise identifiziert die Jurisprudenz als Geisteswissenschaft vollständig mit ihrem Gegenstand. Daß auf die Logik als entscheidende Grundprämisse der modernen Wissenschaft nicht verzichtet werden kann, ist vollkommen gewiß. Doch ebenso gewiß verrät diese Annahme nichts über die Struktur jener Materie, der sich eine Wissenschaft zuwendet.49 Sie kann und muß sich auch mit einem in sich widersprüchlichen Stoff befassen, ohne mit der Logik als ihrer eigenen Grundlage in Konflikt zu treten 50 und deshalb absurd zu sein. Anders als die Mathematik, wo Gegenstand und Satz tatsächlich im Sinne von Sodan zusammenfallen, betrachtet die Jurisprudenz einen außerhalb ihrer selbst liegenden Gegenstand, die Rechtsordnung, ein von Menschen selbst hervorgebrachtes Geschehen, dessen Teile durch menschliches Tun fortwährend erneuert, ausgewechselt oder außer Kraft gesetzt 47

C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 14: „Indessen liefe es auf eine petitio principii hinaus, aus dem Wissenschaftscharakter der Jurisprudenz [...] ohne weiteres auf das Bestehen der Einheit des Rechts zu schließen." 48 Zutreffend weist Canaris (Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 14) darauf hin, daß gerade die Frage nach dem Wissenschaftscharakter eine zu klärende Vorfrage sei, die verneint werden müsse, wenn die Annahme des Wissenschaftscharakters dem Gegenstand der Jurisprudenz nicht gerecht werde. S. auch J. Renzikowski, GA 1992, 159, 171. 49 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 2: „Da wird man sich vor allem hüten müssen, die Einheit der Rechtsordnung zu verwechseln mit der Einheit eines auf eben dieselbe Rechtsordnung bezüglichen rechtswissenschaftlichen Systems. Die letztere Einheit liegt auf der Erkenntnisseite. Sie deutet die innere und äußere Ordnung rechtswissenschaftlicher Urteile, während die Einheit der Rechtsordnung auf der Gegenstandsseite liegt, die in der Rechtsordnung zusammengeschlossenen Sollenssätze betrifft." Obwohl sich Sodan (JZ 1999, 864) auf Engisch beruft, läßt er diese Bemerkungen unerwähnt. S. auch D. Grimm, AcP 171 (1971), 266; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S.374. 50 T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 374.

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werden. Eine der Logik genügende Ordnung ist diesem Komplex verhaltenssteuernder Instrumente 51 nicht zwingend immanent. Den Kern trifft deshalb ein von Theodor Maunz überliefertes Aperçu 52: Recht sei nichts Logisches, sondern etwas Teleologisches. In diesem Sinn sind es nicht die Prinzipien der Wissenschaft, welche auf der Ebene der Normtheorie die Auflösung von Gesetzeswidersprüchen gebieten, sondern Geltung und Idee des Rechts.

II. Die verfassungsrechtlichen Aspekte 1. Einheit und Widerspruchsfreiheit als Figuren des Verfassungsrechts Wer bereit ist, als Hypothese das Vorhandensein rechtlicher Widersprüche anzunehmen, die von der grundgesetzlichen Verfassungsordnung nicht akzeptiert werden können, steht vor der Frage, in welcher Weise deren Korrektive eingreifen. Erst wenn verdeutlicht wurde, woher ein solches Korrektiv zu gewinnen ist und welche Gestalt es demzufolge besitzt, kann sein Zuschnitt auf die anstehenden Konflikte im Rechtsstoff gelingen. Die Frage nach der grundsätzlichen Beschaffenheit des Maßstabs geht der Bestimmung seines Inhalts insofern voran. Ein Blick ins Grundgesetz verrät, daß die Verfassung kein ausdrückliches Verbot gesetzlicher Widersprüche formuliert. Inwieweit kann es trotzdem - selbständig oder als Teil eines der vier grundgesetzlichen Fundamentalprinzipien - als ein Satz des geltenden Verfassungsrechts betrachtet werden? Der Vorstellung vom Einheitsgebot als selbständigem, für sich stehenden Grundsatz der Verfassung fehlt eine belegbare Basis: die Prämissen der Verfassung für staatliches Handeln haben entweder in konkreten Grundgesetznormen Gestalt gefunden (wie beispielsweise in Art. 1 GG, in den Grundrechten, in Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 GG usw.) bzw. sind eng an solche Normierungen geknüpft; oder sie entspringen einem der bekannten Verfassungsprinzipien (wie das Verbot gesetzlicher Rückwirkungen als Satz der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht zur bundesstaatlichen Rücksichtnahme als Teil der Bundesstaatlichkeit usw.). Und doch könnte sich vielleicht aus einem der Verfassungsprinzipien das Erfordernis der Widerspruchsfreiheit in solcher Offenkundigkeit ergeben, daß angesichts seines Umfangs, seiner abgelösten Erscheinungsweise und seiner Fähigkeit, aus sich selbst heraus ohne Rückkopplung mit dem zugrunde liegenden Prinzip Lösungen zu zeitigen, insoweit doch von einem in Auftritt und Ersetzbarkeit verselbständigten Gebot gesprochen werden darf, dessen Beziehung zu einem der Prinzipien nur in seiner ursprünglichen Verwurzelung erkannt werden kann. Das Widerspruchsverbot müßte dann dem Inhalt nach so klar und greifbar sein, daß seiner Herkunft zur Ermittelung dessen keine Bedeutung 51 Zum politischen Charakterzug des Rechts C. Degenhart, DÖV 1981, 477, 479; D. Grimm, JuS 1969, 501, 502ff. 52 Nach R. Herzog, in: FS Maunz, S. 109, 113.

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mehr zukommt. Insbesondere könnte es sich so verhalten, wenn mehrere Verfassungsprinzipien voneinander unabhängig ein seinem Inhalt nach identisches Einheitsgebot hervorbringen, das im einzelnen Einsatz nicht mehr diesem oder jenem Ursprung zugerechnet werden muß, sondern als Gebot der Widerspruchsfreiheit gewissermaßen im eigenen Namen auftreten kann. Nach einem solchen Rechtssatz ist nun, von seinen denkbaren Wurzeln ausgehend, zu suchen. Findet sich nichts, darf dies nicht voreilig als Beweis für eine verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bestimmter oder jedweder gesetzlicher Widersprüche unter der Geltung des Grundgesetzes mißdeutet werden. Verworfen wäre zunächst nur eine Art des dogmatischen Umgangs mit ihnen. Das einheitliche und verselbständigte Einheitsgebot würde in diesem Fall nicht existieren, vielleicht aber ein etwas weniger universelles Widerspruchsverbot als Teil der Rechtsstaatlichkeit oder als besondere, nicht loszulösende Aussage des Bundesstaatsprinzips. Darauf würde es deuten, wenn von Widerspruchsfreiheit bloß im Zusammenhang mit einzelnen Unterprinzipien gesprochen werden kann. Erscheint die Widerspruchsfreiheit nur als Aspekt der Normenklarheit, des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit oder (in anderen Fällen) als Gesichtspunkt der Bundestreue? Bei jedem Einsatz des Einheits-Argumentes müßte dann aufgedeckt werden, um welches dieser Gebote es geht. Wonach entscheidet sich, welcher dogmatische Umgang mit gesetzlichen Widersprüchlichkeiten der richtige ist? Anhand der einzelnen Verfassungsprinzipien ist genau zu ergründen, ob das in ihnen enthaltene Moment, das vom Aspekt der Widersprüchlichkeit berührt wird, dessen Verselbständigung zuläßt, oder ob es sich um einen nicht herauszulösenden Teil eines Unterprinzips, eine unselbständige Facette seiner Aussagen, handelt. Für die Frage, ob sich ein verselbständigtes Gebot auf einer höheren Ebene durch Verknüpfung begründen läßt, kommt es darauf an, inwieweit die Anknüpfungspunkte - in Umfang, Struktur, Voraussetzungen und Wirkung - einander entsprechen. Abweichungen hierbei verbieten ihre Vereinigung. 2. Die Rechtsstaatlichkeit als Quelle eines verselbständigten Widerspruchsverbots Die Forderung nach Widerspruchsfreiheit auf das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zurückzuverfolgen, heißt, einen Rechtssatz dieses Inhalts aus dem Anliegen der Rechtsstaatlichkeit selbst: der Herrschaft des Gesetzes53, abzuleiten. Diese so bezeichnete Herrschaft bezweckt, individuelle Freiheitsräume vor willkürlichen und von keiner Rechtfertigung getragenen Eingriffen der hoheitlichen Gewalt abzusichern. Eingriffe in die Freiheitssphäre sind daher nur möglich, wo ein Gesetz sie gestattet.54 Die Öffentlichkeit und die Gemeingültigkeit des Gesetzes erlauben es dem 53

Vgl. C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.233; ders., DÖV 1981, 477, 478; E. Saréevié, Der Rechtsstaat, S.55; K. Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.796. 54 C.Schmitt, Verfassungslehre, S. 130; konkret für den grundgesetzlichen Rechtsstaat C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 319; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 805. 9 Haack

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einzelnen, seinen Freiheitsraum auszumessen55 und ein eingreifendes hoheitliches Tätigwerden, das ihn betrifft, vorauszusehen. Diese Herrschaft des Rechts bröckelt, wo zwei Gesetze einander widersprechen: der Widerspruch schmälert zunächst ihre Autorität und entzieht den Normen in manch schwerem Fall auch ein Stück Geltungskraft. 56 Den Verlust müßte ein zusätzlicher hoheitlicher Befehl, vielleicht in Form eines präzisen Verwaltungsakts, ersetzen. Das rechtsstaatliche Problem der Widerspruchsfreiheit wird damit greifbar 57. Weil das Gesetz seiner Idee nach gemeinverbindlicher Verhaltensbefehl ist, der nur durch seine Bestimmtheit den Freiheitsraum ausgrenzt, verträgt sich seine Funktion nicht mit dem Vorhandensein innerer Widersprüche. 58 Normen können theoretisch auch in den Fällen ihrer Unklarheit wirken, wenn ein konkreter, individueller Befehl der Hoheitsgewalt sie präzisiert. Die freiheitsschützende Funktion des Gesetzes im Rechtsstaat ginge dabei aber unausweichlich verloren. In erster Linie ist sie es, die der Widersprüchlichkeit von Normen entgegensteht.59 Der Raum für den staatlichen Eingriff und mit ihm der Umfang der individuellen Pflicht sind dann nicht länger vorausberechenbar. Der Freiraum, der dem einzelnen verbleibt, wird ungewiß. Die Herrschaft des Gesetzes und ihr Zweck erscheinen ebenso gefährdet, wo eine neu erlassene Norm dasjenige konterkariert, was nach allen bisherigen Bestimmungen gelten sollte und vom Rechtsunterworfenen auch für die Zukunft erwartet werden durfte. Auch hier verliert das Recht seine Verläßlichkeit als Dispositionsgrundlage, anhand derer der einzelne den Spielraum kalkuliert, der ihm zur Verfügung steht.60 Beide Aspekte münden ins gleiche Problem: das Gesetz, dem es an einem Untermaß an (inhaltlicher oder zeitlicher) Verläßlichkeit fehlt, ist außerstande, dem einzelnen die ihm verbleibende, hoheitsfreie Sphäre abzustecken und damit seine Freiheit zu sichern. Der Versuch, unmittelbar aus der Rechtsstaatlichkeit das Verbot von Widersprüchen abzuleiten, ist damit auf die Betrachtung der hergebrachten Unterprinzipien Normenklarheit und Vertrauensschutz zurückgeworfen. 61 Diese setzen der Beschaf55 BVerfGE 17, 306, 314; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 192; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S.377. 56 C.Degenhart, DÖV 1981,477,484. 57 Vgl. dazu BVerfGE 1, 14, 16 (Ls. 14); 17, 306, 314ff.; R. Breuer, VVDStRL 50 (1991), 320, 321; ders., DÖV 1987, 169, 177; C. Degenhart, DÖV 1981, 477, 484; H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S.95; P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung, S. 8 f.; G. Lehleiter, Der rechtswidrige verbindliche Befehl, S. 83 ff.; J. Renzikowski, GA 1992, 159, 171; R. Scheele, Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht, S. 66, 73; M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196, 233 (Leitsatz 5b). 58 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 236. 59 P Kirchhof, StuW 2000, 316, 322. 60 Vgl. auch C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.73; F. Ossenbühl, VVDStRL 50 (1991), 300, 302. 61 Auch D. Felix (Einheit der Rechtsordnung, S. 189ff.) mißt die einzelnen Konfliktlagen („begriffliche Diskontinuität", S. 189 ff.; „gespaltene Rechtmäßigkeitsbeurteilung", S. 233 ff.; „Bestrafung verwaltungsrechtmäßigen Verhaltens", S. 294 ff. usw.) an verschiedenen rechtsstaatlichen und sonstigen Verfassungssätzen.

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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fenheit des Rechtsstoffs Maßstäbe, was dessen Verläßlichkeit und Klarheit betrifft. Ihre Aufgabe ist es, den beschriebenen Funktionsverlust des freiheitsschützenden Gesetzes zu verhindern. Das gesuchte Moment, unter dem Widersprüchlichkeiten möglicherweise die Rechtsstaatlichkeit verletzen, ist deshalb ein bereits bekanntes. Es handelt sich um einen Ausschnitt hergebrachter Unterprinzipien. Die rechtsstaatliche Toleranz gegenüber widersprüchlichen Normen gewinnt aus den einzelnen Unterprinzipien ihre Maßstäbe, die untereinander divergieren können. So kann sich eine Vorschrift trotz ihrer Gegenläufigkeit zum bestehenden Recht als noch hinnehmbar klar erweisen und dennoch das vorhandene Vertrauen in frühere Wertungen in einer nicht zu rechtfertigenden Weise verletzen. Ebensogut kann eine Norm, deren Verschiedenheit vom sonstigen Normbestand mit Hilfe von Übergangsabfederungen übertüncht wurde, infolge ihrer eigenen mißlungenen Gestaltung unanwendbar sein. Es verbietet sich daher auch, die von den Unterprinzipien geforderten punktweisen Widerspruchsverbote zu einem übergreifenden Postulat zu verschmelzen, da sie sich in ihrer Anwendung unterscheiden und im Ergebnis Verschiedenes erwarten lassen. Ihren Ursprung zu berücksichtigen, ist bei ihrem Einsatz unverzichtbar. Konzeptionelle gesetzgeberische Widersprüche sind deshalb, was ihre Rechtsstaatsverträglichkeit betrifft, anhand der bekannten rechtsstaatlichen Unterprizipien 62 zu erörtern. 63 Ein einheitliches Gebot der Widerspruchsfreiheit, das sich auf die Rechtsstaatlichkeit gründen könnte, aber - inhaltlich verselbständigt - über den Leistungsumfang der rechtsstaatlichen Einzelelemente hinausreicht, findet sich nicht. 3. Widerspruchsfreiheit und Gleichheitssatz Der Gleichheitssatz, in der Verfassung verankert durch Art. 3 GG und als Teil der Rechtsstaatlichkeit64, untersagt es, wesentlich Gleiches ohne rechtfertigenden Grund, d.h. willkürlich, ungleich zu behandeln.65 Seine Beachtlichkeit für jede der 62 Dabei ist neben den naheliegenden Größen Rechtsklarheit und Vertrauensschutz an den Verhältnismäßigkeitssatz zu denken. Auch dieser wirkt in bestimmtem Maß vereinheitlichend und trägt ein Stück Widerspruchsfreiheit in die Rechtsordnung; vgl. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.314. So verhält es sich, wenn das Strafrecht verbietet, was Zivilrecht oder öffentliches Recht explizit gestatten. Allerdings ist der Widerspruch in diesen Fällen nicht der Grund für die Unvereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip, sondern ein Indiz für den eigentlichen Fehler: die Unverhältnismäßigkeit. Die Erforderlichkeit eines ultima-ratio-Mittels muß bezweifelt werden, wenn andere Normen dasselbe Verhalten gutheißen. 63 Anders P. Kirchhof, StuW 2000,316,322, der das Widerspruchsverbot und das Folgerichtigkeitsgebot unmittelbar dem Rechtsstaatsprinzip entnimmt. 64 D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 266; K.Hesse, AöR 109 (1984), 174, 185; E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn. 80. 65 BVerfGE 1, 14, 52; 61, 138, 147; 68, 237, 250. In der Frage, welche Anforderungen an den rechtfertigenden Grund zu stellen sind, unterscheiden sich die alte und die neue Formel des BVerfG. Nach der ersten genügt jede sachliche Erwägung - der Gleichheitssatz wird zum Willkürverbot; nach der zweiten muß die Ungleichbehandlung durch Art und Gewicht der gegebenen Umstände gerechtfertigt sein (BVerfGE 82,126,146; 84,133,157; 85,191,210). Zur Vertiefung W. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Rnm. 17 ff. zu Art. 3; L. Osterloh, in: Sachs

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

Gewalten, damit auch für die Gesetzgebung, ergibt sich bereits aus Art. 1 Abs. 3 GG. 66 Im Streit um Systemgerechtigkeit67 und gesetzgeberische Folgerichtigkeit 68 ging es um seine Aussagekraft für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Brüchen im Gesetzessystem. Läßt sich, hieran anknüpfend, ein Einheitspostulat im Sinne eines Gebots der Widerspruchsfreiheit entwickeln, das als Gleichheitsderivat verfassungsrechtliche Bedeutung über das Feld gleichheitsverletzender Systemwidrigkeiten hinaus besitzt?69 Rechts vereinheitlichende Wirkungen von Art. 3 GG sind zunächst kaum zu leugnen: der Gleichheitssatz verhindert in einem bestimmten Umfang gesetzgeberische Widersprüche, indem er den Gesetzgeber zwingt, Gleiches gleich zu regeln. 70 Bemerkbar werden Ungleichbehandlungen häufig erst durch die Gesamtsicht auf verschiedene Gesetze innerhalb einer Regelungsgesamtheit, wenn erst deren Zusammenspiel die Differenzierung bewirkt. 71 Die widerspruchsausschließende Wirkung des Gleichheitssatzes ist damit auch nicht auf den Binnenbereich eines Gesetzeswerks oder eines Normbezirks begrenzt. Die Wirkkraft der Gleichheit erlischt, wie bereits gezeigt72, an den Rändern des Tätigkeitsfeldes eines Hoheitsträgers; das von ihr dem Gesetzgeber abgerungene Maß an Unwidersprüchlichkeit erschöpft sich in den Grenzen seiner Kompetenz. Eine gleichheitsrechtlich begründete Widerspruchsfreiheit 73 darf diese Beschränkung ihres Einsatzfeldes nicht vertuschen. Sie bleibt zudem stets an das Vorliegen ungerechtfertigter Ungleichbehandlungen geknüpft; die Beseitigung gesetzgeberischer Widersprüche ist eher Effekt als Ziel ihrer Anwendung. Der Beitrag, den Art. 3 GG zur Einheit des Rechts leistet, bleibt ebenfalls an die Besonderheiten seiner Herkunft gebunden. Für die hier zu bewältigenden Konfliktlagen der konzeptionellen Divergenz zweier Gesetze im föderalen Gefüge ist er demzufolge bedeutungslos. (Hrsg.), GG, Rnrn. 8 ff. zu Art. 3; W.Rüfner, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rnrn. 15 ff. zu Art. 3 Abs. 1; C. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Auflage, Bd. 1, Rnrn. lOff. zu Art. 3. 66 C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 125; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 12 zu Art. 3 Abs. 1. 67 Siehe oben 3. Kapitel, I. sowie D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 285 ff. 68 Siehe insbesondere D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 274ff. 69 Vgl. AG Braunschweig wistra 1993, 234; C.-W. Canaris, Systemgerechtigkeit und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 16, 125 ff.; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 266ff.; H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S.91 ff.; P.Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S.41; ders., StuW 2000, 316, 322; J. Renzikowski, GA 1992, 159, 170 f. 70 Vgl. P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 322. 71 D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.279, 282, 289f. 72 s.o. 3. Kapitel, I., 4. 73 So J. Renzikowski, GA 1992, 159, 171; siehe auch C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.4; W. Rüfner, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 42 zu Art. 3. Von einem Geltungsgrund für die Einheit der Rechtsordnung spricht H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S.92; ähnlich AG Braunschweig wistra 1993, 254.

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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4. Der Beitrag des Bundesstaatsprinzips zur Unwidersprüchlichkeit einer föderalen Gesetzgebungsordnung Erfolgversprechender muß ein Einheitspostulat erscheinen, wenn es aus dem Prinzip der Bundesstaatlichkeit selbst extrahiert werden kann.74 Die Bundestreue als verfassungsrechtlich bedeutsamster Aspekt des Prinzips 75 verbietet unter Umständen bestimmte Normierungsweisen, wenn diese einen Fall der mißbräuchlichen Kompetenzwahrnehmung darstellen, indem sie die Interessen anderer im Bundesstaat Beteiligter unberücksichtigt beiseite schieben.76 Insoweit trägt das Bundesstaatsprinzip ebenfalls zur Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bei. Doch bleibt auch dieses Einheitsmoment an die Spezifika seiner Herstammung gebunden, so daß seine Anwendung nicht von seiner tatbestandlichen Voraussetzung, der Interessenverletzung im föderalen Gefüge, abgespaltet werden darf. Auch dem Bundestreuegebot ist ein verselbständigtes, über die Einzelkonfliktstellen hinausgehendes Postulat nicht abzugewinnen.77 Das einheitsstiftende Moment ist hinsichtlich seiner Begründung, seiner Aufgabe und seiner Wirkung in die bundesstaatliche Treueverpflichtung eingebettet. 5. Beiträge zur Widerspruchsfreiheit durch grundgesetzliche Kongruenzverpflichtungen, Ordnungsvorgaben und Kontrollmechanismen Verfassungsnormen, die der Rechtsordnung an einem bestimmten Punkt zur Einheit verhelfen, finden sich auch darüber hinaus. Bereits die Erörterung der kompetenzrechtlichen Fragen 78 hat erbracht, daß auch die Zuständigkeitsordnung, indem sie die Gesetzgebungsbefugnisse lückenlos und eindeutig verteilt, verhindert, daß sich mit ein und derselben Angelegenheit verschiedene Stellen der hoheitlichen Gewalt in unverträglicher Weise befassen. 79 74

Vgl. auch D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 365 ff. Siehe dazu unten 10. Kapitel, I. 76 BVerfGE 4, 115, 140; 32, 199, 218; 34, 9, 44; 43, 291, 348; 61, 149, 205; 81, 310, 337; vgl. ferner BVerfGE 12, 205, 255; 13, 54, 75; 14, 197, 215; 76, 1, 77; 95, 203, 230. Aus dem Schrifttum H. Bauer, Die Bundestreue, S. 355 ff.; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 220; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 367; J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 98 Rn. 158; G. LeibhohlH .-J. Rinck/D. Hesselberger, Grundgesetz, Rn.79 zu Art. 20; H. Maurer, Staatsrecht, § 10 Rn.53; M. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.70 zu Art. 20; K. Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.703. 77 D.Felix, Einheit der Rechtsordnung, S.368. 78 Siehe oben das 4. und 5. Kapitel. 79 Zusammenhänge von Kompetenzordnung und Einheitsgebot verdeutlichen insbesondere: E.-W. Fuß, AöR 83 (1958), 383,402; J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 98 Rn. 225 („Die Einheit gründet auf dem bundesstaatlichen System der Kompetenzen."); H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 108; G.Müller, in: Eichenberger/Buser/Metraux/Trappe (Hrsg.), Grundfragen der Rechtssetzung, S.369, 371; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 19, 306f.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S.62. 75

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

Normen mit widerspruchsvermeidender oder widerspruchsbereinigender Wirkung finden sich im Grundgesetz in noch weitaus größerer Zahl: hierzu zählen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, der Fundamentaldivergenzen zwischen den Verfassungsordnungen der Länder und dem Grundgesetz verhindert 80; Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, der Kollisionen von kommunalem Recht und gesetzlichen Bestimmungen ausschließt (was die Gesetzesbindung der Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ohnehin bewirkt 81 ); Art. 32 Abs. 3 GG, wenn er internationale Vertragsabschlüsse der Länder von der Zustimmung des Bundes abhängig macht; Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, der neben seinen Hauptanliegen - Vorrang des Gesetzes, Bestimmtheit und Gewaltenteilung82 - zugleich erreicht, daß die Verordnung dem Inhalt des Gesetzes angepaßt ist; und zuletzt Artt. 124 ff. GG, deren Funktion es ist, vorkonstitutionelles Recht in die grundgesetzliche Rechtsordnung einzugliedern 83 - um nur jene Vorschriften zu nennen, deren Bezug zur Widerspruchsfreiheit in einem Wort begreiflich zu machen ist. Diese und ähnliche Bestimmungen tragen zur Widerspruchsfreiheit auf dem Gebiet der Normgebung bei, indem sie Konfliktlagen verhüten, die bei entsprechenden Umständen zur Normunvereinbarkeit führen. Weiterreichende Gebote verbergen sich dahinter nicht; ihre einheitsstiftende Kraft erschöpft sich in dem von ihnen beigesteuerten Aspekt. Widersprüche, die sie nicht verhindern konnten, sind dem Einflußbereich ihrer ordnenden Wirkung entkommen. Außerhalb dessen, was sie durch Kongruenzverpflichtungen (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), durch Ordnungs- oder Kontrollvorgaben (Artt. 124 ff. GG bzw. Art. 32 Abs. 3 GG) bewerkstelligen, verlautbaren sie nichts über die Notwendigkeit von Einheit und Widerspruchsfreiheit. 6. Die Widerspruchsfreiheit als Bündel von Einzelmaßstäben und die Gefahr ihrer Verselbständigung Weder jene Normen, die wie die Untersätze der Rechtsstaatlichkeit oder das Gebot der Bundestreue einem Übermaß an Widersprüchlichkeit entgegentreten, noch jene, zu deren Aufgaben oder Effekten es zählt, Widersprüche auszuschließen, bringen ein allgemeines verfassungsrechtliches Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit zustande. Hinter den Begriffen verbirgt sich ein Bündel von Einzelmaßstäben, die je nach der Natur des zutage getretenen Konflikts auszuwählen und anzuwenden sind. Sie bleiben Punkte in der Kasuistik von Verfassungsprinzipien und ihrer Untersätze, aus deren Zusammenhängen sie nicht herauslösbar sind. Ob man eines oder mehrere dieser punktuellen Widerspruchsverbote mit dem Begriff eines 80

Vgl. auch VGH München DVB1.1964,642,646; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Rn.21 zu Art. 28. 81 M. Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.46 zu Art. 28. 82 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.274. 83 C.Schulze, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 1 zu Art. 124.

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Gebots der „Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung" versieht, ist zweitrangig, solange man seinen Ursprung und die damit einhergehenden Grenzen nicht aus dem Blick verliert. Doch besteht dabei stets die Gefahr, daß sich eine solche Bezeichnung in der juristischen Begriffswelt verselbständigt84 und Vorstellungen absorbiert, die vom jeweiligen Prinzip seinen Voraussetzungen nach nicht getragen werden. Die Evidenz der Forderung und ihre besondere Dignität sind es, die im Fall der „Einheit und Widerspruchsfreiheit" zu solchen Weiterungen verlocken. Angesichts der Begründungsweise in den besprochenen Entscheidungen besteht der Verdacht, daß sich auch das BVerfG bei seinem Einsatz der Widerspruchsfreiheit als Argumentationsfigur zu einer solchen Vermischung und Verselbständigung hinreißen ließ.

I I I . Deutung und Bedeutung der Widerspruchsfreiheit in den dargestellten Entscheidungen des BVerfG 1. Die entscheidenden Aussagen in ihrem Wortlaut In zwei der dargestellten Entscheidungen aus dem Jahr 1998 hatte das BVerfG den Einheitsgedanken in Gestalt der Widerspruchsfreiheit seiner Urteilsbegründung als zentralen Gesichtspunkt zugrunde gelegt. Im zuerst ergangenen, den Weg weisenden Urteil zur kommunalen Verpackungssteuer lautet der hier interessierende Abschnitt: „Die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich ist jedoch nur zulässig, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. [...] Die Verpflichtung zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme (vgl. BVerfGE 81, 310 [339]) wird durch das Rechtsstaatsprinzip in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Welche der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelung".85 Diese Zusammenführung rechtsstaatlicher und bundesstaatlich-kompetenzbezogener Gesichtspunkte weicht von der bisherigen Rechtsprechung ab. Noch in BVerfGE 81, 310 ist zu lesen: „Neben der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten gibt es keine Verfassungsgrundsätze, aus denen Schranken für die Kompetenzausübung in dem von Staatlichkeit und Gemeinwohlorientierung bestimmten Bund-Länder-Verhältnis 84 85

Zur Gefahr der Verselbständigung auch M. KloepferlK. T. Bröcker, DÖV 2001, 1, 2. BVerfGE 98,106, 118f.; wiederholt in E98, 83, 97; 98, 265, 301.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

gewonnen werden könnten. Aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Schranken für Einwirkungen des Staates in den Rechtskreis des Einzelnen sind im kompetenzrechtlichen Bund-Länder-Verhältnis nicht anwendbar". 86

2. Die Verselbständigung des Postulats hinsichtlich der gerichtlichen Argumentation Festzuhalten ist damit, daß das Gericht einerseits nicht expressis verbis vom Gebot der Widerspruchsfreiheit spricht, obwohl es andererseits verfassungsrechtliche Folgen - die Nichtigkeit landesrechtlicher und kommunaler Normen - unmittelbar an diesen Gedanken knüpft. Doch entwickelt das BVerfG ihn nicht argumentativ aus demjenigen Prinzip, aus dem er sich seiner Auffassung nach in diesem konkreten Fall seines Einsatzes speist. Rechtsklarheit, Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit, die berührten Einzelaspekte der Rechtsstaatlichkeit, bleiben unerwähnt. Dennoch stellt das Gericht gerade den Rechtsstaatsgedanken am weitesten in den Vordergrund der Begründung. 87 Die Bundestreue als die „wechselseitige bundesstaatliche Rücksichtnahme" wird zwar genannt, aber nicht als eine hier in eigenständiger Funktion maßgebliche Größe angewandt.88 Die Verwurzelung und mit ihr der Inhalt des Gebots bleiben verdunkelt, wenn das Gericht allein auf das Kriterium der rechts- und bundesstaatlich mißbilligten Widersprüchlichkeit abstellt, ohne auf die bekannten und dogmatisch erfaßbaren rechts- und bundesstaatlichen Normgebungsprämissen zurückzugreifen. Eine Argumentationsfigur, aus der verfassungsrechtliche Anforderungen unmittelbar folgen, ohne daß sich das Begründungsmuster einem der bekannten rechtsstaatlichen Gebote zuordnen läßt oder in die dogmatisch bislang stets entscheidungsrelevante Bundestreuepflicht eingebettet ist, kann nur als ein verselbständigtes Gebot, als hinzugekommener Prüfstein für die Verfassungskonformität einer Norm begriffen werden. Was die Argumentationsweise betrifft, wurde vom BVerfG der Schritt zur Verselbständigung vollzogen, da es in seiner Begründung nichts über die Wurzeln des Gebots verrät.

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A. a. O. S. 338. Auf diese Neuentwicklung machten zuerst J. Eschenbach (ZKF1998,246, 252), K. Fischer (JuS 1998,1096,1099) und T. Gas (SächsVBl. 1998,229,232) aufmerksam. 87 Vgl. BVerfGE 98, 106 - insbes. die Entscheidungsformel (2.) sowie S. 117ff.; dgl. BVerfGE 98,83 f. sowie 97 f.; 98,265,301. Als „zusätzliche tragende Säule" interpretiert auch W. Frenz (DÖV 1999, 41, 44) den Einsatz des Rechtsstaatsprinzips an dieser Stelle, s. femer T Gas, SächsVBl. 1998, 229, 232; R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999, 37, 38; H. Sendler, NJW 1998, 2875; H. Sodan, JZ 1999, 864, 865; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 74. 88 s. im einzelnen BVerfGE 98, 106, 118 f.; 98, 265, 301. In BVerfGE 98, 83 findet sich die Idee der Bundestreue nicht. Femer M. Führ, KJ 1998, 503; H. Sodan, JZ 1999, 864, 865; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 74.

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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3. Die Verselbständigung des Postulats angesichts seines Einsatzfeldes und seiner Maßstäbe Auf eine solche Weise argumentativ aus dem Kontext ihres Ursprungs gelöst, dient die Forderung nach Widerspruchsfreiheit dem Gericht als Gesichtspunkt der Ausübungsbeschränkung von Gesetzgebungszuständigkeiten.89 Es tritt damit neben das Bundesstaatsprinzip, das als bisher stets maßgebliche Schranke dem Kompetenzmißbrauch entgegensteht und Rücksicht auf die anderen im Bundesverhältnis beteiligten Interessen verlangt. 90 Zum Einsatz gelangt die Bundestreuepflicht nur im Fall der Verletzung „äußerster Grenzen". 91 Das Postulat der Widerspruchsfreiheit, zusätzlich ausgeweitet durch seine Einbeziehung tendenziell widersprüchlicher Regelungen, gesellt sich hinzu, ohne daß klar würde, in welches Verhältnis beide Gebote treten. Da eine konzeptionell abweichende Regelung kompetenzmißbräuchlich sein kann (wenn etwa Normadressaten mittelbar zur Verletzung ihrer Verpflichtungen gegenüber fremden Bestimmungen veranlaßt werden 92), aber nicht muß (wenn entweder überhaupt keine Beeinträchtigung zu verzeichnen ist oder angesichts ihrer Geringfügigkeit nicht von äußersten Grenzen gesprochen werden kann), schnürt das Gebot der Widerspruchsfreiheit jene Bindungen enger, denen der Gesetzgeber bei seiner Kompetenzbetätigung unterworfen ist. 93 Sein Einsatzfeld ist demjenigen der Bundestreue gegenüber erweitert; der Maßstab, den es als Prüfstein mit sich bringt, hat sich verschärft. Die Verselbständigung des Postulats in seinem Einsatz durch das BVerfG bekommt demzufolge eine inhaltliche Dimension, indem sie Einsatzfeld und Maßstab modifiziert.

4. Die Verselbständigung des Postulats als Produkt einer Fusion Die Aussage des BVerfG 94, das Rechtsstaatsprinzip erweitere die Verpflichtung zur Kompetenzbeachtung und zur Kompetenzausübung in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme in ihrem Anwendungsbereich und verdeutliche sie in ihrem Inhalt, weist auf die Begegnung zweier Widerspruchsverbote: eines bundesstaatlichen hinsichtlich der Wirkungsbeeinträchtigung und eines rechtsstaatlichen hinsichtlich eines unnachvollziehbaren Normenwirrwarrs. Ohne die Zutat des bundesstaatlichen Aspekts bliebe es bei einer Normklarheitsprüfung und der Frage des Vertrauensschutzes; ohne den rechtsstaatlichen Gesichtspunkt bei der herkömmli89

BVerfGE 98,106, 119; 98, 265, 301; sachlich ebenso BVerfGE 98, 83, 97f. s. die Nachweise in Fn. 100, sowie insbesondere BVerfGE 81, 310, 338. 91 BVerfGE 4,115, 140; s. auch C. Bumke, ZG 1999, 376, 384; K. Fischer, JuS 1998,1096, 1097; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 233. 92 T.Gas, SächsVBl. 1998, 229, 234. 93 C. Bumke, ZG 1999, 376, 384; K. Fischer, JuS 1998, 1096,1099; M. Führ, KJ 1998,503, 513; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 233. 94 E98, 106, 118; 98, 265, 301; wiederum nicht in BVerfGE 98, 83, 97. 90

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

chen Untersuchung der Bundestreue. 95 Wo sich Normen in einer Form widersprechen, daß beide Felder berührt sind, tritt der rechtsstaatliche Aspekt - so scheint es - als Schranke in die Kompetenzordnung, und aus der bundesstaatlichen Rücksichtnahme wird eine Frage der Rücksicht auf den Normadressaten. 96 Das in seiner Begründung ebenso wie in seiner Einsatzweise verselbständigte Gebot ist das Produkt der Verschmelzung zweier partikularer Widerspruchsverbote

durch das

BVerfG. Die Begründungsweise der Urteile vermittelt den Eindruck, daß ein solches Herangehen nicht Problem, sondern Selbstverständlichkeit sei. 9 7

5. Entgegenstehende Bedenken Diese vom BVerfG zuwege gebrachte Fusion rechtsstaatlicher und bundesstaatlicher Gesichtspunkte wurde i m Schrifttum mehrheitlich 9 8 - zum Teil vordergründig, zum Teil hintergründig - kritisiert. Als vordergründig könnte man zunächst jene Zweifel bezeichnen, die i m Hinblick auf die Folgen des aufgestellten Postulats geäußert wurden. 9 9 Z u Recht hält man es hier für bedenklich, daß die Landesgesetzgebung bei ihrer Normsetzung neben dem Mißbrauchsverbot nun ein umfassenderes 95

Wann und weshalb die Rechtsstaatlichkeit der Kompetenzordnung „zu Hilfe eilen muß", erörterte - in etwas anderem, aber verwandtem Zusammenhang - C. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, S.30. Um formenmißbräuchliche Kompetenzausübung kann es sich auch in den Übergriffsfällen handeln. 96 Dazu einerseits K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1099; Lege, Jura 1999, 125, 127; andererseits W. Frenz, DÖV 1999, 41, 45; H. Sodan, JZ 1999, 864, 865. 97 Vgl. neben den unter 1. zitierten Formulierungen auch BVerfGE 98, 106, 117, 123, wo von „rechtsstaatlichen Grenzen der Kompetenzausübung" die Rede ist. Zustimmend W. Frenz, DÖV 1999,41,45. Hier vermischen sich zwei Aspekte, die der klaren Trennung bedürfen: (1.) Gilt der rechtsstaatliche Maßstab von Normenklarheit und Vertrauensschutz auch innerhalb des Bundesstaatsgefüges? Dies ist mit dem Argument Frenzens zu bejahen, daß es für den Normadressaten keinen Unterschied macht, woher die Widersprüche rühren (a.a.O., S.44). Insoweit kann auch von „rechtsstaatlichen Grenzen der Kompetenzausübung" gesprochen werden, handelt es sich doch um die rechtsstaatlichen Grenzen jeder staatlichen „Kompetenzausübung", d. h. um die Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit an die Gesetzgebung. (2.) Besteht deshalb ein Zusammenhang zur Frage der Bundestreue und wird der rechtsstaatliche Klarheitsaspekt dadurch zum Gesichtspunkt der Kompetenzordnung? Die hier vom BVerfG entwickelte Beziehung reicht aufgrund der Verschiedenheit der Prinzipien nicht über eine zufällige Begegnung hinaus. Es ist ein Nebeneffekt, wenn ein rechtsstaatliches Widerspruchsverbot auch dem anderen Mitspieler im Bundesstaatsverhältnis zugute kommt. Vgl. auch K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1099; M. Führ, KJ 1998, 503, 511; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241,275 (alle Genannten ebenfalls mit kritischer Sicht) sowie//. Sodan, JZ 1999, 864,865. 98 C.Bumke, ZG 1999, 376; J. Eschenbach, ZKF 1998, 246, 251 f.; K. Fischer, JuS 1998, 1096; M. Führ, KJ 1998,503; T. Gas, SächsVBl. 1998,229; J. Lege, Jura 1999,125; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241,275; R. Schmidt/L. Diederichsen, JZ 1999,37; H. Sendler, NJW 1998, 2875; ders., DVB1. 1999, 1065; vgl. auch K. Breitkreutz, NuR 1999, 34, 35 f. 99 Außer acht zu lassen sind dabei zunächst die Bedenken gegenüber entstehenden Rechtsunsicherheiten, die nicht Folge des Zusammenstoßes sind. Sie betreffen nur die Frage, wieviel Einheit das Rechtssicherheitsgebot gewährleistet.

6. Kap.: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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100

Konzeptberücksichtigungsgebot zu wahren hat. Föderale Gestaltungsräume, auf deren Bedeutung und Gefährdung bereits mehrfach hingewiesen wurde und auf die später noch einmal zurückzukommen ist, verengen sich dadurch spürbar; es tritt eine Bindung im Politischen hinzu - stärker als das bisherige Bundestreuegebot sie in sich barg und entgegen der demokratischen Grundidee vom freien Streit der politischen Richtungen. Konrad Hesses101 Kritik an der herrschenden Handhabung des Bundestreuegebots, das die politische Konkurrenz im Bund-Länder-Verhältnis korrigiere und mitunter beseitige, gilt - überhaupt erst oder um so mehr - für die Folgen des beschriebenen Widerspruchs Verbots. 102 Bei all diesen Zweifeln ist jedoch zu beachten, daß dem Gebot der Widerspruchsfreiheit, wie das BVerfG es zustande brachte, eine solche Bindung im Konzeptionellen nicht notwendigerweise innewohnt. Ein anderes, gröberes Raster wäre insoweit ebenfalls vorstellbar. Angreifbar erscheint das auf diesem Weg statuierte Verfassungsgebot auch, weil es dazu verführt, ohne die Mühen einer aufwendigen Begründung konzeptionelle Widersprüchlichkeiten - gerade auch im untergesetzlichen Normbestand - zu suchen (als Gericht) bzw. zu behaupten (als Prozeßpartei), um so die unliebsame Regelung zu Fall zu bringen. 103 Die genannten fachgerichtlichen Entscheidungen, die den Weg des BVerfG beschritten, illustrieren diese Gefahr in einer bezeichnenden Weise.104 Hintergründigere Vorbehalte wenden sich gegen die dogmatische Herleitung des Gebots, insbesondere gegen die Fusion der bundesstaatlichen und rechtsstaatlichen Ansätze. Bei den Anforderungen, die das Grundgesetz hinsichtlich seiner Einheit und Widerspruchsfreiheit an den Rechtsstoff stellt, handelt es sich um ein Bündel selbständiger und inhaltlich divergenter Maßstäbe verschiedenen Ursprungs, die sich auch in ihren Voraussetzungen unterscheiden. Die Bundestreuepflicht und die rechtsstaatlichen Untersätze der Normenklarheit und des Vertrauensschutzes tragen - jedes für sich - ein Einheitsmoment in die Rechtsordnung hinein, indem sie sich einer bestimmten Art von Widersprüchen (Wirkungsvereitelungen, Rechtswirrwarr, widersprüchlichem Verhalten) entgegenstellen. Zu einem Darüberhinaus kann auch die vom BVerfG zuwege gebrachte Fusion dieser Ansätze nicht führen. 105 Was kein Einzelgebot von seinen Anwendungsvoraussetzungen her auflöst, wird auch 100 C. Bumke, ZG 1999,376,384; K. Fischer, JuS 1998,1096,1099; M. Führ, KJ 1998,503, 513; T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 233; J. Lege, Jura 1999, 125, 128. 101 Grundzüge des Verfassungsrechts, Rnrn.269f. 102 Ähnlich K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1100; M. Führ, KJ 1998, 503, 513; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 276. Vgl. auch/. Eschenbach, ZKF 1998, 246, 251 f. 103 H.Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; ders., NJ 1998, 365; vgl. auch J. Lege, Jura 1999, 125, 128, der von einem „Abschied von klaren Kompetenzgrenzen zu Gunsten von Abwägungsformeln" spricht. 104 OVG Lüneburg DVB1. 1999, 406; OVG Lüneburg NdsVBl. 1999, 187; OVG Münster DVB1. 1998, 1234-zu den Entscheidungen s. 1. Kapitel, V., 1. und 2. 105 Ähnlich J. Eschenbach, ZKF 1998, 246, 252. Anders jedoch W. Frenz, DÖV 1999, 41, 45: „Diese zweifache Fundierung kann möglicherweise Auswirkungen auf die Intensität haben, in welcher das Prinzip widerspruchsfreier Normgebung zum Tragen kommt." Mit welchem Argument ließe sich eine solche Intensivierung dogmatisch begründen?

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

nicht dadurch bewältigt, daß beide Gebote an dieser Stelle einander begegnen. Um Mißverständnisse und inhaltliche Verselbständigungen auszuschließen, empfiehlt es sich, entgegen der Verfahrensweise des BVerfG an der kategorischen Trennung beider Aspekte in der verfassungsrechtlichen Prüfung festzuhalten. 106 Dies gilt um so mehr, als die einzelnen Widerspruchsverbote auch in den Folgen ihrer Anwendung voneinander abweichen: während das Bundesstaatsprinzip jene Norm außer Kraft treten läßt, die ohne das gebotene Mindestmaß an Rücksicht auf fremde Interessen in Geltung gesetzt wurde, zielen die rechtsstaatlichen Sätze auf jene Vorschriften, die aus der Sicht des Normadressaten die Unklarheit bzw. den Vertrauensbruch verursachen. Dies müssen nicht notwendigerweise dieselben Rechtssätze sein. Das BVerfG hingegen bestimmt die Norm, die im Fall der Widersprüchlichkeit zu weichen hat, „nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen".107 Hieran zeigt sich deutlicher als an allem anderen, daß die gerichtliche Vorgehensweise die Wurzeln der herangezogenen Einheitsaspekte unzulässigerweise kappt. Die von ihm verwendeten Entscheidungsgesichtspunkte Rang, Zeitenfolge und Spezialität entstammen weder der Bundestreuedogmatik noch derjenigen von Normenklarheit oder Vertrauensschutz. Rechtsmethodische Regeln, deren Aufgabe es ist, Normkonflikte auf hermeneutischer Ebene auszuschließen, wurden hier gezwungenermaßen zu einer verfassungsrechtlichen Aussage darüber umfunktioniert, welche der konfligierenden Normen die nichtige sein soll. Inwieweit das BVerfG bei seiner Verschmelzung der Aspekte auch inhaltlich zu Ergebnissen gelangt ist, die zu finden ihm die notwendige Trennung nicht gestattet hätte, wird sich zeigen, wenn die Leistungskraft der Einzelmomente im Hinblick auf konzeptionelle Unvereinbarkeiten festgestellt ist. 108 Sollten diese Ergebnisse dagegen vom Inhalt einer der verfassungsrechtlichen Einzelforderungen gedeckt sein, könnte dem Urteil in seinem Ergebnis zugestimmt werden. Die Kritik bliebe dann auf den Vorwurf einer bedenklichen Begründung beschränkt.

106 Vgl. auch C. Bumke, ZG 1999, 376, 384. K. Fischer (JuS 1998, 1096, 1099) betont die generelle Ungeeignetheit materieller Rechtsstaatlichkeitskriterien zur Ermittelung formeller Verfassungsfragen, zu denen das Innehaben einer Kompetenz rechnet. 107 BVerfGE 98, 106, 119. 108 Dazu unten die Kapitel 7 bis 10.

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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Siebentes Kapitel

Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot als Beschränkung der konzeptionellen Unvereinbarkeit von Gesetzgebungsakten I. Die Klarheit der Gesetze als Ausschnitt des Rechtssicherheitsgebots: ihre Herleitung und ihre Hintergründe Die Gewißheit und Verläßlichkeit der Normenordnung 109 gestatten dem einzelnen, seine Privatsphäre zu planen und zu gestalten und ökonomisch sinnvoll zu disponieren. 110 Nur ein (im allgemeinen Sinn) bestimmtes, seinem Inhalt nach faßbares Gesetz kann jenen Punkten Umfang und Gestalt verschaffen, an denen die staatliche Gewalt in den Bereich individueller Freiheiten eindringen darf. Um die Freiheit nutzbar zu machen111 (denn nur so kann sie vom einzelnen als etwas Vorhandenes empfunden werden), ist es deshalb notwendig, daß Gesetze, soweit die Dinge es zulassen, verläßlich sind. 112 Sie müssen - erstens - einen Inhalt überhaupt zu erkennen geben113, der - zweitens - als solcher und im Zusammenhang des Regelungskontextes verständlich erscheint; und sie müssen - drittens - auch, was ihre Dauer und Beständigkeit betrifft, in bestimmtem Umfang verläßlich sein. Zum rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit zählen deshalb zwei trennbare, aber verwandte Momente, deren gemeinsamer Ursprung die Verläßlichkeit des Gesetzes ist. 114 Um die Kontinuität als zeitliches Moment geht es, wenn wertungsdifferente Neunormierungen zu Brüchen in der Gesetzgebung führen, die ein Stück weit dasjenige entwerten, was 109

Nicht nur der Einzelnorm, s. W. Frenz, DÖV 1999, 41,44. C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.75; H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn.47. 111 Vgl. auch P. Badura, in: Der Zustand des Rechtsstaates, S. 13,23 f.; Raether, Das Prinzip des Rechtsstaats in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Oberen Bundesgerichte, S.25. 112 H.J. Faller, in: FS Merz, S.61, 62. 1,3 M. Bockel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S. 111. 114 Eine ähnliche Zuordnung der Begriffe Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Normbestimmtheit entwerfen C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.74ff.; ders., Staatsrecht, Rn.347 a.E.; W. Herschel, JZ 1967, 727, 728; R Kunig, Jura 1990, 495; E. Saröevic, SächsVBl. 1999, 252, 256; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 829 (abweichend bei Klarheit und Bestimmtheit); s. auch BVerfGE 93, 219, 238. Zu den Begriffen auch K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 133 f., deren Entweder-Oder hinsichtlich der Bezeichnungen „Verständlichkeit/Klarheit" und „Bestimmtheit" nicht überzeugt. Unklarheiten können verschiedene Ursachen haben. Die Unbestimmtheit ist eine davon. Verwirrend auch U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 118 f. Wesentlich enger als hier wird der Begriff der Klarheit bei M. Bockel (Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S. 109) definiert. 110

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

der einzelne im Vertrauen auf die Beständigkeit der Rechtslage eingesetzt hat. 115 Luzide Formen und Strukturen des Rechtsstoffs 116 als beschaffenheitsbezogenes Moment 117 sind in Gefahr, wo Gesetze ihren Inhalt nicht deutlich genug zu verstehen geben.118 Wer einer Rechtsordnung unterworfen ist, muß sich in ihr zurechtfinden können: dieser geradezu selbstverständlich anmutende Satz weist auch darauf hin, daß die Rechtssicherheit in Gestalt der Rechtsklarheit im Interesse von Normadressat und Normgeber liegt. Normsetzungsakte sind sinnlos, wenn die Normadressaten überwiegend außerstande sind, die Bestimmung zu befolgen. Unklare Normen bergen stets die Gefahr der versehentlichen Übertretung 119, aber ebenso auch die Gefahr einer falschen Anwendung durch Behörden und Gerichte. Beides nimmt einer Norm die intendierte Wirksamkeit. Somit liegt es auch in des Gesetzgebers eigenem Interesse, Normen zu gestalten, die verstanden und befolgt werden können. Einer rechtsstaatlichen Gesetzgebung jedoch, die um ihre freiheitsstiftende Funktion 120 weiß, muß auch darüber hinaus viel daran liegen, daß der einzelne, persönlich oder wirtschaftlich Planende die Vorgaben ausmachen kann 121 , welche die Rechtsordnung für seine Unternehmungen bereithält. Ihr Anliegen muß es auch sein, daß der einzelne seine Freiheit nutzt. Anzumerken bleibt, daß auch die Gleichheit vor dem Gesetz eines unverzichtbaren Minimums an Normenklarheit bedarf. Unverständliche, unbestimmte oder mehrdeutige Regelungen sind die Auslöser ungleicher Rechtsanwendung.122 Menschen können nur vor solchen Gesetzen gleich behandelt werden, die sich für eine einheitliche Handhabung eignen und ihr nicht selbst im Weg stehen.

115

Vgl. auch W. Schmidt, JuS 1973, 529,532. Die Formulierung „Dunkelheit der Norm" als Gegenteil von Bestimmtheit und Klarheit findet sich bei E. Forsthoff, DÖV 1956, 513, 514 und H.Krüger, Allgemeine Staatslehre, S.291. 117 Vgl. auch BVerfGE 14, 13, 16. Iis vgl w.Berg, Staatsrecht, S. 63; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 347; R.Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Anm. VII/63 zu Art. 20; T. Maunz/R. Zippelius, Staatsrecht, Rn. 97; H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn.47; J. Raether, Das Prinzip des Rechtsstaats in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Oberen Bundesgerichte, S. 25; E. Saröeviö, SächsVBl. 1999, 252, 256. 116

119

E.Stein, Staatsrecht, S. 159. HJ. Faller, in: FS Merz, S.61, 62; K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2,4. Auflage, Rn. 278 zu Art. 20 Abs. 3, s. oben 6. Kapitel, II. 2. 121 s. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 325; H. Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.438; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S.290 (dort vor allem das in Fn. 73 angeführte Zitat von Max Weber). 122 H.Schneider, Gesetzgebung, Rn.66; auchH.-J. Papier!J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 193. 120

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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II. Rechtsklarheit als Prüfungsmaßstab und Untersuchungsgegenstand Rechtsunklarheiten treten in verschiedener Gestalt auf und lassen sich auch auf entsprechend heterogene Gründe zurückführen. Die Ungewißheit angesichts einer Norm kann sich ebenso auf ihre Geltung wie auf ihren Inhalt beziehen. Während ersteres vor allem das Zustandekommen und das Außerkrafttreten - also formelle Fragen der Gesetzesgültigkeit - betrifft 123 , umgeben die Zweifel im anderen Fall den Aussagegehalt einer Vorschrift. Auf die nähere Ausleuchtung der zuletzt genannten Ungewißheiten kommt es hier an, da auch grobe gesetzgeberische Unstimmigkeiten hinsichtlich des umzusetzenden Konzepts zu einer Frage der Klarheit werden können. 124 Inhaltliche Rechtsunklarheiten rühren etwa aus der sprachlichen Unverständlichkeit eines Gesetzes her, aus dessen konturenloser Unbestimmtheit125, aber auch aus dem Wirrwarr innerhalb eines großen Regelungskomplexes oder aus mehr oder weniger gezielten gesetzgeberischen Verschleierungen. Daß auch Widersprüche die Rechtslage unklar machen, wird bei logischen Normkonflikten ohne weiteres evident.126 Wo zwei Gesetzesbefehle einander unversöhnlich gegenüberstehen und die Rechtsordnung keinen Hinweis liefert, welcher von beiden - generell oder im konkreten Fall - befolgt werden muß, bleibt dem Normadressaten auch bei größter Anstrengung verborgen, wonach er sich zu richten hat. Doch können auch konzeptionelle Konflikte die Rechtslage unklar werden lassen, wenn beispielsweise eine Norm dasjenige Verhalten gezielt fördert, das nach einer anderen, möglicherweise fremden, vermieden werden soll. Zwar kann der einzelne den Normen in diesen Fällen klare Einzelpflichten entnehmen, die zu befolgen er imstande bleibt, doch stellt sich die Frage, wie man es beiden Gesetzen recht machen soll, wenn sie die gegenteiligen Verhaltensweisen honorieren. Das Maß an Widerspruchsfreiheit, das sich dem Klarheitsgebot in dieser Hinsicht entnehmen läßt, wurde bisher nicht zufriedenstellend geklärt und auch in den Auseinandersetzungen um die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen in kontroverser Weise beurteilt. Das klarheitsbezogene Widerspruchsverbot erweist sich inso123

Ein besonders anschauliches Beispiel für diese Art der Rechtsunklarheit ist die Auseinandersetzung um die Religionsmündigkeit in Bayern; s. dazu die Stellungnahmen von A. Blankenagel (BayVBl. 1989, 298), A. Frhr. von Campenhausen (BayVBl. 1989, 300), H.-U. Gallwas (BayVBl. 1989, 363) sowie L. Renck (BayVBl. 1988, 683). 124 Weil die Prämissen des Rechtsstaats hinsichtlich der Beschaffenheit einzelner Normen und deren gesamter Ordnung gesetzliches und untergesetzliches, Bundes- und Landesrecht erfassen, kann dieser Gegenstand in einem Punkt abgehandelt werden. Wo im folgenden von Gesetzen gesprochen wird, ist der Zusatz: „und untergesetzliches Recht" mitzulesen, soweit es nicht um spezielle Funktionen formeller Gesetzgebung geht. 125 Wenn W. Braun (VerwArch 76 [1985], 24, 26) die Klarheit als einen Aspekt der Bestimmtheit erscheinen läßt, deutet das darauf hin, daß die Bestimmtheit auch andere Wurzeln und Funktionen besitzt. S. unten III., 2. 126 Die Widerspruchsfreiheit als Teil der Klarheit wird in BVerfGE 1, 14, 16 (Ls. 14) und E25, 216, 227 angedeutet.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

fern als konturbedürftig, als ihm die Linie fehlt, bis zu welcher Widersprüche hinzunehmen sind. Kriterien zu finden, heißt deshalb zunächst einmal, die bekannten Klarheitsmaßstäbe detailgenau zu untersuchen: die anderen, durch eine gefestigte Behandlung in Wissenschaft und Praxis besser greifbaren Klarheitsmomente sind es entweder selbst, die den Widersprüchlichkeiten entgegenstehen, zumindest aber liefern sie den Maßstab, den das Grundgesetz angesichts gesetzlicher Klarheit fordert und der - mutatis mutandis - übertragen werden kann. Die folgende Gruppierung verschiedener Erscheinungsformen unklarer Rechtslagen soll nicht bedeuten, daß ihre trennscharfe Abgrenzung dogmatisch sinnvoll sei. Sie soll veranschaulichen, welche Normunklarheiten hervorgetreten sind und in welcher Weise Praxis und Wissenschaft mit ihnen zurechtkamen. Das Augenmerk richtet sich dabei auf diejenigen Gesichtspunkte, die dazu taugen, dem Maßstab Widerspruchsfreiheit Kontur zu verleihen. 127

I I I . Die Formen der Rechtsunklarheit: Gründe, Gestalt und Behandlung 1. Unklarheiten durch UnVerständlichkeit Unverständlich ist eine Norm, deren sprachliche Fassung den Regelungsinhalt auch unter Zurhilfenahme der juristischen Auslegungsmethoden128 nicht erschließbar werden läßt. 129 Unklarheiten dieser Art beruhen dabei nicht selten auf der Mißgestalt einer Einzelvorschrift, doch kann es ebensogut vorkommen, daß sich erst aus der Gesamtsicht auf einen Regelungszusammenhang die Unbegreiflichkeit einer einzelnen Bestimmung ergibt. Sie rühren her aus Formulierungsmängeln 130 oder Redaktionsversehen, unter Umständen auch aus einer mißlungenen, unübersichtlichen Normgestaltung. 131 127

Andeutungen dieses Maßstabs finden sich in BVerfGE 1, 14, 16 (Ls. 14); 25, 216, 227. Vgl. W. Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 28; W. Herschel, JZ 1967, 727, 729; E. Stein, Staatsrecht, S. 159. Daß der Norminterpret dabei seine geistigen Kräfte nach seinen Möglichkeiten anzuspannen hat (so H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 290), ist nicht ausführungsbedürftig; s. auch K. Eichenberger, VVDStRL 40 (1982), 7, 17. 129 Aktuelle Beispiele aus dem Einkommenssteuerrecht erörtern D. Birk/E. Kulosa, FR 1999, 433, 435 sowie A. Raupach/M. Böckstiegel, FR 1999, 617, 622ff. Anschaulich ist auch der vom Österreichischen Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29.6.1990 für nichtig erklärte § 4 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung. Die notwendige Erläuterung zu Vorschrift und Entscheidung bietet S. Huber, ZG 1990, 355. 130 s. die ausführliche Mängelliste bei K. Eichenberger, VVDStRL 40 (1982), 7,15 ff.; weiterhin K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 133 („orientierungssichere Sprache"). 131 „Wenn bei einem Gesetz Ausnahmen, Begrenzungen, Abwandlungen nicht unbedingt nötig sind, ist es sehr viel besser, keine hinzuzusetzen. Dergleichen Einzelheiten verleiten zu neuen Einzelheiten." (Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XXIX, 16). Einen dieser Extremfälle stellt S. Huber (ZG 1990, 355) dar. S. auch W. Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 26ff.; R Handzik, DStZ 1996, 202, 203; E. Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, 237, 239. 128

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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Welche Normen unverständlich sind, kann nicht mittels eines starren und pauschalen Maßstabs festgestellt werden. Was jenem Gesetzesinterpreten noch zugänglich ist 132 , verschließt sich bereits dem Verständnis eines anderen. Aufgabe der Rechtsstaatlichkeit kann es angesichts dessen aber nicht sein, für Normen zu sorgen, die jedermann mühelos begreift. 133 Sie hat vielmehr einen Mindeststandard abzusichern 134 , der berührt ist, wenn die Anwendbarkeit der Bestimmung insgesamt fraglich wird, weil sie sich im Rechtsleben als nicht handhabbar erweist. Daß man das rechtsstaatlich Gebotene dabei nicht starr, sondern dem einzelnen Fall entsprechend zu bemessen hat, zeigt sich auch daran, daß man von keiner Norm eine höhere Verständlichkeit erwarten darf, als der normierten Materie innewohnt.135 Wo sich ein bestimmter Wirklichkeitsausschnitt nur Fachleuten erschließt, muß und darf dies auch bei jenen Normen der Fall sein, die sich auf diesen Bereich beziehen.136 Sicherheitsvorschriften für hochkomplexe technische Vorgänge sind Sonderrecht für Spezialisten, die mit diesen Problemen befaßt sind. Für andere Personen sind Bestimmungen dieser Art erfahrungsgemäß auch uninteressant. Das gebotene Maß an Verständlichkeit hängt somit vom Kreis der Normadressaten 137 ab: Bestimmungen zu Spezialistenmaterien müssen jene begreifen können, die damit befaßt sind 138 ; Bestimmungen zu jedermanns Angelegenheiten demgegenüber grundsätzlich jeder. 139 Doch verbietet es sich, bei der Einschätzung dessen, was Fachmaterie ist, allzu großzügig vorzugehen 140: bei jedermanns Steuern dürfte beispielsweise eine Einstufung als Fachmaterie kaum begründbar sein.141 132 Vgl. wiederum das in Fn. 129 erwähnte Beispiel aus Österreich: während der Bundesminister eine einfache Wortlautinterpretation der beanstandeten Norm zu ihrem Verstehen für ausreichend hielt, meinte der österreichische VfGH: „Nur mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksportaufgaben kann überhaupt verstanden werden, welche Anordnungen hier getroffen werden sollen." Zitat übernommen von S. Huber, ZG 1990, 354, 358. Allgemein zur subjektiven Komponente auch L. Adamovich, in: Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S.204, 208; W. Herschel, JZ 1967, 727, 729. 133 „Gesetze dürfen nicht zu ausgetüftelt sein. Sie werden für Leute mit mittlerer Fassungskraft geschrieben: sie sind keine Kunststücke der Logik, sondern sind wie der schlichte Verstand eines Familienvaters." (Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XXIX, 16). 134 Vgl. C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.349; K. Vogel, JZ 1988, 833, 835. 135 C.Pestalozza, BB 1971, 1415, 1417. 136 W.Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 45; K.Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 134; W. Winkelbauer, Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, S. 29; vgl. auch BVerfGE 17, 306, 314; L. Adamovich, in: Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S.204, 207; J. Isensee, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S.571, 581. 137 BVerwGE 56, 31, 44; W. Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 45; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn.454, ferner auch Rn.66; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 134. 138 BVerwGE 56, 31, 44; J. Isensee, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S.571, 581; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn.454. 139 Vgl. auch BVerfGE 99, 216, 243. 140 Vgl. dazu auch die Vermutungen L. Adamovichs, in: Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S. 204,207; sehr weitgehend demgegenüber H. Kindermann, Ministerielle Richtlinien der Ge-

10 Haack

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

Der Korrektur bedarf dieser Befund nun insofern, als sowohl den Spezialisten im einen, jedermann im anderen Fall die Hinzuziehung rechtskundiger Personen zuzumuten ist. 142 Rechtsvorschriften werden heutzutage für die Anwendung durch Juristen geschaffen. Angesichts der unaufhörlich wachsenden Vielfalt der Lebensvorgänge bedarf das Recht der Abstraktion und kann deshalb nur von jenen gedeutet und angewendet werden, die mit diesen Abstraktionen zu arbeiten und Geschehnisse zu subsumieren gelernt haben. Daß die meisten Bestimmungen des BGB dem Laien verschlossen bleiben, ist der Preis für seine Prägnanz, die wiederum die Wirklichkeit von einem leistungsfähigen Recht fordert. 143 Je größere Bedeutung eine Vorschrift allerdings für den individuellen Grundrechtsschutz gewinnt, desto höher liegt das verfassungsgebotene Verständlichkeitsmindestmaß. 1 4 4 Im Datenschutzrecht wurden diese Zusammenhänge in beispielhafter Weise augenfällig 145: soweit hier unverständliche Normen existieren, kann der einzelne aus dem Gesetz nicht verläßlich erfahren, was mit den Informationen über ihn geschieht. Sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zwingt zur verständlichsten der möglichen Formen und läßt es nicht genügen, daß Datenschutzexperten und Statistiker mit den Bestimmungen zurechtkommen. 146 Dem Schutzgehalt der Grundrechte würde es widersprechen, wenn Grundrechtsträger auf die Ausübung ihrer Rechte aus Furcht davor verzichten, die Schranken, die sie nicht verstehen, zu übertreten. 147 Die Abgrenzung eines staatlichen Eingriffsraums muß so beschaffen sein, daß der einzelne bei ernsthaftem Bemühen den Umfang von Freiheit und Verpflichtetsein ausmachen kann. Je stärker eine Vorschrift den Kerngehalt einzelner Grundrechte berührt, desto höher steigt demzufolge die Anforderung an ihre Verständlichkeit. Konzeptionelle Widersprüchlichkeiten werden in kaum einem Fall zur UnVerständlichkeit führen. Die gesetzlichen Verhaltensanforderungen sind bei aller Gegenläufigkeit klar ermittelbar, so daß der einzelne sich daran halten kann. Daß dem setzestechnik, S. 39: der Präzision stehe im Zweifel der Vorrang zu vor der Allgemeinverständlichkeit. 141 Siehe BVerfGE 99, 216, 243. 142 E.Benda, DStZ 1984, 159, 162; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 326; bedenkenswert auch H. Kindermann, Ministerielle Richtlinien der Gesetzestechnik, S. 39. Etwas anderes gilt jedoch, wo Pflichten strafbewehrt sind: ihnen muß ein Nichtrechtskundiger von sich aus nachkommen können; vgl. BVerfGE 99, 216, 243. 143 Vgl. H. Kindermann, Ministerielle Richtlinien der Gesetzestechnik, S.39. 144 Vgl. BVerfGE 17, 306, 314; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.352. 145 Dazu vor allem H. Bäumler, JR 1984, 361; E. Höfelmann, Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anhand der Ausgestaltung des Datenschutzrechts und der Grundrechtsnormen der Landesverfassungen, S. 193 ff.; auch BVerfGE 65, 1, 54. 146 E. Höfelmann, Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anhand der Ausgestaltung des Datenschutzrechts und der Grundrechtsnormen der Landesverfassungen, S. 194. 147 Vgl. H.-J. PapierIJ. Möller, AöR 122 (1997), 177, 181; und im besonderen Zusammenhang des Datenschutzes H. Bäumler, JR 1984, 361, 363.

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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Normadressaten Inkonsequenzen und Unstimmigkeiten als solche unverständlich bleiben, ist demgegenüber eine ernstzunehmende rechtspolitische Frage, die das Problem des Gesetzesgehorsams berührt.

2. Unklarheiten durch Unbestimmtheit Anhaltspunkte für das gebotene Maß an Widerspruchsfreiheit könnte auch das vieldiskutierte Normbestimmtheitsgebot 148 - als Aspekt der Rechtsklarheit - liefern. Unbestimmt ist eine Vorschrift, die aufgrund der Verwendung wertungsoffener und konkretisierungsbedürftiger Begriffe nach ihrem Wortlaut nicht mit Gewißheit erkennen läßt, ob sie auf einen bestimmten Sachverhalt Anwendung findet. 149 I m Bestimmtheitsgebot überschneiden sich verschiedene Rechtsstaatsmomente miteinander, in denen Bestimmtheitsanforderungen wurzeln. 1 5 0 In entsprechend verschiedener Funktion werden Bestimmtheitsgedanken demzufolge herangezogen. Neben den Gesichtpunkt der Rechtssicherheit, d. h. der Vorhersehbarkeit und Meßbarkeit der staatlichen Entscheidung, treten die Aspekte der Gewaltenteilung 1 5 1 , des Gesetzesvorbehalts 152 , der Grundrechts wesentlichkeit 1 5 3 und des Rechtsschutzes. 154 Gemein148

Als neuere, vertiefende Arbeiten zum Bestimmtheitsgebot sind zu nennen: U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 85 ff.; ders., DÖV 1996, 18; ders., ZG 1996, 37; P. Kunig, Jura 1990, 495; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.62ff.; ders./J. Möller, AöR 122 (1997), 177. Eine detaillierte Nachzeichnung der BVerfG-Rechtsprechung bietet H.J. Faller, in: FS Merz, S. 61 ff. 149 Deshalb forderte Montesquieu, daß der Wortlaut eines Gesetzes in allen Menschen die gleichen Vorstellungen wecken müsse (Vom Geist der Gesetze, XXIX, 16). Illustrativ seine Beispiele unbestimmter Normen in der Rechtsgeschichte. 150 Eingehend zu den einzelnen Ursprüngen C. Gusy, DVB1. 1979, 575; U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 85 ff.; ders., ZG 1996, 37, 40ff.; vgl. auch dens., DÖV 1996, 18, 21 f. zum Streit, ob sich zwei Bestimmtheitsgebote (ein allgemein-rechtsstaatliches und ein vorbehaltrechtliches) auseinanderhalten lassen. Auch dazu-jedoch gegenteilig-/. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 140 f. Die Lage erinnert insofern an die verschiedenen, zu trennenden Widerspruchsverbote. Wie es sich verhält, ist hier nicht zu untersuchen. Vgl. ferner C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 349; M. Lehner, NJW 1991, 890, 892f.; P.Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 72f.; T. Maunz/R. Zippelius, Staatsrecht, S.97; H.-J. PapierIJ. Möller, AöR 122 (1997), 177,179ff.; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 138. Zu Kunigs grundrechtlicher Konstruktion der Bestimmtheit s. auch unten 9. Kapitel, II. 151 BVerfGE 13,153,161; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.349; U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S.92ff.; ders., ZG 1996,36,42ff.; ferner//.-/. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 63; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 136; H. Sodan, JZ 1999, 864, 870. 152 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 349; H.D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn. 61 zu Art. 20; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61,63; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 117 zu Art. 20 (Rechtsstaat); K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 136. 153 Im Schwerpunkt dieser Frage sich widmend U.M. Gassner, DÖV 1996, 18; ferner M. Kloepfer, JZ 1984, 685, 691; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 136. 10*

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

sam ist ihnen, daß Normbestimmheit Freiheitsschutz bietet: so widerspricht es dem Vorbehalt des Gesetzes, wenn der parlamentarische Gesetzgeber mit vagen und konturenlosen Gesetzesbegriffen grundrechtseinschränkende Entscheidungen praktisch voraussetzungslos der Exekutive überläßt. 155 Dem grundrechtseinschränkenden Gesetz fehlt seinerseits mit der notwendigen Bestimmtheit eine inhärente Schranke seiner einschränkenden Wirkung. Das Bestimmtheitsgebot wird deshalb konsequenterweise in der Grundrechtsdogmatik als Anforderung an das Schrankengesetz, als Schrankenschranke geprüft. 156 Unbestimmt formulierte Gesetze gestatten es zudem der Verwaltung, ihre Wertung dorthin zu stellen, wo diejenige des Gesetzgebers zu suchen wäre 157 , was angesichts des Gewaltenteilungsgrundsatzes158 des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und der in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten Bindung der Exekutive an das Gesetz159 angreifbar erscheint. Auch fragt sich, wie ein Gericht Verwaltungsentscheidungen überprüfen soll, wenn ermächtigende Gesetze so weit gefaßt sind, daß der vollziehenden Gewalt auch bei überraschenden Gesetzesauffassungen keine fehlerhafte Anwendung des Rechts nachzuweisen ist. 160 Die Unbestimmtheit schmälert damit den von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Prüfungsumfang. 161 Diese Aspekte der Normbestimmtheit dürfen für die vorliegend angestellte Untersuchung ebenso beiseite gelegt werden wie die Frage, ob es sich hier (wie bei der Widerspruchsfreiheit) um verschiedene, voneinander unabhängige Bestimmtheitsgebote handelt. Für die gesuchte Kontur des klarheitsbezogenen Widerspruchsverbots kann nur die Bestimmtheit als Rechtsklarheitsfaktor von Nutzen sein. Vaghei154 BVerfGE 13, 153, 161; T. Maunz/R. Zippelius, Staatsrecht, S.97; M.Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 126 zu Art. 20. 155 BVerfGE 20, 150, 157f.; 62, 169, 183; C. Gusy, DVB1. 1979, 575; A. Katz, Staatsrecht, Rn. 199; H.-J. Papier/J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 180. 156 B. Rieroth/B. Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn.278. 157 K.Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S.497f.: „Unbestimmte Gesetze richten die nomokratische Idee zugrunde. Die Gesetzesbindung [...] liefe leer. Verwaltung und Rechtsprechung könnten nach eigenem Gutdünken entscheiden; Regelmaß und Nachvollziehbarkeit entfielen [...]." s. auch C. Gusy, JuS 1983, 189, 192. 158 P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.397; vgl. außerdem//.-/. Papier/J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 180 zu Folgeverschiebungen im Verhältnis von richterlicher und vollziehender Gewalt. 159 BVerfGE 13, 153, 160; 21, 73, 80; P. Badura, in: Der Zustand des Rechtsstaates, S. 13, 24; U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 96 ff.; C.Gusy, DVB1. 1979, 575; P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.397; T. Maunzl R. Zippelius, Staatsrecht, S.97; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 61, 63; ders./J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 180; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 117 zu Art. 20 (Rechtsstaat). 160 C.Gusy, DVB1. 1979, 575, 576; ders., JuS 1983, 189, 193; P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 397; ders., Jura 1990,495,496; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S.498. Vgl. ferner U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S.90f.; ders., ZG 1996, 36,42; H.D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn.62 zu Art. 20. 161 W.Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 54. Vgl. auch U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S.90f.; ders., ZG 1996, 36,42; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 65.

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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ten und Konturlosigkeiten, alles Mehrdeutige und Unkonkrete verwischen die Ausgrenzung des Freiheitsraums. 162 Die allzuweit getriebene Unbestimmtheit einer Vorschrift berührt das Wesentliche der rechtsstaatlichen Gesetzesidee: es fehlt einem solchen Normsetzungsakt am Fixierungsmoment 163, an der Festlegung des Sollens, die alles Nichterfaßte dem Freiheitsbereich zugeordnet läßt und die als Gesetz Bürger und Staat (ihn nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 3 GG) gleichermaßen bindet. Im Wort ,Bestimmung4 selbst liegt die Vorstellung, daß das so Bezeichnete etwas festlegt und entscheidet, d. h. bestimmt, anstatt es offenzulassen und weiterzuschieben. Ein bedeutsamer praktischer Niederschlag dieser Unzulänglichkeiten ist auch die Unkalkulierbarkeit des Niederlagerisikos der Parteien in einem Prozeß, dessen Ausgang von der Interpretation eines unbestimmten Begriffs abhängt.164 Nach dem Gesagten klingt die Behauptung zunächst paradox, daß gerade die Unbestimmtheit mitunter ein Gebot der Normenklarheit sein kann. Um dies zu verstehen, denke man sich einen Bereich, wo einer unüberschaubaren Zahl von Geschehnissen verschiedenster Art lückenlos und stets wirksam begegnet werden muß, weil jedes von ihnen geschützte subjektive Rechtspositionen oder objektive Rechtsgüter verletzen könnte. Einzig vorstellbares Gestaltungsmuster in einem solchen Fall ist die Inkraftsetzung einer Generalklausel, die alles erfaßt, was dem Anwendungsbereich bestehender Spezialbefugnisse entronnen ist. 165 An den polizeirechtlichen Generalklauseln - dem Begriff der „Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung" 166 - wurde ersichtlich, daß diese Unbestimmtheiten auch rechtsstaatlich hinnehmbar sind, wenn ein bestimmter Inhalt durch eine gefestigte gerichtliche Auslegung 167 etabliert ist. Eine konkretisierende Auslegung der Norm entreißt sie, wo es möglich ist, dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit. 168 Bei der Festlegung des gebotenen Mindeststandards muß auch die offene oder latente Gegensätzlichkeit von Normbestimmtheit und Einzelfallgerechtigkeit beachtet werden 169: detailgenaue Bestimmtheit steht einem höchstmöglichen Quantum an sachlicher Gerechtigkeit in manchem Fall geradezu entgegen.170 Wertungsoffene Klauseln, etwa für Härtefälle, 162

H.J. Faller, in: FS Merz, S.61, 62. J.Esser, in: FS Rittler, S. 13. 164 J.M. Mössner, Staatsrecht, S.47; H.-J. PapiertJ. Möller, AöR 122 (1997), 177, 181. 165 H.Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.439. 166 Vgl. z. B. § 3 Abs. 1 SächsPolG. 167 Eingehend zu den Möglichkeiten und Erfordernissen gerichtlicher Rechtskonkretisierung H.-J. Papier!J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 202ff.; auch BVerfGE 3, 225, 242; 26, 41, 43; U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 133. 168 U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 127; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Anm. VII/63 zu Art. 20. 169 M. Bockel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, SAH; U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S.89; ders., ZG 1996, 36, 41; C. Gusy, DVB1. 1979, 575, 576; H.-W. Rengeling, NJW 1978, 2217, 2221; K. Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.830. 170 U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 89; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 67. 163

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

gestatten der Verwaltung, Sonderumstände zu berücksichtigen 171, deren Facettenreichtum auch bei akribischer Normierung nicht einzufangen wäre. 172 Unbestimmtheit in gewissem Maß kann hier vor allem dann ein Gebot der Klarheit sein, wenn anderenfalls eine Vorschrift mit unzähligen Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen zu erlassen wäre, die der mindestnotwendigen Übersichtlichkeit entbehrt. 1 7 3 Zur Unbestimmtheit kann der Gesetzgeber ebenso angesichts sich rasch ändernder Verhältnisse gezwungen sein. 174 Der Klarheit ist dabei mit einer unbestimmten, aber konstanten Rechtslage unter Umständen mehr geholfen als mit einer Flut von Detailregeln, die einander in raschem Abstand ablösen und die Gefahr bergen, daß eines Tages der Gesetzgeber selbst sie nicht mehr überblickt, von den Fragen des Vertrauensschutzes einmal ganz abgesehen. Auch hinsichtlich der Normbestimmtheit verlangt das Klarheitsgebot folglich nur die Aufrichtung eines Mindeststandards 175, der vom Normgeber nicht unterschritten werden darf. Welche Unbestimmtheiten das Terrain des Hinnehmbaren verlassen, hängt deshalb von den jeweiligen Normen selbst ab 176 : von ihrer Funktion und ihren Adressaten, ebenso wie von ihrem Zusammenspiel mit anderen Bestimmungen, die den Unbestimmtheiten möglicherweise Grenzen ziehen.177 Das Maß der zulässigen Unbestimmtheit richtet sich, kurz gesagt, nach der Stellung einer Norm im Rechtssystem und ihrer gesellschaftlichen Funktion. 178 Auch hinsichtlich der Bestimmtheitsanforderungen kann es dabei auf Spezialistenkenntnisse ankommen, so beispielsweise bei der Festlegung standesrechtlicher Pflichten für bestimmte Berufsgruppen. 179 171

BVerfGE 59, 104, 115; U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 89; ders., ZG 1996, 37, 51 f.; C.Gusy, DVB1. 1979, 575, 576; T. MaunzlR. Zippelius, Staatsrecht, S.97; C. Münch, in: FS Hahn, S.673, 674. 172 BVerfGE 8,274,326; 28,175,183; BVerwGE48,211,219; A. Katz, Staatsrecht, Rn. 199; C. Münch, in: FS Hahn, S.673,674; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn.67; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 134. 173 W.Braun, VerwArch 76 (1985), 24,46; U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 119; H.-J. Papier!J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 200; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 81; K. Vogel, JZ 1988, 833, 834. 174 BVerfGE 49, 89, 133; H. Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.439. 175 C.Degenhart, Staatsrecht, Rn.349; U.M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 117; ders., ZG 1996, 37, 56; K Vogel, JZ 1988, 833, 835. 176 Die Handhabung dieser Prüfung durch das BVerfG wurde teilweise wegen ihrer Unvorhersehbarkeit kritisiert; vgl. z.B. H.-J. Papier!J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 198. In der Tat ist hier keine ganz einheitliche Linie erkennbar; vgl. BVerfGE 26,41, wo der Strafnormtatbestand (!) „grober Unfug" für hinreichend bestimmt erklärt wird, oder auch E76,1,74 zur Formulierung „Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt" gegenüber den strengen Maßstäben in E88, 366, 380. 177 Die Überprüfung von Unbestimmtheiten, die qualitativ oder quantitativ bedeutungslos sind, erübrigt sich demzufolge; s. H.-J. Papier!J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 201. 178 BVerfGE 17,67,83; G. LeibholzlH.-J. RinckID. Hesselberger, Grundgesetz, Rnrn.681 f. zu Art. 20; H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn. 47; D. Schmalz, Staatsrecht, S. 67. 179 BVerfGE 26, 186, 203 f.; 33,125, 164; 41, 251, 265; 44, 105, 115; 45, 346, 351; 53, 96, 99; 54, 237, 247f.; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn.67.

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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Der Hauptgesichtspunkt, der über das unverzichtbare Maß der Bestimmtheit einer Vorschrift im Verhältnis von Staat und Bürger entscheidet, ist auch hier der Grundrechtsbezug der zu prüfenden Norm. 180 Je deutlicher sie auch Fragen der Grundrechtsausübung erfaßt, desto notwendiger wird die Präzision bei der Formulierung ihrer Voraussetzungen und Anordnungen. 181 Hinsichtlich der schwersten Form des staatlichen Eingriffs: der Strafe, hat dieses Erfordernis seinen unmittelbaren Ausdruck in Art. 103 Abs. 2 GG gefunden 182, im Satz nullum crimen sine lege certa. 183 Doch gilt das Erfordernis einer möglichst hohen Bestimmtheit für alle anderen Fälle der Eingriffsermächtigung 184, abgestuft nach der Schwere der ermöglichten staatlichen Einmischung. Das Erfordernis möglichst hoher Normpräzision muß angesichts der Angewiesenheit vieler auf staatliche Leistungen auch auf das Feld der öffentlichen Leistungsgewähr übertragen werden. 185 Die Leistungsempfänger müssen der Anspruchsnorm entnehmen können, von welchen Voraussetzungen eine Gewährung abhängt, um sich auf ihren Empfang oder ihr Ausbleiben einzustellen.186 Für die hier untersuchten konzeptionellen Konflikte besitzt das Bestimmtheitsgebot keine unmittelbare Relevanz: die Anordnung der einander gegenüberstehenden Regelungswerke werden sich im Gegenteil oftmals gerade durch Präzision und Detailgenauigkeit auszeichnen. Sobald in einem von ihnen wertungsoffene oder konkretisierungsbedürftige Begriffe zu finden sind, enthält es bereits eine Gelegenheit, durch deren entsprechende Auslegung den Gegensatz zu entschärfen. Zum konzeptionellen Konflikt kommt es eher dort, wo Wertungen abschließend vorgezeichnet und die Einzelzüge eines Instrumentariums aufeinander abgestimmt sind.

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Vgl. BVerfGE 83, 130, 144; W. Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 54. BVerfGE 83,130,144; 86,288,311; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.352; M. Kloepfer, JZ 1984, 685, 691; G. Leibholz/H.-J. Rinck/D. Hesselberger, Grundgesetz, Rn.681 zu Art. 20; T. Maunz/R. Zippelius, Staatsrecht, S.98; H.-J. Papier!J. Möller, AöR 122 (1997), 177, 187; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 123 zu Art. 20 (Rechtsstaat); K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S.498. 182 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 50 zu Art. 103; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 829. 183 H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III, Rn. 13 zu Art. 103 II; dazu ausführlich C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rnrn.60ff. zu Art. 103 sowieH. Schulze-Fielitz, a.a.O., Rnrn. 33 ff. zu Art. 103 II - jeweils m. w. N. 184 BVerfGE 13, 153, 160; 17, 306, 314; 83, 130, 144; HJ. Faller, in: FS Merz, S.61, 62; G. Leibholz/H.-J. Rinck/D. Hesselberger, Grundgesetz, Rn.685 zu Art. 20; H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn. 47; D. Schmalz, Staatsrecht, S. 67 f. 185 W.Braun, VerwArch 76 (1985), 24,55; HJ. Faller, in: FS Merz, S.61,62; zurückhaltend H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn.47. 186 Ähnlich HJ. Faller, in: FS Merz, S.61, 62. 181

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

3. Unklarheiten angesichts eines nicht zu überschauenden Normengemenges Stetige Veränderungen der Verhältnisse zwingen den Gesetzgeber auf einer Reihe von Gebieten dazu, aktuellen Entwicklungen unentwegt nachzueilen, und führen so zu einer immer rascheren Normproduktion. Dabei begibt er sich in die Gefahr, daß eine Vielzahl von Vorschriften auf ein und demselben Regelungsfeld zu einem anfangs nur unübersichtlichen und zuletzt nicht mehr zu überschauenden Gemenge verschiedenster Rechtsnormen führt. 187 Meistgenanntes Beispiel für ein solches Wirrwarr ist das Bundessteuerrecht 188; doch rückt das Strafrecht infolge der besonders hohen Anforderungen, die es stellt, hier ebenfalls allmählich ins Zentrum des Problembewußtseins.189 Unter Umständen stoßen Vorschriften aus verschiedenen Zeiten 19°, von unterschiedlichem Rang und von uneinheitlicher Herkunft aufeinander 191, so daß sich gegebenenfalls Normen des Bundes, der Länder und der EU begegnen. Rechtsstaatlich bedenklich werden derartige Unklarheiten, wenn Normadressaten außerstande sind, den Normgesamtbestand zu überschauen, der auf ihre Unternehmung anwendbar ist. Wie im Fall der Unverständlichkeit einer Norm ist es ihm auch hier zuzumuten, rechtskundige Hilfe herbeizuziehen. Wo der Stoff oder das Wirrwarr, in dem er sich befindet, allerdings ein Ausmaß erreicht, daß auch der zu Rate gezogene Jurist nicht mit annähernder Sicherheit zu ergründen vermag, welche Rechtsvorschriften auf einen Fall anzuwenden sind, ist der mindestgebotene Rechtssicherheitsstandard unterschritten. 192 Von der Verläßlichkeit des Rechtsstoffs kann nur gesprochen werden, wo der Normbestand zu einer konkreten Frage mit zumutbarem Aufwand gefunden und in seinen Zusammenhängen verstanden werden kann. 193 Es ist eine dem einfachen Recht vorausgehende Forderung (die nur durch die Verfassung verbrieft sein kann), daß der Rechtsstreit im Gesetzesstaat ein Streit um die Auslegung der Norm und um die Subsumtion eines Geschehnisses sein soll, 187

Vgl. BVerfGE 5, 21, 31 f.; E.Benda, DStZ 1984, 159, 162; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 347; W. Berschel, JZ 1967,727,729; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 61, 69 ff. 188 s. etwaE. Benda, DStZ 1984,159,162; C. Münch, in: FS Hahn, S.673,687ff.; H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 69. 189 Freilich bezogen auf ein ausuferndes Nebenstrafrecht, nicht auf das StGB. Vgl. H. Schneider, Gesetzgebung, Rnm. 78 ff.; W. Winkelbauer, Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, S.28f. 190 Beispielsweise auch bei Zweifeln über eine mögliche Fortgeltung vorkonstitutionellen Rechts gemäß Artt. 123 ff. GG; s. dazu auch BVerfGE 5,25,31 ff. Zum besonderen Fall der Unklarheit durch zweckwidrige Anwendung einer Norm nach deren zeitlicher Überholung C. Pestalozza, BB 1971, 1415, 1417. 191 s. auch E. Benda, DStZ 1984, 159, 162. 192 s. auch F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 329; P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S.71; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 88. 193 Unklarheiten dieser Art können mit Zweifeln über die Fortgeltung früherer Bestimmungen einhergehen, s. auch dazu das oben in Fn. 123 angeführte Beispiel.

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und nicht wie in alter Zeit ein Streit darüber , wer eine ihm günstige ältere, noch in Geltung befindliche Bestimmung dem Vergessen entreißt. Die freiheitsstiftende Funktion der Gesetzesherrschaft geht verloren, wenn man nach einer sorgfältigen Prüfung nicht mit Gewißheit ausschließen kann, ein weiteres Schrankengesetz übersehen zu haben. Dasselbe gilt, wenn zwar der Umfang des Normbestandes ermittelt wurde, der Rechtsanwender oder der Normadressat aber keine Gewißheit über das Zusammenspiel der Normen eines Komplexes gewinnen, sei es, weil der Bestand insgesamt zu umfangreich ist, sei es, weil er der nachvollziehbaren Systematik entbehrt. Hier berührt sich das Moment des Normendurcheinanders mit dem der Verständlichkeit. Im selben Maß, in dem das Durcheinander in einer Rechtsordnung überhand nimmt, schwindet das Vertrauen des einzelnen in die staatliche Gesetzgebung. Ernstzunehmende Stimmen vermuten hier eine Ursache für eine um sich greifende Gesetzesmißachtung.195 Seitens des Staates rührt aus der Unübersichtlichkeit des Rechtsstoffs die Gefahr von Fehlentscheidungen196, wenn Richter oder Behörde eine anzuwendende Norm übersehen. An der Rechtslage im Spielautomatenfall 197 hat sich allerdings gezeigt, daß es dem Gesetzgeber unmöglich ist, Unübersichtlichkeiten auszuschließen.198 Die Spielhallenbetreiber hatten dort jugendschutzrechtliche, gewerberechtliche, strafrechtliche und ordnungsrechtliche Bestimmungen zu beachten. Käme ein Gesetzgeber auf die Idee, diese Punkte in einem Spielhallenspezialgesetz zu regeln, wäre zwar einerseits die Klarheit der Spezialmaterie erhöht, im gleichen Zug aber die Überschaubarkeit der ursprünglichen Rechtsmaterien gemindert. Je zentraler und bedeutsamer die vom Normendickicht erfaßten Bereiche für das soziale Leben sind, desto weniger ist dieser Zustand aus rechtsstaatlicher Sicht hinnehmbar. Alles oben zu den Grundrechten Gesagte gilt auch hier. Diese grundrechtsbezogene Abstufung der rechtsstaatlichen Erfordernisse beantwortet auch die im Schrifttum aufgeworfene Frage, welche Einzelnorm im Gewirr einer Gesamtmaterie nichtig sein soll, wenn die rechtsstaatliche Mißbilligung auf den Zustand des Ganzen, nicht auf die Beschaffenheit eines einzelnen Bausteins zielt. 199 Wo eine 194 K.F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.601; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 347 m. w. N. 195 E.Benda, DStZ 1984,159,163;K. Eichenberger, VVDStRL40(1982),7,16f.;H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 70; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S.498. Besonders eindringlich auch W. Herschel, JZ 1967, 727, 733. 196 H.-J. Papier (in: Friauf [Hrsg.], Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 61,69 f.) sieht einen unvollziehbar gewordenen Normenüberhang, der die gesetzesausführende Verwaltung zwinge, Teile der geltenden Gesetze und Rechtsverordnungen unberücksichtigt zu lassen. Sie nehme Zuflucht zu einem „pragmatischen Verfassungsverstoß". Niemand wisse dann noch, was geltendes Recht sei; hieraus erwachse ein „paralegales Widerstandsrecht". Vgl. auch C. Münch, in: FS Hahn, S.673, 679 und 687ff.; C. Pestalozza, BB 1971, 1415, 1417. 197 s. oben 1. Kapitel, V, 1. 198 Detailliert zu den Schwierigkeiten moderner Gesetzgebungstechnik L. Adamovich, in: Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S. 204ff.; W. Braun, VerwArch 76 (1985), 24,47. 199 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.356.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

Norm Grundrechtseingriffe gestattet oder in enger Weise mit Grundrechtseingriffen zusammenhängt, ohne daß auch jene Voraussetzungen klar sind, die sich erst aus dem Kontext der Norm ergeben, bleibt der Mangel an ihr haften, auch wenn sie selbst klar formuliert ist. An sie, die dem Bürger am unmittelbarsten gegenübertritt, indem sie dem Staat erlaubt, in die geschützte Freiheitssphäre einzudringen, richten sich die höchsten Anforderungen. Wenn sich die Beschränkungen einer bestimmten Form der Grundrechtsausübung nicht nur aus der Aussage einer einzelnen Schrankennorm, sondern vor allem aus ihrem Kontext ergeben (wenn z. B. eine Sanktionsnorm das zur Ordnungswidrigkeit erklärt, was in anderen, vielleicht wiederum verweisenden Bestimmungen umschrieben ist), so hat der Gesetzgeber der am unmittelbarsten und stärksten eingreifenden Norm dafür zu sorgen, daß sie in ihrem Zusammenhang rechtsstaatlich haltbar ist. Zuletzt trägt also jede Norm, die grundrechtseinschränkende Wirkungen entfaltet, die Verantwortung dafür, daß sie selbst und ihr Kontext, soweit sie ihn in die Grundrechtsbeschränkung einbezieht, rechtsstaatlich mängelfrei sind. Diese Form der Unklarheit erscheint zu den Fällen des konzeptionellen Konflikts beziehungsreicher als die bereits erörterten. So kann es einerseits leicht geschehen, daß in einem Durcheinander von Normen, über das der Gesetzgeber selbst den Überblick verloren hat, verschiedene Wertungen auftreten. Gerade auch dort, wo zwei verschiedene Normgeber in ein und demselben Zusammenhang tätig werden, kann es geschehen, daß der eine die früheren, aus dem Blickfeld geratenen Bestimmungen des anderen übersieht und sich in einen wertungsmäßigen Widerspruch zu ihnen setzt. Umgekehrt können konzeptionelle Widersprüche ihrerseits zur Entstehung oder Verdichtung eines solchen Normengewirrs beitragen. Wo der Bundesoder Landesgesetzgeber sein Werk unabgestimmt neben dasjenige des anderen stellt, kann sich der Normadressat nicht mit einem Blick auf die Rechtslage begnügen, sondern ist gezwungen, auch nach (wertungsmäßig konträren) Vorschriften des anderen Kompetenzträgers zu suchen. Bleibt es allerdings bei zwei tendenziell auseinanderlaufenden Gesetzeswerken, besteht die Gefahr noch nicht in der Unübersichtlichkeit, denn auch im Fall ihrer Eintracht müßte der Adressat Bundes- und Landesregelungen zur Kenntnis nehmen. Verwirrung herrscht vielmehr darüber, welches Verhalten der Staat eigentlich erwartet. 4. Unklarheiten als Fehlverweisungsfolge 200 Sehr ähnlich verhält es sich, wenn der Verweis einer Norm auf eine andere durch ein Redaktionsversehen fehlerhaft ist, infolge von Rechtsänderungen unrichtig wird 2 0 1 oder auf andere Weise seine Nachvollziehbarkeit verliert. 202 Doch wird in 200

Illustrative Beispiele finden sich in BAGE 38, 166 sowie bei S. Huber, ZG 1990, 355. So in BAGE 38, 166, wo infolge der Änderungen eine durch Analogie nicht zu schließende Lücke in der arbeitsrechtlichen Entschädigungsregelung bei Arbeitnehmervertragsbrüchen entstanden war. 201

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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den allermeisten dieser Fälle eine berichtigende Auslegung möglich sein. Die Gefahr, daß ein Interpret den Willen des Gesetzgebers unzulässigerweise in seinem eigenen Sinn zurechtdeutet, besteht dann nicht, wenn die Bestimmung, wie sie vorliegt, infolge eines solchen Versehens überhaupt keinen Sinn ergibt.

5. Unklarheiten und Irreführung Besondere Aufmerksamkeit verdient es, wenn der Gesetzgeber die Rechtsadressaten durch die Normgestaltung in die Irre führt 203 , wenn er also eine Gesetzesform wählt 204 , nach welcher sich der Rechtsunterworfene eine Vorstellung vom Norminhalt bilden muß, hinter der dasjenige zurückbleibt, was die Vorschrift bei richtiger Anwendung zu leisten vermag. 205 Das Problem stellt sich, wo der Richter zwar in der Lage bleibt, eine Norm richtig, d. h. in dem vom Gesetzgeber intendierten Sinn anzuwenden, die Erwartungen der Betroffenen aber dennoch darüber hinausgingen - und hinausgehen durften. 206 Die Forderung beruht auf dem Gedanken, daß ein Gesetz in grundrechtlich besonders sensiblen Bereichen eben nicht allein auf die Interpretationsfähigkeiten geschulter Fachjuristen zugeschnitten sein darf, sondern daß vielmehr stets zu beachten ist, in welcher Weise ein betroffener Grundrechtsträger die Rechtslage auffassen muß. Normadressaten disponieren ansonsten möglicherweise im Vertrauen auf eine für sie klare Rechtslage, die sich im Konfliktfall, in 202 s. BVerfGE 8,274, 302 f.; 22,330, 346; BVerwGE 26,129; dazu auchL. Adamovich, in: Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S.204, 209; H.D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn.64 zu Art. 20; H.-J. Papier; in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 61, 70ff.; J. Raether, Das Prinzip des Rechtsstaats in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Oberen Bundesgerichte, S.26f.; F.E. Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 4. Auflage, Rn. 25 zu Art. 20; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 130 zu Art. 20 (Rechtsstaat). Mit dem Problem der Unüberschaubarkeit berührt es sich, wo eine Norm pauschal auf fortgeltendes Recht verweist und unklar ist, welches hierzu zählt; vgl. BVerfGE 5, 25, 31. Zum demokratierelevanten Problem dynamischer Verweisungen K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 138 f. 203 Siehe BVerfGE 1, 14, 16 (Ls. 14); ThürVerfGH LKV 1998, 197. F.E. Schnapp (in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 4. Auflage, Rn. 25 zu Art. 20) erkennt eine solche Konstellation im Fall der Mitfahrzentralen-Entscheidung BVerfGE 17, 306; s. außerdem W. Herschel, JZ 1967, 727, 729; J. Raether, Das Prinzip des Rechtsstaats in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Oberen Bundesgerichte, S.26; M. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 125 zu Art. 20; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 133. 204 Auf bewußte oder unbewußte Irreführung kommt es nicht an: ThürVerfGH LKV 1998, 197 (Ls.4). 205 Vgl. auch J. Raether, Das Prinzip des Rechtsstaats in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Oberen Bundesgerichte, S.25: „Der einzelne hat einen Anspruch darauf zu erfahren, womit er rechnen muß." 206 Ein rechtsstaatliches Problem stellt sich also nicht, wenn auch die methodisch fehlerfreie Auslegung zu einem Ergebnis kommt, das von dem abweicht, was dem Gesetzgeber beim Normerlaß vorschwebte. Solche Lagen berühren zum einen den Fragenkreis der objektiv-teleologischen Auslegung, zum anderen jenen Aspekt der Gesetzesgestaltung, wie der Normgeber seine Intention unmißverständlich verankern kann.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

dem es auf die Verläßlichkeit des Rechts ankommt, als trügerisch erweist. Insofern handelt es sich um eine besondere Variante der Verständlichkeit einer Norm. In schwerwiegenden Fällen ist eine solche irreführende Normgestaltung für rechtsstaatswidrig zu befinden. 207 Momente einer solchen Irreführung finden sich auch in der Konstellation von widersprüchlichen Gesetzeskonzeptionen, mit der Besonderheit, daß es dort nicht ein und derselbe Gesetzgeber ist, der seiner Norm einen Anschein gibt, den sie nicht einlöst. Hier durchkreuzt die Betätigung einer fremden Gesetzgebungszuständigkeit die möglichen Erwartungen der Normadressaten. So durfte der Fast-Food-Unternehmer im Verpackungssteuerfall glauben, seine abfallrechtlichen Pflichten zu kennen und ihnen durch Beteiligung am Entsorgungssystem zu genügen. Die kommunale Regelung enttäuschte diese Erwartung, indem sie eine Abgabenpflicht hinzusetzte. Die hinzukommende fremde Norm ignoriert hier, daß sich die Beteiligten entsprechend der bisherigen Rechtslage eingerichtet hatten. Dieser Umstand, das Gegeneinander zweier Gesetzgeber, verbietet es aber, die Konstellation des konzeptionellen Konflikts im Bundesstaat unter dem Aspekt einer Irreführung zu behandeln, da hier diejenige Norm rechtsstaatswidrig sein müßte, die mehr verspricht, als sie hält: in dem Fall also die zuerst erlassene, für sich richtige und ernstgemeinte. Der hinzutretende Gesetzgeber hätte es dann in der Hand, diese Norm in die Verfassungswidrigkeit zu setzen. Auch die zweite Norm kann unter dem Gesichtspunkt der Irreführung nicht erfaßt werden: sie setzt keinen Anschein, verspricht also nichts, was sie nicht einlösen würde.

IV. Unklarheit durch konzeptionelle Divergenzen 1. Die Gefahren einer Verkürzung der Problematik Der Grenzverlauf zwischen klarheitsverletzenden und hinzunehmenden Widersprüchen wurde in der Diskussion offengelassen. 208 Eine allgemeine Formel des Inhalts, Regelungswerke dürften nicht in solcher Weise gegenläufig sein, daß der Adressat die Gewißheit verliert, welches Verhalten der Staat von ihm erwartet 209, bringen die Unterscheidung nicht weiter voran: sie sind nicht mehr als ein erster Anhalt, bei dem, vom Rechtsklarheitsgebot ausgehend, die Suche beginnt. Ebenso falsch, wie hierbei stehen zu bleiben, wäre es, die Entscheidung über die Klarheitsrelevanz der konzeptionellen Widersprüche von vornherein allein als den Gegen207 BVerfGE 17,306,318; ThürVerfGH LKV 1998,197; s. auchP. Noll, Gesetzgebungslehre, S. 170. 208 H.D. Jarass, VVDStRL 50 (1991), 340, 341. 209 Nach C. Degenhart (Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 75) ist das anzunehmen, „wenn ein Rechtskreis derart inkonsequent normiert ist, daß ein Konzept nicht mehr erkennbar, sinnvolles Disponieren unmöglich ist [...]", wenn es sich nicht „um Fälle von Systemwidrigkeit, sondern um Systemlosigkeit handelt."

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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stand einer einzelfallbezogenen Wertung zu begreifen und auf die Suche nach dem klarheitsgefährdenden Moment in der Beschaffenheit solcher Divergenzen zu verzichten. Auch wenn möglicherweise keine abschließende, alle Lagen ohne einen Rest an Zweifeln bewältigende Formel zu finden ist, bleibt es unerläßlich, aus der Substanz der Fälle so deutlich wie möglich jenen Punkt in ihrer Beschaffenheit herauszukristallisieren, der den Klarheitsaspekt tangiert. Zu Recht wurde im Schrifttum darauf hingewiesen, wie viele entgegengesetzte Tendenzen eine Rechtsordnung in sich vereint. 210 Ihr Eingestelltsein ins Ganze zielt darauf, daß sie sich auch gegenseitig ausgleichen und der uneingeschränkten Vorherrschaft eines einzelnen Zwecks entgegentreten. Die Rechtsordnung ist insofern das Werk der gesetzgeberischen Gewichtung von Interessen, die in der Wirklichkeit einander gegenüberstehen. Zwar kann die Rechtsordnung nichts versöhnen, doch ist es ihre Aufgabe, den Konflikt in einer vorgezeichneten und akzeptierten Weise handhabbar zu machen. Mustergültig dafür sind die §§ 932 bis 935 BGB, die das anerkannte Eigentümerinteresse hier, das gleichermaßen schutzwürdige Interesse eines gutgläubigen Erwerbers dort in bestmögliche Feinabstimmung setzen und dabei zwei gegeneinanderstehende Ziele durch ihre Gewichtung, durch die Wertung ihres Konfliktfalls, in einem bestimmten Sinn ausgleichen. Wie facettenreich sich echte Unstimmigkeiten der gesetzgeberischen Konzeptionierung gestalten, wurde bereits gezeigt211: die Abstufungen verlaufen vom offenen Zielkonflikt über Unterschiede bei der Wahl des Instrumentariums bis hin zu Gewichtungsnuancen, was ihre Rangfolge betrifft. Aus diesem Formenreichtum und der Häufigkeit entgegengesetzter Tendenzen in einer Rechtsordnung die Bedeutungslosigkeit all dieser Erscheinungen hinsichtlich des rechtsstaatlichen Klarheitsgebots zu schlußfolgern 212, würde gerade dieser Vielgestaltigkeit nicht gerecht, die neben gewiß vorhandenen harmlosen auch bedenklich stimmende Formen des Konflikts umfaßt. Die pauschale Absolution eines solchen Inbegriffs von verschieden schweren und uneinheitlich beschaffenen Phänomenen verbietet sich, weil ein bestimmter Prüfungsgesichtspunkt (hier: das Klarheitsmoment) eine Scheidung des Stoffs in möglicherweise relevante und von vornherein bedeutungslose Fälle ermöglicht und erfordert. Die undifferenzierte Leugnung jeder Gefährdung des Klarheitspostulats (und anderer Verfassungssätze) durch den Widerspruch zweier gesetzgeberischer Konzeptionen bedeutet, außer den tatsächlich unbedenklichen Fällen (die sicherlich stets überwiegen) auch jene loszusprechen, die sich bei näherem Hinsehen als rechtsstaatlich nicht hinnehmbar erweisen. Ausgehend vom jeweiligen Gebot ist somit ein Anknüpfungspunkt innerhalb der in Frage stehenden Erscheinun2,0

J.Berkemann, JR 1999, 9, 15; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 276; C. Schräder, ZUR 1998, 152, 153; H. Sendler, NJW 1998, 2875, 2876. 211 s. oben 2. Kapitel, I. 2,2 So C. Bumke, ZG 1999, 376, 383; D. Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241, 276. Hingegen zielt K. Fischer (JuS 1998, 1096, 1100) mit seiner Unterscheidung von „größeren" und „kleineren" Widersprüchen in die richtige Richtung.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

gen zu suchen, an denen sich die Frage ihrer Relevanz (die zu trennen ist von der ihres Verstoßens!) entscheiden läßt. Die Perspektive, aus der die Widersprüchlichkeiten wahrgenommen werden müssen, ändert sich demzufolge je nach dem Verfassungssatz, dessen Problemfeld es zu ermitteln gilt. Bei der Rechtsklarheit ist dies die Sicht des Normadressaten 213 auf das, was ihn an Widersprüchlichkeit erreicht. 2. Das Charakteristikum eines klarheitsbedrohenden Widerspruchs Aufgabe ist es nun, jenes Moment ausfindig zu machen, in welchem das klarheitsgefährdende Potential konzeptioneller gesetzgeberischer Widersprüche angelegt ist. Daß gegebenenfalls Wertungen und Korrekturen hinzukommen müssen, ist eine nachrangige, hiermit nicht zu vermischende Frage. Klarheitsverstöße wurden in den übrigen, vorstehend behandelten Fallgruppen stets dann bejaht, wenn die freiheitsschützende Funktion eines Gesetzes dadurch in Gefahr geriet, daß die Konturen seiner Anwendung (d.h. Voraussetzungen und Folgen seiner Einschlägigkeit) bis hin zur Unkenntlichkeit verwischt sind. Der einzelne, um dessen Freiheit es geht, konnte sich trotz aller Bemühungen keine oder keine richtige Vorstellung davon verschaffen, welcher Freiheitsraum ihm bleibt. Daß dies bei einem logischen Gegeneinander zweier Pflichten anzunehmen ist, wurde gesagt.214 Um diese Fallgruppe geht es hier jedoch gerade nicht. Doch muß beachtet werden - und die Kritiker einer klarheitsbezogenen Prüfung übersehen es 215 - , daß sich die neuere Gesetzgebung insbesondere im Umwelt- und Wirtschaftsrecht zunehmend von den Kategorien Pflicht und Verbot entfernt, um sanfteren, kooperativeren Steuerungsmechanismen deren Stellen einzuräumen. 216 Die rechtsstaatlichen Bewertungsmaßstäbe müssen mit diesen Entwicklungen Schritt halten, müssen hierfür neu durchdacht werden, wenn sie ihren Wert für diese Bereiche nicht einbüßen sollen.217 Der einzelne Rechtsadressat muß sich angesichts solcher Regelungsmuster darauf verlassen können, daß das von einem Gesetz geforderte (hier im Sinn von: erstrebte) Verhalten nicht von einem anderen mißbilligt (im Sinn von: benachteiligt) wird. Die Verläßlichkeit des Rechts und die von ihr bewirkte Ausgrenzung der Freiheit zielt hier nicht nur auf eine abstrakte Freiheit irgendwo im Allgemei213

Vgl. P. Noll, Gesetzgebungslehre, S. 170. Hierauf will C. Bumke (ZG 1999, 376, 382) die Klarheitsrelevanz gesetzlicher Widersprüche beschränken, indem er annimmt, daß bei Wertungsdivergenzen keine Gefahr für die Rechtssicherheit eintreten könne. Doch geht er der Frage nicht vertieft nach. 2,5 Beispielsweise C. Bumke, ZG 1999, 376, 382, wenn er es genügen lassen will, daß der Bürger sich rechtstreu verhalten kann. 216 J.Burmeister, DÖV 1981, 503, 505; G.Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 186, dort Fn. 132; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S.382f. 217 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 382: „Durch den Verzicht auf die typischen Herrschaftsstrukturen wie Befehl und Gehorsam und den Übergang in ein System akkordierter Verhaltensweisen müssen die an der herkömmlich verstandenen Staatlichkeit und Staatsgewalt orientierten dogmatischen Kategorien versagen." 214

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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nen, sondern auf die Freiheit, sich auf eine bestimmte Form der Kooperation, der freiwilligen Beschränkung usw., um einer Vergünstigung willen einzulassen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist damit gefunden. Wenn die Herrschaft des Rechts durch eine Struktur verwirklicht wird, auf die sich der einzelne einlassen kann, so ist der ausgegrenzte und schützenswerte Freiheitsraum vor allem die Freiheit der Einlassung. Sie geht verloren, wo ein entgegenstehendes Konzept gerade diese Einlassung in irgendeiner Form mißbilligt. In die Praxis der Gesetzesüberprüfung übersetzt bedeutet das: knüpft ein Gesetz Vergünstigungen an ein Verhalten, welchem das andere in offenbarer Weise entgegenwirkt (widerspricht sich also das Handlungsinstrumentarium in dieser speziellen Form), so wird der Rechtsunterworfene außer Verständnislosigkeit auch Unsicherheit darüber empfinden, was der Staat eigentlich von ihm erwartet. Es kommt zum Konflikt, wenn der Adressat eine Vergünstigung erreichen bzw. einer Belastung entgehen will, dadurch aber unvermeidbarerweise dem anderen Gesetz nicht gerecht wird und dessen Anordnung für die von ihm mißbilligten Fälle erdulden muß. 218 Anhaltspunkte finden sich, wo zwei Gesetzgeber entgegengesetzten Lösungsmodellen folgen (hier Kooperation, dort Zwang), aber auch, wo Handlungsmittel in einer bestimmten Rangfolge abgestuft sind und der fremde Gesetzgeber diese Ordnung durchbricht. Rechtsstaatlich bedenklich ist es dann, wenn ein Bürger allen Vorgaben des einen Gesetzes vorbildlich nachkam und deshalb von einer anderen Norm schlechter gestellt wird als derjenige, welcher den Anregungen oder Anforderungen des ersten in einer großzügigeren Weise genügte. Stehen sich zwei Regelungsmodelle in solcher Weise gegenüber 219, daß es der einzelne, gleich, wie er sich verhält, nicht beiden recht machen kann, so berührt eine solche Gesetzeslage in empfindlicher Weise das Rechtssicherheitsgebot.220 Im Fall der kommunalen Verpackungssteuer 221 ist eine Widersprüchlichkeit dieser Art tatsächlich feststellbar: zwar kann der Fast-Food-Unternehmer beide Be218 Zwar wird der einzelne hier nicht zum Rechtsbruch gezwungen, doch kann ihn die Benachteiligung durch ein bestimmtes Gesetz, deren Opfer er durch seinen Gehorsam dem anderen gegenüber wird, im Fall gravierender Unstimmigkeiten in ganz ähnlicher Weise (z.B. in Form einer Steuer anstelle eines Ordnungsgeldes) treffen. Dies übersieht C. Bumke, ZG 1999, 376, 382. Der Unterschied zum normlogischen Konflikt ist damit, was die Auswirkungen dem Adressaten gegenüber betrifft, mitunter nur ein gradueller. 219 Daß ein Verhalten, das ein Gesetz zuläßt, von einem anderen mit Nachteilen verknüpft wird, reicht nicht aus. Es muß sich vielmehr um das Verhalten handeln, das eines der Gesetze vom Betroffenen erwartet. 220 Ganz abgesehen davon, daß auch solche Unstimmigkeiten das Ansehen des Gesetzes verlorengehen lassen; vgl. auch H.-J. Papier, in: Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, S.61, 70. K. Sobota (Das Prinzip Rechtsstaat, S.498) stellt für die Fälle des Bestimmtheitsgebots einen Zusammenhang her zwischen „Akzeptanz und Durchsetzbarkeit des Rechts", „Effizienz der Rechtsordnung", „Rechtsfrieden" und der „rechtsstaatlichen Gewalt". S. ferner E.Benda, DStZ 1984, 159, 163; K. Eichenberger, VVDStRL 40 (1982), 7, 16f.; W. Herschel, JZ 1967, 727, 733. 221 1. Kapitel, I.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

Stimmungen - durch Steuerzahlung und Beteiligung am Dualen System - den Buchstaben nach erfüllen. Doch handelt es sich bei der Steuer um ein Druckmittel gegen die Verwendung von unerwünschten Verpackungen. Wenn sich der FastFood-Händler nun in der Weise, wie es das Bundesgesetz vorsieht, am Dualen System beteiligt 222 , ist es ihm - mit oder ohne Anrechnungsklausel - unmöglich, dieser finanziellen Sanktion der Abfallsteuersatzung zu entrinnen. Anders verhält es sich dagegen im Spielautomatenfall: die Automatenbesitzer folgten hier keinem bestimmten Wink des Gesetzes, sondern erlitten bereits durch die bundesrechtlichen Vorschriften vielfältige Beschränkungen, zu denen sich nun eine weitere, steuerrechtliche gesellt. Die Abgabe sanktioniert nichts, was von anderen Bestimmungen gefördert wurde oder gefordert war. 223 Im Fall des BaySchwHEG kann die Frau durch Offenlegung ihrer Gründe sowohl gegenüber ihrem Berater als auch gegenüber dem Abtreibungsarzt allen Bestimmungen genügen und den Intentionen aller Vorschriften gerecht werden. Daß ein Gesetz die nachrangige Ausweichmöglichkeit des anderen unattraktiv werden läßt oder entwertet, ist kein klarheitsbezogenes Problem. Jenes Moment, das konzeptionelle Widersprüche hinsichtlich des Gesichtspunkts Rechtsklarheit bedeutungsvoll werden läßt, ist damit gefunden. Doch muß auch hier - wie bei allen anderen Formen der Unklarheit - ergründet werden, ob der konkret zutage getretene Widerspruch (der so beschaffen ist, wie er soeben beschrieben wurde) eine Schwere besitzt, die das Nichtigkeitsverdikt gegenüber einer der kollidierenden Normen in seinem Fall tatsächlich rechtfertigt.

3. Die Maßstäbe einer widerspruchsbedingten Klarheitsverletzung Mit dem soeben gewonnenen Gesichtspunkt ist zunächst einmal nur geklärt, welche konzeptionellen Widersprüche die Rechtsklarheit überhaupt in Gefahr bringen können. Dies ist insofern ein wichtiger Schritt, als damit die Befürchtungen entkräftet sind, daß ein solches Kriterium unauffindbar sein könnte. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß ein so beschaffener Widerspruch stets auch die nötige Schwere besitzt, um die Verfassungswidrigkeit (und in deren Folge die Nichtigkeit) einer der Normen nach sich zu ziehen. Wie in allen anderen Fällen fehlender Normenklarheit ist auch hier eine kriteriengeleitete Abwägung notwendig, um zu ergründen, ob die in Frage stehenden Regelungswerke trotz derartiger Widersprüche haltbar sind. Nunmehr kann an dasjenige angeknüpft werden, was die Vergegenwärtigung der übrigen Fallgruppen erbrachte - und damit an die Früchte ihrer Behandlung durch Gerichte und Wissenschaft. 222

1. Kapitel, I., 1. Anders aber OVG Lüneburg DVB1. 1999,406,409; OVG Lüneburg NdsVBl. 1999,187, 188; ähnlich/. Eschenbach, ZKF 1998, 246, 253. Hieran wird gut ersichtlich, welche Gefahr die Verselbständigung eines Postulats der „Widerspruchsfreiheit" birgt. 223

7. Kap.: Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot

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Weil für Klarheitsfragen stets die Auswirkungen auf den Adressaten maßgeblich sind, hängt auch die Annahme der Rechtsstaatsunverträglichkeit widersprüchlicher Gesetzeskonzeptionen von den konkreten Folgen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und im Rechtsverkehr ab, davon also, welche Vorgänge von der einen und welche von der anderen Norm in welcher Weise und welchem Zusammenspiel gesteuert werden. Zu schauen ist dabei nach der Stellung des in Frage stehenden Einzelelements im Gesamtinstrumentarium der staatlichen Steuerung eines Bereichs: je größer seine Bedeutung, desto kritischer ist die Rechtsstaatsverträglichkeit zu beurteilen. Aufzuspüren sind weiterhin Berechtigung, Umfang und Gewicht der beiderseits hineinspielenden Interessen. Es ist zu ermitteln, inwieweit ihr Ausgleich bei annähernd gleicher Wertung in anderer Form möglich gewesen wäre. Je bedeutsamer und je verletzbarer diese Interessen, desto eher muß die Rechtsstaatlichkeit den Widersprüchen in der entsprechenden Regelung entgegentreten. Wenn andere, den gleichen Erfolg versprechende Lösungen möglich sind, spricht das für die Vermeidbarkeit des Widerspruchs, die bei Hochrangigkeit der Güter zum Muß werden kann. Qualitative und quantitative Geringfügigkeiten scheiden demzufolge auch hier 224

aus. Diese Anknüpfung an die Bedeutung der Norm in der Wirklichkeit führt zur Frage, wonach sich diese Bedeutung bemißt. Das Wertesystem der Verfassung enthält hierfür einen zwingenden Maßstab: für Normen im Verhältnis von Staat und Bürger bestimmt sie sich demzufolge vor allem anhand der Grundrechte. Deren Betroffensein gibt dem Erfordernis konzeptioneller Widerspruchsfreiheit stets besonderes Gewicht, wenn Divergenzen in der gezeigten Weise hervortreten. Die Grundrechte, in spezieller Form oder in Gestalt des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeiner Freiheitsgewähr, sind die Substanz jener Freiheit, um deren Ausgrenzung es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit immer wieder geht. Eigentumsschutz (im Hinblick auf ihren Einsatz) und Berufsfreiheit der Fast-Food-Unternehmer spielten demzufolge im Verpackungssteuerfall eine entscheidende Rolle; der Umfang ihrer Beeinträchtigung hätte einer vertieften Untersuchung durch die Gerichte bedurft. Teil der zu leistenden Abwägung ist auch die Stellung der betreffenden Normen. Hier gebietet die Besonderheit der untersuchten Konstellationen allerdings besondere Vorsicht: wie im Abschnitt über die Kompetenzordnung gezeigt, wird es sich in den verbleibenden, kompetenzrechtlich nicht erfaßbaren Fällen des konzeptionellen Konflikts meist um titelübergreifende Störungen handeln, d. h. um das tendenzielle Gegeneinander zweier Normen aus verschiedenen Rechtsgebieten. Gebietsübergreifend sind jedoch an die Rechtsklarheit geringere Anforderungen zu stellen, da die Wertung, auf der eine Norm beruht, meist in das Gefüge ihres Bezirks eingebettet ist. Die Stellung der fragwürdigen Bestimmung im Rechtssystem - sie berührt sich mit der Normfunktion in der Wirklichkeit - bezieht sich auf die Bedeutung der 224 Vgl. (im Zusammenhang der Bestimmtheit) H.-J. PapierU. Möller, AöR 122 (1997), 177, 201. Rechtsstaatliche Maßstäbe dürfen dem Gesetzgeber nichts Unlösbares aufbürden, s. auch C. Pestalozza, BB 1971, 1415.

11 Haack

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

Norm für die Anwendung des Rechts. Demzufolge macht es einen Unterschied, ob die Zentralnormen zweier Rechtsgebiete oder Vorschriften von ganz untergeordneter Bedeutung in Konflikt geraten sind. Das erste bedroht die Prämissen rechtsstaatlicher Gesetzgebung schwerer; Verfassungswidrigkeit wird dann eher anzunehmen sein. Wo eine Zentralnorm mit einer untergeordneten Bestimmung kollidiert (was ebenso vorstellbar ist), handelt es sich um einen mittelschweren Fall. Als Faktor des Beeinträchtigungsmaßes heranzuziehen ist schließlich auch der Aspekt, inwieweit ein Norminhalt zu bestimmten Erwartungen berechtigt und ein anderer, hinzukommender sie enttäuscht. Wo bereits Dispositionen vorgenommen wurden, berühren sich dabei Normenklarheit und Vertrauensschutz. 4. Die Bestimmung der verfassungswidrigen Norm Abschließend zu entscheiden bleibt damit, welche der beiden entgegenstehenden Regelungen es nun sein soll, die infolge des Rechtsklarheitsverstoßes verfassungswidrig ist und damit vom BVerfG im Fall eines Verfahrens für nichtig zu erklären wäre. 225 Diese Feststellung ergibt sich aus dem bereits Gesagten. Wo zwei Normgebilde in einer klarheitsgefährdenden Weise aufeinandertreffen, bestimmt sich das Vorliegen einer Verletzung der Rechtsstaatlichkeit mit Hilfe der vorstehend dargestellten Kriterien. Sie sind es auch, die darüber entscheiden, welche Norm im Fall des nicht hinnehmbaren Verstoßes die verfassungswidrige ist: nämlich diejenige, bei der die Anforderungen an die Rechtsklarheit die höheren sind. In erster Linie sind folglich die Funktion einer Norm in der Wirklichkeit, vor allem ihre Grundrechtsrelevanz, sowie ihre Stellung im Rechtssystem zu beachten. Mithin weicht die Norm, die den schwereren Grundrechtseingriff enthält oder ermöglicht. Sie wird es in aller Regel auch sein, die zur Überprüfung vors BVerfG gelangt. Kollidiert beispielsweise ein Regelungswerk, dessen Inhalt auf bestimmte Arten von Zwang ausgerichtet ist, mit einem solchen, das sich an Kooperation und Freiwilligkeit orientiert, so liegen die Erfordernisse bei dem zuerst genannten höher, das erheblich stärker in den individuellen, grundrechtlich geschützten Freiheitsraum eingreift. Unter dem Aspekt der Klarheit ist es somit nicht zu beanstanden, daß die Verpackungssteuersatzung dem Abfallrecht weicht. Wegen Verletzung des Rechtsklarheitsgebots ist somit jene Vorschrift nichtig, die von Verfassungs wegen das höhere Maß an Klarheit besitzen müßte.226

225

Vgl. C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.356. D. h. unter Umständen auch die Bundesnorm. Doch ist das Anwendungsfeld durch die widerspruchsvermeidenden Wirkungen der Kompetenzordnung ohnehin gering. Ein Problem könnte auch darin gesehen werden, daß so unter Umständen die frühere Norm weichen muß, wenn es sich um die einschneidendere handelt, zu der eine andere, mildere hinzutritt. Aus Sicht des Bürgers macht dies jedoch keinen Unterschied, und seine Perspektive ist es, die der Ergründung der Klarheit zugrunde liegt. Die zeitliche Reihenfolge der Normen kann jedoch bei Vertrauensschutz und bundesfreundlichem Verhalten problementscheidend sein. 226

8. Kap.: Rechtsstaats widrige Vertrauensbrüche durch Ungereimtheiten

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Achtes Kapitel

Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch konzeptionelle Ungereimtheiten I. Leistungskraft und Geltungsgrund des Prüfungsmaßstabs Vertrauensschutz Das Dazustellen eines neuentworfenen Gesetzeswerks auf ein Regelungsfeld, das bis dahin ein anderer Gesetzgeber allein, nach seinen eigenen, abweichenden Prämissen gestaltet hatte, kann auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten 227 Verfassungsprobleme bereiten. 228 Jede solche Ergänzung kann, wenn sie nicht das Bestehende fortführt, den Charakter eines Rechtsgebiets ändern, indem sie dessen Anforderungen erhöht oder absenkt und dabei eine vorhandene Ausrichtung des gesetzgeberischen Instrumentariums, soweit sie konsequent umgesetzt war, verfälscht. Indem sie die Rechtslage in dieser Weise umprägt, gefährdet sie unter Umständen jene Investitionen, die einzelne in ihrer Einrichtung auf das seinerzeit vorhandene Recht getätigt hatten. Vertrauensschutz zielt auf die Sicherung dessen, was der einzelne (wirtschaftlich oder sonstwie) einsetzte. Das rechtsstaatliche Gesetz soll seiner Idee nach für den Rechtsadressaten Hauptanhaltspunkt bei der Entscheidung über das eigene Handeln sein 229 , indem es ihm für die Spanne seines Inkraftseins die vom Staat aufgerichteten Pflichten zeigt und damit zugleich den verbleibenden Freiheitsraum. Gesetzesherrschaft bedeutet damit auch, daß mit der Festlegung einer bestimmten Vorgehensweise für diesen oder je227 Zum Vertrauensschutz J. Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat; ders., Vertrauensschutz im Prozeßrecht; A. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff in nach altem Recht bestehende Rechtspositionen und deren weiche Überleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes; V. Götz, in: FG BVerfG, Bd. II, S.421; E. Grabitz, DVB1. 1973, 675; D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 238ff.; H. Huber, in: FG BVerwG, S.313;/. Isensee, in: FS Klein, S.611; G. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149; F.O. Kopp, BayVBl. 1980, 38; W. Leisner, in: FS Berber, S.273; K.-H. Lenz, Das VertrauensschutzPrinzip; J. Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht; H. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen; C. Münch, in: FS Hahn, S. 673; F. Ossenbühl, DÖV 1972, 25; B. Pieroth, JZ 1984,971, fortgesetzt in JZ 1990, 279; U.K. Preuß, JA 1977, 265, 313; J. Salzwedel, Die Verwaltung 5 (1972), 11; Schmidt, JuS 1973,529; O. Seewald, DÖV 1976,228; C.Starck, in: FS Großfeld, S. 1137; U.Steiner, in: Vertrauensschutz in der Europäischen Union, S. 31; K.Vogel, JZ 1988, 833; B. Weber-D ürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht. Allen Genannten ist weiterführende Literatur in großer Fülle zu entnehmen, s. auch die in Fn. 259 aufgeführten Nachweise. 228 Den Zusammenhang von Vertrauensschutz und Widerspruchsfreiheit erkennt A. Leisner, StuW 1998, 254, 262. 229 H.Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 112; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60 Rn. 5; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 81; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 170. s. auch BVerfGE 60, 253, 268.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

nen Problemkreis die anderen denkbaren Gestaltungsmuster ausgeschlossen sind, soweit sie nicht ebenfalls in einem Gesetz Gestalt gefunden haben. Herrscht das Recht, um den staatlichen Eingriffsbereich für Staat230 und Private gleichermaßen verbindlich zu kennzeichnen und damit alles Unerfaßte dem Freiheitsbezirk des einzelnen zu überlassen, so muß es, um diesen Zweck zu erfüllen, nicht bloß inhaltlich, sondern auch zeitlich in einem bestimmten, noch zu erörternden Umfang verläßlich und unverbrüchlich sein. 231 Mit dieser Funktion als Begrenzung des Eingriffs gegenüber der Freiheit verträgt es sich nicht, wenn auch die Grundzüge einer Normierung willkürlich ausgewechselt und umgestoßen werden können, denn um die Freiheit ausüben zu können, muß ihr Umfang ins Bewußtsein dringen. 232 Regelungsstrukturen müssen in solcher Weise konstant bleiben, daß nicht von einem Augenblick zum anderen dasjenige für ungültig erklärt werden kann, was soeben noch als zulässig galt oder - in einem schlimmsten Fall - vom Bürger sogar erwartet wurde. Wer plant und seiner Planung entsprechend disponiert, ist auf diese Form der Verläßlichkeit des Rechts angewiesen.233 Das Gesetz ist seine Haupterkenntnisquelle, wenn es darum geht, die eigene Unternehmung von der Rechtsordnung gedeckt zu wissen. Wo die Norm ihrem Adressaten etwas vormacht, weil eine später hinzutretende Bestimmung (sei es auch eine fremde) deren Festlegungen relativiert und ein Stück weit ihrer Bedeutung beraubt, fehlt es dem Gesetz an Verläßlichkeit. Die scheinbare Gewißheit, welche die Norm dem einzelnen in bezug auf die Richtigkeit seines Vorhabens verschafft, entpuppt sich als Trug. Das Gesetz läßt den einzelnen in diesem Fall mit seinen entwerteten persönlichen oder wirtschaftlichen Investitionen im Stich. Vertrauensschutz ist deshalb aus rechtsstaatlichen Gründen grundsätzlich dort gefordert, wo es um die Kontinuität der Aussage eines Gesetzes oder einer untergesetzlichen Norm 234 geht. Die Sicht, auf die es demzufolge ankommt, ist wie beim Rechtsklarheitsgebot diejenige des Normadressaten, weshalb Vertrauensschutz auch im Fall konfligierender Gesetze im Bundesstaat zur Geltung kommt: den einzelnen trifft es in gleich schwerer Weise, wenn nicht ein und derselbe Gesetzgeber, sondern ein neu ins Spiel eingetretener seine Dispositionen entwertet. Das Problem gesetzgeberischer Selbstbindungen235, das in gewöhnlichen Vertrauensschutzlagen angesprochen ist, wird in den hier zu behandelnden Konfliktfällen zur Frage einer Fremdbindung im Bundesstaatsgefüge: bei allen anzustellenden Er230

Nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 3 GG. Dazu W. Leisner, JZ 1977, 537, 540. 232 Vgl. auch P Kirchhof, StuW 2000, 221, 222. 233 J. Isensee, in: FS Klein, S.611, 613; R Kirchhof, StuW 2000, 221, 222 (im Hinblick auf das Steuerrecht). 234 Vgl. O. Bachof VVDStRL 32 (1974), 242. 235 Dessen Schwierigkeit in der Bindung eines künftigen, neu legitimierten Gesetzgebers liegt, der unter Umständen den Kurs ändern und dazu neue Gestaltungswege beschreiten will. Vgl. A. Chanos, Möglichkeiten und Grenzen der Befristung parlamentarischer Gesetzgebung, S. 67 f.; A. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff in nach altem Recht bestehende Rechtspositionen und deren weiche Überleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S.26f.; R. Wernsmann, JuS 2000, 39,41. 231

8. Kap.: Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch Ungereimtheiten

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wägungen hat man sich dessen bewußt zu sein, daß es sich um Kontinuität und Vertrauensschutz über die bundesstaatlichen Ebenen hinweg handelt, um Grenzen also, die aus Kontinuitätsgründen das Regelungswerk des einen Gesetzgebers der Tätigkeit des anderen, selbständig legitimierten Kompetenzträgers zieht. Ob dieser Umstand den Maßstab des Vertrauensschutzes modifiziert, bleibt zu klären. 236 Dementgegen beruht jede legislative Steuerung auf der Möglichkeit, mit Normänderungen - erforderlichenfalls auch zügig 237 - auf soziale Geschehnisse zu antworten. 238 Wandelbarkeit und Wechselhaftigkeit aller realen Vorgänge bedingen die Gestaltbarkeit des Rechts, wenn dieses nicht nur als Fassade erhalten bleiben und seine Steuerungsfunktion unweigerlich verlieren soll. 239 Der Rechtsstaat, verstanden als ein Staatswesen nach den Prämissen der Gesetze, verlangt deshalb auch die Flexibilität des Normbestands. Herrschen, d. h. für staatliche Entscheidungen ausschlaggebend sein, kann nur dasjenige Recht, das mit der Wirklichkeit Schritt hält. Aus diesem Grund kann es keine rechtsstaatliche Regel sein, daß jedes irgendwie geartete Kontinuitätsvertrauen die Kraft besitzt, selbst Kontinuität zu erzwingen. 240 Neu geschaffene Normen (mag ihr Inhalt die Adressaten auch überraschen) verletzen deshalb nur unter ganz besonderen Umständen wegen eines rechtsstaatswidrigen Vertrauensbruchs die Vorgaben der Verfassung. 241 Hinzu kommen weitere, konkretere Gesichtspunkte, die einer uferlosen Gewährung rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes entgegenstehen. Der Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG) ist betroffen, wenn den Gerichten (ins236 Dazu C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 114. 237 BVerfGE 97,67, 82; F. Ossenbühl, DÖV 1972,25,31; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 367. 238 BVerfGE 63, 343, 357; H. Bauer, JuS 1984, 240; E. Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HdBVerfR, § 17 Rn.50; E.-W. Böckenförde, VVDStRL 32 (1974), 244, 245; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 379; G. Kisker, Die Rückwirkung von Gesetzen, S. 15; A. Leisner, StuW 1998, 254, 258; P.Lerche, DÖV 1961, 486, 488; H.Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60 Rn. 1; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 22; R. Wernsmann, JuS 1999, 1177; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.367, 370. 239 BVerfGE 63, 343, 357; H. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, §60 Rn. 1; S. Weinheimer, Steuerliche Rückwirkung - ein umfassendes Problem: Bestandsaufnahme und Neuansatz, S.2. Diese Gefahr unterschlägt W. Leisner, JZ 1977,537,540. Es geht, wiz Isensee formuliert hat, um ein „normatives Korrektiv [...], das ein Mindestmaß an Stetigkeit sichert, das die Evolution des Rechts nicht unterdrückt [...], wohl aber in geordnete Bahnen lenkt, ihren Lauf überschaubar und vorhersehbar macht, Absturz und jähe Wende meidet, krassen Systembruch und plötzlichen Systemwechsel verhindert" (in: FS Klein, S.611, 612). s. auch H. Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.442; C. Münch, DStR 1997, 1674. 240 Vgl. C. Tomuschat, VVDStRL 32 (1974), 263: „Verluste zu tragen gehört zu den Freiheiten des Bürgers."; außerdem W. Leisner, in: FS Berber, S.273, 281;/. Salzwedel, Die Verwaltung 5 (1972), 11, 16; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.369. 241 s. auch G. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 179; W. Seuffert, BB 1972, 1065, 1067.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

besondere dem BVerfG), die den Vertrauensschutz im Streitfall richterrechtlich konkretisieren und durchsetzen, infolgedessen ein partielles Übergewicht in der Balance zwischen ihnen und dem Gesetzgeber zuwächst.242 Doch ließe sich entgegnen, daß Gewaltenteilung kein Selbstzweck ist, daß sie - ebenso wie der Vertrauensschutz - dem Anliegen der Rechtsstaatlichkeit: der individuellen Freiheit, dient. 243 Insofern stehen einander zwei Aspekte der Rechtsstaatlichkeit gegenüber, die von Fall zu Fall vertretbar auszugleichen sind. Eine Heranziehung des ungeschriebenen Grundsatzes Vertrauensschutz birgt stets auch die Gefahr der Rechtsunsicherheit durch schwer abschätzbare richterliche Billigkeitserwägungen und subjektive Einzelfallgerechtigkeit. 244 Rechtsunsicherheit durch Unvorhersehbarkeit der Gesetzgebung droht einerseits, Rechtsunsicherheit durch Unvorhersehbarkeit einer Einzelentscheidung andererseits. Trotzdem erscheint die Entscheidung zwischen Scylla und Charybdis aus Sicht des Grundrechtsträgers (um dessen Freiheit es geht) lösbar: er wird die Ungewißheit, ob sein Einzelprozeß gegen das vertrauensverletzende Gesetz aussichtsreich ist, der Gewißheit, daß er es nicht ist, vorziehen; der Gewißheit also, daß es dem Gesetzgeber in einem weit größeren Rahmen freisteht, vertrauensbedingte Investitionen persönlicher und wirtschaftlicher Art mit dem bekannten Federstrich nutzlos zu machen.245 Kern der Vertrauensschutzfrage ist demnach die Reichweite des individuellen Risikos angesichts legislativer Diskontinuität, und demzufolge, welche Momente es sind, die dem individuellen Vertrauen verfassungsrechtliche Schutzwürdigkeit verleihen. 246 Zwischen dem privaten Fortbestandsinteresse hier und der staatlichen Gestaltungsabsicht dort ist für die Fälle des konzeptionellen Konflikts im Bundesstaat nach einer Interessenbalance zu suchen. Die Kriterien dafür sind nun - in Anknüpfung an jene Kategorien, die Lehre und Judikatur in anderen Fällen zur grundgesetzlichen Vertrauensschutzdogmatik entwickelten - herauszuarbeiten 247 und für die Fälle des konzeptionellen Konflikts zu konkretisieren. Die anschließende Untersuchung folgt der vom BVerfG 248 praktizierten, vom Schrifttum 249 mehrheitlich 250 für richtig befundenen Ableitungskette Rechtsstaat242 S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.21; F. Ossenbühl, DÖV 1972, 25, 34; B. Pieroth, JZ 1984, 971, 972. 243 Vgl. auch A. Leisner, StuW 1998, 254, 255. 244 F. O. Kopp, BayVBl. 1980, 38, 39; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.23; ferner G. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 150. 245 Vgl. auch S. Weinheimer, Steuerliche Rückwirkung - ein umfassendes Problem: Bestandsaufnahme und Neuansatz, S.2. 246 Vgl. S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.24; C. Tomuschat, VVDStRL 32 (1974), 263. 247 Auf die von Muckel (Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 108 ff.) ermittelten Kriterien kann dabei teilweise zurückgegriffen werden. 248 BVerfGE 13, 261, 271; 23,12, 32; 30,392,403; 31,94,99; 38, 61, 83; 63, 343, 357; 94, 241, 258; vgl. auch S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei

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lichkeit - Rechtssicherheit - Vertrauensschutz. Seit dem Einsetzen der Erörterung von Art und Umfang des grundgesetzlichen Vertrauensschutzes gegenüber Gesetzgebungsakten sind eine Reihe abweichender Vorschläge zum Problem seiner Verortung i m Gespräch. 251 Als geeignete - zum Teil ausschließlich, zum Teil vorrangig begriffene - Ableitungspunkte werden vor allem die Grundrechte - voran Art. 14 G G 2 5 2 , daneben Art. 12 G G 2 5 3 , aber auch die Freiheitsgewähr des Art. 2 Abs. 1 G G 2 5 4 erwähnt. Inwieweit eine Betrachtung der Grundrechte beantwortet, bis wohin Brüche zwischen Regelungssystemen hinnehmbar sind, ist i m nächsten Kapitel zu umreißen. Für die hier zu beleuchtenden Zusammenhänge leichter von der Hand zu Gesetzesänderungen, S.59ff.; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S.50ff. Nach einem Richtungswechsel in der jüngeren Judikatur des BVerfG (E72,200,242; 76,256,347; 78, 249, 283 f.) soll das Rechtsstaatsprinzip für die Fallgruppe der tatbestandlichen Rückanknüpfungen nur ein subsidiärer Ursprung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes sein, dem die Grundrechte vorgingen. Die Kritiker dieser Sichtweise sahen hierin - bereits vor den Entscheidungen des BVerfG - fehlplazierte Subjektivierungen an einem Ort der objektiven Anforderungen an die Gesetzgebung (K. Stern, in: FS Maunz, S. 381,391), Verschiebungen der Problematik (G. Kisker, VVDStRL 32 [1974], 149, 182f., 261 f.; U.K. Preuß, JA 1977, 265, 271) und eine Zersplitterung der einheitlich zu beantwortenden Problematik (G. Kisker, a. a. O., S. 183). Grundrechte seien zwar näher am betroffenen Rechtsgut, aber weiter entfernt von dem Umstand, der die Verfassungswidrigkeit der Norm begründet: der Diskontinuität (K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 172). Hinzufügen darf man Zweifel, ob Grundrechte als Ursprung des Vertrauensschutzes tatsächlich ergiebiger sind als das Prinzip Rechtssicherheit mit seinen bekannten und gefestigten Konturen. Vgl. dazu auch G. Kisker, a. a. O., S. 156, 182f., 261 f.; U.K. Preuß, a.a.O., S.271; K. Sobota, a.a.O., S. 173; anders^. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.419. Siehe zum Ganzen auch das anschließende Kapitel. Anzumerken ist auch, daß in jüngsten Entscheidungen des BVerfG der Verweis auf die Grundrechte fehlt: BVerfG NJW 2000, 2730, 2733. 249 H.Bauer, NVwZ 1984, 220, 222; J.Fiedler, NJW 1988, 1624, 1627; W. Frenz, DÖV 1999,41,44; H. Hagen, DNotZ 1985, Sonderheft S.34,36; P. Kirchhof, DStR 1989,263,266; W. Leisner, in: FS Berber, S. 273,294; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.62; W. Rüfner, VVDStRL 32 (1974), 232; K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 284 zu Art. 20 Abs. 3; R. Wernsmann, JuS 1999, 1177. Systematisierende Erwägungen in dieser Frage bei/. Möller! A. Rührmair, NJW 1999, 908, 909 ff. 250 Ablehnend P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.418; G. Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200,203. Zurückhaltend auch F. O. Kopp, Bay VB1.1980,38,39; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S.90, 123, 130; ders., Jura 1983, 250, 254. 251 Eingehend J. Burmeister, Vertrauensschutz im Rechtsstaat, passim; J. Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, passim; H. Maurer, Staatsrecht, § 17 Rnm. 114ff.; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.29ff.; U.K. Preuß, JA 1977, 265; G. Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200, 201 ff. 252 P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.418; W.Schmidt, JuS 1973, 529, 532; vgl. auch S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.40ff.; U.K. Preuß, JA 1977, 265, 270f. 253 P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.418; vgl. auchS. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.43ff. 254 E.Grabitz, DVB1. 1973, 675, 678ff.; vgl. femer S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.52ff.; U.K. Preuß, JA 1977, 265, 269.

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weisen sind Deutungsmuster des Vertrauensschutzes, die ihn vom Grundsatz von Treu und Glauben, speziell vom Verbot des venire contra factum proprium, ableiten. 255 Dieses zielt - nach seinen zivilrechtlichen Wurzeln 256 ebenso wie bei einer möglichen Anwendung im öffentlichen Recht 257 - auf ein selbstwidersprüchliches Verhalten der Person bzw. des staatlichen Kompetenzträgers. Wo Bund, Bundesland oder Gemeinde von früheren Normierungsweisen des anderen konzeptionell abweichen, paßt ein solches Verbot nicht 258 , es sei denn, man verengte seinen Blick zu einer ganzheitlichen Sicht dieses Staates, nach der es einerlei ist, welcher Teil handelt. Dem föderalistischen Modell des Grundgesetzes würde eine solche Sicht jedoch nicht gerecht.

II. Konzeptionelle Widersprüche und rückwirkende Gesetze Eine Untersuchung zum Vertrauensschutz im Fall des konzeptionellen Konflikts muß mit der Unterscheidung zweier Phänomene beginnen, deren Verschiedenheit nur aus der Ferne klar und unproblematisch erscheint. Gemeint ist jener Gesichtspunkt, der in Praxis und Wissenschaft bis heute im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr steht: die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit rückwirkender Gesetze.259 Wenn der Bundes- oder Landesgesetzgeber mit seinem Regelungswerk in einen Bereich hinübergreift, den der andere bereits in einer abweichenden Weise geregelt hatte, wird er dabei nicht selten auch Fälle erfassen, die aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der hinzugestellten Regelungen herrühren. Es ist sogar vorstellbar, daß es ihm gerade darauf ankommt. Im Fall der Unvereinbarkeit beider Konzeptionen erkennt er nicht oder nur eingeschränkt 255 Vgl. dazu S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 29 ff. sowie ferner / . Isensee, in: FS Klein, S. 611, 628; M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 274f.; dies., JA 2000, 152, 153; / . Lang, Die Wirtschaftsprüfung 1998, 163, 174. Zu Recht kritisch bereits O. Kimminich, JZ 1962, 518, 521 f. 256 Umfassend/. Schmidt, in: Staudinger, BGB, Rnrn.622ff. zu §242. 257 Hierzu beispielsweise H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rnrn. 28 ff. 258 Man kann m i t / . Salzwedel (Die Verwaltung 5 [1972], 11, 16) sogar zweifeln, ob es angesichts der demokratischen Erneuerungen des Parlaments überhaupt als Kategorie zu gebrauchen ist. Vgl. demgegenüber T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.368. 259 Hierzu aus jüngerer Zeit H.-W. Arndt/A. Schumacher, NJW 1998,1538; H. Bauer, NVwZ 1984, 220; ders., JuS 1984, 241; C. Brüning, NJW 1998, 1525; / . Burmeister, in: FS Friauf, S. 759, 768 ff.; J.Fiedler, NJW 1988, 1624; C. Mittermaier, DStZ 1998, 549; / . Möller/ A. Rührmair, NJW 1999, 908; S. Muckel, JA 1994, 13; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, passim; ders., Jura 1983,122 und 250; T. Rensmann, JZ 1999,168; R. Schmidt, DB 1993,2250; K. Stern, in: FS Maunz, S. 381; / . Stüsser, Jura 1999,545; K. Vogel, in: FS Heckel, S. 875; R. Wernsmann, JuS 1999, 1177 und JuS 2000, 39. Zum speziellen Fall rückwirkender Steuergesetze K.H. Friauf, StbJb 1986/87, 279; M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269; dies., JA 2000, 152; P. Kirchhof, StuW 2000, 221; / . Lang, Die Wirtschaftsprüfung 1998, 163; A. Leisner, StuW 1998,254; C. Münch, StB 1998,266; M. Schwenke, FR 1997,45; W. Spindler, DStR 1998,953; S. Weinheimer, Steuerliche Rückwirkung - ein umfassendes Problem: Bestandsaufnahme und Neuansatz, passim.

8. Kap.: Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch Ungereimtheiten

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an, was nach der fremden, früheren Regelung gelten sollte. Leicht zu vollziehen ist dabei die Abgrenzung gegenüber den Fällen einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen, d. h. der sogenannten echten Rückwirkung. 260 Zwar kann es durchaus geschehen, daß die zweite, unabgestimmt hinzugesetzte Konzeption ihre Rechtsfolgen an abgeschlossene Sachverhalte aus der Zeit vor der Gesetzesverkündung knüpft, als der Rechtsadressat nur das fremde, frühere Gesetz berücksichtigen mußte. Rechtsstaatlich nicht hinnehmbar ist dann aber die Rückwirkung an sich, ohne daß der Bruch der Regelungskonzeptionen dabei irgendeine Rolle spielt. Schwierig und - um es vorwegzunehmen - undurchführbar gestaltet sich die Abgrenzung gegenüber den Fällen der tatbestandlichen Rückanknüpfung, der sogenannten unechten Rückwirkung. 261 Von dieser wird gesprochen, wo neue Rechtsfolgen an einen Sachverhalt geknüpft werden, der in der Vergangenheit begonnen hat und gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist. Ein Blick auf die Ausgangsfälle dieser Arbeit verdeutlicht das Problem 262: Müßte nicht auch die Kommunale Verpakkungssteuer263 nach den Kriterien der tatbestandlichen Rückanknüpfung beurteilt werden, weil die Einrichtung des auf Einwegmaterialien gestützten Fast-Food-Verkaufs zu einer Zeit erfolgte, als die Ausgabe von solchem Geschirr noch steuerfrei war? Ist von einer tatbestandlichen Rückanknüpfung nicht auch angesichts jener bayerischen Ärzte zu sprechen, die sich auf Schwangerschaftsunterbrechungen konzentriert hatten und denen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BaySchwHEG diese Spezialisierung faktisch verbot? 264 Fast jedes neue Gesetz erfaßt typischerweise auch Fälle, deren Sachverhalte in irgendeiner Form bereits begonnen haben.265 Das Geschehnis, 260 Aufrisse der Rechtsprechung hierzu bieten//. Bauer, NVwZ 1984,220,221 f.; ders., JuS 1984, 241, 243f.; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.72ff.; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 30ff., der dann (S. 79ff., 84ff.) Unterscheidung und Rechtsfolgen kritisiert; ders., Jura 1983, 122, 130ff.; E. Saröeviö, SächsVBl. 1999,252,256; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 165 f.; K. Stern, in: FS Maunz, S. 381,382 ff. Wie es in der frühen Phase des BVerfG Schritt für Schritt zur Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung kam, schildern H. Hellmann/K. Pfeiffer, in: FS Kaufmann, S. 185,192ff.; F. Klein/G. Barbey, Bundesverfassungsgericht und Rückwirkung von Gesetzen, S. 37 ff. Während die frühere Terminologie, die zwischen unechter und echter Rückwirkung unterschied, an die Abgeschlossenheit des Sachverhalts anknüpfte, zielt die neue, vom Zweiten Senat bevorzugte Differenzierung zwischen tatbestandlichen Rückanknüpfungen und Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf den Aspekt des zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereichs der Norm; vgl. C. Mittermaier, DStZ 1998,549,550; S. Muckel, JA 1994, 13; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 169; J. Stüsser, Jura 1999, 545, 550f. 261 Zur Rechtsprechung wiederum H. Bauer, NVwZ 1984, 220,221 f.; ders., JuS 1984, 241, 243; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S.36ff.; ders., Jura 1983, 122, 132f. 262 s. auch C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 70ff.; J. Salzwedel, Die Verwaltung 5 (1972), 11,16 (dessen KfZ-SteuerBeispiel die Schwierigkeit begreifbar macht, ohne daß seine Lösung überzeugt); W. Schmidt, JuS 1973, 529, 530. 263 1. Kapitel, I. Entsprechendes gilt für den Fall der Landesabfallabgaben, 1. Kapitel, II. 264 1. Kapitel, III. 265 BVerfGE 63,343,356; J. Fiedler, NJW 1988,1624,1627; V. Götz, in: FG BVerfG, Bd.II, S. 421,439ff.; H. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60 Rn.42; S. Muckel, JA 1994, 13, 14; vgl. auch B. Pieroth, Jura 1983, 122; K. Vogel, in: FS Heckel, S. 875, 877.

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das unter einem speziellen Gesichtspunkt tatbestandsrelevant wird, hat - ganz allgemein betrachtet - als Wirklichkeitsausschnitt eine Vorgeschichte und vorgeschichtliche Ursachen. Wann dieser Bezug zu einer unechten Rückwirkung des neu hinzukommenden Gesetzes führt, schlußfolgerte das BVerfG 266 anhand der „Nähe" des Zusammenhangs von neu erlassener Norm und vergangenheitsbezogenem Sachverhaltsteil. Die fehlende Präzision dieses Kriteriums und seine hieraus folgende Zugänglichkeit für beliebig auswechselbare Begründungen wurden im Schrifttum als unbefriedigend empfunden, das deshalb rasch nach anderen Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen den Fällen der tatbestandlichen Rückanknüpfung und Lagen ohne einen rechtsrelevanten Rückbezug suchte. Von Kisker 267 stammte der Vorschlag, eine unechte Rückwirkung anzunehmen, wenn die hinzutretende Norm Geschehenes neu wertet. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß der Begriff der Neubewertung ebenfalls ungenau und insofern mit dem Nähekriterium des BVerfG vergleichbar ist. Ihn der Entscheidung über den Rückbezug zugrunde zu legen, verringerte die Unsicherheiten kaum. 268 Keine wesentliche Verbesserung verspricht auch die von Klaus Stern 269 angedeutete Differenzierung, ob die aus der Vergangenheit stammenden Rechtsverhältnisse gezielt einbegriffen oder unvermeidlicherweise mitumfaßt wurden. Das Gesetz selbst wird dies meist nicht so deutlich beantworten, daß es den Streit darüber ausschließt; finale Einbeziehungen werden sich ebenso selten eindeutig belegen lassen wie ein reflexhaftes Mitumfaßtsein. 270 Die von Gericht und Schrifttum hervorgebrachten Abgrenzungsformeln wirken unscharf und in ihrem Ergebnis mitunter willkürlich, weil die Abgrenzung, die sie leisten sollen, selbst willkürlich ist. Die Geltendmachung von Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr beruht ihrer Idee nach darauf, von einer - wie auch immer gearteten - Rechtsänderung überrascht worden zu sein und infolge des früheren Vertrauens auf die Vorgaben, die das Gesetz von damals für die eigene Unternehmung festgelegt hatte, einen nicht mehr auszugleichenden Nachteil erlitten zu haben. Eine Erörterung des Vertrauensschutzes gegenüber einem Akt der Normsetzung ist ohne diesen Vergangenheitsbezug des Geschehens nicht vorstellbar. Die ohne Notwendigkeit errichtete Grenze zwischen den Fällen der tatbestandlichen Rückanknüpfung und sonstigen Konstellationen eines möglichen Vertrauensschutzes gegenüber Gesetzgebungsakten ist deshalb, entsprechend den vielstimmigen Forderungen im 266

E30, 392,403. Dazu B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S.37f. Die Rückwirkung von Gesetzen, S. 21 ff.; ähnlich F. KleinIG. Barbey, Bundesverfassungsgericht und Rückwirkung von Gesetzen, S.44. 268 Auch Kisker selbst räumt „erhebliche Schwierigkeiten" bei seiner Art der Bestimmung ein, weil sie an die „nicht leicht zu klärende Intention des anzuwendenden Gesetzes" anknüpft (Die Rückwirkung von Gesetzen, S. 23). 269 In: FS Maunz,S. 381,390. 270 Sterns eigenes Beispiel (nach BVerfGE 48, 403) belegt dies deutlich: wenn der Gesetzgeber alle Bausparverträge mit Prämienanspruch erfassen will, möchte er die Altfälle doch gerade einbeziehen. Stern (in: FS Maunz, S. 381, 390) sieht hierin die Begründung für das Gegenteil. 267

8. Kap.: Rechtsstaats widrige Vertrauensbrüche durch Ungereimtheiten

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Schrifttum , aufzugeben. Sie wird den Konstellationen, die sie erfaßt, nicht gerecht 272 , und damit auch nicht jenem rechtsstaatlichen Standard des Vertrauensschutzes, der Situationen dieser Art aufgrund ihrer Wesensgleichheit nach einem einheitlichen Maßstab zukommen muß. Es bezeichnet die Verwandtschaft und ist ein weiterer Grund für die Aufgabe der künstlichen Trennung, daß auch das BVerfG gezwungen war, auf die Fälle des Vertrauensschutzes jenseits der unechten Rückwirkung deren Behandlungsmaßstäbe mangels irgendwelcher besseren Kriterien anzuwenden.273 Insbesondere durch die jüngste Rechtsprechung des BVerfG bewegte sich die Dogmatik dieses Feldes erneut. Wenn es das Gericht in seinem Urteil vom 3.12.1997274 zur Aufhebung steuerrechtlicher Schiffsabschreibungen nun sogar dahingestellt ließ, ob ein Fall der echten - also grundsätzlich unzulässigen - oder unechten - also grundsätzlich zulässigen - Rückanknüpfung vorliegt, und statt dessen auf die besonderen vertrauensbegründenden Umstände des Falls rekurrierte 275, so weist dies deutlich in die hier verfolgte Richtung eines Vertrauensschutzes, dessen Umfang und Stärke sich am Vertrauen, an dessen Berechtigung und den von ihm ausgelösten Dispositionen orientierten und nicht an Zufälligkeiten der Gesetzesgestaltung276, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens 277 oder der schwer greifbaren Nähe 271 H.Bauer, NVwZ 1984, 220, 222; M. Kriele, DÖV 1967, 531, 536; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.77; ders., JA 1994, 13, 14; W. Seuffert, BB 1972, 1065; K. Vogel, JZ 1988, 833, 838; R. Wernsmann, JuS 1999, 1177,1178; vgl. femer auch A. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff in nach altem Recht bestehende Rechtspositionen und deren weiche Überleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S. 104ff.; E. Grabitz, DVB1. 1973, 675, 678; M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 274; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 172 und 175. Dagegen sieht W. Leisner (in: FS Berber, S. 273,290) dem hier vertretenen Standpunkt entgegengesetzt bereits in der Fallgruppe der unechten Rückwirkung ein unratsames Zusammenbringen wesensverschiedener Tatbestände. 272 Vgl. auch H. Hellmann/K. Pfeiffer (in: FS Kaufmann, S. 185): „Wenn Begriffe sich ungeeignet erweisen, die Sachverhalte zu umfassen, zu deren Abrenzung sie eigens geschaffen worden sind, dann sind sie für die juristische Praxis unbrauchbar und sollten aufgegeben werden." 273 E30, 392, 404. Vgl. auch G.Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 178; F.Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 385; W. Seuffert, BB 1972, 1065, 1066; S.Weinheimer, Steuerliche Rückwirkung - ein umfassendes Problem: Bestandsaufnahme und Neuansatz, S. 122ff. 274 E 97, 67; dazu H.-W. Arndt!A. Schumacher, NJW 1998, 1538; J. Hey, BB 1998, 1444; M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269; A. Leisner, StuW 1998, 254; C. Mittermaier, DStZ 1998, 549; S. Muckel, JA 1999, 15; C. Münch, StB 1998, 266; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 171 ff.; P. Selmer, JuS 1998, 1156; W. Spindler, DStR 1998, 953, 957 f.; C. Starck, in: FS Großfeld, S. 1137, 1153 f.; T. Stapperfend, FR 1998, 383; R. Wernsmann, JuS 2000, 39. 275 Vgl. auch BVerfGE 97,67,81; BVerfG NJW 2000,2730,2733. Ansätze hierzu waren bereits vor dem 3.12.1997 zu beobachten; s. T. Kaligin, DStZ 1997, 524. 276 M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 271; S. Muckel, JA 1994, 13, 14; M. Schwenke, FR 1997,46, 47. 277 Siehe A. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff in nach altem Recht bestehende Rechtspositionen und deren weiche Überleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S. 105; K.H. Friauf, StbJb 1986/87, 279, 286; C. Münch, StB 1998, 266, 267.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

zum Vergangenheitsbezug. Im Beschluß vom 15.3.2000278 zur Rentnerkrankenversicherung wird dieser Weg in einer noch deutlicheren Weise weiterverfolgt. Ein Fall, dessen Beschaffenheit allenfalls eine Einordnung als unechte Rückwirkung zugelassen hätte, wird hier unmittelbar am rechtsstaatlichen Vertrauensschutz gemessen. Wiederum würdigte das Gericht die besonderen vertrauensbegründenden Umstände 279 und wertete angesichts ihrer Schwere die Kontinuitätserwartung der Betroffenen höher als das gesetzgeberische Änderungsbestreben.

I I I . Die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes und ihre Anwendung auf den Fall des konzeptionellen Konflikts 1. Der Vertrauenstatbestand: die bestehende Konzeption Die Gewährung verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes setzt voraus, daß der Staat einen Vertrauenstatbestand schuf, auf den der Private berechtigterweise vertraute und den er seiner späteren Disposition zugrunde legte. Der Staat muß dieses Vertrauen enttäuscht und das vom Betroffenen Eingesetzte damit entwertet haben. 280 Als Vertrauenstatbestand ist deshalb hier die Konzeption (verstanden als das Gesetz gewordene Regelungsmuster nach seinem Inhalt und seiner Struktur) in den Blick zu nehmen, mit der ein Gesetzgeber ein bestimmtes Geschehen der Wirklichkeit beeinflussen will. Der einzelne vertraut dabei entweder in einen für ihn entscheidenden Einzelzug der Regelung oder in die Unverbrüchlichkeit des ganzen Modells. 281 Nicht alles, was durch ein Gesetz umgesetzt wird, bildet dabei einen gleichermaßen begründeten Anhalt für privates Vertrauen. Eine Gesetzeslage kann so gestaltet sein, daß das Vertrauen einer bestimmten Art (in die zeitliche Kontinuität, in die Vollständigkeit der Regelung oder in eine bestimmte Verständnisweise der 278

NJW 2000, 2730, 2733. Hier: die Aufhebung einer gesetzlichen Übergangsfrist vor deren Ablauf; s. BVerfG NJW 2000, 2730, 2733. 280 So oder ähnlich auch A. Chanos, Möglichkeiten und Grenzen der Befristung parlamentarischer Gesetzgebung, S. 74; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 382; H. Maurer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, §60 Rn.7; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.79; ders., JA 1994,13,15 f.; G. Roellecke, in: Aufgeklärter Positivismus, S. 183; R. Wernsmann, JuS 2000, 39,40. 281 Die Vertrauensschutzfrage berührt dabei die ältere Diskussion um das Problem der Plangewährleistung, da Planung auch durch Rechtsnormen geschieht (s. F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 385). Geklärt wurde insoweit, daß es die Plangewährleistung nicht gibt, sondern daß ihre Formen von den Rechtsformen des Plans abhängen. Bei Planung durch Gesetze gelten deshalb die allgemeinen Vertrauensschutzregeln; Umfang, Inhalt, Art und Dauer der Planung werden zu Gesichtspunkten der Abwägung (Ossenbühl, a. a. O., S. 385). Die Literatur zur Plangewährleistung wurde, soweit von Interesse, mitberücksichtigt. Weiterführend dazu W. Brohm, Jura 1986, 617; C. Degenhart, DVB1. 1980, 660; M. Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts; F. Ossenbühl, a.a.O., S.378ff.; W.-R. Schenke, AöR 101 (1976), 337-jeweils m. w. N. 279

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Vorschriften) ausgeschlossen ist. So begründen beispielsweise befristete Gesetze keinerlei Vertrauen für die Zeit nach ihrem automatischen Außerkrafttreten 282, wogegen das Vertrauen auf ihre unveränderte Fortgeltung bis zu diesem Tag mindestens in gleichem Umfang wie bei unbefristeten Gesetzen gerechtfertigt ist. 283 Auch kann von vornherein erkennbar sein, daß zu den bestimmten Handlungsmitteln weitere hinzutreten sollen, daß es kein starres Lösungsmuster gibt, dem der Gesetzgeber folgt, oder daß eine bestimmte Regelungsweise ein gesetzgeberisches Experiment ist, das bei einem Ausbleiben der erhofften Wirkung abgebrochen wird. Diese Fälle zeigen, daß es in erster Linie von jeder Regelungskonzeption selbst abhängt, inwieweit sie zu einem bestimmten Vertrauen veranlaßt. Sie ist beispielsweise keine Grundlage für das Vertrauen in eine künftige Systemreinheit, wenn der Gesetzgeber auch bisher bestimmte Handlungsmittel unabgestimmt nebeneinandergestellt hat. Wo ordnungswidrigkeitenrechtliche, straf- und jugendschutzrechtliche Vorschriften, ohne untereinander koordiniert zu sein, parallel zu den Bestimmungen des Gewerberechts die Verbreitung von Gewaltspielautomaten eindämmen sollen 284 , findet sich kein Anlaß, auf das Ausbleiben steuerlicher Repressalien zu vertrauen. Wahrscheinlicher ist es hier, daß sich der Gesetzgeber - bei schwacher Durchschlagskraft seiner bisherigen Mittel - ihrer irgendwann entsinnt. Von selbst versteht es sich, daß die erste der Regelungskonzeptionen ein adressatengünstiges Moment enthalten muß. Vorschriften, deren Änderung eine Verbesserung seiner Lage bedeutet, wird der Private nicht nachtrauern, auch wenn er sich auf ihre Dauerhaftigkeit fest eingestellt hatte.285 Müssen aber weitere, ein besonderes Vertrauen schürende Elemente hinzukommen? Oft wurde betont, daß ein allgemeines Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage nicht anzuerkennen sei. Dem ist zuzustimmen, da das Recht um seiner Wirksamkeit willen auf seine Umgestaltbarkeit angewiesen ist. Deshalb käme es in Betracht zu behaupten, daß nur solche Normen ein schutzwürdiges Vertrauen veranlassen, die ihrer Intention nach den einzelnen zu einem bestimmten Verhalten gezielt anreizen sollten.286 Ist also von vornherein nur diejenige Regelung ein Vertrauenstatbestand, die zu einem bestimmten Verhalten „durch Kooperation, Versprechung, Überredung, Verlockung, Verführung, Appell, Prämie, Anreiz, aber auch 282

A. Chanos, Möglichkeiten und Grenzen der Befristung parlamentarischer Gesetzgebung,

S.76. 283 Zum Vertrauen in befristete Gesetze A. Chanos, Möglichkeiten und Grenzen der Befristung parlamentarischer Gesetzgebung, S. 63 ff. (der die vorzeitige Aufhebbarkeit ablehnt und die Änderbarkeit einschränken will - S. 71), 75 ff.; S. Muckel, JA 1994, 13, 15; R. Wernsmann, JuS 2000,39,41; allgemeiner auch/. Isensee, in: FS Klein, S.611,628. Zum Vertrauen in vorläufige Gesetze/. Lücke, Vorläufige Staatsakte, S.39ff. 284 Dazu oben 1. Kapitel, V., 1. 285 S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.75. 286 Wie in den Fällen BVerfGE 30, 392 (Berlinhilfegesetz) und bereits RGZ 139, 177 (Gefrierfleisch).

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß 287

Drohung" herausfordert? 288 In den Blick rücken somit auch hier die modernen, sanfteren Formen staatlicher Wirtschaftslenkung und Umweltpolitik. 289 Sie zwingen die rechtsstaatliche Vertrauensschutzdogmatik zur Klärung ihrer eigenen Grundlagen. Wie bei der Normklarheitsfrage geht es um die Anwendbarmachung der Rechtsstaatssätze für Steuerungsformen, die sich den herkömmlichen Kategorien von Pflicht und Verbot entziehen. Wo eine Regelung Pflichten bestimmt, kommt es auf das Vertrauen der Betroffenen weniger an als dort, wo der einzelne durch einen gezielten Anreiz, eine Prämie, zu einem bestimmten Verhalten bewegt werden soll. 290 Im Fall der Pflichten bleibt keine Wahl: der einzelne muß wie befohlen handeln, gleichviel, ob er mit einer späteren Änderung der Vorgaben rechnet. 291 In den Fällen des Anreizes setzt er freiwillig das ihm zur Verfügung Stehende ein, um versprochene Vorteile zu erlangen. Er handelt so, weil er darauf vertraut, daß sich das gesetzliche Versprechen erfüllt. 292 Er wird sich dort nicht beteiligen, wo die Rechtslage keine Dauerhaftigkeit erwarten läßt; seinem Einsatz liegt die Beständigkeitserwartung zugrunde. 293 Auch wenn die vereinzelt artikulierte Vorstellung von einem do-ut-des-Verhältnis 294 angesichts der Unverpflichtbarkeit der Legislative zu weit geht 295 , so trifft sie doch das Entscheidende darin, daß der Bürger Vermögen, Zeit und Kraft verausgabt und möglicherweise andere, nächstgünstigere Varianten verwirft, um in den Genuß des verheißenen Vorteils zu gelangen. Im Schrifttum wurde zutreffend erkannt, daß Vertrauensschutz insofern etwas mit der Wahlmöglichkeit des einzelnen zu tun hat. 296 Die finanzielle oder in einer anderen Vergünsti287

F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S.382. Dazu allgemein J. Isensee, in: FS Klein, S.611,614; M. Jachmann, ThürVBl. 1999,269, 274; G. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149,164ff.; A. Leisner, StuW 1998,254,263; P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S.269 Fn.51; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.84f., 101 f.; C. Starck, in: FS Großfeld, S. 1137, 1143 und öfter; R. Wernsmann, JuS 2000, 39, 40; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 368. 289 Lenkungssteuem sind eine Form dieses Anreizes, auf die das Problem jedoch nicht reduziert werden kann. Deshalb trifft das Argument, daß „Lenkungszwecke und Fiskalzwecke häufig untrennbar miteinander verwoben" sind (Wernsmann), nur eine Schwierigkeit im Detail, nicht den Ansatz als ganzen. Siehe (mit unterschiedlicher Tendenz) K. H. Friauf, StbJb 1986/87,279,285; M. Jachmann, ThürVBl. 1999,269,276; P Kirchhof, StuW 2000,221,226; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 171; F. Riechelmann, JuS 2000, 1144; R. Wernsmann, JuS 2000, 39,41. 290 Anders aber O. Bachof, VVDStRL 32 (1974), 242 f. 291 T. Rensmann, JZ 1999, 168, 171 (für Fiskalzwecknormen). 292 J.Isensee, in: FS Klein, S.611, 614; C. Starck, in: FS Großfeld, S. 1137,1138. 293 J.Hey, BB 1998, 1444, 1448. 294 T. Rensmann, JZ 1999, 168, 171 f.; ähnlich, aber vorsichtiger Isensee, in: FS Klein, S. 611,614. Gegen die Anwendung vertragsrechtlicher Kategorien auf das Verhältnis zwischen Bürger und Parlament O. Kimminich, JZ 1962, 518, 522. 295 Jegliche Selbstbindungsmöglichkeiten des Gesetzgebers durch vertragsrechtliche Grundsätze bestritt RGZ 139, 177, 188. 296 So T. Mondorf in seinem noch immer lesenswerten Beitrag in StbJb 1951,21,25 im Hinblick auf steuergesetzliche Rückwirkungen. 288

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gung bestehende Aufforderung zu einem Handeln, wenn sie als solche gemeint war und zu erkennen ist, entlastet den einzelnen von der Frage, ob der Staat das, was er plant, dulden wird. Sobald die Vergünstigung ein solches Maß an Deutlichkeit gewonnen hat, kann er sicher sein, das zu tun, was der Staat möchte. Wenn er im Gefühl dieser Sicherheit investiert, hat er gerade außerhalb seines Risikobereichs gehandelt. Auf die herausgearbeitete Kernfrage des privaten Risikos gegenüber der legislativen Gestaltungsfreiheit findet sich hier die deutliche Antwort: das Risiko des einzelnen reicht bis dorthin, wo der Gesetzgeber es ihm dadurch abnimmt, daß er ein bestimmtes Verhalten wünscht und fördert. 297 Auch das BVerfG 298 erachtete in seiner Entscheidung vom 3.12.1997 den Lenkungscharakter einer Vorschrift für vertrauensschutzrechtlich ausschlaggebend.299 Wie dieser Aspekt eines vom Gesetzgeber bewußt gesteigerten und genutzten300 Vertrauens in die allgemeine Vertrauensschutzproblematik eingebettet werden muß, zeigt folgende Überlegung: Nimmt man die Herausforderung als Bedingung der Kontinuitätsgewähr 301, so hätte man zwar ein gut handhabbares Kriterium für die Vertrauensschutzprüfung im Fall widersprüchlicher Konzeptionen gewonnen. Zugleich würde man Konstellationen ausschließen, die den Schutz der Betroffenen ebenso erfordern. 302 Ein starres Entweder-Oder, ein Herausgefordert-Oder-Nicht, verbietet sich deshalb. Gleichermaßen unzulässig erscheint es, den gezielten Vertrauensanreiz zu einem Abwägungskriterium (unter vielen) zu machen.303 Verdeutlicht man sich den Vertrauensbruch, der geschieht, wenn ein Normgeber zu bestimmten, meist wirtschaftlichen Verfügungen aufruft, sie fördert und gezielt begünstigt, worauf ein anderer Gesetzgeber hinzukommt und sie entwertet, so wird 297

G.Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 166; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.371. C. Tomuschat (VVDStRL 32 [1974], 263f.) will offenbar einen größeren Teil dieses Risikos auf die privaten Unternehmungen verlagern, da diese auch die Gewinne, welche die staatliche Gesetzgebung ihnen einbringt, für sich vereinnahmen. Gesetzgeberische Planung ist danach ein Wirtschaftsrisiko wie jedes andere. Am weitesten in diese Richtung ging (in Weimarer Zeit) das RG in seiner Gefrierfleischentscheidung Z 139, 177, 186 ff., das dem Privaten jegliches Änderungsrisiko aufbürdete. Vgl. allgemein auch K.H. Friauf, StbJb 1986/87, 279, 285; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 109. 298 E97, 67, 80. 299 Dazu C. Münch, StB 1998, 266, 267; R. Wernsmann, JuS 2000, 39,40f. 300 Der Bürger läßt sich zur Förderung des Allgemeininteresses instrumentalisieren, s. J. Hey, BB 1998, 1444, 1448; M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 276; dies., JA 2000, 152, 154; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 171. 301 So (für Planungs- und Programmgesetze) T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 371; angedeutet, aber verworfen auch bei S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 102. 302 H.-W. Arndt!A. Schumacher, NJW 1998, 1538, 1539; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 102, 109f.; R. Wernsmann, JuS 2000, 39,41. 303 So S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 108.

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klar, daß die Einstufung dieses Aspekts als Abwägungskriterium seinem Gewicht nicht gerecht wird. Wo Kriterien von solcher Schwere sind, daß sie allein das Abwägungsergebnis vorzeichnen, sollten sie, wenn die Dogmatik es zuläßt, in einer anderen, besseren Weise als durch Abwägung berücksichtigt werden. Sie würden ansonsten durch eine Vielzahl entgegenstehender Gesichtspunkte argumentativ bedrängt und verlieren im Ergebnis ihr eigentliches Gewicht; oder sie erdrücken ihrerseits die entgegenstehenden Bedenken und verhindern eine optimal ausgewogene Lösung. Für die Fälle des zur Disposition anreizenden Gesetzes findet sich folgender Mittelweg: ist die Herausforderung des Vertrauens feststellbar, beschränkt sich die Abwägung auf die Entscheidung zwischen Anpassungsmaßnahmen und Nichtigkeit. 304 Die Verweigerung jedes Vertrauensschutzes ist, von rechtsmißbräuchlichen Bagatellfällen einmal abgesehen, unvorstellbar, wenn der Gesetzgeber ein Vertrauen gezielt hervorgerufen hat, um es für seine Zwecke zu nutzen. Anpassungsvorschriften, verschieden vorstellbar (etwa als Ausnahmetatbestände, Überleitungssubventionen o. ä. 305 ) sind dann rechtsstaatlicher Mindeststandard. Insofern zeichnet der Umstand, daß ein Gesetzgeber die Disposition hervorrufen wollte, das mögliche Abwägungsergebnis vor. Fehlt es an einem solchen Anreiz, sind privates Fortbestandsinteresse und staatliches Änderungsbestreben gleichwohl gegenüberzustellen, sofern die übrigen, sogleich zu besprechenden Voraussetzungen des Vertrauensschutzes erfüllt sind. Das Ergebnis der Abwägung ist dann offen.

2. Das vertrauensbedingte Verhalten: die konzeptionsgerechte Disposition Zu einer Rechtsstaatlichkeitsverletzung führt der gesetzgeberische Bruch mit einem fremden Modell nur dann, wenn sich ein vertrauensbedingtes Verhalten 306 des einzelnen infolge dieser Neuregelung als vergebens erweist, wenn also Investitionen - in einem weiten Sinne des Begriffs - infolgedessen gescheitert sind. 307 Sehr 304

Vgl. dazu auch BFH NJW 1996, 3032. Vorschläge dazu liefern G. Dürig, VVDStRL 32 (1974), 257; P Lerche, DÖV 1961,486, 489; ders., Übermaß und Verfassungsrecht, S.274; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 120ff.; ders., JA 1994,13,16; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S.390; W.-R. Schenke, AöR 101 (1976), 337, 371; U. Steiner, in: Vertrauensschutz in der Europäischen Union, S.31. Auf die Frage des Vertrauensschutzes im Bund-Länder-Verhältnis sind sie freilich nicht zugeschnitten. 306 Dazu S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 90 ff. Die Anknüpfung an die Disposition wurde im Schrifttum bereits seit längerer Zeit gefordert, vom BVerfG jedoch erst jüngst vollzogen. Vgl. M. Jachmann, JA 2000, 152, 153; R. Wernsmann, JuS 2000, 39, 40. 307 P.Badura, VVDStRL 32 (1974), 252, 253; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.96ff.; vgl. femer T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.368f. 305

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häufig wird es sich um private Investitionen auf wirtschaftlichem Gebiet handeln 308 , die, sofern sie Eigentums- und Vermögensverfügungen betreffen 309, grundrechtlich dem Bereich des Art. 14 GG zuzurechnen sind. Eine Gefährdung der im Vertrauen vorgenommenen Dispositionen ist auch darüber hinaus vorstellbar 310: zu denken ist an Änderungen berufs- oder ausbildungsrechtlicher Vorschriften, die ohne unmittelbare wirtschaftliche Folgen Belange des Art. 12 GG berühren, an Änderungen im medienrechtlichen Bereich, die das Schutzgut des Art. 5 Abs. 1 GG gefährden usw. Aus der Notwendigkeit einer vertrauensbedingten Disposition ergibt sich eine zwingende Reihenfolge des Geschehens: unter der Geltung eines bestimmten Regelungswerks tätigt der Private seine Investitionen. Die später in Kraft gesetzten Rechtsnormen des anderen entwerten sie. Stimmen im Schrifttum 311 forderten hierüber hinausgehend, daß der Betroffene die ihm günstige frühere Rechtslage tatsächlich gekannt haben muß. Von Vertrauensschutz könne nur dort gesprochen werden, wo tatsächlich vertraut wurde: Vertrauen ohne Kenntnis des Vertrauenstatbestandes sei unvorstellbar. Dem ist aus zwei Erwägungen heraus entgegenzutreten. Zum einen - dies ist ein maßstabsbezogenprozessuales Argument - darf bei dieser scheinbar einleuchtenden Argumentation der Prüfungshintergrund nicht aus dem Blick geraten: um wessen Kenntnis geht es? Soweit es sich darum handelt, die Verfassungsmäßigkeit eines vertrauensverletzenden Normsetzungsaktes zu ermitteln, ist nicht die Lage irgendeines einzelnen Betroffenen, beispielsweise des Klägers oder des Beschwerdeführers, entscheidend. Es kommt vielmehr, im Normenkontrollverfahren ebenso wie bei der Verfassungsbeschwerde 312, auf die Wirkungen an, die das Gesetz insgesamt entfaltet, auf den Kreis also aller vom Gesetz Betroffenen. Deren Kenntnis oder Unkenntnis der ursprünglichen Rechtslage ist nicht ermittelbar. Wer subjektive Kenntnisse fordert, vermischt die Kategorie des Vertrauensschutzes als Rechtssatz und als rechtsstaatliche Gesetzgebungsprämisse mit dem Gesichtspunkt der subjektiven Rechtsverletzung. Inwiefern eine gedankliche Unterscheidung außergrundrechtlicher, rechts308 S. Muckel (Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 99) hält diesen Gesichtspunkt nur für ein Abwägungskriterium. Doch geht es nicht um das Vertrauen an sich, sondern um die Folgen seiner Enttäuschung. Siehe F. O. Kopp, BayVBl. 1980,38,40. Zu kategorisch weist daher auch W. Leisner (in: FS Berber, S. 273,294) den Zusammenhang von Vertrauensschutz und Eigentum zurück, obschon er die Notwendigkeit der Disposition anerkennt (a. a. O., S. 296). 309 W.Schmidt, JuS 1973, 529, 533; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 165. 310 G.Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 182; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 42, 99; B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 136; U.K. Preuß, JA 1977, 265, 271. 311 Insbesondere S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.90ff.; ders., JA 1994, 13, 15. Zum Thema auch H. Huber, in: FG BVerwG, S.313, 326. 312 Das grundrechtseinschränkende Gesetz muß (wie sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergibt und was auf die spezielleren Grundrechte zu übertragen ist) Teil der verfassungsmäßigen Ordnung, d. h. verfassungskonform sein. Diese Frage ist objektiv zu beantworten.

12 Haack

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staatlicher Gesetzgebungsmaßstäbe auch bei ihrer Integration in eine Grundrechtsprüfung notwendig ist, verdeutlicht das folgende Kapitel. Das zweite, gesetzestheoretische Argument gegen das Erfordernis tatsächlicher Kenntnis knüpft sich an jene Vorstellung von Wesen und Funktion des Gesetzes, wie sie dem Grundgesetz (und modernen rechtsstaatlichen Verfassungsordnungen überhaupt) zugrunde liegt. Wer subjektive Kenntnisse fordert, übersieht, daß der Geltungskraft eines Gesetzes stets auch ein Moment der Fiktion innewohnt: es richtet sich an den einzelnen, gleichviel, ob dieser es zur Kenntnis nehmen will, und bindet ihn, auch wenn er es nicht zur Kenntnis genommen hat; es wird verkündet, damit jeder es zur Kenntnis nehmen kann 313 , nicht damit jeder es zur Kenntnis nimmt. Die Geltung der Gesetze ist kenntnisunabhängig. Ein solches fiktionales Element muß auch das Gesetzes vertrauen besitzen, sonst paßt es nicht zu dieser Idee des Gesetzes, bei dem die tatsächliche Zurkenntnisnahme ausgeblendet ist. 314 Weil der Gesetzgeber selbst durch Verkündung, nicht durch Zurkenntnisnahme binden kann, muß er selbst auch hierdurch, nicht durch jene gebunden werden. Aus diesen Gründen geht es beim rechtsstaatlichen Vertrauensschutz gegenüber Gesetzen nicht darum, inwieweit eine vorgenommene Disposition tatsächlich durch die Regelungskonzeption veranlaßt wurde bzw. inwieweit ihr die Gesetzeslage als Basis der Kalkulation zugrunde lag. Der Vertrauensschutz erfaßt all jene Dispositionen, die dem entsprechen, was die ursprüngliche Rechtslage zuließ bzw. - in den Fällen des Anreizes - anregte. 3. Die Ausnahmen vom Vertrauendürfen Wie auf allen Feldern verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes ist es auch hier, im Fall der entgegengesetzten Regelungskonzeption, möglich, daß dem entstandenen, entgegengebrachten Vertrauen unter besonderen Umständen von vornherein seine Schutzwürdigkeit fehlt. Einen ersten Anhaltspunkt bieten die Ausnahmen, die das herrschende Schrifttum 315 und das BVerfG 316 hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei rückwirkender Gesetzgebung kennen. Die möglicherweise wichtigste: das Entgegenstehen schwerwiegender öffentlicher Belange, findet ihren Platz in der Abwägung 317 , die nach dem hier vertretenen Weg - zumindest außerhalb der Fälle echter Rückwirkung - ein Bestandteil der Vertrauensschutzprüfung ist, um so dem Einzel313

C. Degenhart, Staatsrecht, Rn.688 m.w.N. So kommt es auch bei der Vorhersehbarkeit des Rechtswandels auf die Öffentlichkeit als Ganzes und nicht auf das Wissen des einzelnen Bürgers an; O. Kimminich, JZ 1962,518,523. 315 Das sich oft darauf beschränkt, die Ansicht des BVerfG unwidersprochen wiederzugeben: J. Fiedler, NJW 1988, 1624, 1629; M. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 134 zu Art. 20; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 166; kritisch setzt sich H. Bauer, JuS 1984, 240, 246 f. mit den Ausnahmen auseinander. 316 E13,261,272; 18,429,439; 24,75,99ff. Vgl. auchß. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S.55ff. 317 S.Muckel, JA 1994, 13,16. 314

8. Kap.: Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch Ungereimtheiten

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fall besser zu entsprechen. Das ebenso facettenreiche wie vielstufige Gemeinwohlinteresse 318 eignet sich nicht zur Alles-Oder-Nichts-Entscheidung. Sein Gewicht muß im einzelnen ermittelt und der Schwere rechtsstaatlicher und grundrechtlicher Belange gegenübergestellt werden. 319 Erst der Vergleich beider Waagschalen zeigt, was vorrangig ist: Vertrauensschutz oder Änderungsinteresse. Die ebenfalls anerkannten Ausnahmen der Klarstellung einer verworrenen Rechtslage und der Ersetzung einer unwirksamen Norm scheiden hier aus, da es in diesen Fällen um die Selbstkorrektur gesetzgeberischer Fehlleistungen geht. Die existierende fremde Regelung wird meist jedoch ebenso geltungsmängelfrei sein wie die eigene hinzugesetzte. Die übrigen - im einzelnen auch streitigen - Versagungsfälle (bei vorläufigen Regelungen, bei bereits beschlossenen Normen und bei oktroyierten Rechtsänderungen) charakterisiert, daß sich eine Umgestaltung der Rechtslage in irgendeiner Weise abzeichnete.320 Gemeinsam ist ihnen - und ihrem Sinn, schützenswertes von schutzunwürdigem Vertrauen zu scheiden, entspricht es - , daß sie auf dem Gedanken der Erkennbarkeit des jeweiligen Rechtswandels beruhen. 321 Ob im Fall des konzeptionellen Konflikts die Verschlechterung der Rechtslage durch Tätigwerden eines anderen Gesetzgebers erwartet werden mußte, hängt von den besonderen Umständen in jedem Einzelfall ab. Für die Erkennbarkeit spricht es beispielsweise, wenn ein neues, bisher nicht wahrgenommenes Problem ins gesellschaftliche Bewußtsein tritt. Je dringender diese Gefahr, desto eher ist zu erwarten, daß zugleich verschiedene Kompetenzträger damit beginnen, normative Konzepte zu entwickeln. 322 In solchen Fällen ist absehbar, daß die ersten Maßnahmen nicht die einzigen bleiben. Ähnlich kann es sich verhalten, wenn Gesetzgebungsgegenstände in einem solchen Maß politisch umstritten sind, daß auch der vertrauensbegründende Gesetzgeber seine Konzeption zu ändern gezwungen sein könnte. Dies illustriert das Abtreibungsstrafrecht: die öffentlichen Diskussionen, die Gegensätzlichkeit der Entwürfe und die Kompromißhaftigkeit der Lösung lassen kein unbegrenztes Vertrauen auf die Beständigkeit eines bestimmten Modells oder einer einzelnen Regelung zu. Das Vertrauen auf die Kontinuität eines Regelungsmusters und seiner Details ist folglich von jenem Augenblick an nicht mehr schutzwürdig, wo deutliche Hinweise es anzeigen, daß ein anderer Hoheitsträger mit seinem abweichenden Modell hinzutreten oder der Gesetzgeber der ursprünglichen Norm selbst seine Vorgehens weise ändern wird. 323 318 Diesem Kriterium gegenüber zweifelnd B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 89. Sehr kritisch zum Vorgehen des BVerfG auch W. Leisner, in: FS Berber, S. 273, 288. 319 Auch M. Sachs (in: Sachs [Hrsg.], GG, Rn. 135 zu Art. 20) sondert diesen Aspekt von den übrigen Ausnahmen. 320 T. Rensmann, JZ 1999, 168, 173. 321 Kritisch dazu W. Leisner, JZ 1977,537, 540, der von einer „Eskalation der Vertrauenslosigkeit" spricht: je rascher die Gesetzgebungsfluktuation, desto berechtigter werde sie, weil der einzelne mit Änderungen rechnen mußte. 322 So wurden auch im aktuellen Fall der BSE-Gefahr Länder, Bund und EU - mit durchaus unterschiedlicher Tendenz - fast zeitgleich tätig. 323 Zurückhaltend S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.94.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

4. Der staatliche Vertrauensbruch in Gestalt des Hinzusetzens einer dispositionsentwertenden Regelungskonzeption Verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz setzt stets auch eine dispositionsentwertende Vertrauensenttäuschung durch den Staat voraus. Die hinzugestellte Regelungskonzeption als das Werk eines neu ins Spiel eingetretenen Gesetzgebers muß dasjenige wertlos machen, was der einzelne im Vertrauen auf die Günstigkeit der bisherigen Rechtslage eingesetzt hat. Die Besonderheit liegt darin, daß nicht das Tätigsein ein und desselben Kompetenzträgers eine bestimmte Form von Sicherheit verheißt und die darauf Vertrauenden zu irgendeinem späteren Zeitpunkt enttäuscht. Der Vertrauensbruch rührt hier aus dem entgegengesetzten Wirken zweier Inhaber von Gesetzgebungsgewalt. Den Maßstab des Vertrauensschutzes ändert dies jedoch nicht 324 : bundesstaatliche Unabgestimmtheiten dürfen nicht in solcher Weise ausgetragen werden, daß den einzelnen, der einer von beiden Ebenen vertraut, die negativen Folgen treffen. Derartige Risiken des föderalen Staatsaufbaus tragen die, denen es möglich ist, Unabgestimmtheiten dieser Art zu vermeiden. 325 Dem einzelnen ist nicht abzuverlangen, auf Dispositionen, die ein Teil der Hoheitsgewalt anregt, zu verzichten, weil nicht auszuschließen ist, daß ein anderer, vom ersten in dieser Hinsicht unabhängig, sie entwertet. Der Rechtsstaat verbietet es - wie oben dargelegt - , Anreize „ohne Gewähr" zu schaffen. Deshalb kann er es nicht dulden, daß sich jeder Kompetenzinhaber auf seine eigene verfassungsrechtliche Redlichkeit beruft: der Versprechende, weil er nichts entwertet, und der Entwertende, weil er nichts verspricht. Daß der Vertrauensbruch durch Unstimmigkeiten innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung hervorgerufen wird, ist somit kein Grund, den Maßstab des Vertrauensschutzes für diese Fälle generell zu modifizieren. 326 Landesspezifische Gründe, die eine bestimmte hinzugesetzte Regelung tragen, können aber als Teil des Gemeinwohlgesichtspunkts in die Abwägung einfließen. Wie die Entwertung im einzelnen beschaffen sein muß, verschließt sich der pauschalen Beschreibung. Sagen läßt sich nur soviel, daß ein tatsächlicher, unwiderbringlicher Verlust des Investierten oder eines Teils davon eingetreten sein muß. So liegt es, wenn das Aufgewandte, das keinen adäquaten Gewinn bewirkt und dem Disponierenden nicht in der erstrebten Weise genutzt hat, nicht zurückgeholt werden kann. Ihm muß es ganz oder teilweise unmöglich sein, die Verwendungen mit zumutbarem Aufwand rückgängig zu machen.327 Das vom einzelnen Eingesetzte, um das es geht, erschöpft sich nicht im Materiellen. Gescheiterte Investitionen kön324

So auch C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.72f., 114. 325 Siehe W. Brohm, Jura 1986, 617, 618; auch G. Kisker (VVDStRL 32 [1974], 149, 166): „Das Risiko muß dort liegen, wo die Entscheidung fällt." 326 Siehe C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S.72f., 114. 327 Ähnlich J. Lang, Die Wirtschaftsprüfung 1998, 163, 171; T. Rensmann, JZ 1999, 168, 171; J. Stüsser, Jura 1999, 545, 549.

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nen auch in aufgewandter Zeit und Mühe zu finden sein; zu denken ist beispielsweise an Maßnahmen der beruflichen Weiterqualifikation, die sich später als nutzlos erweisen. Nichts anderes gilt auch dort, wo die Entwertung nur einen Teil des Einsatzes betrifft; doch verliert die Waagschale des Fortbestandsinteresses bei der Abwägung der entgegenstehenden Positionen möglicherweise an Gewicht. Der Verlust des Investierten muß eine unmittelbare oder eng mit der Regelung verknüpfte Folge der hinzugefügten abweichenden Normierungen sein. Dem einzelnen durfte kein Ausweg geblieben sein, sich der Entwertung auf eine für ihn hinnehmbare Weise zu entziehen. Auch hierüber entscheiden die Umstände des einzelnen Falls. 5. Zur Abwägung der Positionen: das vorgezeichnete Ergebnis im Fall eines staatlichen Anreizes Letzter und praktisch problemreichster Prüfungspunkt der Vertrauensschutzerörterung ist die unverzichtbare Abwägung 328 , ob das private Kontinuitätsinteresse die gesetzgeberischen Änderungsbestrebungen überwiegt. Die Optionen, auf die sie hinausläuft, erschöpfen sich nicht im starren Entweder-Oder von vertrauensschutzwahrender Gesetzesnichtigkeit und vollständiger Kontinuitätsversagung. Zwischen den Extremen liegen nicht selten Möglichkeiten der Rechtsgestaltung, die bestehendes Vertrauen ausreichend schützen und trotzdem die Umsetzung der gesetzgeberischen Intentionen erlauben. Wo sie sichfinden, gebietet der Vertrauensschutzgrundsatz nicht mehr, aber auch nicht weniger als ihre Nutzung. Der Rechtssicherheitsgedanke beschränkt die Rechtsgestaltbarkeit, wie am Eingang dieses Kapitels gezeigt, nur soweit, wie es die Verläßlichkeit des Rechts zwingend erfordert. Rechtssicherheit hier und Rechtswandelbarkeit dort, die Kehrseiten ein und derselben Medaille, der Gesetzesherrschaft 329, bedürfen eines Ausgleichs. Nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall kann es sein, daß eines das andere vollständig beiseite schiebt. Im Fall des gezielten gesetzgeberischen Anreizes zu einem bestimmten Verhalten kommt eine vollständige Versagung des Vertrauensschutzes, wie oben gesagt330, nicht in Frage. Zweifelhaft und einer Abwägung zugänglich kann deshalb in diesen Fällen legislativer Treuwidrigkeit nur noch sein, ob - und wenn, welche - Abfederungsmöglichkeiten den geforderten Vertrauensschutz bewerkstelligen. Echte Über328

BVerfGE 14, 288, 300; 30, 392, 404; 31, 94, 99; 67, 1, 15; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 381; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 255; H. Maurer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 60 Rn. 9; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.79. Vgl. auch BVerfG NJW 2000, 2730, 2733. 329 Vgl. A. Leisner, StuW 1998, 254, 258; W. Leisner, JZ 1977, 537, 540. G. Roellecke (in: Aufgeklärter Positivismus, S. 183,191) betont demgegenüber, daß auch das Vertrauen zur Veränderbarkeit des Rechts beitrage, indem es den neuen Bestimmungen überhaupt erst Befolgungschancen verschaffe. 330 Unter 1.

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

gangsregelungen wie beim Erlaß rückwirkender oder rückanknüpfender Gesetze erscheinen hier regelmäßig nicht sinnvoll, weil kein Gesetz abgelöst, sondern ein neu entworfenes zu einem bestehenden fremden dazugestellt wird. Das Ziel ist es, daß demjenigen, der um eines gesetzlichen Anreizes willen in bestimmter Weise disponierte, die versprochenen Früchte nicht verlorengehen oder zumindest in einer zufriedenstellenden Weise ausgeglichen werden. Dazu könnten beispielsweise in das hinzutretende Normwerk Ausnahme- und Befreiungsmöglichkeiten für solche Verhaltensweisen aufgenommen werden, die dem zeitigeren fremden Gesetz entsprechen und deren Entwertung nun droht. Im Verpackungssteuerfall minderte § 3 der angegriffenen Satzung bei einer Beteiligung der Unternehmen am bundesrechtlich vorgesehenen Entsorgungssystem die Abgabenpflicht prozentual um jenen Anteil, den dieses System bei der Verwertung erreichte. 331 Wenngleich das BVerfG die Vorschrift (zu Recht) für nicht ausreichend hielt, illustriert sie einen Ansatz, dem zur Herstellung von Vertrauensschutz gefolgt werden kann. Zur Feststellung, welche Maßnahmen genügen, kommt es auf jene Abwägung an, deren Prämissen nun zu klären sind. Das vorrangige Kriterium hinsichtlich des Bestandsinteresses findet sich im Ausmaß der Dispositionen in ihrer Gesamtheit (also nicht nur im Einzelfall, dem Gegenstand des konkreten Prozesses), in ihrer grundrechtlichen Bedeutung332 und dem Umfang des wirtschaftlichen oder sonst meßbaren Schadens333, in Art und Weise ihres Betroffenseins (im Kern oder am Rand) und dem Vorliegen eines Sonderopfers einzelner Kreise 334 sowie in Häufigkeit und Dauer. Doch kann aus einem geringen Betroffensein nicht ohne weiteres die Entbehrlichkeit der Kontinuitätsgewähr geschlußfolgert werden. Je weniger Fälle es sind, in denen es zur Vertrauensverletzung kommt, desto leichter müßte es dem Gesetzgeber fallen, Ausnahmetatbestände, Härteklauseln oder Befreiungsmöglichkeiten einzubauen. Eine wesentliche Rolle spielen auch Deutlichkeit und Eigenschaften des Anreizes. 335 Handelt es sich um eine Vergünstigung, einen Steuererlaß o.ä., die freiwillig um des Vorteils willen gewählt werden konnten (und aus Sicht des Gesetzgebers genutzt werden sollten), fällt der Bruch schwerer ins Gewicht als bei Maßnahmen mit dem Charakter einer kaschierten oder ausdrücklichen Pflicht, denen ohnehin 331

Siehe oben 1. Kapitel, I., 2. A. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff in nach altem Recht bestehende Rechtspositionen und deren weiche Überleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S. 109. 333 BVerfGE 14, 288, 300; 30, 392,404; W.-R. Schenke, AöR 101 (1976), 337, 366. 334 K.H. Friauf, StbJb 1986/87, 279, 281; / . Lang, Die Wirtschaftsprüfung 1998, 163, 173; R. Wernsmann, JuS 2000, 39, 43. 335 T. Würtenberger (Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 369 ff.), der hinsichtlich des Vertrauensschutzes die Gesetze nach der Konkretheit ihrer Planung differenziert, zielt in eine ähnliche Richtung. Allgemeinen Planungsnormen mit Programm- und Richtliniencharakter fehlt regelmäßig die eindeutige Herausforderung, weil sie dem einzelnen noch keinen greifbaren Vorteil verheißen. Wer sich dadurch zu einer Disposition veranlaßt sieht, handelt auf eigenes Risiko. Wie hier auchM. Jachmann, ThürVBl. 1999,269,274; S. Muckel, JA 1994,13, 332

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8. Kap.: Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch U n g e r e i m t h e i t e n 1 8 3

nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Nachteile zu entrinnen war. 336 Doch können auch hier Vertrauensschutzprobleme zu bewältigen sein. 337 Vor allem bei Kooperationskonzepten vertraut der Bürger auf das angebotene Zusammenwirken und das Ausbleiben staatlichen Zwangs. Gerade hier ist der verfassungsrechtlich relevante Konzeptionsbruch demzufolge auch vorstellbar, da jedes unkooperative Eingreifen die Situation des Vertrauenden verschlechtert. Zugunsten der in Frage stehenden Regelungsmöglichkeit sind jene Aspekte des öffentlichen Interesses auszumachen, die der Normgeber mit der hinzugestellten Regelungskonzeption verfolgte 338 und die insbesondere die ausnahmslose Regelung erforderten. 339 Im Bund-Länder-Verhältnis, um das es geht, können landesspezifische Bedürfnisse von Gewicht sein, denen ein zur Gestaltung legitimierter Landesgesetzgeber gerecht zu werden sucht.340 Hauptgesichtspunkt341 zugunsten umfassender Konzeptionierungsfreiheiten bleibt die Notwendigkeit eines flexiblen Reagierens auf gesellschaftliche Änderungen, die Zurechtrückung und Anpassung der Rechtslage angesichts neu und rasch auftretender Schwierigkeiten in einer sich unentwegt wandelnden Gegenwart. 342 Jedem Gesetzgeber steht es frei, im Raum seiner Kompetenz die vor ihm auftauchenden Probleme der Lösung zuzuführen, die er für die richtige hält; ebenso, gesellschaftlichen Fehlentwicklungen mittels eines selbst entworfenen Lösungsinstrumentariums entgegenzutreten oder nach eigenen Prämissen Geschehendes zu begünstigen und hierbei mit neuen Lenkungsmitteln zu experimentieren, die ein anderer Gesetzgeber möglicherweise noch scheut.343 Entscheidend ist dabei, welche Interessen der Gesetzgeber seinerseits verfolgt. So kann es unter Umständen zum Schutz bestimmter Verfassungsgüter geboten sein, rasch zu 336

G.Kisker (VVDStRL 32 [1974], 149, 162ff.) unterscheidet mit verschiedenen Folgen drei Konstellationen: Bestandszusagen (die er auf den Grundsatz pacta sunt servanda stützt), veranlaßte Dispositionen und ins Werk gesetzte Chancen. Dabei erkennt er auch Bestandsgarantien des Gesetzgebers - etwa bei Befristungen wie in der Berlinhilfeentscheidung BVerfGE 30,392 - an. Auf die hier betrachtete Fallgruppe ist diese Dreiteilung nicht übertragbar. Befristungen oder ähnliche Bestandsgarantien unterscheiden sich nicht qualitativ, sondern allenfalls quantitativ von anderen Fällen der gezielt anreizenden Regelung, wenn sie nicht durch den Garanten selbst, sondern eine fremde Legislativkompetenz in ihrer Wirksamkeit reduziert werden. Der Aspekt des Wortbruchs, der den qualitativen Unterschied ausmachen könnte, scheidet hier aus. Vgl. auch S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S.85. 337 Vgl. S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 109. 338 BVerfGE 14, 288, 300; 30, 392,404; 31, 94, 99. 339 K.H. Friauf, StbJb 1986/87, 279, 290. 340 Siehe auch T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.367f. 341 Dessen Gewicht W. Leisner (in: FS Berber, S. 273, 293) erheblich einschränkt. Siehe demgegenüber etwa BVerfGE 63, 343, 357. 342 E. Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HdBVerfR, § 17 Rn. 50; G.Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 172ff., der auch auf gesellschaftliche Schranken veränderungswilliger Gesetzgebung hinweist; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 22; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 370.

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handeln und, um bestimmte Gefahren wirksam abzuwehren, Ausnahmen auszuschließen.344 Deshalb gilt es, die hinter der Regelung stehenden Schutzgüter zu identifizieren und sich den Grad ihrer Gefährdung (bei Anerkennung einer gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative) zu verdeutlichen. Sofern der Staat zum Schutz individueller Rechte Dritter tätig wird, ist dies ein schwerer wiegender Grund für die Notwendigkeit seines Tätigwerdens. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach möglichen Gesetzgebungsaufträgen, denen ein Hoheitsträger gerecht zu werden hat. Ebenso ist darauf zu achten, ob es sich bei den zugefügten Normen um punktuelle und möglicherweise befristete Maßnahmen oder um eine dauerhaft zu etablierende Grundstruktur eines Regelungsfeldes handelt.345 Mit der Verschiebung einzelner Gewichte ist - gerade in bewegten Bereichen - eher zu rechnen als mit einer tiefgreifenden Umprägung des Rechtsgebietscharakters. Die ganze Komplexität eines solchen Konflikts wahrzunehmen, heißt aber, nicht ausschließlich privates Fortbestandsinteresse und staatliche Änderungsbestrebungen gegenüberzustellen.346 Beiderseits finden sich - stets abhängig von der einzelnen Lage - auch die umgekehrten Momente. Ein Anliegen des Staats muß es auch sein, kooperative und auf Freiwilligkeit beruhende Lenkungsmöglichkeiten als Instrumente der gesetzgeberischen Gestaltung zu erhalten. Sie gehen als Steuerungsformen verloren, wenn infolge von investitionsentwertenden Diskontinuitäten Skepsis und Zurückhaltung an die Stelle des nötigen Vertrauens getreten sind. 347 Die schematische Seitenzuweisung von privatem und öffentlichem Interesse versagt auch, wenn die hinzugekommene Konzeption ihrerseits bereits vertrauensbedingte Dispositionen ausgelöst hat. Sie für nichtig zu erklären, gefährdete unter Umständen diese Art von Investiertem. 348 Zuzugeben ist allerdings - und der Gedanke an die bisherigen Vertrauensschutzlagen bestätigt es - , daß nur jene Fälle zum Konflikt führen, in denen die hinzutretende Regelung die intensiveren Belastungen enthält. Deshalb wird es nur selten vorkommen, daß der einzelne auf die hinzutretende Kon343

Was T. Würtenberger (Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S.370) gegen die Selbstbindung vorträgt, gilt gegenüber innerbundesstaatlichen Fremdbindungen um so mehr, s. auch BVerfGE 63, 243, 357; H. Bauer, JuS 1984, 240. 344 Ein Beispiel hierfür ist die Ausnahmslosigkeit des Tiermehl Verbots (§ 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 2000, BGBl I, S. 1635) angesichts der unkalkulierbaren BSE-Bedrohung, die keine Rücksichtnahme auf bereits produzierte Bestände und Umstellungsnotwendigkeiten zuließ. 345 W.-R. Schenke, AöR 101 (1976), 337, 367. 346 Was gleichwohl vielfach geschieht; vgl. z.B. K. Stern, in: FS Maunz, S.381, 382 für die Rückwirkungsfälle. 347 D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 239f.; W.-R. Schenke, AöR 101 (1976), 337, 366; T. Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 367. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt der Tatsache, daß jede Normbefolgung (und damit jede Normwirksamkeit) Vertrauen voraussetzt. Dazu auch J. Isensee, in: FS Klein, S.611, 628; G. Roellecke, in: Aufgeklärter Positivismus, S. 183, 200f. 348 Vgl. D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 242; F. O. Kopp, BayVBl. 1980, 38. G. Kisker (VVDStRL 32 [1974], 149, 191) meint: „Eine befriedigende Auflösung des bei Nichtigerklärung zurückbleibenden Knäuels widerstrebender Interessen erweist sich [...] als kaum realisierbar."

8. Kap.: Rechtsstaatswidrige Vertrauensbrüche durch Ungereimtheiten

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zeption (meist die ungünstigere) in einem solchen Maß setzt, daß ihm die vorangegangene (günstigere) Alleingeltung des ersten Regelwerks nicht besser erschiene. Angesichts der unüberschaubaren Vielgestaltigkeit der möglichen Konstellationen bleibt ein Rest an Fällen, wo es anders liegt, zumindest vorstellbar. 6. Die Abwägung in den Fällen des fehlenden Anreizes Auch dort, wo es an der gezielten staatlichen Herausforderung und Ausnutzung des privaten Vertrauens fehlt, können Kontinuitätserwartungen des einzelnen unter besonderen Umständen schützenswert sein. 349 Es bedarf deshalb hier ebenfalls der abschließenden Abwägung zur Feststellung einer rechtsstaatlich möglicherweise inakzeptablen Vertrauens Verletzung.350 Doch gilt es zu beachten, daß der Staat in diesen Fällen eine bestimmte Rechtslage schuf, die dem Privaten für diese oder jene Unternehmung günstig erschien und zu deren Ausnutzung er sich, ohne herausgefordert zu sein, entschloß.351 Er prüft anhand der vorgefundenen Normen die Zulässigkeit seines Vorhabens und nimmt ihre Anforderungen hin. Tritt hier ein zweiter Gesetzgeber mit nachteilhaften Vorschriften hinzu, so verwirklicht sich das allgemeine, von jedem zu ertragende Risiko, daß sich die Gesetzeslage zuungunsten bestimmter Verhaltensweisen verschlechtern kann. 352 Deshalb bedarf es spezieller Umstände, die in einem solchen Fall den Vertrauensschutz rechtfertigen. Ein allgemeines Vertrauen in die Vorteile einer Rechtslage genügt für die Gewährung von rechtsstaatlichem Vertrauensschutz gegenüber Gesetzen nicht. Finden sich solche Momente 353 , ist zu prüfen, inwieweit Möglichkeiten zur Abfederung bestehen.354 Die Kriterien der dazu anzustellenden Abwägung 355 entsprechen mit Ausnahme jener, die sich auf den Anreiz beziehen, den vorstehend herausgearbeiteten. 349

H.-W. Arndt/A. Schumacher, NJW 1998, 1538, 1539; R. Wernsmann, JuS 2000, 39, 41. S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 102. 351 G.Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149,166f.; S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 101. Vgl. hierzu auch die Sachverhalte in BGH NJW 1964, 769 (Märchenfilme); BGH NJW 1968, 293 (Anhänger-Blinkleuchten); BGHZ 45, 83 (Knäckebrot). 352 K.H. Friauf, StbJb 1986/87, 279, 281; / . Isensee, in: FS Klein, S. 611, 612; P. Kirchhof, StuW 2000, 221, 229 (im Blick auf das Steuerrecht); K. Larenz, Richtiges Recht, S. 148f.; A. Leisner, StuW 1998,254,258 f.; R. Schmidt, DB 1993,2250,2256; W. Spindler, DStR 1998, 953, 956. 353 Solche besonderen vertrauensbegründenden Umstände erkannte BVerfG NJW 2000, 2730, 2733 im Fall der Aufhebung einer gesetzlichen Übergangsfrist vor deren Ablauf. 354 In den Fällen BGH NJW 1964, 769 (Märchenfilme), BGH NJW 1968, 293 (AnhängerBlinkleuchten) und BGHZ 45, 83 (Knäckebrot) zeigte sich die Nähe dieser Konstellationen zum Entschädigungsrecht. Je aussichtsloser ein Vorgehen gegen den Kontinuitätsbruch selbst erschien, desto stärker wurde versucht, Kompensation zu erlangen. Man begehrte die fehlende Entschädigungsregelung. 355 Zu diesen Kriterien auch S. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 112 ff. 350

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3. Teil: Widersprüchlichkeit als Prinzipienverstoß

7. Die Folgen des Vertrauensverstoßes Aufzuklären bleibt an dieser Stelle noch, welche Norm im Fall eines Vertrauensverstoßes infolge der Unabgestimmtheit zweier Regelungskonzeptionen die verfassungswidrige ist. Dies beantwortet sich aus der Natur des Vertrauensschutzgedankens selbst, dessen Anliegen es ist, Rechtssicherheit in der zeitlichen Kontinuität herzustellen. Der Vorwurf eines vertrauensverletzenden Verhaltens trifft damit stets diejenige Bestimmung, die hinzugesetzt wurde ohne Berücksichtigung dessen, inwieweit sich ihre Adressaten auf die bis dahin bestehende Lage eingerichtet hatten und dabei auf deren grundsätzliche Unverbrüchlichkeit (in begrenztem Umfang) verlassen durften. 356 Diese Lösung verlangt auch vom Bundesgesetzgeber Rücksicht gegenüber einzelnen Landesregelungen.357 Da es sich hierbei ohnehin um seltene Ausnahmefälle handelt, erwächst aus diesem Umstand kein verfassungsrechtliches Problem. In allen bisher hervorgetretenen Konflikten waren es Länder bzw. mittels Delegation Gemeinden, die zur Regelungskonzeption des Bundes die eigene ins Werk gesetzte Lösungsvorstellung hinzufügten. Wo sich das Problem in umgekehrter Weise stellt, dürften Abfederungen wie Befreiungen und Härteklauseln dem Vertrauensschutz in aller Regel gerecht werden.

IV. Vertrauensschutzfragen in den Fällen der kommunalen Verpackungssteuer und des Bayerischen Schwangerenhilferechts Im Verpackungssteuerfall 358 schuf der Bundesgesetzgeber ein Kooperationskonzept, das, zunächst durch das Zurückstellen von Zwangsregelungen, Mitwirkungsanreize bot. Auf dessen Grundlage disponierten die Abfallerzeuger. Indem die Gemeinde kraft delegierter Befugnis eine Abgabenpflicht hinzustellte und damit - gewollt oder ungewollt - die künftige Beteiligung wirtschaftlich unratsam werden ließ, entwertete sie jene Aufwendungen, die mit der Teilnahme einhergingen. Ob - und wenn, welche - Schäden sich hieran knüpften, hätte ermittelt und den Gestaltungsinteressen des Satzunggebers gegenübergestellt werden müssen. Verletzungen des Vertrauensschutzes sind zunächst auch im Fall des Bayerischen Schwangerenhilferechts 359 nicht auszuschließen. Ärzte, die sich auf die Durchführung von Schwangerschaftsunterbrechungen konzentriert hatten, konnten nach der 356

/. Burmeister, Die Verwaltung 2 (1969), 21, 33; W.-R. Schenke, AöR 101 (1976), 337,

371. 357

So auch C. Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 114. 358 BVerfGE 98, 106. Dazu 1. Kapitel, I. 359 BVerfGE 98, 265. Dazu 1. Kapitel, III.

9. Kap.: Widersprüchlichkeit als Grundrechtsverstoß

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letzten Neuregelung des Bundesabtreibungsstrafrechts durchaus annehmen, daß sich ihre Investitionen (in den Aufbau einer speziell ausgerüsteten Praxis) zukünftig nicht als vergebens erweisen. 360 Insofern vertrauten sie möglicherweise auf die Vorteile der ihnen günstigen Rechtslage. Die bayerische Sonderregelung untersagte diese Spezialisierung, indem sie den Gebührenanteil der Abbrüche am Gesamtumsatz auf höchstens ein Viertel beschränkte. Ausnahmen davon für bestehende Praxen hätten das gesetzgeberische Ziel nahezu vollständig vereitelt, kamen deshalb also nicht in Frage: ihre Einführung hätte die Fokussierung auf einige wenige Einrichtungen bei ambulanten Abtreibungen zusätzlich forciert. Ein Schwachpunkt des Vertrauensschutzes liegt in diesem Fall auch in der Brisanz des Gegenstandes selbst: angesichts der spannungsreichen öffentlichen Kontroverse, der Entscheidungen des BVerfG zum Schutz des ungeborenen Lebens und der Auseinandersetzungen im Gesetzgebungsverfahren konnte in den dauerhaften Fortbestand dieser Rechtslage nicht unbekümmert vertraut werden, obwohl das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene in der Neuregelung seinen vorläufigen Abschluß gefunden hatte. Neuntes Kapitel

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als Grundrechtsverstoß und ihre Berührungen mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit I. Grundrechtseingriffe in der Gestalt eines konzeptionellen Konflikts 1. Die Plazierung der Widerspruchsfrage in der Grundrechtsdogmatik Wie bei den Betrachtungen von Normenklarheit und Vertrauensschutz sichtbar wurde 361 , können durch die Unvereinbarkeit gesetzgeberischer Regelungskonzeptionen Grundrechtspositionen der Adressaten in Gefahr geraten. Die Stimmen, die darin - generell oder für einen bestimmten Ausschnitt - den Hauptanknüpfungspunkt zur Behandlung gesetzgeberischer Ungereimtheiten erkennen, häufen sich. 362 Der Platz der Widerspruchsthematik innerhalb der Grundrechtsdogmatik und (bei der Prüfung des konkreten Falls) innerhalb des grundrechtlichen Prüfungsschemas ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Eine kurze Inaugenscheinnahme aller Untersuchungsschritte hinsichtlich ihrer Stellung zum Problem verschafft ein erstes, 360 y o n d e n Beschwerdeführern wurde deshalb auch „Bestandsschutz" geltend gemacht, da ihnen keine Zeit blieb, ihre Praxen umzustrukturieren; vgl. BVerfGE 98, 265, 289f. 361 s.o. 7. und 8. Kapitel. 362 s.o. 8. Kapitel, I.

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möglicherweise noch unvollkommenes Bild über die Bedeutsamkeit der allgemeinen und speziellen Freiheitsgewährleistungen in dem hier zu betrachtenden Zusammenhang. Grundrechte sind verletzt, wenn eine hoheitliche Maßnahme, gleich welcher Form, in einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Weise in einen der Schutzbereiche eingreift. An diesem Schema muß sich die folgende Untersuchung zunächst orientieren, wie auch ein Gericht, das mit solcherart Normen befaßt ist, dogmatisch hieran gefesselt bleibt. Erweist es sich, daß allein anhand der Kategorien von Schutzbereichseingriff und Rechtfertigung das Problem nicht zufriedenstellend lösbar ist, so führt dieser Umstand die Prüfung zur Frage hin, inwiefern Grundrechte auch als eine Stätte von objektiven Anforderungen an grundrechtsrelevante Gesetzgebungsakte begriffen werden dürfen.

2. Das Berührtsein grundrechtsgeschützter Bereiche Inwieweit grundrechtliche Schutzbereiche betroffen sein können, zeigen die judizierten Fälle. Die bayerischen Sonderregelungen zum Schwangerschaftsabbruch berührten Art. 12 GG hinsichtlich der beteiligten Ärzte und Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der abbruchwilligen Schwangeren.363 Um Berufsausübungsregelungen geht es auch im Fall der kommunalen Verpackungssteuer 364 und im Streit um die Landesabfallabgaben. 365 Hinzu tritt hier jedoch der Eigentumsschutz aus Art. 14 GG, sofern investierte Vermögenswerte, aufgewandt zu einer Beteiligung an der geforderten Kooperation, wirtschaftlich verlorengingen. Im Fall der BiotonnenAnschlußpflicht 366 wehrten sich die Betroffenen gegen einen Eingriff in ihre Freiheitssphäre, die Art. 2 Abs. 1 GG (in Gestalt der allgemeinen Handlungsfreiheit) schützt. Da Unvereinbarkeiten gesetzgeberischer Lösungsmuster insbesondere dort zu befürchten sind, wo ein Hoheitsträger neue, vom herkömmlichen Ordnungsrecht abweichende Wege beschreitet, in erster Linie also im Wirtschafts-, Planungs- und Umweltrecht, werden als die von der Widersprüchlichkeit angetasteten Grundrechte regelmäßig Art. 12 GG und Art. 14 GG in den Blick zu nehmen sein. Berufsbezogene Eingriffe können unter Umständen auch von spezielleren Freiheitsrechten (wie z. B. Art. 5 Abs. 1 GG im Bereich des Medienrechts; Art. 5 Abs. 3 GG für Wissenschaft und Kunst) erfaßt werden. Die herrschende Verständnisweise des Art. 2 Abs. 1 GG als Handlungsfreiheit 367 bewirkt, daß kein Moment der privaten Betätigung vom Grundrechtsschutz ausgeschlossen bleibt. Grundrechte sind somit bei jeder Berührung individueller Sphären betroffen. 363 364 365 366 367

1. Kapitel, III. 1. Kapitel, I. 1. Kapitel, II. 1. Kapitel, V., 2. Dazu näher C. Degenhart, JuS 1990, 161, 162 ff.

9. Kap.: Widersprüchlichkeit als Grundrechtsverstoß 3.

Eingriffe

d u r c h

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W i d e r s p r ü c h l i c h k e i t e n

Das moderne Eingriffsverständnis zugrunde gelegt 368 , ist zu untersuchen, ob die zutage getretene Widersprüchlichkeit ein geschütztes Verhalten erschwert. Sie selbst muß entweder dazu führen, daß der einzelne sein Freiheitsrecht nicht im gewährten Umfang nutzen kann, weil die Überschneidung von Anreiz und Mißbilligung ihm die Möglichkeit nimmt, sich in der von einem Gesetz intendierten Weise zu entscheiden (beim Aspekt der Klarheit); oder dazu, daß ihn die Entwertung des Einsatzes ereilt, zu dem der Staat ihn veranlaßt hatte (beim Gesichtspunkt Vertrauensschutz). Beide Fälle können einen ohnehin im Gesetz enthaltenen Eingriff verstärken oder selbst Ursache dafür sein, daß eine Grundrechtsposition nicht in der Weise genutzt werden kann, wie es eines der Gesetze zuläßt und erwartet und wie es der Freiheit, sich auf das Angebot dieser Festlegungen einzulassen, entspricht. Wo der Bruch mit einer fremden Konzeption die im Vertrauen darauf eingesetzte Position entwertet, greift das hinzugesetzte Regelwerk zugleich in das bestehende Vermögen ein - und damit in den Raum, den Art. 14 GG in seinem Fortbestand dem Staat gegenüber schützt.

4. Die Funktion des Gesetzes als Schranke Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt369 verlangen als Schranke ein formelles Gesetz. Statuiert der Vorbehalt qualifizierte Anforderungen (wie bei Art. 5 Abs. 2 GG das Merkmal „allgemein", bei Art. 11 Abs. 2 GG den entsprechenden Zweck usw.), muß die jeweilige Vorschrift, um Schrankengesetz sein zu können, diese erfüllen. Gesetzesvorbehalte legen die Entscheidung über Art und Maß der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen in die Hand des demokratisch legitimierten Parlaments. Formal betrachtet genügt es demzufolge auch, wenn die vom Parlament zuwege gebrachten Regelungen mit der Kontinuität des bestehenden Rechts brechen und vom Adressaten ein Verhalten erwarten, das dem bisherigen, vom anderen Gesetzgeber geforderten, widerspricht. Das vorbehaltlos gewährte Grundrecht findet seine Grenzen in den übrigen Verfassungsgütern. Die Ausgestaltung dieser Begrenzung bedarf ebenfalls des Gesetzes - wegen des rechtsstaatlichen Grundsatzes vom Eingriffsvorbehalt 370 und um nicht zuzulassen, daß vorbehaltlos, also stärker geschützte Rechte leichter als andere einzuschränken sind. Auch dafür erweisen sich konzeptionell widersprüchliche 368

Dazu ausführlich B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 240. Art. 2 Abs. 1, Abs. 2; Art. 5 Abs. 1; Art. 8 Abs. 2; Art. 9; Art. 10; Art. 11; Art. 12 Abs. 1; Art. 13; Art. 14 GG. Eine inzwischen verbreitete Ansicht leitet aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV einen Gesetzesvorbehalt für Art.4 GG her. So z. B. E. Saröevic, DVB1.2000,519, 523 f. 370 Dazu C. Degenhart, Staatsrecht, Rnrn.319ff. 369

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Normen, rein formal betrachtet, zunächst als tauglich: sie beruhen wie alle anderen auf der Entscheidung des Parlaments, auf die es ankommt. 5. Die Schrankenschranken Klarheit und Kontinuität (die sedes materiae) Doch müssen auch jene Gesetze, die ihrer formellen Natur nach zur Einschränkung von Grundrechten prinzipiell imstande sind, materielle Standards erfüllen. Die Dogmatik spricht hier von Schrankenschranken, zu denen insbesondere die Verhältnismäßigkeit371, Art. 19 Abs. 2 GG und der Grundsatz der Bestimmtheit zählen.372 Um ein solches qualitatives Untermaßverbot könnte es sich auch bei den rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der konzeptionellen Unwidersprüchlichkeit handeln. Schrankenschranken verhindern die Verletzung eines Grundrechts durch das einfache Gesetz, wenn dieses in seiner grundrechtsausgestaltenden und -beschränkenden Funktion die rechtsstaatlichen, um der Freiheit willen notwendigen Mindestanforderungen verfehlt. Schrankengesetze müssen demzufolge auch erkennbar festgelegt sein und in dem bereits dargestellten Umfang die konzeptionelle Kontinuität wahren. Die herausgestellten Momente der Widerspruchsfreiheit: das unverzichtbare Maß an Klarheit und das Gebot der zeitlichen Verläßlichkeit, wirken somit als Ausgestaltungsbegrenzungen, d. h. als Schrankenschranken. Sie in dieser Funktion zu etablieren, gibt es zwei grundsätzlich verschiedene, einander ausschließende Wege: die erste, bisher verfolgte Möglichkeit liegt darin, die aus der Rechtsstaatlichkeit (in der gezeigten Weise) deduzierten Untersätze Klarheit und Kontinuität als Schrankenschranken in die Grundrechtsprüfung zu integrieren. 373 Nach dieser Betrachtungsweise handelt es sich um unnormierte, in der grundgesetzlichen Rechtsstaatlichkeit dennoch angelegte Vorgaben an die Gesetzgebung, die aufgrund ihres speziellen Normadressaten- und Grundrechtsbezugs ins Spiel kommen, wo es um freiheitsausgestaltende Gesetzgebung, d. h. um Schrankensetzung geht. Gelangt ein Gesetz nicht im Verfassungsbeschwerdeverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, sondern beispielsweise durch Richtervorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vors BVerfG, so können die rechtsstaatlichen Sätze unmittelbar zur Prüfung herangezogen werden, ohne daß es des Umwegs über die Erörterung konkret betroffener Grundrechte bedarf. Dem anderen Weg entspricht es, die genannten Anforderungen an die Gesetzgebung aus dem jeweiligen Grundrecht selbst herzuleiten. 374 Grundrechte fungieren 371

Dazu ausführlich unten III. Dazu B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 278. 373 So zieht etwa BVerfGE 90,1,16 das Bestimmtheitserfordernis als Schrankenbegrenzung heran, versucht aber nicht, dieses selbst grundrechtlich zu begründen. Ob man die Gebote in einer Grundrechtsprüfung plaziert, ist nicht die Frage, sondern woher man sie nimmt. 374 So P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.398ff. (zur Normenklarheit), S.418 (zum Vertrauensschutz, ohne Wiederholung der Begründung). Dazu sogleich näher. 372

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dabei als Garanten bestimmter inhaltlicher Standards für Gesetze, die deren Schutz im einfachen Recht umsetzen und ihrem Leistungsumfang Grenzen ziehen. Wer also prüft, ob ein bestimmter, gesetzestechnisch in dieser oder jener Weise unvollkommener Normsetzungsakt das Grundrecht infolge seines Mangels verletzt, gelangt zur Frage, ob das Grundrecht diesen Mangel toleriert. Rechtsunsicherheiten verletzen demzufolge ein Grundrecht, wenn dieses sie verbietet. Bewegen sich diese Überlegungen in einem Kreis? 375

II. Das Grundrecht als Garant objektiver Anforderungen an seine eigene einfachgesetzliche Ausformung 1. Die Determiniertheit des grundrechtlichen Freiheitsraums durch die Züge der einfachgesetzlichen Ausgestaltung Der scheinbare Zirkel löst sich, wenn man sich verdeutlicht, daß objektive Anforderungen an die Beschaffenheit grundrechtsausgestaltender Gesetzgebung376 von der konkreten Rüge der Verletzung des subjektiven Rechts im einzelnen Fall zu unterscheiden sind. Wie bestimmt sich, ob dem Grundrecht ein Erfordernis objektiver Art innewohnt? Ausgangspunkt ist zunächst einmal die Erwägung, daß Grundrechte dem einzelnen gegenüber nur in der Weise zur Wirksamkeit gelangen, wie einfache Gesetze sie ausgestalten.377 Dieser Umstand wird augenfällig, wenn es in Art. 14 Abs. 1 GG heißt, daß die Gesetze den Inhalt des Eigentums bestimmen; doch verhält es sich bei allen anderen Freiheitsrechten ebenso. Der einzelne erfährt den grundrechtsgeschützten Freiheitsraum so, wie die Rechtsordnung ihn vorgibt. Es verletzt das subjektive Recht (und läßt Art. 19 Abs. 2 GG insofern nur als eine zusätzliche Ermahnung erscheinen 378), wenn vom Freiheitsraum selbst kaum noch ein Stück bleibt. Stets geht es dabei um die rechtsstaatliche Frage, wie der grundrechtlich geschützte, individuelle Freiheitsraum gegenüber einer ausgreifenden (hier: unklaren oder unverläßlichen) Gesetzgebung gesichert werden kann. Die Grundrechtsgeltung ist ein positivierter Ausschnitt der Rechtsstaatlichkeit379, die der grundgesetzlichen Verfassungsordnung zugrunde liegt. Ob man die Schrankenschranken der Klarheit und der Kontinuität einem abstrahierten Rechtsstaatsprinzip oder dem Grundrecht selbst entnimmt, hängt zuletzt also davon ab, welche 375 Dazu auch U.M. Gassner; Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 106ff.; ders., ZG 1996, 37, 50ff.; H.-J. PapierIJ. Möller, AöR 122 (1997), 177, 182 f. 376 Vgl. auch P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 59 Rn. 25. 377 Daß der objektiv-rechtliche Gesichtspunkt der Grundrechtsoptimierung durch Gesetze selbst keine Grenze der Gesetzgebung ist, betont demgegenüber C. Starck, JuS 1981,237,239. Vgl. auch U.M. Gassner, ZG 1996, 37, 52; R.A. Rhinow, in: FS Huber, S.427,434. 378 Dazu näher P.M. Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1,4. Auflage, Rn. 111 zu Art. 19 Abs. 2. 379 M.Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.77 zu Art.20.

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Vorstellung man von der normativen Geltung der Rechtsstaatlichkeit unter der Verfassungsordnung des Grundgesetzes hat. Sieht man in ihr ein Kürzel für die Gesamtheit der positivierten Rechtsstaatselemente380, so hat man die Prämissen für die Beschaffenheit von grundrechtsausgestaltenden Gesetzgebungsakten in den Grundrechten selbst zu suchen. Dagegen ist eine solche Verortung umständlich und hergeholt, wenn man die normative Geltung eines Rechtsstaatsprinzips und seiner geläufigen Unterprinzipien anerkennt. 381 2. Der Streit um den Geltungsgrund der Rechtsstaatssätze Zur Prüfung und Rechtsfolgenableitung durfte nach bisher herrschender Auffassung auf das Rechtsstaatsprinzip zurückgegriffen werden, wenn sich den im Verfassungstext verankerten Elementen keine Aussage zu einer bestimmten, rechtsstaatlichkeitsbezogenen Frage entnehmen ließ. In seinem Buch „Das Rechtsstaatsprinzip" bestritt Philip Kunig die Zulässigkeit dieser Deduktionen mit dem Hinweis, ein solches Prinzip mit Rechtsnormcharakter erscheine nicht begründbar. 382 Prüfungsmaßstäbe seien die Einzelnormen in einer dem Rechtsstaat entsprechenden Auslegung. Kunig selbst weist für die Momente des Vertrauensschutzes und der Rechtsklarheit auf die Grundrechte 383, die er - in der gezeigten Weise - als Garanten für das Mindestgebotene ihrer eigenen einfachgesetzlichen Gestaltung begreift. 384 Den Streit zu vertiefen und zu entscheiden, ist hier nicht veranlaßt. 385 Am Detail der Verortung eines klarheitsbezogenen und eines dem Vertrauensschutz entstammenden Widerspruchsverbots lassen sich jedoch praktische und grundsätzliche Gesichtspunkte zum Für und Wider beider Positionen beobachten. In jenen Fällen, wo widersprüchliche Regelungskonzepte eine bestimmte Art der Freiheitsausübung erschweren oder entwertend in Dispositionen eingreifen, sind die jeweiligen Grundrechte die am nächsten betroffenen, im Verfassungstext aufzufin380 Sog. „summatives Rechtsstaatsverständnis"; s. C. Görisch, JuS 1997, 988, 991; E. Saröevic, ARSP 84 (1998), 593 ff.; ders., SächsVBl. 1999,252,258; E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn. 7. 381 Sog. „integrales Rechtsstaatsverständnis", s. C. Görisch, JuS 1997, 988, 991; E. Saröevic, ARSP 84 (1998), 593ff.; ders., SächsVBl. 1999, 252, 258; E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn.7. 382 A.a.O., S.468. Ihm beipflichtend W. Henke, Die Verwaltung 20 (1987), 252f.; E. Saröevi6, ARSP 84 (1998), 593; in der Konsequenz auch F.E. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1,4. Auflage, Art. 20 Rn. 21. Vgl. demgegenüber insbesondere die treffende und prägnante Kritik von E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rnm. 7 ff.; ähnlich auch H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn. 3; M. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn. 76 zu Art. 20; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn.43 zu Art. 20 (Rechtsstaat). Trotz seiner Ausführlichkeit wenig ergiebig und kaum überzeugend dagegen der Widerlegungsversuch von D. Buchwald, Prinzipien des Rechtsstaats, S. 173 ff. 383 Das Rechtsstaatsprinzip, S.398 (zur Rechtsklarheit), S.418 (zum Vertrauensschutz). 384 Das Rechtsstaatsprinzip, S.399. 385 s. deshalb die oben in Fn. 382 genannte Literatur sowie K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S.399 f. und Kunigs Rezension dieses Buches in AöR 123 (1998), 486.

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denden Normen. Ihrer Verfaßtheit ist ein praktischer Vorteil allerdings nicht zu entnehmen. Zwar bietet die Grundrechtsnorm innerhalb eines bestimmten Bereichs Schutz vor staatlicher Beeinträchtigung und fordert - dies sei zugestanden - dessen entsprechende einfachgesetzliche Ausgestaltung. Zur Frage, welche konkrete Beschaffenheit eines Gesetzes diesen Erfordernissen genügt, ist ihr nichts Verläßlicheres entnehmbar als dem abstrakten Prinzip. 386 In unveränderter Weise würden einzelne Konstellationen als nicht hinnehmbare Untermaßunterschreitungen identifiziert, ohne daß die Kriterien dafür präziser, vorhersehbarer oder besser begründbar wären als die derzeit noch herrschenden. 387 Daß die im Grundrechtskatalog vorzufindenen Beschränkbarkeitsabstufungen eine sorgfältigere Differenzierung der Maßstäbe gestatten, ist zu bezweifeln. Eher gehen dadurch die einheitlichen Herangehensweisen an Klarheitsprobleme und Kontinuitätsfragen verloren 388, ohne daß sich der Zusammenhang zwischen der Schrankenausgestaltung im einzelnen und den daraus sich mutmaßlich ergebenden Stufungen der Rechtssicherheitsgewähr unmittelbar aufdrängt. 389 Zu Recht wurde in einer gegen Kunig gewandten Untersuchung bemerkt, daß sich die Grundrechte zwar näher am geschützten Rechtsgut, aber dafür um so weiter von dem Umstand entfernt befinden, der die eigentliche Fragwürdigkeit der Norm ausmacht.390 Die praktischen Vorteile einer Umorientierung der Rechtsstaatsdogmatik dürften, was das hier betretene Feld der widerspruchsbezogenen Klarheits- und Vertrauensschutzaspekte betrifft, geringer sein als erwartet. 391 Von den Nachteilen läßt sich dies nicht mit gleicher Gewißheit sagen. Ein Blick hinter die Fassade der staatsrechtlichen Dogmatik zur Rechtsnormqualität des Prinzips offenbart, wie der Notwendigkeit bestimmter Ergebnisse so oder so ein verfassungsrechtlicher Weg frei gemacht wird. 392 Es wird sich kein Verfas386 U. M. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 109; ders., ZG 1996, 37, 52; anders J. MöllerlA. Rührmair, NJW 1999, 908, 911. 387 E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn. 8; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 172 (für Rückanknüpfungsfälle). Anders aber/. Möller/A. Rührmair, NJW 1999, 908,911. 388 Vgl. dazu auch (im Hinblick auf das Vertrauensschutzproblem) G. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149, 182 f. 389 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn. 8. 390 K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 172. 391 Ähnlich H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn. 3. Daß sich die Ergebnisse „nur teilweise" unterscheiden, räumt auch Kunig (Das Rechtsstaatsprinzip, S.464) ein, sieht aber im Rechtsstaatsprinzip ein Instrument, „das in der Hand politischer Akteure, die sich von dem in der Bundesrepublik Deutschland einstweilen feststellbaren Grundkonsens lösen würden, zur Begründung völlig anderer Ergebnisse eingesetzt werden könnte" (a.a.O.; s. auch ders., AöR 123 [1998], 486,489). Neben dem Zweifel, ob derartige Akteure tatsächlich beim staatsgewalthemmenden Rechtsstaatsprinzip ansetzen würden, ist entgegenzuhalten, daß ohne normativ geltendes, Schranken setzendes Rechtsstaatsgebot diese Gefahr nicht geringer wäre: auch Grundrechte ließen sich in einer Weise mißdeuten, daß von ihrem Schutz nur noch ein geringer Rest bleibt (und nicht das, was Kunig mit ihnen verbindet). 392 Es war ein Gedanke Montesquieus, daß die gemachten Gesetze denjenigen nachzubilden sind, die den Dingen innewohnen (Vom Geist der Gesetze, 1,1). Wie letztere die Auslegung der

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sungsinterpret finden, der bereit wäre, rechtsstaatlich Gesichertes über Bord zu werfen, weil die Anknüpfungen an die in Frage kommenden Stellen i m Verfassungstext zu fernliegend und zu spekulativ sind. 3 9 3 Für alles rechtsstaatlich Notwendige wird auch zukünftig ein Anknüpfungspunkt zu finden sein. 3 9 4 Die nächste, wiederum gegen ein solches Vorgehen gewendete Frage wäre jedoch, welchen Wert eine solche herbeikonstruierte Anknüpfung besitzt. Sie birgt in sich zudem die Gefahr, daß extensive Auslegungen 3 9 5 die Einzelnormen überfrachten. 396 Die von Kunig beklagte Beliebigkeit der Deduktionen 3 9 7 wechselt mit der Leugnung der Normqualität des Prinzips hinüber auf die Seite der Surrogate. 398 Seiner vermeintlichen Konturenlosigkeit entrinnt man um den Preis einer Aufweichung der Anknüpfungsnormen. 3 9 9 ersten und damit diese selbst zurechtbiegen, zeigt sich, wo Mindeststandards, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind, in geschriebene oder ungeschriebene Rechtsnormen - durch Normierung, Auslegung oder Hineindeutung - umgesetzt werden müssen. Als Triebfeder wirkt der Konsens, daß das Recht herrscht, an erster Stelle also die Verfassung. (Auch von dieser Seite her erweist sich Montesquieu als Vorläufer auf der Linie unserer Rechtsstaatlichkeit). 393 Nach E. Schmidt-Aßmann (in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], HdBStR I, § 28 Rn. 8) sollen solche Anknüpfungspunkte vor allem im Organisations- und Verfahrensrecht fehlen, aber auch für die Probleme der Normpublikation und der rechtsstaatlichen Effizienz. Ähnlich auch P. Häberle, NJW 1987, 175, 176; M. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.76 zu Art. 20; H. SchulzeFielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn.43 zu Art. 20 (Rechtsstaat). 394 Der von Kunig (Das Rechtsstaatsprinzip, S.465f.; zustimmend B. Pieroth, ZBR 1989, 351) als Gewinn an argumentativer Sicherheit begrüßte höhere Argumentationsaufwand könnte sich auch als Falle erweisen: dort nämlich, wo Begründungen ihre Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit einbüßen und die Grundrechtsdogmatik insgesamt, weil sie zuviel nach allen Seiten hin leisten muß, ihr Wesentliches aus den Augen verliert. Wie hier H. Maurer; Staatsrecht, §8 Rn. 3. 395 In welchem Umfang, gibt die Lektüre von Kunigs Ergebniszusammenstellung zu erkennen. Art. 20 Abs. 3 GG tritt an die Stelle sämtlicher Deduktionen im Verhältnis der Staatsgewalten zueinander und postuliert ein staatsinternes Willkürverbot; die Grundrechte bestimmen den Umfang des Vorbehalts des Gesetzes, sichern die Verfahrensgerechtigkeit, prägen die Normenklarheit, fungieren als statussichemde Schutznormen gegen Änderungen des Staatshandelns usw. (Das Rechtsstaatsprinzip, S. 458 ff.). Im Urteil wie hier E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn. 8. 396 Ein Einwand, den Kunig vorausgesehen hat (Das Rechtsstaatsprinzip, S.470, dort Fn. 26). Eine solche Überfrachtung entschärft indes nicht die Gefahr überdehnter Interpretationen, sie begünstigt sie oder ist bereits ihr Produkt. Vgl. auch K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 408. 397 Das Rechtsstaatsprinzip, S.472. 398 C. Görisch, JuS 1997, 988, 992; ferner auch tf. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S.411. Möglicherweise geht Kunig zu unbekümmert davon aus, daß die bekannte Grundrechtsdogmatik die neuen Aufgaben, die er ihr zudenkt, bewältigt, ohne ihr Gesicht zu wandeln. Wer garantiert, was Kunig (Das Rechtsstaatsprinzip, S. 471) ohne weiteres voraussetzt: daß die Rechtsfolgenbeliebigkeit nicht ebenfalls übernommen wird und übernommen werden muß - zum Schaden des Kems der Grundrechtsdogmatik? 399 E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR I, § 24 Rn. 8. Mitunter werden verselbständigtes Prinzip und überfrachtete Einzelnorm kaum noch zu unterscheiden sein. Weist § 242 BGB auf den überpositiven Grundsatz von Treu und Glauben oder wurde hier eine Einzelnorm durch ihre Auslegung zum Überdruckventil für Unerträglichkeiten aus allen Bereichen des Zivilrechts?

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Die Beibehaltung der hergebrachten Sichtweise erscheint damit wünschenswert und zulässig. Das Grundgesetz integriert mit seinem Verweis auf die Rechtsstaatlichkeit in Art. 28 Abs. 1 GG, noch vielmehr aber dadurch, daß es deren zentrale Elemente in Art. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 GG zum Ausdruck bringt, ein dem Verfassungsgesetz vorausliegendes Prinzip ins geschriebene Recht. Die Gesetze dieses Prinzips gelten, weil die bestehende Verfassungsordnung auf diesem Prinzip beruht.

I I I . Widersprüchliche Regelungskonzeptionen als ein Problem der Verhältnismäßigkeit 1. Die Zweifel an der Erforderlichkeit des strengeren Modells Als eine weitere Schrankenschranke hat der grundrechtseinschränkende Gesetzgeber auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das sogenannte Übermaßverbot, zu beachten. Trotz seiner Bedeutsamkeit für Grundrechtsfragen und seines Gebundenseins an die konkrete Eingriffssituation handelt es sich auch bei diesem Satz um eine Aussage des Rechtsstaatsprinzips.400 Wenn zwei konzeptionell entgegengesetzte Regelungswerke ein und denselben Gegenstand in einer unterschiedlich intensiven Weise regeln, deutet das zunächst, wie es scheint, auf die UnVerhältnismäßigkeit des spürbarer eingreifenden Gesetzes. Es erscheint als nicht erforderlich. Legitime Zwecksetzungen und eine entsprechende Geeignetheit beiderseits vorausgesetzt, könnte man bezweifeln, daß sich tatsächlich beide Normgeber für das mildeste Zielumsetzungsmittel entschieden haben, wenn der eine beispielsweise zum strengen Zwang greift und der andere zu einem Anreiz, dem freiwillig gefolgt werden kann. 401 Ein zweiter Blick offenbart den Fehlschluß dieser Überlegung. Mildere Mittel hat ein Gesetzgeber nur dann zu wählen, wenn sie gleichumfänglich erfolgversprechend sind. Er darf bei seiner Lösungssuche dasjenige außer acht lassen, was zwar weniger eingreift, aber auch um so weniger bewirkt. 402 In den Fällen der entgegen400

BVerfGE 19,342, 348; 61,126,134; 69, 1, 35; 76, 256, 359; C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 390; J. Möller!A. Rührmair, NJW 1999, 908, 910. 401 Auf Prüfungseinschränkungen angesichts komplexer Instrumentarien weist BVerfGE 21, 150, 157 hin; auchFE. Schnapp, JuS 1983, 850, 854. 402 BVerfGE 25, 1, 20; 30, 292, 319; 67, 157, 176; 77, 84, 109; H.D. Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Rn. 85 zu Art. 20; P: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR III, § 59 Rn. 26; H. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn. 57; K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 304 zu Art. 20 Abs. 3. Nach einer teilweise vertretenen Sicht (M. Sachs, in: Sachs [Hrsg.], GG, Rn. 153 zu Art. 20; ders., Verfassungsrecht II Grundrechte, S. 154; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier [Hrsg.], GG, Bd. II, Rn. 171 zu Art. 20 [Rechtsstaat]) soll es anders liegen, wenn ein wesentlich schonenderes Mittel in beinahe gleichem Maß wirkt. Doch vermischt eine solche Sicht Gesichtspunkte der Erforderlichkeit und Angemessenheit: 13*

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gestellten Gesetzeskonzeptionen verhält es sich häufig so, daß das zweite Regelungswerk die Rechtslage gezielt verschärfen soll, weil der Effizienzgrad des zuerst gesetzten Instrumentariums hinter dem zurückbleibt, was der Träger des zweiten für ausreichend hält. Die Fälle des bayerischen Schwangerenhilferechts, der Kasseler Verpackungssteuer und auch der Landesabfallabgaben illustrieren dies deutlich. Die erstrebte Effizienz ist Teil des Ziels, das sich der Gesetzgeber vorgibt. 403 So ist es nicht nur hinsichtlich des Mittels, sondern bereits dem Ziel nach ein Unterschied, die Abfallvermeidung so weit es geht zu erzwingen oder bis zu einer bestimmten Belastungsgrenze - mit Rücksicht auf die Betroffenen - anzustreben. Instrumente mit geringerer Effizienz sind von vornherein ungeeignet, ein so begriffenes Ziel zu erreichen. Der Gesetzgeber, der das wirksamere, aberrigorosere Instrumentarium wählt, um höhere Erfolge zu erzielen, kann allenfalls aus Gründen der Angemessenheit auf das mildere Mittel verwiesen werden. Auf deren Mißachtung kann die Wrdersprüchlichkeit der Konzeptionen aus dem Verdacht heraus hinweisen, daß ein Normgeber möglicherweise unangemessen handelt, wo ein zweiter dasselbe Problem in einer schonenderen Weise bewältigt. Weil es sich anders verhalten kann und ein Prognosespielraum 404 zugunsten des gestaltenden Gesetzgebers besteht, führt die Wrdersprüchlichkeit nicht notwendigerweise zur UnVerhältnismäßigkeit (und damit zum Grundrechts verstoß), sondern veranlaßt nur deren sorgfältige Prüfung. Die belastende Regelung ist der gewöhnlichen Zweck-Mittel-Schau zu unterwerfen, ohne daß es dabei auf ihre Vereinbarkeit mit fremden Bestimmungen ankommt. Der Fehler der UnVerhältnismäßigkeit steckt in den Fällen, wo er festzustellen ist, in der Norm selbst und nicht in ihren Beziehungen zum Kontext.

ein Mittel, das um einer sehr geringen Erfolgssteigerung willen gewählt wird, obwohl es erheblich stärker eingreift als jenes mit nahezu ebenso großem Erfolg, ist unangemessen. Die Trennung der Aspekte empfiehlt sich auch, weil die Erforderlichkeit keine Abwägungsentscheidung ist, durch die schwierige Grenzziehung von „beinahe ebenso gut" aber dazu gemacht würde. Ort der Abwägung ist die Angemessenheit. - Wie hier auch M. Gentz, NJW 1968, 1600, 1604; M. C. Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 67. 403 Mißverständlich daher C. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1,4. Auflage, Rn. 243 zu Art. 1 Abs. 3: „Dieser Grundsatz [der Erforderlichkeit - S. H.] fordert den Einsatz des mildesten Mittels, das noch in der Lage ist, das gefährdete Rechtsgut wirksam zu schützen". In der a. a. O. zitierten Entscheidung des BVerfG heißt es dagegen: „Das Übermaßverbot verpflichtet aber den Gesetzgeber nur dort zur Wahl des mildesten Mittels, wo auch der weitergehende, an sich zulässige Eingriff - gemessen am Regelungszweck - keinen besseren Erfolg verspricht." (E39, 156, 165). Siehe auch BVerfGE 30, 292, 319: „Die sachliche Gleichwertigkeit zur Zweckerreichung muß vielmehr bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststehen." 404 Dazu H.D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn. 87 zu Art. 20; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn. 179 zu Art. 20 (Rechtsstaat); C. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 4. Auflage, Rnrn.244f. zu Art. 1 Abs. 3.

9. Kap.: Widersprüchlichkeit als Grundrechtsverstoß

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2. UnVerhältnismäßigkeiten bei Vertrauensbrüchen Das Verhältnismäßigkeitsgebot tritt noch in einem weiteren Zusammenhang als verfassungsrechtlicher Maßstab für konzeptionelle Brüche hervor. Es geht dabei um die Beziehung von Vertrauensschutz und Grundrechten, insbesondere wenn eine Neuregelung aufgrund ihres sachlichen Anwendungsbereichs Fälle einbezieht, deren Entwicklung in die Zeit davor zurückreicht. Diesen Ansatz verfolgt das BVerfG in den Fällen der unechten Rückwirkung 405 , die - wie oben gezeigt406 - von zukunftsbezogenen Kontinuitätsbrüchen (auf die es hier ankommt) nicht abgegrenzt werden können. Eine Neuregelung verletze die Grundrechte, so die Argumentation, wenn sie unnötigerweise die aus der Vergangenheit überkommenen Fälle einbezieht, obwohl deren Erfaßtsein private Investitionen entwertet und deshalb schwer in grundrechtsgeschützte Positionen eingreift. Auch hier geht es um Verhältnismäßigkeit: der Eingriffsakt (wiederum ein Gesetz und damit formell zur Beschränkung geeignet) darf im grundrechtsrelevanten Bereich nicht intensiver vorgehen als erforderlich und muß zudem auch im Hinblick auf das verfolgte Ziel angemessen sein. Er ist es möglicherweise nicht, wenn die Nachteile überwiegen, die der Kontinuitätsbruch mit sich bringt, oder wenn die vorgefundenen Fälle überhaupt nicht einbezogen werden mußten. Die Wahl, welche der Anknüpfungen vorzugswürdig erscheint, ist folglich eine Entscheidung zwischen zwei in die Grundrechtsprüfung integrierten Rechtsstaatssätzen: der Verhältnismäßigkeit und dem Vertrauensschutz. Auch das BVerfG 407 selbst, dessen Formulierung zur Vermutung verleitet, in diesen Konfliktfällen sei eine aus dem Grundrecht selbst heraus lösbare Frage zu beantworten, hat auf den Zusammenhang zur Verhältnismäßigkeit hingewiesen.408 Bereits deshalb ist es zweifelhaft, wenn zahlreiche Stimmen im Schrifttum in der vorrangigen Anknüpfung an die Grundrechte einen Vorteil erblicken. 409 Praktische Vorzüge der einen oder der anderen Vorgehensweise sind ebensowenig erkennbar: in beiden Fällen sind die Gesichtspunkte des Einbeziehungsinteresses und des Kontinuitätsvertrauens in einer Abwägung gegenüberzustellen, sollte es nicht ausnahmsweise bereits an der Erforderlichkeit fehlen. Strenggenommen erscheint gerade die Verhältnismäßigkeitsfrage als nachrangiger Begründungsweg. Sie selbst ist nur die Folge der Vertrauensverletzung, die in der Einbeziehung der überkommenen Fälle liegt. Der Vertrauensbruch wird nicht etwa mit Hilfe der Verhältnismäßigkeit ergründet, er 405 BVerfGE 72, 200, 242f.; ähnlich, zum Teil weitergehend E. Grabitz, DVB1. 1973, 675, 678; F.O. Kopp, BayVBl. 1980, 38, 40. 406 Siehe oben 8. Kapitel, II. 407 E72, 200, 242 f.; 92, 277, 344 (Sondervotum der Richter Klein, Kirchhof und Winter). 408 Aus dem Schrifttum beispielsweise M. Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 273; J. Möller! A. Rührmair, NJW 1999, 908, 910. 409 So beispielsweise (statt vieler) A. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff in nach altem Recht bestehende Rechtspositionen und deren weiche Überleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, S.95ff.

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muß anhand der herausgearbeiteten Vertrauensschutzgesichtspunkte ermittelt werden, ehe festzustellen ist, ob die Einbeziehung der unabgeschlossenen Sachverhalte unverhältnismäßig war. Die kontinuitätswidrig hinzutretende Norm ist nicht, wie in anderen Fällen der Verhältnismäßigkeit, aus sich selbst heraus überzogen, sondern sie ist es infolge des Kontinuitätsbruches und des damit einhergehenden Schadens, den sie anrichtet. Die Verhältnismäßigkeit ist somit nicht der Ort für Vertrauensschutzfragen dieser Art, sondern nur ein zusätzlicher Vermittler zwischen ihnen und der Prüfung eines Grundrechtsverstoßes, dessen es nicht bedarf, wenn man den Kontinuitätsmaßstab selbst als eine Schrankenschranke heranzieht. Alles dazu Erforderliche wurde bereits gesagt.

Zehntes Kapitel

Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen als ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue I. Die bundesstaatliche Seite der Widerspruchsthematik Werden durch eine zweite Gesetzgebungshoheit in der geschilderten Weise eigene Vorschriften zu einem bestehenden fremden Regelungssystem hinzugestellt, so sind es unter Umständen zwei Seiten, die sich damit nicht abfinden wollen: neben dem Bürger, der sich nun möglicherweise mit widersprüchlichen Bestimmungen auseinandersetzen muß und sich außerstande sieht herauszufinden, was man von ihm will 4 1 0 , trifft es ebenso den anderen Kompetenzinhaber - Bund oder Land - , dessen eigenes Lösungsmuster nun auf anderer Ebene in einer Form ergänzt wird, die er gegebenenfalls als nicht zuträglich empfindet. Er muß in diesem Fall mit ansehen, wie sein Konzept - ein Stück weit oder ganz - verfälscht, verschärft oder vereitelt wird. Aus diesem Winkel betrachtet, berühren widersprüchliche Gesetzeskonzeptionen im Verhältnis des Glieds zum Gesamtstaat Fragen der Bundestreue.411 410

Siehe dazu oben das 7. und 8. Kapitel. Monographisch erörtert von H.-W. Bayer (1961) und H. Bauer (1994), jeweils unter dem Titel „Die Bundestreue". S. außerdem E. Bauschke, Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, S. 108ff.; A. Bleckmann, JZ 1991,900; C. Doerfert, JuS 1996, L 89ff.; HJ. Faller, in: FS Maunz, S.53ff.; E.-W. Fuß, DÖV 1964, 37; W. Geiger, in: Süsterhenn (Hrsg.), Föderalistische Ordnung, S. 113ff.; J.isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStRIV, §98 Rnrn. 151 ff.; S. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S.213 ff., 239ff., 352ff., 480ff; W.Rudolf, in: FG BVerfG, Bd.II, S.233, 234ff.; H.G. Rupp, in: FG Schmid, S. 141; H. Spanner, DÖV 1961, 481; P. Unruh/J. Strohmeyer, BayVBl. 1999, 609, 612ff.; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 395ff. Rechtsvergleichend: A. Alen/R Peeters/ W. Pas, JöR n.F. Bd. 42 (1994), 439ff.; R. Mörsdorf, Das belgische Bundesstaatsmodell im Vergleich zum deutschen Bundesstaat des Grundgesetzes, S.272ff.; C. Roschmann, Vergleich des föderativen Aufbaus Bundesrepublik Deutschland - Föderative Republik Brasilien mit 411

10. Kap.: Widersprüchlichkeit als Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue

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Gegenstand der Rechtsstaatlichkeitsprüfung war die Frage, was der einzelne von einer Norm erwarten darf. Bei der Prüfung der Bundestreue richtet sich das Augenmerk dagegen auf bestehende und unerläßliche Verhaltensregeln für die Inhaber von legislativen Gestaltungsbefugnissen im Bundesstaat angesichts ihres Eingebundenseins in ein föderales Gefüge. Beiden Betrachtungen gemeinsam ist es, daß sie kein generelles Ob der gesetzgeberischen Betätigung von Bund oder Land, nicht deren gänzlichen Ausschluß suchen, sondern daß es hier wie dort das Wie 412 , die Modi, die sich aus den Verfassungsprinzipien ergeben, zu ergründen gilt. Die Untersuchung bemüht sich damit erneut um eine Lösung dessen, was nach der Betrachtung der Kompetenzordnung zunächst offengeblieben ist. Der Bundestreuesatz ergänzt die geschriebene Kompetenzverfassung an den Stellen, wo die Korrektur ihrer Ergebnisse unverzichtbar ist, im Sinne ihres gemeinsamen Anliegens: der Funktionstüchtigkeit und inneren Reibungslosigkeit des föderalen Gefüges. Inwieweit heißt Bund also Bindung?

II. Die Bundestreue: ihre Herleitung und ihre drei Funktionen 1. Die Treuepflicht als Emanation des Bundesstaatsprinzips nach herrschender Sicht Das BVerfG 413 und mit ihm die herrschende Dogmatik 414 deduzieren das Bundestreuegebot (oder: die Pflicht zum bundesfreundlichen Verhalten 415) aus dem BunSchwerpunkt auf dem Bund-Länder-Verhältnis, S. 172 ff. Historische Aspekte beleuchten E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S.80f. (zur Bundestreueverpflichtung in der Weimarer Republik); J. Isensee, a.a.O., Rn. 152; H.Maurer, Staatsrecht, § 10 Rn. 51; S. Schröcker, Der Staat 5 (1966), 137 und 315. 412 BVerfGE 34, 9,44; H.J. Faller, in: FS Maunz, S.53, 63; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 396. In anders gelagerten Fällen, wo es nicht um inhaltliche Gesetzeskonflikte geht, kann ausnahmsweise auch das Tätigwerden an sich einen Treueverstoß darstellen. Vgl. H. Bauer, Die Bundestreue, S.328. 413 E 1, 299, 315; 4, 115, 140; 8, 122, 138; 81, 310, 337. Zur Rechtsprechung allgemein S. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S.213 ff., 352. 414 C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 218; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 365; H. Maurer, Staatsrecht, § 10 Rn. 50; I. von Münch, Staatsrecht, Rn. 592. 415 Beide Begriffe werden gegenwärtig synonym verwendet. Vgl. C. Degenhart, Staatsrecht, Rn. 218; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 268; J. Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 617; J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, §98 Rn. 151; S. Hobe, JA 1995,301,304; K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 37 zu Art. 20 Abs. 1. D. Felix (Einheit der Rechtsordnung, S. 365) vermißt bei beiden Bezeichnungen den Gesichtspunkt der Wechselbezüglichkeit. „Bundestreue" bzw. „bundesfreundliches Verhalten" bezieht sich aber nicht auf den Bund im Sinne seiner Organe, sondern auf das ganze föderative Gefüge; es meint, daß alle im Bund Beteilgten sich so zu verhalten haben, wie es sich für Teile bzw. Organe eines gemeinsamen Ganzen gehört. Ähnlich W. Geiger, in: Süsterhenn (Hrsg.), Föderalistische Ordnung, S. 113,123; W. Thieme, AöR 88 (1963), 38,63. Zum Für und Wider der Begriffe R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 64 zu Art. 20 (IV) - „gemeinschaftsfreundliches Verhalten"; J. Isensee, a. a. O.; P. Lerche, VVDStRL 21 (1964), 66, 88 - „Bundessinn";

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desstaatsprinzip, das in gleicher Weise wie das Rechtsstaatsprinzip der grundgesetzlichen Verfassungsordnung zugrunde liegt. Vereinzelt wurde hinsichtlich der Geltung des Bundestreuesatzes bereits von Gewohnheitsrecht gesprochen.416 Diese Ansätze beruhen auf der Erwägung, daß jedes bündische Gemeinwesen auf ein bundesgerechtes Verhalten seiner Glieder und der zentralen Organe des Bundes selbst angewiesen ist, wenn es seiner Idee gerecht werden und als Staatsgebilde wirksam sein soll. Die Treuepflicht entspringt dem bundesspezifischen Umstand, daß Organen und Gliedern des Bundes aufgrund der ihnen verbleibenden, wenngleich ins Ganze eingefügten, Souveränität die Möglichkeit bleibt, sich in einzelnen Lagen anders zu verhalten, als ihre Eingebundenheit in den Gesamtstaat es gestattet.417 Auch an der Zulässigkeit dieser Deduktion wurden jüngst methodische Zweifel vernehmbar. 418 Ebenso wie das Rechtsstaatsprinzip könne auch das Bundesstaatsprinzip nicht als ein überpositiver subsidiärer Rechtssatz des Verfassungsrechts begriffen werden. 419 Vielmehr handele es sich auch hier um ein sprachliches Kürzel für die Summe der bundesstaatlich relevanten Einzelbestimmungen.420 Folgt man dieser Sicht, so ist man bei der Bewältigung von Beeinträchtigungen der hier untersuchten Art auf die Anknüpfungspunkte innerhalb der Kompetenzordnung (vor allem die Artt. 70 bis 75 GG) sowie auf die bundesstaatliche Kollisionsnorm (Art. 31 GG) verwiesen. Deren Leistungskraft wurde bereits detailliert dargestellt 421, ebenso wie die Gefahren ihrer Überdehnung. 422 Will man auf den Einsatz des Bundesstaatsprinzips als eigenständigen Rechtssatz verzichten, so ist man entweder gezwungen, Lücken in Kauf zu nehmen (insbesondere in den Fällen des titelübergreifenden Konflikts) oder sie um den Preis einer methodisch fragwürdigen, dogmatisch ungesicherten und (insbesondere im Blick auf Art. 31 GG) unberechenbaren Interpretation der Kompetenzvorschriften bzw. der Kollisionsnorm zu schließen. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 31 GG gefährdet - wie gesehen423 - den K. Stern, Staatsrecht, Band I, S. 699f.; R. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Rn. 36 zu Art. 70; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 396. 416 So F. Ossenbühl, in: Ossenbühl (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117, 136; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 396. A. Bleckmann (JZ 1991, 900, 901) bezeichnet dies als den Standpunkt „der Lehre". Sein eigener Herleitungsversuch aus Art. 72 Abs. 2 GG a. F. (a. a. O., S. 901 f.) überzeugt nicht, da hier eine einzelne Norm, wenngleich sie in größerem Zusammenhang steht, über ihre Leistungskraft hinaus zur Ableitung von Aussagen herangezogen wird, zu denen sie ihrer (wichtigen, aber begrenzten) Funktion nach außerstande ist. 417 Vgl. H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 395. 418 E. Saröevic, Das Bundesstaatsprinzip, passim. Demgegenüber wendet sich die Kritik von S. Oeter (Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S.483 ff.) nicht gegen die Zulässigkeit der Deduktion an sich. Sie bewegt sich noch auf der Linie Konrad Hesses und bemängelt die (ausufernde?) Handhabung des ungeschriebenen Prinzips. 419 E.Saröevic, Das Bundesstaatsprinzip, S.224. 420 E.Saröevic, Das Bundesstaatsprinzip, S.224. 421 Zur Kompetenzordnung s. den 2. Teil insgesamt, zu Art. 31 GG das 3. Kapitel, II. 422 Die Gefahren einer solchen Überdehnung illustriert auch der Versuch A. Bleckmanns (JZ 1991, 900, 901 f.), die Bundestreue aus Art. 72 Abs. 2 GG a.F. herzuleiten. 423 Siehe oben 3. Kapitel, II.

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Föderalismus, wie das Grundgesetz ihn verwirklichen soll. Auch dafür, daß die Kompetenzordnung bei richtigem Verständnis aus sich selbst heraus Übergriffe korrigiert, finden sich keine ausreichenden Anhaltspunkte.424 Entsprechende Umverlagerungen der dogmatischen Gehalte erscheinen angesichts dessen gewagt. Wie schon beim Rechtsstaatsprinzip deutet sich im Ergebnis der Prüfung kein Anwendungsvorteil des normnäheren Wegs, d. h. der Ablehnung eines deduzierten Rechtssatzes Bundestreue, an. Diese Zweifel sind für die vorliegende Arbeit Veranlassung genug, dem hergebrachten Weg zu folgen. 2. Das Treuegebot als eine Forderung des politischen Stils Treuepflichten der Bundesglieder und -organe in ihren Beziehungen zueinander sind in allererster Linie politische Gebote425: eine gemeinschaftliche, am Wohl aller orientierte Gestaltung des Staatsganzen (und damit zugleich seiner Teile) ist nur machbar, solange die Beteiligten zur gegenseitigen Rücksichtnahme im Interesse aller bereit sind. Diese Pflicht gebietet es den Gesetzgebern in Bund und Ländern, Widersprüche zu vermeiden und es an erster Stelle zu unterlassen, legitime Gestaltungsaktivitäten des anderen durch das eigene konträre Verhalten, durch gezieltes Handeln oder im Wege des Geschehenlassens (etwa bei Maßnahmen der Gemeinde wie im Verpackungssteuerfall 426) bewußt oder unbewußt zu hintertreiben. Verfassungsrechtsfolgen knüpfen sich an die Verletzung der so beschaffenen politischen Pflicht nicht: es handelt sich bei ihr um eine essentielle Forderung des politischen Stils, deren Maßstäbe das Verfassungsrecht ebensowenig bereitstellt, wie es Verstöße hiergegen sanktioniert. 3. Die Bundestreue als Auslegungsfaktor Der Grundsatz der Bundestreue ist in zweierlei Hinsicht auch ein Gesichtspunkt der Norminterpretation. 427 Er ist es zum einen als Aspekt der Deutung der Verfassung (und anderer Normen mit föderaler Bedeutung), wenn es um die Ermittelung des Umfangs von Pflichten und Befugnissen der am Bundesstaat Beteiligten 424

Siehe oben 4. Kapitel. Dazu H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 396. Vgl. auch S. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S.484. 426 Siehe oben 1. Kapitel, I., 2. 427 H.Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd.II, Rn.27 zu Art.20 (Bundesstaat); ders., Die Bundestreue, S. 260 (mit der Warnung vor einer Loslösung dieses Auslegungsaspekts von den herkömmlichen Methoden der Verfassungshermeneutik); H.P. Bull, in: Altemativkommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Rn. 91 vor Art. 83. Siehe auch BVerfGE 43, 291, 349; W. Geiger, in: Süsterhenn (Hrsg.), Föderalistische Ordnung, S. 113,124; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.53; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982,394,396. Vgl. femer S. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S.226. Zum übergeordneten Bundesstaatsprinzip als Auslegungsmaßstab E. Saröeviö, Das Bundesstaatsprinzip, S. 161 ff. 425

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geht. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen (wobei das gesamtstaatliche mit demjenigen der Bundesorgane nicht ohne weiteres identifiziert werden darf 429 ) ist festzustellen, wie weit die aufgestellten Pflichten reichen und wo zugewiesene Befugnisse, bundesgerecht interpretiert, enden. Verfassungsnormen sind insofern jenem Grundmuster entsprechend auszulegen, auf dem sie beruhen und dessen Ausprägung sie darstellen. Die Interpretation föderaler Pflichten und Rechte muß sich demzufolge am föderalen Gedanken selbst orientieren, wie er dem Grundgesetz zugrunde liegt. Diese Verständnisweise bewirkt, daß die vorhandenen bundesstaatlichen Verfassungsbestimmungen, soweit sie es vermögen, selbst auf das Gebot der Treue hinzielen. Das hinter ihnen stehende Gebot determiniert insofern den Maßstab der im Text fixierten Verfassungsrechtssätze. Das Anwendungsfeld des ungeschriebenen Rechtssatzes beginnt erst, wo sich an der Grenze ihres Wortlauts deren Leistungskraft erschöpft. 430 Im Fall des titelübergreifenden Konflikts wurde dieser Zusammenhang bereits deutlich. Die andere Erscheinungsweise des Treuegebots als Auslegungsgesichtspunkt bezieht sich auf den bundesstaatsgefährdenden Akt selbst. Ist dieser (im Fall der Gesetzgebung oder der untergesetzlichen Rechtsetzung) selbst auslegungsfähig, handelt es sich also um eine Rechtsnorm, so wird die Bundestreue auch für ihn zum Auslegungsmaßstab - nicht im Sinne einer in-dubio-Regel zugunsten des Bundes, sondern so, daß die Rechtsnorm dem bündischen Charakter des Gesamtstaats gerecht wird und dem Aufeinanderangewiesensein seiner Glieder entspricht. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die hergebrachte verfassungskonforme Auslegung, hier angesichts des Verfassungssatzes Bundestreue. Ins Spiel tritt sie dort, wo die Kollision von einer bestimmten Art der Normanwendung abhängt.431 Verfassungssätze wirken insofern auf dem ihrer Anwendung vorgelagerten Feld als Auslegungskriterien, indem sie den Norminterpreten zwingen, bei mehreren Deutungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die dem Verfassungsrechtssatz gerecht wird. Wenn sich Gesetze in den von ihnen umgesetzten Regelungskonzeptionen widersprechen, ist deshalb in einem ersten Betrachtungsschritt zu klären, ob die in Frage stehenden Vorschriften einer Auslegung zugänglich sind, nach der sie die Interessensphäre der anderen Bundesebene unberührt lassen. Daran ist beispielsweise zu denken, wenn eine Bundesvorschrift mit weitem Anwendungsbereich einen Ausschnitt umfaßt, der von einem ganz anderen Ausgangspunkt her der landesrechtlichen Normierung offensteht. An dieser Schnittstelle können sich beide Vorschriften unter Umständen als unverträglich erweisen, so daß die Durchsetzung der einen 428

Dazu auch/?. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.406. W. Geiger, in: Süsterhenn (Hrsg.), Föderalistische Ordnung, S. 113, 117; H. G. Rupp, in: FGSchmid, S. 141, 151. 430 Zu den Grenzen dieser Interpretation auch/?. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S.406. 431 So z. B. im Konflikt von Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, wie ihn Jarass schildert. Ein Gegeneinander bestand dort nur bei einer bestimmten Auslegung der kartellrechtlichen Vorschriften (Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.45). 429

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stets und notwendigerweise zu Lasten der anderen geschehen müßte. Ein anschauliches Beispiel einer solchen Lage bietet das unter anderem von Jarass 432 erörterte Gegenüber von Landesrundfunk- und Bundeskartellrecht. Wenngleich von einem echten Spezialitätsverhältnis strenggenommen nur innerhalb einer Rechtsordnung und deshalb nicht im Nebeneinander von Bundesrecht und Landesrecht gesprochen werden kann 433 , so lassen sich derartige Lagen mitunter doch durch eine den Vorrang vermittelnde Auslegung lösen. Eine bundesrechtskonforme Deutung der landesrechtlichen Bestimmungen kommt dabei aus dem Gesichtspunkt der Bundestreue heraus ebenso in Betracht wie ein anwendungseinschränkendes Verständnis des Bundesrechts. Hier ist zu prüfen, wem es eher zuzumuten wäre, entsprechende Einschränkungen der Gesetzesanwendung hinzunehmen.434 Beide Spielarten, in denen die Bundestreue als hermeneutischer Faktor hervortritt, finden ihre Grenze im Wortlaut und im telos der interpretierten Norm. Die Regelung, um deren bundesgerechte Deutung es geht, muß als solche auslegungsfähig sein und einen der bundesstaatlichen Problematik entsprechenden Interpretationsspielraum besitzen. Ihre Umfunktionierung entgegen dem objektiven Gesetzeszweck verbietet sich ebenso wie ein Hinwegsehen über klar entgegenstehende Formulierungen. Überschritten ist diese Grenze beispielsweise, wo der Anwendungsbereich einer Norm interpretativ in einem solchen Maß beschnitten wird, daß nichts oder, nach der Normfunktion zu urteilen, nichts Wesentliches von ihm bleibt.

4. Die Bundestreue als Rechtssatz der Verfassung Wenn der Gesetzgebungsakt nicht ohne Übertretung der Auslegungsgrenzen in einer bundesstaatlich unbedenklichen Weise gedeutet werden kann und hinzukommt, daß keine - auch bundesfreundlich gedeutete - textlich fixierte Norm den Konflikt löst, so tritt die Bundestreue in ihrer dritten Rolle auf: sie erscheint nun als ein Rechtssatz des geltenden Verfassungsrechts. 435 In dieser, der gewissermaßen härtesten Funktion erscheint sie als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Anhand des Treuegebots ist dabei zu klären, ob eine gewisse Handlung oder deren Er432

Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, passim. Vgl. H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.38, 41. 434 Vgl. H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.51. Doch bleibt bei Jarass unklar, in welcher Funktion er die Bundestreue einsetzen will. Während er zunächst erörtert, was vom BVerfG aufgestellt wurde, um die Bundestreue als Rechtssatz handhabbar zu machen (a. a. O., S. 45-51), geht es bei der Heranziehung des Treuegebots in concreto um „Anwendung" und „Vorrang" des Bundes- bzw. Landesrechts (a.a.O., S. 51-54), expressis verbis schließlich um die „Auslegung des Gesetzes" (a.a.O., S.53). 435 BVerfGE 42,103,117; BadWürttStGH NVwZ 1987,574,575; W. Geiger, in: Süsterhenn (Hrsg.), Föderalistische Ordnung, S. 113, 123; R. Mörsdorf; Das belgische Bundesstaatsmodell im Vergleich zum deutschen Bundesstaat des Grundgesetzes, S.281; W.-R. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, S. 29; H.Spanner, DÖV 1961, 481, 484; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 396. 433

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gebnis ein Mindesterfordernis an bundesstaatlicher Rücksichtnahme und damit das Grundgesetz selbst verletzt haben. Für den hier untersuchten Konfliktfall heißt das, daß die hinzugestellte Norm gegebenenfalls wegen ihrer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem fremden Konzept verfassungswidrig ist. Von den Fallgruppen, die sich in der Judikatur des BVerfG zum Bundestreuegrundsatz finden 436, geht es hier um die mißbräuchliche, treuwidrige Ausübung der innegehabten Zuständigkeit, hier in Form der Befugnis zur eigenen legislativen Gestaltung. Die Umrisse und Voraussetzungen dieser Fallgruppe sind trotz ihrer Tradition nicht allzu deutlich. Wenn ein neues, in Art und Umfang seines Erfaßtseins ungewisses Problemfeld in Erscheinung tritt und auf seine Behandlung hin geprüft werden muß, benötigt der Rechtsanwender ein handhabbares Instrumentarium, das in Einzelschritten zu erschließen ist, um nicht der Beliebigkeit einer kriterienlosen Abwägung anheimzufallen. Anhand der Rechtsprechung zur Bundestreue sind die Ecksteine dieser Prüfung faßbar zu machen437 und auf die neue, hier zu betrachtende Fallgruppe des konzeptionellen Konflikts anzuwenden.438

III. Die einzelnen Voraussetzungen und ihr Erfülltsein im Fall des konzeptionellen Konflikts 1. Die konkrete, zurechenbare Verhaltensweise als Ansatzpunkt Das Gebot der Bundestreue greift ein, wo die Interessen von Bund und Land einander so gegenüberstehen, daß ein Teil Schaden nimmt, wenn der andere seine Maßnahmen ausschließlich dem eigenen Interesse entsprechend trifft. Diesem verbreiteten Merksatz 439 ist zunächst zu entnehmen, daß die Prüfung der Bundestreue stets bei einem konkreten Handeln oder Geschehenlassen durch einen im Bundesstaatsverhältnis beteiligten Hoheitsträger ansetzt. Wann das Geschehene als ein Tun (im Fall der Überschreitung einer Handlungsbefugnis) und wann es als eine Unterlassung (bei Nichterfüllung einer bundesstaatlichen Pflicht) anzusehen ist, kann man 436

Aufgezählt in BVerfGE 12, 205, 254f. Andeutungen zur Konturierung solcher Voraussetzungen bei J. Isensee, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 98 Rn. 157 (der dann jedoch bemerkt, die Bundestreue sei keine „subsumtionsfertige Norm") und C. Doerfert, JuS 1996, L89,91, dessen „Anwendungsvoraussetzungen" kaum abschließend gemeint sein können, da sie sich in negativen und einschränkenden Tatbestandsmerkmalen (Subsidiarität, Akzessorietät) erschöpfen. S. außerdem H. Bauer, Die Bundestreue, S. 335 ff.; E. Bauschke, Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, S. 124. 438 Es ist eine der Dogmatik des Föderalismus entstammende Eigentümlichkeit der Bundestreue, daß sie stets aufs Neue zu konkretisieren ist. Vgl. K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 37 zu Art. 20 Abs. 1. 439 BVerfGE 31,314,355 (Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand); 43,291,348; A. Katz, Staatsrecht, Rn. 248; R. Mörsdorf, Das belgische Bundesstaatsmodell im Vergleich zum deutschen Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 274; W. Rudolf, in: FG BVerfG, Bd. II, S.233, 251; ähnlich W. Schmitt Glaeser/C. Degenhart, AfP 1986, 173, 178. 437

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oft beliebig wenden : wer den Rahmen seiner Handlungsbefugnis bei dieser oder jener konkreten Aktivität übertritt, unterläßt es, seine Grenzen zur Kenntnis zu nehmen und fremde Interessen zu berücksichtigen. Wo eine Pflicht vernachlässigt, ihr nachzukommen also unterlassen wird, äußert sich dies in aller Regel in Gestalt einer pflichtwidrigen Handlung. Im Fall des Gegeneinanders gesetzgeberischer Konzeptionen liegt das Handeln im Inkraftsetzen eines Gesetzes441, d. h. in der Ausübung einer vom Grundgesetz formal zugewiesenen legislativen Gestaltungsbefugnis. Unterlassen wird es dabei, vor dem Inkraftsetzen einer Regelung deren Auswirkungen auf die Normordnungen anderer Hoheitsträger zu berechnen und bei einer zu erwartenden Beeinträchtigung auf den Erlaß der so beschaffenen Norm zu verzichten. Die Normgestaltung muß vom Gesetzgeber freiwillig gewählt worden sein: wo eine dritte, übergeordnete Gewalt (wie z. B. die EU) die Vorschrift ihrem Inhalt nach vorzeichnet, kann ihr Inkraftsetzen nicht als ein Akt begriffen werden, der selbst die Treuepflicht verletzt. Ein Verstoß ist dann allerdings unter dem Gesichtspunkt der versäumten Einbeziehung des anderen Kompetenzinhabers vorstellbar. 2. Die (formal gesehen) vorhandene Befugnis, sich so zu verhalten Das in Frage stehende Tun oder Unterlassen muß auf einer Befugnis beruhen, die - formal und losgelöst von fremden Interessen interpretiert - dieses Verhalten umfaßt. 442 Dem Kompetenzinhaber muß es den Buchstaben des Gesetzes zufolge freigestanden haben, sich in der von ihm gewählten Weise zu verhalten. Ins Zentrum der Betrachtungen geraten dabei vor allem die föderalen Rechte und Pflichten des Grundgesetzes.443 In diesen Zusammenhang gehört letztlich auch das vom BVerfG 444 aufgestellte, aber mit ungleicher Strenge angewandte445 und im Schrift440

Vgl. auch E. Bauschke, Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, S. 118. Dagegen hält H. Bauer (Die Bundestreue, S. 332ff., 342ff.) an der Typologie fest. 441 Diese Überlegungen lassen sich - mutatis mutandis - auf den Erlaß untergesetzlichen Rechts übertragen. Zu den Besonderheiten der Bundestreueproblematik im Hinblick auf kommunale Normsetzungsakte nachstehend VI. 442 BVerfGE 31, 314, 354 (Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand); 34, 9, 44; C. Doerfert, JuS 1996, L89,91 f.; H.J. Faller, in: FS Maunz, S.53,63; G. Leibholz/H.-J. Rinck! D. Hesselberger, Grundgesetz, Rn. 123 zu Art. 20. Vgl. auch H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 395. 443 Nach C. Pestalozza („Formenmißbrauch" des Staates, S. 102) sind gerade diese Fragen aus der Kompetenzordnung heraus zu beantworten, da die Zuständigkeitsnorm zu einer bestimmten Ausübung entweder legitimiere oder eben nicht. Dennoch bleibt das (von Pestalozza auf diese Art übersprungene) Problem, woher eine unverzichtbare, rechtsverbindliche Rücksichtnahmepflicht zu gewinnen ist, wenn die Kompetenznormen selbst sie nicht enthalten (dazu siehe oben, 4. Kapitel). 444 BVerfGE 13,54,75; 21,312,313; 42,103,117; 95,250,266; s. femer BVerwGE 50,137, 148. 445 H.Bauer, Die Bundestreue, S.333f., 336.

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tum teilweise bestrittene Kriterium der Akzessorietät. Ein Rechtsverhältnis muß insofern bestehen, als eine Befugnis (formal betrachtet) bereits begründet ist. 447 Hier, auf dem Gebiet legislativer Kompetenzwahrnehmungen, ergibt sich die formal eröffnete Befugnis aus dem Vorhandensein eines grundgesetzlichen Kompetenztitels zugunsten des Tätiggewordenen. Dieser muß die Regelung ihrem Inhalt nach tragen. Die oben angestellte Untersuchung kompetenztitelübergreifender und kompetenztitelinterner Konflikte schied bereits diejenigen Fälle aus, bei denen es an dieser formalen Position fehlt und für die es deshalb des Rekurses auf die Bundestreue nicht bedarf, da die geschriebene Kompetenzordnung selbst sie bewältigt. Zur eigenen Gestaltung bleibt der Landesgesetzgeber danach in den Fällen des titelübergreifenden Konflikts befugt 448 (an dem die Kompetenzordnung scheitert, weil alle Gesetzgebungsbefugnisse gleichwertig sind), sowie dort, wo das vom Bund festgesetzte Regelungsmuster (im Bereich von Art. 72 GG) keine vollständige Sperrwirkung entfaltet. 449 Die Bundestreue gelangt hier möglicherweise korrigierend zum Einsatz. Inwieweit angesichts der Besonderheiten dieser Aufgabe ihre Maßstäbe modifiziert werden müssen, gilt es zu klären. Über die grundsätzliche Befugnis hinaus müssen auch die übrigen einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen450 des jeweiligen Verhaltens erfüllt sein. Daß diese Vorschriften im Zweifel selbst bundesstaatskonform zu interpretieren sind, wurde bereits gezeigt. Wo die in Frage stehende Verhaltensweise gegen Normen des geschriebenen Rechts verstößt 451, ist die Anwendung des ungeschriebenen Grundsatzes ausgeschlossen.452

3. Die Verletzung von schutzwürdigen Interessen eines fremden Kompetenzinhabers Kern des Bundestreuegedankens ist die Verhinderung von gegenseitigen Beeinträchtigungen durch rücksichtslose Ausschöpfung der formal vorhandenen Befug446 Vgl. H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn.29 zu Art. 20 (Bundesstaat); ders., Die Bundestreue, S. 334ff.; W. Thieme, AöR 88 (1963), 38, 67. 447 J.Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, §98 Rn. 157 (Nr.2); vgl. fernerauch W. Thieme, AöR 88 (1963), 38, 67. 448 s. o. 4. Kapitel. 449 s.o. 5. Kapitel. 450 BVerfGE 31, 314, 354 (Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand). 451 HJ. Faller, in: FS Maunz, S.53, 63. 452 BVerfGE 34,9,44; BVerwGE 50,137,148; H. Bauer, Die Bundestreue, S. 372; C. Doerfert, JuS 1996, L89,91; HJ. Faller, in: FS Maunz, S.53,69; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 270; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, §98 Rn. 157 (Nr. 3); H. Maurer, Staatsrecht, § 10 Rn. 53; I. von Münch, Staatsrecht, Rn.593; M. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Rn.69 zu Art. 20; H. Spanner, DÖV 1961,481,485.

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nis 453 , die es scheinbar umfaßt, sich in dieser Weise zu verhalten. Entscheidend ist damit die Verletzung von Interessen der anderen Ebene, die geschehen sein muß oder mit Gewißheit bevorsteht. Die Interessen, von denen hier zu sprechen ist, sind Gestaltungs- und Mitbestimmungsinteressen im weitesten Sinn: an der eigenen Problembewältigung und dem Erhalt der dazu notwendigen Gestaltungsmittel, an Art und Umfang der Mitwirkung bei einer Entscheidung, wenn es um bedeutsame eigene Belange geht, oder an der Wahrung der Gleichberechtigung im Verhältnis der föderalen Glieder zueinander. Im hier untersuchten Zusammenhang besteht das Interesse, dessen Beeinträchtigung nachzuweisen ist, an der Wirksamkeit des gewählten Regelungsmusters und damit an der Realisierbarkeit dessen, was gesetzgeberisch geplant wurde, letztlich also an der tatsächlichen Verfügbarkeit des eigenen Kompetenzspielraums. Aufgrund der demokratischen Legitimation des jeweiligen Parlaments zur politischen Gestaltung durch Gesetzgebung ist dieses Interesse ein originär objektives. Irgendein hinter der durchkreuzten Norm zu vermutendes „objektives Interesse" 454 an der gewählten Gestaltungsform ist demzufolge nicht zu suchen. Zunächst gilt es daher zu ergründen, welche Wirkungen des hinzutretenden Gesetzgebungsaktes außerhalb des Gestaltungsbereichs jenes Hoheitsträgers zu verzeichnen sind, der die Norm erläßt 455. Begreiflicherweise kommt es bei der Bestimmung des Übergriffs in einen fremden Bezirk nicht auf das Moment der räumlichen Geltung, sondern auf die Wahrnehmbarkeit in fremden Normordnungen an: die rechtlichen und tatsächlichen Folgen der hinzugestellten Vorschrift müssen innerhalb einer fremden Teilrechtsordnung (d. h. auf einer anderen Ebene des Bundesstaats) wahrnehmbar sein. In dieser Weise machen sie sich bemerkbar, wenn sie die Effektivität der fremden Bestimmung senken oder erhöhen, ihren tatsächlichen Anwendungsbereich verschieben oder sie infolge der eigenen Rigorosität überflüssig machen. 4. Die nötige Schwere der Störung Das Gebot der Bundestreue steht im Raum, wenn eine ausufernde Gestaltungsaktivität in einen Bezirk schützenswerter Interessen der anderen bundesstaatlichen Ebene hinüberwirkt. In jedem echten Bundesstaat stehen sich jedoch notwendigerweise zwei Gestaltungs- und Alleinbestimmungsräume gegenüber, die aneinander ihre Grenzen finden. Die Komplexität und der Beziehungsreichtum der rechtlichen und tatsächlichen Strukturen lassen es dabei als unvermeidlich erscheinen, daß die eigene Aktivität auch im fremden Zuständigkeitsraum in irgendeiner Form wahrzunehmen ist. Die Inhaber insbesondere einer legislativen Kompetenz sind zur Bewäl453 A. Bleckmann, JZ 1991, 900; s. auch W. Schmitt GlaeserIC. Degenhart, AfP 1986, 173, 178; K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 38 zu Art. 20 Abs. 1. 454 Vgl. BVerfGE 8, 122, 140f. 455 Vgl. BVerfGE 4, 115, 140; 6, 309, 361.

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tigung der anfallenden Probleme auf deren umfassende Nutzung angewiesen. Dem trägt auch das Grundgesetz Rechnung, wenn es sich mit der Zuweisung der Positionen begnügt, ohne eine Koordination der Gestaltungsmuster über die Ebenen hinaus zu verlangen. Wenn nun ein - verfassungsrechtlich gleichwohl begründeter - ungeschriebener Rechtssatz als Korrektiv herangetragen wird, kann es zu der von ihm vermittelten Verfassungswidrigkeit nicht ausreichen, daß die Folgen des eigenen Verhaltens im fremden Bereich in irgendeiner Weise, und sei sie auch für den anderen ungünstig, wahrnehmbar sind. Nach den Aussagen des BVerfG, die auf diesem Gedanken beruhen, geht es beim Einsatz der Rechtsfigur Bundestreue um eine Absteckung äußerster Grenzen. 456 Ein Blick auf die Rechtsprechung des Gerichts bestätigt die Zurückhaltung grundsätzlich. 457 Demjenigen, der in die Lage kommt, eine Norm auf ihre Verträglichkeit mit dem Gebot der Bundestreue hin zu überprüfen, ist mit der allgemeinen Aufforderung zum zurückhaltenden Einsatz458 zunächst jedoch kaum weitergeholfen. Ihm bliebe es überlassen festzulegen, wie weit draußen die äußerste Grenze in dem von ihm zu behandelnden Fall verläuft. 459 Das Gericht konkretisierte das Treuegebot jedoch in einzelnen Fallgruppen. Bei der Wahrnehmung von Kompetenzen im Verwaltungsbereich und auf dem Feld der Gesetzgebung ist die äußerste Grenze seinen Aussagen zufolge überschritten, wenn die Kompetenz mißbräuchlich ausgeübt wurde. 460 Die Mißbräuchlichkeit beziehe sich dabei, dem objektiven Wesen der Bundestreuepflicht entsprechend, auf das äußere Erscheinungsbild des Vorgehens. Ein Schuldvorwurf sei darin nicht enthalten.461 Ausgehend von der Funktion der Bundestreue 462 und unter Berücksichtigung der gerichtlichen Prämissen ist nun zu präzisieren, bis wohin konzeptionelle Gegenläufigkeiten aus bundesstaatlicher Sicht hinnehmbar sind. 463

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BVerfGE 4, 115, 140. H. Bauer, Die Bundestreue, S. 369; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 369; A. Katz, Staatsrecht, Rn.248. 458 s. auch H. Bauer, Die Bundestreue, S. 339; H.J. Faller, in: FS Maunz, S. 53, 66; F. Ossenbühl, in: Ossenbühl (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117, 137. 459 Kritisch auch H. Bauer, Die Bundestreue, S. 339f. 460 BVerfGE 4,115,140; 6,309,361; 14,197,215; 61,149,205; 81,310,337. Zur Frage, ob der Rechtsmißbrauchsbegriff die Bundestreue konkretisiert oder umgekehrt diese den Rechtsmißbrauch, s. W. Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 143, insbesondere Fn. 260. 461 BVerfGE 8, 122, 140; vgl. auchP. Unruh!J. Strohmeyer, BayVBl. 1999, 609, 614. 462 BVerfGE 31, 314, 354 f; HJ. Faller, in: FS Maunz, S.53, 66. 463 Die Ermittelung dieser Grenze läßt C. Bumke (ZG 1999, 367, 384) trotz seines Untersuchungsziels unversucht. 457

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IV. Das Gewicht der Störung in den Fällen des konzeptionellen Konflikts 1. Die Verschiedenheit der gewählten Gestaltungsmittel als ein ungeeignetes Kriterium Bundestreueverstöße könnten beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn die Handlungsmittel auseinanderfallen, mit denen sich Bund und Land dem gleichen Problemfeld zuwenden. Doch verhindert es bereits die grundgesetzliche Kompetenzordnung, daß die Gesetzgeber beider Ebenen des Bundesstaats zu ein und demselben Problem ein identisches Lösungsmuster entwickeln. An einen Treueverstoß kann deshalb allenfalls dort gedacht werden, wo nicht nur Abweichungen bestehen, sondern echte Gegensätzlichkeit des gewählten Modells festzustellen ist. So verhält es sich, wenn einem Kooperationsmodell repressive Sanktionen gegenübergestellt werden und Pflichten den Spielraum verengen, den der andere einräumt. Aufschluß über die mögliche Gegensätzlichkeit verschafft auch die Betrachtung, in welcher Form und in welchem Maß Handlungsziel und Handlungsmittel in beiden Regelungen verbindlich sind, d. h. ob die Verantwortung für die Erreichung des erstrebten Zwecks zwischen dem Staat und den Betroffenen in unterschiedlicher Weise verteilt wird. * Das Problem dieses Kriteriums liegt dabei zum einen in der Vielfalt und Nuanciertheit vorstellbarer Regelungsmuster. Bereits bei der regelungstechnisch vergleichsweise simplen Lenkungssteuer bereitete die Feststellung ihrer Vereinbarkeit mit einem Kooperationsmodell einerseits 464 und einem ordnungsrechtlichen System von Sanktionen465 andererseits außerordentliche Schwierigkeiten. Hinzu kommt, daß auch bei gesetzlichen Handlungsmitteln nicht ohne weiteres von gravierenden Übergriffen auszugehen ist, wenn sich zum Beispiel beide Regelungsmuster nur punktuell, d. h. in wenigen Fällen, tatsächlich überschneiden. Die Disparität der gewählten Steuerungsmittel ist folglich nicht dasjenige Moment, welches einem konzeptionellen Bruch die notwendige Schwere verschafft, die ihn zum Bundestreueverstoß werden läßt.

2. Der Gegensatz der verfolgten Ziele als gleichermaßen ungeeigneter Anhaltspunkt Um Verstöße gegen die Bundestreue könnte es sich jedoch handeln, wenn Bund und Land mit ihren Regelungen unvereinbare Ziele verfolgen. Konsequenz dessen wäre es, daß die zunächst untätige Ebene politisch an die Ziele der bereits aktiv gewordenen gefesselt ist, es sei denn, daß man, dem Gedanken von Art. 31 GG ent464

Wie im Fall der kommunalen Verpackungssteuer, s.o. 1. Kapitel, I., 3. 465 \Yj e j m Fall der Spielautomatensteuer, s.o. 1. Kapitel, V., 1. 14 Haack

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sprechend, den Zielen des Bundes stets Vorrang gibt. Die Fürsprecher 466 einer so umfassenden Bindung im Politischen haben sich im Schrifttum nicht durchsetzen können.467 Insbesondere in der zuletzt genannten, den Bund stets bevorzugenden Variante ignoriert diese Forderung einen Wesenszug jener föderalen Ordnung, die das Grundgesetz etabliert. Die Grundidee der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung (Art. 30 GG) sowie deren spezielle Ausgestaltungen im Gesetzgebungsbereich (insbesondere die Artt. 70 ff. GG) und auf dem Gebiet der Verwaltung (insbesondere die Artt. 83 bis 85 GG) verdeutlichen, daß Landespolitik und Bundespolitik eigene Gestaltungswege verfolgen dürfen. 468 Die Zuständigkeit, die sich hieraus ergibt, ergibt sich vollständig: die Ausübung der Kompetenz umspannt auch die Festlegung eigener Ziele. Das Land ist deshalb innerhalb seines verfassungsdefinierten Zuständigkeitsbereichs nicht verpflichtet, politischen Konzepten des Bundes zu folgen. 469 Hinzu kommt wiederum jene Unschärfe, wann von gegenläufigen Zielen gesprochen werden kann. Bereits am Beginn der Arbeit wurde festgestellt, wie sich alle Ziele bei hinreichender Verallgemeinerung auf einen (verfassungsrechtlich allerdings wertlosen) Nenner bringen lassen. Ihre genauestmögliche Verdeutlichung führt umgekehrt, von Unterschieden in den Details des Instrumentariums ausgehend, fast zwangsläufig zu verschobenen Nuancen. Wann sollten Gegensätzlichkeiten im Regelungsziel zweier Lösungsmuster demzufolge mit zufriedenstellender Gewißheit diagnostizierbar sein?

3. Der entscheidende Gesichtspunkt: die Beeinträchtigung der intendierten Wirkung einer fremden Norm Die Ermittelung des gesuchten Kriteriums muß, um das Entscheidende zu treffen, am Grundgedanken des Bundestreuegebots ansetzen: der rücksichtslosen Beeinträchtigung einer fremden Interessenssphäre bei der Verfolgung des eigenen Zwecks. 470 Die Bundestreue ist als Rechtssatz dort ins Spiel zu bringen, wo sie das bestehende, fremde Gestaltungsmuster beschädigt. Im Fall der widersprüchlichen Gesetzeskonzeptionen verhält es sich so, wenn die hinzugesetzte Norm den Wrr466 Am weitesten wagt sich in diese Richtung A. Bleckmann (DÖV 1986, 125, 131) vor. Deutlich vorsichtiger und mit einer zwingenden Beschränkung auf „Homogenität im Grundsätzlichen" auch W. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 38. 467 Kritisch z.B. P Selmer, DÖV 1974, 374, 379. 468 Bereits seiner Idee nach gegenteilig A. Bleckmann, DÖV 1986,125,131. Er befürwortet ein Konformitätserfordemis aus sozialstaatlichen Gründen. 469 Diese Argumente sind zugleich auch Gesichtspunkte gegen die vorstehend als Kriterium abgelehnte Verschiedenheit der gesetzgeberischen Handlungsmittel. Sie gelten dort um so stärker. 470 BVerfGE 31, 314, 355; A. Bleckmann, JZ 1991, 900; H.J. Faller, in: FS Maunz, S.53, 66 f.; K.-P. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Auflage, Rn. 38 zu Art. 20 Abs. 1.

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kungsmechanismus der anderen stört oder außer Kraft setzt , indem sie beispielsweise Anreize wertlos macht, gezielte Förderungen durch Belastungen erschwert oder - umgekehrt - ein vom anderen bekämpftes Verhalten in bestimmter Form begünstigt.472 Das fremde Instrumentarium kann beispielsweise auch dadurch außer Kraft gesetzt werden, daß sich sein künftiger Einsatz wirtschaftlich nicht mehr lohnt 473 , oder dadurch, daß eine Bestimmung infolge ihrer besonderen Regelungstechnik der anderen die Anwendungsfälle entzieht.474 Die notwendige Schwere der Beeinträchtigung liegt in der Störung selbst. Dabei ist genau zu unterscheiden, ob eine Norm die andere in konträrer Richtung außer Kraft setzt oder in gleicher Richtung aufgrund der größeren Leistungsfähigkeit überholt. Das Ziel der gesetzgeberischen Aktivität spielt insofern doch eine Rolle. Wo eine wirksamere Norm dasjenige erfolgreich eindämmt, was auch die andere, wenngleich uneffektiver, bekämpfte, kann kein bundestreuerelevanter Konflikt angenommen werden. Anders verhält es sich nur, wenn ein Gesetzgeber zugunsten der Betroffenen auf ein Höchstmaß an Effektivität und die Durchsetzung eines einseitig definierten Zwecks verzichtet. Verbietet der Bund dagegen ein Verhalten, dem auch der Landesgesetzgeber mit Lenkungssteuern entgegentrat, so liegt darin keine Verletzung des landesrechtlichen Instrumentariums. In diesem Fall hat jeder Teil das (möglicherweise einzige) kompetenzrechtlich verfügbare Mittel gewählt, um der unerwünschten Entwicklung entgegenzuwirken. Das Verbot des Bundes zielt in dieselbe Richtung; es beeinträchtigt das landesrechtliche Instrumentarium nicht, sondern macht es infolge der Erreichung des identisch festgelegten Ziels überflüssig. Nur dort, wo erkennbar ist, daß ein Land das Druckmittel Lenkungssteuer den stringenteren ordnungsrechtlichen Formen vorgezogen hat, könnte in diesem Beispiel auch der Bund zur Rücksichtnahme verpflichtet sein. Doch ist eine solche Konstellation kompetenzrechtlich nur schwer vorstellbar. 475 Ebensowenig kann das 471

Ähnlich J. Ströfer, JZ 1979, 394, 396; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 74. Strenger P. Selmer, DÖV 1974, 374, 380 hinsichtlich einer Beschränkung von Verbrauchs- und Aufwandsteuern: die Grenze des Mißbrauchs sei erreicht, wo sie die Verteilungsfunktion der Finanzverfassung in Frage stellen. S. zu diesem Bereich auch C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 74. 473 Wenn ein Gesetz beispielsweise ein bestimmtes Lösungsmodell etablieren will, das sich nur trägt, wenn genügend Interessierte daran mitwirken, und eine entgegenstehende fremde Regelung es verhindert, daß ein solches Interesse entsteht. 474 H.D. Jarass (Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.42) sieht allein hierin die „wirkliche Kollision". Doch gibt es auch andere Formen des Aufeinanderprallens unabgestimmter Landes- und Bundesnormen, in denen sich dasselbe Problem ebenso dringend stellt. Neben der im Text angesprochenen ökonomischen Vereitelung sind auch Fälle zu bedenken, in denen dem Gesetz gerade eine bestimmte, vom Bundesgesetzgeber anvisierte Anwendungsfallgruppe entzogen wird, ihm aber zahlreiche andere Fälle verbleiben. 475 Ein solcher Fall liegt theoretisch (denn es gibt ihn nicht!) und scheinbar vor, wenn der Bund auf einem Feld der konkurrierenden Zuständigkeit noch nicht tätig war. Das Land kann dann gegebenenfalls wählen zwischen Ordnungsrecht und lenkungssteuerrechtlichen Maßnahmen, gestützt auf Art. 105 Abs. 2 a GG. Entscheidet es sich bewußt für die schonendere Variante der Steuer, so gerät diese Entscheidung und die damit verbundene Lenkungskonzeption in Ge472

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Land sich darauf berufen, daß ihm eine sprudelnde Einnahmequelle versiegt. Wenn die Lenkungsfunktion im Vordergrund steht, ist es das Ziel des Landes, die besteuerten Verhaltensweisen zu unterdrücken. Handelt es sich hingegen um eine Fiskalzwecknorm, der die lenkende Wirkung als ein Nebeneffekt anhaftet, so besitzt sie bereits ihrer Natur nach kein Regelungskonzept im hier zugrunde gelegten Sinn, das durchkreuzt werden könnte. Wo ein im Bund beteiligter Hoheitsträger dem anderen auf irgendeine Art (und beispielsweise auch durch Störung seiner Steuergesetzgebung) die Deckung des Finanzbedarfs erschwert, kann der Gesichtspunkt der Bundestreue gleichwohl bedeutsam erscheinen. Maßgeblicher Anknüpfungsgesichtspunkt ist dann jedoch nicht die Widersprüchlichkeit der Regelungskonzeptionen. Störungen und Behinderungen des fremden Lösungsmusters beginnen, wo in einigen, kaum nennenswerten Einzelfällen die intendierte Wirkung eines anderen Gesetzes gehemmt wird. So kann eine bestimmte Regelung einen geringen Ausschnitt ihres Adressatenkreises, bei dem besondere Umstände hinzukommen, dazu bewegen, etwas zu tun, was der Gesetzgeber verhindern wollte. Von einer relativ schwachen Störung ist auch zu sprechen, wenn sich der Anwendungsbereich zweier Normen nur punktuell überschneidet. Um Geringfügigkeiten handelt es sich ebenfalls bei Beeinträchtigungen von kurzer Dauer (wenn beispielsweise das in seiner Wirksamkeit behinderte Gesetz ohnehin außer Kraft tritt), sowie dort, wo das neue Gesetz nur jene Fälle in einer konträren Weise erfaßt, die in das andere nur zufällig einbezogen waren. Derartige und ähnliche Geringfügigkeiten sind außer Betracht zu lassen. Die äußerste Grenze, die das Bundestreuegebot nach der Aussage des BVerfG bildet, ist in diesem Fall nicht erreicht. 476 Außerhalb dieses (weiten!) Feldes leichter und hinnehmbarer Hemmnisse besitzen Störungen des fremden Lösungsmusters das erforderliche Gewicht an einer dem föderalen Status widersprechenden Rücksichtslosigkeit, das den Einsatz der Rechtsfigur Bundestreue als Verfassungssatz rechtfertigt. Dem Eingebundensein in ein bundesstaatliches Gesamtgefüge und der daraus sich ergebenden Pflicht zur Rücksichtnahme widerspricht es, wenn zugunsten eigener Bestrebungen die Rechtsordnung des anderen Teils, d. h. dessen zentrales Gestaltungselement, in ihrer Wirksamkeit gemindert wird. Bundesstaatlichkeit setzt in diese und in jene Richtung voraus, daß die aufeinander angewiesenen Teile dort auf eigenes Handeln verzichten, wo ein anderer dadurch Schaden fahr, wenn der Bundesgesetzgeber erst danach seine Sachzuständigkeit durch Gestaltung eines rigorosen Ordnungsmodells ausschöpft. Dennoch kann entgegen dem ersten Anschein auch in diesem Fall der Landesgesetzgeber keine Berücksichtigung seines Vorgehens verlangen: das Landeskonzept steht, soweit es sich auf den Verzicht des Ordnungsrechts bezieht, unter dem Vorbehalt der konkurrierenden Bundesgesetzgebung. Der Verzicht auf das strengere Instrumentarium geht mit der Inanspruchnahme des Themas durch den Bund unter. Das Land kann nicht länger auf Ordnungsrecht verzichten, weil es auch keines mehr setzen dürfte (was ein Verzicht jedoch per definitionem voraussetzt). Das Verbot tritt in diesem Fall neben die Lenkungssteuer. 476 Auch H. Bauer (Die Bundestreue, S. 340), der sich zum Geringfügigkeitsvorbehalt zurückhaltend äußert, erkennt „konkrete Erheblichkeitsschwellen" bei Einzelausprägungen des Treuegebots an.

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nimmt. Innerhalb des Bundesstaats darf daher kein Beteiligter die eigene Regelungskonzeption um den Preis der Schädigung eines bestehenden fremden Lösungsmusters verfolgen.

V. Die Rechtsfolgen der Bundestreueverletzung, insbesondere: die Bestimmung der unterliegenden Norm Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Bundestreuepflicht ist die Verfassungswidrigkeit jenes Verhaltens, das die fremden Interessen verletzt. 478 Im Fall eines Gesetzgebungsakts ist dies die Nichtigkeit der erlassenen Norm. 479 Auf den Vorrang einer verfassungskonformen (hier: bundesstaatsgerechten) Auslegung und ihre Grenzen wurde bereits hingewiesen. Welche der in Konflikt geratenen Normen unterliegt demzufolge als die bundesstaatswidrige dem Verdikt der Nichtigkeit? Was sich auf den ersten Blick (mit dem Hinweis: „die verletzende") einfach beantworten läßt, ist bei genauerer Betrachtung weit weniger eindeutig: wie ermittelt es sich, welche Norm im Fall der Überschneidung zweier Zuständigkeitsbereiche verfassungswidrig ist, wenn beide sich gegenseitig hemmen und behindern? So gefragt, liegt die Idee nahe, in der Rechtsfolgenbestimmung des Bundestreuegebots ein Problem der Zumutbarkeit zu sehen.480 Das Zumutbarkeitskriterium paßt indes nicht zur Beschaffenheit der Kompetenzordnung: grundsätzlich ist es keinem Kompetenzträger zuzumuten, von der Ausübung seiner Gestaltungsbefugnis abzusehen. Wo er legitime Interessen anderer beeinträchtigt, trifft ihn die (Bundestreue-)Pflicht, ausnahmsweise darauf zu verzichten. Auf eine solche Verletzung der Interessen des anderen zu verzichten, ist ihm wiederum ausnahmslos zumutbar. Den Ausnahmefall, der Interessenverletzungen legitimiert, gibt es nicht; dies liefe auf eine partielle Außerkraftsetzung der bundesstaatlichen Verfassungsgarantien hinaus. Die Rechtsfolge des Bundestreueverstoßes bestimmt sich folglich nicht durch Abwägung. Aus diesem Grund kommt es auch auf den von Jarass481 ins Spiel geworfenen Gesichtspunkt des Verfassungsauftrags nicht an. Von der Verfassung wird niemand zur Verletzung fremder Interessen legitimiert oder beauftragt. Gesichtspunkte dieser Art spielen eine Rolle bei der Frage, ob eine Befugnis zum Tätigwerden bestand und was sie umfaßte. 477 J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, §98, Rn. 154; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 703; vgl. femer W. Schmitt Glaeser/C. Degenhart, AfP 1986, 173, 183. 478 B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn. 21 zu Art. 20. 479 H.Maurer, Staatsrecht, § 10 Rn.53. 480 Ähnlich wohl H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.50, sofern man seine Darstellung nicht ausschließlich als eine solche des Auslegungsmaßstabs begreift. Vgl. auch BadWürttStGH NVwZ 1987,574,575. Wieso die Zumutbarkeitsabwägung vom Typ der Kompetenz abhängen soll, bleibt unklar. Den a. a. O. angeführten Entscheidungen des BVerfG ist eine solche Aussage nicht zu entnehmen. 481 Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.51.

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: Widersprüchlichkeit als

rneverstoß

Dem Gedanken von Art. 31 GG zufolge stets die Landesnormen zurücktreten zu lassen, widerspricht der Wechselseitigkeit482 des Bundestreuegebots: auch der Bund muß auf den vorhandenen Landesnormbestand im Moment seiner Aktivität Rücksicht nehmen, soweit dieser kompetenzkonform geschaffen wurde und weiterbestehen kann. 483 Weil Lagen dieser Art aus kompetenzrechtlichen Gründen ohnehin selten und Landesgesetze untereinander oft ähnlich sind, führt dieses Ergebnis nicht zu einer unannehmbaren Erschwerung der bundesgesetzgeberischen Tätigkeit. 484 Als Entscheidungsgesichtspunkt ungeeignet erscheint auch die Frage, welcher der beiden Kompetenzinhaber sich der Grenze seiner Zuständigkeit deutlicher genähert hat. Von unüberwindlichen Entscheidungsschwierigkeiten im Einzelfall abgesehen, spricht gegen ein solches Herangehen auch, daß die geschriebene Kompetenzordnung keine Hinweise auf die Zulässigkeit solcher Abstufungen enthält. Die Abgrenzung nach Sachbereichen verdeutlicht vielmehr, daß nur nach zuständig oder unzuständig, nicht nach mehr oder weniger zuständig zu unterscheiden ist. 485 Auch der Vorrang bestimmter Kategorien von Kompetenztiteln gegenüber anderen scheidet aus. Grundgesetzliche Befugnisse zur Gesetzgebung, auch Steuerzuständigkeit und Sachzuständigkeit, sind untereinander gleichwertig. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme lassen sich im Grundgesetz nicht finden. Hiergegen könnte man einwenden, daß Steuergesetze (als ein Sonderfall der Gesetzgebung) gestalterischen Zwecken generell indifferent gegenüberstehen und daß sie sich deshalb, wenn sie ausnahmsweise mit solchen Zwecken verbunden sind, den Sachregeln anzupassen haben - oder weichen müssen. Dem ist entgegenzuhalten, daß Steuergesetze seit jeher einen hybriden Charakter besitzen.486 Indem das Grundgesetz Steuergesetzgebungsbefugnisse und Sachzuständigkeiten gleichberechtigt nebeneinanderstellt, nimmt es die Begegnung verschiedener Tendenzen in Kauf, ohne die eine der anderen überzuordnen. Wenn die Lenkungssteuer zuerst besteht, ist sie trotz ihrer Wirkungen im Sachbereich ein legitimes Gestaltungsmittel. Sie ist insofern nur ein Ausschnitt aus jener Palette von Möglichkeiten, wie ein Gesetzgeber mit Vorschriften, die gerade nicht der speziellen Sachkompetenz entstammen, in einem bestimmten Bereich sachregelungsähnliche Wirkungen herbeiführen kann. Mittel dazu können auch das Strafrecht, das Ordnungswidrigkeitenrecht und selbst das Verfahrensrecht 487 sein. Wo die Lenkungssteuer jedoch später hinzutritt und mit ihrer verhaltensbeeinflussenden Wirkung in den Sachbereich eingreift, ist sie es, die 482 BVerfGE 14, 197, 215; P Unruh/J. Strohmeyer, BayVBl. 1999, 609, 614; H.-J. Wipfelder, VB1BW 1982, 394, 396. 483 BVerfGE 98, 106, 119f.; H.D. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S.50f. 484 Bedenken äußerte u.a.M. Rodi, StuW 1999, 105, 113. 485 Vgl. auch M. Rodi, StuW 1999, 105, 116 (in ähnlichem Zusammenhang): „Kompetenzgrenzen sind grundsätzlich nicht gleitend, sondern strikt". 486 Vgl. dazu F. Kirchhof, DVB1. 2000, 1166; D. Pohmer, DStZ 1993, 577, 580f.; M. Rodi, Umweltsteuern, S. 69 - jeweils m. w. N. 487 Beispielsweise in den Fällen einer Verfahrensbeschleunigung, die den Weg frei machen soll für bestimmte Investitionen.

10. Kap.: Widersprüchlichkeit als Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue

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in bundestreuewidriger Weise gestalterisch in die andere Interessenssphäre eindringt. Auf ihre spezifische Qualifikation als Lenkungssteuer kommt es dann gerade nicht mehr an. Hinzu kommen schließlich auch hier Zweifel der Abgrenzung, wo Lenkungssteuern enden und Fiskalzwecknormen beginnen.488 Gegen das Bundestreuegebot verstößt deshalb jene Bestimmung, die später erlassen, zur bestehenden fremden Regelung also hinzugesetzt wurde. Eine Besinnung auf den Kern des Bundestreuegebots489 zeigt, daß dieser Ansatz der richtige ist. Die Beeinträchtigung der fremden Norm geht vom hinzutretenden Gesetzgeber aus, wenn dieser beim Inkraftsetzen des eigenen Regelungsmodells dessen schädigende Auswirkungen im Bereich der fremden Normordnung übersieht oder hinnimmt. 490 Nichtig ist deshalb die hinzugesetzte Norm.

VI. Die Sonderfrage: Bundestreuepflichten bei kommunaler Rechtsetzung Ein spezielles Problem eröffnet sich, wenn der Gesetzgeber seine Befugnis zur Normsetzung an die Gemeinden delegiert, die dann durch den Erlaß einer entsprechenden Satzung tätig werden. Inwieweit gilt der Bundestreuegrundsatz auch hier? 491 Eine originäre Treuepflicht der Gemeinden gegenüber dem Bund oder dem Land existiert als parallele Erscheinung zur Bundestreuepflicht nicht. 492 Die kommunale Betätigung ist innerhalb der Grenzen des Rechts frei. Im Fall einer den Bundesnormen entgegensteuernden Satzunggebung sind diese Grenzen, so scheint es, nicht überschritten, weil es ein entsprechendes Treuegebot weder in schriftlich fixierter Form noch als Norm des Gewohnheitsrechts gibt. Dennoch ergeben sich Beschränkungen, doch sind dazu zwei Situationen zu unterscheiden 493: die erste, eine sich der Bundestreue entziehende Situation liegt vor, wenn die Gemeinde Satzungen zur Wahrnehmung ihrer eigenen örtlichen Angelegenheiten erläßt, zu denen sie nicht speziell, sondern nur kraft einer allgemeinen 488

R. Wernsmann, JuS 2000, 39, 41. Gegen ihn R Riechelmann, JuS 2000, 1144. Vgl. A. Bleckmann, JZ 1991,900. 490 Vor Übertreibungen warnt H. Bauer, Die Bundestreue, S. 349f.: Das bundesfreundliche Verhalten sei „kein Grundsatz, der zu allgemeiner Vorabstimmung bei Einführung neuer Regelungen [...] zwingt". 491 Demgegenüber bedurfte es keiner gesonderten Begründung, daß die rechtsstaatlichen Bindungen auch diesen Fall erfassen. Die Rechtsstaatlichkeit verplichtet jede Form der hoheitlichen Gewalt. 492 Streitig, wie hier die herrschende Auffassung, vgl. beispielsweise H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Rn.28 zu Art. 20 (Bundesstaat); B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn.21 zu Art. 20. Anders dagegen BVerwG DVB1.1990,46,47; K. Meßerschmidt, Die Verwaltung 23 (1990), 425, 444. Wie gleich zu sehen ist, kommt es in vielen Fällen auf die Entscheidung in dieser Frage nicht an. 493 Andeutungsweise auch T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 232. 489

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rneverstoß 494

Klausel der Gemeindeordnungen ermächtigt ist. Wenn man eine solche Bestimmung als deklaratorische Wiederholung 495 eines Satzunggebungsrechts begreift, das Art. 28 Abs. 2 GG ohnehin gewährt 496, so gilt für diese Fälle der Grundsatz der Bundestreue nicht. Davon zu unterscheiden ist der Fall der echten Kompetenzdelegation, wie beispielsweise im Verpackungssteuerfall, wo das Land den Gemeinden einen speziell bezeichneten Ausschnitt seiner Gesetzgebungsbefugnisse mittels einer Ermächtigungsnorm zum Satzungserlaß überträgt. Delegieren kann es nur innerhalb der Grenzen, die ihm selbst gezogen sind. 497 Eine solche Grenze findet sich auch im Grundsatz der Bundestreue, der insofern auch für die Tätigkeit der Gemeinden gilt. Verstößt die Kommune dagegen, so hat das Land rechtsaufsichtlich einzuschreiten, um nicht selbst bundestreuewidrig zu handeln.498 Umgekehrt ist zu beachten, daß die Delegation, obgleich sie die Grenzen der Befugnis nicht abstreifen kann, nicht etwa die Position des Landes (in ihrer Beziehung zum Bund) als solche, und sei es auch nur punktuell, überträgt. Das Recht, Rücksicht auf die eigene Normordnung verlangen zu dürfen, fließt aus dem Status des Landes als Glied des Gesamtstaats. Die Kommune wird auch durch eine Delegation nicht zum Partner des bundesstaatlichen Verhältnisses, der nun seinerseits die Berücksichtigung der eigenen Regelungskonzeption erwarten darf.

VII. Die Mißachtung der Bundestreue in den behandelten Entscheidungen Im Fall der kommunalen Verpackungssteuer 499 gefährdete die Steuerpflicht für das Inverkehrbringen von Einweggeschirren das vom Bundesabfallgesetz und der Verpackungsverordnung bevorzugte Kooperationsmodell, das die Organisation der Entsorgung den Kräften der Wirtschaft übertrug. Voraussetzung seines Funktionierens war die Mitwirkung der Hauptmüllerzeuger an dem zu etablierenden Entsor494 Vgl. z.B. §4 Abs. 1 SächsGemO. Der Bundestreue entziehen sich damit Satzungen im weisungsfreien Aufgabenbereich. 495 So K. Stern, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 158 zu Art. 28. Ähnlich K. Waechter, Kommunalrecht, Rn. 471. Vgl. ferner auch H. Faber, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Rnm.41 f. zu Art. 28 Abs. 1 II, Abs. 2; W. Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auflage, Rn. 78 zu Art. 28. 496 Es geht folglich um das Verhältnis von kommunaler Satzungshoheit und verfassungsrechtlich gewährter Selbstverwaltungsgarantie. Das damit betretene, problematische Feld kann hier nicht näher ausgeleuchtet werden. Vgl. dazu A. Gern, Sächsisches Kommunalrecht, Rn. 255; ders., Deutsches Kommunalrecht, Rn. 248; R. Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, S. 86 - jeweils m. w. N. 497 Nemo plus juris ad alium transferre potest, quam ipse habet (Dig.50, 17, 54). Ebenso T. Gas, SächsVBl. 1998, 229, 232. 498 BVerfGE 8, 122, 139. 499 Dazu oben 1. Kapitel, I.

10. Kap.: Widersprüchlichkeit als Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue

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gungssystem. Mit dem Hinzukommen der Abgabe wurde diese Beteiligung wirtschaftlich unratsam. 500 In welchem Maß das bundesgesetzliche Modell hier tatsächlich in Gefahr geriet, hätte aufgeklärt werden müssen.501 Die Problematik der Landesabfallabgaben 502 ähnelt dem Verpackungssteuerfall hinsichtlich des Treueverstoßes503, sofern man hierin keine Verletzung der Kompetenzordnung sieht. Ob hier, in einem Fall des titelinternen Konflikts, eine Sperrwirkung des Abfall- und Immissionsschutzrechts bestand, hätte vom BVerfG eingehend beleuchtet werden müssen. Die Landesnorm selbst nivelliert jedenfalls die bundesgesetzliche Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit im einzelnen und schließt die Spielräume, die der Wirtschaft in deren eigenem Interesse gelassen werden sollten.504 Im Fall des BaySchwHEG505 mußte von einer kompenzrechtlichen Sperrung gemäß Artt. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. GG in Verbindung mit einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ausgehen, wer dafür wie das BVerfG einen Regelungsverzicht im Bereich ungeschriebener Bundeszuständigkeiten ausreichen läßt. 506 Nur wenn man dies ablehnt, stellt sich die Frage der Bundestreue im Hinblick darauf, ob nicht das bundesgesetzlich gewählte Beratungsmodell dadurch beeinträchtigt wird, daß im Hinblick auf die Situation der Schwangeren ebenso wie hinsichtlich eines ausreichenden Angebots an medizinischen Einrichtungen seine Basis ein Stück weit verkürzt wird. Doch obgleich auch die Landesregelung von der Schwangeren die Offenlegung ihrer Gründe dem Arzt gegenüber de facto verlangt: das Herzstück des bundesgesetzlichen Modells, die Konfliktberatung mit der Ausstellung des Beratungsscheins, bleibt davon unangetastet und vollzieht sich unverändert in der Weise, die dem Bundesgesetzgeber vorschwebte. Das bundesgesetzgeberische Schutzkonzept 507 gerät möglicherweise jedoch dadurch in Gefahr, daß sich nicht ausreichend medizinische Einrichtungen finden 508, die bereit sind, den Eingriff vorzunehmen. Inwieweit es sich so verhält, ist ein Problem der Sachverhaltsaufklärung. Im Fall der Spielautomatensteuer509 ist ein bundesstaatswidriges Verhalten unter keinen Umständen auszumachen: zu den bereits vorhandenen repressiven Mitteln 500 BVerfGE 98, 106, 132f.; J. Lege, Jura 1999, 125, 126; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 77. Die in der Satzung enthaltende Freistellungsklausel vermochte hieran nichts zu ändern, da sie auch bei einer Beteiligung am Dualen System nicht zu einer vollständigen Steuerbefreiung führte. Vgl. BVerfGE 98, 106, 133; zustimmend C. Weidemann, a.a.O., S.77f. 501 Bemerkungen dazu bei M. Bothe, NJW 1998, 2333, 2335; J. Eschenbach, ZKF 1998, 246, 251; J. Lege, Jura 1999, 125, 126; R. SchmidtIL. Diederichsen, JZ 1999, 37, 40; C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 77. 502 s. oben 1. Kapitel, II. 503 Abgesehen vom Gesichtspunkt der kommunalen Satzunggebung, der hier fehlt. 504 C. Weidemann, DVB1. 1999, 73, 78. 505 s. oben 1. Kapitel, III. 506 s.o. 1. Kapitel, III., l.und 2. 507 Vgl. insbesondere § 13 Abs. 2 SchKG! 508 Erwägungen in diese Richtung finden sich bei M. Frommel, KJ 1996, 362, 363 sowie S. Raasch, KJ 1997,310,319. 509

s. oben 1. Kapitel, V., 1.

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: Widersprüchlichkeit als

rneverstoß

wird ein weiteres hinzugefügt. Welches der übrigen es beeinträchtigen soll, ist nicht erkennbar. Im Fall des Biotonnenzwangs510 kommt es ebenfalls auf die näheren Umstände der Situation an. Wie im Verpackungssteuerfall handelt es sich auch hier um eine kommunale Satzung, die aufgrund einer speziellen Ermächtigungsgrundlage des Landesrechts erging. Deren Grenzen wurden entsprechend mitdelegiert. Zu untersuchen wäre, in welchem Maß die kommunale Pflicht für das Gemeindegebiet demjenigen Verhalten entgegenwirkt, welches das Bundesabfallrecht fördert oder offenhält. Gegen einen Bundestreueverstoß spricht es, daß vom Bund ein Angebot zur Selbstkompostierung ausging, das von jedem einzelnen auch weiterhin angenommen werden kann. Wenn eine Biotonnenpflicht als Appell an die Bequemlichkeit tatsächlich dazu führt, daß auch die kompostierwilligen Haushalte nicht länger den unbequemen Weg der Selbstkompostierung wählen, hätte das Gericht ergründen müssen, in welchem Maß dadurch das bundesgesetzliche Lösungsmodell gestört wird, und vor allem, inwieweit der Bundesgesetzgeber den in Frage stehenden, durch die Pflicht gefährdeten Weg tatsächlich als den vorzugswürdigen betrachtet hatte.

510

s. oben 1. Kapitel, V., 2.

Schlußbemerkungen I. Widerspruchsfreiheit als Gebot von Einzelmaßstäben Die Klärung der Bundestreueproblematik vervollständigt nunmehr den hier verfolgten Vorschlag zum verfassungsrechtlichen Umgang mit widersprüchlichen Regelungskonzeptionen. Die Untersuchung hat insgesamt gezeigt, daß die Forderung nach einem auch konzeptionell widerspruchsfreien Recht keine „Chimäre" 1 sein muß, wenn man sie als das begreift, was sie nach den rechtsstaatlichen und bundesstaatlichen Vorgaben der Verfassung nur sein kann: ein Moment bekannter Unterprinzipien, das nicht von ihnen gelöst und als neuartiges Postulat in den Raum gestellt werden darf. Die Gebote der Widerspruchsfreiheit im Grundgesetz, sofern man von solchen sprechen will, verfolgen verschiedene Zielrichtungen und besitzen unterschiedliche Voraussetzungen. Die zahlreich artikulierte Kritik an den dargestellten Entscheidungen des BVerfG hat deutlich zutage treten lassen, daß ein umfassendes, allgemeines Verbot konzeptioneller Widersprüche in keiner dogmatisch befriedigenden Weise begründbar ist. Doch gerade dort, wo die Kritik darüber hinausgeht und ihre Berechtigung verliert, indem sie konzeptionelle Konflikte in bundesstaatlicher und zum Teil auch in rechtsstaatlicher Hinsicht für unbedenklich erklärt, wird sichtbar, daß die Etablierungsversuche eines allgemeinen Postulats der Widerspruchsfreiheit dem ernstzunehmenden Anliegen schaden, das sie verfolgen. Sie fordern den Vorwurf der willkürlichen Entscheidung unnötigerweise heraus. Wie die Untersuchungen zum rechtsstaatlichen Normenklarheitsgebot, zum Vertrauensschutz und andererseits zur Bundestreue ergaben, sind handhabbare Maßstäbe ermittelbar, anhand derer mit nachvollziehbarer Begründung die Verfassungsverträglichkeit konzeptioneller Brüche - jeweils unter einem ganz bestimmten Aspekt - ergründet werden kann. Die vom BVerfG zu Recht als Notwendigkeit begriffene Aufgabe, gegenläufige Normierungsmuster auch über die bundesstaatlichen Ebenen hinweg in verfassungsrechtliche Schranken zu weisen, kann so in einer dogmatisch zufriedenstellenderen, zugleich auch besser praktizierbaren Weise bewältigt werden. Die Betrachtung der Regelungskonzeptionen, wie sie hier vorgenommen wurde, soll dabei die bisherigen dogmatischen Figuren auf allen berührten Feldern weder relativieren noch abschaffen. Sie kann jedoch an Stellen, an denen die Kriterien der Rechtsfindung noch undeutlich sind (und es möglicherweise stets bleiben werden), eine zusätzliche Entscheidungshilfe bieten. Dies gilt beispielsweise für die Frage, 1

Nach einer Formulierung von M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 197.

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Schlußbemerkungen

welche Widersprüche gegen das Normenklarheitsgebot verstoßen, ebenso wie für die Klärung, welche Beeinträchtigungen die Verpflichtung zum bundestreuen Verhalten verletzen; aber auch für kompetenzrechtliche Fragestellungen wie diejenige nach der Beschaffenheit eines Gesetzes, das sperrende Wirkungen im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG auszulösen vermag. Eine Betrachtung dieser und der anderen angesprochenen Komplexe unter dem Gesichtspunkt der zugrunde liegenden Regelungskonzeption kann dazu beitragen, die Begründbarkeit und mittelbar auch die Akzeptanz der juristischen Entscheidungen zu stärken.

II. Die Zusammenhänge der bundesstaatlichen und rechtsstaatlichen Aspekte Die unverzichtbare Trennung der Aspekte, die mit dieser Arbeit vertreten wird, darf gleichwohl die Zusammenhänge nicht verdecken, in denen sie stehen. Der Fall der widersprüchlichen Regelungskonzeptionen im Bundesstaat bildet einen Ausschnitt aus dem nicht reibungsfreien Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Föderalismus. Er wirft in einer besonders greifbaren Weise die Frage auf, ob die im Grundgesetz verankerten Elemente der Rechtsstaatlichkeit imstande sind, bundesstaatliche Gestaltungsräume zu beschränken, wenn eine bestimmte Form ihrer Nutzung rechtsstaatliche Standards berührt. Die Untersuchungen, inwieweit die Grundsätze der Klarheit und Verläßlichkeit des Rechts von den beteiligten Hoheitsträgern auch über die Bundesstaatsebenen hinweg zu wahren sind, haben erbracht, daß die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit, um nicht in Frage gestellt zu sein, uneingeschränkt gelten müssen. Ihr Anknüpfungspunkt ist die Situation des einzelnen gegenüber der hoheitlichen Gewalt; sie verbieten es deshalb, daß der Rechtsadressat das Risiko von Vertrauensbrüchen und Unklarheiten aus bundesstaatlichen Gründen über jenes Maß hinaus trägt, in dem er staatliche Verhaltensweisen dieser Art ohnehin hinzunehmen hat. Die rechtsstaatlichen Maßstäbe des Grundgesetzes binden insoweit jede normgeberische Tätigkeit: Räume eines geminderten Schutzes sind deshalb auch dort ausgeschlossen, wo die bundesstaatliche Struktur sie zu eröffnen scheint. Daß föderale Belange jedoch zu einem Gesichtspunkt der Abwägung werden können, wo diese vorzunehmen ist, wurde ebenfalls ersichtlich. Indes verdeutlichte die Situation der widersprüchlichen Regelungskonzeptionen im Bundesstaat nicht nur die Möglichkeit des Konflikts zwischen rechtsstaatlichen und bundesstaatlichen Grundsätzen, sondern zugleich auch deren punktweises Ineinandergreifen. Die Herbeiziehung der einen kommt unter bestimmten Umständen auch den Schutzgütern der anderen ein Stück weit zugute. Doch sind Wirkungen dieser Art stets nur reflexhaft und mittelbar; es handelt sich bei ihnen um einen Effekt und nicht etwa um das Ziel der Anwendung des jeweiligen Grundsatzes. Ihrer Vermischung ist aus den genannten Gründen entgegenzutreten.

Schlußbemerkungen

I I I . Der aktuelle Kontext der Diskussion Die behandelten einzelnen Aspekte stehen auch darüber hinaus in einem weiteren, an Aktualität gewinnenden Kontext. Die verfassungsrechtliche Behandlung widersprüchlicher Regelungskonzeptionen im Bundesstaat ist ein zentraler Baustein im Fragenkreis, welche staatsrechtlichen Prämissen gelten, wenn der Staat in der Gegenwart häufiger als früher Steuerungsmöglichkeiten erschließt und nutzt, die sich von den herkömmlichen Strukturen des Ordnungsrechts unterscheiden. Je zurückhaltender ein Gesetzgeber mit den Kategorien von Gebot und Verbot operiert, desto seltener kommt es zu Normkonflikten in Gestalt des echten Rechtsfolgenwiderspruchs. Kursänderungen und -abweichungen äußern sich hier um so mehr in der gegenläufigen Steuerungstendenz des Normwerks. Die bekannten Instrumente des Verfassungsrechts bedurften und bedürfen - nicht nur, aber auch - angesichts des Konfliktfeldes, dem sich vorliegende Darstellung widmete, der Präzisierung, die sie den aufgeworfenen Fragen gewachsen erscheinen lassen. Von hier aus gesehen sind die untersuchten Entscheidungen des BVerfG ein begrüßenswerter Ansatz, hergebrachte Figuren des Verfassungsrechts in einer neuen, an Bedeutung gewinnenden Konfliktlage nutzbar zu machen. Diese Intention ist gegen eine Kritik zu verteidigen, die eine Anwendung der Rechtsstaatssätze auf jene Formen der staatlichen Steuerung in zu pauschaler Weise für unnötig hält. Gesicherte Standards drohen sonst möglicherweise verloren zu gehen, wenn die staatsrechtliche Dogmatik an den entscheidenden Punkten mit dieser Entwicklung nicht Schritt hält.

Zusammenfassung I.

Um die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Regelungskonzeptionen erfassen und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hin überprüfen zu können, ist es nötig zu bestimmen, was eine solche Regelungskonzeption ausmacht. Dazu ist das konkrete Gesetz in seiner Eingebundenheit in die Normierungsweise des Rechtsgebiets zu betrachten. Jene Normen, die seine Leitlinien kennzeichnen, sind dabei ebenso zu beachten wie die Bedeutung seiner Details. Bei der Ermittelung des Ziels einer Bestimmung ist zur Kernfrage vorzudringen, welche Aufgabe der Gesetzgeber nach seiner eigenen Vorstellung zur Lösung bringen wollte, welche Aspekte diese Aufgabe für ihn umfaßt und wessen Interessen er dabei in welcher Weise berücksichtigte. Hinsichtlich des geschaffenen Handlungsinstrumentariums ist zu untersuchen, in welchen Beziehungen einzelne Handlungsmittel zueinander stehen und welche Rangfolgen sich herausfinden lassen. Hieraus erschließt sich, wem das Gesetz in welchem Maß Verantwortung für die Erreichung des Gesetzeszwecks zuweist. Ein hilfreicher Gesichtspunkt kann dabei die Annäherung an ein hergebrachtes gesetzgeberisches Gestaltungsmodell sein.

II. Regelungskonzeptionen widersprechen sich entweder, wenn ihnen verschiedene Zielsetzungen zugrunde gelegt sind oder wenn sie sich verschiedener Umsetzungsmittel bedienen, die sich - durch das Verlassen einer vorgezeichneten Rangfolge, durch das Aufgreifen eines vom anderen bewußt verworfenen Instruments oder durch die Vereitelung der Wirkung von fremden Regelungswerken - deutlich als unvereinbar identifizieren lassen. Der Vergleich der gesetzgeberischen Ziele führt zum alten Methodenstreit, welche Rolle der subjektive Wille des historischen Gesetzgebers bei einer interpretativen Gesetzeszielermittelung spielt. Gesetzeskonzeptionelle Brüche, die bisher in verschiedenen Zusammenhängen auftraten, entpuppen sich als ein in all diesen Lagen im wesentlichen gleiches Phänomen. Ob Steuer-, Sachoder Strafnormen auf diese Weise über die Ebenen des Bundesstaates hinweg miteinander in Konflikt geraten: es bleibt stets die verfassungsrechtlich identische Aufgabe, die Folgen einer solchen Norm- und Kompetenzkollision im Interesse einer störungsfreien bundesstaatlichen Zuständigkeitsausübung ebenso wie zur Erhaltung der Orientierungssicherheit für die Normadressaten auszuschalten. Auch die Lösungswege dieses Problems glichen sich in den verschiedenen Varianten seines Auftretens: neben dem Einsatz des Bundestreuegebots wurde wiederholt vorgeschlagen, Kompetenzausübungsschranken aus der Kompetenzordnung selbst herzuleiten.

Zusammenfassung

223

Auch die Forderung nach dem Gebot einer doppelten Kompetenzgrundlage war in verschiedenen Zusammenhängen zu vernehmen. Doch nur die Gesamtbesichtigung dieses rechtlich identischen und deshalb gleich zu behandelnden Problemfeldes ermöglicht es, dieses Phänomen verfassungsrechtlich wirkungsvoll zu durchleuchten und aufzuarbeiten.

III. Konzeptionelle Normkonflikte innerhalb des Tätigkeitsbereichs eines Legislativkompetenzinhabers haben im Schrifttum unter den Gesichtspunkten von Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit bereits Beachtung gefunden. Auch dabei ging es um den Bruch des Gesetzgebers mit einer früheren Lösungsvorstellung durch das Hinzusetzen einer modellfremden Norm. Die in diesem Zusammenhang zur Rechtssicherheit, insbesondere zum Vertrauensschutz, vorgebrachten Argumente sind auch für die hier zu lösende Problematik bedeutsam. Gegenüber den bisherigen Erörterungen der Systemgerechtigkeit besitzt die Frage nach konzeptionellen Unvereinbarkeiten im Bundesstaat zugleich eine kompetenzrechtliche Dimension, bei der es um Kompetenzabgrenzungen und Kompetenzausübungsschranken geht. Hingegen entfällt die Gleichheitsthematik, die nur innerhalb der Tätigkeit eines Hoheitsträgers diskutiert werden kann. Das zentrale dogmatische Problem der Systemgerechtigkeitsdebatte: die materielle Höherwertigkeit systembegründender Normen, wandelt sich hier zur Frage, welche der an sich gleichwertig nebeneinander stehenden Bestimmungen, die von verschiedenen, zur Gesetzgebung selbständig legitimierten Organen zweier zu trennender Ebenen herrühren, zu weichen hat. Der Gesichtspunkt der Verfassungsnähe könnte deshalb in verwandter Funktion auch für diese Entscheidungen nutzbar zu machen sein. Abzugrenzen ist die vorliegende Thematik auch gegenüber der textlich fixierten Kollisionsnorm des Art. 31 GG. Diese Vorschrift erfaßt als Konfliktlösungsbestimmung jene Widersprüche, bei denen die Rechtsfolgen von Bundes- und Landesnorm in einem konkret zutage getretenen Fall unvermeidbarerweise zusammenstoßen, d. h. einander logisch oder faktisch ausschließen. Die grundgesetzliche Kompetenzverteilung auf dem Feld der Gesetzgebung minimiert den Anwendungsraum dieser Vorschrift durch ihre konfliktvermeidende Funktion. Vereinzelt unternommene Versuche, Art. 31 GG auf Widersprüche anderer, hier vorliegender Art zu erstrecken, führen zu einer intolerablen Unsicherheit in der Anwendung dieser Vorschrift. Ihr Einsatz versperrt zudem durch die notwendigerweise einseitige Lösung eine Bewertung der Einzelumstände des zutage getretenen Konflikts. Landesgesetzgeberische Konzeptionen zu berücksichtigen, wäre dann von vornherein ausgeschlossen.

IV. Zu einem kompetenztitelübergreifenden Konflikt kann es trotz gelungener Kompetenzqualifikation an jenen Punkten kommen, wo zwei Kompetenzthemen einander berühren und ein einzelnes Normierungsmoment starke Bezüge zu beiden Be-

224

Zusammenfassung

reichen besitzt. Die Zuständigkeitsordnung vermag nicht in allen Fällen zu verhindern, daß hier von entgegengesetzten Titeln aus in unvereinbarer Weise gewertet wird und die einander gegenübergestellten Gesetze sich beeinträchtigen. Die im Schrifttum verbreitete, vom BVerfG abgelehnte Doppelkompetenztheorie löst diese Frage nicht, sondern wirft den hinterfragenden Rechtsanwender auf das Problem zurück, ob der geschriebenen Kompetenzordnung selbst eine solche gegenseitige Begrenzung der zugewiesenen Gesetzgebungsbefugnisse zu entnehmen ist. Vorstellbar wäre diese sowohl in Form einer restriktiven Zuständigkeitsinterpretation als auch in Gestalt von Kompetenzausübungsschranken. Weder die Auslegung der Kompetenznormen noch eine Vergegenwärtigung der Vorstellungen, die in der Wissenschaft mit Funktion und Inhalt einer vom Grundgesetz zugewiesenen Befugnis verbunden werden, tragen die Vorstellung, daß Zuständigkeiten ihrer Definition nach an dem Punkt enden, wo die Wirkung ihrer Ausübung den fremden Gestaltungskreis berührt. Derartige Grenzen ergeben sich aus dem Verhältnis der Kompetenzinhaber zueinander. Die Zuständigkeitsordnung vermag kompetenztitelübergreifende Kollisionen nicht zu lösen, wenn ihr Verteilungssystem deren Entstehung nicht verhindert hat.

V. Auch beim kompetenztitelinternen Konflikt gilt das Augenmerk dem Umfang, in dem die Kompetenzordnung selbst konzeptionelle Widersprüchlichkeiten auszuschließen vermag. Aufgabe ist es hier, die Konturen der Zuständigkeit im Hinblick auf die gesetzgeberische Konzeptionierungsweise zu verdeutlichen. Ins Zentrum des Interesses tritt hinsichtlich der konkurrierenden Zuständigkeit die Frage, inwiefern die im Gesetz inbegriffenen Wertungen und Zielvorstellungen Teil der sperrenden Wirkung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG sein können, bzw. welche Rolle die Gestalt einer Konzeptionierung als ein Indiz für das Vorhandensein der sperrenden Wirkung spielt. Hinsichtlich der Rahmenzuständigkeit kommt es darauf an zu klären, ob - und wenn, in welchem Umfang - Wertungen und Zielvorstellungen selbst als ein Teil der Rahmenfestlegung den Landesgesetzgeber verpflichten können. Hinzu kommt die Frage, inwieweit es aus der Gestalt der Regelungskonzeption des Bundes selbst herleitbar ist, ob sich der Bund auf die verfassungsgebotene Rahmenvorzeichnung beschränkt. Beantworten lassen sich diese Fragen nur, wenn man sich bundesstaatliche und demokratiebezogene Bedenken gegenüber einer zu straffen Fesselung der Landesgewalt verdeutlicht, die, zur Wahrnehmung der landespolitischen Gestaltung selbständig legitimiert, an die Politik des Bundes grundsätzlich nicht gebunden ist. Bindung und sperrende Wirkung bestimmen sich anhand der Nähe des fraglichen Bundesgesetzes zu zwei einander entgegengesetzten Mustern gesetzgeberischer Gestaltung: der abgeschlossenen und der entwicklungsoffenen Konzeption. Welchem der Pole sich das Regelungswerk nähert, ermittelt sich anhand mehrerer Gesichtspunkte, deren bedeutsamster das vom Gesetzgeber gewählte Instrumentarium ist. An ihm ist abzulesen, in welchem Umfang andere Regelungen danebengestellt werden dürfen. Eine abgeschlossene Konzeptionierung ist im Fall der

Zusammenfassung

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konkurrierenden Zuständigkeit als erschöpfende Regelung zu verstehen, die gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine Sperrwirkung dem Landesgesetzgeber gegenüber auslöst. Die hier umrissene Betrachtung der Regelungskonzeption ist insofern Teil der vom BVerfG für Art. 72 Abs. 1 GG geforderten Gesamtbesichtigung des Regelungskomplexes. Im Bereich der Rahmenzuständigkeit sind abgeschlossene Konzeptionierungen des Bundes dagegen unzulässig. Wertungen im Rahmengesetz verpflichten das Land insofern, als sie darin in irgendeiner Form zum Ausdruck gekommen und durch entsprechende Gesetzesinterpretationen zu ermitteln sind. Über das damit bezeichnete Maß hinaus leistet die Kompetenzordnung auch titelintern keine konzeptionelle Konformität beim Handeln verschiedener Gesetzgeber.

VI. Die unterschiedlichen Vorstellungen, die auf rechtstheoretischer Ebene vom Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung existieren, sind für die verfassungsrechtliche Fragestellung insoweit interessant, als sie Aufschluß über die mögliche Form dessen geben, was von Verfassungs wegen geboten sein könnte. Die Einheit der Rechtsordnung erscheint dort vor allem als Ausschluß von logischen, tatsächlichen, aber auch wertungsmäßigen Widersprüchen. Die zuletzt genannten sind dabei aus rechtstheoretischer Sicht hinzunehmen. Versuche, die Notwendigkeit ihrer Ausschaltung wissenschaftstheoretisch zu begründen, sind abzulehnen, da sie das System einer Wissenschaft unzulässigerweise mit ihrem Gegenstand identifizieren. Als ein selbständiger Rechtssatz ist das Gebot der Widerspruchsfreiheit weder unmittelbar aus der Verfassung selbst noch aus einem ihrer Fundamentalprinzipien abzuleiten. Insbesondere beim Versuch, sie als selbständigen Untersatz des Rechtsstaatsgebots zu etablieren, wird man auf die bekannten Größen der Normenklarheit und des Vertrauensschutzes zurückgeworfen. Diese stehen, jede für sich, einer ganz bestimmten Art von widersprüchlichem Verhalten des Gesetzgebers entgegen. Solche punktuellen Widerspruchsverbote gibt es im Grundgesetz auch an anderen Stellen, nicht zuletzt im Gleichheitssatz und im Gebot der Bundestreue. Hinzu kommen Normen, deren Ziel oder Effekt es ist, die Entstehung bestimmter Widersprüchlichkeiten zu verhindern. Regelungen dieser Art tragen Momente der Einheit und Widerspruchsfreiheit in die Rechtsordnung hinein, doch erschöpfen sich ihre Aussagen in der jeweiligen, aspektgebundenen Normwirkung. Hinsichtlich ihrer Voraussetzungen sind sie fest in den jeweiligen Kontext eingebettet und können nicht von diesem losgelöst eingesetzt werden. Ihre Voraussetzungen und ihre Folgen unterscheiden sich untereinander in einer Weise, daß sich ihre Verknüpfung verbietet. Auf einer solchen unzulässigen Fusion rechtsstaatlicher und bundesstaatlicher Einzelaspekte beruhen jedoch die Entscheidungen des BVerfG vom 7.5.1998. Argumentation und Einsatzweise der Figur Widerspruchsfreiheit belegen, daß die Verselbständigung eines Einheitsgebots erstrebt wurde. An den Rechtsfolgen, die das Gericht mit Hilfe methodischer Gesichtspunkte konstruiert, zeigt sich am deutlichsten, weshalb der Versuch, ein eigenständiges, losgelöstes Postulat zu etablieren, mißlingen mußte. 15 Haack

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VII. Widersprüchliche Gesetzeskonzeptionen können gegen das rechtsstaatliche Normenklarheitsgebot verstoßen, wenn sie durch ihre Beschaffenheit den einzelnen im Ungewissen darüber lassen, was der Staat von ihm erwartet. Gesetze bedürfen im Rechtsstaat der Klarheit, weil es ihre Aufgabe ist, jenen Umfang abzustecken, in dem der Staat in den Freiheitsraum seiner Bürger eingreifen kann. Diese freiheitssichernde Funktion geht ein Stück weit oder ganz verloren, wo der Normadressat diesen Umfang auch unter Herbeiziehung rechtskundiger Hilfe nicht mit annähernder Sicherheit ermitteln kann. Bei einem Konflikt widersprüchlicher Gesetzeskonzeptionen ist dieser Fall anzunehmen, wenn zwei Regelungswerke einander so gegenübertreten, daß der Adressat dem einen nicht mehr in bestmöglicher Weise genügen kann, wenn er dem anderen gehorcht, d. h. wenn er genau dadurch, daß er tut, was ein Gesetz von ihm verlangt oder wünscht, von Nachteilen erfaßt wird, die ein anderes Gesetz an dieses Verhalten knüpft. Dabei sind es jedoch nur die schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Klarheitsforderung, die als Verstöße gegen die Rechtssicherheit zur Verfassungswidrigkeit und damit zur Nichtigkeit des Gesetzes führen. Die Kriterien dafür, wann von einem solchen Gewicht zu sprechen ist, lassen sich der gerichtlichen und wissenschaftlichen Behandlung der anderen Fälle einer Unklarheit (der Unbestimmtheit oder Unverständlichkeit) entnehmen. Entscheidend ist dabei die rechtliche und gesellschaftliche Bedeutung der in Frage stehenden Vorschrift. Je intensiver eine Norm, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, wirkt, desto strenger sind jene Maßstäbe, nach denen ihre Klarheit und Unwidersprüchlichkeit zu beurteilen sind. In einem nicht hinnehmbaren Konfliktfall hat dann diejenige Vorschrift zu weichen, an die sich die höheren Anforderungen richten.

VIII. Konzeptionelle Brüche innerhalb des Bundesstaates werfen auch Probleme des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes auf, wenn das hinzutretende Regelungswerk dasjenige entwertet, was der einzelne im Vertrauen auf die bis dahin allein geltenden Vorschriften (auf sie als Ganzes oder auf einzelne ihrer Züge) eingesetzt hat. Eine Abgrenzung von Vertrauensschutzkonstellationen dieser Art gegenüber den Fällen der sogenannten tatbestandlichen Rückanknüpfung ist weder erforderlich, noch wäre sie in überzeugender Weise möglich. In derartigen Konfliktlagen ist das Rechtssicherheitsgebot in seiner temporalen Dimension berührt, wenn der Private auf einen bestimmten Akt der Gesetzgebung vertrauen durfte, dementsprechend disponierte und ein Normsetzungsakt hinzukommt, der das Aufgewendete entwertet. Entgegen einer im Schrifttum geäußerten Ansicht kann es dabei auf irgendwessen tatsächliche Kenntnis der Vertrauensgrundlage nicht ankommen. Bei der anzuschließenden Gegenüberstellung von Fortbestandsinteresse und Änderungsbestrebung muß das erste überwiegen. Die Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Konzeptionen unterschreitet das rechtsstaatlich gebotene Untermaß an Vertrauens-

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schütz, wenn die zuerst in Kraft gesetzte Regelungskonzeption bestimmte Dispositionen hervorrufen will und deren Vornahme gezielt herausfordert, woraufhin ein zweiter, hinzutretender Normsetzungsakt diese Verwendungen wertlos macht. An den rechtsstaatlichen Erfordernissen ändert es nichts, daß hier erst das Zusammentreffen von Aktionen zweier verschiedener, unabhängig voneinander legitimierter Hoheitsträger vertrauensverletzend wirkt: die Rechtsstaatlichkeit schließt es aus, daß der einzelne die Risiken des föderalen Aufbaus über jenes Maß hinaus trägt, in dem er ohnehin Änderungen der hoheitlichen Verhaltensweise (hier: des Musters der Normierung) hinzunehmen hat. Am schutzwürdigen Vertrauen fehlt es ihm, wenn er mit dem Hinzutreten der zweiten Regelungskonzeption, etwa angesichts der Bewegtheit des Gebiets, rechnen mußte. Wurde das private Vertrauen herausgefordert und ausgenutzt, bleibt abzuwägen, ob - und wenn, welche - Abfederungsmöglichkeiten bestehen. Kriterium dafür ist einerseits vor allem das Maß der Entwertung, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung grundrechtlich geschützter Güter. Gegen ein Fortbestandsinteresse sprechen konkret zu ermittelnde Gründe der Gestaltbarkeit des Rechts. Auch außerhalb der Herausforderungsfälle kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes der legislativen Gestaltungsfreiheit über die bundesstaatlichen Ebenen hinweg Grenzen ziehen: weil ein allgemeines Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit einer günstigen Rechtslage nicht anzuerkennen ist, bedarf es dafür ganz besonderer Gründe.

IX. Eine Prüfung widersprüchlicher Gesetzeskonzeptionen als Eingriff in Grundrechte führt zur Frage, inwieweit die bekannten Maßstäbe Vertrauensschutz und Klarheit die Gestaltungsfreiheit der Legislative bei einer grundrechtseinschränkenden Gesetzgebung begrenzen. Aufgrund ihres nahen Bezugs zum individuellen Freiheitsschutz sind diese rechtsstaatlichen Verfassungssätze als unmittelbare Schrankenschranken in die Grundrechtsprüfung zu integrieren. Die Frage, ob sie aus den Grundrechten selbst ableitbar sind oder ob auf ein allgemeines, abstrahiertes Rechtsstaatsprinzip zurückzugreifen ist, führt zum Streit über die normative Geltung der Rechtsstaatlichkeit. Eine Anknüpfung an die Grundrechte wäre mit der Begründung konstruierbar, daß ihr Schutz für den einzelnen nur in der Gestalt wahrnehmbar und nutzbar ist, in der die Rechtsordnung ihn ausformt. Unzulänglichkeiten dabei gefährden somit den Schutzgehalt des Grundrechts. Für die Beibehaltung der hergebrachten Ableitungskette spricht es, daß die Grundrechte vom Fehler der Rechtsnormen (der Unklarheit, dem Bruch) weiter entfernt liegen als der Gedanke der Rechtsstaatlichkeit. Sie liefern keine verläßlicheren Kriterien - sondern im Gegenteil: der einheitliche Fragenkreis droht unnötigerweise zu zersplittern. Am Beispiel der Rechtssicherheit zeigen sich die Gefahren der dogmatischen Umorientierung, deren Gewinn in seinem Wert gering und angesichts der Risiken deshalb um so fragwürdiger erscheint. Widersprüchliche Regelungskonzeptionen begründen mitunter auch den Verdacht der UnVerhältnismäßigkeit, wenn der eine Gesetzgeber ein milderes Mittel wählt als der andere. Entscheidet sich aber ein Hoheitsträger für 15*

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die einschneidendere Vorgehensweise, weil sie, verglichen mit der milderen, wirksamer ist, so erscheint dies unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten unbedenklich. Für die Frage, ob eine solche Regelung angemessen ist, kommt es auf die Widersprüchlichkeit nicht an. Auch der vom BVerfG und vielen Autoren verfolgte Weg, Kontinuitätsbrüche außerhalb der echten Rückwirkung als Grundrechtsproblem zu behandeln, führt zur Übermaßfrage. Da aber die Untersuchung des Vertrauensbruchs der Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin vorausgehen muß, ist es ratsam, den Maßstab des Vertrauensschutzes hier anzusetzen.

X. Als Gebot des politischen Stils fordert die Bundestreue, gesetzliche und untergesetzliche Regelungsweisen innerhalb des Bundesstaates so zu gestalten, daß beide Seiten, Bund und Land, in der Sphäre ihrer Zuständigkeit ungehindert planen und gesetzgeberisch tätig sein können. Als Auslegungsgrundsatz fordert sie zum einen, föderale Rechte und Pflichten der im Bund Beteiligten in einer Lesart zu interpretieren, die dem Bund als Ganzem förderlich ist. Zum anderen ist auch der in Frage stehende Akt der Gesetzgebung selbst so zu deuten, daß er der Bundesstaatlichkeit gerecht wird. Doch darf sich der Norminterpret in beiden Fällen nicht über telos und Wortlaut der Norm hinwegsetzen. Als Rechtssatz tritt der Gesichtspunkt Bundestreue ins Spiel, wenn ein - formal betrachtet, kompetenzgerechtes - Regelungswerk die Interessen der anderen Ebene verletzt. So verhält es sich, wenn es die Wirksamkeit der fremden Norm in feststellbarer Weise herabsetzt und damit das vom anderen Gesetzgeber gewählte Lösungsmuster in Gefahr bringt. Der Einsatz der Bundestreue als Verfassungsrechtssatz wäre in einem solchen Fall jedoch ungerechtfertigt, wenn es sich um zeitliche, qualitative oder quantitative Geringfügigkeiten handelt. Weichen muß diejenige Normierung, die später hinzugesetzt wurde. Ihr Erlaß verletzt das Treuegebot, weil er fremde Interessen nicht ausreichend berücksichtigt. Eine so beschaffene Bundestreuepflicht bindet auch die satzunggeberische Tätigkeit der Gemeinden, sofern sie auf einer speziellen Delegation der Normierungsbefugnis beruht. Das Land kann in diesem Fall nicht mehr übertragen, als es innehat.

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Erschöpfende Regelungen - siehe Abschließende Regelungen Europarecht 89 f. Finanzierungssonderabgaben 31 Föderalismus 85,113, 220 Folgerichtigkeit

19, 69ff., 73, 131 f., 223

Formenmißbrauch 13 8 Fristenlösung 37 Generalklauseln 149 Gesetzeszweck 24,51 ff., 58, 116, 203, 222 Gesetzgebungskompetenz 81 f., 87, 92, 96, 156

16, 20, 36, 57,

- ausschließliche 54, 65, 81, 99f., 107 - konkurrierende 39,54,58,61,63,65, 68, 81 f., 93, 99f., 107ff., l l l f . , 114, 118 f., 211 f., 224f. - kraft Natur der Sache 63 - kraft Sachzusammenhangs 38,42, 54, 62 f., 108,217 - Rahmengesetzgebung 54, 58, 68, 82, 93,100, 106,110ff., 114, 118f., 224f. Gesetzgebungsverfahren 42, 187 Gesetzgebungszuständigkeit - siehe Gesetzgebungskompetenz Gewaltenteilung 17, 134, 147 f., 165 f. Gleichartigkeitsverbot 65 Gleichheitssatz 71 f., 76,78, 131 f., 142, 225 Grundnorm 121 Grundrechte 20, 35, 56,71, 76,78,128, 151, 153 f., 161, 167, 177,187ff., 227 Grundrechtsausgestaltende Gesetzgebung 191

arverzeichnis

252

Herrschaft des Gesetzes 129f., 153, 163, 181

Rechtsfolgenkonflikte 79ff. - faktische 79,84,86 - logische 79, 84, 86, 123 f., 127, 143

Imperativentheorie 80 Indikationsmodell 37 Institutionelle Garantien 76 Institutsgarantien 76 Kindergartengebühren 42ff., 69 Kommunale Satzungshoheit 216, 228 Kompetenzausübungsschranken 60,98 f., 104f., 109, 137f., 223f. Kompetenzdelegation 216,228 Kompetenzlehre 57, 104 Kompetenzmißbrauch 137,204,208 Kompetenzzuordnung 66f., 87, 93ff. Kontinuitätsgewähr 170, 175, 182 Kooperationsprinzip 25 f., 30, 34, 50, 55, 117, 159, 162, 183, 186, 209,216 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 23,32 Länderfinanzausgleich 75 Landesabfallabgaben 15 f., 31 ff., 93,188, 196,217 Lenkungsabgabe 31, 34 f., 5 8 Lenkungssteuer 16,27,30 f., 38,58 ff., 65, 94, 96, 174, 209, 211 f., 214f. Lex posterior 67, 75, 89 Lex specialis 67, 89 Lex superior 89

Rechtsklarheit 20, 74, 76, 78, 90, 130f., 136 f., 141ff., 164, 187, 189, 191, 194, 219f., 225 ff. Rechtssicherheit 17, 20, 71, 76, 123, 141 f., 147, 152, 158 f., 167, 181, 193, 223, 226f. Rechtsstaatsprinzip 16f., 74, 95,129ff., 136ff., 166f., 180, 191 ff., 195, 200f., 220, 225 ff. Regelungskonzeptionen 46 f., 49 f., 51, 64, 70ff., 91, 109, 113, 115, 172, 180, 187, 212f., 216, 219ff., 222, 227 - abgeschlossene 115ff., 224f. - entwicklungsoffene

115ff., 224

Rückbewirkung von Rechtsfolgen 169 Rückwirkende Gesetzgebung 128,168ff., 174,178, 182, 197, 228 Sachgesetzgebungsbefugnis 58ff., 61 ff., 68,212,214 Schwangerenhilfeergänzungsgesetz

15,

36ff., 60, 85, 160, 169, 186f., 196, 217 Selbstbindung 71, 121, 164, 174 Selbstverwaltungsgarantie 216 Sonderabfallabgaben - siehe Landesabfallabgaben Sonderabgaben 31,59

Normenklarheit - siehe Rechtsklarheit Normkollisionen - siehe Normkonflikte Normkonflikte 19,85 - „echte" 79,84,221 - kompetenztitelinteme 68, 93,106ff., 206,217, 224 - kompetenztitelübergreifende 66f., 82, 92ff., 116f., 119, 200, 202, 206, 223f.

Sonderopfer

182

Sozialstaatsprinzip 43 Sperrwirkung 54,100,106ff., 113,118f., 206, 217, 220, 224f. Spielautomatensteuer 44ff., 153, 160, 173,217 Staatszielbestimmungen 76, 80 Strafrecht 61ff., 80, 131, 152, 214

Ökosteuer 18 Ordnungswidrigkeitenrecht

Systemgerechtigkeit 61,214

Plangewährleistung 20, 172 Praktische Konkordanz 35 Prinzipienwidersprüche 124 f.

17, 19, 68, 69ff.,

121, 132, 223 Tatbestandliche Rückanknüpfungen 167, 169, 226 Treu und Glauben 168, 194

Sachwortverzeichnis Unitarismus 85,113 Verfahrenskooperation 33, 35, 47 Verhältnismäßigkeit 33, 35, 62,131,136, 190,195ff., 217, 227f., Verbrauch- und Aufwandsteuern 44, 65, 211 Verpackungssteuer 15 f., 22ff., 34,57,96, 100,117,135,156,159,161 f., 169,182, 186, 188, 196, 201, 216f. Verpackungsverordnung 25, 28 f., 56, 216 Vertrauensschutz 20, 74, 76, 78, 90, 130, 136f., 162,163ff., 187, 189, 197, 219, 223, 225 ff.

253

Verwaltungsakt 130 Vorbehalt des Gesetzes 147f., 189, 194 Vorrang der Verfassung 76 Vorrang des Gesetzes 134 Wertungswidersprüche 19, 57,124ff., 127, 225 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 15 f., 18, 20, 36, 44, 49, 60, 64, 100, 108,120ff., 128ff., 135 ff., 163, 219, 225 Zumutbarkeit 213 Zweitwohnungssteuer 18, 49, 64