Wer ist Jesus - was denkst du?: Christologische Wissens- und Kompetenzentwicklung in den ersten beiden Grundschuljahren - eine qualitative Längsschnittstudie 9783737003810, 9783847103813, 9783847003816

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Wer ist Jesus - was denkst du?: Christologische Wissens- und Kompetenzentwicklung in den ersten beiden Grundschuljahren - eine qualitative Längsschnittstudie
 9783737003810, 9783847103813, 9783847003816

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Arbeiten zur Religionspädagogik

Band 56

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Gottfried Adam, Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Lachmann und Prof. Dr. Martin Rothgangel

Sabine Benz

Wer ist Jesus – was denkst du? Christologische Wissens- und Kompetenzentwicklung in den ersten beiden Grundschuljahren – eine qualitative Längsschnittstudie

Mit 56 Abbildungen

V& R unipress

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0381-3 ISBN 978-3-8470-0381-6 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Ó 2015, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Jesus sagt zu Gott: »Kannst du die Wolken bitte wegblasen?« Gott tut es. Von Vic im Religionsunterricht gestaltet. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Wissen und Wissensaneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Wissensverständnis im Kontext dieser Arbeit . . . . . . . . . . 2.2 Wertschätzung des intelligenten Wissensbegriffs in der Elementarpädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Wissen und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Wissen im Kontext von Lerndispositionen . . . . . . . . 2.3.2 Zur Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb . 2.4 Wissen und Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Voraussetzungen gelingender Bildungsprozesse in neurobiologischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Neuronale Muster prägen die Entwicklung . . . . . . . . 2.5.2 Gehirn und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2.1 Positive Beziehungserfahrung als Katalysator neuronaler Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Wissen und Wissenserwerb in konstruktivistischer Perspektive . 2.6.1 Zwischen radikal konstruktivistischer Perspektive und pädagogischem Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Sozialer Konstruktivismus und die Bedeutung von Ko-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Thema und Forschungsgegenstand der Arbeit 1.3 Forschungsstand und Forschungslücken . . . 1.4 Ansatz und methodisches Vorgehen . . . . . . 1.4.1 Forschungskontext . . . . . . . . . . . 1.4.2 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . 1.5 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

2.6.3 Grundzüge konstruktivistischer (Fach-)Didaktik . . . . . 2.7 Entwicklung von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Domänenübergreifende Entwicklungstheorien . . . . . . 2.7.1.1 Piagets Stufentheorie der geistigen Entwicklung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1.2 Domänenübergreifende Entwicklung bei Wygotski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Domänenspezifische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2.1 Kernwissensthese und naive Theorien im kindlichen Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2.2 Domänenspezifische Theorien als Erklärung für Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2.3 Empirischer Forschungsstand zu Lernvoraussetzungen von Kindern beim Schuleintritt – Darstellung einer Wissenslandkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Pädagogische Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.1 Didaktisch-methodische Konsequenzen für den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2 Konsequenzen für die pädagogische Forschung (forschendes Studieren und Forschen im Unterricht) . . 2.8.3 Überlegungen zu einer Elementardidaktik . . . . . . . . 2.9 Fazit der pädagogischen Folgerungen im Blick auf die vorliegende Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion . . 3.1 Die allgemeine Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion . 3.1.1 Bildungsstandards und Kompetenzen . . . . . . . . . . . 3.1.2 Zum Perspektivenwechsel durch Bildungsstandards und Kompetenzorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Zum Zusammenhang von Inhalt und Kompetenz . . . . 3.2 Die fachspezifische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Religiöse Bildung und religiöse Kompetenz . . . . . . . . 3.2.2 Religiöse Kompetenz und empirische Basis . . . . . . . . 3.2.3 Kompetenzorientierung und Elementarisierung . . . . . 3.3 Die kindertheologische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Definition »Theologischer Kompetenz« . . . . . . . . . . 3.3.2 Beitrag der Kindertheologie zur Kompetenzdebatte . . .

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Inhalt

3.3.3 (Kinder-)theologische Kompetenz und empirische Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Lehrerkompetenzen zur Kompetenzförderung . . . . . . . . . . 3.4.1 Diagnosekompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Kompetenz zur Planung und Durchführung von Lehr-/Lernprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Kompetenz zum Führen von theologischen Gesprächen . 3.4.4 Forschender Habitus als grundlegende Haltung . . . . . 3.5 Zum Verhältnis von Wissen und Kompetenz . . . . . . . . . . . 3.5.1 Wissen und Kompetenz – Widerspruch oder Ergänzung? 3.5.2 Kontextualisierter vs. entkontextualisierter Wissens- und Kompetenzerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Konsequenzen für die Durchführung der Studie . . . . . . . . . 3.6.1 Didaktisch-methodische Konsequenzen für den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Praxisforschung als Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 »Theologische Kompetenz« als Forschungsgegenstand . . 4

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Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen . . . . . . . 5.1 Zur Genese des Bildungsplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Christologie von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Christologie im Kontext der Entwicklungspsychologie . . . 4.1.1 Entwicklungs- und religionspsychologische Neuorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Zum Umgang mit klassischen Entwicklungstheorien . 4.2. Relevanz äußerer Entwicklungsfaktoren . . . . . . . . . . . 4.2.1 Zur Bedeutung von Elternhaus und Kindertagesstätte. 4.2.2 Zur Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . . 4.3 Landkarte des Wissens und der Vorstellungen von Kindern über Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Bilder von Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Biblische Geschichten von Jesus Christus . . . . . . . 4.3.3 Geburt Jesu und Weihnachten . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Kindersegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Berufungsgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Jesus als Heiler und Wundertäter . . . . . . . . . . . 4.3.7 Jesus als Gleichniserzähler . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.8 Passion Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.9 Auferstehung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.10 Gottessohnschaft Jesu/ Zwei-Naturen-Lehre . . . . .

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Inhalt

5.2 Zum Verständnis von Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Übergeordnete Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Dimensionen und fachspezifische Kompetenzen . . . . 5.3 Zur Verknüpfung von Kompetenzen und Inhalten . . . . . . . 5.4 Zum Umgang mit dem Bildungsplan – Anforderungen an die Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Jesus Christus – exemplarische Konkretion von Kompetenzen und Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Kompetenzen zu Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Themenfelder zu Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Verhältnis von Kompetenzen und Themenfeldern im Blick auf Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Kompetenz- und Themenlücken bezüglich Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Forschungsdesign im Forschungskontext . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Forschungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Kontext Kindheitsforschung . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Kontext Praxis-/Aktionsforschung . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Kontext Unterrichtsforschung am Beispiel des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.4 Kontext Bildungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.5 Kontext Kindertheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Forschungsdesign im Überblick . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2.1 Auswahl der Probandengruppe . . . . . . . . . 6.2.2.2 Zugang zum Feld . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2.3 Begründung und Reflexion der Doppelrolle . . 6.2.3 Datenerhebungs-Design . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.1 Untersuchungsform: Längsschnittstudie . . . . 6.2.3.2 Halbstandardisierte Interviews (Leitfaden-Interviews) . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.3 Interviews mit Kindern . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.4 Gruppendiskussionsverfahren / Kreisgespräche 6.2.3.5 Theologische Gespräche . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.6 Teilnehmende Beobachtung . . . . . . . . . . . 6.2.3.7 Freies Schreiben und Malen . . . . . . . . . . . 6.2.3.8 Methodische Triangulation . . . . . . . . . . . 6.2.4 Datenaufbereitung und Datenauswertung . . . . . . . .

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Inhalt

6.2.4.1 Vorüberlegungen zum Umgang mit der Datenfülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4.1.1 Transkription des Datenmaterials . . . 6.2.4.1.2 Balance zwischen Vorverständnis und Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4.1.3 Begründete Auswahl von Datenmaterial 6.2.4.2 Wissens- und Vorstellungslandkarten von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4.3 Offener Bezugsrahmen: Qualitative Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4.4 Offener Bezugsrahmen: Grounded Theory . . . . 6.2.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern in ausgewählten theologischen Gesprächen . . . . . . . . . 7.1 Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen zum Thema »Weihnachten – Geburt Jesu« in Klasse 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Jesuskind oder Christkind? . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1.1 Gesprächsprotokoll a) »Worauf warten wir im Advent?« – Klasse 1 . . . . . . . . . . . . . . . . Gesprächsprotokoll b) »Wenn ihr einem Kind, das noch nie von Weihnachten gehört hat, das vielleicht in einem ganz anderen Land lebt, erzählen müsst, was an Weihnachten passiert ist, was würdet ihr sagen?« – Klasse 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Jesus als Kind Josefs oder Sohn Gottes? . . . . . . . . . . 7.1.2.1 Gesprächsprotokoll: »Jesus als Kind Josefs oder Sohn Gottes?« – Klasse 1 . . . . . . . . . . . . . 7.1.2.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2.2.1 Entwicklungspsychologische Aspekte . 7.1.2.2.2 Prozesse der Ko-Konstruktion . . . . . 7.1.3 Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun? . . . . . 7.1.3.1 Gesprächsprotokoll »Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun?« – 2. Klasse . . . . . . . . 7.1.3.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3.2.1 Säkulare und kulturell bedingte Aspekte des Schenkens . . . . . . . . . 7.1.3.2.2 Biblischer Aspekt des Schenkens – Die Sterndeuter bringen Geschenke . . . . .

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Inhalt

7.1.3.2.3 Theologischer Aspekt des Schenkens – Jesus als Geschenk Gottes . . . . . . . . 7.1.3.2.4 Weihnachtsfiguren . . . . . . . . . . . . 7.1.3.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis des theologischen Gesprächs . . . . . . 7.1.4 Jesus als König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4.1 Gesprächsprotokoll »Jesus als König?« 2. Klasse . 7.1.4.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4.2.1 Umgang mit Vorwissen . . . . . . . . . 7.1.4.2.2 Prozesse der Ko-Konstruktion . . . . . 7.1.5 Herodes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.5.1 Gesprächsprotokoll a) »Herodes Teil 1« . . . . . Gesprächsprotokoll b) »Herodes Teil 2« . . . . . . . . . . 7.1.5.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . 7.1.5.2.1 Umgang mit Vorwissen . . . . . . . . . 7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse der Schüler/innen auf der Basis theologischer Gespräche . . . . . . . . . 7.1.6 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch zum Thema »Biblische Dilemmageschichte zur Sturmstillung« – Klasse 1 . . . . . . . . 7.2.1 Gesprächsprotokoll »Biblische Dilemmageschichte zur Sturmstillung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.1 Entwicklungspsychologische Befunde . . . . . . 7.2.2.2 Theologisch relevante Beobachtungen . . . . . . 7.2.2.3 Anknüpfen an Vorwissen . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.4 Prozesse der Ko-Konstruktion . . . . . . . . . . 7.2.2.5 Konstruktionsergebnisse der Schüler/innen auf der Basis von Dilemmageschichte und theologischem Gespräch . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen: »Kreuzigung Jesu« – Klasse 1 . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Gesprächsprotokoll a) Spontanes Theologisieren über die Kreuzigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesprächsprotokoll b) »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« – Klasse 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

7.3.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.1 Entwicklungspsychologisch und theologisch relevante Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.2 Vorwissen der Gruppe als Basis von Ko-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen: »Wer hat Jesus auferweckt?« – Klasse 1 . . . . . . 7.4.1 Gesprächsprotokoll: »Wer hat Jesus auferweckt?« – Klasse 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Interpretationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.1 Entwicklungspsychologische und theologisch relevante Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.1.1 Die Engel als Boten Gottes . . . . . . . 7.4.2.1.2 Ist Jesus ein Engel? . . . . . . . . . . . . 7.4.2.1.3 Ist Jesus auferstanden oder hat Gott Jesus auferweckt? – Ko-konstruktives Einüben in religiösen Sprachgebrauch . 7.4.2.2 Anknüpfen an Vorwissen . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.3 Prozesse der Ko-Konstruktion . . . . . . . . . . 7.4.3 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Vic – Individuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . 8.1.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt . . . . . 8.1.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen . .

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Inhalt

8.1.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios . . . . . . . . . . . . . 8.1.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . . 8.1.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung . . . . . 8.2 Franziska – Individuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . 8.2.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt . . . . . 8.2.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen . . 8.2.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . .

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Inhalt

8.2.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung . . . . . 8.3 Jonas – Individuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . 8.3.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt . . . . . 8.3.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen . . 8.3.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . . 8.3.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

8.3.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung . . . . . 8.4 Linnea – Individuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . 8.4.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt . . . . . 8.4.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen . . 8.4.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . . 8.4.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung . . . . . . . . . .

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Inhalt

8.5 Charlotte – Individuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . 8.5.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt . . . . . 8.5.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen . . 8.5.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios . . . . . . . . . . . . . 8.5.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . . 8.5.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›gebildete christologische Vorstellungen‹ . . 8.5.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung . . . . . 8.6 Michael – Individuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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16

Inhalt

8.6.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . 8.6.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt . . . . . 8.6.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen . . 8.6.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios . . . . . . . . . . . . . 8.6.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts . . . . . . . 8.6.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung . . . . . 8.7 Vergleichende Betrachtung der Fallanalysen . . . . . . . . . . . 9

Zusammenfassende thematische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Vergleichende Auswertung der Fallbeispiele vor dem Hintergrund des Kerncurriculums . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Vorschläge zur Erweiterung und Ausdifferenzierung des Kerncurriculums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2.1 Erweiterungen und Ausdifferenzierungen qualitativer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2.2 Erweiterungen und Ausdifferenzierungen quantitativer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

9.1.3 Vergleichende Auswertung der Fallbeispiele vor dem Hintergrund eines erweiterten und differenzierenden Kerncurriculums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Geburt Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Kindersegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Berufungsgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Jesus als Heiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.5 Jesus als Wundertäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.6 Jesus als Gleichniserzähler . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.7 Passion Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.8 Auferstehung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.9 Gottessohnschaft Jesu/ Zwei-Naturen-Lehre . . . . . . . 9.3 Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte . 9.3.1 Lernvoraussetzungen und Resultatkompetenzen . . . . . 9.3.1.1 Von Novizen und Experten – Heterogenität des Vorwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1.2 Wissen über Jesus weiterentwickeln – Bedeutung des Vorwissens für den Wissensaufbau . . . . . . 9.3.1.3 Über Jesus Christus sprechen können – Einüben in religiös geprägte Sprache . . . . . . . . . . . . 9.3.1.4 Von Jesus Christus erzählen können – Einüben in flüssiges und folgerichtiges Erzählen biblischer Geschichten . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1.5 Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken können – Zum Zusammenspiel von Inhalt und Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1.6 Im Religionsunterricht von Jesus erfahren – Zur Wirkung von Religionsunterricht . . . . . . . . . 9.3.2 Lernprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2.1 Miteinander über Jesus sprechen können – Vorwissen und Ko-Konstruktionsprozesse in theologischen Gesprächen . . . . . . . . . . . . 9.3.2.2 Immer wieder theologisieren können – Entwicklung eines theologisierenden Habitus . . 9.4 Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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18 11. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Fragebogen Erzieherinnen/Erzieher Kindertagesstätte . . 11.1.2 Fragebogen Eltern – Zeitpunkt: Ende der Kindergartenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Fragebogen Eltern – Zeitpunkt: Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Leitfadeninterview (Ende der Kindergartenzeit – Ende des zweiten Schuljahres) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Übersicht über ergänzend eingesetzte Bilder . . . . . . . 11.3 Transkriptionen der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Vic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1.1 Vic – Interview im Kindergarten . . . . . . . . . 11.3.1.2 Vic – Interview am Ende des zweiten Schuljahres . 11.3.2 Franziska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2.1 Franziska – Interview im Kindergarten . . . . . 11.3.2.2 Franziska – Interview am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Jonas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3.1 Jonas – Interview im Kindergarten . . . . . . . . 11.3.3.2 Jonas – Interview am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Linnea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4.1 Linnea – Interview im Kindergarten . . . . . . . 11.3.4.2 Linnea – Interview am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 Charlotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5.1 Charlotte – Interview im Kindergarten . . . . . . 11.3.5.2 Charlotte – Interview am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.6 Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.6.1 Michael – Interview im Kindergarten . . . . . . 11.3.6.2 Michael – Interview am Ende des zweiten Schuljahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Unterrichtsdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Dokumentation der Unterrichtseinheit zu Jesus Christus in Klasse 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Dokumentation der Unterrichtseinheit zu Jesus Christus in Klasse 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhalt

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde unter dem Titel »Wer ist Jesus – was denkst du? Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz. Eine qualitative praxisorientierte Längsschnittstudie vom Ende der Kindergartenzeit bis zum Abschluss des zweiten Schuljahres« im Frühjahr 2014 von der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie der Technischen Hochschule Dortmund als Dissertation angenommen. Die Drucklegung machte einige kleinere Veränderungen sowie eine Auslagerung großer Teile des Anhangs in den virtuellen Bereich notwendig. Einige Menschen und Institutionen begleiteten dieses Promotionsvorhabens in vielfältiger Art und Weise: Mein besonderer Dank gilt Prof. i.R. Dr. Gerhard Büttner, der mich ermutigt hat, diese Arbeit zu schreiben und ihre Entstehung von Beginn an äußerst engagiert und kompetent begleitet hat. Zahlreiche Gespräche mit ihm waren mir stets Inspiration und Unterstützung. Dank auch an Prof. Dr. Mirjam Zimmermann, die das Vorhaben aus der Ferne mit großem Interesse verfolgt und das Zweitgutachten verfasst hat. Erwähnen und danken möchte ich darüber hinaus Prof. i.R. Dr. Siegfried Zimmer und Prof. Dr. Manfred Pirner, die während meines Studiums für das Lehramt an GHS sowie meines Magisterstudiums Fachdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg Wegbereiter dieses Promotionsvorhabens waren. Die Fakultät Humanwissenschaften und Theologie der TU Dortmund förderte dasselbe durch ein großzügiges Promotionsstipendium. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg unterstützte es durch einen freundlich gewährten Druckkostenzuschuss. Danken möchte ich Prof. Dr. Dr. h.c. Gottfried Adam, Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Lachmann und Prof. Dr. Martin Rothgangel für die Aufnahme dieser Dissertation in die Reihe »Arbeiten zur Religionspädagogik«. Ganz besonders danke ich den Schülerinnen und Schülern, die an der Studie beteiligt waren. Vielen Dank für die interessanten Gespräche, die wir mitein-

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Vorwort

ander geführt haben, für die Fragen, die ihr gestellt habt, für euer Mit- und Weiterdenken. Meine zahlreichen früheren Schülerinnen und Schüler schließe ich an dieser Stelle ausdrücklich in den Dank mit ein und freue mich schon auf die zukünftigen. Meiner Familie und meinen Freunden bin ich dankbar für die Unterstützung, die ich in allen Höhen und Tiefen, die das Schreiben einer Dissertation mit sich bringt, durch sie erfahren habe. Über Entwicklung schreiben ist wichtig, Entwicklung mitzuerleben wesentlich. Aus diesem Grund widme ich dieses Buch meiner Tochter. Backnang, im September 2014

Sabine Benz

1

Einleitung

1.1

Ziele der Arbeit

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit basiert auf drei grundlegenden Voraussetzungen. Erstens ist die geringe Anzahl an langfristig angelegten empirischen Forschungsstudien zur Wissens- und Kompetenzentwicklung für den religionspädagogischen Bereich im deutschsprachigen Raum unbefriedigend. Zweitens fällt auf, dass die empirische Lehr-Lernforschung im Schnittfeld zwischen Theorie und Praxis in der Religionsdidaktik bislang vergleichsweise wenig entwickelt ist. Deswegen überrascht es nicht, dass sich Unstimmigkeiten zwischen der seit einigen Jahren geführten Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion und den real existenten Konkretionen in den Bildungsplänen der Länder sowie insbesondere der Praxis des Religionsunterrichts konstatieren lassen. Drittens vernachlässigt sowohl die religionspädagogische Unterrichtsforschung als auch die empirische Forschung zur Kindertheologie die Altersgruppe der 5 – 8-Jährigen, insbesondere den Übergang zwischen Elementar- und Primarbereich. Vor diesem Hintergrund sind die Ziele der vorliegenden Forschungsstudie einzuordnen. Durch die Organisation als zwei Jahre umfassende qualitative Längsschnittstudie1 können wichtige Einblicke in die individuelle Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz gewonnen und anhand von sechs exemplarisch ausgewählten Entwicklungsverläufen beschreibend dokumentiert werden.2 Auf diese Weise gelingt es, den Fokus auf die real existente – heterogene – religiöse Wissens- und Kompetenzentwicklung zu richten. Die Entscheidung für 5 – 8-jährige Probanden enthält dabei eine bewusste Sensibilität gegenüber dem Übergang zwischen Elementar- und Primarbildung. Durch ein bewusst praxisorientiertes Vorgehen und die Anbindung der Studie an konkreten Reli1 Vgl. zur Untersuchungsform als Längsschnittstudie Kapitel 6.2.3.1, zum Überblick über das Forschungsdesign Kapitel 6.2.1. 2 Vgl. zu den Fallbeispielen Kapitel 8.1 – 8.6.

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Einleitung

gionsunterricht soll insbesondere ein fruchtbarer Dialog zwischen Wissenschaft und Religionsunterricht angeregt werden. Die vorliegende Forschungsarbeit ermöglicht den Blick auf das bereichsspezifische Wissen sowie die individuellen Vorstellungen von Kindern bezüglich Jesus Christus vom Ende ihrer Kindergartenzeit an.3 Entsprechend der Theorie domänenspezifischer Wissensentwicklung4 zeichnet sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ein heterogenes Bild ab, das anhand individueller Wissensund Kompetenzlandkarten5 visualisiert wird. Dies gibt wertvollen Aufschluss darüber, mit welchem real existenten Spektrum an Lernvoraussetzungen Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer bei Schulanfängern rechnen können6. Hauptziel ist die Erfassung und zusammenfassende Dokumentation einer zweijährigen Genese des religiösen Wissens sowie der theologischen Kompetenz bezüglich Jesus Christus auf der Basis der erhobenen Ausgangslage im Vorschulalter. Durch einen weiteren Messzeitpunkt am Ende des zweiten Schuljahres sowie durch Einbezug von Daten, die sich in theologischen Unterrichtsgesprächen und anhand von Arbeitsprodukten der Schülerinnen und Schüler7 gewinnen lassen, entsteht für sechs Kinder eine beschreibende Dokumentation individueller Entwicklungsverläufe.8 Hier zeigt sich in welchem Ausmaß sowie an welchen Stellen sich Wissen über Jesus Christus individuell ausdifferenziert bzw. verändert. Sowohl qualitative als auch quantitative Erweiterungen treten zum Vorschein. Neben dem Wissen über Jesusgeschichten werden auch die christologischen Vorstellungen der Kinder als Teil ihrer eigenständigen theologischen Kompetenzentwicklung fokussiert, wobei tabellarische Übersichten die Lernvoraussetzungen und Lernresultate der zweijährigen Entwicklung direkt gegenüberstellen.9 Im Anschluss an die individuellen Falldokumentationen werden die Beispiele zu einer übergreifenden thematischen Analyse herange3 Der erste Messzeitpunkt erfasst die Probanden am Ende ihrer Vorschulzeit in halbstandardisierten Interviews. 4 Vgl. hierzu allgemein Kapitel 2.7.2, insbesondere 2.7.2.2. 5 Die Entscheidung für die zusammenfassende Darstellung von Daten in Wissens- und Vorstellungslandkarten geschieht in Anlehnung und Weiterführung von Fried. Vgl. dazu Kapitel 6.2.4.2 Wissens- und Vorstellungslandkarten von Kindern, grundlegend aber auch Kapitel 2.3.2 Zur Bedeutung von Vorwissen für den Wissenserwerb, Kapitel 2.7.2.3 zur Darstellung einer ›allgemeinen‹ Wissenslandkarte von Kindern vor Schuleintritt. 6 Vgl. zu den individuellen Wissens- und Vorstellungslandkarten vor Schuleintritt Kapitel 8.x.1.3. (x steht für die sechs ausgewählten Kindern, deren Entwicklung besonders intensiv dokumentiert und beschrieben wird. 7 Diese werden in Portfolios gesammelt. 8 Bei der Auswahl der Fälle wird auf eine größtmögliche Darstellung der Heterogenität geachtet. Vgl. zu den Auswahlkriterien sowie zu den individuellen Entwicklungsverläufen ausführlich Kapitel 8. 9 Vgl. dazu in den Fallbeispielen jeweils Kapitel 8.x.4.

Ziele der Arbeit

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zogen.10 Sie werden mit bisherigen Forschungsergebnissen11 abgeglichen, die sie entweder bestätigen, erweitern oder in Frage stellen.12 Ferner werden die real vorfindlichen und dokumentierten Entwicklungsverläufe mit einer aktuellen Förderorientierung in Beziehung gesetzt. Entsprechen die tatsächlich erworbenen Kompetenzen, der reale ›Output‹ nach zwei Jahren Religionsunterricht, den erwarteten Vorgaben des zugrunde liegenden Bildungsplans?13 Lassen sich auf der Basis der Ergebnisse Ansätze für empirisch gestützte Niveaukonkretisierungen erkennen? Können Vorschläge zur Erweiterung und Ausdifferenzierung des Kerncurriculums gemacht werden? Reflektiert werden die Entwicklungsverläufe auch im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte14, insbesondere unter den Aspekten Heterogenität und Bedeutung des Vorwissens15, Einüben in religiöse Sprache, in flüssiges Erzählen und das Theologisieren sowie hinsichtlich des Zusammenspiels aus Wissens- und Kompetenzentwicklung. Es ist ein besonderes Anliegen der Verfasserin, durch ihre Studie eine fruchtbare Annäherung sowie Auseinandersetzung von wissenschaftlicher Forschung und unterrichtlicher Praxis zu ermöglichen. Deshalb wird die Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz bewusst in Anbindung an konkreten Religionsunterricht untersucht.16 Dadurch erhalten die im 10 Vgl. Kapitel 9. 11 Vgl. dazu grundlegend Kapitel 4. 12 Da die vorliegende Studie eine qualitative Forschungsstudie darstellt kann es aufgrund der mangelnden Datenbreite nicht um ein Verifizieren bzw. Falsifizieren anderer Studien gehen. Aber die real vorfindlichen individuellen Entwicklungsprozesse, die hier dargestellt werden, vgl. Kapitel 8.1 – 8.6, können entweder ein ergänzendes Puzzlestück bezüglich andere Studien sein, oder aber in Gegensatz dazu stehen, was zumindest zu weiterer Forschungsanstrengung in den betreffenden Bereichen führen könnte. 13 Vgl. Kapitel 9.1. Da es sich um eine Probandengruppe aus Baden-Württemberg handelt und die Studie praxisorientiert in Anbindung an konkreten Religionsunterricht arbeitet, ist hier der Bildungsplan Baden-Württembergs für die Grundschule von 2004 relevant. Vgl. grundlegend Kapitel 5. 14 Vgl. Kapitel 9.3, dazu grundlegende Kapitel 2 und Kapitel 3. 15 Vgl. hierzu insbesondere Fried, Expertise, ausführlich aufgegriffen in Kapitel 2.3.2. 16 Im Anhang findet sich unter 11.4 eine Dokumentation aller gehaltenen Religionsstunden zur Unterrichtsthematik »Jesus Christus«. In Kapitel 2.9 sowie 3.3.3 werden die Konsequenzen aus der Wissensaneignungs- sowie der Kompetenzdebatte aufgeführt, die in die konkrete Planung sowie Durchführung des real stattfindenden und dokumentierten Unterrichts im Rahmen dieser Studie eingeflossen sind. Die Dokumentation der Unterrichtsstunden dient einerseits der Transparenz des real durchgeführten Unterrichtsgeschehens. Sie ermöglicht andererseits die prinzipielle Wiederholbarkeit desselben, allerdings unter dem Vorbehalt der situationsspezifischen Grenzen eines solchen Vorgehens. Aufgrund mangelnder personeller Ressourcen konnte innerhalb der vorliegenden Studie keine Vergleichsgruppe gebildet werden. Die ermöglichte prinzipielle Wiederholbarkeit stellt die gewählte Alternative dar. Gerade der Verortung der Studie zwischen den Polen Theorie und Praxis in Form der Praxisforschung ist die hohe Komplexität geschuldet, die ein stark exemplarisches Vorgehen nötig macht.

24

Einleitung

Rahmen dieser Studie gemachten und dokumentierten Beobachtungen Relevanz sowohl für die Wissenschaft als auch für die Unterrichtspraxis, verbunden mit der Hoffnung, dass sie von beiden Seiten gleichermaßen gewinnbringend rezipiert werden können. Um die Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz der Kinder während des Religionsunterrichts sensitiv erfassen zu können wird zeitweise (in allen für die Thematik Jesus Christus relevanten Unterrichtsstunden) eine Doppelrolle aus Lehrperson und Forschender eingenommen, die sorgfältig reflektiert wird.17 Das bedeutet, dass die betreffenden Stunden unter Einbezug der Vorgaben des Bildungsplanes18 sowie der erhobenen heterogenen Lernvoraussetzungen der Kinder geplant und durchgeführt werden. Im Verlauf der Religionsstunden zum Thema »Jesus Christus« ergibt sich vielfach Gelegenheit, mit den Kindern zu theologisieren. Durch die Akzeptanz als Religionslehrerin können im Rahmen dieser theologischen Gespräche vertiefte Einsichten in die durch den Unterricht angestoßenen Entwicklungsprozesse bezüglich religiösen Wissens und theologischer Kompetenz gewonnen werden, welche die Ergebnisse der halbstandardisierten Interviews zu Beginn und am Ende des Messzeitraumes ebenso ergänzen wie exemplarisch ausgewählte im Unterricht erstellte Arbeitsprodukte19. Durch sie sind vertiefende Entwicklungseinblicke in Abhängigkeit zu unterrichtlichen Lernangeboten möglich, die das dokumentierte Gesamtbild der individuellen Entwicklungsverläufe erweitern. Zudem eröffnen gerade die theologischen Gespräche einen zweiten Blickwinkel auf die Wissens- und Kompetenzentwicklung, kommt hier doch die gesamte Klasse (19 Schülerinnen und Schüler)20 zeitgleich in den Blick. Zusätzlich zu den sechs in den Fallbesprechungen dokumentierten individuellen ›Entwicklungsfäden‹ werden somit an thematisch zentralen Knotenpunkten das religiöse Wissen sowie die theologische Kompetenz aller Schülerinnen und Schüler der Religionsgruppe fokussiert. Oder anders gesagt: Während die Entwicklung von sechs Kindern längsschnittartig beobachtet und dokumentiert wird, werden einzelne Gespräche querschnittartig ausgewertet. An den exemplarisch ausgewählten Gesprächen lassen sich sowohl entwicklungspsycholo-

17 Vgl. zur Reflexion der Doppelrolle insbesondere Kapitel 6.2.2.3. 18 Vgl. Bildungsplan B-W, GS, 2004. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bildungsplan im Blick auf die Dimension Jesus Christus erfolgt in Kapitel 5. 19 Ausgewählt wurden der Aussagekraft wegen insbesondere freie Schreib- oder Malaufgaben der Schülerinnen und Schüler. Der Vergleichbarkeit halber wurden in allen Fällen die gleichen Aufgaben ausgewertet. 20 Es handelt sich um 19 Schülerinnen und Schüler innerhalb der Religionsgruppe, von denen nur 18 als Probanden an der gesamten Untersuchung teilnehmen. Eine Schülerin kam in der ersten Klasse hinzu, hatte aber nicht an den Vorschulinterviews teilgenommen. Sie wird im Rahmen der theologischen Gespräche erfasst, jedoch nicht in den Fallbeispielen.

Thema und Forschungsgegenstand der Arbeit

25

gisch21 als auch theologisch22 relevante Entdeckungen machen. Darüber hinaus können das Vorwissen der Klasse23 sowie insbesondere ko-konstruktive Prozesse24 dokumentiert werden, die teilweise mit Blick auf sich daraus ergebende Konstruktionsleistungen25 ausgewertet werden. Aspekte möglicher Gesprächsverläufe26 ergänzen die Analyse und dienen der Ermöglichung einer Rückführung der Ergebnisse in die Unterrichtspraxis27.

1.2

Thema und Forschungsgegenstand der Arbeit

In der vorliegenden Studie wird die Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz anhand der Thematik Jesus Christus erforscht. Die Formulierung des Forschungsgegenstandes in dieser Weise versucht den Brückenschlag zwischen dem Interesse situationsorientiert an Vorwissen und vorhandene Kompetenzen anzuknüpfen, das im Früh- und Elementarbereich28 in besonderer Weise ausgemacht werden kann, sowie der outputorientierten Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion im Bereich schulischen Lehren und Lernens29. Bei der Definition von Wissen in der vorliegenden Arbeit ist die Vorstellung des wissbegierigen Kindes leitend.30 In diesem Zusammenhang wird Wissensaufbau keineswegs als Anhäufung wertloser Fakten, schon gar nicht als von Seiten Erwachsener systematisch vermittelte Information, sondern als Konstruktionsprozess31 aktiv handelnder Subjekte sowohl in Eigenleistung als auch 21 22 23 24 25 26 27 28

29 30 31

Vgl. Kapitel 7.1.1.3, Kapitel 7.1.2.2.1, Kapitel 7.2.2.1 Kapitel 7.3.2.1 und Kapitel 7.4.2.1. Vgl. Kapitel 7.1.3.2, Kapitel 7.1.4.2, Kapitel 7.2.2.2 und Kapitel 7.4.2.1. Vgl. Kapitel 7.1.5.2, Kapitel 7.2.2.3, Kapitel 7.3.2.2 und Kapitel 7.4.2.2. Vgl. Kapitel 7.1.2.2.2, Kapitel 7.1.4.2.2, Kapitel 7.2.2.4 sowie Kapitel 7.4.2.3. Vgl. Kapitel 7.1.5.3, Kapitel 7.2.2.5 sowie Kapitel 7.4.2.4. Vgl. Kapitel 7.1.4, Kapitel 7.2.3 und Kapitel 7.4.3. Im Sinne des 2014 erscheinenden Handbuchs Theologisieren mit Kindern, an dem zahlreiche Autorinnen und Autoren mitgearbeitet und zu diversen Themengebieten Übersichten über erwartbare Gesprächsaspekte erstellt haben. Vgl. hierzu insbesondere Kapitel 2.2 Wertschätzung des Wissensbegriffs in der Elementarpädagogik, aber auch 2.3.1 Wissen im Kontext von Lerndispositionen und 2.3.2 Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb, ferner in Bezug auf die domänenspezifischen Theorien Kapitel 2.7.2.3 Empirischer Forschungsstand zu Lernvoraussetzungen von Kindern bei Schuleintritt – Darstellung einer Wissenslandkarte. Vgl. grundlegend Klieme u. a., Expertise Bildungsstandards, 2003. Vgl. insbesondere auch Kapitel 3.1 Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion sowie 3.1.2 Zum Perspektivwechsel durch die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion. Vgl. als grundlegende Literatur insbesondere Fried/Büttner, Weltwissen – Fried, wissbegierige Kind – Stern, Lernstrategien. Vgl. zum Wissenserwerb in konstruktivistischer Perspektive Kapitel 2.6, im Blick auf konstruktivistische Religionsdidaktik insbesondere 2.6.3. Vgl. insbesondere auch die heterogen

26

Einleitung

durch Ko-Konstruktion32 mit Gleichaltrigen sowie Erwachsenen verstanden. Hirnphysiologische33 sowie kognitionspsychologische34 Erkenntnisse werden mit einbezogen und in ihrer Bedeutung für pädagogische Settings beleuchtet. Gerade die Bedeutung des (Vor-)Wissens als wesentlicher Konstituente der Lerndisposition35 wird innerhalb der vorliegenden Studie als relevant eingestuft. So wird das religiöse (Vor-)Wissen und die theologische (Vor-)Kompetenz innerhalb der Subdomäne »Jesus Christus – Christologie« am Ende der Kindergartenzeit36 erfasst, womit die Lernvoraussetzungen für schulische Lernprozesse geklärt werden. Unter Einbezug der Theorien domänenspezifischen Lernens37 lässt sich das dabei für die Probandengruppe entstehende heterogene Bild38 erklären und der Umgang mit dieser Heterogenität im Religionsunterricht kann reflektiert werden. Erkenntnisse aus der Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion im schulischen Bereich fließen ebenfalls in die vorliegende Studie ein.39 Als Ausgangspunkt wird die allgemeine Diskussion, insbesondere gestützt auf die Klieme-Expertise40, gewählt, wobei der Blick gezielt auf den Paradigmenwechsel im Sinne einer ›outcome-Orientierung‹41 gelenkt wird, der sich in den Bildungsplänen der Länder niedergeschlagen hat. Der Bildungsplan für die Grundschule in Baden-Württemberg in der Fassung von 2004 wird – da die Forschungsstudie teilweise an konkreten Religionsunterricht gekoppelt ist – als Förderorientierung diskutiert.42 Schwer zu fassen und für eine Studie wie die vorliegende nicht zu operationalisieren ist der Begriff der »religiösen Kompetenz« für den eine befriedigende, allgemein anerkannte Definition noch nicht gefunden wurde.43

32

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

ausfallenden individuellen Wissens- und Vorstellungslandkarten sowie die tabellarischen Übersichten über die Entwicklung christologischer Vorstellungen in den sechs ausführlich dokumentierten Entwicklungsverläufen jeweils in Kapitel 8.x.1.3 / 8.x.3.3 und 8.x.4. Vgl. zu sozialer Konstruktion, bzw. zu Ko-Konstruktionsprozessen Kapitel 2.6.2 und die jeweiligen Unterkapitel zu Ko-Konstruktionsprozessen in den exemplarisch ausgewählten und analysierten theologischen Gesprächen in Kapitel 7, nämlich Kapitel 7.1.2.2.2, Kapitel 7.1.4.2.2, Kapitel 7.2.2.4 sowie Kapitel 7.4.2.3. Vgl. zu hirnphysiologischen Erkenntnissen insbesondere Kapitel 2.5. Vgl. zu kognitionspsychologischen Prozessen Kapitel 2.4. Vgl. Kapitel 2.3.2 zur Bedeutung des Vorwissens sowie Kapitel 2.7.2 zu domänenspezifischen Theorien, in denen das Vorwissen innerhalb einer Domäne, bzw. Subdomäne eine besondere Rolle spielt. Zeitlich liegen die halbstandardisierten Vorschulinterviews zwischen Mai und Juni 2010. Die Vorschulzeit der Probanden neigt sich zu diesem Zeitpunkt dem Ende entgegen. Vgl. Kapitel 2.7 Domänenspezifische Theorien der Wissensentwicklung. Vgl. Kapitel 8.x.1 in den sechs ausführlich dargestellten Entwicklungsverläufen. Vgl. dazu Kapitel 3. Vgl. Klieme u. a., Expertise Bildungsstandards. Vgl. Kapitel 3.1.2 Zum Perspektivenwechsel durch Bildungsstandards und Kompetenzorientierung Vgl. Kapitel 5. Vgl. dazu Kapitel 3.2.1 und 3.2.2

Thema und Forschungsgegenstand der Arbeit

27

Der von Zimmermann vorgeschlagene Begriff der »theologischen Kompetenz«44 ist durch seine Fokussierung auf bestimmte Teilaspekte religiöser Kompetenz einfacher zu handhaben. In Weiterführung der Definition von Zimmermann wird dieser Begriff in altersadaptierter Modifikation aufgegriffen. Insbesondere die kognitive Dimension theologischer Kompetenz, die sich auf bestimmte Inhalte und Methoden bezieht und insofern sowohl lehrbar, als auch erlernbar und ausbaufähig ist, steht im Mittelpunkt. Diese Komplexitätsreduktion sowie die Anbindung des Begriffs an das didaktische Leitbild der Kindertheologie45 erleichtern die Arbeit in einer bewusst praxisorientierten Forschungsstudie mit den jungen Probanden der hier beforschten Altersklasse. Die Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz einer bestimmten Altersgruppe kann im Rahmen einer Dissertation nicht generell, sondern nur anhand einer bestimmten Thematik erforscht werden.46 Aus folgenden Gründen fiel die Entscheidung auf das Wissen und die Vorstellungen von Jesus Christus. Erstens ist die Frage nach Jesus Christus neben der Frage nach Gott für den christlichen Religionsunterricht zentral. Zweitens lässt sich im Gegensatz zur Gotteserkenntnis eine natürliche Jesuserkenntnis, bzw. eine natürliche Christologie weitestgehend ausschließen. Das bedeutet, dass ein Kind prinzipiell nur dann ein Bild von Jesus haben kann, wenn es auch schon von ihm gehört hat. Deswegen gewinnt die Frage des Vorwissens, sprich der Lernvoraussetzungen sowie der weiterführenden Impulse im Unterricht, die jedes Kind individuell rezipiert, eine wichtige Rolle. Es kann auf der Basis domänenspezifischer Theorien von stark heterogenen Lernvoraussetzungen und heterogenen Entwicklungsverläufen bezüglich des themenspezifischen Wissens sowie der themenspezifischen Kompetenz ausgegangen werden. Drittens ist der Umfang der Themeneinheit Jesus Christus im Religionsunterricht überschaubar und eine Erforschung christologischer Vorstellungen von Kindern im Rahmen dieser Forschungsstudie realisierbar. Es handelt sich um ca. 20 – 25 Stunden in Klassenstufe eins sowie ebenso vielen in Klassenstufe zwei.47

44 Vgl. dazu grundlegend Zimmermann, Kindertheologie. Vgl. im Rahmen der vorliegenden Studie insbesondere Kapitel 3.3.1. 45 Vgl. dazu Kapitel 3.3.2. 46 Zum generellen Zusammenhang zwischen Inhalt und Kompetenz vgl. Kapitel 3.5. 47 Eine Dokumentation der im Rahmen dieser Forschungsstudie integrierten Religionsstunden findet sich unter 11.4 im Anhang dieser Arbeit. Vgl. zum Umfang auch den Bildungsplan BW, 2004 Grundschule, dargestellt und diskutiert in Kapitel 5.

28

Einleitung

1.3

Forschungsstand und Forschungslücken

Es gibt in jüngerer Zeit im deutschsprachigen Raum keine der vorliegenden Arbeit entsprechende qualitative Längsschnittstudie, die die Entwicklung des religiösen Wissens über Jesus Christus und die diesbezügliche theologische Kompetenz unter Einbezug des Religionsunterrichts bei 5 – 8-Jährigen erfasst. Insgesamt sind echte Längsschnittstudien im religionspädagogischen Bereich generell auffallend unterrepräsentiert, obgleich sie immer wieder eingefordert werden. Zugespitzt formuliert Hennecke: »Insgesamt sind die konkreten Lernprozesse, die im Religionsunterricht der Grundschule stattfinden, kaum erforscht. Es gibt nur wenig empirische Absicherungen, wie angebotene Lerninhalte von den Schülerinnen und Schülern adaptiert, individuell verarbeitet und von ihnen als ihr Thema angenommen und reflektiert werden. Es ist wenig darüber bekannt, wie Lernprozesse genau zustande kommen und ablaufen, ob sie durch die Berücksichtigung lernpsychologischer Aspekte gefördert werden können bzw. ob religiöses Lernen eventuell effektiver gestaltet werden kann. Fundierte empirische Untersuchungen dieser individuellen Lernprozesse sind bislang nur in Ansätzen erfolgt. Es eröffnet sich demzufolge eine augenfällige Forschungslücke […]«48

Henneckes Studie, die genau hier ansetzt und nach längerfristigen Lernprozessen von Drittklässlern im Religionsunterricht fragt49 bildet einen wichtigen Schritt in die Richtung, die auch mit der vorliegenden Studie eingeschlagen wird. Gemeinsam ist beiden Studien ihr Interesse an praxisrelevanter und praxisnaher Forschung. Ebenfalls gemeinsam ist der auf individuelle Lern-/ Entwicklungsverläufe gerichtete Fokus. Bei der von Hennecke beforschten Altersgruppe handelt es sich im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit jedoch um Drittklässler. Die Thematik der beforschten Unterrichtseinheiten (Jona, Licht, Gottesfrage) ist ebenfalls eine andere. Auch der Grad der Praxisnähe unterscheidet sich. Zur Genese einer Christologie bei Schülerinnen und Schülern der betreffenden Altersgruppe liegen einzelne Studien vor, erwähnt sei an dieser Stelle exemplarisch die Christologie von Büttner50, die auf einer als Quasi-Panel organisierten Studie basiert, in der neun Klassenstufen im Prinzip so behandelt werden, als ob sie die jüngste Ausgangsklasse nach ein, zwei, etc. Jahren wären. Es liegt nahe, Aspekte von Studien zur Christologie für die vorliegende Forschungsarbeit aufzugreifen und zu prüfen, ob die eigenen Probanden jene Ergebnisse validieren oder davon differieren. Ebenso sinnvoll ist es, die in früheren 48 Hennecke, Was lernen Kinder, 15. 49 Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder im Religionsunterricht? Elisabeth Hennecke fragt in ihrer Studie danach, wie Kinder Religionsunterricht rezipieren. 50 Vgl. Büttner, Jesus hilft.

Forschungsstand und Forschungslücken

29

Studien gewonnenen Erkenntnisse zur Christologie im Rahmen der Datenauswertung und -analyse einzubeziehen.51 Obwohl die Entwicklung der Vorstellungen zur Christologie in den letzten Jahren insgesamt gut erforscht worden ist, fehlen Beiträge, die explizit zur gegenstandsbezogenen Entwicklungspsychologie Bezug nehmen.52 Eine Ausnahme machen die neuen Erkenntnisse zur Entwicklung eines Christologie-Konzepts, die Büttner und Dieterich in ihrer religionspädagogischen Entwicklungspsychologie bieten.53 Sie betrachten die Christologie konsequent als eine Subdomäne der Domäne Religion. Im deutschen wie im internationalen Raum existiert eine Fülle quantitativer Querschnittstudien, die ausloten, welche domänenspezifischen Wissensvorräte, bzw. welche theologische Kompetenz Kinder eines bestimmten Alters bezüglich der Thematik Jesus Christus durchschnittlich erworben haben. Büttner und Dieterich sehen in der Entwicklung des Christologie-Konzepts von Kindern und Jugendlichen die neben der Gottesfrage (und der Theodizee-Problematik) am besten empirisch erforschte und dokumentierte theologische Fragestellung im deutschen Sprachraum.54 Die hier gewonnenen Erkenntnisse sind wichtig und wertvoll, weswegen einige bezüglich der vorliegenden Studie reflektiert werden. Ganz im Gegensatz zur vorliegenden Längsschnittstudie vernachlässigen die allermeisten Forschungsarbeiten jedoch die individuelle Ausprägung zugunsten der Gemeinsamkeiten einer Altersgruppe. Begrüßenswert ist, dass in jüngster Zeit das Interesse an empirischer Bildungsforschung im Früh- und Elementarbereich auch in Deutschland deutlich gestiegen ist. Dennoch steht die Forschung hier noch am Anfang.55 Bedauerlicherweise ist das Forschungsinteresse in der Domäne des religiösen Wissens, da schwach strukturiert, im Vergleich zum Interesse an stark strukturierten Domänen (z. B. Mathematik, Naturwissenschaften, Psychologie) weniger ausgeprägt. Die vorliegende Studie bietet gerade für den Altersbereich der 5 – 8-Jährigen wichtige Erkenntnisse, da hier eine noch ansehnliche Forschungslücke offen ist.56 51 Vgl. Kapitel 4.1 Christologie im Kontext von Entwicklungspsychologie sowie Kapitel 9.2 zur Auswertung im Kontext der religionspädagogischen Forschung zur Christologie. 52 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 207, die ebendies konstatieren und zugleich einfordern. 53 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 191 – 206. Die Überlegungen von Büttner und Dieterich spielen in Kapitel 4.1 zur Neuorientierung des Christologiekonzeptes und zum Umgang mit den klassischen Stufentheorien eine zentrale Rolle. 54 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 192. Einige dieser Forschungsarbeiten werden in Kapitel 4.3 in Form einer Übersicht nach Themen geordnet zusammenfassend dargestellt. 55 Vgl. Fried, Expertise, 2005 und Büttner, 2008. 56 Grundschuluntersuchungen arbeiten häufig mit Schülerinnen und Schülern ab der dritten Klasse, deren bereits entwickelte Sprach- und Schreibfähigkeiten die Forschungsarbeit erleichtern.

30

Einleitung

Die Kindertheologie als konkreter Kontext dieser Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren etabliert. Eine Vielzahl hochinteressanter Beiträge ist erschienen und hat eine Wertschätzung von Kindern als eigenständigen theologischen Denkern durchgesetzt.57 Für die nächste Zeit bleibt die Forderung nach Präzisierung kindertheologischer Forschungsdesigns, nach mehr Beachtung von Gütekriterien sowie Mindeststandards wissenschaftlicher Forschung.58 Im Bereich der Religionsunterrichtsforschung werden komplex angelegte Studien, die langfristige Lerneffekte untersuchen als vordringlich angesehen, damit die Prozessqualität (tatsächlich erreichte Lerneffekte) nicht hinter der Produktqualität (erwartete Standards, Kompetenzen) zurückbleibt.59 Gerade auch in diese Forschungslücke trifft die vorliegende Studie, da die tatsächlich stattfindende Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz bezüglich Jesus Christus von den Lernvoraussetzungen (Interviews) über die Lernprozesse im Unterricht (theologische Gespräche, Portfolios) bis zu den real erreichten Lernresultaten (Interviews) verfolgt wird. So werden wichtige Einblicke in die Entwicklungsprozesse ermöglicht. Generell gilt für die empirische Lehr-Lern-Forschung, dass religionsdidaktische Studien, die eine Brückenfunktion zwischen Theorie und Praxis bilden, bislang in unzureichender Anzahl vorliegen. Eine Problematik besteht jedoch meist darin, dass solche Forschungsarbeiten – der Komplexität wegen – meist qualitativ arbeiten müssen, was die Vergleichbarkeit aus wissenschaftlicher Sicht stark einschränkt. Jedoch gilt wie Hennecke konstatiert: »Auch wenn sich die Darstellung auf einzelne, sehr individuelle Lernverläufe beschränkt, ermöglicht sie Rückschlüsse, die verallgemeinerbar sind und auf Grundsätzliches verweisen. Im Entdecken von Gemeinsamkeiten oder auch in distanzierender Abgrenzung erhalten am Religionsunterricht Interessierte somit Beobachtungsmuster für die vielfältigen und verschiedenen Rezeptionsmöglichkeiten schulischen Religionsunterrichts. Aus ihnen ergeben sich darüber hinaus Anschlussfragen an eine zukunftsfähige Konzeptionalisierung und Gestaltung von Religionsunterricht.«60

57 58 59 60

Vgl. dazu insbesondere die zahlreichen Beiträge in den Jahrbüchern für Kindertheologie. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 165 – 230. Vgl. Schweitzer, RU erforschen, 3 – 6. Hennecke, Was lernen Kinder, 16.

Ansatz und methodisches Vorgehen

1.4

31

Ansatz und methodisches Vorgehen

1.4.1 Forschungskontext Die vorliegende Studie steht im Forschungskontext mehrerer Forschungsansätze, die auch untereinander sowohl positive wie auch spannungsgeladene Beziehungen aufweisen. Gerade die Entscheidung für die Arbeit mit sehr jungen Kindern bedingt den Kontext der Kindheitsforschung.61 Erstens weil in dieser die gesellschaftliche Aufwertung der Kinderperspektive und deren Schutz vor erwachsener Vereinnahmung ihren Ursprung haben, zweitens weil sie altersgemäße Adaptionen wissenschaftlicher Datenerhebungsmethoden bietet. Einen zentralen Bezugspunkt bildet darüber hinaus die kindertheologische Forschung62, deren Verdienst es ist, die Anerkennung des eigenständigen theologischen Denkens von Kindern geleistet zu haben und die insofern im Kontext der Kindheitsforschung steht und auf deren Methoden zurückgreifen kann. Die vorliegende Studie profitiert davon.63 Die Entscheidung für Praxisnähe im Rahmen der vorliegenden Studie64 bedingt die Aktions- und Praxisforschung65 als weiteren Kontext, die darin einzuordnende Religionsunterrichtsforschung66 den engeren Bezugspunkt. Dies macht eine Reflexion der zeitweilig eingenommenen Doppelrolle67 notwendig und ermöglicht eine Richtlinie für den Balanceakt zwischen der Einhaltung wissenschaftlicher Kriterien und der Komplexität schulischer Wirklichkeit68. Einen letzten Bezugspunkt stellt die Bildungsforschung dar, da religiöses Wissen sowie theologische Kompetenz Teilaspekte religiöser Bildung sind, auf die jedes Kind ein Anrecht69 hat und die wiederum einen Bereich allgemeiner Bildung ausmacht.70 Die Bildungsforschung, die letzten Endes auf die Erreichung gewisser Kompetenzen bezogen ist, steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Kindheitsforschung wie auch zur Kindertheologie, die für gleichwertige Anerkennung der Kindersicht stehen. Diese Spannung wirkt in die vorliegende Studie hinein. Die Verpflichtung gegenüber der Bildungsforschung 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

Vgl. Kapitel 6.1.1. Vgl. Kapitel 6.1.5. Vgl. Kapitel 6.2.3 Datenerhebungsdesign. Datenerhebung teilweise im Unterricht (theologische Gespräche), Portfolioarbeit und teilweise Doppelrolle als Lehrende und Forschende. Vgl. Kapitel 6.1.2. Vgl. Kapitel 6.1.3. Vgl. Kapitel 6.2.2.3. Vgl. Kapitel 6.1.3. Vgl. Schweitzer, 2000, EKD, Maße des Menschlichen, religiöse Bildung. Vgl. Kapitel 6.1.4.

32

Einleitung

erfordert, dass im Unterricht Lernprozesse und Entwicklungen in Richtung eines bestimmten Zielareals71 angeregt werden. In Widerspruch dazu erfordert die Kindheitsforschung, individuell vorfindliche reale Entwicklungsprozesse von Kindern unvoreingenommen wahrzunehmen und anzuerkennen. Unterrichtsrelevante Forschung muss dieses letztlich nicht auflösbare Spannungsverhältnis aushalten. Sie bietet im Gegenzug aber die Chance, Auswirkungen sowohl auf Praxis als auch auf Wissenschaft zu haben.

1.4.2 Forschungsdesign72 Bei der vorliegenden Forschungsarbeit handelt es sich um eine zweijährige qualitativ orientierte Längsschnittstudie. Die endgültige Probandengruppe, bestehend aus 18 Kindern, erhielt ihre Repräsentativität dadurch, dass es sich um eine typisch zusammengesetzte schulische Religionsgruppe handelte.73 In halbstandardisierten Interviews wurden die Kinder zu ihrem Wissen sowie ihren Vorstellungen über Jesus Christus befragt, wobei auf eine altersgemäße Modifikation geachtet wurde. Das erste Interview fand in acht verschiedenen Kindergärten einer württembergischen Kleinstadt am Ende der Vorschulzeit statt (Mai-Juni 2010).74 Das zweite Interview wurde Ende der zweiten Klasse an der dortigen Grundschule durchgeführt (April-Mai 2012). Durch die Erhebung des Wissens- und Kompetenzstandes an zwei Hauptmesszeitpunkten zu Beginn und am Ende des Messzeitraumes konnte die individuelle Entwicklung der Probanden über zwei Jahre erfasst werden. Außerschulisch wirksame Entwicklungsdeterminanten fanden dabei nur bedingt Berücksichtigung (Elternfragebogen75, Fragebogen für Erzieher/innen76). Innerschulische Entwick71 Vgl. Bildungsplan GS B-W, 26 f. 72 Vgl. ausführlich Kapitel 6.2.3 Datenerhebungsdesign. 73 Die Eingangskohorte während der Vorschulinterviews umfasste 32 Kinder. Dieser Spielraum ermöglichte die ›typische‹ Bildung von Religionsgruppen aus zwei bis drei Parallelklassen. Zum Zeitpunkt der Eingangserhebung im Kindergarten stand die Klassenzusammensetzung für das Schuljahr 2010/11 noch nicht fest, so dass die Kohorte zu diesem Zeitpunkt sehr viel größer sein musste als die tatsächliche Probandengruppe. Alle an der vorliegenden Studie teilnehmenden Kinder wurden durch geänderte Namen anonymisiert. 74 Vier Kinder wurden an der Grundschule interviewt, weil ein Kindergarten, den zwei Kinder besuchten, nicht zur Kooperation bereit war und es in zwei Fällen organisatorisch günstiger erschien. 75 Die Eltern wurden zeitgleich zu den Vorschulinterviews und den Interviews am Ende der zweiten Klasse befragt. Es wurden Fragen gestellt, die einen Einblick geben in den Grad der religiösen Sozialisation des Kindes. Es handelt sich um Fragen zu Gebrauch von Kinderbibeln, Besuch von Kindergottesdiensten, Jungscharteilnahme, Interesse der Kinder an besonderen biblischen Geschichten, Fragen der Kinder etc. Vgl. ausführlich im Anhang 11.1.2 sowie 11.1.3.

Ansatz und methodisches Vorgehen

33

lungsdeterminanten wurden dagegen bewusst einbezogen, um nicht nur den Anfangs- und Endpunkt der Entwicklungsverläufe zu erfassen, sondern auch Einblicke in die dazwischen liegenden Entwicklungsprozesse zu erhalten. Insofern wurde die Datenerhebung bewusst eng gekoppelt an eine Form konkret stattfindenden Religionsunterrichts. Die der Dimension Jesus Christus zugehörigen Unterrichtsstunden wurden vor dem Hintergrund der im Bildungsplan Baden-Württemberg 2004 geforderten Kompetenzen und Standards77 und auf der Basis der theoretischen Vorarbeiten78 reflektiert, durchgeführt und zusammenfassend dokumentiert.79 Die erhobenen heterogenen Lernvoraussetzungen fanden dabei Berücksichtigung. Für die Gestaltung und Durchführung der themenbezogenen Unterrichtsstunden wurde im Sinne der Praxisforschung bewusst eine Doppelrolle aus unterrichtender Lehrperson und beobachtender Forscherin eingenommen. Die Situation wurde von den jungen Probanden dadurch in hohem Maße als unterrichtlicher Alltag erlebt, obwohl es sich durch die eingebrachten Forschungsfragen sowie insbesondere durch die nachträgliche Auswertung der Lernprozesse zur gleichen Zeit um eine Forschungssituation handelte. Um dies zu ermöglichen, wurden theologischen Gespräche, die, als Kreisgespräche durchgeführt, Gruppendiskussionen ähnelten, aufgezeichnet. Exemplarisch ausgewählte Gespräche wurden im Nachhinein unter verschiedenen Aspekten ausgewertet. Dabei trat ein Wechsel von Lehrperson zur Forschenden ein. Auf diese Weise wurde eine »Entschleunigung der Beobachtung«80 ermöglicht. Freie Schreib- und Malprodukte sowie Bastelarbeiten der Kinder wurden in Portfolios gesammelt. Durch die methodische Triangulation wissenschaftlicher (Interviews) und unterrichtspraktischer (theologische Gespräche/Portfolios) Datenerhebung wurden vertiefte Einsichten in die Entwicklung des kindlichen Denkens über Jesus Christus und eine dichte Beschreibung derselben möglich. Zusätzlich waren Einblicke bezüglich der individuellen Rezeption unterrichtlicher Impulse auf der Basis heterogener Lernvoraussetzungen möglich. Angesichts der offensichtlichen Diskrepanz zwischen der komplexen Datenfülle und den personellen Ressourcen mussten Auswertung und Analyse 76 Der Fragebogen für Erzieher/innen findet sich im Anhang unter 11.1.3. Inhaltlich fragt er nach der Umsetzung des Orientierungsplans, nach thematisierten Jesus-Geschichten sowie nach der Thematisierung von Weihnachten und Ostern. Erhoben wird ebenfalls, ob und wenn ja, welche Fragen die Kinder stellen und ob generell Möglichkeiten für theologische Gespräche geboten werden. 77 Vgl. Bildungsplan GS B-W, 26 f. 78 Vgl. Kapitel 2 – 4. 79 Die Unterrichtsdokumentation findet sich im Anhang unter 11.4. Die Dokumentation der einzelnen Unterrichtsstunden dient der prinzipiellen Möglichkeit zur Wiederholung des durchgeführten Unterrichts. 80 Kumlehn, Unterrichtsforschung, 63.

34

Einleitung

zwangsläufig begrenzt, eine exemplarische Darstellung der Ergebnisse gewählt werden. Hier gilt analog zu Henneckes Untersuchung: »Aufgrund der Komplexität dieser Prozesse kann eine derartige empirische Analyse immer nur einen fragmentarischen Charakter haben.«81 Die Datenanalyse erfolgte themenorientiert in sehr offener Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse82, die jedoch in stark verkürzter Form angewandt wurde mit dem Ziel, das komplexe Datenmaterial zu ordnen und zu konzentrieren. Angestrebt wurde damit die Realisierbarkeit einer dichten Beschreibung individueller Wissens- und Kompetenzentwicklung. An zwei zentralen Stellen (Beginn sowie Ende des Entwicklungsverlaufs) erfolgte eine konzentrierende Visualisierung der ausgewerteten Daten in Wissens- und Vorstellungslandkarten83 sowie in tabellarisch vergleichenden Übersichten84. Sechs heterogene Entwicklungsverläufe wurden exemplarisch ausgewählt und ausführlich dargestellt. Zusätzlich zu den längsschnittartig erfassten Entwicklungsverläufen einzelner Schülerinnen und Schüler wurden exemplarisch ausgewählte theologische Gespräche (zu zentralen Themenfeldern wie Geburt, Leben, Kreuzigung, Auferweckung Jesu) unter den Aspekten entwicklungspsychologisch/theologisch relevante Beobachtungen, Vorwissen, Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozesse ausgewertet. Auf der Basis der Gespräche und deren Auswertung wurden schließlich erwartbare Gesprächsaspekte/Deutungsspektren von Kindern generiert, die als Übersicht dargestellt wurden.85 Die bewusste Entscheidung für eine komplexe, praxisorientierte Datenerhebung nahm die daraus resultierende Datenfülle und die dadurch notwendige exemplarische Auswertung von Beginn an in Kauf. Eine Studie, die sich auf der Schnittstelle zwischen Forschung und vielschichtiger Unterrichtspraxis verortet, muss sich der vorfindlichen Vielfalt in spezifischer Weise stellen. Die Alternative wäre gewesen, eine Teilfrage herauszugreifen und exakt sowie vollständig zu beantworten. Das wäre jedoch eine Vorentscheidung zugunsten der Wissenschaft und gegen die Komplexität der Praxis gewesen, die eine Rezeption auf Seiten der Praktikerinnen und Praktiker und damit konkrete Auswirkungen auf den Religionsunterricht unnötig erschwert hätte. Auf wissenschaftlicher Seite steht einer Vertiefung einzelner Fragestellungen, deren gesicherte Beantwortung durch die vorliegende offen explorative Vorgehensweise zwangsweise unvollständig bleibt, durch weitere Forschungsstudien nichts im Wege.

81 82 83 84 85

Hennecke, Was lernen Kinder, 16. Vgl. Kapitel 6.2.4.3. Vgl. Kapitel 8.x.1.3 sowie 8.x.3.3. Vgl. Kapitel 8.x.4. Vgl. Kapitel 7.1.6 / 7.2.3 / 7.3.3 sowie 7.4.3.

Aufbau der Arbeit

1.5

35

Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten Hauptteil (Kapitel 2 – 6) werden die theoretischen Grundlagen als notwendige Basis und Kontext der vorliegenden Studie aufgearbeitet. Der zweite Hauptteil (Kapitel 7 – 9) arbeitet auf der Basis der erhobenen Daten und stellt Forschungserkenntnisse dar. Dabei stehen sowohl sechs individuelle Entwicklungsverläufe in ihrer Heterogenität im Fokus (Kapitel 8) als auch kollektive Lernprozesse auf der Basis theologischer Gespräche (Kapitel 7). Beide werden abschließend für eine thematische Analyse herangezogen. Die theoretischen Hintergründe gliedern sich wie folgt: In Kapitel 2 stehen das Wissensverständnis und die Wissensaneignung im Mittelpunkt. Dabei wird insbesondere die Bedeutung des Vorwissens (2.3.2) für die domänenspezifische Entwicklung (2.7.2) stark gemacht, aber auch der Kontext von Wissen und Gedächtnis (2.4) sowie des Wissenserwerbs in neurobiologischer Perspektive (2.5) aufgegriffen. Im Fokus stehen auch Überlegungen zu Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozessen (2.6). Pädagogische Folgerungen (2.8) sowie Konsequenzen derselben im Blick auf die vorliegende Studie (2.9) schließen das Kapitel ab. In Kapitel 3 geht es zentral um die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion der vergangenen Jahre, die zunächst allgemein (3.1), danach mit fachspezifischem Fokus auf religiöse Bildung und religiöse Kompetenz (3.2), schließlich mit kindertheologischem Blickwinkel auf theologische Kompetenz (3.3) konkretisiert wird, wobei insbesondere auch notwendige Lehrerkompetenzen (3.4) Berücksichtigung finden. Das Verhältnis von Wissen und Kompetenzen (3.5) wird ausführlich diskutiert. Abschließend werden die so gelegten Grundlagen in Richtung auf den konkreten Religionsunterricht und die vorliegende Studie reflektiert. Kapitel 4 dient der thematischen Zuspitzung des Forschungsgegenstandes. In ihm erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Christologie von Kindern auf dem Hintergrund der entwicklungs- und religionspädagogischen Neuorientierung (4.1). Äußere Entwicklungsfaktoren wie Elternhaus, Kindertagesstätte und Religionsunterricht werden in ihrer Bedeutung ebenfalls diskutiert (4.2). In Form einer ›Landkarte des Wissens und der Vorstellungen von Kindern‹ über Jesus Christus (4.3) werden schließlich aktuelle Forschungsergebnisse zu den Subdomänen der Christologie zusammenfassend aufgegriffen. Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie können einen Beitrag dazu leisten, diese Landkarte in einzelnen Bereichen zu bestätigen, auszudifferenzieren oder anzufragen. In Kapitel 5 wird, da die Forschungsstudie im Kontext realen Religionsunterrichts durchgeführt wird, der nicht im leeren Raum stattfindet, sondern an von außen vorgegebene Förderorientierungen gebunden ist, der baden-würt-

36

Einleitung

tembergische Bildungsplan bezüglich Bildungsstandards, Kompetenzen und Inhalten zu Jesus Christus dargestellt und diskutiert. Kapitel 6 schließlich befasst sich mit dem Forschungskontext (6.1) und dem Forschungsdesign (6.2) der vorliegenden Studie, die beide im Rahmen der Einleitung (1.4) bereits dargestellt wurden. Der zweite Hauptteil bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit und basiert auf den qualitativ empirisch erhobenen Daten. In Kapitel 7 stehen Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern wie sie sich anhand theologischer Gespräche im Religionsunterricht gezeigt haben im Mittelpunkt. Exemplarisch erfolgt eine Dokumentation von Gesprächsprotokollen und Analyse derselben unter spezifischen Aspekten. Ausgewählt werden die Themen oder Themenkomplexe »Weihnachten – Geburt Jesu« (7.1), »Sturmstillung« (7.2), »Kreuzigung Jesu« (7.3) sowie »Auferweckung Jesu« (7.4). Analysiert werden neben einzelnen entwicklungspsychologischen und theologischen Aspekten insbesondere der Einbezug von Vorwissen sowie Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozesse von Schülerinnen und Schülern. Dabei stehen kollektive Prozesse im Mittelpunkt. Jedes Thema wird mit einer Übersicht über mögliche ›erwartbare‹ Gesprächsaspekte/Deutungsspektren von Kindern abgeschlossen. Im 8. Kapitel stehen die exemplarisch ausgewählten individuellen Entwicklungsverläufe von sechs Kindern vom Vorschulalter bis zum Ende der zweiten Klasse im Zentrum. In Fallbeispielen (8.1 – 8.6) zeigt sich anhand dokumentierter Beobachtungen auf der Basis von Interviews, Elternfragebögen, theologischen Gesprächen und Portfolios die große Heterogenität derselben. Zusammenfassend werden zu Beginn aller Beispiele die jeweils vorhandenen Wissensbestände und eventuell bereits gebildeten christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt, sprich die Lernvoraussetzungen dargestellt und in strukturierten ›Landkarten‹ visualisiert. Es folgen Beobachtungen zu Entwicklungsprozessen im Religionsunterricht auf der Basis der auch in Kapitel 7 verwendeten und dort protokollierten theologischen Gespräche sowie exemplarisch ausgewählter Schülerarbeiten aus dem Portfolio. Nachfolgend werden die gebildeten Wissensbestände und Vorstellungen zu Jesus Christus am Ende der zweiten Klasse dargestellt und ebenfalls in ›Landkarten‹ visualisiert. Eine tabellarische Übersicht zu christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung ergänzt die jeweiligen Fallbeispiele und ermöglicht einen schnellen Überblick. Eine zusammenfassende Betrachtung und Gegenüberstellung aller Fallbeispiele schließt das Kapitel ab (8.7). Der empirische Hauptteil der Arbeit wird in Kapitel 9 durch eine thematische Analyse abgeschlossen. In ihr werden die Erkenntnisse aus Kapitel 7 und 8 vor dem Hintergrund spezifischer Fragestellungen erneut beleuchtet. Einen Kontext

Aufbau der Arbeit

37

bilden aktuelle Förderorientierungen (9.1), einen weiteren die religionspädagogische Forschungslage zur Christologie (9.2) und einen letzten die Wissensund Kompetenzdebatte (9.3). Es erfolgt eine Einordnung der Erkenntnisse in die jeweiligen Kontexte sowie die Klärung der Frage, welche Auswirkungen sie möglicherweise innerhalb dieser Kontexte haben können. Im Anhang finden sich neben dem Fragebogen für Erzieher/innen (11.1.1) diejenigen für die Eltern, ausdifferenziert nach dem Zeitpunkt des Einsatzes (Ende der Kindergartenzeit (11.1.2) / Abschluss Klasse zwei (11.1.3)) sowie das Leitfadeninterview (11.2) inklusive einer Übersicht über ergänzend eingesetzte Bilder. Die Transkriptionen der Interviews (11.3) sowie die Unterrichtsdokumentation (11.4) wurden aus Platzgründen in den virtuellen Anhang ausgelagert. Dieser ist im Internet abrufbar unter www.v-r.de/anhang-wer-ist-jesus. Das Passwort lautet G69WuHrU.

2.

Wissen und Wissensaneignung86

2.1

Wissensverständnis im Kontext dieser Arbeit

Wissen, konkreter die Entwicklung von Wissen bezüglich Jesus Christus ist neben der Entwicklung theologischer Kompetenz, genauer christologischer Kompetenz wesentlicher Bestandteil des Forschungsgegenstandes der vorliegenden Studie. Dazu bedarf es zunächst einer begrifflichen Klärung auf der Basis der aktuellen Diskussion. In einem ersten Schritt bezieht sich diese auf Wissen im Allgemeinen.87 Dabei handelt es sich weder formal noch inhaltlich um eine umfassende Definition von Wissen, sondern um eine Wissensdefinition im Kontext von Wissensaneignung. Die so ausgeführten Erkenntnisse dienen als Grundlage für pädagogisch-didaktische und forschungsmethodische Konsequenzen. Dabei bildet die vorliegende Studie den Brennpunkt, auf den dieses wie alle grundlegenden Kapitel hinzielen und von dem aus sie im über zweijährigen Verlauf der Studie auf diese ausstrahlen. Die nachfolgend ausgeführte Diskussion zeigt den Prozess, in dem folgende Definition von Wissen im Rahmen der Aneignung von Wissen gewonnen wurde. Im Rahmen der vorliegenden Arbeitet wird der Begriff Wissen definiert als

86 Selbstverständlich bilden Wissen und Wissensaneignung nur einen Aspekt von Bildung. Ein weiterer – Kompetenzen sowie Kompetenzerwerb – wird im folgenden Kapitel beleuchtet. Bildung ist jedoch wesentlich umfassender und darf nicht zu funktional betrachtet werden, was insbesondere auch von der Evangelischen Kirche Deutschland betont wird, die Bildung als »Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein, Haltungen…und Handlungsfähigkeit im Horizont sinnstiftender Deutungen des Lebens« beschreibt, Kirchenamt der EKD, Perspektiven zur Bildung, 66. Die vorliegende Studie ist jedoch aufgrund ihrer Länge und der Kopplung des Wissens- und Kompetenzerwerbs an den Religionsunterricht derart umfassend, dass an dieser Stelle eine Einschränkung vorgenommen werden muss, um die Datenerhebung und -auswertung leisten zu können. 87 Eine ausführliche Definition religiösen Wissens sowie theologischer Kompetenz schließt sich erst in Kapitel 3 auf der Basis der ersten beiden grundlegenden Kapitel zu Wissen und Wissensaneignung sowie zur Bildungsstandard- und Kompetenzdebatte an.

40

Wissen und Wissensaneignung

intelligentes, auf der Basis von Vorwissen, in Auseinandersetzung mit der Umwelt aktiv konstruiertes und bereichsspezifisch angeeignetes Wissen.

2.2

Wertschätzung des intelligenten Wissensbegriffs in der Elementarpädagogik

Betrachtet man den Wissensbegriff aus Sicht der Elementarpädagogik, stellt man einen überraschend offensiven Umgang damit fest. Es dominiert die Vorstellung des wissbegierigen und wissenden Kindes, die sich in der Literatur in Titeln wie »Wissen als wesentliche Konstituente der Lerndisposition«88, »Weltwissen von Kindern«89, »Das wissbegierige Kind«90, »Weltwissen von Siebenjährigen«91, »Intelligentes Wissen als Lernziel«92, »Wissenslandkarten von Kindern im Vorschulalter – Welches Wissen haben Kinder?«93 und »Wissen als Schlüssel zum Können«94 niederschlägt. Die Elementarpädagogik scheint offensichtlich unverkrampft mit dem Begriff Wissen umzugehen. Liegt die Ursache womöglich darin, dass in der betreffenden Altersklasse keine schlechten Erfahrungen mit trägem Faktenwissen, das außerhalb der gelernten Situation wenig anwendbar ist und dessen Halbwertszeit ständig abnimmt, gemacht wird? Kann Wissen von Autoren der Frühen Pädagogik neu und auf eine Weise definiert werden, die die historisch aufgewiesenen Schwachstellen des schulischen Wissensbegriffs verhindern? Können sie die zentrale Position des Kindergartens für den Wissenserwerb hervorheben und aufgrund von Studien unterschiedlicher Forschungsrichtungen einen frühen Wissenserwerb befürworten?95 Wissen wird in besagtem Kontext nicht als Faktenwissen verstanden, sondern als intelligentes, aktiv konstruiertes Weltwissen, das inhaltlich und funktional weit über reine Fakten hinausreicht. Solcherart ist es sowohl im Kontext von Elementar- als auch von Primarpädagogik als positiv einzuschätzen. »Intelligentes Wissen zeichnet sich […] dadurch aus, dass es den Transfer von Wissen auf neue Inhaltsbereiche begünstigt, und die Voraussetzung für diesen Transfer besteht

88 89 90 91 92 93 94 95

Fried, Expertise. Fried/Büttner, Weltwissen. Fried, wissbegierige Kind. Elschenbroich, Weltwissen. Stern/Schumacher, Intelligentes Wissen. Fried, Wissenslandkarten Vorschulalter. Kapitelüberschrift in Stern/Schumacher, Intelligentes Wissen, 104. Vgl. dazu Fried, Ausblick, 186. Vgl. als Beispiel für die Fähigkeiten innerhalb dieser Altersgruppe auch Fried, Junge Kinder als »intuitive Theoretiker« ihrer gesamten Welt, 22 – 37.

Wissen und Lernen

41

in der Kompetenz zum flexiblen Umgang mit sprachlichen, mathematischen und graphisch-visuellen Repräsentationssystemen.«96

»Eine gut organisierte Wissensbasis zeichnet sich also dadurch aus, dass sie flexibel genug ist für Modifikationen und dass die entwickelten Kompetenzen auf neue Bereiche übertragbar sind.«97 Solchermaßen verstanden steigen der Wert sowie die Wertschätzung von Wissen. Es wird zum Werkzeug des Erschließens und Aneignens von Welt, also des Lernens bzw. der Bildung.98 Dass es dabei individuelle Unterschiede geben muss, ist selbstverständlich. Solchermaßen verstandenes Weltwissen von Kindern hat deswegen wenig von einem fixierten Wissenskanon und kommt nicht durch systematische Vermittlung zustande.99 Vielmehr sind eigenaktive Prozesse der Konstruktion und Sinnstiftung auf der Basis von Wissensangeboten und der Aktivierung von Wissenserwerbsprozessen anzunehmen.

2.3

Wissen und Lernen

2.3.1 Wissen im Kontext von Lerndispositionen In der Frühpädagogik setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass Bildung junger Kinder im 21. Jahrhundert darauf zielen muss, deren Fähigkeiten zukünftigen komplexen Herausforderungen zuversichtlich und befähigt gegenüberzutreten, zu fördern.100 Dies ist pointiert zusammengefasst bei Carr/Claxton: »The fundamental purpose of education for the 21st century, it is argued, is not so much the transmission of particular bodies of knowledge, skill and understanding as facilitating the development of the capacity and the confidence to engage in lifelong learning«.101

Deshalb ist es notwendig, sich mit kindlichen Lerndispositionen auseinanderzusetzen. Katz sieht Dispositionen im Unterschied zu Fähigkeiten und Wissen. »They can be thought of as habits of mind, tendencies to respond to situations in 96 97 98 99 100 101

Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 115. Ebd., 114 f. Vgl. Fried, Expertise, 10. Hier unter Aufnahme von Stern, 2003. Vgl. Fried, Einleitung, 8 unter Bezug auf Laewen und Burtscher. Vgl. u. a. Carr/Claxton, dynamics of disposition, 87.und Fried, Expertise, 9. Carr/Claxton: Learning Dispositions, 10. Das mit dem neuseeländischen Ansatz von Margret Carr verbundene Konzept der Lerndispositionen fand eine Adaption in der Entscheidung für Bildungs- und Lerngeschichten als Möglichkeit zur Beobachtung, Dokumentation und Unterstützung von Bildungsprozessen in der frühen Kindheit, vgl. Leu u. a., Bildungs- und Lerngeschichten.

42

Wissen und Wissensaneignung

certain ways.«102 Katz nennt in diesem Zusammenhang curiosity, friendliness and being bossy als Beispiele für Dispositionen. Carr und Claxton sehen drei Schlüsseldispositionen für das Lernen. Resilience (»to take on […] learning challenges where the outcome is uncertain, to persist with learning despite temporary confusion or frustration and to recover from setbacks or failures and rededicate oneself to the learning task«), playfulness ( »being ready, willing and able to perceive or construct variations on learning situations and thus to be more creative in interpreting and reacting to problems«) and reciprocity ( the ability to communicate their own learning processes and problems to others).103

Fried sieht bei Carr fünf Lerndispositionen: Interesse zeigen, sich Dingen und Personen aufmerksam zuwenden, Bereitschaft und Fähigkeit, sich für eine bestimmte Zeit auf etwas einzulassen, Fähigkeit, eine Tätigkeit weiterzuführen und die Bereitschaft sich mit anderen auszutauschen.104 Gemäß den Erkenntnissen der Kognitionspsychologie ist dieses Verständnis von Lerndispositionen zu eng gefasst. Laut Stern ist Wissen ein Werkzeug des Erschließens und Aneignens von Welt, also des Lernens bzw. der Bildung.105 Gemäß der Wissenspsychologie bedingt Wissen bestimmte Einstellungen des Glaubens, Meinens, Bewertens etc. und transportiert damit Strukturen der Erkenntnis, welche bestimmte Möglichkeiten (Dispositionen) weiterer Erkenntnis bergen.106 Fried geht auf dieser Grundlage noch weiter und definiert »Wissen als wesentliche Konstituente der Lerndisposition junger Kinder.«107 Wie kommt sie zu dieser Einschätzung? Ganz allgemein und abstrakt definiert sie Lerndispositionen als »eine individuell unterschiedliche, relativ dauerhaft wirkende Bereitschaft, auf bestimmte Situationen mit spezifischen Haltungen, Voraussetzungen zu reagieren; wobei diese Bereitschaft sowohl angeborene, als auch erworbene Komponenten umfasst, also auf ein Zusammenwirken von Anlage und Umwelt zurückzuführen ist.«108

Was aber ein Kind in einer bestimmten Situation an Lernmöglichkeiten wahrnimmt, auswählt und nutzt, hängt keineswegs nur von seinen Lernstrategien und Lernmotiven, sondern – so Fried – wesentlich von seinem Vorwissen im betreffenden Bereich ab.

102 Vgl. Katz, 1988, 30 aufgegriffen in Carr/Claxton, Learning Dispositions, 10. Hier auch nächster Gedanke. 103 Vgl. Carr/Claxton, Learning Dispositions, 14 f. 104 Vgl. Fried, Expertise, 10. 105 Stern, 2003 zitiert in Fried, Expertise, 10. 106 Vgl. ebd., 10. 107 Titel der Expertise, die Fried 2005 im Auftrag des Deutschen Jugendinstituts erstellt hat. 108 Ebd., 9. Vgl. zum nächsten Gedanken, 10.

Wissen und Lernen

43

2.3.2 Zur Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb Fried postuliert auf der Basis ihrer vorgenannten Überlegungen folgende These: »Die Lern- bzw. Bildungschancen von Kindern hängen davon ab, über welches Wissen junge Kinder verfügen.«109 Das gilt dann, wenn man Lernen konsequent als Auf-, Aus- und Umbau von Wissensstrukturen betrachtet110, wie Fried das tut. Insofern gilt: »Lernen meint das kreative Aneignen der Welt mittels Wissensstrukturen. Was ein Kind jeweils zu lernen in der Lage ist, hängt deshalb von der Art seiner Wissensstrukturen ab.«111 Je ausdifferenzierter diese sind, je mehr Quantität und vor allem Qualität also das Vorwissen hat, desto größer ist die Chance, dass Wissensstrukturen ausgebaut oder verändert werden. Unter dieser Prämisse gilt: »Jeder erreichte Wissensstand ist einerseits das Ergebnis eines kognitiven Entwicklungsschrittes. Andererseits ist er aber auch die Ausgangsbasis für alle weiteren kognitiven Entwicklungsschritte.«112 Hieraus ergibt sich, dass Vorwissen beim Schuleintritt den wohl größten Bildungsvorteil ausmacht, noch vor Motivation, Freude auf die Schule, Neugier, Konzentrationsfähigkeit oder eine andere der im vorigen Kapitel genannten Lerndispositionen. Heute steht fest, »dass Kinder im Vorschulalter über eine solide Erkenntnisbasis verfügen. Sie entwickeln einen großen Vorrat an entfalteten Wissensstrukturen, mit deren Hilfe sie die Welt schon differenziert wahrnehmen und differenzieren können«113. Diese sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt.114 Dabei spielt das Gedächtnis die wohl wichtigste Rolle.115 Das wirft für Pädagogen eine ganz neue Verantwortung auf. Die Bildungschancen von Kindern hängen unter oben genannter Prämisse zu einem Großteil auch davon ab, inwieweit es Lehrenden gelingt, das Vorwissen der Kinder zu ermitteln und darauf aufzubauen. Es gilt, festgestellt durch Studien, dass »pädagogische Fördermaßnahmen, die den aktuellen Wissensstand ignorieren,

109 110 111 112 113

Fried, Ausblick, 190. Vgl. die folgenden Kapitel zur Wissensaneignung. Fried, Ausblick, 190. Ebd., 194. Fried, Einleitung, 9. Vgl. dazu ausführlich insbesondere Fried, Kinder als »intuitive Theoretiker«, 23 – 25 + 37 grundlegend und zusammenfassend sowie 25 – 37 aufgeschlüsselt in die Domänen Physik, Psychologie und Philosophie/Theologie. 114 Vgl. Kapitel 2.7.2 domänenspezifisches Lernen. 115 Vgl. Fried, Einleitung, 8. Vgl. Kapitel 2.4 Wissen und Gedächtnis. Vgl. zudem in Kapitel 8 Individuelle Entwicklungsverläufe derjenigen Kinder, die trotz teilweise eher wenig bis mittlerem Vorwissen im Lauf von zwei Schuljahren sehr viel aufholen konnten z. B. in 8.4 Linnea – eine mögliche Erklärung ist ihre Fähigkeit, sich schon nach einmaligem Hören gut an die Struktur und die Details einer Erzählung zu erinnern. Vgl. dazu auch Kapitel 4.3.2 Biblische Geschichten von Jesus Christus sowie Kapitel 9.3.1.4 Von Jesus Christus erzählen können – Einüben in flüssiges und folgerichtiges Erzählen biblischer Geschichten.

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Wissen und Wissensaneignung

zum Scheitern verurteilt sein können«116. Positiv formuliert: »Erzieherinnen [und auch Lehrerinnen], die Kinder in ihrer Wissensaneignung unterstützen wollen, können dies am ehesten, wenn sie möglichst direkt an diesen spezifischen Wissensbeständen anknüpfen«117, weil sie das Kind dann herausfordern ohne es zu überfordern. Dies geschieht im pädagogischen Bereich noch viel zu selten. Ein Blick in die Bildungspläne der Schulen zeigt dies.118 Weinert stellt zu Recht fest, dass die Bedeutung inhaltlichen (Vor-) Wissens für die Lern- und Bildungsprozesse der Kinder heute zu oft noch unterschätzt wird. Er selbst geht davon aus, »dass es zum Scheitern verurteilt ist, wenn man durch formale Techniken des Lernen lernens oder mit Hilfe einiger weniger Schlüsselqualifikationen fehlendes oder mangelhaftes inhaltliches Vorwissen kompensieren wollte«119. Oder noch pointierter : »Es gibt keine herausragende Kompetenz auf anspruchsvollen Gebieten ohne ausreichendes inhaltliches Wissen«120. Fried u. a. stellen auf der Basis der Forschungslage fest, dass die Förder-Orientierung nicht das Wichtigste ist, sondern die Förder-Interaktion121. Das lenkt den Blick ebenso auf didaktisch-methodische Fähigkeiten der Lehrkräfte wie auch auf ihre diagnostischen Kompetenzen. Dem entspricht Weinert, der als Voraussetzung seiner Bildungsziele und aller Schulorganisation fordert, die Qualität des Unterrichts, des Lernens und Lehrens zu verbessern.122 Mit der Anerkennung der Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb geht auch ein konsequenter Perspektivwechsel hin zur Kompetenzorientierung einher, weil die Fähigkeiten der Kinder in den Blick genommen werden, nicht die Defizite in ihrem Denken. »Wenn man […] ein echtes Interesse daran hat, Kinder zu verstehen, dann stellt man häufig fest, dass sie mehr können, als man ihnen zutrauen würde.«123 Darüber hinaus wird man nach Selter auch feststellen, dass Kinder oft anders denken als Erwachsene denken würden, anders als Erwachsene vermuten oder möchten, anders auch als andere Kinder und als sie selbst in vergleichbaren Situationen.

116 Fried, Wissenslandkarten Vorschulalter, 11. 117 Fried, Wissenslandkarten, 170. 118 Vgl. dazu Kapitel 5. Hier wird exemplarisch der Bildungsplan für die Grundschule von Baden-Württemberg analysiert, da dieser relevant ist für den konkret durchgeführten Religionsunterricht im Rahmen der vorliegenden Studie. 119 Weinert, Ansprüche, 241. Dies ist eine pointierte Aussage, die es im Rahmen der Bildungsstandard- und Kompetenzdebatte ausführlich zu erörtern gilt, vgl. Kapitel 3. Dabei gilt auch zu beachten, dass Weinert neben zwei, die Inhalte betreffenden Bildungszielen auch drei auf Kompetenzen gerichtete Bildungsziele nennt. Er verknüpft auf diese Weise Inhalte und Kompetenzen auf eine interessante Weise. 120 Ebd. 121 Vgl. Fried, Ausblick, 195. 122 Weinert, Ansprüche, 241. 123 Selter, junge Kinder, 39. Vgl. hier auch den nächsten Gedanken.

Wissen und Gedächtnis

2.4

45

Wissen und Gedächtnis124

»All unsere Erlebnisse wären […] flüchtig, wenn wir nicht über Mittel verfügen würden, Informationen festzuhalten, indem wir sie im Gedächtnis speichern«125, so Fried, da alle Erlebnisse an sich flüchtig sind. Weil sie außerdem hohe Komplexität aufweisen, müssen wir die Informationen, die wir speichern wollen, filtern und im Gedächtnis symbolisch repräsentieren, eine Fähigkeit, die allen Menschen von Geburt an gegeben ist, die sich jedoch immer weiterentwickelt. Das Gedächtnis stellt dabei einerseits Wissensvorräte zur Verfügung, nämlich Wissen, das bereits gespeichert ist, andererseits differenziert es im Denkprozess Wissensstrukturen aus und schafft Wissensnetzwerke. Das ist wichtig, denn grundsätzlich ist die Gedächtniskapazität begrenzt. »Sie hängt wesentlich davon ab, ob wir über bereichsspezifisches Wissen verfügen und ob dieses Wissen in einer Weise organisiert ist, die es uns ermöglicht, Informationen zu bündeln. Die Bildung von Einheiten (der wissenschaftliche Fachausdruck für diese kognitive Leistung ist ›chunking‹) versetzt uns nämlich in die Lage, Informationen zu komprimieren und so die Gedächtniskapazität zu vergrößern.«126

Es hängt demnach von der zur Verfügung stehenden Wissensrepräsentation ab, in welchem Umfang man sich Information merken kann. Wissensstrukturen bieten umso mehr Informationsverarbeitungs- und Informationsspeicherkapazität je komplexer sie sind.127 Kognitive Werkzeuge helfen dem Kind von Geburt an, sich ein Bild von der Welt zu machen, d. h. Weltwissen zu erwerben.128 Schon Säuglinge können Informationen in Kategorien, das sind Einheiten von Elementen mit gleichen Merkmalen, einteilen. Diese werden im Verlauf der kognitiven Entwicklung ausdifferenziert, modifiziert, vernetzt, etc. Dabei entstehen komplexere Wissensstrukturen, so genannte Konzepte. »Konzepte sind geistige Repräsentationen solcher Kategorien, also mentale Vorstellungen von Klassen von Objekten.«129 Auch Schemata sind übergeordnete Wissensstrukturen über Objekte, Menschen, Situationen, Rollen und Beziehungen. Sie funktionieren als »Rah124 Im Rahmen der vorliegenden Studie über den längerfristigen Auf- und Ausbau von Wissensstrukturen ist nur die Funktion sowie die Entwicklung des Langzeitgedächtnisses relevant. Erkenntnisse zu Kurzzeit- und Lokationsgedächtnis müssen an dieser Stelle außen vor bleiben, ebenso zum Metagedächtnis. Auch wird nur das Wissen im deklarativen Gedächtnis einbezogen, welches prinzipiell bewusst zugänglich ist, nicht das Wissen im impliziten Gedächtnis, auf das das Subjekt keinen bewussten Zugriff hat. Vgl. dazu Gleissner, Merkfähigkeit, 177 f. 125 Fried, Expertise, 12. Vgl. hier auch die folgenden Gedanken mit Ausnahme des Zitats. 126 Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 109. 127 Vgl. dazu im Folgenden Kapitel 2.7.2 Domänenspezifische Theorien. 128 Vgl. Fried, Expertise, 13 f. Hier auch der nächste Gedanke. 129 Eckensberger/Plath, Soziale Kognition, 418.

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Wissen und Wissensaneignung

men, in dem die Welt verstanden, interpretiert und auch vorhergesagt wird, wie ein Ereignis gespeichert (enkodiert) wird, aber ebenfalls, wie Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden (retrieval).«130 Fried drückt dies sehr verständlich aus. Konzepte und Schemata funktionieren wie eine Brille, durch die das Kind die Welt auf seine Weise sieht und versteht. Die ureigenen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster des Kindes bedingen, dass es die Welt immer nur soweit konzeptualisieren kann, wie es der Differenziertheitsgrad seiner Wissensstrukturen zulässt.131 Skripts bilden eine besondere Art von Schemata. Sie bilden eine Art »schematisiertes ›Drehbuch‹ für häufiger erlebte Handlungsabläufe«132. Wissenschaftlich definiert sind Skripts »organisierte Erfahrungen sozialen Handelns, dynamische mentale Strukturen, die soziale Beziehungen in Begriffen der Handlungen, Gefühle und Ziele von Akteuren in einem zeitlich-räumlich-kausalen Rahmen repräsentieren als konkret, wenig generalisierte typische Ereignisabfolgen,«133

die als solche strukturelle, prozessuale und inhaltliche Aspekte aufweisen. In ihnen ist Wissen darüber gespeichert, welche Personen, in welchen sozialen Rollen mit welchen Objekten in welcher Handlungsfolge an welchen Ereignissen teilgenommen haben. Das hebt die soziale und kulturelle Dimension von Skripts hervor. Kinder wachsen in diesem Sinne in den Skripts anderer Menschen auf und eignen sich auf diese Weise Kultur an. Im Vorschulalter ist die Bedeutung von Skripts für das Einspeichern und Erinnern von Ereignissen sowie Geschichten besonders hoch.134 Eltern spielen beim Aufbau von langfristigen Gedächtnisrepräsentationen eine wichtige Rolle. Insbesondere die Häufigkeit der Bezugnahme auf bestimmte Ereignisse korreliert positiv mit der diesbezüglichen Dauerhaftigkeit des Erinnerns. Hier ist anzunehmen, dass dies analog auch für die Lehrperson gilt, die ja ebenfalls eine wichtige Bezugsperson der Kinder ist. Für viele Bereiche des sprachlichen Gedächtnisses können vom späten Kindergarten- bis zum späten Grundschulalter die größten Leistungszuwächse festgestellt werden. Alterskorrelierte Veränderungen, nämlich neurologische Reifungsprozesse in Bezug auf Kapazität, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Gedächtnisspanne, sind wahrscheinlich. Während der Grundschulzeit nimmt das kognitive Informationsverarbeitungstempo zu, weshalb immer größere Informationsmengen aufgenommen werden können. Die Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Gedächtnisleistung beginnt im Vorschulalter und reicht bis ins Erwachsenenalter 130 131 132 133 134

Ebd., 419. Vgl. hier auch den vorhergehenden Gedanken. Vgl. Fried, Expertise, 14. Schneider/Büttner, Entwicklung, 484. Eckensberger/Plath, Soziale Kognition, 420. Vgl. hier auch die nächsten Gedanken. Vgl. Schneider/Büttner, Entwicklung, 484. Vgl. hier auch zur Rolle der Eltern.

Wissen und Gedächtnis

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hinein. Zunächst müssen Strategien jedoch von außen, z. B. durch den Lehrer, angeregt werden. In einem zweiten Schritt werden sie bei gleichen Aufgabentypen selbstständig eingesetzt. Erst danach können sie auf neue Inhalte generalisiert werden.135 Gerade bei der im Blick auf den Unterricht wichtigen Wiederholungsstrategie zur Verbesserung der Gedächtnisleistung kommt es dezidiert auf die Qualität von Wiederholungsvorgängen an. Studien zum Einfluss von Wissensformen auf Gedächtnisleistungen haben in jüngerer Vergangenheit zu beeindruckenden Ergebnissen geführt, so dass der Wissensfaktor von vielen Autoren als zentrale Entwicklungskomponente für Gedächtnisleistungen angesehen wird und damit die Entwicklung von Gedächtnisstrategien als alleinige Konstituente ablöst.136 Allgemein wird davon ausgegangen, dass Inhaltswissen in Form von Netzwerken organisiert ist, in denen Inhalte nach Ähnlichkeit verknüpft sind. Angenommen wird, dass das Wissen von Kindern aufgrund immer neuer Erfahrungen über Objekte bzw. Konzepte stetig reichhaltiger wird, wobei nicht das Alter, sondern die Häufigkeit von neuen adäquaten Erfahrungen entscheidend ist. Auf diese Weise erweitern sich Knoten sowie die zugehörigen Verbindungen. Je enger das Wissensnetz, desto häufiger werden Knoten und Verbindungen aktiviert, was im günstigsten Fall zu einer Art Automatismus führt. Auch werden benachbarte Knoten mitaktiviert und neue Verbindungen gezogen. Daraus folgt, dass inhaltliches Vorwissen in einer Domäne entscheidenden Einfluss auf die Gedächtnisleistung in diesem Bereich hat. Insbesondere die häufig zitierte klassische Studie von Chi137 (Kinder-Experten erinnern Schachpositionen besser als erwachsene Novizen) zeigte, dass Wissen nicht wie erwartet positiv mit dem Alter korreliert, sondern in beeindruckender Weise mit dem Vorwissen. Obwohl nach diesen und ähnlichen Untersuchungen davon ausgegangen werden kann, dass die Quantität der gespeicherten Informationen, die sich im Vorwissen äußert, im Vergleich zu intellektuellen strategischen Kompetenzen relevanter erscheint, dürfen intellektuelle Unterschiede als Erklärungsbasis nicht negiert werden.138 135 Vgl. zu diesem Absatz Gleissner, Merkfähigkeit, 183. 136 Vgl. Schneider/ Büttner, Entwicklung, 490. Vgl. 490ff für den gesamten Absatz. 137 In zahlreichen Werken dient die Studie von Chi als Referenzrahmen. Bezug genommen wird dabei auf Chi, Knowledge structure, 73 – 96. 138 Was die Gedächtnisleistung anbelangt ist gerade im Blick auf die Interviewsituationen der hier zugrunde liegenden Langzeitstudie auch die Fuzzy-Trace-Theorie erwähnenswert. Sie besagt, dass jüngere Kinder im Vergleich zu Jugendlichen eine erhöhte Sensitivität gegenüber störenden Prozessen, so genannten Interferenzen zeigen. Das bedeutet, dass sie nicht relevante Gedächtnisinhalte nicht unterdrücken können und dadurch der Abruf wesentlicher Inhalte beeinträchtigt wird, vgl. Schneider/Büttner, Entwicklung, 496, in Bezug auf Brainerd und Reyna. Gerade in dieser Hinsicht ist es wichtig, dass die halbstandardisierten Interviews innerhalb der Langzeitstudie im Rahmen der methodischen Triangulation mit schriftlichen und mündlichen Äußerungen der Probanden in einen

48

2.5

Wissen und Wissensaneignung

Voraussetzungen gelingender Bildungsprozesse in neurobiologischer Perspektive

Fried macht in ihrer Expertise deutlich, dass die jüngsten Entwicklungen der Hirnforschung für die Pädagogik der frühen Kindheit wertvoll sind. Sie schränkt jedoch ein, dass es bislang noch zu früh ist, daraus direkt Förderkriterien für Kindertageseinrichtungen abzuleiten, weil die Zusammenhänge noch nicht genau erforscht sind.139 Auch Stern u. a. resümieren in ihrer Expertise, dass sich auf der Basis der Gehirnforschung zur Informationsverarbeitung bislang nur sehr allgemeine Folgerungen für die Gestaltung vorschulischer und schulischer Lerngelegenheiten ableiten lassen.140 Dennoch sollen diese Forschungsergebnisse im Blick auf die vorliegende Untersuchung berücksichtigt werden.

2.5.1 Neuronale Muster prägen die Entwicklung Das Gehirn besteht schon bei der Geburt aus über 100 Milliarden Nervenzellen, die durch mehr als 50 Billionen Verknüpfungen verbunden sind, welche zum Teil durch genetisch gesteuerte Programme angelegt sind, aber auch durch intrauterine Erfahrungen gebildet wurden.141 Die Neuronen sind darauf spezialisiert, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und durch Kontaktstellen, so genannte Synapsen, weiterzuleiten. Aktivitäts- und erfahrungsbezogen reifen diese Hirnstrukturen postnatal in unvorstellbarem Maße aus, wobei sich ein stetiger Umbau von Nervenverbindungen vollzieht, der bedingt, dass nur etwa ein Drittel der einmal angelegten Kontakte erhalten wird, wohingegen die restlichen vernichtet, beziehungsweise durch neue Verbindungen ersetzt werden. »In diesem Sinn bedeutet Lernen eine Veränderung bzw. Neustrukturierung neuronaler Netzwerke«142.

139 140 141

142

Gesamtkontext gebracht werden. So können die möglichen Nachteile der Fuzzy-TraceTheory für die jungen Kinder zumindest in Ansätzen relativiert werden. Für die Interviews mit jungen Kindern ist es zudem wichtig, den Kindern zu ermöglichen, ihr Wissen durch Handlungen zu demonstrieren, vgl. Gleissner, Lern- und Merkfähigkeit, 181. Vgl. Fried, Expertise, 20. Vgl. Stern u. a. Lehr-Lern-Forschung und Neurowissenschaften, 6 sowie 18 – 23. Kinder kommen sehr wahrscheinlich mit mehr pränatalen Prägungen auf die Welt als bisher angenommen. Sie spüren das Schaukeln im Mutterleib, schmecken Fruchtwasser, hören den Herzschlag der Mutter und schon einige Zeit vor der Geburt gedämpfte Geräusche von außen. Vgl. dazu Hüther, Bildungsprozesse, 29 +36. Das bedeutet, dass das Wechselspiel Individuum – Umwelt bereits vor der Geburt beginnt. Vgl. zu diesem gesamten Absatz zusätzlich Kasten, Lebensjahre, 58 f und Friedrich/Streit, Hirnforschung, 8 – 11. Friedrich, Hirnforschung, 6.

Voraussetzungen gelingender Bildungsprozesse in neurobiologischer Perspektive

49

»Weil das kindliche Gehirn (oder das genetische Programm, das dessen Entwicklung steuert) nicht ›wissen kann‹, worauf es später im Leben einmal ankommt und welche Verbindungen wirklich gebraucht werden, wird also zunächst erst einmal ein großer Überschuss an Verschaltungen bereitgestellt. Stabilisiert und erhalten bleiben davon aber nur diejenigen, die auch wirklich benutzt und gebraucht werden. Der Rest wird einfach wieder abgebaut.«143

Aktivität ist dabei das Entscheidende. Je aktiver eine bestimmte Verbindung genutzt wird, desto wahrscheinlicher ist ihr Fortbestehen. Nicht in allen Bereichen geschieht die Vernetzung zeitgleich. Gerade in den Gehirnarealen, in denen die komplexesten Netzwerke entstehen, z. B. im Frontalhirn, reifen diese am langsamsten aus.144 In fortwährenden Prozessen der Um- und Neustrukturierung auf der Ebene neuronaler Netze gilt, »dass das Gehirn selbst zunehmend zum wesentlichen Motor seiner eigenen Entwicklung wird. Das Gehirn greift bei der Bewältigung seiner Aufgaben auf bereits vorhandene Strukturen zurück und erweitert diese in einem selbstorganisatorischen Prozess«145, wobei jede Form von Lernen Spuren hinterlässt. »Neue Lerninhalte werden gemäß der Vorstellung von neuronalen Netzen in bereits bestehende Netze integriert und nicht […] völlig neu aufgebaut.« Es gilt: »Neues beeinflusst auf diese Weise Altes und – besonders wichtig – das Alte stets das Neue.«146 Die Lernfähigkeit des Gehirns, seine Plastizität – auch definiert als »Kapazität des sich entwickelnden Gehirns zur Veränderung, Organisation und Reorganisation«147 – ist lebenslang gegeben, obgleich die Grundstrukturen der Vernetzung bis zur Pubertät ausgebildet sind. Gerade in den ersten Lebensjahren ist das Gehirn jedoch durch besondere Lernbereitschaft, -freude und -fähigkeit gekennzeichnet, die sich in fast allen Bereichen als Neugier und Wissbegierde äußern.148 Dabei gibt es immer wieder kritische Phasen, in denen das Gehirn besonders plastisch und durch Erfahrungen mit der Umwelt veränderbar ist.149

143 Hüther, Bildungsprozesse, 30. Mrakotsky beschreibt dies unter Bezugnahme auf Bourgeois et al. und Casey et al. ausführlicher, vgl. Entwicklungsneuropsychologie, 32. Ursprünglich wurde angenommen, dass eine erhöhte Synapsendichte positiv mit gesteigerten Hirnfunktionen korreliert. Heute geht man davon aus, dass gerade die selektive Synapsenreduktion sowie das Pruning synaptischer Verbindungen im präfrontalen Kortex mit der Entwicklung höherer kognitiver Funktionen und zunehmender Leistungskapazität assoziiert werden müssen. 144 Vgl. ebd., 37. 145 Friedrich, Hirnforschung, 10. 146 Ebd., 11. 147 Mrakotsky, Entwicklungsneuropsychologie, 28. 148 Vgl. Friedrich, Hirnforschung, 8. 149 Vgl. Mrakotsky, Entwicklungsneuropsychologie, 29. Kritische Perioden stellen, so M. weiter, auf neuraler Ebene Synaptogenese, dendritische Differenzierung und Synapsen-

50

Wissen und Wissensaneignung

Weil sich verschiedene Bereiche der Hirnrinde unterschiedlich schnell entwickeln, benötigt das Gehirn für eine optimale Entwicklung in unterschiedlichen Phasen verschiedene Informationen. An dieser Stelle kommt die Umwelt ins Spiel, wobei den Beziehungspersonen eine wichtige Rolle zukommt.

2.5.2 Gehirn und Umwelt Aus gegenwärtiger Sichtweise ist mehrheitlich anerkannt, dass die Hirn- und Verhaltensentwicklung sowohl genetisch vorprogrammiert sind als auch von Umwelterfahrungen abhängen, denen dynamische Modelle im Gegensatz zu Reifungsmodellen am ehesten entsprechen.150 2.5.2.1 Positive Beziehungserfahrung als Katalysator neuronaler Entwicklung Insbesondere die erwachsenen Bezugspersonen sind Teil des Bedingungsgefüges, dessen Voraussetzungen mitbestimmen, ob Bildungsprozesse begünstigt oder erschwert ablaufen können. Sie haben einen entscheidenden Einfluss darauf, »wie und wofür ein Kind sein Gehirn benutzt und damit auch darauf, welche Verschaltungen zwischen den Milliarden Nervenzellen besonders gut gebahnt und stabilisiert und welche nur unzureichend entwickelt werden können.«151 Das gilt in zweifacher Weise. Erstens bilden die Erfahrung innigster Verbundenheit mit mindestens einer wichtigen Bezugsperson und das daraus entstehende Vertrauen die Grundlage für kindliche Offenheit und Lernfähigkeit, Entdeckerfreude und Gestaltungslust, ohne die das Herausbilden komplexer Verschaltungen im Gehirn nicht gelingen kann. Je sicherer Kinder gebunden sind, je größer ihr Vertrauen in Bezugspersonen ist, desto lernbereiter sind sie. Während Angst und Druck im kindlichen Gehirn Unruhe und Erregung erzeugen und damit zu Defiziten in der Hirnentwicklung führen können, fördern emotionale Geborgenheit und Ermutigung Offenheit und innere Ruhe, die wichtigsten Voraussetzungen für Lernbereiteliminierung in den unterschiedlichen Hirnregionen dar. Erhöhte Plastizität hängt auch mit erhöhter Vulnerabilität des Gehirns für noxische Einflüsse zusammen. 150 Vgl. dazu ebd., 29 – 31+37 – 41. Im Blick auf die vorliegende Studie liegt die neurobiologische Vorstellung des neuralen Konstruktivismus als Bezugspunkt nahe. Gemäß diesem Modell entwickelt sich Konnektivität durch progressive Zunahme synaptischer Verbindungen und neuronaler Netzwerke. Die Zunahme ist durch dynamische Interaktion zwischen neuronalen Wachstumsprozessen und umweltbedingter neuronaler Aktivität bedingt. Entwicklungsneuropsychologisch werden heute verschiedene dynamische Modelle integriert. Hier scheint der Neurodevelopmental Systems-Ansatz vielversprechend, da er Verhaltensentwicklung in Beziehung zu Hirnentwicklung und Umwelt analysiert, also drei Variablen in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet: Gehirn, Kontext und Entwicklung. 151 Hüther, Bildungsprozesse, 28.

Voraussetzungen gelingender Bildungsprozesse in neurobiologischer Perspektive

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schaft.152 »Die wichtigsten Erfahrungen, die ein Kind im Verlauf seiner Entwicklung macht – und die daher den nachhaltigsten Einfluss auf die innere Organisation und Strukturierung seines Gehirns haben – sind [positive] Beziehungserfahrungen.«153 Hüther bezeichnet das Gehirn deshalb als ›Sozialorgan‹. Die Hattie-Studie bestätigt, dass ein vertrauensvolles, angstfreies, fehlerfreundliches und menschlich zugewandtes Miteinander beträchtliche Bedeutung für die Effizienz von Lernen hat, wobei hohe Ansprüche an Einsatz und Anstrengungsbereitschaft dazu keinen Widerspruch darstellen.154 Im Gegenteil, eine Kombination aus hohen Erwartungen an alle Lernenden mit einer positiven Lehrer-Schüler-Beziehung geht gemäß der Ergebnisse der Hattie-Studie hochwahrscheinlich mit überdurchschnittlichen Effekten auf die Schülerleistungen einher. Zweitens tragen primäre Bezugspersonen und später Erzieher/innen sowie Lehrer/innen Verantwortung dafür, die während der entsprechenden sensiblen Phasen benötigten Signale zur Verfügung zu stellen, um zu verhindern, dass Nervenzellen schrumpfen, ihre Dendriten, mit denen sie Signale anderer Zellen aufnehmen weniger Verzweigungen ausbilden und die Zahl der Synapsen zwischen den Nervenzellen abnehmen.155 Sie haben demnach auf der einen Seite die Aufgabe, Deprivation zu verhindern. Auf der anderen Seite müssen sie davon Abstand nehmen, Entwicklung außerhalb der sensiblen Phasen forcieren zu wollen. Es gilt das »Postulat, dass das Rechte zur rechten Zeit verfügbar sein oder angeboten werden muss«156, was nur auf der Grundlage genauer Beobachtung und des sorgfältigen Ermittelns von Vorwissen möglich ist. Stern rät den Pädagogen bezüglich der kritischen Zeitfenster jedoch zu Gelassenheit, da Studien auch ergeben haben, dass bestimmte Lernerfahrungen außerhalb der sensiblen

152 Welch große Bedeutung Emotionen auf die Qualität des Lernens haben beschreiben Eyerer und Krause unter Bezug auf Spitzer sowie Erk und Walter. Wird mit Freude gelernt, werden Informationen im Hippocampus gespeichert. Von dort aus werden sie in einem nachts stattfindenden Prozess, der sich über einige Wochen zieht, in die Gehirnrinde verschoben. Dort stehen sie langfristig zum kreativen Abruf bereit. Wird dagegen unter dem Einfluss von Angst gelernt, werden Informationen im Mandelkern gespeichert. Der hat jedoch von Urzeiten her die Aufgabe, jene Daten zu speichern, die das Überleben in Gefahrensituationen ermöglichen. Ein kreativer Umgang mit diesen Daten könnte im Extremfall tödlich sein und wird deshalb ausgeschlossen. Wird beispielsweise schulisches Wissen mit massivem Druck und Angstgefühlen gelernt, steht es für kreative Lernprozesse nicht weiter zur Verfügung. Vgl. dazu Eyerer, Pädagogische Reflexionen, 28. 153 Hüther, Bildungsprozesse, 36. 154 Vgl. Englert, Hattie-Studie und RU, 448. Vgl. hier auch den nächsten Gedanken unter Bezug Englerts auf die Hattie-Studie. 155 Vgl. Singer, Beitrag Hirnforschung, 72. Vgl. dazu die Darstellungen im vorigen Kapitel zur Entwicklung der synaptischen Verschaltungen. 156 Ebd., 74.

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Phasen durch anregende Lern-Umgebungen nachgeholt werden können.157 Zeitfenster bieten demnach nicht einzige, aber besondere Chancen für Lernerfahrungen, die zu nutzen sinnvoll erscheint.

2.6

Wissen und Wissenserwerb in konstruktivistischer Perspektive

2.6.1 Zwischen radikal konstruktivistischer Perspektive und pädagogischem Konstruktivismus Hinter die Sicht des Kindes als aktiv seine Wirklichkeit konstruierendes Subjekt kann man in der Entwicklungspsychologie wie auch in der Pädagogik seit Piaget nicht mehr zurückgehen. Im Zuge seiner Theorie entwickelt sich der Konstruktivismus zu »one of the most significant paradigms used in the explanation of young children’s learning«158. Die durch die vorliegende Studie vorgegebene pädagogische und entwicklungspsychologische Perspektive darf jedoch den Blick darauf nicht verstellen, dass der Konstruktivismus darüber hinaus einen äußerst dynamischen interdisziplinären Diskussionszusammenhang darstellt.159 Folgende Prämissen gelten übergreifend als anerkannt: »1. Knowledge is actively constructed by the cognising subject, not passively from the environment. 2. Coming to know is an adaptive process that organises one’s experiential world; it does not discover an independent, pre-existing world outside the mind of the learner.«160

Auf diese Weise konstatiert der Konstruktivismus die Grenzen zwischen der subjektiv konstruierten Wirklichkeit des Individuums, der ebenso subjektiv konstruierten Wirklichkeit anderer Individuen und der objektiven Wirklichkeit.161 Übertragen auf die kindliche Entwicklung bedeutet dies, dass sich jedes Kind im Kopf sein eigenes Bild von der Wirklichkeit macht, seine Konstruktion der Realität, welche keine Kopie der Wirklichkeit darstellt.162

157 Vgl. Stern, Lernstrategien, 24. 158 Perry/Dockett, Social Constructivism, 6. 159 Vgl. Mendl, Konstruktivismus, 14, aufgenommen in Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 53. 160 Lerman, 1989, p.211, aufgegriffen von Perry and Dockett, Social Constructivism, 6. 161 Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 53, die an dieser Stelle Bezüge zu diversen Quellen aufführt. 162 Vgl. Fried, Einleitung, 8.

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Unterschieden wird zwischen der harten, radikal-konstruktivistischen Position163 und einem weichen, moderaten Konstruktivismus. »Gemäßigte Konstruktivisten leugnen weder die Existenz konkreter Wirklichkeit […] noch die Gültigkeit gemeinsamer Glaubensüberzeugungen oder Wertesysteme innerhalb einer sozialen Gruppe […]; sie denken aber einerseits über die Entstehung solcher gemeinsamer Konstrukte nach und andererseits besonders über die Möglichkeiten und Grenzen des Einzelnen, sich selber mit der Außenwelt so zu beschäftigen, dass sie für ihn Sinn und Bedeutung erhält.«164

Pädagogischer Konstruktivismus ist laut Mendl notwendigerweise gemäßigter Konstruktivismus, weil er sich nicht darauf beschränken kann, autopoietische Prozesse zu beschreiben. Bedingt durch seinen Gegenstand, dem intentionalen Lernen, das nicht völlig beliebig sein kann, gilt es normativ-konzeptionell vorzugehen und Konsequenzen für konstruktivistisch orientierte Lernprozesse zu ziehen.165 Weder ist die Inhaltswahl völlig frei gestellt, sondern durch Bildungsvorgaben, die sich gleichwohl im positiven Fall am Vorwissen der Kinder und ihren Erfahrungen orientieren, vorgegeben noch ist die Zielrichtung völlig offen. Auch besteht der Anspruch der Lehrenden, dass sich Lernende aktiv – in günstigem Fall konstruktivistisch – mit den vorgegebenen Lerninhalten auseinandersetzen. »Ein konstruktivistischer Ansatz stellt hohe Anforderungen an das lernende Subjekt. Lernen gemäß einem konstruktivistischen Verständnis beschränkt sich nicht auf die Reproduktion von vorgegebenem Weltwissen, sondern erfordert eine aktive und explorative Haltung und eine hohe Verantwortlichkeit für das eigene Lernen.«166

Generell wird dem pädagogischen Konstruktivismus von ausgewiesenen Experten wie Gerstenmaier und Mandl attestiert, eine der »vielleicht vielversprechendsten Rahmen für eine Analyse und Förderung von Wissenserwerbspro163 Vertreter sind z. B. von Foerster, Glasersfeld und Watzlawick. Der radikal-konstruktivistische Ansatz spielt im Rahmen der vorliegenden entwicklungspsychologisch und pädagogisch ausgerichteten Arbeit keine wesentliche Rolle. Deshalb wird er nur am Rande aufgegriffen. Dazu wird eine Zusammenfassung von Freudenberger-Lötz unter Bezug auf diverse Quellen in Theologische Gespräche, 54ff herangezogen. Demnach gilt: Radikalkonstruktivistische Theorien bestreiten zwar keine Wirklichkeit erster Ordnung, gehen aber davon aus, dass sich Menschen ausschließlich in Wirklichkeiten zweiter Ordnung bewegen, die sich untereinander unterscheiden. Diese kognitiv konstruierten Wirklichkeiten entstehen in autopoietischen Systemen, die autonom gegenüber der Umwelt operieren. Die subjektive Autonomie wird dabei radikal vertreten. Deshalb ist die individuell konstruierte Wirklichkeit Bezugspunkt der Erkenntnisbildung, nicht die Realität. Über diese kann nicht objektiv geurteilt werden, sondern nur bezüglich ihrer Viabilität. 164 Mendl, Zwischenruf, 179. 165 Vgl. zu diesem Aspekt Mendl, Konstruktivismus, 18 ff. Vgl. zum nächsten Gedankengang ebd. und ders., Zwischenruf, 179. 166 Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 105.

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zessen in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten«167 darzustellen. Er ist, so Möller, durch eine mehrperspektivische Herangehensweise geprägt und integriert lerntheoretische, sozial-konstruktivistische und entwicklungstheoretische Forschungsansätze mit didaktischen Überlegungen.168 Gerade deshalb hat er für den Religionsunterricht und die vorliegende unterrichtsnahe Studie große Bedeutung.169 Anzufragen ist jedoch gerade im Zuge der aktuellen Ergebnisse der Hattie-Studie, ob die Rolle der Lehrperson als Lernbegleiter, der ›nur‹ Lerngelegenheiten für aktiv Lernende schafft und minimal intervenierend eingreift, ausreichend sein kann für erfolgreiches Lehren und Lernen.170 Eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Zusammenwirken von Instruktion und Konstruktion muss in (fach-)didaktischer Hinsicht erfolgen.171

2.6.2 Sozialer Konstruktivismus und die Bedeutung von Ko-Konstruktion Im Gegensatz zum radikalen Konstruktivismus, der auf die individuellen Konstruktionen eines Subjekts fokussiert ist, integriert der soziale Konstruktivismus den kommunikativen Aspekt. Als Prämisse gilt, »dass Menschen in einer Wirklichkeit aufwachsen, die andere Menschen gemeinsam vorstrukturiert haben. Wirklichkeit wird aus dieser Perspektive nicht nur als individuell konstruierte Wirklichkeit aufgefasst; vielmehr erleben mehrere Individuen Wirklichkeit als verbindlich und sinnhaft, wenn sie sie gemeinsam teilen können«172.

Entwicklungspsychologisch betrachtet sind Konstruktionsprozesse deshalb immer auch mit Ko-Konstruktion-Prozessen verknüpft. Beide Aspekte greifen auf folgende Weise ineinander, »dass ko-konstruiertes Wissen, das zu neuen geteilten Bedeutungen führt, Kindern hilft, die Grenzen ihrer selbst-konstruierten Welt-Entwürfe zu überschreiten und zu neuen Vorstellungen zu gelangen. Das aber trägt dazu bei, dass sie ihre innere und 167 Gerstenmaier/Mandl, Wissenserwerb, 883 f. Aufgenommen bei Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 53 f. Diese erwähnt in diesem Zusammenhang, unter Bezug auf Sitzberger, dass die genuin konstruktivistische Perspektive bei der Erstellung der Lehrpläne in Bayern eine entscheidende Rolle spielte. Ein Aspekt, den es im Blick auf die Analyse des baden-württembergischen Bildungsplanes in Kapitel 5 aufzugreifen gilt. 168 Vgl. Möller, Sichtweisen, 24 – 27 und Möller Untersuchungen, 256, aufgenommen bei Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 61. 169 Die wachsende Bedeutung des pädagogischen Konstruktivismus für den Religionsunterricht kann man auch am Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik erkennen, das mittlerweile im vierten Band erschienen ist. 170 Vgl. Englert, Hattie-Studie und RU, 446 in Rezeption der Hattie-Studie unter Aufnahme eines Originalzitates. 171 Vgl. Kapitel 2.6.3. 172 Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 56 f unter Bezug auf mehrere Quellen.

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äußere Welt immer angemessener erfassen bzw. immer besser begreifen und handhaben können.«173

Gerade im pädagogischen Bereich muss der sozial-konstruktivistische Blickwinkel die individual-konstruktivistische Sicht zwingend ergänzen, weil Lernen immer mit Beziehungen zu tun hat.174 Schon Piaget wurde wegen seiner ›Missachtung‹ der Ko-Operation kritisiert. Wobei Piaget-Kenner wie Reusser diese Kritik als nicht stimmig empfinden und betonen, Piaget habe sie insbesondere in seinen späteren Werken höher eingeschätzt als seine Kritiker vermuten. »Nach Piaget treten zu den individuell beobachtbaren Operationen in der sozialen und gesellschaftlichen Interaktion zusätzlich die ›Ko-Operationen‹ hinzu. […] Das heißt, dass auch das soziale Leben von Gruppen und Netzwerken Systeme ›inter-individueller Korrespondenz‹ […] ausbildet, die es den Beteiligten erlauben, wechselseitig soziale Standpunkte und Perspektiven auszutauschen und miteinander zu koordinieren bzw. nach sozialen und moralischen Regeln und Verpflichtungen und begleitet von entsprechenden Gefühlen im Zustand des Gleichgewichts zusammenzuarbeiten.«175

Diese Fähigkeiten können nach Piaget jedoch erst ab der konkret-operationalen Stufe verwirklicht werden. Hier trifft die zweite Kritik an Piagets Theorie, der die Fähigkeiten junger Kinder eindeutig unterschätzt hat zu. Untersuchungen ergaben, dass auch Kindergartenkinder zu Ko-Konstruktionen fähig sind. So gilt es, nach Fried, die »kognitive Entwicklung [auch] des jungen Kindes nicht allein als Eigenleistung, sondern durchaus auch als Gemeinschaftsleistung anzusehen. An dieser ›Ko-Konstruktion‹ sind, neben dem Kind, Erwachsene und andere Kinder beteiligt. Diese interagieren mit dem Kind und vermitteln ihm dabei kulturspezifische Symbolsysteme, wie Sprache, Schrift, aber auch kollektive Kulturbestände usw.«176

Naive oder intuitive Theorien werden einerseits durch eigene Beobachtungen bestätigt oder differenziert, andererseits ermöglicht die Teilhabe am kollektiven Wissen Kindern im Vor- und Grundschulalter die Entwicklung eigener Erklärungsansätze bzw. Theorien.177 Die Bedeutung der Sprache hat Wygotski klar erkannt. Im Gegensatz zu Piaget hat er die Gemeinschaftsleistung jedoch auf Kosten der Eigenleistung überschätzt. Dass jedoch die Wissensaneignung junger Kinder mit ihrer Sprachfähigkeit korreliert, ist heute unstrittig anerkannt. Je schneller die Sprachentwicklung voranschreitet, desto früher können Kinder Informationen verstehen oder aktiv selbst erfragen. »Die Wechselwirkung zwischen Sprache und Wissen 173 174 175 176 177

Fried, Ko-konstruieren, 56 unter Bezug auf Laewen /Andres 2002, 44. Vgl. Mendl, Konstruktivismus, 15. Reusser, Piagets Theorie, 155. Fried, Ausblick, 193. Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 28.

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wird auch dadurch unterstützt, dass Kinder mit zunehmendem Alter immer besser in der Lage sind, die Sprache als Werkzeug zu nutzen, um sich noch mehr Weltwissen zu erschließen.«178 Eine Fähigkeit, die sie übrigens lange vor dem konkret-operationalen Stadium nach Piaget erreichen. Auch die Vorstellung, jemandem zuzuhören, weil er mehr weiß als man selbst, ist eine Fähigkeit, die sich schon zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr ausbildet.179 Stern leitet daraus ein Förderfeld Gesprächsführung ab und argumentiert, dass man Kinder schon im Kindergarten darauf vorbereiten sollte, später gut mit anderen Kindern diskutieren zu können.180 Bei allen bislang genannten Aspekten stellt sich die Frage, ob es einen Unterschied macht, mit wem ein Kind sein Wissen ko-konstruiert. Folgt man Oevermanns Argumentation des ›herrschaftsfreien Dialogs‹ unter Gleichen, dann müssen es zwar nicht zwingend Gleichaltrige sein, weil »das Entscheidende nicht das Äußerliche der Gleichaltrigkeit, sondern der Tatbestand der sozialen Kooperation ist.«181 Diese herrschaftsfreie Kommunikation lässt sich jedoch unter Gleichaltrigen leichter herstellen und ist mit denjenigen, die zuvor an asymmetrisch zwangsstrukturierten Interaktion beteiligt waren, z. B. die Eltern, nicht möglich. Fried bestätigt durch Untersuchungen, dass junge Kinder in Interaktion mit Gleichaltrigen leichter geteilte Bedeutungen herstellen können, als in Interaktionen mit Erwachsenen.182 Auch die Reggio-Pädagogik betont die Bedeutung von Interaktion zwischen Gleichaltrigen, die gerade wegen ihrer symmetrischen Art Aushandlungsprozesse ›auf Augenhöhe‹ zulassen, was bei

178 Ebd., 193. 179 Vgl. Stern, Lernstrategien, 27, zum nächsten Gedanken, 28. 180 Kunze-Beiküfners Überlegungen und praktische Anregungen zur Kindertheologie im Elementarbereich zeigen ebenso wie zahlreiche kleinere Forschungsstudien im Sonderband Jahrbuch für Kindertheologie, Mit Kindergartenkindern theologische Gespräche führen, dass eine Einübung in Gesprächsführung gerade innerhalb der religiösen Domäne mit Kindergartenkindern möglich ist und erstaunliche Ergebnisse zeugen kann. 181 Oevermann, Peer-group, 41.Vgl. hier auch den nächsten im Text genannten Gedanken. Ergänzend soll Folgendes zu Oevermann hinzufügt werden: Er entwickelt seine Theorie der sozialen Konstitution der individuellen Ontogenese als soziologische Ergänzung zu Piagets Theorie. Dabei findet er in den späten Werken von Piaget kaum Anknüpfungspunkte, dagegen einige in dessen frühen Werken. Dazu will er das scheinbar Monologische der Piagetschen Konstruktion aufbrechen. Ihr gehe eine dialogische, soziale Handlung voraus, erst auf deren Basis urteilt das sich bildende Subjekt. Die Regel erzeugende Handlung geht der bewussten Regel somit immer voraus, das Handeln dem Denken. Besonders wichtig ist in Oevermanns Ansatz die soziale Kooperation in Spiel und Wettbewerb unter sich wechselseitig anerkennenden Gleichen. Diese unterscheidet sich durch ihre Symmetrie von der zwangsstrukturierten Asymmetrie der Interaktion zwischen Eltern-Kind oder LehrerKind, welche der herrschaftsfreien Kommunikation jedoch vorausgeht. 182 Vgl. Fried, Ko-konstruieren, 57.

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bestimmten Themen wie Gerechtigkeit, Moral und Freundschaft besonders wichtig ist.183 Forschungen von Ryokai und Cassell belegen zudem, dass schon Kindergartenkinder ab vier Jahren gerade während des Spiels mit Gleichaltrigen durch assoziativ-kreative Ko-Konstruktionsstrategien eine ›shared imagination world‹ schaffen können.184 Das gelingt logischerweise dann am besten, wenn bei allen Beteiligten bereits Vorwissen zum Spielthema vorhanden ist. Eine Untersuchung von Fried ergab, dass schon junge Kinder ausgesprochen gut in der Lage sind, sich selbst im und durch das Spiel anregungsreiche Lerngelegenheiten zu erschaffen, in denen sie ihre ko-konstruktive Wissensaneignung und ihre Selbstbildung voranbringen. Das begründet sie unter Bezug auf Sawyer damit, dass freie Spiele offen und flexibel sind und Improvisationen zulassen.185 Gerade deswegen lernen Kinder im Spiel Dinge auszuhandeln und in diesem Prozess miteinander zu diskutieren. Bei Untersuchungen von Gesprächssequenzen, die in spielerischem Kontext entstanden, konnten Perry und Dockett dies bestätigen: »The use of the discourse of argumentation is highlighted as having the potential to promote learning.«186 Warum? Spiel ist nach den genannten Autoren gekennzeichnet durch symbolische Interaktion und hohe Aktivität. Des Weiteren ist es für die Kinder bedeutungsvoll, angenehm, hat eine So-tun-als-obQualität und ist episodisch.187 In einem solchen Kontext, »the players have an active role in creating and agreeing upon what constitutes a rational argument.«188 Konkreter bedeutet dies: »As children conceptualise issues, format arguments to support these issues and then engage in argumentation which requires them to articulate and compare their own knowledge and understanding to that of their peers, there is the potential for the construction and reconstruction of knowledge to occur. In other words, learning is promoted.«189

Der soziale Kontext beeinflusst die individuellen Konstruktionsprozesse dabei auf zweierlei Weise: »Firstly, the social context influences the nature of the knowledge that is constructed and secondly, it influences the processes individuals use to construct that knowledge.«190 Allerdings gibt es folgende für den pädagogischen Bereich relevante Einschränkung: »Not all social situations promote learning. [….] Interaction which has as its focus the articulation, cla183 184 185 186 187 188 189 190

Vgl. Wustrack, Kindergarten, 93, hier unter Bezug auf Lingenauber, Krieg und Völkel. Vgl. ebd., 57. Vgl. ebd., 73. Perry/Dockett, Social Constructivism, 5. Vgl. ebd., Social Constructivism, 5 f. Ebd., 8. Ebd., 13. Ebd., 13 f.

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rification, justification and evaluation of information is more likely than others to stimulate the construction and reconstruction of knowledge.«191

2.6.3 Grundzüge konstruktivistischer (Fach-)Didaktik Mit Blick darauf, dass die vorliegende Studie über große Zeiträume im Rahmen von Religionsunterricht stattfindet, scheint es notwendig, die Auswirkungen des konstruktivistischen Diskurses auf die Didaktiken aufzugreifen. Büttner und Pütz haben hier einen Beitrag geleistet, indem sie verschiedene Fachdidaktiken sowie auch die Allgemeine Didaktik unter dem Aspekt entscheidbare versus nicht entscheidbare Fragen übergreifend beleuchten.192 In der Allgemeinen Didaktik liegt der Fokus mehr auf dem lernenden Schüler, als auf den Inhalten. Im viel diskutierten Ansatz von Reich, dem Hauptvertreter des Interaktionistischen Konstruktivismus erscheint das lernende Subjekt als autopoietisches System, das zwar durch den Eingriff der Lehrperson irritiert werden kann, mit Informationen von außen jedoch macht, was es will. Offene Lernprozesse sind mit diesem Ansatz kompatibel, der Gedanke eines gemeinsamen Lernfortschritts der Kinder einer Klasse muss aufgegeben werden. Fachdidaktiken orientieren den Lernprozess stärker an den materiellen Inhalten, wobei es zwischen Mathematik, den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften große Differenzen gibt. Konstruktivistische Mathematikdidaktik stellt die Gültigkeit der vorgegebenen ›richtigen‹ Ergebnisse nicht in Frage, betont jedoch den Erkenntnisprozess, der forschend und konstruktiv sein soll. Naturwissenschaftliche Didaktik, z. B. Physikdidaktik zielt auf die Überwindung naiver Theorien durch wissenschaftliche Konzepte. Sowohl Mathematik- als auch Physikdidaktik gehen von entscheidbaren Fragen, also objektiven Ergebnissen von Lernprozessen aus. Im Gegensatz zur Mathematik gibt es in der Physik jedoch eine objektive Wirklichkeit außerhalb der Wissenschaft, die schon Säuglinge zum Teil erkennen können. In vielen Bereichen ist die physikalische sowie auch die chemische Wissenschaft jedoch so hochtheoretisch und wenig erfahrbar, dass sie zwangsläufig auf Deutungen, Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozesse 191 Ebd., 14. 192 Das folgende Unterkapitel bezieht sich auf Büttner/Pütz, Fragen, 539 – 551.Die Differenzierung zwischen entscheidbaren sowie nicht entscheidbaren Fragen geht auf Heinz von Foerster zurück, vgl. dazu Foerster, Lethologie. Freudenberger-Lötz bietet eine kurze Zusammenfassung seiner Gedanken in Theologische Gespräche, 55 f: Antworten auf entscheidbare Fragen sind intersubjektiv überprüfbar, weil sie sich auf allgemeingültige Regeln stützen. Diese Antworten können, müssen aber nicht einfach sein und ihre Findung kann mehrere Jahre benötigen. Fest steht aber, dass es notwendigerweise eine Antwort gibt. Antworten auf unentscheidbare Fragen müssen wir verantworten, weil sie sich nicht notwendigerweise ergeben, sondern auf der Freiheit unserer Wahl basieren.

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der Wissenschaftler angewiesen ist, weil Fragen weit weniger entscheidbar sind, als angenommen. Auch ethische Aspekte bezüglich der Wissenschaften gehören zu den nicht-, bzw. schwer entscheidbaren Fragen. Neuere Didaktiken beziehen nicht-entscheidbare Fragen zum Teil erfreulicherweise ein. In den geisteswissenschaftlichen Didaktiken dagegen nehmen die nicht-entscheidbaren Fragen zwangsläufig einen breiten Raum ein. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Konstruktionsprozessen und Aushandlungen ist deshalb viel größer. Fehler werden in diesem Kontext nicht defizitär betrachtet, sondern als mögliche alternative Optionen im individuellen Konstruktionsprozess, die für die Entscheidungsfindung gleichwohl wertvoll sein können. Sowohl Unterrichtende als auch Schülerinnen und Schüler haben gewisse Erwartungen an die Inhalte des Unterrichts, die auf Seiten der Kinder durch Vorwissen, auf Seiten der Lehrer durch unterrichtliche Erfahrung sowie durch inhaltliches Wissen bedingt sind.193. Dass es eine solche Erwartungshaltung gibt, schließt nicht aus »dass die Anzahl möglicher Deutungen zwar prinzipiell unbegrenzt ist. De facto zeigen sich aber Muster sowohl auf Seiten der Logiken des Materials als auch in den Modi der Rezeption.«194 Alters- und themenabhängig kann man erfahrungsgemäß von einer begrenzten Zahl von Deutungen ausgehen, die den Orientierungsrahmen von Unterricht bilden. »Im Prinzip erscheint es möglich, als Frucht fachdidaktischer Forschung für alle nichtentscheidbaren Fragestellungen solche didaktischen Matrizes zu erstellen, die dann die Grundlage bilden können sowohl für anspruchsvolle Lernumgebungen als auch für sinnvolle Kompetenzformulierungen.«195

In diesem Rahmen können die Schülerinnen und Schüler individuelle Lösungen und Teilkonsense im Klassenverband finden. »Ein konstruktivistisch angelegter Unterricht verzichtet […] nicht auf die systematische, didaktisch aufbereitete Präsentation von Welt- und Glaubenswissen. Insofern sind auch in einem solchen Unterrichtskonzept instruktivistisch gehaltene Phasen und die Sicherung einer gemeinsamen Informationsbasis notwendig und sinnvoll.«196

Doch wird dies nicht mit dem Ziel an sich verwechselt, sondern es gilt der Verzicht auf die Festlegung enger konkreter Ziele zugunsten von Zielarealen und 193 Die Bedeutung des Vorwissens ist eine Konstante, die in den verschiedenen Perspektiven immer wieder durchscheint. 194 Büttner/Pütz, Fragen, 546 unter Bezug auf Büttner, Strukturen. 195 Ebd., 547. 196 Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 111. Vgl. dazu die schon 2005 von Eggerl u. a. als notwendig erachtete Fragestellung ›Abschied vom Stundenziel?‹ wie ihr gleichnamiger Aufsatz lautet und die von Zielareal statt Zielpunkt, vgl. ebd.73 f und Intention statt Lernziel, vgl. 73 f sprechen möchten, wobei Intention in diesem Sinne gerade nicht lehrerorientiert, sondern am Schüler und seinen Lernzuwächsen /-ergebnissen orientiert verstanden sein möchte.

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Zielkorridoren, innerhalb derer individuelles Lernen ausreichend Raum erhält.197 Dem entspricht methodisch die Figur der Lernumgebung, die heterogene, autopoietisch konstruktivistische Lernprozesse zulässt.198 »In der Praxis wird ein systematisch reflektierter Wechsel zwischen instruktivistischübergreifenden und konstruktivistisch-individuellen Lernphasen die Normalität darstellen. Dabei überlappen sich Prozesse der Instruktion, Dekonstruktion, Konstruktion und Rekonstruktion in der Begegnung von Inhalt und lernendem Subjekt wechselseitig, gerade in der Gruppe der aktiv Lernenden.«199

Anregende Lernumgebungen können dabei sowohl anspruchsvolle didaktische Konzepte sein wie Planspiel, Projektunterricht oder gar alternative Schulmodelle, können aber auch im Kontext ›normalen‹ 45-minütigen Unterrichts umgesetzt werden.200 Nach Büttner/Mendl bringt die erste Phase (Kontexte) Schülerinnen und Schüler in eine erste Beziehung zum Unterrichtsgegenstand, wobei die Vorerfahrungen der Lernenden und das breite Spektrum der Thematik in Spannung gebracht werden, so dass unterschiedliche ›Andock-Angebote‹ entstehen. Darauf folgt eine instruktivistische Phase, die eine kollektive Lernphase enthält und die Einführung in die enger begrenzte Lernlandschaft sowie ihre thematische Erfahrung, bspw. eine Einführung in einen biblischen Text sowie eine Erschließung innerhalb eines Unterrichtsgesprächs. Die dritte Phase (individuelle Konstruktion) fokussiert auf eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand. Dabei entstehende Konstruktionen können idealtypischerweise während einer vierten Phase in Dialog gebracht werden, so dass wechselseitige Konstruktionen und Dekonstruktionen stattfinden können. Die dieser Art von Büttner und Mendl vorgestellten Phasen zeigen ein konstruktivistisches Unterrichtsschema, bei dem die Eigenarbeit des Schülers folgendermaßen qualitativ präzisiert ist: sie »muss so gestaltet sein, dass die Lernenden mit ihren mitgebrachten kognitiven und emotionalen Konstrukten Anschluss an den Unterrichtsgegenstand finden, und sie muss eine Herausforderung für die Lernenden darstellen, sich kritisch und kreativ mit dem Lerngegenstand zu beschäftigen und die Ergebnisse individueller und kollektiver Lernprozesse offenzulegen und zu diskutieren.«201

Ausgehend von der Semantik der Lernlandschaften folgern Büttner und Mendl, dass eine Reduzierung der Lehrperson auf einen reinen Lernbegleiter des lernenden Subjekts eine unzulässige Verkürzung darstellt. Konstruktivismus so Vgl. dazu Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 111. Vgl. zur Gestaltung von Lernumgebungen ausführlich die pädagogischen Folgerungen. Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 111. Vgl. Büttner/Mendl, Lernlandschaften, 49 f. Vgl. ebd. 50 f die vier im Folgenden aufgeführten Unterrichtsphasen. 201 Büttner/Mendl, Lernlandschaften, 50. 197 198 199 200

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verstanden schließt Instruktion nämlich nicht aus, sondern integriert sie.202 Allerdings ist eine Diskrepanz zwischen der vorgestellten Theorie eines konstruktivistischen Unterrichtsschemas und der momentan vorfindlichen Unterrichtspraxis nicht von der Hand zu weisen. Englert u. a. beobachten in tatsächlich stattfindendem Religionsunterricht insbesondere die Tendenz des Ideals der Lehrperson als sich stark zurücknehmenden Moderators, der Lernprozesse ›nur‹ arrangiert, ohne die Bedeutung des Lerngegenstandes angemessen zu begründen.203 In 113 von Englert u. a. analysierten Religionsstunden konnte nicht selten geradezu eine Vermeidung der Frage nach Relevanz beobachtet werden ebenso wie eine Tendenz, die Kinder und Jugendlichen kognitiv zu unterfordern, bzw. Inhalte nicht angemessen zu vertiefen.204 Eine Tendenz, die sich treffend beschreiben lässt als Vermeidung von Instruktion. Das ist auf der Basis der Überlegungen von Büttner und Mendl allerdings falsch verstandener, bzw. unterkomplex verstandener konstruktivistischer Unterricht. Um einen qualitativ hochwertigen konstruktivistischen Unterricht gestalten zu können benötigen Lehrende spezifische Kompetenzen.205 Sie benötigen Wahrnehmungskompetenz, um die heterogenen Lernvoraussetzungen sowie Lernwege zu erspüren, Differenzierungskompetenz in methodischer Sicht, konstruktionsförderliche Kompetenzen, Ko-Konstruktions-Kompetenz, weil individuelle Lernlandschaften, die individuelle Konstruktionen ermöglichen durch Angebote ergänzt werden müssen, die einen Austausch der jeweiligen Konstruktionen ermöglichen sowie letztens Konstruktions-reflektierende Kompetenz, die Lernende zur Reflexion eigener Lernwege befähigt.

2.7

Entwicklung von Wissen

In jüngerer Zeit setzen sich Befürworter einer bereichsspezifischen Entwicklungstheorie gegenüber den heute in diesem Punkt als überholt geltenden bereichsübergreifenden Entwicklungstheorien durch.

202 Vgl. ebd., 51 f. 203 Vgl. Englert, Hattie-Studie und RU, 446ff unter Bezug auf Unterrichtsforschung an der Universität Duisburg-Essen. Englert, Rudolf/ Hennecke, Elisabeth und Kämmerling, Markus: Innenansichten des Religionsunterrichts. Analysen, Fallbeispiele, Konsequenzen, München 2014 (im Erscheinen). 204 Ebd., 449, ebenfalls unter Bezug auf die oben genannte sich im Erscheinen befindliche Studie. 205 Vgl. zu diesen im folgenden dargestellten Kompetenzen Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 109 f.

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2.7.1 Domänenübergreifende Entwicklungstheorien 2.7.1.1 Piagets Stufentheorie der geistigen Entwicklung des Kindes206 Piaget ist wohl der prominenteste und im pädagogischen Bereich meist rezipierte Vertreter einer Denkentwicklungs- bzw. Erkenntnistheorie, die von generellen Gesetzmäßigkeiten ausgeht. Im Zuge seiner umfassenden Theorie ist die kognitive Entwicklung des Kindes eine Abfolge alterskorrelierter Niveaus kognitiver Strukturen (Stufen), die von allen Kindern in gleicher Weise durchlaufen wird, weshalb es sich um eine generelle Strukturgenese handelt. Piagets Konzeption ist konstruktivistisch. Er sieht das Kind als aktiven Konstrukteur seines Weltbildes, das dieses in Interaktion mit der natürlichen sowie der sozialen Umwelt bildet und entwickelt. Getrieben durch das fortwährende Streben nach Gleichgewichtszuständen versucht das Kind die Welt und sein Bild der Welt in Einklang zu bringen. Dabei laufen in einem dialektischen Wechselspiel die komplementären Prozesse der Assimilation und der Akkommodation ständig von neuem ab. Assimilation ist die »funktionelle Tendenz der Eingliederung der Welt in vom Subjekt bereits ausgearbeitete Strukturen.«207 Im Zuge dieses Prozesses kann ein Kind immer nur so viel von der Welt verstehen, wie seine bislang aufgebauten Assimilationsschemata erlauben. Das heißt, sein Vorverständnis, Vorwissen bestimmt seine diesbezüglichen Möglichkeiten im Erkenntnisprozess. Im Gegensatz dazu ist die Akkommodation eine Quelle von Veränderungen. Sie tritt ein, wenn Umwelt mit bereits bestehenden Assimilationsschemata nicht erfasst werden kann. »Akkommodation besteht somit in der Veränderung – im Sinne der Reorganisation, Generalisierung, Differenzierung, Integration und Koordination – von Assimilationsschemata in Abhängigkeit von Objekt- und Situationsanforderungen.«208 Dieser Veränderungsprozess, der mangels adäquater eigener Assimilationsschemata quasi durch die Umwelt erzwungen wurde, den das Kind aber jedes Mal wieder aktiv leisten muss, entspricht dem Lernvorgang. Soweit die funktionale Seite von Piagets Konzeption Unter synchron-strukturellem Aspekt ist seine Stufentheorie zu betrachten. Piaget geht davon aus, dass jedes Kind in seiner geistigen Entwicklung eine Sequenz von vier festgelegten Stadien durchläuft, die sich in Form von Stufen in der Qualität ihrer Leistungsfähigkeit unterscheiden: Das sensomotorische (oder sensumotorische) Stadium (von 0 bis 112 / 2 Jahre), das präoperatorische / an206 Vgl. zu diesem Kapitel Fried, Expertise, 14 – 18, sehr ausführlich Reusser, Piagets Theorie, 107 – 181, Sodian, Entwicklung, 436 – 448. Die Theorie Jean Piagets wird nicht umfassend dargestellt, sondern nur in ihren Bezügen zur vorliegenden Arbeit. 207 Reusser, Piagets Theorie, 113. 208 Ebd., 114.

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schaulich-intuitive Stadium (von 2 bis 7 Jahren), das konkret-operatorische Stadium (von 7 – 11/12 Jahren) und das formal-operatorische Stadium (ab 11/12 Jahren). Unterschiede zwischen den Kindern kann es nach Piaget nur in der Durchlaufdauer geben, nicht in der Reihenfolge. Jede Stufe integriert die jeweils niedrigeren und bildet die Voraussetzung zur Erreichung der nächst höheren. Stufenübergänge werden durch andauernde Störungen im Gleichgewicht ausgelöst. »Wiederholt auftretende Widersprüche in der Organisation seines kognitiven Verhaltens -Konflikte zwischen Assimilationsschemata oder fehlgeschlagene Assimilationsversuche -zwingen es im Laufe seiner geistigen Entwicklung mehrfach dazu, seine nicht mehr an die Umwelt angepassten, aus dem Gleichgewicht geratenen Wissens- und Denkstrukturen auf einem höheren ›intelligenteren‹ Niveau neu zu integrieren.«209

Entwicklungsfaktoren sind dabei erstens die organische Reifung, zweitens die aktive Erfahrung und zunehmende Reflexion darüber, drittens die soziale Interaktion und viertens – am bedeutsamsten – die Äquilibration, bzw. Selbstregulation, die als treibende Kraft des kognitiven Konstruktivismus »für eine permanente kognitive Konflikt- und Störungsverarbeitung und damit für den dynamischen Ausgleich zwischen den Beiträgen der Reifung, der Erfahrung und der sozialen Interaktion im Wechselspiel von Assimilation und Akkommodation«210 sorgt. Inhaltlich sind im Blick auf die vorliegende Arbeit – bedingt durch das Alter der Kohorte – nur die präoperatorische sowie die konkret-operatorische Stufe der Theorie relevant. Das präoperatorische Stadium ermöglicht es dem Kind, stabile mentale Repräsentationen zu bilden, es erwirbt die Sprache und kreiert in Spiel und Kommunikation zunehmend komplexere Symbole. Unterschieden wird noch einmal zwischen dem symbolischen und vorbegrifflichen Denken bis ca. 4 Jahre, dem intuitiv anschaulichen Denken, ab 3 – 4 Jahren und dem anschaulich-intuitiven Denken an der Schwelle zum operatorischen Denken ab 5 Jahren. Kennzeichnend für das präoperative Denken ist nach Piaget der Egozentrismus. Damit ist »die Unfähigkeit gemeint, eine von der eigenen Perspektive abweichende Perspektive einer anderen Person einzunehmen«211, die durch das Zentrieren auf die eigene Person entsteht. Dieser tritt nach Piaget sowohl im erkenntnis- oder denkpsychologischen als auch im sozialpsychologischen und kommunikationsbezogenen Bereich auf. Letzteres führt zu kollektiven Monologen. Des Weiteren ist diese Phase laut Piaget durch animistisches, artifizialistisches, finalistisches, naiv realistisches und magisches Denken geprägt. 209 Ebd., 120. 210 Ebd., 121. 211 Sodian, Entwicklung, 441.

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Auffallend ist bei Piaget, dass er diese Phase oft durch Defizite charakterisiert hat. Im Gegensatz zum konkret-operativen Denken kann das Kind dies und das noch nicht, weil es die dafür notwendigen Voraussetzungen noch nicht gebildet hat, z. B. fehlendes Verständnis für Invarianz, Reversibilität, Inklusion usw. Im Gegensatz dazu ist das konkret-operatorische Denken nach Piaget davon geprägt, dass Kinder mehrere Dimensionen gleichzeitig berücksichtigen und einfache logische Operationen durchführen können. Piaget sieht hier die bedeutsamste qualitative Rekonstruierung der kindlichen Erkenntnisstrukturen. Mehrperspektivität, Reversibilität, Invarianz, Inklusion, Kohärenz, Systemhaftigkeit usw. stellen für das kindliche Denken jetzt kein Problem mehr dar. Begrenzt werden diese Denkstrukturen nur dadurch, dass sie noch nicht hypothetisch theoretisch durchgeführt werden können. Sicher muss man Piaget als Pionier der Erforschung kognitiver Entwicklung, als Begründer der genetischen Erkenntnistheorie, als Vater des kognitiven Konstruktivismus und als Impulsgeber der Pädagogik würdigen. Man muss aber auch feststellen, dass seine umfassende Theorie mit dem Anspruch universeller und für alle kognitiven Funktionen und Inhalte geltenden Entwicklungsstufen so heute nicht mehr haltbar ist. Vielmehr sprechen gegenwärtig vielfältige empirische Forschungen sowohl für individuelle Unterschiede der Kinder untereinander als auch für eine größere Bereichsspezifität des Denkens beim einzelnen Kind. Auch dem Einfluss von sozialen Interaktionen wird heute weitaus mehr Gewicht beigemessen als Piaget dies vermutete. Aus Sicht heutiger Forschungsergebnisse muss man außerdem klar sagen, dass Piaget die kognitiven Kompetenzen von jüngeren Kindern (und sogar von Säuglingen) deutlich unterschätzt hat. Als empirisch erwiesen gilt es heute, dass die Fähigkeit, mehrere Dimensionen zu integrieren, aufgabenspezifisch ist, dass schon Vierjährige verstehen, dass Objekte aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich aussehen und dass Vorschulkinder, sofern sie über die relevanten inhaltlichen Kenntnisse verfügen, sehr wohl kausal denken können.212 2.7.1.2 Domänenübergreifende Entwicklung bei Wygotski213 Wygotski stimmt mit Piaget darin überein, dass auch in seiner umfassenden Theorie kognitive Entwicklung als generelle Gesetzmäßigkeit verstanden wird. Im Unterschied zu diesem sieht Wygotski diese Entwicklung jedoch nicht als Eigen-, sondern vor allem als Gemeinschaftsleistung, an der neben dem Individuum auch andere Kinder und Erwachsene durch Interaktion beteiligt sind. Der Kontext – Kultur und kollektive Wissensbestände – ist demnach viel ent212 Vgl. ebd., 446ff unter Bezug auf verschiedene Forschungsarbeiten. 213 Vgl. zu diesem Abschnitt Fried, Expertise, 14 f + 18 – 21.

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scheidender als bei Piaget. Insbesondere die Sprache spielt eine wichtige Rolle. Wygotski differiert zwischen der äußeren sozialen und der inneren individuumsbezogenen Funktion von Sprache. Letztere entwickelt sich aus der egozentrischen Sprache heraus und dient nach ihrer Verinnerlichung dazu, soziale Sprachstrukturen in individuelle Wissensstrukturen umzuwandeln. Die Bedeutung von Sprache für die Wissensaneignung junger Kinder bleibt im Blick auf die Gemeinschaft, die immer über einen Bestand an geteiltem Wissen verfügt, der allen Mitgliedern zur Verfügung steht, auch in der Gegenwart aktuell. Soziale Beziehungen sind durchaus als wesentlicher Faktor beim Wissenserwerb anzusehen, allerdings nicht in der Generalität, die Wygotskis Theorie erwarten lässt. Biologische Grundlagen wie z. B. Gedächtnis- und Wahrnehmungsleistungen finden gegenwärtig wieder mehr Beachtung.

2.7.2 Domänenspezifische Theorien214 2.7.2.1 Kernwissensthese und naive Theorien im kindlichen Denken Theorien der Entwicklung domänenspezifischen begrifflichen Wissens rekurrieren gerade nicht darauf, dass Kinder von Geburt an mit einer allgemeinen Lernfähigkeit ausgestattet sind, welche sich bereichsübergreifend entwickelt und ihnen die Erschließung beliebiger Inhaltsbereiche ermöglicht. Stattdessen wird von der Annahme einer modularen Struktur des Geistes ausgegangen. So konstatieren z. B. Carey und Spelke: »that human reasoning is guided by a collection of innate domain-specific systems of knowledge. Each system is characterised by a set of core principles that define the entities covered by the domain and support reasoning about those entities«215.

Hirschfeld und Gelman charakterisieren Domänen wie folgt: »A domain is a body of knowledge that identifies and interprets a class of phenomena assumed to share certain properties and to be of a distinct and general type. A domain functions as a stable response to a set of recurring and complex problems faced by the organism. This response involves difficult-to-access perceptual, encoding, retrieval, and inferential processes dedicated to that solution.«216

214 Vgl. zu diesem Abschnitt Mähler, naive Theorien, 53 f + 61 f, Dies./Ahrens, naive Biologie, 153 f sowie Sodian, Entwicklung, 462 – 464. 215 Carey / Spelke, conceptual change, 169. 216 Hirschfeld / Gelman, topography, 21.

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Sie beschreiben Domänen ferner als »guides to partitioning the world«, »explanatory frames«, »functional and widely distributed devices« and »dedicated mechanisms«217. Das ist nicht neu. Schon 1978 äußert Wygotsky : »the mind is not a complex network of general capabilities such as observation, attention, memory, judgment, and so forth, but a set of specific capabilities, each of which is, to some extent, independent of others and is developed independently. Learning is more than the acquisition of the ability to think; it is the acquisition of many specialized abilities for thinking about a variety of things. Learning does not alter our overall ability to focus attention but rather develops various abilities to focus attention on a variety of things.«218

Bewusst grenzen Hirschfeld und Gelman Domänen in ihrer Beschreibung von anderen mentalen Strukturen ab, mit denen sie nicht verwechselt werden sollen. Bei Domänen handelt es sich demnach nicht um »semantic fields, schemata and scripts, prototypes, and analogies«219. Wie genau Kinder sich domänenspezifisches Wissen aneignen ist umstritten. Die Kernwissensthese besagt, »dass angeborenes domänenspezifisches Wissen Kinder dazu befähigt, rasch domänenspezifische Kenntnisse zu erwerben.«220 Es wirkt wie ein Filter und birgt immer bereichsspezifische Lernvoreinstellungen oder Lernbeschränkungen, so genannte Constraints.221 Dabei ist die Umwelt nötig, um die bereichsspezifischen Informationsverarbeitungsprozesse in Gang zu setzen. In Ablehnung dieser rein quantitativen Sichtweise wurde die sogenannte Theorie-Theorie entwickelt, die über eine bloße Akkumulation von 217 Hirschfeld / Gelman, topography, 21 f. 218 Wygotski, 1978, aufgenommen in Hirschfeld / Gelman, topography, 3. Festlegung auf die deutsche Schreibweise des Namens, auch bei englischem Zitat. 219 Hirschfeld / Gelman, topography, 23. 220 Sodian, Entwicklung, 463. Die Kernwissensthese wurde 1994 von Carey und Spelke aufgestellt. 221 Vgl. Fried, Expertise, 24. Bislang ist die These von angeborenen starken Constraints, das bedeutet stark spezifizierte Voreinstellungen bzw. Beschränkungen, nur für die Bereiche Physik, Mathematik, Biologie und Psychologie bestätigt. Bereiche wie z. B. Religion, Recht oder Wirtschaft sind diesbezüglich zum einen viel weniger intensiv erforscht worden als die oben genannten. Zum anderen besteht die Vermutung, dass sie nur schwache Constraints, das heißt schwache spezifizierte Voreinstellungen, bzw. Beschränkungen aufweisen, die eher mit soziokulturellen Vorgaben zu tun haben, denen ein Kind unterworfen ist, als mit angeborenen Constraints, vgl. dazu Fried, Expertise, 25. Büttners These der Kontingenzverarbeitung als kognitiven Kern der religiösen Domäne und die daraus resultierende Anschlussfähigkeit der religiösen Domäne an andere intuitive Theorien wird im folgenden Kapitel 2.7.2.3 – eingeordnet in die philosophisch-theologische Domäne – intensiver zu bedenken sein, vgl. Büttner, Kontingenzverarbeitung, 152 – 166. Weiterführend ist hier auch die von Büttner und Dieterich verfasste Entwicklungspsychologie in der Religionspädagogik, die neuere Untersuchungen zu verschiedenen Teildomänen (Magie, Wunder, Gebet/ Spiritualität/ Gottesvorstellungen/ Theodizee/ Christologie) aufgreift und zusammenfasst.

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Wissen hinausgeht, indem sie die begriffliche Entwicklung des Kindes analog zur wissenschaftlichen Theoriegeschichte betrachtet. »Basierend auf angeborenem Kernwissen entstehen in der frühen Kindheit größere zusammenhängende begriffliche Systeme, intuitive Theorien, die vor allem die Funktion haben, viele einzelne Phänomene eines Bereichs anhand weniger Grundprinzipien zu erklären.«222

Um eine domänenspezifische intuitive oder naive Theorie handelt es sich also dann, wenn sowohl ein System von Kernbegriffen als auch ein System diese betreffenden Kausalerklärungen im kindlichen Denken vorliegt. »Verfügt eine Person über eine ›Theorie‹, dann sollte sie in der Lage sein, mit Hilfe der innerhalb einer Domäne gültigen kausalen Prinzipien und ihren Anwendungsregeln Ereignisse und Phänomene zu erklären, vorherzusagen und zu generalisieren.«223 Vertreter von qualitativen Veränderungen gehen davon aus, dass Kinder das Bedürfnis haben, die Vielfalt bereichsspezifischer Konzepte und Begriffe in ein umfassendes, wenn auch naives, Weltbild (auch Rahmentheorie genannt) zu integrieren. Einmal aufgebaute Weltbilder sind sehr stabil. Kinder halten an ihrer Rahmentheorie fest, wenn einzelne neu gewonnene Einsichten nicht einzuordnen sind. Erst wenn das oft passiert, ist das Kind bereit sich ein neues, z. T. völlig verwandeltes Weltbild zu erstellen. »Conceptional change involves overriding core principles, creating new principles, and creating new ontological types.«224 Dabei wird zwischen kalten und heißen Konzeptwechseltheorien unterschieden. Letztere berücksichtigen auch emotionale Faktoren wie Neugier, Interesse, Erfolg und Wirksamkeit.225 Differenziert wird im Anschluss an Susan Carey auch zwischen weichen, allmählichen und harten, d. h. radikalen Umstrukturierungen, wobei gerade für den Grundschulunterricht häufiger mit kleinen, denn mit großen Sprüngen zu rechnen ist.226 Diese können in Teilbereichen einer Domäne unterschiedlich schnell vollzogen werden. Insgesamt steht noch nicht fest, ob das quantitative oder das qualitative Modell bestehen werden. Sinnvoll ist es daher, beide Modelle in einem Erklärungszusammenhang zu integrieren. Das würde bedeuten, dass der domänenspezifische Wissenserwerb sowohl eine kontinuierliche Bereicherung des Kernwissens als auch immer wieder eintretende weiche und harte Restrukturierungsprozesse darstellen würde.227

222 223 224 225 226 227

Sodian, Entwicklung, 463 f. Mähler, Naive Theorien, 54. Carey/Spelke, conceptual change, 169. Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 59. Vgl. ebd., 58 unter Bezug auf Möller und Duit. Vgl. Sodian, Entwicklung, 478.

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2.7.2.2 Domänenspezifische Theorien als Erklärung für Heterogenität Geht man von der Tatsache aus, dass durch die aktuellen Erkenntnisse der kognitiven Entwicklungspsychologie in jüngerer Zeit das moderne Kindbild weiterentwickelt worden ist228, dass nämlich das Kind nicht mehr ausschließlich als aktiver Konstrukteur seiner selbst betrachtet wird, sondern als »intuitiver Theoretiker« bzw. »intuitiver Wissenschaftler« seiner äußeren und inneren Welt, dann verschiebt sich auch die Rangfolge der für Entwicklung bedeutsamen Kategorien wie folgt: Die Intelligenz tritt hinter das Vor-Wissen zurück, das sich »in klar voneinander abgegrenzten inhaltlichen Bereichen oder Domänen entwickelt, sich also in einem domänenspezifischen Wissensprofil ausprägt.«229 Naive Theorien fokussieren auf die Erforschung von Veränderungen in spezifischen Bereichen von Wissen. »Das Weltbild von Kindern, so wird angenommen, setzt sich aus dem Wissen in den verschiedenen inhaltlichen Domänen zusammen.«230 Deshalb gilt im Unterschied zu den oben genannten generellen Strukturentwicklungstheorien zweierlei. Einerseits sind die Wissensvorräte altersgleicher Kinder in ein und demselben Bereich sehr heterogen, weshalb nicht von gleichen Lernvoraussetzungen ausgegangen werden kann. Andererseits differieren die Wissensvorräte ein und desselben Kindes in unterschiedlichen Bereichen.231 »Bei Kindern handelt es sich aus dieser Sicht um ›universelle Novizen‹, die Erwachsenen primär aus dem Grund kognitiv unterlegen sind, weil sie einfach noch nicht genügend Zeit hatten, um in den verschiedenen Inhaltsgebieten Wissen zu erwerben.«232 Erst durch den Erwerb – individuell ganz verschiedenen – bereichsspezifischen Wissens werden sie im Lauf ihrer Entwicklung zu Experten in bestimmten Bereichen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass jemand in einigen Bereichen immer Anfänger bleibt. Umgekehrt können Kinder Erwachsenen in gewissen Domänen überlegen sein, vgl. die bereits angesprochene Schachstudie von Chi. 2.7.2.3 Empirischer Forschungsstand zu Lernvoraussetzungen von Kindern beim Schuleintritt – Darstellung einer Wissenslandkarte Die vorliegende Studie stößt als qualitativ orientierte Längsschnittstudie, die den allmählichen Auf- und Ausbau von Wissensstrukturen erhellt, in eine For228 Was mit einem ›Abschied von Piaget‹ zumindest bezüglich seiner allgemeingültigen, alle Bereiche betreffenden Stufentheorie, nicht jedoch bezüglich seines konstruktivistischen Ansatzes einhergeht, vgl. Büttner, Abschied, 208 – 212. 229 Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 23.Vgl. hier auch den gesamten Gedanken. 230 Mähler/Ahrens, Naive Biologie, 153. 231 Vgl. Fried, Expertise, 22. 232 Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 105.

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schungslücke gewaltigen Ausmaßes.233 Bislang gibt es zwar zahlreiche – oft quantitative -Querschnittsstudien, die das bereichsspezifische Wissen von Kindern eines gewissen Alters bestimmen. In ihrem Kontext liegt der Fokus aber mehr auf den Gemeinsamkeiten als auf den individuellen Unterschieden. Es stellt sich die Frage, ob Forschungsergebnisse bezüglich einzelner Wissensdomänen behutsam so zusammengesetzt werden können, dass eine domänenübergreifende Wissenslandkarte sichtbar wird, die angibt, was Kinder im Allgemeinen in einem bestimmten Alter in spezifischen Bereichen wissen. Eine solche hat Fried sehr pointiert dargestellt.234 Sie betrachtet dies zu Recht als qualitative Veränderung gegenüber der früheren – m.E. auch heute noch vielerorts existierenden – Meinung, aus Erwachsenensicht festlegen zu können, was Kinder bis zum Ende ihrer Kindergartenzeit wissen sollten.235 Fried unterscheidet ursprünglich zwischen Wissen über die Sach-Welt, die Ich-Welt und die Sozial-Welt. Eine theologisch-philosophische Domäne tritt später hinzu. Des Weiteren differenziert Fried zwischen dem Vorläufer- und Transitionsstadium der Wissensentwicklung im Alter von 2 12 – 4 Jahren und dem Basisstadium der Wissensentwicklung zwischen 4 – 6 Jahren, welches für die vorliegende Studie interessanter ist. Im Basisstadium verfügen Kinder im Kontext der Sach-Welt236 im Blick auf 233 Dies gilt trotz einzelner vorliegender Längsschnittstudien wie z. B. derjenigen von Hennecke, die erforscht hat, was Kinder einer dritten Klasse im Verlauf eines Schuljahres im Religionsunterricht lernen. 234 Interessant ist, dass Fried heute vorsichtiger dabei ist, die Ergebnisse der einzelnen Domänen zusammenzufügen als noch vor einigen Jahren. Sie verweist auf die Unterschiede zwischen »stark-definierten« und »schwach-definierten« Domänen, die eine Integration der Forschungsergebnisse erschweren, vgl. Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 25. Im Folgenden werden die bisherigen Forschungsergebnisse dennoch als vermeintliches Gesamtbild dargestellt, obgleich die Schwierigkeit dahinter erkannt ist. Diese Ergebnisse werden im Folgenden stichwortartig vorgestellt. Vgl. zu den folgenden Ausführungen, Fried, Expertise, 22 – 61 sowie Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 25 – 37.Wichtige Ergänzungen finden sich in Kasten, 4 – 6 Jahre, Mähler, Kindergarten- und Vorschulalter, 177 – 237 und Janke/Hasselhorn, Frühes Schulalter, 239 – 296. Frieds knappe und kompakte Übersicht kommt der noch weiter komprimierten Zusammenfassung der Ergebnisse an dieser Stelle am meisten entgegen, deshalb ist sie die Hauptbezugsquelle. Im Weiteren werden an dieser Stelle nur wörtliche Zitate gesondert gekennzeichnet. 235 Vgl. Elschenbroich, Weltwissen, aber auch die Bildungspläne, die gerade durch ihre Hinwendung zur Output-Orientierung in der Gefahr sind, die geforderten Kompetenzen ohne empirische Begleitforschung nicht an die tatsächliche Wissens- und Kompetenzentwicklung anzupassen. 236 Hier handelt es sich in erster Linie um stark-definierte Domänen, die sich durch angeborene Kernprinzipien auszeichnen, d. h. durch Initialwissen in Form von Prinzipien oder (Lern-)Voreinstellungen, welche dem Kind rasche aufgabenspezifische Problemlösungen ermöglichen, vgl. dazu Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 25. Diese starkdefinierten Domänen sind, so Fried ebd. weiter, gut beforscht, im Gegensatz zu den schwachen Domänen.

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wissenschaftlicher Konzepte über ein erstes Verständnis von Kausalität, können erste ›naive‹ Hypothesen bilden, entwickeln erste Gesetze von Logik und Evidenz und können naive Theorien entwickeln und an der Realität überprüfen. Im Bereich der Mathematik verwenden sie Prenumeracy-Begriffe, verfügen über differenzierte Mengenvorstellungen und können insbesondere konkret mit Zahlen umgehen und zählen. Sie bilden erste Vorstellungen von Rechenoperationen, von Geometrie und Zeit. Gegen Ende dieser Phase bilden sie erste metamathematische Einsichten. Im physikalischen Bereich bilden sie elementare Konzepte zu einigen Phänomenen wie Aggregatszustände, Licht, Temperatur, Geschwindigkeit und Kraft, allerdings noch nicht zu Gewicht und Dichte. Sie verfügen über erste Lagebezeichnungen im physikalischen Raum und grob über die Vorstellung von Transformation von Objekten in andere physikalische Zustände, allerdings nicht in jedem Fall. Sie verfügen über komplexe Konzepte physikalischer Kausalität wie Ursache und Wirkung und vermittelnde Mechanismen. Auch verfügen sie über erste Vorstellungen vom Kosmos, v. a. in sichtbaren Dimensionen. Im Bereich der Geografie können sie angemessen mit Karten umgehen und verstehen, welche Funktion diese haben. Der Unterschied zwischen Stadt und Land fällt noch schwer, aber das Wissen um fremde Länder ist vorhanden. In der biologischen Domäne können sie zwischen Lebewesen und Artefakten unterscheiden. Sie wissen, dass Menschen Geist- und Körper-Wesen sind, trennen z. B. zwischen biologischen Funktionen und Emotionen. Innere Körperfunktionen zu verstehen gelingt ihnen jedoch nur in Ansätzen. Das Wissen über Sexualität, Zeugung und Geburt ist noch stark eingeschränkt, das Wissen über Geschlechtlichkeit jedoch vorhanden. Sechsjährige haben schon Wissen zur Vererbung und erste Konzepte von Verwandtschaft. Schon Vierjährige haben ausgeprägte Vorstellungen von Krankheit und Gesundheitsvorsorge. Der Tod wird von vielen Fünf- und Sechsjährigen als endgültig eingeschätzt. Im Bereich der Ökologie weisen sie differenziertes Wissen auf, insbesondere zur Gefährdung der Umwelt wie auch zum Umweltschutz. Fried stellt unter Berücksichtigung zahlreicher einschlägiger Studien fest, »dass junge Kinder über ein bemerkenswert breit gestreutes ›Sach-Welt-Wissen‹ verfügen«237. Bezogen auf die Ich-Welt ist insbesondere ihr Wissen über die Theory of Mind interessant. »Unter einer Theory of Mind versteht man die alltagspsychologischen Konzepte, die wir benützen, um uns selbst und anderen mentale Zustände zuzuschreiben (was wir wissen, wollen, denken, fühlen usw.)«238 Sodian/ 237 Fried, Expertise, 38. 238 Sodian/Thoermer, Theory of Mind, 496. Die Autorinnen stellen fest, dass die Theory of Mind-Forschung ein junges, jedoch eigenständiges entwicklungspsychologisches Forschungsfeld darstellt.

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Thoermer stellen auf der Basis mehrerer hundert Studien verschiedener Autoren zusammenfassend fest, dass Kinder zwischen 3 und 4 Jahren das Konzept der Überzeugung entwickeln, was ihnen ermöglicht, mentale Zustände unabhängig von der Realität zu repräsentieren und Handlungsvorhersagen aus der Zuschreibung mentaler Zustände abzuleiten.239 Mit 4 – 5 Jahren ist die Theory of Mind-Entwicklung nicht abgeschlossen, jedoch wesentlich schlechter erforscht. Sie gestaltet sich wohl derart, dass ein Verständnis von Überzeugungen zweiter Ordnung (Tim glaubt, dass Tom glaubt, seine Schwester sei im Kinderzimmer) sich in einer zweistufigen Sequenz entwickelt und bei 7 – 8 jährigen voll ausgeprägt ist.240 Insbesondere im Blick auf die im Rahmen der vorliegenden Studie stattfindenden Gruppengespräche in der unterrichtlichen Situation soll auf den Zusammenhang zwischen Kommunikationssituation, tatsächlich erworbenem Wissen und Meta-Wissen über den Wissenserwerb eingegangen werden. Kinder können den Inhalt erworbener Information wiedergeben, bevor sie die Umstände des Wissenserwerbs verstehen und erinnern können. Während Vierjährige den Zusammenhang von Sehen und Wissen noch übergeneralisieren, können Fünfjährige berichten, wie sie zu Wissen gekommen sind, allerdings ohne zeitliche Einordnung. Sechsjährige haben ein tieferes Verständnis von verbaler Kommunikation entwickelt. Sie können nachvollziehen, wenn ein Sprecher sich in einer Kommunikationssituation im falschen Glauben über einen Sachverhalt befindet und dies bei ihrer Interpretation seiner Äußerungen berücksichtigen. Dann gelingt es ihnen zunehmend, erste Interpretationen uneindeutiger Mitteilungen zu revidieren, diejenige eindeutiger Mitteilungen jedoch beizubehalten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kinder zwischen 4 – 8 Jahren ein zunehmend angemessenes Verständnis geistiger Konstruktion und Interpretation entwickeln, was zum Teil, aber nicht allein auf das verbesserte Sprachverständnis zurückzuführen ist.241 Im Blick auf das Emotionswissen verfügen Kinder zwischen 4 und 6 über mehrere Emotionswörter, um eigene und fremde Gefühlslagen zu beschreiben. Auch können sie erste Erklärungen zu den Ursachen der Emotionen nennen oder emotionale Reaktionen voraussehen. Sechsjährige können echte von vorgetäuschten Emotionen aufgrund der Situation unterscheiden, sind jedoch verwirrt, wenn Mimik und Gestik sich von der Sprache unterscheiden. Was die Selbst-Konzepte anbelangt können Kinder dieses Alters auch interne Merkmale einbeziehen. Insgesamt neigen junge Kinder zur Selbstüberschätzung. Zusammenfassend kann man, bezogen auf das Ich-Welt-Wissen mit Fried sagen: 239 Vgl. ebd., 579. 240 Vgl. zu Überzeugungen zweiter Ordnung Sodian/Thoermer, Theory of Mind, 553 ff unter Bezug auf Arbeiten von Perner und Wimmer sowie von Sullivan u. a. Vgl. 555 f im Blick auf Kommunikationssituation. 241 Vgl. ebd., 557 und 559.

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»Junge Kinder verfügen über erhebliche Wissensvorräte, mit deren Hilfe sie ihr eigenes Handeln erklären und das Handeln anderer Menschen verstehen und voraussagen können. Sie verfügen also über erstaunlich ausdifferenzierte Wissensvorräte […] über die Grundzüge einer Alltagspsychologie.«242

Das Wissen junger Kinder über die Sozial-Welt lässt sich wie folgt zusammenfassen.243 Im Kontext gesellschaftlicher Systeme wissen Sechsjährige im Bereich Recht, dass es Vorschriften und Gesetze gibt und können moralische Kategorien anwenden. Kindergartenkinder wissen im Bereich Wirtschaft, dass es verschiedene Berufe und charakteristische Berufsrollen gibt, nicht jedoch, dass man diese ausübt, um Geld zu verdienen, obwohl ihnen klar ist, wozu man Geld verwendet. Auch können sie arm und reich unterscheiden. In Bezug auf Politik trennen Kinder dieses Alters noch nicht zwischen öffentlich und privat. Sie wissen, dass es herausgehobene Persönlichkeiten gibt, politische Rituale und Symbole. Die Funktion der Polizei ist ihnen klar. Im Blick auf soziale Institutionen wie Familie, Kindergarten und Schule verstehen Kinder, dass Elternschaft eine biologisch bedingte Beziehung darstellt, außer bei Stief- und Adoptiveltern. Mutter und Kinder betrachten sie als Kern der Familie. Zum erweiterten Familienbild gehören neben Eltern und Geschwistern aber auch Großeltern und eventuell Tiere der Familie. Fünf- und Sechsjährige gehen davon aus, dass Mütter bestimmte Erwartungen an ihre Kinder haben (z. B. verbotene Taten nicht verschweigen). Bezüglich des Kindergartens kennen sie differenzierte Handlungsschemata und Skripts, die den Ablauf betreffen. Auch haben sie genaue Vorstellungen über die Rolle einer Erzieherin. Sie trennen zwischen Freiräumen, die ihnen gewährt werden und Organisationsstrukturen, die die Erzieherin überwacht. Bei älteren Kindergartenkindern gibt es Vorstellungen zum Übergang zwischen Kindergarten und Schule. Im Kontext gesellschaftlicher Stereotype wissen Kinder, dass es soziale Klassenunterschiede gibt. Sie verstehen, dass ethnische Zugehörigkeit auf Vererbung beruht. Leider übernehmen sie bereits Vorurteile. Kindergartenkinder können offensichtliche körperliche Behinderungen wahrnehmen. Die meisten haben keine Vorbehalte ein Kind mit Behinderung als Freund zu haben. Die Geschlechterrolle betreffend halten sie Stereotype für relativ verbindlich, wobei Mädchen höherer Spielraum zugestanden wird. Geschlechtsspezifische Merkmale führen sie auf biologische Ursachen zurück. Gesellschaftliche Probleme wie Gewalt kennen sie aus harmlosen Konflikten und Streit mit Gleichaltrigen. Sie wissen, woran man aggressives 242 Fried, Expertise, 44. Vgl. bei Fried auch Emotionswissen, 42 f und Selbst-Konzepte, 43 f. 243 Vgl. im Folgenden Fried, Expertise, 44 – 61. Hier oft bezogen auf rein beschreibende Forschungsarbeiten, hinter denen keine Theorien stehen, worin ein Unterschied zu Studien im Kontext der Sach- und Ich-Welt besteht. Zwei weitere Einschränkungen bestehen darin, dass kulturelle Ausprägungen die Sozial-Welt stark beeinflussen und dass es kaum Forschungsarbeiten im Transitionsstadium gibt.

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Verhalten erkennen kann. Fünf- und Sechsjährige wissen, dass es Kriege gibt und könne Merkmale dafür nennen. Im Kulturfeld Musik gelingt es Kindern, oft gehörte Lieder richtig nachzusingen, Rhythmen zu unterscheiden und hohe, bzw. tiefe Tonlagen zu trennen. Im Bereich Kunst liegen keine Ergebnisse vor. Wissen zu sozialen Prozessen eignen sich Kinder über Spielpartnerschaften an. Sie verstehen, dass soziales Verhalten an ausgehandelte Konventionen angepasst werden muss. Sie wissen und erleben Sympathie und geben an, Freunde zu haben. In der philosophisch-theologischen Domäne244 lässt sich feststellen, dass Kinder schon früh zwischen materiellen und immateriellen Objekten unterscheiden können oder anders formuliert zwischen realen und spirituellen. Magie-Konzepte oder metaphysische Vorstellungen verwenden sie nur, wenn ihnen Ereignisse begegnen, in denen die sonst gültigen Ursache-Wirkungsmechanismen nicht mehr zu tragen scheinen. Auch Kindergartenkinder verfügen schon über vielfältige positive theologische Grundkonzepte, z. B. über Gott, Jesus, Engel, Himmel oder den Kosmos, dagegen haben sie noch wenig ausgeprägtes Wissen über negative theologische Grundkonzepte wie z. B. Satan oder Hölle. Sie differenzieren zwischen Gott und anderen nicht-menschlichen Wesen wie Engeln oder Tieren. »Außerdem ist ihnen klar, dass sich Gott und Mensch in spezifischer Weise unterscheiden.«245 Dabei sind Gott zugeschriebene Eigenschaften am Ende der Vorschulzeit Allwissenheit, Allgegenwärtigkeit und Unsterblichkeit. Viele Kinder verfügen über elementare religiöse Schemata zu religiösen Festen, Feiern oder Ritualen wie z. B. Ostern, Weihnachten, Beten usw.246 »Darüber hinaus sind den Kindern typische Merkmale verbreiteter religiöser Erzählungen bekannt, wie z. B. Gleichnisse, biblische Geschichten. Allerdings fassen sie das 244 Da die vorliegende Studie sich im Kontext der religiösen Domäne bewegt, erhält diese eine Sonderstellung und wird ausführlicher thematisiert. Dabei bilden die zusammengetragenen Ergebnisse von Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 32 – 37 in diesem Absatz den Hauptbezugspunkt. Innerhalb dieses Abschnittes werden insofern nur noch wörtliche Zitate mit Fußnoten versehen. Insgesamt kann eine inhaltliche Nähe von Forschungsergebnissen aus dem Bereich Philosophie sowie Theologie von Fried zur vorliegenden Studie festgestellt werden. Diese fokussiert aber insbesondere auf religiöses Wissen. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Teildomäne Christologie unter Einbezug unterschiedlicher aktueller Forschungsstudien erfolgt deswegen in Kapitel 4 und soll hier nicht vorweggenommen werden. 245 Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 35. Diese Unterscheidung wird gerade im Blick auf die Frage, ob Jesus wahrer Gott, wahrer Mensch oder irgendwie beides ist, im Kontext des mit der vorliegenden Studie verbundenen Religionsunterrichts interessant werden. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 7.1.2. 246 Wie früh sich bereits allererste Weihnachts- und Osterkonzepte ausbilden können zeigt das Fallbeispiel von Benz, in der eine knapp Dreijährige zu Wort kommt. Vgl. Benz, Genese, 149 – 164. Vgl. zu Gebetsvorstellungen bei Vorschulkindern ausführlich Kammeyer, Gebet, insbesondere 385 – 443.

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Berichtete noch wortwörtlich auf. Die moralische Botschaft hinter den Erzählungen ist ihnen dagegen noch kaum zugänglich.«247

Religiöse Geschichten werden von älteren Kindergartenkindern eher für real gehalten als nichtreligiöse Erzählungen, wobei Kinder, die Gott als Erklärung für Ereignisse verwenden eher von der Faktizität überzeugt sind. Kriterien sind hier auch der Vertrautheitsgrad der Kinder mit den Erzählungen sowie die Religiosität der Familie. Vorstellungen vom Tod haben Vorschulkinder ebenfalls schon, wobei jüngere den Tod als umkehrbaren Zustand betrachten und von einer psychologischen Kontinuität über den Tod hinaus ausgehen. Sechsjährige wissen dagegen oft, dass der Tod endgültig ist und konkrete Ursachen hat. Einzelne erkennen dabei komplexere Zusammenhänge. Insgesamt muss so Büttner/Dieterich mit Blick auf die Domäne Religion festgehalten werden, dass eine solche in der Literatur bislang nur mäßig eindeutig herausgearbeitet ist.248 »Immerhin gibt es ein gemeinsames Ringen um die Frage, wie es kommen kann, dass trotz der immer größeren Fähigkeit, die Konturen der Realität angemessen zu verstehen, es offenbar immer noch einen Bereich gibt, der empirisch schwer zu greifen ist und dennoch bei der Realitätskonstruktion eine Rolle spielt.«249

Büttner und Dieterich führen diese Überlegungen unter Einbezug einer explorativen Studie weiter und fragen, ob nicht Kontingenz, im Sinne eines Nachdenkens darüber, ob nicht alles auch ganz anders sein könnte, den Kern einer religiösen Domäne bilden könne.250 Ein mögliches Entwicklungsmodell der Domäne Religion erläutern sie analog zu demjenigen der Domäne Biologie.251 Beide Domänen haben laut diesen Überlegungen einen intuitiven Kern. Innerhalb der Domäne Biologie werden darauf eigene Erfahrungen als ›Wissenschaftler‹ aufgebaut, die später weitergeführt werden können zu ›geteiltem Wissen‹, z. B. über Bakterien etc. Innerhalb der Domäne Religion bildet die numinose Grunderfahrung von oben und unten den intuitiven Kern. Es folgen darauf aufbauend Kontingenzerfahrungen. Diese bieten wiederum die Basis für 247 Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 36. Dies ist im Blick auf die vorliegende Studie von großer Bedeutung, da Wissen über Jesus Christus zum Großteil durch Erzählungen von Jesus transportiert wird. 248 Das verwundert, stellt doch bereits Boyer fest : »Religious ideas constitue a fascinating domain, for anthropologists as well as practitioners, because they put forth extraordinary claims. They are learnable and communicable because their mental representation includes, and is constrained by, domain-specific assumptions that are part of a universal intuitive understanding of basic ontological categories.« Boyer, religious ideas, 409. 249 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 30. 250 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 29ff, zur explorativen Studie 31 – 36. 251 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 29. Hier ein sehr übersichtliches Schaubild. Vgl. zu den nachfolgenden, das Schaubild beschreibenden Gedanken. ebd. 29 ff.

Pädagogische Folgerungen

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Kindertheologie, die sich je nach Teilgebiet ausdifferenziert. Aufgrund ihrer Überlegungen kommen Büttner und Dieterich zu dem Schluss, dass es sich lohnt, »in Kindern nicht nur kleine Naturwissenschaftler zu sehen, sondern auch kleine Metaphysiker und vielleicht sogar Theologen.«252 Ein Gedanke, der durch die vorliegende Studie gestärkt wird.

2.8

Pädagogische Folgerungen

Die bislang zusammengetragenen und ausführlich dargelegten Erkenntnisse verschiedener Aspekte der Entwicklungspsychologie, Entwicklungsneuropsychologie sowie der Erkenntnistheorie in Bezug auf Wissensentwicklung und Wissensaneignung sind bezüglich der vorliegenden Studie von doppeltem Interesse. Zum einen ist ein didaktisches, genauer gesagt ein religionsdidaktisches Interesse leitend. Das spezifisch praxisrelevante Forschungsinteresse ist der zweite Bezugspunkt, in dessen Fokus die grundlegenden Ausführungen stehen. Insofern gilt es, pädagogische Folgerungen aus den grundlegenden Erkenntnissen zu ziehen, die Auswirkung auf die didaktisch-methodische Gestaltung des konkreten Religionsunterrichts haben, der Teil des Datenerhebungsverfahrens ist.253 Konkret gilt es zu fragen: Was bedeuten die genannten Überlegungen für einen Unterricht, der die Wissensgenese der Schülerinnen und Schüler bezüglich der Thematik Jesus Christus fördern und gleichzeitig erforschen will? Welche Aspekte sind relevant? Hinter welche Erkenntnisse kann ein solcher Unterricht, der zur Ausbildung intelligenten domänenspezifisch aktiv konstruierten Wissens beitragen will, nicht mehr zurück? Welche Auswirkungen haben die angesprochenen Aspekte auf Wissen und Wissensaneignung im Kontext von Unterricht? Welche didaktischen Folgerungen ergeben sich aus den Erkenntnissen der angesprochenen Wissenschaften? Welche forschungspraktischen Folgerungen ergeben sich daraus?

2.8.1 Didaktisch-methodische Konsequenzen für den Unterricht Erstens: Der Anspruch, Kinder bei der eigenaktiven Aneignung intelligenten Wissens zu unterstützen, statt ihnen reines Faktenwissen vermitteln zu wollen, muss im Unterricht konsequent umgesetzt werden. Es gilt durchgängig darauf zu

252 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 36. 253 Vgl. zum Datenerhebungsdesign ausführlich Kapitel 6.2.3 und zur dokumentierten Unterrichtseinheit Kapitel 11.4.

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achten, Wissensinhalte zu wählen, die für die Kinder bedeutsam sind. Deshalb ist es notwendig, ihr Vorwissen zu erheben. »Wenn Kinder in die Schule kommen, besitzen sie bereits ein breit gefächertes Vorwissen und eine Vielzahl von Ideen und Vorstellungen zu allen möglichen Themenbereichen. Diese Vorerfahrungen, Ideen und Vorstellungen tragen grundlegend zum späteren schulischen Lernen bei. Effektiver Unterricht muss daher sowohl die Lernvoraussetzungen als auch die Perspektiven der Schüler berücksichtigen.«254

Gerade indem neue Informationen in bestehende Wissensnetzwerke integriert werden können, werden sie als sinnhaft empfunden und können besser verstanden werden, weil sie mit alten Informationen verknüpft werden können. Neuer inhaltlicher Input, der selbstständig konstruierend mit bestehendem Wissen verbunden wird, bildet die Vorwissensbasis für die nachfolgenden Lernprozesse. Insbesondere der Anfangsunterricht hat also die entscheidende Aufgabe, Vorwissen der Kinder aus der Kindergartenzeit aufzugreifen und durch dessen Erweiterung die Basis für folgendes schulisches Lernen zu legen. In schulischem Kontext erworbenes Wissen muss deshalb stärker an den Fragen und Interessen der Kinder, weniger an den Erwartungen der Erwachsenen ansetzen, damit es bedeutungshaltig für ihr Leben wird. Bislang gilt noch allzu häufig: »Die Schüler wurden und werden zu wenig gefragt. Nicht ihre Interessen, sondern die der Erwachsenen wählen die Unterrichtsinhalte aus.«255 Darüber hinaus ist es in Zeiten, in denen Faktenwissen schnell veraltet, mehr denn je notwendig, Inhalte exemplarisch auf eine Weise auszuwählen, die einen Transfer auf andere Bereiche und somit einen flexiblen Umgang mit Wissen ermöglicht. Bildung ist ein lebenslanger Prozess, deshalb muss zusätzlich zum Anknüpfen an den vorausgegangenen Wissenserwerb sowie zur kreativen Wissensvernetzung in der Gegenwart schulisches Wissen immer auch als Basis für weiterführenden Wissensausbau gesehen werden. Es kommt darauf an, 254 Schmeinck, Lernvoraussetzungen, 129. Kosack und Schmeinck konstatieren an anderer Stelle, dass es nicht nur didaktisches Interesse sein kann, sondern auch das Interesse von Eltern und Erzieherinnen. Vgl. Dies., Lernvoraussetzungen, 8. Sie belegen diese These mit dem Erfolg des Buches Elschenbroich, Weltwissen der Siebenjährigen. 255 Holl-Giese, Didaktik-Diskussion, 56. Dies ist ein gedanklicher Vorgriff auf Kapitel 5, das sich speziell mit dem Bildungsplan für Baden-Württemberg befassen wird und ihn unter verschiedenen Fragestellungen, die sich aus den dargestellten Grundlagen und mit Blick auf die Studie ergeben, beleuchtet. Bislang sind dort kaum Anknüpfung an vorschulisches Wissen aufgenommen. Holl-Giese konstatiert in diesem Zusammenhang, dass auch Bücher wie das Buch »Weltwissen der Siebenjährigen« von Donata Elschenbroich im Prinzip eine subtile Suggestion darstellen. Auch hier werden einige ausgewählte Erwachsene befragt, was Kinder können sollen und projizieren ihre Erfahrungen und Wünsche auf die Kinder. Diese Personen legen demnach fest, was die Gesellschaft den Kindern schuldet. Dies bemängelt auch Lilian Fried und zwar in übergreifender Form. Sie sieht hier einen Mangel der die gesamte Pädagogik der frühen Kindheit bislang bestimmt hat. Vgl. Fried, wesentliche Konstituente, 23.

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»dass junge Kinder so unterstützt und herausgefordert werden, dass sie möglichst differenzierte bereichsumspannende Wissensstrukturen auszubilden vermögen, um über einen reich gefüllten kognitiven Werkzeugkasten zu verfügen, mit dem sie sich die Welt vielfältig erschließen können.«256

Zweitens: Ohne die Bildungsstandard- und Kompetenzdebatte257 vorweg nehmen zu wollen, muss als pädagogische Folgerung aus der Diskussion um den Wissenserwerb an dieser Stelle konstatiert werden, dass inhaltsloses Einüben von Kompetenzen im Unterricht wenig sinnvoll erscheint. Oder positiv formuliert: Kompetenzerwerb gelingt dann am besten, wenn er inhaltlich intelligent gefüllt wird. Kompetenzerwerb und Inhaltswissen schließen sich in diesem Sinne nicht aus, sondern können sich gegenseitig positiv befruchten. »Hat man […] Kompetenzen auf diese Weise [im Zuge des Erwerbs bereichsspezifischen Wissens] erst einmal erworben, dann lassen sie sich ebenfalls auf andere Inhaltsgebiete übertragen. Wenn man also über eine gut fundierte Wissensbasis verfügt, dann besitzt man damit auch eine geeignete Grundlage für die Erweiterung sowie für die Revision seines Wissens.«258

Insofern gilt, dass es nicht möglich ist, »Menschen unspezifisch darin zu trainieren, besser zu denken, sondern man kann sie lediglich beim Erwerb und der Anwendung von Wissen unterstützen.«259 Eine Analogie dazu wurde bereits bei der Gedächtnisforschung erläutert.260 Die Entwicklung von Gedächtnisstrategien zur Effizienzsteigerung von Gedächtnisleistung wird heute mehr denn je ergänzt durch die Bedeutsamkeit von strukturiertem, gut vernetztem Inhaltswissen. Didaktisch ergeben sich daraus zwei Forderungen. Erstens müssen Kompetenzen und Inhalte auf allen Ebenen, das heißt im Bildungsplan, im Schulcurriculum sowie im konkreten Unterricht adäquat ausgewählt und aufeinander bezogen werden. Dabei muss gerade auch der inhaltlichen Seite die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn es gilt: »Angesichts der Situiertheit der menschlichen Kognition und der damit verbundenen Bedeutung bereichsspezifischen Wissens für das Lernen müssen […] behandelte Inhaltsbereiche sehr sorgfältig ausgewählt werden.«261 Zweitens gilt es zu überlegen, welche Hilfestellungen man den Schülerinnen und Schülern gibt, um ihr vorhandenes ebenso wie ihr neu hinzu gewonnenes Wissen zu strukturieren. Das gilt mir Blick auf alle Kinder. Es beinhaltet insbesondere aber auch die Frage nach Förderung derjenigen Kinder, die aufgrund biologischer Einschränkungen 256 257 258 259 260 261

Fried, Expertise, 61. Vgl. Kapitel 3, zum Zusammenspiel zwischen Inhalt und Kompetenz insbesondere 3.1.3. Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 113. Ebd., 108. Vgl. Kapitel 2.4. Wissen und Gedächtnis. Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 108.

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nur wenig Wissen ausdifferenzieren können, ein geringeres Vorwissen für alle weiteren Entwicklungsschritte mitbringen, da sie über weniger ›Ankerplätze‹ im Gehirn verfügen, um neue Sachverhalte angemessen erfassen zu können.262 Drittens: Die Prämisse von Vorwissen als wesentliche Konstituente des Bildungsprozesses, die Theorie des domänenspezifischen Wissensaufbaus sowie der die Autopoiese fokussierende konstruktivistische Ansatz sind schlüssige Erklärungsmodelle für die Entwicklung heterogener Lernvoraussetzungen.263 Der angemessene Umgang mit dieser Heterogenität ist heutzutage eine der größten didaktischen Herausforderungen. Guter Unterricht muss sich deshalb daran messen lassen, ob er allen Schülerinnen und Schülern in ihrer Individualität gerecht wird. Die Beschäftigung mit den Lernvoraussetzungen entspricht der Heterogenität der Wissensbestände von Kindern, die keine allgemein anzunehmende Ausgangsbasis aller erwarten lässt.264 Im Unterricht kommt es darauf an, dass jeder gemäß seiner Begabungen und auf Grundlage seines Denkniveaus gefördert wird. Wenn das gelingt, verhindert guter Unterricht auf der einen Seite, dass die Schere der intellektuellen Entwicklung der Kinder einer Klasse sich immer weiter öffnet. Er führt auf der anderen Seite jedoch nicht dazu, dass sich die Unterschiede zwischen den Kindern egalisieren. Guter Unterricht ermöglicht allen auf ihrem individuellen untereinander differierenden Niveau gleichermaßen Fortschritte im Lernen zu erzielen. Das heißt: »Es gibt sehr unterschiedliche Bildungsziele, die für alle Schüler gelten. Nicht alle Schüler können diese Bildungsziele auf gleichem Niveau erreichen. Wir müssen akzeptieren, dass es Unterschiede gibt, die durch die Schule nicht ausgeglichen werden können. Grundlegend ist aber, dass alles und von allen – von jenen mit guter Begabung und von jenen mit schlechter Begabung – gelernt werden muss«265 – auf unterschiedlichem Niveau.

Viertens: Trotz unterschiedlicher Zugangsweisen, verschiedenen Forschungspraktiken, differenten Ergebnissen und gegenseitiger Kritik gibt es bezüglich der Wissensaneignung eine grundlegende Übereinstimmung zwischen Piagets Theorie, der domänenspezifischen Theorie-Theorie, Erkenntnissen der Neurobiologie und konstruktivistischen Vorstellungen. Es handelt sich um die Annahme, dass sich in der Wissensentwicklung Phasen, in denen das Wissen in relativ stabilen Strukturen verankert ist mit Phasen relativer Inkonsistenz abwechseln.266 Während der stabilen Phasen ist der Lerner mit seinen Wissens262 Vgl. Fried, Expertise, 21. 263 Vgl. grundlegend zu Wissensentwicklung in konstruktivistischer Perspektive Kapitel 2.6 und zu domänenspezifischer Wissensentwicklung 2.7.2. 264 Vgl. Kosack/Schmeinck, Lernvoraussetzungen, 12. 265 Weinert, Ansprüche, 246. Vgl. hier auch den vorausgehenden Gedankengang. 266 Vgl. zu diesem Aspekt die grundlegenden Diskussionen aus Kapitel 2.5/ 2.6 und 2.7.sowie Fried, Wissenslandkarten Vorschulalter, 11 f sowie Fried, Expertise, 66f – 69.

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strukturen im Einklang. Er sieht keine Notwendigkeit, sie zu ändern, da sie ihm stimmig zu seinen Erfahrungen und Vorstellungen scheinen. Deshalb ist er in diesen Zeiten für Instruktionen wenig oder gar nicht empfänglich. In Phasen, in denen sein Wissen inkonsistenter strukturiert ist, weil er vermehrt auf Informationen stößt, die mit seinen Wissensstrukturen nicht vereinbar sind, ist er offener für qualitativ neue Instruktionen und bereit, seine Vorstellungen umzustrukturieren. Bei Piaget sind das Phasen, in denen Akkommodationsprozesse nötig werden, um einen Äquilibrationszustand zu erreichen, weil Assimilationsprozesse dem Individuum nicht adäquat erscheinen und deshalb nicht mehr möglich sind. In der Hirnforschung meint dies die sensiblen Lernphasen, oft Zeitfenster genannt, in denen das kindliche Gehirn erhöhte Plastizität aufweist und deshalb für Informationen von außen besonders zugänglich ist, wobei der junge Organismus die Initiative bei seiner aktiven Interaktion mit der Umwelt behält und nur ausgewählten Signalen ›gestattet‹, Einfluss auf seine Entwicklung zu nehmen.267 Didaktisch gesehen ist die entscheidende Frage, wie dieses instabile Transitionalstadium bei Kindern im Unterricht erkannt werden kann. Auf der Basis einzelner Studien kann man Folgendes sagen.268 Kinder senden bestimmte Schlüsselsignale aus, die ihre Lernbereitschaft anzeigen. Sie können Wissen schon bei einzelnen, nicht aber bei allen Problemen gleichen Typs anwenden, bearbeiten Probleme mal so und mal anders. Kinder drücken sich verbal und nonverbal ambivalent aus. Sie erscheinen besonders wissbegierig und nutzen Wissensangebote sehr effizient. Sie äußern sich eher vage, nicht explizit. Wenn man instabile Wissensstrukturen diagnostiziert hat, gilt es, den Kindern gerade solche Wissensangebote zu machen, die ihnen eine Neustrukturierung ihres Wissens ermöglichen. Im naturwissenschaftlichen Bereich spricht man von conceptual change. Dieses didaktische Konzept geht davon aus, »dass jedes Individuum von Beginn seiner Entwicklung als aktiver Konstrukteur seines Wissens agiert. So erlangen Kinder anhand von Alltagserfahrungen ein reichhaltiges Wissen über ihre Umwelt; dieses ›naive‹ Wissen ist allerdings häufig nicht mit dem in der Schule vermittelten Wissen kompatibel. So wird eine Veränderung, eine Reorganisation des Wissens notwendig. Das Ziel liegt also darin, vorhandene ›naive‹ Konzepte mit wissenschaftlich-schulischen Begriffssystemen zu verbinden. So vollzieht sich in erster Linie eine Wissensveränderung.«269

267 Vgl. Singer, Beitrag Hirnforschung, 70. 268 Vgl. im Folgenden Fried, Expertise, 67ff unter Einbezug diverser Studien. 269 Schlundt, empirische Erhebungen, 55. Hier unter Bezug auf Case, R./Schnotz, W.: ›Conceptual Change‹ In: Rost, D.H. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim, 1998, 55 – 59.

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Die Idee des conceptual change hat auch die Hinwendung von der Defizit- zur Kompetenzorientierung nach sich gezogen. Deshalb kann man nach jetzigem Forschungsstand sagen, dass sich altersbedingte Leistungsunterschiede »nicht im ›besser denken‹, sondern im ›anders wissen‹ zeigen.«270 Klar ist im Anschluss an die obigen Überlegungen, dass die Fähigkeit Transitionalstadien in der kindlichen Wissensentwicklung zu erkennen und didaktisch angemessen darauf zu reagieren eine zentrale Aufgabe des Unterrichts ist, die sich für den Wissensaufbau als wesentlich darstellt. Angesichts dieser Fokussierung auf qualitative Neustrukturierungen im Wissenserwerb stellt sich allerdings die Frage nach quantitativen Wissenszuwächsen. Nachdem noch nicht geklärt ist, ob Kernwissensthese, also quantitativer Zuwachs und Vernetzung von Wissen oder qualitative Veränderung des Weltbildes ausschlaggebend für die Wissensentwicklung sind, müssen an dieser Stelle sicher beide Aspekte im Unterricht gewürdigt werden, weil wahrscheinlich beide Prozesse beteiligt sind. Gerade in langen stabilen Phasen scheint es logisch, dass Lerner offen sind für quantitativen Wissenszuwachs, also für den Ausbau ihrer domänenspezifischen Wissensstrukturen auf einer bestimmten Ebene. Unterricht muss auch für diese Phasen Angebote machen, die dem Individuum lernenswert erscheinen. Ein Beispiel im Blick auf die Thematik der vorliegenden Studie: Wenn ein Kind eine bestimmte Vorstellung von Jesus hat, z. B. dass er aufgrund seiner besonderen Beziehung zu Gott Kranke heilen kann, ist es offen für neue Erzählungen, die ihm diese Sicht bestätigen. Wenn es nun eine neue Erzählung hört und mit den ihm schon bekannten vernetzt, hat es gelernt. Es hat dann einen Wissenszuwachs, sein Wissensnetz ist vergrößert. Es hat dieses Wissen nicht qualitativ um- oder neu strukturiert, aber dennoch verändert, nämlich quantitativ. Auch das ist eine Lernleistung, die nicht unterschätzt werden darf. Auch das ist Wissensgenese. Fünftens: Didaktische Konsequenz aus der Anlage-Umwelt Diskussion ist »der Zusammenhang von Instruktion und Konstruktion. Damit werden Forschungen zu verschiedenen Lernumwelten wichtig.«271 Notwendige Bedingung für Lern- und Bildungsprozesse, die vom Kind als aktiv lernendem Mittelpunkt ausgehen sind sowohl eine sorgfältig vorbereitete, an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder orientierte Lernumgebung, die Fragen und aktives, explorierendes Tun anregt als auch Pädagogen, die systematisch und methodisch fähig sind, sich ein differenziertes Wissen über die Kinder, ihre Persönlichkeit, Bildungsbedürfnisse und Potenziale aufzubauen.272 Die Gestaltung anregender Lernumwelten passt auch zur Bedeutung der Entwicklung von intelligentem 270 Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 107. 271 Holl-Giese, Didaktik-Diskussion, 24. 272 Vgl. Nentwig-Gesemann/Nicolai, forschendes Lernen, 117.

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Wissen, welches sich dadurch auszeichnet, dass es in unterschiedlichen Kontexten angewandt werden kann. »Benötigt werden dazu Lerngelegenheiten, in denen nicht einfach nur das auf die Bewältigung einer Anforderung zugeschnittene Wissen abgerufen werden muss, sondern in denen bereits verfügbares Wissen umstrukturiert und an die neue Anforderung angepasst werden muss.«273

Das gelingt dann am besten, wenn die Kinder sich heraus-, nicht überfordert, aber auch nicht unterfordert fühlen. Lernimpulse dürfen demnach nicht zu einfach sein, sondern sollen vielfältig und anspruchsvoll sein.274 Das Lernmaterial repräsentiert dabei in differenzierter Weise das Lernthema, wobei es nur den Rahmen möglicher Lernprozesse vorgeben und zum Konstruieren einladen kann, nicht jeden individuellen Weg vorhersagt.275 Es soll auf eine Weise gestaltet sein, dass starke kognitive Impulse von ihm ausgehen, die einen Denkprozess auslösen.276 Der Begriff Lernumwelt suggeriert nahe liegender Weise eine materiell ausgestaltete Umgebung. Das ist zumeist auch damit gemeint. Die Sprachumwelt verdient jedoch ein ebenso großes Interesse, welches in der Literatur zwar begründet wird, aber didaktisch weniger pointiert umgesetzt zu finden ist. Auch eine anregende, die Heterogenität der Kinder aufgreifende kommunikative Umwelt ist eine didaktische Konsequenz aus der Anlage-Umwelt-Diskussion, d. h. aus dem Zusammenspiel von Instruktion und Konstruktion. Dies gilt in mehrfacher Weise. Zum einen ist der Erwerb neuen Wissens nicht ausschließlich von Vorwissen, sondern auch von allgemeinen kognitiven sowie insbesondere von sprachlichen Fähigkeiten beeinflusst, weshalb dem Sprachinput zum Erwerb neuen Wissens große Bedeutung zukommt.277 Das gilt gerade in den eher durch Kultur, denn durch angeborenes Kernwissen vermittelten schwachen Domänen, zu denen auch die religiöse zählt. Hier ist der sprachliche Input für den Aufbau von Vorwissen nicht zu unterschätzen.278 Insbesondere gilt es auch für die Einübung in domänenspezifischen, z. T. symbolträchtigen Sprachgebrauch. »Symbolsysteme dienen nicht nur der Kommunikation von Wissen, 273 274 275 276 277 278

Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 117. Vgl. Fried, Wissenslandkarten Vorschulalter, 11 auf Grundlage der Expertiseforschung. Vgl. Büttner/Pütz, Fragen, 547. Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 65. Vgl. Fried, Expertise, 61. Vgl. hier auch den nächsten Gedanken. Vgl. dazu Benz, Genese. Hier wurde der Wissensaufbau eines sehr jungen Kindes (2.11 – 3.11) bezüglich Weihnachten und Ostern und den dazu gehörigen Vorstellungen von Jesus von Anfang an verfolgt und dokumentiert. Aufgrund des jungen Alters konnte ziemlich genau rekonstruiert werden, welcher sprachliche Input (Bilderbücher, Lieder, Rollenspiele in Kleinkindergottesdiensten) für die Konstruktion der ersten Wissensstrukturen zur Verfügung standen.

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sondern sie bilden darüber hinaus die Grundlage für die Konstruktion von neuen Inhalten.«279 Ebenso bedeutsam ist die bereits angesprochene Fähigkeit, jemandem zuzuhören, weil er mehr weiß, sowie die Fähigkeit, Gedanken mit anderen auszutauschen und zu diskutieren, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen, Kompromisse auszuhandeln, andere zu überzeugen oder sich überzeugen zu lassen. Schon bei der Thematisierung von Ko-Konstruktion280 wurde deswegen der Vorschlag von Elsbeth Stern bezüglich eines Förderfeldes Gesprächsführung aufgegriffen. Diese Idee soll nun didaktisch weitergeführt werden, indem die Notwendigkeit eines inhaltlich bezogenen Förderfeldes Gesprächsführung konstatiert wird. In einem solchen fallen Kompetenz- und Wissenserwerb zusammen und können sich gegenseitig befruchten. Im dritten Kapitel, der religionspädagogischen Zuspitzung der beiden Grundlagenkapitel wird diesbezüglich sehr ausführlich auf das Führen theologischer Gespräche eingegangen. Theologische Gespräche sind ein wesentlicher Bestandteil des im Rahmen der vorliegenden Studie durchgeführten Religionsunterrichts. Sechstens: Das Stichwort Ko-Konstruktion bedarf einer weiteren Vertiefung. Im Unterricht sollen die Schülerinnen und Schüler vielfältige Möglichkeiten zur Ko-Konstruktion erhalten. »Kommunikative Aushandlungsprozesse müssen bewusst in die Gestaltung des Unterrichts einbezogen werden«281, weil Wissen in Gemeinschaften ausgehandelt wird. Dies gilt sowohl für Gruppengespräche als auch für die Ermöglichung von Zweiergesprächen im Rahmen von Partnerarbeit bei der Arbeit in anregenden Lernumgebungen. Hier ist der herrschaftsfreie Diskurs unter Gleichen als idealer Fall der Ko-Konstruktion angesprochen. Ebenfalls wichtig ist aber auch die Ko-Konstruktion mit Hilfe von Lehrern als Experten. Diese können durch spezifische Fragetechniken und Unterstützungsstrategien positiv zum Wissenserwerb beitragen.282 Siebtens: Will man die konstruktivistische Perspektive für die Wissensentwicklung angemessen ernst nehmen führt dies zwangsläufig zur Neudefinition von Aufgabenschwerpunkten für Lehrerinnen und Lehrer. Natürlich müssen sie Experten für vielfältige Wissensbereiche sein und bestimmte didaktisch-methodische Standards erfüllen. Ebenso sollen sie kompetente Lernhelfer sein, sowohl in der Gesprächsführung als auch bei der Gestaltung pädagogischer Arrangements, die an das Vorwissen der Kinder anknüpfen, anregend sind, herausfordern ohne zu überfordern, Wissenstransfer ermöglichen und Wissensverknüpfung fördern.283 Kompetenzerwerb bzw. Kompetenzsteigerung be-

279 280 281 282 283

Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 116. Vgl. Kapitel 2.6.2. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 57. Vgl. Fried, Expertise, 63. Vgl. ebd., 64 f zu den Aspekten Experten und Lernhelfer.

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nötigen Lehrerinnen und Lehrer aber insbesondere im Bereich der Diagnostik. Bei diagnostischen Kompetenzen handelt es sich »um ein Bündel von Fähigkeiten, um den Kenntnisstand, die Lernfortschritte und die Leistungsprobleme der einzelnen Schüler sowie die Schwierigkeiten verschiedener Lernaufgaben im Unterricht fortlaufend beurteilen zu können, sodass das didaktische Handeln auf diagnostischen Einsichten aufgebaut werden kann,«284

wobei es insbesondere wichtig ist, dass dies im Lehr- und Lernprozess kontinuierlich und fortwährend geschieht. Es ist natürlich besonders nachhaltig, gerade bei Studierenden die Grundhaltung des forschenden Lernens zu etablieren – ihr »›Bild‹ vom Können des Grundschulkindes […] bedarf empirischer Erfahrungen und Korrekturen«285 – und von Anfang an forschungskompatible Kompetenzen zu entwickeln. Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, erfahrene Lehrerinnen und Lehrer für diesen Perspektivwechsel zu gewinnen, fortzubilden und ihnen Praxisforschung auch durch Deputatskürzungen zu ermöglichen.286 Achtens: Ergebnisse der Hirnforschung zeigen die Bedeutsamkeit von Vertrauen für angstfreies kreatives Lernen.287 ErzieherInnen und LehrerInnen müssen deshalb über alle didaktisch-methodischen Fähigkeiten hinaus in der Lage sein, stabile positive Beziehungen zu den ihnen im Bildungs- und Erziehungsprozess anvertrauten Kindern zu entwickeln, da emotionale Sicherheit die Entwicklung vernetzten und deshalb flexiblen Wissens erst ermöglicht und später begünstigt. Gerade in dem als krisenhaft empfundenen Übergang zwischen Kindergarten und Schule sind erwachsene Bezugspersonen wichtig, denen es gelingt, vertrauensvolle Beziehungen zu den Kindern herzustellen, so dass Schule als Ort wahrgenommen wird, an dem man sich wohl fühlen kann. Auch für die Gestaltung eines positiven, den Einzelnen wahrnehmenden und in seiner Einzigartigkeit annehmenden Klassenklimas tragen die erwachsenen Bezugspersonen die Verantwortung. Ihr Verhalten wirkt sich beispielhaft auf die Beziehungen der Kinder untereinander aus. Dies ist eine über die Gestaltung anregender Lernumgebungen hinausgehende Aufgabe. Eine gestaltete Umwelt ist gut, eine anregende Lernumgebung, in der man sich wohl fühlen kann, weil 284 Weinert, Ansprüche, 245. 285 Holl-Giese, Didaktik-Diskussion, 26. Vgl. hierzu insbesondere auch Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche. In ihrer Habilitationsschrift zeigt Freudenberger-Lötz gangbare Wege auf, Studierende gerade im Blick auf das Theologisieren zu professionalisieren. 286 Vgl. dazu auch eine Fallstudie von Warfield, aufgenommen bei Fried, Expertise, 66. Warfield beobachtete eine Vorschullehrerin, die ihre pädagogischen Angebote konsequent an das mathematische Wissen der Kinder anpasste. Gerade der Selbstanspruch, den genauen Wissensstand der Kinder angemessen wahrzunehmen, führte dazu, dass sie ihre Instruktionsstrategien veränderte. Die Angebote wurden so durch eine erfolgreiche Mischung aus Forschung, Erkundung und Instruktion geprägt. Vgl. weiterführend Kapitel 1.8.2. Konsequenzen für die pädagogische Forschung. 287 Vgl. Kapitel 2.5.2.1. Positive Beziehungserfahrung als Katalysator neuronaler Entwicklung.

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man sich als Person wert geschätzt fühlt, ist noch besser. Fehler werden in einer solchen Umwelt als Chancen wahrgenommen, Kompetenzen gestärkt. Die Bedeutsamkeit einer positiven Grundstimmung gilt auch für alle Gespräche, die in Offenheit und mit Achtung voreinander stattfinden sollen. Gerade kommunikative Kompetenzen der Bezugspersonen, verbale sowie nonverbale, sind hier zu nennen.288 »Soziale Resonanz nennen die Hirnforscher dieses Phänomen der wechselseitigen Verstärkung von Gefühlen, das dazu führt, dass der Funke der Begeisterung überspringt.«289 Dies gelingt am besten, wenn Kinder positive Beziehungen zu ihren Bezugspersonen haben.

2.8.2 Konsequenzen für die pädagogische Forschung (forschendes Studieren und Forschen im Unterricht) Konsequenzen für die pädagogische Forschung sind in zweierlei Weise zu ziehen. Zum einen muss – und das geschieht zur Zeit bereits – schon im Studium damit begonnen werden, das Professionalisierungsziel einer Einsozialisierung in einen forschungsorientierten Habitus anzustreben.290 Sinnvoll ist es, wenn schon während des Studiums professionelle Schlüsselkompetenzen aufgebaut werden wie z. B. die Kompetenz des situationsübergreifenden sowie des fallübergreifenden Verstehens und Erklärens291 ebenso wie die oben angesprochene diagnostische Kompetenz. Zum anderen – das geht über die Professionalisierung Studierender im Blick auf einen forschungsorientierten Habitus hinaus, wird davon jedoch begünstigt – ist insgesamt mehr Praxisforschung nötig. »Der Begriff der Praxisforschung kann sowohl als ›forschende Tätigkeit von PraktikerInnen‹ verstanden werden, wie Prengel (2003) dies konzipiert hat, als auch als ›Forschung zu Praxisfragen durch WissenschaftlerInnen‹.«292 Gerade für die PraktikerInnen werden die oben genannten Kompetenzen immer mehr zum unverzichtbaren Bestandteil ihrer Professionalität. Es wird insgesamt wichtiger, dass es PraktikerInnen gibt, die die im wissenschaftlichen Kontext analytischdiskriminierend behandelten Wissensbereiche in der wirklichkeitsgebundenen Komplexität erkennen und sich angemessen dazu verhalten können.293 Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung von Lehrenden zu Forschenden im ei288 Vgl. Singer, Beitrag Hirnforschung, 74 f. 289 Hüther, Bildungsprozesse, 36. 290 Vgl. z. B. die Kasseler Forschungswerksatt zum Theologisieren mit Kindern, entwickelt von Freudenberger-Lötz. 291 Vgl. Nentwig-Gesemann/ Nicolai, forschendes Lernen, 123. 292 Vgl. dazu ebd., forschendes Lernen, 123. 293 Vgl. Graf, Schuleingangsdiagnostik, 138.

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genen Unterricht, die Bereitschaft, die eigene Unterrichtspraxis zu befragen, wird auch durch die Hattie-Studie belegt.294 »Er [Hattie] möchte, dass Lehrende zu Forschenden in ihrem eigenen Unterricht werden; dass sie nicht aufhören, ihre Praxis zu beobachten und zu bedenken, besonders aus der Perspektive ihrer Schülerinnen und Schüler ; er wünscht sich Lehrerinnen und Lehrer, die Freude daran haben, zu experimentieren und die Wirkung des eigenen Handelns zu analysieren […].«295

Das Forschungsinteresse sowie das Forschungsdesign der vorliegenden Studie fügen sich nahtlos in diese Forderung ein. Die Forderung nach mehr Praxisforschung macht Überlegungen zu adäquaten Methoden notwendig. Es muss sich um solche handeln, die die Kinder als Akteure und Subjekte ihrer Entwicklung sowie der Forschungssituation ernst nehmen und ihnen ermöglichen ihre Perspektiven und Orientierungen sowohl verbal-kommunikativ als auch performativ zu entfalten.296 »Die qualitativen bzw. rekonstruktiven Verfahren der empirischen Sozial- und Kindheitsforschung bieten hier ein reichhaltiges Methodeninstrumentarium. Der offene, erkenntnisgenerierende und zunächst dicht am Fall arbeitende Charakter dieser Methoden prädestiniert sie geradezu für pädagogische Praxisforschung.«297

Auch ist es in diesem Bereich möglich, die Methoden je nach konkreter Fragestellung und Prozessdynamik weiterzuentwickeln. Im Spannungsfeld zwischen Praxis und Wissenschaft wird es für die in der Praxisforschung Tätigen notwendig, »auf bewährte Forschungsmethoden zurückzugreifen und zugleich praxis- bzw. alltagsnahe Methoden zu entwickeln, die in Bezug auf Datenerhebung und -auswertung auch Abkürzungsstrategien zulassen.«298 Man benötigt Instrumente, die geeignet sind, Wissensstände und Wissensprozesse von Kindern differenziert zu erfassen, sowohl systematisch und sachlich präzise als auch praxisgerecht-ökonomisch.299 Gerade für Forschungsarbeiten, die wie die vorliegende Studie eine Brücke zwischen Praxis und Wissenschaft bauen gilt, was Nentwig-Gesemann zu Recht konstatiert: »Wissen, Erfahrungen und Fragen aus der Theorie und der Praxis müssen sich gegenseitig herausfordern und korrigieren, können sich aber auch nachhaltig inspirieren. Die Menschen können aus den Reihen ihrer Zunft (dem ›Lager‹ der Theorie und dem der Praxis) heraustreten, um miteinander in einen – auch kontroversen – Diskurs 294 295 296 297 298

Vgl. Englert, Hattie-Studie, 450. Englert, Hattie-Studie, 450. Vgl. Nentwig-Gesemann / Nicolai, forschendes Lernen, 124. Ebd. Ebd. Das in Kapitel 6.2 ausführlich dargestellte Forschungsdesign bezieht diesen Aspekt mit ein. 299 Fried, Wissenslandkarten Vorschulalter, 13.

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einzutreten. Hier wird gemeinsam Energie und Wissen erzeugt, damit die Diversität und Komplexität der Alltagspraxis Eingang in die Forschung und Lehre finden sowie neue pädagogische Ansätze aus den Köpfen und Büchern in die Praxis gebracht werden und dieses befruchten können. Gemeinsames Ziel ist dabei immer : Kindern bessere (Selbst-)Bildungschancen zu ermöglichen.«300

2.8.3 Überlegungen zu einer Elementardidaktik Obwohl unbestritten Differenzen zwischen dem Elementar- und dem Primarbereich bestehen, werden Überlegungen zur didaktisch-methodischen Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule seit einiger Zeit intensiviert. Durch die Integration von Studiengängen zur frühkindlichen Bildung in Hochschulen und Universitäten wird gegenwärtig ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan. Die Trias ›Bildung – Erziehung – Betreuung‹ erhält in allen Bereichen mehr Gewicht. Im Elementarbereich wird der Aspekt Bildung vertieft aufgegriffen, wohingegen das Ganztagsschulkonzept den Bereich der Betreuung in der Schule ausweitet.301 Es werden Stimmen laut, die fordern, eine Elementardidaktik zu entwickeln, die einen größeren biographischen Abschnitt umfassen sollte, wobei die Entwicklungsspanne der Vier- bis Achtjährigen sicher eine logische Einheit bilden könnte.302 Dem entsprechen Befunde, wie sie in der Wissenslandkarte von Fried in Kapitel 1.7.2.3 aufgeführt wurden, die die Altersspanne von 4 – 6 als Basisstufe des Wissenserwerbs auffasst. Unabhängig von der genauen Altersgruppe gilt es jedoch, diesen Bereich einer umfassenderen Elementarpädagogik handlungsforschungsbasiert303 zu entwickeln. Das ist anschlussfähig an die oben ausgeführten Überlegungen bezüglich des forschenden Lernens und zur Praxisforschung. Gerade auch im Blick auf die Methoden der Lerndokumentation sowie der Lernstandsdiagnostik, die sowohl im Kindergarten als auch in der Schule zunehmend verpflichtend wird und geworden ist, wäre ein einheitliches Vorgehen gerade im Blick auf den Übergang und die Anschlussfähigkeit der Lernund Bildungsgeschichten sinnvoll. Insbesondere auch die Ergebnisse der Gehirnforschung »müssen wesentlich schneller in Schul- und Hochschulalltag einfließen«304 Sie bestätigen, was für die 300 Ebd., 127. 301 Vgl. Graf, Schuleingangsdiagnostik, 135. 302 Vgl. Daiber/Weiland, Fachdidaktik, 5 unter Bezug auf Guldimann/ Hauser (2005) Sie weist auch auf die Erfahrungen mit der neuen Basisstufe für 4 – 8-jährige in der Schweiz hin. Vgl. Carle/ Daiber (2008). 303 Vgl. ebd., 5. 304 Eyerer, Pädagogische Reflexionen, 27.

Fazit der pädagogischen Folgerungen im Blick auf die vorliegende Studie

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vorliegende Studie besonders bedeutsam ist: »Dem Kindergarten [sowie dem Anfangsunterricht] sollte endlich die Bedeutung zukommen, die ihm vor allem unter dem Aspekt der kindlichen Gehirnentwicklung während dieser Zeitspanne auch zusteht.«305 Klar bleibt dabei, dass die Hirnforschung der Pädagogik untergeordnet bleibt. Sie soll Hilfestellung leisten, kann die Pädagogik jedoch nicht ersetzen.306

2.9

Fazit der pädagogischen Folgerungen im Blick auf die vorliegende Studie307

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine Langzeitstudie. In einer zweijährigen Erhebungsphase im vorschulischen und schulischen Kontext wird die Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz in einer Kohorte von 18 Kindern untersucht. Ein großer Teil der Datenerhebung findet bewusst im schulischen Kontext statt. Dafür wird zeitweise eine Doppelrolle aus Lehr- und Forschungsperson eingenommen. Dadurch soll die doppelte Zielrichtung eingeschlossen werden, sowohl die Entwicklung religiösen Wissens der Kinder als im System Stehende genau zu beobachten als auch die Umstrukturierung und Erweiterung von Wissenskomplexen gezielt anregen zu können. Hier wird der Kontext der oben geforderten Praxisforschung konkret. Der wesentlichen Bedeutung von Vorwissen für den Lernprozess wird Rechnung getragen, indem das religiöse Wissen der Kinder noch vor ihrem Schuleintritt dezidiert erhoben wird. Damit werden die individuellen Lernvoraussetzungen der Schulanfänger, an die guter Unterricht anknüpfen muss, so er effektiv sein will, ganz gezielt ermittelt. Dies geschieht auf der Basis von halbstandardisierten Interviews. Eine derart dezidierte Erhebung durchzuführen, wäre für Lehrende im Schulalltag aus zeitlichen Kapazitätsgründen nicht leistbar. Die Anschlussfähigkeit der im Rahmen der vorliegenden Studie erhobenen Daten -die darin erkennbare Bandbreite an Vorwissen und theologischen Vorstellungen über Jesus Christus – ist jedoch hoch. Durch die Ermittlung des individuellen Vorwissens der Kinder wird auch der Heterogenität der Lernvoraussetzungen Rechnung getragen. Es besteht die Möglichkeit, jedes Kind gemäß seines Lernstandes beim Wissenserwerb zu fördern. Der Anspruch, Kinder bei der Aneignung intelligenten Wissens zu unterstützen, wird in der vorliegenden Studie zum einen durch den Einbezug des 305 Friedrich, Hirnforschung, 11. 306 Roth, Lernpsychologie, 2006 307 Vgl. ausführlich zum Ansatz der vorliegenden Studie, zu ihrer Einordnung in den Forschungskontext und zum darin vorgesehenen methodischen Vorgehen Kapitel 6.

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heterogenen Vorwissens sowie der Fragen der Kinder erfüllt, weil unter dieser Voraussetzung im Unterricht adäquate Informationen angeboten werden können, die die Kinder interessieren und die sie in ihre bestehenden Wissensnetze integrieren können. Zum anderen werden Wissensangebote exemplarisch so ausgewählt, dass Transfers zu anderen Bereichen sowie ein kreativer Umgang mit Wissen möglich sind. Diesbezüglich wird der Bildungsplan für evangelische Religion Baden-Württemberg kritisch geprüft und eventuell einzelne zusätzliche Inhaltsbereiche thematisiert, die so im Bildungsplan nicht vorgesehen sind.308 Auch die Passung von angestrebten Kompetenzen und Inhaltsbereichen im Bildungsplan wird im Vorfeld des im Rahmen der Studie stattfindenden Unterrichts gründlich analysiert. Änderungen werden, wenn es notwendig erscheint, vorgenommen. Kompetenzerwerb und Erwerb intelligenten bereichsspezifischen Inhaltswissens werden im Unterricht als zwei Prozesse gesehen, die fruchtbar ineinandergreifen. Durch den Kontext schulischen Religionsunterrichts im Rahmen der Datenerhebung besteht die Möglichkeit Entwicklungen über zwei Jahre durchgängig zu beobachten. Im Gegensatz zu Querschnittsstudien bietet die vorliegende Studie deshalb mehr als nur Momentaufnahmen. Sie bietet die Chance, Lernprozesse zu verfolgen. Das bedeutet, dass sowohl stabile als auch inkonsistente Phasen der Wissensstruktur offenbar werden. Der Wissenserwerbsprozess wird bei den verschiedenen Schülerinnen und Schülern individuell ablaufen. Deshalb müssen im Unterricht jeweils Angebote für quantitative Wissenserweiterung während stabilen Phasen und Impulse für qualitative Veränderung von Wissensstrukturen während Transitionalstadien gemacht werden. Unter Einbezug der oben genannten Schlüsselsignale wird in der Rolle der Lehrenden versucht, diese sensiblen Phasen (z. B. erkennbar in theologischen Gesprächen, wenn neue Vorstellungen ›ausprobiert‹ werden) zu erkennen und didaktisch angemessen darauf zu reagieren. Im Blick auf die vorliegende Studie werden überdies folgende Konsequenzen aus der Anlage-Umwelt-Diskussion gezogen. Das Zusammenspiel von Instruktion und Konstruktion entfaltet sich in konkret durchgeführten Unterrichtssequenzen zum einen im sprachlichen Bereich – bei theologischen Gesprächen – zum anderen beim aktiven Tun der Kinder in anregenden Lernumwelten. Gerade im Fach Religion ist der Umgang mit sprachlichen und symbolischen Repräsentationsformen besonders wichtig.309 Durch Sprachinput 308 Dieser Freiraum wird dadurch ermöglicht, dass der Bildungsplan nur zwei Drittel der Inhalte als Kerncurriculum vorgibt. 309 Ein Beispiel, das Angela Kunze-Beiküfner, Kindertheologie Elementarbereich, 35 – 53 aufgreift. Wenn sie mit Kindern im Unterricht anhand des »Gotteskoffers« arbeitet, führen sie viele Gespräche über Gott. Gleichzeitig bietet sie den Kindern Symbole an, die ihnen schon in jungem Alter ein symbolisches Reden von Gott ermöglichen.

Fazit der pädagogischen Folgerungen im Blick auf die vorliegende Studie

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und Sprachgebrauch können Kinder domänenspezifische Sprache erwerben. Versucht wird konkret an das je schon entwickelte heterogene Sprachniveau der Kinder anzuknüpfen (Beispiel: Die Aussage eines Kindes wird durch den Lehrer umformuliert, damit andere Kinder folgen können oder : Ein von einem Kind verwendeter Begriff aus der Alltagssprache wird aufgegriffen und ein Begriff aus der religiös geprägten Sprache danebengestellt ›aufgewacht‹ – ›auferstanden‹). Theologische Gespräche, denen im Unterricht der vorliegenden Studie viel Raum gegeben wird, ermöglichen allen Schülerinnen und Schülern sich mit ihrem Denken aktiv konstruierend und je auf individuellem Niveau einzubringen. Im Sinne eines gleichberechtigten Diskurses werden Argumente anderer Kinder gehört und können mit eigenen Vorstellungen abgeglichen und entweder ins eigene Denken integriert werden oder nicht. Auch Wissensangebote und Veränderungsimpulse der Lehrperson als Expertin können auf eigene Weise in eigene Wissensstrukturen integriert werden oder auch nicht, je nachdem wie konsistent das Wissen zu einem Zeitpunkt strukturiert ist. Über den sprachlichen Bereich hinaus werden im Unterricht anregende, herausfordernde Lernumgebungen in Form von vielfältigen Stationen gestaltet, die den Kindern in ihrer Heterogenität gerecht werden, sie ganzheitlich ansprechen, ihr Denken anregen und die an die theologischen Gespräche anknüpfen.310 Wie bedeutungsvoll eine positive Atmosphäre und eine vertrauensvolle Lehrer-Schüler-Beziehung für das Lernen besonders im Religionsunterricht, aber auch im Unterricht generell sind, weiß die Verfasserin aus langjähriger Berufspraxis. Gerade die eigene intensive berufliche Erfahrung mit Schulanfängern, sowohl als Religions- wie auch als Klassenlehrerin spielt für die Gestaltung des Forschungsdesigns eine wichtige Rolle. Die bewusste Entscheidung für eine Doppelrolle Lehrende – Forscherin entspringt auch dem Wissen um die Sensibilität gerade der schulischen Anfangszeit. Gerade wenn den Kindern über den längsten Zeitraum der Studie nicht als von außen kommende beobachtende Wissenschaftlerin begegnet wird, sondern als bekannte Religionslehrerin, wird es ermöglicht, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Hier eröffnet sich für die Erforschung des Gegenstandes der vorliegenden Studie eine einmalige Chance. Vermutlich hört und sieht eine Lehrerin im Unterricht Dinge, die eine ›fremde‹ Forscherin niemals wahrnehmen könnte, aus dem einfachen Grund, dass sich die Kinder ihr in Interviewsituationen nicht anvertrauen würden. In der Funktion als Lehrerin der Schülerinnen und Schüler ist man viel näher an der Entwicklung des religiösen Wissens sowie des theologischen Denkens. Man hat die Chance, sie durch Impulse und Anregungen anzustoßen. 310 Religion wird an der Schule, in der die Untersuchung durchgeführt wird, doppelstündig unterrichtet. Intensive theologische Gespräche können insofern mit anschließender ausführlicher Arbeit in der Lernumwelt verbunden werden.

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Wissen und Wissensaneignung

Insofern wird die vorliegende Studie der Forderung nach mehr Praxisforschung gerecht. Als Religionslehrerin und Wissenschaftlerin zugleich wird der Anspruch der Praxisforschung in einer Person vereint. Die eigene Berufsbiographie bedingt die größere Erfahrung im Bereich der Praxis, deshalb muss der eigene diagnostische Blick vor Beginn der Studie geschärft werden, eine Einarbeitung in verschiedene Forschungsmethoden und -praktiken erfolgen. Zwangsläufig wird auf qualitative und rekonstruktive Verfahren zurückgegriffen, die offen und erkenntnisgenerierend sind und im Prozess dynamisch angepasst werden können. Diese müssen aufgrund des Praxisbezugs durch alltagsnahe sowie praxistaugliche Methoden ergänzt werden, die eine Datenerhebung auch und gerade in der unterrichtlichen Situation ermöglichen. Selbstverständlich muss die Datenerhebung bezüglich der Wissensentwicklung der Kinder in der religiösen Domäne eingeschränkt werden – konkret auf das Wissen und die Vorstellungen über Jesus Christus. Um der Wissensaneignung auf die Spur zu kommen, wird diesbezüglich so viel Material wie möglich gesammelt, sowohl aus Interviews und theologischen Gesprächen im Unterricht als auch aus Arbeitsergebnissen in Portfolios. Die Lerngeschichten der Schülerinnen und Schüler werden sich individuell voneinander unterscheiden, weil sie auf heterogener Ausgangsbasis durch individuelle Rezeption der Angebote und eigenaktive Konstruktion entstehen. Interessant wird sein zu sehen, ob sich trotz aller Differenzen die einzelnen Lernwege zu Lernkorridoren mit ähnlichem Zielareal zusammenfassen lassen. Dann könnte man empirisch begründet Rückschlüsse sowohl auf die Sinnhaftigkeit didaktischer Matrizen zu einzelnen Themen als auch auf die Vorgaben der Bildungspläne ziehen. Die Idee einer einheitlichen Didaktik für ältere Kinder des Elementarbereichs und jüngere Kinder des Primarbereichs wird durch die vorliegende Studie sehr wahrscheinlich gestützt. Zu hoffen ist, dass sie später in Seminaren für angehende GrundschullehrerInnen ebenso wie in denjenigen für Studierende der frühkindlichen Bildung thematisiert wird. Im optimalen Fall wird es in einem gemeinsamen Seminar einen Austausch darüber geben. Die Studie basiert auf einer weit engeren Verzahnung von Elementar- und Primarbereich als die momentan in der Praxis stattfindende Kooperation. Diese ist im Vergleich zu früher zwar schon intensiviert und insbesondere verpflichtend geworden, wird aber nach eigenen Erfahrungen von vielen Beteiligten dennoch als unzureichend empfunden. Die domänenspezifische Erhebung von Wissen – in diesem Fall des religiösen Wissens – ist jedenfalls nicht vorgesehen und wäre von GrundschullehrerInnen mit vollem Deputat in diesem Ausmaß nicht leistbar. Sie hat aber momentan noch nicht einmal an übergeordneter Stelle stattgefunden. Auf Ebene der Bildungspläne bestünde die Möglichkeit, der Anschlussfähigkeit von Wissen mehr Bedeutung zu verleihen. Gerade im Blick auf anschlussfähige Bildungs- und Lerngeschichten im Übergang zwischen Kindergarten und

Fazit der pädagogischen Folgerungen im Blick auf die vorliegende Studie

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Grundschule wird die vorliegende Studie sicher Neues zu bieten haben. Zwar ist die Lernbeobachtung im Kindergarten stark im Kommen, doch bricht die bereits begonnene Dokumentation der Lerngeschichten der Kinder in aller Regel mit dem Schuleintritt ab – auch aus datenschutzrechtlichen Gründen. In der Schule wird sie dann neu gestartet, wobei Lerntagebücher oder Portfolios hier noch im Bereich der pädagogischen Freiheit liegen311 und das domänenspezifische Vorwissen der Kinder kaum Berücksichtigung findet. Eine durchgängige Dokumentation der Lerngeschichten von 4 – 8 Jahre wäre für ErzieherInnen, LehrerInnen, Eltern und Kinder interessant und bedeutsam.

311 Vgl. Graf, Schuleingangsdiagnostik, 135.

3

Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

3.1

Die allgemeine Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

3.1.1 Bildungsstandards und Kompetenzen Ausgangspunkt der intensiven Diskussion der vergangenen Dekade ist die im Zuge der Pisa-Debatte entstandene Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Klieme u. a. definieren nationale Bildungsstandards hier als »verbindliche Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule. Sie [die Bildungsstandards] stellen damit innerhalb der Gesamtheit der Anstrengungen zur Sicherung und Steigerungen der Qualität schulischer Arbeit ein zentrales Gelenkstück dar. Bildungsstandards benennen präzise, verständlich und fokussiert die wesentlichen Ziele der pädagogischen Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Damit konkretisieren sie den Bildungsauftrag, den Schulen zu erfüllen haben.«312

Gute Bildungsstandards lassen sich erkennen an ihrer Fokussierung auf den Kernbereich eines bestimmten Unterrichtsfaches, der Intention von kumulativem vernetzten Lernen, ihrer Verbindlichkeit für alle durch Formulierung von Mindestvoraussetzungen bei gleichzeitiger Ermöglichung von Differenzierung durch Abstufungen oder Profilbildungen sowie an ihrer verständlichen Formulierung und ihrer unterrichtlichen Realisierbarkeit.313 Das übergeordnete Verhältnis von Bildung zu Kompetenzorientierung wird deutlich in einer These von Kraft: »Bildung geht in Kompetenzorientierung nicht auf. Der Kompetenzansatz reduziert notwendigerweise Bildungsprozesse auf das Überprüfbare und Zeigbare«314. Hier wird der Einsicht Rechnung getragen, dass Bildungsziele immer einen Utopieüberschuss in sich tragen, der über die faktische sowie empirisch überprüfbare Wirklichkeit hinausgeht, der 312 Klieme, Expertise, 9, z. T. fett gedruckt. Vgl. weiter in diesem Absatz ebd. 19 f. 313 Vgl. dazu Klieme, Expertise, 24 f und ausführlicher 24 – 30. 314 Kraft, Kompetenzorientierung, 10.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

Tatsache, dass das gebildete Subjekt immer mehr ist als die Summe seiner Kompetenzen.315 Die Klieme-Expertise trägt diesem Mehrwert von Bildung Rechnung: »Bildungsstandards konkretisieren die Ziele in Form von Kompetenzanforderungen. Sie legen fest, über welche Kompetenzen ein Schüler, eine Schülerin verfügen muss, wenn wichtige Ziele der Schule als erreicht gelten sollten. Systematisch geordnet werden diese Anforderungen in Kompetenzmodellen, die Aspekte, Abstufungen und Entwicklungsverläufe von Kompetenzen darstellen.«316

Die Rolle von Kompetenzmodellen besteht darin, zwischen abstrakten – z.T. visionären Bildungszielen und konkreten Aufgabensammlungen zu vermitteln sowie Anhaltspunkte für eine an den Lernprozessen und Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler orientierten Unterrichtspraxis zu geben.317 Im Rahmen der Expertise greifen Klieme u. a. insbesondere auf die Kompetenzdefinition von Franz Weinert zurück: »In Übereinstimmung mit Weinert (2001, S.27 f.)verstehen wir unter Kompetenzen die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.«318

Per Definition handelt es sich bei den in Bildungsplänen benannten Kompetenzen um Mindeststandards. Das bedeutet einerseits, dass es sich um diejenigen Minimalanforderungen handelt, die von allen Schülerinnen und Schülern erreicht werden sollen.319 Es bedeutet andererseits, dass, es immer noch höhere Standards gibt, die erreicht werden können, jedoch nicht von allen erreicht werden. »Es wäre […] zu erwarten, dass auf höheren Kompetenzstufen in einer Domäne die Fähigkeit vorhanden ist, das eigene Vorgehen beim Bearbeiten von Problemen zu reflektieren und argumentativ darzustellen.«320 315 Vgl. Kraft, Kompetenzorientierung, 10. Ein Gedanke, der auch Eingang in die Denkschrift Maße des Menschlichen der EKD gefunden hat, zitiert ebd., »Kompetenzorientierung steht in dieser Perspektive für eine, gleichwohl bedeutsame Dimension schulischer Bildungsarbeit und bildet die ›funktionale‹ Seite von Bildung und Schule ab. Gleichwohl gilt: der Kompetenzansatz im Anschluss an die Klieme-Studie beansprucht nicht, die Gesamtheit der Bildungsprozesse abzubilden, sondern benennt einen gewichtigen Ausschnitt schulischer Lernprozesse.« 316 Klieme, Expertise, 21, im Original fett. 317 Vgl. Klieme, Expertise, 71. 318 Klieme, Expertise, 72, im Original fett, bezogen auf Weinert, Franz: Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Ders. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim und Basel, 2001, 17 – 31. 319 Vgl. Klieme, Expertise, 81. 320 Klieme, Expertise, 79.

Die allgemeine Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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3.1.2 Zum Perspektivenwechsel durch Bildungsstandards und Kompetenzorientierung Im Fokus der Diskussion um Bildungsstandards und Kompetenzen der letzten Jahre steht der damit einhergehende Paradigmenwechsel »von der Input- zur Outcomeorientierung«321. »Der Output wird somit zum entscheidenden Bezugspunkt für die Beurteilung des Schulsystems und für Maßnahmen zur Verbesserung und Weiterentwicklung.«322 »Bildungsstandards und Kompetenzen sind Ausdruck verbindlicher Formulierungen dessen, was Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt an Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben haben sollen.«323 Noch exaltierter definiert Hentig im Vorwort des baden-württembergischen Bildungsplanes den Unterschied: »Lehrpläne geben an, was ›gelehrt‹ werden soll. Ein Bildungsplan gibt an, was junge Menschen im weitesten Sinne des Wortes ›lernen‹ sollen.«324 Wobei klar ist, dass sich die Outputorientierung grundsätzlich nur auf den operationalisierbaren Kernbestand eines Unterrichtsfaches konzentrieren und deshalb nicht das Ganze des Faches erfassen kann.325 Dies trifft auf den Religionsunterricht in besonderem Maße zu. Obst überträgt die Outputorientierung auf die Unterrichtsplanung und konstatiert: »Kompetenzorientierung enthält den didaktischen Imperativ, den Bildungsgang der Schüler vom Ende her zu denken.«326 Die Tatsache, dass es sich bei Bildungsstandards um ergebnis- statt prozessbezogene Standards handelt schließt eine kleinschrittige zielorientierte Normierung, bzw. eingeschränkte Freiheit pädagogischen Handelns aus, bildet jedoch ein diesbezügliches Referenzsystem.327 »Kompetenzorientiertes Unterrichten unterscheidet sich von herkömmlichem Unterricht durch den konsequenten Blick auf das, was Schülerinnen und Schüler am Ende einer Lernzeit wissen, können und wozu sie bereit sind. Die Fokussierung auf zentrale, langfristig aufgebaute Lernergebnisse bedeutet einen einschneidenden Perspektivenwechsel. Wenn die langfristigen Ziele des Unterrichts verbindlich vorgegeben sind, sind die Wege dahin variabel und können den Bildungsgängen der Schüler vor Ort angepasst werden.«328

Das darf jedoch nicht als ein Verzicht auf Lernziele innerhalb von Einzelstunden missverstanden werden. Es muss weiterhin klar sein »welchen Beitrag die ein321 322 323 324 325 326 327 328

Vgl. u. a. Obst/ Rothgangel, kompetenzorientierte Religionspädagogik, 185. Klieme, Expertise, 12. Kraft, Kompetenzorientierung, 9. Hentig, Bildungsplan B-W, 7. Vgl. Rothgangel, Bildungsstandards Religion, 90. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 134. Vgl. Klieme, Expertise, 49 f. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 134. Im Original kursiv.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

zelne Stunde (mit ihren jeweiligen Zielen) zum langfristigen Kompetenzerwerb in einem Kompetenzbereich leistet«329. Analog zum geforderten Perspektivenwechsel vom Input zum Output des Unterrichts ergibt sich ein Wechsel von der Selektions- zur pädagogischen Förderdiagnostik, denn »Diagnostik im kompetenzorientierten Unterricht kann sich nicht darauf beschränken, anhand von Klassenarbeiten und Tests die Schüler/-innen zu identifizieren, die weiter im jeweiligen Bildungsgang bleiben dürfen. Diagnostik im kompetenzorientierten Unterricht ist konstitutiv als Förderdiagnostik zu konzeptualisieren.«330 Oder in anderen Worten ein Wechsel von der Statusdiagnostik zur Prozessdiagnostik.

3.1.3 Zum Zusammenhang von Inhalt und Kompetenz Auffallend an der grundlegenden Kompetenzdefinition der Klieme-Expertise ist ihre starke fachliche Bindung. Rekurriert wird hier gerade nicht auf fächerübergreifende Schlüsselqualifikationen, sondern auf domänenbezogene Kompetenzen.331 Intendiert ist demnach nicht die Rückkehr zu einem inhaltsfernen formalen Bildungsverständnis oder einer radikalen Outputorientierung. Friedrich Schweitzer bringt es auf den Punkt, wenn er fragt: »Kann es ›guten Unterricht‹ – gar ›guten Religionsunterricht‹ geben, für den sich nicht auch eine bestimmte inhaltliche Qualität ausweisen lässt?«332 Und er beantwortet dies gleich selbst: »Kompetenzen brauchen Inhalte, und Inhalte brauchen Kompetenzen – und dies nicht im Sinne eines nachträglichen Zusammenfügens.«333 Ebenso folgert Rothgangel: »Genauso wenig wie es keine Bildung ohne Inhalte geben kann, genauso wenig werden Kompetenzen ohne Kerncurricula gebildet.«334 Er schlägt folgenden Dreischritt vor: 1. domänenspezifische Kompetenzmodelle erstellen, 2. domänenspezifische Bildungsstandards formulieren, die zeigen, ob die dafür notwendigen Kompetenzen erworben sind, 3. Kerncurricula als inhaltliches Trainingsprogramm zum Erwerb der domänenspezifischen Kompetenzen formulieren.335 Die zuletzt genannten Kerncurricula benennen zentrale Themen und erwartete Kompetenzen klar und verbindlich, lassen jedoch genügend Raum für schulautonome Erweiterungen [im Schulcurriculum], denn »Kerncurricula bezeichnen […] nicht das Totum, sondern 329 330 331 332 333 334 335

Obst/ Rothgangel, kompetenzorientierte Religionspädagogik, 185. Feindt, KompRU, 309. Vgl. dazu Klieme, Expertise, 75. Schweitzer, Kompetenzen, 75. Schweitzer, Kompetenzen, 76. Rothgangel, Bildungsstandards Religion, 94. Vgl. Rothgangel, Bildungsstandards Religion, 93.

Die fachspezifische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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allein das unentbehrliche Minimum der Themen, Inhalte und Lehrformen der Schule.«336 Deshalb gilt: »Bildungsstandards und Kerncurricula schließen sich […] nicht gegenseitig aus, sondern überlappen und ergänzen sich. Kerncurricula wie Bildungsstandards sind Elemente innerhalb eines Systems der Steigerung und Steuerung der Qualität des Bildungswesens; ihrer Funktion nach setzen Bildungsstandards am Output an, für den sie Vorgaben spezifizieren, Kerncurricula hingegen am Input, d. h. an der Auswahl der Inhalte und Themen und der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen.«337

Oder in anderen Worten: Outputorientierung ist ohne eine Einigung auf ein Minimum an Input nicht möglich. Und schulorganisatorisch auch nahezu nicht vorstellbar. Klieme macht in seiner Expertise deutlich, »dass ein Curriculum, das wenig inhaltsbezogene Anteile enthält und kaum etwas über Unterrichtsmethoden und didaktische Grundlagen aussagt, nur mit einem relativ großen Aufwand in konkretem Unterricht umgesetzt werden kann.«338 Ein solches Vorhaben schlösse m. E. eine Überforderung der Lehrkräfte bei der Umsetzung ein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kompetenzbegriff vom Zusammenhang zwischen Wissen und Können ausgeht und dabei die Kritik an der Anhäufung ›trägen‹ Wissens bei Schüler/innen insofern aufgreift, als sich selbiges Wissen und Können als Kompetenz bei der Bewältigung konkreter Anforderungssituationen bewähren muss.339 »Kompetenzen werden [!] erst dadurch erworben, dass in Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten bereichsspezifisches Wissen systematisch aufgebaut, miteinander verbunden und in Anforderungssituationen realisiert wird.«340

3.2

Die fachspezifische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

3.2.1 Religiöse Bildung und religiöse Kompetenz »Der Religionsunterricht versteht sich als integrierter Bestandteil allgemeiner Bildung und erschließt im Rahmen seines Bildungsauftrages einen spezifischen Modus der Weltbegegnung und des Weltverstehens. Religiöse Bildung geht nicht in einem Begriff 336 337 338 339 340

Klieme, Expertise, 97. Klieme, Expertise, 95. Klieme, Expertise, 110. Vgl. Obst/ Rothgangel, kompetenzorientierte Religionspädagogik, 185. Obst/ Rothgangel, kompetenzorientierte Religionspädagogik, 186.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

›religiöser Kompetenz‹ auf, ist aber bezogen auf ›grundlegende Kompetenzen‹, in denen sich die ›sichtbare‹ Seite religiöser Lernprozesse widerspiegelt.«341

Diese These von Kraft macht die Betroffenheit des Religionsunterrichts durch die allgemeine Bildungsstandard- und Kompetenzdebatte deutlich. Gerade aufgrund seiner prinzipiell positiv zu wertenden Inklusion in allgemeine Bildung ergab sich im Blick auf Kompetenzorientierung für den Religionsunterricht eine die Zeitschiene der Einführung von Bildungsstandards betreffende Problematik: »Bildungspolitische Setzungen führten zur Entwicklung von curricularen Vorgaben, in denen die Kompetenzorientierung des Religionsunterrichts auch ohne den Bezug auf verbindliche Bildungsstandards festgeschrieben wurde. Verbindliche Kompetenzvorgaben sollen nunmehr den religiösen Lernprozess im Religionsunterricht bestimmen, auch wenn eine empirische Grundlegung der Kompetenzorientierung in weiter Ferne steht.«342

Als zweites Problemfeld stellt sich die Definition von religiöser Kompetenz an sich dar. Obwohl der auf konkretes Wissen bezogene Kompetenzbegriff domänen- also fachspezifisch definiert ist, demnach Fähigkeiten beschreibt, fachbezogene Probleme lösen zu können343, muss man auch nach jahrelanger intensiver Diskussion, so Fischer, zusammenfassend konstatieren: »Es gibt für religiöse Kompetenz weder empirisch geprüfte Modelle noch Instrumentarien zu ihrer Messung, weder einen nationalen noch einen internationalen Konsens darüber, was mit ›religiöser Kompetenz‹, die durch den Religionsunterricht angestrebt wird, gemeint ist.«344

Zum selben Schluss kommt eine Arbeitsgruppe der EKD zu Kompetenzen und Standards für den evangelischen Religionsunterricht der Sekundarstufe 1: »Für den Evangelischen Religionsunterricht fehlt es bislang weithin an entsprechenden Voraussetzungen für Bildungsstandards, insbesondere im Blick auf empirische Grundlagen.«345 Für Zimmermann besteht die Problematik grundlegend darin, dass eine Formulierung von Kompetenzen mit wachsendem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit einhergeht mit einem Mangel an inhaltlicher Substanz und deshalb eine allgemein formulierte religiöse Kompetenz letztlich 341 Kraft, Kompetenzorientierung, 11. 342 Kraft, Kompetenzorientierung, 12. Auf diese bis heute weitgehend ungelöste Problematik der fehlenden empirischen Basis sowie mögliche Lösungsansätze gehe ich im nachfolgenden Unterkapitel ausführlicher ein. 343 Vgl. Kraft, Kompetenzorientierung, 10. 344 Fischer, Religiöse Kompetenz, 6, zitiert bei Kraft, Kompetenzorientierung, 11. 345 Unveröffentlichtes Manuskript vom 28./29. Januar 2009 der EKD Arbeitsgruppe zu Kompetenzen und Standards für den Ev. RU in der Sek 1. Zitiert bei Kraft, Kompetenzorientierung, 12.

Die fachspezifische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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wenig zur Problemlösung vor dem Hintergrund inhaltsspezifischer Kenntnisse und Fertigkeiten beiträgt.346 Deshalb gilt bislang: »Die Diskussion um die ›religiöse Kompetenz‹ [scheint] kaum die Konkretion und Präzision zu erlangen, wie sie in der allgemeinen Debatte um fachspezifische Kompetenzen gerade gefordert wird.«347 Gerade die Vielfalt an möglichen Kompetenzmodellen erschwert das Finden einer einheitlichen Linie. »Inzwischen liegt ein halbes Dutzend unterschiedlicher Kompetenzmodelle für den evangelischen Religionsunterricht in Deutschland vor, zu denen vermutlich in naher Zukunft noch weitere Kombinationen auf Länderebene hinzukommen werden. Ein ›Standardmodell‹ ist gegenwärtig nicht in Sicht, was zunehmend die Frage nach der Anschlussfähigkeit der vorhandenen Modelle im religionspädagogischen Diskurs aufwirft.«348

Gerade auf der Basis der Unübersichtlichkeit der Kompetenzmodelle entwickelt sich ein weiteres Problemfeld. Trotz einer intensiven religionspädagogischen Diskussion ist noch keine flächendeckende Akzeptanz kompetenzorientierten Lehrens und Lernens in der Praxis erreicht.349 Angesichts der Komplexität der Diskussion ist dies auch kein Wunder.350

3.2.2 Religiöse Kompetenz und empirische Basis Obst und Rothgangel sehen ein besonderes Potential kompetenzorientierter Religionspädagogik darin, »dass theoretische Grundlagenforschung, welche zur Etablierung von Kompetenzmodellen notwendig ist, und praxisorientierte empirische Forschung, welche zu Überprüfung der Bildungsstandards unabdingbar ist, aufeinander bezogen werden.«351 Es gilt: »Der Ausweis von Leistungserwartungen im Zusammenhang religiösen Lernens setzt ein Modell der Bestimmung religiöser Kompetenzen voraus. Bildungsstandards und Kompetenzmodelle religiöser Bildung können nur auf der Grundlage empirischer Ergebnisse zu religiösen Lernprozessen entwickelt werden.«352 346 347 348 349 350

Vgl. Zimmermann, Kindertheologie und Kompetenzdebatte, 86. Zimmermann, Kindertheologie und Kompetenzdebatte, 84. Kasper, zehn Jahre Kompetenzorientierung, 59. Vgl. Obst/ Rothgangel, kompetenzorientierte Religionspädagogik, 194. Dieser Befund betrifft allerdings nicht den Religionsunterricht allein, sondern hat sich als eine generelle Schwierigkeit herausgestellt, vgl. dazu im Folgenden Kasper, zehn Jahre Kompetenzorientierung, 59, der konstatiert, dass die Implementierung kompetenzfördernder Elemente in den Fachunterricht aus Sicht der Politik und Schulverwaltung Wünsche offen ließ, was 2008 zur Bildung zentraler Projektgruppen führte, die unterstützende Materialien für kompetenzorientierten Unterricht erstellten – auch im Religionsunterricht. 351 Obst/ Rothgangel, kompetenzorientierte Religionspädagogik, 186. 352 Kraft, Kompetenzorientierung, 11. Vgl. weiter ebd.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

Folgerichtig bezeichnet Kraft ein aktuelles Dilemma des Religionsunterrichts mit der Tatsache des Fehlens empirischer Zugänge über die Wirksamkeit von Lernarrangements sowie über religiöse Lernprozesse und -ergebnisse. »Wir müssen zugeben, dass wir noch keine Aussagen darüber machen können, welche Kompetenzniveaus Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Zeitpunkten ihres Bildungsverlaufs tatsächlich erreichen bzw. erreichen können.«353 Auch Zimmermann konstatiert: »Was Schüler/innen nach vier, acht oder zwölf Jahren Religionsunterricht können sollen, konnte bisher weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene im Konsens festgeschrieben werden.«354 Das sah auch Obst schon lange als ein Hauptproblem der gegenwärtigen Entwicklung. Dringend erforderlich wäre ihrer Ansicht nach eine Erhebung dessen, was Schülerinnen und Schüler faktisch im Religionsunterricht lernen, welche Kompetenzen sie sich aneignen und was sie damit anfangen.355 Einige kleinere und größere Untersuchungen gibt es dazu mittlerweile wie z. B. diejenige von Hanna Roose, die fragt, was Kinder nach 4 Jahren ev. RU an der Grundschule faktisch können356 oder Friedhelm Kraft, der selbiges in einer 10. Klasse erforscht357 und vor allem auch die Langzeitstudie über das Lernen von Drittklässlern im Religionsunterricht von Elisabeth Hennecke358. Die vorliegende Studie fügt sich als ein weiterer Baustein in diese noch sehr große Forschungslücke ein. Dies ist jedoch bei weitem nicht ausreichend, da empirische Forschung immer mehrere Ebenen im Blick haben muss. »Empirisch erforschte Kompetenzmodelle, die die Entwicklung unterschiedlicher Kompetenzen in verschiedenen Niveaustufen beschreiben, sind ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung diagnostischer Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern.«359 Richtigerweise, weil zwingend notwendig, unterscheidet Feindt unterschiedliche Forschungsstufen. »Auf der Ebene der Bildungsplanung geht es um die Entwicklung von Bildungsstandards, Kompetenzbeschreibungen und Kerncurricula. Auf der Ebene der empirischen Forschung geht es um die empirische Fundierung von niveaugestuften Kompetenzmodellen, die Entwicklung von Testaufgaben und um die Evaluation von Standards. Auf der Ebene des Unterrichts geht es um die didaktische Weiterentwicklung hin zu einem kompetenzorientierten Unterricht (Aufgaben, Lernwege, Materialien etc.) und damit einhergehend die Frage nach Unterstützung und Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer (Lehrer- und Lehrerinnenfortbildung).«360 353 354 355 356 357 358 359 360

Kraft, Kompetenzorientierung, 14. Zimmermann, theologische Kompetenz, 143. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 125. Vgl. Roose, Was können Kinder, 17 – 39. Vgl. Kraft, Feldversuch Kompetenzüberprüfung, 40 – 51. Hennecke, Was lernen Kinder im Religionsunterricht. Feindt, Beispiel KompRU, 297. Feindt, Beispiel KompRU, 296. Im Original als Punkte.

Die fachspezifische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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Die tatsächliche Situation zeigt sich in jedoch folgendermaßen. Empirische Lehr-/Lernforschung wird vor allem in ›harten‹ Fächern wie Mathematik oder den Naturwissenschaften betrieben, in denen es generell leichter fällt, weil Inhalte sowie Kompetenzen leichter zu operationalisieren sind. Kleine und ›weiche‹ Fächer wie die Religionspädagogik sind im Blick auf die empirische Forschungsbasis unterrepräsentiert.361 Die Konsequenz dessen bringt Fischer auf den Punkt: »Selbst wenn von bildungspolitischen und kirchlichen Autoritäten mit Nachdruck erklärt wird, was sie für Standards religiöser Bildung halten: er(!) bleiben gemeinte oder gefühlte oder vermutete Standards, wenn nicht zugleich mit ihrer Verkündigung ein empirisches Programm aufgelegt wird, das systematisch nachprüft, ob und in welchem Ausmaß die genannten Standards tatsächlich zu erreichen sind.«362

Die ›Standardisierung‹ wird erst dann ein brauchbares Instrument der Bildungspolitik, wenn sie empirisch gewonnen wird.363 Feindt spricht sich deshalb für Praxisforschung als Implementierungsstrategie, bzw. einem notwendigen Wechselspiel aus Top-down und Bottom-up-Bewegung aus.364 Seiner Ansicht nach reicht es keineswegs, »den Lehrerinnen und Lehrern die standard- und kompetenzorientierten neuen Bildungspläne bzw. Kerncurricula in flächendeckenden Fortbildungsveranstaltungen vorzustellen und zu erläutern, welche Kompetenzen jetzt mit den bekannten Inhalten verknüpft werden. Ein solches Vorgehen sorgt zwar dafür, dass die Lehrkräfte die neuen curricularen Zielvorgaben kennen, hilft aber nur sehr begrenzt weiter, wenn sie vor der Frage stehen, wie die neue Zielorientierung am outcome des Unterrichts didaktisch im schulischen Alltag umgesetzt werden kann.«365

In anderen Worten: »Damit die Bemühungen seitens der Bildungsplanung und der empirischen Forschung zu einer Verbesserung des schulischen Lehrens und Lernens führen, braucht es eine didaktische Wendung der administrativen Vorgaben und empirischen Erkenntnisse.«366 Das Projekt KompRU des Comenius-Instituts zur Entwicklung und Evaluation eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts arbeitet deshalb im Sinne der Aktionsforschung nach Art einer forschungsorientierten Lehrerfortbildung. In einem Kreislauf von entwickelnder Aktion und forschender Reflexion arbeiten hier Fachdidaktiker und Lehrer/innen gemeinsam und nehmen dafür auch die jeweils andere Rolle ein.367 361 362 363 364 365 366 367

Vgl. dazu Fischer, religiöse Kompetenz, 6 und Feindt, KompRU 297. Fischer, religiöse Kompetenz, 6. Vgl. Fischer, Lernen und Leisten, 9. Vgl. Feindt, KompRU, 300 und 298. Feindt, KompRU, 299. Feindt, KompRU, 297. z. T. kursiv. Vgl. dazu Feindt, KompRU, 303 – 309.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

3.2.3 Kompetenzorientierung und Elementarisierung »Von entscheidender Bedeutung für die weitere Diskussion des Kompetenzansatzes wird sicherlich auch eine genauere Klärung des Verhältnisses von Kompetenzorientierung und dem bewährten didaktischen Modell der Elementarisierung in der Tradition von Wolfgang Klafki und Karl Ernst Nipkow sein.«368

Das Elementarisierungsmodell geht von einer Doppelbewegung zwischen Person und Inhalten aus, blickt sowohl auf die Inhalte, denen der Unterricht verpflichtet ist als auch auf die Lernenden, für die die Sache bedeutsam und zugänglich sein soll.369 Im Sinne dieses Ansatzes werden elementare Strukturen einer Sache herausgearbeitet, erfolgt eine Reduktion auf das Wesentliche, eine Reduzierung der Komplexität. Ebenso werden elementare Zugänge, nämlich die je eigenen Verstehens- und Deutungsweisen von Kindern und Jugendlichen beachtet, erfolgt eine gerechtfertigte Wertschätzung derselben als Subjekte des Lernens, worauf sie ein Anrecht haben. Heute mögliche und real vorfindliche elementare Erfahrungen werden einbezogen. Elementare Formen des Lernens im Sinne einer Unterrichtskultur, die Kindern und Jungendlichen erlaubt als Subjekte aktiv tätig zu werden – im Sinne von Unterrichtsprozessen, die die Zweipoligkeit zwischen Person und Sache achten – kommen in den Blick. Die Frage nach elementaren Wahrheiten wird als Frage nach der Vertrauenswürdigkeit überlieferter Glaubensweisen, nach der Tragfähigkeit im Sinne einer durchgängigen Dimension gestellt. Nach Schweitzer lässt sich der Elementarisierungsansatz sinnvoll mit der Kompetenzorientierung verbinden und dies sollte auch geschehen, weil das Messbare im Religionsunterricht gemessen werden soll, auch wenn klar ist, dass sich das Beste nicht messen lässt.370 Schweitzer sieht dabei folgende Verbindungen: Elementare Strukturen und Sachkompetenz, elementare Erfahrungen und Sprach-/Selbstkompetenz, elementare Zugänge und Urteilskompetenz, elementare Lernformen und Methodenkompetenz sowie elementare Wahrheiten und Orientierungs-/ Dialogkompetenz.371 Eine eher additive Vorgehensweise schlägt Kasper vor. Er möchte um das Elementarisierungsmodell von Friedrich Schweitzer372 kompetenzorientiert zu erweitern, elementare Strukturen, Erfahrungen, Zugänge, Wahrheiten und Lernformen um die Dimension elementare Ergebnisse ergänzen.373 Er definiert

368 Kasper, zehn Jahre Kompetenzorientierung, 60. 369 Vgl. Schweitzer, Elementarisierung, 234. Vgl. im folgenden Absatz bezüglich der fünf Dimensionen des Elementarisierungsmodells, ebd., 237 – 241. 370 Vgl. Schweitzer, Elementarisierung, 242. 371 Vgl. Schweitzer, Elementarisierung, 242 f. 372 Vgl. dazu Schweitzer, Elementarisierung, 9 – 30. 373 Vgl. Kasper, zehn Jahre Kompetenzorientierung, 61.

Die kindertheologische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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elementare Ergebnisse als das – was es zu lernen gibt – die Unterrichtsziele und Fähigkeiten, das Überprüfen der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten.374

3.3

Die kindertheologische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

3.3.1 Definition »Theologischer Kompetenz« Einen Ausweg aus dem Dilemma der Definitions- und Operationalisierbarkeitsproblematik religiöser Kompetenz bietet Mirjam Zimmermann in ihrer Habilitationsschrift. Sie spricht sich dafür aus, den vagen Begriff der religiösen Kompetenz durch denjenigen der theologischen Kompetenz zu ersetzen, um so die Unschärfeproblematik zu mildern, die dem Religionsbegriff anhaftet.375 Es gelingt ihr, allgemeinpädagogische Kompetenzdefinitionen – vertreten von Weinert und Klieme – auf ihre Definition theologischer Kompetenz zu applizieren. Sie konstatiert, dass im Rahmen der Diskussion um religiöse Kompetenz der Bereich der Kognition vorschnell und zu Ungunsten der Operationalisierbarkeit verlassen wurde und dass eine Rückbindung in den allgemeinen Bildungsdiskurs über eben diesen kognitiven Bereich gelingen kann.376 Zimmermann nennt bezüglich der Reduktion auf den kognitiven Bereich drei essentielle Aspekte. Erstens die Fähigkeit, theologische Fragen stellen und verarbeiten zu können, zweitens die Fähigkeit zu narrativer und metaphorischer Denkweise und drittens das Vermögen, Paradoxien und hermeneutische Fragen verarbeiten zu können.377 Eng damit zusammen hängt die Fokussierung auf bereichs- und domänenspezifische Aspekte, nach Zimmermann im Blick auf theologische Kompetenz die Wahrnehmung und Reflexion des Glaubens anhand spezifisch theologischer Inhalte.378 Hier wird klar, dass der Begriff der »theologischen Kompetenz« dem oben genannten notwendigen Zusammenspiel von Inhalt und Kompetenz Rechnung trägt.379 Im Blick auf die vorliegende Studie folgt daraus die bewusste Einschränkung auf die Teildomäne »Christologie« innerhalb der Domäne »Religion«. »Theologische Kompetenz« ist gemäß der allgemeinen Kompetenzdefinition geeignet zur Problemlösung, insofern als theologische Probleme den Bezugspunkt zwischen Kind und Sache bilden und gute Kindertheologie (mit und für 374 375 376 377 378 379

Vgl. ebd. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 158 f. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 160. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 160 f. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 161 ff. Vgl. Kapitel 3.1.3 zum Zusammenspiel von Inhalt und Kompetenz.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

Kinder) diese bei der Auseinandersetzung damit unterstützt.380 »Theologische Kompetenz« muss wie Kompetenz allgemein erlernbar, überprüfbar und nachhaltig ausbaufähig sein.381 Dies schließt eine Reduktion auf Gelegenheitstheologie (Theologie ausschließlich von Kindern) ebenso aus wie es eine Reduktion religiöser Bildung auf überprüfbare Aspekte relevant macht. Auch das methodische Vorgehen von guter Kindertheologie steht notwendigerweise mit im Blick. Schließlich sollen Kompetenzen in Anwendungssituationen abrufbar sein, muss »theologische Kompetenz« demnach auf Handlungskompetenz, Identitätsstiftung sowie Kommunikationsfähigkeit ausgerichtet sein.382

3.3.2 Beitrag der Kindertheologie zur Kompetenzdebatte Zimmermann konstatiert berechtigterweise, dass die Kindertheologie die Kompetenzdebatte bereichert383 und fordert zu Recht: »Bildungsstandards sollten sich nicht scheuen, auch spezifisch ›(kinder-)theologische‹ – und nicht nur religiöse – Kompetenz einzufordern.«384 Theologische Kompetenz ist zum einen ein fachspezifischerer Begriff, zum anderen kann er didaktisch fruchtbar gemacht werden.385 »Kindertheologie wird dabei als eine empirisch erfassbare ›kindertheologische Kompetenz‹ bestimmt, die formal und inhaltlich analysiert und hinsichtlich didaktischer Ziele und Konzepte ausgewertet und gefördert werden kann. Die Rede von ›theologischer Kompetenz‹ birgt eine zweifache Chance: Zum einen wird der offene Begriff der ›religiösen Kompetenz‹ hinsichtlich eines bisher vernachlässigten Bereichs erweitert und domänenspezifisch an die theologische Denktradition rückgebunden. Zum anderen wird der Begriff der ›Kindertheologie‹ präzisiert und durch Einbindung in die Kompetenzdebatte über das Grundbekenntnis zur Eigenaktivität des Kindes hinaus religionsdidaktisch anschlussfähig gemacht.«386

Da das Theologisieren mit Kindern zwischen den Polen des bibel- bzw. problemorientierten Religionsunterrichts vermitteln kann, indem es die individuelle Schülermeinung gerade im Blick auf biblisch bzw. theologisch relevante Probleme bilden hilft, ist es bestens geeignet.387 380 381 382 383 384 385 386 387

Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 161 ff. Vgl. zu diesem Aspekt Zimmermann, theologische Kompetenz, 162 f. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 163. So der Titel einer Zusammenfassung ihrer Habilitationsschrift. Zimmermann, Präzisierung, 84. Zimmermann, theologische Kompetenz, 142. Vgl. Zimmermann, Kindertheologie und Kompetenzdebatte, 84. Zimmermann, theologische Kompetenz, 399. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 408 f.

Die kindertheologische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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Kindertheologie stellt demnach ein didaktisches Leitbild dar, das erheblich zur Stärkung theologischer Kompetenz beitragen kann. »›Guter Unterricht‹ benötigt didaktische Leitbilder, von denen Impulse für das didaktisch-methodische Handeln von Lehrkräften erwachsen. Kompetenzorientierung ist ein didaktisches Leitbild für den Religionsunterricht. Es entfaltet seine Wirksamkeit in Gestalt eines ›spannungsreichen Zueinanders‹ (Englert) zu anderen Leitbildern des Religionsunterrichts.«388

Die von Zimmermann vorgeschlagene Definition (kinder-)theologischer Kompetenz verschränkt auf höchst fruchtbare Weise zwei für den heutigen Religionsunterricht essentielle didaktische Leitbilder, dasjenige der Kompetenzorientierung mit demjenigen der Kindertheologie. Nach Freudenberger-Lötz stehen diese grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis, da mit Kompetenzorientierung zunächst »Output«, mit Kindertheologie dagegen zuvörderst ein prozessorientiertes, auf das Vorwissen des Kindes eingehendes Unterrichtsarrangement gemeint ist.389 Der Einwand ist prinzipiell berechtigt. Jedoch trägt gerade der Professionalisierungsprozess, der in den letzten Jahren im Bereich der Kindertheologie eingesetzt hat (Forschungswerkstätten, Reflexion methodischen Vorgehens, erste empirische Untersuchungen, Bildungsstandarddebatte) dazu bei, dass dieses Missverhältnis aufgehoben wird. Gerade in der Beachtung von Voraussetzungs-, Prozess- und Resultatkompetenzen liegt ja eine große Chance der Kindertheologie zur Kompetenzdebatte beizutragen.390 So auch Zimmermann: »Kindertheologie begnügt sich […] längst nicht mehr mit einer bloßen Affirmation beliebiger kindlicher Äußerungen. Im Gegenteil.«391 Darüber hinaus bietet Kindertheologie die Möglichkeit, den methodischen Begriff domänenspezifisch mit Inhalten zu füllen und didaktisch umzusetzen. »Kindertheologie wird entgegen einem Romantizismus-Vorwurf in die aktuelle bildungspolitische Debatte eingebunden. Die Bildungsstandarddebatte erhält mit der Kindertheologie ein auf empirischer Grundlage stehendes Anschauungs- und Praxisfeld, das der Forderung nach ›empirischen Erkundungen‹ nahe kommt.«392

Deshalb spricht sich Zimmermann dafür aus, Kindertheologie, zugespitzt auf »kindertheologische Kompetenz« als didaktisches Leitbild festzuschreiben und

388 Kraft, Kompetenzorientierung, 15. Kraft konstatiert zugleich, dass guter Unterricht immer mehr ist als kompetenzorientierter Unterricht, ebd. 389 Vgl. Freudenberger-Lötz, Kompetenzorientierung Spuren lesen, 105. 390 Vgl. dazu auch den nächsten Abschnitt. 391 Zimmermann, theologische Kompetenz, 138. 392 Zimmermann, theologische Kompetenz, 141. Begriff empirische Erkundungen nach Fischer/Elsenbast, grundlegende Kompetenzen, 2006,78.

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im gegenwärtigen religionspädagogischen Bildungsdiskurs weiter zu bedenken.393 Insbesondere die in der Kindertheologie anerkannte Differenzierung zwischen Theologie von, mit und für Kinder ist hervorragend geeignet, um auf den Kompetenzbegriff adaptiert zu werden und lässt sich zudem als konkretes didaktisches Modell im Religionsunterricht umsetzen.394 Gerade weil hier eine Brücke zwischen schulischer Realität und wissenschaftlichem Diskurs vorliegt, soll sie an dieser Stelle fokussiert werden. Unter dem Aspekt ›Theologie von Kindern‹ geht es in erster Linie darum, Voraussetzungskompetenzen der Kinder zu eruieren. »Kindertheologische Forschung ist besonders daran interessiert, was Kinder können, wissen, zu welchen Gedanken sie in der Lage sind, kurzum, welche theologische Kompetenz sie besitzen.«395 Insofern bietet die Kindertheologie ein als positiv zu wertendes Gegengewicht zur Outputorientierung des Kompetenzbegriffs. Sie interessiert sich eben nicht ausschließlich dafür, was Kinder nach 2, 4 oder mehr Jahren können, sondern lenkt den Blick gerade auch auf das, was sie bereits an Fähigkeiten mitbringen. Diese »im Bereich der Religion und Theologie zu erfassen und als Grundlage für die Ausweitung der je spezifischen vorhandenen Kompetenzen zu nehmen, ist ein wichtiges Anliegen der Kindertheologie. Voraussetzungskompetenzen werden hier also zunächst auf die Fähigkeiten der Kinder zugespitzt.«396

Dennoch vernachlässigt die Kindertheologie jene genannte Outputorientierung nicht. Da es der ›Theologie für Kinder‹ entspricht Resultatkompetenzen differenziert zu benennen, ist diese Voraussetzung erfüllt. »Kindertheologie ist keine bloße Affirmation kindlicher Äußerungen, sondern eine an bestimmten Kriterien messbare Fähigkeit von Kindern. Kindertheologie muss als Theologie für Kinder auch daran interessiert sein, die vorhandenen Kompetenzen der Kinder mit Modellen der Tradition anzureichern, sie auf höhere Kompetenzniveaus anzuheben, zum Teil auch in Frage zu stellen.«397

Dabei gilt, »dass keine Kindertheologie vorstellbar [ist], in der Kinder ohne äußere Anregungen auskommen.«398 Lehrpersonen müssen als Experten gezielt Impulse setzen, sowohl um der Sache willen als auch im Blick auf die Schülerinnen und Schüler, denn »Kinder haben nicht nur ein Recht auf neue Erfahrungen, sondern auch auf neues Wissen.«399 Das Gleichgewicht zwischen Kind 393 394 395 396 397 398 399

Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 409. Vgl. zur didaktischen Umsetzung Kapitel 9.3.4 Notwendige Lehrerkompetenzen. Zimmermann, theologische Kompetenz, 139. Zimmermann, theologische Kompetenz, 139 f. Zimmermann, theologische Kompetenz, 140. Rupp, Bildungsstandards, 89. Pemsel-Maier, Sabine, Theologie für Kinder, 213.

Die kindertheologische Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

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und Sache gerät dabei nicht aus dem Lot, denn aus konstruktivistischer Sicht ist klar, dass auch »eine inhaltsbezogene Kompetenzformulierung immer die produktive Auseinandersetzung des Kindes mit einem Stoff im Blick [hat], nicht den Stoff selbst.«400 Die konstruktivistische Freiheit, selbstständig mit angebotenen Denkangeboten umzugehen, bleibt erhalten. »Eine Theologie für Kinder kann sinnvollerweise nur auf der Basis des Perspektivenwechsels hin zum Kind und im Kontext von Kindertheologie betrieben werden. […] Eine unter dem Vorzeichen der Kindertheologie konzipierte Theologie für Kinder übernimmt deren Zielsetzung, Vorgehen und Arbeitsweise: Sie gibt den theologischen Konstruktionen von Kindern hinreichend Raum, nimmt diese entweder zum Ausgangspunkt oder sucht sie zu wecken, indem sie theologische Vorgaben macht […] Sie berücksichtigt entwicklungspsychologische Erkenntnisse und beherzigt die Gesprächsregeln des Theologisierens mit Kindern.«401

Weil Kindertheologie im Unterricht einen gemeinsamen ko-konstruktiven Prozess darstellt geht es drittens unter dem Stichwort ›Theologie mit Kindern‹ darum Prozesskompetenzen zu erfassen, Kompetenzzuwächse zu begleiten, zu fördern und gemäß der Outputorientierung letztlich zu erreichen. »Kindertheologie, verstanden als ›Theologisieren mit Kindern‹, versucht Lehr- und Lernprozesse zu initiieren, bei denen Kinder in ihrer theologischen Eigenaktivität angeregt und gefördert werden sollen. Auch wenn das Ziel hierbei nicht von vornherein festliegt, geht es dennoch nicht um ein beliebiges und planloses Plaudergespräch.«402

Fazit: Kindertheologie interessiert sich für Voraussetzungs-, Prozess- und Ergebnisstandards und ist damit bestens geeignet, die Bildungsstandarddebatte zu öffnen und den Fokus, der momentan eher zu sehr auf Ergebnisstandards bezieht, zu erweitern. Die beeindruckende Bandbreite möglicher durch das Theologisieren erwerbbarer Kompetenzen stellt Rupp in einem Kompetenzkatalog vor: »Eigene Vorstellungen von dem Selbst, der Welt und einem guten Leben formulieren können, die eigenen Sichtweisen anderen erläutern können, an den eigenen Sichtweisen aufzeigen können, was einem daran besonders wichtig ist, über die Genese eigener Sichtweisen Auskunft geben können, Zusammenhänge mit anderen Vorstellungen bestimmen können, verwendete Begriffe und Anschauungen auf Nachfrage klären können, folgern können, was die eigene[n] Sichtweisen für das alltägliche Leben und unterschiedliche Situationen bedeuten können, die Sichtweisen anderer angemessen wiedergeben können, sagen können, was bei der Sichtweise anderer für diese wichtig sein könnte, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der eigenen Sichtweisen zu der anderer bestimmen können, die eigene Sichtweise im Gespräch mit anderen ar400 Zimmermann, theologische Kompetenz, 140. 401 Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 215. 402 Zimmermann, theologische Kompetenz, 140.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

gumentativ begründen können, die Sichtweisen des christlichen Glaubens und ihren Hintergrund erschließen, wiedergeben und befragen können, Unterschiede und Gemeinsamkeiten des christlichen Glaubens zu den eigenen Sichtweisen benennen können, die Frage nach der Wahrheit stellen können, eine eigene Antwort auf die Frage nach der Wahrheit formulieren und vertreten können, den Gang des Nachdenkens beschreiben können, neue Einsichten benennen können, über eigene Gefühle beim Nachdenken Auskunft geben können, sagen können, woran man weiterarbeiten möchte.«403

Diese Fülle an genannten und noch erweiterbaren Kompetenzen sollte ausreichen, um »das Theologisieren als hilfreichen Ansatz eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts auszuweisen und zugleich als maßgeblichen Beitrag zur Allgemeinbildung zu begründen.«404 Als Fazit kann man konstatieren, dass die Kindertheologie in hohem Maße zur Kompetenzdebatte beitragen kann. Dieses Resümee zieht auch Zimmermann: »Während innerhalb der Bildungsstandarddebatte kontrovers diskutiert wird, ob religiöses Lernen überhaupt als kontinuierlicher und kumulativer Prozess abläuft, lässt sich in kindertheologischen Untersuchungen zeigen, dass Kinder nicht nur fachspezifische Kompetenzen mitbringen (Voraussetzungskompetenzen), sondern auch zum Ausbau domänenspezifischen religiösen Wissens in der Lage sind.«405

3.3.3 (Kinder-)theologische Kompetenz und empirische Forschung Empirische Studien zeigen nach Zimmermann, dass neben einer gewissen Grundkompetenz eine proportionale Abhängigkeit der theologischen Kompetenz vom vorhandenen domänenspezifischen Wissen der Kinder besteht.406 Deshalb spricht sie sich dafür aus, theologische Kompetenzen grundsätzlich auf konkrete Theologumena zu beziehen. Zimmermann schlägt in ihrer Arbeit zur theologischen Kompetenz vor, Kindertheologische Forschung unter differenziertem Einsatz von bestimmten Methoden407 durchzuführen, denn »Forschungen zur Kindertheologie können im Rahmen der Auseinandersetzung mit Bildungsstandards Voraussetzungskompetenzen, Prozesskompetenzen oder Resultatkompetenzen erfassen.«408 403 404 405 406 407

Rupp, Theologisieren, 147. Rupp, Theologisieren, 148. Zimmermann, theologische Kompetenz, 141. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 408. Vgl. im Folgenden ebd. Vgl. dazu Kapitel 6.1.5 Kontext Kindertheologie sowie 6.2.3.4 Theologische Gespräche als Methode im Forschungsdesign. 408 Zimmermann, theologische Kompetenz, 404.

Lehrerkompetenzen zur Kompetenzförderung

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»Kindertheologische Forschung ist besonders daran interessiert, die vorhandenen Fähigkeiten der Kinder als eigenständiger Subjekte theologischer Reflexion wahrzunehmen (Theologie von Kindern). Allerdings ist Kindertheologie im Sinne einer Theologie für Kinder auch daran interessiert, die vorhandenen Kompetenzen der Kinder mit Modellen der Tradition anzureichern, sie auf höhere Kompetenzniveaus anzuheben und zum Teil auch in Frage zu stellen. Sie muss also ebenfalls Resultatkompetenzen berücksichtigen. Darüber hinaus versucht Theologisieren mit Kindern ausgehend von einer Theologie des einzelnen Kindes Lehr- und Lernprozesse zu initiieren, durch die Kinder domänenspezifisch auf höhere Kompetenzniveaus gelangen können. Im Sinne der Grundlagendefinition von Kompetenzen (Weinerl [!]) geht es darum, kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Lösen von Problemen zu erwerben, die allerdings in Profilierung von Evangelischem Religionsunterricht als ›theologische Kompetenz‹ näher bestimmt werden sollten.«409

3.4

Lehrerkompetenzen zur Kompetenzförderung

3.4.1 Diagnosekompetenz Die wohl grundlegendste Lehrerkompetenz ist »die differenzierte Diagnose der Kenntnisse und Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, die im Unterricht vorausgesetzt werden können und die gefördert und weiterentwickelt werden sollen.«410. Dabei geht es zunächst um die Erfassung individueller Lernstände: »Wie kann [die Lehrkraft] verstehen, was die [einzelnen] Schüler zu religiösen Sachverhalten und Phänomenen bereits können, und wie kann darauf der weiterführende Unterricht aufbauen?«411 Erste Ergebnisse aus dem Projekt KompRU bestätigen, dass sich die Analyse der Lernvoraussetzungen und -prozesse für die Reflexion von kompetenzorientiertem Unterricht als besonders tragfähig erwiesen haben.412 »Formen der Lernstandserhebung, diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften sind der ›Schlüssel‹ (Dietlind Fischer), um Lernprozesse anzuregen und zu evaluieren.«413 Aufgrund der erwartbaren und in ersten Studien auch konstatierten Heterogenität der Lernvoraussetzungen innerhalb einer Klassengemeinschaft kommt in einem weiteren Schritt der notwendigen Kompetenz eines souveränen, differenzierenden Umgangs mit Heterogenität eine ebenfalls zentrale Rolle zu. Diagnose darf jedoch nicht auf den Beginn einer Unterrichtseinheit – sprich auf die Erhebung der Lernvoraussetzungen – eingeschränkt werden. Diagnose muss »auch während der Unter409 410 411 412 413

Zimmermann, theologische Kompetenz, 404. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 157 f. Fischer, religiöse Kompetenz, 6. Vgl. Feindt, KompRU, 309. Kraft, Kompetenzorientierung, 15.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

richtsprozesse, am Ende einer Unterrichtseinheit und am Ende eines oder mehrerer Schuljahre«414 erfolgen, wenn man herausfinden möchte, ob und wenn ja, was die Schülerinnen und Schüler tatsächlich gelernt haben und wie nachhaltig dies geschehen ist. Denn: »Was es im Religionsunterricht zu lernen gibt, soll auch nach längerer Zeit noch behalten sein.«415 Strukturierte theologische Gespräche und intensive Diskussionen haben eine hohe Aussagekraft im Blick auf die Diagnose des Lernstandes von Schüler/ innen.416 Sie werden im Rahmen der vorliegenden Studie – in den Unterrichtseinheiten zu Jesus Christus – bewusst durchgeführt und exemplarisch ausgewertet.417 Welche Lehrerkompetenzen zum Führen solcher Gespräche notwendig sind wird noch zu klären sein.418

3.4.2 Kompetenz zur Planung und Durchführung von Lehr-/Lernprozessen »Kompetenzorientiertes Unterrichten legt auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler im Evangelischen RU ein besonderes Gewicht. Die Fokussierung auf das Lernen verleiht dem Unterricht Verbindlichkeit, wirkt dem religiösen Analphabetismus entgegen, sichert ein einheitliches Basisniveau und macht die Ergebnisse des RUs überprüfbar. Die Förderung des Lernens ist daher die zentrale Aufgabe der Lehrenden im Evangelischen RU. […] Der besondere Brennpunkt des Lernens liegt auf dem Erwerb elementaren Wissens und grundlegender Fähigkeiten im Umgang und in der Auseinandersetzung mit Religion.«419

Bei der Planung und der Durchführung von Lehr-/Lernprozessen im Unterricht gibt es kompetenzförderliche Aspekte, wie sie z. B. Obst übersichtlich und mit Beispielen versehen zusammenstellt.420 Erstens ist es wichtig für Transparenz zu Fischer, religiöse Kompetenz, 7. Fischer, religiöse Kompetenz, 7. Vgl. Freudenberger-Lötz, Lernstände, 79 ff. Vgl. zur exemplarischen Auswertung von theologischen Gesprächen zu einzelnen Themen Kapitel 7 und zur exemplarischen Auswertung bezüglich der individuellen Entwicklung jeweils Kapitel 8.x.2.1. 418 Vgl. Kapitel 3.4.3. 419 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 137 f. Im Original kursiv. 420 Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 172 – 211. Vgl. hier im gesamten Abschnitt. Der Übersichtlichkeit halber bot es sich in diesem Fall an, ein mögliches Vorgehen detaillierter darzustellen. Ein weiteres soll an dieser Stelle genannt werden. Es handelt sich um ein Planungsmodell für kompetenzorientierten Religionsunterricht, das in einer Projektgruppe um Rainer Möller entstanden ist, vgl. Möller, Planungsmodell, 1 – 3. Die bei Obst genannten Aspekte sind fast vollständig auch hier enthalten, allerdings in anderer Reihenfolge, weshalb es ergänzend vorgestellt werden soll. Im ersten Schritt werden Kompetenzen und Inhalte verschränkt und Anforderungssituationen identifiziert, vgl. ebd., 1. Im zweiten Schritt wird die Lernausgangslage erhoben und gegenüber den Schülerinnen und Schülern Zieltransparenz hergestellt, vgl. ebd. 2. Im dritten Schritt geht es darum, Lernwege 414 415 416 417

Lehrerkompetenzen zur Kompetenzförderung

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sorgen, d. h. die Schülerinnen und Schüler über den geplanten Lernertrag in Kenntnis zu setzen oder mit ›Advance Organizern‹ zu arbeiten, also den Lernenden einen strukturierenden Überblick sowie offensiv die Möglichkeit zu bieten, neue Lerninhalte mit bereits vorhandenem Wissen zu verknüpfen.421 Fischer bestätigt dies, betont aber zugleich die längerfristige – über eine Unterrichtseinheit hinausgehende – Perspektive, die im Blick auf den Kompetenzaufbau eingenommen werden sollte sowie den dafür notwendigen kumulativen Aufbau, da eine ständige Wiederholung der Thematik ohne einen Fortschritt im Verständnis für Kinder schlimm sei.422 Zweitens sollte Religion im Sinne eines performativen Unterrichts gezeigt, dargestellt, inszeniert werden.423 Drittens ist es evident, selbstständiges und individualisiertes Lernen zu ermöglichen.424 Viertens und m. E. besonders wichtig ist das Stellen kompetenzorientierter Lernaufgaben, verbunden mit Anforderungssituationen425 und nach Möglichkeit mit Formen der Differenzierung.426 Fünftens gilt es, geeignete Methoden einzusetzen, nämlich solche, die die Wahrnehmungs-, Deutungs-, Dialog-, Gestaltungs- sowie Partizipationsfähigkeit fördern.427 Sechstens ist der Aufbau von Kompetenzen nur dann lohnenswert, wenn er nachhaltig ist. Deshalb ist es immer wieder nötig, mit Kindern innezuhalten und ihnen einen Blick auf das zu ermöglichen, was sie schon können sowie intelligente Übungen und Wiederholungen oder neue Anwendungssituationen anzubieten. Dazu gehört auch die kontinuierliche Dokumentation des Lernvorganges, damit Kinder ihren Lernweg nachvollziehen und Lernfortschritte erkennen und evtl. sogar reflektieren können, z. B. durch die Arbeit mit Portfolios.428 »Ein im RU über mehrere Jahre angelegtes Portfolio hat eine hohe Aussagekraft: Man erfährt, was die einzelnen Schüler können, man erfährt aber auch, welche Anforderungen die Kollegen stellen, mit welchen Aufgaben sie arbeiten und wie sie die Lösungen der Schülerinnen und Schüler bewerten. Damit sorgt das Portfolio für eine größere Transparenz …«429.

421 422 423 424 425 426 427 428 429

kompetenzorientiert differenzierend zu gestalten und zu begleiten, vgl. ebd. 2 wobei das Lernen in einem vierten Schritt sichtbar gemacht wird, vgl. ebd. Im fünften Schritt steht die Wissens- und Könnenserweiterung im Mittelpunkt, das Sichern, Üben und Wiederholen, vgl. ebd. 3. Im abschließenden sechsten Schritt werden die Lernergebnisse festgestellt und die Lehr-Lern-Prozesse evaluiert, vgl. ebd. 3. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 174 – 178. Vgl. Fischer, religiöse Kompetenz, 9. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 179 – 182. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 183 – 186 und Fischer, religiöse Kompetenz, 9. Vgl. zu Anforderungssituation auch Kapitel 3.5.2 Kontextualisierter und entkontextualisierter Wissensaufbau. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 186 – 197. und Fischer, religiöse Kompetenz, 9. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 197 – 203. Fischer setzt hier einen Akzent auf der Wahrnehmung dessen, was Kinder zum Thema sagen, vgl. Fischer, religiöse Kompetenz, 9. Vgl. zu sechstens, Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 203 – 211. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 211.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein didaktisches Leitbild im Blick auf den Kompetenzerwerb, da Einüben ebenso wie wiederholendes Vernetzen wichtig ist. »Solches Lernen ist auch auf Sicherungsformen, wie etwa Portfolios, angewiesen, die den individuellen Lernfortschritt und die erbrachten Leistungen, aber auch die Anforderungen und Aufgabenstellungen über längere Zeiträume hinweg dokumentieren. Nicht um eine quantitative Ansammlung des Erlernten geht es dabei, sondern darum, die gewonnenen Kompetenzen in möglichst vielfältigen Zusammenhängen unter Beweis zu stellen und auch über einen längeren Zeitraum auf sie zurückgreifen zu können.«430

Auf der Basis der Hattie-Studie ergibt sich, dass weniger die einzelne Intervention als vielmehr eine Haltung der Lehrkraft, die ein Interesse am Lernen der Schülerinnen und Schüler zeigt, maßgeblich ist.431 Zur Qualität von Lernprozessen gehört gemäß der Hattie-Studie sowohl die Kenntnis über das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler als auch das Setzen von Erwartungen sowie das Abklären, was von ihnen gelernt werden soll, wobei insbesondere das gegenseitige Feedback über Lernfortschritte und Unterricht wichtig ist.432

3.4.3 Kompetenz zum Führen von theologischen Gesprächen Petra Freudenberger-Lötz hat sich in besonderer Weise um die Herausarbeitung und Entwicklung förderlicher Kompetenzen von Lehrkräften im Blick auf das Theologisieren mit Kindern verdient gemacht.433 Es stellt sich die Frage, welche Kompetenzen entwickelt werden müssen, um in komplexen Gesprächssituationen angemessen reagieren zu können. Als grundlegend betrachtet Freudenberger-Lötz die hermeneutische Kompetenz sowie die Fähigkeit zur Rollenmodulation, da die Lehrperson zwischen den Rollen ›aufmerksamer Beobachter‹, ›stimulierender Gesprächspartner‹ und ›begleitender Experte‹ flexibel hinund herwechseln muss. Es geht also erstens darum sensibel wahrnehmen zu können, wie Schülerinnen und Schüler ein Thema verstehen. Dabei sind die Verstehensvoraussetzungen der Lehrkraft also sowohl ihr Fachwissen wie auch ihre Kenntnis einer Bandbreite möglicher kindlicher Zugänge relevant. Es geht zweitens darum als Expertin in der Sache anregende Deutungen, d. h. weiterführende Denkmodelle anbieten zu können, denn »bei aller Schülerorientierung muss [die Lehrperson] auch ein fachliches Ziel vor Augen haben […]«434. Dabei 430 431 432 433

Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 66. Vgl. Englert, Hattie-Studie und RU, 445. Im Original hervorgehoben. Vgl. Englert, Hattie-Studie und RU, 448 f. Vgl. zu diesem Absatz Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche, 222ff sowie dies., Lernstände, 75 – 77. 434 Freudenberger-Lötz, Lernstände, 75.

Lehrerkompetenzen zur Kompetenzförderung

113

muss betont werden, dass Impulse der Lehrkraft immer Angebote an die Schüler sind, weiterzudenken, vorhandenes Wissen zu verknüpfen oder zu verändern. Ob die Schülerinnen und Schüler dies im Einzelfall auch tun oder in ihren eigenen Konstruktionen verharren, entscheiden sie selbst. Eine dritte notwendige Lehrerkompetenz ist die Fähigkeit, Schüleraussagen produktiv und gesprächsstimulierend zueinander in Beziehung zu setzen und somit für alle zu erschließen oder anders formuliert ko-konstruktive Prozesse im Gespräch wahrnehmen und stärken – gerade unter dem Aspekt, dass hierarchielose KoKonstruktion unter Gleichaltrigen besonders gut funktioniert.435 Kompetent im Blick auf interaktive Gesprächsführung zu sein ermöglicht der Lehrkraft, Schüleraussagen produktiv aufzugreifen und im Sinne von weiterführendem Verstehen weiterleiten zu können.

Kompetenzen zum Führen theologischer Gespräche im didaktischen Dreieck aus Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche, 223.

Als vierte Kompetenz kommt hinzu, das eigene Gesprächsverhalten reflektieren und weiterentwickeln zu können, gewissermaßen, den eigenen Unterricht reflexiv nachzubereiten.436 Dies gilt in besonderer Weise während der Phase des grundlegenden Erwerbs der Kompetenzen, die für das Theologisieren benötigt 435 Vgl. Oevermann, ko-konstruktive Prozesse unter Gleichaltrigen in Kapitel 2.6.2 Sozialer Konstruktivismus und die Bedeutung von Ko-Konstruktion. 436 Vgl. Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche, 141 ff.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

werden. Es ist jedoch hilfreich, auch in einer Phase der bereits aufgebauten Handlungskompetenz immer wieder innezuhalten und sich in den verschiedenen Rollen kritisch zu reflektieren, um sich auch berufsbegleitend nicht auf vermeintlich bereits erworbenen Kompetenzen auszuruhen, sondern diese stetig zu vertiefen und weiterzuentwickeln – einen forschenden Habitus aufzubauen.

3.4.4 Forschender Habitus als grundlegende Haltung Forschungswerkstätten zum Theologisieren mit Kindern – wie sie unter der Leitung von Freudenberger-Lötz im Rahmen der Lehrerausbildung in Kassel durchgeführt werden – stellen einen sinnvollen und effizienten Weg dar, die Entwicklung der für Lehrpersonen grundlegenden Kompetenzen zum Führen theologischer Gespräche anzubahnen und auf diese Weise zur Qualitätssicherung des Religionsunterrichts beitragen. Wer bereits im Studium lernt, sich im Kreislauf zwischen Aktion und Reaktion zu professionalisieren, entwickelt frühzeitig sowohl oben genannte Kompetenzen als auch einen Habitus forschenden Lernens, der in seiner Nachhaltigkeit nicht unterschätzt werden sollte. Gerade mit Blick auf das Beispiel der Kasseler Forschungswerkstatt macht sich auch Büttner für das Theologisieren als Einüben in einen Habitus stark und betont dabei, dass Lernfortschritte wechselseitig sowohl auf Seiten der Lehrer/ innen wie der Schüler/innen erzielt werden, wobei dies einen Etablierungsprozess erfordert, der sich längerfristig entwickelt.437 Gerade der forschende Habitus ist es auch, den das Projekt KompRU des Comenius-Instituts zur Entwicklung und Evaluation eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts in der Sekundarstufe 1 bei den beteiligten Lehrpersonen wecken möchte. Sie sollen sich nicht als Anwender vorgegebener fertiger Konzepte verstehen, sondern als forschende Entwickler.438

3.5

Zum Verhältnis von Wissen und Kompetenz

3.5.1 Wissen und Kompetenz – Widerspruch oder Ergänzung? Schließen sich Wissen und Kompetenz – man könnte auch fragen Inhalt und Kompetenz oder aber Input und Output – gegenseitig aus? Bedingen sie sich wechsel- oder einseitig? Dazu Rupp: 437 Vgl. Büttner, Einübung Habitus, 138+143. 438 Vgl. Feindt, KompRU, 295.

Zum Verhältnis von Wissen und Kompetenz

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»Als lernpsychologischer Kern kompetenzorientierten Lernens kann die Entwicklung von ›Schemata‹ im deklarativen439 Gedächtnis angesehen werden, in dem verfügbares Faktenwissen gespeichert ist. Vorausgesetzt wird dabei, dass Kompetenzen domänenspezifischen Charakter tragen. Sie werden gegenstandsorientiert erworben.«440

Das bestätigt Fischer : »Kompetenzen hat man nicht ›allgemein‹, sondern sie sind nur inhalts- und bereichsspezifisch zu haben, so wie Lernen sich immer bereichsspezifisch vollzieht.«441 Oder auch Obst: »Nur auf der Grundlage fundierten und strukturierten Wissens ist die Entwicklung von Kompetenzen möglich.«442 Und weiter : »Der besondere Brennpunkt des Lernens liegt auf dem Erwerb elementaren Wissens und grundlegender Fähigkeiten im Umgang und in der Auseinandersetzung mit Religion.«443

Dabei gilt nach Pemsel-Maier : »Das ›Material‹, mit dessen Hilfe Kinder ihre eigene Theologie konstruieren bzw. dekonstruieren, darf […] nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern muss aus der christlichen Tradition gespeist werden.«444 Sie identifiziert die Zurückhaltung gegenüber einer Theologie für Kinder als Indiz für eine gewisse Skepsis gegenüber einer inhaltsorientierten Didaktik, die die gegenwärtige Religionspädagogik bestimmt und konstatiert bezüglich des Gelingens von religiösen Lernprozessen eine mangelnde Erwartungshaltung bezüglich der Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten zugunsten erfahrungsorientierter, performativer, ästhetischer oder spiritueller Zugänge.445 Ähnliches stellt auch Englert in einer aktuellen Studie über Religionsunterricht fest: »Nach unseren Befunden tendiert der gegenwärtige Religionsunterricht dazu, die Kinder und Jugendlichen kognitiv eher zu unter- als zu überfordern.«446 Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der empirischen Studie von Georg Ritzer447 schwer zu verstehen, die die Bedeutung des Kompetenzbereichs Wissen bestätigt, in der bei Oberstufenschülern einzig im Wissensbereich signifikante Lernsteigerungen gemessen werden konnten. Eine kleinere Erhebung von Eder mit Elftklässlern bestätigt, dass Schüler/innen auch 439 Rupp, kompetenzorientiertes Lernen, 212 unter Bezug auf Seel, der deklaratives Wissen (knowing that) und prozedurales Wissen (knowing how) unterscheidet. 440 Rupp, kompetenzorientiertes Lernen, 212. 441 Fischer, religiöse Kompetenz, 7. 442 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 135. Vgl. ebd. den nächsten Gedanken. 443 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 138. Im Original kursiv. 444 Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 216. 445 Vgl. Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 214. 446 Englert, Hattie-Studie und RU, 449. 447 Vgl. dazu ausführlich Ritzer, Georg: Interesse – Wissen – Toleranz – Sinn. Ausgewählte Kompetenzbereiche und deren Vermittlung im Religionsunterricht. Wien, 2010. Eine intensivere Auseinandersetzung entfällt an dieser Stelle, da die von Ritzer erforschte Altersgruppe (Oberstufe) zu weit entfernt ist von der Altersgruppe der Probanden in der vorliegenden Studie (Anfangsunterricht).

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

in ihrer Selbstwahrnehmung religiöser Kompetenz einen Fokus auf den kognitiven Bereich, auf das Glaubenswissen legen.448 Die Lehrperson muss demnach in einem ersten Schritt überlegen, welche konkreten Kenntnisse ihre Schülerinnen und Schüler erwerben müssen, damit sie die Kompetenzen wissensbasiert anlegen können. Die in den Bildungsplänen angegebenen Kerncurricula, die inhaltlichen Kernthemen bilden hier ein wichtiges Bindeglied zwischen angestrebten Bildungsstandards und konkretem Unterricht der einzelnen Lehrkräfte mit den je individuellen Schülerinnen und Schülern. Die Frage des elementaren Wissensaufbaus als Voraussetzung für kompetenten Umgang damit ist in den Klassenstufen 1/2 wohl besonders brisant. Lehrerinnen und Lehrer müssen gerade am Schulanfang hochsensibel auf heterogene Lernvoraussetzungen reagieren. Zwar ist schon lange klar : »Alle Schülerinnen und Schüler kommen in den RU nicht als ›unbeschriebene Blätter‹, selbst wenn ihr Kenntnisstand gering und ihre Kompetenzen wenig ausgeprägt sind.«449 Jedoch überrascht der Grad an Heterogenität, der durch die vorliegende Studie festgestellt wurde, vermutlich auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen.450 Einerseits verfügen einzelne Kinder über derart vereinzelte Wissensbruchstücke, dass es nicht verwundert, dass noch wenig kompetenter Umgang mit ihnen festzustellen ist. Andererseits verfügen andere Kinder über ein sehr großes Vorwissen, benötigen jedoch vielfach Impulse von außen, um flexibel mit diesem umzugehen. Wiederum andere Kinder zeigen eine hohe Flexibilität und Kreativität im Umgang mit nur einigen Wissensbausteinen. Diesbezüglich gilt nach Obst »dass Kompetenz nicht nur ein Faktenwissen bezeichnet, sondern den Umgang mit diesem Wissen mit in den Wissensbegriff einschließt.«451 Im Klartext heißt dies, dass Faktenwissen einen grundlegenden Teilbereich von Kompetenz darstellt. Wer jedoch über keinerlei Wissensbausteine verfügt, kann nur schwerlich kompetent mit ihnen umgehen. Und wer über viel isoliertes, ›träges‹ Wissen verfügt, muss nicht zwingend auch schon kompetentes Verhalten damit aufgebaut haben. Über das rein religiöse Wissen und die theologische Kompetenz hinaus sind auch die am Schulanfang in höchst heterogener Weise vorliegenden allgemeinen Kompetenzen zu beachten. »Da auch der RU in weiten Teilen Sprachunterricht ist, spielen allgemeine Lese[- und Schreib]fähigkeit und sprachlich-hermeneutische Kompetenzen eine herausragende Rolle.«452 Eine Überbetonung dieser 448 Vgl. Eder, Schülerbefragung »religiöse Kompetenz«, 455 f. 449 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 157. Bei Obst nur Lesesfähigkeit. Hier ergänzt um Schreibfähigkeit, die in der vorliegenden Untersuchung ebenso ins Gewicht fällt, da die Probanden sie erst in ihrem Verlauf entwickeln. 450 Vgl. die exemplarisch ausgewählten und näher betrachteten Kinder in Kapitel 8. 451 Schluß, Niveaus religiöser Kompetenz, 58. 452 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 157.

Zum Verhältnis von Wissen und Kompetenz

117

allgemeinen Kompetenzen würde einer Fokussierung auf die theologische Kompetenz zwar entgegenlaufen, zu wenig Beachtung dagegen gerade im Blick auf das Theologisieren mit Kindern sowie die Gestaltung einer anregenden Lernumgebung unweigerlich zu didaktisch-methodischen Fehleinschätzungen führen.

3.5.2 Kontextualisierter vs. entkontextualisierter Wissens- und Kompetenzerwerb »Der Aufbau von höheren Kompetenzstufen, die mit Handlungskompetenz und Können verbunden sind, gelingt nur, wenn Wissen stets der Bewährungsprobe erfolgreicher Leistung unterzogen ist. Die Verknüpfung von Wissen und Können darf also nicht auf Situationen ›jenseits der Schule‹ verschoben werden. Vielmehr ist bereits beim Wissenserwerb die Vielfalt möglicher Anwendungs-Situationen mit zu bedenken. Bedeutsam ist hier der Aufbau ›domänenspezifischer Schemata‹. Diese sind in Anwendungssituationen erworbene Wissensstrukturen, die von den Lernenden auf Grund ihrer Lern-Erfahrungen solcherart verallgemeinert und systematisiert werden, dass sie künftig auch auf andere Situationen anwendbar sind. Aus der empirischen pädagogischen Forschung ist bekannt, dass der Erwerb solcher Schemata beispielsweise durch fallbasierte Lehr-Lern-Umgebungen unterstützt werden kann.«453

Für Obst bedeutet dies: »Es kommt also darauf an, sich theologisches Wissen sozusagen in actu, also im Zuge der Auseinandersetzung mit Anforderungssituationen anzueignen, seine Reichweite und sein Deutungspotenzial zu erproben und dabei Kompetenzen zu erwerben, die auch in anderen Situationen nutzbar sind. Nur dann geraten die erworbenen Kenntnisse nicht in den Dunstkreis des ›trägen Wissens‹, das ebenso schnell vergessen wird, wie es angeeignet wurde, oder das ein Schattendasein als brachliegender Datenmüll des Unterrichts fristet.«454

Dem stimmt Rupp zu: »Da kompetenzorientiertes Lernen auf den Gebrauch von Kompetenzen in variablen Situationen zielt, kommt dem Transfer des unterrichtlich erworbenen Wissens auf neue Situationen eine wichtige Bedeutung zu. Eine besondere Rolle spielt dabei die Anwendung des Wissens im Alltag bzw. in konkreten Praxisfeldern.«455

Allerdings betont Rupp zu Recht, dass die angestrebten Transferleistungen abhängig von der Menge des erworbenen Wissens sind. Erst dann, wenn ausreichend Wissen vorhanden ist, ist ein Transfer möglich. Deshalb stellt sich für die 453 Klieme, Expertise, 79. 454 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 172. 455 Rupp, kompetenzorientiertes Lernen, 215.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

vorliegende Studie mit jungen Kindern die Frage, inwiefern gerade im Religionsunterricht der Klassenstufen 1 und 2 die Aufgabe besteht, zunächst spezifisch kontextualisiertes Wissen aufzubauen. Beziehungsweise, ob den heterogenen Lernvoraussetzungen von rudimentärem bis detailliertem Wissen insofern Rechnung getragen werden muss, dass ein Teil der Schülerinnen und Schüler kontextualisierte Aufgaben erhält, um Wissen zunächst aufzubauen, ein anderer Teil Aufgaben mit Anforderungssituationen erhält, um bereits erworbenes Wissen in ersten Schritte zu entkontextualisieren. Die richtige und nachhaltig anzustrebende Frage der Entkontextualisierung kann demnach wohl erst der zweite Schritt nach dem Aufbau von kontextualisiertem Wissen sein. Für Kinder, die mit rudimentären Wissensbestandteilen als Lernvoraussetzung in die Schule kommen wäre es eine enorme Leistung, wenn sie am Ende von Klasse 2 zentrale Inhalte einiger biblischer Geschichten von Jesus benennen und in korrekter Reihenfolge erzählen können. Das entspräche dem Aufbau von kontextualisiertem Wissen und kontextualisierter narrativ theologischer Kompetenz. Dazu noch einmal Rupp: »Weil Kontexte den Gebrauch erworbenen Wissens prägen, kommt der allmählichen ›Entkontextualisierung des Wissens‹ eine wichtige Funktion zu.«456 Eine im Unterricht realisierbare Lösung kann durch den Einsatz von differenzierten Lernangeboten gelingen, die bei der Erstbegegnung kontextualisierte Lernmöglichkeiten, bei der bereits erfolgten Mehrfachbegegnung Anforderungssituationen mit Transferleistungen verschiedener Niveaus enthalten. Die Erstbegegnung mit religiösen Lerninhalten kann gemäß den Erkenntnissen des domänenspezifischen Lernens bei Kindern zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden. Bei einigen Kindern wird sie vor, bei anderen erst während des schulischen Religionsunterrichts stattfinden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Form eines Spiralcurriculums, in dem gleiche Inhalte auf unterschiedlichen Niveaus immer wieder aufgegriffen werden. So auch Obst: »Kompetenzorientiertes Arbeiten legt besonderen Wert auf einübende und wiederholende Vernetzung von Wissen und Verankerung von Fähigkeiten.«457 Mittels Sicherungsformen wie Portfolios, die sowohl individuelle Lernfortschritte als auch vielfältige Zusammenhänge darstellen und längerfristige Rückgriffe darauf ermöglichen kann es auch gelingen, RU-spezifisch aufgebautes Wissen nachhaltig im Langzeitgedächtnis zu verankern. Rupp konstatiert diesbezüglich ein Versäumnis des Religionsunterrichts der vergangenen 50 Jahre, in denen keine eigenständige Wiederholungskultur entwickelt worden ist.458

456 Rupp, kompetenzorientiertes Lernen, 215, im Original ohne Hervorhebung. 457 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 66. Vgl. hier auch den Gedanken zu Portfolios. 458 Vgl. Rupp, kompetenzorientiertes Lernen, 218.

Konsequenzen für die Durchführung der Studie

3.6

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Konsequenzen für die Durchführung der Studie

3.6.1 Didaktisch-methodische Konsequenzen für den Unterricht459 Erstens: Unvermeidliche Reduktion religiöser Bildung auf überprüfbare Kompetenzen. Die vorliegende Studie, die der Erforschung der Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz am Beispiel der Thematik »Jesus Christus« dient, muss sich zwangsläufig auf den operationalisierbaren Kernbestand von Unterricht beschränken. Deswegen steht bei der Datenerhebung sowie -auswertung die Kognition im Vordergrund. Dennoch wird der während der Studie stattfindende Religionsunterricht ganzheitlich gestaltet. Anhand der Unterrichtsdokumentation460 wird dies deutlich. Die Datenerhebung und -auswertung fokussiert dagegen auf kognitive Aspekte461, die einen wichtigen Teil, nicht jedoch den Gesamtunterricht darstellen. Zweitens: Lernstandsdiagnose und Umgang mit Heterogenität. Für den im Rahmen dieser Studie durchgeführten Unterricht spielen die heterogenen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle. Sie werden im Rahmen der Gesamtstudie durch Leitfadeninterviews mit den Probanden während ihrer Vorschulzeit erhoben. Das erhobene Spektrum umfasst eine Bandbreite von rudimentär vorhandenen Wissensbruchstücken zu bereits vernetzten Wissensbausteinen verbunden mit hoher Kompetenz bezüglich narrativer Denkweise.462 Dieser Heterogenität muss der Religionsunterricht Rechnung tragen, wenn er den einzelnen Kindern gerecht werden will. Ein Beispiel: Während es für einen Teil der Kinder notwendig ist, zunächst im gebundenen Kontext des Religionsunterrichts eine Erstbegegnung mit einem biblischen Text zu ermöglichen und diese dann im Blick auf die Ausbildung einer narrativen Kompetenz in Bildern ordnen und einem Mitschüler nacherzählen zu lassen, ist es für einen anderen Teil der Kinder, die über eben jene narrative Kompetenz in Bezug auf diese Geschichte bereits verfügen, notwendig, eine ihnen angemessene Anforderungssituation zu finden. Diese kann durchaus 459 Hierbei handelt es sich zuallererst um Konsequenzen, die mit Blick auf den konkret durchgeführten Religionsunterricht zur Unterrichtseinheit Jesus Christus in den Klassen 1 und 2 im Rahmen der vorliegenden Studie zur Genese religiösen Wissen und theologischer Kompetenz gezogen werden. Die genannten Aspekte können jedoch auch allgemein für Unterricht gelten, wenn man die Diskussion um Kompetenzen und Bildungsstandards ernst nimmt und didaktische Konsequenzen daraus zieht. 460 Vgl. Anhang 11.4. 461 Im Unterricht auf theologische Gespräche sowie auf kognitive Aufgaben aus dem Portfolio, außerhalb des Unterrichts auf halbstandardisierte Interviews. Vgl. zum Forschungsdesign Kapitel 6.2 und zu den Ergebnissen Kapitel 7 in Bezug auf die theologischen Gespräch sowie Kapitel 8 bezüglich individueller Entwicklungsverläufe. 462 Vgl. ausführlich zu den Ergebnissen der Vorschulinterviews Kapitel 8.x.1.2.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

bereits Aspekte der Entkontextualisierung enthalten oder noch kontextuell gebunden sein, kann z. B. Ansätze einer metaphorischen Deutung oder die Klärung eines Begriffs beinhalten. Im Unterricht kann das durch differenzierende Lernaufgaben oder durch offene Lernaufgaben, die eine Bearbeitung auf unterschiedlichen Niveaus zulässt, erreicht werden. Drittens: Kindertheologie als didaktisches Leitbild für den Unterricht. Der unter 3.3.2 aufgeführte Beitrag der Kindertheologie zur Kompetenzdebatte legt eine enge Verknüpfung der beiden didaktischen Leitbilder nahe. Unterricht, der sich dem didaktischen Leitbild der Kindertheologie verpflichtet fühlt, in dem theologische Gespräche zunächst eingeübt und danach stetig geführt werden, kann in hohem Maße dazu beitragen, dass Kinder theologische Kompetenzen erwerben. Insofern werden theologische Gespräche in dem die Studie begleitenden Unterricht einen großen Raum einnehmen. Viertens: Anschlussfähigkeit religiöser Bildung: Im Blick auf theologische Kompetenz gilt ebenso wie im Blick auf Wissensbestände das Prinzip des lebenslangen Lernens. Das nimmt Lehrpersonen in die Pflicht, bei Schülerinnen und Schülern wahrzunehmen, an welche Kompetenzen bereits angeknüpft werden kann. Das mag bei einigen Schülern eine durch religiöse Sozialisation narrative Kompetenz im Blick auf biblische Geschichten sein, bei anderen, auch säkularer sozialisierten Kindern die Fähigkeit, Fragen zu formulieren und Dinge zu hinterfragen und bei wieder anderen die Fähigkeit, sich sprachlich gut auszudrücken oder Gedanken mit anderen zu ko-konstruieren. Immer gilt es, die auffindbaren – heterogenen – Ressourcen sowohl im Blick auf die individuelle Weiterentwicklung des Einzelkindes als auch im Blick auf die Gesamtklasse – z.B. im Rahmen theologischer Gespräche – zu nutzen.

3.6.2 Praxisforschung als Konsequenz »Die inhaltsbezogenen Kompetenzen des Kerncurriculums formulieren Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung von Unterrichtssequenzen. Zu fragen bleibt, ob diese Kompetenzerwartungen in der Tat Ergebnisse von Unterricht beschreiben. An dieser Stelle ist empirische Unterrichtsforschung gefragt, ohne die der Kompetenzansatz seine erklärte ›Bodenhaftung‹ nicht einlösen kann.«463

Genau an dieser Stelle kann die vorliegende Studie ansetzen. Die in 3.2.2 ausgeführten Überlegungen zeigen, dass im Blick auf den tatsächlichen Kompetenzerwerb im Religionsunterricht der Grundschule bislang unzureichend empirisches Material vorliegt. Insofern liefert die vorliegende Untersuchung, obwohl sie qualitativ mit einer kleinen Probandengruppe arbeitet, praxisbezogene 463 Kraft, Kompetenzüberprüfung, 51.

Konsequenzen für die Durchführung der Studie

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Ergebnisse, die einen neuen Bereich auf der empirischen Landkarte erhellen, die insgesamt noch zahlreiche weiße Flächen enthält. »Auch wenn sich die Darstellung auf einzelne, sehr individuelle Lernverläufe [und exemplarisch ausgewählte theologische Gespräche] beschränkt, ermöglicht sie Rückschlüsse, die verallgemeinerbar sind und auf Grundsätzliches verweisen. Im Entdecken von Gemeinsamkeiten oder auch in distanzierender Abgrenzung erhalten am Religionsunterricht Interessierte [aus Praxis und Wissenschaft] somit Beobachtungsmuster […].«464

Die qualitativ gefundenen Ergebnisse lassen sich zwar nicht beliebig verallgemeinern, können jedoch auch nicht ignoriert werden. Sie liefern Anhaltspunkte, auf die in der Praxis sowie in weiteren Forschungsarbeiten aufgebaut werden kann. Ausgehend von Feindts These465, dass Praxisforschung notwendiger Bestandteil der Implementierungsstrategie von Bildungsstandards und Kompetenzorientierung ist, weil eine Implementierung nur von oben herab ohne Einbindung der Lehrkräfte an der Schule nicht zum Erfolg führen wird, da die Ergebnisse oft praxisfern sind und von Praktikerinnen und Praktikern nicht wahrgenommen werden, stellt die vorliegende Studie als Verbindung zwischen Unterricht und Forschungsinteresse ein Beispiel für die notwendige »didaktische Wendung der administrativen Vorgaben und empirischen Erkenntnisse«466 dar. Auch Englert bestärkt die durch die Hattie-Studie bestätigte Einschätzung, dass gerade Praxisforschung relevant ist. »Er [Hattie] möchte, dass Lehrende zu Forschenden in ihrem eigenen Unterricht werden; dass sie nicht aufhören, ihre Praxis zu beobachten und zu bedenken, besonders aus der Perspektive ihrer Schülerinnen und Schüler ; er wünscht sich Lehrerinnen und Lehrer, die Freude daran haben, zu experimentieren und die Wirkung des eigenen Handelns zu analysieren – ganz besonders im Blick auf die Schülerinnen und Schüler, die man zu ›vergessen‹ und abzuhängen droht.«467

Dem soll mit der vorliegenden Studie entgegen gewirkt werden. Indem hier im Sinne der Aktionsforschung sowohl die Rolle der Lehrkraft als auch diejenige der Forscherin eingenommen wird, steht zu erwarten, dass die Ergebnisse auch im schulischen Alltag relevant werden, weil sie der komplexen Unterrichtssituation entsprechen. So entsteht ein kleiner, aber realer Einblick in die von Schülerinnen und Schülern erworbenen Kompetenzen und ihr konstruiertes Wissen über Jesus Christus innerhalb der ersten beiden Schuljahre. 464 465 466 467

Hennecke, was lernen Kinder, 16. Vgl. dazu Kapitel 3.2.2, hier bezogen auf Feindt, KompRU 300 und 298. Feindt, KompRU, 297. Englert, Hattie-Studie und RU, 450.

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Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

3.6.3 »Theologische Kompetenz« als Forschungsgegenstand Aufgrund der selbst nach einem jahrelangen Prozess noch immer bestehenden Schwierigkeit eine befriedigende Definition »religiöser Kompetenz« zu finden, soll die Verwendung des von Mirjam Zimmermann vorgeschlagenen Begriffs der »theologischen Kompetenz« im Rahmen der vorliegenden Studie leitend sein. Insbesondere die in 3.3.1 nachvollzogene Argumentation, der Begriff »theologische Kompetenz« könne die Unschärfeproblematik abmildern ist dafür ausschlaggebend. In der vorliegenden Untersuchung ist es notwendig auf einen Begriff aufzubauen, der es erlaubt, die operationalisierbaren – in diesem Fall kognitiven – Aspekte zu fokussieren. Die notwendige Einschränkung auf einen Teilaspekt von religiöser Kompetenz stellt nicht in Frage, dass Religionsunterricht immer mehr ist als Kompetenzerwerb und religiöse Bildung stets einen Mehrwert vor religiöser Kompetenz hat.468. Die Entscheidung für »theologische Kompetenz« als Forschungsgegenstand liegt auch darin begründet, dass dieser Begriff eine Brücke zwischen schulischer und universitärer religionspädagogischer Bildung schlägt469. Da es insgesamt ein Anliegen dieser Forschungsarbeit ist, zwischen religionsunterrichtlicher Praxis und theoriegeleiteter Wissenschaft zu vermitteln, kommt diese Verknüpfung von Kindertheologie und theologischer Kompetenz bestens gelegen. Hier treffen ein didaktisches Leitbild von Religionsunterricht und die Forderung nach Kompetenzorientierung in fruchtbarer Weise aufeinander. Betrachtet man die ausführlichen Kompetenzkataloge von Zimmermann470und Rupp471 wird rasch klar, dass eine alle Kriterien umfassende Analyse nicht leistbar ist. Deshalb wird der Fokus auf einzelne Kompetenzaspekte gelegt. Das ist sowohl dem jungen Alter der Probanden (5 – 8 Jahre) geschuldet – auf die zahlreiche Kompetenzen, zumindest was den Mindeststandard anbelangt, noch nicht zutreffen können – als auch der Durchführbarkeit der Studie. Gemäß der Idee der grounded theory bleibt eine Offenheit für sich aus den erhobenen Daten ergebende Kriterien. Es ist davon auszugehen, dass gerade mit Blick auf die Theorie des domänenspezifischen Lernens, einzelne Kinder Kompetenzen aufweisen, die durchschnittlich nicht von allen erreicht werden können und während der ersten zwei Schuljahre auch nicht zwingend erreicht werden müssen. Die Fähigkeit, theologische Fragen stellen und verarbeiten zu können, soll 468 Vgl. Kapitel 3.2.1. 469 Zimmermann, theologische Kompetenz, 142. 470 Vgl. zu den einzelnen Kriterien die Übersicht in Zimmermann, theologische Kompetenz, 163. 471 Vgl. dazu Rupp, Kompetenzerwerb, 147 f. Sowohl die Kriterienkataloge von Zimmermann als auch von Rupp dienen im Weiteren als Grundlage der Auswahl und weiterführender Überlegungen.

Konsequenzen für die Durchführung der Studie

123

kurz hervorgehoben werden, da sie im Rahmen der Studie wichtig werden könnte.472 Die Fähigkeit, Fragen stellen zu können, ist wohl eine grundlegende. Fragen zu stellen zeigt das eigene Interesse an Themen und den Drang, Neues zu entdecken, das entweder dem eigenen Denken untergeordnet werden oder aber dasselbe erweitern bzw. umstrukturieren kann. Zu erwarten ist im Rahmen der vorliegenden Studie deshalb, dass Kinder, die durch eine besonders intensive interessierte Fragehaltung auffallen, insgesamt einen hohen Wissens- und Kompetenzzuwachs aufweisen werden. Aber auch das sich Einlassen auf Fragen von außen, die Bereitschaft, Antworten zu suchen, ist wichtig. Bereits in den Vorschulinterviews kann man Unterschiede bezüglich der Bereitschaft erkennen, sich auf theologische Fragen einzulassen. Die Bandbreite variiert von eigenen Antwortversuchen, Rückgriffen auf individuelles Vorwissen bis hin zu einer ablehnenden Haltung im Sinne von ›Weiß ich nicht!‹. In den theologischen Gesprächen während Klasse 1 und 2 lässt sich dann noch intensiver analysieren, ob einzelne Kinder durch eine besondere Fragehaltung auffallen und wenn ja lässt sich am Ende von Klasse 2 in den weiterführenden Interviews feststellen, ob dies Auswirkungen hatte. Hier lässt sich auch erkennen, ob die Kinder bereit sind, Antworten allein oder gemeinsam zu suchen, sich dabei eher auf Vorwissen beziehen oder kreativ neue Gedanken ausprobieren. Im zuletzt Genannten ist bereits eine Überleitung zu einem weiteren Kompetenzaspekt enthalten. Besonderes Augenmerk wird auf die Analyse der Kommunikationsfähigkeit der Kinder innerhalb der Gruppe gelegt, vor allem auf auftretendes ko-konstruktives Verhalten. Inwieweit sind Erst- und Zweitklässler bereits in der Lage, aufeinander einzugehen, eigene Gedanken nicht nur selbst zu äußern, sondern anderen auf Nachfragen zu erläutern sowie die Vorstellungen von anderen angemessen wiederzugeben und an sie anzuknüpfen? Zusätzlich wird an exemplarisch ausgewählten Gesprächen untersucht, welchen Einfluss das theologische Gruppengespräch auf die individuellen Konstruktionsresultate der Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Vertiefungsaufgaben hat. Drücken die Kinder beispielsweise in einem Bild mit freien Schreibanteilen nur diejenigen Gedanken aus, die sie selbst im Gespräch geäu-

472 Vgl. mit Blick auf die Notwendigkeit einer Kultur des Umgangs mit großen Fragen im Religionsunterricht grundlegend Oberthür, in dessen didaktischer Sicht das Fragen große Bedeutung hat wie schon seine Buchtitel verdeutlichen, vgl. z. B. Oberthür, Kinder fragen nach Leid und Gott oder ders., Neles Buch der großen Fragen oder ders, Kinder und die große Fragen. Vgl. für die aktuelle Diskussion mit Blick auf einen Religionsunterricht, der Schülerfragen ernst und angemessen aufnimmt, insbesondere Zimmermann (Hrsg.), Fragen im Religionsunterricht. Vgl. für den Stellenwert der Frage im Unterrichtsalltag auch Miederer, Gespräch, 8, die das Fragen stellen können als eine von drei notwendigen Fähigkeiten im Gespräch betrachtet.

124

Überblick über die Bildungsstandard- und Kompetenzdiskussion

ßert haben oder haben sie sich von den Ideen anderer Kinder anregen lassen und gehen über ihre eigenen Vorstellungen hinaus? Ein weiterer Schwerpunkt wird bei der Analyse der Fähigkeit zu narrativer Denkweise gesetzt. Dieser Aspekt zeigt eine wichtige Verknüpfung zwischen religiösem Wissen und theologischer Kompetenz. Hier werden domänenspezifischer Wissensaufbau und inhaltsbezogene Kompetenzentwicklung anschlussfähig, vgl. Kapitel 2 und 3.5. Inwiefern gelingt es Kindern, die z. T. nur mit rudimentären Wissensbruchstücken zu biblischen Geschichten in die Schule kommen, diese am Ende von Klasse 2 narrativ (flüssig, zusammenhängend) darstellen zu können? Im Erwerb narrativer Kompetenz liegt eine wichtige Aufgabe des Religionsunterrichts in den Anfangsjahren, aber auch während der gesamten Grundschulzeit. Auf diese narrative Kompetenz können die Schülerinnen und Schüler später in Anforderungssituationen zurückgreifen. Hier geht es zunächst darum, kontextualisiertes Wissen zu erwerben, das in einem zweiten Schritt innerhalb von Anforderungssituationen allmählich entkontextualisiert werden kann. Mit der Fokussierung auf einige zu analysierende Kriterien gelungener theologischer Kompetenz wird keine generelle Einschränkung verbunden. Gemäß der Idee des domänenspezifischen Wissens- und Kompetenzaufbaus ist klar, dass einzelne Kinder über die ausgewählten Kompetenzen hinaus über weitere verfügen, siehe die umfassenden Kompetenzkataloge von Rupp und Zimmermann. Metaphorische und paradoxe Denkweisen sowie hermeneutische Kompetenzen sind möglich, vgl. z. B. die Untersuchungen von Ruben Zimmermann zum Verständnis der Senfkornmetapher im Kindergarten, aber nicht grundsätzlich von allen Kindern zu erwarten und müssen deshalb in Klasse 1/2 nicht als Mindeststandards angestrebt werden. Es gilt gerade im Blick auf kognitive Fähigkeiten und als Grundlage der Kompetenzen Fragen stellen, Fragen verarbeiten, narrative Denkweise den Aspekt des Faktenwissens neu zu stärken. Angesichts der Tatsache, dass Kinder z. T. mit höchstens als rudimentär zu bezeichnendem Faktenwissen in den Religionsunterricht kommen473, ist der Erwerb eines grundlegenden Wissens als Teilaspekt theologischer Kompetenz nicht zu vernachlässigen. Deswegen wird die Analyse theologischer Kompetenz eng verknüpft sein mit der Analyse des religiösen Wissens in Wissenslandkarten. Erst die notwendige Zusammenschau beider Aspekte zeigt ein Gesamtbild des theologischen Denkens eines Kindes sowie seiner Entwicklung.

473 Vgl. z. B. in Kapitel 8.2.1.2 im Fallbeispiel von Franziska.

4

Christologie von Kindern

4.1

Christologie im Kontext der Entwicklungspsychologie

4.1.1 Entwicklungs- und religionspsychologische Neuorientierung474 Die Entwicklungspsychologie hat in den vergangenen Jahren einen Paradigmenwechsel vollzogen, der, so Büttner, in der Religionspädagogik faktisch nicht wahrgenommen wurde.475 Obwohl die Entwicklung der Vorstellungen zur Christologie in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum vergleichsweise gut erforscht worden ist, nimmt keiner der Beiträge explizit zur theoretischen Überlegung der gegenstandsbezogenen Entwicklungspsychologie Bezug.476 Man kann daraus folgern, dass die gegenstandsbezogenen Entwicklungstheorien in der Religionspädagogik bislang nicht ausreichend rezipiert oder in Forschungsarbeiten umgesetzt wurden. In gleicher Weise gilt, dass die Wissensdomäne der Theologie, bzw. des Religiösen innerhalb der gegenstandsbezogenen Theoriebildung bislang noch zu wenig Beachtung gefunden hat, was nach Fried weniger ein inhaltliches als vielmehr ein strukturelles Problem darstellt: »Noch kaum ausgelotet ist demgegenüber die Wissensstrukturentwicklung junger Kinder in den sogenannten ›schwachen Domänen‹.«477 Für den Bereich der »naiven Philosophie« sowie der »naiven Theologie« junger Kinder sieht sie immerhin erste empirische Erkundungen, doch gibt sie zu bedenken, dass viele derselben auf qualitativen Zugängen, z. T. sogar auf Einzelfallstudien beruhen.478 474 Vgl. gerade in Bezug auf die kognitiv-strukturgenetische Theorie von Jean Piaget ausführlich Kapitel 2.7.1.1. 475 Vgl. Büttner, Abschied von Piaget, 210. 476 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 208. Bei einer echten Bezugnahme auf die gegenstandsbezogenen Entwicklungspsychologien müsste der Blick insbesondere auch auf Prozesse in der frühen Kindheit gerichtet werden, der Frage nach angeborenen Verstehensstrukturen sowie der Ausbildung allererster Schemata. 477 Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 25. 478 Vgl. Fried, Forschungsergebnisse, Wissenslandarten, 25.

126

Christologie von Kindern

Insbesondere Büttners Konzept einer intuitiven Theologie auf der Grundlage der Kontingenzverarbeitung soll an dieser Stelle positiv hervorgehoben werden.479 Das Novum der gegenstandsbezogenen Entwicklungstheorie ist die Erkenntnis der Bedeutung der Wissensdomäne. Die Idee einer Stufenentwicklung, nach der sich ein Kind einer bestimmten Altersstufe generell, d. h. in Bezug auf alle Wissensbereiche auf einem bestimmten Entwicklungsniveau befindet, wurde infragegestellt von der Vorstellung, »dass das Niveau der Operation auch davon abhängt, wie viel der/die Einzelne von der gerade verhandelten Sache versteht.«480 Die Ausführungen in Kapitel 2.3.2 ›Zur Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb‹ machen deutlich, dass diese Aussage noch gesteigert werden kann, derart, dass insbesondere das Wissen zu einem Sachverhalt das Niveau der Operationen ermöglicht.481 Negativ formuliert bedeutet das: »Wer [im Bereich der Religion] keine Instruktion erfahren hat, der mag zwar im Sinne Piagets etwa von der konkreten zur formalen Operation vorangeschritten sein, er wird dennoch ein religiöser ›Novize‹ bleiben. Wenn eine Wissensbasis fehlt, wird es auch schwer sein, komplexere Denkoperationen in diesem Feld vorzunehmen.«482

Positiv gewendet heißt dies aber auch: Wer in der religiösen Domäne frühzeitig Instruktion erfahren oder durch förderliche Lernumgebungen die Möglichkeit zur Konstruktion erhalten hat, kann in diesem Bereich schon früh Expertenstatus erreicht haben und komplexere gedankliche Operationen vollziehen als in anderen Bereichen.483 Es ist demnach konsequent im Zuge der neueren Entwicklungspsychologie – unter teilweiser Zurückstellung des Lebensalters – die Unterscheidung zwischen Novizen und Experten als relevante Größe einzuführen.484 Deswegen wird es im Blick auf diese Studie bedeutsam sein zu erheben, welche Vorerfahrungen bzw. welches Vorwissen die Probanden bereits aus dem Elternhaus sowie dem Kindergarten mitbringen.485 »Wenn kognitive Entwicklung in Wissensdomänen vonstatten geht, dann heißt das, dass man neben dem Vgl. Büttner, Kontingenzverarbeitung, 152 – 166. Büttner, Abschied von Piaget, 210. Vgl. dazu auch Fried, Wissens als wesentliche Konstituente. Büttner, Abschied von Piaget, 210. Das bestätigen für die Domäne Religion sowohl zahlreiche Artikel im Jahrbuch für Kindertheologie, die teilweise Gespräche mit Kindern aus sehr förderlichem Umfeld nachzeichnen wie auch beispielsweise die qualifizierten Beiträge von Schülerinnen und Schülern in Klassen, die im Theologisieren geübt sind, vgl. z. B. Freudenberg-Lötz, theologische Gespräche. 484 Vgl. die Forderung von Büttner, Kindertheologie und Theologie, 20. Hier auch den nachfolgenden Gedanken. 485 Die im Rahmen der vorliegenden Studie entwickelten und eingesetzten Fragebögen finden sich in 11.1.

479 480 481 482 483

Christologie im Kontext der Entwicklungspsychologie

127

Alter der Schüler/innen immer auch in Rechnung stellen muss, was jeder Einzelne von der behandelten Sache bereits weiß.«486 Die Probanden können demnach im Blick auf die im Religionsunterricht möglichen Lernprozesse zunächst eher als Novizen oder als Experten eingeordnet werden, was wiederum Konsequenzen für die Differenzierung im Unterricht nach sich zieht. Konsequenterweise muss im Rahmen dieser Studie der Blick auf die Teildomäne Christologie innerhalb der Domäne des Religiösen gelenkt werden, denn es gilt: »Der Wissenspool selbst differenziert sich thematisch auf [!] und gewinnt an Komplexität. So ist es sinnvoll, der Ausdifferenzierung des Religionswissens dadurch Rechnung zu tragen, dass Teildomänen wie Gotteslehre, Christologie oder Anthropologie konsequenterweise eine je eigene Entwicklungspsychologie brauchen.«487

Das Entwicklungstempo kann in verschiedenen Teildomänen unterschiedlich hoch sein.488 Büttner geht sogar soweit für jede religiöse Teilfrage Überlegungen (und evtl. Forschungsarbeiten) zur Logik des Themas im Horizont kindlicher Rezeption zu fordern.489

4.1.2 Zum Umgang mit klassischen Entwicklungstheorien Wie soll man hinsichtlich der oben dargestellten Neuorientierung im Rahmen der Entwicklungspsychologie mit den klassischen Entwicklungstheorien umgehen? Haben sie weiterhin Bedeutung und wenn ja, welche? Von Piaget bleibt in jedem Fall die Erkenntnis, »dass wir alle Wahrnehmung in Schemata assimilieren bzw. unsere Schemata neu akkommodieren«490. Büttner sieht Piaget demzufolge zurecht weiterhin als bis heute wirksamen Vater 486 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 36.Vgl. hier auch folgendes Beispiel: Jemand, der kein materielles Wissen über Landwirtschaft, Geld und Bezahlung im Israel zur Zeit Jesu hat, kann keine theologische Absicht verstehen. Auch ein Mangel an Wissen über religiöse Sprache und Symbolik kann dazu führen, dass komplexe Sachverhalte nicht nachvollzogen werden können, auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits komplexe Sachverhalte in Mathematik und Biologie bewältigt werden können. 487 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 31. 488 Es steht zu erwarten, dass gerade durch die Teilnahme an der vorliegenden Studie die Entwicklung der Probanden im Bereich der Teildomäne Christologie begünstigt wird. Halbstandardisierte Interviews, zahlreiche mit Mikrophon aufgezeichnete und so als wichtig gekennzeichnete Gespräche, ein besonderer Ordner als Portfolio usw. zeigen den Schülerinnen und Schülern erstens, dass ihre Beiträge in besonderer Weise Beachtung finden und führen zu einer intensiven Auseinandersetzung, die andere im Religionsunterricht aufgenommene Teildomänen nicht erfahren. 489 Vgl. Büttner, Abschied von Piaget, 211. In diesem Sinne werde ich ab Kapitel 4.3 den Blick auf Teildomänen der Christologie lenken, z. B. Wunderverständnis, Verständnis der Gottessohnschaft Jesu, Wissen über die Geburt Jesu etc. 490 Büttner, Abschied von Piaget, 212. Vgl. hier auch den nachfolgenden Gedanken.

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Christologie von Kindern

einer konstruktivistischen Weltsicht. Neu ist unter Einbezug der gegenstandsbezogenen Entwicklungstheorien ›nur‹ die Erkenntnis, dass Entwicklung nicht in allen Bereichen zeitgleich geschieht, sondern in Teildomänen unterschiedlich schnell vonstatten geht. Prinzipiell ermöglichen die Stufentheorien jedoch Vorstrukturierung darüber, »welche kognitiven Voraussetzungen und Grenzen zu beachten sind, wenn man entwicklungsgerecht von Jesus sprechen will und welches Verständnis man erwarten kann«491. Nicht weniger, aber auch nicht mehr – gewissermaßen eine Disposition die jedoch nicht naturgemäß gilt, sondern im konstruktivistischen Sinne gesehen werden muss. Innerhalb dieser Disposition werden Inhalte von den Kindern subjektiv verarbeitet. Impulse von außen492 – sowohl von Eltern, Kirche, Lehrkraft wie auch von Gleichaltrigen – können das Denken der Kinder anstoßen und in ihrer Weltsicht verankert werden, wobei jedes Kind subjektiv entscheidet, ob es einen Impuls in sein Denken assimiliert oder sein Denken entsprechend des Impulses akkommodiert. »Dies führt zu eigenständigen Gestaltungen mit philosophischem und theologischem Wert. Die entwicklungspsychologischen Überlegungen können zwar Besonderheiten und auch Grenzen eines solchen Denkens aufzeigen, der Eigenwert der Inhalte der kindlichen Reflexion wird dadurch aber nicht in Frage gestellt.«493

Ebenso wenig wie die Vielfalt und Variabilität religiöser Lern- und Entwicklungsprozesse.494 Deshalb gilt auch heute noch: »Piagets Erkenntnis, dass wir alle Wahrnehmung in Schemata assimilieren bzw. unsere Schemata neu akkommodieren, ist demnach ein hermeneutischer Schlüssel zu den genannten Ansätzen und darüber hinaus für eine konstruktivistisch oder sogar dekonstruktivistisch argumentierende Religionspädagogik.«495

Zimmermann betrachtet das Wissenselement als eine wesentliche Komponente der Entwicklung.496 Sie plädiert im Zuge dessen dafür, kindliche Artefakte zu einem bestimmten Thema mit dem Paradigma der »domain specificities« als 491 Grom, Religionspädagogische Psychologie, 239. 492 Für diese Impulse gilt im Sinne einer verantworteten Theologie für Kinder gerade im Kontext von Schule und Jugendarbeit, dass sie nicht dem Zufall überlassen sein dürfen. »Das ›Material‹, mit dessen Hilfe Kinder ihre eigene Theologie konstruieren bzw. dekonstruieren, darf […] nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern muss aus der christlichen Tradition gespeist werden.« Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 216, vgl. ebd. auch 213 – 219. 493 Büttner, Jesus hilft, 90. 494 Vgl. Grom, religionspädagogische Psychologie, 79. 495 Büttner, Abschied von Piaget, 212. 496 Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 398. Was Fried allgemeinpädagogisch im Vorschulbereich konstatiert – Wissen als wesentliche Komponente der Entwicklung, vgl. Fried, Expertise – führt Zimmermann insofern im theologischen Bereich mit Blick auf Heranwachsende fort.

Christologie im Kontext der Entwicklungspsychologie

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Landkarte des Denkens in inhaltliche Bereiche zu systematisieren und zu beschreiben.497 »Je umfangreicher das domänenspezifische Wissen der Kinder war, desto differenzierter konnten sie das Problem bearbeiten. Eine Kartographie theologischen Denkens sollte immer inhaltsbezogen sein, kann sich also nicht auf ›Denkformen‹ allein beziehen.«498 Büttner und Dieterich plädieren für eine Synthese der gegenstandsbezogenen Theorie mit den klassischen entwicklungspsychologischen Denkmustern.499 Sie sehen daher eine Fokussierung des Wissenselementes zulasten der Entwicklung des selbstständigen Denkens kritisch und fordern, Wissens- und Denkentwicklung nicht auseinanderzureißen, sondern die domänenspezifische Theoriebildung im Feld der Christologie sowohl im Blick auf die Wissens- wie auf die Denkentwicklung zu entfalten.500 Dabei sehen sie die klassischen Theorien der religiösen Entwicklung, insbesondere diejenige von Fowler weiterhin als hilfreich an, wobei diese »weder kurzschlüssig auf den spezifischen Bereich der Christologie übertragen noch schematisch angewendet werden sollten.«501 Dieser Bereich sollte ihrer Ansicht nach unter Einbezug der gegenstandsbezogenen Entwicklungstheorien noch einmal aufgeschlüsselt werden. »Wenn wir Christologie als eigene Wissensdomäne verstehen, ergibt sich die Notwendigkeit, deren logische Argumentationsstrukturen für die einzelnen Teilbereiche in den Blick zu nehmen (Wunder, Kreuz etc.). Für diese einzelnen Teilbereiche sind dann sehr wohl klassische entwicklungspsychologische Denkmuster in Rechnung zu stellen, sodass etwa das Verständnis für die Kreuzigung Jesu – selbst bei scheinbar gleichem Wortlaut – bei einem Grundschulkind in aller Regel mit einem anderen Verständnis verbunden ist als bei Schüler/innen der Sekundarstufe II. Dabei wird bei einem Thema wie Jesus Christus besonders deutlich, dass jegliche Entwicklung nur unter Einbezug inhaltlichen Wissens möglich ist, weil es bei diesem Themenfeld nur sehr begrenzt ›natürliche Erkenntnisquellen‹ geben kann.«502

Deshalb gilt: »Gerade beim Thema Christologie wird deutlich: Wer keine Jesusgeschichten kennt, ist bald mit seinem Nachdenken am Ende. Gerade diese Erfahrung suggeriert, es käme mehr oder weniger nur auf das Wissen an. Der Experte jeden Alters ist offensichtlich den Novizen überlegen. Dennoch spielen die biologischen Voraussetzungen eine Rolle: 497 Vgl. ebd. Ebendies wird in Kapitel 4.3 für das Feld der Christologie versucht. Die vorliegende Studie kann dazu beitragen, diese Landkarten an einigen Stellen zu präzisieren bzw. zu erweitern. In ähnlicher Weise geht Fried im Blick auf Vorschulkinder und ihr Wissen vor, vgl. Kapitel 2.7.2.3. 498 Zimmermann, theologische Kompetenz, 398. 499 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 207 – 209. 500 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 205 f. 501 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 206. 502 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 206.

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ein 5-jähriger Experte wird mit seinem Wissen doch anders umgehen als ein erwachsener.«503

Konkret formuliert: Ein Schulanfänger, der im Bereich der Christologie bereits Expertenwissen erworben hat, ist einem anderen Schulanfänger, der rudimentäres Vorwissen zu Jesus Christus mitbringt, vermutlich überlegen. Dies gilt sowohl für seinen Wissensvorsprung, als auch mit Blick auf seine gedankliche Flexibilität im Umgang mit diesem Wissen. Ein solch junger Experte kann auch einem älteren Novizen, beispielsweise einem Viert- oder einem Siebtklässler bezüglich seiner Wissensmenge sowie seinem Umgang mit diesem Wissen überlegen sein. Einem älteren Experten dagegen ist er wahrscheinlich unterlegen, vielleicht nicht in Bezug auf die Differenziertheit seiner Wissenslandkarte, aber in Bezug auf die Fähigkeit, flexibel damit umzugehen, sich eloquent auszudrücken, Analogien zu erkennen, etc. Generell bedeutet dies: Kindertheologie als domänenspezifisches Wissen ist insofern unterkomplex, »als sie noch nicht über die Möglichkeiten der formalen Operation verfügt, d. h. der Fähigkeit zur Abstraktion und Metakommunikation.«504 »Für den schulischen Kontext ist die Beschreibung des mythisch-wörtlichen Glaubens der Grundschulzeit sehr hilfreich, weil deutlich wird, dass man mit Kindern dieser Altersstufe hervorragend theologisieren kann, aber aufpassen muss, dass man nicht auf die Ebene der Abstraktion kommt (z. B. ›Was ist das Gemeinsame?‹ statt ›Erzähl mal, wie es im ersten Fall war und dann im zweiten!‹).505 Im Rahmen der vorliegenden Studie wird dies berücksichtigt, indem Wissens- und Vorstellungslandkarten entwickelt werden, die individuelle MindMaps darstellen, welche sowohl den Wissensaufbau (Wissensbestände vor Schuleintritt im Vergleich zu Wissensbeständen am Ende der zweiten Klasse) als auch thematisch zugeordnete theologische Vorstellungen von Jesus Christus übersichtlich darstellen. Letztere werden zusätzlich in tabellarischer Form erfasst, um das Vorher-Nachher übersichtlich gegenüberzustellen. Die Genese des Wissens und der Vorstellungen ist ja auch das Interessante: »Wie kommt man von einem eher naiven zu einem komplexeren Verständnis von Theodizee, Christologie, theologischer Anthropologie etc. Hier sind keineswegs nur inhaltliche Aspekte wie Wissen und Regelkenntnis von Bedeutung, sondern auch allgemeine Faktoren der Denkentwicklung.«506

503 504 505 506

Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 208. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 31. Vgl. dazu auch den gesamten Gedanken. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 88. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 209.

Relevanz äußerer Entwicklungsfaktoren

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4.2. Relevanz äußerer Entwicklungsfaktoren 4.2.1 Zur Bedeutung von Elternhaus und Kindertagesstätte. Die empirische Tübinger Forschungsstudie zur religiösen Differenzwahrnehmung von 4 – 6-jährigen ergibt insgesamt ein aufrüttelndes Ergebnis. Das religiöse Wissen bei Kindergartenkindern ist demnach sehr wenig ausgeprägt und zwar nicht nur im Bereich fremder, sondern auch im Blick auf die eigene Herkunftsreligion.507 Allerdings zeigt sich gerade durch die wenigen Kinder, die über interreligiöses Wissen verfügen, dass ein Wissensaufbau in dieser Altersstufe prinzipiell möglich ist. Die Untersuchungsergebnisse zeigen darüber hinaus, »dass [kleine] Kinder besonders dort über Wissen und eigene Erklärungen bestimmter Sachverhalte verfügen, wo sie an eigene Erfahrungen und Erlebnisse anknüpfen können.«508 Deshalb fordern die Autoren mehr Möglichkeiten für interreligiöses Lernen in Kindertagesstätten. Die durch die Tübinger Studie belegte Bedeutung von erfahrungsorientiertem Vorwissen für die Ausbildung religiöser Vorstellungen bei Kindergartenkindern findet sich exemplarisch fokussiert auf christologische Konzepte sowie auf die Entfaltung einer christologischen Wissensdomäne bei der Beobachtung von Benz zur Genese allererster Weihnachts- und Osterkonzepte und erster Vorstellungen von Jesus in ihrem Zusammenhang.509 In Gesprächen mit einer Dreijährigen spielen immer wieder Handlungselemente aus dem Kindergottesdienst eine wichtige Rolle, die jedoch in einen subjektiv neuen Konstruktionsrahmen gestellt werden, der ganz vom assoziativen Verknüpfen unterschiedlichster Aspekte im Rahmen des intuitiv-projektiven Glauben geprägt ist.510 In eine ganz ähnliche Richtung weist die sich über einen Zeitraum von 5 Jahren erstreckende Dokumentation der beeindruckenden Entwicklung eines christologischen Konzeptes eines Mädchens im Alter von 4 – 9 Jahren von Kunze-Beiküfner.511 Zwar wird die Entwicklung hier mehrheitlich über Ge507 Vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 36 f. Vgl. hier auch die folgenden Aspekte religiöse Sprachfähigkeit und Interesse der Kinder. 508 Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung Überblick, 30. Vgl. auch Dies.u.a., qualitativ-empirische Untersuchung, 170 ff. 509 Benz, Genese, 149 – 164. 510 Vgl. z. B. Benz, Genese, 161 eine Gesprächssequenz in der sich die Dreijährige ein halbes Jahr nach einem Kindergottesdienst beim Betrachten eines Bildes an ein spezifisches Handlungselement aus der Kinderkirche erinnert. Vgl. auch 157 f eine Spiel- und Gesprächssituation in der die Dreijährige im Anschluss an einen gespielten Ostergottesdienst zu Jesus zum Essen einlädt und als Begründung das Handlungselement ’Brot essen’ aus einem Kindergottesdienst anführt. (Dort wurde die Ostererzählung in Etappen mit Handlungselementen gestaltet, unter anderem Brot geteilt im Blick auf das letzte Mahl Jesu) 511 Vgl. Kunze-Beiküfner, christologisches Konzept, 92 – 104. Sowohl der oben genannte Bei-

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sprächsprotokolle dargestellt. Dennoch ist es folgerichtig, diese theologischen Gespräche als erfahrungsorientiert zu klassifizieren. Das Kind macht ja die Erfahrung, dass eine wichtige familiäre Bezugsperson dazu bereit ist, offene Gespräche über Gott und Jesus zu führen und dabei Wissen sowie Vorstellungen des Kindes anzuerkennen und darüber hinaus ordnen zu helfen und durch neue Impulse anzuregen. Die Frage ist, ob hier nicht direkt von erfahrungsorientierter theologischer Kompetenzbildung gesprochen werden kann.512 Aufschlussreich ist Kunze-Beiküfners Bericht auch im Blick auf die Ausbildung religiöser Sprachfähigkeit, die gerade auch in der Tübinger Studie eine Rolle gespielt hat. Die Tübinger Studie weist auf einen gerade für jüngere Kinder relevanten Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeit und religiösem Wissen hin. Insgesamt ergibt sich aus den Ergebnissen eine wenig ausgeprägte religiöse Sprachfähigkeit vieler Kinder513, die dem hohen Interesse der Kinder an religiösen Fragen in ihrem Alltag nicht entspricht. Fehlende religiöse Sprachfähigkeit darf jedoch nicht unausweichlich zur Implikation fehlenden Wissens führen, weil Sprache und Wissen sich im religiösen Bereich einseitig bedingen. Das heißt: »Wenig ausgebildete allgemeine Sprachfähigkeit bedingt auch eine entsprechend wenig entwickelte religiöse Sprachfähigkeit, aber umgekehrt erwächst die religiöse nicht einfach aus der allgemeinen Sprachfähigkeit, sondern schließt etwa eine besondere Vertrautheit mit religiösen Zusammenhängen ein.«514

Hier zeigt sich auch eine Brisanz im Blick auf ältere Kinder. Religiöse Sprachfähigkeit muss bewusst gefördert werden, sie entsteht nicht von selbst. Dies gilt ebenso für theologische Gedankengänge. Büttner und Dieterich plädieren ausdrücklich dafür, die Gedankenführungen von Kindern gerade auch im Vorschulalter genau zu beobachten und zu untersuchen, weil erwachsenes trag von Benz als auch derjenige von Kunze-Beiküfner sind Fallstudien, da sie sich nur auf ein einziges Kind beziehen. Dennoch bieten sie durch ihre Genauigkeit Hinweise auf eine mögliche Entfaltung einer christologischen Wissensdomäne, die möglicherweise durch größere empirische Studien erforscht werden könnten. 512 Die Frage ist, ob sich die innerfamiliären Gespräche im Kontext von Untersuchungen lesen lassen, die eine positive Korrelation von familiärer Lernumwelt mit schulrelevanten Kompetenzen im Vorschulalter konstatieren. Als Vergleichsarbeit sei genannt Niklas/ Schneider, familiäre Lernumwelt, 149 – 165. Zwar bezieht sich diese Untersuchung auf HLE (Home Literacy Environment) und ihre Auswirkung auf sprachliche und schriftsprachliche Vorläuferfertigkeiten von Vorschulkindern, man müsste analog dazu jedoch davon ausgehen können, dass die für theologische Fragen offene und Impulse stiftende, das Denken anregende Lernumgebung ebenfalls Auswirkungen auf die religiöse Sprachfähigkeit wie auch auf die theologische Kompetenz des Kindes hat. Es stünde zu erwarten, dass besagtes Mädchen hoch ausgereifte Kompetenzen für Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozesse ebenso wie für theologische Gespräche in den Religionsunterricht mitbringen würde. Es wäre wünschenswert, wenn diesem Phänomen in einer großangelegten empirischen Studie nachgegangen werden würde. 513 Vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 180 – 186. 514 Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 34.

Relevanz äußerer Entwicklungsfaktoren

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Nachfragen und die Konfrontation mit anregendem Material offenbar dazu führen, dass Kinder Fragen aufnehmen und einer Klärung zuzuführen bemüht sind.515

4.2.2 Zur Bedeutung des Religionsunterrichts Hanisch und Bucher befragten 2402 Viertklässler im Durchschnittsalter von 10 Jahren mittels Fragebogen mit offenen und geschlossenen Fragen, um konkret herauszufinden, »über welches biblische Wissen Kinder am Ende der Grundschulzeit verfügen, wie sie sich biblische Geschichten aneignen und wo und über wen sie diesem narrativen Schatz begegnen.«516 Insgesamt kommen sie zu folgendem optimistisch stimmenden Ergebnis: »Entgegen der pessimistischen Klage, heutigen Kindern sei die Bibel gänzlich ›fremd‹ geworden (…) listeten die Kinder im Durchschnitt spontan knapp fünf biblische Geschichten auf. [..] Die mit Abstand am häufigsten genannten Geschichten sind die Kindheitsgeschichte, Mose und Arche Noah. Zumindest rudimentäre biblische Kenntnisse können den Kindern auch zu Beginn des dritten Jahrtausends attestiert werden, dies im Norden Deutschlands ebenso wie im Süden.«517

Die Ergebnisse von Hanisch und Bucher zeigen jedoch nicht nur die erfreuliche Tatsache, dass und über welches biblische Wissen Kinder am Ende der Grundschulzeit verfügen, sondern unterstreichen die Bedeutung des Religionsunterrichts. Hanisch und Bucher kommen zum Ergebnis, dass die professionelle religiöse Erziehung, insbesondere der Religionsunterricht, deutlich mehr Einfluss auf die Vermittlung biblischer Geschichten hat als die Familie. »Offensichtlich gelingt es Religionslehrerinnen und Religionslehrern in einem beachtlichen Ausmaß, auch jenen Kindern die Bibel als spannend und wichtig nahe zu bringen, die im Elternhaus keine biblischen Geschichten hör(t)en.«518 87,7 % der Zehnjährigen geben den Religionsunterricht als Quelle ihrer Bibelkenntnis an. Geschichten, die nicht im Lehrplan ausgewiesen sind, kennen sie in der Regel nicht. Es sind in erster Linie die Religionslehrerinnen und Religionslehrer(85,8 %), die Pfarrerinnen und Pfarrer (37,8 %), die von den Kindern als Erzähler von biblischen Geschichten wahrgenommen werden. Interessant ist auch, dass die Kinder sich in Bezug auf ihr Bibelwissen am Ende der Grundschulzeit durchaus nicht nur auf diejenigen biblischen Geschichten beziehen, 515 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 35 f unter Bezug auf eine explorative Studie zur Kontingenzverarbeitung von Büttner und Kammeyer. 516 Hanisch/Bucher, Bibel, 14. 517 Hanisch/Bucher, Bibel, 121. 518 Hanisch/Bucher, Bibel, 85.

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welche in unmittelbarer Vergangenheit thematisiert wurden, sondern auch länger zurückliegende Erzählungen erinnern. Obwohl die Bibel im Alltag der Kinder kaum präsent ist, besitzen die meisten Befragten ein durchaus positives Bibelkonzept. 2/3 der Kinder in den ersten Klassen der weiterführenden Schulen wünschen sich sogar, mehr spannende biblische Geschichten kennenzulernen.519 Nicht empirisch gesichert, aber auf der Basis ihrer empirischen Studie ziehen Hanisch/Bucher folgende Überlegungen bezüglich eines den Wissensaufbau förderlichen Religionsunterricht. »Damit sich Kinder biblische Geschichten dauerhaft einprägen können, kommt es darauf an, den Inhalt der Erzählungen zu sichern. Daher sollten die Schülerinnen und Schüler im Unterricht die Möglichkeit erhalten, das Gehörte inhaltlich wiederzugeben. Dabei kann es nicht nur darum gehen, die Kinder aufzufordern, die Geschichte mit eigenen Worten zu wiederholen. Vielmehr ist es wichtig, ihnen vielfältige Formen des Umgangs mit der erzählten biblischen Geschichte anzubieten, um so Aneignungsprozesse zu erleichtern«520,

etwa szenische, musikalische, bildhafte Nachgestaltung, Rekonstruktion mit Bildkarten, adressatenbezogenes Erzählen, etc. Ebenso schlussfolgern sie, dass ein Zusammenhang zwischen dem aktiv konstruierten Wissen und der Ausbildung theologischer Vorstellungen besteht. »Von zentraler Bedeutung ist die theologische Erschließung der erzählten Geschichte. […] Dabei kann es nicht das Ziel sein, Grundschülerinnen und Grundschülern umfassende Theologien anzubieten, wohl aber können einzelne theologische Aspekte der erzählten biblischen Geschichte von den Kindern im Unterricht entdeckt werden, die ihnen helfen, im Laufe der Entwicklung nach und nach zu zusammenhängenden theologischen Vorstellungen und Einsichten zu gelangen.«521

Hennecke kommt in einer aktuellen Studie zu Lernprozessen im Religionsunterricht ebenfalls zum Ergebnis, dass Geschichten von Grundschulkindern am eindringlichsten rezipiert werden, weswegen insbesondere die Rezeption biblischer Inhalte auf gute Lernvoraussetzungen trifft.522 Obwohl die Erinnerungsleistung im Rahmen von Henneckes Studie insgesamt – weil in vielen Fällen – nicht zufriedenstellend ist, erweist sie sich im Blick auf erzählte Geschichten als signifikant klarer und umfangreicher. Hennecke konstatiert auf der Basis ihrer fallbezogenen und thematischen Analyse kindlicher Rezeptionen von Religionsunterricht, dass auch im Religi519 520 521 522

Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 122 f. Hanisch/Bucher, Bibel, 105. Vgl. 105 f auch weiter. Hanisch/Bucher, Bibel, 107. Vgl. Hennecke, Religionsunterricht, 355. Dies gilt im Blick auf biblische ebenso wie auf nicht-biblische Erzählungen gleichermaßen. Vgl. ebd. auch den nachfolgenden Gedanken.

Landkarte des Wissens und der Vorstellungen von Kindern über Jesus Christus

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onsunterricht der Grundschule Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler im Blick auf die religiöse Ausdrucksfähigkeit festzustellen sind – auch bei generell ausdrucksstarken Kindern.523 Sie moniert, dass Religionsunterricht der Chance der nicht selten einzigen Begegnungsmöglichkeit mit religiöser Sprache häufig nicht gerecht wird, weil die in ihm verwendete Sprache zu ›zaghaft‹ sei. »Gute Sprachbeispiele in Geschichten, Erzählungen, Lernaufgaben und Unterrichtsmodellen könnten zu einer Vertiefung des Religionsunterrichts beitragen und fachliche Denk- und Differenzierungsfähigkeit ausbauen helfen.«524 Was somit im Rahmen von Henneckes Studie als vertane Gelegenheit konstatiert wird, zeigt positiv gewendet eine Chance guten Religionsunterrichts auf. Gerade Freudenberger-Lötzs Analysen theologischer Gespräche im Unterricht zeigen, welche Möglichkeiten in dieser Unterrichtsform stecken.525

4.3

Landkarte des Wissens und der Vorstellungen von Kindern über Jesus Christus526

Es geht an dieser Stelle darum, verschiedene Studien im Sinne eines Puzzles zu einer Landkarte jesuanischen Wissens und christologischer Vorstellungen zusammenzusetzen.527 Auf diese Weise können die von mir erhobenen Daten später auf der Basis dieser Landkarte analysiert werden. Entweder bestätigen sie die hier vorgestellten Ergebnisse, differenzieren sie sie aus oder stehen sie im Gegensatz dazu.

523 Vgl. zu den nachfolgend genannten Aspekten Hennecke, Religionsunterricht, 353. Diese Feststellung ist analog zu Ergebnissen der Tübinger Studie mit Kindergartenkindern,vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 33 – 35. 524 Hennecke, Religionsunterricht, 353. 525 Vgl. zahlreiche gelungene Beispiele in Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche. 526 Im Rahmen dieses Kapitels findet eine Einschränkung auf Forschungsergebnisse der jüngeren Zeit aus dem deutschsprachigen Raum statt, wobei teilweise auch andere Studien aufgegriffen werden, die in besonderer Weise in Deutschland rezipiert wurden. Zudem erfolgt eine Eingrenzung auf Studien, die das Vorschul-, bzw. das Grundschulalter betreffen. Studien, die darüber hinausgehen und deswegen aus entwicklungspsychologischen Gründen nicht als Spiegel der in der vorliegenden Studie erhobenen Daten dienen können, finden keine Berücksichtigung. Äquivalentes gilt für Forschungsarbeiten zu Jesus Christus, die Themenbereiche betreffen, welche nicht mit den Inhalten des Bildungsplanes konform sind und daher in keiner Relation zu den hier erhobenen Daten stehen. Vgl. z. B. zahlreiche Untersuchungen, die Eingang in die Jahrbücher der Kindertheologie gefunden haben, im Kontext des Bildungsplanes 2004 B-W für die Klassenstufe 1/ 2 jedoch nicht relevant sind. 527 Einschränkend muss festgehalten werden, dass die meisten dieser Untersuchungen qualitativ und zum Teil mit sehr kleiner Probandengruppe gearbeitet haben. Das hierbei entstehende Bild ist deshalb nicht repräsentativ, aber dennoch informativ.

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4.3.1 Bilder von Jesus Christus Die Bedeutung konkreter szenische Darstellungen von Personen und Inhalten auf Bildern darf gerade bei jüngeren Kindern nicht unterschätzt werden.528 Deutlich wird dies am Beispiel eines 5-jährigen Mädchens, das angesichts eines Kruzifix äußert: »Er [Jesus] sollte an Ostern nicht mehr dort hängen. Er läuft ganz weiß angezogen herum. In der Kinderbibel ist das Kreuz leer.«529 Van’t Zand und de Roos fanden in einer Studie mit Vorschulkindern heraus, dass viele Kinder auf der Basis von ihnen fremden, unbekannten Bildern unlogische biblische Geschichten erzählen.530 Sie führen dies darauf zurück, dass die Kinder mangels Fakten auf ihre Fantasie zurückgreifen, was wiederum zu ihrer Glaubensentwicklung (intuitiv-projektiver Glaube) passt. Doch nicht nur Bilder, auch plastische Szenen haben im Blick auf die Erinnerung nachhaltig prägende Funktion. Büttner/ Mähringer gehen davon aus, dass insbesondere die Bildhaftigkeit einer Plastik zur Auferstehungsgeschichte die Genese einer dauerhaften Oster-Erinnerung bei von ihnen befragten Kindergartenkindern gefördert hat.531 Ruben Zimmermann erhellt durch seine Untersuchung mit dreizehn 5 – 6jährigen Kindern die Verbindung zwischen Bildverstehen von Kindern anhand von Ich-bin-Worten aus dem Jonasevangelium und der Fähigkeit von Kindergartenkindern Christologie bilden zu können. »Sie verstehen Jesus durch die Bilder in vertiefter Weise, sie treiben also Christologie. Eine solche Christologie sprengt jedoch den Rahmen metasprachlicher, begrifflicher Reflexion und kann eher als Christopoetik bezeichnet werden. Bilder sind in einem der biblischen Sprache verpflichteten Nachdenken über Jesus Christus ursprünglich und unersetzbar. […] Bilderchristologie kann nicht definiert und begrifflich festgelegt werden, aber sie ›bildet‹ sich, sogar schon bei Kindergartenkindern.«532

Dieses Ergebnis bestätigt den Forschungstrend, dass kleine Kinder bereits über Grundlagen der kognitiven Fähigkeiten verfügen, die laut Piaget erst ältere Kinder und Erwachsene erreichen können. »Kinder sind in der Lage Bilder und Metaphern zu verstehen, auch wenn sie sie nicht in Begriffe übersetzen.«533 528 Vgl. dazu die Bedeutung der szenischen Darstellung des Ostergeschehens für ein Gespräch im Kindergarten. Büttner/Mähringer, Osterkonzepte, 165. 529 Benz, Genese, 160. Übersetzung einer Sequenz aus Büttner, Gerhard, How theologizing with children can work. In Britisch Jorunal of Religious Education. Vol. 29, No.2, March 2007, pp.127 – 139. Beispiel auf S. 130 f. 530 Vgl. van’t Zand/de Roos, Vorstellungen von Ostern, 158. Vgl. hier auch die nachfolgenden Gedanken. 531 Vgl. Büttner/Mähringer, Osterkonzepte, 165. 532 Zimmermann, R., Christologie, 106. 533 Zimmermann, R., Christologie, 106. Vgl. hier auch den nächsten Gedankengang.

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Letzteres ist dabei kein Nachteil, sondern entspricht ganz der ursprünglichen Intention der Schöpfer dieser Metaphern. Ihre Zielsetzung war nicht in erster Linie das Verstehen von Bildern im Sinne einer Übersetzung in eigentliche Sprache und Begriffe, sondern vielmehr das Verstehen durch Bilder. Durch Bilder verstehen Kinder Jesus Christus, wenn sie die Metaphern narrativ, funktional und kreativ deuten. So bilden sie Christologie. Gleichzeitig entspricht das obige Forschungsergebnis aber auch dem von Fowler als ›intuitiv-projektiv‹ bezeichneten Glauben, der für jüngere Kinder charakteristisch ist.534 Die eigene Phantasie ist hierbei stark prägend. Dabei steht die Chance, positive, Geborgenheit vermittelnde Einstellungen zu erwerben der Gefahr der Ausbildung negativer Vorstellungen gegenüber, je nachdem, welchen Einflüssen das Kind ausgesetzt ist, d. h. aus welchen Puzzlestücken es seinen Glauben intuitiv-projektiv zusammenfügen kann. Die Bedeutung von Bildern für die religiöse Entwicklung darf deshalb nicht unterschätzt werden. Sie spielen eine unverzichtbare Rolle. Das gilt so Zimmermann im Blick auf bildhafte, sprich übertragene, uneigentliche Darstellung in der Lebenswelt. Im Blick auf Grundschulkinder sehen Kraft/Roose das didaktische Potential der Ich-binWorte dagegen eher in einer Verknüpfung mit narrativen biblischen Texten, was auf dem Spiegel des mythisch-wörtlichen Glaubens (Fowler) geeignet scheint. Auf diese Weise könne man das christologische Potenzial weiter ausleuchten.535

4.3.2 Biblische Geschichten von Jesus Christus Jesus tritt bei jüngeren Kindern häufig kontextlos oder im Kontext kindlicher Welterfahrungen auf. »Im frühen Kindergartenalter erscheint die Jesus-Gestalt bei den Kindern zunächst in einer Reihe anderer Gestalten, etwa in Gesellschaft der Weihnachtsfiguren, von Märchenpersonen und den Gestalten des Kinderfernsehens.«536 Rudolf Englert spricht in diesem Zusammenhang analog zu Fowlers Theorie sehr einprägsam von »Jesus in Taka-Tuka-Land«537 Damit fokussiert er das Wesentliche des von Fowler als intuitiv-projektiv bezeichneten Glaubens auf die Thematik Jesus Christus. Kindern dieser Altersgruppe gelingt es nach ihrer eigenen Logik, Jesus phantasievoll mit anderen Figuren, Orten, Vorstellungen zusammenzudenken, mehrere Domänen der Wirklichkeit (insbesondere auch Spiel und Wirklichkeit) auf eine Art zu verschmelzen, die für Erwachsene, vor allem für kindertheologische Laien, nur schwer nachvollzieh534 Vgl. Fowler, Stufen, 139 – 150. 535 Vgl. zu diesen Gedanken von Kraft/Roose dies., Jesus Christus, 97. 536 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 193. Vgl. hier auch den vorhergehenden Gedanken. 537 Englert, Jesus-Begegnung, 39. Vgl. 39 f auch den folgenden Absatz.

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bar ist. Vorschulkinder gehen assoziativ mit Wissensfragmenten um, die sie über Jesus gehört haben (Christkind, Mann am Kreuz, bei Gott im Himmel, in unseren Herzen). Dabei haben sie kein Problem damit, Jesus in ihre z. T. durch Medien und Spiel geprägte Gedankenwelt zu interpretieren. In diesem Zusammenhang kann auch Jesu Zuordnung zu den ›unsichtbaren Begleitern‹ verstanden werden.538 Es ist gerade das Kennenlernen biblischer Geschichten, die es Kindern zunehmend möglich macht, Jesus im Kontext der Bibel zu verorten.539 Das trägt nicht nur zur Wissenserweiterung bei, sondern hilft den Kindern, eigene Vorstellungen von Jesus Christus zu entwickeln. »Judith Brunner konnte zeigen, dass die Kenntnis von Jesus-Geschichten von entscheidender Bedeutung bei der Herausbildung einer Christologie bei den Vorschulkindern ist.«540 Damit liefert sie einen wichtigen Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang von Wissen und theologischer (christologischer) Kompetenz, der sich eventuell durch die vorliegende Studie erhärten lässt. Erklären lässt sich dies einerseits mit der gegenstandsbezogenen Entwicklungstheorie, da man nach den obigen Ausführungen davon ausgehen kann, dass mehr Wissen über biblische Erzählungen unterstützend auf die Ausbildung eigener Vorstellungen wirken kann. Die Bedeutung des Religionsunterrichts als Ort, an dem Wissen über Jesus gesammelt werden kann, wird durch diesen Zusammenhang gestützt. Andererseits kann auch die klassische Entwicklungstheorie von Fowler zur Erklärung herangezogen werden, dergemäß es eine Phase gibt, in der das Interesse der Kinder an konkreten Erzählungen (mythischwörtlicher Glaube) erwacht. Diese ist gepaart mit der intellektuellen Fähigkeit, diesen stories zu folgen, allerdings mit der ›Einschränkung‹ einer wörtlichen, sprich eindimensionalen Denkstruktur. Sinn versteht das Kind nun nicht mehr episodenhaft, sondern linear narrativ. Sein Denken bleibt allerdings in der konkreten Geschichte ›gefangen‹. Es entwickelt sich nur entlang der story, also innerhalb des Rahmens gegebener Informationen. Die Kinder »können tief und stark von symbolischen und dramatischem Material betroffen sein, und sie können in endlos detaillierter Erzählung beschreiben, was geschehen ist. Sie nehmen jedoch von dem Fluss der ›stories‹ keinen Abstand, um reflektierte begriffliche Bedeutungen zu formulieren. Für diese Stufe wird der Sinn von der Erzählung transportiert, bleibt jedoch in ihr ›beschlossen‹.«541

Das bedingt, dass implizite Widersprüche oder Gegensätze innerhalb der ›stories‹ zunächst nicht wahrgenommen werden. Dies gelingt erst im Lauf der Zeit, 538 539 540 541

Vgl. zusammenfassend Büttner, Genese Weihnachtsfiguren, 135 f. Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 194. Büttner/Mähringer, Osterhase, 165. Fowler, Stufen, 167.

Landkarte des Wissens und der Vorstellungen von Kindern über Jesus Christus

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was schließlich ab der Pubertät zur Ablösung des mythisch-wörtlichen Glaubens führt. Welche konkreten Erzählungen von Jesus kennen Schülerinnen und Schüler? Auf der Basis einer Studie mit Viertklässlern stellt Kraft fest: »Die Kinder haben klare Vorstellungen von Jesus. Sie kennen Bezugspunkte sowie Stationen in seinem Leben – Geburt und Eltern, Jesus als Wunderheiler und Wundertäter, Jesu Ablehnung, Kreuzigung, Auferstehung – und können das besondere Verhältnis von Jesus und Gott umschreiben. Ihre Deutungen formulieren sie auf der Grundlage eines Wissensbestandes biblischer Geschichten. Explizit werden erwähnt: die Ankündigung der Geburt Jesu, das Speisungswunder der 5000, die Zachäuserzählung, die Heilung des Blinden, die Erzählung vom leeren Grab.«542

Die Qualität und Stärke der Christologie von Kindern im Rahmen einer narrativen Wissenseinbettung tritt insbesondere im Vergleich mit Jugendlichen bei Krafts Studie hervor. Im Gegensatz zu diesen gelingt es den Viertklässlern deutlich besser, ihr Bild von Jesus sowie ihre Deutungen seines Wirkens sprachlich angemessen zum Ausdruck zu bringen, gerade weil sie sich der Hilfe biblischer Erzählungen bedienen, um ihre Vorstellungen von Jesus narrativ zu entwickeln.543 Offenbar bietet das stark an biblischen Geschichten orientierte Wissen der Grundschüler/innen eine gute Basis, um Vorstellungen von Jesus Christus zu entwickeln. Im Vergleich dazu scheint das bei Jugendlichen stärker ausgeprägte historisch-bibelkundliche Wissen, ihre Fähigkeit, den historischen Kontext des Wirkens Jesu zu beschreiben, keine erkennbaren Vorteile im Blick auf die Formulierung eines Jesusbildes zu bieten. Im Gegenteil, die Jugendlichen sind deutlich unsicherer in ihrer Suche nach adäquaten Sprachformen. Diesem im Blick auf Schülerinnen und Schüler am Ende der Grundschulzeit positiven Forschungsergebnis muss jedoch auch ein negativer Spiegel gegenübergestellt werden. In einer Studie von Hanisch und Bucher544 wurden bei einigen Viertklässlern noch Schwierigkeiten entdeckt, zwischen biblischen und nicht-biblischen Geschichten zu unterscheiden, was doch eher der Vermischung von Fantasie und Wirklichkeit, der Vermengung von biblischem Wissen mit anderen Geschichten bei Kindergartenkindern entspricht, vgl. Fowlers intuitivprojektiver Glaube. Dies erstaunt umso mehr, vergleicht man es mit Ergebnissen einer aktuellen Studie von Jacqueline Woolley und Victoria Cox zu Verstehensvoraussetzungen von Kindergartenkindern im Blick auf das ›Übernatürliche‹. Jacqueline Woolley und Victoria Cox Vaden machten in einer 2011 veröffentlichten Studie die interessante Beobachtung, dass schon ältere Kindergartenkinder in der Lage waren, die Nichtrealität nicht religiöser Geschichten also 542 Kraft, Kompetenzüberprüfung, 1 f. 543 Vgl. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 13. Vgl. ebd. 12 für den nächsten Gedanken. 544 Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 35.

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ihre Fiktivität zu erkennen.545 Je älter die Kinder, desto größer war jedoch ihr Zutrauen zur Realität biblischer Geschichten, was mithin auf eine Sonderstellung derselben in der kindlichen Wahrnehmung schließen lässt. Dabei zeigten sich mit zunehmendem Alter signifikante Unterschiede zwischen religiösen und nicht-religiösen Kindern. »Je genauer das Kind in der Lage ist, einen Bibeltext auch als solchen zu identifizieren, umso eher ist es bereit, diesem in Hinblick auf Realität Vertrauen entgegen zu bringen.«546 Die Studie von Woolley und Cox widerlegt auch die von Grom noch vor einem Jahrzehnt geäußerte Befürchtung, jüngere Kinder könnten aufgrund ihres voroperatorischen Denkens Schwierigkeiten bezüglich des kognitiven Jesusverständnisses haben, da Jesus in der Schwebe zwischen Phantasie- und Realwelt zunächst ›nur‹ als Märchenfigur aufgefasst würde.547 Sie belegt wiederum, dass die Sozialisation (Elternhaus und Kindergarten) die Entwicklung mitbestimmen. Englerts Charakterisierung des Grundschulalters – »Jesus, der Galiläer«548 – sowie das von ihm angenommene realistische und nachhaltige Interesse der Grundschulkinder für Jesus als den aus unscheinbaren Verhältnissen stammenden Volksführer und Hoffnungsträger im von Römern besetzten Palästina, der allerdings die Hoffnungen seiner Landsleute sprengt und in Jerusalem hingerichtet wird549, scheint sich aus der Perspektive der eben genannten Studien von Kraft sowie Hanisch/Bucher nicht zu bestätigen. Zwar entspricht das konkrete Interesse an Jesus einerseits der zum Teil wörtlichen narrativen Einbettung der Geschichten bei Kindern dieses Alters sowie der entwicklungsgemäßen Trennung zwischen Phantasie und Realität. Andererseits scheint die historische Einbettung keine Voraussetzung dafür zu sein und den Kindern auch nicht nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Eine adäquate Umschreibung der Stufe wäre wohl besser »Konkrete Geschichten von Jesus Christus«, ohne den historischen Zusatz, der für Kinder empirisch betrachtet nur wenig relevant scheint, dafür mit Bezug auf die Christologie. Die neueren Studien zeigen also, dass der Weg, dem die Religionspädagogik jahrelang und zum Teil noch bis in gegenwärtige Lehrpläne folgt »vom galiläischen Wanderprediger zum Träger kirchlicher Hoheitstitel«550 und der impliziert, dass zunächst der Galiläer und 545 Vgl. eine Rezeption der genannten Studie bei Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 48 – 51. Vgl. hier auch im Folgenden. 546 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 51, auf der Basis ihrer Rezeption einer Studie von Vaden und Woolley. 547 Vgl. zu diesem Aspekt Grom, religionspädagogische Psychologie, 239 – 241. 548 Englert, Stationen, 40. 549 Vgl. Englert, Stationen, 40. Englert verweist an dieser Stelle auf ein auf Erwachsene als Rezipienten zielendes Buch, um zu verdeutlichen, wie spannend es sein kann, sich auf die Spur dieses Jesus zu setzen. Allerdings wird nicht klar, wie hieraus Rückschlüsse auf Grundschulkinder gezogen werden können. 550 Englert, Stationen, 40.

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erst danach der Christus und Gottessohn bedeutungsvoll werden, in Frage zu stellen ist. Klar ist jedoch, dass es Kindern in dieser Entwicklungsphase noch schwer fällt, ihre vielfältigen Informationen über Jesus Christus zu koordinieren, da sie in den Geschichten bleiben und diese noch nicht vergleichen können. Es fällt ihnen häufig noch schwer und zwischen Gott und Jesus kann noch nicht klar differenziert werden. Oftmals werden Jesus und Gott gleichgesetzt, bzw. verwechselt. Deshalb muss noch einmal wiederholt werden: »Für den schulischen Kontext ist die Beschreibung des mythisch-wörtlichen Glaubens der Grundschulzeit durchaus hilfreich, weil deutlich wird, dass man mit Kindern dieser Altersstufe hervorragend theologisieren kann, aber aufpassen muss, dass man nicht auf die Ebene der Abstraktion kommt (z. B. ›Was ist das Gemeinsame?‹ statt ›Erzähl mal, wie es im ersten Fall war und dann im zweiten!‹).551

4.3.3 Geburt Jesu und Weihnachten Brunner widerlegte mit ihrer Untersuchung von Kinderzeichnungen zu Jesus eindrucksvoll das Fazit einer frankokanadischen Studie von Mailhiot, die in den sechziger Jahren ergeben hatte, dass Vorschulkinder Jesus vornehmlich als Kind in der Krippe kennen »Dans la plusplupart des cas, 86 %, les enfants ont commenc¦ par dessiner une croix; puis, invites — raconter une histoire, ils ont dessin¦ un b¦b¦.«552 Der erwachsene Jesus sei für sie offenbar nicht wichtig. Im Rahmen der Untersuchung von Brunner malten jedoch nur 11 von insgesamt 167 Kindern Jesus in Zusammenhang mit seiner Geburt, eine Minderheit von nicht einmal 6,6 %.553 Da insgesamt 46,1 % der Kinder Bilder der Kategorie biblisch überlieferter Jesus malten steht fest, dass beinahe 40 % der Kinder sich inhaltlich mit dem erwachsenen Jesus befassten. Damit fiel eine zweite These Mailhiots, demnach sich kleine Kinder nicht für Jesus als erwachsenen Mann interessieren, sondern ihn als Kind ›par excellence‹554 betrachten. In der aktuellen Tübinger Forschungsstudie zur religiösen Differenzwahrnehmung bei Kindergartenkindern der Forschungsgruppe um Edelbrock, Schweitzer und Biesinger555 ergab sich sogar, dass es nur wenigen Kindern gelang, einen Bezug zwischen dem Weihnachtsfest und der Geburt Jesu herzustellen, obwohl alle befragten Kinder – gleich welcher oder keiner Religion – angaben, in der Kindertagesstätte Weihnachten gefeiert zu haben. Die häufigste Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 88. Mailhiot, Enfant, 299, in Brunner, Christologie Vorschulkinder, 27. Vgl. Brunner, Christologie Vorschulkinder, 51. Vgl. Mailhiot, enfant, 302: ›J¦sus: un enfant qui leur ressemble et qui leur est different, l’enfant par excellence. Aufgenommen in Brunner, Christologie Vorschulkinder, 29. 555 Vgl. dazu Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 29 + 159.

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Assoziation war keineswegs Jesus, sondern der in den erlebten Weihnachtsfeiern auftretende Weihnachtsmann. Befragte christliche Kinder gingen von der Annahme aus, alle Kinder würden Weihnachten feiern. Es scheint so, als würde der religiöse Kontext hier vom kulturellen überlagert werden. Auf jeden Fall gilt, dass an Weihnachten in besonderer Weise verschiedene Kontexte ineinanderfallen. Der kulturelle, der religiöse, aber auch der kommerzielle und der familiäre.556 Bünker sowie Büttner zeigen in zwei unterschiedlichen Studien die Schwierigkeit gerade jüngerer Kinder angemessen zwischen den Weihnachtsfiguren (Christkind, Jesus, Weihnachtsmann) zu differenzieren.557 Die Überlagerung christlich-religiöser, säkularer sowie kommerzieller Aspekte im Blick auf die Weihnachtsthematik erklärt dies einerseits.558 Andererseits ist das entwicklungspsychologisch gerade in dieser Altersgruppe auftretende Konzept der unsichtbaren Begleiter559 sowie die von Fowler als intuitiv-projektiv zu bezeichnende Phase, in der es möglich ist, dass Kinder Jesus selbstverständlich in ihre alltägliche Kinderwelt integrieren, als Erklärung hinzuzuziehen. Ein Beispiel: »A: Da hat das Christkind Geburtstag. M: Das Christkind? A: Ja. M: Das Christkind oder das Jesuskind? A: Das Christkind, weil es mir Geschenke bringt. M: Und was macht das Jesuskind? A: Das Jesuskind muss mit Maria und Josef in den Zoo gehen.«560

Büttner geht davon aus, dass insbesondere die Kenntnis religiöser Begrifflichkeiten sowie diejenige biblischer Geschichten den Kindern helfen, die Weihnachtsfiguren zu sortieren.561 Diese zu bewältigende Trennung zwischen 556 Vgl. an dieser Stelle Benz, Weihnachten im Handbuch Theologisieren mit Kindern, 505 – 512. Es handelt sich hierbei um ein internationales Phänomen, das sich je nach kultureller Prägung als heterogen erweist. Auch Braven‚ stellt beispielsweise fest. »Philosophizing with children on national Christmas tradition is possible on three traditional levels: cultural, family and religious traditions.« Braven‚, Christmas, 61. 557 Vgl. Büttner, Genese Weihnachtsfiguren, 133 – 146 sowie Bünker, Jesus-Christkind, 36 – 47. Braven‚s Untersuchung in Tschechien zeigt ähnlich gelagerte Problematiken auch dort, nämlich differenzieren zu können zwischen ›Little Jesus‹ als Geschenkebringer und ›Little Jesus Christ‹ sowie zusätzlich weitere Weihnachtsfiguren zu integrieren wie Santa Claus, Saint Nicolas and Grandpa Frost. Vgl. dazu Braven‚, Christmas, insbesondere 63+71 zu ›Little Jesus‹ und 71 f im Blick auf weitere Weihnachtsfiguren. 558 Vgl. Büttner, Genese Weihnachtsfiguren, 139. 559 Vgl. dazu Büttners zusammenfassende Überlegungen in ders., Genese Weihnachtsfiguren, 135 – 139. 560 Benz, Genese, 153. 561 Vgl. Büttner, Weihnachtsfiguren, 146.

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Christkind und Jesuskind stellt laut Bünker eine Herausforderung an die kindliche Denkleistung dar.562 Hier zeigt sich exemplarisch, dass Wissen und Denkentwicklung sich gegenseitig begünstigen. Mehr Wissen (genauere Kenntnis der Weihnachtserzählung) und die Weiterentwicklung des Denkens (Fähigkeit zu höheren Konstruktionsleistungen) zeigen sich als zwei notwendige Aspekte, die ineinandergreifen. Im Blick auf ältere Kinder gibt die von Hanisch und Bucher durchgeführte Befragung von Viertklässlern zum Bibelwissen Aufschluss. Hier nahm die Kindheitsgeschichte Jesu den ersten Platz ein (54 %), was dort allerdings keinen exklusiven Charakter hat.563 Es bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Kinder ausschließlich die Geschichte von Jesu Geburt kennen. Allerdings nahm diese den Spitzenplatz ein, obwohl insgesamt mehr Erzählungen aus dem Alten als aus dem Neuen Testament genannt wurden. Unter der Kategorie Lieblingsgeschichte kam die Kindheitsgeschichte Jesu auf den dritten Platz564.

4.3.4 Kindersegnung Es überrascht, dass die von Hanisch und Bucher befragten Viertklässler das Kinderevangelium weitgehend ausblenden, obwohl es aus dem Religionsunterricht bekannt sein sollte.565 Nur 1,2 % der Kinder nennen es spontan, bei den Lieblingsgeschichten spielt es keine Rolle. Dies erstaunt umso mehr, als Hanisch/ Bucher gerade den Religionsunterricht als Hauptquelle des Kenntniserwerbs biblischer Geschichten ausmachen.

4.3.5 Berufungsgeschichten Analog zum Kinderevangelium gehören auch die Berufungsgeschichten zu denjenigen Erzählungen, die zwar in den meisten Lehrplänen enthalten sind, nach der empirischen Studie von Hanisch und Bucher jedoch bei Viertklässlern spontan wenig bis nicht präsent sind. Im Gegensatz zum Kinderevangelium stellt sich bei diesen Erzählungen jedoch die Frage, »ob sie in diesem Alter [Thematisierung häufig in der ersten und zweiten Klasse] entwicklungspsychologisch 562 Vgl. Bünker, Jesus-Christkind, 41. 563 Hanisch/ Bucher, Bibel, 24. Vgl. hier auch den Folgegedanken. 564 Dazu muss gesagt werden, dass 4 von 5 der von Hanisch und Bucher befragten Kinder angaben, eine Lieblingsgeschichte zu haben. Allerdings gingen nur 1/3 dieser Kinder davon aus, ihre Lieblingsgeschichte habe etwas mit ihrem Leben zu tun. 2/3 waren bereit, sie weiterzuerzählen. 565 Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 35, vgl. im Folgenden 27.

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angemessen sind, da Berufung, Bekehrung, Lebensentscheidung (Identität) eher Themen des Jugendalters sind.«566

4.3.6 Jesus als Heiler und Wundertäter Vaden und Woolley konnten in einer Studie nachweisen, dass die Bereitschaft, übernatürliche Deutungen innerhalb der biblischen Überlieferungen zu akzeptieren – bei zeitgleichem Wachsen des Vermögens, die Fiktivität nicht religiöser Geschichten zu erkennen – im Alter von 4 – 5 Jahren beginnt und bereits bei 6-jährigen eklatant ist.567 Gerade religiös geprägte Kinder568 gestehen der Domäne Religion offenbar eine andere – exklusive – Realitätskonstruktion zu. Für nicht-religiöse Kinder ist es dagegen im Umkehrschluss möglich, biblische Geschichten in die Kategorie Märchen einzuordnen und ihren mangelnden Realitätsgehalt zu identifizieren. Büttner konnte durch seine Studie zeigen, dass Kinder bis zum 9. Lebensjahr in der Regel kein Problem damit haben, dass Jesus bei Hilfsaktivitäten Grenzen des Natürlichen überschreitet.569 Gegen Ende der Grundschulzeit steigt dagegen das Interesse an den Wundern, die nicht mehr einfach als selbstverständlicher Teil der eigenen Weltsicht wahrgenommen werden, weswegen zeitgleich das Bedürfnis wächst, Wunder im Einklang mit den Naturgesetzen wahrzunehmen. »Dass das Eingreifen Jesu kaum noch mirakelhaft erwartet wird, sondern eher als ein punktuelles Einwirken auf das Wetter, verbunden mit eigenständigen Anstrengungen der Menschen. Daneben spielt eine große Rolle die Vorstellung von einer Kraft, die von Gott ausgeht und Jesus befähigt zu handeln, aber auch, die agierenden Menschen.«570

Anhand von Gesprächen, die Liebold mit Fünftklässlern zur Frage »Wie« Jesus im Blick auf einen Sturm reagieren kann, führte, lassen sich zwei Bilder von Jesus erkennen: Erstens Jesus, der direkt göttliche Macht über die Natur hat (vgl. die biblische Sturmstillung Mk 4,35 – 41), und Jesus, der durch das Gebet Wunder bewirken kann und dem »normalen« Gläubigen näher steht.571 Bei Studien, die statt nach dem »Wie« der Wunder nach dem »Warum« fragen, überwiegen in Kindergruppen von 8 – 12-jährigen, so Woolley, Lacy und Cornelis natürliche 566 Hanisch/Bucher, Bibel, 28 + 35. 567 Vgl. die zusammenfassende Rezeption verschiedener Studien von Woolley mit Cox, Vaden, Cornelis und Lacy bei Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 48 – 53. 568 Hier sind insbesondere der familiäre Wertekanon sowie das kirchliche Umfeld oder der RU gemeint. 569 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 196. Vgl. ebd. auch den nachfolgenden Gedanken. 570 Büttner, Jesus hilft, 180. 571 Vgl. Fricke, Von Gott reden, 118 in Rezeption der Studie von Liebold, Jesusbild.

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Erklärungsversuche, wobei supranaturale mit dem Alter zunehmen.572 Diese Ergebnisse relativieren klassische Entwicklungsmodelle insofern als eine realistische Weltsicht offensichtlich nicht die einzig mögliche höchste Entwicklungsstufe darstellt. Klassische Entwicklungsmodelle erwiesen sich, so Büttner und Dieterich, in hohem Maße als normativ, in dem Sinne als das ›Übernatürliche‹ im Lauf der Entwicklung aus der legitimen Wirklichkeitsdeutung ausgeschlossen wurde.573 Die höchsten Entwicklungsstufen entsprachen demnach dem Standard eines aufgeklärten Wirklichkeitszugangs, der – obgleich dem Denken von jüngeren Kindern (demgemäß es kein Problem darstellt, dass Jesus übers Wasser läuft oder Brot vermehrt) ein Eigenrecht zugestanden wird – letztlich erstrebenswert erschien. Zu konstatieren ist mit Hanisch und Bucher die Tatsache, dass Kinder am Ende der Grundschulzeit Wundergeschichten kennen: Am besten gekannt werden die Sturmstillung, bei der 38 % der Zehnjährigen im Multiple Choice Test den richtigen Satz »Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam« angeben konnten, obwohl dies zweifelsohne gemessen am alterstypischen Sprachgebrauch kein einfach verständlicher Satz ist. Ebenfalls erstaunliche 34 % wählten bei der Geschichte von Bartimäus die richtige Aussage.574 Hanisch/ Bucher führen als Begründung dafür, dass Erzählungen von Wundern Jesu spontan häufig von Zehnjährigen gekannt werden an, dass diese im Religionsunterricht der Grundschule extensiv behandelt werden und sie Kindern aufgrund ihrer entwicklungspsychologischen Voraussetzungen einen einfachen Zugang bieten.575 Auch Bee-Schroedter sieht den Vorteil von Wundergeschichten in dieser Altersklasse in der Adäquanz zu religionspsychologischen Dispositionen von Kindern.576 Diese neigen dazu, Wundergeschichten wörtlich zu verstehen und auf ein artifizialistisch geprägtes Gottes- bzw. Jesusbild zu beziehen, wonach Gott und Jesus alles können.577 Hilfreich zum Verstehen von Wundergeschichten ist aus Kindersicht auch das für die theologische Domäne relevante finalistische Denken. Alles, was geschieht, hat aus Kinderperspektive einen Sinn. »Diese Sinnstiftung und Sinnverbürgung zeigt sich auch in der Reduzierung jeglicher Sinnlosigkeit. Für Kinder sind Theodizeeprobleme grundsätzlich lösbar : Am Ende wird alles gut.«578 Gemeint ist dabei die Perspektive des Menschen. 572 Vgl. die zusammenfassende Rezeption verschiedener Studien von Woolley mit Cox, Vaden, Cornelis und Lacy bei Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 48 – 53. 573 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 37. Vgl. ebd. auch den nachfolgenden Gedanken. 574 Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 32. 575 Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 27. 576 Vgl. Hanisch/ Bucher, Bibel, 27 unter Bezug auf Bee-Schroedter, Wundergeschichten, 287 f. 577 Vgl. Kapitel 5.1. Entwicklungs- und religionspsychologische Grundlagen. 578 Büttner, Jesus hilft, 126 unter Aufnahme von Fetz, Kinderglaube, 25.

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»Alles für das höhere Wohl des Menschen«.579 Dies steht auch im Einklang mit der klassischen Theorie bezüglich der Beziehung des Menschen zum Letztgültigen nach Oser/Gmünder,580 dergemäß sich Kinder zunächst an absoluter Heteronomie orientieren (Deus ex machina) und erst später am Prinzip des Do-utdes581. Positives geschieht demnach aufgrund positiven menschlichen Agierens, Negatives aufgrund seiner Unterlassung. Dazu passt eine Weiterentwicklung des Artifizialismus, bzw. der Beginn seiner Auflösung, insbesondere zwischen Klasse 3 und 4. Die Vorstellung eines mirakelhaften Eingreifen Gottes, die dem ›Deus ex machina‹ entsprochen hat, wird immer unwahrscheinlicher. Auch sind komplexere Denkmodelle durchdringbar. Das führt dazu, »dass die Schüler/ innen zunehmend die Autonomie der Naturvorgänge betonen und ein Eingreifen in diese Naturvorgänge immer weniger für plausibel halten.«582 Stattdessen wird die eigenständige Anstrengung des Menschen durch Gebet583 oder menschliches Handeln höher bewertet, wobei durchaus die Beziehung zum Ultimaten in Zusammenhang damit gesehen wird (Do ut des). Gleichzeitig ist ein allererstes Aufkeimen von subjektorientierten Theorien feststellbar, die für die Pubertät so charakteristisch ist. »Während der Rückgang des artifizialistischen Denkens die Möglichkeit mirakelhafter Interventionen Gottes oder Jesu faktisch unmöglich macht, wächst nun ein neuer Erfahrungsraum im eigenen Selbst.«584 Kraft stellt auch fest, dass sowohl Kinder (Viertklässler) als auch Jugendliche (Zehntklässler) Jesus nicht nur uneingeschränkt als Wunderheiler akzeptieren, sondern die Wunder darüber hinaus ihr Bild von Jesus bestimmen.585 »Deutlich wird, dass das ›positive‹ Jesusbild – ›Jesus hilft!‹ (Gerhard Büttner) – der Kinder und Jugendlichen wesentlich von den Erzählungen der Krankenheilungen und Wundertaten Jesu bestimmt ist: Jesus ›(ist) extra für uns auf die Erde gekommen… und (hat) dann Wunder vollbracht … und Leute geheilt‹.«586

Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus Büttners Studie, der konstatiert, dass Schüler/innen an der grundsätzlichen Hilfsbereitschaft Jesu nicht zweifeln, obwohl sie mit zunehmendem Alter zurückhaltender werden über das Wie der 579 580 581 582 583

Piaget, Weltbild, 183. Vgl. Oser/Gmünder, Entwicklung, 91 f. Vgl. Oser/Gmünder, Entwicklung, 91 f. Büttner, Jesus hilft, 169. Vgl. Büttner, Jesus hilft, 191 unter Bezug auf eine Studie von Tamminen, dass Grundschulkinder eher von der alleinigen Wirkung eines Gebets ausgehen, Kinder ab Klasse 5 dagegen das Zusammenwirken von Gebet und menschlichen Faktoren (hier : Medikament) betonen. Tamminen, religiöse Entwicklung, 245 ff. 584 Büttner, Jesus hilft, 192. 585 Vgl. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 48. 586 Kraft, Kompetenzüberprüfung, 48.

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göttlichen, von Jesus erhofften Hilfe.587 Die grundsätzlichen Erwartungen der Schüler/innen an Jesus Christus stimmen mit ihren Aussagen zu Gott überein. Ihr Jesusbild ist christologisch bestimmt und stellt letztlich einen Aspekt der Gottesfrage dar, Details aus dem Leben Jesu treten dagegen in den Hintergrund.588 Büttner stellt fest, dass das Gebet Jesu in allen Altersstufen einen Schlüssel für das Verständnis der Wundergeschichten darstellt.589 Während Schüler/innen in den Klassen 1 – 3 Gott und Jesus dabei tendenziell eher eng – im Sinne von familiär – verbunden sehen und ein durchaus konkretes Verständnis des Eingreifens Jesu und Gottes zugunsten der Menschen aufweisen, lässt sich in den Klassen 4 – 7 tendenziell eine zentrale Bedeutung des Gebets als Kommunikationsmedium zwischen Gott und Jesus – die dann getrennt gesehen werden – feststellen, wobei eine Aufspaltung der Funktion gilt: Jesus will helfen, benötigt aber die Ermächtigung Gottes, die dieser ihm aus seiner Macht heraus geben jedoch auch verweigern kann.590

4.3.7 Jesus als Gleichniserzähler In Krafts aktueller Studie zur Kompetenzüberprüfung fällt auf, dass Jesus als Prediger und Gleichniserzähler gegenüber Jesus als Wunderheiler verblasst.591 Das bestätigt die Erkenntnisse von Hanisch/Bucher. Die von ihnen befragten Zehnjährigen nannten zu 15,6 % spontan Gleichnisse, v. a. den Verlorenen Sohn und das Verlorene Schaf. 24 % hingegen konnten spontan Wundergeschichten nennen, bei den Heilungsgeschichten dominierte die Heilung des Bartimäus.592 Bee-Schroedter sieht den Nachteil von Gleichnissen darin, dass diese übertragen werden müssen.593 Einen relativ hohen Kenntnisgrad hat das Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Im Multiple Choice Test-Verfahren entschieden sich 42 % der Zehnjährigen bei Hanisch und Bucher für die korrekte Zuordnung ›Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört.‹594 Büttner und Dieterich argumentieren unter Bezugnahme auf die kognitive Entwicklung in Wissensdomänen, dass Gleichnisse materielles Wissen über gewisse Sachverhalte im biblischen Israel voraussetzen, die erworben sein müssen, um die theologische Absicht zu 587 588 589 590 591 592 593 594

Vgl. Büttner, Jesus hilft, 267. Vgl. hier auch den nachfolgenden Gedanken. Vgl. dazu Büttner, Jesus hilft, 271+267. Vgl. Büttner, Jesus hilft, 268. Vgl. Büttner, Jesus hilft, 266. Vgl. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 12. Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 27. Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 27 unter Bezug auf Bee-Schroedter, Wundergeschichten, 287 f. Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 33.

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verstehen.595 Kraft/Roose fordern mit Kindern ein christologisches Nachdenken zu fördern, ein Nachdenken über die Frage, wie Gott und Jesus zueinander stehen.596 Dies ist ihrer Ansicht nach – entgegen früheren Forschungsmeinungen – auch bei Grundschulkindern möglich.

4.3.8 Passion Jesu597 Bei Brunners Untersuchung von 176 Kinderzeichnungen bei Kindergartenkindern sticht der relativ hohe Prozentsatz an Kindern ins Auge, die Bilder zum Passionsgeschehen malen. 25 % entscheiden sich für eine Szene aus der Passionsgeschichte. Es handelt sich um die größte homogen auffindbare Kategorie innerhalb der Zeichnungen. Bezogen auf die Gruppe der Kinder, die Bilder zum biblischen Jesus malen598, entscheiden sich 44 von 77 Kindern für das Passionsgeschehen.599 Dies besagt jedoch nur, dass die Kinder um die Erzählung wissen und offenbar von ihr beeindruckt sind, es offenbart jedoch nicht ihre Deutung des Geschehens. Bei der empirischen Tübinger Forschungsstudie bei der Kinder unterschiedlicher Religion unter anderem zu ihrem Wissen über das Passions- und Ostergeschehen befragt wurden, konnte etwa die Hälfte dieses wiedergeben oder den Mann am Kreuz als Jesus benennen.600 Dabei wurde zum einen deutlich, dass konfessionelle Kindergärten an Ostern mit deutlich christlichem Profil arbeiten 595 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 36. 596 Vgl. Kraft/Roose, Jesus Christus, 97. Vgl. hier auch den nachfolgenden Gedanken. 597 Im Blick auf die Salbung Jesu in Betanien verweise ich auf die empirische Untersuchung von Renate Hofmann in zwei Bayreuther Kindergärten. (Hofmann, Salbung Jesu, 107 – 116). Da die Salbung Jesu keinen Eingang in den Bildungsplan B-W findet, werde ich sie im Unterricht nicht thematisieren. Demnach erhebe ich dazu auch keine Daten, die vor dem Hintergrund von empirischen Forschungsergebnissen gespiegelt werden könnten, weshalb ich auf eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse von Hofmann an dieser Stelle verzichte. 598 Insgesamt malen 46,1 % aller von Brunner untersuchten Kinder den biblisch überlieferten Jesus, vgl. Brunner, Christologie Vorschulkinder, 41. Die Gruppengröße differiert jedoch mit der Altersklasse der Kinder. Bei den Dreijährigen wählen 27,3 % Motive des biblisch überlieferten Jesus, bei den Vierjährigen 46,7 %, bei den Fünfjährigen 38,9 % und bei den Sechsjährigen 63,0 %, vgl. dazu Brunner, Christologie Vorschulkinder 52 – 55. Bedauerlicherweise fehlen Angaben darüber, inwiefern der Anteil an Bildern der Passionsgeschichte innerhalb biblischer Motive in den einzelnen Altersgruppen differiert. Das macht den Vergleich zur Probandengruppe der vorliegenden Studie, die vom Alter her am ehesten den Sechsjährigen bei Brunner entspricht, schwierig. 599 Vgl. Brunner, Christologie Vorschulkinder, 42. 600 Vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 159 f. Befragt wurden 140 Kinder – christliche, muslimische und konfessionslose. Vgl. hier auch den nachfolgenden Gedanken. Vgl. zur genauen Zusammensetzung der Probandengruppe Dubiski u. a., Religiöse Differenzwahrnehmung Befunde, 26.

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sowie zum anderen, dass auch christlich sozialisierte Kinder städtische Kindertagesstätten besuchen. Bezüglich junger Kinder lieferte insbesondere die quantitativ empirisch angelegte Studie von van’t Zand und de Roos unter Einbezug von 135 Probanden im Durchschnittsalter von 69 Monaten (5 34 Jahren) beeindruckende und vor allem ausführliche Ergebnisse.601 Zum Wissensstand von Vorschülern zur Ostergeschichte lässt sich aufgrund dieser Forschungsstudie zusammenfassend sagen, dass Vorschüler eine Menge über die Ostergeschichte wissen. Allerdings muss dieses positive Ergebnis – und damit auch seine Vergleichbarkeit – im Blick auf die Auswahl der Probanden eingeschränkt werden. Es handelt sich ausschließlich um Kinder aus religiös orientierten Grundschulen, bzw. einer Pfingstschule. Die meisten dieser Vorschüler waren in der Lage, sich zahlreiche im biblischen Sinne richtigen Details der Passions- und Ostergeschichte in Erinnerung zu rufen. Schwierigkeiten gab es allerdings bei Fragen zum letzten Abendmahl. Auf einem Abendmahlsbild erkannten 67 % der Kinder Jesus, 43 % die Jünger am Tisch und 39 %, dass Jesus Brot bricht/teilt. Dagegen wusste die Hälfte nicht, warum Jesus das Brot bricht. Im Blick auf die Gefangennahme Jesu gaben 34 mindestens eine im biblischen Sinne korrekte Antwort. 62 % erkannten die Soldaten, 60 % erkannten Jesus, jedoch nur 12 % Judas und die anderen Jünger. Etwas mehr als die Hälfte konnte das Motiv der Gefangennahme Jesu durch die Soldaten nennen. 14 der Kinder konnte weiterführend Jesu Tod am Kreuz anschließen. 59 % der Kinder kannte die Kreuzigung und sagten, dass Jesus am Kreuz gestorben ist oder gehangen hat. Allerdings gaben mehr als die Hälfte der Kinder an, dass sie nicht wüssten, warum das passiert ist. Daran zeigt sich »dass es für Vorschüler einfacher ist, Fakten nachzuerzählen als den Grund dahinter zu begreifen.«602 44 % konnten eine meist biblisch wörtliche Art benennen wie z. B. ›die Leute mochten ihn nicht, der König wollte es, er sagte, er sei der Sohn Gottes, die Leute wollten nicht, dass Jesus König würde, Soldaten 601 Vgl. Van’t Zand/de Roos, Vorstellungen Ostern. Ihre Untersuchung fand zwar in Holland statt, weist jedoch sowohl von der Altersgruppe als auch von der Methodik (Interviews unter Einsatz von Bildern aus Kinderbibeln) her eine Nähe zur vorliegenden Studie auf, was die Ergebnisse als Vergleichswerte interessant macht. Stark eingeschränkt wird die Vergleichbarkeit allerdings durch die Tatsache, dass die Probanden bei van’t Zand und de Roos durchgängig aus religiös orientierten Grundschulen sowie einer Pfingstkirche stammten, in der vorliegenden Probandengruppe jedoch nur 7 von 19 Kindern kirchlich getragene Kindergärten besuchten, was einen ungleich höheren Wissensstand der holländischen Kinder erwarten lässt, bzw. eine geringere Anzahl an Kindern mit kaum Vorwissen. Zusätzlich zu den Vorstellungen kleiner Kinder von Ostern werden in der Studie von van’t Zand und de Roos folgende Gegenstandsbereiche erforscht: Die mögliche Verbindung zwischen elterlichen Vermittlung und kindlicher Rezeption sowie mögliche konfessionelle Abhängigkeiten, vgl. 148 f und 158 f. Diese Bereiche finden keinen Eingang in die vorliegende Studie. 602 Van’t Zand/de Roos, 156.

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töteten ihn, er wurde verraten‹. 59 % erzählten, dass Jesus tot war und in einem Grab beerdigt wurde. Insgesamt ist es überraschend, wie viel Vorwissen die – christlich sozialisierten – Probanden der eben vorgestellten Studie aufweisen. Überraschend wirkt dagegen, dass einige Bildungspläne603 den Kindern die Passion Jesu in Klasse 1/2 vorenthalten. Zurecht begrüßt Fricke, dass Erstklässlern im bayrischen Lehrplan der Tod Jesu nicht vorenthalten, sondern zugemutet wird, da sonst jedes Jahr neu überlegt werden müsste, ob es den Kindern nun gesagt werden kann.604 Er hält das Verschweigen für eine Sackgasse und begründet dies damit, dass die Nachricht des Todes Jesu ja bereits im Symbol des Kreuzes enthalten ist. Auf der Basis der vorliegenden Studie kann dies gestützt werden, wenn das (Vor-)Wissen der Kinder den Tod Jesu bereits enthält. Auch Kammeyer kommt auf der Basis ihrer Studien zum Gebet mit Vorschulkindern zur Erkenntnis, das die Person Jesu im Garten Gethsemane als vorbildliches Betermodell angesehen werden kann, anhand dessen die Kinder die Theodizeefrage stellen und die Stärke und Schwäche Gottes thematisieren können, wobei sich zeigt, dass auch jungen Kindern Leid und nicht erfüllte Gebete bekannt sind und sie diese nicht tabuisieren.605 Zimmermann stellte 10 – 12-jährigen die Aufgabe, einem fiktiven Austauschschüler zu erklären, warum Jesus am Kreuz hängt.606 Sie untersuchte insbesondere auch, ob Kinder dieser Altersklasse in der Lage wären, sich ohne sprachlichen oder konzeptionellen Input mit dem Tod Jesu auseinanderzusetzen.607 Dabei konstatiert sie häufig eine ›spontane‹ narrative Einbettung z. T. in die gesamte Jesusgeschichte hinein, wobei diese Erzählfolge als sinnstiftendes Ordnungsmuster verwendet wird, darüber hinaus stellt sie aber auch argumentative Sprachformen fest.608 Sie identifiziert in der Anbidung der Passion an die Lebensgeschichte Jesu jedoch nicht nur die sprachliche Kompetenz der Kinder, sondern eine spezifische narrative Kompetenz, die insbesondere auch in der ›kollektiven Wahrnehmung‹ als erstaunlich detailreich konstatiert werden kann.609 Es scheint fast so, als würden die Probanden sich mangels eines vorgegebenen Rahmens (kein Input) selbst einen Rahmen auf der Basis ihres Vorwissens schaffen. Zimmermann identifiziert ferner eine historische Kompetenz ihrer Probanden, die Jesu Tod neben theologischen Erklärungen auch mit historisch plausiblen Gründen in Verbindung bringen.610 Darüber hinaus ist bei 603 604 605 606 607 608 609 610

So auch der Bildungsplan von Baden-Württemberg, vgl. dazu ausführlich Kapitel 5. Vgl. Fricke, Von Gott reden, 136. Vgl. hier auch den nächsten Gedanken. Vgl. Kammeyer, Gebet, 514. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 340. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 370. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 370. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 370 f. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 373.

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der Probandengruppe eine in ihrer Fülle bemerkenswerte dogmatische Kompetenz im Sinne der Anknüpfung an traditionelle theologische Deutungsmuster erkennbar, insbesondere bezüglich von Stellvertreteraussagen.611 Zimmermann kann ebenso eine hermeneutische Kompetenz wahrnehmen, indem z. B. die Wirkungsgeschichte des Kreuzes oder Jesu als Gründergestalt des Christentums beschrieben wurde und teilweise eine Formulierung ›für mich‹ oder ›für uns‹ in die Gegenwart hinein geschlagen wurde.612 Dazu passen auch die Ergebnisse der kleinen Studie zu den Kompetenzen von Kindern am Ende der Grundschulzeit. Roose konstatiert unter der Rubrik ›Differenziertes Wissen‹, dass Kinder einige Gründe für die Verurteilung nennen können sowie unter der Rubrik ›Verwendung von religiöser Sprache‹ die zitierte Formel »gestorben (für uns) – nach drei Tagen auferstanden«.613 41 % der von Hanisch und Bucher befragten Zehnjährigen gaben spontan an, die Passionsgeschichte zu kennen, deutlich mehr als das Ostergeschehen.614 Das kann als Indiz entweder dafür gedeutet werden, dass der Kreuzweg häufiger, bzw. intensiver im Religionsunterricht thematisiert wird oder dass das Leiden und Sterben Jesu die Kinder emotional stärker berührt als die Auferstehungszeugnisse. Weitere Deutungsmöglichkeiten wären sowohl eigene Unsicherheiten von Erwachsenen im Blick auf die Thematisierung der Auferstehung als auch eine Überlagerung durch das österliche Brauchtum. Kraft findet bei Viertklässlern folgende Interpretationsmöglichkeiten des Kreuzigungsgeschehens: »Die Kreuzigung wird als eine Bestrafung für die Anmaßung, Gottes Sohn zu sein, erklärt. Die Menschen, die die Jesus Sohnschaft Gottes in Frage stellten, glaubten, er wäre ein ›böser Mensch‹. Sie hatten (scheinbar) nicht miterlebt, was er Gutes getan hatte.«615 Das Kreuz kommt bei Grundschulkindern insofern nicht als paradox in den Blick, sondern primär als Andenken an Jesus, die Kreuzigung als Bestrafung und Zurückweisung seiner Botschaft, insbesondere der Sohnschaft Gottes. »Insofern ist für sie das Kreuz ein Zeichen christlichen Glaubens, es erinnert an das ‹traurige‹ Ereignis des Todes Jesu.«616

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Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 373 f. Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 374 f. Vgl. Roose, Religionsunterricht, 30. Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 25.+27. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 1 f. Kraft/Roose, Jesus Christus, 116. Vgl. hier auch den vorhergehenden Gedanken.

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Christologie von Kindern

4.3.9 Auferstehung Jesu Büttner und Mähringer gehen davon aus, dass die Auferstehungsgeschichten für Kinder des Vorschulalters die »notwendige Korrektur der Passionsereignisse darstellen. Damit geht die Geschichte von Jesus – gemäß dem finalistischen Schema – gut aus.617 Sie fragen weiter, wie Kindergartenkinder die verschiedenen Elemente des Ostergeschehens, sprich den biblischen Inhalt, also die Story von Jesu Auferstehung auf der einen Seite sowie das Brauchtum, also Skript und Schema auf der anderen Seite, inhaltlich zu einem stimmigen Konzept von Ostern zusammenfügen können.618 Funktionale/komplementäre Assoziationsbrücken im Bjorklund’schen Sinne sind in ihrer Stichprobe zu erkennen, zum Beispiel durch den gemeinsamen Gebrauch des Osterbegriffs (Osterhase, Osterlamm, Osterkerze,…) Darüber hinaus lässt sich die temporale Verknüpfung von Osterhase und Auferstehung Jesu als Lösung erkennen, auch wenn diese zeitliche Zusammenordnung eine beachtliche Leistung darstellt, die jedoch in dieser Altersgruppe bewusst gefördert werden kann. Deshalb schlussfolgern Büttner/Mähringer, dass es wichtig ist, bereits im Vorschulalter LernRäume zu gestalten, die eine Vernetzung von Story, Skript und Schemata ermöglichen. Das bedeutet, dass neben dem Osterbrauchtum definitiv »das Wissen über und Erfahrungen von dem Osterereignis zur Sprache kommen müssen, wenn uns daran gelegen ist, Kinder in die Tiefe dessen, was Ostern für uns Menschen bedeutet, hineinwachsen zu lassen.«619 Van’t Zand und de Roos620 erhalten als empirisches Ergebnis, dass 59 % der von ihn befragten Vorschüler aus christlich orientierten Schulen wissen, dass Jesus auferstanden ist. 47 % sprechen in diesem Zusammenhang von einem Engel. Allerdings identifizieren nur 20 % den auferstandenen Jesus auf einem, vielen Kindern nicht bekannten Bild. Letzteres könnte sowohl bedeuten, dass tatsächlich nur 20 % der Kinder den auferstandenen Jesus auf einem Bild identifizieren können, weil z. B. die anderen davon ausgehen, dass Jesus direkt aus dem Grab in den Himmel auferstanden ist. Es könnte allerdings auch sein, dass ein viel höherer Prozentsatz an Kindern Jesus auf einem ihnen bekannten Bild in einer ihnen bekannten Gestalt hätten identifizieren können. Da Kinder während der intuitiv-projektiven Phase stark auf Bilder ansprechen und durch sie geprägt werden, wäre es möglich, dass sie den Auferstandenen nur in einer bestimmten, durch bekannte Bilder geprägten Gestalt erkennen. Kraft erkennt bei den von ihm untersuchten Viertklässlern ein primär 617 618 619 620

Büttner/Mähringer, Jesus auferstanden, 165. Vgl. Büttner/Mähringer, Osterhase, 166. Vgl. 166 – 168 auch die nächsten Gedanken. Büttner/Mähringer, Osterhase, 169. Vgl. van’t Zand/de Roos, Vorstellungen Ostern, 157 f.

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christologisch geprägtes Gottesbild. »Jesus ist der gekreuzigte und auferstandene Gottessohn. Kreuzigung und Auferstehung werden […] als gleichsam aufeinander folgende ›Ereignisse‹ im Leben Jesu genannt.«621 Dies bestätigt auch die Ergebnisse von Butt. Dieser erforschte in seiner Dissertationsarbeit die Auferstehungsvorstellungen von Viertklässlern schwerpunktmäßig durch Inhaltsanalysen von Gruppendiskussionen zu drei biblischen Texten (Mk16, 1 – 8, Lk24, 13 – 35, Joh20, 11 – 18).622 Butts Fazit lautet: »Kinder haben an dem kindertheologischen Gespräch über die Auferstehung Jesus großes Interesse und sind dafür leicht ansprechbar. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln mit Hilfe der gelesenen biblischen Texte, ihrem vernetzten biblischen Wissen und durch eigene Gedankenkonstruktionen zur Auferstehung Jesu unterschiedliche Denkwege, denen gemeinsam ist, dass sie alle eine christologische Bestimmung als Ausgangspunkt haben. Kirchliche Traditionen oder auch theologische Lehre spielen in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Die entstandenen Denkwege beeindrucken durch ihr klares, nachvollziehbares theologisches Denken.«623

Dieses Schlussresümee zeigt auf beeindruckende Weise den Zusammenhang zwischen bereits existentem Wissen, anregenden Impulsen durch den Religionsunterricht, eigenen Gedankenkonstruktionen und theologischer, hier dezidiert christologischer Kompetenz. Butt selbst fasst die wichtigsten Ergebnisse seiner Studie mit Viertklässlern an anderer Stelle wie folgt zusammen: »Die Kinder entwickeln Vorstellungen der Auferstehung Jesus auf der Basis ihrer christologischen Ideen und Kenntnisse. Die Kreuzigung gehört für die Kinder offenbar als unabdingbare Voraussetzung zum Geschehen der Auferstehung dazu. Die Aspekte, um den Auferstandenen als Erscheinung zu beschreiben, können folgende Bereiche umfassen: Aussehen (Körper/ Kleidung/ Heiligenschein), Sein (Leib/Seele), Aufenthaltsort, Handeln Jesu. Die Himmelfahrt bildet den inhaltlichen und zeitlichen Abschluss der Auferstehung.«624

Kraft und Roose stellen fest, dass Tod und Auferstehung bei Kindern am Ende der Grundschulzeit nicht als Paradox in den Blick kommen.625

621 Kraft, Kompetenzüberprüfung, 13. 622 Vgl. Butt, Auferstehungsvorstellungen, 99 – 243. Er arbeitet des Weiteren mit selbst verfassten Trostbriefen der Kinder, kritisiert diese Methode jedoch im Nachhinein als wenig effektiv im Blick auf die Thematik der Eschatologie. 623 Butt, Auferstehungsvorstellungen, 295. 624 Butt, auferstandene Christus, 21. 625 Vgl. Roose, Religionsunterricht, 31.

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4.3.10 Gottessohnschaft Jesu/ Zwei-Naturen-Lehre In den ersten Grundschuljahren erscheinen Gott und Jesus nach Büttner und Dieterich noch als ›zwei Freunde‹, die sich gegenseitig vertreten können und die eben deswegen zum Teil auch verwechselt werden.626 Ähnlich wie im Blick auf die Kontextualisierung Jesu in biblischen Geschichten627 ist auch hier anzunehmen: »Ein Prozess der Differenzierung zwischen Gott und Jesus wird sicherlich gefördert durch eine entsprechende religiöse Unterweisung, die dann auch die entsprechenden Realien aus der Zeit Jesu den Kindern zunehmend deutlicher macht.«628 Bei etwas älteren Schülerinnen und Schülern lässt sich nach Liebold feststellen: »Die Gottessohnschaft ist in den Augen der Schüler offenbar ein wesentliches Merkmal Jesu. Sie wird zum einen im vorbildlichen sozialen Verhalten erklärt, und zum anderen durch das Erzählen der Geschichte Jesu (Geburt, Wirken bis zum Tod, Auferstehung)[…]«629 Fricke sieht im Blick auf diese Studie Folgendes. »Jesu Macht ist geringer als die von Gott.«630 Hier kann auf der Basis von Unterrichtsgesprächen mit Dritt- und Viertkläslern noch einmal folgendermaßen differenziert werden: Während jüngere Schülerinnen und Schüler eher dazu neigen, sowohl Jesus als auch Gott-Vater als stark zu bezeichnen und deren Kräfte eher additiv begreifen, neigen Schülerinnen und Schüler am Ende der Grundschulzeit dazu, Gott als den wahren Starken zu verstehen.631 Büttner fordert in Weiterführung der Thematisierung des Vater-Sohn-Verhältnisses ein offenes Fenster für die trinitarische Thematik.632 Freudenberger-Lötz erkennt bei Dritt- und Viertklässlern im Religionsunterricht ein deutliches Interesse an der Frage nach der Sohnschaft Jesu, insbesondere auch an der historischen Einordnung des christologischen Streits

Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 196. Vgl. Kapitel 4.3.2. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 196. Fricke, Von Gott reden, 119 unter Bezug auf Liebolds Studie mit Fünftklässlern, Liebold, Jesusbild, 72 – 105. 630 Fricke, Von Gott reden, 119. 631 Benz, Binität Gottes, 21. Drittklässler argumentieren, so die hier analysierten Unterrichtsbeobachtungen häufig additiv und übertragen zwischenmenschliche Kräfteverhältnisse auf die Beziehung zwischen Gott und Jesus. Beispiele aus einem Unterrichtsgespräch über das Kräfteverhältnis zwischen Gott und Jesus: »Wenn man zusammen ist, ist man viel stärker.« / »Wie beim Fußball spielen, wenn z. B. zwei gegen eins spielen, sind die zwei stärker.«/ »Wenn ich was mit meiner Freundin mache, dann wären wir auch stärker als wenn ich es allein mache.« Vgl. zu diesen Beispielen ebd. Einzelne Drittklässler griffen dagegen Argumentationen auf, die in dieser Klassenstufe noch nicht mehrheitsfähig waren, dagegen bei Viertklässlern häufig angetroffen werden konnten. Z.B. »Gott ist ja allein schon der Stärkste und in Jesus steckt ja schon Gott. Deswegen sind sie zusammen nicht stärker.« 632 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 271.

626 627 628 629

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(Logos-Christologie versus Adoptionslehre).633 Sie kann anhand von analysierten Unterrichtserfahrungen zeigen, dass Kinder durch Strukturierungshilfen zu eigenständigen Konstruktionen befähigt werden, wobei sich der Begriff »Sohn Gottes« von einer plakativen Worthülse zu einer inhaltlich gefüllten individuellen Vorstellung weiterentwickeln kann.634 Auch die kleine empirische Untersuchung von Kraft und Roose ergab einen eigenständigen Gebrauch des Gottessohntitels sowie eine selbständige inhaltliche Füllung bei Kindern am Ende der Grundschulzeit.635 Der Gottessohntitel wird hier insbesondere auch im Sinne einer göttlichen Elternschaft verstanden und gleichzeitig mit der leiblichen Elternschaft von Maria und Josef in Verbindung gebracht. Unter den christologischen Titeln ist der Sohn-Gottes-Titel bei Kindern und Jugendlichen nach Kraft/Roose der am häufigsten verwendete, was diese gerade auf die Passung zu familiärer Lebenswirklichkeit rückführen, wobei die inhaltliche Füllung vor allem von den individuellen Erlebnissen abhängt.636 Der Titel beschreibt in diesem Sinne das einzigartige Verhältnis zwischen Jesus und Gott, weil Jesus Christus der Sohn von Gott ist, auch wenn alle Menschen ›Kinder Gottes‹ sind.637 Freudenberger-Lötz stellt anhand der Analyse von Unterrichtsgesprächen ebenfalls fest, dass Viertklässler die paradoxe Rede von Jesus als bedeutsam erachten, wobei Jesu Menschlichkeit insbesondere mit seinem Leben als Mensch sowie seinen menschlichen Gefühlen, seine Göttlichkeit insbesondere durch seine Taten begründet werden (Wunder/Heilungen).638 Sie können aufgrund eines Impulses (kritischer Einwand) das denkerische Problem einer paradoxen Redeweise erkennen und verschiedene Lösungen erarbeiten, um Jesu Menschlichkeit und Göttlichkeit aufeinander zu beziehen. Das deckt sich mit den Ergebnissen von Kraft und Roose. Die Besonderheit Jesu äußert sich in den Augen der Kinder einerseits auf der ethisch-moralischen Ebene – Jesus war der sehr nette, sehr liebe, gute Mensch, der nichts Schlimmes tat – er war aber auch Gottes Sohn sowie gleichzeitig auch der leibliche Sohn von Maria und Josef.639 Klaaßen stellt fest, dass es gerade das denkerisch nicht vollständig Fassbare ist, was die Faszination von Jesus Christus ausmacht. »Das Geheimnis von Jesus Christus, Menschensohn und Gottes Sohn hat uns gepackt. Die Kinder haben erkannt,

633 Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 201 – 217. Vgl. hier auch die nachfolgende Aussage. 634 Vgl. die Chance des Religionsunterricht, religiöse Sprachfähigkeit auf- und auszubauen in 4.2.2. 635 Vgl. Roose, Religionsunterricht, 30+31. Vgl. ebd. 31 auch den nachfolgenden Gedanken. 636 Vgl. Kraft/Roose, Jesus Christus, 86. 637 Vgl. Kraft/Roose, Jesus Christus, 86. 638 Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 216. Vgl. hier auch die nachfolgenden Gedanken. 639 Vgl. Roose, Religionsunterricht, 31. Vgl. dazu auch die oben genannte Studie von Liebold.

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Christologie von Kindern

dass es in den Geschichten noch vieles zu entdecken gibt, um dem Geheimnis weiter auf die Spur zu kommen.«640 Die umfassende Studie von Büttner zur Christologie von Schülerinnen und Schülern bietet an dieser Stelle unbestritten den umfassendsten empirischen Rahmen.641 Dass Kinder kein besonderes Interesse für rein historische Fragestellungen nach Jesus zeigen, wirkt sich, so Büttner keineswegs negativ auf ihre Fähigkeit Christologie zu bilden aus. Im Gegenteil: Büttner moniert die jahrelange Fokussierung auf den historischen Jesus im Unterricht, die seines Erachtens christologische Fragen zwar nicht per se ausschließe, aber das realistische Szenario einer Verdrängung derselben auftut. So erhalte die persönliche Gottesfrage keinen Raum und es besteht die Gefahr, dass »die Jesusthematik die elementare Frage nach Gott überhaupt verfehle.«642 Büttner fordert deshalb Folgendes: »Soll also die Frage nach der Christologie der Kinder und Jugendlichen als eine der Grundfragen religiöser Entwicklung aufgegriffen werden, dann muss sie wohl als ein Moment der Gottesfrage begriffen werden. Unterrichtlich bedeutet das, gerade in den Klassenstufen 1 – 3 stärker die Beziehung zwischen Jesus und Gott in den Blick zu nehmen.«643

Wie bedeutsam gerade die Gottesbeziehung Jesu für die Ausbildung eines christologischen Konzepts gerade im Rahmen der Entwicklung des Gottesbildes ist, zeigt auch die dokumentierte Beobachtung eines Mädchens im Alter von 4 – 9 Jahren durch Kunze-Beiküfner.644 Bezüglich der Beziehung zwischen Gott und Jesus stellt Büttner in der Altersgruppe der Kinder in den Klassen 1 – 3 folgende theologisch relevante Beobachtungen fest:645 Gott und Jesus erscheinen eng verbunden, wie aus dem familialen Kontext geläufig (Vater und Sohn). Anfangs werden Jesus und Gott manchmal verwechselt oder zumindest unscharf unterschieden. Erste Überlegungen zur Besonderheit Jesu Christi im Modus konkreten Denkens können angestellt werden (z. B. halb Mensch, halb Gott). Für Kinder ab Klasse 4 bis Klasse 7 gelten ihm folgende Beobachtungen als relevant: Jesus und Gott sind deutlich getrennt. Das Gebet als Kommunikationsmedium zwischen Gott und Jesus erhält zentrale Bedeutung. Eine Tendenz zur Aufspaltung der Funktion wird sichtbar. Jesus will (immer) helfen, braucht dazu jedoch Klaaßen, Grundschule Religion 33/2010, 16. Vgl. zu diesem Absatz, Büttner, Jesus hilft, 265 – 280. Büttner, Jesus hilft, 280. Vgl. hier auch den gesamten Absatz. Büttner, Jesus hilft, 267 f. Kunze-Beiküfner, christologisches Konzept, 92 – 104. Ich werde dieses Fallbeispiel in anderem Zusammenhang im nachfolgenden Kapitel noch einmal aufgreifen. 645 Vgl. zu den folgenden Aspekten Büttner, Jesus hilft, 266, den entwicklungspsychologischen Gesamtverlauf, der sich durch die empirische Studie herauskristallisiert hat.

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die Ermächtigung von Gott. Dieser hat die Macht zu helfen, verweigert sie aber manchmal auch Jesus. »Dass das Eingreifen Jesu kaum noch mirakelhaft erwartet wird, sondern eher als ein punktuelles Einwirken auf das Wetter, verbunden mit eigenständigen Anstrengungen der Menschen. Daneben spielt eine große Rolle die Vorstellung von einer Kraft, die von Gott ausgeht und Jesus befähigt zu handeln, aber auch, die agierenden Menschen.«646

Mit der Erkenntnis der Notwendigkeit, die Beziehung zwischen Gott und Jesus stärker in den Mittelpunkt zu stellen, verbindet Büttner die didaktische Entscheidung für die offensive Thematisierung der Interaktion zwischen Gott und Jesus, vor allem im Rahmen eines vermehrten Einsatzes von Wundergeschichten, wobei das Auswahlkriterium nicht die historische Plausibilität, die aufgrund der entwicklungspsychologischen Voraussetzungen für diese Altersgruppe nicht problematisch ist, sondern die Nähe zur Lebens- und Fantasiewelt der Kinder sein muss. Gleichnisse sind dagegen nur sparsam einzusetzen.

646 Büttner, Jesus hilft, 180.

5

Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen647

5.1

Zur Genese des Bildungsplanes

»Der neue Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg [wurde] in Verbindung mit anderen Neuerungen an die Öffentlichkeit gebracht mit keinem geringeren Anspruch als dem eines Paradigmenwechsels im gesamten pädagogischen Denken und Arbeiten der Schule (›Bildungsreform 2004‹).«648

647 Der Bildungsplan Grundschule 2004 des Landes Baden-Württemberg bildet den zentralen Bezugspunkt unter dem Aspekt der Förderorientierung, da die vorliegende Studie durch ihr spezifisches Datenerhebungsdesign, vgl. dazu Kapitel 6.2, an Religionsunterricht in BadenWürttemberg gekoppelt ist. Da die Studie bereits am Ende der Vorschulzeit der Probanden ansetzt, bilden der Orientierungsplan des Landes Baden-Württemberg in der Fassung der Pilotphase von 2006, der Fassung nach vorläufiger Anhörung 2009 und der vorläufigen Fassung von 2009 (diese Fassungen betrafen die Probanden während ihrer Kindergartenzeit) einen weiteren Bezugspunkt. Nachdem bereits ein Kapitel verfasst war, das die Inhalte des Orientierungsplanes sowie auch die Entstehungsgeschichte mitberücksichtigte, wurde die nachträgliche Entscheidung getroffen, dieses nicht zu verwenden. Dazu trug insbesondere die Tatsache bei, dass sich die tatsächliche Umsetzung des Orientierungsplans, insbesondere des Feldes ›Sinn, Werte, Religion‹ in den Kindergärten, die an der Datenerhebung beteiligt waren, als uneinheitlich erwies. Auf der Basis der Erzieher/innenfragebögen ergab sich, dass nicht alle Kindergärten im Bildungs- und Entwicklungsbereich Sinn, Werte, Religion nach dem Orientierungsplan arbeiteten. Diese Uneinheitlichkeit verhinderte einen generellen Einbezug des Orientierungsplanes als Förderorientierung. Mittlerweile liegt eine endgültige Fassung vom 15. 03. 2011 vor. Vgl. zum Orientierungsplan Ministerium, Orientierungsplan Pilotphase / ebd. Anhörungsfassung / ebd. Vorläufige Fassung / ebd. Fassung 2011 sowie ebd. Entstehungsgeschichte. Mit Blick auf übergreifende Richtlinien sei die Haltung der Evangelischen Kirche zur religiösen Bildung sowie zur frühkindlichen Bildung in Form folgender Denkschriften, bzw. Thesenpapiere einbezogen, ohne dass inhaltlich im Einzelnen Bezug darauf genommen wird: EKD, Aufwachsen in schwieriger Zeit. Kinder in Gemeinde und Gesellschaft. / EKD, Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung der Wissens- und Lerngesellschaft / EKD, Religion, Werte und religiöse Bildung im Elementarbereich. 10 Thesen / EKD, Wo Glaube wächst und Leben sich entfaltet. Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen sowie EKD, Religionsunterricht, 10 Thesen. 648 Ziener/Scheilke, Entwicklung Bildungsstandards, 228.

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Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

Bis zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Situation folgendermaßen dar : Es »wurde in Lehrplänen für die einzelnen Länder mehr oder minder weitreichend festgeschrieben, was (Stoff und Inhalte), wann (Klasse), wie (Methode) und wo (Schulart) zu lehren ist.«649 Die Autoren der richtungsweisenden Klieme-Expertise forderten nun keine Umkehr zu einer radikalen Output-Orientierung, welche zweifelsohne Lehrende und Schulen überfordert hätte. Sie kamen zum Fazit, »dass Bildungsstandards die Lehrpläne keineswegs überflüssig machen, weil sie deren inhaltliche und prozessuale Orientierungs- und zeitliche Steuerungsfunktion nicht übernehmen können.«650 Im Zuge der Diskussion entstanden vielmehr Bildungspläne mit gemäßigter Output-Orientierung, die erwartete Kompetenzen, sprich erwarteten Output zu bestimmten Zeitpunkten festschreiben, jedoch gekoppelt sind mit Kerncurricula, die exemplarische Inhalte als ein verbindliches Minimum vorgeben. Es handelt sich demnach um einen Perspektivenwechsel auf realisierbarem Niveau. Der Bildungsplan von Baden-Württemberg hat aufgrund des Zeitpunktes seiner Genese – Beginn der Arbeit 2001 und schrittweise Einführung ab dem Schuljahr 2004/2005 – eine Vorreiterrolle eingenommen. Er ist dieser Rolle auch inhaltlich gerecht geworden. Seine grundsätzliche Verknüpfung von Kompetenzen und festgeschriebenen Themen wird generell positiv bewertet.651 Allerdings brachte der frühe Entwicklungszeitpunkt diesbezüglich folgende Problematik mit sich. Während nämlich der wissenschaftliche Diskurs noch unabgeschlossen war, hatten Rahmenplankommissionen auf der Basis ministerieller Vorgaben kompetenzorientierte Lehrpläne, bzw. Kerncurricula erstellt, die aufgrund dessen untereinander große Divergenz aufweisen.652 Das ist jedoch noch nicht das Problematischste. Gravierender fällt die fehlende empirische Basis ins Gewicht: »Bildungspolitische Setzungen führten zur Entwicklung von curricularen Vorgaben, in denen die Kompetenzorientierung des Religionsunterrichts auch ohne den Bezug auf verbindliche Bildungsstandards festgeschrieben wurde. Verbindliche Kompetenzvorgaben sollen nunmehr den religiösen Lernprozess im Religionsunterricht bestimmen, auch wenn eine empirische Grundlegung der Kompetenzorientierung in weiter Ferne steht.«653

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Klieme, Expertise, 91. Klieme, Expertise, 95. Vgl. z. B. Schluß, Niveaus religiöser Kompetenz, 60 Vgl. Kraft, Kompetenzorientierung, 12.f. Kraft, Kompetenzorientierung, 12. Aufgrund der auch heute noch vorliegenden großen Deckungslücke im Blick auf empirische Kompetenzforschung in der Religionspädagogik muss gefragt werden, ob die nächsten Bildungspläne nicht ebenfalls auf einer empirisch dürftigen Basis stehen werden. In dieser Hinsicht wird sich der Wunsch von Ziener/Scheilke nicht erfüllen, dass nicht alle zehn Jahre neue Lehrpläne über die Schulen hereinbrechen, sondern im Rahmen von Grundzielsetzungen kontinuierliche Verbesserungen aufgrund

Zum Verständnis von Kompetenzen

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Auch heute noch bieten weder die empirische Datenbasis noch die konzeptionelle Entwicklung ein tragendes Fundament, deshalb fordert Obst, »dass zunächst einmal erhoben würde, was Schülerinnen und Schüler denn faktisch im RU lernen, welche Kompetenzen sie sich aneignen und was sie damit anfangen«654. Dass dies nicht einfach ist sehen auch Roose und Kraft: »Inwieweit die erwarteten und verbindlichen inhaltsbezogenen Kompetenzen des Kerncurriculums bzw. des Bildungsplanes sich empirisch überprüfen lassen, bleibt eine offene Frage und beschreibt das aktuelle Dilemma des Religionsunterrichts.«655

5.2

Zum Verständnis von Kompetenzen

5.2.1 Übergeordnete Kompetenzen Der baden-württembergische Bildungsplan für die Grundschule aus dem Jahr 2004 entfaltet ein »1+8«-Modell656 im Blick auf Kompetenzen. Im Mittelpunkt steht die zu erwerbende religiöse Kompetenz definiert als »Fähigkeit, die Vielgestaltigkeit von Wirklichkeit wahrzunehmen und theologisch zu reflektieren, christliche Deutungen mit anderen zu vergleichen, die Wahrheitsfrage zu stellen und eine eigene Position zu vertreten sowie sich in Freiheit auf religiöse Ausdrucks- und Sprachformen (zum Beispiel Symbole und Rituale) einzulassen und sie mitzugestalten.«657

Sie wird von 8 weiteren übergreifenden Kompetenzen flankiert, nämlich: – »Hermeneutische Kompetenz als Fähigkeit, Zeugnisse früherer und gegenwärtiger Generationen und anderer Kulturen, insbesondere biblische Texte, zu verstehen und auf Gegenwart und Zukunft hin auszulegen. – Ethische Kompetenz als Fähigkeit, ethische Probleme zu identifizieren, zu analysieren, Handlungsalternativen aufzuzeigen, Lösungsvorschläge zu beurteilen und ein eigenes Urteil zu begründen, um auf dieser Grundlage verantwortlich zu handeln. – Sachkompetenz als Fähigkeit, über religiöse Sachverhalte, Kernstücke der biblisch-christlichen Tradition und des christlichen Lebens Auskunft zu geben und deren Bedeutung für unsere Kultur zu benennen. – Personale Kompetenz als Fähigkeit, sich selbst, andere Personen und Situa-

654 655 656 657

fortlaufender Evaluation dosiert und zeitnah in die schulische Bildungsarbeit eingebracht werden können, vgl. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 235 f. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 125. Kraft/Roose, Christologie, 60. Vgl. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 231. Bildungsplan, GS B-W, 23.

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Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

tionen einfühlsam wahrzunehmen, persönliche Entscheidungen zu reflektieren und Vorhaben zu klären. Kommunikative Kompetenz als Fähigkeit, eigene Erfahrungen und Vorstellungen verständlich zu machen, anderen zuzuhören, Rückmeldungen aufzunehmen, unterschiedliche Sichtweisen aufeinander zu beziehen und gemeinsam nach Handlungsmöglichkeiten zu suchen. Soziale Kompetenz als Fähigkeit, mit anderen rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst umzugehen, für andere, insbesondere für Schwache, einzutreten, Konfliktlösungen zu suchen, gemeinsame Vorhaben zu entwickeln, durchzuführen und zu beurteilen. Methodische Kompetenz als Fähigkeit, Aufgaben zu erfassen, Sachverhalte zu recherchieren, Inhalte zu erschließen, Lernprozesse selbstständig zu organisieren sowie Erkenntnisse und Ergebnisse zu präsentieren. Ästhetische Kompetenz als Fähigkeit, Wirklichkeit, insbesondere Bildende Kunst, Musik und Literatur, sensibel wahrzunehmen, auf Motive und Visionen hin zu befragen und selbst kreativ tätig zu werden.«658

Man könnte mit Rupp/Müller auch sagen, der Leitbegriff der religiösen Kompetenz wird in zwei Kompetenzkreisen entfaltet.659 Im inneren Kreis werden die konstitutiven Kompetenzen genannt, nämlich wahrnehmen, theologisch reflektieren, mit anderen vergleichen, eine eigene Position vertreten und sich auf religiöse Ausdrucksformen einlassen, diejenigen Kompetenzen also, die in der ausformulierten Definition von religiöser Kompetenz bereits enthalten sind. Im äußeren Kreis stehen die oben aufgeführten allgemeinen Kompetenzen, die auch in anderen Fächern gefördert werden. Während nun einerseits argumentiert werden kann, dass der Religionsunterricht mit der Ausbildung dieser fächerübergreifenden Kompetenzen seinen Teil zum allgemeinen Bildungsauftrag beiträgt, kritisiert Zimmermann gerade bezüglich einiger der übergeordneten Kompetenzen: »Was etwa im Bildungsplan Baden-Württemberg aus dem Jahr 2003/2004 unter kommunikativer, sozialer oder methodischer Kompetenz aufgeführt wird, könnte ebenso gut auch von vielen anderen Fächern proklamiert werden.«660 Auch insgesamt gilt, dass die Teilaspekte häufig abstrakt und allgemein formuliert werden, Aspekte gar aus anderen, für den Religionsunterricht nicht spezifischen Domänen übernommen sind. Dem gegenüber ließe sich mit dem Bildungsplan argumentieren, dass gerade durch das ›1+8‹-Modell die Entfaltung der zentralen religiösen Kompetenz in Form von acht Kompetenzen eine Auslegung der vier Kompe658 Bildungsplan, GS B-W, 23. 659 Rupp/ Müller, religiöse Kompetenz, 16. 660 Zimmermann, Kindertheologie und Kompetenzdebatte, 85. Vgl. ebd. , 84 f auch weiter.

Zum Verständnis von Kompetenzen

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tenzbereiche des allgemeinen Bildungsauftrages darstellt und als Ausdruck des spezifischen Mehrwerts evangelischen Religionsunterrichts verstanden werden will, der indem er religiöse Kompetenz fördert, auch zugleich auf allgemeine Schlüsselkompetenzen zielt.661 Gemeint ist dies im Sinne einer »funktionalen Duplizität«662, nicht in additiver Form. Beide Positionen haben ihre Berechtigung, sowohl die Fokussierung auf spezifisch im Religionsunterricht erreichbare Kompetenzen als auch die Einbindung des Faches in das allgemeine Methodenund Kompetenzcurriculum einer Schule. Obst kritisiert außerdem, dass nicht wirklich einsichtig sei, warum gerade die genannten acht und nicht andere Teilkompetenzen der religiösen Kompetenz zugeordnet werden. Hier liege keine überzeugende systematische Ableitung vor.663 Auch fragt Obst kritisch weiter, wieso keine systematische Verschränkung der genannten fächerübergreifenden Teilkompetenzen mit den Standards und Inhalten erfolgt. Das Verhältnis von fachübergreifenden Kompetenzen und fachspezifischen Teilkompetenzen bleibt ungeklärt.664 Neben der Förderung der in den Leitgedanken genannten übergreifenden Kompetenzen (›1+8‹) werden im Bildungsplan folgende Schwerpunkte für die Klasse 1 und 2 genannt – »Vertrauen suchen (zu Lehrerinnen und Lehrern, zu sich selbst, zueinander, zu Jesus Christus, zu Gott); – Sicherheit empfinden (ich bin angenommen, kann andere annehmen); – Die Welt und Inhalte des christlichen Glaubens besser kennen lernen.«665 Diese bilden in gewisser Weise eine Ebene für sich. Sie bringen Aspekte ein, die nicht vernachlässigt werden dürfen und gerade aus religionspsychologischer Sicht unverzichtbar sind. Allerdings erhöhen sie die sowieso recht komplexe Gestaltung des Bildungsplanes für evangelische Religionslehre, was die didaktischen Anforderungen an die Lehrkräfte erhöht.666

5.2.2 Dimensionen und fachspezifische Kompetenzen Als eine Art Zwischenebene zwischen den übergeordneten Kompetenzen und konkret ausformulierten zu erwerbenden einzelnen Kompetenzen ziehen die Gestalter des Bildungsplanes im Fach evangelische Religionslehre diejenige der 661 662 663 664 665 666

Vgl. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 231. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 231. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 86. Vgl. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 86. Bildungsplan B-W 2004, 25. Vgl. dazu Kapitel 5.2.4.

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Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

Dimensionen ein. Ausgewiesen werden diese als spezifische Logik des Faches, gleichsam als theologisches Gliederungsprinzip.667 Ein solches ist angesichts der zum Großteil fächerübergreifend formulierten übergeordneten Kompetenzen sowie der schwer greifbaren Definition der religiösen Kompetenz auch zwingend notwendig. Im Bildungsplan wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den Dimensionen nicht um eigens zu behandelnde Themen handelt, sondern dass diese der durchgängigen Orientierung dienen.668 Bei den für das Fach evangelische Religionslehre im Bildungsplan angegebenen sieben Dimensionen handelt es sich um »Mensch« (anthropologische Dimension) – »Welt und Verantwortung« (schöpfungstheologisch-ethische Dimension), »Bibel« (exegetische Dimension), »Gott« (theologisch-religiöse Dimension), »Jesus Christus« (christologisch-soteriologische Dimension), »Kirche und Kirchen« (ekklesiologisch-pneumatische Dimension) und »Religionen und Weltanschauungen« (religionswissenschaftliche Dimension).669 Jede dieser Dimensionen wird in kompetenzorientierter Art und Weis kurz ausformuliert. Im Anschluss werden für die Klassenstufe 2 jeweils 3 – 5 Einzelkompetenzen aufgeführt. Hier ein Beispiel:

– – – –

»Dimension: Gott Im Religionsunterricht denken Kinder über ihr eigenes Erleben nach und lernen, dabei auch von Gott zu reden. Die Kinder werden zu einer vertrauensvollen Gottesbeziehung ermutigt und auf diesem Weg begleitet. Die Schülerinnen und Schüler drücken eigene Vorstellungen von Gott aus; entdecken, wie Menschen in Texten des Alten Testaments von Gott erzählen; kennen Beispiele, wie Jesus Christus von der Liebe Gottes spricht; werden aufmerksam für Fragen nach Gottes Wirken in der Schöpfung«670

Obgleich an dieser Stelle bereits Einzelkompetenzen formuliert werden, unterscheiden sich diese doch stark in ihrer Operationalisierbarkeit. »Sch. kennen eine Weihnachtsgeschichte« scheint auf den ersten Blick beispielsweise sehr viel einfacher zu operationalisieren als »Sch. drücken eigene Vorstellungen von Gott aus«. Dennoch ist selbst bei ersterem nicht wirklich klar, was genau mit »kennen« gemeint ist. Reicht es aus, die Weihnachtsgeschichte grob wiedergeben zu können? Müssen über die Grundstruktur hinaus Details gekannt werden und wenn ja welche und wie viele? Im Versuch, »die relativ abstrakten Kompetenzen 667 Vgl. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 232. 668 Vgl. Bildungsplan B-W GS, 24. 669 Vgl. dazu Bildungsplan, B-W GS, 24 sowie Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 233. In der Grundschule wird die siebte Dimension »Religion und Weltanschauungen« reduziert auf »Religionen«. 670 Bildungsplan B-W GS, 26.

Zur Verknüpfung von Kompetenzen und Inhalten

165

in operablen Standards zu entfalten«671 wurden deswegen einzelne Niveaukonkretisierungen entwickelt, die »eine stärker planungssteuernde Funktion haben« und »die die Bildungsstandards des Bildungsplans an exemplarischen Problemstellungen konkretisieren sollen.«672 Dies entsprach dem Versuch Lehrpersonen zu erkennen zu helfen, auf welchen Ebenen Lehr-Lern-Prozesse anzulegen sind. Obst äußert jedoch zu Recht Kritik an der Art der Niveaukonkretisierungen, die ebenso wie die Standards meist nicht auf spezifischen Anforderungssituationen bezogen, sondern aus im Vorhinein bestehenden Inhalten deduziert werden. Kritik lässt sich darüber hinaus vor allem aus empirischer Sicht äußern. Noch sind die Niveaukonkretisierungen empirisch nicht evaluiert. Es fehlen sogar Studien, die de facto zeigen, welche Niveaus im Religionsunterricht überhaupt erreicht werden. Für die einzelnen Lehrkräfte vor Ort ist das Formulieren von Niveaukonkretisierungen wohl als Überforderung anzusehen. Die dafür notwendige diagnostische Kompetenz kann nicht einfach vorausgesetzt werden.

5.3

Zur Verknüpfung von Kompetenzen und Inhalten

»Gleichwohl bleibt wichtig und richtig, dass zum Religionsunterricht auch ein bestimmtes Wissen gehört, sodass von inhaltlichen Kompetenzen gesprochen werden muss. Formale Kompetenzen wie etwa Interpretieren, Darstellen, Kommunizieren, Beurteilen usw. reichen im Religionsunterricht nicht [aus], auch wenn sie gerade in diesem Unterricht natürlich eine große Rolle spielen sollen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Kenntnis von Gen. 1 lässt sich nicht durch die Kenntnis von Psalm 8 oder 104 ersetzen, die Kenntnis des Lukas-Evangeliums entbindet nicht von der Notwendigkeit, sich auch mit dem Johannes-Evangelium oder mit Paulus auseinander zu setzen.«673

Gemäß dieser Interpretation verwundert es nicht, dass die unter den einzelnen Dimensionen zusammengefassten Kompetenzen gerade durch ihre inhaltsnahen Formulierungen auffallen. Im Gegenteil, Kompetenzen wie »Sch. kennen Familiengeschichten des Alten Testaments, eine Weihnachtsgeschichte und eine Ostergeschichte sowie Psalm 23 und das Vaterunser«674 im Rahmen der Dimension Bibel sind absolut stimmig. Die erwähnten Erzählungen sind derart zentral, dass sie nicht beliebig ausgetauscht werden könnten. Insofern verwundert die Haltung von Ziener und Scheilke. Sie betonen – allerdings im Jahr 2004 -, dass die Wissenslastigkeit der baden-württembergischen Bildungsstan671 672 673 674

Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 169. Vgl. ebd. 169 f auch den nächsten Gedanken. Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 167 f. Schweitzer, Bildungsstandards, 237 f. Bildungsplan B-W GS, 26.

166

Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

dards sich von den nationalen (›Klieme‹-) Standards unterscheiden und sprechen die Hoffnung aus, dass sich dies für das Fach evangelische Religionslehre ändert, sobald die gewünschte Kompetenzorientierung sich in entsprechenden Formulierungen niederschlägt. Sie bemängeln die weiterhin bestehende Stofforientierung, die zwar die Rezeption der neuen Pläne erleichtert, aber konsequent zu einer Orientierung an ›religiöser Kompetenz‹ als Zielpunkt ausgebaut werden sollte.675 Angesichts der Tatsache, dass acht Jahre später noch immer keine befriedigende, allseits anerkannte Definition religiöser Kompetenz entwickelt werden konnte und aufgrund der Befunde z. B. von Feindt u. a., dass Bildungspläne, die ausschließlich kompetenzorientiert und inhaltsfern formuliert sind, in der Praxis nur mit großem Aufwand umgesetzt werden können ist dieser Gedanke zumindest kritisch anzufragen. Ihm widerspricht auch die Tatsache, dass es gerade der Hartnäckigkeit der vier baden-württembergischen Kirchen zu verdanken ist, dass die vorliegenden Bildungsstandards für alle Fächer ein Kerncurriculum an Kompetenzen und Inhalten ausweist.676 Kritik an dieser Vorgehensweise – Kompetenzen und Kerncurricula auszuweisen – äußern dagegen Kraft/Roose: »Die Logik eines kompetenzorientierten Lehrplanes wird durch die angehängten und ebenso als verbindlich geltenden ›Themenfelder‹ wieder in Frage gestellt. Mit anderen Worten: Divergierende Systematiken, die eines kompetenzorientierten Kerncurriculums und eines stofforientierten Lehrplans, werden additiv zusammengefügt.«677

Die Einschätzung, dass Kerncurricula eine ›Versuchung‹ für Lehrkräfte darstellen, sich weiterhin an Inhalten statt an Kompetenzen zu orientieren ist einerseits berechtigt. Andererseits bildet der baden-württembergische Bildungsplan gerade ein Beispiel für den Versuch, Kompetenzen und Inhalte nicht additiv nebeneinanderzustellen, sondern sie aufeinander zu beziehen. Die Verschränkung von Themenfeldern und Kompetenzen, bzw. Dimensionen ist an manchen Stellen schlüssiger als an anderen. An manchen Stellen gibt es Unstimmigkeiten. Dazu ein tabellarisches Beispiel im Blick auf die Dimension Gott und die ihr zugeordneten Themenfelder.

675 Vgl. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 229 f in Fußnote 13. 676 Vgl. Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 232. 677 Kraft/Roose, Christologie, 58.

Zur Verknüpfung von Kompetenzen und Inhalten

167

Dimension Gott: Themenfelder Sch. und Sch. drücken eigene Vorstellungen von Gott aus entdecken, wie Menschen in Texten des Themenfeld Wagnis und Vertrauen, Alten Testaments von Gott erzählen 1. Mose 12 – 21 (Abraham und Sara) Themenfeld Josefs Weg – Gott erweist seine Treue, 1. Mose 37, 39 – 46, 50,22 – 26 kennen Beispiele, wie Jesus Christus Themenfeld: Jesus Christus zeigt den Menvon der Liebe Gottes spricht schen die Liebe Gottes werden aufmerksam für Fragen nach Evtl. Einzelaspekt aus Themenfeld: Angst und Gottes Wirken in der Schöpfung Geborgenheit: Gott spricht zu Menschen, die (dazu auch Dimension Mensch: Sch. in Angst zu ihm rufen. kennen Schöpfungslob der Bibel)

Hier lässt sich erkennen, wie zwei Kompetenzen jeweils ganze Themenfelder zugeordnet werden können (insgesamt 3 von 7), wohingegen sich für die zwei weiteren Kompetenzen »eigene Vorstellungen von Gott ausdrücken« und »aufmerksam werden für Fragen nach Gottes Wirken in der Schöpfung« keine Zuordnung findet. Es besteht insofern grundsätzlich die Gefahr, dass die inhaltsbezogenen, wissensorientierten Kompetenzen, da sie sich leicht mit Themenfeldern verschränken lassen ein unzulässiges Übergewicht gegenüber inhaltsferneren, einstellungsbezogenen Kompetenzen erhalten, für die es schwerer fällt, geeignete Themen zu finden und die sich schwerer operationalisieren lassen. Schweitzer ermahnte deswegen bei der Entwicklung dieses Bildungsplanes: »Zu den inhaltlichen und formalen Kompetenzen kommen notwendigerweise noch einstellungsbezogene Kompetenzen, die einerseits den traditionell als ›Erziehung‹ angesprochenen Bereich betreffen und andererseits das, was als ›persönliches Verhältnis zum Gegenstand‹ beschrieben werden könnte. Ohne existenziellen Bezug sind jedenfalls im Bereich religiöser Bildung alle inhaltlichen und formalen Kompetenzen sinnlos, nicht zuletzt für die Kinder und Jugendlichen selbst!«678

Diese einstellungsbezogenen Kompetenzen nehmen im Bildungsplan jedoch eher wenig Raum ein. Sie werden selten aufgeführt, wohl auch deswegen, weil sie am wenigsten zu operationalisieren und zu beschreiben sind. sind. Am ehesten findet man sie in der Beschreibung der jeweiligen Dimensionen, jedoch fast nicht in genannten Einzelkompetenzen. Ein Beispiel – Dimension Welt und Verantwortung: »Der Religionsunterricht hilft Kindern, ihre Erlebnisse in Familie, Schule und Freizeit mit Gott in Verbindung zu bringen. Sie lernen dabei

678 Schweitzer, Bildungsstandards, 238.

168

Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

sich selbst und andere anzunehmen.«679 Die aufgeführten Einzelkompetenzen sind jedoch stark inhaltsbezogen: »Die Schülerinnen und Schüler kennen biblische Erzählungen, in denen Menschen miteinander und mit Gott Erfahrungen machen; wissen, wie Mut, Vertrauen, Hoffnung und Nächstenliebe das Handeln von Menschen verändern können; kennen Regeln, friedlich miteinander umzugehen.«680

5.4

Zum Umgang mit dem Bildungsplan – Anforderungen an die Lehrkräfte

Die verschiedenen Ebenen des baden-württembergischen Bildungsplanes für evangelische Religionslehre zeugen von hoher Komplexität. Neben den übergeordneten fächerübergreifenden Kompetenzen, die um die zentrale religiöse Kompetenz angeordnet sind, stehen die nach Alterststufen differenzierenden, stärker inhaltlich ausgeprägten Schwerpunktsetzungen. Es folgen sieben orientierende Dimensionen, denen zahlreiche fachspezifische Einzelkompetenzen zugeordnet werden. Darüber hinaus werden verbindliche Themenfelder als Kerncurriculum für die Hälfte bis zwei Drittel der Unterrichtszeit ausgewiesen. Im Schulcurriculum sollen diese ergänzt werden. Dadurch entstehen für die Praktikerinnen und Praktiker vor Ort hohe didaktische Anforderungen. Sie müssen »in evangelischer Freiheit und professioneller Verantwortung Unterrichtsangebote und Kursfolgen im Horizont von Grundkompetenzen, Dimensionen und inhaltsorientierten Kompetenzen selbst […] entwickeln und […] diejenigen Kompetenzen ins Spiel […] bringen, die sich im Blick auf die schulischen und lebensweltlichen Voraussetzungen der Kinder […] sowie der eigenen religionsdidaktischen Urteilskraft und Kreativität im Spannungsfeld von gelebter und gelehrter Religion an jeweils ihrer Schule nahe legen.«681

Dieser Komplexität sollen sie nicht nur auf einer reflexiven Ebene gerecht werden, sondern sie zudem in gelingendes unterrichtliches Handeln umsetzen. Klar ist, dass dies nur Hand in Hand mit einer grundlegenden Erhöhung von Kompetenzen auf Seiten der Lehrenden funktionieren kann. Allerdings wurde m. E. in diesem Bereich zu wenig Unterstützung geleistet. Gerade mit Blick auf die Situation staatlicher Lehrkräfte an den Grundschulen, die generell alle Fächer in ihrer Klasse unterrichten, stellte diese Komplexität eine enorme Herausforderung dar, da diese sich gedanklich nicht auf das Fach ev. Religionslehre fokus679 Bildungsplan B-W GS 2004, 26 680 Bildungsplan B-W GS 2004, 26. 681 Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 233.

Jesus Christus – exemplarische Konkretion von Kompetenzen und Inhalten

169

sieren konnten, sondern zur Umsetzung des Bildungsplanes in allen Fächern, d. h. zur Erstellung eines umfassenden Schulcurriculums aufgefordert waren. »Die Aufgabe der Lehrkräfte besteht darin, den [gesamten] Unterricht so zu planen, dass nach zwei Jahren sämtliche der für diesen Zeitraum verbindlichen Kompetenzen erreicht werden.«682

5.5

Jesus Christus – exemplarische Konkretion von Kompetenzen und Inhalten

Zimmermann konstatiert, dass christologisch-theologische Themen im Gegensatz zu historischen Fragestellungen in den Lehrplänen zu wenig Gewicht erhalten.683 Diese Kritik träfe allerdings weniger den evangelischen Religionsunterricht der Grundschule, denn hier wird »ein weitgehend umfassendes Bild des Lebensweges Jesu von der Krippe bis zum Kreuz erschlossen, das dann vor allem in der Mittelstufe nicht im Sinne eines Spiralcurriculums erweitert und diskursiv theologisch fundiert individuell vertieft wird. Dies wäre aber z. B. hinsichtlich des dargelegten Bruchs zwischen übernommenen Deutungen und eigenem Verstehen z. B. zum Tod Jesu notwendig. Gerade schwierige christologisch-theologische Themen (hier Tod und Auferstehung Jesu) fordern Schüler/innen heraus und sollten schon im RU der Grundschule eine größere Rolle spielen.«684

5.5.1 Kompetenzen zu Jesus Christus Analysiert man den baden-württembergischen Bildungsplan im Fach evangelische Religionslehre genauer, sieht man tatsächlich christologische Aspekte die Fülle. Jesus Christus wird sowohl ausdrücklich als eine von sieben Dimensionen ausgewiesen und mit vier gesonderten Einzelkompetenzen verknüpft, nämlich: Dimension: Jesus Christus »Im Religionsunterricht erfahren Kinder, dass Jesus Christus sich ihnen und anderen Menschen zuwendet. Sie werden ermutigt, Jesus Christus zu vertrauen. Die Schülerinnen und Schüler – kennen die Geburtsgeschichte Jesu Christi, ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung durch Gott; – wissen, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt;

682 Ziener/Scheilke, Einführung Bildungsstandards, 234. 683 Vgl. Zimmermann, Kindertheologie Christologie, 12+15. 684 Zimmermann, Kindertheologie Christologie, 15.

170

Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

– können ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken; – wissen, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen.«685

Darüber hinaus finden sich Jesu Christus betreffende Einzelkompetenzen innerhalb der Dimensionen Bibel, Gott sowie Kirche und Kirchen. Dies zeigt auf der einen Seite wie stark christologische Aspekte vertreten sind, macht es für die Lehrkräfte an den Schulen aber auch schwieriger, wirklich alle relevanten Aspekte zu finden. Allzu schnell ist man bereit, nur unter der Dimension Jesus Christus zu suchen.686 Dann aber besteht die Gefahr, die Gesamtheit der anzustrebenden Kompetenzen zu verkürzen. Dimension: Bibel »Die Schülerinnen und Schüler – wissen, dass in der Bibel Geschichten von Gott und Jesus Christus stehen – kennen […] eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte […] und das Vaterunser«687 Dimension: Gott »Die Schülerinnen und Schüler – kennen Beispiele, wie Jesus Christus von der Liebe Gottes spricht.«688 Dimension: Kirche und Kirchen »Die Schülerinnen und Schüler – kennen […] die großen Feste Weihnachten, Ostern […] im Kirchenjahr«689

Was fällt bei den ›Jesus Christus‹ betreffenden Kompetenzorientierungen auf ? Als erstes sticht die im Blick auf die Schülerkompetenzen verwendete Wortwahl ins Auge: Viermal wird das Wort ›kennen‹ verwendet, dreimal ›wissen‹ und nur einmal ›ausdrücken können‹. Ebenfalls nur einmal kommen ›erfahren‹ sowie ›ermutigt werden‹ vor. Berücksichtigt man darüber hinaus die Tatsache, dass auf ›kennen‹ mehrmals eine Aufzählung mehrerer Aspekte folgt, wird noch deutlicher, dass die Kompetenzformulierungen in Bezug auf ›Jesus Christus‹ in Klasse 2 eine starke Wissens- und Kenntnisorientierung aufweisen. Wie ist dies zu bewerten? Einerseits lässt sich mit Obst kritisch anmerken, »dass die erwarteten Kompetenzen offenbar aus theologisch vorgegebenen Inhalten deduziert worden sind und keineswegs von den Grundschülern und ihrer Sprach- und Er-

685 Bildungsplan B-W 2004, 26. 686 So geschehen beispielsweise auch im Kompetenzvergleich zwischen Baden-Württemberg und Niedersachsen, vgl. Kraft/Roose, Jesus Christus, 59. 687 Bildungsplan B-W 2004, 26. 688 Bildungsplan B-W 2004, 26. 689 Bildungsplan B-W 2004, 27.

Jesus Christus – exemplarische Konkretion von Kompetenzen und Inhalten

171

fahrungswelt her gedacht wurden.«690 Bezieht man die zum Teil auf ›Jesus Christus‹ zu beziehenden Schwerpunktsetzungen des evangelischen Religionsunterrichts in den Klassen 1 und 2 mit ein, nämlich »Vertrauen suchen ( […] zu Jesus Christus […] )« und »die Welt und Inhalte des christlichen Glaubens besser kennen lernen«691 wird dieses Bild bestätigt.

5.5.2 Themenfelder zu Jesus Christus In folgende Themenfeldern, die im baden-württembergischen Bildungsplan für die Klassenstufen 1 und 2 als verbindlich ausgewiesen und den Kompetenzen zugeordnet werden, finden sich Bezüge zu »Jesus Christus«. Dies geschieht häufig in expliziter Weise, hin und wieder jedoch eher implizit. – – – –

»Jesus Christus zeigt den Menschen die Liebe Gottes Jesus Christus nimmt Kinder ernst, Mk 10 Jesus hilft den Hilflosen: Bartimäus, Mk 10 Jesus erzählt von Gott als dem guten Hirten, Lk 15, Ps 23 Jesus lehrt die Menschen beten: das Vaterunser, Mt 6, 9 – 13.

– – – –

Mit Jesus auf dem Weg Jesus wächst in Nazaret auf und wirkt am See Genezareth. Jesus findet Menschen, die ihm vertrauen und nachfolgen. Jesus heilt und befreit: Heilung des Gelähmten, Mk 2. Jesus macht viele Menschen satt, Joh 6.

Feste im Kirchenjahr – […] wie die Weisen aus dem Morgenland machen wir Geschenke, Mt 2. – Eine gute Nachricht für alle: Jesus ist geboren, Lk 2. – Jesus Christus ist auferstanden: Osterfreude« Angst und Geborgenheit. […] MT 8,23 – 27.692

690 Obst, kompetenzorientiertes Lehren, 121. Bezogen auf das Kerncurriculum in evangelischer Religion für die Grundschule in Niedersachsen. 691 Beide Zitate Bildungsplan, B-W GS, 25. 692 Vgl. zu den Themenfeldern, Bildungsplan B-W GS 27.

172

Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

5.5.3 Verhältnis von Kompetenzen und Themenfeldern im Blick auf Jesus Christus Natürlich stellt sich im Blick auf »Jesus Christus« exemplarisch die Frage, wie gut die einzelnen Kompetenzen sowie die Themenfelder aufeinander bezogen sind. Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht: Dimension Jesus Christus: Kompetenzen Sch. kennen die Geburtsgeschichte Jesu Christi (Dimension Kirche: Sch. kennen das große Fest Weihnachten) (Dimension Bibel: Sch. kennen eine Weihnachtsgeschichte)

Themenfelder

Sch. kennen ein Gleichnis, (Dimension Gott: Sch. kennen Beispiele wie Jesus Christus von der Liebe Gottes spricht) (Dimension Bibel: Sch. kennen das Vaterunser)

Jesus erzählt von Gott als dem guten Hirten, Lk 15. Jesus lehrt die Menschen beten: das Vaterunser

Sch. kennen Geschichten von Heilungen

Jesus hilft den Hilflosen, Bartimäus, Mk 10 und Jesus heilt und befreit: Heilung des Gelähmten

Sch. kennen andere Begegnungen mit Menschen

Jesus macht viele Menschen satt, Joh 6

Sch. kennen Jesu Auferweckung durch Gott (Dimension Kirche: Sch. kennen das große Fest Ostern) (Dimension Bibel: Sch. kennen eine Ostergeschichte) Sch. wissen, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt Sch. können ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken Sch. wissen, dass Menschen Jesus nachfolgen

Feste: Jesus ist auferstanden: Osterfreude

Feste im Kirchenjahr: Eine gute Nachricht für alle: Jesus ist geboren, Lk 2; Wie die Weisen aus dem Morgenland machen wir Geschenke, Mt 2

Jesus Christus nimmt Kinder ernst, Mk 10. –

Jesus findet Menschen, die ihm vertrauen und nachfolgen ( aus Themenfeld Angst und Geborgenheit: Mt 8,23 – 27: Sturmstillung) – Jesus wächst in Nazaret auf und wirkt am See Genezareth Dimension Bibel : Sch. wissen, dass in der – Bibel Geschichten von Gott und Jesus Christus stehen

Jesus Christus – exemplarische Konkretion von Kompetenzen und Inhalten

173

Diese Tabelle zeigt, dass die Übereinstimmung von Kompetenzen und Inhalten im Blick auf Jesus Christus groß ist. Das verwundert insofern nicht, als zwei von sieben Themenfeldern für Jesus Christus reserviert sind und ein weiteres sich schwerpunktmäßig auf Feste bezieht, die mit Jesus zu tun haben. Allerdings muss man manche Querverweise erst suchen, z. B. ist die Sturmstillung Mt 8,23 – 27 dem Themenfeld Angst und Geborgenheit zugeordnet, was prinzipiell gut passt, allerdings hätte ein kleiner Querverweis beim Themenfeld Jesus Christus unter »Jesus findet Menschen, die ihm vertrauen« eine Verknüpfung erleichtert. Bedauernswert ist die Tatsache, dass gerade die wichtige Kompetenz »Schülerinnen und Schüler können ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken« etwas untergeht. Gerade die Tatsache, dass Jesusgeschichten bei den Themenfeldern einen großen Bereich einnehmen, also Themen, die Kompetenzen des Wissens und Kennens zugeordnet werden, verstärkt die Gefahr, dass den eigenen Vorstellungen von Kindern nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Es fehlen Themen wie »Wer ist Jesus für mich?« oder »Was denkst du über Jesus Christus? Was denke ich?« oder »So stelle ich mir Jesus Christus vor«.

5.5.4 Kompetenz- und Themenlücken bezüglich Jesus Christus Auffallend ist, dass der Bildungsplan im Blick auf die Klassenstufe 2 einerseits viele Kompetenzen im Blick auf den lebenden Jesus enthält und ebenso den auferstandenen Christus im Blick hat, weswegen es andererseits erstaunt, dass das Sterben Jesu überhaupt nicht oder nur implizit in der Auferstehung mitgedacht in den Blick genommen wird. Gemäß den Themen und Kompetenzen für das zweite Schuljahr wird Jesus geboren, erzählt als Erwachsener von Gottes Liebe, heilt, tut Wunder, nimmt Kinder ernst, lehrt beten und […] ist wieder auferstanden, ein Grund zur Freude. Da fehlt doch Entscheidendes. Die im Rahmen der vorliegenden Studie durchgeführten Interviews mit Vorschulkindern zeigen, dass neben der Geburt Jesu seine Kreuzigung am bekanntesten ist.693 Kann sich ein Bildungsplan leisten, an diesem Punkt nicht anzusetzen, ihn einfach auszulassen? Das widerspräche dem domänenspezifischen und konstruktivistischen Prinzip am Vorwissen und Denken sowie an den vorhandenen Kompetenzen der Kinder anzusetzen. Selbst im Blick auf Kinder, für die die Passion und Auferstehung Jesu eine schulische Erstbegegnung darstellen wäre es fragwürdig, die zeitliche Logik der Geschichte derart zu stören – gerade im Blick auf die Förderung einer nachhaltigen narrativen Kompetenz, die dazu führen soll, dass die Kinder den Spannungsbogen und den Zusammenhang einer Er693 Vgl. dazu in den Fallbeispielen die Wissens-und Vorstellungslandkarten der Kinder nach dem Vorschlinterview, jeweils 8.x.1.3.

174

Analyse und Würdigung aktueller Förderorientierungen

zählung wiedergeben können. Selbstverständlich wäre es nicht angemessen, die Passion in Einzelheiten darzustellen, wie in Klassenstufe 3+4 vorgesehen. Dies widerspräche der Schwerpunktsetzung in den ersten Klassenstufen, in denen es zunächst darum geht, Vertrauen zu suchen und Sicherheit zu empfinden, noch nicht um Herausforderungen und die Auseinandersetzung mit Konflikten und Grenzerfahrungen wie in den Klassenstufen 3+4.694 Aber der Tod Jesu, die Traurigkeit seiner Freunde darüber kann auch nicht einfach übersprungen werden, sonst ist es schwierig angemessen von seiner Auferstehung und der dadurch ausgelösten Freude zu sprechen. Für den im Rahmen der Studie durchgeführten Unterricht, der sich natürlich am Bildungsplan orientieren muss, wird an dieser Stelle folgendes Vorgehen gewählt: Ansatzpunkt ist das Vorwissen der Kinder bezüglich des Todes Jesu. Erwartungsgemäß – auf Basis der Informationen aus den Vorschulinterviews – werden die Schülerinnen und Schüler die Geschichte im Kollektiv nahezu vollständig wiedergeben können. Die Rolle der Lehrperson beschränkt sich dann darauf, Einzelheiten richtigzustellen, Fragen der Kinder zu beantworten und die Perspektive der Auferstehung sowie der Osterfreude aufzureißen. Gemäß der Schwerpunktsetzung der Klassen 1+2 »Sicherheit und Vertrauen« kann es nicht angehen, den Tod Jesu einfach stehenzulassen, es ist immer der Zusammenhang von Tod und Auferweckung sowie von Trauer und Freude anzustreben.

694 Vgl. dazu Bildungsplan B-W GS, 25.

6

Forschungsdesign im Forschungskontext

6.1

Forschungskontext

Die vorliegende Studie zur Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz von Kindern bezüglich der Thematik Jesus Christus steht im Kontext mehrerer Forschungsansätze, die auch untereinander vielfältige Beziehungen aufweisen. Der folgende Überblick ermöglicht eine Einordnung der Untersuchung in den gegebenen Kontext.

Kindheitsforschung

Kindertheologie Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz

Bildungsforschung

Aktions- und Praxisforschung

Unterrichtsforschung im RU

176

Forschungsdesign im Forschungskontext

6.1.1 Kontext Kindheitsforschung In der vorliegenden Studie geht es um die Erforschung von Kindern, nicht um die Erforschung von Kindheit. Diese Unterscheidung wird in der ›neuen‹ sozialund erziehungswissenschaftlichen Kindheitsforschung seit Ende der achtziger Jahre bewusst getroffen, wobei es bei der Erforschung von Kindern um einzelne Kinder oder Kindergruppen geht, bei der Erforschung von Kindheit um den sozialen Status im Generationengefüge oder die historischen Konstruktionen von Kindheit.695 Von wissenschaftlichem Interesse waren Kind und Kindheit schon vorher.696 Die ›neuere‹ Kindheitsforschung hob jedoch die Eigenperspektive der Kinder als forschungswürdig hervor, stellt die Kinder als ›Akteure‹ ihrer Umwelt und ›Konstrukteure‹ ihres Lebens ins Zentrum.697 Dies basierte auf der Erkenntnis, dass die Welt der Kinder sich grundsätzlich von der Erwachsenenwelt unterscheidet, Kindheit demnach eine Form von Wirklichkeit darstellt, die Erwachsenen tendenziell fremd ist.698 Hieraus ergibt sich die Schwierigkeit der generellen Perspektivgebundenheit erwachsener Forschungszugänge, die in der Frage gipfelt, ob Erwachsene – selbst mittels ›kindgerechter‹ Forschung – überhaupt Zugänge zur kindlichen Perspektive haben.699 Probleme des Forschens mit Kindern liegen außer in den Bildern der Erwachsenen über Kinder und ihrer Erwachsenenzentriertheit auch in Reaktionen ›sozialer Erwünschtheit‹ oder konkret im Umgang mit kindtypischen Ausdrucksformen, die sich Erwachsenen oftmals nicht unmittelbar erschließen. Insbesondere bei jüngeren Kindern, deren Verbalisierungsfähigkeiten noch eingeschränkt sind, ist es wichtig, zusätzlich zu sprachlichen auch handelnde Äußerungsmöglichkeiten anzubieten.700 Die Offenheit, kindtypische Ausdrucksformen zu berücksichtigen, die aus der Erwachsenenperspektive »fremd« scheinen und wissenschaftlich schwer zu erfassen sind, ist für den Forschungsprozess uner695 Vgl. Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 707. 696 Unterschiedliche Kindbilder gibt es bereits seit Jahrhunderten, vgl. Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 22. Von Interesses ist mit Blick auf die vorliegende Studie jedoch nur das moderne Kindbild, vgl. dazu ebd., 13 ff. 697 Vgl. Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 707. 698 Vgl. Fuhs, Interviews mit Kindern, 88. Da Kindheit unter diesem Blickwinkel eine unbekannte Kultur darstellt, plädiert Fuhs folgerichtig für den Einsatz ethnographischer Mittel wie der teilnehmenden Beobachtung, der Dokumentenanalyse, etc. um subjektive Bedeutungen von Kindern zu entschlüsseln. 699 Vgl. diesbezüglich Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 712 ff. und zu den im Folgenden aufgeführten Problemen des Forschens mit Kindern Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 709 – 711. 700 Die vorliegende Studie befindet sich in dieser Hinsicht an der unteren Grenze des Machbaren. Die Kinder sind zu Beginn der Studie zwischen 5 Jahren und 9 Monaten und 6 Jahren und 9 Monaten. Die Ausdrucksfähigkeit, insbesondere die religiöse Sprachfähigkeit ist sehr unterschiedlich und der Schriftspracherwerb erfolgt erst im Verlauf der Längsschnittstudie.

Forschungskontext

177

lässlich. Deshalb gilt die Prämisse: »Kindheitsforschung verlangt die Fähigkeit zur emphatischen Verbalisierung der Bedürfnisse und Gefühle von Kindern durch die Forschenden.«701 »Forschung über Kinder ist häufig auch Forschung mit Kindern. Viele Fragen, die in der Kinder- und Kindheitsforschung gestellt werden, können nur beantwortet werden, wenn man Kindern zusieht und zuhört, mit ihnen spricht und mit ihnen handelt.«702 Kinder erscheinen heute erfreulicher Weise in immer mehr Bezügen als eine befragungswürdige Gruppe. »Kindliche Wissensbestände und -vorräte sind […] in der Hierarchie des gesellschaftlichen Wissens im Aufstieg begriffen und werden gesellschaftlich neu positioniert.«703 Der Einsatz von qualitativen Methoden in der Datenerhebung der Kindheitsforschung liegt nahe. Möglichkeiten sind zum Beispiel qualitative Interviews, Gruppendiskussionen, teilnehmende Beobachtung [im Klassenzimmer] oder non-reaktive qualitative Verfahren.704

6.1.2 Kontext Praxis-/Aktionsforschung705 Praxisforschung kann als »in professionelles pädagogisches Handeln eingelassene forschende Erkundung«706 bestimmt werden. »Praxisforschung wird angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen in pädagogischen Arbeitsfeldern immer wichtiger.«707 Das hat mindestens zwei Gründe. Zum einen sind die Schwierigkeiten des Theorie-Praxis-Verhältnisses nach wie vor unübersehbar : Viele Forschungsergebnisse sind im Blick auf die Praxis wirkungslos, die Praxis erweist sich als resistent gegenüber wissenschaftlichen Theorien und Verfahren, Praktiker und Wissenschaftler sind unfähig miteinander zu lernen usw.708 Die Vision Hartmut von Hentigs, dass Lehrer zugleich forschen und Forscher zugleich lehren wurde bislang bedauerlicher Weise langfristig nur in Modellprojekten verwirklicht.709 Zum anderen bietet Praxisforschung gerade im 701 Heinzel, Kindheitsforschung, 26. Heinzel schreibt dieses spezielle Know-how insbesondere Praxisforschern und Kindheitstherapeuten zu. Diese Argumentation stützt die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gewählte Doppelrolle im Forschungsprozess. 702 Heinzel, Einleitung, 17. 703 Kränzl-Nagl/Wilk, Befragungen, 61. 704 Vgl. Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 711 f. 705 An dieser Stelle wird auf einen detaillierten historischen Rückblick auf die Aktionsforschungsdebatte der siebziger Jahre sowie auf die Entwicklung von der Aktions- zur Praxisforschung verzichtet. Vgl. diesbezüglich Moser, Praxisforschung, 33 – 94. 706 Prengel, Praxisforschung Pädagogik, 785. 707 Prengel, Praxisforschung mit Kindern, 311. 708 Vgl. Altrichter/Feindt, Handlungs- und Praxisforschung, 454, nach Hentig, Handeln, bereits 1982, 28ff + 38. 709 Vgl. z. B. die Laborschule Bielefeld. Kurzer Überblick in Döpp, Lehrer-Forscher-Modell, 819 – 830.

178

Forschungsdesign im Forschungskontext

Bereich der Kindheitsforschung die Möglichkeit, zusätzlich zur Außenperspektive von Wissenschaftler/innen die Innenperspektive von in Praxisfeldern professionell tätigen PädagogInnen aufzuzeigen.710 Gerade in einer Zeit, in der Bildungspolitik sich für die Heterogenität von Kindergruppen öffnet und man nicht mehr von klaren institutionellen Vorgaben, die sich auf eindeutige Zielgruppen beziehen, ausgehen kann, bietet die Praxisforschung neue Möglichkeiten. Dabei gilt: »Zentrales Gütekriterium von Praxisforschung ist die Nützlichkeit ihrer Befunde für die Zielgruppe pädagogischen Handelns.«711 Forschung und Entwicklung werden dabei nicht getrennt, sondern fruchtbar aufeinander bezogen.712 Praxisforschung bietet durch ihre Vorgehensweise nicht zu unterschätzende Vorteile. »Die besonderen Erkenntnismöglichkeiten der Praxisforschung liegen darin, dass Praktiker viel Zeit kontinuierlich mit Kindern verbringen und umfassend Gelegenheit haben, die Perspektiven von Kindern kennen zu lernen.«713 Dabei ist die Fähigkeit zur ›Forschung im Kontext der Praxis‹714 unabdingbare Voraussetzung. Was genau unterscheidet anwendungsbezogene Praxis- und Aktionsforschung von grundlagentheoretischer Forschung? Erstens: »Ein Charakteristikum der Ideologie traditioneller empirischer Grundlagenforschung besteht darin, Forschung von der Umsetzung ihrer Resultate bei der Weiterentwicklung des erforschten Feldes oder anders ausgedrückt, Diagnose und Intervention sowohl institutionell als auch personell zu trennen. Alle Versionen der Handlungs- und Praxisforschung nehmen gegen diese methodologische Trennung von Forschung und Entwicklung Stellung und konzipieren Forschungs- und Entwicklungsanteile als Elemente ein und desselben Prozesses.«715

Dabei entsteht ein Aktion-Reflexions-Kreislauf716, bestehend aus den Polen Aktion und Reflexion. Letztere beinhaltet Datensammlung, Ziele und Bewertungskriterien, Interpretation und Konsequenzen, die wiederum in weiterführender Aktion münden usw. In anderen Worten: Die Methoden der Praxisforschung bilden im Kern zwei Phasen: »Erstens diagnostizieren sie ›was ist‹, zweitens entwerfen sie ›wie es weitergeht‹.«717 Auf Kindheitsforschung bezogen bedeutet das, dass Kinder als Einzelne oder Gruppen in konkreten Situationen Vgl. Prengel, Praxisforschung mit Kindern, 310 sowie zum nächsten Gedanken 311 f. Prengel, Praxisforschung Pädagogik, 787. Vgl. Altrichter u. a. PraktikerInnen als ForscherInnen, 803 sowie ausführlicher 805 – 808. Prengel, Praxisforschung mit Kindern, 318 f. Altrichter u. a., PraktikerInnen als ForscherInnen, 804. Aktionsforschung verstehen dies. als umfassende Strategie, diese Kompetenz zu erwerben, vgl. ebd. 715 Altrichter/Feindt, Handlungs- und Praxisforschung, 449. Vgl. hier auch den nächsten Gedanken. 716 Vgl. Schaubild in Altrichter u. a., PraktikerInnen als ForscherInnen, 806. 717 Prengel, Praxisforschung mit Kindern, 312.

710 711 712 713 714

Forschungskontext

179

oder über längere Zeiträume von den sie professionell begleitenden Erwachsenen beobachtet werden. »Der Beobachtungsprozeß lässt sich beschreiben als Spirale, in der die Beobachtungen zur Gestaltung neuer pädagogischer Situationen führen, die wiederum neue Beobachtungen erfordern und so fort. Diese ins pädagogische Handeln eingelassene Forschungstätigkeit ermöglicht Annäherungen an die Kinderperspektiven im Kontext pädagogischer Situationen.«718

Zweitens: Praxisforschung ist weniger theoriegesättigt als grundlagenorientierte Forschung und sie muss aus wissenschaftstheoretischer Sicht Zugeständnisse machen, um in der komplexen Praxissituation durchführbar zu sein. Kein Wunder, dass Praxisforschung deshalb eher mit qualitativen Methoden durchgeführt wird, die zudem noch entsprechend modifiziert werden.719 Der Forschende ist deshalb »gewissermaßen ein ›Go between‹ zwischen Wissenschafts- und Praxissystem, ein Vermittler zwischen zwei Welten.«720 Eine Rolle, die nicht immer einfach ist. Es besteht die Gefahr, dass Praxisforschung rein im Kontext der Praxisberatung wahrgenommen wird. Es geht ihr auch um Theorieentwicklung und -überprüfung. Allerdings bezieht sie sich bei der Theorieentwicklung eng auf die ihr zugehörige Praxis und bemüht sich um erfahrungsverankerte Theorien.721 Dennoch gilt: »Auch wenn ein Entwicklungsvorhaben für die AktionsforscherInnen persönlich sehr lohnend war, wird es erst dadurch zur ›Aktionsforschung‹, wenn Erfahrungen und Ergebnisse anderen zugänglich gemacht werden.«722 Drittens: Praxisforschung kann von Praktikern durchgeführt werden. Das stellt einerseits eine Demokratisierung des Forschungsprozesses dar, der zugleich auch Teil einer Professionalisierungsstrategie (praxisbezogene Lehrerfortbildung und wissenschaftliche Weiterqualifikation) sein kann. Andererseits birgt dies die Gefahr von Rollenkonflikten durch zu engen Kontakt mit den Erforschten sowie von rollenbedingter Identifizierung und Loyalität. Es wäre falsch, das zu unterschätzen. Deshalb ist eine subjektive Distanzierung der forschenden Praktiker von ihrer eigenen Praxis entscheidend.723 Doch stehen Forschende generell in der Gefahr, ihre Perspektive und ihre Rolle, die jeden Forschungsprozess beeinflusst, zu unterschätzen. Gerade die Offensichtlichkeit 718 Prengel, Praxisforschung mit Kindern, 310. Dabei muss laut Prengel stets klar sein, dass die Annäherung an die Kinderperspektive aus Erwachsenensicht stets unvollkommen bleiben muss, nie vollständig gelingen kann. Alle Interpretation Erwachsener kann nur eine Annäherung bedeuten, vgl. 312. 719 Vgl. z. B. Moser, Instrumentenkoffer, 75 – 142. 720 Moser, Praxisforschung, 91. 721 Vgl. Moser, Praxisforschung, 94. 722 Altrichter u. a., PraktikerInnen als ForscherInnen, 807. Vgl. ebd. auch 808. 723 Vgl. Absatz bis hierhin Altrichter/ Feindt, Handlungs- und Praxisforschung, 449+459.

180

Forschungsdesign im Forschungskontext

der möglichen Rollenkonflikte könnte insofern für die Wahrscheinlichkeit sprechen, dass Praktiker als Forscher sich zwangsläufig mit ihnen auseinandersetzen müssen.

6.1.3 Kontext Unterrichtsforschung am Beispiel des Religionsunterrichts »Solange der Religionsunterricht als ein Anwendungsfeld der Theologie, als ein Ort der Mission und Verkündigung von Gottes Wort galt, in dem das Geschenk des Glaubens sich ereignen, aber keineswegs durch Lehrprozesse erwirkt werden könne, wurde in der Tat kaum die Notwendigkeit gesehen, die Konstitutionsbedingungen religiöser Lernprozesse zu erforschen. Erst seitdem auch der Religionsunterricht als ein regelgeleitetes Lehr-Lern-Geschehen verstanden wird, bei dessen Wirksamkeit die Beteiligten eine aktive Rolle spielen, ist auch die Frage empirisch zu klären, was im Klassenzimmer geschieht und in welcher Weise der Unterricht wirksam wird.«724

Den Religionsunterricht betreffende Forschung steht an dieser Stelle vor derselben Problematik wie Unterrichtsforschung generell, wissenschaftstheoretische Gütekriterien und pragmatische Überlegungen in Einklang zu bringen. Ein schwieriges Unterfangen, das bei jeder Studie unweigerlich die Frage aufwirft: »Wie wenig Komplexität ist unabdingbar notwendig und wie viel ist gerade noch handhabbar?«725Jeder Forschende muss einen Weg aus folgendem Dilemma suchen: »Folgt das Design strengen wissenschaftlichen Kriterien, dann sind die Ergebnisse so formal, dass eine Umsetzung in den schulischen Kontext meist unmöglich ist. Folgt das Design der Komplexität der schulischen Wirklichkeit, dann können die klassischen Kriterien sozialwissenschaftlicher Forschung nur eingeschränkt realisiert werden.«726

Im Religionsunterricht wird dies zusätzlich dadurch erschwert, dass es schwierig ist, »religionspädagogische Aussagen empirisch zu verifizieren oder zu falsifizieren.«727 Im Kontext der vorliegenden Studie wird die Klage, dass viele Forschungsergebnisse keine Aufmerksamkeit bei der Lehrerschaft finden, sehr ernst genommen.728 Deshalb ist vorab zu klären, wer von den Ergebnissen profitieren soll. Ziel ist es, dass sowohl wissenschaftlich als auch praktisch am Religionsunterricht interessierte Leser/innen Nutzen aus ihr ziehen können. Im Sinne des 724 Fischer/ Elsenbast/ Schöll, RU erforschen, 5. 725 Fischer/ Elsenbast/ Schöll, RU erforschen, 7 Vgl. hierzu z. B. die Überlegungen, die der Arbeitskreis Religionsunterrichtsforschung am Comenius-Institut Münster anstellt. 726 Büttner, experimental teaching, 172. 727 Büttner, experimental teaching, 172. 728 Vgl. zu diesem Aspekt Bauersfeld, Unterrichtsforschung, 39+ 41 f (auch in Bezug auf Habermas/ Robinson).

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vorhergehenden Kapitels über Praxisforschung darf die Qualität einer solchen Forschungsarbeit gerade im Kontext von Schule und Unterricht nicht ausschließlich am Kriterium der Wissenschaftlichkeit gemessen werden, sondern insbesondere auch an der Praxiswirksamkeit. Praktikerinnen und Praktiker müssen die Möglichkeit haben, die Ergebnisse im Alltag zu rezipieren, wenn die Ergebnisse für die Zielgruppe pädagogischen Handelns von Nutzen sein sollen.729 Die vorliegende Studie schließt sich einer ›probierenden‹ Unterrichtspraxis an, die sich gerade im Blick auf religionspädagogische Fragestellungen etabliert hat. Gemeint ist ein »Verfahren, in dem Unterricht nach seinen eigenen Regeln stattfindet, dem allerdings bestimmte inhaltlich-thematische oder unterrichtsmethodische Vorgaben beachtet werden.«730 Im Gegensatz zu anderen Schulstunden sind dann bestimmte ›unabhängige Variablen‹ in das Interaktionsgeschehen eingebracht, denen bestimmte ›abhängige‹ Variablen zugeordnet werden können. »So kann nachvollzogen werden, wie ein bestimmter Input von Seiten der Lehrperson von den Schüler/innen aufgenommen wird.«731 Bei den Unterrichtsstunden, die bezüglich der Thematik Jesus Christus relevant sind, handelt es sich demnach einerseits um typische Religionsstunden, die den Alltag des Religionsunterrichts ausmachen, andererseits tragen sie experimentelle Züge, weil in ihnen die Frage nach der Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz zur Erprobung kommt und Unterrichtsgespräche sowie Arbeiten der Kinder im Nachhinein wissenschaftlich untersucht werden. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass sie im Vergleich zu standardisierten wissenschaftlicheren Verfahren weniger exakte Ergebnisse erbringt. Dagegen ist der große Vorteil, »dass die Ergebnisse, soweit sie unterrichtlicher Interaktion entstammen, dann auch mit großer Plausibilität wieder in schulische Kontexte zurück überführt werden können.«732 Im Kontext der Praxisforschung ist dies unerlässlich. Unterrichtsforschung Religion verheißt auch, dass Schülerinnen und Schüler nicht mehr als amorphe Masse wahrgenommen, sondern als Individuen beobachtet werden, in der Hoffnung, sie dann sowohl besser zu verstehen, als auch ihren Interventionen im Unterrichtsgeschehen nicht mehr so unvorbereitet 729 Vgl. Prengel, Praxisforschung Pädagogik, 787. 730 Büttner, experimental teaching, 172 f. Vgl. hier auch den gesamten Absatz. Büttner übernimmt den Begriff des experimental teaching für diese Vorgehensweise von Marie-Rose Debot-Sevrin (1968). Vgl. zusätzlich die aus den thematischen Kapiteln 2 + 3 zur Wissensund Kompetenzdefinition und -aneignung gezogenen didaktisch-methodischen Konsequenzen für den im Rahmen dieser Studie konkret durchgeführten Religionsunterricht, Kapitel 2.8.1 sowie 3.6.1 sowie die Unterrichtsdokumentation im Anhang unter 11.4. 731 Büttner, experimental teaching, 172. 732 Büttner, experimental teaching, 173.

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gegenüberzustehen.733 Sie ermöglicht eine Entschleunigung der Beobachtung weil Prozesse im Unterricht aufgezeichnet und hinterher in Ruhe ausgewertet werden können.734 Dadurch wird eine Beobachtung zweiten Grades ermöglicht. Nicht nur dadurch verheißt Unterrichtsforschung die Steigerung der Effizienz von Unterricht.735 Allerdings kann auch die beste Unterrichtsforschung keine Rezepte für gelingenden Unterricht geben, sondern nur die Möglichkeitsbedingungen verändern. Generell bleibt zudem zu beachten, dass es den guten Unterricht nicht gibt, sondern verschiedene Formen gelingenden Unterrichts.736 Schweitzer sieht drei Formen empirisch-religionsdidaktischer Forschung, erstens im Bereich der Voraussetzungen von Unterricht, zweitens im Bereich der Prozessqualität und drittens bezüglich der Produktqualität.737 Zur Erforschung der Voraussetzungen von Unterricht gehören u. a. entwicklungspsychologische oder kindertheologische Untersuchungen. Im Rahmen der vorliegenden Studie werden diesbezüglich mittels halbstandardisierter Interviews zunächst die Lernvoraussetzungen der Kinder vor Schuleintritt ermittelt. Forschungen zur Prozessqualität sollen so Schweitzer in Zukunft stärkere Beachtung finden. Hier hält er komplex angelegte Langzeituntersuchungen für eine Bereicherung, die den Nachweis über Lerneffekte erzielen können. Eben das kann durch das vorliegende Vorhaben gelingen, wobei die Frage wie die Lerneffekte optimiert werden können ebenso offen bleibt wie die Frage in welcher Weise sich unterschiedliche Unterrichtsstile sowie -methoden auf sie auswirken. Die im Rahmen der vorliegenden Studie erbrachten Ergebnisse sind in Abhängigkeit zu dem im Anhang dokumentierten Unterricht, der wiederum auf didaktisch-methodischen Vorüberlegungen738 basiert, entstanden und müssen in diesem Kontext beurteilt werden. Die Dokumentation des Unterrichts dient seiner Nachvollziehbarkeit und ermöglicht insofern seine prinzipielle Wiederholbarkeit.739 Außerschulisch – im Kontext von Familie oder Gemeinde – erworbene Wissensbestandteile/Kompetenzen beeinflussen die Lern- und Entwicklungsprozesse im Unterricht, können in der Studie jedoch nur marginal erfasst740 und 733 734 735 736 737

Vgl. Kumlehn, Unterrichtsforschung Religion, 63. Vgl. Kumlehn, Unterrichtsforschung Religion, 63. Vgl. Kumlehn, Unterrichtsforschung Religion, 64. Vgl. ebd., 65 f den nächsten Gedanken. Vgl. Kumlehn, Unterrichtsforschung Religion, 66. Schweitzer, Religionsunterricht erforschen, 3 – 6. Vgl. hier auch die folgenden Gedanken, sofern sie sich nicht auf die vorliegende Studie beziehen. 738 Vgl. Kapitel 2.8.1 und 3.6.1. Vgl. die Unterrichtsdokumentation in 11.4. 739 Trotz dieser prinzipiellen Wiederholbarkeit bleibt unbenommen, dass das Unterrichtsgeschehen, selbst Gespräche im Unterricht, die auf denselben Impulsen basieren, immer wieder einzigartig sein werden. 740 Vgl. die Fragebögen für ErzieherInnen und Eltern im Anhang unter 11.1, die insbesondere in der Darstellung der sechs dokumentierten individuellen Entwicklungsverläufe aufgenommen werden, vgl. dazu Kapitel 8.x.1.1.

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bezüglich ihrer Auswirkung nicht analysiert werden. Bezüglich der Frage nach der Produktqualität von Religionsunterricht kann die vorliegende Studie Daten zum tatsächlich erworbenen Wissen und zur tatsächlich erworbenen theologischen Kompetenz von Zweitklässlern in Bezug auf die Thematik Jesus Christus feststellen und diese im Nachhinein mit den im Bildungsplan geforderten Kompetenzen vergleichen.

6.1.4 Kontext Bildungsforschung »Qualitative Bildungsforschung fokussiert auf die Beschaffenheit, die Struktur und das Bedingungsgefüge konkreter Bildungsprozesse […] und grenzt sich damit von quantitativer Bildungsforschung ab, die sich eher auf Verteilungs- und Häufigkeitsanalysen konzentriert. Qualitative Bildungsforschung stellt mittlerweile einen Kernbereich qualitativer erziehungswissenschaftlicher Forschung dar, in dem über Interviews, Diskurs- und Gruppendiskussionen sowie ethnographische Zugänge Erkenntnisse über Lern- und Bildungsprozesse in einer dynamischen Moderne generiert werden.«741

Religionsunterrichtliche Forschung kann immer nur im Kontext allgemeiner Bildungsforschung gesehen werden, weil der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach dem allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet ist und gerade in diesem Zusammenhang seinen spezifischen Beitrag zur Geltung bringt.742 »Der Religionsunterricht versteht sich als integrierter Bestandteil allgemeiner Bildung und erschließt im Rahmen seines Bildungsauftrages einen spezifischen Modus der Weltbegegnung und des Weltverstehens. Religiöse Bildung geht nicht in einem Begriff ›religiöser Kompetenz‹ auf, ist aber bezogen auf ›grundlegende‹ Kompetenzen, in denen sich die ›sichtbare‹ Seite religiöser Lernprozesse widerspiegelt.«743

Gerade die Einordnung religionsunterrichtlicher Forschungsarbeiten in den weiteren Horizont der Bildungsforschung verpflichtet dazu, sowohl im Blick auf Lernvoraussetzungen, Lernprozesse wie auch im Blick auf Lernergebnisse zu forschen.744 Kraft konstatiert, dass es im Bereich des Religionsunterrichts noch kaum bzw. zu wenig empirisch gesicherte Erkenntnisse zu Lernergebnissen 741 Marotzki/Tiefel, Bildungsforschung, 73. 742 Vgl. Bildungsplan GS B-W, 22. »Der evangelische Religionsunterricht fördert religiöse Bildung und leistet damit einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag zum allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule.« 743 Kraft, Kompetenzorientierung, 11. 744 Vgl. vor allem die Ausführungen von Schweitzer, die im vorhergehenden Unterkapitel 6.1.3 Kontext Unterrichtsforschung am Beispiel des Religionsunterrichts aufgegriffen wurden. Schweitzer, Religionsunterricht erforschen, 3 – 6.

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gibt.745 »Wir müssen zugeben, dass wir noch keine Aussagen darüber machen können, welche Kompetenzniveaus Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Zeitpunkten ihres Bildungsverlaufs tatsächlich erreichen bzw. erreichen könnten.«746 Hier stellt die vorliegende Arbeit einen Schritt in die gewünschte Richtung dar. Exemplarisch kann anhand der dokumentierten Beobachtungen aufgezeigt werden, mit welchen – heterogenen – Lernvoraussetzungen die Schülerinnen und Schüler in die Schule kommen und mit welchen Resultatkompetenzen aus den Klassenstufen 1/2 sie in den Religionsunterricht der dritten Klasse wechseln. Dabei wird der Religionsunterricht als Ort, an dem neues Wissen in Form von Impulsen oder Ideen anderer angeboten wird, bewusst einbezogen. Die vorliegende Studie erhebt nicht nur den Ausgangs- und Endpunkt einer Entwicklung, sondern bezieht Unterrichtsprozesse offensiv mit ein. »Zu allen Bildungsprozessen gehört konstitutiv das Element des Neuen – und besonders im Raum der Schule als öffentlicher Bildungseinrichtung haben Kinder nicht nur ein Anrecht auf neue Erfahrungen, sondern auch auf neues Wissen. Dafür spricht sich gerade ein theologisch interpretierter Bildungsbegriff aus.«747

Dabei geht es immer um zwei Pole, die sich gegenseitig bedingen. Es geht um die Frage, »wie es um den Lernzuwachs beim Theologisieren bestellt ist und wie dieser systematisch gefördert werden kann.«748 »Auf der Grundlage dieser Überlegungen sollte es möglich sein, das Theologisieren als hilfreichen Ansatz eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts auszuweisen und zugleich als maßgeblichen Beitrag zur Allgemeinbildung zu begründen.«749

6.1.5 Kontext Kindertheologie750 Inhaltlich wurde die Kindertheologie bereits ausführlich thematisiert.751 An dieser Stelle geht es nunmehr darum, Kindertheologie unter der Forschungsperspektive in den Blick zu nehmen. Genau hier ergibt sich jedoch folgende Problematik. Der Begriff Kindertheologie wird in unterschiedlichen Zusam745 746 747 748 749 750

Vgl. Kraft, Kompetenzorientierung, 14. Kraft, Kompetenzorientierung, 14. Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 70. Rupp, Kompetenzerwerb, 138. Rupp, Kompetenzerwerb, 148. Dieses Unterkapitel bezieht sich insbesondere auf Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 99 – 125. Im Folgenden werden hierfür nur noch wörtliche Zitate sowie Bezüge auf andere Quellen angegeben. 751 Vgl. dazu Kapitel 3.3 Die kindertheologische Bildungsstandard- und Kompetenzdebatte, insbesondere 3.3.2 Beitrag der Kindertheologie zur Kompetenzdebatte und 3.4.3 Kompetenz zum Führen theologischer Gespräche.

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menhängen definiert als entwicklungspsychologisches Phänomen, neues didaktisches Leitbild, Paradigma und Methode des Unterrichtens.752 Mirjam Zimmermann fordert deshalb neben der inhaltlichen Standortbestimmung eine Präzisierung von Forschungsdesigns im kindertheologischen Diskurs, insbesondere eine Methodendiskussion und kritisiert die gängige Praxis als zu unreflektiert. Folgerichtig argumentiert sie, dass dies Voraussetzung für die Achtung und Würdigung von Kinderäußerungen sei und dass das Anliegen der Kindertheologie nur angemessen vertreten werden kann, wenn methodische Mindeststandards eingehalten werden, die sowohl nachvollziehbar als auch kommunizierbar sind. »Da innerhalb einer ›Theologie der Kinder‹ die sprachlichen oder künstlerischen Artefakte der Kinder selbst ins Zentrum gerückt werden sollen, ist Kindertheologie immer auf ›empirische Forschungsmethoden‹ angewiesen. Im Gegenüber zur entwicklungspsychologischen Forschung interessiert aber nicht nur das für eine Altersgruppe Allgemeingültige, sondern auch das individuell Besondere der Kinderäußerungen, so dass es an dieser Stelle vorrangig um qualitative empirische Forschungen geht.«753

Kindertheologische Forschung kann auf Methoden der qualitativen Sozialforschung zurückgreifen, insbesondere auf die modifizierten Methoden aus dem Bereich der Kinderforschung. »Im Zentrum der Beschäftigung mit Kindertheologie steht das Problem, an Beiträge und Äußerungen der Kinder zu kommen.«754 Dazu werden Forschungsmethoden benötigt, die gerade die eigenständige Konstruktionsleistung des aktiven Kindes erfassen. Nach Zimmermann eignen sich dafür die Arbeit mit Fragebogen, Interviews (insbesondere halbstandardisierte), Gruppendiskussionsverfahren sowie die Erhebung narrativer oder künstlerischer Artefakte. Für die vorliegende Studie scheidet der Einsatz von Fragebögen aus, da die befragten Kinder noch zu jung sind.755 Die anderen Methoden werden im Datenerhebungs-Design aufgegriffen und begründet. Zimmermann spricht sich gegen den Einsatz von teilnehmender Beobachtung im Zusammenhang mit kindertheologischer Forschung aus. Gerade weil die vorliegende Studie sowohl im Kontext von Kindertheologie als auch von 752 Vgl. Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 99 unter Rückbezug auf verschiedene Quellen. 753 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 101. 754 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 105. 755 Zu Beginn der Untersuchung handelt es sich um 5 – 6-jährige Vorschulkinder, die sich mehrheitlich noch nicht schriftlich ausdrücken können. Auch Ende der zweiten Klasse ist eine Erhebungsmethode, die auf mündlichen Äußerungen beruht für die dann 7 – 8-jährigen Schülerinnen und Schüler leichter zu bewältigen und die Vergleichbarkeit der Erhebung der Vorschulkinder sowie der Zweitklässler ist nur bei gleicher Methode gegeben. Ziel ist es, möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, die Methode also den Fähigkeiten der Kinder anzupassen.

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Unterrichts- sowie Praxisforschung steht, ist teilnehmende Beobachtung jedoch ein wichtiger Bestandteil des Forschungsdesigns. Zimmermann konstatiert: »Die kindertheologische Forschung hat gezeigt, dass eine naive Wahrnehmung von Kinderäußerungen unangemessen ist, denn Kinder sind weit mehr zu eigenständigem theologischem Denken und Sprechen in der Lage als man lange angenommen hatte. Es ist nun an der Zeit, dass die kindertheologische Forschung ihrerseits aus der Phase der ›ersten Naivität‹, d. h. der bloßen Bekräftigung des Grundbekenntnisses auf breiterer Basis hinauskommt. Wir wissen nun, dass es sich lohnt, sich mit den Äußerungen von Kindern und Jugendlichen zu beschäftigen. Eine methodische Absicherung dieser Beschäftigung verhilft dazu, den Kindern selbst gerecht zu werden, aber auch die Kindertheologie als einen methodisch reflektierten und kontrollierbaren Bereich religionspädagogischer Wissenschaft zu etablieren.«756

Wobei das Postulat der Wissenschaftlichkeit im Blick auf die Kindertheologie von Büttner zu Recht als nicht ganz unproblematisch angesehen wird.757 Seiner Ansicht nach ist es für die Praxis der Kindertheologie – für Kindertheologie als Praktik nicht entscheidend, ob die dort benutzten Daten allen Gütekriterien der Forschung genügen können.758 Da die vorliegende Studie sich genau auf der Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Forschung auf der einen Seite und konkret stattfindendem Unterricht auf der anderen Seite bewegt, zeigt sich gerade hier ein Dilemma, das letztlich nicht aufgelöst werden kann. Defizitorientiert könnte dies als Schwäche betrachtet werden. Positiv gewendet kann es im Gegenteil als Chance verstanden werden. Indem die vorliegende Studie wissenschaftlicher arbeitet als zahlreiche kleine Studien, die Eingang zum Beispiel in die Jahrbücher für Kindertheologie gefunden haben, kann der Kindertheologie in forschungsmethodischer Hinsicht ein wertvoller Dienst geleistet werden. Da eine Verpflichtung auch gegenüber der Praxis des Religionsunterrichts und den der Lehrenden/Forschenden konkret anvertrauten Schülerinnen und Schülern besteht, dürfen die Gütekriterien der Wissenschaft jedoch kein ausschließendes Postulat der Studie sein, vgl. die Ausführungen zur Aktions- und Praxisforschung in Kapitel 6.3.2. Auch wenn sowohl das qualitative Vorgehen als auch die geringe Probandenzahl eine Repräsentativität der Daten gemäß wissenschaftlichen Gütekriterien ausschließt, bieten sie dennoch wertvolle Anregungen und Orientierung für die Praxis und Grundlage, an die sich – so steht zu hoffen – weitere wissenschaftliche Studien anschließen können.

756 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 120. 757 Vgl. Büttner, Kindertheologie und Theologie, 12. 758 Vgl. Büttner, Kindertheologie und Theologie, 12.

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6.2.1 Forschungsdesign im Überblick Die Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz von Kindern wird exemplarisch an der Thematik Jesus Christus erhoben. An der zwei Jahre dauernden qualitativ orientierten Längsschnittstudie nehmen 18 Kinder teil, eine Kohorte, die durch die typische Zusammensetzung einer schulischen Religionsgruppe Repräsentativität erhält.759 Alle Kinder werden zu Beginn sowie am Ende des Messzeitraums in halbstandardisierten Interviews befragt, wobei auf eine altersgemäße Modifikation dieser Methode geachtet wird. Das erste Interview findet in verschiedenen Kindergärten einer württembergischen Kleinstadt760 am Ende der Vorschulzeit zwischen Mai und Juni 2010 statt. Die Probanden sind Vorschulkinder im Alter von 5.9 – 6.9 Jahren. Das zweite Interview erfolgt an der dortigen Grundschule761 im Zeitraum zwischen April und Mai 2012. Die Probanden sind nun 7.8 – 8.8 Jahre alte Schülerinnen und Schüler am Ende der zweiten Klasse. Zusätzlich zur Erhebung des Entwicklungsstandes an den Hauptmesszeitpunkten wird der individuelle Entwicklungsprozess der einzelnen Kinder im Rahmen von Religionsunterricht – über theologische Gespräche und Portfolios zur Thematik Jesus Christus – erfasst, wobei außerschulisch wirkende zusätzliche Entwicklungsdeterminanten – erhoben durch Erzieher/innen- und Elternfragebögen – nur am Rande berücksichtigt werden können.762 Die zur Thematik Jesus Christus gehörenden Unterrichtseinheiten des Religionsunterrichts werden dokumentiert763 und sind vor dem Hintergrund der vom Bildungsplan Baden-Württemberg 2004 geforderten Kompetenzen764 sowie der methodisch-didaktischen Konsequenzen aus der theoretischen Auseinandersetzung mit Wissens- und Kompetenzentwicklung765 reflektiert. Für die Gestaltung und Durchführung der themenbezogenen Unterrichtsstunden wird 759 Evangelische oder freiwillig teilnehmende konfessionslose Kinder aus 2 – 3 Parallelklassen werden zu einer Gruppe, die zahlenmäßig einer Schulklasse entspricht, zusammengefügt. Vgl. zur genauen Zusammensetzung der Probandengruppe Kapitel 8. 760 Es handelt sich um eine württembergische Kleinstadt mit ca. 15.500 Einwohnern, die in räumlicher Nähe zu Stuttgart gelegen ist. 761 Die einzige staatliche Grundschule (vier- bis fünfzügig) wird aufgrund des die gesamte Stadt umfassenden Einzugsgebiets von der überwiegenden Mehrheit der Kinder besucht. 762 Einen zumindest kleinen Einblick in den Grad der religiösen Sozialisation der einzelnen Probanden geben die Elternfragebögen, s. im Anhang unter 11.1.2 und 11.1.3, die zeitgleich zu den Interviews durchgeführt werden. Im Rahmen der sechs Fallbeispiele werden die hier erhobenen Daten beschreibend aufgegriffen, um das entstehende Bild zu erweitern, nicht im Sinne von Vollständigkeit. 763 Die Unterrichtsdokumentation findet sich im Anhang unter 11.4. 764 Vgl. Bildungsplan GS B-W, 26 f. 765 Vgl. dazu Kapitel 2 + 3 sowie insbesondere 2.8.1 sowie 3.6.1.

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im Sinne der Praxisforschung bewusst die Doppelrolle ›unterrichtende Lehrerin‹ und ›beobachtende Forscherin‹ eingenommen.766 Die Situation wird auf diese Weise von den Kindern in hohem Maße als unterrichtlicher Alltag erlebt, doch handelt es sich durch die von außen eingebrachte Forschungsfrage sowie insbesondere durch die nachträgliche Auswertung der Lernprozesse gleichzeitig um eine Forschungssituation. Theologische Gespräche, die als Kreisgespräche durchgeführt Gruppendiskussionen stark ähneln, werden aufgezeichnet. Freie Schreib- und Malprodukte sowie sonstige Arbeiten sammeln die Kinder in Portfolios. Durch die methodische Triangulation wissenschaftlicher767 und unterrichtspraktischer768 Datenerhebung sind vertiefte Einsichten in die Entwicklung des Denkens der Schülerinnen und Schüler über Jesus Christus und eine dokumentierende dichte Beschreibung derselben in Fallanalysen möglich. Dazu werden sechs Kinder exemplarisch ausgewählt.769 Angesichts der erhobenen Datenfülle ist ein derart exemplarisches Vorgehen notwendig. Es erfolgt auch bei der Auswahl der analysierten theologischen Gespräche sowie der fokussierten Arbeitsmaterialien aus den Portfolios und bezüglich der näher betrachteten thematischen Aspekte eine begründete Auswahl, um die bei der praxisnahen Datenerhebung bewusst evozierte Komplexität zu reduzieren. Die Daten werden inhaltsorientiert ausgewertet, jedoch nicht streng formalisiert um einer bestimmten Methodik willen, sondern in vereinfachter Form, die einer Ordnung und Konzentration des Datenmaterials entspricht. Ziel ist die dichte dokumentierte Beschreibung individueller Wissens- und Kompetenzentwicklung. Dabei wird auch die Concept-Map-Methode aufgegriffen, die es ermöglicht, viele Daten in Wissens- und Kompetenzlandkarten770 übersichtlich angeordnet darzustellen. Ergänzt wird sie durch eine tabellarische Form771 der Beschreibung von Kompetenzentwicklung. Auf der Basis dieserart komprimierter Daten ist eine Analyse ausgewählter thematischer Aspekte möglich.772 Zusätzlich zur individuellen Wissens- und Kompetenzentwicklung einzelner Schülerinnen und Schüler werden ausgewählte theologische Gespräche auch mit Blick auf die 766 Vgl. zur Reflexion dieser Doppelrolle ausführlich Kapitel 6.2.2.3 sowie zum Kontext der Praxis- und Aktionsforschung 6.1.2. 767 Hierzu zählen die erhobenen Daten aus den halbstandardisierten Interviews sowie aus den Fragebogen. 768 Hierzu zählen Daten aus den aufgezeichneten theologischen Gesprächen sowie Arbeitsprodukte der Schülerinnen und Schüler aus den Portfolios. 769 Vgl. zu den Auswahlkriterien Kapitel 8. 770 Vgl. dazu Kapitel 6.2.4.2 und die jeweiligen Wissens- und Kompetenzlandkarten der ausgewählten Schülerinnen und Schüler in Kapitel 8.X.1.3 vor Schuleintritt und 8.X.3.3 am Ende der zweiten Klasse. 771 Vgl. die Tabellen zur Beschreibung individueller theologischer Kompetenzentwicklung in Kapitel 8.x.4. 772 Vgl. zur Auswahl der thematischen Aspekte Kapitel 9.

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Lernprozesse innerhalb der Religionsgruppe ausgewertet773. Sich daraus ergebende Überlegungen fließen ebenfalls in die abschließende thematische Analyse ein. Durch die Darstellung der erhobenen relevanten Gesprächsaspekte werden Rückwirkungen auf die Praxis des Religionsunterrichts ermöglicht. Insgesamt gilt: Das komplexe Forschungsdesign der vorliegenden Studie ist so praxisorientiert wie möglich und so wissenschaftlich wie nötig. Klar ist analog zur Studie über Lernprozesse im und Rezeption von Religionsunterricht von Hennecke, dass der Versuch einer empirischen Analyse bezüglich Entwicklungs-, Lernoder Bildungsprozessen immer nur fragmentarischen Charakter haben kann.774 Dennoch gilt, dass auch die Darstellung individueller Wissens- und Kompetenzentwicklung Rückschlüsse ermöglicht, die verallgemeinerbar sind und auf Grundsätzliches verweisen.775 »Im Entdecken von Gemeinsamkeiten oder auch in distanzierender Abgrenzung erhalten am Religionsunterricht Interessierte [aus Wissenschaft und Praxis] somit Beobachtungsmuster für die vielfältigen und verschiedenen [Verläufe von Wissens- und Kompetenzentwicklung].«776

6.2.2 Rahmenbedingungen 6.2.2.1 Auswahl der Probandengruppe »Die Machbarkeit ist […] das zentrale Problem der qualitativen Forschung.«777 Mit Blick auf die eingeschränkten personellen Ressourcen fällt in der vorliegenden Studie die notwendige Entscheidung nur einen sehr kleinen Teil des Feldes intensiv in den Blick zu nehmen. Dennoch ist die Anzahl der einbezogenen Subjekte nicht willkürlich gewählt, sondern entspricht dem Regelfall – einer typisch zusammengesetzten Religionsgruppe. Die Stichprobe erhält dadurch Repräsentativität. Um diesen ›Normalfall‹ zu ermöglichen werden im ersten halbstandardisierten Interview am Ende der Vorschulzeit 32 Probanden erfasst. Nur bei 18, die durch normale schulorganisatorische Prozesse zu einer Religionsgruppe zusammengesetzt worden sind, wird die Entwicklung ihres religiösen Wissens und ihrer theologischen Kompetenz zur Thematik Jesus Christus im Rahmen des Religionsunterrichts über den Zeitraum von zwei 773 Vgl. Kapitel 7. 774 Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 16. 775 Analog zu Hennecke, Was lernen Kinder, 16. Diese im Bezug auf Lernverläufe, die vorliegende Studie in Bezug auf Wissens- und Kompetenzentwicklung. 776 Hennecke, Was lernen Kinder, 16. Hennecke in Bezug auf Rezeptionsmöglichkeiten schulischen Religionsunterrichts. Die vorliegende Studie analog dazu im Blick auf Verläufe von Wissens- und Kompetenzentwicklung von Kindern bezüglich der Thematik Jesus Christus. 777 Oswald, qualitativ forschen, 72.

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Jahren weiterverfolgt.778 Die Bildung einer Vergleichsgruppe ist aufgrund mangelnder personeller Ressourcen nicht möglich und wegen des schwerpunktmäßig dokumentarisch beschreibenden Vorgehens auch erlässlich. Ein Rückgriff auf sowie Abgleich mit zuvor bereits veröffentlichen Ergebnissen dagegen erscheint unerlässlich und erfolgt in der Arbeit.779 Im Blick auf die Fragestellung und Zielsetzung der vorliegenden Studie ist dieses Vorgehen stringent. 6.2.2.2 Zugang zum Feld An dieser Stelle soll sowohl auf die formalen Hürden als auch auf die Bedingungen eingegangen werden, unter denen sich der Prozess wechselseitiger Akzeptanz entwickeln kann.780 Die formale Hürde – der Kontakt zur Institution, in der die Forschungsstudie durchgeführt werden soll, erweist sich dank der Doppelrolle Lehrende/ Forschende als niedrig. Die Zusammenarbeit mit der Schulleitung ist über die gesamte Dauer der Studie stets kooperativ und erfreulich produktiv. Der Rektor zeigt sich von Beginn an aufgeschlossen und kooperativ und unterstützt die Idee in mehrfacher Hinsicht. So kann der Kontakt zu den Erzieherinnen sowie zu den Eltern jeweils im Rahmen schulischer Informationsveranstaltungen erfolgen, was die Akzeptanz der Forschungsstudie sehr wahrscheinlich erhöht.781 Auch bei der Zusammensetzung der Religionsgruppe – der endgültigen Probandengruppe – gibt es keine Schwierigkeiten. Offenheit und Interesse zeigt auch das Kollegium im Fach ev. Religion. Eine Kollegin erklärt sich sofort bereit, bezüglich der Forschungsstudie zu kooperieren, d. h. ihren Religionsunterricht für die Durchführung der Studie zu öffnen.782 Auch die Erzieherinnen zeigen sich mehrheitlich aufgeschlossen und ermöglichen eine Durchführung der Erstinterviews mit den Kindern in ihren Einrichtungen.783 778 Ein Kind kommt zu Beginn des Schuljahres – ohne vorhergehendes Vorschulinterview hinzu, so dass die Probandengruppe 19 Kinder umfasst. Dieses Kind wird mit seinen Beiträgen in den theologischen Gruppengesprächen mit ausgewertet, vgl. Kapitel 7. Es kommt jedoch nicht in Frage für die Falldarstellungen individueller Entwicklung, vgl. Kapitel 8. 779 Vgl. Kapitel 9.2 Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie. 780 Vgl. Beck/Scholz, Teilnehmende Beobachtung, 162. 781 Ein Schreiben der zuständigen Schuldekanin trägt vermutlich ebenso zur Akzeptanz bei. 782 Nachdem die Schülerinnen und Schüler zunächst Religionsunterricht bei der Kollegin erhalten, unterrichtet die Forschende als Lehrende ab der Unterrichtseinheit zu Jesus Christus. Nachdem die kooperierende Kollegin in Elternzeit geht findet sich eine weitere Kollegin, die die Religionsgruppe zu Beginn von Klasse 2 unterrichtet und ihren Religionsunterricht ab Advent wieder an die Forschende als Lehrende übergibt. 783 In einem Einzelfall war keine Kooperation mit der betreffenden Einrichtung möglich, so

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Für die befragten Kinder ergibt sich bezüglich der Akzeptanz der forschenden Person und ihrer Rolle folgende Schwierigkeit. Gerade beim Erstkontakt im Kindergarten ist sie für sie noch fremd und erscheint noch in der Rolle der Forschenden zur Durchführung von Einzelinterviews. Dieser Problematik wurde bewusst eine altersgemäße Erklärung des Forschungsidee entgegengestellt sowie die Bitte um Mithilfe. Erwartungsgemäß erzeugte dies sowohl Stolz als auch die Bereitschaft zu helfen. Bewusst wurde im Kindergarten ansonsten die Rolle als zukünftige Lehrerin eingenommen. Im Rahmen der Kooperation Kindergarten – Grundschule kennen die Kinder ähnliche Situationen. Mit Beginn der unterrichtenden Tätigkeit war die Lehrerrolle voll akzeptiert. Vermutlich verwischte sich die eingenommene zweite Rolle, die der Forschenden, für die Schülerinnen und Schüler immer mehr, da sie im direkten Kontakt selten offensichtlich zum Ausdruck kam. Beim Interview Ende der zweiten Klasse ist davon auszugehen, dass die Kinder eher die Lehrerin als die Forschende vor sich sahen – eine Lehrerin, die sich in besonderer Weise für ihr Wissen und Denken interessiert.

6.2.2.3 Begründung und Reflexion der Doppelrolle Im Feld Unterricht steht Erwachsenen entweder die integrierte Rolle des/der Lehrenden oder die Beobachterrolle des/der beobachtenden Forschenden zur Verfügung. Die Doppelrolle gründet auf der Annahme, dass die Lehrerrolle von den Kindern weitaus weniger hinterfragt wird als die des Beobachters, weil sie im Gegensatz zu dieser als nicht störend – da normal – empfunden wird. Insofern wird ganz im Sinne der Praxisforschung eine Minimierung des Störfaktors ›Forschung‹ für das zu beforschende soziale System erreicht. Zu Recht wird diesbezüglich konstatiert, dass von der Art der Position im Feld wesentlich abhängt, zu welchen Informationen der Forscher Zugang findet und welche ihm verwehrt bleiben, weshalb es keine bessere Rolle gibt als die des vollwertigen Mitgliedes, des Eingeweihten.784 Einer längerfristig anwesenden Lehrperson, der die Kinder vertrauen sind insofern intensivere Einblicke in die Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz der Kinder möglich als einer reinen Forscherin, die zwei Einzelinterviews durchführt. Zudem erlaubt die Doppelrolle Lehrperson – Forscher Zugang zu praxisrelevanter Daten, deren Auswertung eine Rezeption der Ergebnisse auch auf Seiten der Praxis ermöglicht. dass zwei Kinder an der Grundschule interviewt wurden. In zwei weiteren Fällen wurde aus organisatorischen Gründen eine Durchführung des Erstinterviews an der Grundschule festgelegt. 784 Vgl. Flick, Einführung, 146 sowie zum vorigen Gedanken, ebd., hier zitiert nach Wolff, 2000b und 1993.

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Es wurde bereits angesprochen, wie wichtig die subjektive Distanzierung der forschenden Praktiker von ihrer eigenen Praxis ist, wie unerlässlich die Reflexion der eigenen Rolle.785 »Insgesamt betrachtet steht der Forscher an dieser Stelle vor dem Problem der Aushandlung von Nähe und Distanz im Verhältnis zu dem/n Untersuchten, der Offenlegung, Transparenz und Aushandlung der wechselseitigen Erwartungen, Ziele und Interessen und vor der Entscheidung zwischen Innen- und Außenperspektiven, unter denen er sich dem Gegenstand seiner Untersuchung nähert.«786

Hinsichtlich der vorliegenden Studie wird deshalb besonders auf die zeitliche Trennung der Rollen und den Wechsel zwischen Lehrer-Ich und Forscher-Ich geachtet. Theologische Gespräche werden zwar unter der Perspektive der Forschungsfrage vorbereitet jedoch im konkreten Unterricht – determiniert von der komplexen Praxissituation – in Rolle der Lehrkraft durchgeführt und wiederum im Nachhinein dank Aufzeichnung aus der Forscherperspektive ausgewertet. Interessant ist der dadurch bedingte Hierarchiewechsel der Beobachtungsstruktur. Während des Gesprächs beobachtet das Lehrer-Ich die Gespräche zwischen Schülerinnen und Schülern und bringt sich ordnend, systematisierend sowie durch neue Impulse in die Gedankengänge der Kinder ein. Im Nachhinein beobachtet das Forscher-Ich die aufgezeichneten Gespräche mit den Schülern und analysiert sie. Daraus ergibt sich sowohl eine Beobachtung erster als auch zweiter Ordnung.787 Klar ist ferner, »dass wissenschaftliche Erkenntnisse grundsätzlich immer nur ein Bild der Wirklichkeit aus einer bestimmten Perspektive wiedergeben«788. Im vorliegenden Fall gilt dies in mindestens zweierlei Hinsicht: Erstens kann unter Berücksichtigung des Generationenverhältnisses sowohl in der Lehrer- als auch in der Forscherrolle immer nur die Erwachsenenperspektive eingenommen und insofern nur annäherungsweise versucht werden, die Kinderperspektive aufzunehmen und zu deuten. Zweitens wird durch die Doppelrolle sowie durch ihre jahrelange Praxiserfahrung die Forschende immer zusätzlich den Blick der Praktikerin haben, die durch die berufliche Situation nicht verleugnet werden kann. Gerade in dieser Doppelfunktion klafft im weiten Feld wissenschaftlicher Arbeit jedoch eine Perspektivenlücke, die es zu füllen gilt. Insofern gilt in verstärktem Maße, was nach Kumlehn auf empirische Forschung allgemein immer zutrifft: »Es gibt keinen unschuldigen Blick. Auch die Empirie ist niemals an sich zugänglich, sondern was ich beobachte, hängt im hermeneutischen Zirkel natürlich von Vorein785 786 787 788

Vgl. Kapitel 4.1.2 Kontext Aktions- und Praxisforschung. Flick, Einführung, 151. Vgl. dazu Büttner, Kindertheologie – beobachtet, 3 f. König/Bentler, Forschungsprozeß, 89.

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stellungen und methodischen Zugangsweisen ab. […] Empirische Forschung bleibt bei allen Verheißungen von Objektivität eine Konstruktion von Wirklichkeit, die nicht mit der Wirklichkeit selbst zu verwechseln ist.«789

6.2.3 Datenerhebungs-Design 6.2.3.1 Untersuchungsform: Längsschnittstudie »Längsschnittstudien sind die konsequenteste Form, Entwicklungen und Prozesse zu begleiten und zu erfassen.«790 Eine Längsschnittstudie analysiert bei gezielter Auswahl und konstant gehaltenem Sampling einen interessierenden Prozess oder Zustände an mehreren Erhebungszeitpunkten. Im Fall der vorliegenden Studie beides, sowohl die Wissenszustände an zwei verschiedenen Messzeitpunkten als auch die dazwischenliegenden durch den Unterricht angestoßenen Prozesse. Dadurch nimmt die Untersuchung sowohl die Voraussetzungs- und Resultats- als auch die Prozessperspektive ein. Es handelt sich um die Begleitung eines Verlaufs, der grundsätzlich durch die Offenheit für den Gegenstand geprägt ist. Grundvoraussetzung dafür ist, dass der angesprochene Prozess im Vorfeld als relevant identifiziert wird.791 Problematisch sind der organisatorische Aufwand und die benötigten Ressourcen.792 6.2.3.2 Halbstandardisierte Interviews (Leitfaden-Interviews) Interviews ermöglichen einen »Zugang […] zu den interessierenden Personen und ihren Konstruktionen von Sinn und Bedeutungen […]«793. Insofern eignen sie sich als ein wichtiges Element der Datenerhebung in der vorliegenden Studie. Sie werden an zwei Hauptmesszeitpunkten zu Beginn sowie am Ende des zweijährigen Messzeitraums eingesetzt. Befragt werden die Probanden demnach erstmals im Alter von 5;9 bis 6;9 Jahren kurz bevor sie den Kindergarten verlassen. Am Ende von Klasse zwei werden sie erneut befragt, um Aufschluss über die Entwicklung ihres Wissens und ihrer theologischen Kompetenz zu erhalten. 789 790 791 792

Kumlehn, Unterrichtsforschung, 65. Flick, Einführung, 184. Vgl. ebd., 183 f + 187 auch im Weiteren. Vgl. zur Relevanz des Gegenstandes sowie des Prozesses Kapitel 2 – 5. Die im Rahmen der vorliegenden Studie eingeschränkten personellen Ressourcen bedingen eine bewusste Begrenzung der Probandenzahl, vgl. Kapitel 6.2.2.1 sowie eine notwendige Fokussierung der Datenauswertung auf einzelne theologische Gespräche, vgl. Kapitel 7, auf ausgewählte Entwicklungsverläufe, vgl. Kapitel 8 sowie auf bewusst ausgewählte thematische Aspekte, vgl. Kapitel 9. Die Forschungslücke im mit dieser Studie angerissenen Bereich ist so groß, dass Folgearbeiten mit personell reicher ausgestatteten Forscherteams wünschenswert sind. 793 Friebertshäuser/ Langer, Interviewformen, 437.

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Leitfaden-Interviews eignen sich in Bezug auf die vorliegende Fragestellung und aufgrund des jungen Alters der Probanden in besonderer Weise. »Bei Leitfaden-Interviews begrenzen die Fragen den Horizont möglicher Antworten und strukturieren die Befragung. Leitfaden-Interviews setzen ein Vorverständnis des Untersuchungsgegenstandes auf Seiten der Forschenden voraus, denn das Erkenntnisinteresse richtet sich in der Regel auf vorab bereits als relevant ermittelte Themenkomplexe.«794

Für kindertheologische Studien eignet sich das halbstrukturierte Interview insbesondere deswegen, weil es sich nicht nur darauf beschränkt, Kindern Aussagen zu entlocken und zuzuhören, sondern mit vorbereiteten Fragen und gezieltem Nachfragen ermöglicht, in das Interview hineinzuwirken.795 Die damit verbundene Gefahr als Forschende ›blinde Flecken‹ zu haben muss dabei reflektiert werden, damit eine Offenheit gegenüber ›fremden‹ Äußerungen der befragten Kinder erhalten bleibt. Eine Offenheit bezüglich der Kinderäußerungen bleibt gerade auch angesichts der Bandbreite des geäußerten Wissens und der geäußerten Kompetenz der Kinder erhalten, die zu erwarten ist. Differenzen von kaum bis sehr viel Wissen bezüglich der Thematik Jesus Christus, von kaum vorhandener bis zu komplexer Theoriebildung über ihn sind wahrscheinlich. Deshalb sind die halbstandardisierten Interviews im Rahmen dieser Studie nicht erzählgenerierend796, bleiben aber für narrative Einschübe der Kinder offen.797 Um dem jungen Alter der Probanden gerecht zu werden, enthält der vorliegenden Leitfaden sowohl Fragen als auch optische Impulse – Bilder, Szenen –, welche die Kinder anregen sollen, sich zu bestimmten Themen zu äußern. 6.2.3.3 Interviews mit Kindern Die Tatsache, dass es sich bei der in dieser Studie beforschten Gruppe um vergleichsweise junge Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren handelt, 794 Friebertshäuser/ Langer, Interviewformen, 439. Das Vorverständnis der Forschenden im Rahmen der vorliegenden Studie speist sich einerseits aus der Kenntnis der im Bildungsplan B-Wrelevanten Kompetenzen und Inhalte für die Klassenstufe 1/2, vgl. Kapitel 5 sowie aus jahrelanger Erfahrung aus theologischen Gesprächen und intensiver Lektüre der Fachliteratur, vgl. vor allem Kapitel 4. 795 Vgl. Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 106. 796 Vgl. zu Form und Praxis des erzählgenerierenden Interviews Friebertshäuser/Langer, Interviewformen, 440 f. Eine Vorstrukturierung entfällt hier was eine deutliche Abgrenzung zu Leitfaden-Interviews darstellt. 797 Beispiel: Ein Kind erzählt, angeregt durch einen Bildimpuls die ganze dazugehörige JesusGeschichte nebst Informationen darüber, dass es diese in der Kinderbibelwoche gehört hat. Ein anderes Kind kennt die Geschichte nur in kleinen Ansätzen und ist auf Frage- sowie Bildimpulse angewiesen, um einzelne Erzählbausteine nennen zu können.

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bedingt sowohl eine ausführliche Reflexion der Angemessenheit der Methoden für diese Altersgruppe als auch eine altersgemäße Modifikation derselben. Schwierigkeiten des Forschens mit Kindern sind nach Heinzel in folgenden vier Aspekten bedingt: der im vorhinein feststehenden Bilder der Forscher/ innen über Kinder und Kindheit, der Erwachsenenzentriertheit von Forschung und Forschenden, kindtypischer Ausdrucksformen, die durch die kognitive Entwicklung im allgemeinen sowie durch die je individuelle Sprach-, Lese- und Schreibfähigkeit bedingt sind sowie die vorgegebene ›hierarchische‹ Situation zwischen erwachsenen Forschenden und kindlichen Probanden.798 Auch Fuhs sieht den Konflikt zwischen folgenden zwei Polen, einerseits der Norm, Kinder in qualitativen Interviews zu Wort kommen zu lassen und andererseits den ›vorfestgelegten‹ Kindheitsvorstellungen, die kindliche Aussagen stets in einem entwicklungspsychologischen Kontext, also mit Vorbehalt sehen.799 Das bedeutet, dass die Glaubwürdigkeit kindlicher Aussagen immer auch davon abhängt, inwiefern die interviewenden Erwachsenen Kinder als kompetent anerkennen, ohne deren Aussagen auf ein im Vorhinein bestimmtes Kinderbild festzulegen, das aus erwachsener Perspektive und aus Sicht einer bestimmten Profession entstanden ist. Ziel muss es demnach sein, die subjektive Welt der Kinder so zu übersetzen, dass ihre Aussagen bei der Interpretation durch Erwachsenensicht nicht wieder in Frage gestellt werden. Die im Rahmen der vorliegenden Studie bewusste Kopplung von qualitativen Leitfaden-Interviews mit theologischen (Kreis-)Gesprächen ist insofern als günstig zu werten. Da das Kind im Kontext der Kindertheologie nicht defizitär, sondern als kompetent betrachtet wird, weil es gerade darum geht, Aussagen der Kinder, ihre Theorien in diesem Bereich zu erfahren, wird die Gefahr der voreingenommenen Forscherperspektive, die Kluft zwischen Erwachsenem und Kind etwas verringert. Eine weitere Schwierigkeit der Forschung mit Kindern – Prozesse der KoKonstruktion800 – werden im Rahmen der Analyse einzelner theologischer Gespräche ebenfalls spezifisch beleuchtet und auf diese Weise respektiert.801 Sie werden insofern gerade nicht ausgeblendet, sondern erweisen sich als besonders interessante Forschungsaspekte im Rahmen der vorliegenden Studie. Zu Recht geht Heinzel davon aus, dass die Haltung der Interviewerin gerade im Blick auf junge Kinder als Gesprächspartner von besonderer Bedeutung ist. Deswegen sollten Interviews grundlegend von Empathie, Wertschätzung, Interesse und Verständnis für die Sicht der Kinder geprägt sein und der Inter798 Vgl. Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 709 – 711. 799 Vgl. Fuhs, Interviews Kinder, 92. Vgl. hier auch den folgenden Gedankengang. 800 Vgl. Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 714 f, die eine besondere Reflexion des eigenen Forschungshandelns anmahnt. 801 Vgl. dazu verschiedene Unterkapitel in Kapitel 7, nämlich 7.1.2.2.2 / 7.1.4.2.2 / 7.2.2.4 / 7.3.2.2 und 7.4.2.3.

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viewer einfühlsam, ermutigend, freundlich, rücksichtsvoll, zugewandt und annehmend, geduldig und abwartend, aufmerksam und auf das Kind zentriert, dabei jedoch nondirektiv auftreten.802 Auch soll sich das Kind als befragter Experte seiner Sicht der Dinge fühlen, da es im Besitz von Wissen ist, welches Erwachsene nicht haben und deswegen als wertvoll empfinden.803 In der vorliegenden Studie werden die Interviews deshalb bewusst in realitätsnahem Umfeld durchgeführt, damit sich die Kinder ›sicher‹ fühlen. Ort der Interviews sind deshalb der jeweilige Kindergarten sowie die Grundschule.804 Ferner wird bewusst davon ausgegangen, dass die Sprachvoraussetzungen der Kinder individuell unterschiedlich ausgeprägt sind, ebenso die religiöse Sprachfähigkeit.805 Je jünger die Kinder, desto offensichtlicher tritt dieser Unterschied zu Tage. Gerade deshalb ist der Einsatz von guten Vorstellungshilfen – Bildern, konkreten Szenen und realen Objekten – beim Interview mit Kindern so wichtig, was viele Experten bestätigen.806 Aufgrund dessen wird das Leitfaden-Interview gezielt um Bilder bzw. eine szenische Darstellung der Geburt Jesu ergänzt. Trotz all dieser bewussten Entscheidungen, die Schwierigkeiten nach Möglichkeit minimieren sollen, bleibt zu konstatieren: »Die […] Dopplung der Kommunikation zwischen dem Sagbaren, das beschrieben werden kann, und dem Unsagbaren, das nur gezeigt werden kann, betrifft die Befragung von Kindern in besonderer Weise.«807 Gerade deshalb werden die zwar zentralen halbstandardisierten Interviews durch kindgemäße, unterrichtsnahe Erhebungsmethoden, die den Kindern andere Ausdrucksformen ermöglichen, ergänzt.808

6.2.3.4 Gruppendiskussionsverfahren / Kreisgespräche Diese Methode spielt für die Datenerhebung zwischen den beiden Hauptmesszeitpunkten (Leitfaden-Interviews vor Schuleintritt und am Ende der zweiten Klasse) eine zentrale Rolle. Die Begründung liegt nahe: »Kreisgespräche sind eine Methode der Grundschulpädagogik, die für Forschungen mit Kindern gut 802 Vgl. Heinzel, Interviews mit Kindern, 406 f. 803 Vgl. Heinzel, Kindheitsforschung, 67 sowie dies., Interviews mit Kindern, 405 f. 804 In Ausnahmefällen musste auch das Vorschulinterview in der Schule, demnach in weniger vertrautem Umfeld stattfinden. Als einziges der für die Einzelfalldarstellung ausgewählten Kinder war davon Linnea betroffen. Sie machte jedoch im Vorschulinterview einen sehr sicheren Eindruck. Die Tatsache, dass sie Einiges an Vorstellungen über Jesus Christus äußerte, zeigt dies. 805 Vgl. dazu Ergebnisse z. B. der Tübinger Studie zur Differenzwahrnehmung wie insbesondere in Kapitel 4.2.1 aufgegriffen. 806 Vgl. Heinzel, Interviews mit Kindern, 407 in Bezug auf viele von ihr befragten Expertinnen und Experten. 807 Fuhs, Interviews Kinder, 90. 808 Vgl. dazu Kapitel 6.2.3.6 Teilnehmende Beobachtung, 6.2.3.7 Freies Schreiben und Malen.

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genutzt werden kann.«809 Dabei gilt: Je geübter die Kinder in dieser Sozialform sind, desto höhere Qualität hat das Gespräch. Haben die Kinder Erfahrung, können sie aufeinander Bezug nehmen.810 Durch die Kreisform ist ein gleichberechtigter Gesprächsstil möglich, die generationenbedingte Hierarchie ist durch die Mehrheitsverhältnisse schwächer ausgeprägt. Die teilnehmenden Kinder regen sich gegenseitig zu Beiträgen an und liefern sich Anknüpfungspunkte für das Erinnern. Die Einübung in diese Methode sowie ihre Anwendung im Kontext vertrauter Gruppen vermindern auch die oft zu Unrecht vorgebrachten Schwierigkeiten wie fehlende Diskussionskultur der Kinder, Hemmungen sich öffentlich zu äußern oder eingeschränkte Verbalisierungsfähigkeiten.811 Oft führen mangelnde Erfahrungen mit Kreisgesprächen zu Fehleinschätzungen der dort sichtbar werdenden kindlichen Kompetenzen. »Die Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive, die durch Kreisgespräche eröffnet werden können, sind vielversprechend. Die Analyse von Kreisgesprächen bietet die Möglichkeit, Meinungen von Kindern zu bestimmten Themen kennenzulernen und Sinnstrukturen ebenso wie kollektive Orientierungen zu rekonstruieren. Sowohl individuelle Erfahrungen und Verarbeitungsstrategien von Kindern einer Klasse, die durch Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten miteinander verbunden sind, als auch kollektive Erfahrungen der Altersgruppe, die durch gemeinsame Erlebnisschichtungen und Interaktionsgewohnheiten entstehen, können erfasst werden.«812

809 Heinzel, Gruppendiskussionen, 123. Vgl. ebd. 117 – 130 den gesamten Abschnitt, in dem ich nur noch wörtliche Zitate gesondert vermerke. Es überrascht, dass Heinzel in Methoden Kindheitsforschung, 711 konstatiert, dass Gruppendiskussionen mit Kindern eher selten sind, eben weil zahlreiche Vorteile (Kenntnis aus der Schule, Hierarchiemilderung etc., vgl. ebd.) vorhanden sind. 810 Die Qualität der Kreisgespräche, die im Rahmen der Studie in den gehaltenen Religionsunterrichtsstunden durchgeführt werden, hängt dabei auch von den Erfahrungen der Kinder mit dieser Sozialform insgesamt ab. Förderlich ist es insbesondere, wenn auch die Klassenlehrer diese Methode häufig einsetzen. Wobei zu beobachten ist, dass Kinder relativ zügig einen theologisierenden Habitus erwerben können, der die Gespräche schon nach kurzer Zeit deutlich intensiviert, vgl. zur Entwicklung eines theologisierenden Habitus ausführlicher Kapitel 9.3.2.2. 811 Dabei soll jedoch nicht verschleiert werden, dass die Schüchterneren, Trägen, Gleichgültigen oder Sprachlosen bei Unterrichtsgesprächen in der Gesamtklasse durchaus eher in den Hintergrund rücken und für diese Schülerinnen und Schüler Gespräche in Kleingruppen oder andere Ausdrucksformen möglicherweise geeigneter wären, vgl. zu diesen kritischen Einwänden Reese-Schnitker, Unterrichtsgespräch, 137. Im Nachhinein kann man Insbesondere mit Blick auf Charlotte, vgl. Kapitel 8.5.2.1 kann konstatieren, dass andere Erhebungsformen ihr in der ersten Klasse gerechter geworden wären. Sie äußert sich kaum in den Unterrichtsgesprächen der Gesamtklasse. Dennoch musste im Vorfeld eine Entscheidung bezüglich der Datenerhebung getroffen werden und nicht alles, was wünschenswert wäre kann im konkreten Erhebungsdesign von einer Einzelperson geleistet werden. 812 Heinzel, Gruppendiskussionen, 128.

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Gruppendiskussionen sind insofern besonders geeignet, um die Interaktionsabhängigkeit und den Prozesscharakter von Meinungen und Bedeutungsmustern zu erkennen und ihnen gerecht zu werden.813 Damit stellen sie eine im Blick auf das vorliegende Erkenntnisinteresse, Entwicklungen von Kindern bezüglich ihres Wissens und ihrer Vorstellungen von Jesus Christus zu erfassen, eine unerlässliche Ergänzung der Einzelinterviews dar. In einzelnen Gesprächen kann erhoben werden, welche Beiträge von den Individuen in die Gruppe eingebracht, wie möglicherweise durch andere Gesprächspartner damit ko-konstruiert wird und welche Konstruktionsergebnisse dabei entstehen. Durch diese Ergänzung lassen sich erweiterte Erkenntnisse über die Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz von Kindern generieren.814 Was macht ein Kreisgespräch zu einer Gruppendiskussion? »Kreisgespräche können zu Gruppendiskussionen werden durch die Anwesenheit einer Forscherin oder eines Forschers in der Runde der Kinder, durch das Einbringen eines Themas, das durch die Forschungsfrage bestimmt und für die Kinder verständlich und ansprechend formuliert wurde sowie durch die Transkription und spätere Auswertung des Gesprächs.«815

Oft wird gefordert, die Gruppengröße auf höchstens 8 – 10 Kinder einzuschränken, um relevante Aussagen von allen Kindern zu erhalten. Damit soll ein entscheidender Nachteil dieser Methode gemildert werden, die eingeschränkte Redezeit jedes Einzelnen. In der vorliegenden Studie, die teilweise in konkretem Religionsunterricht stattfindet, ist es jedoch sinnvoll, die übliche Klassengröße beizubehalten, weil dadurch die schulische Realität widergespiegelt wird und die kollektive unterrichtliche Erfahrung der Kinder einer Klasse erfasst werden kann.816 Bei der Entscheidung für eine Durchführung in der relativ großen Gruppe kommt folgender Vorteil der Methode sogar noch mehr zur Geltung: »Die Möglichkeiten des Verfahrens liegen darin, dass Kinder in dieser Forschungskonstellation zahlenmäßig überwiegen und die Mehrheitsverhältnisse sowie die Stärkung durch die Gleichaltrigen der generationenbedingten Dominanz der forschenden Erwachsenen entgegenstehen.«817

813 Vgl. Bohnsack, Gruppendiskussionsverfahren, 207 bezüglich des Modells des interpretativen Aushandelns von Bedeutungen. 814 Vgl. dazu Kapitel 7 Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern in ausgewählten theologischen Gesprächen. 815 Heinzel, Gruppendiskussionen,128. 816 Vgl. beispielsweise Kapitel 7.3.2.3 zur Frage nach der kollektiven Sachkompetenz einer Religionsgruppe im Blick auf das Vorwissen der Kinder zur Passion Jesu. 817 Heinzel, Methoden Kindheitsforschung, 711.

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6.2.3.5 Theologische Gespräche818 Bei den im Rahmen des Religionsunterrichts zwischen den Interviewzeitpunkten durchgeführten Kreisgesprächen handelt es sich um theologische Gespräche. Hierbei kommt die eingenommene Doppelrolle Forschende und Lehrende besonders zum Tragen. Aus der Forschungsperspektive liegt das Erkenntnisinteresse auf der Erhebung des geäußerten theologischen Wissens und Denkens der Kinder zu Jesus Christus, ihrer diesbezüglichen theologischen Sinnstrukturen. Dieses Erkenntnisinteresse konkurriert mit der Intention aus der Lehrerperspektive, eben jenes eigenständige theologische Denken der Kinder nicht nur passiv zu erheben, sondern aktiv zu fördern und die Kinder im Gespräch inhaltlich zu einem bestimmten Zielareal zu führen.819 Deshalb gilt folgende Schwerpunktsetzung. Bei der Durchführung der theologischen Gespräche überwiegt die Lehrerrolle. Durch Aufzeichnung und Auswertung der theologischen Gespräche wird der Forschungsauftrag erfüllt. Das entspricht dem durchgängigen Grundgedanken dieser Studie, Forschung und Praxis zu verbinden. Eine Unterrichtsmethode des Religionsunterrichts wird insofern für die wissenschaftliche Datenerhebung geöffnet. Wie gestaltet sich die Durchführung der theologischen Gespräche im Unterricht? Die Lehrperson nimmt drei unterschiedliche Rollen ein, die sich nach Freudenberger-Lötz am besten anhand des didaktischen Dreiecks aus Lehrkraft, Schüler/innen und Thema darstellen lassen.820 Erstens: Die Lehrperson nimmt wahr, wie die Schülerinnen und Schüler das Thema verstehen, wobei sie selbst von ihrem eigenen Verstehenshorizont determiniert ist. Echtes Interesse ist dafür ebenso notwendig wie behutsames Rückfragen, um sicherzugehen, die Intention der kindlichen Äußerung angemessen verstanden zu haben. Zweitens: Die Lehrkraft bringt die Deutungen der Kinder ins Gespräch ein, indem sie sie zueinander in Beziehung setzt, ordnet, kategorisiert, vergleicht, hervorhebt usw. Dazu muss die Lehrperson die Regeln der Gesprächsführung beherrschen sowie fachliches Hintergrundwissen aufweisen. Drittens: »Im Rahmen des Lernprozesses bringt die Lehrkraft auch Impulse zum weiterführenden Verstehen in die Gespräche ein.«821 Als Experte der Sache sowie des Entwicklungsstandes der 818 An dieser Stelle geht es rein um das methodische Vorgehen beim Theologisieren mit Kindern sowie um eine sachgemäße Trennung der Forscher- und der Lehrerrolle. In Kapitel 6.1.5 werden der Kontext der Kindertheologie sowie das Theologisieren als didaktisches Leitbild dagegen umfassender dargestellt. 819 Vgl. die Vorgaben des Bildungsplanes B-W, wie sie in Kapitel 5 dargestellt sind, denen die Lehrperson, die ja gleichfalls Forschende ist, verpflichtet ist. 820 Vgl. zu diesem Abschnitt Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche -entwurf, 39 – 42. Hier bietet sie eine schlüssige Zusammenfassung des methodischen Vorgehens beim Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen. 821 Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche – entwurf, 40.

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Schülerinnen und Schüler regt die Lehrperson ihr Denken an, wobei sie gleichzeitig auch glaubende, zweifelnde und fragende menschliche Person bleibt. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Lehrkraft während theologischen Gesprächen wechselweise die Rolle des aufmerksamen Beobachters, des stimulierenden Gesprächspartners sowie des begleitenden Experten wahrnimmt. Ziel ist die Förderung des eigenständigen theologischen Denkens von Kindern.

6.2.3.6 Teilnehmende Beobachtung Gerade im Blick auf Kinder und Kindheit ist die teilnehmende Beobachtung eine wichtige Methode. Zwar ist Kindheit kein völlig fremdes kulturelles Feld, aber »selbst die Welt der Kinder, die im gleichen Lebensraum mit uns leben, bleibt uns Erwachsenen in Teilen fremd. Wir können uns nur über die Befragung, Beobachtung, Reflexion und Auseinandersetzung zugänglich machen, wie Kinder die Welt erleben und verarbeiten.«822 Insofern gilt die teilnehmende Beobachtung im Blick auf Kinder insbesondere dem Verstehen ihrer Wahrnehmungsperspektive,823 im Fall der vorliegenden Studie ihrem Wissen und theologischen Denken über Jesus Christus. Der Begriff »Teilnehmende Beobachtung« markiert vor allem einen Ortswechsel des Forschers. Dieser begibt sich an den Ort der Handlung, ins Feld.824 »In der teilnehmenden Beobachtung ist es […] wichtig, dass die Beobachterin eine Rolle im Feld übernimmt. Sie muss in der sozialen Situation mit den Erforschten interagieren, gleichzeitig aber Distanz zum Feld wahren.«825 »Die zeitliche Begrenztheit des Aufenthalts und der Zeitbezug, unter dem das gemeinsame Handeln stehen, können dazu führen, dass Forscher vor allem in ihrer Forscherrolle wahrgenommen werden. Trotzdem wird keine Forschung möglich sein, wenn die Kinder und die Lehrkräfte die Forscher nicht auch als Personen akzeptieren.«826

Durch die Doppelrolle aus Lehrperson und Forschender ist der Fall in der vorliegenden Studie etwas anders gelagert. Eine erwachsene Beobachterin steht 822 Friebertshäuser, Feldforschung, 509. 823 Vgl. Beck/Scholz, Teilnehmende Beobachtung, 147. 824 Vgl. Beck/Scholz, Teilnehmende Beobachtung, 147. Zum Begriff Feldforschung: Field study bezeichnet ein ursprünglich in der Kulturanthropologie entwickeltes Verfahren, dessen Ziel es war, Einblicke in die sozialen Welten der Erforschten zu gewinnen und sich deren Weltsicht zu erschließen, vgl. Friebertshäuser, Feldforschung, 503. 825 Asbrand, Beobachten einer Unterrichtsepisode, 67. Vgl. ebd., 67 f auch die nächsten beiden Gedanken. 826 Beck/Scholz, Teilnehmende Beobachtung, 160.

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in den Augen der Kinder tendenziell auf der Seite der Lehrerin. Die tatsächlich eingenommene Rolle als Lehrperson ermöglicht einen insbesondere von jungen Kindern akzeptierten Zugang zum Feld. Da gilt, dass jede Beobachtung eine Intervention in den persönlichen Bereich darstellt, gelingt es der Forschenden als Lehrperson, eine ungleich vertrauensvollere Beziehung zu den Beobachteten aufzubauen und dadurch in der alltäglichen, weil kaum ›gestörten‹ Situation zu beobachten.827 Es verbindet sich damit die Hoffnung, dass die Kinder gegenüber einer vertrauten Lehrperson offener über ihr Wissen und ihre theologischen Vorstellungen sprechen, so dass aussagekräftigere Daten erhoben werden können. Der Vorteil, der durch diesen unkomplizierten Zugang zum Feld erreicht wird, bringt jedoch auch Schwierigkeiten mit sich. Die Forschende steht als Lehrperson in einer komplexen Unterrichtssituation einerseits ungleich höher in der Gefahr, wesentliche Aspekte einer Beobachtungssituation nicht adäquat erfassen zu können, da diese zu komplex sind.828 Sie steht andererseits in der Gefahr, Beobachtetes vorschnell zu interpretieren, denn es gilt: »Beobachten ist wahrnehmen. Wahrnehmen ist Interpretation. Die Interpretation ist eine KoKonstruktion.«829 Die wichtigste Grundvoraussetzung ist daher, dass es gelingt, jenes geeignete Verhältnis von Nähe und Distanz zu finden, das einerseits die Sinndeutungen der Kinder verstehen lässt und andererseits im Bewusstsein hält, dass jede Sinndeutung nur eine von vielen möglichen ist.830

6.2.3.7 Freies Schreiben und Malen Während des Religionsunterrichts, der im Rahmen dieser Studie zwischen den Hauptmesszeitpunkten durchgeführt wird, erstellen die Schülerinnen und Schüler diverse Arbeitsprodukte, die jeweils in individuellen Portfolios gesammelt werden. »Schriftliche Produkte und Zeichnungen sind wichtige Zeugnisse des Lebens von Kindern, die der wissenschaftlichen Analyse zugänglich gemacht werden können.«831 Sie ermöglichen Einblicke in die Erlebnis-, Erfahrungs- und Gedankenwelt von Kindern, zeigen authentische persönliche Empfindungen und bilden eine wichtige Quelle der Kindheitsforschung.832 »Pädagogisch gesehen sind freie Texte der persönliche Ausdruck des einzelnen Kindes, den es sorgfältig zu schützen und respektvoll zu achten 827 Friebertshäuser und Panagiotopoulou konstatieren, dass die erziehungswissenschaftliche Ethnographie gerade auch im Kontext der Aktions- und Handlungsforschung wiederbelebt wurde, vgl. dies. Feldforschung, 303. 828 Vgl. Friebertshäuser, Feldforschung, 523. 829 Beck/Scholz, Teilnehmende Beobachtung, 150. 830 Vgl. Beck/Scholz, Teilnehmende Beobachtung, 155. 831 Heinzel, Einleitung, 19. 832 Vgl. Röhner, Freie Texte, 296 f+214.

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gilt.«833 Erziehungswissenschaftlich betrachtet handelt es sich um Einblicke in entwicklungsbedingte Themen, mit denen Kinder sich befassen. Auf jeden Fall handelt es sich um die Verwendung von Daten, die aus Sicht der Beforschten nicht für Forschungszwecke erstellt wurden. Wenn sie in der Schule entstanden sind, ist der Kontext klar. Dann sind sie in erster Linie für den Unterricht erstellt worden. Gerade deshalb ergänzen sie die durch Interviews gewonnenen Aussagen der befragten Kinder. Es sollte dabei »um solche Ergebnisse gehen, die realistisch in den knappen Unterrichtsstunden erwartet werden können. Sie sollten auf die Wirksamkeiten und Wissenszuwächse des gehaltenen Unterrichts und nicht auf das Alltagswissen zielen«834. In freien Schreib- und Malprodukten erhält man einen Blick auf die individuelle kindliche Rezeption theologischer Instruktionen sowie der Anregungen aus theologischen Gesprächen im Unterricht. »Kinderzeichnungen sind ein Schlüssel zum Denken und Fühlen eines Kindes, nicht zuletzt deswegen, weil hier eine ›objektivierte‹ Spur des Entwicklungsgeschehens vorliegt.«835 »Jede zeichnerische Aussage enthält eine Vielzahl von Funktionen, deren Kundgabe kommunikative, ästhetische, emotionale und intellektuelle Anteile enthält.«836 Interessant im Rahmen dieser Studie ist jedoch ausschließlich die inhaltliche Aussage der Schreib- und Malzeugnisse. Weder ist es hier möglich, die jeweiligen Entstehungsprozesse mitzuverfolgen, noch interessiert das methodische Vorgehen sowie das künstlerische Talent der Kinder. »Während die Kinderbilder selbst eher als kindliche Glaubensäußerungen zu betrachten sind, also noch keine ›Kindertheologie‹ im strengen Sinn des Wortes als ›Reflexion über den Glauben‹ darstellen, geben die [auch schriftlichen] Äußerungen der Kinder über ihre Bilder ihre ›Kindertheologie‹ preis.«837

6.2.3.8 Methodische Triangulation Die vorliegende Forschungsstudie schließt sich der mittlerweile auf breiter Basis geltenden Regel der Kindheitsforschung an, dass erst die Kombination verschiedener Erhebungsverfahren als Absicherung, Ergänzung und wechselseitiger Überprüfung zur Validität qualitativer Forschung führt, da keine Methode eine Fragestellung innerhalb der Kinderforschung, der EntwicklungspsycholoRöhner, Freie Texte, 214, hier auch den nächsten Gedanken. Kuhl, Aufgabenkultur, 51. Reiß, Kinderzeichnungen, 235. Reiß, Kinderzeichnungen, 232. Vgl. ebd., 207 die vorhergehenden Gedanken zur qualitativen Inhaltsanalyse. 837 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 108. Vgl. hier auch den vorhergehenden Gedanken.

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gie oder der Kindertheologie zu lösen vermag.838 »Der Mehr-Methoden-Ansatz, die methodische Triangulation […] erscheint in vielerlei Hinsicht als fruchtbares Konzept in der Kindheitsforschung, da die Vor- und Nachteile der einzelnen Instrumente […] kompensiert werden können.«839 Selbst mit dem Einsatz von Methodentriangulation ist es nicht möglich objektive Wahrheiten zu erheben, wohl aber Aussagen durch verschiedene Quellen besser abzusichern. Durch den Einbezug verschiedener Quellen und Befunde ergibt sich ein verdichtetes Gesamtbild individueller Entwicklungsverläufe.840

6.2.4 Datenaufbereitung und Datenauswertung 6.2.4.1 Vorüberlegungen zum Umgang mit der Datenfülle 6.2.4.1.1 Transkription des Datenmaterials

»Bei der Transkription muss die Intensität des Transkripts dem Ziel angemessen sein. […] Die in der linguistischen Forschung detailliert ausgearbeiteten Transkriptionsmethoden werden nur selten zur Erfassung von kindertheologischem Datenmaterial herangezogen werden müssen. Aber in einigen Fällen können gerade versteckte Details wichtige Informationen liefern.«841

Im Blick auf die vorliegende Fragestellung und auf die erhobene Datenmenge ist eine hoch aufgelöste Transkription weder sinnvoll noch notwendig, da die Transkripts im Nachhinein ausschließlich inhaltsanalytisch ausgewertet werden sollen. Zudem lassen die personellen Ressourcen eine exakte Auswertung der erhobenen Datenmenge nicht zu. Ziel ist deshalb nicht die absolute Genauigkeit, sondern die Praxisverwertbarkeit der Ergebnisse. 6.2.4.1.2 Balance zwischen Vorverständnis und Offenheit Sowohl durch die intensive Auseinandersetzung mit der die Thematik betreffenden Literatur – vgl. Kapitel 2 – 5 – als auch aufgrund intensiver persönlicher Erfahrungen als Lehrerin und damit einhergehender pädagogischer Perspektive geht die Verfasserin der vorliegenden Studie mit einem theoretischen Vorverständnis zur Fragestellung in die Datenauswertung, die ihr erlaubt, theoriegeleitete Kategorien zu bilden. Es wäre jedoch falsch, Auswertungskategorien ausschließlich vor der Erhebung festzulegen. Wichtig ist es, sich nicht voll838 Vgl. dazu beispielsweise Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 108 f. 839 Kränzl-Nagl/ Wilk, Befragungen, 71. 840 Vgl. Kapitel 8 in dem individuelle Entwicklungsverläufe auf der Basis unterschiedlicher Daten (halbstandardisierte Interviews, theologische Gespräche im Unterricht und Materialien aus den Portfolios) dargestellt werden. 841 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 109.

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ständig vom Vorverständnis determinieren zu lassen, sondern offen zu sein für Veränderungen. Neue, induktiv am Material gewonnene Kategorien sind bedeutsamer als theoriegeleitete. 6.2.4.1.3 Begründete Auswahl von Datenmaterial Die bewusste Entscheidung für eine unterrichtsnahe Längsschnittstudie hat eine komplexe Datenfülle zur Folge. Diese zwingt dazu, vor der Datenanalyse eine begründete Auswahl des zu analysierenden Materials zu treffen. Es handelt sich hierbei nicht um eine spezifische Problematik der vorliegenden Studie, sondern um die grundlegende Schwierigkeit, Lern-, Entwicklungs- oder Bildungsprozesse zu erfassen, die auch Hennecke bezüglich ihrer Untersuchung konstatiert. »Aufgrund der Komplexität dieser Prozesse kann eine […] empirische Analyse immer nur fragmentarischen Charakter haben.«842 Folgende Auswahlkriterien, die sich im Verlauf des Forschungsprozesses ergeben haben, sind deswegen leitend: Erstens: Auswahl einzelner Probanden843 : Aufgrund der Tatsache, dass es einer nicht leistbaren Sisyphusarbeit entspräche, die sich über zwei Jahre erstreckende Wissens- und Kompetenzentwicklung aller teilnehmenden Kinder zum Thema Jesus Christus komplett auszuwerten, wurde entschieden, sechs Kinder gezielt auszuwählen und deren Entwicklungsprozesse in dichter Form unter Berücksichtigung der methodischen Triangulation beschreibend zu dokumentieren sowie vergleichend nebeneinander zu stellen. »Auch wenn sich die Darstellung [deshalb] auf einzelne, sehr individuelle Lernverläufe beschränkt, ermöglicht sie Rückschlüsse, die verallgemeinerbar sind und auf Grundsätzliches verweisen. Im Entdecken von Gemeinsamkeiten oder auch in distanzierender Abgrenzung erhalten am Religionsunterricht Interessierte somit Beobachtungsmuster […]«844.

Oder generell gesprochen: »Schülerinnen und Schüler werden nicht mehr als amorphe Masse wahrgenommen, sondern sie werden genau beobachtet – in der Hoffnung, sie dann besser zu verstehen, und natürlich auch in der Hoffnung, ihnen und ihren vielen überraschenden Interventionen im Unterrichtsgeschehen nicht mehr so unvorbereitet ausgeliefert zu sein.«845

Leitende Kriterien für die Auswahl sind dabei neben dem Geschlecht sowie der Trägerschaft der besuchten Kindertageseinrichtungen insbesondere der unterschiedliche Vorwissensstand der Kinder sowie ihre Heterogenität im Blick auf 842 843 844 845

Hennecke, Was lernen Kinder, 16. Vgl. die Kriterien für die Auswahl einzelner Probanden ausführlich in Kapitel 8. Hennecke, Was lernen Kinder, 16. Kumlehn, Unterrichtsforschung Religion, 63.

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die Teilnahme an theologischen Gesprächen und bezüglich ihrer Arbeitsweise im Portfolio.846 Ziel ist es durch Abbildung der unterschiedlichen Ausprägung die vorfindliche Heterogenität darzustellen und eine möglichst große Streuung zu erreichen. Zweitens: Auswahl theologischer Gespräche: Von vornherein stand fest, dass es nicht leistbar sein würde, alle geführten theologischen Gespräche zur Thematik Jesus Christus, die im Verlauf des ersten und zweiten Schuljahres stattgefunden haben, detailliert zu analysieren. Deswegen wurde entschieden, einzelne Gespräche exemplarisch herauszugreifen, darin Denkwege der Kinder aufzuzeigen und daraus didaktisch-methodisch hilfreiche Übersichten über allgemein erwartbare Gesprächsaspekte sowie mögliche Denkspektren für die Hand von Lehrenden zu erstellen.847 Die Entscheidung für die Auswahl der theologischen Gespräche fiel im Verlauf des Forschungsprozesses. Drittens: Auswahl thematischer Aspekte: Ebenfalls stand von Beginn an fest, dass es nicht möglich sein würde alle thematischen Aspekte, die mit den sich in Gesprächen, Interviews und Portfolios ergebenden Fragen korrespondieren, auszuwerten. Sowohl bedingt durch die thematischen Vorarbeiten, vgl. Kapitel 2 – 5, als auch durch im Verlauf des Forschungsprozesses sich induktiv ergebenden Kategorien wurden folgende Aspekte für die thematische Analyse ausgewählt848 : Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierung inklusive Vorschläge für ein erweitertes und differenzierendes Kerncurriculum, Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung inklusive Abgleich der Ergebnisse mit bereits vorliegenden Forschungsarbeiten sowie Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte, insbesondere Analyse der Bedeutung des Vorwissens, des Zusammenhangs zwischen Lernvoraussetzungen und Resultatkompetenzen, des Einübens in religiöse Sprache, des Zusammenspiels von Inhalt und Kompetenz, der Wirkung von Religionsunterricht und Analyse von Ko-Konstruktionsprozessen sowie des Aufbaus eines theologisierenden Habitus. 6.2.4.2 Wissens- und Vorstellungslandkarten von Kindern »Mit Hilfe einer Mind-Map, einer Tabelle oder einer Concept-Map kann versucht werden, die Äußerungen der Kinder zu verstehen, einzuordnen und die jeweiligen Deutungsmuster zu identifizieren […].«849 Im Folgenden sollen Wissensund Vorstellungslandkarten von Kindern in zwei unterschiedlichen Kontexten 846 Vgl. ausführlicher zu den Auswahlkriterien Kapitel 8. 847 Vgl. zu den Auswahlkriterien der analysierten theologischen Gespräche ausführlicher Kapitel 7. 848 Vgl. zu den Auswahlkriterien der Aspekte innerhalb der thematischen Analyse Kapitel 9. 849 Fischer, Dietlind, Lernstände ermitteln, 92.

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als wichtiger Bestandteil der Datenaufbereitung bzw. -analyse im Rahmen der vorliegenden Studie vorgestellt werden.

Erstens: Landkarten als übersichtliche Visualisierungsform individueller Wissens- und Vorstellungsbestände zu verschiedenen Entwicklungszeitpunkten Landkarten sind in besonderem Maße dazu geeignet, die Wissenszustände von Kindern an verschiedenen Zeitpunkten verdichtet und geordnet wiederzugeben und dadurch den Entwicklungsprozess übersichtlich, gewissermaßen auf einen Blick darzustellen. In Weiterführung einer Idee von Fried, Kohlruss und Reintjes850 werden im Rahmen dieser Untersuchung speziell Landkarten zur Dokumentation des religiösen Wissens von Kindern zum Thema Jesus Christus erstellt. Wissenslandkarten ermöglichen so Fried, Kohlruss und Reintjes die Kartographie von Wissensbeständen eines oder mehrerer Kinder nach Inhaltsbereichen. Unterschieden werden Basiskarten, die das Sach-, Ich- und Sozial-Wissen markieren, Orientierungskarten, die einen dieser Bereiche detailliert und mit Stichworten versehen darstellen und Einübungskarten, die auf eben solche Stichworte verzichten und somit viel Beobachtungsfreiraum lassen. Die vorliegende Studie legt den Fokus auf das Sachwissen junger Probanden zur Thematik Jesus Christus. Unter Berücksichtigung der Balance aus Vorverständnis und Offenheit stellen die ausgearbeiteten Landkarten der Art nach zwar am ehesten Orientierungskarten dar. Sie enthalten Kategorien, also vorgegebene Stichworte (z. B. Geburt Jesu, Heilungen, Wunder…). Auf der Basis dieser Kategorien werden die Interviews mit den Kindern ausgewertet. Dabei werden sowohl ihr Wissen zu biblischen Erzählungen als auch ihre individuellen theologischen Vorstellungen, die sie mit einem Thema verknüpfen, ergänzt.851 Mögliche misconceptions, also Wissenselemente, die aus biblischer Sicht nicht richtig sind oder falsche Verknüpfungen von Wissenselementen (z. B. Römer entführen Jesus im Blick auf schlafenden Jesus im Bild Sturmstillung) werden ebenfalls aufgenommen, da sie Teile der aktuellen individuellen Wissens- und Vorstellungslandkarten darstellen. Die Concept-Map-Methode eignet sich insbesondere für die langfristige Beobachtung, bzw. Dokumentation, denn sie »vermag die Wissensstrukturentwicklung sehr gut sichtbar und dadurch nachvollziehbar zu machen«852, weil sie Schlüsselwörter (auch Konzepte, Kategorien) fokussiert und dadurch über850 Vgl. zu diesem gesamten Abschnitt Fried/Kohlruss/Reintjes, Wissenslandkarten 171 – 173 sowie Fried, Wissenslandkarten Vorschulalter, 8 – 15. 851 Dabei gilt, dass Wissenselemente normal gedruckt werden, weiterführende theologische Vorstellungen auf der Basis der Wissenselemente dagegen unterstrichen werden. 852 Fried/Kohlruss/Reintjes, Wissenslandkarten, 173. Vgl. zum gesamten Absatz – außer wenn auf die vorliegende Studie Bezug genommen wird – ebd., 173 – 175.

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sichtliche Bilder von Wissensnetzwerken ermöglicht. Im Rahmen der vorliegenden Studie bietet diese Methode vor allem eine Gelegenheit, die im Verlauf erhobenen umfassenden Daten der individuellen Wissensentwicklung zu verschiedenen Zeitpunkten übersichtlich und überblicksartig darzustellen. Im Gegensatz zum praxisorientierten Vorgehen der Autoren wird die Methode jedoch nicht schon im Vollzug der Beobachtung (würde meinen während des Interviews), sondern erst auf der Basis der auf unterschiedliche Weise erhobenen sowie dokumentierten Daten, also rein im Kontext der Datenaufbereitung und -analyse angewandt. Von daher ist es möglich, die Wissens- und Vorstellungslandkarten umfassender zu gestalten. Dennoch können sie nie reale Abbilder des kindlichen Wissens sowie der kindlichen Vorstellungen von Jesus Christus sein, sondern immer nur eine Annäherung an dieselben darstellen, weil nie alle Wissensäußerungen und christologischen Vorstellungen eines Kindes erfasst werden können und der Auswertende immer mit eigenen ›blinden Flecken‹ rechnen muss.

Zweitens: Deutungsspektren als Strukturierungshilfe für theologische Gespräche Wissens- und Vorstellungslandkarten von Kindern haben auch einen besonderen didaktischen sowie unterrichtspraktischen Wert, gerade bezüglich des Theologisierens im Religionsunterricht. Weil die Ergebnisse der vorliegenden Studie wieder in die pädagogische Praxis zurückfließen sollen, ist dieser Aspekt hier besonders zu betonen. »Für offene Unterrichtsprozesse im Sinne des Theologisierens mit Kindern ist es für die Unterrichtenden von zentraler Bedeutung zu wissen, welches Antwortspektrum sie in einer bestimmten Altersstufe zu einem bestimmten Thema erwarten können. Nur wenn die Unterrichtenden so etwas wie eine ›Landkarte des Denkens‹ vorliegen haben, die zumindest einen Teil der Schülerantworten identifizieren hilft, wird es möglich sein, die neuen, unerwarteten Beiträge aufnehmen, würdigen und einordnen zu können.«853

Wissenslandkarten, wie sie auf der Basis der vorliegenden Studie entstanden sind, haben den Vorteil, dass sie real existentes Wissen sowie real existente Vorstellungen von Kindern wiedergeben, nicht religionspädagogisch sowie entwicklungspsychologisch antizipierte. Ihre Relevanz für die Praxis des Religionsunterrichts ist deshalb größer. Wer das mögliche Spektrum der kindlichen Wissensvorräte in Bezug auf eine Thematik kennt, vermag im Unterricht daran anzuknüpfen.854 Lehrerinnen und Lehrer benötigen neben einer guten Ge-

853 Büttner, Strukturale Hermeneutik, 32. Vgl. hier auch den nächsten Gedanken. 854 Vgl. hier Kapitel 2.3.2 zur Bedeutung des Vorwissens sowie die in den sechs Fallbeispielen

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sprächsführungstechnik und Empathie auch inhaltliche Anhaltspunkte. »Soll Kindertheologie Theologie sein, dann muss sie auch eine Wissensbasis haben.«855 Noch wertvoller sind Landkarten, die das Spektrum möglicher Denkwege der Kinder, die Logik der Aneignung856 im Rahmen der Beschäftigung mit einer Thematik wiedergeben. Diese Denkspektren können im Rahmen der vorliegenden Studie exemplarisch anhand der Daten aus den geführten theologischen Gesprächen aufgestellt werden.857 Dabei gilt einschränkend, dass theologische Gespräche niemals deckungsgleich ablaufen und dass die hier dokumentierten Denkwege in Abhängigkeit einer bestimmten Art von Unterricht erstellt wurden. Dennoch ist wahrscheinlich, dass Gespräche in einer ähnlichen Art von Unterricht einen ähnlichen Verlauf nehmen können. Auch Büttner will mit seinen Forschungen Strukturen in den Argumentationen von Schülerbeiträgen zu bestimmten Theologumena freilegen und strebt damit eine analoge Übertragbarkeit auf ähnliche Stunden an, weil sich der Anteil an Unvorhersehbarem im Unterrichtsgeschehen dadurch reduzieren lässt, dass sich die Lehrperson auf wahrscheinliche Schüleräußerungen einstellen kann.858

6.2.4.3 Offener Bezugsrahmen: Qualitative Inhaltsanalyse Im Blick auf die vorliegende Fragestellung sind inhaltsanalytische Auswertungsverfahren hilfreich. Zum einen eignen sie sich, sowohl sprachliche als auch bildliche Produkte von Kindern auszuwerten, die auf verschiedene Weise entstanden sind.859 Gerade dies ist im Blick auf die unterschiedlichen Methoden der Datenerhebung im Rahmen der vorliegenden Studie notwendig. Zum anderen eignet sich die Qualitative Inhaltsanalyse zur Reduktion sowie Konzentration von Daten. »In der Forschungspraxis hat sich die qualitative Inhaltsanalyse als ein hilfreiches Instrument bewährt, um umfangreiches empirisches Material und das darin doku-

855 856 857

858 859

aufgeführten heterogenen Wissens- und Vorstellunglandkarten vor Schuleintritt jeweils in Kapital 8.X.1.3. Büttner, Strukturen, 59. Vgl. Büttner, Landkarten, 75. Vgl. dazu die Übersichten über erwartbare Gesprächsaspekte /Deutungsspektren in Kapitel 7.1.6 zum Thema Geburt Jesu, 7.2.3 im Blick auf die Dilemmageschichte zur Sturmstillung, 7.3.3 bezüglich der Passion Jesu sowie 7.4.3 zu seiner Auferstehung. Innerhalb der vorliegenden Studie wurde die Entscheidung getroffen, Übersichten statt Landkarten zu erstellen – sie können jedoch im Sinne von Landkarten gelesen werden. Vgl. Kumlehn, Unterrichtsforschung, 64. Vgl. Heinzel, Kindheitsforschung, 30. Im vorliegenden Fall werden sowohl Interviews, als auch theologische (Gruppen-)gespräche sowie Materialien aus den Portfolios der Schülerinnen und Schüler ausgewertet – jeweils nur exemplarisch ausgewählte.

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mentierte komplexe Unterrichtsgeschehen zu ordnen und für eine qualitativ-empirische Analyse gemäß der grounded theory handhabbar zu machen.«860

Allerdings folgt die Qualitative Inhaltsanalyse z. B. nach Mayring einem stark formalisierten Vorgehen.861 Dieses durchzuführen wäre im Rahmen der vorliegenden Studie aufgrund mangelnder personeller Ressourcen nicht möglich und erweist sich im Blick auf die vorliegende Forschungsfrage sowie das zirkuläre Vorgehen weder als notwendig noch als weiterführend. Zugunsten des empirischen Materials wird deswegen nur in sehr offener Bezugnahme auf die Qualitative Inhaltsanalyse gearbeitet.862

Inhaltsanalytische Bewertungskriterien für Kinderäußerungen als Theologie863 Aufgrund der vorliegenden Fragestellung sind alle Äußerungen der Kinder bezüglich der Thematik Jesus Christus relevant, da jede Aussage Teil des Wissens- und Vorstellungsbestandes der Kinder ist. Allerdings ist an dieser Stelle zwischen Wissenselementen und theologischer Kompetenz zu trennen. Wissenselemente werden gerade im Blick auf die Arbeit mit Landkarten charakterisiert als inhaltliche Elemente (z. B. Personen, Orte, Handlungsaspekte) aus biblischen Erzählungen, die die Probanden nennen können. Außerdem werden Inhalte, die nicht mit biblischen Erzählungen übereinstimmen (z. B. frei erfundene Personen oder fälschliche Handlungsverknüpfungen), gewissermaßen ›misconceptions‹ mit aufgenommen, da sie Teile der aktuellen individuellen Wissenslandkarte darstellen. Aussagen, die im Sinne der Kindertheologie theologisch kompetent sind, müssen höheren Bewertungskriterien genügen. »Auch wenn man an eine Kindertheologie als ›Laientheologie‹ nicht die Maßstäbe einer theologischen Wissenschaftstradition anlegen darf, muss ein gewisses Maß an gedanklicher Durchdringung bzw. (Selbst-)Reflexion gegeben sein.«864 Der Reflexionsgrad lässt sich am Maß der inneren Logik, Stringenz bzw. Kohärenz messen. Auch die Sprachkompetenz ist ein Bewertungskriterium. »Dabei kann man zwischen einem sinnstiftenden, belebenden Nachsprechen geprägter Begriffe und der Neubildung und Spracherweiterung, z. B. in der 860 Asbrand, Analysieren, 77. 861 Vgl. Mayring, qualitative Sozialforschung, 114 – 121 sowie ders., Qualitative Inhaltsanalyse, 468 – 475. 862 Asbrand, in Asbrand, Analysieren, 72 beschriebenes einleuchtendes Vorgehen und die vertretene Auffassung, dass empirisches Material und Feld die Forschung mehr bestimmen sollen, als die Methoden, was einen paradigmatischen Wandel bezüglich theoretischer Prämissen bedeutet, stützen diese Entscheidung ebenso wie die Idee der zirkulären Vorgehensweise in Zimmermann, Methoden, 104 f, die Butt im Blick auf seine Untersuchung zu Auferstehungsvorstellungen von Kindern aufgreift, vgl. Butt, Auferstehungsvorstellungen. 863 Ich beziehe mich im Folgenden auf Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 114 – 117. 864 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 115.

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Bildung neuer Metaphern«865 unterscheiden. Interessant ist insbesondere die Kreativität und Innovation mit der Kinder ihre eigene Sprache mit der Sprache biblischer und kirchlicher Tradition verknüpfen. Interessant ist im Blick auf die vorliegende Studie auch die Frage, wie stockend oder flüssig eine Erzählung dargeboten werden kann. Ein letztes Bewertungskriterium sind das Abstraktionsniveau sowie die Vernetzungsmöglichkeiten. »Sind die Äußerungen eingebunden in Gedankenwelten oder bereichsspezifisches Wissen (domain specificy)? Kann man gar von ›intuitiven religiösen Theorien‹ sprechen?«866 Im Blick auf kindertheologische Forschung ist es darüber hinaus notwendig, Grenzen zwischen ernst gemeinten authentischen Aussagen und Un- bzw. Widersinnigem zu benennen. »Durch die genaue Wahrnehmung der Gesprächssituation, des Tonfalls, der Interjektionen etc. kann man meist ziemlich genau beurteilen, ob eine Äußerung aus der subjektiven Sicht des Kindes ein ›sinnvoller Beitrag‹ zum Thema sein will – oder nicht.«867 Durch diese Sprechaktanalyse können unsinnige, provozierende, gefallen wollende, zufällige Aussagen etc. ausgeschlossen werden. Gefragt werden muss insbesondere auch, ob die Äußerungen dem Gegenstand (Gott, Jesus) angemessen sind. Als externe Bewertungskriterien ist der Bezug erstens zu biblischer und theologischer Sprachtradition, zweitens zu gegenwärtigen Forschungspositionen theologischer Wissenschaft und drittens zur Vormeinung des Analysierenden zu nennen. »Aus der Analyse von theologischen Unterrichtsgesprächen mit Kindern lässt sich der folgende Schluss ziehen. Wie oben bereits gezeigt, führen bestimmte Gesprächsanstöße je nach Altersstufe zu einem Argumentationsspektrum, das mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann. Gleichzeitig ist es möglich, einen großen Teil der im Gespräch aufgetauchten Argumentationsfiguren in theologischen und philosophischen Beiträgen der Tradition wiederzufinden.«868

Büttner betont, »dass diesen Argumentationsfiguren idealtypische Züge […] zukommen. Demnach wäre es kein Akt der Willkür oder eine unangemessene Anhänglichkeit an Begriffe der Tradition, die es als möglich, wenn nicht sogar geraten sein lassen, auch und gerade theologische Kategorien zur Analyse entsprechender Unterrichtssequenzen heranzuziehen.«869

865 866 867 868 869

Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 116. Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 116. Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 115. Büttner, experimental teaching, 175. Büttner, experimental teaching, 175.

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6.2.4.4 Offener Bezugsrahmen: Grounded Theory Die Grounded Theory bietet aus dreierlei Gründen einen offenen Bezugsrahmen für die Analyse der in der vorliegenden Studie erhobenen Daten. Erstens: Die Datenerhebungsphase erstreckt sich durch die Form der Längsschnittstudie über einen Zeitraum von zwei Jahren, so dass die Datenauswertung aus rein organisatorischen Gründen bereits parallel zur Datenerhebung beginnen muss, was ein fruchtbares Ineinandergreifen beider Prozesse bedingt. Gerade in der Zirkularität liegt die Stärke des Ansatzes der Grounded Theory, da der gesamte Forschungsprozess fortwährend reflektiert wird. »Durch die enge (auch zeitliche) Verzahnung von Datenerhebung und -auswertung mit der Auswahl von empirischem Material lässt sich die folgende Frage nicht nur immer wieder stellen, sondern auch eher beantworten als bei einem klassisch linearen Vorgehen: Inwieweit werden die verwendeten Methoden, Kategorien und Theorien auch tatsächlich dem Gegenstand und den Daten gerecht?«870

Konkret führte dies zu folgenden Entscheidungen im laufenden Prozess: Ein ursprünglich eingeplantes drittes Interview am Ende des ersten Schuljahres entfiel, da festgestellt werden konnte, dass dies kaum nennenswerte Neuerkenntnisse gebracht hätte. Zusätzlich zur Arbeit mit Wissens- und Kompetenzlandkarten wurde die Visualisierung und Aufbereitung von Daten in tabellarischer Form ergänzt, da sich herausstellte, dass die Landkarten zwar die Wissenszuwächse und -veränderungen in verschiedenen inhaltlichen Bereichen sowie die Zusammenhänge zwischen Wissen und theologischer Kompetenz visualisieren, die Entwicklung theologischer Kompetenz im Verlauf der zwei Jahre jedoch nicht deutlich genug hervortrat. Des Weiteren wurden die notwendigen Kriterien zur Einschränkung des auszuwertenden Materials bezüglich der Falldarstellungen, der theologischen Gespräche sowie der thematischen Aspekte im Prozess gefunden, beziehungsweise weiterentwickelt, in Wechselwirkung zwischen den Kategorien, die innerhalb der theoretischen Vorarbeiten als sinnvoll erachtet wurden und den Notwendigkeiten, die das empirisch erhobene Material mit sich brachte. Schließlich beeinflussten die theoretischen Vorarbeiten die Planung des Unterrichts und das aktuelle Unterrichtsgeschehen wiederum weiterführende Planungsentscheidungen. Auch konnten vorab wesentliche Themen für theologische Gespräche geklärt und mögliche Impulse festgelegt werden, die Gespräch wiederum lebten gerade auch von der Spontaneität der Schülerinnen und Schüler, die sie mit ihren Impulsen beeinflussten und so zu einer Wechselwirkung und Zirkularität beitrugen.

870 Flick, Einführung, 127.

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Forschungsdesign im Forschungskontext

Zweitens: »Die Grounded Theory ist eine praxisbezogene Methode. Sie ist aus der Feldforschung heraus entwickelt worden. Gerade für die Unterrichtsforschung Religion wird es sich als notwendig erweisen, durch einen ständigen Bezug zur Praxis des Unterrichtsgeschehens sowie durch eine[!] ständiges ›Pendeln‹ zwischen Datensammlung und -analyse im Sinne der Grounded Theory zu einer praxisbezogenen Theorie zu gelangen. Dies könnte auch ReligionslehrerInnen eine differenzierte, professionelle Wahrnehmung des Unterrichtsgeschehens ermöglichen. Die Wahrnehmungsschulung für die Religiosität von SchülerInnen würde sich somit zu einer Wahrnehmungsschulung für die Unterrichtspraxis Religion weiterentwickeln.«871

Übertragen auf die vorliegende Studie bedeutet dies eine mögliche Beobachtungsschulung auf mögliche christologische Wissens- und Kompetenzentwicklungsverläufe von Kindern, auf Lernprozesse im Religionsunterricht, insbesondere auch in theologischen Gesprächen, auf ko-konstruktive Prozesse und Zusammenhänge von Wissen und Kompetenz. Drittens: Durch ihren explorativen Charakter ist die Methode der Grounded Theory der Komplexität des Unterrichtsgeschehens, der Vielzahl an Bedingungsvariablen, welche das tatsächliche Geschehen bestimmen, gewachsen und kann unschwer auf die verschiedensten Aspekte des Unterrichtsgeschehens bezogen werden, im vorliegenden Fall auf die inhaltlichen. Es ist möglich, bei der Auswertung der Daten nur Bezug zu den relevanten Äußerungen aus verschiedenen Kontexten zu nehmen. Deshalb ist die Grounded Theory auch geeignet, um die Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern intensiv zu analysieren.872 »Für diese Intention eignet sich die von Strauss und Corbin publizierte Form der Grounded Theory in besonderem Maße, da das dem axialen Kodieren zugrunde liegende Kodierparadigma eine differenzierte Betrachtungsweise des Lernprozesses ermöglicht.«873 Konkreter : »Anhand der jeweiligen dimensionalen Ausprägung jener Eigenschaft lässt sich einerseits der Ausgangspunkt der Überlegungen des Schülers zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschreiben (die jeweils aktuelle Dimension der Eigenschaft), auf dessen Basis er seine Begründungen expliziert. Andererseits ermöglicht sie, seinen Lernprozess nachzuvollziehen, da eine Veränderung der Dimension eine Weiterentwicklung der anfangs geäußerten Vorstellungen zu erkennen gibt.«874

Strauss/Corbin betrachten die Grounded Theory als äußerst nützliches Verfahren, als Leitlinie und Vorschläge, nicht aber als strikt durchzuführende Re871 Rothgangel/Saup, Religionsunterrichts-Stunde, 101. 872 Vgl. Beispiel von Rothgangel/Saup, Religionsunterrichts-Stunde, 85 – 102. Hier auch der vorhergehende Gedanke. 873 Rothgangel/Saup, Religionsunterrichts-Stunde, 94. 874 Ebd. 96.

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213

zept. »Grundsätzlich gilt auch hier, dass die Grounded Theory eine flexible Methode ist, die je nach Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse angepasst werden kann und soll.«875 Insbesondere die religionspädagogische Rezeption der Grounded Theory ist für die vorliegende Studie interessant. Für die Religionspädagogik »liegt der Schwerpunkt dieser Methode […] primär in der Ausarbeitung von Kategorien und ihren Dimensionen, weniger jedoch in der Entdeckung von neuen gegenstandsbezogenen Theorien«876. »Im qualitativen Paradigma geht es vielmehr darum, in der Interpretation empirischen Materials Strukturen des Gegenstands zu rekonstruieren. Die Validität der Ergebnisse ergibt sich daraus, dass sie als theoretische Aussagen Plausibilität haben, d. h., dass sie für die Leser und Leserinnen – intersubjektiv – nachvollziehbar sind.«877

Das konstatiert auch Zimmermann: »Da es bei der qualitativen Forschung nach der Strategie der Grounded Theory meist nicht um die Belegung oder Widerlegung einer einzigen These geht, kommt es auch in der Auswertung zu einer Wechselwirkung zwischen Material und Evaluation. Die Auswertungskriterien und -methoden entstehen in Auseinandersetzung mit dem erhobenen Material. Insgesamt kann man festhalten, dass die Auswertungskriterien und Analysemethoden in hohem Maße von der Methode der Datenerfassung sowie vom jeweiligen Gegenstand abhängen.«878

6.2.5 Fazit Die Komplexität der vorliegenden Studie ist hoch. Die vorangehende ausführliche Darstellung des Forschungsdesigns ermöglicht, sie intersubjektiv nachvollziehbar zu machen. Das Spezifikum der Studie macht ihre Verquickung aus Forschung und Praxis aus, zwei Pole, zwischen denen die Balance zu halten nicht immer einfach war. Der Spagat aus ausreichend empirischer Verankerung, um wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen und gleichzeitig genügend Einbezug des Unterrichtsalltags, um praxisrelevant zu bleiben, war oftmals eine Herausforderung. Darüber hinaus bei allen Bemühungen um wissenschaftliche Kriterien, Empirie und Relevanz folgende religionspädagogische Grundvoraussetzung im Auge zu behalten war stets leitend: Religionspädagogik muss wissen, »dass es bei ihr um viel mehr als um messbare Kompetenzen geht, dass es bei ihr nicht auch, sondern wesentlich um eine ›nicht-empirisch vermeßbare 875 Rothgangel/Saup, Religionsunterrichts-Stunde, 87, der vorige Gedanke ebd. Unter Bezug auf Strauss/Corbin. 876 Rothgangel/Saup, Religionsunterrichts-Stunde, 85 f. 877 Asbrand, Analysieren, 67. 878 Zimmermann, Methoden Kindertheologie, 113 f.

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Forschungsdesign im Forschungskontext

Wirklichkeit‹ gehen muss, die sich mit dem theologisch verstandenen Begriff Liebe treffend umschreiben lässt.«879 Gerade weil den Kindern in der vorliegenden Studie nicht nur aus distanzierter Forschungssicht, sondern auch aus vertrauensvoller Lehrer-Schüler-Beziehung begegnet wird, weil dem Erkenntnisinteresse das Bemühen, individuelle Entwicklung zu ermöglichen und zu begleiten gegenübersteht, ist dieses Korrektiv notwendig. Ein liebevoller, wertschätzender Umgang in ebensolcher Atmosphäre ist insofern das Zentrale, dem jedes Forschungsdesign und jede wissenschaftliche Erkenntnis nachgeordnet werden muss.

879 Kühl-Freudenstein, Plädoyer, 23.

7.

Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern in ausgewählten theologischen Gesprächen

In diesem Kapitel werden Lernprozesse von Schüler/innen in theologischen Gesprächen aufgezeigt und exemplarisch analysiert. Die Auswahl der theologischen Gespräche erfolgte bewusst nicht im Vorfeld, sondern auf der Basis des vorhandenen Datenmaterials. Entscheidend waren folgende Kriterien: Inhaltliche und theologische Relevanz der Thematik, zeitlicher Umfang der Thematisierung im Unterricht, Vorwissen der Schülerinnen und Schüler, inhaltliches Interesse der Kinder, Intensität der Gespräche sowie erkennbare Konstruktionsbzw. Ko-Konstruktionsprozesse. Der Themenkomplex »Weihnachten – Jesu Geburt« wurde beispielsweise ausgesucht, weil diese inhaltlich zentrale und zeitintensive Thematik sowohl in Klasse 1 wie auch in Klasse 2 sehr ausführlich thematisiert wurde und die Schülerinnen und Schüler Vorwissen einbringen konnten, wie die Vorschulinterviews verdeutlichten. Innerhalb des Themenkomplexes lagen jedoch zahlreiche theologische Gespräche vor. Diese mussten gesichtet, miteinander verglichen und exemplarisch diejenigen ausgewählt werden, in denen theologisch oder entwicklungspsychologisch relevante sowie interessante Lernprozesse aufgezeigt werden konnten. Die »Dilemmageschichte zur Sturmstillung« wurde dagegen nicht aufgrund ihrer Zentralität ausgewählt, sondern weil die Intensität des von ihr ausgelösten theologischen Gesprächs so hoch war. Die darin auftauchenden Themen zeugten allerdings wiederum von hoher theologischer Relevanz. In diesem Gespräch konnten die bei den Schülerinnen und Schülern stattfindenden Konstruktionssowie Ko-Konstruktionsprozesse besonders deutlich aufgezeigt werden. Die Tatsache, dass eine umfassende Studie von Büttner mit eben jener Dilemmageschichte arbeitet machte dieses Gespräch auch aus Gründen der Vergleichbarkeit mit vorliegenden Forschungsergebnissen interessant. Die theologischen Gespräche zum »Kreuzestod Jesu« wurden aufgrund der theologischen Zentralität der Thematik, dem hohen Interesse und dem schon in den Vorschulinterviews gezeigten Vorwissen der Schülerinnen und Schüler ausgewählt.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Das theologische Gespräch zur »Auferstehung Jesu« wurde ebenso aufgrund seiner theologischen Zentralität ausgewählt, aber auch, weil hier der Blick auf das Einbringen von Vorwissen sowie auf Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozesse der Schülerinnen und Schüler aufschlussreich war. Insgesamt bot es sich an, mehrheitlich die Gespräche aus Klasse 1 aufzugreifen. Hier ließen sich das eingebrachte Vorwissen sowie die Weiterentwicklung der Gedankengänge der Schüler/innen häufig leichter nachvollziehen als bei Gesprächen aus Klasse 2, in denen Vorwissen durch Konstruktionsprozesse innerhalb des ersten Schuljahres bereits weiterentwickelt und somit komplexer gestaltet waren. Zudem ermöglichten Gespräche aus der ersten Klasse eine Schließung der Datenlücke im Zeitraum zwischen Vorschulinterview und Interview am Ende des zweiten Schuljahres. Auch rein organisatorische Gründe im Arbeitsprozess führten zu einer Schwerpunktsetzung auf theologische Gespräche im ersten Schuljahr.

7.1

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen zum Thema »Weihnachten – Geburt Jesu« in Klasse 1 und 2

7.1.1 Jesuskind oder Christkind? 7.1.1.1 Gesprächsprotokoll a) »Worauf warten wir im Advent?« – Klasse 1880 L Michael Timo L Linnea L Jonas L Mirjam Elena

Worauf warten wir eigentlich im Advent? Auf was warten wir denn? Weihnachten. (L: Okay) Auf das Christkind. Mhm. Passt auf. Beides gute Antworten, aber wenn ihr euch noch meldet und wartet, bis ich euch aufrufe ist noch besser.Okay? Wir warten darauf, dass Weihnachten ist. Mhm. Also, der … und die … sagen wir warten darauf, dass Weihnachten ist und der… hat gesagt auf ’s Christkind. Okay. Was sagen die anderen? Auf Jesus. … sagt auf Jesus, okay. […] Auf ’s Christkind. (L: Mhm.) Auch auf ’s Christkind. (L: Aha.)

880 Es handelt sich um einen kurzen Ausschnitt aus einem längeren Unterrichtsgespräch, das sich im Weiteren um andere inhaltliche Aspekte dreht. Inhaltlich nicht relevante Gesprächsanteile sind nicht notiert. Gerade für dieses sehr früh mit den Probanden geführte Gespräch gilt, dass das namentliche Aufrufen der Kinder durch die Lehrkraft der späteren Identifikation dient und häufig nicht verschriftlicht wird, um den inhaltlichen Ablauf des Gesprächs nicht zu stören.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung Nathalie Franziska ? L L Sophia L Christopher Noah L

Sophia L Mirjam Franziska L ? L Viele L

Christkind. (L: Mhm.) Auf ’s Jesus (L: Okay) Christkind Auf ’s Christkind sagt die … Und was sagt die … Auf ’s Christkind. (L: Mhm.) Was sagst du denn, … Auf Jesus. (L: Mhm.) […] Weihnachtsfeier. Weihnachtsfeier, okay. Also, wir haben jetzt Verschiedenes gehört, wir ham gehört Weihnachten, ganz oft, wir ham gehört Jesus ganz oft und wir ham gehört Christkind ganz oft. Ähm. Kann mir mal kurz jemand den Unterschied zwischen Jesus und dem Christkind erklären? Versuch’s mal … Man sagt des nur anders. (L: Man sagt des nur anders) Jesus ist das gleiche wie Christkind. Okay, die Sophia sagt ist das gleiche. Auch des gleiche. (L: Okay.) Auch des gleiche. (L: Okay) Wer sagt was anderes ? Hm.… Was anderes möchte ich noch. Gleiches. Okay. Sagt jemand was anderes oder seid ihr euch da alle sicher? Bin mir sicher, was Gleiches, gleich,….. Okay. Gut.

Gesprächsprotokoll b) »Wenn ihr einem Kind, das noch nie von Weihnachten gehört hat, das vielleicht in einem ganz anderen Land lebt, erzählen müsst, was an Weihnachten passiert ist, was würdet ihr sagen?« – Klasse 1881 Mirjam Michelle L Michelle L Vic L Elena

Man kriegt Geschenke. Äh. Hab’s vergessen Ne, probier’s versuch’s mal was zu sagen. Was ist an Weihnachten geschehen? Jesus geboren. Genau. Okay, was würdest du sagen? Jesus ist geboren und er soll König werden. Und er soll König werden, okay. Ähm. Dass Jesus, dass Jesus ganz lieb ist.

881 Es handelt sich um einen kurzen Ausschnitt aus einem längeren Unterrichtsgespräch. Nur inhaltlich relevante Passagen wurden an dieser Stelle aufgenommen, andere entfallen.

218

Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Elena L Vic Einige L Sophia L Mirjam L Vic L Mareike L ? L Mareike L Mareike L Elena Mareike Elena

Warum? Weil er jedem Menschen hilft. Okay. Hilft der auch den Bösen? Ne, nein. Die Vic fragt, hilft er auch den Bösen und ihr meint nein. Okay. Hm. Auch, weil er ein König wird und … Weil er König wird, okay. Dass man da Geschenke kriegt. Und warum kriegt man an Weihnachten Geschenke? Weil man kann ja nicht mit jetzt da hoch in Himmel kra-, ge-, krabbeln und die dem Jesus die Geschenke bringen. Aha. Eigentlich sagt die Vic, genau warum sollte man eigentlich, warum sagt sie, man kann ja nicht in den Himmel hochkrabbeln und dem Jesus die Geschenke geben, das ist ein ganz guter Gedanke, Vic. Weil er so lieb ist und den Menschen des gibt, die Geschenke. Aha. Okay. Des heißt, wer hat den eigentlich, wessen Geburtstag feiern wir denn an Weihnachten? Von Jesus. Von Jesus. Ja gar nicht unseren eigenen. Aber trotzdem kriegen wir die Geschenke. Das ist ja witzig. Das ist ja schön. Und da hat die … die Idee gehabt… Beim Osterhasen genauso. Da versteckt der Osterhase was, aber wir kriegen die Geschenke. Und du denkst, weil der Jesus so lieb ist, verteilt er die an die Kinder? Mhm. Okay. Was denkst du …? Schmeißt er die vom Himmel in Schornstein? Ne, die gibt er dem Weihnachtsmann, dass er die runterbringen soll. Dass er die Geschenke von der So -, vom Mond runterwirft.

7.1.1.2 Interpretationsversuche Einige Schülerinnen und Schüler dieser Klasse belegen die für jüngere Kinder in verschiedenen Studien festgestellte Schwierigkeit einer klaren Trennung zwischen den Weihnachtsfiguren. Sophia bringt dies auf den Punkt, indem sie in Gesprächsprotokoll a) auf die direkte Aufforderung der Lehrkraft, den Unterschied zwischen Jesuskind und Christkind zu erklären, antwortet »Man sagt des nur anders: Jesus ist des gleiche wie Christkind.«

Diese Auffassung wird von weiteren Kindern ad hoc bestätigt. Hier zeigt sich eine Problematik, die Bünker als besondere Herausforderung an die kindliche

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Konstruktionsleistung analysiert, die Trennung gerade zwischen Christkind und Jesuskind.882 Im Rahmen dieses Gesprächsausschnittes wird jedoch nicht unmittelbar klar, inwiefern das Christkind von den Kindern als Gabenbringer eingeschätzt wird. Es könnte sich auch um die schlichte – in Deutschland gängige – Doppelbedeutung883 des Namens für das Kind in der Krippe handeln. Das zweite Gesprächsprotokoll zeigt jedoch, welche gedankliche Leistung in der Trennung zwischen biblischem Wissen und dem Brauchtum des Schenkens verborgen liegt sowie auch, dass dies noch nicht allen Schülerinnen und Schülern gelingt.884 An Gesprächsprotokoll b) zeigt sich exemplarisch auch die Komplexität der Thematik »Weihnachten«. »Hier überlagern sich nicht nur verschiedene biblisch-theologische Kreise (Unterschiedliche Erzählungen der Geburt Jesu in Lk 2,1 – 20/Mt 1,18 – 24 – im Unterricht oft erweitert durch die Verheißung der Geburt, Lk1,26 – 38 sowie die Huldigung der Sterndeuter Mt2,1 – 12/ Jesus als Christuskind, Sohn Gottes, Retter, König), sondern gleichsam unterschiedliche Erfahrungsebenen der Lebenswirklichkeit (religiöse, kulturelle und kommerzielle), zu denen die einzelnen Kinder in unterschiedlichem Maße Zugang haben.«885

Die ersten Gesprächsbeiträge verweisen auf den biblisch-theologischen Hintergrund. Bereits in diesen sehr kurzen Beiträgen von zwei Kindern, die insgesamt ein als rudimentär einzustufendes Vorwissen in die Schule mitbrachten, lassen sich Verweise auf die Erzählung der Geburt Jesu sowie auch auf einen Titel Jesu erkennen. Michelle: Jesus geboren Vic: Jesus ist geboren und er soll König werden.

Spätere Gesprächsbeiträge beziehen sich teilweise auf den kulturell-kommerziellen Aspekt des Schenkens Mirjam: Dass man da Geschenke kriegt.

Daran angeknüpft findet sich der Aspekt des Geburtstages Jesu und mithin Teile eines Geburtstagsskripts, nämlich »Das Geburtstagskind bekommt Geschenke«. Direkt damit verknüpft wird allerdings das biblische Wissen um Jesu Geburt. 882 Vgl. Bünker, Jesus-Christkind, 41. 883 Vgl. zur doppelten Namensbedeutung in Deutschland und Österreich Bünker, JesusChristkind, 37. 884 Damit steht dieses Kind nicht allein. Bünker stellt bei einer Befragung von 6 – 8-jährigen Wiener Kindern fest, dass die überwiegende Mehrheit davon überzeugt ist, dass das Christkind die Geschenke bringt, obwohl eine kulturgeschichtliche Analyse keine Identität zwischen dem neugeborenen Erlöserkind und dem Gaben bringenden Christkind ergibt, vgl. Bünker, Jesus-Christkind, 37. 885 Benz, Weihnachten In: Büttner u. a.: Handbuch Theologisieren mit Kindern, 505 – 512.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Jesus ist demnach das Geburtstagskind und sollte der eigentliche Empfänger der Geschenke sein. Die Schülerin denkt dabei sowohl konkret als auch praktisch. Das zeigt sich daran, dass sie offensichtlich davon ausgeht, dass Jesus oben – nämlich im Himmel – ist. Ihm kann also heute keiner mehr Geschenke bringen. Das nimmt sie als Erklärung dafür, dass man selbst heute Geschenke bekommt, was wiederum Teil des Weihnachtsskripts sehr vieler Kinder sein dürfte.886 Vic: Weil man kann ja nicht mit jetzt da hoch in Himmel krabbeln und dem Jesus die Geschenke bringen.

Interessant ist auch, dass an dieser Stelle keine Verknüpfung mit den Sterndeutern und ihren Geschenken für Jesus von Seiten der Kinder erfolgt.887 Entweder ist diese biblische Erzählung im Vorwissen der Kinder nicht klar präsent oder aber der konkrete Gedanke lenkt zu sehr davon ab. Abschließend ein Beispiel dafür, wie verwoben die Weihnachts- und Osterfiguren bei einzelnen Kindern dieser Altersstufe noch sind. Weihnachtsmann und Osterhase werden von einzelnen noch sehr selbstverständlich als Argumentation verwendet.888 Elena: Schmeißt er die vom Himmel runter? Mareike: Nein, die gibt er dem Weihnachtsmann, dass der die bringen kann.

886 Vermutlich fallen die familiären Weihnachtsskripts von Kindern heutzutage sehr heterogen aus, je nach Grad der religiösen Sozialisation. Ob christliche Elemente wie Gottesdienst, Weihnachtslieder, Weihnachtsgeschichte oder Krippe zusätzlich zu säkular, bzw. kulturell geprägtem Brauchtum wie Geschenke, Weihnachtsbaum, Weihnachtsmann etc. vorhanden sind, unterscheidet sich von Familie zu Familie. Die Tübinger Studie zur Erhebung religiöser Differenzwahrnehmung ergibt jedoch, dass die meisten Kinder zumindest ein Skript zum Ereignis »Weihnachtsfeier in der Kindertagesstätte« gebildet haben, bei dem Personen wie z. B. der Weihnachtsmann beteiligt sind sowie Objekte -die Geschenke, wohingegen nur wenige Kinder über Kenntnisse des christlichen Ursprungs des Festes verfügen, vgl. Dubiski u. a. Differenzwahrnehmung, 159. 887 Im Folgenden wird der Aspekt des Schenkens noch genauer betrachtet. 888 In der ersten Klasse sind es häufig noch mehr Kinder, die an das Christkind oder an andere Weihnachtsfiguren als Geschenkebringer glauben, in der zweiten Klasse handelt es sich erfahrungsgemäß nur noch um einzelne Schülerinnen und Schüler. Dann versuchen meist die Gleichaltrigen diesen Kinderglauben mit logischen Argumenten aufzuklären, vgl. Benz, Weihnachten in Büttner u. a.: Handbuch Theologisieren mit Kindern, 505 – 512.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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7.1.2 Jesus als Kind Josefs oder Sohn Gottes? 7.1.2.1 Gesprächsprotokoll: »Jesus als Kind Josefs oder Sohn Gottes?« – Klasse 1889 L

Linnea L Linnea L

Michael Viele

Mirjam L Mirjam L Linnea L ? L Vic L Vic L

Die Maria bringt ja den Jesus auf die Welt und wir ham ja gesagt, der Jesus ist ein ganz besonderes Kind. Jetzt möcht ich gerne von euch wissen und das hab ich euch im Kindergarten auch schon mal gefragt: Ist denn der Jesus das Kind von Josef oder ist der Jesus der Sohn von Gott? Wenn man […] sagen möchte, Jesus ist das Kind von Josef, setzt man sich auf diesen Stuhl und erklärt, warum man das sagen will. Wenn man sagen will, Jesus ist der Sohn von Gott, setzt man sich auf diesen Stuhl. Und wenn man beides sagen will? Wenn du sagen möchtest beides, brauchen wir noch einen dritten Stuhl. Linnea, möchtest du sagen beides? Dann holen wir einen dritten Stuhl und stellen noch einen dritten Stuhl hin. Okay. Okay. […] Also, hier ist, wenn man sagen will, er ist der, das Kind von Josef. Da ist, wenn man sagen will, er ist der Sohn von Gott. Und wenn man irgendwie erklären will, dass beides, dann, wie die ….vorgeschlagen hat, dann sitzt man hier hin. […] Äh, Gott von Jesus? Lachen – Gott von Jesus – lachen L. fragt, was er sagen, will, keine Antwort, kurze Phase der Unkonzentriertheit einiger Kinder, kurze Zeit, bis wieder Ruhe einkehrt Weil, weil Jesus heilig ist. Also du sagst, Jesus ist der Sohn von Gott, weil er heilig ist. Vorher hast du erklärt, was heißt heilig noch mal? Besonders. Okay. Also, danke schön. Wer möchte noch was sagen? Man darf ganz verschiedene Sachen sagen. Linnea, was möchtest du sagen? Ich finde, weil der Engel gesagt hat, dass es der Sohn von Gott wird (sitzt auf Stuhl Gottes Sohn, obwohl vorher beides vorgeschlagen) Ah, der Engel hat des gesagt? Okay. Gut. Wer möchte noch was sagen? Ich muss überlegen. Es ist alles richtig, was ihr sagen möchtet. Es ist alles richtig, egal auf welchen Stuhl man sitzt. Jeder darf das sagen, was er denkt und es ist alles richtig. Der Mann von der, weil weil, weil der Mann von der, der Mann von Maria ist ja auch der Vater von Jesus, deswegen auch Gott und Jesus Wie meinst du Gott und Jesus? Erklär’s noch mal genauer. Weil der Mann ist, der Maria ihr Mann ist ja auch der Vater von Jesus und Gott auch. Mhm. Also du sagst, beides. Okay. Gut. Danke schön. Was sagst du, …?

889 Inhaltlich nicht relevante Gesprächspassagen wurden bewusst ausgespart, um den Lesefluss nicht zu behindern. Beispiel: Kurze Diskussion um die Beschaffung eines dritten Stuhles wurde weggelassen. Ebenso kurzer nicht inhaltlicher Wortwechel, Unruhe in der Klasse.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung Elena L

Bei mir ist es auch des beides. Stimmt, ich kann mich erinnern. Du hast im Kindergarten auch schon mal gesagt beides. Weißt du noch wie du’s erklärt hast? Erklär’s noch mal. Elena Weil, weil der Jesus und der Gott, weil die beiden gleich sind. L Die sind gleich, deswegen ist er der Sohn von Gott, sagst du. Und warum sagst du, weil du sitzt auf dem »Beide-Stuhl«. Ist der Josef auch der Papa? Elena Nein. L Ah, dann musst du eigentlich auf dem Stuhl sitzen.Also eigentlich sagst du, weil sie beide gleich sind, der Jesus und der Gott ist er der Sohn von Gott. Okay, dann ist es der Stuhl, wo du sitzt, des ist richtig. Gut. Was möchtest du sagen? Julia Weil, weil äh, weil die, weil Jesus und Gott sind beides gleich. L Mhm. Musst eigentlich auch auf den Stuhl, weil hier [auf dem Beide-Stuhl] musst du noch irgendwie erklären, warum ist der Josef auch der Papa von Jesus. … Auf dem Stuhl ist ja beides. Wolltest du eigentlich eher sagen, er ist der Sohn von Gott? Julia Also beides. L Beides. Erklär mal warum beides. Ist der Josef auch irgendwie der Papa? Julia Nein, weil des ist, man sagt des so weil eigentlich sind …ist des nur ein Mensch, aber man kann des beides sagen. L Was ist nur ein Mensch? Wer ist nur ein Mensch? Julia Der Jesus oder der Gott. Man kann des beides sich überlegen, was man sagen will. L Okay. Gut. Dankeschön. So. Was würdest du denn sagen? Michelle Jonas Ich weiß es nicht. Nathalie L Wer möchte denn mal hier hin sitzen? Ist auch irgendwie der Josef auch der Papa von Jesus? L Franziska, möchtest du dich da mal hinsetzen und etwas sagen? Unruhe in der Klasse Franziska – - – (1 – 2 Beiträge sind nicht zu verstehen, Unruhe in der Klasse, es folgt nicht inhaltlicher Wortwechse) L.: Wer hat noch eine Idee? Mirjam Ich hab noch eine Idee. […] Mirjam Der ist, der ist bei Josef aufgewachsen. L Okay. Mhm. Gut. Und Linnea darf auch noch was sagen, wenn ihr noch was eingefallen ist. Linnea Weil der Josef war ja bei der Geburt dabei und deswegen ist er auch der Vater. L Also, dann denkst du beides (hat ja bereits erklärt, warum Sohn von Gott) Du bist auf dem Beide-Stuhl, du hast ja auch vorher vorgeschlagen, dass wir den noch holen. Linnea Ja

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung L Linnea

Du denkst, weil er auch dabei war ist er auch der Vater. Und warum ist er aber auch der Sohn von Gott? (will noch einmal die Begründung von vorher hören) Weil der Engel des gesagt hat.

7.1.2.2 Interpretationsversuche 7.1.2.2.1 Entwicklungspsychologische Aspekte Sohn Gottes oder Kind Josefs? Interessant ist es, Linnea bei ihrer Suche nach einer Antwort zu begleiten. Zunächst schlägt sie unvorhergesehen eine Alternative zur Wahl zwischen Josefs oder Gottes Sohn vor, ein sowohl als auch. Die Lehrperson reagiert sofort darauf und bietet nun drei Alternativen an: Jesus als Gottes Sohn, als Josefs Sohn oder als Sohn beider. Später argumentiert sie allerdings doch für die Variante ›Jesus als Sohn Gottes‹. Beispiel 1: L: Wenn man sagen möchte, Jesus ist das Kind von Josef, setzt man sich auf diesen Stuhl. Wenn man sagen will, Jesus ist der Sohn von Gott, setzt man sich auf diesen Stuhl. Linnea: Und wenn man beides sagen will? Beispiel 2: Linnea: Ich finde, weil der Engel gesagt hat, dass es der Sohn von Gott wird. (entscheidet sich nun doch für den Positionsstuhl Jesus als Sohn Gottes) Beispiel 3 (nach mehreren Gesprächsbeiträgen anderer Schüler und dem Lehrerimpuls ›Ist Josef auch irgendwie der Papa von Jesus?) Linnea: Weil der Josef war ja bei der Geburt dabei und deswegen ist er auch der Vater

Es scheint fast so, als könnte man Linnea an dieser Stelle beim Denken zuschauen. Teils bringt sie selbst aktiv neue Gedanken ein, teils reagiert sie auf Impulse der Lehrperson bzw. der anderen Kinder. Ihre Vorstellungen scheinen im Fluss zu sein, sie ist am Ausprobieren, legt sich noch nicht fest, zeigt aber die Richtung in die sich ihr Denken entwickelt. 7.1.2.2.2 Prozesse der Ko-Konstruktion Sohn Gottes oder Kind Josefs? Gerade dieser schon einmal aufgegriffene theologische Aspekt zeigt Prozesse der Ko-Konstruktion. Nachdem Linnea die Möglichkeit, dass Jesus irgendwie bei-

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

des, nämlich Gottes sowie Josefs Sohn, sein kann, aufgebracht hat, denken mindestens drei Schülerinnen und Schüler daran weiter. Vic: Der Mann von der Maria, der ist ja auch der Vater von Jesus, deswegen auch Gott und Jesus. […]Weil der Mann, der Mann von der Maria ist ja auch der Vater von Jesus und Gott auch. Mirjam (sitzt zunächst auf Positionsstuhl Gottes Sohn): Weil, weil Jesus heilig ist (erklärt ›heilig‹ auf Nachfrage mit ›besonders‹). (sitzt später auf Positionsstuhl Gottes und Josefs Sohn, reagiert auf L.impuls zu überlegen, inwieweit Josef auch der Vater von Jesus gewesen ist) Der ist bei Josef aufgewachsen.

Das ist insofern erstaunlich, als es sich doch um eine ziemlich komplexe, fast paradox anmutende Überlegung handelt, die in der Literatur zuvor eher Viertklässlern zugeordnet wurde.890 Festzustellen ist aber auch, dass mehrere Schülerinnen und Schüler sich an diesem kurzen Gespräch nicht beteiligen oder wie in einem Fall, direkt ihr Unwissen äußern. Eventuell ist ihnen die Thematik doch zu komplex. Jonas: Des weiß ich nicht.

7.1.3 Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun? 7.1.3.1 Gesprächsprotokoll »Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun?« – 2. Klasse L Linnea Timo L L Michael L Michael L Elena L

Wie ihr sehen könnt, hab ich euch etwas mitgebracht. Oh, ein Geschenk. Wer hat Geburtstag. Hattest du Geburtstag? Und ich wollte gerne von euch wissen: Was haben eigentlich Geschenke mit Weihnachten zu tun? Michael, was denkst du? Äh, dass Jesus geboren ist? Ähm, das ist prinzipiell eine Antwort, die fast immer irgendwie passt im Reliunterricht, aber was genau hat das mit Geschenken zu tun? Dass die Heiligen Drei Könige dem Jesuskind Geschenke gebracht haben. Okay, der Michael kennt eine Geschichte dazu. Weil sie untern Baum kommen? Mhm, auch richtig.

890 Vgl. die Studien von Kraft/Roose in Abenteuer Christologie. Demnach ist Vierklässlern klar, dass mit Gottes Vaterschaft etwas anderes gemeint sein muss als mit der Vaterschaft Josefs, vgl. ebd, 86. Einige können formulieren, dass Jesus zwei Eltern hatte, was laut Kraft/ Roose ansatzweise ein Denken in Paradoxien zeigt, vgl. ebd. 87.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung

Ähm, ich wollte des Gleiche wie Michael sagen Okay. Du kennst also auch die Geschichte. Auf die kommen wir nachher noch mal zurück. Linnea Ähm, ich, meine Uroma, hat so en Bild, da hat Jesus grade jemand was geschenkt. L Wer hat nämlich was geschenkt? Linnea Jesus hat nem Kind ne Mandarine geschenkt. L Was, der Jesus dem Kind oder das Kind dem Jesus? (L. denkt an Bilder von Hirtenjungen, die dem Jesuskind etwas schenken). Linnea Der Jesus dem Kind. L Als er ein Baby war? Linnea Nein. Als er schon größer war. L Als er schon größer war. Okay. Also. Mhm. Aber jetzt wollen wir grad wissen, was es mit Weihnachten zu tun hat und an Weihnachten feiern wir, wie Jesus noch ein Baby ist. Okay. Mirjam Weil ähm, der Jesus hat den Menschen ja auch geschenkt, dass se, wenn sie zum Beispiel krank waren, gesund wurden. L Ah, okay. Des ist was ganz Neues, was die Mirjam gesagt hat. Nicht nur der Jesus hat Geschenke bekommen, wie der Michael und der Jonas wussten, sondern der hat ihnen auch Geschenke gemacht. Können wir nachher auch noch mal dran weiterdenken. Ist auch ein ganz guter Gedanke. Mareike Weil Jesus, Jesus ist ja, der Jesus ist ja Gottes Sohn und dann hat der Gott auch den Kindern ein Geschenk gemacht mit den Geschenken. L Erklär das noch mal genauer. Ich mein, ich weiß, was du meinst, aber erklär’s noch mal ein bisschen genauer für die anderen. Mareike Ähm, weil Jesus ist Gottes Sohn und dass Gott dann auch den Kindern ein Geschenk macht mit Geschenken. L Den anderen Kindern? Mareike Ja. L Dass deswegen die anderen Kinder, also ihr alle, auch Geschenke bekommt? Weil das Jesuskind auch Geschenke bekommt oder wie meinst du’s? Mareike Nickt. L Also, das Jesuskind bekam Geschenke und alle anderen Kinder sollen deswegen auch Geschenke bekommen. Florian Der Jesus, der hat den Menschen auch Geschenke gemacht, weil er die geheilt hat. L Mhm. Da hast du gut aufgepasst, was Mirjam gesagt hat. Genau. Julia Da wollen die Eltern zeigen, dass sie die Kinder lieb haben und den dann ne Freude machen und ihnen Geschenke … L Mhm. Geschenke haben auch mit anderen Freude machen zu tun. Genau. Auch ein ganz wichtiger Gedanke. Den hatten wir so noch nicht. Christopher Es gibt deswegen jetzt den Weihnachtsmann, weil die Heiligen Drei Könige nicht jedes Jahr mit schweren Säcken von Haus zu Haus mit ihren Kamelen reiten können.

Jonas L

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung Außerdem hier in Deutschland gibt’s sowieso keine Kamele. Mhm. Hier gibt’s gar keine Kamele. Mhm. Genau. Okay. Wer kann denn ein bisschen was erzählen aus der Geschichte, die der Michael angesprochen hat mit den Heiligen Drei Königen. Der Jonas hat gesagt, er kennt sie. Der Christopher hat bisschen was gewusst. Kriegen wir die Geschichte zusammen? Michael Ja. L Wenn wir alle zusammentragen. Könnt ihr die Geschichte erzählen von den Heiligen Drei Königen? Wer kann ein bisschen was dazu beitragen. Und die anderen hören zu, dann haben sie sie schon kennengelernt. Vic Die – ähm – Heiligen Drei Könige (ja) waren Sterndeuter. L Mhm. Ganz genau. Vic Und dann ham die den Stern entdeckt und sind dem halt gefolgt. Also nicht gefolgt, also da lang, wo der war. L Genau. Richtig. Und dann? Wer erzählt weiter? Florian Und Hirten ham ham auch den großen Stern gesehen und sind auch zu dem – Scheune gegangen. L Sind auch zu dem Stall gegangen? Die Hirten sind auf jeden Fall zu dem Stall gegangen. Die aber – so wird in der Bibel erzählt – weil sie die Engel gehört haben. Zu denen sind ja die Engel gekommen. Den Stern aber, den haben die Sterndeuter entdeckt. Florian Aha. Michael Und dann haben und dann haben, sind die in den Palast von Herodes gegangen und ham gefragt, ob da ein neugeborener König ist. L Ah. Und war da einer? Michael Nein. L Nö. Wo war er nämlich? Michael Im Stall. L Genau. Des wird noch ganz wichtig sein. Nächste Woche werden wir uns über des noch mal unterhalten, was der Michael jetzt gesagt hat. Merk’s dir und sag’s dann nochmal. […] An dieser Stelle Gesprächsausschnitt Herodes Teil a)891 Christopher Die Sterndeuter sind dann weiter geritten (mhm), ham dann über Nacht gewartet, dann ham se den Stern gesehen (mhm) und dann L Und dann? [sehr ausführlich zu Film Marias kleiner Esel – Wortwechsel…] Lotta Die ham, die Sterndeuter ham dem dem Jesuskind Milch und Decken, dass er, dass man, dass er, dass er’s nicht so kalt ihm ist. L Ja, des ham eher die Hirten mitgebracht. Des ham die Hirten mitgebracht und was ham die Sterndeuter mitgebracht? Elena Diese, ähm, ähm, Silb… Gold L Mhm. Richtig. Jonas, was noch?

Vic L

891 Vgl. Kapitel 7.1.5.1.

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Fortsetzung Jonas L Vic L Vic L Michael L Michael L

Michael L Michael L Michael L Michael L Michael L Michael L

Michelle L Linnea L Linnea L Florian L Florian L

Mirjam

Äh Dann hör gut zu und pass gut auf. Vic, was ham sie noch mitgebracht Ruß? Nee. Nee. Irgendwas mit Myrrhe. Genau. Gold, Myrrhe und Weihrauch. Das sind die Geschenke, Ich wollte noch was sagen Die Geschenke, die sie mitgebracht haben. Ja. Warte ganz kurz, bis die zwei wieder drin sind, bis es wieder leise ist. Und dann konzentrieren wir uns alle auf das, was der Michael sagen möchte. So. Achtung. Konzentration. Die drei Sterndeuter waren auch Geschenke von Gott. Wer war auch Geschenke von Gott? Die drei Sterndeuter. Die was? Die Drei Heiligen Könige. Die waren Geschenke von Gott? Ja. Erzähl mal. Die sind ja von, die sind ja geboren, und Gott hat die ja gemacht. Ah, weil sie geboren sind. Ja. Genau. Gott ist eh ein ganz guter Stichpunkt. Ich wollte euch fragen, ähm, was ist denn das allergrößte Geschenk an Weihnachten und wer schenkt denn das allergrößte Geschenk an Weihnachten. Was denkt ihr denn? Wer schenkt das allergrößte Geschenk an Weihnachten. Was denkt ihr? Michelle, hast du ne Idee? – Was könnte das allergrößte Geschenk sein? Gott und Jesus? Ja was Gott und Jesus? Wer, wer was? Ja, dass Jesus größtes Geschenk schenkt indem Kinder erschaffen Aha. Ja, denkt noch ein bisschen weiter. Florian, was denkst du? Jesus wurde geboren. Des ist des größte Geschenk? (ja) Wer macht des größte Geschenk? Gott (flüstert) Gott macht uns des größte Geschenk, sagt Florian. Wer kann dazu was sagen? Gott macht des größte Geschenk. Und des größte Geschenk ist Jesus. Wer hat dazu ne Idee? […] Der, der Gott hat uns zum Beispiel geschenkt, dass Jesus gekommen ist.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L

Michael L Vic L

Florian L Florian L Florian L Vic L Michael L Mia L Sophia L Michael L Viele L Michael L Michael

Richtig. Und was ist daran so ein großes Geschenk, dass Jesus gekommen ist? Ist das ein Geschenk? Da können wir jetzt ganz wichtig an dem weiterdenken, was die Mirjam vorher gesagt hat und was der Florian dann gleich aufgegriffen hat. Was hat denn der Jesus gemacht, als er groß war? H- Die Gelehrten verblüfft. Zum Beispiel – h – (die Lehrperson ist ebenfalls verblüfft)- die Gelehrten verblüfft, weil er so viel sagen konnte Was heißt des? Er hat alle, die dachten, sie wissen ganz viel von Gott, verblüfft (Vic: Was?), weil er irgendwie noch viel mehr wusste von Gott. Die hat er überrascht, verblüfft. Alle, die dachten, sie wissen ganz viel von Gott, die hat er überrascht. Was hat er noch gemacht. Florian, was wolltest du vorher sagen Eigentlich wollt ich sagen, dass…. Sag mal, was du vorhin gesagt hast. Er hat die Menschen … Erschaffen? Mhm. Er hat … Geheilt. Geheilt hat er zum Beispiel die Menschen. Was hat er denn noch gemacht? Na was hat Jesus noch gemacht als er groß war? Aber hallo, Vic Ähm, er hat den Menschen geholfen. Richtig. Genau. Der hat sich taufen lassen und den Fischern geholfen, damit sie mehr Fische kriegen. Super. Genau. […]. Mia, was hat er noch gemacht. Und dass der immer den Kindern ähm Geschichten erzählt. Richtig. Er hat Geschichten von Gott erzählt, den Kindern und den Menschen. Die Kinder hat er auch besonders gern gehabt, gell? Dass der den Erwachsenen Geschichten erzählt hat und die wollten nicht, dass ähm die Kinder mitkommen und dann hat Jesus des mitgekriegt und gesagt, dass sie kommen sollen. Genau. Genau. Okay. Und er hat ganz viele Wanderungen gemacht mit seinen Jüngern. Genau. Ist durchs Land gezogen und hat ganz viele Menschen getroffen. Mensch, ihr wisst ja ganz arg viel. Und ist des gut für uns Menschen, dass Jesus gekommen ist. Ja. Ha. Ich will noch was sagen. Warum ist des gut, dass er gekommen ist, warum ist des so ein tolles Geschenk? […] Und Jesus hat für uns sein Leben gegeben.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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7.1.3.2 Interpretationsversuche Bereits im vorigen Kapitel wurde die Komplexität der Weihnachtsthematik konstatiert, die Überschneidung biblisch-theologischer Aspekte mit Aspekten des religiösen bzw. kulturellen Brauchtums sowie kommerzielle Erfahrungshintergründe. In der zweiten Klasse steigert sich die Komplexität der Gedankengänge zum Thema Geschenke an Weihnachten 7.1.3.2.1 Säkulare und kulturell bedingte Aspekte des Schenkens Relativ am Anfang des Gesprächs taucht ein Schenkaspekt auf, der entweder dem Brauchtum – im Sinne eines kulturell gefestigten Weihnachtsskripts – oder dem Kommerz (bedingt auch durch Werbung) zuzuschreiben ist. Elena: Weil sie [die Geschenke] unter den Baum kommen.

Eine weitere säkulare Erklärung, die jedoch gerade dem Kommerz entgegensteht bietet wenig später ein anderes Kind Julia: Da wollen die Eltern zeigen, dass sie die Kinder lieb haben und den dann ne Freude machen und ihnen Geschenke.

7.1.3.2.2 Biblischer Aspekt des Schenkens – Die Sterndeuter bringen Geschenke Im Gegensatz zu dem kurzen Gesprächsausschnitt der ersten Klasse kommt das biblische Wissen um die Sterndeuter mit den Geschenken nun sofort zum Ausdruck, eingebracht von einem Schüler mit hohem biblischem Vorwissen. Michael: Dass die Heiligen Drei Könige dem Jesuskind Geschenke gebracht haben.

Allerdings wird es nicht sofort aufgegriffen, wirkt an dieser Stelle nicht als Impuls zur Ko-Konstruktion. Später wird die Erzählung der Sterndeuter dann allerdings doch noch von mehreren Schülerinnen und Schülern einbezogen und von mehreren erzählt. Dabei zeigt sich, dass Halbwissen in Klammern und Vorwissen aufeinandertreffen – Drei Könige waren Sterndeuter – Folgen dem Stern – (Hirten haben den Stern auch gesehen und sind zur Scheune gegangen) – Suchen den neugeborenen König im Palast des Herodes, aber er ist im Stall – Herodes war gemein, wollte nicht, dass ein anderer König geboren wurde – Herodes wollte König bleiben – Geschichte der Sterndeuter steht in der Bibel – (Herodes hat zu den Hirten gesagt, sie sollen ihm den König bringen, er wollte ihn tot machen) – (Filmsequenz mit unsichtbarem Engel, den der Esel sieht, als Schutz vor Herodes)

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

– (Sterndeuter bringen dem Kind Milch und Decken) – Sterndeuter bringen Gold, Myrrhe, Weihrauch Interessant ist, dass die Erzählung zwar vom ersten Schüler mit Blick auf das Schenken eingeführt wird, im Folgenden jedoch der Gesamtzusammenhang der Erzählung dominiert. Der Erzählfluss führt zunächst dazu, dass die Frage des Aspekts des Schenkens zurückgedrängt wird. Die Geschenke tauchen erst am Ende wieder auf, das entspricht der Struktur der biblischen Erzählung. 7.1.3.2.3 Theologischer Aspekt des Schenkens – Jesus als Geschenk Gottes Interessanterweise wirkt ein weiterer Aspekt – mit dem die Lehrkraft an dieser Stelle des Gesprächs noch nicht rechnet – als Auslöser für ein ko-konstruktives Gespräch. Mehrere andere Kinder greifen den Gedanken auf und führen ihn weiter, obwohl zunächst nicht ganz klar ist, was gemeint ist. Linnea: […] Meine Uroma hat so en Bild, da hat Jesus grade jemand was geschenkt. […] Mirjam: Weil, ähm, der Jesus hat den Menschen ja auch geschenkt, dass se, wenn sie zum Beispiel krank waren, gesund wurden. […] Florian: Der Jesus, der hat den Menschen auch Geschenke gemacht, weil er die geheilt hat.

Auf die konkrete Impulsfrage, was das allergrößte Geschenk sein könnte, kreisen die Schülerinnen und Schüler sehr schnell Jesus ein. Linnea: Gott und Jesus? Florian:Jesus wurde geboren. L: Des ist des größte Geschenk? Wer macht des größte Geschenk? Florian: Gott. […] Mirjam: Der Gott hat uns zum Beispiel geschenkt, dass Jesus auf die Welt gekommen

Im Folgenden konstruieren die Schülerinnen und Schüler diesen Gedanken weiter. Die Lehrperson regt noch einmal an, darüber nachzudenken, was Jesus gemacht hat als er groß war und inwiefern das ein Geschenk ist. Sie regt speziell noch einmal dazu an, die beiden Aussagen der Kinder vom Anfang weiterzudenken, s. o. Daraufhin zählen die Schülerinnen und Schüler folgende Ereignisse aus dem Leben des erwachsenen Jesu auf: – Jesus hat die Gelehrten verblüfft – Jesus hat geheilt – Jesus hat Menschen geholfen – Jesus hat sich taufen lassen und den Fischern geholfen, mehr Fische zu kriegen

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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– Jesus hat den Kindern immer Geschichten erzählt – Jesus hat den Erwachsenen Geschichten erzählt, die nicht wollten, dass die Kinder mitkommen und Jesus hat gesagt, dass sie kommen sollen, als er es mitgekriegt hat – Jesus hat viele Wanderungen mit seinen Jüngern gemacht – Jesus hat für uns sein Leben gegeben. Erstaunlich ist dabei, wie vielfältig die genannten biblischen Bezüge zum erwachsenen Jesus sind. Das Vorwissen der Kinder ist mittlerweile – Klasse 2 – erheblich angestiegen. Vielen gelingt es einen Verknüpfung zwischen einem theologischen Gedanken und biblischem Wissen herzustellen. Erstaunlich ist aber auch wie gut es den doch noch recht jungen Schülerinnen und Schülern gelingt, so von den üblichen Weihnachtsgeschenken für sich selbst zu abstrahieren, den theologischen Gedankengang über den naheliegenden zu stellen. 7.1.3.2.4 Weihnachtsfiguren Fast an den Rand gedrängt sind im Gespräch der zweiten Klasse die kulturell bedingten Weihnachtsfiguren. Das Christkind findet im Zusammenhang mit den Weihnachtsgeschenken keine Erwähnung mehr. So sticht eine Einzeläußerung heraus, die pointiert vorgetragen wird und eine Reminiszenz auf den Kinderglauben darstellt, obwohl sie die biblische Erzählung der Sterndeuter mit einbezieht. Christopher : Es gibt deswegen jetzt den Weihnachtsmann, weil die Heiligen Drei Könige nicht jedes Jahr mit Bergen Säcken von Haus zu Haus mit ihren Kamelen reiten können.

7.1.3.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis des theologischen Gesprächs Eine im Anschluss an das theologische Gespräch zu bearbeitende Aufgabe zur Thematik ›Das größte Weihnachtsgeschenk‹ gibt Aufschluss über die Konstruktionsleistungen der Schülerinnen und Schüler. Diese werden aufgefordert zu beschreiben, wie sie die Aussage ›Das allergrößte Geschenk an Weihnachten ist Jesus‹ selbst verstehen. Die 16 vorliegenden bearbeiteten Aufgaben können folgenden Kategorien zugeordnet werden: Argumentation mit biblischem Wissen – Dass er (Jesus) alle geheilt hat. Weil er den Kindern Geschichten erzählt hat. – Jesus heilt andere Menschen, Gott schenkt uns Jesus. – Weil er Menschen geheilt hat

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

– Weil Jesus die Menschen geheilt hat und den Menschen Geschichten erzählt hat. – Weil Jesus den Menschen auch Geschenke gemacht hat. Er hat die Menschen gesund gemacht und er hat den Kindern Geschichten über Gott erzählt. – Jesus hilft den Menschen und er ist gestorben, aber er ist wieder auferstanden. Der Gott hat uns Jesus geschenkt. Argumentation mit Jesu generellem Charakter – Jesus hat so viel Gutes getan. Deswegen ist er das größte Geschenk. Gott hat uns dieses Geschenk gebracht. – Weil Jesus ist heilig und er ist ein guter Mann. – Gott schenkt den Menschen Jesus und Jesus ist ein guter Mensch. Argumentation aus persönlicher Sicht – persönliche Relevanz – Jesus hilf uns, Jesus ist für uns da. Gott hat uns Menschen Jesus geschenkt. – Jesus schenkt uns Jesus, weil Jesus Retter werden soll. Jesus schenkt uns viel Freude und Glück – Jesus ist ein Geschenk von Gott und Jesus schenkt uns Gesundheit Argumentation auf der Basis des Kinderglaubens oder mit Anteilen aus dem Kinderglauben – Er (Jesus) macht Geschenke. – Dass Jesus geboren wird und Gott schenkt ihn uns und Jesus schenkt uns Geschenke. – Jesus ist der Sohn von Gott. Gott hat den Kindern Geschenke gemacht, weil sein Sohn geboren ist. – Dass Gott allen Geschenke macht. 7.1.4 Jesus als König 7.1.4.1 Gesprächsprotokoll »Jesus als König?« 2. Klasse L

Vic Michael L Michael Mirjam L

[kurze Gesprächsphase über Kinderbibeln] So, die Vic hat gleich was festgestellt, vorhin. Was hat denn die Vic gerade vorhin gleich gesagt zu dem, was bei uns in der Mitte steht heute. Da fehlen, da fehlt ein König von den dreien. Hhh, ich weiß auch warum . Das ist ja seltsam. Wem ist es noch aufgefallen? (Einige melden sich) Hhh. Ich weiß warum. Weil der dritte König is Jesus. Hm, Mirjam sagt, der dritte König ist Jesus

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Fortsetzung Jonas L ? ? Elena Noah L ? Sophia L Elena? Vic? L Viele (laut) L Einige L Timo L ? L Lotta L Jonas L Mehrere L Jonas Michael Julia Jonas L

Ja, aber da sind doch drei, Guck, des sieht man hier auch. Des sind drei. Nicht nur zwei. (zeigt 1. König, 2. König, Maria) Vic sagt, des sollten trotzdem drei kommen. Was denken die andern? Der eine steht draußen. Des ist komisch ja. Es heißt doch auch die heiligen drei Könige Des sind doch drei, 1,2,3 (zählt 1. König, 2. König, Maria) Des ist kein König, des ist Maria (schreit fast) Des ist richtig, das ist Maria, die da so sitzt, das ist Maria. In der Mitte ist das Kind in der Krippe und ein König steht und ein König kniet. Das sind tatsächlich hier nur zwei Könige. Sieht man ja die Krone (bezogen auf die zwei Könige) Der Josef fehlt auch. Der Josef fehlt auch, stimmt. Weil es heute um die Könige geht. Und die Tiere fehlen auch. Ja, genau. Mhm. Aber sollte noch ein König mehr da sein – ja oder nein? Ja. Oder ist der dritte König tatsächlich das Jesuskind? Ja. Was ja? Jetzt sagt ihr bei beidem ja, aber des schließt sich doch eigentlich aus. Was denn nun? Es heißt doch auch die Heiligen drei Könige Es heißt, sagt der Timo, die Heiligen drei Könige Aber Jesus ist der dritte König. Jetzt … Jesus ist der vierte König. Jesus ist der vierte König, sagt die Lotta. Aha. Jonas, was denkst du? Jesus ist der fünfte König. Wieso der fünfte? Es heißt doch die Heiligen drei Könige. Moment, der Jonas ist dran. Wegen dem anderen. Herodes? (ganz leise) König Augustus Ja. Wegen dem König Herodes. Und dann sagt die Julia grad noch König Augustus, den Kaiser Augustus gab’s auch noch. Ha, das ist aber eine Verwirrung. So viele Könige gab’s damals. (Viele melden sich sehr engagiert.) Jetzt ist die Linnea dran. Psst. Aber nein, nein wir warten. Und erst wenn’s ganz leise ist, kann die Linnea was sagen. Und wer sich meldet, meldet sich bitte – Timo – ohne Geräusche.

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Fortsetzung Linnea L Timo Vic Florian L Florian L Florian L

Florian L Florian L Michael L Michael L Michael Vic L Michael L Linnea

Jesus ist der sechste, weil es gibt auch noch Gott. Mhm. Okay. Des passt nicht. Des passt ja nicht. Es heißt ja die Heiligen Drei Könige. Des passt ja nicht, die heiligen zwei Könige. Und auch nicht die Heiligen vier, nicht die fünf und nicht die sechs. Die Heiligen drei, äh, Jesus ist der erste König. (?: Nein.) Der Florian sagt, der erste. Warum? Weil, weil Jesus den Leuten helfen kann, die anderen drei Könige nicht. Du meinst mit erster vielleicht der wichtigste König? Ja. Au. Des ist aber ein ganz interessanter Gedanke. Aha. Der Florian sagt, weil wir gerade aufzählen, au, Jesus könnte vielleicht der vierte oder fünfte oder sechste König sein, sagt ne, er glaubt, er ist der erste König, weil er ist wichtiger und bedeutender und er hat sogar schon erklärt, warum. Sag’s noch mal warum? Weil… Weil er den Leuten geholfen hat. Weil er ihnen geholfen, genau. Geheilt. Des find ich nen ganz guten Gedanken. Wer dazu nachher noch was sagen will, kann des gerne tun. Jetzt ist aber erst noch der Michael dran. Äh, des sind doch viel mehr Sterndeuter. Also. (bezieht sich auf das Buch, das er mitgebracht hat) Zeig’s mal. Sind des Sterndeuter in deinem Buch oder sind des andere Leute? Des sind viel mehr Sterndeuter. Alle mit diesen Fernrohren sind Sterndeuter. Okay. In Michaels Bibel sind offenbar viele Sterndeuter gemalt (zählt) 6 – 7 Aber vielleicht sind da nur drei losgegangen. Hm. Ja, weil die ham ja den Stern entdeckt. Was denkst du Linnea Ich wollt grad nichts dazu sagen.

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Fortsetzung L

Ne, dann warte ganz kurz. Also, des ist tatsächlich so – wir sprechen eigentlich, da hat der Timo ganz recht. Eigentlich sprechen wir von den Heiligen Drei Königen. Das hat sich irgendwie im Lauf der Jahre so eingebürgert, dass man sagt, es kommen die Heiligen Drei Könige. Aber in der Bibel steht tatsächlich gar nicht drin, wie viele es waren. Es könnten also genauso gut zwei gewesen sein – wie hier bei mir – es könnten aber auch genauso gut sieben gewesen sein, wie in der Bibel vom Michael drin steht. Und es stimmt auch, was – wer hat es vorher gesagt – dass es auch den König Herodes damals gab. Der kommt heute in der Geschichte vor. Und es gab damals auch den Kaiser Augustus. Die wollten beide aber nicht in echt das Kind besuchen. Und – was der Florian gesagt hat – find ich ganz besonders wichtig. Wenn wir schon aufzählen, wie viele Könige es gibt, dann glaub ich auch, dass Jesus der wichtigste König ist. Wer dazu noch was sagen will, kann des gerne tun. Lotta Ich hab ’ne CD, wo Jesus geboren ist und wo auch der Kaiser Augustus mit da ist, wo der dem sein, wo der Mann so gesprochen … L Ja, der Kaiser Augustus hat nur gesagt, ich will alle Menschen in meinem Reich zählen. Was genau da in Bethlehem passiert ist, hat der gar nicht mitgekriegt, der war zu weit weg. Michael Aber eigentlich haben die auch ihre Namen später bekommen die Heiligen Drei Könige – - da stehen die ja gar nicht früher. L Genau. Es hat sich so eingebürgert, dass wir denen die Namen gegeben haben. Aber ganz am Anfang in der Bibel stand des nicht drin. Da standen nur die Weisen aus dem Morgenland oder die Sterndeuter, die haben den Stern gesehen. Die Vic meldet sich schon ganz lange. Vic Ähm, letztes Jahr an Heilig Abend, da ham wir so fernsehn geguckt. Da war auch das, die Jesusgeschichte und da waren aber auch nur drei Könige. L Genau. Wir sprechen heute eigentlich immer von den drei Königen, deswegen überrascht’s uns auch, dass ich nur zwei hingestellt hab. Des hab ich absichtlich gemacht, weil ich euch zeigen wollte, dass es ganz ursprünglich in der Bibel so nicht drinstand. Aber des ist okay. Alle sagen heutzutage die drei Könige und wir sagen auch die drei Könige, dabei waren sie ja eigentlich von Beruf Sterndeuter. Gell? Jetzt ist die Franziska dran. Franziska Und warum fehlt der Esel? L Weil heute die Geschichte von den Heiligen Drei Königen, von den Sterndeutern dran ist. Mirjam In Spanien da kommt nicht der Weihnachtsmann. Da kommt auch nicht das Christkind, da kommen die Heiligen Drei Könige. L Da feiern die des viel wichtiger noch als bei uns mit den Heiligen Drei Königen. […] Herodes Gesprächsprotokoll b) folgt892

892 Vgl. Kapitel 7.1.5.1.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

7.1.4.2 Interpretationsversuche 7.1.4.2.1 Umgang mit Vorwissen Unter den Schülerinnen und Schülern entsteht spontan ein intensives Gespräch über die Könige. Angeregt wird es durch einen stummen Impuls im Bodenbild – 2 Könige und Maria. Für einige Kinder ist dies kein Problem. Sie wissen entweder nicht um die Bezeichnung ›Heilige Drei Könige‹, was eher auf wenig Vorwissen schließen lässt oder sie haben ein besonders großes Vorwissen und wissen demnach, dass in der Bibel keine Personenzahl genannt wird. Auch ist die Figur der Maria (Holzfigur) für einzelne Kinder offenbar nicht deutlich von den Königen zu unterscheiden, was zu Beginn zu Verwechslungen führt. 7.1.4.2.2 Prozesse der Ko-Konstruktion Folgende Ko-Konstruktionsprozesse lassen sich im Gespräch nachvollziehen. Auf die offensichtliche Feststellung, dass ein König fehlt, entspinnt sich eine rege Diskussion. Verschiedene Schülerinnen und Schüler bringen Lösungsvorschläge ein – Es sind doch drei [wird zu zwei verschiedenen Zeitpunkten von zwei Kindern gezählt, daraufhin von drittem Kind zu Recht verworfen: Ist doch Maria!] – Es heißt Drei Heilige Könige – Jesus ist der dritte König – Einer steht draußen – Andere Figuren fehlen auch (Josef, Tiere) Einen Ansatzpunkt zu weiteren Konstruktionsleistungen bietet offensichtlich die Aussage »Jesus ist der dritte König«. Sie wird von einem weiteren Kind nach einiger Zeit noch einmal aufgegriffen und andere Schülerinnen und Schüler denken daran weiter Timo: Es heißt doch auch die Heiligen Drei Könige Jesus ist der dritte König Lotta: Jesus ist der vierte König (vermutlich Drei heilige Könige + Jesus) Jonas: Jesus ist der fünfte König [..] wegen dem anderen

Zwei andere Schülerinnen und Schüler bieten daraufhin weiterführende Impulse an Michael: Herodes? Julia: König Augustus? Jonas: Ja (nicht klar, ob er Herodes oder Augustus gemeint hat) Linnea: Jesus ist der sechste, weil es gibt auch noch Gott.

Nachdem nunmehr sechs verschiedene Kinder einen Gedanken gemeinsam immer weiter ausgebaut haben, fordert ein anderer Schüler, der diesen Gedan-

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

237

kengang offenbar nicht mit nachvollziehen will, sein Recht, indem er auf die Ausgangssituation zurückverweist. Timo: Des passt nicht. Des passt ja nicht. Es heißt doch die Heiligen Drei Könige. Des passt ja nicht, die Heiligen Zwei Könige.

Ein weiterer Schüler dagegen ist offenbar den Gedankengängen seiner sechs Mitschüler gefolgt, stimmt ihnen aber inhaltlich nicht zu und pointiert anders: Florian: […] Jesus ist der erste König. L: […] Warum? Florian: Weil, weil Jesus den Leuten helfen kann, die anderen Könige nicht. […] Weil er den Leuten geholfen hat. [..] geheilt.

An dieser Stelle ist das Gespräch in erster Linie durch Konstruktionsleistungen von Schülerinnen und Schülern bereits in eine Richtung verlaufen, die der Thematik der Stunde »Jesus als neuer und ganz anderer König« bereits sehr nahe ist. Bevor dies jedoch weiter vertieft werden kann, wird noch die Wortmeldung eines Schülers berücksichtigt, die wiederum von der Thematik ablenkt. Er bringt biblisches Vorwissen893 ein, das von der theologischen Frage nach Jesu Königschaft entfernt Michael: Äh, des sind doch viel mehr Sterndeuter. […] Alle mit diesen Fernrohren sind Sterndeuter […] Eigentlich haben die auch ihren Namen später bekommen die Heiligen Drei Könige

Das Gespräch entwickelt sich daraufhin in Richtung auf die Klärung Könige als Sterndeuter weiter.

7.1.5 Herodes 7.1.5.1 Gesprächsprotokoll894 a) »Herodes Teil 1« Michael L Michael L Michael

Und dann haben und dann haben, sind die in den Palast von Herodes gegangen und ham gefragt, ob da ein neugeborener König ist. Ah. Und war da einer? Nein. Wo war er nämlich? Im Stall.

893 Der Schüler bezieht sich in erster Linie auf ein Buch mit der Erzählung der Sterndeuter, das er gerade an diesem Tag in der Schule dabeihat. Dies konnte auf der Basis teilnehmender Beobachtung vermerkt werden. 894 Es handelt sich hierbei um einen Gesprächsausschnitt aus einem längeren Gespräch zum Thema »Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun«, vgl. Kapitel 7.1.3. Dort wurde der Abschnitt zu Herodes ausgespart, um ihn an dieser Stelle aufzunehmen.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung Genau. Des wird noch ganz wichtig sein. Nächste Woche werden wir uns über des noch mal unterhalten, was der Michael jetzt gesagt hat. Sophia Und der Herodes, der war da ganz gemein. Der wollte des nicht, dass noch ein anderer König geboren wurde. L Ja, pass auf. Des erzählst du uns nächste Woche. Des ist nämlich prima. Da wollen wir es unbedingt wissen, nächste Woche. Okay. Michael Warum nicht diese? (geflüstert) Mirjam Der wollte König bleiben und dann – ähm – weiter weiß ich nicht. L Genau. Genau. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. […] L So, jetzt noch mal Michael. Der will noch was ganz dringendes sagen. Michael Da hinten is ne Bibel. L Richtig. Was kann man mit ner Bibel machen? Michael Äh, gucken, was da für Geschichten drinstehen. L Oh fantastisch. Und das wollen wir heute auch noch machen. Sehr gut. Eine von den Aufgaben heute ist nämlich, die Geschichte von den Heiligen Drei Königen zu finden in der Bibel. Der Michael hat also für heute ganz gute Ideen. Michael Ich hab die schon gefunden. L Super Michael. Dann darfst du sie vielleicht nachher aufschlagen und dann können sie die anderen schon entdecken. Das ist prima. Dann würdest du den anderen toll helfen. Klasse. Florian, was möchtest du so dringend sagen? Florian Der Herodes, der hat, der wollte, den ähm, der hat den Hirten gesagt, sie sollen ihm den König bringen. L Der hat des den Sterndeutern gesagt. Ja? Nicht den Hirten, den Sterndeutern. Florian? Ja. Und der wollte den tot machen. L Genau. Da musste sie ganz schnell flüchten. Aber des machen wir nächste Woche noch mal, denn heute soll es ja um die Geschenke gehen. Wer weiß noch mal jetzt etwas zu den Geschenken. Wie ging denn die Geschichte weiter? Wieso ham die, was hatten denn die Sterndeuter mit Geschenken zu tun?

L

Gesprächsprotokoll895 b) »Herodes Teil 2« Florian

Äh, der Herodes, der hat zu den Heiligen Drei Königen gesagt, sie sollen den Jesus bringen und er wollte den dann umbringen.

895 Es handelt sich hierbei um einen Gesprächsausschnitt, der in Zusammenhang mit dem Gespräch über Jesus als König entstanden ist. Es entspricht der Fortsetzung des Gesprächs zu den Königen, vgl. 7.1.4.1.

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Fortsetzung L

Sie sollten ihm verraten, wo sie ihn gefunden haben. Nicht mitbringen, sie sollten nur verraten, wo sie ihn gefunden haben. Und der hatte ganz große Angst vor dem Jesuskind, weil er nämlich irgendwie auch gemerkt hat, was du genau gesagt hast, des Jesuskind, des könnte ein wichtigerer König sein als ich – uah – und dann ist dem der Schreck schon ziemlich … Christopher Und der wollte auch, der wollte auch, dass er der höchste König ist. L Genau und er hat sofort gemerkt – au, des Jesuskind, des ist wichtiger als ich. […Textpassage, die nicht zu Herodes gehört …] Sophia Weil der König Herodes, der hat dann zu denen gesagt, dass er dann auch hingehen will und ihm huldigen und ihm Geschenke bringen und dann … L Der hat die angelogen. Heyeyey. Hören wir nachher auch … Wieso angelogen? L Des hören wir nachher. Der hat so getan, als würde er auch dem Jesuskind ein Geschenk bringen, des war aber gelogen. Das hören wir nachher in der Geschichte. Die Sophia kennt die schon ganz gut, gell. So, jetzt zum Abschluss noch mal der Florian und dann mach ich weiter Florian Der Herodes, der hat, wenn der hingegangen wär, der hätte Soldaten mitgenommen, die den Jesus umbringen sollten. Kurzes Zwischengespräch L – Linnea, nicht zum Thema L So. Der Herodes ist überhaupt derjenige, über den ich jetzt kurz mal mit euch sprechen möchte. (L. erzählt im Stile von Buck, siehe Unterrichtsdokumentation in 11.4)896 Jetzt stellen wir uns mal vor, wie der Herodes war. Der lebte da und war der König. Wenn der aus seinem Palast rauskam, dann meistens hoch zu Ross, also auf nem großen Pferd, auf nem ziemlich großen. Entweder auf nem ganz weißen, um zu zeigen, wie edel er ist oder auf nem ganz dunkelschwarzen, genau, weil… Und dann hat er immer einen langen purpurnen Mantel angehabt, Krone auf dem Kopf, so, weil er davon ausging, ich bin überhaupt der wichtigste hier im Land. Ja? Er hatte zwar den Kaiser Augustus, der war noch wichtiger, aber der war ja weit weg und bei ihm, da war er erst mal hier, bei den Leuten da war er der Wichtigste. Und wenn er kam drückten sich meistens die Leute schon uah in die Ecken, weil er kam natürlich mit ner Eskorte, also Soldaten vor ihm, Soldaten neben ihm, Soldaten hinter ihm und dann konnten eigentlich die Leute, die Menschen nur schnell zur Seite springen ja oder sie mussten sich bei irgendwelchen Paraden verneigen, ja, weil das wollte der Herodes gerne, dass alle ihm zeigten, dass er der König ist und so wichtig ist. Aber eine Sache konnte der Herodes nicht, wenn er durch die Straßen ritt und auf seinem Pferd saß und des war nämlich, er konnte viele Sachen gar nicht erkennen. Was konnte er denn nicht erkennen auf seinem Pferd, wenn er durch die Straßen ritt, was ein guter König aber erkennen sollte? Sophia Ich wollte was anderes sagen 896 Vgl. Buck, Kommt und spielt, 67. Vgl. zur Unterrichtsdokumentation 11.4.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Timo L

Franziska L Franziska Mareike L Florian L Julia Franziska L Franziska L Vic L

Noah L Noah Franziska L

Ne, jetzt möchte ich zu dem Punkt weitermachen. (L. dreht Plakat um) Kann das nicht lesen Der Timo sagt, er kann das nicht lesen. (? Klar, des kann sogar ich lesen – eher als unwahrscheinlich anzunehmen, da die Schrift bewusst so klein geschrieben ist, dass man sie nur lesen kann, wenn man sich hinunterbeugt.) Die anderen können das nicht lesen. Der Florian beugt sich hinunter. Halt, aber nicht alle runterbeugen, jetzt nicht alle runterbeugen. (Noah: Dann lies uns doch vor) Ein Kind, das ich aufrufe, darf eines vorlesen. Mirjam, setz dich wieder hin. Wer möchte sich hinunterbeugen und uns eines vorlesen? Des? Ja, lies des vor. (liest) Ich bin ein Zöllner. Keiner mag mich. Ich habe keine Freunde. Alle denken, ich arbeite mit den Römern zusammen. Wer will mein Freund sein. Das hat ich doch letztes Mal als Spielrolle. Des hatte doch die Mareike – sagt sie – als Spielrolle. Und hätte der Herodes des erkannt, deine Not? Hätte der dir geholfen? Was denkst du? Nein. Der Florian meint nein (viele: Nein) und du schüttelst den Kopf. Ich glaub auch, der hätte das nicht erkannt. Julia, lies du mal eins vor. Noah: Ich wollte lesen. (liest) Ich bin eine Mutter und habe zwei Kinder. Wir haben nicht genug zu essen. Meine Kinder haben Hunger. Wer gibt uns Brot? Des hab ich letztes Mal gehabt. Des hatte die Franziska – sagt sie – im Spiel. Und meinst du, der Herodes wäre von seinem hohen Schlachtross abgestiegen, um dir Brot zu geben? Schüttelt den Kopf. Franziska schüttelt den Kopf, nein. Franziska war doch die Maria. Des war ein anderes Spiel. Wir hatten zwei Spiele. Des war des mit den Kerzen, was ich jetzt meine. Gell, Franziska schüttelt den Kopf. Des hätte der Herodes nicht gemacht, der hätte nicht mal angehalten, gell? Wahrscheinlich hättest du deine Kinder noch nehmen müssen und sie vor den Pferdehufen in Sicherheit bringen müssen, gell, okay. (liest) Ich bin ein Hifte (L. korrigiert Hirte) Ich bin – des kann man nicht lesen, des ist ein v. Ich bin ein Hirte. Ich bin arm. Die Schafe gehören einem reichen Bau- Bauer. Viele Menschen beachten mich nicht. Hm. Und, Noah, was denkst du, hätte sich der Herodes um dich gekümmert? Ist der für dich ein König gewesen? Schüttelt den Kopf Wer hatte die Rolle? Wer hatte die Rolle? Julia, du? Ja, ich glaub auch, des war die Julia.

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Fortsetzung Nathalie L Nathalie L Mehrere L Viele L

Florian L Florian ? L

Viele Noah L Michael L

L Sophia L

(liest) Ich bin blind. Ich kann nicht sehen. Bitte hilf mir. Gib mir Brot. Ist niemand da, der mich heilen kann? Was denkst du Nathalie, hätte der Herodes für dich angehalten und dich geheilt? Schüttelt den Kopf. Mm. Hätte der’s gekonnt, hätte der dich heilen können? Ne, nö Du schüttelst den Kopf und viele sagen nein. Wer hat dich denn geheilt? (Einige: Jesus) Wer hat dich denn geheilt? Des haben wir nämlich schon gemacht – letztes Jahr – die Geschichte. Jesus, Jesus. Kannst du dich erinnern – Nathalie – an die Geschichte von dem Blinden. Der Jesus hat ihn tatsächlich geheilt, den Bartimäus. Also ist der Jesus der König, auf den du gewartet hast, gell? So, eins gibt’s noch. Welches? Äh. Des da. (liest) Ich bin gelähmt. Ich kann nicht laufen. Meine Freunde müssen mich überall hintragen. Wer kann mir helfen? Was ist das Gelähmt? Was Florian weiter vorgelesen hat. Er kann nicht laufen und seine Freunde müssen ihn überall hintragen. Des meint gelähmt. Und was denkt ihr, wer kann den Gelähmten heilen? Der Herodes oder der Jesus? Jesus, Jesus Des ist doch klar. Des ist doch klar, sagt der Noah. Jetzt darf der Michael noch was sagen. Der hat ganz dringend was Ich hab ein Bild von Herodes. Da ist ein Bild von Herodes? Au ja. Dann geh mal rum und zeig mal. Oh, wir sehen, das ist ein Mann, dem wichtig war, dass er ganz mächtig ist. Der hat sich schon so angezogen. Und sich auf seinen Thron gesetzt. Dem kann man ansehen (Noah: So hässlich?), dass er ein ganz wichtiger Mann sein wollte. Dem sieht man schon an, dass der bestimmt denkt (anderer Schüler : so hässlich), oje, wenn da ein anderer König ist, au Gefahr, Gefahr. So, wenn der Michael wieder sitzt, kann ich euch ne Geschichte erzählen. Pause – später geht es weiter – L. erzählt die Geschichte. Die Sterndeuter ham Diener gehabt. Des waren ganz wichtige Leute. Die hatten ihre ganze Dienerschaft dabei. So, deswegen sind da vielleicht auch mehrere Personen in dem Buch vom Michael. Wollten die Soldaten des Jesuskind töten oder nicht? Der Herodes hätte des vielleicht gewollt, weil der Herodes wollte alleine König bleiben (? Und die Soldaten?)aber es ist zum Glück ja gar nicht passiert.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung Sophia L

Und die Soldaten? Warum ist nichts passiert? Wer hat gut aufgepasst? Warum ist dem Jesus nichts passiert? Ähm, wir tragen einfach zusammen. Christopher, fang mal an. Christopher Weil ihnen im Traum ein Engel begegnet ist und der hat gesagt, sie sollen nicht mehr bei Herodes vorbeigehen. Und bei Franziska – beim Computerfilm – da sind die, da sind die dann, da wollten die jedes Haus durchsuchen und dann sind die dann woanders hingegangen und dann waren die nicht mehr in Nazareth und die hatten einen Hund und eine Katze und als der Hund und die Katze des dann gemerkt haben, haben die das ganze Haus ganz kaputt gemacht (L fragt nach: In dem Film oder was, dem ›Marias kleiner Esel‹?) Ja genau. Und dann ham die reingeguckt und dann ham die gesagt, ne, hier kann des nicht sein und dann hat Gott des Haus wieder okay gemacht und so ist dann Jesus größer geworden. L Okay. Allerdings ist das jetzt die Geschichte, die in dem Film erzählt wird. So ganz genau steht des nicht in der Bibel. Das ham die sich in dem Film ausgedacht. Sophia Wollen die Soldaten, was Herodes mag, oder wollen die des nicht? L Nein, die Soldaten müssen tun, was Herodes mag, selbst wenn sie es nicht wollen, weil des ja der König ist. Vic Warum fliehen sie dann nicht einfach? Elena Ähm, Meine Mutter hat gesagt, ich glaub irgendwie auch in der Bibel steht, dass irgendwo ein König will, dass alle Kinder getötet werden. Einige Alle Jungs. Ja – In ner anderen Geschichte – alle Jungs? L Des ist die Geschichte von den Ägyptern, von Mose – glaub ich – die du jetzt gerade erzählst. Lass mal die Elena erzählen. Sophia Ne, auch bei Jesus. Elena Weil, aber warum aber alle Kinder? Einzelne Ich weiß warum. L Ich glaub, dass des die Geschichte ist von dem, wo Mose gerettet wurde. Julia Ich hab die Geschichte in ner Bibel. L Du hast die Geschichte? Dann bringt die Julia sie nächste Stunde mit. Jetzt möchte ich noch kurz die Frage von der Linnea hören. (? Nächstes Mal sind aber Ferien.) Nach den Ferien. Linnea, was möchtest du sagen? Linnea Warum hauen, warum gehen die Soldaten nicht einfach weg? L Du meinst, die sollten einfach weggehen. Für die Soldaten war es in dem Fall einfach auch gut, dass sie es gar nicht machen mussten. Da hat Gott einfach auch für die Soldaten mitgedacht in dem Falle. Weil die Soldaten dann auch gar nicht in diese Zwickmühle kamen, was sie machen sollen, gell, weil da war ja Jesus gar nicht mehr da. L Und jetzt möchte ich gerne noch wissen. Sagt uns die Geschichte, die wir heute gemacht haben irgendwas darüber ob Jesus jetzt der Sohn von Gott oder der Sohn von Josef ist? Linnea Ich sag von beiden. Noah Von Maria und Gott.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung L Julia L Michael L Michael L ? L 2–3 Franziska L Franziska L Lotta

Linnea L Linnea

Also, die Linnea sagt, von beiden, also von Gott und von Josef und der Noah sagt der Sohn von Maria und Gott. Was denkt ihr? Von Maria. Von Maria auf jeden Fall. Okay. Des ist schon mal gut. Von Gott nur. Nur von Gott Die können ja vielleicht noch nicht verheiratet sein. Okay. Aber man muss nicht immer verheiratet sein, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Nein, meine Mutter war auch nicht. Auch heute gibt es viele Kinder, die auf die Welt kommen, und Mama und Papa sind nicht verheiratet. Die können trotzdem Kinder auf die Welt bringen. Meine auch nicht. Franziska, was denkst du? Josef ist der Vater. Warum denkst du, dass Josef der Vater ist? (Unruhe) Wir hören der Franziska zu. Weil die immer zusammen waren. Weil die immer zusammen waren. Genau. Was denkst du, Lotta. Ich denk gar nichts. Ich bin davor, wo Mama und Papa geheiratet haben bin ich davor geboren. (L:Okay. Das ist ein Beispiel) Und die Hochzeit war, wo ich meine Taufe hatte. L: Ah beides gleichzeitig. Dann warst du im weißen Kleid und die Mama im weißen Kleid? Lotta : Ne, ein ??? ich hatte ein weißes. L: Ich möchte noch gern wissen, was die Linnea denkt. Ich glaub beide, hab ich doch gesagt. Ja, dann sag’s mal, erklär’s mal. Weil Gott gemacht hat, dass Josef ? geboren wurde und weil Maria ihn geboren hat.

7.1.5.2 Interpretationsversuche 7.1.5.2.1 Umgang mit Vorwissen Auf der Basis langjähriger eigener Unterrichtserfahrung ist das Einbringen von Vorwissen über König Herodes durch einzelne Kinder als typisch einzuordnen. Deswegen können die betreffenden Gesprächsausschnitte als exemplarisch betrachtet werden. »Meist führt dies dazu, dass einige andere Kinder, die davon bislang nichts wussten, mit ängstlichen Nachfragen reagieren.«897 Es zeigt sich, dass die Thematik, wenn sie aufkommt, nicht vertagt oder 897 Benz, Weihnachten. In: Büttner u. a.: Handbuch Theologisieren, 505 – 512.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

verdrängt werden kann, auch wenn dies manchmal dem Wunsch der Lehrenden entspräche, weil der Umgang mit dieser Erzählung meist schwierig ist. Ein Beispiel dafür ist Gesprächsprotokoll a). Die Lehrperson versucht – wider besseren Wissens – das Thema in die nächste Stunde zu vertagen, in der sie es progressiv aufgreifen will, um in dieser Stunde den roten Faden des Aspekts des Schenkens nicht zu verlieren. Teilweise geht sie darauf ein, vor allem um Dinge klarzustellen, die für den Gesamtzusammenhang der Erzählung notwendig sind. Michael: Und dann haben und dann haben, sind die in den Palast von Herodes gegangen und ham gefragt, ob da ein neugeborener König ist L: Ah. Und war da einer? Michael: Nein. L: Wo war er nämlich? Michael: Im Stall. L: Genau. Des wird noch ganz wichtig sein. Nächste Woche werden wir uns über des noch mal unterhalten, was der Michael jetzt gesagt hat. Sophia: Und der Herodes, der war da ganz gemein. Der wollte des nicht, dass noch ein anderer König geboren wurde. L: Ja, pass auf. Des erzählst du uns nächste Woche. Des ist nämlich prima. Da wollen wir es unbedingt wissen, nächste Woche Michael (flüstert): Warum nicht diese? Mirjam: Der wollte König bleiben und dann – ähm – weiter weiß ich nicht. [….] – Gespräch dreht sich um Erzählung der Sterndeuter in der Bibel Florian: Der Herodes, der hat, der wollte, den Hirten gesagt, sie sollen ihm den König bringen L: Der hat des den Sterndeutern gesagt. Ja? Nicht den Hirten, den Sterndeutern Florian: Ja. Und der wollte den tot machen. L: Genau. Da mussten sie ganz schnell flüchten. Aber des machen wir nächste Woche noch mal, denn heute soll es ja um die Geschenke gehen. Wer weiß noch mal jetzt etwas zu den Geschenken. Wie ging denn die Geschichte weiter? Wieso ham die, was hatten denn die Sterndeuter mit Geschenken zu tun?

Gesprächsprotokoll b) setzt inhaltlich genau da an, wo Gesprächsprotokoll a) endet. Derselbe Schüler mit fast denselben Worten: Florian: Äh, der Herodes, der hat zu den Heiligen Drei Königen gesagt, sie sollen den Jesus bringen und er wollte den dann umbringen.

Das erstaunt aus zwei Gründen. Erstens gelingt es der Lehrkraft nach dem ersten Gespräch noch, die Thematik des Schenkens wieder in den Fokus der Schüler zu rücken, wenn auch mit großer Anstrengung.898 Zweitens beginnt das zweite Gespräch mit der spannenden Diskussion um Jesus als König, an der sich 898 Vgl. Gesprächsprotokoll aus Kapitel 7.1.3 »Das allergrößte Geschenk«.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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zahlreiche Kinder intensiv beteiligten.899 Dennoch bleibt die Brisanz und das Interesse an Herodes offenbar ungebrochen und dringt erneut an die Oberfläche. Schüleräußerungen – die jenen aus Gesprächsprotokoll a) ähneln – sind: Christopher : Und der wollte auch, dass er der höchste König ist. Sophia: Weil der König Herodes, der hat zu den Königen gesagt, dass er dann auch hingehen will und ihm huldigen und ihm Geschenke bringen. Florian: Der Herodes, wenn der hingegangen wär, der hätte Soldaten mitgenommen, die den Jesus umbringen sollten.

Der Unterschied zu Gespräch a) besteht jedoch darin, dass die Lehrkraft dieses Mal nicht unerwartet damit konfrontiert wird, sondern Herodes und Jesus bewusst einander gegenüberstellen wird. Ihr Ziel ist es, Jesus als den neuen, so ganz anderen König darzustellen, was durch das Gespräch der Kinder über Jesus als König bereits hervorragend vorbereitet ist, den Fokus vom Kindermord weg, hin zur begründeten Angst, dass Jesus der bessere König ist, als der er sich im erwachsenen Leben auch erweist. Dies versucht sie durch verschiedene Methoden zu erreichen Erzählung, Impulsarbeit, szenisches Spiel.900 Dadurch lenkt sie die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler über lange Zeit auf das von ihr angestrebte Ziel. Insbesondere die Erinnerung an das szenische Spiel aus der vorangehenden Stunde ist vermutlich nachhaltig. Die Kinder erinnern sich an ihre Spielrollen. Von daher ist es folgerichtig, dass die Schülerinnen und Schüler beim abschließenden Beispiel zu folgendem Ergebnis kommen. Florian: Ich bin gelähmt. Ich kann nicht laufen. Meine Freunde müssen mich überall hintragen. Wer kann mir helfen? ?: Was ist das? L: Gelähmt? Was Florian weiter vorgelesen hat. Er kann nicht laufen und seine Freunde müssen ihn überall hintragen. Des meint gelähmt. Und was denkt ihr, wer kann den Gelähmten heilen? Der Herodes oder der Jesus Alle: Jesus Noah: Des ist doch klar.

899 Vgl. Gesprächsprotokoll aus Kapitel 7.1.4 »Jesus als neuer König«. 900 Vgl. dazu die in der Unterrichtsdokumentation aufgeführte und zitierte Erzählung von Buck, bewegter RU, die Idee mit dem Plakat – Herodes sieht die Probleme der kleinen Leute gar nicht sowie das Szen. Spiel aus der vorangehenden Stunde, ebenfalls von Buck, bewegter RU, in dem es darum ging zu zeigen, dass die kleinen Leute nicht vergeblich warten, dass einer kommt, der helfen kann, nämlich Jesus.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse der Schüler/innen auf der Basis theologischer Gespräche901 Ein Arbeitsblatt gibt Aufschluss darüber inwiefern eine aktive Auseinandersetzung mit dem Gedanken »Jesus als neuer König« stattgefunden hat. Es liegen 15 bearbeitete Aufgaben vor, die inhaltlich analysiert werden können.

Arbeitsblatt ›König Herodes und König Jesus‹ im Vergleich

Ausnahmslos allen Schülerinnen und Schülern gelingt es, deutlich und inhaltlich angemessen zwischen König Herodes und König Jesus zu differenzieren und jeweils mehrere Attribute zuzuordnen. Folgende Übersicht gibt Aufschluss über die Gesamtheit der Zuordnungen.

901 Vgl. hierzu die theologischen Gespräche zu »Jesus als König« in 7.1.4 und »Herodes« in 7.1.5. Bei der Beschreibung und Deutung der Kinderarbeiten handelt es sich nicht um eine professionelle Analyse sämtlicher Details, die im Rahmen meiner umfassenden Gesamtstudie nicht leistbar wäre, sondern um eine in erster Linie inhaltliche Interpretation.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

König Herodes

– – – – – – – – – – – – – – König Jesus – – – – – – – – – – – – – –

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nicht nett, böse ungerecht/unfair unfreundlich unbarmherzig gemein blöd lügt hilft nicht nicht hilfsbereit denkt nur an sich will allein König sein will der König von allen sein, will Jesus töten denkt, er ist der beste hilft (allen) Menschen/ hilft den armen Menschen/ hilft viel/ hilft jedem (sehr häufige Nennung) heilt andere Menschen pflegt sie, versorgt sie, schaut nach ihnen hilfsbereit guter Mensch, macht gute Sachen hat ein Herz für Leute gut gerecht nett lieb lieber König heilig denkt auch an andere der besonderste König aller Zeiten

Die Darstellungen von Herodes sind sich sehr ähnlich. Bis auf eine Darstellung wird er immer entweder mit Krone, Königsmantel, Thron, Schwert, Soldat dargestellt, häufig mit mehreren Insignien seiner Königswürde. Die Darstellungen von König Jesus lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. 1. Jesus wird als Kind in der Krippe dargestellt (insgesamt 10 Mal) 2. Jesus wird als Erwachsener dargestellt (insgesamt 5 Mal) Gerade letzteres kann als hohe Konstruktionsleistung gewertet werden, zeigt es doch, dass eine Verknüpfung des Wissens über Jesu Handeln als Erwachsener bereits stattgefunden hat. Am spannendsten ist die Darstellung einer Schülerin, die den erwachsenen Jesus am Kreuz darstellt. Ob sie an dieser Stelle die im Gespräch »Das allergrößte Geschenk« gefallene abschließende Schüleräußerung »Jesus hat für uns sein Leben gegeben« weiterverarbeitet oder ob es sich um biblisches Vorwissen über Kreuzesinschrift oder Dornenkrone handelt, bleibt an dieser Stelle leider offen.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

König Herodes und König Jesus im Vergleich

Immerhin 11 Schülerinnen und Schülern können anschließend mindestens eine biblische Geschichten zu Jesus als ganz anderer König nennen. Viele nennen mehrere. Genannt werden insbesondere Erzählungen, die bereits in der ersten Klasse thematisiert wurden und die insbesondere in der vorhergehenden Stunde in einem szenischen Spiel in Erinnerung gerufen wurden. – Bartimäus (7) – Heilung von Maria (5)

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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– Hilfe für Fischer (6) – Jesus und die Kinder (2) Zusätzlich wird eine weitere Heilung genannt (entweder Vorwissen der Schülerinnen und Schüler oder angeregt durch den Impuls in der Stunde – stand auf dem Plakat) sowie die Erzählung von Jesu Einzug in Jerusalem (evtl. Vorwissen, dass Menschen hofften, Jesus sei der neue König) – Heilung des Gelähmten (3) – Jesus mit den Palmwedeln Darüber hinaus gibt es eine Nennung der Geburt Jesu, Maria und Josef, deren inhaltliche Passung sich Außenstehenden nicht unmittelbar erschließt.

7.1.6 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum902 Die im Folgenden aufgeführten Aspekte zur Thematik Weihnachten – Geburt Jesu bieten untereinander zahlreiche Verknüpfungen. Es ist zu erwarten, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Aspekten in Gesprächen fließend sind, wie sich an den oben genannten Beispielen deutlich gezeigt hat. Erfahrungsebenen von Weihnachten (individuell heterogene Zugänge) – Soziales Ereignis: säkulare Anteile – religiöse Anteile – Individuell heterogene und dennoch kulturell geprägte Weihnachtsskripts – Brauchtum: kulturell geprägt – religiös geprägt – Kommerz – Biblisch-christliche Tradition (Geburt Jesu / Hirten – Engel / SterndeuterStern-Geschenke) Jesuskind oder Christkind? – Jesuskind gleich Christkind oder Jesuskind ungleich Christkind? – Peer-group als Korrektiv – heftige Diskussionen zu erwarten, vor allem in Klasse 1 – Biblische Erzählung von der Geburt Jesu als hilfreiches Korrektiv – Rolle Jesu als Erwachsener ebenfalls als hilfreiches Korrektiv

902 Vgl. hier auch Benz, Weihnachten. In: Büttner, Gerhard u. a. (Hrsg.): Handbuch Theologisieren mit Kindern, 505 – 512.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Sohn Gottes oder Kind Josefs? – Sohn Gottes als häufig verwendeter christologischer Titel bei Kindern, manchmal in eigenem Sprachgebrauch (z. B. Kind von Gott) – Oft verstanden im Sinne von Jesus als besonderer Mensch – Transfer möglich: ›Worin zeigt sich Besonderheit Jesu‹ als Kind (Verheißung durch Engel, Geschenke der Sterndeuter), als Erwachsener (Wirken Jesu) – Besondere Beziehung zwischen Jesus –Gott Vater thematisieren – In Ansätzen paradoxes Denken bei einzelnen Schülerinnen und Schülern möglich, die argumentieren, dass Jesus beides ist Aspekte des Schenkens – Kulturell und säkulare Aspekte des Schenkens – Argumentation mit einem generellen Weihnachtsskript (Geschenke gehören zu Weihnachten dazu), entweder unter Bezug auf den Weihnachtsmann/ das Christkind oder unter Bezug auf die Eltern – Biblische Aspekte des Schenkens – Bezug zur Erzählung der Sterndeuter, die Jesus Geschenke bringen – Kontext Jesus als neuer und besonderer König, der besonderer Geschenke bekommt – kann wiederum zu Kontext erwachsener Jesus führen, s. u. – Kontext Herodes, siehe unten – Jesus als größtes Geschenk – Gott macht den Menschen in Jesus das größte Geschenk – Argumentation mit Jesu Wirken als Erwachsener (heilt, hilft, erzählt von Gott, gestorben und auferstanden …) – Argumentation mit persönliche Relevanz (Jesus schenkt Gesundheit, Glück, ist für mich da) – Argumentation mit Jesu generellem Charakter (guter Mensch, heilig…) Biblische Erzählungen – Geburt Jesu nach Lukas (Kontext Hirten – Engel – Botschaft) – Geburt Jesu nach Matthäus (Kontext Sterndeuter – Stern) – Beide biblischen Erzählungen werden von den Erst- und Zweitklässlern eher als Einheit aufgefasst, zunächst häufig Verwechslungen Hirten, Sterndeuter, Engel, Stern/ Zuordnung gelingt Ende Klasse zwei deutlich besser) – Erzählung der Verheißung Jesu an Maria als ergänzende Möglichkeit, die Besonderheit des Kindes herauszustellen – Diskussion Sohn Gottes – Sohn Josefs im Kontext, siehe oben – Biblische Erzählung Sterndeuter auch im Kontext Schenken, siehe oben – Erzählung der Sterndeuter auch im Kontext des Vorwissens Einzelner über König Herodes, siehe unten

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Jesus als anderer König – Jesus wird als König im Sinne eines Titels verwendet (Jesus als besonderer Mensch, Jesus, der heilig ist, Sohn Gottes) – Jesus wird mit König Herodes verglichen – Inwiefern unterscheidet sich Jesus von Herodes? – Eigenschaften, die die Kinder Herodes zuordnen sind z. B. gemein, böse, ungerecht, unfreundlich, hilft nicht, lügt, will allein König sein, will Jesus töten) – Eigenschaften, die die Kinder mit Jesus verbinden sind z. B. hilft allen, hilft den Menschen/ den Armen, heilt, guter Mensch, gerecht, lieb, heilig, nett – Transfer : Jesu Wirken als Erwachsener – Jesus als ›anderer‹, dadurch besserer König als Herodes – Welche bilbischen Erzählungen können hier verknüpft werden? Im obigen Bsp. wurden sehr häufig Heilungen genannt (Bartimäus, Gelähmter, Maria) Herodes – Mit Vorwissen zur Rolle des Herodes in den biblischen Erzählungen ist bei einzelnen Schülerinnen und Schülern zu rechnen – mit Interesse der Anderen an Diskussion auf der Basis des Vorwissens von Einzelnen ebenso – Möglichkeit des Umgangs damit: Vergleich zwischen König Herodes – Neuer ›anderer‹, ›ersehnter‹ ›besserer‹ König Jesus , s. unter Jesus als anderer (›besserer‹) König – Transfer : Jesu Wirken als Erwachsener – Jesus als ›anderer‹, dadurch besserer König als Herodes (heilt, hilft, segnet, …) – Thematisierung des Traumes der Sterndeuter, der Botschaft des Engels, der Entscheidung, nicht zu Herodes zurückzukehren als Möglichkeit der Weiterführung

7.2

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch zum Thema »Biblische Dilemmageschichte zur Sturmstillung« – Klasse 1

»Tabea und David spielen am Strand des Sees Genezareth. Es ist Abend. Der Tag war sehr heiß. Jetzt kommt ein leiser Wind. ›Schön‹, sagt Tabea. ›Endlich ist es nicht mehr so heiß‹. Sie laufen mit den nackten Füßen ins Wasser hinein. Der Strand ist flach. Das kühle Wasser tut gut. ›Schau mal dort drüben!‹ ›Was ist?‹ ›Da fahren Petrus und Jakobus hinaus auf den See‹ ›Was machen die jetzt da draußen? Fischen tut man doch am Morgen!?‹ ›Ach, sie wollen sich wohl erholen. So eine Bootsfahrt am Abend ist schön. Am liebsten wäre ich auch dabei.‹ ›Hast du keine Angst vor dem Bootfahren?‹ ›Ich? Warum?‹ ›Weißt du nicht, vor zwei Wochen sind auch einige hinausgefahren. Und dann kam

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

urplötzlich ein großer Sturm. Das Schiff kippte um und alle sind ertrunken. Fünf Leute. Ganz Kapernaum hat getrauert.‹ ›Ach was. Ich habe keine Angst. Und heute gibt es bestimmt kein Unwetter.‹ ›Bist du dir so sicher?‹ Die beiden suchen Muscheln am Strand. Da kommen Deborah und Thomas dazu. ›Kommt, wir spielen Ball.‹ ›Ja, Ballspielen ist schön.‹ Die vier spielen Ball. Das Ballspielen macht Spaß. Sie merken gar nicht, wie der Himmel dunkel wird und die Wolken sich zusammenziehen. Thomas merkt es als erster. ›Da schau! Es wird ganz dunkel.‹ Tabea schaut zum Himmel. ›Tatsächlich. Eine Wolke dunkler als die andere. Und der Wind beginnt stärker zu werden. Gerade noch war es ein laues Windchen, doch jetzt ist der Wind schon heftiger.‹ Langsam wird es bedrohlich. Tabea: ›Und was ist mit Petrus und Jakobus? Sie sind meine beiden Onkels. Sie sind draußen auf dem Meer.‹ Tatsächlich, draußen sehen sie das Boot. Es hat die Segel eingezogen. Es sieht so aus, als käme es nicht mehr weiter. Es sieht so aus, als bliebe es mitten auf dem See stehen. Es fängt an zu schaukeln. Es fängt an, aufgeregt auf dem Wasser zu hüpfen. Mal hoch, mal runter. Das Boot wird immer aufgeregter. Thomas auch. ›Ach du liebe Zeit! Denk doch an die Leute vor vierzehn Tagen. Wenn wieder so etwas passiert. Wenn die auch kentern. Die können doch alle gar nicht schwimmen. Und wenn sie schwimmen könnten, die Wellen sind viel zu stark. Sie reißen sie in die Tiefe.‹ ›Ja, was können wir tun?‹ Deborah sagt: ›Wir können gar nichts tun. Die sind verloren. Die haben keine Chance. Komm, wir schauen gar nicht mehr hin.‹ David schreit: ›Wir müssen ins Dorf. Die sollen ein großes Boot hinausschicken mit starken Ruderern. Die müssen sie retten. Mit dem kleinen Boot haben die da draußen keine Chance!‹ ›Ach das große Boot. Das ist auch zu schwach.‹, ruft Deborah. ›Niemand kann mehr helfen.‹ ›Doch, zehn Männer schaffen es.‹ ›Wirklich?‹ Thomas zweifelt. Als sie gerade noch miteinander sprechen, kommt ein Mann auf sie zu. Es ist Jesus, der Prophet aus Nazareth, der Rabbi. Thomas sagt: ›Jesus, deine Freunde sind da draußen auf dem Meer!‹ Tabea ruft: ›Sie sind in Lebensgefahr! Vor zwei Wochen sind fünf Leute ertrunken und der Himmel sah genauso aus wie jetzt. Jesus, tu was, es sind deine Freunde!‹ Deborah aber meint: ›Du kannst auch nichts mehr machen. Sie sind alle verloren.‹«903

7.2.1 Gesprächsprotokoll »Biblische Dilemmageschichte zur Sturmstillung« L Vic Elena L

[Wie könnte die Geschichte weitergehen?] Vic Hab’s vergessen. Dass die, dass der Jesus da kommt. Mhm, kommen tut er schon, ja. Mhm. Wie könnte die Geschichte dann weitergehen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten.

903 Büttner, Jesus hilft, 115 f. Der von Büttner in Diskussion mit Hartmut Rupp verfasste dilemmaartige Text diente als Erzählvorlage. Bewusst geändert wurde nur der Kindername Maria in Tabea, da kurz zuvor im Unterricht Maria von Magdala als Freundin von Jesus thematisiert wurde, was zu unnötigen Verwechslungen hätte führen können.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Fortsetzung Vic L Franziska L Franziska L Linnea L Linnea L Linnea L Vic L Mirjam L Elena Vic Mirjam L Elena L Mareike L Mareike L Linnea L

Mirjam L Elena

Ganz viele Möglichkeiten. Mhm. Franziska, was denkst du? Dass Gott – Jesus irgendwie da hilft. Wie meinst du Gott –Jesus? Erklär’s mal kurz – - Dass Gott Jesus hilft oder dass Jesus hilft. Wie meinst du’s? (Kind neigt noch häufig zur Verwechslung Gott-Jesus) Dass Jesus hilft, eigentlich. Okay. Okay. Dass Gott die dann rettet. Mhm. Gott oder Jesus? Jesus. Ja, oder du kannst auch sagen. Also (wollte eigentlich nicht suggestiv fragen und fordert deshalb zur Erklärung auf) Erklär’s mal, wie du’s meinst. Weil, dass Gott Jesus dann auch ein bisschen hilft, die zu retten Dass Jesu- . Okay. Mhm. Okay. Vic. Was möchtest du sagen? Vielleicht sagt Jesus zu Gott, der soll, mm, schon wieder vergessen Was könnte Jesus zu Gott sagen? Er soll…. Mirjam denkt an deinem Gedanken weiter. Helfen. Mhm. Okay. Elena? Dass der das Boot nach vorne pusten (undeutlich am Anfang) So stark mit Puste? Ich kann nicht mal… Äh, der ist ja groß, der kann des machen. Mhm. Okay. Nach vorne meinst du zum Strand hin? Dass die also quasi an den Strand getragen werden? Nickt Mhm. Okay. Mareike? Ähm, dass Gott dem Jesus hilft, weil er sein Papa ist (L: okay) und ihm helfen will? Okay. Weil seine Freunde in in Not sind? Mhm. Dass Jesus dann mit nem anderen Boot rausfährt und sie rettet. Mhm. Okay. Also verschiedene Ideen, wie wie er helfen könnte, der Je-. Die Linnea sagt, der Jesus fährt raus mit nem Boot und rettet sie und andere Kinder haben gesagt, der Gott hilft, weil der Gott zum Beispiel pustet des an den Strand Ja, des, des will ich hinschreiben. Und die Mareike hat gesagt, weil der Jesus der Sohn ist, also der Gott der Papa ist, hilft er ihm, des sind ja die Freunde von seinem Sohn quasi, die in Gefahr sind. Okay. Wer hat noch ne Idee wie’s weitergehen könnte? Dass, dass der Jesus da rüber springt und des oder dass der Jesus das Boot zum Strand lenkt.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Mareike Einige L Jonas L Elena L Vic L

? L Noah L Viele L Viele Vic L

Linnea L Vic Franziska Jonas L Jonas L Mirjam

Mhm. Also du meinst, der Jesus schafft des irgendwie in des Boot. Und kommt dann mit denen zurück. Tauchen. Tauchen, schwimmen Die Mareike meint tauchen. Was meinst du, wie kommt er hin? Hatten die da schon Taucheranzüge? Lasst mal kurz noch mal die Elena sagen, was sie denkt. Er kommt mit nem kleinen Boot hin. Mhm. Er geht mit nem Boot hin, okay? Hatten die da schon Taucheranzüge oder was? Nein, hatten die noch nicht – Taucheranzüge. Okay. Wer hat noch ne Idee? Seid ihr euch da alle einig, dass wir gesagt haben, der hilft ihnen? Vielleicht kann er gar nicht helfen. Denkt jemand auch, er kann vielleicht gar nicht helfen? Die zwei hören nicht zu. Noah Denkt ihr, er kann helfen oder er kann vielleicht auch nicht helfen. Er kann helfen. Helfen. Aber denkt vielleicht auch jemand er kann nicht helfen? Nö, Ne. Wer denkt, er kann nicht helfen, der streckt. (Keiner meldet sich) Okay. Also ihr denkt, er kann helfen. Okay. Und wir haben vorhin schon eine Idee gehört, wieso hilft denn Gott Jesus? Ein Kind hat sich schon dazu geäußert. Hat vielleicht noch mal jemand ne Idee? […] Wieso hilft denn Gott dem Jesus? Weil Gott auch heilig ist (Mhm) und Jesus auch. Mhm. Jesus und Gott sind heilig. Und weil Gott sein Kind helfen will. Das heißt sein Sohn. Also, du sagst sein Kind und du erklärst noch mal genauer sein Sohn, Jonas, genau. Kind ist des gleiche wie Sohn. Nicht alle Kinder sind Söhne, aber alle Söhne sind die Kinder von ihren Eltern. Aber es gibt ja auch Mädchen. Nicht alle Kinder sind Söhne. Aber alle Söhne sind Kinder. Des sind dann Töchter.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Fortsetzung Genau. Genau. Wie könnte denn zum Beispiel der Jesus Ähm, Gott sagen, irgendwie ähm …(Lehrperson war sehr versucht, direktiv zu fragen, ändert Frage deshalb) Wie merkt denn überhaupt der Gott, was grad passiert? Also, der Jesus ist ja dabei, der sieht’s ja. Aber wie merkt denn Gott, was da jetzt grade passiert. Mia Weil der sieht des aus dem Himmel durch. Vic Aus was? Ich hab nichts verstanden. L Sag’s noch mal. Mia Aus dem Himmel sieht des der so durch. L Okay. Vic? Vic Vielleicht guckt der grad dahin, wo Jesus ist, weil des ist ja der Sohn. L Mhm Vic Und dann guckt der dahin und dann sieht der des. L Okay. Du meinst, er begleitet quasi den Jesus beim Gucken? Mirjam Vielleicht vielleicht sprecht der der Jesus spricht mit seinem inneren Geist und des hört Gott L Wie meinst du mit seinem inneren Geist? Erklär des mal Mirjam Der Geist sagt, der innere Geist zu Gott immer zu Gott immer der Geist, was los ist (Ende sehr undeutlich) L Mhm. Okay. Also, du meinst er spricht innerlich mit Gott? Vic Was ist der innere Geist? L Was innen drin ist, also ganz in sich drin spricht er mit Gott, also quasi in seinen Gedanken meinst du vielleicht? (Michael abgelenkt, unaufmerksam, folgt dem Gespräch nicht und rutscht sehr unruhig auf seinem Stuhl herum -Versuch, ihn wieder einzubinden) Michael, was denkst du denn. Wieso – Wie merkt denn Gott, was da passiert? Michael Äh. Er sieht des? L Warum? – Warum sieht Gott, was da passiert? —Florian, was denkst du? (Mirjam: Guck mal nach links, da streckt auch jemand) Ja, aber ich find ein paar sollten sich ruhig mal Gedanken machen jetzt. —Noah, was denkst du, warum sieht Gott des? – - Oder Christopher Christopher Ähm. Weil er im Himmel wohnt und dann die Wolken zur Seite schiebt und dann kann der runtergucken. L Okay. Mhm. Linnea Weil er vielleicht so irgendwie in Jesus drinne is? 2 – 3 Kinder kichern verhalten. Können mit dem Gedanken wohl nichts anfangen. Vic Das ist überhaupt nicht lustig. L Erklär mal. Das ist ein interessanter Gedanke. Linnea Dass Jesus (ja), dass er’s hört, wenn – Gott hört’s (mhm), wenn Jesus was spricht. L

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Linnea L Noah L Vic L Mirjam L Mareike L Elena L Viele Elena L ? L ? Viele L Vic Elena L

Mareike L Mareike L Linnea L

Du meinst, die gehören so eng zusammen, dass der Gott des immer sofort schon hört, wenn der Jesus des sagt? Ja. Okay. Das ist ein interessanter Gedanke. Dass der ein Fernrohr hat und dann runtergucken kann wie das Christkind und der Weihnachtsmann? Okay. Ähm, ich wusst gar nicht, dass Gott im Himmel wohnt. Mit nem Haus oder wie? Ich seh da oben leider nix braunes. Wo wohnt denn, wo wohnt Gott? Ja? Das ist ne gute Frage. Wo wohnt denn Gott? Ich würde sagen im Weltall, weil da in einem Lied im Kindi sagt er, der hält die Welt nur in den Händen. Okay. Der hält die ganze Welt in seiner Hand. Das ist gut überlegt. Mareike, was denkst du? Ähm. Der wohnt ähm ganz weit oben im Himmel. Mhm. Okay. Was denkst du, Elena? Gibt’s den Gott überhaupt und den Jesus? Ich denke ja. Durcheinander – Aber leider oben im Himmel. Aber man kann ihn doch nicht sehen. …. Also ich glaub nicht. Es gibt Menschen, die glauben, dass es Gott und Jesus gibt. Ich glaube an Jesus und an Gott Und es gibt Menschen, die glauben es nicht. Wer glaubt daran, der streckt. Fast alle melden sich Okay. Wer glaubt nicht daran, der streckt auch Meldet sich als einziges Kind Okay. Was könnte denn zum Beispiel der Jesus zu Gott sagen, wenn er ihm sagen möchte, was grad los ist? […] So, wie die Linnea sagt, wenn der Jesus was sagt, dann hört des der Gott. Was könnte denn der Jesus sagen, damit Gott merkt, um was es jetzt geht. Der betet zu Gott (mhm) und der Gott hört des (mhm) und der Jesus, hört des, was Jesus sagt zu Gott? Mhm. Okay. Und dann weiß Gott genau, was, was er machen soll oder was zu tun ist (ja). Okay. Gut. Können wir denn auch zu Gott beten? Ja. Okay. Dass Jesus sagt, also, was da grade los ist. (mhm) Und Gott… Moment einmal. Ich kann die Linnea nicht richtig verstehen.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Fortsetzung Linnea L Linnea L Vic L Michael L Vic L Vic L Vic Mirjam L Vic L Vic L Vic L Michael L Viele L

Also, dass Jesus z. B.sagt bei dem Gewitter, dass Jesus zum Beispiel die Wolken wegschieben soll. Mhm. Wer soll die Wolken wegschieben? Hm. Gott. Also Jesus meinst du sagt zu Gott, er soll die Wolken wegschieben? (mhm) So. Okay. Nein, des heißt, kannst du – bitte – die Wolken wegschieben. Mhm. Okay. Jonas, was hast du für ne Idee? – - Hast du ne Idee Florian? Und Michael? Mm. Dann überleg dir mal eine. – - – Die Vic hat noch ne Idee. Ich weiß, wie Jesus zu Gott sprechen könnte. Ja. Sag mal. Der könnte die, die Bewegungen machen. Was für Bewegungen? Zeig’s mal. Erklär’s mal. Damit wir verstehen, was du meinst. Mit den Händen Zum Beispiel so’n »D« machen – (erklärt eine im Deutschunterricht für das »D« erlernte Geste). Ne, des meint sie nicht. Sie meint… Ne. Ich meine – guck so – wegschieben. Okay. Du meinst, Gott versteht ihn nur, wenn er ne Bewegungen macht? Auch wenn er spricht. Auch wenn er spricht. Er kann ja auch die Bewegungen machen. Okay. Mhm. Er nimmt ein Mikrophon. Hat der Jesus schon ein Mikrophon gehabt? Nein. Hat er damals noch gar nicht gehabt. Okay.

7.2.2 Interpretationsversuche 7.2.2.1 Entwicklungspsychologische Befunde Deutlich zeigt sich das bei allen am Gespräch beteiligten Kindern bestehende finalistische Denken. Trotz der storyimmanenten und durch die Lehrkraft offengehaltenen Option des Nicht-Helfen-Könnens bestehen die Kinder darauf, dass Jesus prinzipiell helfen kann und im Sinne der Menschen handelt.904 Die 904 Vgl. dazu Büttner, Jesus hilft, 126 unter Bezug auf Fetz, Kinderglaube, 25.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Möglichkeit des Nicht-Eingreifens bzw. Scheiterns wird nicht in Betracht gezogen. Das bedeutet, dass die Geschichte in den Augen der Kinder gut ausgehen muss. Differenzen bestehen nur in der Art und Weise des positiven Endes, wobei mehrere Möglichkeiten konkreten Eingreifens durch Jesus selbst sowie verschiedene Varianten der Hilfe Gottes eingebracht werden. Jesus, bzw. Gott kann in der Sicht der Kinder selbstverständlich in die Naturvorgänge eingreifen. Die Kinder sind offensichtlich noch im altersgemäßen Artifizialismus verwurzelt. Das entspricht der Orientierung an absoluter Heteronomie, dem Prinzip Deus ex machina, demnach Gott direkt in die Welt eingreift.905 Die Mehrheit der Kinder argumentiert durchgängig auf konkretem, mythisch-wörtlichen Niveau.906 Sie bleiben im Fluss der story, denken im Rahmen gegebener Informationen und ihre Deutungen bleiben in der Erzählung gefangen. Gerade weil die Kinder der Geschichte verpflichtet bleiben, sind einige natürliche, d. h. realistische Lösungsvorschläge nicht als solche zu werten. Die Idee, dass Jesus »rüber springt«, »hintaucht« oder »mit einem kleinen Boot hinfährt« setzt bewusst oder unbewusst voraus, dass Jesus in diesen Bereichen außergewöhnlich großes Talent hätte oder aber übermenschliche Kraft, da diese Lösungsmöglichkeiten angesichts der storyimmanenten Großwetterlage versagen müssen. Die Ideen der Kinder sind in diesem Fall also kein Nachweis für beginnende naturwissenschaftlicher Welterklärung. Ihr artifizialistisches Denken befindet sich offenbar noch nicht in Auflösung. Vereinzelt tauchen im Gespräch noch intuitiv-projektive Äußerungen auf, allerdings in einer Übergangsform zum mythisch-wörtlichen Verständnis. Noah: »Dass der [Gott] ein Fernrohr hat und dann runtergucken kann wie das Christkind und der Weihnachtsmann.«

7.2.2.2 Theologisch relevante Beobachtungen Das Gespräch der Schülerinnen und Schüler bezieht sich an mehreren Stellen auf die Beziehung zwischen Jesus und Gott. Gerade zu Beginn des Gesprächs lässt sich bei einer Schülerin die noch ungenaue Trennung zwischen Gott und Jesus beobachten oder aber eine Unsicherheit, wem die Rettung zuzutrauen ist, vgl. Franziska: »Dass Gott – Jesus –« ?[…] »Dass Gott Jesus hilft, eigentlich«

Das Verhältnis Jesu zu Gott, insbesondere die Frage der Gottessohnschaft wird häufig aufgegriffen. Interessant ist das insofern, als etwa die Hälfte der Kinder im 905 Vgl. Grom, Religionspädagogische Psychologie, 68, zur ersten Stufe nach Oser/Gmünder bzw. 64 – 79. Hier eine präzise Übersicht über die Stufen des religiösen Urteils nach Fritz Oser und Paul Gmünder. 906 Vgl. Fowler, Stufen, 151ff und 167. Vgl. ebd. 153 auch den nachfolgenden Gedanken.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Vorschulinterview Jesus zwar als besonderen Mensch, nicht jedoch als Sohn von Gott bezeichnet. In diesem Gespräch thematisieren jedoch gerade einige der Kinder, die Jesus beim Kindergarteninterview als Sohn von Josef, nicht als Sohn Gottes bezeichnet haben, die Gottessohnschaft Jesu, bzw. bringen sie sogar als Begründung seines Handelns ein. Franziska: »Weil Gott sein Kind helfen will« Jonas: »Das heißt sein Sohn.«

Die erste Schülerin äußert einen Gedanken, den sie im Vorschulinterview trotz direkter Nachfrage noch nicht geäußert hat. Evt. ist er erst durch den Religionsunterricht (Impuls durch Lehrkraft, Impuls durch andere Kinder) entstanden. Vic: »Vielleicht guckt der grad dahin, wo Jesus ist, weil des ist ja sein Sohn.«

Diese Schülerin äußert ebenfalls an keiner Stelle des Kindergarteninterviews die Idee der Gottessohnschaft. Hier bringt sie sie jedoch als Begründung für Gottes Eingreifen ins Geschehen ein. Da die Schülerin insgesamt als ausgesprochen interessiert auffällt (häufiges Fragen, Nachfragen bei Verständnisschwierigkeiten) erscheint es möglich, dass sie diese neue Information tatsächlich aus dem Religionsunterricht erhalten hat und nun selbst in ihr Gedankenkonstrukt integriert.907 Allerdings zeigt die Einleitung ihrer Aussage (»vielleicht«), dass sie einen neuen Gedanken versucht. Möglich ist bei ihr, dass sie testen möchte, wie die Klasse auf ihre Idee reagiert. Mareike: »Weil Gott dem Jesus hilft, weil er sein Papa ist und ihm helfen will? Weil seine Freunde in Not sind?«

Mareike ist in ihrer Begründung sehr weit. Sie begründet Gottes Eingreifen nicht nur mit der in eigenen Worten formulierten Gottessohnschaft, sondern sucht auch noch nach psychologischen Beweggründen für sein Handeln. Interessanterweise formuliert sie ihren recht anspruchsvollen Gedanken zweimal in Form einer Frage, d. h. sie ist sich noch nicht sicher, möchte vielleicht eine Bestätigung für ihr sich im Umbruch befindliches Denken. Zunächst unbewusst, durch die kritische Nachfrage einer Schülerin zum konkreten Thema erhoben, diskutieren die Erstklässler auch die Frage, wo Gott wohnt. Diese allerdings noch klar auf mythisch-wörtlichem Niveau (Gott lebt im Himmel, weit oben, bzw. im Weltall, weil das in einem Lied so gesungen wird) verbunden mit personaler Gottesvorstellung (hat ein Fernrohr, kann runtergucken). Bevor die Lehrkraft das Gespräch weiterführen kann, wird die Diskussion

907 Vgl. ausführliche Darstellung der Entwicklung von Vic in Kapitel 8.1.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

durch die dringliche Schülerfrage nach der Existenz Gottes und Jesu unterbrochen. Elena: Gibt’s den überhaupt den Gott und den Jesus? L: Ich denke ja. Viele durcheinander : Aber leider oben im Himmel. Aber man kann ihn nicht sehen. Elena: Also, ich glaub nicht. L: Es gibt Menschen, die glauben, dass es Gott und Jesus gibt. ?: Ich glaube an Jesus und an Gott.908 L: Und es gibt Menschen, die glauben es nicht.

Die Lehrkraft, die spontan ihre eigene Position äußert, gleichzeitig jedoch die Verschiedenheit möglicher Haltungen offenhalten will, wird in ihrem Gedankengang gleich vielfach von den sofort stark beteiligten Schülerinnen und Schülern unterbrochen. 7.2.2.3 Anknüpfen an Vorwissen909 Die Beiträge der Kinder zeigen keine Verknüpfung mit bereits bekannten Jesusgeschichten. Einige Kinder (7) kennen – das zeigten die Kindergarten-Interviews – die biblische Erzählung der Sturmstillung in einer knappen Version und ein Kind erwähnte damals Jesu Laufen über das Wasser. Im Unterricht wurden diese Geschichten jedoch noch nicht thematisiert. Das bedeutet im Blick auf dieses theologische Gespräch, dass kein Kind außerunterrichtliches Vorwissen über biblische Geschichten einbrachte. Ein inhaltlicher Rekurs auf die bereits behandelten Erzählungen (Geburt Jesu, Sterndeuter, Kindersegnung, Heilung des Bartimäus, Fischzug) bot sich nicht an. Evt. war die Dilemmageschichte auch so fesselnd, dass es den mehrheitlich konkret denkenden Kindern einfach nicht möglich war, Wissen aus anderen Erzählungen zu integrieren, evt. waren sie tatsächlich in dieser einen story gefangen. Vielleicht hätten die Kinder Vorwissen eingebracht, wenn die Lehrperson konkret danach gefragt hätte, z. B. »Kennt ihr noch andere ähnliche Geschichten von Jesus, die euch eine Idee geben, ob und wie Jesus helfen kann?«

908 Sprecher/in konnte nicht eindeutig ermittelt werden. 909 Die Beobachtungen in dieser Klasse weichen in diesem Punkt von der sehr viel umfassenderen Studie von Büttner ab, die mit diesem Dilemma arbeitet. In den von Büttner untersuchten Klassen zeigen sich mehrere Bezüge zu Vorwissen der Kinder, vgl. z. B. Büttner, Jesus hilft, 129 f und140 f und 154 f. Allerdings untersucht Büttner keine reinen ersten Klassen. In seinen zum Teil gemischten Altersgruppen sind immer Zweitklässer dabei. Diese fallen häufig als Protagonisten auf. Bei den Zweitklässlern ist ein größeres biblisches Vorwissen aus dem Religionsunterricht zu erwarten, insbesondere auch Erzählungen, deren Inbezugnahme im Zsmhg. mit dem Dilemma sinnvoll erscheint.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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7.2.2.4 Prozesse der Ko-Konstruktion Dieses theologische Gespräch offenbart an verschiedenen Stellen Formen von Ko-Konstruktion und zeigt damit, dass auch Erstklässler zu solchen Prozessen zumindest in der Lage sind, auch wenn nicht alle Schülerinnen und Schüler kokonstruktives Gesprächsverhalten aufweisen. Es lässt sich vielmehr konstatieren, dass gerade diejenigen, die sich in diesem Gespräch ko-konstruktiv verhalten auch in ähnlichen Gesprächen als Protagonisten auffallen. Die Untersuchungsmethode des Kreisgesprächs ermöglicht es jedoch nur ko-konstruktive Prozesse derjenigen Schülerinnen und Schüler kenntlich zu machen, die sich im Gespräch äußern. Innere Ko-Konstruktionsprozesse werden nicht ersichtlich. Anzunehmen ist, dass sie dennoch ablaufen. Einen gewissen Einblick geben die selbst gestalteten Lösungsideen des Dilemmas, s. u. Im folgenden Beispiel erkennt man zwei Konkretisierungen einer Lösungsmöglichkeit durch verschiedene Kinder. Außerdem sieht man, wie ein Kind den Gedanken eines weiteren, welches den Faden verloren hatte, vollendet und das Gespräch auf diese Weise inhaltlich weiter trägt. Am Ende zeigt sich, dass auch eine kritische Rückfrage ko-konstruktiv wirken kann: Linnea: Weil, dass Gott Jesus dann auch ein bisschen hilft, die zu retten. […] Vic: Vielleicht sagt Jesus zu Gott, der soll, ups, schon wieder vergessen L: Was könnte Jesus zu Gott sagen? Er soll…. […] denkt an deinem Gedanken weiter Mirjam: Helfen. […] Elena: Dass der tut das Boot nach vorne pusten Vic?: So stark mit Puste? Ich hab nicht mal so viel Puste. Elena? Mirjam?: Äh, der ist ja groß, der kann des machen.

Mitten hinein in eine Aufzählung der bisher eingebrachten Lösungsvorschläge durch die Lehrperson, die erstens dazu dient, allen Kindern den Überblick über das theologische Gespräch zu ermöglichen sowie zweitens eventuell zwischenzeitlich unaufmerksamen Kindern hilft am Ball zu bleiben, unterbricht eine Schülerin mit einem Zwischenruf, der zeigt, wie stark sie durch die Idee eines Mitschülers in ihrem Denken angeregt ist sowie in ihrer Entscheidung für den Ausgang des Dilemmas beeinflusst wird. Sie verweist damit auf die Aufgabe, nach dem Gespräch ein eigenes Ende für die Dilemmageschichte zu finden. L: Also verschiedene Möglichkeiten, wie er helfen könnte. Die Linnea sagt, der Jesus fährt raus mit nem Boot und rettet sie. Andere Kinder haben gesagt, Gott hilft ihm, weil Gott ›pustet‹ sie vielleicht an den Strand. Mirjam: Ja, des will ich hinschreiben. L: Und die Mareike hat gesagt, weil der Jesus der Sohn ist, weil Gott der Papa ist und es

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

[sind] ja die Freunde von seinem Sohn quasi, die in Gefahr sind. Wer hat noch ne Idee, wie’s weitergehen könnte.

Interessanterweise wählen im Anschluss an das Gespräch mehrere Kinder diesen Lösungsvorschlag. Ob sie durch die Idee an sich oder durch die Intervention der Schülerin dazu angeregt werden bleibt im Dunkeln. Im folgenden Beispiel zeigt sich, dass Ko-Konstruktion manchmal einseitig ist. Mareike denkt an Elenas Idee weiter und bringt eine neue Variante ein. Zwei weitere Kinder greifen das Thema auf, wenn auch durch eine alltagsbezogene Frage, die die Ursprungsidee nicht weiterführt. Elena aber, die zuerst spricht, wählt eine andere Möglichkeit, ihren Ursprungsgedanken weiterzuentwickeln ohne auf die Einwürfe der anderen Schülerinnen und Schüler einzugehen. Elena: Dass, dass der Jesus da rüber springt oder dass der Jesus das Boot zum Strand lenkt. L: Mhm. Also du meinst, der Jesus schafft des irgendwie in des Boot. Und kommt dann mit denen zurück. Mareike: Tauchen. L: Die Mareike meint tauchen. Was meinst du, wie kommt er hin? Jonas: Hatten die da schon Taucheranzüge? Elena: Er kommt mit nem Boot hin. L: Er geht mit nem Boot hin, okay? Vic: Hatten die da schon Taucheranzüge oder was?

Interessant ist auch folgende längere Gesprächspassage in der zwei Gedankenstränge auf den ersten Blick in Konflikt miteinander stehen. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass beide Erklärungsansätze von jeweils unterschiedlichen Kindern weitergeführt werden und sich parallel entwickeln, gerade ohne miteinander in Konflikt zu geraten, nämlich »Gott ist im Himmel und sieht Jesus von oben« sowie »Gott ist in Jesus und hört ihn«. An dieser Stelle laufen demnach zwei parallele Ko-Konstruktionsprozesse ab. Zitiert werden nur Gesprächsausschnitte. L: Wie merkt denn Gott, was da jetzt grade passiert? Mia: Weil der sieht des aus dem Himmel Vic: Aus was? Ich hab nichts verstanden. Mia: Aus dem Himmel sieht des der. Vic: Vielleicht guckt er grad dahin, wo Jesus ist, weil des ist ja sein Sohn. Mirjam: Vielleicht vielleicht sprecht der der Jesus spricht mit seinem inneren Geist und des hört Gott. […] Der Geist, dann sagt zu Gott immer der Geist. Michael: Er sieht des. Christopher : Ähm. Weil er im Himmel wohnt und dann die Wolken zur Seite schiebt und dann kann er runtergucken.

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Linnea: Weil er vielleicht so irgendwie in Jesus drinne is? […] Dass Jesus, dass er’s hört, wenn Gott hört’s, wenn Jesus was spricht. Noah: Dass der ein Fernrohr hat und dann runtergucken kann wie das Christkind und der Weihnachtsmann. Mareike: Der betet zu Gott und der Gott hört des und der Jesus, hört des, was Jesus sagt zu Gott. Linnea: Dass Jesus sagt, also, was da grade los ist. Vic: Ich weiß, wie Jesus zu Gott sprechen könnte. Der könnte die Bewegungen machen. […] Ich meine so wegschieben (zeigt große Armbewegungen – Schülerin scheint davon auszugehen, dass Gott Jesus nicht hören, sondern von oben, also vom Himmel aus, passende Bewegungen sehen muss, um reagieren zu können, erst auf die bedauerlicherweise suggestive Nachfrage der Lehrerin nennt sie eine Möglichkeit, die dem zweiten Gedankenstrang entspricht.) L: Du meinst, Gott versteht ihn nur, wenn er Bewegungen macht? Vic: Auch wenn er spricht. Michael: Er nimmt ein Mikrophon. (Schüler scheint davon auszugehen, dass Jesus eine große Distanz überwinden muss, was nur durch ein Mikrophon ermöglicht wird, entspricht nicht dem inneren Sprechen eines Gebets)

Interessant ist, dass die Kinder, welche die Auffassung vertreten, Jesus könne irgendwie innerlich mit Gott sprechen, deutlich größere Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken zu äußern, vgl. den Gesamtgesprächsverlauf mit Rückfragen der Lehrerin. Offenbar gehen sie gedanklich neue Schritte, die sich noch nicht so leicht ausdrücken lassen. Das entspräche auf der einen Seite dem von Büttner herausgearbeiteten christologischen Entwicklungsverlauf, dem gemäß das Gebet als zentrales Kommunikationsmedium erst auf einer fortgeschrittenen Stufe zu erwarten ist. Es zeigt aber gerade auch, dass Gesamtentwicklungsverläufe das Alter betreffend nicht statisch gesehen werden dürfen. Büttner lokalisiert diese theologische Denkweise in den Klassen 4 – 7, was der allgemeinen durch Büttner beschriebenen christologischen Denkentwicklung entspricht. Die drei Erstklässler sind dem durchschnittlichen theologischen Denken ihrer Altersgruppe demnach weit voraus. Das zeigt die individuelle Verschiedenheit von Entwicklungsverläufen.910 Ganz vorsichtig kann darüber hinaus auch interpretiert werden, dass sich hier drei Kinder gefunden haben, die ko-konstruktiv einen neuen Gedanken entwickeln, wobei sie viel Unterstützung durch die Lehrerin erhalten, welche stetig rückfragt und versucht, die Gedanken zu klären.911 910 Vgl. zum entwicklungspsychologischen Gesamtverlauf bei Büttner, Jesus hilft, 266. 911 Vgl. dazu den Gesamtverlauf des Gesprächs in 7.2.1, nicht den Abschnitt zum ko-konstruktiven Gesprächsverhalten, da hier nur die Kindergedanken aufgenommen und die Lehreräußerungen ausgelassen sind.

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In besonderer Weise sollen die Gedankengänge von Mirjam beleuchtet werden, die sagt: Vielleicht vielleicht sprecht der der Jesus spricht mit seinem inneren Geist und es hört Gott. L: Wie meinst du mit seinem inneren Geist? Erklär des mal. Mirjam: Der Geist, dann sagt zu Gott immer der Geist.

Könnte es sein, dass hier eine frühe Form der Überwindung der Materialisierung des Seelisch-Geistigen vorliegt? Gemäß der Entwicklungstheorien neigen Erstklässler zwar dazu, Gott antropomorph zu denken. Dass dies jedoch individuell verschieden ist, ist heute klar. Nach Grom liegt das außer am konkreten Denken auch an der Personenvorstellung des eigenen Selbst.912 Solange das eigene Ich mit einem sichtbaren Leib gleichgesetzt wird, wird auch die Vorstellung von Gott an dieses Konzept assimiliert. Erst wenn es gelingt, das eigene Denken und das eigene Ich immer mehr als immaterielle Wirklichkeit zu erkennen, gelingt es auch, Gott als »unkörperliches, geistiges, aber reales Du«913 zu fassen. Jedenfalls probiert Mirjam diese Stufe nur aus, das zeigen die Schwierigkeiten, ihre Gedanken in Worte zu fassen, die zweifache Verwendung des Wörtchens ›vielleicht‹ und ein Statement ihrerseits im Zuge der Diskussion wo Gott wohnt. Diese Aussage ist am ehesten der Stufe des Anthropomorphismus mit transzendenzbewussten Anteilen zuzuordnen. Anthropomorph wegen der Menschen ähnlichen Hände, transzendent, weil Gott riesig, das Weltall füllend gedacht wird, nicht wie im massiven Anthropomorphismus in Menschengröße. »Ich würde sagen [er wohnt] im Weltall, weil da in einem Lied im Kindi sagt er, der hält die Welt nur in Händen.«

7.2.2.5 Konstruktionsergebnisse der Schüler/innen auf der Basis von Dilemmageschichte und theologischem Gespräch914 Von besonderem Interesse sind die Konstruktionsergebnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler, die sich in einer Freien Schreib- und Malaufgabe im

912 Vgl. zum gesamten Gedankengang Grom, religionspädagogische Psychologie 132 – 135. Vgl. auch die von Grom angeführte empirische Studie von Laurendeau und Pinard, die im Gegensatz zu Piaget nachweisen können, dass die Fähigkeit, das eigene Ich als immaterielle Wirklichkeit zu erfassen schon mit 6;5 Jahren beginnen kann, nicht erst mit 11 Jahren. 913 Grom, religionspädagogische Psychologie, 134. 914 Bei der Beschreibung und Deutung der Kinderarbeiten handelt es sich keineswegs um eine professionelle Analyse sämtlicher Details, die im Rahmen der vorliegenden umfassenden Gesamtstudie nicht leistbar wäre, sondern um eine in erster Linie inhaltliche Interpretation nur unter dem Blickwinkel der Ko-Konstruktion.

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Anschluss an das theologische Gespräch niederschlagen.915 Jedes Kind gestaltet ein für sich stimmiges Ende der Dilemmageschichte. Es ist davon auszugehen, dass jedes Kind auf der Basis der Geschichte sowie seines Vorwissens eine mögliche Fortsetzung konstruiert. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass das theologische Gespräch, in dem verschiedene Gedankengänge insbesondere durch die Protagonisten verfolgt, diskutiert, verworfen werden, einen Einfluss auf das Konstrukt des einzelnen Subjekts hat, vgl. dazu noch einmal den Einwurf einer Schülerin während die Lehrperson mehrere im Gespräch auftauchende Optionen zusammenfasst: Mirjam: »Ja, des will ich hinschreiben.«

Mirjam schreibt: Jesus sagt: »Mach die Wolken weg. Gott, mach die Wolken weg.«

Offensichtlich hat Mirjam die im Gespräch offerierte Lösung der Geschichte am Ende zumindest teilweise übernommen. Wie Bild und Text zeigen, hat sie sich tatsächlich für die offerierte Variante der Rettung durch Gottes Eingreifen in Form des Wolken Wegpustens/-schiebens entschieden, die ja sehr früh im Gespräch aufgegriffen wurde. Sie hat aber darüber hinausgehend eine weitere Idee, die später von einigen Kindern diskutiert wird und zu deren Entwicklung sie 915 Die freien Schreibversuche der Kinder werden orthographisch korrigiert. Das gilt auch im Folgenden.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

selbst beiträgt, dass nämlich Jesus innerlich mit Gott spricht und ihn bittet/ auffordert, zu handeln, mit aufgegriffen. Hier wird exemplarisch deutlich, wie zwei Gedankengänge aus dem Gespräch Einfluss auf das Denkkonstrukt eines Kindes genommen haben. Die Schülerarbeiten im Überblick Betrachtet man alle Schülerarbeiten im Überblick916 fällt auf: Alle Kinder wählen ein gutes Ende der Geschichte, denken also finalistisch. Entscheidung für Jesu rettendes Handeln 8 Kinder entscheiden sich für ein direktes Eingreifen Jesu. Dabei ist einem wichtig, zu betonen, dass die Kinder Jesus auf die Not seiner Freunde aufmerksam machen. 5 wählen einen relativ realistischen Ausgang, in dem Jesus als Mensch, evt. besonderer Mensch wahrgenommen wird. (Jesus schickt ein Boot aufs Meer (1), er fährt selber hinaus (3), er fährt mit anderen Leuten hinaus (1)), 2 Kinder lassen Jesu auf übermenschliche Art eingreifen. (Jesus pustet die

Lotta lässt die Lehrperson schreiben: Jesus rettet die. 916 Es sind insgesamt 17 Schülerarbeiten auswertbar. 1 Kind fehlte an diesem Tag krankheitsbedingt. 2 Kinder wurden nicht mit ihrem Bild fertig, so dass eine eindeutige Auswertung erschwert war, 1 Kind hat sein Bild mit nach Hause genommen, statt es wie vorgesehen und im Religionsunterricht üblich, in seinem Portfolio abzuheften. Es konnte im Nachhinein nicht mehr aufgefunden werden.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Wolken weg (1), Jesus pustet das Boot zum Strand (1)) Ob hier Jesus als wahrer Gott gesehen wird oder eine in diesem Alter durchaus noch übliche Schwierigkeit, Gott und Jesus different wahrzunehmen917, aufscheint, kann nicht geklärt werden. 1 Kind lässt offen wie Jesus hilft, konstatiert nur, dass er helfend eingreift. Ein Kind begründet Jesu Handeln zusätzlich (weil er sie retten will). Entscheidung für Gottes rettendes Handeln mit und ohne Kommunikation mit Jesus 1 Kind lässt Gott handeln ohne vorherige Kommunikation mit Jesus, allerdings motiviert durch die Tatsache, dass es sich um Jesu Freunde handelt. Es ist nicht sicher, ob es sich um eine Gott-Jesus-Verwechslung handelt und eigentlich Jesus als der übermenschlich Handelnde gemeint ist oder ob tatsächlich Gott der Rettende ist. 8 Kinder entscheiden sich für eine Kommunikation zwischen Jesus und Gott, in der Jesus Gott bittet / auffordert, einzugreifen, wobei 6 Kinder Gott dann auch als ausschließlich Handelnden begreifen. Nur 1 Kind wählt die Kommunikation als Ermächtigung, bzw. Hilfe für ein Handeln Jesu. (Jesus kommt mit einem Boot) und 1 Kind kombiniert die Aufforderung an Gott, zu helfen, mit einem Bild, das Jesus im Boot zeigt. 5 Kinder sehen im Wegpusten der Wolken durch Gott die Lösung. Nur 3 Kinder lassen auf die Bitte / Aufforderung Jesu an Gott auch eine Reaktion, bzw. Antwort Gottes folgen (Gott tut es (1), Papa tut es (1), Mein Sohn, ich helfe deinen Freunden (1)) Es ist aber anzunehmen, dass alle Kinder vom Handeln Gottes ausgehen, im Bild jedoch nur eine Momentaufnahme dargestellt werden kann, nämlich die Bitte/Aufforderung.

917 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 266.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Bildbeispiel für Bitte Jesu an Gott und anschließendes Handeln Gottes Vics Bild ist noch aufschlussreicher. Gott ist eindeutig im Himmel lokalisiert. Über den Wolken, die ein antropomorph dargestellter Gott tatsächlich wegpustet (vgl. offener Mund Gottes, Pfeile) ist ein dunkler Nachthimmel dargestellt. Jesus ist deutlich größer dargestellt als die Menschen am Strand und im Boot und hebt sich auch durch seine Kleidung ab. Er ist eindeutig als ›besonderer Mensch‹ gezeichnet. Seine Arme reckt er zu Gott empor, während Gottes Arme zu ihm hinunterreichen. Die Arme Gottes und Jesu sind orange gemalt, obwohl die Kleider eine andere Farbe haben und die anderen Menschen andersfarbige Arme. Auch die Haare sind nur bei Gott und Jesus blond gefärbt. Das erweckt – vorsichtig interpretiert – den Eindruck einer bewusst gestalteten besonderen Verbindung zwischen Gott und Jesus, auch wenn beide Gesichter perspektivisch dem Betrachter zugewandt sind, was einer altersgemäßen Zeichenfertigkeit entspricht.

Vic schreibt: Jesus sagt zu Gott: »Kannst du die Wolken bitte wegblasen?« Gott tut es.

Lernprozesse von Schüler/innen in einem ausgewählten theologischen Gespräch

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Bildbeispiel: Jesu Bitte an Gott kombiniert mit Jesus im Boot In Charlottes Bild wird im Text die Aufforderung Jesu an Gott dargestellt, von dem wohl auch die Lösung des Dilemmas, sprich die Rettung erwartet wird. Gleichzeitig wird im Bild Jesus im Boot gemalt, der selbst den Sturm stillt, vgl. die ausgebreiteten Arme oder den Freunden beisteht? Oder handelt es sich um Teamwork von Vater und Sohn? Das ist letztlich nicht genau zu klären.

Charlotte schreibt: Jesus sagt: »Vater drück die Wolken weg.«

Fazit: Es zeigt sich, dass sich die beiden Hauptgedankenstränge aus dem Gespräch auch in den Bildern/Texten der Schülerinnen und Schüler niederschlagen.

7.2.3 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum Selbstverständlich findet ein und dasselbe theologische Gespräch nie genau gleich statt. Es gibt jedoch zu einer bestimmten Thematik verschiedene Gesprächsmodule, die erfahrungsgemäß immer wieder auftauchen. Für die Lehrkraft ist es hilfreich, sich im Vorfeld auf mögliche Gesprächsaspekte einzustellen, um Denkwege der Kinder erkennen und flexibel sowie altersgemäß darauf reagieren zu können. Das Vorstrukturieren eines theologischen Gesprächs bedeutet ja nicht, die Kommunikationsmöglichkeiten einzugrenzen, sondern an-

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

tizipierend Orientierungspunkte zu bieten. Ziel ist nicht das Aufzählen einer akribisch zu erfüllenden Vorlage, sondern das Aufweisen logischer und altersgemäßer Denkstrukturen. »Eine Flexibilisierung und weitere Vernetzung der theologischen Wissensstrukturen, die es der Lehrkraft erlauben, Schüler/innenbeiträge in ihrer Argumentationstendenz zu verorten und klarer zu profilieren. Sie kann so gezielt und weiterführend auf Beiträge eingehen.«918 – Geschichte geht gut aus = Finalismus: Ein negatives Ende ist in dieser Altersstufe nicht zu erwarten, kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden – Jesus hilft allein 1. Er nimmt sich ein kleines Boot, fährt hinüber, steigt um und kommt dann mit den Freunden und deren Boot zurück. Alternativ : er springt hinüber bzw. taucht hinüber (alle Varianten im Gespräch gewesen), alle Varianten im Rahmen der theologischen Interpretation Jesus ist ein besonderer Mensch, der Besonderes leisten kann 2. Jesus geht übers Wasser und hilft seinen Freunden (möglicherweise Vorwissen aus biblischer Geschichte) – dann eventuell Gesprächsfortsetzung: Wieso kann Jesus das? Das kann doch sonst keiner. Ist Jesus mehr als ein besonderer Mensch? Ist er wie Gott? Gottes Sohn? – Gott hilft Jesus 1. Begründung für Gottes Einschreiten: Gott hilft Jesus, weil Jesus sein Sohn, Kind ist. Alternativ : Gott und Jesus sind heilig 2. Gott hat vom Himmel aus gesehen, was geschieht. Die Erklärungen dafür reichen von antropomorphen – Gott hat ein Fernrohr und kann runtergucken, wohnt im Himmel – über – schiebt die Wolken zur Seite – zu theologischen Begründungen – Gott sieht immer besonders auf seinen Sohn Jesus – – Möglicher Exkurs: Wo wohnt Gott? Wohnt er im Himmel? – Möglicher Exkurs: Ich hab ihn dort noch nicht gesehen. Gibt es Gott überhaupt? 3. Jesus spricht innerlich mit Gott, betet zu Gott – Gott ist in Jesus, ihm ganz nah, hört was er spricht. (Einige wenige Kinder sind bereits in dieser Altersstufe in der Lage, in diese Richtung zu denken, allerdings scheinen ihre Äußerungen noch ungelenk und bedürfen der Nachfragen und hilfreichen Impulse durch die Lehrkraft, die zugleich beachten muss, dass diese Idee vielen Schülerinnen und Schülern noch unverständlich scheint – Übersetzen der noch ungeordneten Kindergedanken in einfache Worte, 918 Roose, Wieso, 144.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Stärken der noch neuen Ideen, damit Kinder sich trauen, auch Neues zu äußern)

7.3

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen: »Kreuzigung Jesu« – Klasse 1

7.3.1 Gesprächsprotokoll a) Spontanes Theologisieren über die Kreuzigung Julia Vic L

Meine Freundin, [die ….], die hat gesagt, dass Jesus angenagelt wurde. Aber erst als er erwachsen war, nicht als er ein Baby war. Die Vic sagt, erst als er erwachsen war, nicht als er ein Baby war. Was sagen die anderen? Mirjam Ich hab die goldene Sonne da gemacht. (bezieht sich auf die Kerze) L Ja, okay, aber lasst uns mal ne Antwort auf die Frage von der Julia finden. Elena Ich denke, dass er als Erwachsener ans Kreuz genagelt worden ist. Michael Ich weiß es ganz genau, als erwachsen, Erwachsener. […] Als er erwachsen war. L Okay. Wer weiß noch was dazu? Viele Erwachsen. Einzeln Als er klein war L Okay. Hast sie gesagt, als er erwachsen war oder hast du gedacht als er ein Baby war. […] Hast du das vorher noch gar nicht gehört gehabt, war des was Neues für dich, Julia? (Julia: Was?) Hat dich das überrascht, dass sie dich das gefragt hat? Julia Die hat mir’s nur erzählt, die hat mich nicht gefragt. L Und dann hast du dich gewundert oder hast du des schon gewusst. Julia Des hab ich noch net gewusst. L Da hast du dich gewundert. Okay. Das ist aber die Geschichte von Ostern. Was passiert denn, nachdem Jesus ans Kreuz genagelt war? Julia, sag selber. Julia Dann ham die, dann ham die ihn wieder freigelassen, weil sie gedacht haben, er wär tot und dann ist er als schwarzer Geist rum. L Ah, wer kann … Hat des dir [deine Freundin] erzählt? Okay, dann hat’s die … nicht genau gewusst. Michael Ich weiß es ganz richtig. L Jetzt erzählen es dir die Kinder hier ein bisschen. Linnea Die … Als er ans Kreuz genagelt wurde, ham die den auch so in nen Grab gebracht und nen Stein davor gerollt und am nächsten Tag war der Stein zur Seite gerollt. L Ja, wer möchte noch mal ergänzen? Franziska Und dann war der Jesus weg. L Dann war der Jesus nicht mehr im Grab, okay. Michael Und dann war da ein Engel am Grab. L Aha. Und? Wer kann weitererzählen? Mirjam Dann kamen drei Frauen.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Mirjam L Mirjam L Florian L Florian Michael L Mareike L Drei -Vier L Mareike L Mareike L

Die drei Frauen kamen auch – genau – und haben den Engel gesehen. Warum waren die denn da? Warum sind die überhaupt gekommen? Weil sie gucken wollten, ob der Stein noch davor gerollt ist. Ja. Beinahe. Was wollten die denn machen, die drei Frauen? – Hören wir dann noch, wenn wir die Ostergeschichte machen. Das Grab anschauen. Aha. Das Grab anschauen. Und dann? Was hat der Engel denn gesagt zu den Frauen? … Was hat der Engel gesagt zu den Frauen. Ja, … Ja, dann sag’s. Guck mal, die Julia will’s nämlich gerne wissen (Einwurf eines Schülers: Ich auch). Die hat von ihrer Freundin bisschen was gehört, was nicht ganz richtig ist. Jetzt müssen wir kurz ihr helfen, dass sie weiß. Ich weiß eigentlich gar nicht. L: Also. Michael, weißt du’s? Der hat gesagt, dass Jesus auferstanden ist. Mhm. Was ist denn auferstanden? Dass er aufgestanden ist und weggelaufen ist. Dass er gar nicht mehr im Grab ist und er gar nicht mehr … Tot ist Genau. Dass er gar nicht mehr tot ist und gar nicht mehr im Grab ist. Da ist er nämlich wieder auferstanden, aber nicht als schwarzer irgendwas, sondern einfach wieder auferstanden. Und hat ihn dann jemand gesehen? Nein. Dann hat der Engel den Stein weggeschoben … und ihn wieder zum Leben gemacht. Okay. Und wer hat dem Engel gesagt, dass er des machen soll? Der Gott? Okay. Wollte die Linnea das auch sagen? Gott. Okay. Also wollte Gott, dass Jesus wieder am Leben ist. Okay. Und da ist er wieder auferstanden. Okay. Das kannst du [deiner Freundin] sagen. Okay. Erzählst ihr mal davon.

Gesprächsprotokoll b) »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?«919 – Klasse 1 L Franziska

Also, jeder, der etwas weiß zu dem Kreuz und was das Kreuz mit Jesus zu tun hat, erzählt immer ein bisschen und dann erzählt jemand anderes weiter. Was weißt du, Franziska? Der wurde ans Kreuz genagelt.

919 In der Mitte des Sitzkreises liegt ein aus Ästen gefertigtes Kreuz auf einem dunklen Tuch. Darunter liegt ein gelbes Tuch. Das dunkle Tuch symbolisiert Trauer und Tod, das gelbe – noch nicht sichtbare Tuch – Auferstehung und Freude.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung L Franziska L Jonas 2 – 3 Sch. L Noah L Noah Viele L Einzelne L Sophia L Sophia L Sophia L Franziska L Elena L Elena L ? L Vic L Linnea L Vic

Mhm. Okay. Meine Oma hat en Kreuz mit nem Mensch da dran. Deine Oma hat so ein Kreuz, wo, wo so ne Figur hingehängt ist, die den Jesus darstellt? Okay. Und da hast du’s schon mal gesehen. Mhm. Gut. Ah, Was kannst du erzählen, Jonas. Und dann, und dann wurde er festgenagelt. Oh / des tut weh (gemurmelt) Mhm. Okay. Noah, was weißt du? Wo die Jesus aufgeweckt haben. Okay. Wer ist die? Die waren weiß. Engel Mhm. Und wer könnte des gewesen sein? Engel Viele rufen Engel, könnte des sein? [Einzelne nicken] Okay. Sophia, was weißt du? Die Freunde. Welche Freunde? Von dem Jesus. Was haben die gemacht? – - – - – Was denkst du? Ihn wieder aufgewacht, -weckt. Mhm. Okay. Das denkst du – die Freunde. Was denkst du, Franziska? Hm. Ich denk der Engel. Der Engel hat ihn aufgeweckt. Okay. Mhm. Ähm. Und die Freunde, weil der Jesus gesagt hat, die sollen sagen, wo er ist. Dann ham die Soldaten ihn ans Kreuz genagelt. Wer hat das gesagt. Erzähl noch mal. Wie war das mit den Freunden, wer hat des gesagt, wo er ist? Der Jesus hat gesagt, dass, dass, dass die Freunde ihn verraten sollen, weil er, weil der ans Kreuz genagelt. Mhm. Und haben alle Freunde ihn verraten oder wie war das? Ne, nur einer. Nur einer? Des wollt die Vic auch sagen. Okay. Mhm. Wer weiß davon was, von dem, was die Elena gerade sagt, mit dem Freund? Wer weiß denn davon? Ich weiß. Ich war mit ihr im Kindergarten, also weiß ich’s. Okay. Gut. Und wie ging’s dann weiter? Linnea, was weißt du? Dass, da ham se zusammen gegessen und auf einmal hat’s der eine gesagt. Mhm. Genau. Dass sie zusammen gegessen haben, das ham wir ja letztes Mal schon besprochen. Gell, dass der Jesus das Brot geteilt hat mit seinen Freunden und gesagt hat, sie sollen Häh (genuschelt) gehen wir jetzt wieder zurück?

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L

Franziska L Franziska L Mia

L Mirjam L Mareike L Vic Mareike L

Christopher L Christopher L Christopher L Christopher L Michael L

Ja, des gehört auch einfach zu der Geschichte dazu, Vic. …dass der Jesus gesagt hat, wenn ich mal nicht mehr da bin, werd ich trotzdem bei euch sein. Aha. Was weißt du noch, Franziska? Die sind mal zu dem Stein gegangen und wollten schauen, ob der Jesus noch da liegt und dann war er nemmer da, nur der Engel und der hat gesagt, dass er wieder auferstanden ist. Okay. Woher weißt du des? Weiß ich nicht. Weißt du nicht. Mia, was weißt du denn? Und dann, wo die zusammen gegessen haben, dann ist einer weg gegangen und dann hat der’s denen verraten und dann war, war der Jesus draußen (L: mhm) und dann hat er den einen auf die Backe geküsst, dann sind die Soldaten gekommen und ham ihn festgenommen. Mhm. Okay. Und dann war nur noch der Stein offen. (L. Mhm) bei der Höhle. Was wollte denn die Mareike sagen. Haben die anderen des alles schon gesagt, was du sagen wolltest? (M: Nein) Was wolltest denn du noch sagen? Ich glaub, ähm, des Kreuz ist da, weil dass er tot ist und da ist noch was gelbes drunter. Mhm. Da drunter ist gelb. (Bodenbild besteht aus Holzkreuz auf dunklem Tuch, darunter ein gelbes Tuch verborgen, bzw. offensichtlich nur fast verborgen) Und des heißt glaub ich, dass er wieder auferstanden ist. Mhm. Okay. Da wisst ihr ja schon einiges aus der Geschichte. Weiß jemand noch was, was die anderen jetzt noch nicht gesagt haben, was alles so geschehen ist, bevor Jesus da gestorben ist am Kreuz. Weiß noch jemand irgendwas, was vielleicht noch passiert ist. Dann wurde er entführt. Dann wurde er entführt. – - Wie meinst du entführt? Oder wurde zu je-, zum, mir fällt grad nicht der Name ein, aber der durfte nur, veran- also machen, dass jemand tot wird. Was, das hab ich jetzt nicht verstanden. Was, was durfte der machen? Sag’s mal noch mal schnell. Der durfte nur sagen, dass der tot wird. Ach, du meinst den Pilatus? Ja Ach so, der Pilatus, des war der römische Statthalter zu der Zeit damals. Der, der war derjenige quasi, der gesagt hat, dass der Jesus gekreuzigt wird. Oder das meinst du. Okay. Mhm. Gut. Was weißt du noch, Michael. Der musste sein Kreuz tragen. Mhm. Okay. Was weißt du noch Vic?

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung Vic L Michael L Michael L Michael L Viele L ? Linnea L Elena L

L Elena L Mehrere L Sophia L Sophia L

Sophia ? L Linnea

Frau …. [Erzieherin im Kindergarten], die hat uns des mal vorgelesen. Da kam auch irgendwas mit so nem Garten vor. (L: Mit nem Garten? Okay) Ich weiß aber nicht mehr so ganz genau. Weiß vielleicht noch sonst jemand was von dem Garten? Das stimmt, es kommt auch ein Garten in der Geschichte vor. Weiß jemand etwas von dem Garten oder was Jesus in dem Garten gemacht hat? HH. Ich weiß es. Was weißt du? Gebetet. (L: Mhm) Und dann kamen die Soldaten und ham ihn …. Und wieso hat vielleicht Jesus da noch mal gebetet in dem Garten, was denkt ihr? Weil er nicht sterben wollte. Mhm. Und mit wem hat er da gesprochen. Mit Gott. Mhm. Okay. Wollt ich grade auch sagen. Mit Gott. Mit Gott hat er gesprochen. Genau. Elena, was willst du noch sagen? Ähm. Und der hat von den Soldaten so einen Dornenkranz auf den Kopf bekommen. Eine Krone aus, geflochten aus Dornen. Mhm. Okay. (Christopher : Tut das weh?) Ihr wisst ja schon ganz ganz ganz ganz viele Sachen. Hat jemand von der Geschichte noch gar nichts vorher gewusst oder wusste jeder schon irgend ein bisschen. Mhm. Okay. (Elena meldet sich) Ne, des stimmt nicht, Elena. Du hast ja ein paar Sachen gesagt. Ja, die wusst ich vom Kindergarten. Okay. (äußern sich durcheinander) Wass möchtest du noch sagen? Meine Schwester war da mal bei so nem Kreuzweg, da war des, so ein Kreuzweg. Ihr wart bei einem Kreuzweg? Ja, an Ostern. Ah ja. Okay. Und da warst du auch oder nicht, weil du warst krank, aber einer von euch beiden hat mir erzählt (bezogen auf das Vorschulinterview – zwei Kinder berichteten davon, dass der Kindergarten einen Kreuzweg gemacht hätte)), des wäre gewesen, aber er sei krank gewesen. Warst du diejenige die krank war und du diejenige, die mitgegangen war. Ich war krank. (L: Okay) Und meine Schwester ist mitgegangen. (L: Okay. Warst du dann auch? ) Was ist ein Kreuzweg? Was ist das? Weiß des jemand? Kreuz weh?

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Sophia L

Julia L

Vic L Viele Vic L Florian

Also da gibt’s quasi einen Weg. Da kann man entlang laufen und dann verschiedene Bilder. Du weißt es, Sophia? Du kannst es erzählen In ne Kirche geht man da. Ja, also man kann es, manchmal ist es in der Kirche und manchmal ist es aber auch außen in der Natur. Und da gibt’s verschiedene Bilder, die einfach die Geschichte vom Ende Jesu erzählen, von dem Ende, das eigentlich ein Anfang war. Genau. Julia, was wolltest denn du vorher noch sagen? Du hast dich vorhin auch noch gemeldet. Hat des schon jemand anderes zwischendurch gesagt, was du sagen wolltest? – Kannst du noch mal sagen, was es war, das du sagen wolltest? – Weißt grad nicht mehr, okay. Jetzt mal noch mal kurz für die Kinder, die nicht die Geschichte kennen, fasse ich sie ganz kurz zusammen. Also, die Geschichte fängt da an, wo Jesus quasi mit seinen Freunden nach Jerusalem geht. Und das haben wir ja letztes Mal gesehen, da haben sich sehr viele Menschen gefreut. Ganz viele Menschen haben sich gefreut. Haben die Palmen von den, äh Blätter von den Palmen gerissen und damit gewunken und sie auf die Straße gelegt und Kleider auf die Straße gelegt, haben sich gefreut und haben gerufen: Juchu, Jesus kommt zu uns. Das ist sicher der neue König, weil mit dem wird alles gut. Der heilt die Menschen, der Jesus macht Wunder. Wenn der Jesus zu uns kommt, dann wird alles gut sein. Und ham sich ganz arg gefreut. Das waren viele Menschen, die sich gefreut haben. Und sie haben gehofft, dass mit Jesus alles besser wird, weil Jesus ja auch der Sohn von Gott ist. Aber es gab auch ein paar Menschen, das waren nur wenige, ein paar die mochten Jesus nicht leiden. Und leider waren gerade diejenigen, die Jesus nicht so gut leiden konnten und nicht verstehen, verstanden haben, wer der Jesus ist und dass er jemand ganz besonderes ist, leider waren das gerade die Menschen, die besonders viel Macht hatten und besonders viel Einfluss hatten. – - – Und die ham nicht verstanden, dass Jesus der Sohn von Gott ist oder wollten es nicht glauben. Und dann ham sie den römischen Soldaten gesagt, dass sie ihn gefangen nehmen sollen. Und dann, als der Jesus nach der Feier mit seinen Freunden, wo er noch gegessen hatte und getrunken hatte mit seinen Freunden, in dem Garten war wo er dann gebetet hat mit Gott und einfach noch mal ganz vertrauensvoll mit Gott gesprochen hat, da kamen dann die römischen Soldaten und haben ihn gefangen genommen. Und dann hat der Pilatus ihn zum Tode verurteilt und dann wurde der Jesus gekreuzigt. Was bedeutet verurteilt? Dann hat der Pilatus gesagt, dass der Jesus sterben muss. Muss? Warum? Muss? Soll. Soll. Genau, dass er sterben soll. Und dann wurde der Jesus gekreuzigt und dann ist der Jesus gestorben. Ist der Pilatus ein Kaiser?

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung L

Vic L Elena L Linnea L Mia L Mia

L

Jonas Elena Vic L Franziska Viele Linnea L Mareike

Das war ein Statthalter, der hat den Kaiser vertreten in dem Land. Das war nicht selber der Kaiser, aber des war …. Der Kaiser hatte ein ganz großes Reich, ein ganz großes Land, der konnte nicht überall selber sein, dann hatte er überall Leute, die ihn vertreten haben und in seinem Auftrag quasi Dinge gemacht haben. Das war der Pilatus, ein Statthalter. Was ist Vertreter? Das ist der im Auftrag von dem Kaiser hat der da alles Mögliche gemacht. (ermahnt eine Sch., aufzupassen) Ähm, warum wollte der, der des, dass der Jesus stirbt? Tja, ich glaub, der hat einfach nicht richtig verstanden, ähm, was für ein wichtiger Mensch der Jesus ist und dass er der Sohn von Gott ist—gell? Ich wollt fragen, ich hab’s schon vergessen. Okay. Was war denn wohl mit den Freunden von Jesus, als der Jesus gestorben ist? Die waren wieder ganz normal. Mhm. Wie meinst du das, ganz normal. Also eine ist ja immer da rumgerannt (L. Mhm) und dann hat die des immer weitergesagt und dann, wo der Jesus dann gestorben ist, und der Jesus war nimmer hinter dem Stein (mhm) und da hat die, dann ist die in das Haus rein, wo die anderen sind, (ah des) und hat des dann verraten, denen gesagt. Ah, das war schon viel später, was du sagst. Als der Jesus gestorben ist wie ging es denn den Freunden. Stellt euch mal vor, die waren ja Freunde von Jesus, wie ging’s denen wohl als der Jesus gestorben war. Was denkt ihr? Nicht gut. (L: Aha) Die waren ganz traurig. (L: Aha) Bei uns in in der Geschichte da stand, dass ähm, die waren traurig an dem Kreuz (Mhm) gestanden. (Ende unverständlich) Genau. An dem Kreuz selber waren nämlich die Frauen. Ein paar von den Freundinnen von Jesus ham ihn nämlich begleitet und waren ganz in seiner Nähe als er gestorben ist und die haben bestimmt geweint. Was liegt da Rosanes auf dem Boden? L: Des weiß ich auch nicht. Wo? (Schauen, abgelenkt vom Thema, Konzentrationsabfall) Ich hatte zuhause auch mal nen Fisch (Mhm) und der ist dann auch gestorben (Mhm) und da war ich auch traurig. Ja, des glaub ich, ja. Jetzt darf mal jeder (Lehrperson will die Glasperlen als Symbol der Tränen einführen) [ Gespräch dreht sich um Tränen] Was soll denn das sein, da unten?

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

7.3.2 Interpretationsversuche 7.3.2.1 Entwicklungspsychologisch und theologisch relevante Beobachtungen Keineswegs überraschend ist die hohe Gesprächsbeteiligung der Schülerinnen und Schüler. Sie spiegelt das Interesse an diesem nicht einfach zu verstehenden Thema ebenso wie die Tatsache, dass nahezu alle Kinder zumindest rudimentäres Vorwissen besitzen, vgl. dazu die Auswertung der Vorschulinterviews.920 17 von 18 Kindern wissen, dass Jesus gekreuzigt wird, immerhin neun, also die Hälfte der Probanden kennen das Detail des Annagelns, bzw. der Nägel. Nur 6 äußern im Zuge der Kreuzigung, dass Jesus stirbt. Ob die anderen dies voraussetzen ohne es zu versprachlichen oder ob ihnen die Todesfolge der Kreuzigung nicht klar ist, konnte dem Interview nicht entnommen werden. Weitere sechs, also ein Drittel, äußert, dass Jesus vom Kreuz runtergeholt/in Höhle, bzw. Grab gelegt wird. Andere Details (Dornenkrone, Mann, der [Tod] verhindern darf, aber dies nicht tut, Jesus trägt sein Kreuz, Berg, insgesamt 3 Kreuze, Stein vor dem Grab) werden in den Interviews nur sporadisch genannt. In die theologischen Klassengespräche bringt sich etwa ein Drittel der Kinder, überwiegend diejenigen, die kaum Vorwissen zur Thematik haben, nicht ein. Die verbliebenen zwei Drittel der Kinder tragen dagegen meist mit mehreren Beiträgen zum Gespräch bei. Interessanterweise sind bei dieser Thematik einige Kinder intensiv ins Gespräch eingebunden, die sich bei anderen Themen eher zurückgehalten haben. Dasselbe Phänomen zeigte sich bereits in der Auswertung der Vorschulinterviews. Auch hier ließ sich bei einigen Kindern ein hohes Wissen/Halbwissen bezüglich des Kreuzesgeschehens konstatieren bei gleichzeitig nur mittlerem bis schwach ausgeprägtem Gesamtwissen. Die bisher genannten Befunde stehen in auffallendem Missverhältnis zum Bildungsplan B-W für die Klasse 1/2, der eine Thematisierung des Kreuzestodes nicht aufgreift und ausschließlich die Auferweckung Jesu sowie die dadurch ausgelöste Osterfreude in den Blick nimmt.921 Dem Interesse der Kinder würde ein Aufgreifen und damit verbunden ein Ordnen ihres teilweise rudimentären, teilweise detaillierten, häufig jedoch noch unstrukturierten Vorwissens sowie ihrer Eigenkonstruktionen jedoch offensichtlich entsprechen. Es wäre aus didaktischer Sicht wünschenswert, die Kinder gerade bei dieser schwer ver-

920 Vgl. exemplarisch die Wissens- und Vorstellungslandkarten in Kapitel 8.x.1.3. Obwohl an dieser Stelle auf die Gesamtheit der 18 Probanden Bezug genommen wird, wurde entschieden, nur für sechs exemplarisch Wissens- und Vorstellungslandkarten zu erstellen. 921 Vgl. Ministerium, Bildungsplan, 28 f. Dimension Bibel: Schülerinnen und Schüler kennen eine Ostergeschichte. Dimension Jesus Christus: Schülerinnen und Schüler kennen die Geschichte von Jesu Auferweckung durch Gott und Themenfelder Feste im Kirchenjahr : Jesus Christus ist auferstanden: Osterfreude.

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ständlichen Thematik nicht mit ihrem eigenen z. T. (Un-) Verständnis des Geschehens allein zu lassen. Beachtenswert ist die Tatsache, dass die Zumutung des Kreuzestodes des erwachsenen Jesus von den Schülerinnen und Schülern offenbar wenig wahrgenommen wird. Für sie wäre es dagegen eine undenkbare Zumutung, wenn dem Baby Jesus etwas Schlimmes widerführe. Nahezu beruhigend klingt ihr Ausschluss der Möglichkeit, dem Kind Jesus könne ein Leid geschehen mit der schlichten Tatsache der Kreuzigung des Erwachsenen. Julia: Meine Freundin …., die hat gesagt, dass Jesus angenagelt wurde.922 Vic: Aber erst, als er erwachsen war, nicht als er ein Baby war. […] Elena: Ich denke, dass er als Erwachsener ans Kreuz genagelt worden ist. Michael: Ich weiß es ganz genau. Als er erwachsen war. […] Viele: Erwachsen.

Interessant ist, dass bereits in diesem jungen Alter einige Kinder die Ereignisse um Kreuz und Auferstehung offenbar als Einheit betrachten und wechselseitig darauf Bezug nehmen.923 Beispiel 1: Verschiedene Kinder vereinen Wissen um Kreuzigung und Auferweckung: Franziska: Der wurde ans Kreuz genagelt. L: Mhm. Okay. Franziska: Meine Oma hat en Kreuz mit nem Mensch da dran. L: […] Was kannst du erzählen? Jonas: Und dann, und dann wurde der festgenagelt. L: Was weißt du? Noah: Nur, dass die Jesus wieder aufgeweckt haben.

Beispiel 2: Kreuzigung und Auferstehung verschmelzen zu einer Einheit L: Was war denn wohl mit den Freunden, als Jesus gestorben ist? Mia: Die waren wieder ganz normal. L: Wie meinst du das, ganz normal? Mia: Also eine ist ja immer da rumgerannt und dann hat die des immer weitergesagt und als der Jesus da gestorben ist, und war nimmer hinter dem Stein, da ist die in das Haus rein, wo die anderen sind, und hat des denen gesagt.

922 Ergänzend muss erwähnt werden, dass die Äußerung des Kindes spontan ist, nämlich am 19. Januar, nachdem gerade die Geburt Jesu ausführlich thematisiert worden ist. Die anderen Kinder sind gedanklich wohl noch mit dem Kind Jesus befasst, noch wurde Jesus als Erwachsener nicht im Unterricht aufgegriffen. 923 Hier bestätigt sich die von Butt mit Viertklässlern gemachte Beobachtung für sehr viel jüngere Kinder, vgl. Butt, Auferstehungsvorstellungen, 259 f.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Beispiel 3: Kreuzigung und Auferstehung werden getrennt gesehen, aber aufeinander bezogen und jeweils mit einem Symbol, bzw. einer Farbe verknüpft Mareike: Ich glaub, das Kreuz ist da, weil der tot ist und da ist noch was gelbes drunter.(bezieht sich auf das Kreuz, das auf einem schwarzen Tuch liegt, an einer Ecke erkennt man, dass unter dem schwarzen Tuch ein gelbes Tuch verborgen liegt) L: Mhm. Mareike: Und des heißt glaub ich, dass er wieder auferstanden ist.

Im hier dokumentierten Religionsunterricht wird dieses Aufeinanderbezogensein von Kreuz und Auferweckung bewusst gestärkt.924 Dem Gespräch darüber, was das Kreuz mit Jesus zu tun hat, folgt eine kurze die Aspekte des Gesprächs strukturierende Lehrererzählung. Danach versetzen sich die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe einer symbolischen Handlung in die Freunde Jesu hinein und äußern deren Gefühle der Trauer. Daraufhin schließt die Lehrkraft die Erzählung der Frauen, die zum Grab gehen und erfahren, dass Jesus auferweckt wurde, an. Dabei leitet sie direkt zur Osterfreude über, so dass Kreuz und Auferweckung, Trauer und Osterfreude sich innerhalb einer Doppelstunde komplementär, jedoch als Einheit gegenüberstehen. Obwohl diverse Forschungsergebnisse Grund zur Annahme geben, dass Kinder dieser Altersstufe sich nicht explizit für Jesus als historische Gestalt interessieren, sondern eher die konkreten Erzählungen in ihrem Fokus liegen, zeigen einige Kinder in diesem Gespräch deutliches Interesse an einer spezifisch historischen Fragestellung.925 In den Fokus des Interesses rückt der römische Statthalter Pilatus, der in eigenen Worten von einem Kind eingeführt wird, sinngemäß »Jesus wird zu dem entführt, der machen kann, dass jemand tot wird. Name ist entfallen, der nur sagen durfte, dass jemand tot wird«. Bemerkenswert ist dabei das historische Wissen des Erstklässlers. In ersten Ansätzen und Kinderworten erklärt er das Jus gladii, das tatsächlich den Römern – sprich in Jesu Fall Pilatus – vorbehalten war.926 Das Interesse einiger, z. T. sonst wenig beteiligten Kinder wird allerdings erst im zweiten Anlauf geweckt, als die Lehrperson das Vorwissen des Schülers in ihre Erzählung einbaut und die Tat924 Vgl. 11.4 Dokumentation des Religionsunterrichts zur Themeneinheit Jesus Christus in Klasse 1 und 2. 925 Vgl. in Kapitel 5.22 die Gegenüberstellung der Forschungsergebnisse von Kraft, Hanisch/ Bucher zu Englert. Auflösen lässt sich dieser scheinbare Widerspruch wohl dadurch, dass in dieser Unterrichtseinheit nicht Jesus der Galiläer (vgl. Englert, Stationen, 40) Ausgangspunkt war, sondern die Frage, was das Kreuz mit Jesus zu tun hat. Die historische Fragestellung kommt von den Kindern und wird in der konkreten Erzählung der Lehrperson aufgegriffen. D.h. sie wird nicht von außen an die Schülerinnen und Schüler herangetragen. Sie ergibt sich einfach dadurch, dass gerade an dieser Stelle historisch bedingte Situation und biblische Erzählung eng aufeinander bezogen sind. 926 Vgl. Theißen, Merz, historischer Jesus, 399.

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sache, dass Pilatus Jesus verurteilt und dieser daraufhin gekreuzigt wird aufgreift. Die Lehrperson muss daraufhin relativ detailliert erklären, welche Aufgabe Pilatus allgemein und welche Kompetenz er im Blick auf Jesus hat, wobei sich die historische mit einer theologischen Fragestellung überschneidet. Mehrere Nachfragen der Kinder signalisieren deren Interesse. L: Und dann hat der Pilatus ihn zum Tode verurteilt und dann wurde der Jesus gekreuzigt. Vic: Was bedeutet verurteilt? L: Dann hat der Pilatus gesagt, dass der Jesus sterben muss. Viele: Muss? Warum? Vic: Soll. L: Genau. Dass er sterben soll. Und dann wurde Jesus gekreuzigt und dann ist Jesus gestorben. Florian: Ist der Pilatus ein Kaiser? L: Das war ein Statthalter, der hat den Kaiser vertreten in dem Land. Das war nicht selber der Kaiser, aber des war… Der Kaiser hatte ein sehr großes Reich, ein sehr großes Land, der konnte nicht überall selber sein, dann hatte er überall Leute, die ihn vertreten haben und in seinem Auftrag quasi Dinge getan haben. Vic: Was ist ein Vertreter? L: Im Auftrag von dem Kaiser hat der da alles Mögliche gemacht. Elena: Ähm, warum wollte der, der des, dass der Jesus stirbt?927

927 Diese Schülerfrage wäre der nahezu perfekte Einstieg in ein Gespräch über die Frage, warum Jesus gestorben ist. Allerdings zeigt sich anhand des oben dargestellten Gesprächsverlaufs, dass der Zeitpunkt für einen Einstieg in diese umfassende Fragestellung wahrscheinlich der falsche gewesen wäre. Die Gesprächslänge war für Erstklässler bereits beachtlich und es stand zu erwarten, dass die Konzentrationsphase nicht ausreichen würde, um dieser wichtigen Frage nachzugehen, vgl. dazu kurz nach dieser Frage am Ende des Gesprächs »Was liegt denn da Rosanes auf dem Boden?« einen plötzlichen, aber sehr verständlichen Abfall der Konzentration. Verständlicherweise entschied sich die Lehrkraft deshalb, die Frage nicht aufzugreifen, sondern dem geplanten und dokumentierten Unterrichtsverlauf zu folgen, der im Anschluss an das Gespräch zunächst eine symbolische Handlung und das Gestalten eines Holzkreuzes vorsah und dann die Thematisierung der Auferweckung Jesu durch Gott, um die Einheit von Kreuz und Auferstehung darzustellen. Zudem macht es Sinn, ein Gespräch zu dieser Frage sehr gründlich vorzubereiten. Die Antwort der Lehrkraft zeigt deutlich, wie schwierig es ist, angemessen von den Gründen für Jesu Tod zu sprechen. Das eigentlich politisch und eigennützig motivierte Handeln von Pilatus (keinen Ärger mit dem Kaiser und Verhinderung eines Karriereknicks, Verurteilung letztlich aus politischen Gründen, da religiöse nicht zur Todesstrafe führen konnten, keine wirkliche Gefahr eines Aufruhrs beim Passahfest in Jerusalem, dennoch kein entschiedener Einsatz von Pilatus für Jesus und die falsche Taktik bei der Passaamnestie. Vgl. Strobel, Wahrheit, 100 – 130) sind für Erstklässler höchst unverständlich. Verständlicher ist eher, dass es Menschen gab, die nicht verstanden haben, wer Jesus ist, bzw. mit seinem Anspruch nicht umgehen konnten (vgl. das Synhedrium – Vorwurf der Falschprophetie und Verführung des Volkes, Anspruch Jesu auf göttliche Würde als Blasphemie etc.,vgl. Theißen/ Merz, historischer Jesus, 403 – 407). Zu diesen hätte die Antwort der Lehrperson eher gepasst, nicht jedoch zu Pilatus. Historisch war sie deshalb falsch, der kindlichen Ent-

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

L: Tja, ich glaub, der hat einfach nicht richtig verstanden, ähm, was für ein wichtiger Mensch der Jesus ist und dass er der Sohn von Gott ist.

7.3.2.2 Vorwissen der Gruppe als Basis von Ko-Konstruktion Bemerkenswert ist im Blick auf das Kreuzesgeschehen gerade die Fülle an Details, die durch die Gesamtgruppe innerhalb des Gesprächs zur Verfügung gestellt wird. Jeweils einzelne Kinder bieten unterschiedliche Einzelheiten an, die prinzipiell von den anderen aufgegriffen, d. h. wiederholt, präzisiert oder weiterentwickelt werden können. Das bedeutet, dass gerade auch Kinder, die mit wenig Vorwissen in ein thematisch theologisches Gespräch starten, in diesem viele Details erfahren können. Diejenigen Kinder mit viel Vorwissen treten hierbei gewissermaßen in Vorleistung und bieten Wissenselemente an, die durch das Gespräch allen zur eigenständigen Aneignung freigegeben werden. Die andere Frage ist jedoch, wie leicht oder schwer es den einzelnen Zuhörern und Gesprächsteilnehmern fällt, solche Einzelheiten in ein stimmiges Gesamtbild einzuordnen. Die domänenspezifischen Theorien legen nahe, dass die Integration von Einzelheiten denjenigen leichter fällt, die bereits über ein Vorwissen, bzw. eine Grundstruktur der Geschehnisse verfügen.928 Andererseits bieten die Untersuchungen der Gedächtnisleistung um Knopf/Schneider Anlass zu der Annahme, dass »Erinnerungsleistungen durch die individuell variierende spezifische Fähigkeit determiniert [werden], sich Geschichten einzuprägen, diese kurzzeitig zu behalten und wieder zu erinnern«929. Betrachtet man beide Konzepte nebeneinander liegt die Vermutung nahe, dass diejenigen Kinder, welche sowohl über ein strukturiertes Vorwissen als auch über gute Fähigkeiten zum Einprägen und Erinnern von Details bzw. Geschichten verfügen, in besonderer Weise in der Lage sind Neues zu integrieren.930 Denjenigen Kindern, die entweder über viel strukturiertes Vorwissen oder aber über die Fähigkeit, Geschichten gut erinnern zu können verfügen, steht zumindest eine hilfreiche Strategie zur Verfügung, um mit neuen Informationen innerhalb von theologischen Gesprächen umzugehen. Besonderes Augenmerk gilt es jedoch denjenigen Kindern zu schenken, die weder über Vorwissen noch über die Fähigkeit, sich einmal Gehörtes gut merken zu können, verfügen. Im Besonderen für diese wicklung hat sie aber vermutlich entsprochen. Vgl. zu diesen Gedanken Theißen/Merz, historischer Jesus, 403 – 407. 928 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.7. 929 Knopf/Schneider, Gedächtniskompetenzen, 91. Die Untersuchung der Autoren ergab weiterhin, dass diese individuelle Fähigkeit schon frühzeitig festgelegt ist und Bestand hat, vgl. 94. 930 Vgl. Knopf/Schneider, 93, die ebenfalls davon ausgehen, dass die Güte des Erinnerns unter anderem vom strukturierten Vorwissen determiniert wird, ebenso wie von der verbalen Intelligenz.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Kinder ist es wichtig, dass die Lehrperson die story nach Aufgreifen des – beeindruckenden – vorhandenen Klassenvorwissens gezielt strukturiert erzählt, die einzelnen Bestandteile aufgreift, gut strukturiert und um wichtige Informationen erweitert. Nun zur Frage, welche Einzelheiten im konkret zu analysierenden Gespräch von den Erstklässlern zusammengetragen, d. h. zugleich für mögliche Ko-Konstruktion zur Verfügung gestellt wurden.931 Die einzelnen Aspekte wurden dabei zeitlich ungeordnet genannt, in Einzelfällen waren Verständnisfragen nötig. Etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler waren am Sammeln des Vorwissens beteiligt, wobei einige nur ein Detail andere mehrere nannten. Nur eine Schülerin gab an, noch überhaupt kein Vorwissen zur Kreuzigung von Jesus zu haben.932 Kollektive Sachkompetenz – Jesus sagt seinen Freunden, dass sie sagen sollen, wo er ist. Auf Nachfrage: Nur ein Freund – Spätere Ergänzungen: Beim Essen hat es einer gesagt / Beim Essen ist einer weggegangen – Jesus ist draußen/im Garten – Jesus hat mit Gott gebetet, weil er nicht sterben wollte – Mit Kuss auf der Backe verraten – Soldaten haben ihn festgenommen – Zu einem Mann, der sagen darf, dass er tot wird [gemeint ist Pilatus] – Soldaten setzen ihm einen Dornenkranz auf – Jesus musste sein Kreuz tragen – Jesus wurde ans Kreuz genagelt / als er erwachsen war – Soldaten haben das gemacht – Jesus war tot – Jesus wurde in ein Grab gelegt – Stein vor dem Grab – 3 Frauen kamen wollten schauen, ob Jesus noch da liegt – Stein war weggerollt – Jesus war nicht mehr im Grab 931 Zusätzliche Informationen, die über die Geschichte an sich hinausgehen – Es gibt Darstellungen von Jesus am Kreuz – auch in Privathäusern – Es gibt in der Kirche Kreuzwege, die man ablaufen kann. 932 Das stimmt allerdings nicht mit den von ihr gemachten Angaben im Vorschulinterview überein. In der Tat nennt sie darin mehrere Details, nämlich Jesus betet, weil er nicht sterben will, die Dornenkrone und Jesus stirbt, liegt auf Kreuz, Grabhöhle sowie erste, z. T. noch gegensätzliche Vorstellungen, warum Jesus gestorben ist: Weil der nichts Gutes tut, doch, er tut was Gutes, aber manche Menschen mögen Jesus nicht.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

– Engel war(en) am Grab / waren weiß – Engel hat gesagt, dass Jesus auferstanden ist Obwohl diese Aspekte von den Schülerinnen und Schülern zeitlich sehr ungeordnet genannt wurden, teilweise Nachfragen zur Klärung notwendig waren und zwischendurch auch viele nichtbiblische Eigenkonstruktionen genannt wurden, muss man voller Achtung konstatieren, dass das Passions- und Ostergeschehen in Grundzügen aus den Schüleräußerungen rekonstruiert werden kann. Sowohl tragende als auch eher nebensächlichere Details wurden genannt. Das zeigt, dass die Gesamtgruppe noch vor der Thematisierung im Unterricht über ein erstaunliches Ausmaß an Informationen verfügt. Eine Tatsache, die jedoch keinen Umkehrschluss auf das Vorwissen einzelner Schülerinnen und Schüler zulässt. Das Aufweisen der kollektiven Kompetenz zeigt jedoch die Notwendigkeit, theologische Gespräche mit den Kindern zu führen und diesen bereits vorhandenen Wissenspool für alle zu öffnen. Die Kinder nicht zu Wort kommen zu lassen, hieße allen eine sehr beachtenswerte Informationsquelle, die die Möglichkeit zu ko-konstruktivem Wissensaufbau einschließt, vorzuenthalten. Neben mit der Bibel übereinstimmenden Wissenselementen sind im Gespräch diverse Eigenkonstruktionen der Kinder sowie Halbwissen anzutreffen. Die Lehrperson entscheidet spontan, wie im Einzelfall damit umgegangen wird. Teilweise wird eine Klärung durch Nachfragen desselben Kindes oder der Mitschüler erreicht, teilweise liefert die Lehrperson zusätzliche Informationen, die notwendig sind, um einen Aspekt zu klären. Manches lässt sie unkommentiert stehen, greift es aber in ihrer abschließenden Zusammenfassung nicht auf, so dass die Chance, dass es nachhaltig erinnert wird, geringer ist. In einem begründeten Ausnahmefall zweifelt sie eine Aussage direkt an, um eine anzunehmende Irritation anderer Kinder zu vermeiden. Individuelle Eigenkonstruktionen der Schüler und Schülerinnen – Die Freunde sollen Jesus verraten [wird durch Nachfragen in der Klasse geklärt – ein Freund] – Die haben zusammen gegessen und auf einmal hat’s der eine gesagt [wird durch Aussagen eines Mitschülers präzisiert] »wo die zusammen gegessen haben, dann ist einer weg gegangen und dann hat der’s denen verraten und dann war der Jesus draußen und dann hat er den einen auf die Backe geküsst, …« – Jesus wurde entführt [Nachfragen ergeben, dass der Schüler meint, Jesus wurde zu demjenigen gebracht, der allein sagen durfte, dass er tot wird, Lehrperson fragt nach, ob Pilatus gemeint ist, Schüler bestätigt dies, Lehrperson gibt eine kurze Erklärung für die Mitschüler] – Auf die Frage »Was passiert denn, nachdem Jesus ans Kreuz genagelt wurde?«

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

– – –





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sagt eine Schülerin »Dann ham, dann ham die ihn freigelassen, weil sie dachten, er wär tot und dann ist er als schwarzer Geist rum« [Da es sich nicht um die eigene Konstruktion eines anwesenden Kindes, sondern gemäß dem Gesamtzusammenhang um eine eingebrachte Aussage einer nicht anwesenden Freundin handelt und da die Lehrperson befürchtet, dass die anderen Kinder durch diese Aussage stark irritiert sein könnten, entscheidet diese sich dafür, diese Aussage ausnahmsweise als »da hat sie es nicht so genau gewusst« einzustufen und fordert die anderen Kinder auf, mit ihrem Vorwissen zur Klärung der Frage beizutragen] Freunde standen traurig am Kreuz [Lehrperson präzisiert, Frauen standen in der Nähe von Jesus] Die drei Frauen wollten gucken, ob der Stein noch davor gerollt ist [unkommentiert] Sie wollten das Grab anschauen/wollten schauen ob Jesus noch da liegt [unkommentiert, den Beweggrund der Frauen fügt die Lehrperson in ihrer zusammenfassenden Erzählung am Ende des Gesprächs ein] Weiße Engel haben Jesus wieder zum Leben erweckt [wird in der folgenden Stunde aufgegriffen, im ausführlichen Gespräch diskutiert und der Auftrag der Engel präzisiert]933 Freunde haben dies getan [wird in der folgenden Stunde geklärt]

7.3.3 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum – Großes Vorwissen, oft noch unstrukturiert: Obwohl der Blick in den Bildungsplan, der das Kreuzesgeschehen nicht explizit aufnimmt, dies nicht vermuten lässt, verfügen bereits Erstklässler über zahlreiche Kenntnisse hierzu. Da diese jedoch häufig aus noch zusammenhangslosen, unstrukturierten Details bestehen, ist es notwendig, dass die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern hilft, diese zu strukturieren. – Umgang mit z. T. eigenwilligen Eigenkonstruktionen: Es gilt, auf jeden Fall durch Nachfragen genau zu klären, was die Kinder sagen möchten und ihre Gedanken den Mitschülern fruchtbar zu machen. Zum Teil muss die Lehrperson erklärende Zusätze machen. – Interesse an historischen Begebenheiten: Es ist möglich, dass Erstklässler bereits einzelne historische Details ins Gespräch einbringen. Diese gilt es aufzugreifen und für alle kurz zu erklären. Signalisieren die Kinder weiteres Interesse können sie vertieft werden. Bei der Kreuzigung Jesu mischen sich historische Begebenheiten und Heilsgeschichte in besonderem Maße. 933 Vgl. das folgende Kapitel 7.4 Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen: »Wer hat Jesus auferweckt?« – Klasse 1.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

– Kreuzesgeschehen – Auferstehungsgeschehen: Für Schülerinnen und Schüler auch schon in dieser Klassenstufe können beide Aspekte bereits verbunden sein, so dass man auf spontane Wechsel zwischen beiden Ebenen vorbereitet sein und diese unbedingt zulassen, m. E. sogar noch stärken sollte. Parallel dazu können die komplementären Gefühle der Freunde Jesu Trauer – Freude thematisiert werden. Mit dieser altersgemäßen Hilfe ist es möglich, den Schülerinnen und Schülern die Thematik nicht nur sachlich, sondern auch emotional zu erschließen. – Osterfreude – finalistisches Denken: Allgemein erwartbar ist die Annahme, dass die Schülerinnen und Schüler die Auferweckung Jesu als positive Korrektur des Kreuzestodes Jesu betrachten. In diesem Sinne zu unterrichten scheint entwicklungspsychologisch auch angemessen. Allerdings ist zu beachten, dass die Aussage »Jesus ist auferstanden. Er ist bei Gott im Himmel« in Einzelfällen durchaus auch entgegen des finalistischen Denkens gedeutet werden kann.934

7.4

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen: »Wer hat Jesus auferweckt?« – Klasse 1

7.4.1 Gesprächsprotokoll: »Wer hat Jesus auferweckt?« – Klasse 1

L Mareike L Florian L Noah L Jonas L

Jetzt sagt ihr mir mal, was wisst denn ihr noch von den drei Frauen, da vom letzten Mal. Wisst ihr noch, warum die überhaupt unterwegs waren? Kann sich einer noch erinnern? Die wollten den Jesus mit ähm Salbe und Tüchern einwickeln. Genau. Florian, Florian, was wollten die machen? Zuhören, die Mareike hat’s gerade schon gesagt. Sagt es mal noch mal jemand anderes für den Florian. Dass er es auch noch mal mitbekommt. Sag mal du. Die wollten den einsalben – mit Tüchern. Genau. Das wollten sie machen. Und wie ging’s denen dabei? Wisst ihr’s noch. Weißt du’s noch Jonas? Als sie hingegangen sind… Halt, halt, halt, wie ging’s ihnen während sie hingegangen sind, ist die Frage.

934 Gemeint ist eine mögliche Schülerinterpretation im Sinne von ›es geht schlecht aus, weil Jesus nicht mehr auf der Welt ist‹ analog zur kindlichen Erfahrung ›ich bin traurig, weil meine Oma im Himmel ist und nicht mehr bei mir‹.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung Michael L Florian L Sophia L

Julia L Franziska Mirjam L Charlotte Noah L Elena L Nathalie Elena Einzelne Elena L Michael L Noah ? L Noah L Linnea L

Traurig. Sie waren traurig. Genau. Warum? Warum waren sie eigentlich traurig, was war eigentlich passiert? Florian, Florian, warum waren sie traurig? Was war denn passiert? Weil sie nicht da rein konnten. Weil sie dachten, sie können nicht ins Grab rein weil da ja so ein riesengroßer Stein davor liegt? Und, warum waren sie noch viel viel trauriger? Dass Jesus gestorben ist. Ganz genau. Deswegen waren sie am allertraurigsten. Jetzt darf mal jedes Kind, das ich aufrufe hingehen, hingehen, eine Sprechblase nehmen und vorlesen. Das sind Dinge, die ihr schon letztes Mal schon gesagt habt. Julia, nimm mal eine und lies mal vor. Vielleicht findet ihr ja euer eigenes, was ihr gesagt habt, wieder. (liest) Ich bin traurig, dass Jesus gestorben ist. Ich dachte, mit ihm wird alles besser. Okay. Gut. Und Franziska eins. Du darfst es offen hinlegen jetzt. (liest) Ich bin traurig, dass Jesus nicht mehr bei uns ist und nicht mehr heilen kann. Das war glaub ich meins. Mhm. Das glaub ich auch, genau, das hast du glaub ich gesagt. (liest) Ich dachte Jesus würde König. Deswegen bin ich jetzt traurig, dass er gestorben ist. (Flüstert sehr leise und zeigt auf Christopher). Christopher seins. Der Noah sagt, Christopher seins. Das ist wahr, das war von Frederick Das hast du dir aber gut gemerkt, Noah. (liest) Ich bin traurig, dass die—-, dass die – Lass mal die Nathalie mit reinschauen, vielleicht liest die des eine Wort vor. Soldaten Jesus ans Kreuz genagelt haben genagelt haben. Okay. Danke schön. Michael, lies mal eins vor. (liest) Ich bin traurig, dass Jesus gestorben ist. Mhm. Okay. Noah, liest du noch mal eins vor? Da liegt eins bei dir ganz in der Nähe. Ich bin traurig, weil Jesus nicht mehr bei uns ist. (sehr leise am Ende) Kann der’s nicht lauter lesen. Lies ein bisschen lauter. Ich glaub, des konnten die grad nicht verstehen. (liest) Ich bin traurig, weil Jesus nicht mehr bei uns ist. Okay. Jetzt konntet ihr’s verstehen. Ich glaub das war meins Das war deins. Genau. Letztes mal. Jetzt darf die Linnea, es liegt direkt vor der Linnea.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung Linnea L

Florian L Florian L Mia L

Charlotte L

Charlotte L Vic L Mia L Nathalie L

Jonas L

(liest) Wer soll uns nun den Stein wegrollen. Wir wollen Jesus salben. Genau. Das haben sie sich auch noch überlegt. Wer könnte das denn machen. Okay. Fällt jemand spontan noch was ein, was man sagen könnte oder habt ihr da jetzt alles schon gefunden. […] Sonst hören wir jetzt an der Stelle auf. Wie ging’s dann weiter, was war passiert als sie ans Grab kamen. Wer kann’s nochmal schnell sagen. Florian. Was war denn passiert, als sie ans Grab kamen? Da war’s offen. Da war’s offen. Ganz genau. Der Stein war weg. Und dann, FLorian? Und Jesus war weg. Und Jesus war nicht mehr da, ganz genau. Und, was war geschehen und wie haben die Frauen herausgefunden, was geschehen war? Der Engel hat’s denen gesagt und dann waren die ganz froh. Richtig, da war ein Engel und was hatte der denn gesagt? Was hat denn der Engel den Frauen gesagt, dass sie so froh geworden sind. – - Hah. Wer weiß, was hat der Engel gesagt, dass die so froh geworden sind. Dass er wieder lebt. Dass der Jesus wieder lebt. Ganz genau. Und dann hatten wir letztes Mal ein ganz interessantes Gespräch darüber, wer das denn gemacht hat, dass der Jesus nicht mehr tot ist, sondern dass der Jesus auferweckt worden ist. Und wir hatten verschiedene Möglichkeiten. Da hatten ein paar Kinder gesagt, das werden, wird, werden die Engel gewesen sein und ein paar Kinder haben gesagt das waren die Freunde und ein paar hatten noch andere Vermutungen. Was könntet ihr denn dazu sagen, war das denn der Engel, der den Jesus wieder auferweckt hat, der da davor stand? Was denkt ihr? Das war Gott. Du sagst, es war Gott, okay. Des, des war Gott. Du sagst auch, es war Gott. Was sagt die Mia? Gott. Okay. (Viele Kinder grinsen und melden sich) Gott. Okay. Ihr seid euch also alle ziemlich einig. (Auch bezogen auf die vielen Meldungen von Sch., die noch nicht an der Reihe waren) Wir hatten auch schon ein bisschen darüber gesprochen. Sagt einmal, aber warum war denn dann der Engel da? Letztes Mal hatte noch ein Kind vermutet, der Engel war da, weil er ihn auferweckt hat. Dann haben wir uns ein bisschen darüber unterhalten und jetzt sagt ihr alle, also vielleicht hat er ihn doch nicht auferweckt, aber warum war er denn dann da, der Engel? Warum war denn der Engel da. Du weißt es …Dann sag mal was. Weil, weil der den anderen sagen wollte, dass Jesus nicht mehr im Grab ist. Ah, des war seine Aufgabe? Okay. Was denkst du, Vic?

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Fortsetzung Vic

Weil, der hat die Frauen gesehen und dann ist er zum Grab geflogen, weil der wusste schon, dass Jesus, dass Gott Jesus wieder auferweckt hat und dann sind, wusste der, dass die dann kommen und dann hat er des denen gesagt. Franziska Ich hab gar nichts verstanden. L Also, pass mal auf, die Franziska hat’s nicht ganz verstanden. Das kann ein bisschen an der Unruhe da hinten liegen, die jetzt aufhört und dann kann’s die Vic noch mal sagen, damit’s die Franziska richtig hören kann. Ganz laut und deutlich. Vic Der Engel hat gesehen, dass die die Frauen zum Grab wollten Und dann hat der, dann ist der da hingeflogen und dann ist er da hingeflogen und als die da angekommen sind, dann hat er gesagt, dass Jesus wieder auferstanden ist. L Und woher wusste denn der Engel, woher wusste denn der Engel, dass Jesus wieder auferstanden ist und dass er des den Frauen sagen soll? Woher hat denn der das gewusst? Der Engel. Christopher, was denkst du? Christopher Weil er, bevor er zum Grab geflogen ist erst geguckt hat und dann hat er die Frauen gesehen und wusste, dass die und hat er gesehen, dass die ihn salben wollten und dann ist der zum Grab geflogen und hat da gedacht, jetzt sag ich’s denen mal. L Mhm. Und woher hat er gewusst, dass er genau jetzt grade zum Grab fliegen und mal gucken muss. Woher hat denn der Engel des gewusst? Christopher Weil Gott ihm die Aufgabe gegeben hat. L Aha. Der hat also ne Aufgabe von Gott bekommen vielleicht, der Engel? Mhm. Okay. Mareike, was denkst du? Mareike Das Gleiche. Mirjam, was denkst du? Mirjam Ich denk, dass der Engel Jesus ist. Vic Häh? L Was sagst du? Mirjam Dass der Engel Jesus ist. Franziska Dass der Engel Jesus ist? Mirjam Dass der Engel Jesus ist. L Du denkst, dass der Engel Jesus ist. Wie kommst du auf die Idee? Sag’s mal. Erklär’s mal. Mirjam Weil Jesus war ja auch so besonders und da hab ich grad gedacht, weil der so gestrahlt hat. (sehr leise und genuschelt) L Mhm. Okay. Du meinst also, der Jesus sieht vielleicht, wenn er wieder auferstanden ist, anders aus als vorher? Ein bisschen wie ein Engel? ? Und der sieht jetzt aus wie ein Babyschmetterling

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L

Jonas L

Michael L Michael L

Mia L Vic L Vic L Linnea Vic L

Viele L Viele L

Was – Auf der Kerze drauf, ja. Jetzt passt mal auf. Okay. Da können wir uns vielleicht noch mal später weiter unterhalten. Jetzt brauch ich mal kurz die gesamte Aufmerksamkeit auch von den zwei Mädchen da drüben. Okay. [ kurze Pause] So. Dann habt ihr also jetzt mehrheitlich gesagt, der Engel hatte irgendwie ne Aufgabe von Gott, und deswegen war er da und der Engel hatte vor allem die Aufgabe, hab ich vorhin von euch gehört, dass er nämlich den Frauen sagt, dass Jesus wieder auferweckt worden ist von Gott. Und letztes Mal hatte jemand auch noch die Idee, dass vielleicht die Freunde irgendwie damit zu tun hatten, dass Jesus wieder auferweckt worden ist. Was sagt ihr denn dazu, zu der Idee? Haben die Freunde da irgendwas damit zu tun, dass der Jesus wieder auferweckt worden ist? Dass die sich wieder freuen und wieder bei Jesus sind. Okay. Also Jonas du meinst, dass die sich einfach wieder freuen, die Freunde. Okay. […] Was haben denn jetzt die Freunde damit zu tun? Können die Freunde Jesus wieder auferwecken zum Leben? Was denkt ihr? Nein. Nein. Warum nicht? Weil’s nicht geht. Warum geht’s nicht? Mit den Freunden. Ich glaub, die anderen denken das auch. Aber erklär des mal. Erklärt’s mal. Ich weiß gar nicht mehr, wer’s letztes Mal gesagt hat, aber erklärt’s mal dem Kind, warum ihr vielleicht denkt, dass es nicht geht. Weil sie net so viel Kraft haben, den Stein erst mal wegzuschieben. Mhm. Okay. Und was denkst du? Die, die sind doch nicht Jesus. Mhm. Okay. Oder ham die vielleicht alles getauscht. Ne, das haben sie glaub ich nicht. Ich glaub, des ist genau gut argumentiert. Sie sind ja nicht Jesus. Sie sind ja auch nicht Gott. Deswegen haben sie auch nicht so viel Kraft. Okay. Vielleicht haben, war da, haben sie ihn auch schon eingerieben (mh) und da war dann irgend so en Mittel drinne, wo ihn zum Leben erweckt. So’n was? Ja, na ich glaub tatsächlich eher, dass sie es tatsächlich nicht konnten. Und die Mia hat ja schon gesagt, vielleicht hatten sie nicht vo viel Kraft, für den Stein wegzurollen. Denkt ihr denn, Menschen haben so viel Kraft, dass sie überhaupt jemanden zum Leben erwecken können? Nö, nein Eigentlich nicht, gell? Hat denn der Jesus so viel Kraft, dass er jemanden zum Leben erwecken kann? Ja. Wie kommt ihr darauf ?

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung Wegen der einen Geschichte, wegen dem Mädchen (L: aha) der hat des auch wieder aufgeweckt. L Erzähl sie mal ganz kurz die Geschichte für die anderen Kinder. Das ist eine Geschichte aus der Bibel. Vic Ich kenn die Geschichte nicht. L Nee, die … kennt sie zum Beispiel nicht. Viele kennen sie vielleicht nicht. Mirjam Da war des Mädchen und die haben gedacht, des war tot. Und des war tot und die ham‹s und der Jesus hat gesagt, dass es nur schläft und dann hat er irgendwas gemacht und dann ist es aufgestanden. L Mhm. Wer kennt denn die Geschichte, die die Mirjam erzählt. Aha, die Mia kennt die auch [kurze Klärung: auch Michael + Christopher kennen die Erzählung] Christopher Der Jesus hat glaube ich, kann bei meiner Oma, die Geschichte da hat der gesagt, Steh auf und dann ist das Mädchen aufgestanden. L Okay. Gut. Hat die deine Oma in nem Buch, äh in einer Kinderbibel? Vic Du da, steh auf oder was L Ja, morgens wecken die Eltern ihre Kinder vom Schlafen auf. Vic Nein, ich hab nen extra Speziellen, der hängt an meiner Wand und der heißt Uhr. (Gekicher) L Okay. Psst. Scht. Ja, des ist gut. Okay. L Und wenn jetzt aber der Jesus selber tot ist. Kann dann der Jesus sich selber auferwecken oder eher Gott den Jesus auferwecken. Was denkt ihr? Einige Gott. Mia Der Gott. L Und warum? Mia Weil der sein Vater isch. L Mhm. Okay. Was denkst du Linnea? Linnea Äh. Beide? Vic Beide gleichzeitig, wie soll des gehen? L Ja, erklär mal. Die Vic glaubt des nicht, die sagt wie soll des gehen. Jetzt erklär’s mal du, dann kann die Vic was dazu sagen. Linnea Dass beide gleichzeitig die Hälfte, Hälfte-Hälfte machen. L Okay. Linnea meint, Hälfte-Hälfte und Vic sagt, wie soll das gehen? Erklär mal warum du sagst, das glaubst du nicht? Vic Ich versteh grad nicht, was Linnea meint. L Also erklär’s noch mal genauer wie du’s meinst. Linnea Dass beide gleichzeitig machen. ? Häh? L Also, die Linnea meint, der Gott hilft oder der Gott lässt den Jesus aufer-, erweckt den Jesus auf und gleichzeitig hilft der Jesus aber dabei mit, denkt die Linnea Franziska Häh? L Die Franziska sagt häh. Was denkst du? Macht des Gott oder Jesus? Einige Gott. Mirjam

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

Fortsetzung L Franziska L Franziska L Elena L Elena Franziska L Mehrere L Franziska L Einige L Noah L Noah Sophia L Sophia Linnea L Franziska L Franziska L Franziska L Franziska L Jonas L Jonas

Erklär’s. Warum. Jesus kann’s doch nicht, wenn er tot ist. Okay. Du meinst das ist ein Unterschied, wenn der Jesus lebendig ist, konnte er andere Sachen. Wenn er jetzt selber tot ist, muss es aber der Gott machen, meinst du. Okay. Ja. Was denkst du? Weil wenn man tot ist, kann man sich ja auch nicht auferwecken. Wenn man selbst gestorben ist, wer kann einen dann auferwecken? Niemand mehr. Der Gott. Niemand mehr sagst du. Und die Franziska sagt gleichzeitig der Gott. Wenn wir gestorben sind, kann uns jemand auferwecken? Nein Franziska meint, der Gott kann uns auferwecken. Erklär mal. Äh Kann uns der Gott auferwecken, dass wir bei ihm im Himmel sind? Ja (zeitgleich) Nein Erklär mal, Noah. Wenn wir im Grab liegen, sind wir tote Leichen. Und dann gehen wir hoch in den Himmel. Zu Gott? Nickt (L: Okay) Dann geht die Seele hoch, wenn man gestorben ist, geht die Seele hoch zum Himmel. Zum Himmel. Und wer ist im Himmel. Zu wem geht sie? Zu Gott. (L: Zu Gott, okay) Die Seele hoch in Himmel gehen und irgendwie aus dene tote Menschen geht und er lebt dann im Himmel weiter. Okay. Linnea. Also, wer weiß noch was? Franziska was denkst du? […] Mein Opa ist schon gestorben. Okay. Und wo ist er jetzt? Was denkst du? Im Himmel. Okay. Bei wem? Bei Gott. Und wer hat das gemacht, dass er im Himmel bei Gott ist? Der Gott. Okay. Was denkst du, Jonas? Ich wollte eigentlich erklären, was Linnea gesagt hat. Du willst noch mal erklären, was Linnea gesagt hat? Versuch’s mal. Dass, dass Gott erst Jesus auferstehen lässt und dann beide den Stein wegrollen, zusammen.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Fortsetzung L

Aha. Dann sagt also jetzt der Jonas, wenn erst der Gott den Jesus wieder lebendig werden lässt, dann ist ja der, wenn der Jesus wieder lebendig ist, hat der auch wieder Kraft. Und dann können sie zusammen den Stein wegrollen. Okay. Das ist natürlich ein Gedankengang. Linnea Ah, des glaub ich. L Okay. Lotta möchte was sagen, hört mal alle der Lotta zu. Lotta En Hund ist beim Tierarzt gestorben. L Wer ist gestorben? Lotta En Hund von meiner Oma ist gestorben (Erzählt kurz dazu) Christopher (Erzählt von Katze des Nachbarn, die ebenfalls beim Tierarzt gestorben ist) L Mhm. Jetzt passt mal auf. Die Frauen haben sich ja ganz arg gefreut, dass der Jesus wieder auferstanden ist oder dass Gott den Jesus wieder auferweckt hat. Und auch heute, wenn ein Mensch stirbt können wir hoffen, dass der Gott den Menschen auch wieder auferweckt und deswegen können wir auch getröstet sein, wenn wir traurig sind.

7.4.2 Interpretationsversuche 7.4.2.1 Entwicklungspsychologische und theologisch relevante Beobachtungen Bei dieser Thematik zeigt sich eine überraschend hohe Gesprächsbeteiligung. Bis auf eine Ausnahme sind alle Kinder durch Redebeiträge involviert, die Mehrzahl mindestens drei Mal, Protagonisten bis zu sieben Mal. Hier spiegelt sich das hohe Interesse der Kinder. Insgesamt vier Parteien werden von den Schülerinnen und Schülern als Subjekt der Auferweckung diskutiert, zum Teil aufgrund von Impulsfragen der Lehrkraft: Die Engel, Freunde, Jesus selbst und Gottvater. Interessant ist, wie offen die Kinder die unterschiedlichen Möglichkeiten diskutieren. Dabei vertreten sie einerseits entwicklungsbedingte ›typische‹ Kinderpositionen, andererseits kommen sie dogmatischem Erwachsenendenken sehr nahe. 7.4.2.1.1 Die Engel935 als Boten Gottes Gesprächsausschnitt »Spontanes Theologisieren über die Kreuzigung« Michael: Und dann war da ein Engel am Grab. […]

935 Entgegen des dogmatischen Verständnisses von Engeln, demnach sie auch Erschreckendes an sich haben, vgl. Härle, Dogmatik, 297 sowie des biblischen Redens von der Erstbegegnung der Frauen mit den Engeln Mk, 16, 8 »Und sie gingen hinaus und flohen von dem

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

L: Und was hat der Engel gesagt zu den Frauen? […] Michael: Der hat gesagt, dass Jesus auferstanden ist. L: Mhm. Was ist denn auferstanden? Mareike: Dass er auferstanden ist und weggelaufen ist. […] Mareike: Dann hat der Engel den Stein weggeschoben und ihn wieder zum Leben gemacht.

Gesprächsausschnitt »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun«

Noah: Nur, dass die Jesus wieder aufgeweckt haben. […] Die waren weiß. Viele: Engel. L: Viele rufen Engel könnten des gewesen sein. Viele: Nicken L: Okay. […] Christopher : Ich denk der Engel. L: Der Engel hat ihn aufgeweckt, okay. […] Franziska: Die sind mal zu dem Stein gegangen und wollten schauen, ob der Jesus noch da liegt und dann war er nemmer da, nur der Engel und der hat gesagt, dass er wieder auferstanden ist.

In beiden Gesprächsausschnitten vermuten einzelne Schülerinnen oder Schüler die Handlungsträger der Auferweckung in den Engeln – die ja vor Ort waren – was innerhalb der Geschichte vielen zunächst plausibel scheint. Es zeigt auch, dass die Kinder Engeln offenbar sehr viel zutrauen. Es weist aber auch auf die – nicht auf das Kindesalter beschränkte – mögliche Verwechslung Gottes mit seinen Boten hin, hier im Zentrum des christlichen Glaubens, der Auferweckung Jesu. Allein das erst etwas später geäußerte Vorwissen einer Schülerin, die die eigentliche Aufgabe der Engel beinhaltet, weißt in eine andere Richtung, wobei unerwähnt bleibt, wer die Engel sendet und wer ihnen einen Auftrag gibt. In der nächsten Stunde, der eine knappe Ostererzählung der Lehrkraft vorausgeht, wird das Handeln der Engel konkretisiert. Sie haben die Aufgabe von der Auferstehung Zeugnis abzulegen. Nachdem dies nun offensichtlich klar ist, kommen die Engel in den Augen der Kinder offenbar eher nicht mehr für die

Grab; denn ein Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich« wird an dieser Stelle für den Unterricht die Entscheidung getroffen aus entwicklungspsychologischen Gründen die Engel rein positiv darzustellen und von ihrer Botschaft als direktem Auslöser der Osterfreude bei den Frauen zu erzählen. Die Erfahrung, dass eine Begegnung mit Boten Gottes und ihrem Auftrag zwar immer heilsam ist, aber keineswegs immer angenehm, sondern im Gegenteil auch schrecklich sein kann, vgl. Härle, Dogmatik, 300, wird also bewusst reduziert dargestellt.

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Auferweckung selbst in Frage. Die Lehrkraft insistiert aus diesem Grund immer wieder auf der Botschaft, bzw. dem Auftraggeber, also Gott. Gesprächsausschnitt »Wer hat Jesus auferweckt«

L: Und Jesus war nicht mehr da, genau. Und, was war geschehen und wie haben die Frauen herausgefunden, was geschehen war? Mia: Der Engel hat’s denen gesagt und dann waren die ganz froh. L: […] Was hat der Engel den Frauen gesagt, dass sie so froh geworden sind?. […] Charlotte: Dass er wieder lebt. […] L: Aber warum war denn der Engel da? Jonas: Weil, weil der den anderen sagen wollte, dass Jesus nicht im Grab ist. L: Ah, das war seine Aufgabe Okay. Was denkst du, …? Vic: Und weil, der hat die Frauen gesehen und dann ist er zum Grab geflogen, weil der wusste schon, dass Jesus, dass Gott Jesus wieder auferweckt hat und dann sind, wusste der schon, und dann hat er des denen gesagt. L: Und woher wusste denn der Engel [..], dass Jesus wieder auferstanden ist und dass er des den Frauen sagen soll? Christopher : Weil, bevor er zum Grab geflogen ist erst geguckt hat und dann hat er die Frauen gesehen und wusste und hat er gesehen, dass die ihn salben wollten und dann ist er zum Grab geflogen und dann hat er gedacht, jetzt sag ich’s denen mal. L: Mhm. Und woher hat der Engel gewusst, dass er genau jetzt grade zum Grab fliegen und mal gucken muss? Woher hat denn der Engel des gewusst? Christopher : Weil Gott ihm die Aufgabe gegeben hat. L: Aha. Der hat also ne Aufgabe von Gott bekommen vielleicht, der Engel? [..]Was denkst du? Mareike: Das Gleiche.

Nicht nur für die Erstklässler in diesem Moment, sondern allgemein besteht die Gefahr, dass Engel mit Gott gleichgesetzt werden oder an die Stelle Gottes treten.936 Doch es gilt: »Sie sind keine göttlichen Wesen, darum kommt ihnen keine eigenständige Autorität und keine religiöse Verehrung zu «Engel sind (nur) Gottes gute Boten.«937 Genau das ist ihre biblische Funktion. »Durch seinen Auftrag und solange er ihn erfüllt, wird der Bote zum Engel. Die Seinsweise eines Engels ist der göttliche Auftrag, den er erfüllt. Dadurch wird der Engel zum Symbol, das auf Gott verweist.«938 Gerade im Blick auf das zentrale Geschehen der Auferstehung erschien es an dieser Stelle im Unterricht wichtig, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zu erörtern, wer der Handelnde ist, zunächst einmal nicht die Engel. Je mehr die Kinder über die Aufgabe der Engel wussten

936 Vgl. Härle, Dogmatik, 296. 937 Härle, Dogmatik, 298. 938 Härle, Dogmatik, 299.

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und je klarer ihnen wurde, dass es einen Auftraggeber gibt, desto klarer wurde ihnen selbst, dass diese nicht mit der Auferweckung an sich übereinstimmt. 7.4.2.1.2 Ist Jesus ein Engel? Obwohl nun zentral die Botschaft der Engel thematisiert wurde, spielt ihr Aussehen für die Kinder ebenfalls eine wichtige Rolle. Zweimal wird – von anderen Kindern nicht in Frage gestellt – erwähnt, dass die Engel fliegen. Diese Annahme ist wahrscheinlich gestützt durch bildliche Engeldarstellungen mit Flügeln, die den Kindern bekannt sind. Zudem ist eine typische bildliche Darstellung von Engeln in Kinderbüchern/bibeln diejenige in leuchtendem Weiß, wodurch eine mögliche Verwechslung des Engels mit dem auferstandenen Jesus bedingt sein kann, die entwicklungspsychologisch erklärt werden kann. Vorschulinterview

Mirjam: Der Jesus, der ist ein Engel. I: Der Jesus ist ein Engel? Mirjam: Und er ist aufgewacht. I: Aha. Siehst du den Jesus? Oder siehst du den Engel? (zeigt auf die weiße Gestalt) Mirjam: Da. I: Ja. Okay. Ist das der Engel oder Jesus? Oder ist Jesus der Engel? Mirjam: Jesus ist der Engel.

Gesprächsausschnitt »Wer hat Jesus auferweckt?« – gleiche Schülerin, zeigt, dass sich diese Annahme bei ihr als sehr stabil erweist

Mirjam: Ich denk, dass der Engel Jesus ist. […] Mirjam: Weil Jesus war ja auch so besonders und da hab ich gedacht, weil der so gestrahlt hat.

Im Gegensatz zum Vorschulinterview kann die Schülerin ihre Annahme nun begründen. Das hilft, ihre Vorstellung richtig einzuordnen. Es handelt sich möglicherweise um eine Verwechslung aufgrund der altersgemäß typischen Kraft von Bildern. In mehreren Kinderbibeln wird der ohnehin meist in weißen Gewändern dargestellte Jesus nach seiner Auferstehung heller, strahlender gezeichnet, also in gewisser Weise ähnlich wie die Engel dargestellt werden. Das kann durchaus eine Verwechslung bedingen. Dazu kommt, dass die Ostererzählungen mal von Engeln im Grab, mal vor dem Grab, dann wieder von Jesus vor dem Grab mit Maria erzählen und so eine Verwechslung vorprogrammiert ist. Einen Beleg für die Kraft der Bilder, die möglichen Konstruktionen der Kinder auch im Weg stehen können liefert Freudenberger-Lötz. Ihre fünfjährige

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Tochter kritisiert das Kruzifix in einer Kirche am Ostersonntag mit den sehr erhellenden Worten: »Er sollte an Ostern nicht mehr dort hängen. Er läuft ganz weiß angezogen herum. In der Kinderbibel ist das Kreuz leer.«939

Schon in den Vorschulinterviews fiel auf, dass die Kinder eine weiße Gestalt vor dem leeren Grab auf einem Bild mit Maria von Magdala uneinheitlich deuteten. Mehrere sahen in ihr Jesus, zum Teil obwohl sie erzählten, dass Jesus im Himmel sei, eines überlegte, ob es sich möglicherweise um den Geist von Jesus handeln könnte, ein anderes ging davon aus, es sei der noch lebende Jesus. Ein paar identifizierten in der Gestalt den Engel. Andere konnten mit dem Bildinhalt nichts anfangen, da sie kein Vorwissen zum Ostergeschehen hatten. Darstellungen in Kinderbibeln dürfen demnach nicht unterschätzt werden. Sie werden von den Kindern nicht nur oberflächlich wahrgenommen, sondern die Kinder lassen sich von ihnen in einen Prozess des vertieften Verstehens hineinziehen, sie deuten sie narrativ, funktional oder kreativ.940 Auch im Religionsunterricht muss deshalb sehr sorgfältig ausgewählt werden, welche Bilder verwendet werden. 7.4.2.1.3 Ist Jesus auferstanden oder hat Gott Jesus auferweckt? – Ko-konstruktives Einüben in religiösen Sprachgebrauch Wie sprechen die Kinder selbst über die Auferweckung Jesu? In den Vorschulinterviews formulieren viele Kinder die Auferweckung mit ihren eigenen Worten. Es dominiert »wieder aufgewacht« (5) dann folgen »wieder erwacht«, »wieder auf der Welt«, »ist/steigt in Himmel« (jeweils 2) und »hat wieder gelebt«, »war weg – ist irgendwie abgehauen«, »kommt wieder heraus [aus Höhle]«, »vom Grab weggeflogen«, (je 1) Die Formulierung »ist wieder auferstanden« kommt insgesamt nur 2 Mal vor. An den Gesprächen im Unterricht zeigt sich, dass die Kinder sich im Lauf der Gespräche einem allgemein gültigen Sprachgebrauch anpassen. Im oben abgedruckten Gespräch »Wer hat Jesus auferweckt?« finden sich Formulierungen wie »wieder aufgeweckt« und »aufgestanden« nur in Bezug auf die Tochter des Jairus, was der biblischen Geschichte entspricht, da Jesus sagt, das Mädchen schlafe nur. Entwicklungspsychologisch beziehen sich die Kinder nun ja eher auf die konkrete Geschichte anstatt bunt zu assoziieren. In Bezug auf Jesus werden diese alltäglichen Begriffe nicht mehr verwendet. Dafür aber folgende: »dass er wieder lebt«, »zum Leben erweckt«, »wieder auferstanden«, »dass Gott ihn wieder auferstehen lässt«, »man kann sich nicht selbst auferwecken«. Es scheint, als ob im, bzw. durch den 939 Büttner, theologizing, 131. Übersetzung bei Benz, Genese, 160. 940 Vgl. Zimmermann, Christologie, 105 f.

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Unterricht eine bestimmte religiöse Sprechweise gefördert wird, auffallend ist dabei auch der mehrfache Gebrauch bestimmter Sprachmuster durch die Lehrkraft. Aber auch schon junge Gleichaltrige können als positives Sprachmuster dienen. Für die Entwicklung religiöser Sprachfähigkeit zeigt sich hierdurch: Religiöse Bildung geschieht in der Beziehung mit anderen Kindern und Erwachsenen, in der Gruppe und im Gespräch. Das Einfinden in eine geeignete Sprache ermöglicht es, gemeinsam über ein Thema zu sprechen.941 Katharina Kammeyer greift im Rahmen einer empirischen Studie mit Vorschulkindern zum Gebet942 ein theologisches Gespräch auf, das diese These gerade im Blick auf die Passions- und Auferstehungsgeschichte sehr gut belegt. Chiara: […] Hat Maria und die Freundin von Jesus ihn abgenagelt. D: Haben ihn vom Kreuz abgenommen. Corinna: […] Jesus ist wieder aufgewacht. Chiara: Wieder auferstanden. Corinna: Geht zu den Freunden. Chiara: Zu den Jüngern. Corinna: Zu den Jüngern und sagt, dass Jesus wieder aufgewacht ist. (Man sieht, der Begriff Jünger als genauere Bezeichnung für die Freunde von Jesus wird spontan übernommen, der Begriff aufgewacht allerdings nicht sofort durch auferstanden ersetzt, obwohl er von einem anderen Kind angeboten wird. )

Zusammenfassend kann im Blick auf das obige theologische Gespräch konstatiert werden: Während im Vorschulinterview Sprechweisen aus dem Alltagsgebrauch auf Jesus übertragen werden »aufgewacht«, »wieder erwacht«, werden im Zuge der Unterrichtsgespräche exklusive Begriffe wie »auferstanden«, »erweckt«, »auferweckt« verwendet, die zeigen, dass es sich um ein Ereignis handelt, das den Alltag übersteigt. Wie kann man im Religionsunterricht über die Auferweckung Jesu sprechen? Zum einen wird immer wieder der altersangemessene Sprachgebrauch »Gott hat Jesus wieder lebendig gemacht« verwendet, der auf der einen Seite das Handeln Gottes hervorhebt, auf der anderen Seite aber die Gefahr birgt, dass die Schülerinnen und Schüler annehmen, Jesus hätte ganz ›normal‹ weitergelebt. Zum anderen werden die Begriffe Auferstehung und Auferweckung gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Theologisch korrekt ist zwar das Sprechen von der 941 Vgl. dazu Dubiski u. a., Tübinger Studie, 190. Hier wurde analog die Sprachfähigkeit als Voraussetzung für interreligiöse Kommunikation konstatiert. Was interreligiös gilt, gilt auch innerhalb einer Religionsgemeinschaft. 942 Es handelt sich um eine empirische Studie zum Gebet im Horizont theologischer Gespräche mit Vorschulkindern. Kammeyer führt das Gespräch unter dem Aspekt der Orientierungsfigur der unbedingten göttlichen Hilfe ›wenn man traurig ist‹ auf. Hier lassen sich darüber hinaus auch klare ko-konstruktive Prozesse bezüglich des positiven Sprachmodells unter Gleichaltrigen erkennen, vgl. 390 – 394. Zitat 391.

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Auferweckung Jesu durch Gott, denn »wäre das ›ewige Leben‹ Auferstehung, so wäre es eine eigene aktive Möglichkeit des Menschen, so aber bleibt es eine Tat Gottes an den Verstorbenen.«943Allerdings begegnen den Kindern in Kinderbibeln, in Liedern oder im Kindergottesdienst immer wieder die Begriffe Auferstehung, bzw. der Auferstandene. Das im Unterricht gesungene Lied »Gott ließ Jesus auferstehn« zeigt das Bemühen, das Wort Auferstehung mit dem theologisch zentralen aktiven Handeln Gott zusammenzubringen, denn es gilt: »Auch der vollkommen durch Gottes Wesen bestimmte Mensch Jesus bleibt – als irdisch-geschichtlicher – begrenzt in seiner Macht, in seinem Wissen, in seiner Zeit und in seiner räumlichen Gegenwart.«944 Das bedeutet »dass es Gott selbst ist, der sich in Jesus Christus offenbart. Gott erweist und erschließt sich an dem Gekreuzigten, Gestorbenen und Begrabenen einerseits als der aus Liebe leidende Gott, andererseits als der Gott, ›der die Toten lebendig macht und ruft das, was nicht ist, dass es sei‹ (Röm, 4,17), d. h. als die Macht, die den Tod überwindet.«945 »Das Ereignis der Auferstehung gilt als Akt der Neuschöpfung Gottes!«946

Ursprünglich war ein Unterrichtsgespräch nach dem aktiv Handelnden bezüglich der Auferweckung Jesu nicht vorgesehen. Durch spontane Konstruktionsversuche zeigte sich jedoch das große Interesse der Kinder. Bei der daraus entstehenden intensiven Thematisierung der Frage konnte man eine hohe Gesprächsbeteiligung sowie eine für Erstklässler außergewöhnliche Konzentration feststellen. Dies war im Blick auf die Altersgruppe der Kinder zunächst überraschend. Die implizierte rückwirkende Folge des Bekenntnisses Gottes zu Jesus muss im Unterricht von Erstklässlern dagegen vernachlässigt bleiben. »Der Auferstehungsglaube basiert auf der Gewissheit, dass Gott den Gekreuzigten nicht der Macht des Todes überlassen hat. Gott hat ihn nicht verlassen, sondern sich zu ihm bekannt, seine Person und sein Wirken bestätigt, und d. h.: ihn ›erhöht‹ (Phil 2,9).«947 Thematisiert wird dagegen die Frage des Vermögens/Unvermögens eines Eingreifens der Freunde. Ausgelöst wurde das durch einen spontanen Redebeitrag eines Kindes aus der vorhergehenden Stunde. Gesprächsausschnitt »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« Sophia: Die Freunde. L: Welche Freunde? Sophia: Von dem Jesus.

943 944 945 946 947

Köhnlein, Passion, 15. Härle, Dogmatik, 344. Härle, Dogmatik, 319. Eckstein, Auferstehung, 7. Beide Zitate Härle, Dogmatik, 314.

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L: Was haben die gemacht? Sophia: Ihn wieder aufgewacht, aufgeweckt.

Bei näherer Betrachtung dieser spontanen Vermutung kommen die Schülerinnen und Schüler von sich aus zu der Überzeugung, dass Menschen die Kraft dazu fehlt, schließlich gilt »Auferstehung als alleinige Tat Gottes« […] »Ihre einzige ›Analogie‹ ist die Schöpfung als souveräne Gottestat.«948 Gesprächsausschnitt »Wer hat Jesus auferweckt?«

L: Haben die Freunde etwas damit zu tun, dass Jesus wieder auferweckt worden ist? Jonas: dass die sich wieder freuen und wieder bei Jesus sind. L: Können die Freunde Jesus wieder auferwecken zum Leben? Michael: Nein. L: Warum? Michael: Weil’s nicht geht. […] Mia: Weil sie net so viel Kraft haben, den Stein erst mal wegzuschieben. Vic: Die sind doch nicht Jesus oder ham die vielleicht alles getauscht? Linnea: Vielleicht haben, war da, haben sie ihn auch schon eingerieben und da war dann irgend so en Mittel drinne, was ihn zum Leben erweckt.

Obwohl einige gute Argumente gegen die Freunde von Jesus vorgebracht wurden, denkt ein Kind über weitere Möglichkeiten für die Alternative ›kraftlose‹ Freunde nach, nämlich ›hilfreiche Medizin‹. An dieser Stelle könnte es sein, dass andere Kinder, davon angeregt, auf sehr viele medizinische Ideen kommen, z. B. Blutspenden, Medikamente, Operationen, Wiederbelebung,….. Entscheidend ist hier das mögliche Vorwissen einiger Kinder, z. B. mit Medizinern als Eltern. Die Lehrperson geht an dieser Stelle allerdings bewusst nicht weiter darauf ein, um erstens das Gespräch theologisch in eine andere Richtung zu lenken und zweitens den dazu hilfreichen Impuls einer Schülerin »Die sind doch nicht Jesus oder haben die vielleicht getauscht« zu vertiefen. Sie ahnt, dass in dieser Frage Vorwissen vorhanden ist. L: Hat denn Jesus so viel Kraft, dass er jemanden zum Leben erwecken kann? Viele: Ja L: Wie kommt ihr darauf ? Mirjam: Wegen der einen Geschichte, wegen dem Mädchen, der hat des auch wieder aufgeweckt. (kurze Erzählung) Christopher : Der Jesus hat glaube ich, [..] hat er gesagt, Steh auf und dann ist das Mädchen aufgestanden.

Bleibt noch zu klären, ob Gott oder Jesus für Jesu eigene Auferweckung zuständig sind oder doch beide, was in anderen Geschichten, z. B. bei der 948 Theißen, Merz, Jesus, 442. Nach K. Barth.

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Sturmstillung bereits diskutiert wurde. Interessant ist, dass gerade eine Schülerin, die auch sonst aktiv diese ›göttliche Arbeitsteilung‹ vertritt, das Argument auch jetzt einbringt und wie die anderen Kinder darauf reagieren. Zu Beginn des Gesprächs

Charlotte: Das war Gott. L: Du sagst, es war Gott, okay. Vic: Des war Gott. Mia: Gott Nathalie: Gott. Vic: Und weil, der [Engel] hat die Frauen gesehen und dann ist er zum Grab geflogen, weil der wusste, schon, dass Jesus, dass Gott Jesus wieder auferweckt hat ….

Nach der Diskussion um die Freunde Jesu, nach Einbringen der Erzählung »Tochter des Jairus«

L: Und wenn jetzt aber der Jesus selber tot ist. Kann dann der Jesus sich selbst auferwecken oder eher Gott. Was denkt ihr?

Einige: Gott Mia: Der Gott. L: Und warum? Mia: Weil der sein Vater isch. Linnea: Beide? Vic: Häh, gleichzeitig, wie soll das gehen? L: Ja. Jetzt erklär mal. […] Linnea: Weil beide gleichzeitig die Hälfte, also Hälfte, Hälfte machen. [……] Dass beide gleichzeitig machen. Franziska: Jesus kann’s doch nicht, wenn er tot ist.

Nach einigen Gesprächsbeiträgen zur Diskussion um eigene Auferweckung

Jonas: Dass Gott erst Jesus auferstehen lässt und dann beide den Stein wegrollen zusammen.

Interessant ist auch, dass die Kinder von sich – im Rahmen der Thematisierung der Auferweckung Jesus – die Frage nach der Auferweckung der Menschen stellen. »Grundlage der Hoffnung auf eine allgemeine Auferstehung der verstorbenen Menschen ist ausschließlich die Botschaft von Gottes auferweckendem Handeln an seinem Sohn, Jesus Christus, mit dem er die Neue Schöpfung seiner Menschen eröffnet hat.«949

949 Eckstein, Auferstehung, 8.

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7.4.2.2 Anknüpfen an Vorwissen Am offensichtlichsten ist die Anknüpfung an Vorwissen beim Rückgriff einzelner Schülerinnen und Schüler auf die Erzählung »Tochter des Jairus«. Diese ihr bekannte Geschichte führt eine Schülerin – Mirjam – als Beleg für Jesu Fähigkeit, Tote lebendig werden zu lassen, an. Ausgelöst wird dieser Rückgriff durch die Impulsfrage der Lehrkraft, ob Jesus die Kraft hat, jemanden zum Leben zu erwecken. Interessanterweise antworten mehrere Kinder mit ja, aber nur einzelne können dies – eben anhand der Geschichte – begründen. Speziell Mirjam malte ein Bild zu dieser Geschichte als Einstieg ins Vorschulinterview. Im theologischen Gespräch erzählt sie sie nun auch, konkretisiert von einem anderen Schüler, der ko-konstruktiv eine Wissenslücke ausfüllt. Zwei weitere geben an, die Erzählung zu kennen. Bei beiden Protagonisten ist es möglich, dass insbesondere die Kraft der Bilder zu einem nachhaltigen Erinnern beiträgt. Beide kennen die eindrucksvollen Bilder von Kees de Kort. Bei Mirjam wird das klar, wenn man ihr zur Geschichte gemaltes Bild aus dem Vorschulinterview betrachtet. Warum sonst – wenn nicht inspiriert von de Korts Bildern – sollte das Mädchen gerade rote Haare haben? Der Schüler kennt die fünf Bände des Bibelbilderbuchs, die seine Oma hat. In dieser Unterrichtsstunde ist aber bereits auch Vorwissen aus dem vor-

Mirjam malt beim Vorschulinterview ihre Lieblingsgeschichte: Jesus und das Mädchen, das er wieder ›geweckt‹ hat.

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hergehenden Unterricht bereitgestellt. Zum einen das zusammengetragene Vorwissen der Kinder, zum anderen die Kurzzusammenfassung desselben sowie die Erzählung des Ostergeschehens durch die Lehrkraft. Sie hat Wert auf die Botschaft »Gott hat Jesus auferweckt, Gott hat ihn wieder lebendig gemacht« gelegt. Auch das Lied »Gott ließ Jesus auferstehn und viele haben ihn gesehn« ist jetzt bereits Teil des Vorwissens. So verwundert es nicht, dass die Kinder auf die Frage, wer Jesus denn auferweckt hat, jetzt zunächst mit Gott antworten, obwohl ihre Vermutungen in der vorangegangenen Stunde eher in Richtung Engel, bzw. Freunde gingen. Erst das nachfolgende Gespräch zeigt, dass dies nicht nur dem Religionsstunden-Ich entspringt, sondern dass die Kinder sich – angeregt durch die Impulsfrage der Lehrkraft – selbstständig in die Diskussion einlassen und verschiedene Aspekte intensiv besprechen. 7.4.2.3 Prozesse der Ko-Konstruktion Weil dieses Gespräch mit einer Anknüpfung an die Schüleräußerungen der vorausgehenden Stunde beginnt (in Form von zunächst verdeckten Sprechblasen), lässt sich folgende höchst interessante Beobachtung machen. Zum einen zeigt sich, dass sich Schülerinnen und Schüler nach einer Woche noch an ihren – offensichtlich als bedeutsam empfundenen – eigenen Redebeitrag erinnern, zum anderen gelingt es einigen sogar, Redebeiträge anderer nach dieser Zeitspanne noch korrekt zuzuordnen. Julia: Ich bin traurig, dass Jesus gestorben ist. Ich dachte, mit ihm wird alles besser. Franziska: Ich bin traurig, dass Jesus nicht mehr bei uns ist und nicht mehr heilen kann. Mirjam: Das war glaub ich meins. […] Charlotte: Ich dachte Jesus würde König. Deswegen bin ich jetzt traurig, dass er gestorben ist. Noah (flüstert): Christopher seins. […] Elena: Ich bin traurig, dass die Soldaten Jesus ans Kreuz genagelt haben. Michael: Ich bin traurig, dass Jesus gestorben ist. Noah: Ich bin traurig, weil Jesus nicht mehr bei uns ist Linnea: Ich glaub das war meins.

Ein sehr beeindruckendes Beispiel für Ko-Konstruktion bietet Jonas. Ihm gelingt es tatsächlich nach zahlreichen anderweitigen Gesprächsbeiträgen und einer inhaltlichen Fokussierung auf einen neuen Aspekt an den überraschenden Redebeitrag einer Schülerin anzuknüpfen und diesen zu erklären. Dabei bezieht er jedoch auch den vorhergehenden Gedankengang »Wenn Jesus tot ist, kann er sich selbst nicht wieder lebendig machen« mit ein.

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Linnea »Weil beide [Gott und Jesus] gleichzeitig die Hälfte, also Hälfte-Hälfte machen.« […] Mehrere Gesprächsbeiträge zum Thema »Toter Jesus kann sich nicht lebendig machen« und Gesprächsbeiträge zum Thema »Werde ich auch auferweckt, wenn ich tot bin?« Jonas: Ich wollte eigentlich erklären, was Linnea gesagt hat. L: Du möchtest noch mal erklären, was Linnea gesagt hat? Versuch’s mal. Jonas: Dass Gott erst Jesus auferstehen lässt und dann beide den Stein wegrollen, zusammen. L: Aha. Dann sagt also jetzt der Jonas, wenn erst der Gott den Jesus wieder lebendig werden lässt, dann ist ja der, wenn er wieder lebendig ist, dann hat er ja auch wieder Kraft. Und dann können sie zusammen den Stein wegrollen. Linnea: Ah, des glaub ich.

Unklar bleibt, ob Linnea ihren einige Zeit vorher eingebrachten, jedoch noch sehr vagen Gesprächsbeitrag, den sie selbst nicht in Worte fassen konnte, erst durch ihren Mitschüler richtig verstanden fühlt oder ob die Erklärung ihres Mitschülers ihr selbst ein »Licht aufgehen lässt« und sie seine Argumentation als für sie schlüssig übernimmt. An dieser Stelle gilt es auch zu klären, inwiefern verschiedene Gesprächsinhalte von unterschiedlichen Schülerinnen und Schülern zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Gespräch fokussiert werden. In Gesprächsausschnitten, die die Auferstehung Jesu thematisieren, aber innerhalb einer Sammlung von Vorwissen der Kinder zur Kreuzigung Jesu entstanden sind kommen die Freunde Jesu und die Engel in Bezug auf Jesu Auferweckung zur Sprache: Noah: Nur, dass die Jesus wieder aufgeweckt haben. […] Die waren weiß. Viele: Engel. Sophia: Die Freunde. […] von dem Jesus. L: Was haben die gemacht? Sophia: Den wieder aufgewacht, aufgeweckt. Christopher : Ich denk der Engel. [….] Franziska: Die sind mal zu dem Stein gegangen und wollten schauen, ob der Jesus noch da liegt und dann war er nemmer da, nur der Engel und der hat gesagt, dass er wieder auferstanden ist.

Nach einer Lehrererzählung zu den drei Frauen, die zum Grab gehen. Dabei betont sie die Auferweckung durch Gott und die Botschaft des Engels an die Frauen950. Die Engel kommen als Boten in den Blick: 950 Im Rahmen einer altersgemäßen Anpassung erzählt die Lehrkraft nicht, dass die Frauen zunächst vor dem Engel erschrecken und vor Schreck nicht von seiner Botschaft zu sprechen wagen. Stattdessen löst die Nachricht des Engels direkt die Osterfreude der Frauen aus.

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L: Und Jesus war nicht mehr da, genau. Und, was war geschehen und wie haben die Frauen herausgefunden, was geschehen war? Mia: Der Engel hat’s denen gesagt und dann waren die ganz froh. L: […] Was hat der Engel den Frauen gesagt, dass sie so froh geworden sind?. […] Charlotte: Dass er wieder lebt. L: Und dann hatten wir letztes Mal ein ganz interessantes Gespräch darüber, wer das denn gemacht hat, dass der Jesus nicht mehr tot ist, sondern dass der Jesus auferweckt worden ist. Und wir hatten verschiedene Möglichkeiten. Da hatten ein paar Kinder gesagt, das werden […] die Engel gewesen sein und ein paar haben gesagt, das waren die Freunde und ein paar hatten noch andere Vermutungen. […] Charlotte: Das war Gott. L: Du sagst, es war Gott, okay. Vic: Des war Gott. Mia: Gott Nathalie: Gott. Vic: Und weil, der [Engel] hat die Frauen gesehen und dann ist er zum Grab geflogen, weil der wusste, schon, dass Jesus, dass Gott Jesus wieder auferweckt hat …. L: Haben die Freunde etwas damit zu tun, dass Jesus wieder auferweckt worden ist? Jonas: dass die sich wieder freuen und wieder bei Jesus sind. L: Können die Freunde Jesus wieder auferwecken zum Leben? Michael: Nein. L: Warum? Michael: Weil’s nicht geht. […] Mia: Weil sie net so viel Kraft haben, den Stein erst mal wegzuschieben. Vic: Die sind doch nicht Jesus oder ham die vielleicht alles getauscht? Linnea: Vielleicht haben, war da, haben sie ihn auch schon eingerieben und da war dann irgend so en Mittel drinne, was ihn zum Leben erweckt. L: Hat denn Jesus so viel Kraft, dass er jemanden zum Leben erwecken kann? Viele: Ja Wie kommt ihr darauf ? Mirjam: Wegen der einen Geschichte, wegen dem Mädchen, der hat des auch wieder aufgeweckt. (kurze Erzählung) Christopher : Der Jesus hat glaube ich, [..] hat er gesagt, Steh auf und Dann ist das Mädchen aufgestanden. L: Und wenn jetzt aber der Jesus selber tot ist. Kann dann der Jesus sich selbst auferwecken oder eher Gott. Was denkt ihr? Einige: Gott Mia: Der Gott.

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Exemplarische Analyse der Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern

L: Und warum? Mia: Weil der sein Vater isch. Linnea: Beide? Vic: Häh, gleichzeitig, wie soll das gehen? L: Ja. Jetzt erklär mal. […] Linnea: Weil beide gleichzeitig die Hälfte, also Hälfte, Hälfte machen. [……] dass beide gleichzeitig machen. Franziska: Jesus kann’s doch nicht, wenn er tot ist. Jonas: Dass Gott erst Jesus auferstehen lässt und dann beide den Stein wegrollen zusammen.

Interessant ist es, an dieser Stelle herauszufinden, ob die Schülerinnen und Schüler jetzt nur das Nachsprechen, was die Lehrkraft in der Geschichte so erzählt hat oder ob sie es wirklich verstanden haben und andere Möglichkeiten bewusst ausschließen können. Es kann jedoch konstatiert werden, dass sich auf der Basis der sehr knappen Lehrererzählung und angeregt durch die Impulsfrage ein angeregtes theologisches Gespräch entsponnen hat, in dem die Schülerinnen und Schüler erstaunliche Gedanken einbringen und nachhaltiges Interesse an der Fragestellung zeigen.

7.4.3 Allgemein erwartbare Gesprächsaspekte – Deutungsspektrum Engel Pro: – Die Engel sind vor Ort am Grab, deshalb können sie es gemacht haben – Engel haben mehr Kraft als Menschen Contra: – Die Engel verkünden nur die Auferweckung, machen sie aber nicht. – Gott ist es, der die Engel schickt, ihnen einen Auftrag gibt. – Engel sind es auch, die die Geburt Jesu ankündigen/verkündigen – Rückgriff auf das Vorwissen der Kinder (Maria/Engel – Hirten/Engel) – Evt. auch Vorwissen (Weise Engel im Traum) Alternativer Gedankengang: Verwechslung Engel/Jesus: Beide in Kinderbibeln oft weiß gemalt, bei Annahme, dass Jesus nach Auferweckung anders – strahlender ist als vorher, liegt eine Verwechslung nahe

Lernprozesse von Schüler/innen in ausgewählten theologischen Gesprächen

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Freunde Pro: – Spezielles Mittel im Salböl, Medizin, Blutspenden, Wiederbelebung, etc. – Vorwissen der Kinder sehr verschieden, z. B. Mediziner als Eltern Contra: – Menschen können niemand lebendig machen, sind nicht stark genug, – Frauen können noch nicht einmal den Stein wegrollen – Eindeutiger Unterschied zwischen Jesus/Gott und Menschen Jesus selbst Pro: – Jesus kann Menschen wieder lebendig machen – Vorwissen: Tochter Jairus Contra: – Jesus ist tot. Er kann nur, wenn er lebt, andere lebendig machen. Gott Pro: – Gott ist der Vater von Jesus. – Gott hat die Kraft, Jesus wieder lebendig zu machen Weitere mögliche Gesprächsaspekte – Verwechslung Engel – auferstandener Jesus (beide oft strahlend weiß dargestellt) Wie sehen Engel aus? Können Engel fliegen? – Auferstanden in den Himmel oder auf die Erde? Beide Vorstellungen sind gleichermaßen im Gespräch zu erwarten – Wie sieht der Auferstandene aus? – Eigene Auferweckung?: Werde ich auch von Gott auferweckt, wenn ich sterbe? Seele – Himmel/Körper – Friedhof ? Gehe ich zu Gott in den Himmel? – Erfahrungen mit Sterben/Tod: Verwandte, Haustiere, Trauer

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht

Zur Auswahl des analysierten Materials Um der Datenmenge dieser Längsschnittstudie angemessen gerecht zu werden mussten an mehreren Stellen der Untersuchung Auswahlentscheidungen getroffen werden. Diese waren einerseits strukturell andererseits inhaltlich bestimmt. Eine erste Auswahl wurde aufgrund strukturell-organisatorischer Aspekte extern getroffen. Aus Gründen der Repräsentativität war es notwendig, die Probandengruppe analog zur ›typischen‹ Bildung einer Religionsgruppe an einer größeren Grundschule (vier- bis fünfzügig) zusammenzusetzen. Dabei musste zugleich gewährleistet sein, dass die auf ›typische‹ Weise entstehende Probandengruppe ausschließlich aus Schülerinnen und Schülern bestehen, deren Eltern der Teilnahme an dieser Studie sowie der Veröffentlichung der anonymisierten Daten zugestimmt hatten. Da die zukünftige Klassenzusammensetzung der Erstklässler zum Zeitpunkt der Datenerhebung in den Kindertagesstätten (Mai/Juni 2010) noch nicht feststand wurde nahezu die doppelte Anzahl an Interviews mit Vorschüler/innen durchgeführt als später Probanden für die Längsschnittstudie ausgewählt wurden. Nachdem die Klassenzusammensetzung Anfang des Schuljahres (Sept 2010) endgültig feststand wurde die Probandengruppe nach folgenden Merkmalen gebildet. – In welcher Klasse liegt zufällig die zahlenmäßig größte Gruppe an freiwillig teilnehmenden Kindern vor? – Gibt es eventuell sogar eine Klasse, in der ausschließlich freiwillig teilnehmende Kinder den RU besuchen? – Können Schülerinnen und Schüler einzelner Klassen aus triftigen Gründen nicht berücksichtigt werden?951

951 Die freiwillig teilnehmenden Kinder aus einer Kooperationsklasse konnten nicht berücksichtigt werden. (In einem Integrationsmodell wird eine kleine Gruppe von Schüler/innen

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

– Kann aus zwei Klassen mit zwei Gruppen freiwilliger Schülerinnen und Schüler eine Religionsgruppe gebildet werden, die in der Größe den anderen Religionsgruppen entspricht? – Gibt es einzelne Kinder, die im Sinne der Zusammenführung früherer Kindergartengruppen ergänzend hinzugenommen werden können? Auf der Basis dieser Kriterien wurde von der Schulleitung folgende Gruppe festgelegt. Die zahlenmäßig größte Gruppe (10 freiwillig teilnehmende Kinder) aus einer Klasse wurde ausgewählt. Hinzu kam eine weitere Schülerin, deren Eltern zu Schuljahresbeginn ihr Einverständnis zur Teilnahme gaben, damit ihr Kind nicht als einziges den Religionsunterricht in einer anderen Klasse besuchen musste. Äußerungen dieser Schülerin wurden in theologischen Gesprächen mit ausgewertet, sie konnte jedoch im Blick auf Fallbesprechungen nicht ausgewählt werden, da zu ihr kein Vorschulinterview vorlag. Aus einer Parallelklasse wurde die Gesamtgruppe freiwillig teilnehmender Kinder mit 5 Schülerinnen und Schülern ausgewählt. Ergänzend wurden 3 teilnehmende Schülerinnen aus einer weiteren Klasse hinzugenommen, damit die Probandengruppe zahlenmäßig den zwei anderen evangelischen Religionsgruppen entsprach. Hierbei wurden Kindergartenzugehörigkeiten berücksichtigt. Auf der Basis dieser Vorauswahl bildeten 19 Schülerinnen und Schüler die endgültige Probandengruppe, wobei klar war, dass 1 Kind aufgrund des späteren Hinzukommens nicht für die Fallanalysen in Betracht kam. Alle Kinder der endgültigen Probandengruppe nahmen an den aufgezeichneten theologischen Gesprächen teil, arbeiteten an den Portfolios und wurden Ende der zweiten Klasse auf der Basis eines halbstandardisierten Interviews zu ihren Vorstellungen und ihrem Wissen über Jesus Christus befragt. Bezüglich der durchgeführten und aufgezeichneten theologischen Gespräche musste ebenfalls eine begründete Auswahl getroffen werden, um einerseits der Bewältigung des Materials wie auch andererseits der Aussagekräftigkeit desselben gerecht zu werden. Folgende Kriterien wurden dabei berücksichtigt – Zentrale Themen sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden (Geburt, Passion und Auferstehung Jesu). – Das theologische Gespräch zur Dilemmageschichte (Sturmstillung) wurde explizit ausgewählt, weil eine Anschlussfähigkeit an die ausführliche Studie zur Christologie von Gerhard Büttner dies sinnvoll erscheinen ließ. – An den ausgewählten theologischen Gesprächen sollten möglichst viele Schülerinnen und Schüler beteiligt gewesen sein. – Die ausgewählten theologischen Gespräche sollten Entwicklung in Form von mit erhöhtem Betreuungs- und Förderbedarf einer benachbarten Schule zeitweise in den Unterricht der Grundschulklasse integriert – gerade auch im Fach Religion).

Zur Auswahl des analysierten Materials

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Prozessen der Ko-Konstruktion, des Aufgreifens von Vorwissen, Schülerfragen usw. erkennbar werden lassen. – Es wurden überwiegend Gespräche aus dem ersten Schuljahr (Dez 2010 – April 2011) ausgewertet, da diese gerade mit Blick auf die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler eine Datenlücke zwischen den Vorschulinterviews (Mai/Juni 2010) sowie den Interviews am Ende des zweiten Schuljahres (Mai 2012) füllen. Im Blick auf die Fallanalysen erschien es angebracht, die ausführlich thematisierten theologischen Gespräche des siebten Kapitels wiederzuverwenden. In den Fallbeispielen kommen sechs Kinder mit ihrer individuellen Entwicklung von Wissen und Vorstellungen über Jesus Christus in den Blick. Aus den 18 ›möglichen‹ Probanden wurden diese auf der Basis folgender Kriterien ausgesucht: – Beide Geschlechter sollten im Verhältnis der Religionsgruppe vertreten sein952 – Sowohl Kinder, die staatlich wie auch solche, die kirchlich getragene Kindertagesstätten besucht haben, sollten vertreten sein953 – Das Ausmaß der bereits vorhandenen Wissensbestände sollte in seiner Heterogenität erfasst sein: Rudimentäres, mittleres oder großes Vorwissen in Bezug auf biblische Geschichten von Jesus954 – Datenbasierte Kriterien auf der Basis der Vorschulinterviews: – Rudimentärer Wissensstand: Kann keine Erzählung von Jesus ausführlich erzählen und höchstens 3 knapp, dabei werden höchstens 2 Themenfelder abgedeckt – Mittlerer Wissensstand: Kann 1 – 2 Erzählungen von Jesus ausführlich erzählen und 2 – 4 knapp, dabei werden 2 – 4 Themenfelder berücksichtigt – Hoher Wissensstand: Kann mindestens 3 Erzählungen von Jesus ausführlich erzählen und 3 weitere knapp, dabei werden insgesamt mindestens 4 der 6 Themenfelder abgedeckt – Heterogenität im Blick auf die Teilnahme an theologischen Gesprächen – Aktiv zuhörend, mit wenigen Redebeiträgen – Hin und wieder Redebeiträge – häufig Redebeiträge – Bringt sich mit Wissen über Jesus ein 952 Die Probandengruppe umfasste 19 Schülerinnen und Schülern, von denen 1 Schülerin nicht am Vorschulinterview teilgenommen hatte, so dass sie im Blick auf die Fallanalysen nicht berücksichtigt werden konnte. Von den 18 übrigen Kinder sind 12 weiblichen und 6 männlichen Geschlechts, was 4 Fallanalysen von Schülerinnen und 2 von Schülern ergibt. 953 Es wurden 2 Kinder ausgewählt, die einen kirchlichen Kindergarten besucht hatten sowie 4 Kinder, die eine staatlich oder privat getragene Kita besucht haben. 954 Mit erfasst sollte auch sein, dass einzelne Kinder aufgrund von Eigenkonstruktionen phantasievoll ›falsches‹ Vorwissen mitbrachten.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

– Bringt sich mit eigenen Vorstellungen über Jesus ein – Greift vor allem Vorstellungen anderer Schüler/innen auf – Entwickelt neue, im Vergleich fortgeschrittene Vorstellungen – Fähigkeit, Fragen zu stellen – Heterogenität im Blick auf die Arbeitsweise und die inhaltliche Gestaltung im Portfolio Es wurden Fallprofile ausgesucht, die unterschiedliche individuelle Ausprägungen zeigen, damit eine möglichst große Streuung gegeben war und die vorfindliche Heterogenität ausgewogen wahrgenommen werden konnte. Auch die Materialien aus den Portfolios der Probanden mussten sorgfältig ausgewählt werden. Folgende Kriterien waren dafür ausschlaggebend – Bei allen Schülerinnen und Schülern sollten dieselben Materialien ausgewertet werden um eine Vergleichbarkeit zu erhalten.955 – Materialien die Aufschluss über den Wissensstand der Schülerinnen und Schüler geben können. Die Selbsteinschätzung der Kinder zu Beginn der Unterrichtseinheit Jesus Christus im ersten und zweiten Schuljahr wurde explizit ausgewählt. Zum einen sollte verglichen werden, ob die Vorschulinterviews und die Eigenangaben der Kinder übereinstimmen. Dies hat unterrichtspraktische Hintergründe. Kein Lehrender kann mit allen Schülerinnen und Schülern halbstandardisierte Interviews durchführen, um deren Vorwissen zu erheben. Aber alle Lehrenden könnten eine Eingangsdiagnostik im Sinne der vorgegebenen Bilderzuordnung »Kenne ich – Kenne ich noch nicht« durchführen. Das wäre dann besonders sinnvoll, wenn die Ergebnisse mit den Vorschulinterviews übereinstimmen würden. Die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Unterrichtseinheit Jesus Christus im zweiten Schuljahr gibt einen Einblick dahingehend, ob die Kinder ihre Lernentwicklung selbst richtig einschätzen können. Darüber hinaus ist es aufschlussreich, welche Quellen die Kinder im Blick auf ihr erweitertes Wissen angeben. – Es sollten ferner einige Materialien ausgewertet werden, die Einblicke in die Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler boten. – Das Bild, das als Eigenkonstruktion ein individuelles Ende der Dilemmageschichte zur Sturmstillung darstellt, bot sich aufgrund der Anschlussfähigkeit an das theologische Gespräch an, das in der Studie, vgl. Kapitel 7.2 ebenfalls 955 Einzelne Arbeitsprodukte liegen nicht vor. Gründe dafür sind Fehltage einzelner Schülerinnen und Schüler wegen Krankheit, nicht bearbeitete Materialien aufgrund des Differenzierungsangebotes oder in Einzelfällen leider auch ›verschlamperte‹ Materialien. Die Portfolios wurden immer wieder auch mit nach Hause genommen und dort mit den Eltern angeschaut – Hausaufgabe.

Vic – Individuelle Entwicklung

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ausgewertet wurde und Beobachtungen zulässt, inwiefern möglicherweise Ideen aus dem Gespräch aufgegriffen wurden. – Im Anschluss an das Bild zur Dilemmageschichte im Blick auf die Sturmstillung wurde ein weiteres Arbeitsblatt aus der zweiten Klasse hinzugezogen, das Einblicke in die Vorstellungen der Kinder bezüglich der Person Jesus sowie der Beziehung Jesus zu Gott zulässt. Es konnte analysiert werden, ob und inwiefern sich das Denken der Zweitklässler in diesem Punkt weiterentwickelt hat – Mehrere Arbeitsblätter zum Thema »Jesus als Heiler« wurden unter dem inhaltlichen Aspekt ausgewählt, weil diese Thematik keinen Eingang in die Gesamtauswertung theologischer Gespräche gefunden hatte. Ein Arbeitsblatt aus der ersten Klasse, in der die Schülerinnen und Schüler im Blick auf die Heilung des Bartimäus Gründe nennen sollten, warum Jesus heilen kann, sowie ein Arbeitsblatt aus der zweiten Klasse zur Heilung des Gelähmten und der Fragestellung, ob Jesus das darf und wenn ja, warum. Bei vier der sechs Kinder wurde ferner ein fiktiver Brief an Bartimäus oder den Gelähmten ausgewäht, der nicht bei allen vorlag, weil wahlweise auch an andere Menschen zur Zeit Jesu geschrieben werden konnte (Hirte, arme Frau, …)

8.1

Vic – Individuelle Entwicklung

8.1.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen 8.1.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten956 Die Eltern von Vic geben im Fragebogen an, das ihr Kind 1 – 2 Mal im Jahr Kleinkindergottesdienste besuchte, nicht in die Kinderkirche ging und sich ihre Erfahrung mit Erwachsenengottesdiensten auf den Taufgottesdienst bezieht. Vic stehen zuhause keine Kinderbibeln zur Verfügung und ihr werden dort auch keine biblischen Geschichten vorgelesen oder erzählt. Vic zeigt von sich aus Interesse an der Kreuzigung Jesu, ausgelöst durch ein Kruzifix (»warum hängt der Mann da?«). Sie äußert diesbezüglich von sich aus Fragen religiösen Inhalts. Darüber hinaus auch zu den Themen ›Sterben und Tod‹ sowie ›Ursprung und Geburt‹ (»Wo kommen wir her?«) Vic besucht einen Kindergarten evangelischer Trägerschaft. Im Kindergarten stehen ihr die von Kees de Kort gestalteten Bibelbilderbücher zur Verfügung aus denen 1 – 2 Mal monatlich vorgelesen wird. Ferner wurde eine Kirche besucht. Die Taufe von 3 Kindergartenkindern bot Anlass zum Theologisieren und wird 956 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im Elternfragebogen sowie im Fragebogen für Erzieher/innen erstellt. Vgl. Anhang 11.1.1 und 11.1.2.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

von den Erzieherinnen explizit erwähnt. Weihnachten wird gefeiert, die Weihnachtsgeschichte erzählt, thematische Lieder gesungen und der Weg zur Krippe szenisch dargestellt. Thematische Bilderbücher stehen zur Verfügung. Auch die Sturmstillung, die Heilung des Bartimäus sowie des Gelähmten, der Einzug nach Jerusalem und Jesu Tod und Auferstehung wurden thematisiert. Es gab einen Ostergottesdienst in der Kirche. 8.1.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Vic verfügt vor Schuleintritt über einen als rudimentär zu beschreibenden biblischen Wissensstand. Sie kann der Geburt Jesu insbesondere einen im Kindergarten szenisch dargestellten ›langen‹ Weg des Esels und Marias sowie das Baby Jesus im Stall zuordnen. Sie benennt die Hirten und kann sie inhaltlich mit der Nachricht des Engels verknüpfen. Im Blick auf Jesu Heilfähigkeit gelingt es ihr, die Erzählung der Heilung des Blinden narrativ folgerichtig und unter Einbezug von Details wiederzugeben. Auf Nachfragen bezüglich einer Theorie, wieso Jesus heilen kann, entscheidet sie sich bei den Optionen ›Er macht es alleine‹ – › Jemand hilft ihm‹ für die Variante der Unterstützung. Sie denkt, dass Gott Jesus hilft. Noch kennt sie die Erzählung von der Kindersegnung nicht, verknüpft aber ihr Wissen aus der Heilungsgeschichte, in der Jesus Bartimäus ›hilft‹, mit einem Bild von Jesus und den Kindern. Sie geht davon aus, dass Jesus den Kindern auch ›hilft‹. Auf einem Bild der Sturmstillung identifiziert sie die Freunde Jesu sowie den schlafenden Jesus. Sie geht davon aus, dass Jesus keine Angst hat, weil Gott ihm ›hilft‹. Hier zeigt sich eine erste implizite Vorstellung der besonderen Beziehung Jesu zu Gott, da die Freunde anders als Jesus Angst haben. Vic kann die kürzest mögliche Fassung der Erzählung vom verlorenen Schaf wiedergeben (Schaf läuft weg – Hirte sucht es). Im Blick auf die Passion identifiziert sie Jesus auf dem Esel sowie die Menschen, die mit Palmwedeln winken und auch den betenden Jesus im Garten. Sie weiß, dass Jesus ans Kreuz gehängt wurde, konkretisiert, dass er ans Kreuz genagelt wurde. Sie weiß auch, dass er wieder auferstanden ist. Vic hält Jesus für einen besonderen Menschen, weil er ›viele Sachen kann‹ und ›Menschen helfen kann‹. Betrachtet man ihren Sprachduktus fällt auf, dass sie das Wort ›helfen‹ im Sinne von »Jesus ›hilft‹ den Menschen« »Gott ›hilft‹ Jesus« besonders häufig verwendet. Es wird interessant sein zu beobachten, ob und wie sich ihr Sprachgebrauch im Laufe der zwei Jahre ausdifferenziert.

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Vic – Individuelle Entwicklung

8.1.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt

Auferstehung Jesu

Geburt Jesu langer Weg/ Esel/Stall Maria/ Jesus im Bett Hirten – Engel hat’s gesagt

wieder auferstanden

Jesus besonders kann viele Sachen/ kann Menschen helfen

Heilungen Jesu Bartimäus sieht nichts/ sammelt Geld/ hört, dass Jesus in der Stadt/ ruft laut: ‚Jesus!’/ Jesus sagt: ‚Lasst ihn‚ Bringt ihn mir.’ Hilft ihm/ Band weg/ Augen auf Jesus kann gesund machen Gott hilft ihm

Wunder Jesu Sturmstillung Freunden geht’s nicht gut, Jesus schläft Keine Angst, weil ihm Gott dabei hilft

Passion Jesu Jesus auf Esel/ Kinder m. Palmwedeln Jesus betet ans Kreuz gehängt / genagelt

Jesus und Kinder sind bei Jesus, weil er denen hilft Jesus und Jünger Jesus erzählt von Gott Schaf läuft weg, Hirte sucht es (kein Zsmhg. Gott – Hirte)

8.1.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen 8.1.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen Fragekompetenz Bei Vic fällt insbesondere ihre Fähigkeit, Fragen zu stellen auf. Einerseits fragt sie sehr häufig nach, wenn sie etwas nicht sofort verstanden hat, sei es akustisch oder inhaltlich. Unter zeitweiliger Missachtung der allgemein geltenden Gesprächsregeln will sie Dinge sofort für sich klären. Das geschieht aber häufig in einem Zusammenhang, in dem sonst die Lehrperson stellvertretend für die anderen Schülerinnen und Schüler nachfragen würde, um das Verständnis des Gesagten zu erhöhen. Zahlreiche Beispiele lassen sich diesbezüglich anführen:

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Elena: Dass der [Gott] das Boot nach vorne pusten. Vic: So stark mit Puste? Ich hab nicht mal so viel Puste. Elena: Ah, der ist ja groß, der kann des machen.957 Noah: Dass der [Gott] ein Fernrohr hat und dann runtergucken kann wie das Christkind und der Weihnachtsmann. L: Okay Vic: Ähm, ich wusst gar nicht, dass Gott im Himmel wohnt. Mit nem Haus oder wie? Ich seh da oben leider nichts äh, nix braunes. L: Wo wohnt Gott? Ja? Das ist ne gute Frage.958 L: Und dann hat der Pilatus ihn zum Tode verurteilt und dann wurde der Jesus gekreuzigt. Vic: Was bedeutet verurteilt? L: Dann hat der Pilatus gesagt, dass der Jesus sterben muss.959 Florian: Ist der Pilatus ein Kaiser? L: Das war ein Statthalter, der hat den Kaiser vertreten in dem Land. Das war nicht selber der Kaiser […] Der Kaiser hatte ein sehr großes Reich, ein sehr großes Land, der konnte nicht überall selber sein, dann hatte er überall Leute, die ihn vertreten haben und in seinem Auftrag quasi Dinge getan haben. Vic: Was ist Vertreter? L: Im Auftrag von dem Kaiser hat der da alles Mögliche gemacht.960

Häufig zeigen ihre Fragen auch eine sehr hohe inhaltliche Aufmerksamkeit und ein aktives Mitdenken. Immer wieder fragt sie inhaltlich tiefgehende Fragen, die auch andere Schülerinnen und Schüler offensichtlich ins Nachdenken bringen: Elena: Weil er jedem Menschen hilft L: Okay. Vic: Hilft der auch den Bösen? Viele: Ne, nein L: Die Vic fragt: ›Hilft er auch den Bösen?‹ und ihr meint: ›Nein.‹ Okay.961

Im Gespräch über die Dilemmageschichte zur Sturmstillung kommt Vics Fragehaltung mehrmals sehr deutlich zum Tragen. L: Wie merkt den Gott, was da jetzt grade passiert? Mia: Weil der sieht des aus dem Himmel. Vic: Aus was? Ich hab’s nicht verstanden. (Vic will etwas für sich klären) L: Sag’s noch mal. Mia: Aus dem Himmel sieht des der. L: Okay. Vic? 957 958 959 960 961

Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in Kapitel 7.2.1. Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in Kapitel 7.2.1. Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1 b). Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1 b). Vgl. Gesprächsprotokoll »Was passiert an Weihnachten?« in Kapitel 7.1.1

Vic – Individuelle Entwicklung

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Vic: Vielleicht guckt der grad dahin, wo Jesus ist, weil des ist ja sein Sohn. L: Mhm. Vic: Und dann guckt der dahin und dann sieht er des. L: Du meinst, er begleitet also den Jesus beim Gucken? Mirjam: Vielleicht vielleicht sprecht der der Jesus spricht mit seinem inneren Geist und des hört Gott. L: Wie meinst du mit seinem inneren Geist? Erklär des mal. Mirjam: Der Geis, dann sagt zu Gott immer der Geist L: Mhm. Okay. Also, du meinst er spricht innerlich mit Gott? Vic: Was ist Geist? (wichtige Frage, die auch andere Sch. zum Nachdenken anregen kann) L: Also ganz in sich drin, in seinen Gedanken vielleicht? […]962

Vic stellt nicht nur inhaltliche Fragen, bzw. Nachfragen, sie ist ernsthaft an einem Nachdenken darüber interessiert, wie sich an der Fortsetzung des Gesprächs zeigt. […] Linnea: Weil er vielleicht so irgendwie in Jesus drinne ist? [2 – 3 Kinder kichern verhalten.] Vermutung: Sie können mit dem Gedanken nichts anfangen Vic: Das ist überhaupt nicht lustig. L: Erklär mal. Das ist ein interessanter Gedanke.963

Aktives Interesse und aktives Mitdenken Vic zeigt sich insgesamt sehr engagiert in den Gesprächen. Sie kann es manchmal nicht abwarten, sich einbringen zu können wie im folgenden Beispiel als sie auf einen stummen Impuls reagiert und das Mikrophon noch nicht eingeschaltet ist. L: So, die Vic hat gleich was festgestellt, vorhin. Was hat denn die Vic gerade vorhin gleich gesagt zu dem, was bei uns in der Mitte steht heute. Vic: Da fehlen, da fehlt ein König von den dreien Michael: Ich weiß auch, warum. L: Das ist ja seltsam. Wem ist das noch aufgefallen? (Einige melden sich)964

Ein besonders einprägsames Beispiel zeigt sich hier. Vic will eine schnelle Klärung einer Grundsatzfrage und sie will, dass alle Position beziehen. Das äußert sie so: L: Denkt ihr, er kann helfen oder er kann vielleicht auch nicht helfen. Einige: Er kann helfen. Helfen. L: Aber denkt vielleicht auch jemand er kann nicht helfen? 962 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung«, Kapitel 7.2.2.4. 963 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung«, Kapitel 7.2.2.4. 964 Vgl. Gesprächsprotokoll »Jesus als König«, vgl. Kapitel 7.1.4.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Viele: Nö, Ne. Vic: Wer denkt, er kann nicht helfen, der streckt Tonfall zeigt, dass sie eigentlich erreichen möchte, dass sich keiner meldet (Keiner meldet sich) L: Also ihr denkt, er kann helfen. Okay. Und wir haben vorhin schon ne Idee gehört […]‹965

Anknüpfen an Vorwissen + aktives Mitdenken in der Diskussion Vic bringt aktiv Vorwissen in die theologischen Gespräche ein, was angesichts ihres doch eher als rudimentär zu beschreibenden Wissensstandes im Vorschulinterview doch erstaunlich ist. Sie scheint alle Wissensbausteine, selbst die kleinsten zum Thema beitragen zu wollen und erweist sich dadurch als sehr engagiert. Angenagelt, aber erst als er erwachsen war, nicht als er ein Baby war.966 Elena: Der Jesus hat gesagt, dass dass, dass die Freunde ihn verraten sollen, weil er, weil der ans Kreuz genagelt. L: Und haben alle Freunde ihn verraten? Mehrere: Ne, nur einer. L: Des wollt die Vic auch sagen [hatte enttäuscht die Hand gesenkt]. Wer weiß was, von dem, was die Elena gerade sagt, mit dem Freund? Vic: Ich war mit ihr im Kindergarten, also weiß ich’s […] Vic: Frau …. [Erzieherin der Kita], die hat uns das mal vorgelesen. Die hat noch was gesagt mit nem Garten. Ich weiß aber nicht mehr ganz genau. L: Weiß vielleicht sonst noch jemand was von dem Garten? Weiß vielleicht jemand was von dem Garten oder was Jesus in dem Garten gemacht hat? […] Vic: Bei uns in der Geschichte stand, die waren traurig, am Kreuz gestanden.967 L: Okay. Ihr seid euch also alle ziemlich einig. Aber warum war denn dann der Engel da? Letztes Mal hat noch ein Kind vermutet, er war da, weil er ihn [Jesus] auferweckt hat. Dann haben wir uns ein bisschen darüber unterhalten und jetzt sagt ihr alle, also vielleicht hat er ihn doch nicht auferweckt, aber warum war er denn dann da, der Engel? Warum war denn der Engel da. Du weißt es? Dann sag mal. Jonas: Weil, weil der den anderen sagen wollte, dass Jesus nicht im Grab ist. L: Ah, das war seine Aufgabe? Okay. Was denkst du, Vic? Vic: Und weil, der hat die Frauen gesehen und dann ist er zum Grab geflogen, weil der wusste schon, dass Jesus, dass Gott Jesus wieder auferweckt hat und dann sind, wusste der schon, dass die kommen und dann hat er des denen gesagt.968 965 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung«, Kapitel 7.2.2.4. 966 Vgl. Gesprächsprotokoll »Spontanes Theologisieren über die Kreuzigung« in Kapitel 7.3.1 a). 967 Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« Kapitel 7.3.1 b). 968 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Vic – Individuelle Entwicklung

L: Also du meinst, dass die sich einfach wieder freuen, die Freunde. Was haben denn jetzt die Freunde damit zu tun? Können die Freunde Jesus wieder auferwecken zum Leben? (greift Vermutung eines Schülers auf.) Michael: Nein. L: Warum? Michael: Weil’s nicht geht. L: Ich glaub, die anderen denken das auch. Aber erklär’s mal. Ich weiß nicht, wer das letztes Mal gesagt hat, aber erklär mal dem Kind warum es vielleicht nicht geht. […] Vic: Die sind doch nicht Jesus. Oder ham die vielleicht alles getauscht. (Zusatz: ›Oder ham die vielleicht alles getauscht‹ – mit patziger, ironischer Stimme) L: Mhm. Okay.‹969

Zusammenfassende Beobachtungen zu Vics Gesprächsverhalten Vic fällt kontinuierlich durch aktive Mitarbeit in theologischen Gesprächen auf. Sie bringt sich in den Bereichen, in denen sie Vorwissen hat mit diesem ein und zeigt sich interessiert an der Diskussion von Fragestellungen. Wenn sie etwas nicht versteht fragt sie häufig direkt nach, was eine Klärung für sie selbst und häufig auch für andere Schülerinnen und Schüler nach sich zieht. Sie fragt einerseits Begriffe nach, stellt andererseits aber auch inhaltlich tiefgehende Fragen. Sie bringt sich in die Diskussion über Fragen engagiert ein und ist an Lösungen derselben ehrlich interessiert. 8.1.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« Zu Beginn der Jesus-Einheit in Klasse 1 und Klasse 2 wählt Vic Bilder aus ihr bekannten Jesuserzählungen aus und gestaltet damit anschauliche Wissenslandkarten, die der Lehrkraft Rückschlüsse auf ihren jeweiligen Vorwissensstand ermöglicht und ihr selbst ihren eigenen Lernfortschritt visualisiert. Leider können die Landkarten aus Urheberrechtsgründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Stattdessen folgt eine tabellarische Übersicht mit Anmerkungen. Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt

– Heilung des Bartimäus – Stillung des Sturms – Speisung der Fünftausend

– Heilung des Bartimäus – Stillung des Sturms – Speisung der Fünftausend

969 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt – Einzug Jesu in Jerusalem – Kreuzigung Jesu – Geburt Jesu – Sterndeuter – Jesus und die Kinder – Der große Fischfang – Das letzte Abendmahl – Jesus in Gethsemane Die ausgewählten Geschichten der ersten Zu Beginn der zweiten Klasse hat sich das Klasse decken sich teilweise mit dem Spektrum deutlich erweitert. Nur Bilder Vorschulinterview. Dort konnte sich Vic zu aus zwei Erzählungen gibt sie als noch Bartimäus, dem Einzug in Jerusalem und unbekannt an, die Erzählungen vom der Kreuzigung Jesu äußern. Allerdings ›Verlorenen Schaf‹ (erstaunlich, konnte sie wusste sie damals nichts zur Stillung des doch eine Minimalfassung bereits im Sturms oder zur Speisung der Fünftausend Vorschulinterview nennen) und von der zu sagen. ›Heilung des Gelähmten‹. Dabei notiert sie im Blick auf das ›Verlorene Schaf‹ – »Ich glaub, da war ich krank«. Dass sie die ihr bekannten Geschichten in erster Linie mit dem Religionsunterricht verbindet zeigt sich an ihrer handschriftlich hinzugefügten Äußerung: Alle Geschichten, die hier aufgeklebt sind, kenn ich von Frau Benz.

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt – Einzug Jesu in Jerusalem – Kreuzigung Jesu

Fähigkeit, eigene Vorstellungen über Jesus auszudrücken Betrachtet man Vics gesamtes Portfolio erkennt man von Anfang an ihre Bereitschaft, sich auf die Thematik einzulassen und eigene Gedanken zu entwickeln. Bereits zu Beginn äußert sie zwei Vorstellungen über Jesus.

Vic lässt die Lehrperson schreiben: ›Ich denke, dass er den Menschen hilft, die arm sind‹ und ›Jesus hilft den Tieren und den Bettlern‹.

Vic – Individuelle Entwicklung

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Dabei ist es möglich, dass sie ihr Vorwissen über Bartimäus, den Bettler einbezieht. Klar ist aber auch, dass sie ganz eigene neue Gedanken entwickelt, denn es gibt keine biblischen Geschichten über Jesus und die Tiere. Vic zeigt auch im Folgenden immer wieder eine hohe Bereitschaft, Arbeitsaufträge mit Sprech- und Denkblasen auszufüllen, Briefe zu formulieren oder sonstige freie Schreibaufgaben zu bearbeiten.970 Zu ihrer Bereitschaft, eigene Vorstellungen zu entwickeln, nutzt sie aktiv ihr bestehendes sowie ihr neu erworbenes Wissen über Jesus. Sie zeigt, dass sie Wissensbausteine in ihre eigenen Vorstellungen integrieren kann, bzw. baut ihre Vorstellungen aktiv mit Hilfe von neuen Wissensbausteinen. Es ist – da ihre Entwicklung hier nur beschrieben wird – nicht zu analysieren, was Ursache und was Wirkung darstellt. Vermutlich geht beides Hand in Hand. Ein Beispiel dafür ist ihre Begründung für Jesus als allergrößtes Weihnachtsgeschenk971: Jesus ist das allergrößte Geschenk an Weihnachten, ›weil Jesus den Menschen auch Geschenke gemacht hat. Er hat die Menschen gesund gemacht und er hat den Kindern Geschichten über Gott erzählt.‹

Ein weiteres sehr aufschlussreiches Beispiel ist ihre Bearbeitung des Vergleiches Herodes – König Jesus, in dessen Zusammenhang auch explizit nach biblischen Erzählungen gefragt wurde, die dazu erinnert werden.972 Es gelingt Vic an dieser Stelle vier Erzählungen mit der Aufgabenstellung zu verknüpfen. Vergleich König Herodes – König Jesus So ist Herodes: ›ganz böse‹ – ›und hilft nicht‹ – ›ist nicht nett‹ So ist Jesus: ›ganz nett‹ – ›und hilft viel‹ Welche Geschichten aus der Bibel fallen dir dazu ein? ›Er hat Maria geheilt‹ – ›Er hat Bartimäus geholfen‹ – ›Er hat den Fischern geholfen‹ – ›Er hat den Gelähmten geheilt‹

970 Vgl. ihr Portfolio insgesamt, das an dieser Stelle nicht vollständig abgedruckt werden kann. 971 Vgl. Kapitel 7.1.3.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis eines theologischen Gesprächs. 972 Vgl. Kapitel 7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse auf der Basis theologischer Gespräche.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

König Herodes und König Jesus im Vergleich

Jesus als Heiler In der ersten Klasse zeigt Vic am Beispiel des Bartimäus973, dass sie die zuvor gehörte Erzählung aus Sicht des Bartimäus auf den Punkt bringen kann. Sie legt ihm zwei Sprechblasen in den Mund: Blinder Bartimäus: ›Jesus helf mir!‹ Sehender Barimäus: ›Ich danke dir, Jesus.‹

Ihre Vorstellung bezüglich Jesus als Heiler drückt sie an dieser Stelle folgendermaßen aus: Wieso kann Jesus Bartimäus helfen? ›Weil Jesus heilig ist.‹

Fragwürdig ist an dieser Stelle, ob sie mit dem Begriff heilig etwas anfangen kann oder ob sie ihn nur als eine Erklärung, die sie bei anderen gehört hat, wiederholt. Hier zeigt sich, dass der Einblick in ein Portfolio allein nicht immer aussagekräftig ist. In der zweiten Klasse gibt sie analog folgende Vorstellung an

973 Das zugehörige Arbeitsblatt konnte wegen fehlender Genehmigung nicht abgedruckt werden.

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›Ja, er darf das, denn weil er alles darf, denn er ein besonderer Mensch ist‹. Ó 2010 Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart und Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig.

Bereits zu Beginn der zweiten Klasse kann sie ihre Vorstellungen von Jesus als Heiler und die Erzählung der Heilung des Gelähmten miteinander verknüpfen. In einem fiktiven Brief an den Gelähmten schreibt sie bezüglich der Geburt Jesu:

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Lieber Gelähmter, Jesus wird geboren und wird dir helfen, dass du dich wieder bewegen kannst und er wird auch den Anderen helfen.

Jesus als Wundertäter – Sturmstillung974 Auf der Basis von Dilemmageschichte und anschließendem theologischen Gespräch gestaltet Vic eine Fortsetzung der Erzählung.

Jesus sagt zu Gott: »Kannst du die Wolken bitte wegblasen?« Gott tut es.

Interessant ist, dass Vic die Beziehung Jesu zu Gott in den Mittelpunkt stellt – in Wort und Bild. Jesus spricht mit Gott und das hat Folgen. Auch künstlerisch ist dies dargestellt. Jesus und Gott sind einander zugewandt (zeigt die auffällige Armhaltung, wohingegen die Gesichter dem Bildbetrachter zugewandt sind – Seitliche Porträts entsprächen nicht dem Entwicklungsstand).

974 Vgl. Kapitel 7.2.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis eines theologischen Gesprächs.

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Möglich ist, dass Vic Denkanstöße aus dem vorhergehenden theologischen Gespräch aufgreift. Sie zeigte darin eine große innere Beteiligung, die sich auch in Äußerungen und Nachfragen zeigt. Besonders interessiert scheint sie an der Diskussion, ob Gott Jesus vom Himmel her zusieht und deswegen handelnd eingreift oder ob Jesus mit Gott spricht, damit dieser eingreift. Hier fällt von Vic im Gespräch folgende abschließende Bemerkung Vic: Ich weiß, wie Jesus zu Gott sprechen könnte. Der könnte die Bewegungen machen. […] Ich meine so wegschieben (zeigt große Armbewegungen – Schülerin scheint davon auszugehen, dass Gott Jesus nicht hören, sondern von oben, also vom Himmel aus, passende Bewegungen sehen muss, um reagieren zu können, erst auf die bedauerlicherweise suggestive Nachfrage der Lehrerein nennt sie eine Möglichkeit, die dem zweiten Gedankenstrang entspricht.) L: Du meinst, Gott versteht ihn nur, wenn er Bewegungen macht? Vic: Auch wenn er spricht.975

Im Gespräch scheint Vic zwischen zwei Möglichkeiten zu schwanken. Eventuell wurde sie durch die Äußerungen von Mirjam, Mareike und Linnea in ihrem Denken angeregt. Sie entscheidet sich schließlich im Bild für die Variante ›Jesus spricht mit Gott‹. Sie greift auch das im theologischen Gespräch verwendete ›nach vorne pusten‹976, ›wegpusten‹ in Form des Wortes ›wegblasen‹ in ihrer Eigenkonstruktion auf. Vic bleibt in ihrem Ende der Erzählung ganz klar in der Dilemmageschichte, mischt diese nicht mit der – ihr nach dem Vorschulinterview – nicht bekannten biblischen Sturmstillungserzählung. Erkennbar ist das daran, dass Jesus eindeutig an Land gemalt ist, sich nicht mit im Boot befindet. Auffallend ist auch, dass Jesu Worte (ausgedrückt im Begleittext), Gottes Handeln (gemalt in Form von Pfeilen, die wie waagrechte Blitze aussehen) und das positive Ende der Erzählung (lachende Gesichter aller Beteiligten, inklusive der Fischer im Boot) in ihrem Bild zu ihrem individuellen Ende der Erzählung zusammenfallen. Insgesamt zeigt diese Bild eine sehr intensive Auseinandersetzung Vics mit der Thematik sowie mit dem vorhergehenden theologischen Gespräch. In der zweiten Klasse zeigen sich folgende Vorstellungen zu Jesus in Bezug auf die Sturmstillung.977 Mittlerweile kennt Vic die biblische Geschichte.

975 Vgl. Kapitel 7.2.2.4 Prozesse der Ko-Konstruktion im Gespräch »Dilemmageschichte Sturmstillung«. 976 Ins theologische Gespräch eingebracht von Elena. Vgl. Kapitel 7.2.1 Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung«. 977 Bedauerlicherweise konnte das Arbeitsblatt nicht abgedruckt werden, da keine Abdruckgenehmigung für die Bilder vorlag.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Wer ist Jesus? Was denkst du? Die Jünger haben Angst. Jesus schläft mitten im Sturm. Wieso hat er keine Angst? ›Weil Jesus Gottes Sohn ist und Jesus weiß, dass Gott für Jesus und seine Jünger da ist. Die Jünger wecken Jesus. Was denkst du, warum? ›Weil sie Angst haben und wissen, dass Jesus was tun kann.‹ Wie kann Jesus seinen Freunden helfen? Wer ist Jesus? Indem er mit …………. Sagt diese Geschichte etwas über Gott? ›Ja, weil Gott Jesus Kraft gibt.‹

Hier zeigen sich folgende Vorstellungen von Jesus Christus. Erstens: Jesus ist Gottes Sohn. Zweitens: Jesus weiß – als Sohn Gottes – dass Gott für ihn und seine Jünger da ist. Drittens: Die Jünger wenden sich in Angst an Jesus, weil sie wissen, dass Jesus etwas tun kann. Viertens: Gott gibt Jesus Kraft. Leider ist eine Aussage nicht vollständig, nämlich die Frage, wie Jesus nach Vics Vorstellung seinen Freunden helfen kann. Interessant ist im Vergleich zu Vics Vorstellungen der ersten Klasse, dass offenbar nicht mehr Gott auf Bitten von Jesus aktiv wird978, sondern Gott Jesus Kraft gibt, damit Jesus etwas tun kann. Gott ist nun der, der für Jesus und seine Jünger da ist, nicht mehr der unmittelbar Handelnde. Zusammenfassende Beobachtungen zu Vics Portfolioarbeit979 Vic zeigt großes Interesse an Aufgabenstellungen in ihrem Portfolio. Sie bearbeitet zahlreiche Arbeitsaufträge in intensiver Art und Weise. Es finden sich ebenso Aufgaben, die dem Wissensaufbau dienen als auch solche, die die Entwicklung christologischer Vorstellungen fördern. Sehr früh beginnt Vic damit, freie Schreibaufgaben (Sprechblasen ausfüllen etc.) anzunehmen und eigene Gedanken zu verschriftlichen. Das entspricht ihrer bereits früh zu erkennenden Fähigkeit, christologische Vorstellungen zu entwickeln, die sich durchgängig im gesamten Portfolio erkennen lässt. Vic zeigt auch bei ästhetischen Aufgaben Motivation und Gestaltungskraft.

978 Vgl. Bild und von Vic hinzugefügten Text »Dilemmageschichte Sturmstillung« weiter oben im Kapitel. 979 Die Beobachtungen beziehen sich teilweise über die exemplarisch ausgewählten Materialien hinaus auf das gesamte Portfolio von Vic, das aus Platzgründen an dieser Stelle nicht komplett abgedruckt werden kann.

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8.1.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen 8.1.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts980 Vic ging in den zwei Jahren seit dem Vorschulinterview weder in die Kinderkirche noch besuchte sie eine Jungschargruppe. Zuhause steht ihr mittlerweile die Neukirchner Kinderbibel zur Verfügung, aus der ihr, wenn auch selten vorgelesen wird oder die sie selbst liest.981 Vic zeigt – so die Eltern – an allen Themen des Religionsunterrichts Interesse, insbesondere an biblischen Geschichten. Der Religionsunterricht wird von den Eltern als Lieblingsfach der Tochter wahrgenommen. Zuhause zeigt sich Vic an ihrem Portfolio zu Jesus Christus interessiert. Bemerkenswerterweise äußert Vic zuhause eher selten Fragen oder Gedanken theologischen Inhalts – insbesondere weniger als zwei Jahre zuvor. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Vic im Religionsunterricht einen Ort gefunden hat, an dem sie ihre Fragen angenommen sieht und an dem sie theologische Gedanken äußern kann, vgl. die Beobachtungen zu ihrem Gesprächsverhalten sowie zu ihrem Portfolio. 8.1.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Am Ende der zweiten Klasse ist Vics Wissensstand signifikant gewachsen, was schon allein optisch an der Erweiterung der Wissenslandkarte festzustellen ist. Bezüglich der Geburt Jesu kennt sie nun alle Protagonisten und kann ihnen die jeweils zugehörige Handlung zuordnen. Sie differenziert zwischen den Gründen für das Erscheinen der Hirten (Engelsbotschaft) sowie demjenigen der Könige (großer Stern). Eine auffallende Entwicklung zeigt sich insbesondere im Blick auf die Thematik der Gottessohnschaft. Vor Schuleintritt weiß Vic mit der Frage, ob Jesus Gottes Sohn oder der Sohn von Josef ist noch nichts anzufangen. Den Namen Josef kann sie noch gar nicht zuordnen und man gewinnt beim Lesen des 980 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis des zweiten Elternfragebogens Ende des zweiten Schuljahres erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.3. 981 Durch teilnehmende Beobachtung ist es möglich, den Stellenwert der Bibel aus Vics Sicht näher zu beleuchten. Vic äußerte im Religionsunterricht wiederholt den Wunsch zuhause eine Bibel zu haben, einmal an Weihnachten, einmal im Blick auf einen Kindersachenmarkt, auf dem sie gerne eine gekauft hätte, was jedoch nicht ermöglicht wurde. Erst in einem dritten Versuch wurde ihr Wunsch von Seiten der Eltern erfüllt und sie bekam eine Bibel, was sie im Religionsunterricht begeistert erzählte.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Interviews den Eindruck, dass sie den religiös geprägten Begriff ›Sohn Gottes‹ nicht kennt, da sie den ihr angebotenen Begriff weder erklären kann noch ihn aufgreift oder gar selbstständig verwendet. Am Ende des zweiten Schuljahres gelingt es Vic in Bezug auf Jesus als Sohn Gottes nun sogar ansatzweise in Paradoxien zu denken. Sie geht in ihren Überlegungen davon aus, dass Jesus sowohl der Sohn Gottes als auch der Sohn von Josef ist. Josefs Vaterschaft macht sie daran fest, dass er Marias Mann ist, die Vaterschaft Gottes begründet sie mit Gottes helfendem Beitrag zu Jesu Fähigkeit, Menschen zu heilen. Vic zeigt nun einen sehr eigenständigen Umgang mit dem religiös geprägten Begriff ›Sohn Gottes‹. Es gelingt ihr zum einen, diesen inhaltlich mit eigener Bedeutung zu füllen. Zum anderen vermag sie Wissensbestände miteinander zu verknüpfen. Selbstständig verbindet sie das Heilen Jesu mit seiner Gottessohnschaft. Ihre Sicht auf die besondere Beziehung zwischen Gott und Jesus zeigt sie auch, indem sie erklärt, dass sie Jesus als ›von Gott geschickt, damit er den Menschen helfen kann‹, betrachtet. Vic kennt nach fast zwei Schuljahren Religionsunterricht ergänzend zur Erzählung von Bartimäus auch die Perikope der Heilung des Gelähmten und kann nun beide flüssig und folgerichtig erzählen, wobei sie zahlreiche Details einbezieht. Darüber hinaus benennt sie Maria als eine weitere von Jesus geheilte Person. Über den Zuwachs an Wissen hinaus ist insbesondere ihre Fähigkeit, über Jesus als Heiler nachzudenken und diesbezüglich eigene Vorstellungen zu entwickeln gewachsen. Sie erklärt sich sein Heilen mit von Gott verliehener Kraft. (›Dass Gott dem Jesus halt die Kraft gibt und dem Menschen kann er dann helfen, sagt was und dann geht’s ihm halt besser‹). Sie spricht im gleichen Zusammenhang nicht nur von Gott gegebener ›Kraft‹, sondern auch von Gottes ›Hilfe‹ und ›Unterstützung‹ und zeigt durch diesen flexiblen Sprachgebrauch, dass sie sich ihrer eigenen Vorstellung sicher ist. Im Rahmen der Perikope der Heilung des Gelähmten erinnert sie darüber hinaus spontan die unterschiedlichen Reaktionen der Menschen und bezieht auf Nachfrage selbst Position. Ihrer Meinung nach darf Jesus heilen, ›weil Jesus alles darf, weil er heilig ist, weil er Menschen heilen kann‹. Den religiös geprägten Begriff ›heilig‹ verwendet sie an dieser Stelle wie selbstverständlich im Rahmen eines eigenen Gedankenganges. Auch die ›Kindersegnung‹ ist ihr Ende der zweiten Klasse so präsent, dass sie sie – angeregt durch einen Bildimpuls – spontan und pointiert erzählen kann. Dasselbe gilt für die Erzählung des ›Großen Fischfangs‹. Befragt nach ihren Vorstellungen, warum Menschen mit Jesus mitgegangen sind – einer Frage, auf die sie vor Schuleintritt noch mit Schweigen reagiert – bietet sie nun gleich drei mögliche Theorien: Erstens weil ›Jesus Menschen helfen kann‹ (Einbezug ihres Wissens über Jesus als Heiler), zweitens, weil die Freunde ›Jesus mögen‹ (entspricht dem kindlichen Erfahrungshorizont von Freundschaften) und drittens, weil ›Jesus Geschichten über Gott erzählen kann‹ (Einbezug von Wissen über

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Jesus). Kurze Zeit später argumentiert sie noch einmal mit zwei dieser Theorien, nämlich mit der Freundschaft zu Jesus und mit seiner Fähigkeit ›tolle Geschichten‹ zu erzählen. Knapp und nach kurzem Zögern gelingt es Vic auch, Inhalte aus der Erzählung von ›den 5 Broten und den zwei Fischen‹ wiederzugeben. Angesicht der Kürze ihrer Darbietung erstaunt es fast, dass sie dennoch eigene Vorstellungen dazu entwickelt. Sie geht davon aus, dass Jesus einerseits alles ›mit aufgeteilt hat‹, so dass es ›für alle gereicht hat‹, er andererseits ›ein bisschen Nachhilfe von Gott bekommen hat‹, so dass es ein bisschen mehr geworden ist. Hier zeigt sich ein zweites Mal ihre beginnende Fähigkeit in Paradoxien zu denken. Auf der einen Seite argumentiert sie realistisch – was vorhanden ist, wird aufgeteilt – auf der anderen Seite argumentiert sie mit Gottes Hilfe, die eine Vermehrung ermöglicht.982 Vic freut sich offensichtlich daran, dass sie viele Geschichten von Jesus kennt. Als sie gefragt wird, ob sie die Geschichte zu einem Bild von Jesus und seinen Jüngern im Sturm ›auch‹ kennt, fängt sie fröhlich an zu kichern. Es gelingt ihr, diese Geschichte narrativ gut umzusetzen. Sie erzählt folgerichtig und detailliert. Innerhalb ihrer Erzählung gibt sie spontan einen Einblick in ihr Gottesverständnis. Jesus sagt den Jüngern, dass sie keine Angst haben müssen, ›weil Gott sie beschützt‹. So begründet sie auch Jesu eigene Furchtlosigkeit. Hier zeigt sich ihr Verständnis von der Beziehung Jesu zu Gott. Gott ist zum einen derjenige, der Jesus und auch seine Freunde beschützt, worüber sich Jesus bewusst ist. Gott ist zum anderen derjenige, der Jesus hilft und ihm Kraft gibt, so dass Jesus dem Sturm Anweisungen erteilen kann. Die Erzählung vom ›Verlorenen Schaf‹ kennt Vic nach eigenen Angaben nicht, weil sie bei der Thematisierung in der Schule krank war. Das überrascht insofern, als sie schon vor Schuleintritt eine Minimalfassung davon erzählen konnte. Interessant daran ist jedoch, dass Vic ihr Wissen über Jesus eng an den Religionsunterricht koppelt, obwohl sie bei der Frage nach dem »Woher« ihrer Kenntnisse zusätzlich den Kindergarten und ihre Mutter erwähnt. Obwohl ihr das Gleichnis Ende der zweiten Klasse nicht präsent ist, hat sie doch eine Theorie darüber, warum Jesus von Gott erzählen kann. Sie argumentiert mit seinem Wissen über Gott und Gottes Vaterschaft, die sie an dieser Stelle ganz spontan aufgreift und ins Gespräch einbringt. Zur Passion Jesu weiß Vic am Ende des zweiten Schuljahres Einiges zu berichten. Hier zeigt sich ihre Wissenserweiterung in auffälliger Weise. Beschränkt sich ihr Wissen im Vorschulinterview hauptsächlich auf die Einzugsszene und 982 An dieser Stelle verwendet sie den neuen Begriff der ›Nachhilfe‹ durch Gott. An früherer Stelle benutzte sie die Begriffe ›Kraft‹, ›Hilfe‹ und ›Unterstützung‹. Sie zeigt damit einen flexiblen Sprachgebrauch bezüglich ihrer Theorie.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

eine Identifikation des betenden Jesus, sowie der klaren Aussage, das Jesus ans Kreuz genagelt wurde, so ist ihre Wissenslandkarte nun um vielfältige Details erweitert. Sie weiß, dass Jesus nach Jerusalem zieht und die Menschen ihm Kleider und Palmwedel auf die Straße legen, damit er auf einem von den Jüngern geholten Esel reiten kann. Sie hat in Ansätzen eine Theorie entwickelt, weshalb Jesus auf einem Esel reitet (›Er will nicht so wichtig sein wie »dieser König«‹). Sie weiß auch, dass Jesus mit seinen Jüngern ein Fest feiert, Brot teilt und Wein und dass ein Jünger Jesus verraten soll. Sie erzählt flüssig weiter vom betenden Jesus im Garten und den schlafenden Jüngern und geht davon aus, dass Jesus Gott im Gebet darum bittet, ›dass es nicht so schlimm wird, wenn er ans Kreuz genagelt wird‹. Sie weiß um die Festnahme Jesu durch Soldaten und dass Jesus zu jemand gebracht wird, der über die Kreuzigung entscheiden kann. Sie differenziert sogar, dass er eigentlich zu zwei verschiedenen Männern gebracht wird von denen einer (den Namen Pilatus erinnert sie nicht) eigentlich merkt, dass Jesus ›den Menschen helfen kann‹, ihn aber dennoch kreuzigen lässt. Sie kennt darüber hinaus weitere Details wie den Dornenkranz, den Kreuz tragenden Jesus, den Berg, das Festnageln, die weinenden Jünger. Emotional scheint sie besonders betroffen von der trauernden Maria, die sie namentlich erwähnt und die ihrer Ansicht nach ›am meisten geweint hat‹ weil Jesus ein Freund von ihr ist. Sie erwähnt dezidiert, dass Jesus am Kreuz ›gestorben‹ ist. Vic weiß, dass Jesus nach 2 Tagen wieder aufersteht. Sie kann die Auferstehungsgeschichten direkt an die Passionserzählung anschließen, erkennt somit den inneren Zusammenhang. Sie kennt zwei Auferstehungserzählungen. Diejenige der drei Frauen kann sie flüssig erzählen. Von Maria erzählt sie spontan etwa bis zur Mitte und mit Hilfe von Nachfragen vollständig. Sie verwendet den Begriff ›auferstanden‹ bereits vor Schuleintritt richtig und jetzt ganz ungezwungen. Die Auferweckung Jesu bringt sie mit Gott in Zusammenhang. Jesus ist nach Vics Vorstellung ein besonderer Mensch, erstens ›weil er Menschen helfen konnte‹, zweitens ›weil er so viel über Gott weiß‹. Dennoch denkt sie hier in Paradoxien. Sie geht davon aus, dass Jesus irgendwie Gott und Mensch zugleich war. Einerseits ›ein ganz normaler Mensch‹, andererseits einer, der ›konnte, was andere Menschen nicht konnten‹ und das nicht von sich aus, sondern ›mit Gottes Hilfe‹ z. B. Menschen helfen und sie gesund machen.‹

Passion Jesu Jesus kommt nach Jerusalem/ Menschen legen Palmwedel und Kleider auf die Straße, Jünger sollen Esel holen, Jesus reitet ein will nicht so wichtig sein wie dieser König an Fest Brot mit Jüngern geteilt, ein Jünger soll ihn verraten, sagt, ‚er wird ans Kreuz genagelt, nach zwei Tagen wieder auferstehen’/ im Garten gebetet dass es nicht so schlimm wird, wenn er ans Kreuz genagelt wird/ Jünger schlafen, obwohl sie nicht sollen, Soldaten nehmen ihn fest, bringen ihn zu dem, der sagt, dass er ans Kreuz genagelt werden soll oder zu zwei Leuten, und einer merkt, dass Jesus Menschen helfen kann, aber er hat es dann doch gesagt, Dornenkranz, Kreuz auf den Berg tragen, ans Kreuz genagelt, Jünger weinen, v.a. Maria, am Kreuz gestorben

Gott hat Jesus auferweckt

Auferstehung Jesu Drei Frauen wollen ihn einsalben + in Tücher wickeln, Grab ist leer Engel sagen: Jesus ist auferstanden, sie freuen sich Maria denkt, Jesus sei Gärtner, fragt ‚Wo hast du ihn hingetan?’, erkennt ihn, weil er’s sagt, war froh und hat es allen erzählt, sie soll das machen

Jesus und Kinder Jünger sagen, Kinder dürfen nicht zu Jesus, Jesus sagt, sie sollen kommen, hat jedes Kind gesegnet Jesus und die Jünger Keinen Fisch gefangen, Jesus sagt ‚Geht nochmal’, ganzes Netz voll wurden Freunde von Jesus Freunde, weil Jesus Menschen helfen kann, sie ihn mögen, er Geschichten von Gott erzählen kann Jesus erzählt von Gott weiß viel über ihn, ist sein Vater

Jesus besonderer Mensch, konnte Menschen helfen, weiß viel über Gott eigentlich normaler Mensch, aber konnte mit Gottes Hilfe Menschen helfen, z.B. gesund machen

Geburt Jesu Maria und Josef finden keinen Platz, Jesus wird im Stall geboren, in Krippe gelegt Hirten gekommen – Engel sagen, dass Jesus geboren ist + sie kommen sollen Heilige 3 Könige folgen Stern, finden Jesus, bringen Myrrhe + Gold Sohn von Josef, Mann von Maria, die ihn geboren hat/ Sohn von Gott, er hilft Jesus Menschen zu heilen Gott schickt Jesus, damit er Menschen helfen kann

Wunder Jesu Speisung 5000 Nichts zu essen, nur fünf Brote + zwei Fische, hat nicht gereicht, aber Jesus teilt gut auf, dann sind alle satt geworden vielleicht Nachhilfe von Gott, bisschen mehr geworden Sturmstillung Sturm, Jesus schläft, Jünger wecken ihn, Jesus sagt ’Habt keine Angst, Gott beschützt sie’, redet mit dem Meer, Meer ist still Keine Angst, weiß, dass Gott sie beschützt, Gott hilft ihm, zusammen, Jesus sagt und Gott hilft

Heilungen Jesu Bartimäus Blinder Bartimäus bettelt, Jesus kommt, Bartimäus ruft laut, dass er ihm helfen soll, Jesus sagt, er soll Augenbinde abnehmen, kann wieder sehen Gelähmter Freunde tragen ihn, Haus voller Menschen, Jesus ist da, Loch ins Dach, Gelähmter zu Jesus, Jesus heilt ihn, soll aufstehen, Frage ‚Darf er das’ Jesus darf alles, weil er heilig ist + Menschen heilen kann konnte wieder laufen Jesus kriegt Kraft von Gott, Hilfe, Unterstützung, dann kann er helfen, er sagt Sachen

Vic – Individuelle Entwicklung

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8.1.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.1.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung Vor Schuleintritt

Jesus als Sohn Gottes

Jesus als König/ Heiland / Heiliger

Jesus als Heiler

Nach zwei Jahren Entwicklung Religionsunterricht – Jesus ist sowohl der – Religiös geprägter Sohn von Josef – Begriff ›Sohn Gottes‹ als Mann Marias – in eigene Vorstellunals auch der Sohn gen integriert und eiGottes, weil Gott genständig inhaltlich ihm hilft, damit er gefüllt sowie im KonMenschen heilen text von biblischen kann Erzählungen als Be– Gott schickt Jesus gründung verwendet auf die Welt, damit – Ansatzweise paradoer den Menschen xes Denken (Sohn helfen kann Josef- Sohn Gott) – Jesu Auftrag mit Aktion Gottes verbunden, er schickt Jesus auf die Welt, damit er heilen kann – Begründung mit biblischem Wissen – Jesus darf alles, – Religiös geprägter weil er ›heilig‹ ist Begriff ›heilig‹ neu und Menschen aufgenommen und als heilen kann Begründung einge– Jesus reitet auf setzt, ohne Erklärung einem Esel nach Jerusalem ein, damit er nicht so mächtig aussieht – Jesus kann – Jesus darf heilen, – Durchgängig VorstelKranken gesund er darf alles, weil er lung, dass Jesus heilen machen, weil ›heilig‹ ist und kann, nach zwei JahGott ihm hilft Menschen heilen ren ausdifferenziert: kann Jesus – kann und darf – Jesus bekommt – heilen, Begründung Kraft, Hilfe, Untermit rel. geprägtem stützung, NachhilBegriff fe von Gott und – Weiterentwicklung kann dann Mender Vorstellung von schen helfen – sie Gottes Hilfe – Nach gesund machen, zwei Jahren flexible– Jesus sagt selbst rer eigenständiger noch Sachen Sprachgebrauch (Kraft, Hilfe, Unterstützung, Nachhilfe)

Vic – Individuelle Entwicklung

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Fortsetzung Vor Schuleintritt Jesus und die Menschen

Jesus als Wundertäter

Jesu Kreuzigung Jesu Auferstehung Jesus als – Jesus ist ein bebesonderer sonderer Mensch Mensch, der viele Sachen kann und Menschen hilft

Nach zwei Jahren Entwicklung Religionsunterricht – Freunde begleiten – Mehrere Begründungen für die Nachfolge Jesus, weil er Menschen helfen kann, entwickelt, zum Teil im Kontext biblischen weil sie ihn mögen Wissens (Jesus hilft, und weil Jesus Geerzählt von Gott) zum schichten über Teil in Bezug auf AllGott erzählen kann tagserfahrungen (mögen Jesus) – Wunderverständnis – Gott hilft Jesus, den Sturm zu stilvor allem in Bezug auf len. Jesus sagt es die besondere Bezieund gleichzeitig hung zu Gott entwigibt Gott Jesus ckelt – Vorstellung des Hilfe. Sie machen gemeinsamen Hanes zusammen delns, wobei klar ist, – Alle werden satt, dass Jesus auf Gottes weil Jesus das Hilfe angewiesen ist Essen aufteilt und – Realistische Vorstelweil Gott ihm viellung (Aufteilen) und leicht Nachhilfe theologische Vorstelgibt, damit es bisslung (Gottes Hilfe) chen mehr wird stehen nebeneinander (paradoxes Denken)

– Jesus ist ein be– Durchgängig mit bisonderer Mensch, blischem Wissen beweil er Menschen gründete Besonderhelfen konnte und heit Jesu (Jesus als weil er viel über Heiler), nach zwei Gott weiß Jahren ausdifferenziert (zusätzlich Jesu – Er ist sowohl Gott als auch Mensch, Wissen über Gott weil er ein ganz aufgenommen) normaler Mensch – Besonderheit Jesu war, der mit Gottes nach zwei Jahren in Hilfe konnte, was Richtung auf Zweiandere Menschen Naturen-Lehre ausnicht konnten – differenziert den Menschen hel- – Nach zwei Jahren entfen wickelte Vorstellung – z.B. Kranke gesund von Jesus als wahrer machen Mensch und wahrer Gott (kann ansatzwei-

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung Vor Schuleintritt

Nach zwei Jahren Religionsunterricht

Jesu – Gott hilft Jesus – Jesus kann von Beziehung zu im Sturm, damit Gott erzählen, weil Gott er keine Angst er viel über Gott hat weiß und weil Gott sein Vater ist – Gott schickt Jesus auf die Welt, damit er den Menschen helfen kann – Jesus bekommt Kraft, Hilfe, Unterstützung von Gott und kann dann Menschen helfen – sie gesund machen – Gott beschützt Jesus und seine Freunde – Jesus weiß das – und sagt es seinen Freunden im Sturm. Er selbst hat keine Angst – Gott hilft Jesus, den Sturm zu stillen. Jesus sagt es und gleichzeitig gibt Gott Jesus Hilfe. Sie machen es zusammen – Alle werden satt, weil Jesus das Essen aufteilt und weil Gott ihm Nachhilfe gibt, damit es mehr wird – Jesus betet im Garten zu Gott, dass es nicht so schlimm wird, wenn er ans Kreuz genagelt wird – Gott hat Jesus auferweckt

Entwicklung















se mit biblischem Wissen begründet werden, ansatzweise paradoxes Denken) Nach zwei Jahren eigenständiger Sprachgebrauch im Blick auf den religiös geprägten Begriff ›Sohn Gottes‹ Auftrag Jesu begründet mit Gottes Initiative und mit biblischem Wissen (Jesus hilft Menschen) Jesu Fähigkeit zu helfen, zu heilen mit der besonderen Beziehung zu Gott begründet, Gott ist derjenige, der Jesus Kraft gibt Wundervorstellung geprägt von der besonderen Beziehung Jesu zu Gott – Vorstellung der Zusammenarbeit, wobei Gott den wichtigeren Part hat- Jesus ist auf Gottes Hilfe angewiesen, im Blick auf das Speisungswunder z.T. realistisches Sicht (Aufteilen), z. T. Gottes Hilfe Paradoxie noch nicht erkannt- beides steht unverbundne nebeneinander Gebet als möglicher Kommunikationsweg zwischen Jesus und Gott – verknüpft mit biblischem Wissen Nach zwei Jahren Vorstellung der Auferstehung, religiös geprägte Sprache übernommen

Franziska – Individuelle Entwicklung

8.2

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Franziska – Individuelle Entwicklung

8.2.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen 8.2.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten983 Die Eltern geben im Fragebogen an, dass Franziska weder Kleinkindergottesdienste noch die Kinderkirche besucht hat. Sie hat jedoch bereits den Weihnachtsgottesdienst sowie mindestens einen Taufgottesdienst gefeiert. Ihr stehen zuhause keine Kinderbibeln zur Verfügung. Selten werden ihr biblische Geschichten erzählt oder vorgelesen. Die Eltern geben ferner an, dass Franziska kein besonderes Interesse an einzelnen biblischen Geschichten zeigt und von sich aus auch keine Fragen religiösen Inhalts stellt. Franziska besucht einen Kindergarten in staatlicher Trägerschaft. Die Erzieherinnen geben an, dass die an dieser Untersuchung teilnehmenden Kinder – darunter Franziska – von sich aus keine theologischen Gedanken äußern und auch kein Gespräch über biblische Geschichten suchen. Weihnachten wurde im Kindergarten gefeiert, die biblische Erzählung thematisiert, Lieder gesungen und ein Weihnachtsweg zur Krippe szenisch und symbolisch mit Kerzen dargestellt. Ostern wurde ebenfalls mit einer kindgerechten Nacherzählung der biblischen Geschichte, Liedern und Bilderbüchern thematisiert und gefeiert. Ostern und Weihnachten bilden zwei von drei Schwerpunkten bezüglich der Erfüllung des Orientierungsplanes in der Kategorie »Sinn, Werte, Religionen«. Andere Geschichten von Jesus wurden nicht erzählt. Im Kindergarten stehen keine Kinderbibeln zur Verfügung und es wird auch nicht aus Kinderbibeln vorgelesen. Die Kinder besuchen keine Kirche und es werden keine Gelegenheiten zum Theologisieren eröffnet.

8.2.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Franziska verfügt vor Schuleintritt über einen als rudimentär zu bezeichnenden Wissensstand. Am geläufigsten ist ihr die Erzählung von Jesu Geburt. Sie kennt Jesus, Maria und Josef mit Namen, weiß dass sie auf dem Weg waren. Sie weiß, dass die Hirten von Jesu Geburt gehört haben und dass Könige gekommen sind, die ihrer Ansicht nach ebenfalls ›von Jesu Geburt gehört‹ haben. Sie beschreibt 983 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben aus dem Elternfragebogen sowie dem Fragebogen für Erzieher/innen erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.1 und 11.1.2.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

anhand der angebotenen Figuren, dass diese ›was Goldenes‹ mitgebracht haben. Vor die Entscheidung gestellt bezeichnet sie Jesus als Sohn Gottes. Im Vorfeld nennt sie Josef allerdings den Papa von Jesus. Diese Paradoxie fällt ihr noch nicht auf, scheint für sie noch keinen bewussten Widerspruch darzustellen. Die Erzählung der Heilung des Bartimäus ist ihr noch unbekannt. Auf einem Bild zur Heilung des Gelähmten erkennt sie zwar das Gebrechen des Menschen, interpretiert das Bild jedoch fälschlicherweise als ein ›Hochziehen des Mannes‹, was darauf schließen lässt, dass sie auch diese Erzählung nicht kennt. Nachfragen bezüglich eines möglichen Handelns Jesu beantwortet sie nicht. Sie kann an dieser Stelle keine Theorie über Jesus als Heiler äußern. Franziska gibt an, dass ihr die Erzählung mit den 5 Broten und den 2 Fischen noch nicht bekannt ist. Bereitwillig beginnt sie ein Bild zur ›Sturmstillung‹ zu beschreiben, erkennt, dass es den Menschen im Boot schlecht geht und dass Jesus schläft, dass es ihm gut geht. Sie weiß allerdings nicht zu sagen, ob er Angst hat oder nicht. Auch äußert sie keine Vermutung darüber, wie die Erzählung ausgeht. Als ihr die Interviewerin in knappen Worten vom Ausgang erzählt, lacht sie spontan. Weder kennt sie die Geschichte vom verlorenen Schaf, noch die vom großen Fischfang oder von der Kindersegnung. Sie äußert jedoch eine Theorie, wieso die Kinder bei Jesus sind. Sie vermutet, dass die Kinder fragen, ›ob sie ihm helfen können‹ und gibt an, dass sie selbst ihm auch gern helfen würde. Die Nachfrage, wobei sie ihm helfen könnte, beantwortet sie nicht. Die Passion Jesu ist ihr von einem Kruzifix, das in der Wohnung ihrer Oma hängt, her präsent. Sie malt als spontane Assoziation zu Jesus auch ein Kreuz. Sie weiß, dass Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Die anderen Bilder zur Passion beschreibt sie richtig. Sie gibt an, das Bild ›mit dem Esel‹ und ›den winkenden Kindern‹ zu erkennen, identifiziert Jesus, der das Brot verteilt sowie Jesus, der im Garten betet. Über die reine Beschreibung der Bilder hinausgehend äußert sie sich nicht. Zur Auferstehung Jesu sagt sie nichts. Sie kann ein ihr dargebotenes Bild zu dieser Thematik nicht beschreiben. Auf der Basis ihrer Angaben im Vorschulinterview ist die Geschichte Jesu mit der Kreuzigung für Franziska an ein Ende gekommen. Sie gibt an, dass Jesus ein besonderer Mensch war, ›weil er mit dem Himmel reden konnte‹. Auf Nachfrage konkretisiert sie dieses Reden mit dem Himmel als beten. Obwohl Jesus in den Augen Franziskas im Gegensatz zu anderen Menschen besonders ist, bleibt Jesus für sie eher Mensch als Gott.

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Franziska – Individuelle Entwicklung

8.2.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt Geburt Jesu Jesus/ Maria/ Josef auf dem Weg Hirten – gehört von Jesu Geburt Könige – gehört von Jesu Geburt ‚Sohn von Gottes’ Heilungen Jesu Gelähmter kann nicht laufen /ziehen den hoch

Auferstehung Jesu

Passion Jesu Jesus gibt Brot an andere Jesus betet Jesus ans Kreuz genagelt

Jesus besonderer Mensch konnte mit dem Himmel reden – hat gebetet eher Mensch

Wunder Jesu Sturmstillung Schiff geht unter/ Jesus schläft/ Freunden geht’s schlecht/ Jesus geht’s gut

Jesus und Kinder Kinder fragen, ob sie ihm helfen können Jesus und Jünger

8.2.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen 8.2.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen Verwechslung Gott – Jesus Bei Franziska sind hin und wieder Verwechslungen von Gott und Jesus zu beobachten, die in dieser Altersstufe nicht untypisch sind, vgl. z. B. die Überlegungen von Büttner zum christologischen Entwicklungsverlauf im Blick auf die Altersgruppe der Klassen 1 – 3. »Anfangs werden Jesus und Gott manchmal verwechselt, zumindest unscharf unterschieden.«984 L: Franziska, was denkst du? Franziska: Dass Gott – Jesus […],985

984 Büttner, Jesus hilft, 266. 985 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in 7.2.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Anknüpfen an Vorwissen / Bereitschaft Vorwissen einzubringen Franziska zeigt die Bereitschaft, Vorwissen einzubringen. Das überrascht insofern, als ihr Vorwissen auf der Basis des Vorschulinterviews als rudimentär einzustufen ist. Es zeigt jedoch Engagement und den Willen, sich am Gespräch zu beteiligen, dass vorhandene Wissensbausteine, selbst kleine – vgl. im Folgenden den Esel – dennoch an passender Stelle von ihr eingebracht werden: L: […] Wir sprechen heute eigentlich immer von den drei Königen, deshalb überrascht’s uns auch, weil ich nur zwei hingestellt hab. Des hab ich absichtlich gemacht, weil ich euch zeigen wollte, dass es ganz ursprünglich nicht in der Bibel drinstand. Aber des ist okay. Wir sagen heute die drei Könige und dabei waren sie ja eigentlich von Beruf Sterndeuter. […] Jetzt ist die Franziska dran. Franziska: Und warum fehlt der Esel?986 L: Also, jeder, der etwas weiß zu dem Kreuz und was das Kreuz mit Jesus zu tun hat, erzählt immer ein bisschen und ein anderer erzählt weiter. Was weißt du, Franziska? Franziska: Der wurde ans Kreuz genagelt. L: Mhm. Okay. Franziska: Meine Oma hat en Kreuz mit nem Mensch da dran. L: Deine Oma hat so ein Kreuz, wo so ne Figur hingehängt ist, die den Jesus darstellt? Okay. Und da hast du’s schon mal gesehen. Mhm. Gut. […]987 Linnea: Als er ans Kreuz genagelt wurde, ham die den auch so in nen Grab gelegt und so nen Stein davor gehäuft und am nächsten Tag war der Stein zur Seite gerollt. L: Ja, wer möchte noch was ergänzen? Franziska: Und dann war der Jesus weg.988

Interessant ist auch das im Folgenden eingebrachte Vorwissen, das so im Vorschulinterview noch nicht auftaucht. Im Vorschulinterview endet die Geschichte Jesu für Franziska mit der Kreuzigung. Fragen nach der Auferstehung kann sie nicht beantworten, Bilder hierzu nicht interpretieren. Jetzt bringt sie jedoch die Erzählung von den drei Frauen sowie die Erzählung von Maria ein. Leider kann Franziska auf Nachfrage nicht angeben, woher sie ihr Wissen hat. Als Möglichkeit des Wissenserwerbs kommt die Jungschar ebenso in Betracht wie die Kinderkirche.989 Eine weitere Möglichkeit bietet das spontane Gespräch zur Kreuzigung, in dem zumindest die Erzählung von den drei Frauen zum Thema geworden ist. L: Mhm. Genau. Dass sie zusammen gegessen haben, das ham wir ja letztes Mal schon besprochen. Dass der Jesus das Brot geteilt hat mit seinen Freunden und dass der Jesus 986 987 988 989

Vgl. Gesprächsprotokoll »Ist Jesus ein König?« in Kapitel 7.1.3.1. Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1. Vgl. ebd. Laut Elternfragebogen Ende der zweiten Klasse besucht Franziska zu dieser Zeit bereits die Jungschar und geht einige Male in die Kinderkirche.

Franziska – Individuelle Entwicklung

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gesagt hat, wenn ich mal nicht mehr da bin, werd ich trotzdem bei euch sein. Was weißt du noch, Franziska? Franziska: Die sind mal zu dem Stein gegangen und wollten schauen, ob der Jesus noch da liegt und dann war er nemmer da, nur der Engel und der hat gesagt, dass er wieder auferstanden ist. L: Okay. Woher weißt du des? Franziska: Weiß nicht.990

Ko-Konstruktionsprozesse An einigen intensiven Diskussionen, in denen auch Ko-Konstruktionsprozesse sichtbar werden, bringt sich Franziska nicht aktiv ein. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um Fragestellungen handelt, die sie auf der Basis ihres Vorwissens entweder nicht mitdiskutieren kann oder möchte. Wenn sie jedoch die Möglichkeit sieht, sich einzubringen, tut sie es auch. Sie zeigt ihre Präsenz in Gesprächen und ihre Bereitschaft sich einzubringen z. B. wenn es darum geht, Texte vorzulesen oder in einem szenischen Spiel mitzuwirken. L: Wer möchte […] uns eines vorlesen? Franziska: Des? L: Ja, des. Franziska: (liest) Ich bin ein Zöllner. Keiner mag mich. Ich habe keine Freunde. Alle denken, ich arbeite mit den Römern zusammen. Wer will mein Freund sein? […] Julia: Ich bin eine Mutter und habe zwei Kinder. Wir haben nicht genug zu essen. Meine Kinder haben Hunger. Wer gibt uns Brot? Franziska: Des hatte ich letztes Mal gehabt. L: Des hatte Franziska im Spiel. Und meinst du, der Herodes wäre von seinem hohen Schlachtross abgestiegen, um dir Brot zu geben? Franziska (schüttelt den Kopf)991 Franziska: Mein Opa ist schon gestorben. L: […] Und wo ist er jetzt? Was denkst du? Franziska: Im Himmel. L: Bei wem? Franziska: Bei Gott. L: Und wer hat das gemacht, dass er im Himmel ist? Franziska: Der Gott.992 L: Also, die Linnea meint, der Gott hilft oder der Gott lässt den Jesus, erweckt den Jesus auf und gleichzeitig hilft der Jesus aber dabei mit, denkt die Linnea. Franziska: Häh? L: Die Franziska sagt ›häh‹. Was denkst du? 990 Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1 b). 991 Gesprächsprotokoll »Herodes« in Kapitel 7.1.5.1. b). 992 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Franziska: Jesus kann’s doch nicht, wenn er tot ist. L: Okay. Du meinst das ist ein Unterschied, wenn der Jesus lebendig ist, kann er andere Sachen. Wenn er jetzt aber tot ist, muss es der Gott machen, meinst du. Franziska: Ja. Elena: Weil wenn man tot ist, kann man sich ja auch nicht auferwecken. L: Wenn man selbst gestorben ist, wer kann einen dann auferwecken? Elena: Niemand mehr. Franziska: Der Gott.993

8.2.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« Zu Beginn der Jesus-Einheit in Klasse 1 und Klasse 2 wählt Franziska Bilder aus ihr bekannten Jesuserzählungen aus und gestaltet damit anschauliche Wissenslandkarten, die der Lehrkraft Rückschlüsse auf ihren jeweiligen Vorwissensstand ermöglicht und ihr selbst ihren eigenen Lernfortschritt visualisiert. Leider können die Landkarten aus Urheberrechtsgründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Stattdessen folgt eine tabellarische Übersicht mit Anmerkungen. Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Verlorenes Schaf

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Verlorenes Schaf – Sterndeuter – Heilung des Bartimäus – Kindersegnung – Sturmstillung – Der große Fischfang – Einzug in Jerusalem – Das letzte Abendmahl – Jesus in Gethsemane – Kreuzigung – Auferstehung Jesu Die Selbsteinschätzung Franziskas Das Bild der Kenntnis biblischer bezüglich ihrer Kenntnis von JesusErzählungen über Jesus ändert sich Geschichten stimmt mit den erhobenen dramatisch, betrachtet man Franziskas Daten im Vorschulinterview überein. Selbsteinschätzung in Klasse zwei. Sie Franziska gibt nur zwei Geschichten als ihr kennzeichnet darüber hinaus alle bekannt an, die »Geburt Jesu« und das Geschichten durch rote Umrandung, um »Verlorene Schaf«. zu kennzeichnen, dass sie sie im Religionsunterricht der Schule

993 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Franziska – Individuelle Entwicklung

Fortsetzung Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt kennengelernt hat. In ihrer Wahrnehmung ist der RU offenbar die Informationsquelle par excellence. Das ist insofern bemerkenswert als sie mindestens an einer Stelle eine Erzählung einbringt, die sie so im Religionsunterricht noch nicht gehört haben kann

Fähigkeit, eigene Vorstellungen über Jesus auszudrücken Spontan fällt es Franziska zu Beginn der ersten Klasse noch schwer eigene Vorstellungen von Jesus zu entwickeln und auszudrücken. Sie entscheidet sich für die Aussage »Jesus ist ein guter Mensch«, die im theologischen Gespräch zuvor mehrmals gefallen ist. Möglicherweise zeigt sich hier, dass Franziska von den Gedanken anderer in theologischen Gesprächen profitiert. Es ist durchaus legitim, sich dieser zunächst zu bedienen und es wird spannend sein zu sehen, wie sich Franziskas eigene Gedanken daran weiterentwickeln, wie Eigenkonstruktionen aus zunächst übernommenen Ideen entstehen.994 Im zweiten Schuljahr gelingt es Franziska auch, ihr bereits bekannte biblische Erzählungen mit neuen Fragestellungen zu verknüpfen, was zum Beispiel an ihrer Bearbeitung des Vergleiches Herodes – König Jesus gezeigt werden kann: So ist Herodes: unfair, ungerecht, hilft nicht So ist Jesus: nett, hilft jedem, versorgt sie, schaut nach ihnen Diese Geschichten aus der Bibel fallen mir dazu ein: Dass Jesus dem Bartimäus geholfen hat. Er hat den Fischern geholfen

Jesus als Heiler Franziska kann die zuvor gehörte Geschichte von der Heilung des Bartimäus in zwei Sprechblasen aus der Sicht des Bartimäus gut umsetzen.995 994 Interessant ist hierbei die Wahrnehmung der Schüler/innen. Es ist gelegentlich in theologischen Gesprächen zu beobachten, dass ein Kind eine Idee einbringt und im Falle der Wiederholung durch ein anderes Kind äußert ›Das hab ich schon gesagt.‹ Ich halte es an dieser Stelle für ausgesprochen wichtig, dass Lehrpersonen behutsam mit solchen Äußerungen umgehen und klären, dass es einen Unterschied gibt zwischen ›nachplappern‹ und eine Idee aufgreifen und diese dadurch auch wertschätzen, weil sie sie offenbar als gute Idee betrachten. Dies kann ein erster Schritt zu einer Eigenkonstruktion sein, die einfach auch auf Bausteine anderer angewiesen sein kann. 995 Das zugehörige Arbeitsblatt entfällt wegen fehlender Abdruckgenehmigung.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

›Jesus ist ein guter Mensch‹

König Herodes und König Jesus im Vergleich

Blinder Bartimäus: ›Jesus, hilf mir.‹ Sehender Bartimäus: ›Danke Jesus, dass du mir geholfen hast.‹

Das ist aus ihrer Sicht, da es sich wohl um eine Erstbegegnung996 mit der Erzählung handelt, bereits viel. Die Frage ist, ob sie über den Fluss der story hinaus bereits in der Lage ist, anhand der Geschichte Vorstellungen von Jesus zu entwickeln. Zunächst kann sie mit der sich anschließenden Frage, wieso Jesus 996 Vgl. die Angaben im Vorschulinterview – strukturiert dargestellt in der Wissens- und Vorstellungslandkarte in Kapitel 8.2.1.3 sowie die Selbsteinschätzung Franziskas im Unterricht, vgl. Anfang dieses Unterkapitels.

Franziska – Individuelle Entwicklung

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Bartimäus helfen kann nichts anfangen. Die Lehrperson notiert für sie:997 ›Ich weiß nicht‹ Die Lehrperson fragt weiter nach, ob sie nicht doch eine Idee hat. Daraufhin gibt Franziska an: Jesus kann helfen, ›weil er heilig ist‹. Der Begriff ›heilig‹ ist bereits mehrmals von anderen Kindern im Blick auf Jesus verwendet worden, insbesondere im Blick auf die Frage ob Jesus Gottes Sohn ist. Auf die Nachfrage, wie sie das meint, begründet sie ›Engel haben immer einen Heiligenschein‹.998 In der zweiten Klasse entwickelt Franzsika ihre Vorstellungen zu Jesus als Heiler weiter. Es zeigt sich, dass Franziska nun eine Vorstellung entwickelt hat, warum Jesus heilen kann. Sie begründet es mit seiner Gottessohnschaft, die sie in eigenem Sprachgebrauch wiedergibt, nicht als auswendig gelernten Begriff. Sie findet eine weitere Begründung in der Tatsache, dass Jesus auch anderen geholfen hat. Das zeigt, dass sie ihr Vorwissen – das sie laut ihren eigenen Angaben größtenteils im Religionsunterricht erworben hat – nun miteinbezieht. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, dass die anfängliche Verwechslung Gott – Jesus im zweiten Schuljahr überwunden scheint. Jesus als Wundertäter – Sturmstillung Auf der Basis der Dilemmageschichte und des dazugehörigen theologischen Gesprächs entscheidet sich Franziska für folgende Fortsetzung der Erzählung.999 Der Gedanke des ›Zum Strand Pustens‹ wurde definitiv von anderen Kindern im theologischen Gespräch thematisiert.1000 Es besteht die Möglichkeit dass Franziska das Gehörte nun im Sinne einer Eigenkonstruktion weiterverarbeitet hat. Auffällig ist die Formulierung ›Jesus hilft …‹ ›Er pustet…‹ Im Gespräch bezog sich das Pusten auf Gott, was einen gewissen Sinn macht, da Jesus selbst ja im Rahmen der Dilemmageschichte am Strand steht. Es könnte sich um eine bei Franziska öfters beobachtbare Verwechslung von Gott und Jesus1001 handeln, aber auch um eine bewusste Weiterentwicklung des Gedankens aus dem theologischen Gespräch. 997 Franziska befindet sich zu diesem Zeitpunkt in einer Phase des Schreiblernprozesses, in der sie noch nicht alles selbst frei schreiben möchte. 998 Da Franziska an einer Stelle explizit auf ein bei der Oma hängendes Kruzifix Bezug nimmt, liegt die Vermutung nahe, dass sie den Begriff heilig statt aus dem theologischen Gespräch, in dem er häufig gefallen ist, auch von einem Bild her hat, das ihr jemand möglicherweise erklärt hat. Es ist an dieser Stelle nicht zu klären, woher sie den Begriff kennt. Es ist auch inhaltlich nicht zu klären, was sie damit meint. Es ist nur festzustellen, dass sie ihn aus dem Kontext Engel – Heiligenschein kennt und nun Jesus zuordnet. 999 Vgl. Kapitel 7.2.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis eines theologischen Gesprächs. 1000 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in 7.2.1 sowie 7.2.2.4 Prozesse der Ko-Konstruktion. 1001 Vgl. Transkript Vorschulinterview in 11.3.2.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Ja, er darf das [heilen], weil er Gott sein Kind ist und auch schon vielen geholfen hat. Ó 2010 Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart und Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig.

Jesus hilft seinen Freunden. Er pustet von der Seite das Boot zum Strand.

Franziska – Individuelle Entwicklung

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Im zweiten Schuljahr beantwortet Franziska Fragen nach Jesus im Kontext der Sturmstillung folgendermaßen: Die Jünger haben Angst. Jesus schläft mitten im Sturm. Wieso hat er keine Angst? Weil er weiß, dass Gott ihnen hilft dass ihnen nichts passiert. Die Jünger wecken Jesus. Was denkst du, warum? Weil sie Angst haben und ihm das sagen wollen. Wie kann Jesus seinen Freunden helfen? Wer ist Jesus? Jesus ist ein König, der allen helfen kann. Sagt diese Geschichte etwas über Gott? Ja, weil Jesu kann mit ihm reden, dass er Kraft gibt, dass das Meer aufhören soll.1002

Franziska zeigt jetzt deutlich die Vorstellung, dass eine besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott besteht, die sich zum einen darin äußert, dass Jesus sich der Hilfe Gottes gewiss ist und zum anderen, dass Jesus mit Gott reden kann, damit der ihm Kraft gibt. Hier zeigt sich auch, dass die Unsicherheit in der Trennung zwischen Gott und Jesus überwunden ist. Gott hat die Kraft und kann Jesus daran teilhaben lassen. Jesus erscheint in Franziskas Vorstellung ferner als jemand, dem seine Freunde ihre Angst mitteilen können und wollen. Er wird zudem mit dem Titel König bedacht, der von Franziska im Sinne von ›er kann allen helfen‹ gefüllt wird. Im Vergleich zum ersten Schuljahr scheint hier eine deutliche Weiterentwicklung sichtbar, vor allem auch im Vergleich zum Vorschulinterview. Zusammenfassende Beobachtungen zu Franziskas Portfolioarbeit1003 Franziska zeigt sich insgesamt sehr fleißig. Die Menge der bearbeiteten Arbeitsblätter lässt dies erkennen. Durchgehend zeigt sich eine positive Arbeitshaltung. Franziska schreibt ausführlich bei freien Schreibangeboten und gestaltet bildnerische Aufträge ästhetisch ansprechend. Sie bearbeitet sowohl Aufgaben, die auf Wissensaufbau und -erweiterung abzielen (Bilder ordnen, etc.) als auch solche, die eigenes produktives Denken und Theologisieren anregen (Sprechblasen, Fragen, die selbstständig zu beantworten sind).

1002 Das Arbeitsblatt konnte an dieser Stelle nicht abgedruckt werden, da keine Abdruckgenehmigung vorlag. 1003 An dieser Stelle wird das gesamte Portfolio von Franziska berücksichtigt, das leider nicht komplett abgedruckt werden kann. Das Gesamtbild ihrer Entwicklung soll somit erweitert werden.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.2.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen 8.2.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts1004 Franziska ging in den vergangenen zwei Jahren seit dem Vorschulinterview 1 – 3 Mal pro Jahr in die Kinderkirche und mindestens einmal im Monat in die Jungschar. Damit standen ihr neben dem Religionsunterricht noch zwei weitere außerschulische Quellen im Blick auf Wissen und Vorstellungen über Jesus Christus offen. Zuhause standen Franziska keine Kinderbibeln zur Verfügung und ihr wurden keine biblischen Geschichten vorgelesen. Franziska interessierte sich für ihr Portfolio zum Thema Jesus Christus, d. h. zeigte es zuhause oder schaute es an. Besonderes Interesse an Themen des Religionsunterrichts konnten die Eltern nicht feststellen. Gedanken und Fragen zum Thema Sterben und Tod wurden von Franziska geäußert. Die Eltern merkten zum Religionsunterricht das Engagement der Lehrkraft an und dass es Franziska gut gefallen habe.

8.2.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Interessanterweise gibt Franziska an, Geschichten über Jesus ausschließlich von der Religionslehrerin erfahren zu haben. Das ist insofern bemerkenswert als ihr mit Jungschar und Kinderkirche offenbar noch andere Zugänge zur Verfügung standen. Zur Geburt Jesu weiß Franziska am Ende der zweiten Klasse Folgendes zu berichten. Die Könige – später konkretisiert sie die Anzahl 3 – haben den Stern gesehen und sind ihm gefolgt. Nachfolgend gibt sie ihren Beruf als Sterndeuter an. Sie weiß, dass diese zunächst zu Herodes gegangen und nach dem neugeborenen Königssohn gefragt, jenen überrascht gefunden und von ihm den Auftrag erhalten haben, ihm nach Auffinden von dem neuen König zu erzählen. Auf Nachfrage gibt sie an, dass Jesus wegen des Sterns für einen König gehalten wurde. Franziska geht davon aus, dass Jesus tatsächlich ein König war, kann dies aber an dieser Stelle nicht erklären. Sie weiß, dass die Sterndeuter Myrrhe und Gold mitbrachten. Warum die Hirten – von ihr auch Schäfer genannt – zu Jesus 1004 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis des zweiten Elternfragebogens Ende des zweiten Schuljahres erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.3.

Franziska – Individuelle Entwicklung

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kamen weiß sie nicht genau. Zunächst gibt sie an, sie hätten auch den Stern gesehen, später, dass die Könige bei ihnen vorbeikamen. Sie weiß, dass die Geburtserzählung mit der Suche nach einem Platz begann und dass Jesus in einem Stall auf die Welt gekommen ist. Wie schon vor Schuleintritt bezeichnet Franziska Jesus auf Nachfrage auch jetzt als ›Sohn von Gottes‹ – eine leicht abgewandelte Form des geprägten religiösen Sprachgebrauches. Nun begründet sie dies mit zwei Argumenten – er ›ist auch ein König‹ und ›wie Gott auch‹. Die beiden Heilungsgeschichten von Bartimäus und dem Gelähmten nennt Franziska spontan als sie nach Geschichten im Zusammenhang mit dem erwachsenen Jesus gefragt wird. Als dritte nennt sie die Kreuzigung, die ihr ja bereits vor Schuleintritt bekannt war. Sie kann beide Heilungsgeschichten folgerichtig erzählen, gibt darüber hinaus an, die Heilung der Maria zu kennen. Sie hat nun auch eine Theorie zur Frage nach Jesu Heilfähigkeiten gebildet. Sie begründet diese mit der Gottessohnschaft und erklärt mit eigenen Worten ›Gott ist ja der Vater von Jesus‹. Jesus kann, so Franziska weiter, nur mit Gottes Hilfe heilen, Gott gibt ihm ›ein bisschen Kraft dazu‹. Franziska kann die Handlung der Kindersegnung auf einem dargebotenen Bild erkennen, obwohl sie die zugehörige Erzählung nicht erinnert. Sie begründet das Segnen mit der Hilfe Jesu für die Kinder. Interessanterweise vermutete sie vor Schuleintritt noch das Gegenteil, nämlich ›die Kinder wollen Jesus helfen‹. Sie nimmt an, dass die Jünger Jesu Handeln an den Kindern gut finden. Das ist zwar sachlich nicht korrekt, scheint jedoch in ihr Gesamtbild von Jesu Freunden zu passen. Sie geht davon aus, dass diese mit Jesus mitgegangen sind, weil sie ihn erstens nett fanden und es zweitens gut fanden, dass er Menschen heilen kann und drittens auch den großen Fischfang – den Franziska sehr knapp erzählen kann – ›toll‹ fanden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Jünger in Franziskas Sicht mit Jesu Handeln insgesamt einig sind und sich davon positiv beeindruckt zeigen. In der knappest möglichen Fassung erzählt Franziska von den 5 Broten und den 2 Fischen. Sie vermutet sehr realistisch, dass es für alle gereicht hat, weil die Menschen, dann korrigiert sie – Jesus – geteilt haben. Die Erzählung der Sturmstillung ist ihr nicht so präsent, dass sie sie folgerichtig erzählen könnte. Sie erkennt Jesus, der trotz Sturm geschlafen hat und weiß, dass die Geschichte gut ausgeht. Allerdings erinnert sie nicht die biblische Version. Sie gibt an, dass ›se’s noch geschafft haben‹ und bestätigt, dass ›der Sturm einfach aufgehört hat‹. Sie ist der Meinung, die Freunde Jesu hätten keine Angst gehabt. Dass Jesus selbst keine Angst hat begründet sie sowohl mit seinem Wissen darum, dass Gott ihm helfen wird als auch mit seinem Glauben an Gottes Anwesenheit bei ihnen. An dieser Stelle zeigt sich eine Theoriebildung, die eigenständig ist und wenig Zusammenhang mit dem biblischen Wissen, das wenig vorhanden ist, aufweist. Das Gleichnis vom verlorenen Schaf erzählt sie in knapper Form nach. Auf

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

direkte Nachfrage nach dem Hirten gibt sie an, es könnte Josef sein. Obwohl sie den Gleichnischarakter noch nicht erfasst hat, hat sie dennoch eine Vorstellung gebildet, warum Jesus von Gott erzählen kann. Der Grund ist ihrer Ansicht nach, dass Jesus möchte, dass alle die Geschichten kennen sollen. Bezüglich Passion und Auferstehung Jesu hat Franziska am Ende der zweiten Klasse folgende Kenntnisse. Sie erkennt die mit Palmwedeln winkenden Kinder bei Jesu Einzug und kann ergänzen, dass auch Kleider auf den Weg gelegt wurden. Nach kurzer Verwechslung mit der Stadt Bethlehem, der sie auf Nachfrage die Geburt korrekt zuordnet, gelingt es ihr mit kleiner Hilfe (›Je..‹) die Stadt Jerusalem als Ortsangabe zu nennen. Sie hat darüber hinaus eine Vorstellung davon gebildet, warum Jesus auf einem Esel einreitet: ›Weil er nicht so ein König sein will‹. Man kann vermuten, dass sie hier auf den im Unterricht thematisierten Vergleich Herodes – Jesus abhebt.1005 Franziska geht davon aus, dass die Menschen ihn dennoch für einen König halten, ›weil er den Menschen hilft‹. Sie kann spontan weitererzählen, dass Jesus abends mit seinen Freunden Brot geteilt hat, woraufhin ihn ein Freund verraten hat, sowie, dass Jesus im Anschluss daran zum Beten in den Garten gegangen ist. In diesem Kontext erinnert sie auch, dass Jesus seine Freunde gebeten hat, wach zu bleiben, diese jedoch eingeschlafen sind. Sie kann folgerichtig weitererzählen, dass Soldaten gekommen sind, Jesus zu einem Priester gebracht haben und ›dieser‹ – auf Nachfrage bestätigt sie dies noch einmal – ›dieser‹ entschieden hat, dass Jesus ans Kreuz geschlagen wird. Darum gebeten, weiterzuerzählen, ergänzt sie das Passionsgeschehen spontan um die Auferstehungsgeschichte. Während die Passion Jesu ihr in groben Zügen bereits vor Schuleintritt vertraut war und sie diese nunmehr um zahlreiche Details ergänzen und die Erzählflüssigkeit erhöhen konnte, zeigt sich nun, dass sie die Erzählung nun entscheidend erweitert hat. Sie erkennt einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Passion und Auferstehung. Interessant ist, dass sie ihr Repertoire nunmehr gleich um zwei Auferstehungserzählungen erweitern konnte. Sie weiß um die Frauen, die zum Grab gehen, um Jesus in Tücher zu wickeln, um den weggerollten Stein und die Engelsbotschaft ›Jesus ist auferstanden‹. Ebenso kennt sie Maria Gang zum Grab, ihre Verwechslung Jesus mit dem Gärtner und ihre Freude ob Jesu Selbstoffenbarung. Für Franziska steht fest, dass Gott der Handelnde im Blick auf die Auferweckung gewesen ist. Jesus ist in Franziskas Augen ein besonderer Mensch, weil er erstens Menschen helfen und zweitens gut von Gott erzählen kann. Beides lässt ihn ihrer Ansicht nach eher wie Gott als wie ein Mensch sein.

1005 Vgl. hierzu die Unterrichtsdokumentation im Anhang unter 11.4.

Passion Jesu Jesus kommt nach Jerusalem, mit Palmwedeln gewunken, Kleider auf den Weg will nicht so ein hoher König sein (Esel) Menschen denken Mensch oder König, weil er den Menschen hilft teilt abends Brot mit Freunden, Freund verrät ihn, geht in den Garten zum Beten mit Gott, Jünger sollen wach bleiben, schlafen aber, Soldaten kommen + nehmen ihn Priester entscheidet, dass er ans Kreuz genagelt wird, war am Kreuz

Gott hat Jesus auferweckt

Maria ist beim Grab, guckt, denkt da wäre der Gärtner, er sagt ‚Ich bin Jesus’ / Maria freut sich

Frauen gehen zum Grab, wollen Jesus mit Tüchern bedecken, Stein war weg/ Engel sagt ‚Jesus ist auferstanden!’

Auferstehung Jesu irgendwie auferstanden

Jesus und die Kinder Kinder wollen gesegnet werden, Jesus segnet sie, weil Gott ihm hilft Jesus und die Jünger haben nichts gefangen, Jesus geht mit ihnen mit, machen großen Fang, gehen mit, weil sie es toll fanden Freunde begleiten Jesus, weil sie Jesus nett fanden, gut fanden, dass er Menschen heilen kann Jesus erzählt von Gott Ein Schaf fehlt, sucht es, findet es, feiert, benennt Hirte nicht Alle sollen Geschichten kennen

Jesus besonderer Mensch, kann Menschen helfen, gut von Gott erzählen eher wie Gott, der auch den Menschen hilft

Geburt Jesu Maria + Josef, suchen Platz, finden Stall, unterwegs, um Jesus zur Welt zu bringen Schäfer/ Hirten kommen – wegen Stern, Königen Könige/ Sterndeuter – Stern gesehen/ zu Herodes gegangen, nach neuem König gefragt, dieser wundert sich, sollen wieder kommen, wenn gefunden/ sagen wo, Myrrhe + Gold Sohn von Gott, König wie Gott

Sturmstilllung großer Sturm, Jesus schläft, Freunde haben Angst, Jesus schläft weiter, kann nicht geweckt werden, sie haben es geschafft, auf Nachfrage: Sturm hört einfach auf Jesus schläft – weiß, dass Gott ihm hilft Jesus hat keine Angst – glaubt, dass Gott bei ihnen ist

Wunder Jesu Speisung 5000 wenig Brot und Fische, Jesus hat es aufgeteilt, dann hat es gereicht Es hat gereicht, weil geteilt wurde, Jesus hat geteilt

Heilung des Gelähmten Freunde sehen, dass Jesus da ist, viele Leute vor der Tür, machen Dach kaputt, dass der durchkam, manche ärgerlich wegen Dach, Jesus hilft ihm/ kann laufen heilt, weil er Sohn von Gott ist Gott gibt bisschen Kraft dazu

Heilungen Jesu Bartimäus Bartimäus am Straßenrand, bettelt/ Jesus kommt, Bartimäus ruft Jesus/ Menschen sagen ‚Nein’ / Jesus sagt: ‚Komm her’ / Jesus bringt ihn zum Sehen

Franziska – Individuelle Entwicklung

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8.2.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.2.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung Vor Schuleintritt

Jesus als Sohn Gottes

Jesus als König/ Heiland

Jesus als Heiler

Jesus und die Menschen

Jesus als Wundertäter Jesu Kreuzigung

Nach zwei Jahren Religionsunterricht – Jesus wird bei – Jesus wird in leicht Wahlangebot Sohn abgewandelter Gottes- Sohn Josefs Form als ›Sohn von als Sohn von Gottes Gottes‹ bezeichnet, bezeichnet, ohne weil Jesus auch ein Erklärung, Josef König ist, wie Gott spontan als Papa. auch, Jesus wird an Beides steht unveranderer Stelle bunden nebeneinspontan zusätzlich ander. als Sohn von Gott bezeichnet – Jesus wird von den Menschen als König gesehen, weil er den Menschen hilft – Er reitet auf einem Esel, weil er nicht so ein hoher König sein will [vermutlich Unterschied Herodes- Jesus als Hintergrund der Aussage, vgl. Portfolio] – Jesus kann heilen, weil er Gottes Sohn ist und weil Gott ihm Kraft gibt – Menschen begleiten Jesus, weil sie ihn nett finden, weil sie sein Handeln (Heilungen, Fischfang) gut finden

Entwicklung – Geprägter Begriff ›Sohn Gottes‹ wird vor Schuleintritt übernommen und kann nicht erklärt werden, nach zwei Jahren selbstständige Verwendung mit z. T. eigenständigen Sprachformen – Bezeichnung Jesus als König in eigene Vorstellung aufgenommen und inhaltlich gefüllt – Bezug zu biblischem Wissen (Jesus hilft Menschen) und vermutlich Erkennen der Besonderheit des Königs Jesus, vgl. Herodes – Vorstellung zu Jesus Heilvermögen im Kontext der Vater-Sohn-Beziehung entwickelt – Vorstellung für Gründe der Nachfolge im konkreten Kontext von biblischen Erzählungen entwickelt – biblisches Wissen ermöglicht dies

Jonas – Individuelle Entwicklung

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Fortsetzung Vor Schuleintritt

Jesu Auferstehung Jesus als besonderer Mensch

Jesu Beziehung zu Gott

8.3

Nach zwei Jahren Entwicklung Religionsunterricht – Neuentwicklung – Irgendwie aufereiner religiösen standen Gott hat Jesus aufVorstellung der Auferstehung erweckt – Jesus ist ein beson- – Jesus kann den – Besonderheit Jesu derer Mensch, weil Menschen helfen zunächst diffus, er – durch Gebet – – Jesus kann den später in Anlehmit dem Himmel Menschen von Gott nung an biblisches reden kann erzählen Wissen konkret verstanden – Jesus kann – durch – Jesus hat im Sturm – Vorstellungen zur Gebet – mit dem keine Angst, weil er besonderen BezieHimmel reden weiß, dass Gott ihm hung zw. Jesus und hilft und weil Gott Gott haben sich deutlich ausdiffebei ihm ist renziert – Jesus kann von Gott erzählen, weil er möchte, dass alle die Geschichten kennen – Gott hat Jesus auferweckt

Jonas – Individuelle Entwicklung

8.3.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen 8.3.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten1006 Die Eltern von Jonas geben im Fragebogen an, dass Jonas weder Kleinkindergottesdienste, noch Erwachsenengottesdienste noch die Kinderkirche besucht hat. Ihm stehen keine Kinderbibeln zur Verfügung, ebenso werden ihm keine biblischen Geschichten erzählt. Von sich aus zeigt er kein Interesse an biblischen Geschichten. Er äußert keine religiösen Fragen oder Gedanken. Jonas besucht einen staatlichen Kindergarten. Von sich aus äußert er dort selten bis gar nicht theologische Gedanken. Advent, Nikolaus und Weihnachten werden gefeiert, Lieder und die Weihnachtsgeschichte werden gesungen und 1006 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im Elternfragebogen sowie im Fragebogen für Erzieher/innen erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.1 und 11.1.2.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

erzählt. Ostern wird in Gesprächen (Warum feiert man Ostern?), Liedern und Büchern thematisiert. Über Weihnachten und Ostern hinaus werden keine Geschichten von Jesus erzählt. Es stehen keine Kinderbibeln zur Verfügung und es werden keine Gelegenheiten zum Theologisieren eröffnet. Es wird angegeben, dass der Kindergarten nach dem Orientierungsplan arbeitet. 8.3.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Jonas weiß nicht was eine Bibel ist und gibt an, auch sonst keine Geschichten aus der Bibel zu haben, was sich mit dem Elternfragebogen deckt. Jonas kennt ein paar Einzelheiten der Geburt Jesu, den Stall, Jesus, die Krippe, Maria und Josef. Bei der Wahl aus Sohn Gottes – Sohn von Josef entscheidet er sich für letzteres, ohne dies näher zu begründen. Er identifiziert anhand der im Interview vorgegebenen Krippenszene die Schäfer, kann jedoch keinen Zusammenhang zur Erzählung herstellen. Eine suggestiv gestellte Frage nach den Heiligen Drei Königen bejaht er nach zeitlicher Verzögerung, was seine Antwort infrage stellt. Er kann auch nichts Näheres zu den Königen sagen. Ein Bild von Bartimäus hält er zunächst für ein Bild von Jesus. Offensichtlich kennt er die Erzählung nicht. Er entwickelt jedoch ad hoc eine eigene Vorstellung, was passieren könnte, hat die Idee, dass der abgebildete Mann Jesus angreifen und ans Kreuz nageln könnte, bestätigt dies auch auf die Nachfrage, ob er das machen kann, obwohl er nichts sieht. Auch die Heilung des Gelähmten ist Jonas noch nicht bekannt. Er verwechselt die Freunde des Gelähmten mit den Römern, denkt, diese wollen Jesus (verwechselt mit dem Gelähmten) hoch holen, mitnehmen und ans Kreuz nageln. Zwei verschiedene Bilder von Jesus deutet er also mithilfe seines stark von den Römern geprägten Vorwissens um. Bekannt ist ihm offensichtlich, dass Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Auf dem Bild, das er vor dem Interview von Jesus malt ist analog dazu ein Kreuz zu sehen und er kommentiert sein Bild mit ›Jesus wird ans Kreuz genagelt‹. Er gibt an, dieses Wissen aus dem Kindergarten bezogen zu haben. Dort wurde ihm ein Bild des gekreuzigten Jesus gezeigt. Offenbar weiß Jonas auch, dass die Römer für die Kreuzigung verantwortlich sind. Mit diesen Wissensbestandteilen versucht er nun die Bilder von Bartimäus und dem Gelähmten zu deuten – auf eine für ihn sichtlich einleuchtende Weise, die Erwachsene zunächst vielleicht ratlos erscheinen lässt. Auf einem Bild der Kindersegnung identifiziert die Interviewerin Jesus für Jonas. Er selbst entdeckt Maria und hält Jesus für Josef. Die Erzählung kennt er nicht.

Jonas – Individuelle Entwicklung

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Jonas hat noch keine Vorstellung davon entwickelt, warum Freunde Jesus begleiten, kennt auch nicht die Erzählung vom Fischfang. Er kennt die Erzählung von der Speisung der Fünftausend und beginnt spontan, diese zu erzählen, was ihm in einer knappen Fassung gelingt. (Jesus teilt Brot aus, es waren immer wieder Brot und Fische da). Er gibt an, diese im Kindergarten gehört zu haben, was sich nicht mit dem Fragebogen der Erzieherinnen deckt. Seine Vorstellung von der Brotvermehrung ist sehr realistisch, er hält es für möglich, dass Jesus ›noch mehr dabei gehabt und es immer wieder hingelegt hat‹. Bei der Sturmstillung bringt Jonas zum wiederholten Mal spontan die Römer ins Spiel. Wieder verwechselt er die Jünger mit den Römern und geht davon aus, dass diese Jesus im Boot mitgenommen haben. Dass Jesus schläft erklärt er mit einer eigenen Alltagserfahrung – ›ist ein guter Schläfer wie ich‹. (Ich höre nicht, wenn meine kleine Schwester weint, Jesus merkt den Sturm nicht). Angst hat Jesus nach Jonas Ansicht nicht, eben weil er schläft. Als die Interviewerin ihm das Ende der Geschichte erzählt, ist er überrascht, hält sie für lustig. Das biblische Ende passt nicht zu seiner Vorstellung der Römer mit Jesus im Boot. Er mutmaßt, dass Jesus das durch Zauberei bewerkstelligen kann. Das Gleichnis vom Verlorenen Schaf kennt Jonas nicht. Den Einzug Jesu in Jerusalem beschreibt er – eigenen Angaben zufolge – nur anhand des Bildes. Allerdings verwechselt er Jesus mit Maria – evtl. ist ihm das Bild von Maria auf dem Esel vor Jesu Geburt präsent. Jesus identifiziert er auf einem Bild vom letzten Mahl richtig. Zunächst nimmt er zum wiederholten Male die Freunde als Römer wahr, dann fällt ihm auf, dass es sich nicht um die Römer handelt. Er hält sie nun für die Menschen, denen Jesus Fisch und Brot verteilt hat. Hier stellt sich die Frage, ob Jonas die Erzählung vom letzten Mahl kennt (im Kindergarten wurde zu Ostern ja die Kreuzigung mit Bild thematisiert) und gar nicht die Speisung der Fünftausend, die er sehr knapp erzählt und dem Kindergarten zuordnet, was dem Fragebogen widerspricht. Dies ist an dieser Stelle nicht einwandfrei zu klären. Auf dem Bild vom Garten identifiziert Jonas Jesus richtig als den Knienden. Er geht davon aus, dass Jesus eine Faust macht, um seine Kräfte auszuprobieren (Alltagserklärung). Richtig erkennt er das Bild der Kreuzigung Jesu, das ihm aus dem Kindergarten präsent ist. Er weiß auch, dass Freunde Jesus an die Römer verraten haben, und dass er mit Nägeln ans Kreuz genagelt wurde. Auch kann er eine Verbindung von der Kreuzigung zur Erzählung von den Freunden auf dem Weg zur Grabhöhle ziehen, die entdecken, dass sowohl der Stein als auch Jesus weg sind. Allerdings verbindet er diese Erzählung nicht mit der Auferstehung Jesu. Er geht davon aus, dass Jesus ›irgendwie abgehauen‹ ist und es kein Wiedersehen gibt. Eine Auferstehungsvorstellung im engeren Sinne äußert er nicht. Jonas gibt an, dass Jesus ein besonderer Mensch ist, weil er das Christkind ist

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

und weil eben das Christkind an Weihnachten Geschenke bringt. Hier liegt eine Verknüpfung von Weihnachtsfigur und Jesus vor. Dagegen gibt es keine Verknüpfung von Reden oder Handeln des erwachsenen Jesus zu seiner Besonderheit. Vor die Wahl gestellt, sieht Jonas Jesus eher als Mensch.

Freunde Römern gesagt: Da ist Jesus. Jesus ans Kreuz genagelt Römer/ Nägel

Passion Jesu (Letztes Mahl) Römer, dann Leute, denen Jesus Fisch + Brot verteilt (Gethsemane) Jesus kniet macht Faust, probiert Kräfte aus

Höhle/ Stein weg Freunde geguckt/ Jesus weg irgendwie abgehauen kein Wiedersehen mit Menschen

Auferstehung Jesu

Jesus und Jünger

Jesus und Kinder

Jesus besonderer Mensch = Christkind eher Mensch

= Christkind (bringt Geschenke an Weihnachten)

Geburt Jesu Jesus in der Krippe/ im Stall Eltern: Maria und Josef Sohn von Josef

Wunder Jesu Speisung Jesus hat den Leuten Brot ausgeteilt (fünf Brote), immer wieder was da, bei Fischen genauso Jesus hat immer noch mehr dabei gehabt + Stücke hingelegt Sturmstillung Römer ham Boot + Jesus mitgenommen Keine Angst, guter Schlafer Vielleicht Zauberer, Sturm still

Heilungen Jesu Bartimäus will Jesus angreifen + ans Kreuz nageln, obwohl blind Gelähmter Römer, holen ihn rauf, nehmen Jesus mit + ans Kreuz, Römer haben Jesus ans Kreuz

Jonas – Individuelle Entwicklung

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8.3.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.3.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen 8.3.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen Ko-konstruktive Prozesse Jonas fällt durch seine Fähigkeit zu ko-konstruktiven Prozessen auf. Anhand des Gesprächs zur Frage nach der Auferweckung Jesu wird dies besonders deutlich. Es gelingt ihm, eine Idee, die Linnea einbringt weiterzudenken und mehrere Gesprächsbeiträge später wieder Bezug darauf zu nehmen. Linneas Reaktion auf Jonas Weiterentwicklung ihres Gedanken lässt erkennen, dass sie dies entweder ebenso dachte, selbst nur nicht ausdrücken konnte – dann hätte Jonas ihr beim Formulieren geholfen – oder aber dass sie selbst durch Jonas Idee angeregt wurde. L: Und wenn jetzt aber der Jesus selber tot ist. Kann dann der Jesus sich selbst auferwecken oder eher Gott. Was denkt ihr? Einige: Gott. Mia: Der Gott. L: Und warum? Mia: Weil der sein Vater isch. Linnea: Beide? Vic: Häh, gleichzeitig – wie soll des gehen? L: Ja, erklär mal. Die Vic glaubt des nicht, die sagt wie soll des gehen. Jetzt erklär’s mal du, dann kann die Vic was dazu sagen. Linnea: Weil beide gleichzeitig die Hälfte, also Hälfte, Hälfte machen. Vic: Ich versteh grad nicht, was Linnea meint. L: Also erklär’s noch mal genauer wie du’s meinst. Linnea: Dass beide gleichzeitig machen. ?: Häh? L: Also, die Linnea meint, der Gott hilft oder der Gott lässt den Jesus – erweckt den Jesus auf und gleichzeitig hilft der Jesus aber dabei mit, denkt die Linnea. […] [zahlreiche Gesprächsbeiträge] […] Jonas: Ich wollte eigentlich erklären, was Linnea gesagt hat. L: Du möchtest noch mal erklären, was Linnea gesagt hat? Versuch’s mal. Jonas: Dass Gott erst Jesus auferstehen lässt und dann beide den Stein wegrollen, zusammen. Linnea: Ah, des glaub ich.1007

Jonas zeigt in diesem Beispiel auch, dass er mehrere Argumentationsstränge im Blick halten kann. Zum einen versucht er an Linneas Idee anzuschließen. 1007 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

Jonas – Individuelle Entwicklung

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Gleichzeitig berücksichtigt er aber auch den Gesprächsstrang, in dem von einigen Schülerinnen und Schülern herausgearbeitet wurde, dass Jesus – obwohl er das Mädchen in der biblischen Erzählung auferwecken konnte – sich selbst nicht auferwecken kann, da er ja tot ist. Jonas Idee der Arbeitsteilung zwischen Gott und Jesus berücksichtigt dies, indem er eine zeitliche Trennung einführt. Während Gott zuerst Jesus auferstehen lässt, können sie danach durchaus zusammen – also mit dem Prinzip der Kräfteteilung – tätig sein. Jonas beteiligt sich beispielsweise auch am Konstruktionsstrang über die Frage, ob und wenn ja der wievielte König Jesus ist. Diese Frage wird durch den stummen Impuls von ›nur‹ 2 Königen in der Krippenszene ausgelöst. L: Es heißt, sagt der Timo, die Heiligen Drei Könige. ?: Aber Jesus ist der dritte König […] Lotta: Jesus ist der vierte König. (im Sinne von Heilige Drei Könige + Jesus) […] Jonas: Jesus ist der fünfte König. L: Wieso der fünfte? Mehrere: Es heißt doch die Heiligen Drei Könige L: Moment, der Jonas ist dran. Jonas: Wegen dem anderen Michael: Herodes? Julia (sehr leise) König Augustus Jonas: Ja.1008

Auch in Gesprächen wie beispielsweise zur Dilemmageschichte der Sturmstillung, bei denen sich Jonas nicht tief in die Ko-Konstruktionsprozesse hineinbegibt, zeigen einzelne Äußerungen seinerseits ein aktives Zuhören wie auch Mitdenken. Zwei kleine Beispiele sollen dies verdeutlichen. L: Also du meinst, der Jesus schafft des irgendwie in des Boot. Und kommt dann mit denen zurück. Mareike: Tauchen. L: Die Mareike meint tauchen. Was meinst du, wie kommt er hin? Jonas: Hatten die da schon Taucheranzüge?1009 Franziska: Und weil Gott sein Kind helfen will. Jonas: Das heißt sein Sohn. L: Also, du sagst sein Kind und du erklärst noch mal genauer sein Sohn, Jonas, genau. Jonas: Kind ist des gleiche wie Sohn. L: Nicht alle Kinder sind Söhne, aber alle Söhne sind Kinder von ihren Eltern. 1008 Vgl. Gesprächsprotokoll »Ist Jesus ein König« in Kapitel 7.1.3.1. 1009 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in Kapitel 7.2.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Aber es gibt ja auch Mädchen. Mirjam: Des sind dann Töchter.1010

Einbringen von Vorwissen

L: Worauf warten wir an Weihnachten […] Jonas: Auf Jesus.1011

Überraschend ist an dieser Stelle, dass Jonas das erste Kind ist, das im Blick auf Advent nicht nur an Weihnachten als Fest oder das Christkind denkt, sondern den biblischen Bezug einbringt. Auch sonst bringt er sein Vorwissen gerne ein wie folgende Beispiele aus unterschiedlichen Gesprächen verdeutlichen: Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun? Michael: Dass die Heiligen Drei Könige dem Jesuskind Geschenke gebracht haben. L: Okay, der Michael kennt eine Geschichte dazu. Elena: Weil sie untern Baum kommen?L: Mhm. Auch richtig. Jonas: Ähm, ich wollte das Gleiche wie Michael sagen.1012 L: Deine Oma hat so ein Kreuz, wo so ne Figur hingehängt ist, die den Jesus darstellt? Okay. Und da hast du’s schon mal gesehen. Mhm. Gut. Ah, was kannst du erzählen, Jonas? Jonas: Und dann, und dann wurde der festgenagelt.1013 L: […] Aber warum war denn dann der Engel da? Letztes Mal hatte noch ein Kind vermutet, er war da, weil er ihn auferweckt hat. Dann haben wir uns ein bisschen darüber unterhalten und jetzt sagt ihr alle, also vielleicht hat er ihn doch nicht auferweckt, aber warum war er denn dann da, der Engel? Warum war denn der Engel da. Du weißt es …Dann sag mal. Jonas: Weil, weil der [Engel] den anderen sagen wollte, dass Jesus nicht im Grab ist.1014

8.3.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« Zu Beginn der Jesus-Einheit in Klasse 1 und Klasse 2 wählt Jonas Bilder aus ihm bekannten Jesuserzählungen aus und gestaltet damit anschauliche Wissenslandkarten, die der Lehrkraft Rückschlüsse auf seinen jeweiligen Vorwissensstand ermöglicht und ihm selbst seinen eigenen Lernfortschritt visualisiert. 1010 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in Kapitel 7.2.1. 1011 Vgl. Gesprächsprotokoll »Worauf warten wir im Advent?« In Kapitel 7.1.1.1. 1012 Vgl. Gesprächsprotokoll »Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun?« in Kapitel 7.1.3.1. 1013 Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1. b) 1014 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Jonas – Individuelle Entwicklung

Leider können die Landkarten aus Urheberrechtsgründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Stattdessen folgt eine tabellarische Übersicht mit Anmerkungen. Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Speisung der Fünftausend – Kindersegnung – Verlorenes Schaf – Kreuzigung

Obwohl als Bild den bekannten Erzählungen zugeordnet, notiert Jonas im Blick auf die Speisung der Fünftausend handschriftlich: Die Geschichte hatte ich noch nie gehört.

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Kindersegnung – Verlorenes Schaf – Heilung des Bartimäus – Fischfang – Einzug in Jerusalem – Letztes Abendmahl – Jesus in Gethsemane – Kreuzigung Jesu – Auferstehung Jesu Er gibt an, alle Erzählungen im Religionsunterricht gehört zu haben. Im Blick auf die Auferstehung vermerkt er jedoch zusätzlich schriftlich Diese Geschichte hatte ich noch nicht gekannt.

Fähigkeit, eigene Vorstellungen über Jesus auszudrücken: Zu Beginn der ersten Klasse hat Jonas noch wenig eigene Vorstellungen von Jesus. Die Aufgabe, zwei Sprechblasen individuell auszufüllen zeigt dies. Er lässt die Lehrperson an seiner Statt notieren: Wer ist Jesus? Was denkst du? Ich weiß es nicht.

Jonas lässt die Lehrperson schreiben: ›Ich weiß es nicht.‹

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Jonas ist in der Lage sein bestehendes sowie neu erworbenes Wissen über Jesus aktiv zu nutzen, um neue Vorstellungen zu begründen. Er zeigt, dass er Wissensbausteine in eigene Vorstellungen integrieren kann. Ein Beispiel dafür ist seine Begründung für Jesus als allergrößtes Weihnachtsgeschenk1015 : Das größte Weihnachtsgeschenk ist Jesus: So verstehe ich das: Weil Jesus die Menschen geheilt hat und den Menschen Geschichten erzählt hat.

Ein weiteres sehr aufschlussreiches Beispiel ist seine Bearbeitung des Vergleiches Herodes – König Jesus, in dessen Zusammenhang auch explizit nach bilischen Erzählungen gefragt wurde, die dazu erinnert werden.1016 Es gelingt Jonas an dieser Stelle mehrere Erzählungen mit der Aufgabenstellung zu verknüpfen.

König Herodes und König Jesus im Vergleich

So ist Herodes: Herodes will der König von allen sein. Deswegen will er Jesus töten. So ist Jesus: Er heilt alle und hilft den armen Menschen.

1015 Vgl. Kapitel 7.1.3.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis eines theologischen Gesprächs. 1016 Vgl. Kapitel 7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse auf der Basis theologischer Gespräche.

Jonas – Individuelle Entwicklung

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Welche Geschichten aus der Bibel fallen dir dazu ein? – Die Geschichte von dem Bartimäus. – Jesus hat den Fischern geholfen

Jesus als Heiler Jonas hört Geschichten im Religionsunterricht gut zu. Schnell gelingt es ihm, Sprechblasen auszufüllen, wenn sie sich auf die Geschichte beziehen. Zum Beispiel in Bezug auf die Heilung des Bartimäus:1017 Interessanterweise notiert Jonas in zwei Sprechblasen Teile des Erzählstrangs nicht Worte von Bartimäus. Blinder Bartimäus: Zuerst kann der nicht sehen. Sehender Bartimäus: Jesus hat Bartimäus geheilt. Wieso kann Jesus Bartimäus helfen? Weil er heilig ist.

Jonas zeigt hier die Vorstellung, dass Jesus Heiligkeit ihm dazu verhilft, Bartimäus zu helfen. Anhand eines fiktiven Briefes an Bartimäus lässt Jonas in Klasse zwei erkennen, dass er die biblische Erzählung, deren Thematisierung zu diesem Zeitpunkt schon lange zurückliegt, bereits verinnerlicht hat. Er schreibt in sensibler Wahrnehmung der Situation von Bartimäus:

Lieber Bartimäus, Jesus kommt auf die Erde und wird dir helfen. Du wirst wie alle gesunden Menschen leben und du musst nicht mehr betteln.

In der zweiten Klasse entwickelt er seine Vorstellungen bezüglich Jesus als Heiler weiter. Als einziges Kind überhaupt greift er statt der Frage, ob Jesus

1017 Das Arbeitsblatt kann an dieser Stelle nicht abgedruckt werden, da keine Abdruckgenehmigung vorliegt.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

heilen darf die Frage, ob Jesus sagen darf ›Gott vergibt dir!‹ auf und entwickelt dazu folgende Vorstellung

Ja, weil Gott ihm erlaubt hat, dass er das sagen darf, weil Gott ihm verziehen hat. Ó 2010 Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart und Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig.

Jesus als Wundertäter – Sturmstillung Auf der Basis der Dilemmageschichte zur Sturmstillung und dem nachfolgenden theologischen Gespräch gestaltet Jonas folgende Fortsetzung der Erzählung:

Jonas – Individuelle Entwicklung

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Teilweise mit Hilfe der Lehrperson schreibt Jonas: ›Gott, Gott, Gott, puste die Wolken weg.‹

Zusammenfassende Beobachtungen zu Jonas Portfolioarbeit1018 Jonas arbeitet sehr fleißig an seinem Portfolio. Es ist gut gefüllt. Er bearbeitet sowohl Aufgaben, die dem Wissensaufbau dienen, wie z. B. Bilder und Satzstreifen ordnen als auch Aufgaben, die eigene Gedanken erfordern. Er bearbeitet sowohl kreativere Aufgaben als auch solche, in denen kognitive Aspekte im Vordergrund stehen. Er ist immer bereit auch ausführliche Gedanken zu verschriftlichen.

8.3.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen 8.3.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts1019 Jonas ging in den vergangenen zwei Jahren seit dem Vorschulelternfragebogen weder in die Kinderkirche noch in die Jungschar. Zuhause steht ihm keine Kinderbibel zur Verfügung und ihm werden auch keine biblischen Geschichten erzählt. Jonas zeigt laut den Eltern Interesse am »Leben von Jesus« und an dem »was Gott kann«. Darüber hinaus singt er gern die Lieder. Er hat das Portfolio zuhause nicht gezeigt oder angeschaut. Er äußert Fragen zu den Feiertagen und den religiösen Bezügen. Zusammenfassend ergibt sich das Bild, dass der Reli1018 An dieser Stelle wird das gesamte Portfolio von Jonas einbezogen, das hier nicht vollständig abgedruckt werden kann. Jedoch soll die Gesamtentwicklung von Jonas möglichst umfassend beschrieben werden. 1019 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben des zweiten Elternfragebogens Ende der zweiten Klasse erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.3.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

gionsunterricht für Jonas den einzig möglichen Zugang zur Thematik »Jesus Christus« darstellt. 8.3.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Jonas gibt an, seine Kenntnisse zu Jesus ›eigentlich nur aus dem Reliunterricht‹ bezogen zu haben und bestätigt dies trotz gezielten Nachfragens der Interviewerin. Hier bestätigt sich die im Elternfragebogen dargestellte Situation. Er beginnt die Erzählung der Geburt Jesu mit der Verkündigung an Maria, die er detailliert nennt (Maria bekommt ein Kind, es soll Jesus heißen). Er nennt den Weg nach Bethlehem und Jesu Geburt im Stall. Sowohl die Hirten als auch die Sterndeuter werden genannt und ihnen die jeweils passenden Attribute zugeordnet (Hirten kommen mit den Schafen, weil der Engel es ihnen gesagt hat und Sterndeuter kommen mit Gold, weil sie den großen Stern gesehen haben). Einige Details wie ›Myrrhe und Weihrauch‹ fehlen, aber der Gesamtzusammenhang wird stimmig dargestellt. Vor die Entscheidung gestellt, ob Jesus das Kind von Josef oder der Sohn Gottes ist, wählt er die eigene Variante ›beides‹ und kann dies auch begründen. Sohn Gottes sei Jesus aufgrund der ›strengen‹ Verbindung zwischen Gott und Jesus. Im weiteren Verlauf konkretisiert er dies durch ›kürzere Verbindung‹ als bei anderen Menschen und auf Nachfrage, ob damit ›engere‹ Verbindung gemeint ist, bestätigt er dies und verwendet das Wort eng auch im Folgenden. Josefs Sohn sei Jesus aber auch, weil Josef der Mann von Maria ist. Hier zeigt sich Jonas Fähigkeit zu paradoxem Denken. Er hat auch eine Theorie darüber, warum Jesus auf die Welt kommt, nämlich, um den Leuten zu helfen. Dazu passend nennt Jonas spontan zwei Heilungsgeschichten als Erzählungen über den Erwachsenen Jesus. Ferner nennt er die Kreuzigung und die Sturmstillung. Sowohl die Erzählung von der Heilung des Bartimäus als auch diejenige von der Heilung des Gelähmten erzählt er folgerichtig und flüssig. Als Begründung für Jesu Heilfähigkeit nennt er wieder die ›strenge‹ (enge) Verbindung zu Gott, die er nun konkretisiert (›kürzer als bei den anderen Menschen‹). Er hat dazu folgende Vorstellung entwickelt: Jesus handelt auf der Erde, aber Gott hilft ihm dabei. Dass Freunde ihn begleiten führt er zum Teil auf Jesu heilendes Handeln an ihnen zurück, zum Teil auch auf sein helfendes Handeln. In diesem Kontext erzählt er knapp, aber spontan und folgerichtig vom großen Fischfang. Die Kindersegnung identifiziert er auf einem angebotenen Bild, kann sie jedoch nicht erzählen. Auf Nachfrage gelingt ihm jedoch ein zusammenfassender Satz

Jonas – Individuelle Entwicklung

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(›Da wollen die Kinder zu Jesus und dann segnet der die‹). Dass die Männer nicht wollen, dass die Kinder zu Jesus kommen, fällt ihm auf eine Nachfrage hin wieder ein. Diese ist allerdings suggestiv, weswegen dies nicht gewertet werden kann. Nachdem er bereits den Fischfang erzählen konnte, gelingt ihm dies auch bei der Erzählung der Speisung der Fünftausend. Er erzählt flüssig und folgerichtig. Als Begründung nennt er Gottes Eingreifen (›Weil Gott immer wieder neues hingelegt hat oder so‹) Der Zusatz ›oder so‹ lässt darauf schließen, dass ihm seine eigene Erklärung unzulänglich erscheint. Die Sturmstillung erzählt er knapp, aber er nennt alle wesentlichen Aspekte folgerichtig (Jesus schläft, wird geweckt, spricht zu den Wellen, diese sind still). An dieser Stelle offenbart Jonas einen tiefen Einblick in seine Vorstellung der Beziehung Gottes zu Jesus. Er geht davon aus dass Jesus im Schlaf mit Gott redet, konkretisiert dies durch Jesus redet im Traum mit Gott. Gott spricht ihm im Traum Hilfe zu, Jesus weiß also, dass er keine Angst haben muss, er weiß, dass alles wieder gut wird. Passend zu dieser Vorstellung konkretisiert Jonas die Sturmstillung. Gott hilft Jesus. Er hört [was Jesus zu den Wellen spricht] und hat es wieder ruhig gemacht. Auffälligerweise verfügt Jonas bereits jetzt über ein Gleichnisverständnis. Nachdem er das Gleichnis vom Verlorenen Schaf präzise erzählt hat, identifiziert er die Schafe mit uns Menschen und den Hirten mit Gott. Dass Jesus gut von Gott erzählen kann, führt er wieder auf die ›strenge‹ [enge] Verbindung zwischen den beiden zurück. Dies nun zum wiederholten Male, was zeigt, wie gefestigt diese Vorstellung bei ihm ist. Gerade die eigenwillige Wortwahl ›streng‹ statt eng zeigt, dass es sich um eine individuell herausgearbeitete Vorstellung handelt. Die Ereignisse bei Jesu Einzug in Jerusalem erinnert Jonas folgerichtig. Sehr real geht er allerdings davon aus, dass Jesus auf einem Esel reitet, ›weil er nicht so viel laufen möchte‹. Es gelingt ihm nicht nachzuvollziehen, was die Leute dachten, als Jesus kam. Allerdings kann er flüssig weitererzählen vom Fest Jesu mit seinen Jüngern. Er bezieht dabei die Ankündigung des Verrats sowie der Kreuzigung mit ein. Er erinnert eine besondere Bedeutung von Brot und Wein, allerdings nicht schlüssig (›dann hat er gesagt, er stirbt, weil sein Blut der Wein ist und er wird Brot oder so‹) Eine Nachfrage der Interviewerin nach dem Fortgang der Erzählung hilft ihm sich zu fokussieren, er erinnert das Brot brechen und die Bedeutung als ›sollt ihr’s auch machen und dann an mich denken‹. In der Folge kann er flüssig weitererzählen. Kurz verwechselt er die Jünger mit den Römern (sollen wach bleiben), kann dies im weiteren Verlauf jedoch trennen (Jünger sind eingeschlafen). Er geht davon aus, dass Jesus zu Gott betet, dass Gott ihm hilft, aufzuerstehen. Zunächst will er sagen, dass Gott ihm Kraft [gibt] analog zu Gottes Unterstützung mit Kraft beim Heilen o. ä. Dann jedoch sagt er, dass Gott ihm hilft, aufzuerstehen. Das passt zu seiner klaren Aussage im Fortgang des Interviews, dass Gott Jesus wieder auferweckt, Gott

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

also der Handelnde ist. Die Gefangennahme Jesu erzählt er detailliert, kommt nur kurz ins Stocken ob des Namen desjenigen, der entscheiden darf, ob Jesus gekreuzigt wird. Nahtlos fügt er die Kreuzigung, sowie die Grablegung an und leitet selbstständig zur Auferstehungsgeschichte der drei Frauen am Grab über, die er flüssig und folgerichtig erzählt. Darüber hinaus erinnert er auch die Auferstehungsgeschichte um Maria detailliert. Jesus ist für Jonas ein besonderer Mensch, was er zunächst nicht erklären kann, dann jedoch mit Jesu helfendem Handeln an den Menschen begründet. Für ihn ist Jesus eher wie Gott, wegen seiner engen Verbindung und weil Gott ihm immer geholfen hat. Diese Vorstellung zieht sich durch sein ganzes Interview und kann definitiv als eigenständige Theorie betrachtet werden.

Passion Jesu mit Esel in Jerusalem eingeritten, Palmwedel/ Kleider auf Straße, dort Fest Esel, weil er nicht viel laufen wollte Raum gemietet, Jesus erzählt, ‚einer wird ihn verraten, Soldaten ihn kreuzigen, stirbt, weil sein Blut der Wein ist, und er des Brot oder so‘ teilt Brot, ‚macht es auch so, denkt an mich‘ Garten, betet dass Gott Kraft gibt, aufzuerstehen Jünger sollen wach bleiben, eingeschlafen, Soldaten nehmen ihn fest, Jünger abgehauen, Hohen Pastor / Pilatus, der entscheidet, ob Jesus gekreuzigt wird, gekreuzigt, schnell gestorben, ins Grab gelegt, Stein

Auferstehung Jesu drei Frauen zum Grab, Salben, Öl, reden von Stein, kommen zum Grab, kein Stein, Engel, weil Jesus auferstanden, freuen sich Maria zum Grab, leer, Engel sagt’ Jesus ist auferstanden’, denkt Gärtner, fragt ‚Wo er Jesus hingetragen hätte’ Jesus sagt ‚Maria’, sie ‚Jesus’ freut sich, soll ihn nicht anfassen, weil noch nicht zu Gott ‚auferfahren’ , soll es Jüngern sagen, tut es Gott hat Jesus auferweckt

Jesus und die Kinder Kinder wollen zu Jesus, er segnet sie, Männer wollen es nicht Jesus und seine Freunde fangen nichts, gehen mit Jesus hinaus, Netze ganz voll Begleiten Jesus, weil er ihnen geholfen hat + geheilt hat Jesus erzählt von Gott Hirte und 100 Schafe, eins verläuft sich, Hirte sucht und findet es, großes Fest Gott = Hirte, wir = Schafe Jesus strenge [enge ]Verbindung, kann von Gott erzählen

Jesus besonderer Mensch, weil er den Menschen helfen konnte, eher Gott, weil enge Verbindung + Gott hat ihm immer geholfen

Geburt Jesu Engel kommt zu Maria – du bekommst ein Kind, soll Jesus heißen Nach Bethlehem – Jesus im Stall geboren Hirten kommen – Engel sagt es ihnen Sterndeuter – großer Stern – Gold Jesus kommt auf die Welt, weil er den Leuten helfen soll Sohn von Josef – Mann von Maria Sohn von Gott – ‚strenge’ Verbindung

Wunder Jesu viele Leute in der Wüste, Jesus erzählt, abends Hunger, Jünger haben fünf Brote, zwei Fische, hat trotzdem für alle gereicht, Jünger bedienen Gruppen, Gott hat immer neues hingelegt oder so Sturm – Jesus hat geschlafen, wurde aufgeweckt, hat zu Wellen und Wind gesagt ‚Seid still’, dann war es still Schlaf – redet mit Gott im Traum , Gott sagt, er hilft ihm Keine Angst, wusste, dass alles gut wird Gott hört es, macht Wind wieder ruhig

Heilungen Bartimäus: Jesus in der Stadt, blinder Bartimäus am Wegrand, ruft ihn immer lauter, Jünger sagen: ‚Sei still’, Jesus sagt, ‚lasst ihn vorbei. kann ihn heilen’, Jesus heilt ihn Gelähmter: Freunde wollen Kranken zu Jesus bringen, will nicht, Menschenschlange, Dach kaputt gemacht, runtergelassen, Jesus heilt ihn, andere staunen Jesus hat strenge [enge] Verbindung zu Gott, kürzer als bei anderen Menschen, Jesus macht es auf der Erde Gott hilft ihm

Jonas – Individuelle Entwicklung

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8.3.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.3.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung Vor Schuleintritt Jesus als Sohn Gottes

Jesus als König/ Heiland Jesus als Heiler

– Jesus als Sohn von Josef

Nach zwei Jahren Religionsunterricht – Beides, Sohn von Gott, weil ›strenge‹ (enge) Verbindung zwischen beiden Sohn von Josef, weil dieser der Mann von Maria ist

– Jesus kann heilen, weil er eine ›strenge‹ Verbindung zu Gott hat (Verbindung ist kürzer als bei anderen – im Sinne von enger) – Jesus macht es auf der Erde, aber Gott hilft ihm Jesus und die – Jesus kommt auf die Menschen Welt, weil er den Leuten helfen soll – Freunde begleiten ihn, weil er ihnen geholfen hat und weil er sie geheilt hat Jesus als – Jesus hat mehr – Gott legt immer wieWundertäter dabei, legt der neues Essen hin immer noch oder so was hin – Gott hilft Jesus – Gott hört es [was Jesus – Jesus als Zauberer, Sturm sagt?] und macht es still wieder ruhig

Entwicklung – Religiöser Begriff ›Sohn Gottes wurde neu in Vorstellung aufgenommen und kann in eigenen Worten erklärt werden – Erstes Denken in Paradoxien (Sohn Gottes und Sohn Josefs)

– Gottesbeziehung als Erklärung für heilendes Handeln Jesu aktiviert – Teamwork, Jesus benötigt Gottes Hilfe

– Auftrag Jesu im Kontext – Begründung der Nachfolge im Kontext von biblischem Wissen – Vorschulisch alltagsnahe Vorstellung, (Jesus hat Vorräte dabei), aber auch märchenhafte Züge (Jesus als Zauberer), später z. T. weiterhin realistisch (es muss neues Essen geben), z. T. Wundervorstellung in Bezug auf besondere Beziehung Jesu zu Gott – Gott handelt

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Jonas – Individuelle Entwicklung

Fortsetzung Vor Schuleintritt Jesu Kreuzigung

Nach zwei Jahren Religionsunterricht

– Blinder will Jesus angreifen, ans Kreuz nageln – Römer holen Jesus rauf und wollen ihn ans Kreuz nageln – Römer nehmen Jesus im Boot mit – Von Freunden an Römer verraten

Jesu – Irgendwie ab- – Auferstehung gehauen – kein Wiedersehen mit den Men- – schen

Jesus als besonderer Mensch

– Jesus als Christkind, bringt an Weihnachten Geschenke – Eher Mensch

– –

Entwicklung

– Historischer Kontext (Römer) spielt in der Vorstellung vor Schuleintritt eine wichtige Rolle – viele Bilder, die er offensichtlich nicht mit den biblischen Erzählungen verknüpft, werden in diesem Kontext interpretiert – Diese biblisch betrachtet – falschen – Verknüpfungen verschwinden im Lauf der zwei Jahre. Vermutung: Biblisches Wissen macht Spekulationen in dieser Hinsicht unnötig – Wissen um Beteiligung der Römer bleibt bestehen, s. Landkarte Gott gibt Jesus die – Vor Schuleintritt Kraft, wieder aufzunoch keine konkrete erstehen, hilft ihm. Vorstellung einer Gott hat Jesus wieder Auferstehung Jesu auferweckt – Nach zwei Jahren übernommener religiöser Sprachgebrauch (auferstehen/ auferweckt), z. T. Analogie zu anderen Erzählungen (Gott gibt Kraft, hilft ihm), z. T. Gott als einzig aktiv Handelnder Besonderer Mensch, – Vor Schuleintritt weil er den Menschen noch Verwechslung helfen konnte Jesus – WeihnachtsEher wie Gott, weil er figur Christkind die enge Verbindung – Vorstellung von Jesus als Mensch wird weizu Gott hat und weil terentwickelt zu Jesus Gott ihm immer geholfen hat als besonderer Mensch – Begrün-

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung Vor Schuleintritt

Jesu Beziehung zu Gott

Nach zwei Jahren Religionsunterricht

– Jesus hat eine ›strenge‹ Verbindung zu Gott (erklärt dies: Verbindung ist kürzer als bei anderen Menschen, auf Nachfrage: engere Beziehung) – Kann deshalb gut von Gott erzählen – Erkennt Gleichnischarakter(Gott als Hirte, wir die Schafe) – Jesus redet im Schlaf – konkretisiert: im Traum – mit Gott (während des Sturms) – Jesus hat keine Angst im Sturm, weiß, dass alles wieder gut wird, Gott sagt ihm dies im Traum – Gott gibt Jesus die Kraft, wieder aufzuerstehen, hilft ihm. – Gott hat Jesus wieder auferweckt

Entwicklung





– –

dung mit biblischem Wissen (Jesus hilft) sowie Jesus eher als Gott – Begründung mit enger Beziehung zw. Gott – Jesus Entwickelte Vorstellung einer engen Verbindung zwischen Jesus und Gott sehr stark ausgeprägt, wird häufig als Begründung eingeführt, zunächst eigenwilliger Sprachgebrauch (streng statt eng), der durch Nachfrage geklärt und geändert übernommen wird Enge Verbindung als Begründung für Jesu gutes Erzählen von Gott – Gleichnischarakter erkannt Kommunikation zwischen Gott und Jesus im Schlaf/ Traum Paradoxie zwischen Jesus bekommt Kraft wieder aufzuerstehen und Gott hat Jesus wieder auferweckt noch nicht erkannt – steht unverbunden nebeneinander

Linnea – Individuelle Entwicklung

8.4

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Linnea – Individuelle Entwicklung

8.4.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen 8.4.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten1020 Laut Angabe der Eltern besuchte Linnea weder Kleinkindergottesdienste noch die Kinderkirche. Sie war auch noch nicht in Erwachsenengottesdiensten. Zuhause steht ihr mindestens eine Kinderbibel zur Verfügung – eine genauere Angabe fehlt. Selten wird ihr daraus vorgelesen oder erzählt. An einigen biblischen Geschichten (Noah, Jona) zeigt sie besonderes Interesse. Sie macht sich Gedanken und stellt Fragen zu ›Sterben und Tod‹. Linnea besucht keinen kirchlichen Kindergarten. Es gibt jedoch eine Weihnachtsfeier mit Bezügen zur Weihnachtsgeschichte sowie einen Weihnachtsweg und gemeinsames Singen. Ostern wird nicht religiös geprägt erzählt – Beschränkung auf Suchen und Finden (Ostergärtchen). Geschichten von Jesus werden nicht erzählt. Es gibt keine Kinderbibeln und keine biblischen Geschichten, auch keinen Kirchenbesuch. Es werden eher Gelegenheiten zum Philosophieren als zum Theologisieren eröffnet.

8.4.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Linnea kann vor Schuleintritt weder klar einem rudimentären noch einem mittleren Wissensstand zugeordnet werden. Sie liegt irgendwo dazwischen. Sie nennt die Protagonisten im Blick auf die Erzählung von Jesu Geburt (Ausnahme: Engel) und kann den Heiligen Drei Königen sowohl den Stern als auch mitgebrachtes Gold zuordnen.Jesus bezeichnet sie erstaunlicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt als Sohn von Josef und Gott, obwohl die Frage der Interviewerin ein entweder-oder nahelegt. Sie kann diesen Gedanken jedoch noch nicht erklären. Die Heilungsgeschichten von Bartimäus und dem Gelähmten kann Linnea vor Schuleintritt noch nicht erzählen, sie mutmaßt, dass beide mit einer Heilung enden und kann dies auf Nachfrage erklären. Ihrer Vorstellung nach bittet Jesus Gott darum und dann macht Gott die Kranken gesund. Spontan kann Linnea eine knappe Version der Speisung der 5000 erzählen. Hier äußert sie eine zur Heilung analoge Theorie, nämlich dass Jesus Gott um Essen bittet und Gott 1020 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im Elternfragebogen sowie im Fragebogen für Erzieher/innen erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.1 und 11.1.2.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

dann für genügend Essen sorgt. Die Sturmstillung kann sie noch nicht erzählen, sie geht jedoch davon aus, dass Jesus im Sturm schlafen kann, weil Gott ihn beschützt. Sie vermutet, dass Jesus seinen Leuten helfen kann, damit kein Sturm mehr ist. Ihrer Ansicht nach hört der Sturm auf, weil Jesus wertvoll ist. Dieses Wertvollsein erklärt sie sich einerseits mit Jesu Gottessohnschaft andererseits damit, dass er viele Leute rettet. Zu den Themenfeldern Jesus und die Kinder, beziehungsweise Jesus und die Jünger kann sie noch nichts sagen. Die Passion Jesu kennt Linnea schon relativ gut. Sie erkennt den betenden Jesus, weiß dass dieser ans Kreuz gehängt wurde und stirbt, dass das Kreuz als eines von dreien auf einem Berg stand sowie dass Jesus anschließend vom Kreuz heruntergeholt wurde. Die drei Kreuze auf dem Berg malt sie spontan als Bild von Jesus im Vorfeld des Interviews. Als Begründung für die Kreuzigung Jesu gibt sie an, dass irgendein König oder so ihn nicht mag. Vergleicht man ihr Wissen über die Passion mit demjenigen zu Auferstehungsgeschichten stellt man überraschenderweise fest, dass die Geschichte Jesu für Linnea mit seinem Tod endet. Sie bestätigt mehrfach, dass Jesus immer noch tot ist, mutmaßt, dass sein Geist die Grabhöhle verlässt und der tote Jesus in den Himmel steigt.Sie identifiziert eine Freundin Jesu auf dem Bild zur Auferstehung, die sich ihrer Meinung nach deswegen freut, weil sie denkt, dass Jesus nicht mehr tot ist. Abschließend nennt sie Jesus einen besonderen Menschen und erklärt seine Besonderheit mit seiner Gottessohnschaft, die sie damit wiederholt nennt. Sie sieht Jesus eher als Gott denn als Mensch was in gewissem Widerspruch dazu steht, dass Jesus ihrer Vorstellung nach Gott immer wieder um dessen Handeln bitten muss (Heilung, Wunder), nicht selbst handeln kann. Zusammenfassend ergibt sich für Linnea das Bild eines Kindes, das trotz niedrigem bis mittlerem Wissensstand bereits zu diesem frühen Zeitpunkt über zahlreiche eigene theologische Vorstellungen verfügt.

Jesus betet auf Berg/ drei Kreuze ans Kreuz gehangen – stirbt weil irgend ein König ihn nicht mag vom Kreuz runtergeholt

Passion Jesu

jetzt noch tot (mehrfach bestätigt) steigt in den Himmel Figur auf Bild – evt. Geist Jesu Freundin freut sich, denkt, er wär nicht tot

Auferstehung Jesu

Jesus und Jünger

Jesus und Kinder

Jesus besonders Sohn von Gott eher wie Gott

Maria/Josef/ Jesus in Krippe Hirten Hl. 3 Könige – Stern/ Gold Sohn von Josef und Gott

Geburt Jesu

Wunder Jesu Speisung 5000 arme Leute/ nix zu essen/ Jesus gibt Menschen Essen (spontan) Jesus hat Gott um Essen gebeten/ dann gab’s Essen Sturmstillung Jesus keine Angst, Gott beschützt ihn hilft seinen Leuten, dass kein Sturm mehr ist Sturm tut, was Jesus sagt, weil Jesus wertvoll ist, da Jesus viele Leute rettet + Sohn von Gott ist

Heilungen Jesu Bartimäus Ende: Dass er wieder sieht Gelähmter Ende: Dass er wieder gesund wird Jesus bittet Gott darum, dann wird er gesund Gott macht es

Linnea – Individuelle Entwicklung

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8.4.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.4.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen 8.4.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen Äußerung eigener (auch ungewohnter) Vorstellungen über Jesus Linnea gelingt es immer wieder, eigene Vorstellungen über Jesus Christus zu formulieren. Sie hat den Mut, auch neue – für andere Schülerinnen und Schüler noch ungewohnte – Vorstellungen einzubringen. Diesbezüglich kann man sie sogar zu den Protagonistinnen zählen. Sie profitiert davon zum einen selbst, weil sie durch Nachfragen der Lehrkraft bzw. durch das Mitdenken anderer Kinder in ihren eigenen Konstruktionsprozessen gefestigter wird.1021 Besonders profitieren aber auch andere Schülerinnen und Schüler, deren eigene Denkprozesse durch Linneas Aussagen angeregt werden. L: Ist denn der Jesus das Kind von Josef oder ist der Jesus der Sohn von Gott? Wenn man sagen möchte, Jesus ist das Kind von Josef, setzt man sich auf diesen Stuhl. Wenn man sagen will, Jesus ist der Sohn von Gott, setzt man sich auf diesen Stuhl. Linnea: Und wenn man beides sagen will? [Jesus ist Gottes und Josefs Sohn] L: […] Dann holen wir einen dritten Stuhl und stellen noch einen dritten Stuhl hin. Linnea: Okay.1022

Hier schlägt Linnea eine neue Option vor. Die Auswahlmöglichkeit Jesus ist Josefs Sohn oder er ist Gottes Sohn scheint ihr nicht ausreichend. Überraschenderweise positioniert sie sich im weiteren Gesprächsverlauf dann zunächst doch einseitig und argumentiert Linnea: Ich finde, weil der Engel gesagt hat, dass es der Sohn von Gott wird1023 (sitzt auf Stuhl Gottes Sohn, obwohl vorher beides vorgeschlagen)

Noch später argumentiert sie für Josef als Vater Jesu. Das zeigt, dass sie tatsächlich sowohl Josefs als auch Gottes Vaterschaft argumentativ vertreten kann. Allerdings überfordert es sie selbst noch, beides auf einmal zu sagen. Linnea: Weil der Josef war ja bei der Geburt dabei und deswegen ist er auch der Vater. L: Also, dann denkst du beide? Linnea: Ja L: Genau. Du hast das ja vorher auch vorgeschlagen. Du denkst, weil er [Josef] dabei war, ist er auch der Vater. Und warum ist er deiner Meinung nach auch der Sohn von Gott? Sag’s noch mal. Linnea: Weil der Engel des gesagt hat.1024 1021 1022 1023 1024

Vgl. dazu ein besonders deutliches Gesprächsbeispiel, das bei Jonas aufgeführt ist. Vgl. Gesprächsprotokoll »Jesus als Kind Josefs oder Sohn Gottes« in Kapitel 7.1.2.1. Vgl. ebd. Vgl. ebd.

Linnea – Individuelle Entwicklung

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In einem anderen Gespräch greift Linnea ihre Vorstellung noch einmal auf, dieses Mal nicht überlegend, sondern sehr bestimmt. L: Sagt uns diese Geschichte irgendetwas darüber ob Jesus jetzt der Sohn von Gott oder der Sohn von Josef ist? Linnea: Ich sag von beiden. […] Linnea: Ich glaub beide hab ich doch gesagt. L: Ja, erklär’s mal. Linnea: Weil Gott gemacht hat, dass Maria ein Kind bekommt und weil…1025

Ko-konstruktive Prozesse Linnea regt durch ihre häufig ungewohnten – fortschrittlichen – Gedanken andere Schülerinnen und Schüler in deren oder in gemeinsamen Konstruktionsprozessen an. Sie zeigt aber auch, dass sie sich von Ideen anderer Kinder zu gemeinsamen Ko-Konstruktionsprozessen initiieren lässt. Ein gutes Beispiel dafür bietet das Gespräch zur Dilemmageschichte »Sturmstillung«. Relativ zügig bringt sich Linnea mit einer Lösungsmöglichkeit ein. Linnea: Dass Gott die dann rettet. L: Mhm. Gott oder Jesus? (L. fragt nach, weil im Vorfeld eine Gott-Jesus-Verwechslung) Linnea: Jesus L: […] Erklär mal, wie du’s meinst. Linnea: Weil, dass Gott Jesus dann auch ein bisschen hilft, die zu retten.1026

Etwas später bringt sie sich mit einer zweiten Idee ein Linnea: Dass Jesus dann mit nem anderen Boot raus fährt und die rettet.1027

Auf eine neue Frage der L. ›Wieso hilft denn Gott dem Jesus‹ bietet sie wieder eine Lösungsmöglichkeit, die gleich von einem weiteren Kind aufgegriffen wird. L: Wieso hilft denn Gott dem Jesus? Linnea: Weil Gott auch heilig ist und Jesus auch. L: Mhm. Vic: Jesus und Gott sind heilig.1028

Im Gespräch zur Dilemmageschichte bringt ein anderes Kind einen für diese Altersstufe doch eher überraschenden Gedanken im Blick auf die Vater-SohnBeziehung ein. Mit diesem kann die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler ›noch‹ nichts anfangen. Linnea lässt sich jedoch auf ihn ein und führt ihn zusammen mit einer Minderheit von Mitschüler/innen weiter. 1025 1026 1027 1028

Vgl. Gesprächsprotokoll b) »Herodes« in Kapitel 7.1.5.1. Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in Kapitel 7.2.1. Vgl. ebd. Vgl. ebd.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Linnea: Weil er vielleicht so irgendwie in Jesus drinne is? (2 – 3 Kinder kichern verhalten. Können mit dem Gedanken wohl nichts anfangen) Vic: Das ist überhaupt nicht lustig. L: Erklär mal. Das ist ein interessanter Gedanke. Linnea: Dass Jesus, dass er’s hört, wenn Gott hört’s, wenn Jesus was spricht. L: Du meinst, die gehören so eng zusammen, dass Gott immer schon hört, wenn Jesus was sagt? Linnea: Ja. L: Ein interessanter Gedanke. […] Linnea: Dass Jesus sagt, also was da grade los ist. Und Gott…. […] Linnea: Dass Jesus also, dass Jesus zum Beispiel die Wolken wegschieben soll. L: Mhm. Wer soll die Wolken wegschieben? Linnea: Mhm. Gott.1029

Ein weiteres Beispiel bietet die Gesprächssequenz zur Frage nach der Königsschaft Jesu. Zuvor entspinnt sich ein Gespräch darüber, ob Jesus neben den Sterndeutern/Königen ebenfalls ein König ist, ob er eventuell der fehlende dritte König ist, oder der Vierte – falls man Herodes dazurechnet oder der Fünfte, berücksichtigt man Kaiser Augustus. Linnea: Jesus ist der sechste [König], weil es gibt auch noch Gott.1030

Linnea spinnt hier einen Faden weiter, den mehrere andere Kinder bereits angelegt und jeweils um eine Idee erweitert haben. Sie zeigt, dass sie sowohl Gott als auch Jesus als König sieht. Einbringen von Vorwissen Linnea bringt auch Wissensbestandteile ins Gespräch mit ein. Hier fällt sie jedoch nicht durch besondere Häufigkeit auf. Sie ist diesbezüglich nicht als Protagonistin zu sehen wie im Hinblick auf das Einbringen eigener Vorstellungen von Gott. Linnea: Als er ans Kreuz genagelt wurde, ham die den auch so in nen Grab gelegt und so nen Stein davor gehäuft und am nächsten Tag war der Stein zur Seite gerollt. L: […] Und wie ging’s dann weiter. Was weißt du? Linnea: Dass, da ham se zusammen gegessen und auf einmal hat’s der eine gesagt.

1029 Vgl. ebd. 1030 Vgl. Gesprächsprotokoll »Jesus als König« in Kapitel 7.1.4.1

Linnea – Individuelle Entwicklung

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8.4.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« Zu Beginn der Jesus-Einheit in Klasse 1 und Klasse 2 wählt Linnea Bilder aus ihr bekannten Jesuserzählungen aus und gestaltet damit anschauliche Wissenslandkarten, die der Lehrkraft Rückschlüsse auf ihren jeweiligen Vorwissensstand ermöglicht und ihr selbst ihren eigenen Lernfortschritt visualisiert. Leider können die Landkarten aus Urheberrechtsgründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Stattdessen folgt eine tabellarische Übersicht mit Anmerkungen. Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Kindersegnung – Verlorenes Schaf – Großer Fischfang – Heilung Bartimäus – Sturmstillung – Einzug in Jerusalem – Letztes Abendmahl – Jesus in Gethsemane – Kreuzigung Jesu – Auferstehung Jesu Zu Linnea liegt keine Wissenslandkarte Linnea gibt in der zweiten Klasse an, alle aus der ersten Klasse vor, da sie diese mit Geschichten von Jesus zu kennen. nach Hause genommen hatte und nicht Allerdings umrandet sie vier Geschichten mehr wiederbrachte. nicht mit roter Farbe, ordnet sie also nicht dem Religionsunterricht zu. Es sind dies die Sturmstillung, die Heilung des Gelähmten, die Speisung der 5000 und die Sterndeuter – also alle Erzählungen, die tatsächlich in der ersten Klasse nicht thematisiert wurden. Die anderen verbindet sie offensichtlich mit dem Religionsunterricht.

Fähigkeit, eigene Vorstellungen über Jesus auszudrücken: Linnea gehört offensichtlich zu den Kindern, denen es leicht fällt eigene Vorstellungen über Jesus zu entwickeln und zu äußern. Die von ihr genannten Aussagen passen gut zusammen. Man kann das jeweils eine als Ursache bzw. als Folge des anderen betrachten. Ihre Bereitschaft, eigene Vorstellungen zu entwickeln zeigt sie häufig. Sie benötigt dazu nicht zwangsläufig den Rückgriff auf einzelne biblische Erzäh-

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Linnea lässt die Lehrperson schreiben: ›Jesus ist ein guter Mensch.‹ ›Er hilft allen Menschen.‹

lungen, was bei ihr auch schon im Vorschulinterview festgestellt werden konnte. Ein Beispiel aus dem Unterricht ist ihre Begründung für Jesus als größtes Weihnachtsgeschenk1031: Jesus ist das allergrößte Geschenk an Weihnachten: Jesus hat so viel Gutes getan deswegen ist er das größte Geschenk. Gott hat uns dieses Geschenk gebracht.

Ein weiteres Beispiel ist ihre Bearbeitung des Vergleiches Herodes – König Jesus.1032 So ist Herodes: Nicht hilfsbereit. Denkt nur an sich. Will allein König sein. So ist Jesus: Hilfsbereit. Denkt an andere. Hilft viel. Ist ziemlich nett.

Jesus als Heiler In Bezug auf die Heilung des Bartimäus formuliert Linnea:1033 Blinder Bartimäus: Jesus hab Mitleid mit mir. Sehender Bartimäus: Vielen Dank Jesus (Lehrperson unterstützt den Schreibprozess)

Linnea gibt folgenden Grund für Jesus Fähigkeit, zu heilen an: Weil Gott ihm hilft.

Das ist insofern erstaunlich, als dies so nicht direkt thematisiert wurde. Es handelt sich offensichtlich um eine Eigenkonstruktion von Linnea.

1031 Vgl. Kapitel 7.1.3.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis eines theologischen Gesprächs. 1032 Vgl. Kapitel 7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse auf der Basis theologischer Gespräche. 1033 Das Arbeitsblatt konnte nicht abgedruckt werden, da die Abdruckgenehmigung nicht vorliegt.

Linnea – Individuelle Entwicklung

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König Herodes und König Jesus im Vergleich

Jesus als Wundertäter – Sturmstillung Die erzählte Dilemmageschichte und das theologische Gespräch setzt Linnea folgendermaßen fort:1034

Linneas Idee vom Fortgang der Dilemmageschichte 1034 Vgl. Kapitel 7.2.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis des theologischen Gesprächs.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Es ist schwierig ihre Darstellung zu deuten. Man sieht Regen und einen Blitz, die jedoch das Boot nicht treffen. Das Boot ist geschützt von einer Gestalt in Form einer Wolke. Linnea schreibt leider nur : ›Jesus sagt‹ Es lässt sich nicht klären, ob Jesus als Handelnder gedacht ist im Sinne von ›Jesus sagt zum Sturm: Sei still!‹ oder ob Jesu Sprechen Gott als Handelnden auf den Plan rufen soll im Sinne von ›Jesus sagt zu Gott: Stille den Sturm.‹ Das Bild gibt insofern kaum Aufschluss über die Konstruktionsleistung von Linnea. Linnea denkt in Bezug auf die Sturmstillung in der zweiten Klasse Folgendes über Jesus:1035 Die Jünger haben Angst. Jesus schläft mitten im Sturm. Wieso hat er keine Angst? Weil Gott mit Jesus im Traum spricht. Die Jünger wecken Jesus. Was denkst du, warum? Wie kann Jesus seinen Freunden helfen? Wer ist Jesus? Sagt diese Geschichte etwas über Gott? -

Leider ist auch an dieser Stelle das Arbeitsblatt von Linnea unvollständig. Mehr über ihr Denken zur Sturmstillung als die Vorstellung, dass Jesus keine Angst hat, weil Gott im Traum mit ihm spricht, erfährt man nicht. Zusammenfassende Betrachtung der Portfolioarbeit von Linnea1036 Linneas Portfolio ist alles andere als vollständig. Immer wieder fehlen Seiten, gerade auch solche, in denen es um Arbeitsaufgaben geht, die weiterführende Vorstellungen betreffen. Es ist insofern nicht einfach anhand ihres Portfolios Rückschlüsse auf ihr Wissen und ihre Vorstellungen zu ziehen. Verglichen mit ihrer regen Beteiligung an theologischen Gesprächen und den zahlreichen weiterführenden Vorstellungen über Jesus Christus, die sie in diese Gespräche einbringt und die auch in ihren Interviews deutlich zu erkennen sind, scheint sie in ihrem Portfolio deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückzubleiben. Insofern ist Linnea ein gutes Beispiel dafür, dass eine einseitige Sicht auf ein Kind (nur Portfolio oder nur Gespräche) zu einem einseitigen Bild führen kann, dass der Gesamtentwicklung nicht gerecht wird.

1035 Das Arbeitsblatt konnte nicht abgedruckt werden, da die Abdruckgenehmigung nicht vorliegt. 1036 An dieser Stelle wird das gesamte Portfolio von Linnea in den Blick genommen, das leider nicht vollständig abgedruckt werden kann. Das Gesamtbild ihrer Entwicklung soll so noch etwas erweitert werden.

Linnea – Individuelle Entwicklung

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8.4.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen 8.4.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts1037 Linnea ging in den vergangenen zwei Jahren seit dem Vorschulfragebogen weder in die Kinderkirche noch in die Jungschar. Zuhause stehen ihr drei verschiedene Kinderbibeln zur Verfügung. Selten wird ihr daraus vorgelesen oder liest sie selbst darin. Eine Vorliebe für bestimmte Themen des Religionsunterrichts konnten die Eltern nicht feststellen, merken jedoch an, dass Linnea den RU meistens toll fand. Linnea zeigt Interesse an ihrem Portfolio. Sie äußert von sich aus immer wieder Fragen zum Thema Tod oder stellt Überlegungen dazu an.

8.4.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Linnea gibt an, ihre Kenntnisse sowohl aus der Bibel als auch aus dem Religionsunterricht zu bekommen. Sie kennt die Weihnachtsgeschichte und kann sie detailliert sowie flüssig wiedergeben, inklusive der Perikope um König Herodes. Nachdem sie bereits richtig von den Hirten und der Engelbotschaft berichtet hat, verwechselt sie kurzzeitig die Hirten mit den Sterndeutern, denkt, diese seien dem Stern gefolgt. Durch Nachfragen zeigt sich, dass sie aber doch zwischen Hirten und Sterndeutern differenzieren und beiden den jeweils richtigen Erzählkontext zuordnen kann. Sie zeigt sich sehr aufgeschlossen, eigene Theorien zu bilden, was ihren Beiträgen zu Unterrichtsgesprächen entspricht. Sie geht davon aus, dass die Sterndeuter aufgrund der besonderen Helligkeit des Sterns davon ausgingen, ein neuer König sei geboren. Sie denkt auch, dass Jesus wirklich ein neuer König ist, weil er Gottes Sohn ist. Auf Nachfrage gibt sie an, dass Jesus ihrer Meinung nach sowohl Gottes Sohn als auch der Sohn von Josef ist. Josefs, weil dieser mit Maria verheiratet ist und Maria ihn auf die Welt gebracht hat. Gottes, weil er besonders ist und Gott den Menschen hilft. Sie zeigt sich an dieser Stelle in der Lage, paradox zu denken. Die Heilung des Bartimäus sowie die Heilung des Gelähmten kann Linnea 1037 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im zweiten Elternfragebogen Ende des zweiten Schuljahres erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.3.

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auch folgerichtig und flüssig erzählen. Sie erinnert nahezu alle relevanten Einzelheiten. Zudem kennt sie die Heilung der Maria. Sie geht davon aus, dass Gott Jesus beim Heilen hilft, präzisiert dies folgendermaßen: ›Dass er dann in Gedanken mit Gott spricht und ihn darum bittet, ihm zu helfen, die Leute wieder gesund zu machen.‹

Auf eine provokante Nachfrage hin, bestätigt sie ihre Theorie noch einmal und zeigt dadurch deren Beständigkeit. ›Gott gibt Jesus die Kraft, des zu machen.‹

Sie erinnert auch die Kindersegnung und erzählt sie knapp, aber folgerichtig. Eine kurze Verwechslung Soldaten / Jünger korrigiert sie im Erzählfluss selbst. Analog zum Heilen geht sie davon aus, dass Gott Jesus die Kraft zum Segnen gibt. Ob es sich hierbei um eine sicher aufgebaute Theorie handelt oder ob sie spontan analog zu ihrer Theorie der Heilfähigkeit Jesu gebildet wird, lässt sich nicht sicher sagen. Streicheln ist für sie eine Segensgeste. Sie geht davon aus, dass Männer und Frauen Jesus begleiten, weil sie erstens sehen wollen, wie er Wunder tut und weil sie zweitens seine Freunde waren und auf ihn aufpassen wollten. Ersteres zeigt einen Rekurs auf biblisches Wissen über Wunder, zweites scheint eine Analogie zu Linneas eigenem Freundschaftsbegriff zu sein. Linnea erinnert die Erzählung von der Speisung der Fünftausend gern, nennt diese Geschichte ihre Lieblingsgeschichte. Sie erzählt sie folgerichtig und flüssig. Wieder geht sie davon aus, dass Gott Jesus die Kraft zur Essensvermehrung gegeben hat. Sie weiß genau, dass die Realität anders aussieht, weiß um Ganzes und die Hälfte, erkennt hier jedoch noch keinen Widerspruch, keine Paradoxie, anders als bei der Frage nach der Gottessohnschaft. Die Sturmstillung erinnert sie ebenfalls und schildert sie knapp, aber präzise. Hier fällt auf, dass es Linnea gelingt, alles Wesentliche sehr kompakt wiederzugeben. Sie verpackt sogar noch ihre Theorie hinein. An dieser Stelle soll sie kurz zitiert werden ›Da wollte Jesus ne Fahrt mit dem Boot machen und dann sind se innen Sturm gekommen und dann ähm sind die Wellen halt übers Boot geschwappt und die Jünger ham gesagt, wie kann Jesus jetzt schlafen und ham den aufgeweckt und dann hat Jesus gesagt ›Habt keine Angst‹ äh, die Wellen tun euch nichts und dann hat er zu Gott gesprochen oder zu den Wellen, dass die Wellen, dass der Sturm aufhören soll.‹

Auf Nachfrage präzisiert sie, dass Jesus mit Gott, nicht mit den Wellen, kommuniziert und dass Gott der Handelnde ist, der zu den Wellen ›spricht‹. Das bestätigt sie an anderer Stelle in anderen Worten noch einmal. Sie ist sich der besonderen Beziehung Jesus zu Gott bewusst, geht davon aus, dass Jesus auf

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besondere Weise zu Gott sprechen kann und dass Gott für Jesus handelt. Jesu Schlaf interpretiert sie ebenso als ein Sprechen mit Gott. Sie ist davon überzeugt, dass Jesus selbst keine Angst hat, weil er gewiss ist, dass Gott ihn beschützt. Interessanterweise zeigt sie schon jetzt einen Realitätssinn. Sie formuliert ›Weil er’s [Jesus] zuerst Gott sagt und Gott kann die Wellen ähm ruhiger dingsn‹. Dass Gott zu den Wellen spricht scheint ihr möglicherweise seltsam, dass Gott die Wellen beruhigen kann jedoch möglich. Sie bestätigt die angebotene Wortwahl der Interviewerin. Linnea erinnert auch das Gleichnis vom Verlorenen Schaf und erzählt es kurz, aber folgerichtig. Sie hat bereits den Gleichnischarakter erfasst. I: Wer ist denn der Hirte, von dem Jesus erzählt? Linnea: Des könnte Gott sein und die Schafe die Menschen.

Sie hat auch eine Begründung für Jesu Rede von Gott. Die Menschen sollen erstens an Gott glauben und zweitens wissen, dass Gott sie beschützt. Die Passionsgeschichte erinnert Linnea ausgesprochen ausführlich. Auch verknüpft sie Jesu Einzug in Jerusalem mit dem kirchlichen Palmsonntag. Sie nennt diverse Einzelheiten (Auftrag an Jünger, Esel zu holen, Fest in Jerusalem….) Wieder zeigt sich ihre Bereitschaft, ihr Wissen über Begebenheiten im Leben Jesu mit ihren Theorien zu verknüpfen, die sie in eigenen Worten beschreibt. Bereitwillig erzählt sie, dass die Menschen dachten Jesus sei ein König und dass er mit dem, was er kann, nicht angeben will. Auch verknüpft sie ihr Wissen über das letzte Abendmahl mit ihren Vorstellungen darüber, was Jesus gesagt hat. Sie beschreibt die Handlung im Garten Gethsemane sehr detailliert (z. B. das mehrmalige Einschlafen der Jünger) – auch die Vorgeschichte des Verrates. Einzige kleine Verwechslung ist, dass sie erzählt, die Soldaten hätten die Jünger festgenommen, aber das ist wohl nur ein Versprecher, da sie den Satz grammatikalisch in der Einzahl weiterführt. Sie weiß sehr gut Bescheid über Pilatus, obwohl sie seinen Namen nicht nennt, aber sie kennt viele Details seiner Handlungen. Des Weiteren kennt sie Einzelheiten wie (Kreuz tragen, Dornenkrone). Spontan erzählt sie auch knapp die Grablegung. Die Auferstehungserzählung fügt sie ohne Aufforderung nahtlos an. Für sie stellen Passions- und Auferstehungsgeschichte demnach eine Einheit dar. Sie mischt zwei Auferstehungsgeschichten in ihrer Erinnerung zu einer Einheit, beginnt mit den traurigen Frauen, die das leere Grab entdecken und springt dann in die Erzählung mit Maria, die Jesus für den Gärtner hält, ihn jedoch an seiner Stimme erkennt und Jesu Auferstehung den anderen weitererzählt, die ihr zunächst nicht glauben. Auf Nachfrage fügt sie die Engelbotschaft an. Ihre Theorie zur Auferstehung Jesu umfasst folgende Aspekte. Zum einen geht sie davon aus, dass Jesus bereits im Garten Gethsemane zu Gott betet, dass er ihn – vielleicht – wieder auferstehen [lässt]. Sie geht ganz sicher davon aus,

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

dass Gott Jesus wieder auferweckt hat. Aus ihrem Wissen darüber, dass der Auferstandene nicht angefasst werden darf schlussfolgert sie, dass der Auferstandene, wenn er denn angefasst wird zu Gott auffährt, was ihrer Ansicht nach auch so geschehen ist. Weil einer ihn angefasst hat, ist Jesus zu Gott aufgefahren. Für Linnea war Jesus ein besonderer Mensch, vor allem deswegen, weil er die Menschen alle heilen konnte. Vor die Entscheidung gestellt, ob er wohl eher wie ein Mensch oder wie Gott ist, antwortet sie analog zu ihren Überlegungen bezüglich der Gottessohnschaft – Sohnschaft Josefs. Sie stellt sich vor, dass Jesus zur Hälfte wie Gott war, weil er Kraft wie Gott hatte, zur Hälfte jedoch ein Mensch wie wir.

Passion Jesu Palmsonntag: nach Jerusalem gekommen, Jünger sollen Esel holen, eingeritten, Palmwedel/ Kleider, zu einem Fest gegangen Menschen denken, er ist ein König, Esel – will nicht angeben mit Sachen, die er kann Essen, Trinken, Jesus verteilt Brot ‚Brot ist mein Fleisch’, glaubt an Gott, auch wenn ich nicht mehr da bin, ‚Wein ist mein Blut’, betet zu Gott, auch wenn ich nicht mehr da bin Einer geht weg, verrät Jesus Garten, zu Gott gebetet dass er wieder aufersteht Jünger sollen aufpassen, sind eingeschlafen, Soldaten festgenommen, zu Mensch, der entscheidet, ob einer stirbt, dieser denkt, Jesus hat nicht Schlimmes gemacht, Leute wollen, dass Jesus gekreuzigt wird, sagt ‚Jesus wird gekreuzigt’ Kreuz tragen, Dornenkrone, weil Leute dachten, dass König, angenagelt, gestorben, in Höhle, Stein

Auferstehung Jesu Frauen wollen einsalben, auf Weg geweint, wie soll Stein weg, Stein zur Seite gerollt, kein Leichnam Jesu, Maria geht hinein, denkt hinter ihr ist Gärtner, ‚Wo ist Leichnam, leg bitte wieder ins Grab’, will ihn einsalben, Gärtner spricht, Maria erkennt Stimme Jesu, geht zu anderen, sagt, dass Jesus auferstanden ist, die glauben’s ihr nicht, wollen ihn sehen, Jesus sagt, sie sollen ihn nicht anfassen, sonst fährt er zu Gott auf Einer hat ihn angefasst, zu Gott aufgefahren Gott hat ihn auferweckt

Jesus und Kinder wollen zu ihm, Jünger wollen nicht, Jesus sagt ‚Kinder sollen herkommen’, segnet sie, Jesus und Freunde Fischern geholfen wollen sehn wie Jesus Wunder tut, waren Freunde, passen auf ihn auf Jesus erzählt von Gott Hirte mit 100 Schafen, 1 Schaf verloren, sucht, findet es Hirte = Gott, Schafe = Menschen, Jesus erzählt, damit Menschen an Gott glauben, wissen, dass er sie beschützt

Jesus besonderer Mensch, weil er alle heilen konnte, Hälfte wie Gott, weil Kraft wie Gott, Hälfte ein Mensch wie wir

Geburt Jesu Maria und Josef in Bethlehem, im Stall Kind auf die Welt gebracht, Engel kommt zu Hirten ‚Habt keine Angst, Wunderbares passiert’ Hirten kommen zum Stall, neuer König auf der Welt, Sterndeuter- Stern – neuer König geboren – zu Herodes, ‚Wo ist der König?’ – weiß nichts – kommt zu mir zurück, wenn gefunden, Engel sagt, geht nicht zurück, Gold, Weihrauch, Myrrhe geschenkt, König, weil hellerer Stern, kann Menschen helfen, weil Jesus Gottes Sohn ist, Gottes Sohn, weil besonderes und Gott dem manchmal hilft, Josefs Sohn, weil Maria ihn auf die Welt gebracht hat, Josef = Marias Mann

Wunder Jesu Lieblingsgeschichte: tausende Leute, hungrig, nur fünf Brote und zwei Fische, Jünger sagen ‚Es reicht nicht’, Jesus sagt ‚Verteilt es’, hat allen gereicht, ist übrig Jesus hat Essen irgendwie vermehrt, Gott gibt Kraft dazu, kann in zwei teilen, dass es dabei gleich groß bleibt Sturm, Jünger sagen, wie kann Jesus schlafen, aufgeweckt, Jesus sagt ‚Habt keine Angst’ spricht zu Gott oder Wellen, dass Sturm aufhört Jesus spricht zu Gott, Gott zu Wellen. Schlaf – Jesus spricht mit Gott, keine Angst, weil Gott ihn beschützt

Heilungen Jesu Jesus in der Stadt – Blinder ruft ‚Jesus, hab Erbarmen mit mir und mach mich gesund’ Jünger sagen ’Lass ihn in Ruhe’, Jesus sagt ‚Komm her’, heilt ihn, heißt Bartimäus Gelähmter von Freunden getragen, alle Leute im Haus, aufs Dach, Wand eingeschlagen, runtergelassen, Jesus heilt ihn Maria auch geheilt Gott hilft ihm irgendwie – spricht in Gedanken mit Gott, bittet ihn um Hilfe, damit er Leute gesund machen kann – Gott gibt Jesus Kraft, es zu tun

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8.4.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.4.3.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung Vor Schuleintritt – Jesus ist der Sohn von Josef und Gott

Nach zwei Jahren Religionsunterricht Jesus als – Jesus ist beides: Sohn Gottes Gottes Sohn, weil er besonders ist und Gott den Menschen hilft und Josefs Sohn, weil Maria ihn auf die Welt gebracht hat und mit ihm verheiratet ist Jesus als – Stern war heller als König/ alle anderen Heiland – Kann Menschen helfen – Weil er Gottes Sohn ist – Jesus ist ein König, denken die Menschen als Jesus nach Jerusalem kommt – Jesus reitet auf einem Esel, weil er nicht damit angeben will, dass er ›solche‹ Sachen kann Jesus als – Jesus bittet – Gott hilft ihm irgendwie – Jesus Heiler Gott darum, spricht in GedanGott ken mit Gott und macht, bittet ihn, ihm zu dass helfen, die Leute Kranker wieder gesund zu gesund machen wird – Gott gibt Jesus die Kraft, es zu machen Jesus und die – Jesus segnet die Menschen Kinder – wie streicheln, Gott gibt Kraft dazu – Männer und Frauen gehen mit Jesus mit, weil er Wunder tut?

Entwicklung – Bereits vor Schuleintritt erste Ansätze von paradoxem Denken – Ausdifferenzierung im Zeitraum von zwei Jahren – jetzt Begründung für beides möglich

– Religiös geprägte Sprache in mehreren Zusammenhängen verwendet, mehrere Begründungszusammenhänge, z. T. biblisches Wissen (heller Stern, Menschen in Jerusalem halten Jesus für den König), z. T. Verknüpfung mit anderen theologischen Vorstellungen (Gottes Sohn)

– Schon vor Schuleintritt Vorstellung einer Kommunikation zwischen Jesus und Gott (Jesus bittet um Hilfe) – ausdifferenziert nach zwei Jahren (Jesus bittet in Gedanken, Gott gibt nötige Kraft) Zusammenwirken, wobei Jesus auf Gott angewiesen ist – Vorstellung, vermutlich analog zu Jesus als Heiler, s. o. – Zwei mögliche Erklärungsideen für Nachfolge – ein Motiv, das auf biblischem Wissen basiert (Wunder Jesu) ein weiteres, das auf Alltagserfahrung beruht (Freunde, passen auf)

Linnea – Individuelle Entwicklung

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Fortsetzung – Weil sie seine Freunde sind und auf ihn aufpassen – Erzählt den Menschen von Gott, damit sie an Gott glauben und wissen, dass Gott sie beschützt? – Gleichnischarakter erfasst (Gott als Hirte – Schafe als Menschen) – Brot als Fleisch: Wenn ich nicht mehr da bin, sollt ihr an Gott glauben/ Wein als Blut: Wenn ich nicht mehr da bin, sollt ihr noch zu Gott beten Jesus als – Jesus bittet – Jesus vermehrt das Wundertäter Gott um Brot irgendwie – Essen, weil Gott ihm irdann gibt gendwie die Kraft es Essen dazu gegeben hat, – Sturm zu teilen, dass alle hört auf, Stücke gleich groß weil Jesus bleiben (weiß aber, wertvoll dass das in der ist, da er Realität anders ist viele Men- – Jesus spricht zu schen retGott und Gott tet und spricht zu den weil er Wellen – werden Gottes ruhig Sohn ist Jesu – Weil irKreuzigung gendein König ihn nicht mag Jesu – Jesus ist – Gott hat Jesus wieAuferstehung tot – steigt der auferweckt in den – Den AuferstandeHimmel nen nicht anfassen, – Figur auf sonst fährt er auf zu Bild, evt. Gott – ist aufgefahGeist Jesu

– Kann Jesu Reden von Gott auf zweifache Weise begründen (Gottes Beschützen evt. analog zu Jesus im Sturm, wird als Frage formuliert, ausprobierend) – Menschen sollen an Gott glauben – Erfasst den Gleichnischarakter – Erfasst symbolischen Charakter beim letzten Mahl (Brot, Wein), kann für sich eine Vorstellung bilden, was dies bedeutet

– Gedanke des Bittens Jesu bei Gott schon vor Schuleintritt, später in Sturmstillung ausdifferenziert – In Wundervorstellung hin- und hergerissen zwischen Realität (beim Teilen werden Stücke kleiner) und Hilfe Gottes – Vor Schuleintritt steht Jesu Besonderheit im Mittelpunkt (bibisches Wissen) nach zwei Jahren die Kommunikation zwischen Jesus und Gott, nach zwei Jahren Zusammenarbeit, Gott als der letztlich Aktive – Konkret biblische Erklärung (unklar, ob Herodes gemeint oder Pilatus) – Vor Schuleintritt Gedanke einer direkten Himmelfahrt, Auferstandener evt. als Geist sichtbar, nach zwei Jahren religiös geprägte Sprache von der Auferstehung (Gott hat Jesus auferweckt), Gedanke der Begeg-

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung ren, weil ihn einer angefasst hat

Jesus als besonderer Mensch

– Weil er alle heilen – – Jesus ist der Sohn konnte von Josef – Gott und Mensch – und Gott beides: Zur Hälfte – Sohn von hatte er Kraft wie Gott / eher Gott, zur Hälfte war wie Gott er ein Mensch wie – wir

Jesu – Jesus hat Beziehung zu keine Gott Angst, weil Gott ihn beschützt

– Jesus hat im Sturm – keine Angst, weiß, dass Gott ihn beschützt – Spricht evt. im – Schlaf mit Gott? – Betet im Garten zu Gott, dass er dann – vielleicht wieder aufersteht – Gott hat Jesus auferweckt – Den Auferstandenen nicht anfassen, sonst fährt er auf zu Gott – ist aufgefahren, weil ihn einer angefasst hat

nung zwischen dem Auferstandenen und den Menschen – Himmelfahrt ausgelöst durch Missachtung des Berührungsverbots Vor Schuleintritt überwiegt die Göttlichkeit Jesu aufgrund des Titels Sohn Gottes, obwohl zunächst sowohl als Sohn Josefs als auch als Sohn Gottes bezeichnet, Nach zwei Jahren Weiterentwicklung im Sinne der ZweiNaturen-Lehre: Wahrer Mensch wie wir – wahrer Gott, weil von Gott geschenkte Kraft und weil er heilen konnte Durchgängige Vorstellung davon, dass Schutz Gottes dazu führt, dass Jesus keine Angst hat Mögliche Kommunikationsformen zwischen Jesus und Gott: Schlaf, Gebet Gott als aktiv Handelnder im Blick auf die Auferweckung Jesu, Gedanke der Rückkehr zu Gott nach Tod und Auferstehung

Charlotte – Individuelle Entwicklung

8.5

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Charlotte – Individuelle Entwicklung

8.5.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen 8.5.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten1038 Charlotte geht mindestens monatlich in die Kinderkirche, hat auch bereits Kleinkindergottesdienste besucht sowie Weihnachts-, Familien- Tauf- und normale Gottesdienste. Zuhause steht ihr eine Kinderbibel zur Verfügung aus der ihr hin und wieder vorgelesen oder erzählt wird. Sie interessiert sich besonders für die biblische Weihnachtsgeschichte, für die Erzählung vom barmherzigen Samariter und für die Erzählung von der Arche Noah. Von sich aus äußert sie Gedanken oder Fragen religiösen Inhaltes, die von den Eltern nicht näher ausgeführt werden. Charlotte besucht einen Kindergarten in Trägerschaft der evangelischen Kirche. Advent und Weihnachten werden ausführlich gefeiert. Es gibt einen Geschichten-Adventskalender (Rica auf dem Weg…), christliche sowie weltliche Weihnachtslieder werden gesungen, ein Weihnachtsweg mit Krippenlandschaft ist aufgebaut, die biblische Weihnachtsgeschichte wird erzählt und es gibt einen Weihnachtsgottesdienst. Ostern wird ebenfalls ausführlich thematisiert. Die biblische Erzählung wird ab dem ›Einzug in Jerusalem‹ erzählt und verschiedene Szenen in Rollenspiel, Tischtheater und Bodenbildern nachgespielt. Über die großen Feste des Kirchenjahres hinaus werden folgende Geschichten von Jesus erzählt: Die ›Hochzeit in Kana‹, ›der zwölfjährige Jesus‹, ›Bartimäus‹, ›Sturmstillung‹, ›die ersten Jünger‹ und die ›Kindersegnung‹. Im Kindergarten stehen mehrere Kinderbibeln zur Verfügung (Bibelbilderbuch, Bd. 1 – 5 und die Neukirchner Kinderbibel). Gerade rund um Ostern und Weihnachten wird häufig daraus vorgelesen. Möglichkeiten zum Theologisieren werden auf ganz natürliche Weise in den Alltag integriert (Morgenkreis, Gesprächsrunde, Dialog mit den Erzieherinnen während des Freispiels). Charlotte äußert von sich aus eher wenig theologische Gedanken. Meist nur auf Nachfrage.

1038 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im Elternfragebogen sowie im Fragebogen für Erzieher/innen erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.1 und 11.1.2.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.5.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Charlotte zeichnet von sich aus den auf einem Berg am Kreuz hängenden Jesus und gibt an dieses Bild schon einmal im Kindergarten gemalt zu haben. Sie weiß, dass in der Bibel Geschichten über Jesus stehen und erklärt, dass ihre Mutter ihr speziell an Ostern1039 daraus vorgelesen hat. Sie kennt die Geburt Jesu, kann Maria, Josef sowie die drei Könige benennen, die ihres Wissens ›Goldsachen‹ geschenkt haben, denen sie allerdings ›Jemand‹ zuordnet, der ihnen Bescheid gesagt hat [über die Geburt Jesu]. Auch kann sie die Hirten identifizieren, denen ebenfalls ›jemand Bescheid gesagt hat‹. Charlotte geht davon aus, dass Jesus Gottes Sohn ist, weil Gott ihn vom Himmel ›runtergeschickt‹ hat. . Die Heilung des Bartimäus kennt sie als szenisches Spiel aus dem Kindergarten. Sie kann knapp erzählen, dass Jesus dem Blinden geholfen hat und er dann wieder sehen konnte. Sie identifiziert Jesus auch auf einem Bild zur Heilung des Gelähmten, kennt die zugehörige Erzählung jedoch nicht. Sie kann sich jedoch vorstellen, dass Jesus den Gelähmten gesund machen kann. Auf Nachfrage gibt sie an, dass die Freunde Jesus dabei helfen. Charlotte identifiziert die Kindersegnung auf einer Abbildung, gibt an, auch diese Erzählung im Kindergarten gespielt zu haben. Sie geht davon aus, dass die Kinder zu Jesus kommen, weil sie ihn lieb haben und dass Jesus bei ihnen ist, weil sie Angst haben. Sie bezieht dies auf sich selbst, erzählt, dass sie abends im Bett auch Angst hat und bestätigt die Nachfrage, ob Jesus ihr auch hilft, wenn sie Angst hat. Charlotte weiß, dass die Fischer Jesu Freunde werden und gibt an, auch dieses im Kindergarten gespielt zu haben. Die gesamte Geschichte kann sie jedoch nicht erzählen. Jesus identifiziert sie auf einem Bild zur Sturmstillung. Sie erklärt sich seinen Schlaf auf sehr realistische Weise – Jesus war müde. Weil er schläft hat er auch keine Angst. Charlotte kennt die Geschichte, denn sie weiß, dass die Menschen im Boot Jesus aufwecken. Deshalb ist sie irritiert, weil sie gefragt wird, ob Jesus Angst hat, wenn er aufwacht. Sie weiß, dass Jesus hilft, dass das Boot nicht untergeht. Sie vermutet, dass Jesus betet. Weiter kann sie nicht erzählen, aber sie hat eine Vorstellung, warum der Sturm tut, was Jesus sagt. Sie bringt die Gottessohnschaft Jesu diesbezüglich von sich aus ins Gespräch ein. Relativ ausführlich erzählt Charlotte von der Passion Jesu. Sie erkennt auf 1039 Ostern liegt im Gegensatz zu Weihnachten in zeitlicher Nähe zum Interviewtermin.

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einem Bild spontan den Einzug Jesu in Jerusalem (inklusive des Stadtnamens). Sie erkennt, dass Jesus auf einem Bild Brot teilt und auf einem weiteren das Beten Jesu, während die anderen schlafen. Sie kann die Gefangennahme Jesu durch die Soldaten sowie Jesu Kreuzigung selbstständig anschließen. Sie geht davon aus, dass die Soldaten Jesus nicht mochten und dass sie gesagt haben, er solle sterben. Charlotte erkennt den Zusammenhang von Passions- und Ostererzählung. Sie weiß, dass Jesus an Ostern wieder aufgewacht ist. Interessant ist hier der Begriff ›aufwachen‹ statt ›auferstehen‹. Sie identifiziert den auferstandenen Jesus auf einem Bild mit Maria. Für Charlotte ist Jesus ein besonderer Mensch, weil er den Menschen geholfen hat und weil er Gottes Sohn war. Er ist eher wie Gott, weil er sein Kind war. Hier erkennt man eine Umschreibung des ›Sohn Gottes‹-Titels in eigenen Worten, was darauf schließen lässt, dass der religiös geprägte Begriff eigenständig verwendet wird. Auffallend sind die Bezüge, die Charlotte im Blick auf das im Kindergarten Erlebte gibt. Mehrmals bezieht sie sich auf Rollenspiele, bzw. Malaufgaben. Ihr Vorwissen deckt sich mit insgesamt zahlreichen Erzählungen, zu denen sie im Elternhaus und im Kindergarten Zugang hat.

Passion Jesu Jesus zieht in Jerusalem ein Kinder freuen sich Brot teilen Jesus betet – sie schlafen Soldaten fesseln ihn - muss mitkommen Berg, ans Kreuz genagelt weil Soldaten ihn nicht mögen, weil sie sagen, er soll sterben

Leute haben sich wieder gefreut

an Ostern wieder ‚aufgewacht’

Auferstehung Jesu

Jesus und Kinder Jesus segnet mit Hand/ haben Jesus lieb/ haben Angst – Jesus hilft, wenn man Angst hat Jesus und Jünger Jesus hat Freunde gesucht, haben gefischt, Jesus fragt: ‚Wollt ihr Freunde sein? Wurden Freunde, viele Fische

Jesus besonderer Mensch, weil den Menschen geholfen Weil Gottes Sohn, wie Gott, weil sein Kind

Geburt Jesu Jesus geboren/ Maria/ Josef Hirten – von jmd. Bescheid gesagt Drei Könige – von jmd. Bescheid gesagt/ Geschenke Sohn von Gott, weil der ihn vom Himmel runtergeschickt hat

Speisung Fünftausend

Wunder Jesu Sturmstillung Sturm, Jesus schläft, müde Keine Angst, weil er nichts merkt Jesus wird geweckt/ hilft Jesus betet, Boot geht nicht unter Sturm tut es, weil Gottes Sohn

Gelähmter

Heilungen Jesu Bartimäus Jesus hat ihm geholfen / Band weg/ er konnte wieder sehen Jesus kann gesund machen, Freunde helfen ihm

392 Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.5.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt

Charlotte – Individuelle Entwicklung

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8.5.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen 8.5.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen Beiträge zu theologischen Gesprächen

Charlotte (liest vor): Ich dachte Jesus würde König. Deswegen bin ich jetzt traurig, dass er gestorben ist.1040

L: Und Jesus war nicht mehr da, ganz genau. Und, was war geschehen und wie haben die Frauen herausgefunden, was geschehen war? Mia: Der Engel hat’s denen gesagt und dann waren die ganz froh. L: Richtig, da war ein Engel und was hat der denn gesagt? Was hat denn der Engel den Frauen gesagt, dass sie so froh geworden sind? Wer weiß, was hat denn der Engel gesagt, dass die so froh geworden sind. Charlotte: Dass er wieder lebt. L: Dass der Jesus wieder lebt. Ganz genau. Und dann hatten wir letztes Mal ein ganz interessantes Gespräch darüber, wer das denn gemacht hat, dass der Jesus nicht mehr tot ist, sondern dass der Jesus auferweckt worden ist. Und wir hatten verschiedene Möglichkeiten. Da hatten ein paar Kinder gesagt, das werden […] die Engel gewesen sein und ein paar haben gesagt, das waren die Freunde und ein paar hatten noch andere Vermutungen. Was könntet ihr denn dazu sagen, war das denn der Engel, der den Jesus wieder auferweckt hat, der da davor stand? Charlotte: Das war Gott. L: Du sagst, es war Gott, okay. (daraufhin bestätigen dies andere Schüler/innen)1041

Es zeigt sich an diesem Beispiel, dass Charlotte mitdenkt und gedanklich in der Lage ist, sich an entscheidender Stelle einzubringen. Zusammenfassende Beobachtungen zu Charlottes Gesprächsverhalten Charlotte ist insgesamt als sehr aufmerksame Zuhörerin zu charakterisieren. Zwar gibt es in den in Kapitel 7 aufgenommenen Gesprächsprotokollen sehr wenig Äußerungen von Charlotte, was zeigt, dass sie sich nur zögerlich aktiv in den Gesprächsverlauf einbringt.1042 Jedoch kann aufgrund der teilnehmenden Beobachtung festgehalten werden, dass Charlotte zu den aufmerksamsten Kindern überhaupt gehört. Das zeigt sich daran, dass sie dem Gespräch stets interessiert folgt, praktisch nie unachtsam ist. Ihre Kopfbewegungen zeigen, dass sie dem Gesprächsverlauf folgt. Es ist ferner anzumerken, dass Charlotte sich im zweiten Schuljahr intensiver in die Gespräche einbringt, was anhand der 1040 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1. 1041 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1. 1042 Dies deckt sich mit den Beobachtungen die die Erzieherinnen mit Charlotte machen. Sie äußert von sich aus eher wenig theologische Gedanken, meist nur auf Nachfrage, vgl. Fragebogen Erzieherinnen, zusammengefasst in 8.5.1.1.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

exemplarisch ausgewählten Gesprächsprotokolle nicht ersichtlich werden kann.1043 8.5.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« + »Spontan eigene Vorstellungen über Jesus entwickeln«. Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« Zu Beginn der Jesus-Einheit in Klasse 1 und Klasse 2 wählt Charlotte Bilder aus ihr bekannten Jesuserzählungen aus und gestaltet damit anschauliche Wissenslandkarten, die der Lehrkraft Rückschlüsse auf ihren jeweiligen Vorwissensstand ermöglicht und ihr selbst ihren eigenen Lernfortschritt visualisiert. Leider können die Landkarten aus Urheberrechtsgründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Stattdessen folgt eine tabellarische Übersicht mit Anmerkungen. Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Jesu Einzug in Jerusalem

Charlotte schätzt ihre Vorkenntnisse geringer ein, als sie sich auf der Basis des Vorschulinterviews darstellen. Laut ihres Vorschulinterviews kennt sie aber auch die Geschichte der Heilung des Bartimäus, die Kindersegnung, zumindest ansatzweise die Sturmstillung und sie weiß, dass Fischer Freunde von Jesus werden. Sie weiß, dass Jesus Brot mit seinen Freunden teilt, betet, von Soldaten gefesselt wird und ans Kreuz genagelt wird. Fest steht, dass

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Heilung des Bartimäus – Verlorenes Schaf – Kindersegnung – Heilung des Gelähmten – Sturmstillung – Einzug in Jerusalem – Jesus in Gethsemane – Verhaftung Jesu – Auferstehung Bei Charlottes Selbsteinschätzung zu Beginn der Unterrichtseinheit »Jesus Christus« in der zweiten Klasse ergibt sich ein ganz anderes Bild, das sehr viel mehr Selbstsicherheit zeigt. Folgender Aspekt spricht dafür : Erstens notiert Charlotte auf ihrem Arbeitsblatt ›Ich habe mehr als in der ersten Klasse.‹ Das heißt, dass sie ihren Wissensstand von jetzt mit dem ein Jahr zuvor vergleicht und die Veränderung selbst feststellt.

1043 Die Mehrzahl der ausgewählten Gesprächsprotokolle stammt aus der ersten Klassenstufe. 1044 Vgl. Angaben im Fragebogen Erzieherinnen, zusammengefasst in 8.5.1.1 und Äußerungen im Vorschulinterview, vgl. Wissens- und Vorstellungslandkarte in 8.5.1.3.

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Charlotte – Individuelle Entwicklung

Fortsetzung die Lehrkraft – müsste sie nur auf der Basis der Selbsteinschätzung entscheiden – Charlotte als Kind mit wenig Vorwissen ansehen müsste. Bei kaum einem Kind liegt die Selbsteinschätzung so weit entfernt von den Ergebnissen des Vorschulinterviews wie bei Charlotte.

Interessant ist auch, dass Charlotte alle Bilder bis auf eines rot umrandet, was laut Aufgabenstellung bedeutet, dass sie sie aus dem Religionsunterricht kennt. Eine Erzählung – die von der Heilung des Gelähmten – ist dagegen nicht rot umrandet. Hier schreibt Charlotte, dass sie sie aus dem Kindergarten kennt, was sich mit ihrer Aussage aus dem Vorschulinterview deckt und auch mit der Tatsache, dass diese Erzählung zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht im Religionsunterricht behandelt wurde. Bemerkenswert ist insgesamt, dass Charlotte der Bedeutung des Religionsunterrichts im Vergleich zum Kindergarten – in dem sie ja faktisch auch viele Geschichten gehört und nachgespielt hat1044 – einen ungleich größeren Stellenwert zuordnet

Fähigkeit, eigene Vorstellungen über Jesus auszudrücken: Bei der Formulierung eigener Vorstellungen von Jesus ist Charlotte zunächst ebenfalls vorsichtig. Sie schreibt ›Jesus ist ein guter Mensch‹.

Damit bleibt sie hinter ihren Aussagen aus dem Vorschulinterview zurück, in dem sie folgende christologische Aspekte nennt: ›Jesus ist ein besonderer Mensch, weil er den Menschen geholfen hat, weil er Gottes Sohn ist – er ist wie Gott, weil er sein Kind ist‹. Diese eher allgemeine Begründung der Besonderheit Jesu, unabhängig von Erzählungen behält sie teilweise auch in Klasse zwei bei, vgl. im folgenden Beispiel, dem Vergleich Herodes – König Jesus, in dessen Zusammenhang auch explizit nach biblischen Erzählungen gefragt wurde, die dazu erinnert werden.1045 Charlotte nennt an dieser Stelle keine Erzählungen und charakterisiert Jesu Besonderheit zwar allgemein, beachtenswert ist aber die Steigerungsform. So ist Herodes: gemein So ist Jesus: der besonderste König allerzeiten, nett, lieb

1045 Vgl. Kapitel 7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse auf der Basis theologischer Gespräche.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

›Jesus ist ein guter Mensch.‹

Vergleich König Herodes und König Jesus

Jesus als Heiler Charlotte legt Bartimäus folgende Sprechblasen in den Mund:1046 Blinder Bartimäus: Jesus, komm zu mir. Sehender Bartimäus: Ich weiß nicht, was ich machen soll.

1046 Das zugehörige Arbeitsblatt konnte nicht abgedruckt werden, da für dasselbe keine Genehmigung vorliegt.

Charlotte – Individuelle Entwicklung

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Leider konnte im Nachhinein nicht rekonstruiert werden, was Charlotte mit der zweiten Äußerung meinte, die doch eher ungewöhnlich anmutet. Charlotte formuliert bereits in der ersten Klasse eine eigene Vorstellung, wieso Jesus Bartimäus helfen kann. Mit ihr zeigt sie, dass sie die besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott schon früh als Erklärungsmuster verwenden kann. Weil Gott geholfen hat.

Im Kontext eines fiktiven Briefes an Bartimäus in Klasse zwei zeigt sie, dass sie diese biblische Geschichte verinnerlicht hat und den wesentlichen Kern benennen kann. Sie schreibt:

Lieber Bartimäus, der neue Heiland wird bald geboren und wird dir helfen.

In Klasse zwei bestätigt sie die bereits in der ersten Klasse formulierte Vorstellung einer besonderen Beziehung zwischen Jesus und Gott insofern, als sie bei der Heilung des Gelähmten angibt, Jesus dürfe das, weil Jesus Gottes Sohn ist. Dass Jesus Gottes Sohn ist und deshalb sowohl ein besonderer Mensch als auch wie Gott ist, sagt Charlotte bereits im Vorschulinterview. Nun zeigt sich, dass sie diese Vorstellungen aufgreift, um Jesu Heilen zu erklären.

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Darf Jesus heilen? Ja, weil Jesus Gottes Sohn ist. Ó 2010 Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart und Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig.

Jesus als Wundertäter – Sturmstillung Auf der Basis der Dilemmageschichte und des anschließenden theologischen Gesprächs konstruiert Charlotte folgendes Ende der Erzählung. Jesus – der im selben Boot gemalt ist – sagt zum Vater:

Jesus sagt: Vater, drück die Wolken weg.

Charlotte – Individuelle Entwicklung

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Interessant ist, dass Jesus im Boot gemalt ist. Das lässt zwei Deutungsmöglichkeiten zu: Entweder Jesus fährt mit anderen Leuten im Boot zu dem Boot in Seenot oder aber Charlotte verknüpft ihre Kenntnis zur biblischen Sturmstillungsgeschichte mit der Dilemmageschichte und malt ein Bild, in dem Jesus und die Jünger im Boot zu sehen sind. Für die biblische Variante spricht die Gestik Jesu, der deutlich ausgebreitete Arme hat. Charlotte entscheidet sich für einen Ausgang der Erzählung in der der Fokus klar auf die Beziehung Jesu zu Gott gelegt wird. Nicht Jesus handelt, sondern Jesus spricht mit Gott, damit dieser handelt. Charlotte beteiligt sich nicht aktiv am theologischen Gespräch, das der Einzelarbeit vorausgeht. Weil sie aber generell eine sehr aufmerksame Zuhörerin ist, ist anzunehmen, dass sie auch dieses Mal innerlich beteiligt gewesen ist. Zumindest finden sich Aspekte des Gesprächs in ihrem Bild wieder, nämlich die Tatsache, dass Jesus mit Gott sprechen kann, die Tatsache, dass Gott und Jesus nicht irgendein Verhältnis zueinander haben, sondern dass Gott der Vater Jesu ist und die Vorstellung, dass Gott der letztlich Handelnde ist. Zusammenfassende Beobachtungen zu Charlottes Portfolioarbeit1047 Charlotte fällt als eines der Kinder auf, die am intensivsten an ihrem Portfolio arbeiten. Sie versucht stets so viele Arbeitsaufträge wie möglich und diese so ausführlich wie möglich zu erledigen. Ihr Portfolio ist nahezu vollständig, das bedeutet, sie hat nahezu alle zur Verfügung stehenden Aufgaben erledigt. Ihr sehr gutes Arbeitsverhalten zeigte sich darin, dass sie einmal krank war und in der nächsten Stunde alle Arbeiten nachholte und fast noch alle neuen erledigte. Bei Charlotte liefert das Portfolio – ganz im Gegensatz zu Linnea – ein viel deutlicheres Bild über den Entwicklungsverlauf als ihre Gesprächsbeiträge.

8.5.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen 8.5.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts1048 Charlotte ging in den vergangenen zwei Jahren seit des Vorschulinterviews alle 2 – 3 Monate oder öfter in die Kinderkirche. Zuhause stehen ihr zwei verschiedene Kinderbibeln zur Verfügung aus denen ihr ›immer wieder‹ vorgelesen wird 1047 An dieser Stelle wird das gesamte Portfolio von Charlotte einbezogen, das an dieser Stelle nicht vollständig abgedruckt werden kann. Das Gesamtbild ihrer Entwicklung soll dadurch erweitert werden. 1048 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im zweiten Elternfragebogen Ende des zweiten Schuljahres erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.3.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

oder in denen sie ›immer wieder‹ selbst liest. Die Eltern fügen ein neues Item hinzu. Charlotte zeigt Interesse an Themen des Religionsunterrichts. Aufgeführt werden Geschichten von Jesus und die Geschichte von Josef. Sie interessiert sich auch für ihr Portfolio zum Thema Jesus Christus. Fragen, die sie äußert sind beispielsweise (Wo wohnt Gott? Warum stirbt man? Was passiert nach dem Tod? Warum feiern wir Weihnachten?). Die Eltern geben an, dass Charlotte vom Religionsunterricht begeistert war und ›am meisten‹ erzählt hat sowie Lieder, Basteln, Spiele zuhause nachgemacht hat. 8.5.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›gebildete christologische Vorstellungen‹ Charlotte gibt an, ihre Kenntnisse aus dem Religionsunterricht sowie dem Kindergarten zu beziehen. Bezüglich der Geburt Jesu weiß Charlotte vom Weg Maria und Josefs zur Heimatstadt. Sie verwechselt nur diese (Nazareth statt Bethlehem) sowie den Auftraggeber (Priester statt Kaiser Augustus). Sie kennt auch die Verkündigung Jesu an Maria und weiß, dass Jesus im Stall geboren wurde. Zweimal nennt sie Jesus den Heiland – im Rahmen der Verkündigungsbotschaft und bei der Feststellung der Geburt. Sie kennt die Sterndeuter, die sie auch als Heilige Drei Könige bezeichnet sowie die Hirten, die sie zunächst Schäfer nennt. Auf Nachfrage kann sie Stern und Engelbotschaft zuordnen. Gold kennt sie als einziges Geschenk. Sie kann ihre Vorstellung, dass Jesus sowohl Sohn Gottes als auch der Sohn von Josef ist, erklären. Gottes Sohn sei Jesus, weil er ›vom Himmel gekommen‹ ist und Josefs Sohn, weil er bei Josef aufgewachsen ist. Spontan kann sie sechs Erzählungen vom erwachsenen Jesus aufzählen: Jesu Einzug in Jerusalem, seine Gefangennahme, die Ostergeschichte, die Heilung des Blinden, Zachäus sowie Jesus und die Kinder. Die Heilung des Bartimäus erzählt sie flüssig und folgerichtig ebenso die Heilung des Gelähmten, wobei insbesondere ihre Präzision auffällt. Auffällig ist, dass Charlotte sich auch an die Frage erinnert, ob Jesus heilen darf. Sie bejaht diese für sich selbst und begründet ihre Entscheidung mit Jesu Besonderheit, die sie insbesondere durch Titel ausdrückt. Er sei ›wie ein Heiland und König zusammen‹ und er sei ›Gottes Sohn‹. Die Gottessohnschaft als Erklärung und Ergänzung ihrer ersten Aussage bringt ihre Überlegungen weiter. Selbstständig formuliert sie, dass Gott als derjenige mit sehr viel Kraft Jesus helfen kann, dass beide es zusammen machen und schließlich, dass Gott Jesus die Kraft gibt, es zu machen.

Charlotte – Individuelle Entwicklung

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Die Kindersegnung erzählt sie ebenso präzise und folgerichtig wie die Heilungsgeschichten. Segnen betrachtet sie in erster Linie als Geste und begründet Jesu Segenshandlung wieder mit seiner Gottessohnschaft. Ihrer Ansicht nach begleiten Freunde Jesus, weil Jesus ihnen immer geholfen hat und weil sie dann gesund geworden und weil sie dann seine Freunde geworden sind. Nicht ganz klar ist, ob es sich um drei Begründungen handelt oder ob die zweite ein Beispiel für die erste darstellt und es sich in der dritten um die Folge derselben handelt. Klar wird durch ihre Erzählung des Fischfangs jedoch, dass sie über Jesu heilendes Handeln hinaus auch andere Hilfe Jesu im Blick auf die Jünger kennt. Sie erzählt knapp, aber flüssig. Sehr knapp erzählt sie von der Speisung der Fünftausend (Verwechslung Hunger – Hungersnot). Das Entscheidende wird jedoch zum Ausdruck gebracht. Jesus teilt und am Schluss ist sogar noch etwas übrig. Sie erklärt dies sehr realistisch. Es wird immer ein bisschen abgebrochen und dann verteilt. Mehr erklärt sie nicht. Die Sturmstillung erzählt sie wieder flüssig und folgerichtig. Auffallend auch hier wieder die Präzision, mit der sie alle wesentlichen Elemente aneinanderreiht. Im Rahmen des Erzählflusses bezieht sie ihre theologischen Überlegungen mit ein. Jesus fragt die Jünger, warum sie Angst haben und erklärt diese in seiner Anwesenheit sogleich als unnötig ›Und dann hat der gesagt, dass die gar keine Angst zu haben brauchen, weil ich ja bei euch bin, hat der Jesus gesagt‹

Sie hat auch bereits eine klare Vorstellung davon, warum Jesus selbst keine Angst im Sturm hat. Jesus könne sich dem Sturm widersetzen, weil er Kraft hat. Zugleich spielt ihrer Ansicht nach aber die Beziehung Jesu zu Gott eine wichtige Rolle – Jesus spricht im Traum mit Gott, weiß dadurch auch schon von der gefahrvollen Situation des Bootes und Gott sagt Jesus ›den richtigen Spruch‹, den Jesus dann wiederholt, woraufhin sich der Sturm und die Wellen legen. Knapp, aber korrekt erzählt sie vom ›Verlorenen Schaf‹. Sie kann den Gleichnischarakter auf Nachfragen erkennen, nennt Jesus den Hirten und die Menschen die Schafe. Zum wiederholten Male bringt sie die Gottessohnschaft als Begründung ein. Des Weiteren begründet sie Jesu Fähigkeit von Gott erzählen zu können mit seinem vorgeburtlichen ›Bei-Gott-Sein‹. Hier hat sie eine erstaunlich fortgeschrittene Theologie ›weil bevor er auf die Welt gekommen ist, war er schon im Himmel und da hat er schon mit Gott geredet‹

Sehr präzise erzählt sie von Jesu Einzug in Jerusalem, benennt die Stadt korrekt, bezieht Jesu Wissen um seine ›Feinde‹ in Jerusalem ein, weiß von dem Fest, das Jesus mit seinen Jüngern feiert und von den biblischen Einsetzungsworten Jesu

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

zu Brot und Wein, von den schlafenden Jüngern im Garten und der Kreuzigung. Interessant ist ihre Erinnerung daran, dass die Frauen weniger Angst hatten als die Männer. Auffällig ist auch, dass sie spontan flüssig und folgerichtig weitererzählt, obwohl sie keine Bilderstützen hat. Sehr ausführlich erzählt sie auch vom Verrat des Jüngers (kurze Verwechslung mit den Soldaten). Auch zur Kreuzigung weiß sie zahlreiche Details (Kreuz getragen, Berg, zwischen zwei Räubern). Sie berichtet von der Grablegung und schließt die Auferstehungsgeschichte unaufgefordert an. Passion und Auferstehung bilden demnach eine thematische Einheit für Charlotte. Sie erzählt zwei Auferstehungsgeschichten in einer narrativen Vereinigung, die flüssig und folgerichtig erscheint – verbindet sie, indem sie alle Frauen dem vermeintlichen Gärtner begegnen lässt. Sie lässt interessanterweise das Erschrecken der Frauen gegenüber dem Engel nicht aus. Beide Auferstehungsgeschichten werden flüssig und detailliert erzählt. Sie geht davon aus, dass die Menschen in Jerusalem Jesus für den neuen Heiland hielten, weil sie das bereits von anderen Leuten gehört hatten. Interessanterweise schließt sich hier ein thematischer Kreis. Charlotte nennt Jesus im Zuge seiner Geburt Heiland (Engelverkündigung an Maria) und bei seinem Einzug in Jerusalem. Der religiös geprägte Begriff wird demnach nicht nur einmalig und zufällig von ihr verwendet, sondern mehrmals und gezielt. Jesu Gebet im Garten ist ihrer Ansicht nach inhaltlich von der Bitte Jesu um Gottes Hilfe in Gefangenschaft und am Kreuz geprägt. Charlottes Ansicht nach darf der Auferstandene nicht angefasst werden, weil sonst entweder eine sofortige Himmelfahrt ausgelöst werden könnte oder aber Jesus wie früher werden könne was wiederum zweierlei Folgen hätte – zum einen, dass Gott ihn nicht mehr hochlassen könnte [in den Himmel] oder dass die Freunde ihn dann nicht finden. Gott ist jedenfalls der Handelnde im Blick auf die Auferstehung und Jesus sieht nach Charlottes Meinung anders aus als zu seinen Lebzeiten. Jesus war für Charlotte ein besonderer Mensch, weil er anderen Menschen geholfen hat. Er war sowohl wie Gott als auch wie ein Mensch, was sie erklären kann. Er war wie ein Mensch, weil er aussah wie ein normaler Mensch und er war wie Gott, weil er Kraft hatte und heilen konnte.

Passion Jesu In Jerusalem eingezogen, Esel für den Herrn holen, Kleider, Palmzweige, Jesus weiß, dass er dort Feinde hat, Menschen wissen: Jesus ist neuer Heiland, von anderen gehört Fest mit Jüngern, Brot ‚Das ist mein Leib’/ Wein ‚Das ist mein Blut’, Jesus im Garten, Jünger schlafen, Jesus weckt Jesus betet dass Gott hilft im Gefängnis und am Kreuz Jünger hat verraten, Geld bekommen, weiß, dass es nicht gut war, Jesus wird festgenommen Frauen haben weniger Angst als Männer Kreuz auf Berg getragen, angenagelt, zwischen zwei Räubern, vom Kreuz abgenommen, in Steingrab gelegt

Gott lässt Jesus wieder auferstehen Auferstandener sieht anders aus, darf nicht angefasst werden, weil er sonst entweder sofort in den Himmel geht oder nicht gehen kann, da er sonst wieder wie vorher aussieht, nicht wie Auferstandener, Gott will ihn dann vielleicht nicht hochlassen

Auferstehung Jesu Nach 3 Tagen wieder auferstanden, 3 Frauen wollen ihn einsalben – Was tun mit Stein? Engel sagt: Jesus ist nicht mehr im Grab, Frauen erschrocken – alle sehen Gärtner ‚Wo ist Jesus’, Jesus sagt ‚Maria’, große Freude, nicht anfassen, Maria erzählt Jüngern, dass Jesus auferstanden ist

Jesus und Kinder Jünger sagen ‚Bleibt weg’, Jesus sagt ‚ stimmt nicht’ Kinder kommen, Jesus segnet Kinder Jesus und Jünger Fangen keine Fische, Jesus sagt noch mal, Netz voller Fische Freunde begleiten Jesus, weil er ihnen geholfen hat, sie geheilt hat und sie sind seine Freunde geworden sind Jesus erzählt von Gott War im Himmel, bevor er auf die Welt kam, hat dort schon mit Gott geredet, kann es deshalb gut, auch, weil Gottes Sohn Hirte – Jesus, Schafe – Menschen Viele Schafe, 1 weg, sucht, findet heimgetragen

Jesus besonderer Mensch, weil er anderen geholfen hat wie Mensch, weil er normal aussah und wie Gott, weil er Kraft hatte und heilen konnte

Sohn Gottes - vom Himmel gekommen, Sohn Josefs - dort aufgewachsen

Geburt Jesu Engel sagt ‚Sie bekommen einen Heiland, soll Jesus heißen’, Josef sagt es Maria Priester sagt: geht in Heimatort –Nazareth Kein Platz frei – Stall - Heiland geboren Engel sagt’s den Hirten Stern zeigt Sterndeutern (3 Könige) den Weg - Heilige Drei Könige – Gold

Sturm, Jünger haben Angst, Jesus schläft Jesus hat keine Angst, weil er Kraft hat und sich dem Sturm widersetzen kann Jesus spricht im Traum mit Gott Jünger wecken Jesus auf (3Versuche) Warum Angst, habt keine Angst -ich bin ja bei euch Jesus spricht mit Sturm / Sturm ist still Gott sagt Jesus richtigen Spruch Jesus spricht ihn nach

Wunder Jesu Viele Leute, Hungersnot, fünf Brote und zwei Fische, Jesus teilt, am Schluss war noch übrig, weil er immer ein bisschen abbricht und den Menschen gibt

Jesus darf heilen, weil wie Heiland und König zusammen Er kann heilen, weil er Gottes Sohn ist, Gott viel Kraft, gibt ihm Kraft, dann kann Jesus dem Gelähmten geben, Gott hilft ihm, Jesus sagt Spruch

Freunde tragen Gelähmten zum Haus, in dem Jesus ist, Eingang voll, Dach aufgedeckt, Gelähmten durchgelassen, Jesus heilt ihn, andere fragen ‚Darf er das?’

Heilungen Jesu Bartimäus schreit ‚Jesus’, Leute sagen ‚Sei still’ Jesus sagt, dass er hilft, heilt Bartimäus, dieser geht mit Jesus

Charlotte – Individuelle Entwicklung

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8.5.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.5.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung Vor Schuleintritt

Jesus als Sohn Gottes

Jesus als König/ Heiland

Jesus als Heiler

Nach zwei Jahren Religionsunterricht – Jesus als Sohn – Sowohl Gottes Gottes, weil Gott Sohn, weil er vom ihn vom Himmel Himmel gekomruntergeschickt men ist – weil er hat schon im Himmel – Begriff ›Sohn war bevor er auf Gottes‹ mehrmals die Welt gekommen ist und da als Begründung schon mit Gott geverwendet – z. B. redet hat – als auch Sturmstillung, Josefs Sohn, weil er Jesus als besonderer Mensch, bei Josef aufgez. T. auch in eigewachsen ist (2 Äunen Worten ßerungen zusam[Jesus war] ›wie mengefasst) Gott‹ [..] ›weil’s – Begriff ›Sohn Gotsein Kind war‹ tes‹ mehrmals als Begründung verwendet – Heilungen, Jesus kann von Gott erzählen – Jesus so etwas ähnliches wie ein Heiland und König zusammen – Selbstständig als Begründung verwendet -Heilungen – Menschen in Jerusalem wissen, dass Jesus ein neuer Heiland ist, haben es von anderen gehört – Jesus kann Kran- – Jesus kann Kranke ke gesund magesund machen chen und er darf Kranke – Freunde helfen heilen, weil er wie ihm dabei ein Heiland und König zusammen ist – Jesus kann Kranke heilen, weil er Gottes Sohn ist –

Entwicklung – Religiös geprägter Begriff ›Sohn Gottes‹ schon vor Schuleintritt bekannt und inhaltlich gefüllt sowie eigenständig als Erklärung verwendet – nach zwei Jahren in weiteren Kontexten – Ansatzweise paradoxes Denken (Sohn Gottes – Sohn Josefs) entwickelt – Geht von der Präexistenz Jesu aus, vertritt Logos-Christologie, die sie ausdifferenziert

– Neue religiös geprägte Begriffe ›Heiland‹, ›König‹ werden in die eigenen Vorstellungen aufgenommen und bereits eigenständig als Begründung für Jesu Handeln aufgegriffen

– Vorstellung – Jesus kann Kranke heilen – schon vor Schuleintritt, nach zwei Jahren ausdifferenziert – Jesus kann und darf heilen – Begründung mit geprägter rel. Sprache – Vorstellung der Mit-

Charlotte – Individuelle Entwicklung

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Fortsetzung Vor Schuleintritt

Jesus und die – Menschen –

Jesus als Wundertäter

– – –

Jesu Kreuzigung



Nach zwei Jahren Re- Entwicklung ligionsunterricht Gott kann ihm hilfe von Freunden helfen – Gott gibt zugunsten der VorJesus Kraft und stellung von Gottes dann kann Jesus helfendem Handeln weitergeben, Jesus aufgegeben sagt noch Spruch dazu (2 Äußerungen zusammengefasst) Kinder sind bei – Freunde begleiten – Vor Schuleintritt BeJesus, weil sie ihn Jesus, weil er ihnen gründung mit eigegeholfen hat, weil lieb haben ner Vorstellung er sie gesund geJesus ist bei Kin– Begründung für macht hat, weil sie dern, weil sie Nachfolge teilweise seine Freunde sind Angst haben – im Kontext bibliJesus hilft auch – Jesus als Hirte, schen Wissens teilihr abends im Menschen als weise in AlltagserBett, wenn sie Schafe fahrungen Angst hat – Gleichnischarakter erfasst Jesus kann Sturm – Jesus hat Kraft und – Begründet schon vor stillen, weil er kann sich dem Schuleintritt mit religiös geprägter Gottes Sohn ist Sturm widersetzen Jesus betet, damit – Jesus spricht im Sprache häufig aber das Boot nicht Traum mit Gott, auch mit Alltagseruntergeht weiß von der Siklärungen, nach zwei Jesus schläft, destuation Jahren ausdifferenhalb keine Angst, – Gott sagt Jesus den zierte Vorstellung – auch beim Aufrichtigen Spruch, Jesus kommuniziert wachen nicht Jesus sagt ihn nach im Traum mit Gott, (ohne Erklärung) – Jünger müssen Gott hilft mit richtigem Spruch – gekeine Angst haben, weil Jesus bei meinsame Aktion, ihnen ist Jesus hat zwar Kraft, – Jesus hat immer aber Gott hilft ihm bisschen Brot abauch mit richtigem gebrochen und Spruch – noch ungibt es, deshalb aufgelöste Paradoxie reicht es – Realistische Sicht – gerechte Verteilung als Begründung weil die Soldaten – begründet schon vor Jesus nicht geSchuleintritt den Tod mocht haben, Jesu – konkrete Arweil die Soldaten gumentation mit bigesagt haben, er blischem (Halb-) soll sterben Wissen

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung Vor Schuleintritt

Nach zwei Jahren Re- Entwicklung ligionsunterricht Jesu – Verknüpfung mit – Bezug zum kirchli– ›Jesus ist wieder Auferstehung Ostern chen Fest bereits vor auferstanden‹ ›Gott Schuleintritt – Wieder ›aufgelässt Jesus wieder – Veränderung sowohl wacht‹ – kindliauferstehen‹– relicher Sprachgedes Sprachgebrauchs giös geprägter brauch – von ›aufgewacht‹ Sprachgebrauch zu ›auferstehen‹ – Der Auferstandene (Alltagssprache –resah ein bisschen ligiöse Sprache) als anders aus wie früauch des theologiher schen Gehalts – Gott – Wenn der Auferals aktiv Handelnder standene angefasst erkannt wird, könnte er so- – Nach zwei Jahren infort in den Himmel tensive Auseinangehen oder er dersetzung mit Erwürde wie früher scheinung des Aufund könnte nicht erstandenen sowie mehr hoch gelassen Himmelfahrt – noch werden und seine nicht geklärt, tasFreunde könnten tend, versuchend, ihn nicht finden mehrere Möglichkeiten einbeziehend Jesus als – Jesus als beson– Jesus als besonde- – Durchgehend Vorstellung, dass Bebesonderer derer Mensch, rer Mensch, weil er Mensch weil er Menschen anderen Menschen sonderheit Jesu in geholfen hat geholfen hat helfendem Handeln – Jesus als beson– Wie ein Mensch, liegt (bibl. Wissen) weil er aussah wie – Ausdifferenzierung derer Mensch, ein normaler von ›Jesus als wahrer weil er Gottes Mensch und wie Gott (Kind Gottes)‹ Sohn war – Jesus Gott, weil er Kraft zu ›Jesus sowohl wie Gott, weil er wahrer Mensch als Kind von Gott hatte und heilen auch wahrer Gott‹ – war konnte ansatzweise paradoxes Denken – Verbundenheit Jesu Jesu – Jesus betet, damit – Jesus spricht im mit Gott v. a. über Beziehung zu Boot nicht unterTraum mit Gott Gott geht – Jesus betet zu Gott, Kommunikation – Jesus als Sohn dass er ihm hilft, (Gebet) nach zwei Gottes, weil Gott wenn er gefangen Jahren erweitert ihn vom Himmel und am Kreuz ist (Traum + Gebet) – runtergeschickt – Jesus war schon Jesus und Gott deutbei Gott im Himhat lich getrennt mel, bevor er auf – Jesus als beson– Erstaunlicherweise die Welt kam und derer Mensch, bereits vor Schuleinweil er Gottes tritt Gedanke der

407

Michael – Individuelle Entwicklung

Fortsetzung Vor Schuleintritt Sohn war – Jesus wie Gott, weil er Kind von Gott war

8.6

Nach zwei Jahren Re- Entwicklung ligionsunterricht hat da mit ihm gePräexistenz Jesu – redet Ausdifferenzierung – Wie ein Mensch, nach zwei Jahren im weil er aussah wie Blick auf Kommuniein normaler kation mit Gott und Mensch und wie Erweiterung im Gott, weil er Kraft Sinne der Vorstelhatte und heilen lung einer Logoskonnte Christologie: Zum – Gott hat Jesus wieGedanken der Präder auferstehen existenz Jesu bei Gott lassen im Himmel kommt – Wenn der Aufernach zwei Jahren die standene angefasst Vorstellung der wird, könnte er Himmelfahrt nach sofort in den der Auferstehung Himmel gehen hinzu. oder er würde wie früher und könnte nicht mehr hoch gelassen werden und seine Freunde könnten ihn nicht finden

Michael – Individuelle Entwicklung

8.6.1 Vor Schuleintritt – Vorhandene Wissensbestände und Vorstellungen 8.6.1.1 Rahmenbedingungen in Elternhaus und Kindergarten1049 Die Eltern gaben an, dass Michael 1 – 2 Mal im Jahr Kleinkindergottesdienste besucht und selten auch die Kinderkirche. Er nahm bereits an Weihnachts-, Oster-, Familien- und Taufgottesdiensten teil sowie auch an normalen Gottesdiensten. Zuhause stehen ihm verschiedene Kinderbibeln zur Verfügung und ihm wird häufig daraus erzählt/vorgelesen. Michael, so seine Eltern äußert kritische Gedanken oder Fragen religiösen Inhalts. Michael besuchte einen Kindergarten in staatlicher Trägerschaft. Die Erzie1049 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis der Angaben im Elternfragebogen und im Fragebogen für Erzieher/innen erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.1 und 11.1.2.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

herinnen gaben an, dass die an dieser Untersuchung teilnehmenden Kinder von sich aus keine theologischen Gedanken äußern und auch kein Gespräch über biblische Geschichten suchen. Weihnachten wurde jedoch gefeiert, die biblische Erzählung thematisiert, Lieder gesungen und ein Weihnachtsweg zur Krippe szenisch und symbolisch mit Kerzen dargestellt. Ostern wurde ebenfalls mit einer kindgerechten Nacherzählung der biblischen Geschichte, Liedern und Bilderbüchern thematisiert und gefeiert. Ostern und Weihnachten bilden zwei von drei Schwerpunkten bezüglich der Erfüllung des Orientierungsplanes in der Kategorie »Sinn, Werte, Religionen«. Andere Geschichten von Jesus wurden nicht erzählt. Es stehen ferner keine Kinderbibeln zur Verfügung und es wird auch nicht aus Kinderbibeln vorgelesen. Die Kinder besuchen keine Kirche und es werden keine Gelegenheiten zum Theologisieren eröffnet. 8.6.1.2 Beschreibung des Wissensstandes auf der Basis des Vorschulinterviews unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Michael besitzt von allen befragten Kindern vor Schuleintritt das weitaus elaborierteste Vorwissen im Blick auf Jesus Christus. Er verknüpft seine Kenntnis spontan mit der Bibel. Diese sei ›ein Buch, wo ganz viele Geschichten von Jesus drinstehen‹. Er gibt an, dass ihm regelmäßig daraus vorgelesen wird1050 (Übereinstimmung mit dem Elternfragebogen). Michael gelingt es noch bevor er in die Schule kommt, die meisten im Bildungsplan für Klasse 1/2 genannten Geschichten spontan und folgerichtig zu erzählen. Es sind insgesamt wenig Zwischenfragen der Interviewerin notwendig. Die Weihnachtserzählung ist ihm mit allen Protagonisten präsent. Er nennt bereits Details, wie z. B. drei Könige aus dem Morgenland, die Gold und Gewürze bringen. Eine Fehlverknüpfung gibt es noch, er geht davon aus, dass die Hirten durch den Stern von Jesu Geburt wussten. Befragt nach Jesus als Sohn von Josef oder Gott entscheidet er sich eindeutig für Jesus als ›Sohn von Gott‹. Konsequenterweise bezeichnet er Josef im Vorfeld auch als Mann von Maria, nicht etwa als Vater Jesu. Er begründet seine Entscheidung erstens generell ›Gott hat des gemacht, dass des Baby auf die Welt kommt‹ und im Anschluss exklusiv ›Weil des auch Jesus ist‹. Überraschend sind auch die zahlreichen Jesus-Geschichten, die ihm zum Stichwort ›Jesus als Erwachsener‹ einfallen. Er nennt spontan vier (Blinder, Zachäus, Fische, Brot und Fische). Im Anschluss erzählt er knapp die Heilung des Blinden (Name kennt er nicht) 1050 Er gibt auch an, dass die Bibel seines Wissens das meistgelesene Buch ist.

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und ausführlich die Heilung des Gelähmten. Befragt nach den Gründen von Jesu Heilkraft, bezieht er sich auf seine Gottessohnschaft und gibt an, dass Gott ihm hilft. Michael ist der religiöse Begriff ›Sohn von Gott‹ offenbar geläufig, da er ihn so selbstverständlich als Begründung heranzieht. Überraschenderweise fällt es Michael schwer, seine Gedanken ausführlicher zu erklären. Dreimaliges Nachfragen ist nötig, bevor er Gottes Hilfe in eigenen Worten zu erklären versucht und dabei schnell wieder aufgibt ›Ich denke, dass der von oben zu…. Ich kann nicht erklären, was ich da denke.‹

Erst auf nochmalige Ermutigung versucht er folgende Erklärung ›der macht da solche Zaubermagie, die Jesus, der Jesus betet, dann versteht des Gott und dann macht Gott ihn wieder lebendig und Jesus sagt einfach des, was Gott zu ihm gesagt hat.‹

Das Überraschende ist, dass Michael eine überzeugende Theorie über Jesus als Heiler entwickelt, er aber intensives Nachfragen und Ermutigung benötigt, um sich zu trauen, seine Gedanken auszusprechen. Offen bleibt an dieser Stelle, ob Michael diese Idee bereits entwickelt hat oder ob er sie spontan wegen der Nachfragen entwickelt. Sein Wissen gibt ihm die Möglichkeit, eine Theorie zu entwickeln, aber er ist dennoch zögerlich. Michael kann die Freunde Jesu als Jünger benennen. Er kann sich vorstellen, dass diese mit Jesus mitgegangen sind, weil sie ihn erstens gern haben und ihn zweitens einfach begleiten wollten. Auf direkte Nachfrage, warum sie gerade Jesus und nicht irgend jemand begleiten wollen gibt er an, dass ›es keinen anderen Mann gibt der Wunder machen kann‹. Er bekräftigt dies durch das Erzählen des großen Fischfangs, den er folgerichtig darstellt. An anderer Stelle gibt Michael von sich aus an, Wunder zu kennen. Er hat demnach bereits eine Kategorie für bestimmte Erzählungen gebildet oder von anderen übernommen. Folgerichtig und sehr detailliert erzählt er von der Speisung der Fünftausend. Die Sturmstillung ist ihm zunächst nicht präsent, es gelingt ihm jedoch anhand eines Bildes den Beginn zu erzählen. Zunächst weiß er nicht wie die Geschichte weitergeht, dann erinnert er, dass Jesus von den Jüngern geweckt wird und der Sturm plötzlich vorbei ist. Er gibt auf Nachfrage an, dass Jesus keine Angst hat, nachdem er zunächst davon ausgeht, dass Jesus seinen Mittagschlaf macht. Nachdem die Interviewerin erzählt, dass Jesus den Sturm stillt gibt er auf Nachfrage an, dass Gott der eigentlich Handelnde ist. Interessanterweise leitet er diese Erklärung mit den Worten ›Das weiß ich nicht!‹ ein. Eine Tatsache, die noch zu beachten ist. Die Erzählung vom verlorenen Schaf ist ihm noch unbekannt. Aber Michael gibt eine Erklärung bezüglich Jesu Vermögen von Gott zu erzählen. Seiner

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Vorstellung gemäß kann Jesus dies, weil er bei Gott ist, was für ihn meint, er ist in den Himmel geflogen und war dann bei Gott. Die Passions- und Auferstehungsgeschichte ist Michael detailliert präsent. Er weiß, dass Jesus auf dem Esel nach Jerusalem geritten ist und dass dies bereits mit Ostern zusammenhängt, er kennt die Begebenheit des Lammessens, ordnet dies jedoch dem Fest Ostern statt Passa zu, auch identifiziert er den das Brot teilenden und betenden Jesus. Er vermutet, dass Jesus zu Gott betet, damit die Soldaten ihn nicht festnehmen. Er weiß, dass die Jünger aufgewacht sind, als die Soldaten gekommen sind und dass Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Dezidiert bezieht er sein Wissen auf die Bibel. Für ihn gehört das Passionsgeschehen bereits definitiv zum Ostergeschehen. Das sagt er an zwei unterschiedlichen Stellen. Michael weiß, dass Jesus wieder auferstanden ist. Er geht davon aus, dass Jesus direkt aus dem Grab zu Gott geflogen ist – hat die Vorstellung einer direkten Himmelfahrt. Auch kann er die Auferstehungsgeschichte um die drei Frauen knapp, aber folgerichtig erzählen. Die Erzählung von Maria kennt er nicht. Für Michael ist Jesus ein besonderer Mensch. Zunächst verweigert er eine Erklärung, dann begründet er auf Nachfrage ›weil er Wunder macht‹. Er denkt, dass Jesus wie Gott ist, kann dies aber nicht erklären. Auffallend ist bei Michael sein großes Vorwissen. Kein anderes befragtes Kind konnte so viele Geschichten folgerichtig und flüssig erzählen. Darüber hinaus ist aber auch interessant, dass Michael häufig zögert, seine über das Wissen hinausgehenden Vorstellungen zu nennen. Oft braucht es viele Nachfragen und Ermutigung, bis er sich entschließt seine Vorstellungen zu nennen. Manchmal leitet er sie gar ein mit einem ›das weiß ich eigentlich nicht‹. Es ist von besonderem Interesse wie gerade dieses Kind sich im Unterricht weiterentwickelt, ob das eh schon hohe Vorwissen sich weiter ausdifferenziert und ob es Michael gelingt, flexibler und natürlicher mit eigenen Vorstellungen umzugehen.

Passion Jesu Jesus auf Esel/ Palmwedel auf Boden/ Jerusalem/ Ostern Lamm gegessen zu Ostern/ Jesus teilt Brot + betet zu Gott, dass Soldaten ihn nicht festnehmen Jünger aufgewacht/ Soldaten gekommen Jesus ans Kreuz genagelt Warum? Weil Ostern ist

3 Freundinnen zum Grab/ gucken Engel sagt: Jesus ist weg, ist in der Stadt

Jesus wieder auferstanden aus dem Grab weggeflogen zu Gott

Auferstehung Jesu

Jesus und Kinder lieben Jesus, weil er viele gesund macht Jesus und Jünger fischen nachts, keine Fische/ Jesus sagt: am Tag/ viele Fische merken, Gott macht wirklich Wunder/ kein anderer Mann kann Wunder machen haben ihn gern/ wollen einfach begleiten Jesus erzählt gut von Gott weil er bei Gott ist, in Himmel geflogen

Jesus besonderer Mensch, weil er Wunder macht, wie Gott

Geburt Jesu Maria/ Josef/ fort von zuhause/ fremdes Land/ Baby kommt/ kein Hotel/ Hütte/ Baby gekommen Sohn von Gott – Gott hat gemacht, dass Baby auf die Welt kommt/ weil des Jesus ist Hirten – Stern 3 Könige – Morgenland – Stern Gold/ Gewürze/ Gefäße

Wunder Jesu Speisung 5000 Jesus erzählt/ viele Familien/ Abend/ Hunger/ Jesus fragt: ‚Hat jmd. Essen?’/ Zwei Fische + ? Jünger sollen verteilen / nicht glauben/ für alle gereicht/ 12/ 10 Körbe übrig Sturmstillung Jünger mit Boot raus/ Jesus schläft/ Mittagschlaf / keine Angst Jünger wecken Jesus Sturm plötzlich vorbei Warum? Weil Gott es alleine macht

Heilungen Jesu Bartimäus blinder Mann/ Jesus mit Jüngern vorbei/ Binde abgemacht/ konnte sehen Gelähmter Freunde/ Bahre/ Haus getragen/ viele Leute/ Jesus dabei/ nicht rein/ Dach geklettert/ aufgemacht/ runtergelassen/ Jesus mit ihm geredet/ Nimm Trage, steh auf und geh/ macht er Jesus kann gesund machen, weil Sohn von Gott/mit Gottes Hilfe Zaubermagie/ Jesus betet/ Gott versteht es/ Gott macht/ Jesus sagt, was Gott ihm sagt

Michael – Individuelle Entwicklung

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8.6.1.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.6.2 Im Unterricht – Sich entwickelnde Wissensbestände und Vorstellungen 8.6.2.1 Beobachtungen in theologischen Gesprächen Aktives Einbringen von Vorwissen Michael, der – vgl. sein Vorschulinterview – über einen ausdifferenzierten Wissensbestand zu Jesusgeschichten verfügt, bringt sich in erster Linie mit seinem Wissen ins Gespräch ein. Sehr deutlich ist dies am Beispiel der Erzählung von den Sterndeutern zu sehen. Verteilt über mehrere Gespräche bringt Michael folgende Aspekte ein. Impulse der Lehrkraft wie ›Kriegen wir die Geschichte zusammen?‹ scheinen ihn zu motivieren. Fast immer reagiert er sofort darauf mit reingerufenen Kommentaren wie ›Ja‹ oder ›Ich weiß es‹.1051 Michael: Dass die Heiligen Drei Könige dem Jesuskind Geschenke gebracht haben. […] L: Wer kann denn ein bisschen was erzählen aus der Geschichte, die der Michael an gesprochen hat mit den Heiligen Drei Königen. Der Jonas hat gesagt er kennt sie. Der Christopher hat ein bisschen was gewusst. Kriegen wir die Geschichte zusammen? Michael: Ja! […] Michael: Und dann haben und dann haben, sind die in den Palast von Herodes gegangen und ham gefragt, ob da ein neugeborener König ist. L: Und war da einer? Michael: Nein. L: Wo war der denn? Michael: Im Stall. […] L: Gold, Myrrhe und… Michael: Weihrauch.1052 Vic: Da fehlen, da fehlt ein König von den dreien. Michael: Hhh, ich weiß auch warum. L: Das ist ja seltsam. Wem ist das noch aufgefallen? (Einige melden sich) Michael: Hhh, ich weiß warum. […] Michael: Äh, des sind doch viel mehr Sterndeuter. Also. (bezieht sich auf das Buch, das er mitgebracht hat) […] 1051 Das Wissen um die Reaktion Michaels auf solche Impulse nutzt die Lehrperson teilweise gezielt, um Michael ins Gespräch einzubinden und somit sein großes Vorwissen für die Gesamtgruppe urbar zu machen. Allerdings versucht sie immer wieder auch, ihn nur einen Aspekt nennen zu lassen und dann andere Schülerinnen und Schüler ergänzen zu lassen. Ziel ist ein Sammeln von Schüleräußerungen, keine Nacherzählung eines einzelnen Schülers, so dass der Charakter eines gemeinsamen Gesprächs erhalten bleibt. 1052 Vgl. Gesprächsprotokoll »Sterndeuter bringen Geschenke« in Kapitel 7.1.3.1.

Michael – Individuelle Entwicklung

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Michael: Des sind viel mehr Sterndeuter. Alle mit diesen Fernrohren sind Sterndeuter. […] Michael: (zählt) 6 – 7 […] Michael: Ja, weil die ham ja den Stern entdeckt. […] Michael: Aber eigentlich haben die auch ihre Namen später bekommen die ›Heiligen Drei Könige.‹1053

Gerade im Gesprächsprotokoll des »Spontanen Theologisierens zur Kreuzigung Jesu« zeigt sich, wie wichtig es für Michael ist, die Dinge richtig zu wissen. Das stellt er besonders heraus und hebt dadurch seine Aussagen von denjenigen anderer ab. Er scheint ihnen damit ein besonderes Gewicht geben zu wollen. Elena: Ich denke, dass er als Erwachsener ans Kreuz genagelt worden ist. Michael: Ich weiß es ganz genau. Als er erwachsen war. […] Im weiteren Verlauf des Gesprächs bestätigt er noch einmal Michael: Ich weiß es ganz richtig.1054 […] Michael: Und dann war da ein Engel am Grab. L: Aha. Und. Wer kann weiter erzählen? […] L: […] Und was hat der Engel gesagt zu den Frauen? Florian: Ja, ….. […] Ich weiß eigentlich gar nicht. Michael: Der hat gesagt, dass Jesus auferstanden ist.1055

Michael hat z. T. phasenweise Interesse sich einzubringen und ist dann sehr engagiert. Dann ist er wieder über weite Strecken unkonzentriert und scheint keine Lust zu haben, sich einzubringen, so z. B. im Gespräch »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« Die Lehrperson regt ihn dezidiert zwischenzeitlich an, indem sie sein Wissen anspricht. L: Was weißt du noch, Michael? Michael: Der musste sein Kreuz tragen. […] L: Weiß vielleicht sonst noch jemand was von dem Garten? Das stimmt, es kommt auch ein Garten in der Geschichte vor. Weiß vielleicht jemand was von dem Garten oder was Jesus in dem Garten gemacht hat? Michael: Ich weiß es. L: Was weißt du? Michael: Gebetet. Und dann kamen die Soldaten und ham ihn… 1053 Vgl. Gesprächsprotokoll »Jesus als größter König« in Kapitel 7.1.4.1. 1054 Vgl. Gesprächsprotokoll »Spontanes Theologisieren zur Kreuzigung« in Kapitel 7.3.1. a). 1055 Vgl. Gesprächsprotokoll »Spontanes Theologisieren zur Kreuzigung« in Kapitel 7.3.1 a).

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

L: Und wieso hat Jesus da noch mal gebetet in dem Garten, was denkt ihr? Michael: Weil er nicht sterben wollte.1056

Eigene Vorstellungen

Michael: Die drei Sterndeuter waren auch Geschenke von Gott. L: Wer war auch Geschenke von Gott? Michael: Die drei Sterndeuter. L: Was? Michael: Die Drei Heiligen Könige. L: Die waren Geschenke von Gott? Michael: Die sind ja von, die sind ja geboren, und Gott hat die ja gemacht.1057 L: Also ganz in sich drin, in seinen Gedanken vielleicht? (Michael abgelenkt, unaufmerksam, folgt dem Gespräch nicht und rutscht sehr unruhig auf seinem Stuhl herum) Versuch, ihn wieder einzubinden. Michael, wie denkst du merkt Gott, was da passiert? Michael: Er sieht des.1058

Angesichts des im Blick auf die Gesamtgruppe sehr intensiven Gesprächs, an dem viele Schülerinnen und Schüler beteiligt sind1059 und zwei unterschiedliche Konstruktionsstränge weiterentwickeln ist es fast überraschend, dass Michael, der sich im Blick auf Wissen häufig sehr gut einbringt, abgelenkt und unaufmerksam wirkt. Es handelt sich jedoch nicht um einen Einzelfall, unkonzentriertes Verhalten ist öfter festzustellen. –das obige Beispiel zeigt jedoch – wie auch die Interviews, dass Michael zu eigenen Konstruktionsprozessen fähig ist. Er ist jedoch gerade im Blick auf ko-konstruktive Prozesse nicht so aktiv, wie man auf der Basis seines Wissens möglicherweise erwarten würde. Auch das Gespräch über die Frage nach der Auferweckung Jesu stellt ein sehr intensives Nachdenken einer Vielzahl von Schülerinnen und Schülern dar. Michael ist dort zwar beteiligt, aber nicht so intensiv wie andere. Michael: Traurig. […] Michael: Ich bin traurig, dass Jesus gestorben ist.1060 L: Was haben denn jetzt die Freunde damit zu tun? Können die Freunde Jesus wieder auferwecken zum Leben? (Aufgriff Schülervermutung) Michael: Nein. L: Warum nicht? 1056 Vgl. Gesprächsprotokoll »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1. b). 1057 Vgl. Gesprächsprotokoll »Was haben Geschenke mit Weihnachten zu tun?« in Kapitel 7.1.3.1. 1058 Vgl. Gesprächsprotokoll »Dilemmageschichte Sturmstillung« in Kapitel 7.2.1. 1059 Vgl. dazu Kapitel 7.2.2.4 Ko-Konstruktionsprozesse. 1060 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Michael: Weil’s nicht geht. L: […] Erklär’s mal. Ich weiß nicht, wer das letztes Mal gesagt hat, aber erklär mal dem Kind, warum es vielleicht nicht geht. Michael: Mia: versucht zu erklären.1061

Zusammenfassende Beobachtungen zum Gesprächsverhalten von Michael Michael bringt sich am liebsten mit Wissensbeiträgen ins Gespräch ein. Er reagiert insbesondere auf Impulse der Lehrkraft, die auf Wissen abzielen. Deutlich geringer ist seine Bereitschaft, eigene Vorstellungen einzubringen. Es ist nicht ersichtlich, ob er entweder keine eigenen Gedanken bildet oder aber diese nicht in der Gruppe preisgeben will. Auffallend ist jedoch, dass er im Einzelgespräch bei Nachfragen durchaus in der Lage ist, Vorstellungen über Jesus Christus zu äußern. Michael ist nicht in allen Gesprächen gleichermaßen beteiligt. Hin und wieder muss er auch ermahnt und zur Konzentration zurückgeführt werden. Im Blick auf sein Wissen ist Michael ein Protagonist der Gruppe und alle können von seinem Wissen profitieren. Bezüglich Konstruktionsprozessen ist er jedoch kein Protagonist. 8.6.2.2 Beobachtungen an exemplarisch ausgewählten Materialien des Portfolios Selbsteinschätzung »Kenntnisse über Geschichten von Jesus Christus« Zu Beginn der Jesus-Einheit in Klasse 1 und Klasse 2 wählt Michael Bilder aus ihm bekannten Jesuserzählungen aus und gestaltet damit anschauliche Wissenslandkarten, die der Lehrkraft Rückschlüsse auf ihren jeweiligen Vorwissensstand ermöglicht und ihm selbst seinen eigenen Lernfortschritt visualisiert. Leider können die Landkarten aus Urheberrechtsgründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Stattdessen folgt eine tabellarische Übersicht mit Anmerkungen. Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der ersten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Heilung Bartimäus – Heilung Gelähmter – Großer Fischfang – Sturmstillung – Speisung der Fünftausend

Bilder zu folgenden Jesuserzählungen wurden zu Beginn der Unterrichtseinheit in der zweiten Klasse ausgewählt – Geburt Jesu – Sterndeuter – Heilung Bartimäus – (Heilung Gelähmter) – (Großer Fischfang) – Sturmstillung – Speisung der Fünftausend

1061 Vgl. Gesprächsprotokoll »Wer hat Jesus auferweckt?« in Kapitel 7.4.1.

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Fortsetzung – Verlorenes Schaf – Einzug in Jerusalem – Letztes Abendmahl – Jesus in Gethsemane – Verhaftung Jesu – Kreuzigung Jesu – Auferstehung Jesu Michaels Selbsteinschätzung bezüglich seines Vorwissens entspricht den von ihm im Vorschulinterview erhobenen Daten. Er gibt an, praktisch alle im RU der Klassenstufen 1 und 2 zu thematisierenden Geschichten von Jesus bereits zu kennen. Durch teilnehmende Beobachtung konnte festgestellt werden, dass seine große Vorkenntnis Michael mit Stolz erfüllt.1062 Michaels sehr großes Vorwissen im Vergleich mit den anderen oben dargestellten Fallbeispielen zeigt, wie groß die Heterogenität innerhalb der Klasse ist. Speziell Schülerinnen und Schüler wie Michael stellen die Lehrperson vor die Frage, welche Aufgaben sie stellen können, die noch spannend sind für ein Kind, das alle Geschichten bereits kennt. Es müssen zwangsläufig andere sein als bei einem Kind, das mit rudimentärem Vorwissen in die Klasse kommt.

– Verlorenes Schaf – Einzug in Jerusalem – Letztes Abendmahl – Jesus in Gethsemane – Verhaftung Jesu – Kreuzigung Jesu – Auferstehung Jesu Die Selbsteinschätzung zu Beginn der Unterrichtseinheit »Jesus Christus« in der zweiten Klasse bestätigt das Bild von Michael. Zu diesem Zeitpunkt klebt er alle Bilder auf das AB »Diese Geschichten kenne ich von Jesus«. Er tut dies allerdings lieblos, als fände er die Aufgabe sehr langweilig – was sie angesichts seines Vorwissens objektiv auch ist.1063

Fähigkeit, eigene Vorstellungen über Jesus auszudrücken: Interessant ist bei Michael jedoch auch, dass sein großes Vorwissen in auffälligem Gegensatz zu seiner Fähigkeit steht, spontan eigene Vorstellungen über Jesus zu bilden. Von zwei Sprechblasen, in denen er seine Gedanken zu Jesus äußern soll, füllt er zunächst eine mit den Worten »Mir fällt nichts ein« aus. Erst auf der Basis einer direkten Aufforderung und Ermutigung durch die Lehrkraft 1062 Das wurde ersichtlich aus der Art und Weise wie er das fertige Arbeitsblatt der Lehrperson präsentierte, die ihm daraufhin eine positive Rückmeldung gab. 1063 Diese Aufgabe hätte er in einem normalen – differenzierenden – Unterricht nicht erhalten müssen, da er ja bereits in Klasse 1 angab, alle Erzählungen zu kennen, was durch das Vorschulinterview und seinen Beteiligung an theologischen Gesprächen bestätigt wurde. Als Proband dieser Studie musste er die Aufgabe jedoch erledigen, damit an dieser Stelle alle Schülerinnen und Schüler verglichen werden können. Die Folge seiner nachlässigen Arbeitshaltung war jedoch, dass einige Bildchen im Lauf der Zeit einfach abfielen. Durch teilnehmende Beobachtung konnte jedoch registriert werden, dass ursprünglich alle Bildchen aufgeklebt waren.

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(insistiert auf sein großes Vorwissen)1064 füllt er die zweite Sprechblase aus. »Ich liebe Jesus und die Bibel« Dies ist eine sehr persönliche Aussage, fast ein Bekenntnis. Zu überlegen ist, ob sein Zögern, die Sprechblasen auszufüllen eher aufgrund der Intimität seiner Gedanken als auf mangelnder Fähigkeit und Bereitschaft beruht.

Wer ist Jesus? Was denkst du? Mir fällt nichts ein. Ich liebe Jesus und die Bibel.

Aufschlussreich ist in diesem Kontext Michaels Bearbeitung des Vergleiches Herodes – König Jesus, in dessen Zusammenhang auch explizit nach bilischen Erzählungen gefragt wurde, die dazu erinnert werden.1065 Es gelingt Michael an dieser Stelle drei Erzählungen mit der Aufgabenstellung zu verknüpfen. So ist Herodes: Gemein, böse, blöd. So ist Jesus: Gut, gerecht, heilt, hilft. Welche Geschichten aus der Bibel fallen dir dazu ein? Er hat Bartimäus geheilt. Er hat den Gelähmten geheilt, er hat Maria von Magdala geholfen. Jesus als Heiler Michaels Bedürfnis, zunächst eine ›sichere‹ im Sinne der Tradition vorgegebene Antwort zu geben zeigt sich bereits im Blick auf die erste thematisierte Heilungsgeschichte von Bartimäus, die Michael laut Vorschulinterview bereits kennt.1066 Blinder Bartimäus: ›Jesus, heile mich.‹ Sehender Bartimäus: ›Kann ich wieder sehen.‹ 1064 Teilnehmende Beobachtung ermöglichte einen Vermerk auf der Rückseite des AB’s. 1065 Vgl. Kapitel 7.1.5.2.2 Konstruktionsergebnisse auf der Basis theologischer Gespräche. 1066 Im Unterricht stand für Michael und andere Schülerinnen und Schüler mit großem Vorwissen auch eine andere Aufgabe bereit, die er ebenfalls erledigte. Er bearbeitete jedoch auch dieses Arbeitsblatt.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

König Herodes und König Jesus im Vergleich

Auf die Frage »Wieso kann Jesus Bartimäus helfen?« antwortet Michael: Weil Jesus heilig ist.

Für Michael ist das Einbringen religiösen Sprachgebrauchs nicht ungewöhnlich, vergleiche insbesondere sein Interview am Ende der zweiten Klasse. Schade ist, dass an dieser Stelle nicht nachgefragt werden kann, wie er die Bedeutung von ›heilig‹ versteht. Aufschlussreich ist auch Michaels fiktiver Brief an den Gelähmten in Klasse zwei, in dem er ihm von Jesu Geburt schreibt. Lieber Gelähmter. Jesus wird geboren und wird dich heilen.

Der Brief an den Gelähmten ist sehr kurz. In ihm zeigt sich die Vorstellung, dass Jesus Kranke heilen kann. Auf der Basis des Vorschulinterviews sowie der Selbsteinschätzung Michaels zu Beginn der Jesuseinheit kann davon ausgegangen werden, dass diese Vorstellung wissensgesättigt ist, das heißt auf der Kenntnis von Geschichten beruht, in denen Jesus als Heiler wirkt. Interessant ist auch, was Michael zu dem Brief malt, ein Kreuz und vier Kerzen. Ob sich die Kerzen auf den Adventskranz beziehen oder für Jesus als Licht der Menschheit stehen, vgl. Interview am Ende des zweiten Schuljahres oder etwas ganz anderes ausdrücken, bleibt unklar. Interessant ist jedoch, dass Michael die Geburt Jesu, von der er in dem Brief an den Gelähmten ja schreibt und den Tod Jesu (Kreuzessymbol) offensichtlich in Zusammenhang bringen kann.

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Lieber Gelähmter! Jesus wird geboren und wird dich heilen.

In Klasse zwei schreibt er zur Frage, ob Jesus in Gottes Namen Schuld vergeben kann: Michael verweist hier zunächst auf die Gottessohnschaft, was im Folgenden auch bei der Sturmstillung erkenntlich wird. Sie scheint offenbar eine Art spontane Erstreaktion darzustellen. Erst im Anschluss daran, differenziert er seine Vorstellung aus. Jesus ist auch ein besonderer Mensch. Hier scheint ein Nebeneinander von Jesus als wahrem Mensch und wahrem Gott auf, das jedoch noch nicht reflektiert ist. Michael geht wohl davon aus, dass Jesus in irgendeiner Form Nachricht von Gott erhält. Auch hier ist eine Analogie zur Sturmstillung erkennbar im Sinne von ›Gott gibt Jesus Kraft‹ oder ›Gott sagt ihm, was er sagen soll‹. Jesus als Wundertäter – Sturmstillung Auf der Basis der in der ersten Klasse erzählten Dilemmageschichte zur Sturmstillung und des theologischen Gesprächs1067 im Anschluss daran malt

1067 Vgl. Gesprächsprotokoll in Kapitel 7.2.1. und 7.2.2.5 Konstruktionsergebnisse auf der Basis des theologischen Gesprächs.

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Darf Jesus das? Ja, er darf das, weil er der Sohn von Gott ist. Und ein besonderer Mensch ist. Er darf das, weil er eine Nachricht kriegt. Ó 2010 Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart und Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig.

Michael ein sinkendes Schiff, nur sein schriftlicher Kommentar zeigt, dass die Erzählung gut ausgeht. Auffallend ist, dass Michael ganz klar zwischen der Dilemmageschichte und der biblischen Erzählung der Sturmstillung trennt. Er schreibt dezidiert von den Schiffern, die kentern, verwechselt diese nicht mit den Jüngern.1068 Er wählt von allen Kindern den relativ realistischsten Ausgang des Geschehens, in dem Jesus als besonders hilfsbereiter Mensch wahrgenommen wird, der aber nicht im Alleingang handelt, sondern gemeinsam mit anderen Leuten. Auf einem AB zur Sturmstillung1069, das aus einer Lernumgebung der zweiten Klasse stammt und die Schüler/innen dazu anregen soll, eigene Gedanken über Jesus zu entwickeln, formuliert Michael

1068 Das wird im Interview Ende der zweiten Klasse noch einmal deutlich. Michael weiß, dass es irgendwie zwei Geschichten gibt und weiß nicht, welche er zuerst erzählen soll. Vgl. Transkript Michael in 11.3.6.2. 1069 Das Arbeitsblatt konnte nicht abgdruckt werden, da keine Abdruckgenehmigung vorliegt.

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»Die Schiffer kentern. Jesus hilft ihnen. Er fährt mit anderen Leuten auf den See.«

Die Jünger haben Angst. Jesus schläft mitten im Sturm. Wieso hat er keine Angst? 1. Weil er Gottes Sohn ist. 2. und dass er weiß, dass der Sturm wieder aufhört. Die Jünger wecken Jesus. Was denkst du, warum? Weil sie Angst hatten. Wie kann Jesus seinen Freunden helfen? Wer ist Jesus? Er spricht mit Gott im Schlaf und als er aufgestanden ist spricht er mit dem Sturm. Sagt diese Geschichte etwas über Gott? Ja, weil er dem Jesus Kraft gegeben hat. Dass wieder Ruhe einkehrt.

Michael verwendet den Sohn-Gottes-Titel als Erklärung. Zunächst in einem normativen Sinne. Das stimmt mit seinen Interviews überein. Im Prinzip scheint damit erst einmal alles gesagt. Dann erweitert Michael seine Aussage. ›Jesus weiß, dass der Sturm wieder aufhört‹, was zu seiner weiter unten geäußerten Vorstellung passt: ›Er spricht mit Gott im Schlaf‹ und ›Gott gibt Jesus Kraft, dass Ruhe einkehrt‹. Zusammenfassende Beobachtungen zu Michaels Portfolioarbeit1070 Bei allen Schülerinnen und Schülern wurden dieselben Materialien herangezogen, um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Die ausgewählten Materialien zeigen bei Michael nicht unbedingt sein Gesamtverhalten im Blick auf die Portfolioarbeit.1071 Insgesamt fiel Michaels eher gering ausfallende Motivation 1070 An dieser Stelle wird das gesamte Portfolio von Michael berücksichtigt, das leider nicht vollständig abgedruckt werden kann. Auf diese Weise soll das Gesamtbild seiner Entwicklung erweitert werden. 1071 Im Sinne der methodischen Triangulation werden nun Beobachtungen der Lehrperson hinzugezogen, die sich nur durch ihre Anwesenheit im Unterricht machen ließen.

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zur Erledigung von Aufgaben für das Portfolio auf. Er nahm immer wieder eine Haltung ein, die man mit ›Kenn ich schon, ist nicht mehr interessant‹ umschreiben könnte. Das ist im Blick auf einige Angebote der Lernumgebung verständlich. All jene Aufgaben, die auf Schülerinnen und Schüler mit geringen Vorkenntnissen ausgerichtet sind, müssen ihm zwangsläufig langweilig erscheinen. Interessant war jedoch, dass Michael diese Haltung auch auf Aufgaben übertrug, die die theologische Kompetenz ansprechen, bei denen eigene Gedanken gefordert waren, die sich gerade nicht auf Wissensaufbau beziehen, sondern auf den flexiblen Umgang mit Wissen. Er zeigte jedoch auch daran meist nur mäßiges Interesse und musste immer wieder extrinsisch motiviert werden. Das gelang meist dann, wenn man sein großes Vorwissen lobend erwähnte und damit verbunden die Erwartung äußerte, dass er die gestellte Aufgabe besonders gut lösen könne. Gerade bei einigen der oben gewählten Aufgaben war dies der Fall. Insgesamt muss man jedoch konstatieren, dass Michaels Portfolio weniger Arbeitsblätter enthält als das anderer Schülerinnen und Schüler und vor allem weniger, als man von ihm erwartet hätte.

8.6.3 Ende der zweiten Klasse – Gebildete Wissensbestände und Vorstellungen 8.6.3.1 Außerschulische Rahmenbedingungen – Bedeutung des Religionsunterrichts1072 Michael ging in den zwei Jahren seit dem Vorschulfragebogen nicht in die Kinderkirche, aber mindestens einmal monatlich in die Jungschar. Zuhause stehen ihm die Neukirchner Kinderbibel sowie die Dänische Kinderbibel u. a. zur Verfügung. Ihm werden oft biblische Geschichten vorgelesen, auch durch die Großeltern. Das deckt sich bereits mit Michaels Angaben im Vorschulinterview. Michael interessiert sich gemäß des Elternfragebogens für das Portfolio zum Thema Jesus Christus. Die Eltern gaben an, dass er es zuhause gezeigt hat.1073 Besonderes Interesse an bestimmten Themen geben die Eltern nicht an. Die Eltern bejahen die Frage nach der Äußerung von Gedanken zu theologischen Inhalten und geben an, dass Michael explizit kritische Fragen stellt.

1072 Dieses Unterkapitel wurde auf der Basis des zweiten Elternfragebogens Ende des zweiten Schuljahres erstellt. Vgl. im Anhang 11.1.3. 1073 Diese Beobachtung der Eltern stimmt nicht mit dem im Unterricht gezeigten Arbeitsverhalten bezüglich des Portfolios überein.

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8.6.3.2 Beschreibung des entwickelten Wissensstandes auf der Basis des Interviews Ende der zweiten Klasse unter Einbezug der Aspekte ›narrative Fähigkeit‹, ›Vernetzung der Wissensbestandteile‹ und ›bereits gebildete christologische Vorstellungen‹ Sehr interessanter Weise gibt Michael als einziger Schüler an, die Geschichten von Jesus ausschließlich aus der Bibel und aus der Kirche zu kennen. Er nennt den Religionsunterricht nicht. Die Weihnachtserzählung kann Michael nun mit nahezu allen Einzelheiten folgerichtig und flüssig präsentieren, sowohl nach Lukas als auch nach Matthäus. Nachfragen der Interviewerin dienen dem Zweck, die Tiefe der Kenntnisse auszuloten. Fast immer kann Michael daraufhin noch Einzelheiten benennen. Das einzige Detail, das ihm nicht präsent ist, ist die Stadt Nazareth. Die Unsicherheit aus dem Vorschulinterview ist mittlerweile verschwunden, er verknüpft nun korrekt die Hirten mit der Engelbotschaft ›Fürchtet euch nicht. Ein neuer König ist geboren‹ sowie die Sterndeuter mit dem Stern. Er erzählt spontan auch die Begegnung der Sterndeuter mit Herodes inklusive Gespräch sowie Traum und Umweg bei der Rückkehr. Und er ergänzt die Weihnachtserzählung im Nachhinein um die Botschaft des Verkündigungsengels an Maria. Michael gibt auf Nachfrage an, dass Jesus ein ›ganz bescheidener König‹ ist. ›Man erkennt gar nicht, dass es ein König ist‹. Seiner Ansicht nach macht sich Jesu Königswürde daran fest, dass er ›andere Menschen heilen kann‹. Für Michael ist Jesus ganz klar der ›Sohn von Gott‹. Nachdem er zunächst eine Erklärung verweigert, gibt er als Begründung im zweiten Anlauf an, dass Gott ihn Maria und Josef [nur] gegeben hat. Er begründet weiterhin mit der Bibel, in der es immer heißt, dass Jesus Gottes Sohn ist. Michael erzählt sowohl die Erzählung der Heilung des Bartimäus als auch diejenige der Heilung des Gelähmten flüssig und folgerichtig. Bei Bartimäus lässt er die Reaktion der Umstehenden auf Bartimäus Rufen aus. Beim Gelähmten ergänzt er die Erzählung der Heilung durch die aufkommende Frage der Umstehenden, ob Jesus nun heilen darf oder nicht sowie um Jesus Reaktion darauf. Hieran erinnert er sich sehr detailliert, zitiert Jesu Worte und beschreibt sein Handeln sehr genau. Er kennt auch noch die Heilung der Maria von Magdala. Er begründet Jesu Fähigkeit, Kranke zu heilen mit seiner Gottessohnschaft, ›weil er halt der Sohn von Gott ist‹ sowie mit seiner Besonderheit für alle Menschen. Er gibt zunächst an, dies nicht erklären zu können. Stattdessen bezeichnet er Jesus noch als ›Licht der Menschheit‹ sowie als ›das Brot der Menschheit‹. Hier fällt Folgendes auf. Michael kennt zahlreiche religiös und biblisch geprägte Begriffe für Jesus. Er zieht es vor, diese als Erklärung anzugeben, lehnt dagegen zunächst meist ab, seine Gedanken in eigene Worte zu fassen. Die Interviewerin insistiert weiter, fragt, ob Jesus alleine heilen kann.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Michael gibt an, dass sein Glaube ihm dabei hilft. Nach einer Erklärung befragt bezieht er sich wieder auf ihm geläufige religiös geprägte Begriffe, Jesus sei der ›Sohn von Gott‹ er sei ein ›Heiliger‹, sein Glaube helfe ihm sowie sein Herz. Nicht ganz klar ist für mich, ob Michael den Glauben Jesu oder den Glauben des Kranken meint. Da er gern auf biblische Begriffe rekurriert könnte dies auch meinen ›Sein Glaube hat ihm geholfen‹. Neu, also im Sinne einer Eigenproduktion ist jedoch die Hilfe des Herzens. Die Kindersegnung ist Michael präsent. Er erzählt sie flüssig. Einzig die Motivation, warum die Kinder zu ihm kommen erzählt er anders. Nach ihm sagt Jesus ›Holt mir die Kinder‹. Er gibt an, dass segnen etwas ist, das nur heilige Menschen tun dürfen. Hier sieht er Pfarrer in der Tradition Jesu auch als heilige Menschen. Er gibt an, dass Freunde Jesus begleiteten, weil er sie erstens geheilt hat, weil sie ihn zweitens toll fanden und weil sie ihn drittens mögen. In Folge kommt er in Schwierigkeiten, weil er gleichzeitig mehrere Erzählungen beginnen will, den großen Fischfang und die Sturmstillung. Er kann dann jedoch beide folgerichtig erzählen. Er ergänzt, dass auch Jesu Hilfe beim Fischfang ein Grund für das Mitgehen der Freunde war. Er weiß, dass Jesus müde war und geschlafen hat. Zuerst gibt er an, dass Jesus keine Angst hat, weil man das seinem Gesicht auf dem Bild ansieht. Er geht jedoch davon aus, dass Jesus auch als er aufwacht keine Angst hat, weil er ›weiß, dass Gott bei ihm ist bei jedem Tag‹. Jesus kann seiner Ansicht nach den Sturm stillen, weil er ›der Sohn vom Schöpfer‹ ist. Interessanterweise spricht er an dieser Stelle nicht einfach nur vom ›Sohn Gottes‹ wie bereits häufiger, sondern vom Sohn des Schöpfers. Diesmal ist er auch bereit, dies näher zu erklären. Er spricht vom Herrscher über Himmel und Erde. Nicht ganz klar ist, ob er damit Gott oder Jesus meint. Für ihn steht jedoch fest, dass Jesus deswegen den Sturm stillen kann. Spontan schließt Michael die Erzählung von den fünf Broten und den zwei Fischen an, die er folgerichtig und sehr detailliert erzählt. Er begründet die Brotvermehrung damit, dass Jesus heilig ist und daraus halt mehr gemacht hat. Wie schon häufig bezieht er sich auf einen religiös geprägten Begriff, den er jedoch nicht mit eigenen Gedanken verknüpft. Michael weiß, dass es sich bei der Erzählung vom Hirten und den 100 Schafen um ein Gleichnis handelt. Er erzählt es knapp. Er kann den Gleichnischarakter auch ausführlich erklären. Er gibt an, dass Jesus deswegen Geschichten von Gott erzählen kann, weil er Gott sehr gut kennt und weil er halt sein Sohn ist. Die Passions- und Ostergeschichte kann Michael ausgesprochen detailliert und folgerichtig darstellen. Er benötigt dazu auch keine Bilder, kann immer flüssig weitererzählen. Interessanterweise bezieht er eine kleine Diskussion aus dem Unterricht in den Erzählkontext ein (›Wieso nicht ein Pferd? Da hat er gesagt: Ein Esel. Weil er halt bescheiden sein will und so‹). Über den Unterricht

Michael – Individuelle Entwicklung

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hinausgehend bezieht er die Perikope Jesus im Tempel mit ein. Er weiß vom Hohenpriester sowie von Pilatus, ist nur unsicher, ab wann Pilatus Handlungsträger ist. (Ordnet das Erkennen der Unschuld Jesu sowie die Abstimmung Jesus – Verbrecher im Erzählfluss weiter dem Hohepriester zu, auf Nachfrage jedoch korrekterweise Pilatus. Interviewer fragt nur nach ›Wer? Wer war des?‹ Den Namen Pilatus bringt Michael selbst ins Gespräch ein.) Eine winzige Unsicherheit zeigt er im Blick auf den Namen des Verräters (Judas oder Petrus). Die Auferstehungsgeschichte mit den drei Frauen kann Michael ebenfalls detailliert wiedergeben, auch mit Details, die er nicht aus dem Unterricht kennen kann, z. B. Furcht vor den Engeln. Dasselbe gilt für die Auferstehungsperikope um Maria von Magdala. Für Michael ist Jesus ein besonderer Mensch, wobei er dies auf Nachfrage nicht erklären kann, bzw. will. Bei der Entscheidung Gott oder Mensch gibt er an, Jesus wollte nur wie ein Mensch aussehen, ist aber kein Mensch wie du und ich, sondern ein besonderer Mensch, ein sehr besonderer. Zusammenfassend kann man sagen, dass Michael über extrem detailliertes Wissen in Bezug auf Jesus verfügt. Er kann alle im Rahmen dieser Studie – orientiert am Bildungsplan BW – abgefragten Geschichten folgerichtig und flüssig erzählen, bietet auch Detailwissen, das so nicht im Unterricht erzählt wurde. Auch im Blick auf seine Theorien kann er auf religiös biblisches Wissen zurückgreifen. Auffallend häufig verwendet er religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, heilig, Gleichnis, Licht der Menschheit….) Allerdings fällt auf, dass er diese Begriffe häufig nicht mit eigenem Inhalt zu füllen vermag. Im Vergleich zu seinem Vorwissen, scheinen seine Vorstellungen von Jesus Christus nicht mitzuhalten.

Passion Jesu Auftrag Jesu ‚Holt Esel’ – weil bescheiden Nach Jerusalem geritten, Palmwedel, Kleider auf Straße, Jesus hilft Menschen + erzählt von Gott, wollte im Tempel beten, wirft Tische um, betet, feiert Abendmahl mit Jüngern, teilt Brot, und Wein ‚Denkt an mich, wenn ihr Brot teilt’ In Garten gegangen, Jesus betet zu Gott ‚Wieso lässt du mich sterben’, Jünger schlafen, Soldaten kommen, nehmen Jesus fest, zum Hohenpriester – Gespräch, sieht Jesu Unschuld, Abstimmung. JesusVerbrecher? Verbrecher raus – Pilatus denkt ‚Was hab ich getan’, Judas od. Petrus hat verraten, Geld bekommen, Kuss, Pilatus gibt Auftrag ‚Kreuzigung’, Jesus trägt Kreuz, Berg, genagelt, Dornenkrone, ausgelacht, Jesus hat Durst, Schwamm voll Essig, ins Grab gelegt

Auferstehung Jesu Jesus sagt vor Tod ‚Nach 3 Tagen lebendig’, nach 3 Tagen, 3 Frauen (Maria v. Magdala), wollen einsalben, waren traurig, ‚Wie Stein weg?’ Stein war weg, Engel – Angst gehabt, ‚Herr ist zum Leben erweckt’, wurden fröhlich, Jüngern erzählt Maria zum Grab, sucht Jesus, Engel ‚Wieso weinst du?’ Maria ‚ Finde Jesus nicht’, Engel sagt ‚Jesus zum Leben auferstanden’, Maria kann es nicht glauben, hinter ihr Jesus – denkt der Gärtner, ‚Hast du Jesus weggetragen?’, Jesus sagt ‚Maria’ Maria sagt‚Herr’, ‚Ich bin auferstanden – gehe zu meinem Vater in den Himmel. Sage es den Jüngern’. Dann war er weg.

Jesus und Kinder Jesus ‚Holt mir die Kinder’ Jünger ‚Nein’, Frauen bringen Kinder, Jesus segnet sie Heilige segnen – Jesus, Pfarrer Jesus und Freunde Weil er sie geheilt hat / geholfen hat und sie fanden ihn toll/ mochten Jesus Fischer – nichts gefangen – Jesus ‚Fahrt nochmal am Tag’ viel gefangen Jesus erzählt von Gott Hirte – 100 Schafe, eins läuft weg, Hirte sucht, findet, bringt geborgen zurück, Gleichnis – Jesus Hirte, wir Schafe, liebt auch, wenn weggelaufen, ausgestoßen, geborgen zurück – Gottes Sohn, kennt Gott sehr gut

Jesus sehr besonderer Mensch, wollte wie Mensch aussehen, aber kein Mensch wie du und ich

Geburt Jesu Engel zu Maria ‚Sohn soll Jesus heißen’ Maria + Josef müssen in Heimatstadt – Zählung, schwanger, auf Esel, Herberge gesucht, Scheune, Kind geboren, Hirten sehen Engel ‚Fürchtet euch nicht – neuer König geboren’, Sterndeuter folgen dem Stern, Gold, Myrrhe, Weihrauch, fragen Herodes nach neuem König, sagt ‚Kommt zurück – will Kind auch sehen, Engel im Traum ‚Nicht zu Herodes gehen’, Umweg König - kann heilen, bescheiden Sohn von Gott – gibt ihn Maria und Josef , in der Bibel heißt es ‚Gottes Sohn’

Wunder Jesu Freunde und Jesus im Boot, Jesus eingeschlafen, Gewitter, Wellen hoch, Jesus aufgeweckt, hat die Wellen gebändigt Jesus schläft, weil er müde ist, Jesus keine Angst, weiß, dass Gott bei ihm ist, Sohn vom Schöpfer, deshalb kann er es Jesus kam auf Wiese, hat gepredigt und von Gott erzählt, abends viele Menschen, die hatten Hunger, Jesus zu Jüngern ‚ Kauf et was’ Jünger nur 5 Brote und 2 Fische, Jünger verteilen an Menschen im Auftrag Jesu, 12 Körbe übrig Weil Jesus heilig ist, hat daraus mehr gemacht, dass alle satt wurden

Heilungen Jesu Bartimäus – blinder Mann, bettelt, Jesus in der Stadt, Bartimäus hört es und ruft ‚Jesus’ , Jesus hört, kommt ‚Was rufst du mich?’, ‚Heile mich’, Jesus heilt, kann sehen Gelähmter – Freunde tragen ihn, Jesus in Haus, viele davor, Freunde ‚Jesus kann dich heilen’, Gelähmter ‚Glaube ich nicht’, kein Platz, Dach aufgemacht, runtergelassen, Heile mich’, andere sagen ‚Er darf’ – ‚Er darf nicht’ Jesus ‚Verzeihen leichter oder heilen?’ heilt ihn, ‚Nimm Matte, geh deinen Weg’, G. freut sich Jesus heilt Maria von Magdala Heilt – Sohn von Gott und besonders Licht + Brot der Menschen Heiliger und Sohn von Gott Glaube + Herz hilft ihm dabei

426 Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

8.6.3.3 Strukturierte Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende des zweiten Schuljahres

Michael – Individuelle Entwicklung

427

8.6.4 Tabellarische Übersicht über die christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und Ende des zweiten Schuljahres mit Anmerkungen zur Entwicklung Vor Schuleintritt Jesus als Sohn Gottes

Jesus als König/ Heiland

Nach zwei Jahren Entwicklung Religionsunterricht – Gott hat es ge– Jesus ist der Sohn – Auffallend ist der macht, dass des von Gott intensiv religiös ge[das oder dieses?] – In der Bibel heißt prägte SprachgeBaby auf die Welt es immer ›Gottes brauch, den Michael kommt Sohn‹ nach zwei Jahren – Weil es auch Jesus – Gott hat ihn Maria verwendet. Für ihn ist wird nicht und Josef gegeben spielt diese geprägte näher erklärt, verSprache eine wichtimutlich. im Sinne ge Rolle, er verwenvon ›ist besonders‹ det z. B. die Titel Jesu fast normativ. Speziell biblische Sprache wird normativ verwendet – Der Begriff ›Sohn Gottes‹ wird auf direkte Nachfrage nicht in eigenen Worten erklärt, an anderer Stelle aber im Sinne von Gott als derjenige, der Jesus an Maria und Josef gibt – Jesus ist ein König – Neben dem Sohn(sagen die Engel, Gottes-Titel fällt die erkennen die Verwendung einer Sterndeuter) Vielzahl von Titeln – Jesus als bescheiauf, die meistens dener König, nicht selbstständig eingezu erkennen bracht, aber inhalt– König, weil er anlich nicht gefüllt dere Menschen werden heilen kann – Der Königs-Titel – Jesus als Licht der kann mithilfe von Menschheit/ Brot biblischem Wissen der Menschen (Engel, Sterndeuter, – Dreifache VerHeiler) erklärt werwendung des reliden sowie mit Jesu giös geprägten Bescheidenheit, die Begriffs (Jesus als an zwei Stellen unHeiliger, heilig, abhängig voneinanheiliger Mensch) der erwähnt wird (und die definitiv im

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung Vor Schuleintritt

Nach zwei Jahren Religionsunterricht

Entwicklung



Jesus als Heiler

– Jesus heilt, weil er der Sohn von Gott ist – Jesus heilt mit Gottes Hilfe – Jesus betet, Gott versteht es, Gott macht, Jesus sagt, was Gott ihm sagt – Mit Zaubermagie

– Jesus heilt, weil er der Sohn von Gott ist – Jesus heilt, weil er ein Heiliger ist – Kann heilen, weil er etwas Besonderes für alle Menschen ist – Sein Glaube hilft ihm (unklar, ob Jesu Glaube oder der des Kranken) und sein Herz – Mensch zu heilen ist schwieriger als ihm zu verzeihen, Jesus heilt den Gelähmten





– –

– –

Unterricht thematisiert wurde) Religiös geprägte Sprache wird als normative Setzung behandelt, als Argument, das nicht weiter erklärt werden muss und offensichtlich nicht erklärt werden kann Heilendes Handeln mit religiös geprägter Sprache, bzw. mit Titeln Jesu begründet Argumente, die im Sinne von normativen Setzungen verwendet werden und offenbar keiner weiteren Erklärung bedürfen Eigenständige Idee entwickelt, Unklar, ob Rückgriff auf biblisches Detailwissen ›dein Glaube hat dir geholfen‹, oder ob eigenständige Weiterentwicklung der Besonderheit Jesu, Herz als Hilfe, ist jedoch eine eigene Weiterentwicklung Rückgriff auf detailliertes biblisches Wissen Interessant ist, dass die Denkweise, Jesus heilt mit Gottes Hilfe nach zwei Jahren beinahe verschwunden ist (auffällig v. a. im Blick auf die Deutungen anderer

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Michael – Individuelle Entwicklung

Fortsetzung Vor Schuleintritt

Nach zwei Jahren Religionsunterricht

Entwicklung

Kinder) Vor Schuleintritt kann Gottes Hilfe allerdings erst nach zweifachem Anlauf durch die Interviewerin näher erklärt werden, gleichzeitig wird ein magisches Verständnis für möglich gehalten/ beide Erklärungsansätze stehen unverbunden nebeneinander, eine Paradoxie wird nicht erkannt Jesus und die – Kinder gern bei – Jesus darf Kinder – Vor Schuleintritt Menschen Jesus, weil sie ihn segnen, weil er ein Rekurs auf biblilieben, weil er viele heiliger Mensch sches Wissen, nach ist gesund macht zwei Jahren Begrün– Freunde bei Jesus, – Freunde begleiten dung mit religiös Jesus, weil sie ihn weil sie ihn gern geprägtem Begriff, toll fanden und haben/ begleiten der nicht näher erihn mögen (eigene wollen klärt wird (Nur – Freunde bei Jesus, Idee) Pfarrer als Analogie) weil er Wunder – Freunde begleiten – Vorstellungen im machen kann – Jesus, weil er sie Blick auf Nachfolge kann sonst keiner/ geheilt hat bleiben stabil: Somerken, dass Gott – Jesus ist der Hirte, wohl Alltagserfahwirklich Wunder wir sind die Scharung (Freunde sind macht fe, wenn eins wegdie, die jemand gern läuft, bringt er es haben) als auch Regeborgen zurück, kurs auf biblisches wenn einer ausgeWissen (Jesus als Heiler, Wundertästoßen ist, liebt er ihn trotzdem ter) als Begründung herangezogen – Gleichnischarakter voll erfasst, Beispiel kann gebracht werden (Skeptische Rückfrage: Entstammt es der Alltagswelt oder übernommen von Erwachsenen, die Gleichnis so ausleg-

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Fortsetzung Vor Schuleintritt

Jesus als Wundertäter

– Gott macht das Eigentliche (im Blick auf Sturmstillung)

Nach zwei Jahren Religionsunterricht

Entwicklung

ten – s. Wortwahl ›geborgen‹ ›ausgestoßen‹) – Kann als Sohn des – Wiederholung der Schöpfers den Vorstellung, die sich Sturm stillen schon im Blick auf – Jesus ist heilig, Jesus Heilfähigkeit deshalb kann er gezeigt hat: Wähmachen, dass alle rend vor Schuleinsatt sind tritt mit Gottes Eingreifen (macht das Eigentliche) gerechnet wird, wird jetzt Jesus als allein Handelnder gesehen, begründet mit religiös geprägter Sprache/Titeln – Gottessohnschaft hier analog auf Sohn des Schöpfers übertragen – keine Erklärung der Argumente

Jesu Kreuzigung Jesu – Aus dem Grab Auferstehung weggeflogen zu Gott – Weil Jesus Wunder – Wollte wie ein Jesus als Mensch aussehen, besonderer macht Mensch – Ist wie Gott ist aber ein sehr sehr besonderer Mensch – Jesus kann gut von – Jesus kann von Jesu Gott erzählen, weil Beziehung zu Gott erzählen, weil Gott er bei Gott ist – er er Gott sehr gut ist in den Himmel kennt geflogen und war – Jesus kann von dann bei Gott Gott erzählen, weil – Jesus betet zu Gott, er der Sohn ist dass ihn die Sol– Jesus weiß, dass daten nicht festGott jeden Tag bei nehmen ihm ist – keine Angst trotz Sturm – Betet zu Gott,

– Vorstellung einer direkten Himmelfahrt – Vorstellung von Jesus eher als wahrer Gott, deckt sich mit Wunder- und Heilungsverständnis – Durchgängige Vorstellung einer engen Beziehung zwischen Gott und Jesus (kennt ihn gut) – Vor Schuleintritt explizit geäußerte Vorstellung, dass Jesus bei Gott ist (unklar, ob bereits im Sinne einer Präexistenz oder nur im Sinne einer direkten

Vergleichende Betrachtung der Fallanalysen

431

Fortsetzung Vor Schuleintritt

8.7

Nach zwei Jahren Entwicklung Religionsunterricht fragt, wieso er ihn Himmelfahrt, nach sterben lässt Jesu Tod) – Nach zwei Jahren wiederum normative Erklärung mit religiös geprägtem Titel ›Sohn Gottes‹ – Rekurs auf biblisches Wissen/ Fortgang der Erzählung

Vergleichende Betrachtung der Fallanalysen

Vic, die interessiert Fragende Betrachtet man Vics Entwicklung über zwei Jahre stellt man einen erstaunlichen Wissenszuwachs fest, sowohl quantitativ (Zuwachs an Erzählungen, Zuwachs an Details innerhalb einzelner Erzählungen) als auch qualitativ (spontanes Erzählen und Weitererzählen, folgerichtiges Erzählen, flüssiges Erzählen). Von einem Vorwissensstand, der eher als rudimentär zu bezeichnen ist, hat sich Vic deutlich zu einem mittleren Wissensstand weiterentwickelt. Auffallend ist aber ebenso ihre Entwicklung im Blick auf eigenständige Theoriebildung, die die tabellarische Übersicht noch einmal verdeutlicht hat. Es zeigen sich hierbei zahlreiche selbstständig hergestellte inhaltliche Verknüpfungen. Dabei lässt sich an verschiedenen Stellen eine beachtliche Fähigkeit erkennen in Paradoxien zu denken. Inwiefern der Unterricht dazu beigetragen hat, ist so ohne weiteres nicht festzustellen. Weitere Forschungsarbeiten wären dazu notwendig. Allerdings konnte man die Beobachtung machen, dass Vic in theologischen Gespräch durch häufiges Nachfragen auffiel, einerseits, um Dinge zu klären, andererseits um inhaltliche Tiefe zu erzeugen und dass sie sich bereitwillig auf Aufgaben der Lernumwelt einließ und intensiv Arbeitsaufgaben für ihr Portfolio erstellte – sowohl solche, die auf einen Wissenszuwachs angelegt waren als auch solche, die das Nachdenken über eigene christologische Vorstellungen förderten.

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

Franziska, die beständig Wachsende Betrachtet man Franziskas Entwicklung während der zwei dokumentierten Jahre kann man ein stetes Wachstum konstatieren sowohl im quantitativen als auch im qualitativen Bereich. Franziska profitiert ihrer eigenen Wahrnehmung nach in hohem Maße vom Religionsunterricht. Ihre Kenntnisse über Jesus Christus können dank der Erzählungen im RU deutlich anwachsen. Auch beteiligt sich Franziska immer wieder in theologischen Gesprächen, jedoch nicht an den komplexeren Fragen. Ihre Vorstellungen von Jesus Christus entwickeln sich ebenfalls deutlich weiter. Zwar bleibt sie im vergleichenden Überblick Ende der zweiten Klasse hinter einigen anderen Schülerinnen und Schülern zurück, aber dennoch ist ihre Entwicklung individuell betrachtet als positiv einzuschätzen.

Jonas, der ko-konstruktiv Mitdenkende Jonas fällt im Vorschulinterview insbesondere durch einige fest verankerte Vorstellungen auf, die nicht immer mit der biblischen Erzählung übereinstimmen. Umso mehr erstaunt es, dass er nach einer Entwicklung von zwei Jahren diese verankerten ›misconceptions‹ abgelegt hat und vielmehr als ein viel wissendes Kind erscheint. In den theologischen Gesprächen fällt insbesondere seine Bereitschaft zur Ko-Konstruktion auf. Er ist in auffallender Weise bereit, Ideen anderer mitzudenken und weiterzuentwickeln. Auf diese Weise profitiert er gleichermaßen selbst von den Gesprächen wie er auch gute Ideen und weiterführende Gedanken für die anderen einspeist.

Linnea, die gesprächsbereite Eigenständige Bei der Betrachtung der Entwicklung von Linnea fällt insbesondere auf, dass sie mit einer hohen Kapazität an eigenständigen Vorstellungen über Jesus in die Schule kommt, beziehungsweise bereits vor Schuleintritt eine hohe Bereitschaft zeigt, selbstständig Gedanken über Jesus zu entwickeln. Dabei ist ihre Wissensbasis nicht so breit, wie man ob ihrer Gedankengänge vielleicht erwarten würde. Sie ist zu Beginn höchstens am untersten Rand eines mittleren Wissens einzuordnen. Sie erweitert ihr Repertoire an Erzählung in erstaunlicher Weise, profitiert offenbar stark von den Angeboten (Erzählungen) im Religionsunterricht. In theologischen Gesprächen fällt sie stets durch eine sehr hohe Bereitschaft sich einzubringen und mitzudenken auf. Auf diese Weise können auch andere Schülerinnen und Schüler von ihren Ideen profitieren. Dagegen bleibt sie

Vergleichende Betrachtung der Fallanalysen

433

in ihrer Portfolioarbeit hinter den durch die theologischen Gespräche eventuell erzeugten Erwartungen zurück. Im Interview der zweiten Klasse überzeugt sie sowohl durch sehr stark erweitertes Wissen als auch durch beeindruckende theologische Kompetenz. Wünschenswert wäre, dass Linnea in ihrer theologischen Kompetenzentwicklung weiterhin gefördert wird durch einen Religionsunterricht, der ihr die Möglichkeit bietet, ihre Gedanken einzubringen und eigenständig weiterzuentwickeln und dabei instruktive Impulse aus dem Unterricht aufzugreifen.

Charlotte, die ruhig Nachdenkende Charlotte ist ein eher leises, nachdenkliches Kind. Sie schätzt ihre Vorkenntnisse selbst geringer ein als sie tatsächlich sind und fällt vor allem im ersten Schuljahr in den theologischen Gesprächen als zwar zögerlich auf, da sie sich wenig aktiv einbringt, dagegen als sehr aufmerksame, innerlich beteiligte Zuhörerin. Charlotte erweist sich in ihrer Portfolioarbeit als sehr fleißiges Kind, das gerne bereit ist viele Angebote wahrzunehmen. Dabei bearbeitet sie sowohl Aufgaben, die auf quantitative wie auch solche, die auf qualitative Wissens- und Kompetenzerweiterung angelegt sind. Insgesamt lassen sich bei ihr viele interessante Gedanken erkennen. Sie schätzt den Stellenwert des Religionsunterrichts für ihre Kenntnis der Geschichten von Jesus hoch ein. Vor allem in den Interviews kann Charlotte im Zweiergespräch viele eigenständige und zum Teil beeindruckende Vorstellungen von Jesus Christus äußern, die zum Teil über das im Religionsunterricht Thematisierte hinausgehen. Wünschenswert wäre zukünftig eine behutsame und nachhaltige Ermutigung Charlottes, ihre guten Ideen auch in theologische Gespräche einzubringen, da sie definitiv Vorstellungen über Jesus Christus zu bieten hat, von denen andere profitieren könnten.

Michael, der viel Wissende Im Blick auf Michaels Entwicklung fällt insbesondere sein großes Wissen auf. Sowohl auf der Basis seiner beiden Interviews als auch bezüglich seiner Beiträge im theologischen Gespräch kann man Michael als den viel Wissenden charakterisieren. Er, der familiär religiös sozialisiert ist, verfügt demnach über ein großes Vorwissen, bringt dieses bereitwillig in den Unterrichtsprozess ein und entwickelt im Verlauf von zwei Jahren ein sehr großes Resultatwissen. Im Vergleich zu seiner Bereitschaft Wissen zu äußern, ist seine Bereitschaft eigenständige Vorstellungen zu entwickeln eher kleiner. Zwar ist er dazu in der Lage, doch bedarf es meist der gezielten, oft wiederholten Nachfrage. Gerne bezieht er

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Exemplarische Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler

sich auf religiös geprägte Begriffe, die er häufig normativ einsetzt, gewissermaßen als Begründung, die seiner Ansicht nach keiner weiteren Erklärung bedarf. Dennoch lassen sich auch im Blick auf seine Entwicklung eigener Vorstellungen von Jesus deutliche Fortschritte erkennen. Wünschenswert wäre für ihn in Zukunft ein Unterricht, der sowohl sein großes Wissen berücksichtigt als auch fortwährend Möglichkeiten und einen deutlichen Anreiz bietet, dieses Wissen für die Weiterentwicklung christologischer Vorstellungen zu nützen.

9

Zusammenfassende thematische Analyse

9.1

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen1074

Um die Auswertung der Kinder aus den Fallbeispielen auf der Basis des Kerncurriculums im Bildungsplan von Baden-Württemberg zu erleichtern werden diejenigen Kompetenzen, die die Thematik »Jesus Christus« betreffen an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen. Dimension: Jesus Christus »Die Schülerinnen und Schüler – kennen die Geburtsgeschichte Jesu Christi, ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung durch Gott; – wissen, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt; – können ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken; – wissen, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen.«1075 Dimension: Bibel »Die Schülerinnen und Schüler – wissen, dass in der Bibel Geschichten von Gott und Jesus Christus stehen1076

1074 Vgl. zu den aktuellen Förderorientierungen auf die sich die vorliegende Arbeit insbesondere bezieht Kapitel 5. Aufgrund der Tatsache, dass die Studie im Rahmen konkreten Religionsunterrichts in Baden-Württemberg stattgefunden hat, ist klar, dass der Bildungsplan GS von Baden-Württemberg an dieser Stelle fokussiert wird. 1075 Bildungsplan B-W 2004, 26. 1076 Diese zu erreichende Kompetenz wird in den Interviews nicht ausreichend abgefragt und wird insofern im Folgenden nicht berücksichtigt.

436

Zusammenfassende thematische Analyse

– kennen […] eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte […] und das Vaterunser«1077 Dimension: Gott »Die Schülerinnen und Schüler – kennen Beispiele, wie Jesus Christus von der Liebe Gottes spricht.«1078 Dimension: Kirche und Kirchen »Die Schülerinnen und Schüler – kennen […] die großen Feste Weihnachten, Ostern […] im Kirchenjahr«1079

9.1.1 Vergleichende Auswertung der Fallbeispiele vor dem Hintergrund des Kerncurriculums1080 Wertet man die Wissens- und Kompetenzlandkarten der sechs analysierten Kinder vor dem Hintergrund des Kerncurriculums aus ergibt sich folgendes – wenig aussagekräftige – Bild. Zwar kann man feststellen, dass fast alle Schülerinnen und Schüler nahezu alle Kompetenzen erreicht haben, aber verglichen mit den bereits erstellten Wissenslandkarten sowie mit den Übersichtstabellen zur theologischen Kompetenzentwicklung erweisen sich die im Bildungsplan ausgewiesenen Kompetenzen als farblos, wie im Folgenden zu sehen sein wird. Es fehlen Niveaukonkretisierungen, die die erreichten Kompetenzen in ihrer Vielfalt und Heterogenität offenbar werden lassen. Dimension Jesus Christus – Linnea kennt die Geburtsgeschichte Jesu Christi, ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung von Gott – Linnea weiß, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt – Linnea kann ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken – Linnea weiß, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen 1077 Bildungsplan B-W 2004, 26. Die Kenntnis des »Vaterunser« wird im Interview nicht abgefragt und wird insofern im Folgenden nicht berücksichtigt. 1078 Bildungsplan B-W 2004, 26. 1079 Bildungsplan B-W 2004, 27. Das halbstandardisierte Interview geht deutlich auf die Kenntnis der Weihnachts- und Ostergeschichte ein wie sie im Kontext der Dimension Bibel gefordert wird. Der Kontext der großen Feiertage wird im Interview nicht ausreichend abgefragt. Einzelne Schülerinnen und Schüler nennen von sich aus einen Bezug, jedoch nicht alle. Deswegen werden die Feste im Kirchenjahr im Folgenden nicht berücksichtigt. 1080 Dieses Unterkapitel bezieht sich auf das im Bildungsplan GS von Baden-Württemberg angegebene Kerncurriculum für die Klassenstufe 1/2, vgl. Bildungsplan GS B-W, 26 f.

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

437

– Michael kennt die Geburtsgeschichte Jesu Christi, ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung von Gott – Michael weiß, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt – Michael kann seine Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken – Michael weiß, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen – Franziska kennt die Geburtsgeschichte Jesu Christi (ohne Engelsbotschaft an die Hirten), ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung von Gott – Franziska weiß, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt – Franziska kann ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken – Franziska weiß, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen – Charlotte kennt die Geburtsgeschichte Jesu Christi, (kein Gleichnis),Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung von Gott – Charlotte weiß, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt – Charlotte kann ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken – Charlotte weiß, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen – Vic kennt die Geburtsgeschichte Jesu Christi, (kein Gleichnis), Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung von Gott – Vic weiß, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt – Vic kann ihre Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken – Vic weiß, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen – Jonas kennt die Geburtsgeschichte Jesu Christi, ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen sowie seiner Auferweckung von Gott – Jonas weiß, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt – Jonas kann seine Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken – Jonas weiß, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen

Dimension Gott – Linnea kennt ein Beispiel, wie Jesus Christus von der Liebe Gottes spricht (kennt das Gleichnis vom ›Verlorenen Schaf‹ und erfasst den Gleichnischarakter) – Michael kennt ein Beispiel, wie Jesus Christus von der Liebe Gottes spricht

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– – –

Zusammenfassende thematische Analyse

(kennt das Gleichnis vom ›Verlorenen Schaf‹ und erfasst den Gleichnischarakter) Franziska kennt das Gleichnis vom ›Verlorenen Schaf‹, erfasst jedoch nicht den Gleichnischarakter, weshalb man nicht davon sprechen kann, dass sie es als Beispiel dafür wie Jesus von der Liebe Gottes spricht, versteht) Charlotte kennt kein Beispiel wie Jesus von der Liebe Gottes spricht Vic kennt kein Beispiel wie Jesus von der Liebe Gottes spricht Jonas kennt ein Beispiel wie Jesus von der Liebe Gottes spricht (kennt das Gleichnis vom ›Verlorenen Schaf‹ und erfasst den Gleichnischarakter)

Dimension Bibel – Linnea kennt eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte – Michael kennt eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte – Franziska kennt eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte – Vic kennt eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte – Charlotte kennt eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte – Jonas kennt eine Weihnachts- und eine Ostergeschichte 9.1.2 Vorschläge zur Erweiterung und Ausdifferenzierung des Kerncurriculums Die vorangehende Auswertung der Fallbeispiele zeigt, dass die aktuellen Kompetenzformulierungen bezüglich der Thematik »Jesus Christus« die tatsächlich erreichten Kompetenzen, die sowohl in den Wissenslandkarten als auch in den Übersichtstabellen zur theologischen Kompetenz dokumentiert sind, nicht in ihrer Individualität und Heterogenität gerecht werden. Sie scheinen gleichsam zu grob strukturiert. Nun kann es kein Ziel allgemein formulierter Resultatkompetenzen sein, die Individualität einzelner Schülerinnen und Schüler exakt abzubilden. Niveaukonkretisierungen wären jedoch wünschenswert, auf deren Basis die tatsächlich erworbenen Kompetenzen differenzierter wahrgenommen werden könnten. Im Folgenden wird deshalb der Versuch unternommen mögliche Niveaukonkretisierungen zu benennen. Dabei werden sowohl theoretische Überlegungen aus den Kapiteln 2 – 5 Eingang finden wie auch offensichtliche Ergebnisse der Interviews. Im anschließenden Kapitel werden die Fallbeispiele dann unter Einbezug der vorgeschlagenen Ergänzungen ein weiteres Mal ausgewertet um zu prüfen, ob sich die Erweiterungen bewähren.

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

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9.1.2.1 Erweiterungen und Ausdifferenzierungen qualitativer Art 1. Differenzierungsvorschlag: Kenntnis biblischer Erzählungen von Jesus Christus Sehr häufig sind die Kompetenzen in der Dimension Jesus Christus inhaltlich formuliert im Sinne von ›kennen die Geschichte von…‹ Nicht geklärt ist jedoch, wie die Kenntnis einer biblischen Erzählung definiert ist. Reicht es, einzelne Elemente knapp zu kennen und benennen zu können, sollten die wesentlichen Elemente enthalten sein oder müssen zahlreiche Details benannt werden können. Kennt man die Geschichte, wenn man sie auf Fragen hin immer wieder ein bisschen weitererzählen kann oder sollte man sie selbstständig erzählen können, nach Möglichkeit flüssig? Auf rein inhaltlicher Ebene erscheint es deswegen sinnvoll die Ausführlichkeit und Genauigkeit der einzelnen Elemente zu betrachten, auf methodischer Ebene den Grad des Erzählflusses zusätzlich einzubeziehen. a) Benennen der Inhalte biblischer Geschichten1081 Die Schülerinnen und Schüler Niveau 1: können einzelne Inhalte der Erzählung benennen Niveau 2: können die wesentlichen Inhalte der Erzählung benennen Niveau 3: können die wesentlichen Inhalte der Erzählung und zahlreiche Details benennen b) Flüssigkeit der Wiedergabe biblischer Geschichten1082 Die Schülerinnen und Schüler Niveau 1: können Inhalte einer biblischen Geschichte mit Hilfe von Nachfragen oder Bildern in meist richtiger Reihenfolge wiedergeben/erzählen Niveau 2: können die wesentlichen Inhalte einer biblischen Geschichte selbstständig zusammenhängend wiedergeben/erzählen Niveau 3: können die Inhalte der Erzählung einschließlich zahlreicher Details selbstständig fließend und zusammenhängend wiedergeben/ erzählen

1081 Gerade die halbstandardisierten Interviews, deren Auswertung und Visualisierung im Rahmen der Wissenslandkarten erfolgte, zeigen, dass an dieser Stelle unbedingt eine Differenzierung erfolgen sollte. 1082 Auch hier zeigen insbesondere die halbstandardisierten Interviews große Unterschiede zwischen den Kindern, denen nur mit Niveaukonkretisierungen gerecht werden kann.

440

Zusammenfassende thematische Analyse

2. Differenzierungsvorschlag: Vernetzen von Wissensbeständen mit eigenen Vorstellungen »Judith Brunner konnte zeigen, dass die Kenntnis von Jesus-Geschichten von entscheidender Bedeutung bei der Herausbildung einer Christologie bei den Vorschulkindern ist.«1083 Damit liefert sie bereits vor einigen Jahren einen wichtigen Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang von Wissen und theologischer (christologischer) Kompetenz, der sich durch die vorliegende Studie erhärten lässt. Bereits in den einleitenden Kapiteln greift sie bewusst die Annahme auf, dass gerade Kinder im Grundschulalter eine hohe Affinität zwischen eigenen Vorstellungen von Jesus Christus und den ihnen bekannten biblischen Erzählungen haben.1084 Die Kenntnis biblischer Geschichten erweist sich in diesem Alter scheinbar als optimale Möglichkeit, Vorstellungen und Deutungen von Jesus narrativ zu entwickeln.1085 Dies bestätigt sich in den von mir dokumentierten Beobachtungen innerhalb der Fallanalysen. Beispielhaft lassen sich die Argumentationen der Kinder auf die Frage, warum Freunde und Freundinnen Jesus begleiten anführen.1086 Besonders offensichtlich zeigt sich das Verknüpfen von Wissensbeständen mit eigenen Vorstellungen auch an der Frage, warum Jesus in den Augen der Kinder ein besonderer Mensch ist. Betrachtet man die Wissenslandkarten der Kinder sticht ins Auge, dass innerhalb der Einzelthemen, die ja allesamt mittels Bildern zu biblischen Erzählungen ›abgefragt‹ wurden, zahlreiche Verknüpfungen hergestellt werden können. Insgesamt sind die innerhalb der einzelnen Themen/Geschichten geäußerten Vorstellungen/Theorien viel zahlreicher als die Vorstellungen, die in den ›abstrakten‹ Abschlussfragen »Ist Jesus ein Mensch wie du und ich oder ein besonderer Mensch?« sowie »Ist Jesus eher wie Gott oder eher wie ein Mensch?« geäußert werden. Es gelingt keinem einzigen Kind alle offensichtlich vorhandenen Vorstellungen über Jesus im Rahmen dieser abstrakten Frage abzurufen, 1083 Büttner/ Mähringer, Osterhase, 165. 1084 Vgl. dazu sowohl Kapitel 3.5 »zum Verhältnis von Wissen und Kompetenz« als auch »Kapitel 4.3.2 »Biblische Geschichten von Jesus Christus«. 1085 Das konstatiert schon Kraft auf der Basis der gemeinsamen Studie zur Kompetenzüberprüfung mit Roose. Kraft sieht in der Narrativität kindlichen Argumentierens einen regelrechten Vorteil jüngerer Schülerinnen und Schüler gegenüber Jugendlicher. Vgl. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 48. 1086 Vgl. z. B. die Frage, warum Freunde Jesus begleiten. Zahlreiche Argumentationen der Kinder beziehen sich auf Wissensbestandteile, die sehr wahrscheinlich aus biblischen Geschichten übernommen wurden: ›Weil Jesus ihnen geholfen hat und geheilt hat‹, vgl. Wissenslandkarte 2. Klasse von Jonas, ›Weil er sie geheilt hat und geholfen hat‹, vgl. Wissenslandkarte 2 Michael, ›Weil sie sehen wollen, wie Jesus Wunder tut‹, vgl. Wissenslandkarte 2 von Linnea, ›‹Weil Jesus Menschen helfen kann, weil er Geschichten von Gott erzählen kann‹, vgl. Wissenslandkarte 2 von Vic, ›Weil sie gut fanden, dass Jesus Menschen heilen kann‹, vgl. Wissenslandkarte 2 von Franziska sowie ›Weil er ihnen hilft, sie gesund macht‹, vgl. Wissenslandkarte 2 von Charlotte.

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

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obwohl sie doch unmittelbar zuvor geäußert worden sind. Selbst im Rahmen der Beantwortung dieser Fragen sind Rückgriffe aus Wissen über biblische Erzählungen enthalten, besonders häufig der Rückgriff auf Jesu Hilfsbereitschaft sowie seine Fähigkeit zu heilen.1087 Nie sind aber alle Vorstellungen enthalten. Insgesamt kann man in den theologischen Gesprächen deutlicher als in den Interviews erkennen, wie eng das biblische Wissen mit der Entwicklung von Vorstellungen über Jesus Christus zusammenhängt. Die Schülerinnen und Schüler Niveau 1: können im Kontext inhaltlicher Wissenselemente einzelne Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken Niveau 2: können im Kontext inhaltlichen Wissens mehrere Vorstellungen von Jesus Christus äußern Niveau 3: können im Kontext inhaltlicher Wissensbestände komplexe Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken und flexibel mit ihnen umgehen 3. Differenzierungsvorschlag: Verwendung und eigenständiger Gebrauch von religiös geprägter Sprache (z. B. Titel)1088 Die im Folgenden vorgeschlagene Erweiterung ist inhaltlich eng verbunden mit der bereits im Bildungsplan verankerten Kompetenz »eigene Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken«1089. Tatsache ist, dass einzelne Kinder bereits mit der Kenntnis solcher Begriffe in die Schule kommen1090 und diese in Einzelfällen auch schon selbstständig inhaltlich füllen können. Sofern theologische Gespräche zum unterrichtlichen Alltag gehören ist die Folge dessen, dass auch die anderen Schülerinnen und Schüler davon angeregt werden.1091 Das Interesse an solchen Begriffen scheint hoch zu sein. Schließlich verwenden viel mehr Kinder diese Begriffe am Ende der zweiten Klasse und auch die Fähigkeit, sie eigenständig inhaltlich zu füllen wächst offensichtlich.1092

1087 Vgl. dazu die Wissenslandkarten 2 aller Kinder der Fallbeispiele, jeweils in Kapitel 8.1.3.3. – 8.6.3.3. 1088 Im Blick auf die Aspekte »Verwendung von geprägter religiöser Sprache« sowie »Gebrauch von religiöser Sprache in eigenständiger Weise« werden insbesondere die von Roose und Kraft vorgeschlagenen Analysekriterien einbezogen, vgl. Roose, Was können Kinder, 30. Allerdings werden beide zusammengefasst, da sie inhaltlich sehr nahe beieinander liegen. Nur wer religiöse Begriffe kennt, kann sie eventuell eigenständig füllen. 1089 Vgl. Bildungsplan GS B-W, 26. 1090 Vgl. z. B. Charlotte (8.5.1.3) sowie Michael (8.6.1.3). 1091 Vgl. z. B. die Gesprächsprotokolle in Kapitel 7.1.2.1 zur Thematik »Jesus als Kind Josefs oder Sohn Gottes« sowie in Kapitel 7.1.4.1 zur Frage »Jesus als König«. 1092 Vgl. z. B. Vic (Begriff »heilig«) in 8.1.3.3 oder Franziska (»Gottes Sohn«) in 8.2.3.3.

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Zusammenfassende thematische Analyse

Die Schülerinnen und Schüler Niveau 1: benennen religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, König, heilig, …) und übernehmen sie, ohne sie eigenständig inhaltlich zu füllen Niveau 2: benennen religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, König, heilig…), können diese eigenständig inhaltlich füllen und verwenden sie selbstständig, um eigene Vorstellungen von Jesus auszudrücken Niveau 3: benennen religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, König, heilig…) und können mit ihrer Hilfe in verschiedenen Kontexten selbständig argumentieren, eigene Vorstellungen von Jesus ausdrücken sowie die Begriffe in Form von Begründungen eigenständig verwenden 9.1.2.2 Erweiterungen und Ausdifferenzierungen quantitativer Art 1. Erweiterungsvorschlag: Kreuzigung und Tod Jesu Angesichts des Vorwissens der Vorschulkinder1093 zur Kreuzigung Jesu sowie des hohen Interesses auch der Schülerinnen und Schüler im 1. und 2. Schuljahr, das zum Teil spontan, zum Teil durch Impulse der Lehrkraft in theologischen Gesprächen im Rahmen dieser Studie offensichtlich wurde1094, muss man in der Tat mehr als erstaunt fragen, wieso der Bildungsplan B-W von 2004 diese Thematik für die Klassenstufe 1/2 ausklammert. Gerade weil es der Dimension Bibel im Bildungsplan entspricht »Interesse für die Bibel«1095 zu wecken, müsste man doch einen so offensichtlichen Anknüpfungspunkt wie die Kreuzigung Jesu aufgreifen. Gerade, wenn man davon ausgeht, dass sich Wissen auf der Basis von Vorwissen durch Vernetzungen immer weiter ausdifferenziert1096, darf ein solcher Wissensanker nicht vernachlässigt werden. Die Dimension Bibel könnte in diesem Sinne um folgenden Zusatz ergänzt werden: »Der Religionsunterricht macht Kinder mit biblischen Geschichten und Grundaussagen bekannt und will ihr Interesse für die Bibel wecken. [Dabei greift er das heterogene Vorwissen der Kinder als Ausgangpunkt auf]«1097.

1093 Vgl. die auf der Basis der Vorschulinterviews erstellte Wissenslandkarten aller Kinder der Fallbeispiele, Kapitel 8.1.1.3, Kapitel 8.2.1.3, Kapitel 8.3.1.3, Kapitel 8.4.1.3, Kapitel 8.5.1.3 sowie Kapitel 8.6.1.3. 1094 Vgl. Transkripts der Gesprächsprotokolle »Spontanes Theologisieren zur Kreuzigung« sowie »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?« in Kapitel 7.3.1. 1095 Bildungsplan GS B-W, 26. 1096 Vgl. grundlegend Kapitel 2.3.2 »Zur Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb« sowie Kapitel 2.7.2 »Domänenspezifische Theorien« und inhaltsspezifisch Kapitel 4.3.8 »Passion Jesu«. 1097 Vgl. Bildungsplan GS B-W, 26.

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

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Eine inhaltliche Erweiterung der Kompetenzen innerhalb der Dimension Jesus Christus wäre infolgedessen dringend wie folgt geboten: Die Schülerinnen und Schüler – kennen die Geburtsgeschichte Jesu Christi, ein Gleichnis, Geschichten von Heilungen und anderen Begegnungen mit Menschen, [seinen Tod am Kreuz] sowie seine Auferweckung durch Gott. Im Themenfeld Feste im Kirchenjahr entspräche dies der Ergänzung – [Jesus ist gestorben: Trauer] – Jesus Christus ist auferstanden: Osterfreude1098 In der Dimension Bibel müsste ebenfalls eine Erweiterung stattfinden, nämlich: Die Schülerinnen und Schüler – kennen Familiengeschichten des Alten Testaments, eine Weihnachtsgeschichte, [eine Kurzfassung der Passion Jesu sowie] eine Ostergeschichte. [Sie erkennen den inneren Zusammenhang zwischen Kreuzigung und Auferstehung] 2. Erweiterungsvorschlag: Geburt Jesu Angesichts der Tatsache, dass das Vorwissen der Kinder sowohl Ausschnitte aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas wie auch aus der nach Matthäus enthält und von ihnen meist als Einheit betrachtet wird, macht es Sinn, sich nicht auf das »Kennen einer Weihnachtserzählung« zu beschränken, sondern die Kenntnis beider Weihnachtserzählungen sowie ein inhaltliches Sortieren der handelnden Personen anzustreben: Die Schülerinnen und Schüler – kennen [die Inhalte beider Weihnachtserzählungen und können sie richtig zuordnen: Hirten – Engelbotschaft / Weise – Stern]1099 3. Erweiterungsvorschlag: Besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott Vorschlag der Neueinführung einer Kompetenz, die inhaltlich sowohl der Dimension Gott wie auch der Dimension Jesus Christus zugeordnet werden 1098 Eine derartige Ergänzung wäre auch unter dem Aspekt der Kontrastierung der Gefühle der Freunde Jesu, die einen guten Zugang für die Thematik bei Kindern bietet, sinnvoll. 1099 Die korrekte Zuordnung bezieht sich nur auf die Inhalte Engel – Hirten / Stern – Weise, selbstverständlich ist für die Klassenstufe keinerlei Zuordnung zu den jeweiligen Evangelisten gemeint. Im Rahmen dieser Studie wurde eher die Erfahrung gemacht, dass die Schülerinnen und Schüler dieser Altersstufe die Erzählung als Einheit betrachten.

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Zusammenfassende thematische Analyse

kann.1100 Im Rahmen der vorliegenden Studie bietet sich die Dimension Jesus Christus an. Dimension Jesus Christus Die Schülerinnen und Schüler – wissen um die besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott. Sie kennen den Begriff Sohn Gottes. Sie bilden erste Vorstellungen von Jesus als wahrer Mensch und wahrer Gott. 9.1.3 Vergleichende Auswertung der Fallbeispiele vor dem Hintergrund eines erweiterten und differenzierenden Kerncurriculums Dimension Jesus Christus Die Schülerinnen und Schüler – benennen (knapp – im Wesentlichen – detailliert) Inhalte biblischer Geschichten von Jesus Christus. Sie können diese Erzählungen (mit Hilfe von Nachfragen oder Bildern – zusammenhängend – fließend) wiedergeben – Geburtsgeschichte – Gleichnis (Verlorenes Schaf) – Geschichten von Heilungen (Bartimäus, Gelähmter) – Geschichten von Wundern Jesu (Speisung der Fünftausend, Sturmstillung) – Andere Begegnungen Jesu mit Menschen (Kindersegnung, Fischfang) – Passion, Tod am Kreuz sowie Auferweckung durch Gott – Franziska benennt Inhalte der Geburtsgeschichte Jesu größtenteils1101 und kann sie mit Hilfe von Nachfragen wiedergeben. Sie benennt Inhalte der Erzählung vom Verlorenen Schaf als Geschichte – nicht als Gleichnis und kann sie knapp, aber zusammenhängend wiedergeben. Ferner benennt sie sowohl Inhalte der Heilungsgeschichte von Bartimäus wie auch des Gelähmten gut und kann beide zusammenhängend wiedergeben. Inhalte anderer Begegnungen Jesu mit Menschen benennt sie zum Teil in Ansätzen und kann sie mit Hilfe von Bildern wiedergeben (Jesus und die Kinder, Sturmstillung) zum Teil im Wesentlichen (Jesus und die Fischer, Speisung der Fünftausend). Franziska benennt Inhalte der Geschichte des Todes Jesu am Kreuz sowie seiner Auferweckung durch Gott. Sie kann diese im Wesentlichen, zum Teil mit Einzelheiten zusammenhängend wiedergeben. 1100 Dies entspricht sowohl der Forderung von Büttner im Anschluss an seine Studie zur Christologie. Vgl. Büttner, Jesus hilft, 273.sowie den in den Fallbeispielen dokumentierten Äußerungen der Kinder zu dieser Thematik. 1101 Die Engelbotschaft ist ihr nicht präsent, sie verknüpft die Hirten fälschlicherweise mit den Königen, vgl. die Wissens- und Vorstellungslandkarte in 8.2.3.3.

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

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– Michael benennt Inhalte der Geburtsgeschichte Jesu sehr detailliert und kann sie problemlos flüssig wiedergeben. Er benennt Inhalte der Erzählung vom Verlorenen Schaf im Wesentlichen und kann sie zusammenhängend wiedergeben. Er weiß, dass es sich um ein Gleichnis handelt und kann dies inhaltlich füllen. Michael benennt Inhalte aus mindestens 3 Heilungsgeschichten (Bartimäus, Gelähmter, Maria). Die Heilung des Bartimäus kann er fließend und mit allen wesentlichen Inhalten wiedergeben, die Heilung des Gelähmten sehr detailliert. Inhalte weiterer Begegnungen Jesu mit den Menschen, die Michael benennen kann, sind die Kindersegnung im Wesentlichen, den große Fischfang ebenso, die Speisung der Fünftausend (detailliert und flüssig) sowie die Sturmstillung (knapp mit wesentlichem Inhalt). Michael benennt Inhalte der Erzählung der Passion Jesu in fast allen Teilen sehr detailliert und mit fließender Wiedergabe), ebenso die Auferweckung durch Gott, wobei er zwei Ostererzählungen sehr detailliert und fließend wiedergeben kann. – Linnea benennt die Inhalte beider Weihnachtserzählungen, die sie als Einheit flüssig und detailliert wiedergeben kann. Sie benennt Inhalte der Erzählung vom ›Verlorenen Schaf‹ und kann sie kurz wiedergeben. Dabei erfasst sie den Gleichnischarakter. Sie benennt Inhalte aus mindestens 3 Heilungsgeschichten (Bartimäus, Gelähmter, Maria). Die beiden ersten kann sie flüssig und jeweils zusammenhängend wiedergeben. Sie weiß, dass Jesus den Fischern geholfen hat, wobei sie die Geschichte nicht erzählt. Dagegen kann sie die Kindersegnung im Wesentlichen wiedergeben. Die Speisung der Fünftausend, die sie als Lieblingsgeschichte ausweist und flüssig erzählt sowie die Sturmstillung, die sie präzise und flüssig erzählt kennt sie ebenso im Wesentlichen. Linnea benennt Inhalte der Passionsgeschichte sehr detailliert und kann sie fließend wiedergeben. Sie schließt eine Ostergeschichte, die sie detailliert und flüssig erzählen kann, an (Maria und der Gärtner). Diejenige der Frauen wird im Vorfeld nur kurz angerissen, dann jedoch überlagert. – Vic benennt Inhalte der Geburtsgeschichte Jesu und kann sie mit Hilfe von Nachfragen wiedergeben. Sie benennt Inhalte sowohl der Heilungsgeschichte des Bartimäus wie auch des Gelähmten im Wesentlichen und kann sie zusammenhängend wiedergeben. Dasselbe gilt für die Kindersegnung und den Fischfang. Sehr knapp erzählt sie von der Speisung der Fünftausend, im Wesentlichen und zusammenhängend dagegen von der Sturmstillung. Am detailliertesten und flüssigsten kann Vic von der Passion Jesu erzählen. Daran anschließend kann sie sogleich eine Ostergeschichte zusammenhängend wiedergeben sowie eine zweite, angeregt durch ein Bild.

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Zusammenfassende thematische Analyse

– Jonas benennt Inhalte der Geburtsgeschichte Jesu und kann sie mit Hilfe von Nachfragen wiedergeben. Er benennt Inhalte des Gleichnisses vom Verlorenen Schaf, erfasst den Gleichnischarakter und kann es im Wesentlichen wiedergeben. Sowohl Inhalte aus der Heilungsgeschichte des Bartimäus als auch der des Gelähmten benennt er und kann sie zusammenhängend erzählen. Das gleiche gilt für die Speisung der Fünftausend. Deutlich knapper kann er den Fischfang sowie die Sturmstillung wiedergeben, nur sehr kurz die Kindersegnung. Dafür benennt er Inhalte der Passion Jesu im Wesentlichen und kann die einzelnen Teile jeweils zusammenhängend wiedergeben. Dasselbe gilt für Jesu Auferweckung durch Gott. Jonas kann zwei Ostergeschichten relativ detailliert und zusammenhängend wiedergeben. Er erkennt den Zusammenhang zwischen Kreuz und Auferstehung. – Charlotte benennt Inhalte der Geburtsgeschichte Jesu im Wesentlichen und kann sie mit Hilfe von Nachfragen wiedergeben. Sie benennt Inhalte sowohl der Heilungsgeschichte des Bartimäus als auch des Gelähmten im Wesentlichen und kann sie zusammenhängend wiedergeben. Gleiches gilt für die Kindersegnung und den großen Fischfang sowie für die Sturmstillung. Die Speisung der Fünftausend kann sie nur sehr knapp erzählen. Die Passionsgeschichte kann sie in weiten Teilen sehr detailliert und fließend wiedergeben. Einzelne Teile verbindet sie dabei zu einem Ganzen. Zusammenhängend schließt sie die Auferstehung an, wobei sie zwei Ostergeschichten als Einheit flüssig wiedergibt, davon eine detailliert. Die Schülerinnen und Schüler – können (einzelne – mehrere – komplexe) eigene Vorstellungen von Jesus auf der Basis von inhaltlichem Wissen ausdrücken. Dabei beziehen sie religiös geprägte Begriffe (z. B. Sohn Gottes) ein (Übernahme – eigenständige Interpretation – argumentative Verwendung) – Franziska kann in mehrfacher Weise eigene Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken, wobei sie inhaltliches Wissen einbezieht. Im Einzelnen äußert sie Vorstellungen zur Besonderheit Jesu, zur Beziehung zwischen Jesus-Gott, wobei Gott insbesondere als Helfer Jesu in den Blick kommt sowie bezüglich Jesu Auferweckung, zu Jesu Heilfähigkeit, zu Gründen für die Nachfolge und Jesu Reden über Gott. Franziska übernimmt einzelne religiös geprägte Begriffe (Sohn von Gott, König) und kann diese teilweise für eigenständige Erklärungen verwenden (z. B. im Blick auf Heilfähigkeit Jesu) – Michael kann seine Vorstellung von Jesus Christus in mehrfacher Weise ausdrücken, wobei er teilweise durch direktes Nachfragen dazu angeregt

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

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werden muss. Er äußert sich zu Jesus als besonderer Mensch, zu Jesu Fähigkeit zu heilen sowie zu Jesus als Wundertäter. Er nennt Gründe für die Nachfolge Jesu, für Jesu Segenshandeln und zu Jesu Reden von Gott. Auf der Basis seines großen biblischen Wissens erstaunt es, dass er dieses nur teilweise als Ausgangspunkt seiner Vorstellungen einbezieht. Er verwendet dagegen relativ häufig religiös geprägte Sprache (kennt sehr viele religiös geprägte Begriffe) und setzt diese auch für Begründungen/Argumentationen – auffallend oft im Sinne normativer Setzungen – ein. Einzelne Begriffe kann er inhaltlich nicht selbstständig füllen (Brot + Licht der Welt, Heiliger). Andere Begriffe füllt er inhaltlich mit eigenen Gedanken (Sohn Gottes, König, Sohn vom Schöpfer) – Jonas kann in mehrfacher Weise eigene Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken. Er hat Vorstellungen zu der Frage, warum Jesus auf die Welt gekommen ist, kann in eigenen Worten erklären, warum er ein besonderer Mensch ist, beschreibt insbesondere die besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott in eindringlichen eigenen Worten und verwendet sie mehrmals argumentativ, insbesondere im Blick auf seine Vorstellung von Jesu heilendem Handeln sowie seiner Rede von Gott und auch im Rahmen der Sturmstillung. Außerdem schreibt er die Auferweckung Jesu ganz klar Gott zu. Jonas hat auch inhaltlich auf biblischem Wissen basierende Vorstellungen von der Nachfolge Jesu. Jonas verwendet kaum religiös geprägte Sprache, ihm scheint das Finden eigener Worte, sprich der innere Gehalt eines Begriffs wichtiger als die äußere Form (Worthülse)1102 – Vic kann in mehrfacher Weise eigene Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken. Sie hat Vorstellungen bezüglich der Besonderheit Jesu, bezüglich seiner Auferweckung durch Gott und auch insgesamt zu seiner besonderen Beziehung zu Gott, die sie sowohl mit der Frage der Gottessohnschaft als auch in mehrfacher Weise mit der Frage der Unterstützung Jesu durch Gott zum Ausdruck bringen kann. Auch ihre Vorstellungen der Rede Jesu von Gott lässt sich hier verorten. Ferner hat sie mehrere Vorstellungen bezüglich Gründen für die Nachfolge Jesu. Religiös geprägte Begriffe verwendet sie praktisch nicht. Ähnlich wie bei Jonas scheint es ihr wichtiger zu sein, ihre Gedanken in ihren Worten auszudrücken. Inhaltlich könnte sie beispielsweise den Begriff 1102 Hier ist ein großer Gegensatz zwischen Michael (8.6.4) und Jonas (8.3.4) zu sehen. Während Michael häufig zuerst den Begriff nennt und teilweise dazu gedrängt werden muss, ihn zu erklären, weil er ihn eher als normative Setzung versteht, scheint Jonas eher davon auszugehen, dass seine eigene Wortwahl (z. B. strenge Verbindung zwischen Jesus und Gott) selbsterklärend genug ist – Wer braucht da schon einen religiös geprägten Begriff ?

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Zusammenfassende thematische Analyse

Sohn Gottes sehr gut füllen, da sie sich sehr für die besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott interessiert. – Linnea kann in komplexer Weise eigene Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken. Sie äußert Vorstellungen zur Besonderheit Jesu, relativ komplexe Überlegungen zur Zwei-Naturen-Lehre (abstrakt und im Rahmen der Frage ob Jesus Gottes oder Josefs Sohn ist), ebenso zur besonderen Beziehung zwischen Gott und Jesus. Die Auferweckung schreibt sie ganz klar Gott zu. Des Weiteren kann sie Vorstellungen über Gründe für die Nachfolge Jesu sowie bezüglich seiner Rede von Gott äußern und davon was die Menschen von Jesus denken. Sie verwendet den Begriff Gottes Sohn sowie König in Bezug auf Jesus. Die Art und Weise, wie sie ihre Vorstellungen von Jesus äußert lässt auf eine eigenständige inhaltliche Füllung schließen, sie setzt den Begriff Gottes Sohn argumentativ für Jesu Königswürde ein. – Charlotte kann in komplexer Weise eigene Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken, wobei sie häufig inhaltliches Wissen einbezieht. Sie äußert Vorstellungen zur Besonderheit Jesu, relativ komplexe Überlegungen zur Frage nach der Zwei-Naturen-Lehre in mehreren Zusammenhängen, Vorstellungen in Bezug auf Jesu Heil- und Wunderfähigkeit, wobei sie insbesondere ihre Vorstellungen einer besonderen Beziehung zwischen Jesus und Gott einbezieht, die auch die Auferweckung Jesu durch Gott umfasst, Vorstellungen, die Menschen von Jesus hatten und Gründe, warum Menschen ihm nachfolgten. Sie verwendet mehrere religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, Heiland, König), die sie argumentativ einsetzen kann, insbesondere, um ihre eigenen Vorstellungen von Jesus Christus in Worte zu fassen. 3. Differenzierungsvorschlag: Verwendung und eigenständiger Gebrauch von religiös geprägter Sprache (z. B. Titel)1103 Die Schülerinnen und Schüler Niveau 1: kennen religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, König, heilig, …) und übernehmen sie, ohne sie eigenständig inhaltlich zu füllen

1103 In Bezug auf die Aspekte »Verwendung von geprägter religiöser Sprache« sowie »Gebrauch von religiöser Sprache in eigenständiger Weise« sind insbesondere die von Roose und Kraft vorgeschlagenen Analysekriterien für die vorliegende Studie weiterführend, vgl. Roose, Was können Kinder, 30. Allerdings werden beide zusammengefasst, da sie inhaltlich sehr nahe beieinander liegen. Nur wer religiöse Begriffe kennt, kann sie eventuell eigenständig füllen und gebrauchen.

Auswertung vor dem Hintergrund aktueller Förderorientierungen

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Niveau 2: kennen religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, König, heilig…), können diese eigenständig inhaltlich füllen und verwenden sie selbstständig, um eigene Vorstellungen von Jesus auszudrücken Niveau 3: kennen religiös geprägte Begriffe (Sohn Gottes, König, heilig…) und können mit ihrer Hilfe in verschiedenen Kontexten selbständig argumentieren, eigene Vorstellungen von Jesus ausdrücken sowie die Begriffe in Form von Begründungen eigenständig verwenden Vic kennt den religiös geprägten Begriff »heilig«. Sie verwendet ihn selbstständig um ihre Vorstellung von Jesus auszudrücken. ›Jesus darf heilen, weil er heilig ist‹. Vic kann darüber hinaus den Begriff »Sohn von Gott« eigenständig inhaltlich füllen. ›Gott hilft Jesus Menschen zu heilen‹. Sie verwendet diesen Begriff im Kontext des Redens Jesu von Gott in Form einer eigenständigen Begründung ›Jesus weiß viel über Gott, er ist sein Vater‹ Vic ist insofern zwischen Niveau 2 und 3 anzusiedeln Franziska kennt den religiös geprägten Begriff »Sohn Gottes«. Sie verwendet ihn eigenständig, um die Vorstellung auszudrücken, dass Jesus heilen kann. ›Jesus heilt, weil er Gottes Sohn ist‹. Franziska kennt den Titel »König« für Jesus. Sie kann ihn in Ansätzen inhaltlich füllen. ›König wie Gott‹ Jonas verwendet keine religiös geprägten Begriffe. Ohne den Begriff zu nennen, kann er die besondere Beziehung zwischen Gott und Jesus jedoch in eigenen Worten benennen ›Jesus hat eine strenge [enge] Verbindung zu Gott, kürzer als bei anderen Menschen. Jesus macht es auf der Erde – Gott hilft ihm‹ Charlotte kann den religiös geprägten Begriff »Sohn Gottes« inhaltlich selbstständig füllen ›Vom Himmel gekommen‹ – in Abgrenzung zu Sohn Josefs, ›dort aufgewachsen‹. Sie verwendet diesen Begriff und des Weiteren die Begriffe »Heiland« sowie den Titel »König« eigenständig als Begründung für Jesu Legitimation und Fähigkeit zu heilen. Den Begriff »Heiland« verwendet sie mehrmals in Bezug auf die Weihnachtsgeschichte Linnea verwendet den religiös geprägten Begriff »Sohn Gottes« selbstständig als Begründung für den hellen Stern, der Jesu Geburt ankündigt. Sie kann ihn eigenständig inhaltlich füllen ›Gottes Sohn, weil besonderes und weil Gott den Menschen hilft‹. Sie verwendet den Titel »König« in inhaltlichem Zusammenhang mit der Weihnachtsgeschichte. Michael verwendet den Titel »König« in Zusammenhang mit der Weihnachtserzählung. Er kann ihn inhaltlich in Abgrenzung zu ›normalen‹ Attributen füllen ›kann heilen, ist bescheiden‹. Des Weiteren kennt er den religiös geprägten Begriff »Gottes Sohn«, wobei zunächst ein wörtliches Verständnis

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Zusammenfassende thematische Analyse

auffällt im Sinne von ›Gott gibt Jesus Maria und Josef‹. Michael verwendet den Begriff in mehreren Kontexten als eigenständige Begründung für Jesu Handeln (Heilfähigkeit, Jesus erzählt von Gott, Sturmstillung – hier abgewandelt als ›Sohn vom Schöpfer‹). Darüber hinaus verwendet Michael die Begriffe »Heiliger, heilig« als Begründung für Jesu Heilvermögen sowie für seine Wundertätigkeit (Speisung). Schließlich verwendet er auch noch die religiös geprägten Begriffe »Licht der Menschen« und »Brot der Menschen«, die er allerdings nicht eigenständig inhaltlich füllen kann.

9.2

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie1104

Fried fordert generell zu Recht, »den bereichsspezifisch eingeengten Blick auf das Kind zu überwinden und ihn auf eine bereichsumfassende Perspektive auszuweiten, so dass das gegenwärtig stark verengte Bild vom Kind als ›intuitiver Fachmann‹ zurück- und sein Potential als ›intuitiver Theoretiker seiner gesamten Welt‹ hervortreten kann«1105.

Sie fordert weitere Forschungen, die spezifisch der Koexistenz bereichsspezifischer Wissensbestände nachgehen. Auf diese Weise könnte eine domänenübergreifende Wissenslandkarte entstehen, die ein »binnendifferenziertes Gesamtbild des Kindes«1106 zeigen würde. Diese Forderung ist einerseits berechtigt. Andererseits ist es gerade mit Blick auf die noch zu wenig beforschte religiöse Domäne zunächst wichtig, dass weitere Forschungsarbeiten sich spezifisch auf dieselbe fokussieren. Auch innerhalb dieser Domäne wäre es zunächst sicher wichtig die vorhandenen ›Puzzleteile‹ um weitere zu ergänzen und dann zusammenzufügen, um zunächst einmal ein Gesamtbild des Kindes innerhalb dieser Domäne sowie innerhalb der Teilbereiche zu erhalten. Das wäre sicherlich ein Schritt, der parallel zu Forschungsarbeiten zur domänenübergreifenden Koexistenz erfolgen könnte.1107 1104 Vgl. als Kontext den beschriebenen Forschungsstand in Kapitel 4.3 Landkarte des Wissens und der Vorstellungen von Kindern über Jesus Christus. 1105 Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 37. Vgl. ebd. 37 + 24 f auch die nächsten Gedanken von Fried. 1106 Fried, Forschungsergebnisse Wissenslandkarten, 25. 1107 Fried nennt die Schwierigkeit der Gesamtbildkonstruktion und führt sie zum Teil auf die Unterscheidung zwischen den starken, häufig intensiv und mit quantitativen Methoden beforschten sowie den schwachen und wenig sowie meist qualitativ beforschten Domänen zurück, vgl. Fried, Wissenslandkarten, 25. Es besteht demnach auch die reale Gefahr, dass das Gesamtbild von den starken Domänen dominiert wird. Bevor also zusammengefügt wird, ist es zunächst sinnvoll weitere Forschungsarbeit in den schwachen Domänen zu

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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Die vorliegende Studie erlaubt anhand von individuellen Fallbeispielen einen kleinen Einblick in das Wissen von Vorschulkindern zu Jesus Christus sowie die Wissensentwicklung über zwei Jahre. Innerhalb der Domäne Theologie konnte so ein Teilbereich beleuchtet werden. Es ist interessant zu sehen, ob sich die hier dokumentierten Beobachtungen affin zu bisherigen Forschungsarbeiten zeigen oder im Gegensatz dazu stehen, bzw. diese erweitern oder ausdifferenzieren.

9.2.1 Geburt Jesu Die Interviews der sechs ausgewählten Kinder passen in das Bild der Widerlegung der frankokanadischen Studie Mailhiots durch Judith Brunner : Vorschulkinder kennen Jesus demnach nicht nur als Kind in der Krippe. Auch der erwachsene Jesus ist für sie von Interesse.1108 Gleichwohl ist die vorliegende Studie, die sich nicht wie Brunner auf Einzelbilder, also einen – zufälligen? – Ausschnitt des Wissens über Jesus bezieht, sondern im Interview einen Großteil des Lebens, bzw. der biblischen Überlieferung von Jesus abfragt, aussagekräftiger als Brunners. Beschreibend lässt sich demnach Folgendes konstatieren: Die Geburt Jesu stellt in allen ausgewählten Fallbeispielen einen Wissensanker der Kinder dar. Gerade auch Kinder, die insgesamt betrachtet ein rudimentäres Wissen über Jesus mitbringen, haben hier eine vergleichsweise intensive Anknüpfungsmöglichkeit gefunden.1109 Alle sechs Kinder konnten zumindest Maria und Jesus benennen und Teile eines Handlungsstrangs aus der Weihnachtsgeschichte benennen (Maria – Esel – langer Weg – Stall – Krippe – Jesus). Fünf der sechs Kinder wussten auch um die Hirten, allerdings nur eines davon auch von der Engelbotschaft. Vier der sechs Kinder kannten die Könige, wobei drei Kinder mindestens eine Einzelheit (Geschenke, Stern, Morgenland) nennen konnten. Keines der sechs Kinder hatte im ›Kind in der Krippe‹ jedoch einen alleinigen Schwerpunkt, wie nach Mailhiot anzunehmen – seit Brunners Studie jedoch widerlegt ist. Alle sechs näher analysierten Kinder verfügten über minbetreiben, bzw. Forschungsergebnisse zunächst zu einem innerdomänenspezifischen Gesamtbild zu integrieren. 1108 In Brunners Untersuchung befassten sich 40 % der Kinder inhaltlich mit dem erwachsenen Jesus. Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.3.3. Nur 6,6 % aller Kinder malten die Geburt Jesu. Dieses fast marginalistisch anmutende Bild bezüglich der Geburt Jesu bestätigt sich in der vorliegenden Studie nicht, was vermutlich eine Folge der unterschiedlichen Ansätze darstellt. Brunner arbeitet mit spontan gemalten Kinderbildern, die kurz von ihnen erläutert werden. Jedes Kind malt aber nur ein Bild – hat demnach nur die Möglichkeit einen einzelnen Ausschnitt seines Wissens über Jesus auszudrücken. Die vorliegende Studie zielt dagegen auf ein umfassendes Bild des Vorwissens über Jesus Christus ab. 1109 Vgl. vor allem Franziska (8.2.1.3), aber auch Jonas (8.3.1.3).

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Zusammenfassende thematische Analyse

destens einen weiteren Wissensanker im Blick auf den erwachsenen Jesus1110, einige über zahlreiche. Betrachtet man alle im Rahmen dieser Studie durchgeführten Vorschulinterviews kann summa summarum festgehalten werden, dass sich die Kreuzigung Jesu als wichtigster Bezugspunkt zum erwachsenen Jesus herausstellt.1111 Ausnahmslos war die Kreuzigung Jesu allen Kindern ein Begriff, selbst bei insgesamt rudimentärem Wissensstand sowie bei teilweise ungeübtem religiösem Sprachgebrauch (Jesus wurde ›verkreuzt‹). Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse decken sich vielmehr mit Hanisch und Buchers Ergebnis, demnach die Kindheitsgeschichte Jesu mit 54 % den Spitzenplatz bezüglich des Kenntnisstandes bei Viertklässlern einnimmt, dies jedoch nicht im Sinne einer Exklusivität zu verstehen ist.1112 Andere Erzählungen sind insofern bekannt, nur nicht in dieser Häufigkeit. Verglichen mit der Tübinger Forschungsstudie zur religiösen Differenzwahrnehmung bei Kindergartenkindern ist das sich im Rahmen der vorliegenden Studie ergebende Bild etwas optimistischer. Die Mehrheit der Kinder verfügte über Wissensbestandteile zum christlichen Ursprung des Weihnachtsfests.1113

9.2.2 Kindersegnung Hanisch und Bucher konnten feststellen, dass das Kinderevangelium bei den von ihnen befragten Viertklässlern kaum eine Rolle spielte.1114 Das ist im Blick auf den Stellenwert der Perikope in Bildungsplänen ein überraschendes Ergebnis.1115 1110 Vgl. bei Franziska (8.2.1.3) die Passion Jesu (Jesus gibt Brot/ betet/ wird ans Kreuz genagelt) und bei Jonas (8.3.1.3) die Speisung der Fünftausend (Jesus teilt Brot und Fische) sowie die Passion (Verrat, Römer nageln Jesus ans Kreuz) und das leere Grab (Höhle, Freunde schauen, Stein + Jesus weg). 1111 Wie in Kapitel 8. bereits geklärt, war es nicht möglich, alle Kinder näher zu analysieren. Es war ebenso unmöglich, die Gesamtzahl der Interviews im Anhang abzudrucken. Die an dieser Stelle aufgegriffene Feststellung im Blick auf die Gesamtheit der Interviews stellt eine Erweiterung der Beobachtung dar, die auch in den sechs ausgewählten Interviews erkennbar wurde. 1112 Vgl. zu Hanisch und Bucher, Bibel, 24 f. Einschränkend ist zur Vergleichbarkeit anzumerken, dass die Untersuchung bei Hanisch und Bucher sehr viel weitreichender ist als die vorliegende. Während in der vorliegenden Studie der Fokus auf Jesus Christus gerichtet ist, richteten Hanisch und Bucher den Blick auf das gesamte Bibelwissen. 1113 Das ist vermutlich der Tatsache zu verdanken, dass die Probanden der vorliegenden Studie entweder getauft waren oder aber als konfessionslose Kinder, mit dem Wunsch der Eltern freiwillig am evangelischen Religionsunterricht der Grundschule teilnehmen sollten und später auch teilnahmen. Eine Vorauswahl war somit getroffen. 1114 Vgl. Hanisch/ Bucher, Bibel, 35. 1115 Vgl. z. B. den Bildungsplan von Baden-Württemberg, Bildungsplan B-W, 26: Klasse 1/2: Dimension Jesus Christus: Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass Jesus Christus sich

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Befragung der Vorschulkinder im Rahmen der vorliegenden Studie ab. Fünf der sechs ausgewählten Kinder hatten hier ebenfalls keine Vorkenntnisse – erstaunlicherweise auch dasjenige Kind, das insgesamt über das größte Vorwissen insgesamt verfügt. Vier dieser fünf konnten auch mit Hilfe einer Bilderstütze keinerlei Vorwissen aktivieren. Ein einziges Kind erkannte Jesu Segenshandlung auf dem Bild, konnte die Geschichte dazu jedoch nicht erzählen. Dieses Bild wird auch von der Gesamtheit der Probanden verfestigt. Interessant ist an dieser Stelle wie sich die Kenntnis im Verlauf von zwei Jahren weiterentwickelt hat. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die im badenwürttembergischen Bildungsplan angestrebte Kompetenz Schülerinnen und Schüler »wissen, dass Jesus Christus sich für Kinder einsetzt«1116. Beschreibend kann konstatiert werden dass alle ausgewählten Kinder am Ende der zweiten Klasse Wissensbestandteile mit dem Bild zur Kindersegnung verknüpfen können. Alle wissen entweder, dass die Kinder zu Jesus wollen oder – im Umkehrschluss – dass Jesus will, dass die Kinder zu ihm kommen. Alle können Jesu Handeln als ›segnen‹ identifizieren und die Mehrheit weiß darum, dass die Jünger, bzw. die Männer das Segnen der Kinder ablehnen. Die ausgewählten Zweitklässler zeigen demnach zumindest zum Zeitpunkt der Untersuchung Ergebnisse, die nicht mit denjenigen von Hanisch und Bucher übereinstimmen.1117

9.2.3 Berufungsgeschichten Von den sechs näher analysierten Kindern wissen nur die beiden mit dem größten Vorwissen bereits vor Schuleintritt dass Fischer Freunde Jesu wurden, wobei ausschließlich Michael den Handlungsstrang des ›Großen Fischfangs‹ erzählt, Charlotte beschränkt sich auf den Beginn der Freundschaft. Am Ende der zweiten Klasse wissen zumindest alle sechs, dass Jesus den Fischern geholfen hat und mit einer Ausnahme können sie die Perikope in knapper Form nachfür Kinder einsetzt und Bildungsplan B-W, 27: Themenfeld Jesus Christus zeigt den Menschen die Liebe Gottes: – Jesus Christus nimmt Kinder ernst, Mk 10. 1116 Bildungsplan, 28. 1117 Einen wirklichen Vergleich könnte man in diesem Punkt erreichen, wenn man die in der vorliegenden Studie befragten Zweitklässler in der vierten Klasse noch einmal dazu befragen würde und zwar mit eben dem Fragemodus von Hanisch und Bucher. Gerade die Kindersegnung ist im baden-württembergischen Bildungsplan kein Bestandteil eines Spiralcurriculums, d. h. wird in der Klassenstufe 3/4 nicht mehr aufgegriffen. Zu fragen wäre demnach, ob das Kinderevangelium während dieser Zeit in Vergessenheit gerät oder ob es nachhaltig erinnert wird. Religionspädagogisch wäre vor allem zu fragen, auf welche Weise ein nachhaltiges Erinnern gefördert werden könnte.

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Zusammenfassende thematische Analyse

erzählen. Alle sind in der Lage, Gründe für das Mitgehen der Jünger mit Jesus zu benennen. Diese sind häufig mit biblischem Wissen verknüpft (Jesus hat ihnen/ Menschen geholfen, Jesus hat sie/andere geheilt, Jesus erzählt von Gott, wollen seine Wunder sehen), zum Teil aber auch angelehnt an eigene Erfahrungen mit Freundschaft (finden Jesus nett/gut/toll, sind Freunde, passen auf ihn auf). Auffallend ist vor allem, dass die Schülerinnen und Schüler Nachfolge nicht im Sinne von Berufung oder Bekehrung zu verstehen scheinen, sondern als ein Mitgehen mit Jesus aus verschiedenen Gründen. Die hier vorliegenden Untersuchungsergebnisse stehen auch an dieser Stelle im Widerspruch zu denjenigen von Hanisch und Bucher bei Viertklässlern, die eher Unwissenheit bezüglich der Berufungsgeschichten konstatieren. Anzufragen ist an dieser Stelle aber auch der Bildungsplan B-W, der als zu erreichende Kompetenz vorsieht, dass die Schülerinnen und Schüler »wissen, dass Menschen Jesus Christus nachfolgen«1118. Auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse wäre es inhaltlich passender zu formulieren: Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass Menschen mit Jesus mitgehen und können mögliche Gründe dafür angeben.

9.2.4 Jesus als Heiler Die analysierten Schülerinnen und Schüler der vorliegenden Studie passen ins Bild bisheriger Forschungsergebnisse bezüglich Jesus als Wunderheiler. Hanisch/Bucher stellen eine Häufung spontaner Nennungen bei Zehnjährigen fest, die sie auf extensive Thematisierung im RU zurückführen.1119 Vor allem die Heilung des Bartimäus dominert im Bekanntheitsgrad von Heilungsgeschichten.1120 Vor Schuleintritt zeigt sich in der vorliegenden Studie zwar noch ein höchst heterogenes Bild. Während einige Kinder zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Vorwissen zu Jesus als Heiler mitbringen1121 oder sich ein vermeintliches Vorwissen selbst konstruieren1122, können andere mindestens eine Erzählung folgerichtig1123 oder sogar ausführlich1124 wiedergeben. Geht man von der Annahme aus, dass insbesondere der RU zur Kenntnis von biblischen Geschichten beiträgt1125, müsste sich diese Heterogenität im Laufe von zwei Jahren mildern. 1118 1119 1120 1121 1122 1123 1124 1125

Bildungsplan B-W, 28. Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 27. Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel 27. Vgl. Franziska (8.1.1.3). Vgl. Jonas (8.3.1.3). Vgl. Charlotte(8.5.1.3). Vgl. Vic (8.1.1.3), Michael (8.6.1.3). Vgl. Kapitel 4.3.2 Biblische Geschichten über Jesus Christus und Kapitel 4. 2.2 Zur Bedeutung des Religionsunterrichts.

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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Und in der Tat fällt bei den sechs ausgewählten Schülern am Ende der zweiten Klasse auf, dass neben der Heilung des Bartimäus auch die Heilung des Gelähmten von allen sowohl folgerichtig als auch auffällig detailliert erinnert wird. Die Erzählungen scheinen sich, ob ihrer Narrativität besonders nachhaltig eingeprägt zu haben und können offensichtlich in korrekter Reihenfolge abgerufen werden.

9.2.5 Jesus als Wundertäter Interessant ist ein Vergleich der in der vorliegenden Studie befragten Kinder mit den Ergebnissen von Vaden und Woolley zum Wunderverständnis. Gemäß ihrer Studie gestehen gerade die religiös geprägten Kinder der Domäne eine exklusive Realitätskonstruktion zu wohingegen nicht-religiöse Kinder biblische Geschichten schon früh eher der Kategorie Märchen zuordnen.1126 Einige Kinder der vorliegenden Untersuchung konnten vor Schuleintritt jedoch nicht zu ihrem Wunderverständnis befragt werden, weil sie die Wundergeschichten (Speisung der Fünftausend/ Sturmstillung) an sich nicht kannten.1127 Die anderen Kinder rechnen sehr selbstverständlich mit Jesu Wunderfähigkeit oder mit Gottes Eingreifen.1128 Bei keinem Vorschulkind wurde offensichtlich, dass sie die Realität der Erzählung infrage stellen. In dieser Hinsicht entsprechen sie auch den Untersuchungsergebnissen von Büttners Studie zur Christologie, der konstatiert, dass Kinder bis zum 9. Lebensjahr kein Problem mit Jesu Überschreitung der Naturgesetze haben, wohingegen das Bedürfnis, Wunder im Einklang mit den Naturgesetzen wahrzunehmen gegen Ende der Grundschulzeit zunimmt.1129 Dies schließt mit ein, dass Jesu Eingreifen kaum noch mirakelhaft verstanden wird, sondern eher als punktuelles Einwirken auf das Wetter verbunden mit eigenständigen Anstrengungen der Menschen, wobei die von Gott ausgehende Kraft Jesus sowie die agierenden Menschen dazu befähigt zu handeln.1130 Hier bietet sich auch eine Einordnung der in der vorliegenden Studie befragten sie1126 Vgl. die zusammenfassende Rezeption verschiedener Studien von Woolley mit Cox, Vaden, Cornelis und Lacy bei Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 48 – 53 und Kapitel 4.3.6 dieser Arbeit. 1127 Vgl. Franziska, Vic und Jonas. In der vorliegenden Untersuchung ging es zunächst darum, das Vorwissen über eine biblische Erzählung zu erheben und darin eingebettet weiterführende Fragen zu stellen. Nicht vorgesehen war, die gesamte Geschichte bei Unkenntnis zu erzählen und sie dann von den Kindern im Blick auf ihren Realitätsgehalt bewerten zu lassen. 1128 Es handelt sich dabei um Michael und Charlotte, die beide religiös sozialisiert sind sowie um Linnea, die weniger religiös sozialisiert ist. 1129 Vgl. Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 196. 1130 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 180.

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Zusammenfassende thematische Analyse

ben- und achtjährigen Probanden Ende der zweiten Klasse an. Entsprechen sie Büttners Theorie? Insgesamt entsprechen sie der Annahme, dass Jesus Wundertätigkeit an sich noch ›kein Problem‹ darstellt. Zu erkennen ist die Vorstellung, dass Gott Jesus in irgendeiner Weise hilfreich mit seiner Kraft zur Seite steht (Gott spricht mit Jesus im Traum1131 /Jesus weiß, dass Gott ihm hilft – bei ihm ist – er keine Angst haben muss1132). Büttner stellt fest, dass das Gebet Jesu in allen Altersstufen einen Schlüssel für das Verständnis der Wundergeschichten darstellt.1133 Während Schüler/innen in den Klassen 1 – 3 Gott und Jesus dabei tendenziell eher eng – im Sinne von familiär – verbunden sehen und ein durchaus konkretes Verständnis des Eingreifens Jesu und Gottes zugunsten der Menschen aufweisen, lässt sich in den Klassen 4 – 7 tendenziell eine zentrale Bedeutung des Gebets als Kommunikationsmedium zwischen Gott und Jesus – die dann getrennt gesehen werden – feststellen, wobei eine Aufspaltung der Funktion gilt: Jesus will helfen, benötigt aber die Ermächtigung Gottes, die dieser ihm aus seiner Macht heraus geben jedoch auch verweigern kann.1134

9.2.6 Jesus als Gleichniserzähler Sowohl Kraft als auch Hanisch konstatieren, dass Jesus als Gleichniserzähler und Prediger gegenüber Jesus als Wunderheiler verblasst.1135 Kraft/Roose fordern deshalb mit Kindern ein christologisches Nachdenken zu fördern, ein Nachdenken über die Frage, wie Gott und Jesus zueinander stehen.1136 Dies ist ihrer Ansicht nach – entgegen früheren Forschungsmeinungen – auch bei Grundschulkindern möglich. Dazu passt die innerhalb der vorliegenden Studie ausgewählte Fragestellung ›Wieso kann Jesus so gut von Gott erzählen?‹ sehr gut. Während im Vorschulinterview nur ein einziges der sechs Kinder der Fallbeispiele eine Theorie dazu aufstellt, nämlich der christlich sozialisierte Michael ›Jesus erzählt gut von Gott, weil er bei Gott ist, in Himmel geflogen ist‹ und nur ein weiteres Kind, nämlich Vic eine äußerst knappe Version des Gleichnisses vom Verlorenen Schaf erzählen kann, ändert sich hier im Interview mit den Zweitklässlern einiges. Vier der sechs ausgewählten Kinder können nun eine 1131 Vgl. Jonas, Charlotte und auch Linnea ›spricht im Schlaf mit Gott‹ statt ›spricht im Traum mit Gott‹. 1132 Vgl. Jonas, Vic, Michael, Franziska, Linnea. 1133 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 268. 1134 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 266. 1135 Vgl. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 12 sowie Hanisch/Bucher, Bibel, 27. 1136 Vgl. Kraft/Roose, Jesus Christus, 97. Vgl. hier auch den nachfolgenden Gedanken.

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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Kurzfassung des Gleichnisses wiedergeben1137, wobei drei davon auch verstanden zu haben scheinen, dass es hierbei nicht nur um den Hirten und seine Schafe, sondern um Jesus/Gott und die Menschen geht.1138 Insgesamt sind alle sechs Kinder in der Lage eine Vorstellung darüber zu äußern, wieso Jesus gut von Gott erzählen kann und häufig beziehen sich diese auf die von Kraft und Roose geforderte Frage, wie Gott und Jesus zueinander stehen. Jonas argumentiert beispielsweise direkt mit der strengen – im Sinne von engen – Verbindung Jesu zu Gott.1139 Vic argumentiert mit Jesu großem Wissen über Gott, seinen Vater, Michael ähnlich damit, dass Jesus Gott sehr gut kennt, wobei Charlotte dies noch ausdifferenziert, indem sie von ihrer Vorstellung spricht, dass Jesus schon im Himmel war, bevor er auf die Welt kam und dort schon mit Gott geredet hat, weshalb er gut von ihm erzählen kann.1140 Ohne Einbezug der besonderen Beziehung Jesu zu Gott argumentieren Franziska und Linnea, die eher die Menschen im Blick haben. Diese sollen die Geschichten von Gott kennen und wie Linnea ausdifferenziert, an Gott glauben sowie wissen, dass er sie beschützt.1141

9.2.7 Passion Jesu Fasst man die Forschungsergebnisse aus Kapitel 4.3.8 kurz zusammen kann man konstatieren, dass die Passion Jesu gerade schon für junge Kinder von hohem Interesse ist. In Brunners Untersuchung entscheidet sich ein Viertel der Kinder für das Malen des Passionsgeschehens. In der empirischen Tübinger Forschungsstudie konnte etwa die Hälfte dieses Geschehen wiedergeben oder den Mann am Kreuz als Jesus benennen.1142 Die quantitativ empirische Studie von van’t Zand und de Roos ergab erstaunliche Ergebnisse bezüglich des großen Vorwissens von Vorschülern aus religiös orientierten Schulen. Betrachtet man im Vergleich dazu die Fallbeispiele der vorliegenden Studie zeigt sich in Bezug auf das Interesse der Kinder ein ähnliches Bild. Alle sechs Kinder wissen etwas über die Passion Jesu, selbst bei insgesamt rudimentärem Vorwissen.1143 In einem Fall ist die Passion das einzige Wissenselement bezüglich des erwachsenen Jesus.1144 Als Einstieg in das Interview sollen die Kinder – 1137 1138 1139 1140 1141 1142

Vgl. Linnea (8.4.3.3), Franziska (8.2.3.3), Michael (8.6.3.3) und Jonas (8.3.3.3). Vgl. Michael (8.6.3.3 und 8.6.4), Linnea (8.4.3.3 und 8.4.4) und Jonas (8.3.3.3 und 8.3.4). Vgl. Jonas (8.3.3.3 und 8.3.4). Vgl. Vic (8.1.3.3 und 8.1.4), Michael (8.6.3.3 und 8.6.4) und Charlotte 8.5.3.3 und 8.5.4). Vgl. Franziska (8.2.3.3 und 8.2.4) und Linnea (8.4.3.3 und 8.4.4). Vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 159 f. Befragt wurden sowohl christliche als auch muslimische und konfessionslose Kinder. Vgl. hier auch den nachfolgenden Gedanken. 1143 Vgl. Franziska (8.1.1.3), Jonas (8.3.1.3). 1144 Vgl. Franziska (8.1.1.3).

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Zusammenfassende thematische Analyse

in Anlehnung an die Untersuchung von Brunner – ein Bild von Jesus malen. Die Mehrheit entscheidet sich für ein Bild aus dem Passionsgeschehen, was Brunners Ergebnissen entspricht. Michael malt ein Bild zum Einzug Jesu in Jerusalem, Jonas und Franziska ein Kreuz, Linnea einen Berg mit drei Kreuzen, Charlotte den Gekreuzigten auf dem Berg. Interessant ist auch das spontane Gespräch zur Kreuzigung, das im Januar der ersten Klasse aufgrund einer Schüleräußerung geführt wurde.1145 Hier zeigt sich das spontane Interesse der Kinder an der Thematik und man erhält einen Einblick in das Vorwissen einzelner Schülerinnen und Schüler. Noch aufschlussreicher ist das Gespräch ›Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?‹, das in der Passionszeit der ersten Klasse stattfindet.1146 Hier zeigt sich, dass – betrachtet man die Religionsgruppe insgesamt – die ganze Passionsgeschichte – im Kollektiv – rekonstruiert werden kann. Die Lehrperson kann sich darauf beschränken, das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler zur Sprache zu bringen, klärende Zwischenfragen zu stellen und im Anschluss daran die Geschichte geordnet und mit Betonung von Schwerpunkten zu erzählen. Als pädagogische Implikation muss gefordert werden, dass die Passion Jesu in alle Bildungspläne auch der Klassen 1/2 aufgenommen wird und Fricke zugestimmt wird, der das Verschweigen des Todes Jesu für eine Sackgasse hält.1147 Die theologischen Gespräche mit den Erstklässlern zeigen auch, dass die Schülerinnen und Schüler offensichtlich nur wenig Verbalisierungsschwierigkeiten haben, jedenfalls in einem ihnen vertrauten Kontext wie dem des Religionsunterrichts. Als Implikation wäre eine Ausweitung von Forschungsarbeiten im schulischen Kontext oder in Kooperation zwischen Lehrkräften und Wissenschaftlern einzufordern. Auch die Interviews anhand von Bildern in der zweiten Klasse ergaben insgesamt das Bild, dass Schülerinnen und Schüler zu diesem Zeitpunkt durchaus in der Lage sind, sich differenziert zum Passionsgeschehen zu äußern. Ähnlich dem Ergebnis von Zimmermanns Studie mit 10 – 12-jährigen, die eine narrative Einbettung neben beginnenden narrativen Sprachformen feststellen konnte. Wobei bei den Zweitklässlern der vorliegenden Studie vor allem die Narrativität beobachtbar ist. Gerade im Blick auf das Passionsgeschehen gelingt es den Schülerinnen und Schülern gut, die Ereignisse folgerichtig und häufig auch flüssig darzustellen. Viele erzählen spontan weiter und benötigen die Bildstützen nicht mehr. In allen sechs Fallbeispielen fällt das Thema Passion allein im Blick auf die Quantität der einzelnen Wissensbestandteile in den Landkarten der Zweitklässler auf – es nimmt fast in allen Fällen das größte Einzelthemenfeld ein.1148 Vorstellungen von Jesus können an einigen 1145 Vgl. Kapitel 7.3.1 Gesprächsprotokoll a). 1146 Vgl. Kapitel 7.3.1 Gesprächsprotokoll b) sowie 7.3.2.3 Vorwissen der Gruppe als Basis von Ko-Konstruktion. 1147 Vgl. Fricke, Von Gott reden, 136. 1148 Vgl. Franziska, Jonas, Michael, Linnea, Charlotte und Vic. (8.x.3.3 und 8.x.4).

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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Stellen in das narrativ aufgebaute Wissen eingefügt geäußert werden. Zum einen mit Blick auf die Vorstellungen, die die Menschen vom einziehenden Jesus in Jerusalem hatten (›Jesus ist der neue Heiland‹1149,Jesus ist ein König‹1150 ,will nicht so ein König sein‹1151) zum anderen bezüglich des Gebetes Jesu im Garten (Bitte um Hilfe: ›Dass Gott hilft bei Gefangennahme und am Kreuz‹1152 oder ›dass er wieder aufersteht‹1153 und Anfrage an Gott ›Wieso lässt du mich sterben?‹1154) Obwohl in der vorliegenden Studie nur 6 Kinder als Fallbeispiele näher betrachtet werden konnten, zeigt sich das Interesse sowie die Kenntnis im Blick auf das Passionsgeschehen durchgängig, was im Blick auf achtjährige Kinder bestätigt, was Hanisch und Bucher für deutlich mehr als 41 % der befragten Zehnjährigen konstatieren, Kenntnisse der Passionsgeschichte wiedergeben zu können.1155 Eine Interpretation des Kreuzigungsgeschehens wurde nicht explizit erhoben, weshalb eine Einordnung in die Studie von Kraft an dieser Stelle nicht möglich ist.

9.2.8 Auferstehung Jesu Anhand der Fallbeispiele erwies sich, dass das Mitdenken der Auferstehung mit der Passion für Vorschulkinder keineswegs selbstverständlich ist. Sowohl Franziska als auch Linnea wissen offensichtlich nichts von einer Auferstehung Jesu. Franziska reagiert auch nicht auf das Bild mit Maria. Linnea identifiziert darauf den Geist des toten Jesus, der in den Himmel aufsteigt. Auch Jonas weiß nur, dass Jesus ›weg ist‹. Er stellt sich vor, dass Jesus irgendwie abgehauen ist und es kein Wiedersehen mit Menschen gegeben hat. Immerhin kennt er die biblische Erzählung insoweit, dass er weiß, dass Freunde nach Jesus geschaut haben. Vic erklärt sehr knapp, dass Jesus wieder auferstanden ist, Charlotte spricht hier eher im kindlichen Sprachgebrauch von ›wieder aufwachen‹, verbindet dies jedoch immerhin mit Ostern. Nur Michael kennt die biblische Erzählung von den 3 Freundinnen, die zum Grab kommen, um zu gucken und vom Engel erfahren, dass Jesus weg ist. 1149 Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4). 1150 Linnea (8.4.3.3 und 8.4.4). 1151 Franziska 88.1.3.3 und 8.1.4), auch ähnlich Vic (8.2.3.3 und 8.2.4) und in Ansätzen Michael (8.6.3.3 und 8.6.4)›bescheiden‹. 1152 Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4), ähnlich auch Vic (8.1.3.3 und 8.1.4) ›dass es nicht so schlimm wird, wenn er ans Kreuz genagelt wird‹. 1153 Linnea (8.4.3.3 und 8.4.4)und Jonas (8.3.3.3 und 8.3.4). 1154 Michael (8.6.3.3 und 8.6.4). 1155 Vgl. Hanisch/Bucher, Bibel, 25.+27.

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Zusammenfassende thematische Analyse

Am Ende der zweiten Klasse hat sich dieses Bild stark verändert. Alle für die Fallbeispiele ausgewählten Kinder können nun Kenntnisse zu beiden biblischen Auferstehungsgeschichten wiedergeben. Franziska kann beide Erzählungen knapp aber folgerichtig wiedergeben, dasselbe gilt für Vic. Jonas erzählt die Geschichte der drei Frauen knapp, diejenige von Maria ausführlich. Charlotte verbindet beide Erzählungen zu einer und kennt zahlreiche Details. Sie spricht jetzt nicht mehr von aufwachen, sondern von ›auferstehen‹. Linnea erzählt die Geschichte von Maria sehr ausführlich, aber trennt auch nicht zwischen den Erzählungen. Michael erzählt beide Erzählungen sehr ausführlich, insbesondere in der Erzählung von Maria unter Einbezug von wörtlicher Rede. Alle Kinder sprechen nun vom ›auferweckten‹ oder ›auferstandenen‹ Jesus, keines verwendet die Worte ›aufgewacht‹. Alle Kinder schreiben die Auferweckung Jesu Gott zu.1156 Interessanterweise greifen vier Kinder das Auffahren Jesu in den Himmel auf, offenbar scheint es sie zu beschäftigen, da sie es spontan einbringen, nicht direkt danach gefragt wurden. Jonas narrativ eingebettet in die Erzählung von Maria, die Jesus nicht anfassen darf, weil er noch nicht zu Gott ›aufgefahren‹ ist.1157 Hier zeigt sich ein noch ungewohnter Sprachgebrauch dieses Begriffs. Michael fügt es ebenfalls folgerichtig in die narrativ dargebotene Erzählung ein, als wörtliche Rede Jesu ›Ich bin auferstanden – gehe zu meinem Vater in den Himmel.‹1158 Linnea und Charlotte zeigen eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Auferstandenen. Linnea betont vor allem das Verbot, Jesus anzufassen und verbindet es in ihrer Vorstellung damit, dass Jesus aufgrund einer Berührung zu Gott auffährt. Sie geht davon aus, dass Jesus zu Gott aufgefahren ist, weil einer ihn angefasst hat.1159 Charlotte denkt in ähnlicher Richtung. Auch sie hält es für möglich, dass der Auferstandene aufgrund einer Berührung möglicherweise sofort in den Himmel geht oder ihm aber gerade wegen der Berührung der Weg in den Himmel versperrt ist, weil er dann womöglich wieder wie früher aussieht und nicht wie ein Auferstandener. Die Tatsache, dass der Auferstandene anders aussieht als früher, ist für sie sehr wichtig.1160 Büttner und Mähringer gehen davon aus, dass die Auferstehungsgeschichten für Kinder des Vorschulalters die »notwendige Korrektur der Passionsereignisse darstellen. Damit geht die Geschichte von Jesus – gemäß dem finalistischen

1156 Vgl. Franziska (8.2.3.3), Charlotte (8.5.3.3), Jonas (8.3.3.3), Linnea (8.4.3.3), Vic (8.1.3.3). Bei Michael (8.6.3.3) wurde die Frage im Interview vergessen. Aus seiner Formulierung der Engelbotschaft ›Der Herr ist zum Leben erweckt‹ lässt sich schlussfolgern, dass er die Auferweckung Gott zuschreibt. 1157 Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte von Jonas am Ende der 2. Klasse (8.3.3.3). 1158 Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte von Michael am Ende der 2. Klasse (8.6.3.3). 1159 Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte von Linnea am Ende der 2. Klasse (8.4.3.3). 1160 Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte von Charlotte am Ende der 2. Klasse (8.5.3.3).

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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Schema – gut aus.«1161 Sie fragen weiter, wie Kindergartenkinder die verschiedenen Elemente des Ostergeschehens, sprich den biblischen Inhalt, also die Story von Jesu Auferstehung auf der einen Seite sowie das Brauchtum, also Skript und Schema auf der anderen Seite, inhaltlich zu einem stimmigen Konzept von Ostern zusammenfügen können.1162 Funktionale/komplementäre Assoziationsbrücken im Bjorklund’schen Sinne sind in ihrer Stichprobe zu erkennen, zum Beispiel durch den gemeinsamen Gebrauch des Osterbegriffs (Osterhase, Osterlamm, Osterkerze,…) Darüber hinaus lässt sich die temporale Verknüpfung von Osterhase und Auferstehung Jesu als Lösung erkennen, auch wenn diese zeitliche Zusammenordnung eine beachtliche Leistung darstellt, die jedoch in dieser Altersgruppe bewusst gefördert werden kann. Deshalb schlussfolgern Büttner/Mähringer, dass es wichtig ist, bereits im Vorschulalter LernRäume zu gestalten, die eine Vernetzung von Story, Skript und Schemata ermöglichen. Das bedeutet, dass neben dem Osterbrauchtum definitiv »das Wissen über und Erfahrungen von dem Osterereignis zur Sprache kommen müssen, wenn uns daran gelegen ist, Kinder in die Tiefe dessen, was Ostern für uns Menschen bedeutet, hineinwachsen zu lassen.«1163 Van’t Zand und de Roos1164 erhalten als empirisches Ergebnis, dass 59 % der von ihn befragten Vorschüler aus christlich orientierten Schulen wissen, dass Jesus auferstanden ist. 47 % sprechen in diesem Zusammenhang von einem Engel. Allerdings identifizieren nur 20 % den auferstandenen Jesus auf einem – vielen Kindern nicht bekannten Bild. Letzteres könnte sowohl bedeuten, dass tatsächlich nur 20 % der Kinder den auferstandenen Jesus auf einem Bild identifizieren können, weil z. B. die anderen davon ausgehen, dass Jesus direkt aus dem Grab in den Himmel auferstanden ist. Es könnte allerdings auch sein, dass ein viel höherer Prozentsatz an Kindern Jesus auf einem ihnen bekannten Bild in einer ihnen bekannten Gestalt hätten identifizieren können. Da Kinder während der intuitiv-projektiven Phase stark auf Bilder ansprechen und durch sie geprägt werden, wäre es möglich, dass sie den Auferstandenen nur in einer bestimmten, durch bekannte Bilder geprägten Gestalt erkennen. Kraft erkennt bei den von ihm untersuchten Viertklässlern ein primär christologisch geprägtes Gottesbild. »Jesus ist der gekreuzigte und auferstandene Gottessohn. Kreuzigung und Auferstehung werden […] als gleichsam aufeinander folgende ›Ereignisse‹ im Leben Jesu genannt.«1165 Dies bestätigt auch die Ergebnisse von Butt. Dieser erforschte in seiner Dissertationsarbeit die Auferstehungsvorstellungen von Viertklässlern schwerpunktmäßig durch In1161 1162 1163 1164 1165

Büttner/ Mähringer, Jesus auferstanden, 165. Vgl. Büttner, Mähringer, Osterhase, 166. Vgl. 166 – 168 auch die nächsten Gedanken. Büttner, Mähringer, Osterhase, 169. Vgl. van’t Zand/de Roos, Vorstellungen Ostern, 157 f. Kraft, Kompetenzüberprüfung, 13.

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Zusammenfassende thematische Analyse

haltsanalysen von Gruppendiskussionen zu drei biblischen Texten (Mk16, 1 – 8, Lk 24, 13 – 35, Joh 20, 11 – 18).1166 Butts Fazit lautet: »Kinder haben an dem kindertheologischen Gespräch über die Auferstehung Jesus großes Interesse und sind dafür leicht ansprechbar. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln mit Hilfe der gelesenen biblischen Texte, ihrem vernetzten biblischen Wissen und durch eigene Gedankenkonstruktionen zur Auferstehung Jesu unterschiedliche Denkwege, denen gemeinsam ist, dass sie alle eine christologische Bestimmung als Ausgangspunkt haben. Kirchliche Traditionen oder auch theologische Lehre spielen in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Die entstandenen Denkwege beeindrucken durch ihr klares, nachvollziehbares theologisches Denken.«1167

Dieses Schlussresümee zeigt auf beeindruckende Weise den Zusammenhang zwischen bereits existentem Wissen, anregenden Impulsen durch den Religionsunterricht, eigenen Gedankenkonstruktionen und theologischer, hier dezidiert christologischer Kompetenz. Butt selbst fasst die wichtigsten Ergebnisse seiner Studie mit Viertklässlern an anderer Stelle wie folgt zusammen: »Die Kinder entwickeln Vorstellungen der Auferstehung Jesus auf der Basis ihrer christologischen Ideen und Kenntnisse. Die Kreuzigung gehört für die Kinder offenbar als unabdingbare Voraussetzung zum Geschehen der Auferstehung dazu. Die Aspekte, um den Auferstandenen als Erscheinung zu beschreiben, können folgende Bereiche umfassen: Aussehen (Körper/ Kleidung/ Heiligenschein), Sein (Leib/Seele), Aufenthaltsort, Handeln Jesu. Die Himmelfahrt bildet den inhaltlichen und zeitlichen Abschluss der Auferstehung.«1168

Kraft und Roose stellen fest, dass Tod und Auferstehung bei Kindern am Ende der Grundschulzeit nicht als Paradox in den Blick kommen.1169 Butt schreibt den Kindern in Folge seiner Untersuchung eine große Kompetenz in der Auslegung der Ostererzählungen zu.1170 Sowohl die in der vorliegenden Studie durchgeführten theologischen Gespräche1171 als auch die auf der Grundlage der Portfolios sowie der Interviews erhobenen Daten bestätigen dies eindrücklich. Zweifelsohne kann Butts Ergebnis auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse noch erweitert werden, da hier schon Kinder am Ende der zweiten Klasse eine hohe Kompetenz bei der Kenntnis der Ostererzählungen zeigen. Bei 1166 Vgl. Butt, Auferstehungsvorstellungen. Er arbeitet des Weiteren mit selbst verfassten Trostbriefen der Kinder, kritisiert diese Methode jedoch im Nachhinein als wenig effektiv im Blick auf die Thematik der Eschatologie. 1167 Butt, Auferstehungsvorstellungen, 295. 1168 Butt, auferstandene Christus, 21. 1169 Vgl. Roose, Religionsunterricht, 31. 1170 Vgl. Butt, Auferstehungsvorstellungen, 255. 1171 Vgl. vor allem das Gesprächsprotokol in Kapitel 7.4.1, ergänzend aber auch diejenigen in 7.3.1.

Auswertung im Kontext religionspädagogischer Forschung zur Christologie

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allen untersuchten Kindern konnte ein deutlicher Wissenszuwachs festgestellt werden, in Abhängigkeit vom Vorwissen gar ein eklatanter. Deutlich erkennbar ist demnach sowohl die Erweiterung der theologischen Sachkompetenz als auch diejenige der hermeneutischen Kompetenz.1172 Im Blick auf die Auferstehung ergibt sich vor Schuleintritt ein zunächst erstaunliches Bild. Insbesondere, wenn man das Vorwissen der befragten und im Rahmen dieser Studie ausgewählten Kinder mit demjenigen der Studie von van’t Zand und de Roos vergleicht, die holländische Vorschulkinder nach ihren Vorstellungen von der Ostergeschichte befragt hatten.1173

9.2.9 Gottessohnschaft Jesu/ Zwei-Naturen-Lehre Büttner fordert im Anschluss an seine Forschungsarbeit, die Beziehung zwischen Jesus und Gott stärker in den Blick zu nehmen.1174 Dies wurde im Religionsunterricht, der die vorliegende Studie begleitet, berücksichtigt.1175 Durch Büttners Untersuchung wird die zentrale Rolle des Gebets Jesu im Blick auf das Verständnis der Wundergeschichte verdeutlicht.1176 Die Auswertung der sechs ausgewählten Kinder zeigt, dass das Spektrum der von ihnen gesehenen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Sohn und Vater in der beforschten Altersgruppe über das Gebet hinaus geht. Mehrfach genannt wird die Vorstellung des Traumes als probater Kommunikationsweg1177 – vornehmlich in Verbindung mit dem schlafenden Jesus im Sturm. Das Kommunikationsverhalten zwischen Jesus und Gott im Traum reicht von ›Gott informiert Jesus über die Situation‹1178 und dem finalistischen ›Gott sagt Jesus, dass alles gut wird‹1179 bis zu ›Gott sagt Jesus den richtigen Satz vor‹1180. Gesehen wird auch die Möglichkeit, dass Jesus ›in Gedanken‹ oder direkt mit Gott spricht und ihn um Hilfe bittet ohne dass dies als Gebet im engeren Sinn betrachtet wird.1181 Gott wird aber auch als aktiver Zuhörer Jesu gesehen, der Jesu ausgesprochene Sturmstillung umsetzt.1182 Im 1172 Beide Bereiche werden gemeinsam mit der personal-emotionalen Kompetenz von Butt als Zielhorizont des Unterrichts zur Auferstehung Jesu genannt, vgl. Butt, Auferstehungsvorstellungen, 294 f. 1173 Vgl. van’t Zand/de Roos, Ostervorstellungen, 147 – 160. 1174 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 267 f. 1175 Vgl. Kapitel 11.4 Dokumentation der Unterrichtseinheiten zu Jesus Christus. 1176 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 268. 1177 Vgl. Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4), Jonas (8.3.3.3 und 8.3.4 -explizit Traum) und Linnea (8.4.3.3 und 8.4.4 -nur Schlaf, nicht Traum). 1178 Vgl. Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4). 1179 Vgl. Jonas. (8.3.3.3 und 8.3.4). 1180 Vgl. Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4). 1181 Vgl. Linnea im Blick auf Jesu Heilfähigkeit sowie bei der Sturmstillung. 1182 Vgl. Vic (8.1.3.3 und 8.1.4) und Jonas (8.3.3.3 und 8.3.4).

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Zusammenfassende thematische Analyse

Blick auf das Gebet Jesu in Gethsemane ergibt die vorliegende Studie folgende interessante Beobachtungen. Von den sechs ausgewählten Kindern identifizieren vor Schuleintritt zwar fünf Kinder den betenden Jesus1183. Von diesen äußert jedoch nur ein einziges eine konkrete Vorstellung, warum Jesus betet, nämlich, ›dass die Soldaten ihn nicht festnehmen‹1184. Zwei Jahre später wird der betende Jesus von allen Kindern erkannt und bis auf eine Ausnahme verbinden alle eine inhaltliche Vorstellung damit, die sich entweder auf Jesu Kreuzigung oder Auferweckung bezieht. Die Vorstellungen reichen von der Bitte um Hilfe von Gott bei Gefangennahme und Kreuzigung1185 über die verständliche Bitte ›dass die Kreuzigung nicht so schlimm wird‹1186 zur Anfrage bei Gott, warum er ihn – Jesus – sterben lässt1187 bis hin zum Gebet für die Auferstehung1188. Bei allen Vorstellungen zeigt sich die Fähigkeit zur Verknüpfung von biblischem Wissen und eigenen Vorstellungen sowie die inhaltliche Vernetzung von Themen. (Gebet – Kreuzigung / Gebet – Auferstehung). In einem Einzelfall, in dem relativ komplexe Vorstellungen über die Beziehung Jesu zu Gott zu konstatieren sind, wird Jesu Präexistenz bei Gott als Kommunikationsmöglichkeit gesehen.1189 Büttners Untersuchung zur Entwicklung einer Christologie bei Kindern ergibt eine zentrale Rolle des Sohn-Gottes-Titels.1190 Dies lässt sich durch die vorliegende Studie bestätigen. Freudenberger-Lötz stellt im Blick auf die Entwicklung von Dritt- sowie Viertklässlern fest, dass diese im Blick auf die Gottessohnschaft durch Strukturierungshilfen zu eigenständigen Konstruktionen angestoßen werden können, so dass der zunächst plakativ eingebrachte Begriff »Sohn Gottes« sich zu einer inhaltlich individuell gefüllten Vorstellung weiterentwickelt, der für die Zukunft als Deutungsrahmen zur Verfügung steht.1191 Diese Entwicklung kann gemäß der vorliegenden Studie, offensichtlich bereits bei Erst- und Zweitklässlern angestoßen werden,1192 wobei analog zu Freuden1183 An dieser Stelle sind dies verglichen mit allen vor Schuleintritt interviewten Kindern unrepräsentativ viele. Insgesamt konnten deutlich mehr als ein Sechstel der befragten Kinder Jesus nicht als betend identifizieren. 1184 Vgl. Michael (8.6.3.3 und 8.6.4). 1185 Vgl. Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4). 1186 Vgl. Vic (8.1.3.3 und8.1.4). 1187 Vgl. Michael (8.6.3.3 und 8.6.4). 1188 Vgl. Linnea (8.4.3.3 und 8.4.4) und Jonas (8.3.3.3 und 8.3.4) -hier Kraft für die Auferstehung. 1189 Vgl. Charlotte (8.5.3.3 und 8.5.4). 1190 Vgl. Büttner, Jesus hilft, 270. 1191 Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 215 als Zusammenfassung ihrer Ausführungen von 201 – 214. 1192 Freudenberger-Lötz ordnet die erworbenen Kompetenzen, die sich in der von ihr analysierten Klasse zeigen bewusst der Vertrautheit mit theologischen Gesprächen zu. Die Schülerinnen und Schüler, deren Beiträge sie analysiert, kennen diese Form bereits über ein Jahr. Freudenberger-Lötz geht deshalb davon aus, dass die erworbenen Kompetenzen

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

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berger-Lötz Ergebnis bei Viertklässlern konstatiert werden muss, dass die individuellen Deutungsperspektiven weder auf einen Nenner gebracht noch einfach der Stufentheorie zugeordnet werden können.1193 Im Vorschulinterview zeigt sich, dass einzelne Kinder – eventuell spontan, weil durch die direkte Frage angeregt – in der Lage sind erste Vorstellungen über Jesus als besonderen Menschen zu bilden. Jesu Besonderheit wird mit sehr unterschiedlichen Argumenten begründet: Mit seiner Fähigkeit, anderen Menschen zu helfen1194, durch sein Vermögen, mit dem Himmel zu reden1195 bzw. Wunder zu tun1196 oder etwa in Analogie zum Christkind. Drei Kinder entscheiden sich vor die Wahl gestellt, ob dieser von ihnen als besonders dargestellte Mensch nun eher wie Gott oder wie ein Mensch sei für Gott, zweimal wird in diesem Zusammenhang auf die Gotteskindschaft zurückgegriffen, beide Male von Kindern, die die Gottessohnschaft Jesu bereits spontan als Begründung für Jesu Wundertätigkeit im Interview verwendet haben, die also über eine gewisse eigenständige Verwendung dieses Begriffes verfügen.

9.3

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

9.3.1 Lernvoraussetzungen und Resultatkompetenzen 9.3.1.1 Von Novizen und Experten – Heterogenität des Vorwissens Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler zu Jesus Christus bereits vor deren Schuleintritt in einer Art und Weise erhoben, die Lehrende im Schulalltag so niemals leisten könnten. Lehrerinnen und Lehrer, die in der Unterrichtspraxis stehen können dennoch davon profitieren, finden sich doch mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliche Fallbeispiele in vergleichbaren Klassen.1197 Vermutlich werden sie vom Ausmaß der real exis-

1193 1194 1195 1196 1197

nicht für jede Klasse vorausgesetzt werden können, wertet aber die Möglichkeit, Schüler/ innen zu solchen Leistungen zu führen positiv aus, vgl. Freudenberger-Lötz, Gespräche, 217. Spannend wäre es nun, die Entwicklung von Schülerinnen und Schüler, die wie in der vorliegenden Studie gezeigt bereits in Klasse 1 mit theologischen Fragen zur Gottessohnschaft Jesu beginnen, in einem Unterricht wie von Freudenberger-Lötz dargestellt, zu beobachten. Ihnen stünde ja bereits Ende der zweiten Klasse ein individuell gefüllter Deutungsrahmen des Begriffs zur Verfügung, was eine weitere positive Entwicklung antizipieren lässt. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche, 215 f. Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte vor Schuleintritt bei Charlotte (8.5.1.3) und Vic (8.1.1.3). Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte vor Schuleintritt bei Franziska. (8.2.1.3). Vgl. Wissens- und Kompetenzlandkarte vor Schuleintritt bei Michael (8.6.1.3). Die Studie arbeitete mit einer typisch zusammengesetzten Religionsgruppe einer badenwürttembergischen Kleinstadt.

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Zusammenfassende thematische Analyse

tenten in den Wissenslandkarten explizit und optisch augenfällig dargestellten Heterogenität dennoch überrascht sein.1198 Allein die sechs zur intensiven Analyse ausgewählten Kinder weisen eine Heterogenität in ihrem Vorwissen zu Jesus Christus auf, die kaum größer sein könnte.1199 Folgende zwei Beispiele verdeutlichen dies: Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt – Franziska1200 Geburt Jesu Jesus/ Maria/ Josef auf dem Weg Hirten – gehört von Jesu Geburt Könige – gehört von Jesu Geburt ‚Sohn von Gottes’ Heilungen Jesu Gelähmter kann nicht laufen /ziehen den hoch

Auferstehung Jesu

Passion Jesu Jesus gibt Brot an andere Jesus betet Jesus ans Kreuz genagelt

Jesus besonderer Mensch konnte mit dem Himmel reden – hat gebetet eher Mensch

Wunder Jesu Sturmstillung Schiff geht unter/ Jesus schläft/ Freunden geht’s schlecht/ Jesus geht’s gut

Jesus und Kinder Kinder fragen, ob sie ihm helfen können Jesus und Jünger

1198 Auch ich selbst, die ich seit über zehn Jahren Religionsunterricht erteile, war erstaunt vom Ausmaß der Heterogenität, das ich zwar erahnt, jedoch nie so klar analysiert hatte wie in dieser Studie. 1199 Bei der Auswahl der Probanden, die intensiv analysiert werden, war der Einbezug der offensichtlich vorhandenen Heterogenität ein entscheidendes Kriterium. Die Gruppe der im Rahmen der Studie unterrichteten Schülerinnen und Schüler (19) sowie die Gesamtgruppe der befragten Vorschulkinder (32) spiegeln diese Heterogenität wieder. Auch wenn die vorliegende Studie von der Gesamtzahl der Probanden her nicht repräsentativ ist, reicht es für Lehrende und Lernende im Unterricht aus zu wissen, dass die im Rahmen der sechs ausgewählten Kinder aufzufindende Bandbreite konkret vorkommen kann. Es ist wahrscheinlich, dass in ähnlichen Einzugsgebieten (Studie wurde in württembergischer Kleinstadt durchgeführt) ähnliche Vorwissensstände anzutreffen sind. 1200 Eine vergrößerte Fassung der Wissens- und Vorstellungslandkarte findet sich in Kapitel 8.2.1.3.

467

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt – Michael1201

Auferstehung Jesu

Geburt Jesu Maria/ Josef/ fort von zuhause/ fremdes Land/ Baby kommt/ kein Hotel/ Hütte/ Baby gekommen Sohn von Gott – Gott hat gemacht, dass Baby auf die Welt kommt/ weil des Jesus ist Hirten – Stern 3 Könige – Morgenland – Stern Gold/ Gewürze/ Gefäße

Jesus wieder auferstanden aus dem Grab weggeflogen zu Gott 3 Freundinnen zum Grab/ gucken Engel sagt: Jesus ist weg, ist in der Stadt Jesus besonderer Mensch, weil er Wunder macht, wie Gott

Passion Jesu Jesus auf Esel/ Palmwedel auf Boden/ Jerusalem/ Ostern Lamm gegessen zu Ostern/ Jesus teilt Brot + betet zu Gott, dass Soldaten ihn nicht festnehmen Jünger aufgewacht/ Soldaten gekommen Jesus ans Kreuz genagelt Warum? Weil Ostern ist

Jesus und Kinder lieben Jesus, weil er viele gesund macht Jesus und Jünger fischen nachts, keine Fische/ Jesus sagt: am Tag/ viele Fische merken, Gott macht wirklich Wunder/ kein anderer Mann kann Wunder machen haben ihn gern/ wollen einfach begleiten Jesus erzählt gut von Gott weil er bei Gott ist, in Himmel geflogen

Heilungen Jesu Bartimäus blinder Mann/ Jesus mit Jüngern vorbei/ Binde abgemacht/ konnte sehen Gelähmter Freunde/ Bahre/ Haus getragen/ viele Leute/ Jesus dabei/ nicht rein/ Dach geklettert/ aufgemacht/ runtergelassen/ Jesus mit ihm geredet/ Nimm Trage, steh auf und geh/ macht er Jesus kann gesund machen, weil Sohn von Gott/mit Gottes Hilfe Zaubermagie/ Jesus betet/ Gott versteht es/ Gott macht/ Jesus sagt, was Gott ihm sagt

Wunder Jesu Speisung 5000 Jesus erzählt/ viele Familien/ Abend/ Hunger/ Jesus fragt: ‚Hat jmd. Essen?’/ Zwei Fische + ? Jünger sollen verteilen / nicht glauben/ für alle gereicht/ 12/ 10 Körbe übrig Sturmstillung Jünger mit Boot raus/ Jesus schläft/ Mittagschlaf / keine Angst Jünger wecken Jesus Sturm plötzlich vorbei Warum? Weil Gott es alleine macht

Auf der einen Seite Franziska mit einem allenfalls als rudimentär zu bezeichnendem Vorwissen. Ihr gelingt es, die Hauptpersonen der Weihnachtsgeschichte sowie einzelne Inhalte zu benennen und drei Bilder zur Passion Jesu richtig zu identifizieren. Auch beschreibt sie ein Bild zur Sturmstillung richtig, allerdings ohne Kenntnis der zugehörigen Erzählung. Man kann sie demnach als Novizin im Blick auf die Thematik »Jesus Christus« bezeichnen. Auf der anderen Seite Michael, der bereits vor Schuleintritt über ein hohes sowie gut strukturiertes Vorwissen verfügt. Er kennt schon zu diesem Zeitpunkt die meisten Erzählungen, die während der ersten beiden Schuljahre thematisiert werden und kann einige knapp (Bartimäus, Fischfang, Sturmstillung, Frauen am Grab, Geburt Jesu) andere ausführlich (Gelähmter, Speisung der Fünftausend, Passion) erzählen. Er ist demnach als Experte zu charakterisieren. Religionsdidaktische Implikationen Der Religionsunterricht kann über die festgestellte offensichtliche Heterogenität der Lernvoraussetzungen zu Jesus Christus nicht hinwegsehen. Lehrende haben den einzelnen Schülerinnen und Schülern gegenüber eine Verantwortung, der sie gerecht werden müssen. Sicher ist es in der konkreten Unterrichtspraxis nicht möglich, dass sich Lehrende selbst und jedes Schuljahr aufs Neue ein derart umfassendes Bild des Vorwissens ihrer Schülerinnen und Schüler machen wie dies – exemplarisch 1201 Eine vergrößerte Fassung der Wissens- und Vorstellunglandkarte findet sich in Kapitel 8.6.1.3.

468

Zusammenfassende thematische Analyse

anhand der Dimension Jesus Christus – in der vorliegenden Studie stattfand. Deswegen wäre es einerseits zwingend notwendig, dass sich quantitative Forschungsvorhaben anschließen, die die Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern in der Domäne Religion, gegliedert nach den unterschiedlichen Dimensionen (z. B. Gott, Jesus, Bibel, Kirche…) erheben.1202 Andererseits wäre es wichtig, dass in allen gängigen Arbeitshilfen für Lehrerinnen und Lehrer Module zur Erfassung des thematischen Vorwissens der Schülerinnen und Schüler vorhanden sind, die zumindest überblicksartig Einblick in das individuelle Vorwissen geben.1203 Angesichts der heterogenen Lernvoraussetzungen ist es im Religionsunterricht notwendig voraussetzungs- und somit auch zieldifferent zu arbeiten. Es muss gewährleistet sein, dass Kinder gemäß ihren Lernvoraussetzungen gefördert werden können. Eine individuelle Förderung im Sinne der Arbeit mit Förderplänen für jeden einzelnen Schüler wäre für den Religionsunterricht jedoch unangemessen und vom Arbeitsaufwand für Lehrende nicht leistbar. Sinnvoll wäre jedoch eine Übersicht über das Vorwissen bei Novizen – Mittleren – Experten, um Schülerinnen und Schülern innerhalb dieser drei Gruppen sinnvolle Lernangebote in einer Lernumgebung anzubieten, die eine individuelle Weiterentwicklung in Anknüpfung an die drei unterschiedlichen Niveaustufen zu ermöglichen. Beispielsweise wäre es für einen Novizen, der die ›Heilung des Gelähmten‹ im Religionsunterricht zum ersten Mal hört, sinnvoll, diese im Anschluss an die Erzählung mit Bild- und Textkarten zu ordnen, um damit die einzelnen Wissenselemente in strukturierter Weise zu festigen. Für einen Experten dagegen, der die Geschichte bereits in multiplen Kontexten gehört hat (Familie, Kindergarten und Kinderkirche) wäre eine solche Aufgabenstellung überflüssig und würde mit hoher Wahrscheinlichkeit Langeweile evozieren. Auch offene Lernangebote, die eine Bearbeitung auf unterschiedlichen Niveaustufen zulassen sind zu integrieren. »Die Lernlandschaften sollen die Heterogenität in der Klasse produktiv aufnehmen und jedem Einzelnen die Chance eröffnen, individuelle Lernprozesse zu initiieren.«1204

1202 Gerade innerhalb der Domäne des Religiösen besteht derzeit noch ein eklatanter Mangel an repräsentativen Informationen über real existente Lernvoraussetzungen. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 2.7.2.3 Empirischer Forschungsstand zu Lernvoraussetzungen von Grundschülern – Darstellung einer Wissenslandkarte. 1203 Vgl. die sowohl in Klasse 1 als auch in Klasse 2 durchgeführte Selbsteinschätzung der Kinder in den Portfolios »Diese Geschichten von Jesus kenne ich« »Diese Geschichten möchte ich kennen lernen«. Tabellarische Übersicht. 1204 Butt, Auferstehungsvorstellungen, 291.

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

469

9.3.1.2 Wissen über Jesus weiterentwickeln – Bedeutung des Vorwissens für den Wissensaufbau Die Vorschulinterviews zeigen, dass Lernende bereits Vorwissen und Einstellungen zu Lerngegenständen in den Unterricht mitbringen.1205 Damit bestätigt sich eine Grundannahme des religionspädagogischen Konstruktivismus. Im Kontext der Diskussion um domänenspezifisches Lernen und Wissenserwerb wurde im Rahmen dieser Studie des Weiteren folgende, explizit von Fried postulierte These aufgegriffen: »Die Lern- bzw. Bildungschancen von Kindern hängen davon ab, über welches Wissen junge Kinder verfügen.«1206 Transponiert auf die vorliegende Studie würde dies bedeuten: Je mehr Wissen über Jesus Christus mitgebracht wird, desto einfacher und unproblematischer gelingt die Wissenserweiterung. Passen die dokumentierten Beobachtungen in dieses Bild? Vergleicht man die weiterentwickelten Wissenslandkarten eines Experten aus dem Vorschulinterview mit derjenigen einer Novizin ergibt sich folgendes Bild. Weiterentwickelte Wissenslandkarte eines Experten im Vorschulinterview – Michael – Ende der zweiten Klasse1207

Auferstehung Jesu Jesus sagt vor Tod ‚Nach 3 Tagen lebendig’, nach 3 Tagen, 3 Frauen (Maria v. Magdala), wollen einsalben, waren traurig, ‚Wie Stein weg?’ Stein war weg, Engel – Angst gehabt, ‚Herr ist zum Leben erweckt’, wurden fröhlich, Jüngern erzählt Maria zum Grab, sucht Jesus, Engel ‚Wieso weinst du?’ Maria ‚ Finde Jesus nicht’, Engel sagt ‚Jesus zum Leben auferstanden’, Maria kann es nicht glauben, hinter ihr Jesus – denkt der Gärtner, ‚Hast du Jesus weggetragen?’, Jesus sagt ‚Maria’ Maria sagt‚Herr’, ‚Ich bin auferstanden – gehe zu meinem Vater in den Himmel. Sage es den Jüngern’. Dann war er weg.

Passion Jesu Auftrag Jesu ‚Holt Esel’ – weil bescheiden Nach Jerusalem geritten, Palmwedel, Kleider auf Straße, Jesus hilft Menschen + erzählt von Gott, wollte im Tempel beten, wirft Tische um, betet, feiert Abendmahl mit Jüngern, teilt Brot, und Wein ‚Denkt an mich, wenn ihr Brot teilt’ In Garten gegangen, Jesus betet zu Gott ‚Wieso lässt du mich sterben’, Jünger schlafen, Soldaten kommen, nehmen Jesus fest, zum Hohenpriester – Gespräch, sieht Jesu Unschuld, Abstimmung. JesusVerbrecher? Verbrecher raus – Pilatus denkt ‚Was hab ich getan’, Judas od. Petrus hat verraten, Geld bekommen, Kuss, Pilatus gibt Auftrag ‚Kreuzigung’, Jesus trägt Kreuz, Berg, genagelt, Dornenkrone, ausgelacht, Jesus hat Durst, Schwamm voll Essig, ins Grab gelegt

Geburt Jesu Engel zu Maria ‚Sohn soll Jesus heißen’ Maria + Josef müssen in Heimatstadt – Zählung, schwanger, auf Esel, Herberge gesucht, Scheune, Kind geboren, Hirten sehen Engel ‚Fürchtet euch nicht – neuer König geboren’, Sterndeuter folgen dem Stern, Gold, Myrrhe, Weihrauch, fragen Herodes nach neuem König, sagt ‚Kommt zurück – will Kind auch sehen, Engel im Traum ‚Nicht zu Herodes gehen’, Umweg König - kann heilen, bescheiden Sohn von Gott – gibt ihn Maria und Josef , in der Bibel heißt es ‚Gottes Sohn’

Jesus sehr besonderer Mensch, wollte wie Mensch aussehen, aber kein Mensch wie du und ich

Jesus und Kinder Jesus ‚Holt mir die Kinder’ Jünger ‚Nein’, Frauen bringen Kinder, Jesus segnet sie Heilige segnen – Jesus, Pfarrer Jesus und Freunde Weil er sie geheilt hat / geholfen hat und sie fanden ihn toll/ mochten Jesus Fischer – nichts gefangen – Jesus ‚Fahrt nochmal am Tag’ viel gefangen Jesus erzählt von Gott Hirte – 100 Schafe, eins läuft weg, Hirte sucht, findet, bringt geborgen zurück, Gleichnis – Jesus Hirte, wir Schafe, liebt auch, wenn weggelaufen, ausgestoßen, geborgen zurück – Gottes Sohn, kennt Gott sehr gut

Heilungen Jesu Bartimäus – blinder Mann, bettelt, Jesus in der Stadt, Bartimäus hört es und ruft ‚Jesus’ , Jesus hört, kommt ‚Was rufst du mich?’, ‚Heile mich’, Jesus heilt, kann sehen Gelähmter – Freunde tragen ihn, Jesus in Haus, viele davor, Freunde ‚Jesus kann dich heilen’, Gelähmter ‚Glaube ich nicht’, kein Platz, Dach aufgemacht, runtergelassen, Heile mich’, andere sagen ‚Er darf’ – ‚Er darf nicht’ Jesus ‚Verzeihen leichter oder heilen?’ heilt ihn, ‚Nimm Matte, geh deinen Weg’, G. freut sich Jesus heilt Maria von Magdala Heilt – Sohn von Gott und besonders Licht + Brot der Menschen Heiliger und Sohn von Gott Glaube + Herz hilft ihm dabei

Wunder Jesu Freunde und Jesus im Boot, Jesus eingeschlafen, Gewitter, Wellen hoch, Jesus aufgeweckt, hat die Wellen gebändigt Jesus schläft, weil er müde ist, Jesus keine Angst, weiß, dass Gott bei ihm ist, Sohn vom Schöpfer, deshalb kann er es Jesus kam auf Wiese, hat gepredigt und von Gott erzählt, abends viele Menschen, die hatten Hunger, Jesus zu Jüngern ‚ Kauf et was’ Jünger nur 5 Brote und 2 Fische, Jünger verteilen an Menschen im Auftrag Jesu, 12 Körbe übrig Weil Jesus heilig ist, hat daraus mehr gemacht, dass alle satt wurden

1205 Vgl. Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 107. Vgl. ebd. auch zur genannten Grundannahme. 1206 Fried, Ausblick, 190. 1207 Eine vergrößerte Fassung der Wissens- und Vorstellungslandkarte von Michael Ende der zweiten Klasse findet sich in Kapitel 8.6.3.3.

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Zusammenfassende thematische Analyse

Michael verfügt im Vorschulinterview ganz eindeutig über das größte Vorwissen. Er kennt die meisten Geschichten und innerhalb der einzelnen Erzählungen mit Abstand die meisten Einzelheiten. Am Ende der zweiten Klasse hat sich seine Wissenslandkarte sehr deutlich ausdifferenziert. Er weist innerhalb fast aller Erzählungen einen sehr hohen Detailreichtum sowie eine hohe Strukturiertheit auf, die ihm ein flüssiges Erzählen ermöglicht. Bsp.: Heilung des Gelähmten: Freunde tragen ihn, Jesus ist in Haus, viele sind davor, Freunde sagen ›Jesus kann dich heilen‹, Gelähmter sagt ›Glaube ich nicht‹, kein Platz, Dach wird aufgemacht, Gelähmter runtergelassen, ›Heile mich‹, andere sagen ›Er darf‹ – ›Er darf nicht‹, Jesus fragt ›Verzeihen leichter oder heilen?‹, Jesus heilt ihn, ›Nimm deine Matte und geh deinen Weg‹, Gelähmter freut sich1208 Bsp.: Geburt Jesu: Engel sagt zu Maria ›Sohn soll Jesus heißen‹, Maria und Josef müssen in Heimatstadt – Zählung, Maria schwanger, auf Esel, Herberge gesucht, Scheune, Kind geboren, Hirten sehen Engel, sagt ›Fürchtet euch nicht – neuer König geboren, Sterndeuter folgen dem Stern, bringen Gold, Weihrauch, Myrrhe, fragen Herodes nach neuem König, Herodes sagt ›Kommt zurück – ich will das Kind auch sehen‹, Engel sagen im Traum ›Nicht zu Herodes gehen‹, gehen Umweg‹1209

Michael, das Kind mit dem größten Vorwissen weist insgesamt auch am Ende der zweiten Klasse die ausdifferenzierteste Wissenslandkarte auf.1210

1208 Vgl. Michael, Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende von Klasse 2, vgl. auch Kapitel 8.6.3.3. 1209 Vgl. Michael, Wissens- und Vorstellungslandkarte am Ende von Klasse 2, vgl. auch Kapitel 8.6.3.3. 1210 Diese Aussage bezieht sich auf die faktische Größe (Menge der genannten Elemente/ Grad der Differenziertheit) der Wissenslandkarten vor Schuleintritt und am Ende der zweiten Klasse. Im Blick ist nicht das Ausmaß des Wissenszuwachses.

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Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

Weiterentwickelte Wissenslandkarte einer Novizin im Vorschulinterview – Franziska – Ende der zweiten Klasse1211

Auferstehung Jesu irgendwie auferstanden Frauen gehen zum Grab, wollen Jesus mit Tüchern bedecken, Stein war weg/ Engel sagt ‚Jesus ist auferstanden!’

Geburt Jesu Maria + Josef, suchen Platz, finden Stall, unterwegs, um Jesus zur Welt zu bringen Schäfer/ Hirten kommen – wegen Stern, Königen Könige/ Sterndeuter – Stern gesehen/ zu Herodes gegangen, nach neuem König gefragt, dieser wundert sich, sollen wieder kommen, wenn gefunden/ sagen wo, Myrrhe + Gold Sohn von Gott, König wie Gott

Heilungen Jesu Bartimäus Bartimäus am Straßenrand, bettelt/ Jesus kommt, Bartimäus ruft Jesus/ Menschen sagen ‚Nein’ / Jesus sagt: ‚Komm her’ / Jesus bringt ihn zum Sehen

Maria ist beim Grab, guckt, denkt da wäre der Gärtner, er sagt ‚Ich bin Jesus’ / Maria freut sich Gott hat Jesus auferweckt

Passion Jesu Jesus kommt nach Jerusalem, mit Palmwedeln gewunken, Kleider auf den Weg will nicht so ein hoher König sein (Esel) Menschen denken Mensch oder König, weil er den Menschen hilft teilt abends Brot mit Freunden, Freund verrät ihn, geht in den Garten zum Beten mit Gott, Jünger sollen wach bleiben, schlafen aber, Soldaten kommen + nehmen ihn Priester entscheidet, dass er ans Kreuz genagelt wird, war am Kreuz

Jesus besonderer Mensch, kann Menschen helfen, gut von Gott erzählen eher wie Gott, der auch den Menschen hilft

Jesus und die Kinder Kinder wollen gesegnet werden, Jesus segnet sie, weil Gott ihm hilft Jesus und die Jünger haben nichts gefangen, Jesus geht mit ihnen mit, machen großen Fang, gehen mit, weil sie es toll fanden Freunde begleiten Jesus, weil sie Jesus nett fanden, gut fanden, dass er Menschen heilen kann Jesus erzählt von Gott Ein Schaf fehlt, sucht es, findet es, feiert, benennt Hirte nicht Alle sollen Geschichten kennen

Heilung des Gelähmten Freunde sehen, dass Jesus da ist, viele Leute vor der Tür, machen Dach kaputt, dass der durchkam, manche ärgerlich wegen Dach, Jesus hilft ihm/ kann laufen heilt, weil er Sohn von Gott ist Gott gibt bisschen Kraft dazu

Wunder Jesu Speisung 5000 wenig Brot und Fische, Jesus hat es aufgeteilt, dann hat es gereicht Es hat gereicht, weil geteilt wurde, Jesus hat geteilt Sturmstilllung großer Sturm, Jesus schläft, Freunde haben Angst, Jesus schläft weiter, kann nicht geweckt werden, sie haben es geschafft, auf Nachfrage: Sturm hört einfach auf Jesus schläft – weiß, dass Gott ihm hilft Jesus hat keine Angst – glaubt, dass Gott bei ihnen ist

Franziska weist im Vorschulinterview ein eher rudimentäres Wissen zu Jesus Christus auf. Sie nennt nur bezüglich der Geburt Jesu sowie seiner Passion einzelne Wissensstücke1212. Nach zwei Jahren hat sich auch Franziskas Wissenslandkarte sehr deutlich ausdifferenziert. Sie kann nun zu allen Erzählungen etwas sagen, nennt aber – verglichen mit Michael – deutlich weniger Einzelheiten. Die meisten Geschichten kennt sie im Blick auf die wesentlichen Inhalte sowie die Folgerichtigkeit und Flüssigkeit nun auf mittlerem Niveau. Bsp.: Heilung des Gelähmten: Vorschulinterview : kann nicht laufen, ziehen den hoch, Interview am Ende der zweiten Klasse: Freunde sehen, dass Jesus da ist, viele Leute vor der Tür, machen das Dach kaputt, dass der durchkam, manche ärgerlich wegen Dach [!] Jesus hilft ihm, kann laufen1213

Vergleicht man beide Entwicklungsverläufe miteinander drängt sich die Annahme auf, dass großes Vorwissen sehr großes Resultatwissen ermöglicht, während kleines Vorwissen zu mittlerem Resultatwissen führt. Die beiden Beispiele würden die oben angesprochene These von Fried bestätigen. Allerdings gibt es bereits unter den sechs für die Studie ausgewählten Fall1211 Eine vergrößerte Fassung der Wissens- und Vorstellungslandkarte von Franziska Ende der zweiten Klasse findet sich in Kapitel 8.2.3.3. 1212 Die wahrscheinlich reine Bildbeschreibung zur Sturmstillung wird nicht mitgewertet. 1213 Vgl. Franziska, Wissens- und Vorstellungslandkarte vor Schuleintritt in Kapitel 8.2.1.3 und am Ende des zweiten Schuljahres in Kapitel 8.2.3.3.

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Zusammenfassende thematische Analyse

beispielen auch solche, die die einfache These »großes Vorwissen – sehr großes Resultatwissen / kleines Vorwissen – mittelgroßes Resultatwissen« nicht so ohne weiteres bestätigen. Zu nennen ist hier zum Beispiel Linnea, die während zwei Jahren im Blick auf ihr Wissen über Jesus sehr viel aufgeholt hat. Linnea steht vor Schuleintritt auf einem mittleren Niveau in Bezug auf die Geburt Jesu, seine Wundertätigkeit sowie seine Passion. Im Blick auf Jesus als Heiler, Jesus und die Menschen sowie seine Auferstehung weiß sie vor Schuleintritt noch fast nichts, ist hier demnach auf einem rudimentären Niveau einzuordnen. Wissens- und Vorstellungslandkarte von Linnea vor Schuleintritt1214

Geburt Jesu

Auferstehung Jesu

Maria/Josef/ Jesus in Krippe Hirten Hl. 3 Könige – Stern/ Gold Sohn von Josef und Gott

jetzt noch tot (mehrfach bestätigt) steigt in den Himmel Figur auf Bild – evt. Geist Jesu Freundin freut sich, denkt, er wär nicht tot Jesus besonders Sohn von Gott eher wie Gott Passion Jesu Jesus betet auf Berg/ drei Kreuze ans Kreuz gehangen – stirbt weil irgend ein König ihn nicht mag vom Kreuz runtergeholt

Jesus und Kinder Jesus und Jünger

Heilungen Jesu Bartimäus Ende: Dass er wieder sieht Gelähmter Ende: Dass er wieder gesund wird Jesus bittet Gott darum, dann wird er gesund Gott macht es

Wunder Jesu Speisung 5000 arme Leute/ nix zu essen/ Jesus gibt Menschen Essen (spontan) Jesus hat Gott um Essen gebeten/ dann gab’s Essen Sturmstillung Jesus keine Angst, Gott beschützt ihn hilft seinen Leuten, dass kein Sturm mehr ist Sturm tut, was Jesus sagt, weil Jesus wertvoll ist, da Jesus viele Leute rettet + Sohn von Gott ist

Am Ende der zweiten Klasse weist ihre Wissenslandkarte Wissen zu allen thematisierten Erzählungen auf. In den allermeisten Fällen (Ausnahme Großer Fischfang) ist ihr Wissen jetzt sehr detailliert. Sie kann die allermeisten Erzählungen sehr flüssig und mit vielen Einzelheiten wiedergeben.

1214 Eine vergrößerte Fassung der Wissens- und Vorstellungslandkarte von Linnea vor Schuleintritt findet sich in Kapitel 8.4.1.3.

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Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

Wissenslandkarte von Linnea am Ende der zweiten Klasse1215

Auferstehung Jesu Frauen wollen einsalben, auf Weg geweint, wie soll Stein weg, Stein zur Seite gerollt, kein Leichnam Jesu, Maria geht hinein, denkt hinter ihr ist Gärtner, ‚Wo ist Leichnam, leg bitte wieder ins Grab’, will ihn einsalben, Gärtner spricht, Maria erkennt Stimme Jesu, geht zu anderen, sagt, dass Jesus auferstanden ist, die glauben’s ihr nicht, wollen ihn sehen, Jesus sagt, sie sollen ihn nicht anfassen, sonst fährt er zu Gott auf Einer hat ihn angefasst, zu Gott aufgefahren Gott hat ihn auferweckt

Passion Jesu Palmsonntag: nach Jerusalem gekommen, Jünger sollen Esel holen, eingeritten, Palmwedel/ Kleider, zu einem Fest gegangen Menschen denken, er ist ein König, Esel – will nicht angeben mit Sachen, die er kann Essen, Trinken, Jesus verteilt Brot ‚Brot ist mein Fleisch’, glaubt an Gott, auch wenn ich nicht mehr da bin, ‚Wein ist mein Blut’, betet zu Gott, auch wenn ich nicht mehr da bin Einer geht weg, verrät Jesus Garten, zu Gott gebetet dass er wieder aufersteht Jünger sollen aufpassen, sind eingeschlafen, Soldaten festgenommen, zu Mensch, der entscheidet, ob einer stirbt, dieser denkt, Jesus hat nicht Schlimmes gemacht, Leute wollen, dass Jesus gekreuzigt wird, sagt ‚Jesus wird gekreuzigt’ Kreuz tragen, Dornenkrone, weil Leute dachten, dass König, angenagelt, gestorben, in Höhle, Stein

Geburt Jesu Maria und Josef in Bethlehem, im Stall Kind auf die Welt gebracht, Engel kommt zu Hirten ‚Habt keine Angst, Wunderbares passiert’ Hirten kommen zum Stall, neuer König auf der Welt, Sterndeuter- Stern – neuer König geboren – zu Herodes, ‚Wo ist der König?’ – weiß nichts – kommt zu mir zurück, wenn gefunden, Engel sagt, geht nicht zurück, Gold, Weihrauch, Myrrhe geschenkt, König, weil hellerer Stern, kann Menschen helfen, weil Jesus Gottes Sohn ist, Gottes Sohn, weil besonderes und Gott dem manchmal hilft, Josefs Sohn, weil Maria ihn auf die Welt gebracht hat, Josef = Marias Mann

Jesus besonderer Mensch, weil er alle heilen konnte, Hälfte wie Gott, weil Kraft wie Gott, Hälfte ein Mensch wie wir

Jesus und Kinder wollen zu ihm, Jünger wollen nicht, Jesus sagt ‚Kinder sollen herkommen’, segnet sie, Jesus und Freunde Fischern geholfen wollen sehn wie Jesus Wunder tut, waren Freunde, passen auf ihn auf Jesus erzählt von Gott Hirte mit 100 Schafen, 1 Schaf verloren, sucht, findet es Hirte = Gott, Schafe = Menschen, Jesus erzählt, damit Menschen an Gott glauben, wissen, dass er sie beschützt

Heilungen Jesu Jesus in der Stadt – Blinder ruft ‚Jesus, hab Erbarmen mit mir und mach mich gesund’ Jünger sagen ’Lass ihn in Ruhe’, Jesus sagt ‚Komm her’, heilt ihn, heißt Bartimäus Gelähmter von Freunden getragen, alle Leute im Haus, aufs Dach, Wand eingeschlagen, runtergelassen, Jesus heilt ihn Maria auch geheilt Gott hilft ihm irgendwie – spricht in Gedanken mit Gott, bittet ihn um Hilfe, damit er Leute gesund machen kann – Gott gibt Jesus Kraft, es zu tun

Wunder Jesu Lieblingsgeschichte: tausende Leute, hungrig, nur fünf Brote und zwei Fische, Jünger sagen ‚Es reicht nicht’, Jesus sagt ‚Verteilt es’, hat allen gereicht, ist übrig Jesus hat Essen irgendwie vermehrt, Gott gibt Kraft dazu, kann in zwei teilen, dass es dabei gleich groß bleibt Sturm, Jünger sagen, wie kann Jesus schlafen, aufgeweckt, Jesus sagt ‚Habt keine Angst’ spricht zu Gott oder Wellen, dass Sturm aufhört Jesus spricht zu Gott, Gott zu Wellen. Schlaf – Jesus spricht mit Gott, keine Angst, weil Gott ihn beschützt

Bsp. Passion Jesu: Palmsonntag, Jesus ist nach Jerusalem gekommen, Jünger sollen Esel holen, eingeritten, Palmwedel/Kleider, ist zu einem Fest gegangen, Menschen denken, er ist der König, Esel – will nicht angeben mit Sachen, die er kann, Essen + Trinken – Jesus teilt Brot, ›Brot ist mein Fleisch‹ – ›Glaubt an Gott, auch wenn ich nicht mehr da bin‹, ›Wein mein Blut‹ – ›betet zu Gott, auch wenn ich nicht mehr da bin‹, einer geht weg – verrät Jesus, Garten, zu Gott gebetet, dass er wieder aufersteht, Jünger sollen aufpassen – sind eingeschlafen, Soldaten haben Jünger [!] festgenommen, zu Mensch gebracht, der entscheidet, ob einer stirbt, dieser denkt, Jesus hat nichts Schlimmes gemacht, Leute wollen, dass Jesus gekreuzigt wird, sagt ›Jesus wird gekreuzigt‹, muss Kreuz tragen, Dornenkrone – Leute dachten, dass er König sei, angenagelt, gestorben, in Höhle mit Stein

Zusammenfassend kann man die dokumentierten Beobachtungen dieser Studie wohl folgendermaßen interpretieren. Großes Vorwissen bietet offensichtlich eine sehr gute Voraussetzung für die Erweiterung und Ausdifferenzierung dieses Wissens. Kleines Vorwissen kann zu einem weniger ausdifferenzierten mittleren Resultatwissen führen. Ein schwach ausgeprägtes Vorwissen kann jedoch durch weitere Faktoren ausgeglichen werden. Fried selbst geht davon aus, dass die allgemeinen kognitiven, insbesondere die sprachlichen Fähigkeiten neben dem Vorwissen entscheidend für den erfolgreichen Erwerb neuen Wissens sind.1216 1215 Eine vergrößerte Fassung der Wissens- und Vorstellungslandkarte von Linnea am Ende der zweiten Klasse findet sich in Kapitel 8.4.3.3. 1216 Vgl. Fried, Expertise, 61.

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Zusammenfassende thematische Analyse

Besonders relevant scheint hierbei auch die Merkfähigkeit im Blick auf Geschichten. Wie in Kapitel »9.3.4 Einüben in flüssiges und folgerichtiges Erzählen biblischer Geschichten« ausführlich thematisiert werden wird. Kinder, die kaum Vorwissen in die Schule mitbringen, jedoch Erzählungen bereits beim ersten Hören folgerichtig strukturiert und detailliert abspeichern können, haben die Möglichkeit strukturiertes Wissen bezüglich biblischer Geschichten sehr schnell aufzuholen. Hinzukommen können weitere förderliche Faktoren der Lernumgebung. Werden zum Beispiel theologische Gespräche dem Kind angeboten, besteht die Möglichkeit, sich über Erzählungen auszutauschen, erhalten die individuellen Denkkonstrukte der Schülerinnen und Schüler Raum, ist ihre Wahrnehmung einer Geschichte gefragt, fühlen sie sich wohl dabei, die eigenen Gedanken auszusprechen, hören sie die Gedanken anderer. Erhalten die Schülerinnen und Schüler auf diese Weise – vor allem durch theologische Gespräche – die Möglichkeit zu eigenen Konstruktions- und Ko-Konstruktionsprozessen? Ist eine – auch kritische – Fragehaltung möglich? Fühlen sich die Kinder in der Atmosphäre des Religionsunterrichts wohl? In Kapitel 7 wurden mehrere Beispiele für produktive theologische Gespräche analysiert, in denen gerade auch ko-konstruktive Prozesse aufgezeigt werden konnten. 9.3.1.3 Über Jesus Christus sprechen können – Einüben in religiös geprägte Sprache Es lohnt sich in diesem Zusammenhang auf ein Ergebnis der Tübinger Studie zur Differenzwahrnehmung bei jungen Kindern zurückzugreifen, nämlich die insgesamt offensichtlich wenig ausgeprägte religiöse Sprachfähigkeit vieler Kinder.1217 Fehlende religiöse Sprachfähigkeit kann demnach einerseits auf einer gering ausgebildeten allgemeinen Sprachfähigkeit beruhen, andererseits auch auf einer rein unterentwickelten religiösen Sprachfähigkeit aufgrund mangelnder Vertrautheit mit religiösen Zusammenhängen bei ansonsten normaler Sprachentwicklung.1218 Religiöse Sprachfähigkeit muss insofern ganz bewusst gefördert werden, sie entsteht nicht von selbst. Der Religionsunterricht ist hierfür prädestiniert. Welche Beobachtungen konnten bei den sechs ausgewählten Kindern innerhalb der vorliegenden Fallanalysen gemacht werden? Erhöhte sich ihre religiöse Sprachfähigkeit bezüglich Jesus Christus im Verlauf von zwei Jahren? Vergleicht man die Vorschulinterviews mit den Interviews der zweiten Klasse kann man bei allen ausgewählten Schülerinnen und Schülern einen deutlichen Zuwachs in der Verwendung religiös geprägter Sprache erkennen. Obwohl bei einigen Kindern 1217 Vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 180 – 186. 1218 Vgl. Dubiski u. a., religiöse Differenzwahrnehmung, 34.

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

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vor Schuleintritt noch keinerlei Hinweis auf Kenntnis religiös geprägter Begriffe festzustellen war, da sie im Interview weder von sich aus religiös geprägte Sprache gebrauchten noch auf vorgegebene Begriffe eingingen (z. B. Sohn Gottes), konnte nach zwei Jahren festgestellt werden, dass die Mehrheit der Kinder im Interview religiös geprägte Begriffe von sich aus verwendet. Einige Kinder fallen vor Schuleintritt als Novizen bezüglich religiöser Sprache auf: Vic beispielsweise lässt vor Schuleintritt noch keine Verwendung religiös geprägter Begriffe erkennen. Im Interview am Ende der zweiten Klasse greift sie den Begriff ›Sohn Gottes‹ wie selbstverständlich auf und füllt ihn inhaltlich mit eigenen Gedanken. Auch verwendet sie in Bezug auf Jesus den Begriff ›heilig‹ und zwar im Sinne einer Erklärungshilfe für einen eigenständigen Gedanken. Auch die Auferstehung formuliert sie mit Hilfe von religiös geprägter Sprache und ohne Bezug zur Alltagssprache, indem sie klar sagt ›Gott hat Jesus auferweckt‹. Jonas verwendet im Vorschulinterview ebenfalls keine religiöse Sprache. Im Interview nach zwei Jahren RU kennt er sowohl die Formulierung ›Gott hat Jesus auferweckt‹ wie auch ›auferstehen‹. Allerdings füllt er die Auferstehung inhaltlich anders, er geht davon aus, dass Gott Jesus die Kraft gibt, wieder aufzuerstehen. Andere Kinder verfügen bereits vor Schuleintritt über Kenntnis einiger religiös geprägter Begriffe und verwenden diese im Vorschulinterview. Sie erweisen sich hier als Experten. Charlotte verwendet bereits im Vorschulinterview den Begriff ›Sohn Gottes‹ mehrmals als Begründung. Von der Auferstehung spricht sie dagegen noch in Alltagssprache – Jesus ist ›wieder aufgewacht‹. Nach zwei Jahren hat sie das ihr zur Verfügung stehende Spektrum an religiöser Sprache deutlich erweitert. Neben dem Begriff ›Sohn Gottes‹, den sie weiterhin selbstständig als Begründung in mehreren Zusammenhängen verwendet spricht sie nun von Jesus auch als ›Heiland‹ und ›König‹ sowie als ›Hirte‹. Die Auferstehung formuliert sie nun nicht unter Zuhilfenahme von Alltagssprache, sondern sagt ›Gott hat Jesus wieder auferweckt‹. Jesus bezeichnet sie auch als ›Auferstandenen‹ und präsentiert zugleich auch noch eine recht komplexe Theorie bezüglich des Anrührungsverbots verbunden mit der Himmelfahrt. Michael nennt Jesus im Vorschulinterview ›Sohn von Gott‹. Nach zwei Jahren weist er ein sehr breites Spektrum an religiös geprägten Begriffen auf. Jesus als ›Gottes Sohn‹, ›König‹, ›Licht der Menschheit‹, ›Brot der Menschheit‹, ›Heiliger‹, ›Sohn des Schöpfers‹. Bei Michael ist zudem auffällig, dass er eine weitaus größere Vielfalt an religiös geprägten Begriffen verwendet, als im Religionsunterricht thematisiert wurden. Das bedeutet, dass Michael diese Begriffe an einem außerschulischen Lernort (familiäres Umfeld oder kirchliches Umfeld) aufge-

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Zusammenfassende thematische Analyse

griffen hat. Es fällt aber auch auf, dass Michael gerade diese Begriffe – ›Brot der Menschheit‹, ›Licht der Menschheit‹ – inhaltlich nicht füllen kann. Eine innere Auseinandersetzung, ein sich zu Eigen machen gerade der nicht im Religionsunterricht thematisierten Begriffe erfolgte nicht. Im Religionsunterricht wurde insbesondere der Begriff ›Sohn Gottes‹ ausführlich aufgegriffen und thematisiert. So bestand die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler diesen Begriff inhaltlich füllen können. Das geschah hauptsächlich in Form von theologischen Gesprächen. Es zeigt sich, dass gerade dieser Begriff offensichtlich aufgenommen und in die jeweils individuellen Konstrukte in Bezug auf Jesus Christus integriert wurde, vgl. dazu alle Fallanalysen. Auch der Sprachgebrauch ›Jesus ist auferstanden‹ bzw. ›Gott hat Jesus wieder auferweckt‹ wurde bewusst eingeübt.1219 Auch hier konnte ein deutlicher Zuwachs der religiös geprägten Begrifflichkeit dokumentiert werden. Religionsdidaktische Implikationen und unterrichtspraktische Überlegungen Im Rahmen der vorliegenden Studie zeigt sich bestätigt, was bereits im Vorfeld in Anlehnung an Elsbeth Stern konstatiert wurde – die Notwendigkeit eines inhaltlich bezogenen Förderfeldes Gesprächsführung. »Symbolsysteme dienen nicht nur der Kommunikation von Wissen, sondern sie bilden darüber hinaus die Grundlage für die Konstruktion von neuen Inhalten.«1220 Ein solches Förderfeld Gesprächsführung – man könnte es weiterführend eine theologischkommunikative Lernumgebung nennen – müsste folgende Elemente beinhalten: Erstens eine Fragehaltung zu entwickeln und Raum sowie eine geeignete Atmosphäre für das Stellen von Fragen zu schaffen, zweitens das würdigende Wahrnehmen von Schüleräußerungen, drittens theologische Gespräche, in denen sich Konstruktion und Instruktion (von Mitschülern oder der Lehrperson) die Waage halten und viertens sprachlich vermittelter Input (sowohl im Sinne des Vorwissens anderer Schülerinnen und Schüler als auch durch Lehrererzählungen). 9.3.1.4 Von Jesus Christus erzählen können – Einüben in flüssiges und folgerichtiges Erzählen biblischer Geschichten »Kindertheologie ist an Sprache als Medium [des] Reflexionsprozesses gebunden. Die Form des Sprechens darf aber nicht auf eine begrifflich-argumentative Entfaltung beschränkt werden. ›Erzählen‹ und ›Übertragen‹ sind ebenso Formen des theologischen Nachdenkens, die an biblische Traditionen anknüpfen und somit – z.B. gegen-

1219 Vgl. Kapitel 7.4.2.1.3. Ist Jesus auferstanden oder hat Gott ihn auferweckt? 1220 Stern/ Schumacher, intelligentes Wissen, 116.

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über der logisch geprägten Philosophie – der kindertheologischen Reflexion domänenspezifisches Profil verleihen.«1221

Selbstverständlich ist die allgemeine Entwicklung mitverantwortlich dafür, dass Kinder im Zeitraum von zwei Jahren in der Fähigkeit Geschichten folgerichtig zu erzählen Fortschritte machen. Von dieser allgemeinen – auch durch den Unterricht in anderen Fächern geförderten Entwicklung – profitiert mit Sicherheit auch der Religionsunterricht. Knopf und Schneiders Untersuchung zur Entwicklung der Fähigkeit Geschichten zu erinnern ergab, dass sich im Verlauf der Entwicklung sowohl die Zahl der reproduzierten Sinneinheiten als auch die Qualität des Erinnerten verbessert: »Mit zunehmendem Alter der Kinder erhöhte sich also nicht nur die Zahl erinnerter Textelemente, sondern es verbesserte sich vor allem auch die Struktur des Erinnerten. Die Geschichten werden zunehmend stärker geordnet erinnert, d. h. die Abfolge erinnerter Handlungen und Ereignisse entsprach immer mehr der Reihenfolge, wie die Handlungen und Ereignisse in der Originalgeschichte enthalten waren.«1222

Dies ergäbe als logische Konsequenz, dass alle Kinder unabhängig vom Unterricht allein auf der Basis ihres fortschreitenden Alters Fortschritte bezüglich der Qualität und strukturierten Wiedergabe biblischer Geschichten machen müssten. Es ergäbe wohl auch die Schlussfolgerung, dass gerade Geschichten mit einem spannenden bzw. klar erkennbaren Handlungsablauf gut erinnert werden können. Die Untersuchungen von Knopf und Schneider belegen weiter, »dass die Fähigkeit, sich viel von einer Geschichte einzuprägen bzw. zu erinnern und die Fähigkeit, die erinnerten Handlungen in korrekter Reihenfolge zu reproduzieren, Hand in Hand gehen. Die Güte der Erinnerung und die Güte der Erinnerungsstruktur hängen demnach eng zusammen.«1223

Das Vorwissen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn Kinder unterschiedlichen Alters generell versuchen, sich ein grobes Gerüst des Geschehens einzuprägen, dann können im Lauf der Entwicklung weitere Handlungsinformationen in dieses angelegte Erinnerungsgerüst eingepasst werden.1224 Wer demnach bereits mit einem Wissensgerüst in den Religionsunterricht kommt, kann eine dort erzählte Geschichte bereits in ein Handlungsgerüst einbauen und scheint dadurch große Vorteile zu haben.1225 Die Wissenslandkarten der Kinder, wie sie im Rahmen dieser Studie erstellt wurden, zeigen, ob und wenn ja, welches 1221 1222 1223 1224

Zimmermann, theologische Kompetenz, 402. Knopf/Schneider, Lern- und Gedächtniskompetenzen, 88. Knopf/Schneider, Lern- und Gedächtniskompetenzen, 89. Vgl. dazu die Untersuchung von Knopf/Schneider zur Fähigkeit, Geschichten einzuprägen. Vgl. Knopf/Schneider, Lern- und Gedächtniskompetenzen, 88. 1225 Vgl. im Rahmen der vorliegenden Fallbeispiele insbesondere Michael, aber auch Charlotte.

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Grob- oder gar bereits Feingerüst die Kinder individuell mitbringen.1226 Ist im Umkehrschluss generell benachteiligt, wer mit wenig Vorwissen in die Schule kommt? Was ist mit Kindern, die zur Gruppe der Leistungsstärksten im Blick auf die Strukturiertheit der Erinnerungen zählen und gleichzeitig nur wenig oder ein mittleres Vorwissen zu Jesus Christus mit in den Religionsunterricht bringen? Gemeint sind Kinder, die generell ein gut strukturiertes Erinnerungsvermögen aufweisen, das sich in unterschiedlichen Domänen nachweisen lässt, die aber im Rahmen ihrer bisherigen Sozialisation (Familie/Kindergarten) noch wenig Möglichkeiten hatten, dieses Erinnerungsvermögen im Blick auf die Domäne des Religiösen zu nutzen. Schülerinnen und Schüler, die bislang nur selten Gelegenheit hatten, Erzählungen von Jesus Christus zu hören. Auf der Basis der Studie von Knopf und Schneider müsste man annehmen, dass diese Kinder gerade durch den Religionsunterricht sehr schnell aufholen können, weil sie bereits beim ersten Hören einer Erzählung (z. B. im Religionsunterricht) eine gute Erinnerungsstruktur aufbauen können. »Zum größeren Teil sind die Erinnerungsleistungen durch die individuell variierende spezifische Fähigkeit determiniert, sich Geschichten einzuprägen, diese kurzzeitig zu behalten und wieder zu erinnern.« Der Vorteil des Vorwissens fehlt den angesprochenen Schülerinnen und Schülern zwar, eine bereits vorhandene Erinnerungsstruktur, auf die man aufbauen könnte, bzw. in die man einfügen könnte, ist demnach noch nicht vorhanden, aber schon der Erstkontakt mit einer Erzählung im RU ermöglicht es diesen Kindern, eine sehr gute Erinnerungsstruktur aufzubauen.1227 Längerfristiges Behalten von Geschichten wird durch die Untersuchung von Knopf und Schneider eher negativ bestätigt, d. h. in ihren Untersuchungen (z. B. Umzugsgeschichte) erinnern die Kinder längerfristig eher wenig Elemente.1228 Dies kann mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie so nicht bestätigt werden. Im Gegensatz, hier erinnern die Schülerinnen und Schüler auf ihren je unterschiedlichen Niveaus Erzählungen auch längerfristig. Das könnte daran liegen, dass die Kinder im RU immer wieder auch an frühere Erzählungen erinnert wurden. Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde insbesondere Wert auf Wiederholungen gelegt.1229 Im Gegensatz zur Studie von Knopf und Schneider 1226 Vgl. Wissens- und Vorstellungslandkarten vor Schuleintritt aller Fallbeispiele im Vergleich in Kapitel 8.x.1.3. Vgl. ebenfalls die am Anfang der Schulzeit im Unterricht erstellten Übersichtslandkarten, die anhand von kleinen Bildchen zeigen, welche Geschichten die Kinder je kennen oder nicht kennen, siehe Kapitel 8.x.2.2. 1227 Ein Beispiel hierfür ist im Rahmen dieser Studie bei Linnea zu erkennen, vgl. Kapitel 8.4. 1228 Vgl. Knopf/Schneider, Lern- und Gedächtniskompetenz, 89 f. 1229 Insbesondere ermöglichte das Portfolio eine Präsenz der thematisierten Geschichten über den Verlauf von zwei Schuljahren. Es hatte einen sehr hohen Aufforderungscharakter, der insbesondere durch die Tatsache erzeugt wurde, dass es über längere Zeit in der Schule verblieb. Die Schülerinnen und Schüler wurden immer wieder dazu aufgefordert, sich das

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handelte es sich im Rahmen dieser Untersuchung auch nicht um unabhängige Einzelgeschichten1230, sondern um Erzählungen, die in einem Gesamtzusammenhang stehen. Alle Erzählungen handeln von Jesus Christus – seinem Leben, Wirken und Reden von Gott. Zusammenhänge können immer wieder aufgezeigt werden, z. B. in theologischen Gesprächen. Es kann deshalb im Gegensatz zu unabhängigen Einzelgeschichten nicht nur eine Erinnerungsstruktur innerhalb einer Geschichte aufgebaut werden, sondern eine Wissenslandkarte, die gerade auch Verknüpfungen enthält und dadurch eine ganz andere Stärke auch im Blick auf nachhaltiges Lernen besitzt. Dies scheint längerfristiges Erinnern offensichtlich zu begünstigen. Nicht unterschätzt werden darf auch der optische Bildanreiz1231 als inhaltlicher Erinnerungsanker. Erinnerungsanker helfen den Kindern häufig, sich klarer und umfangreicher zu erinnern.1232 Die generelle Ausrichtung der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Interviews auf den inhaltlichen Fokus, trug möglicherweise zum recht großen Erinnerungsvermögen der Schülerinnen und Schüler bei. Im Gegensatz dazu stellten Fölling-Albers und Meidenbauer bei einer Untersuchung mit Kindern im Grundschulalter fest, dass Schüler/innen bei offenen Fragen zum Unterricht sehr häufig (58 %) formale Aspekte der Stunden erinnern und nur (31 %) Inhalte.1233 Liegt der Fokus wie im vorliegenden Fall auf inhaltlichem Wissen, geben die Kinder offensichtlich mehr erinnerte Inhalte an. Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus Henneckes Untersuchung zum Lernen von Kindern im RU. Sie stellt fest, dass Unterrichtsinhalte mit narrativer Struktur, den Grundschülerinnen und -schülern offensichtlich bessere Erinnerungsanker bieten als abstrakte Unterrichtselemente.1234

1230 1231 1232 1233 1234

Portfolio anzusehen, sich mit dem Nachbarn darüber zu unterhalten, es weiter zu gestalten. Im Rahmen der Portfolioarbeit wurde auch eine Gesamtstrukturierung der Erzählungen über Jesus angestrebt. Jede neue Erzählung wurde einer Kategorie zugeordnet. So konnten die Schülerinnen und Schüler für sich strukturieren, welche Geschichten in Zusammenhängen stehen. Die Ausbildung von inneren Landkarten wurde dadurch möglicherweise begünstigt. Geburtstags-/ Spielnachmittags-/ Umzugs-/ und Mauerburg-Geschichte, vgl. Knopf/ Schneider, 86. Die halbstandardisierten Interviews wurden durch begleitende Bilder kindgemäß modifiziert. Gelang es einem Kind ohne Bild zu erzählen, wurde dies natürlich gestattet. Sofern Schwierigkeiten auftraten, war das Bild eine inhaltliche Stütze. Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 355. Vgl. dazu Fölling-Albers/Meidenbauer, Was erinnern Schüler/innen, 235 – 239. Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 311 f.

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9.3.1.5 Vorstellungen von Jesus Christus ausdrücken können – Zum Zusammenspiel von Inhalt und Kompetenz Die vorliegende Studie bezieht sich auch auf die von Zimmermann vorgelegte Definition der theologischen Kompetenz, die allerdings altersgemäß modifiziert wurde. Zimmermanns Definition umfasst – so Büttner – »sowohl die Dimension inhaltlichen Wissens als auch die handwerkliche Seite des Besser-damit-umgehen-Könnens.«1235 Für Büttner ist klar, dass »das Theologisieren mit Kindern, sofern es systematisch betrieben wird, zu einem Zuwachs an Wissen und Argumentationsfähigkeit führen soll.«1236 Zimmermann konstatiert selbst: »Kindliche Denk- und Sprachformen können mit dem Paradigma der ›domain specificity‹ als Landkarten des Denkens in inhaltliche Bereiche systematisiert werden: Neben einer gewissen Grundkompetenz der Kinder zeigen die empirischen Studien eine proportionale Abhängigkeit der theologischen Kompetenz vom vorhandenen domänenspezifischen Wissen der Kinder. Je vielfältiger die Voraussetzungskompetenzen waren, desto differenzierter und kompetenter konnten Kinder ein theologisches Problem wahrnehmen, bearbeiten und ›lösen‹.«1237

Bewusst wurden die Wissenslandkarten im Rahmen der vorliegenden Studie deshalb nicht als reine Landkarten einzelner biblischer Wissenselemente gestaltet, sondern thematisch systematisiert. Im Rahmen jedes Unterthemas wurden sowohl die Wissenselemente als auch die dazu passenden und die in ihrem jeweiligen Kontext genannten theologischen Eigenkonstruktionen der Kinder dargestellt, obgleich letztere tabellarisch ein zweites Mal erfasst wurden. Die Wissenslandkarten sollten jedoch den engen Bezug zwischen den inhaltlichen Elementen und dem darauf basierenden eigenständigen Umgang auf einen Blick erkennbar werden lassen. Sie zeigen demnach die im Rahmen von biblischen Geschichten kontextualisierte theologische Kompetenz. Wir erkennen darin die Ausbildung individueller christologischer Wissens- und KompetenzLandkarten.1238 Betrachtet man Wissen und Kompetenz aus konstruktivistischer Sicht könnte man sagen beim Wissen über Jesus Christus, das im Bildungsplan häufig als Kompetenz ›Kennen die biblische Erzählung‹ aufgegriffen wird, handelt es sich um die »Fähigkeit, instruktivistisches Material (evtl. in Auswahl) je eigen strukturiert wiederzugeben«1239. Auch Zimmermann spricht für diese Alters1235 Büttner, Kindertheologie und Theologie, 19 in Bezug auf Zimmermann, Kindertheologie und theologische Kompetenz, 161 ff. 1236 Büttner, Kindertheologie und Theologie, 20. 1237 Zimmermann, theologische Kompetenz, 408. 1238 Vgl. christologische Wissens- und Kompetenzlandkarten in Anlehnung an Mendl, der von der Ausbildung individueller Lernlandschaften als Ziel eines konstruktivistischen Lernprozesses spricht. Vgl. Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 108. 1239 Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 114.

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gruppe davon, dass »Erzählen« und »Übertragen« neben der begrifflich-argumentativen Entfaltung als Formen theologischen Nachdenkens, sprich als Reflexionsprozess gewertet werden müssen.1240 Wenn beispielsweise zwei Ostergeschichten narrativ als Einheit wiedergegeben werden, entspricht dies zwar nicht der biblischen Tradition, zeigt aber den inneren Zusammenhang, in dem die beiden Erzählungen für das betreffende Kind stehen und die Art und Weise, wie es selbst die Geschichten zu einer Einheit integriert hat wie folgendes Beispiel deutlich macht. Beispiel Charlotte: Zwei Ostergeschichten als Einheit1241: Und nach drei Tagen war er wieder auferstanden. Und die drei Frauen, die die wollten ihn einsalben, die haben auch gewusst, dass da so ein Stein ist, ist ihnen beim Laufen eingefallen. Und dann haben sie überlegt, wie sie ihn wegwälzen, wegrollen wollten. Und dann saß da plötzlich en Engel und haben gesagt, dass der Jesus nicht mehr drinnen ist und die Frauen, die sind dann ganz schön erschrocken und dann haben die nen Gärtner gesehen und haben gedacht, dass des der Gärtner ist, aber es war Jesus. Ham die gefragt, wo der Herr Jesus ist, ob sie ihn weggetragt, weggetragen haben. Und dann hat Jesus gesagt ›Maria‹. Und dann hat die Maria gesagt ›Jesus‹ und hat sich ganz arg gefreut und musste des dann gleich den anderen sagen. Aber davor durfte sie ihn gar nicht anfassen […]. Und dann hat die Maria des den anderen Jüngern erzählt. Dass der Jesus wieder auferstanden ist.

Die tabellarisch dargestellten theologischen Konstruktionen der Schülerinnen und Schüler zu Jesus Christus zeigen ebenfalls deren »Fähigkeit, individuelle Konstruktionen zu formulieren und zu begründen«1242. Letzteres erfordert einen eigenständigen Umgang mit dem instruktiven Wissen. Auffällig ist, dass die Kinder auf die direkte Frage nach der Besonderheit an Jesu eher wenig Aspekte nennen können. Wenig erscheint es zumindest im direkten Vergleich mit dem je individuellen Gedankenspektrum, das sich anhand der Tabellen sowie – unterstrichen – im Rahmen der Wissenslandkarten ablesen lässt. Offenbar scheint es für Kinder bedeutend einfacher, Gedanken über Jesus im konkreten Zusammenhang mit Inhalten biblischer Erzählungen zu nennen, sprich in kontextualisierter Form.1243

1240 Vgl. Zimmermann, theologische Kompetenz, 402. 1241 Vgl. Transkript Ende Klasse zwei – Charlotte in 11.3.5.2 sowie zusammenfassend ihre Wissens- und Vorstellungslandkarte in 8.5.3.3. 1242 Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 114. Vgl. ebd. auch den nächsten Gedanken. 1243 Wobei letztlich nicht geklärt werden kann, ob sie diese Gedanken spontan aus Anlass einer konkreten Frage des Interviewers entwickeln oder bereits nachhaltig in ihrem Konstruktionsnetz abgespeichert haben. Hinweise darauf, dass es sich um ›gewachsene‹ Strukturen handelt ergeben sich aus dem Spiegel des Portfolios bzw. der theologischen Gespräche. Dinge, die mehrmals an unterschiedlichen Stellen genannt werden, scheinen ebenfalls gefestigte Strukturen darzustellen.

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Zusammenfassende thematische Analyse

Beispiele: Vic1244 begründet, dass Jesus ein besonderer Mensch war mit zwei Argumenten. Erstens weil er Menschen helfen konnte, zweitens weil er viel über Gott weiß. Im Rahmen des Interviews lässt sich jedoch erkennen, dass Vic sich weitaus mehr Gedanken über Jesus macht, als diese zwei Argumente vermuten lassen. Sie entwickelt Vorstellungen zu Jesus als Sohn Gottes zur besonderen Beziehung Gottes zu Jesus, die sich ihrer Ansicht nach in Unterstützung bei Heilungen und Wundern zeigt, zur Frage, warum Menschen gerade mit Jesus mitgehen, zur ›Bescheidenheit‹ Jesu und zur Frage nach der Auferweckung. Im Kontext konkreter Inhalte äußert sie demnach weitaus elaboriertere christologische Vorstellungen als im Kontext der ›abstrakten‹ Einzelfrage. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Michael1245. Auf die abstrakte Frage, ob Jesus ein Mensch wie du und ich oder aber ein besonderer Mensch war, formuliert er ein sehr besonderer Mensch, kann dies aber in auffälliger Weise nicht inhaltlich füllen. Er versucht es vielmehr abstrakt zu erklären. Dabei realisiert er die Paradoxie, dass Jesus zwar aussieht wie ein normaler Mensch, aber eben keiner ist. Dies zu formulieren zeigt sein hohes Abstraktionsniveau. Er kann so zwar dezidiert zum Ausdruck bringen, dass Jesus paradoxer Weise wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich ist, findet zugleich aber keine inhaltliche Füllung der Besonderheit Jesu. Im Kontext des Erzählens seines Vorwissens zu den konkreten biblischen Erzählungen über Jesus gelingt es Michael sehr viel besser, Jesu Besonderheit anschaulich zum Ausdruck zu bringen. Er hat Vorstellungen von Jesus als König entwickelt, der heilen kann und dennoch bescheiden ist sowie von Jesus als Sohn Gottes, bezeichnet ihn darüber hinaus als Licht und Brot der Menschen sowie als Heiligen. Er geht davon aus, dass Jesu Glaube und sein Herz ihm bei Heilungen helfen. Er hat Vorstellungen von der besonderen Beziehung Jesu zu Gott entwickelt, geht davon aus, dass Jesus der Sohn des Schöpfers ist, auch in Gefahr (Sturm) keine Angst hat, Gott sehr gut kennt und nach seiner Auferstehung zu ihm in den Himmel geht. Er hat Vorstellungen davon, warum Menschen gerade mit Jesus mitgehen und kann Jesu besondere Stellung zu den Menschen am Gleichnis des Verlorenen Schafs aufzeigen. Am Beispiel von Jonas1246 lässt sich zeigen, dass sich die Antwort auf abstrakte Fragen durchaus durch die Kenntnis von bestimmten Inhalten verändern kann. Rekurriert er im Vorschulinterview noch auf Jesu Rolle als Christkind um seine Besonderheit zum Ausdruck zu bringen, so bezieht er Ende der zweiten Klasse doch deutlich mehr inhaltsgesättigte Argumente ein. Er beruft sich auf Jesu Fähigkeit, anderen Menschen zu helfen sowie auf die enge Verbindung zwischen Gott und Jesus, die sich seiner Ansicht nach gerade in Gottes fortwährender Hilfe für Jesus offenbart.

1244 Vgl. zu diesem Beispiel Vic Wissenslandkarte sowie die tabellarische Übersicht über ihre Konstruktionen am Ende der zweiten Klasse in 8.1.3.3 sowie 8.1.4. 1245 Vgl. die Wissenslandkarte von Michael sowie die tabellarische Übersicht seiner christologischen Vorstellungen vom Ende der zweiten Klasse in 8.6.3.3 und 8.6.4. 1246 Vgl. die Wissenslandkarten von Jonas sowie die tabellarische Übersicht seiner christologischen Vorstellungen vor Schuleintritt und am Ende der zweiten Klasse in 8.3.3.3 und 8.3.4.

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Es scheint als ob die Kenntnis von spezifischem Wissen über Jesus einerseits Einfluss hat auf die Antwortversuche in Bezug auf abstrakte Fragen.1247 Andererseits erfahren wir im Kontext konkreter biblischer Erzählungen (Inhalte) sehr viel mehr über die christologischen Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler als mittels abstrakter Fragen. Religionsdidaktische Implikationen und unterrichtspraktische Folgerungen Angesichts dieser Beobachtungen lässt sich berechtigter Weise schlussfolgern, dass der Religionsunterricht gut daran tut, Vorstellungen über Jesus Christus gerade im Grundschulalter im Kontext konkreter biblischer Erzählungen entwickeln zu helfen. Dem entgegenhalten könnte man, dass Vorstellungen, die mit konkreten Inhalten gekoppelt sind, möglicherweise nicht ›frei verfügbar‹ sind, um in Anforderungssituationen angewandt werden zu können. Positiv könnte man dagegen argumentieren, dass es gerade sinnvoll und notwendig ist, konkrete Inhalte als Basis der Entwicklung christologischer Vorstellungen anzubieten, weil es den Schülerinnen und Schülern dieser Altersgruppe einerseits entspricht, da sie Erzählungen interessant finden und insgesamt gut erinnern – vgl. die Interviews – und weil es ihnen andererseits auch hilft, ihre christologischen Vorstellungen zu äußern. Eine Entkoppelung, sprich Entkontextualisierung kann immer noch erfolgen, wenn erst einmal Vorstellungen aufgebaut sind. Die Ergebnisse der Studie sprechen jedenfalls dafür, zunächst kontextbezogen christologische Vorstellungen aufzubauen und im nachfolgenden Schritt nach Möglichkeiten zu suchen, diese in Anforderungssituationen abzurufen. Letzteres muss dann natürlich eingeübt werden. Es geschieht nicht von selbst. Angesichts der im Rahmen der vorliegenden Studie gemachten Beobachtungen ist jedoch die Skepsis gegenüber einer inhaltsorientierten Didaktik aufzugeben, die Pemsel-Maier diagnostiziert und die ihrer Ansicht nach mit der Erwartung einhergeht, dass weniger die Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten als vielmehr erfahrungsorientierte, performative, ästhetische oder spirituelle Zugänge Lernprozesse gelingen lassen.1248 Dem gegenüber stellt sie das Recht des Kindes auf neues Wissen. »Gleichermaßen gehört zu Bildungsprozessen konstitutiv das Element des Neuen. Besonders im Raum der Schule als öffentlicher Bildungseinrichtung haben Kinder nicht nur ein Anrecht auf neue 1247 Butt und Roose stellen bei einer kleinen Untersuchung mit einzelnen Viertklässlern beispielsweise fest, dass das christologische Vorwissen entscheidend sein kann für die ›abstrakte‹ Bejahung der Frage, ob Jesus glücklich macht. Die Beantwortung scheint damit zusammenzuhängen »inwieweit die Kinder christologische Gedanken entwickelt haben und diese aktiv mit der Frage korrelieren können. Die Christologie bildet die Basis für ein weiteres Denken in dieser Richtung.« Butt/Roose, Macht Jesus glücklich, 170. 1248 Vgl. Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 214.

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Erfahrungen, sondern auch auf neues Wissen.«1249 Sinnvoll wäre deswegen auf ein sich ausschließendes Gegenüberstellen zugunsten einer produktiven Verbindung zu verzichten. »Entgegen einem absoluten Individualismus, individuell eingeschränkten Lernstrategien und der ausschließlichen Förderung einseitiger Begabungen besteht die pädagogische Aufgabe auch in der Schaffung von Angeboten, die einen Zugewinn an Konstruktionswegen ermöglichen und Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, ›verstopfte‹ Informationskanäle zu öffnen bzw. bisher nicht genutzte zu entdecken.«1250 9.3.1.6 Im Religionsunterricht von Jesus erfahren – Zur Wirkung von Religionsunterricht Interessant sind im Blick auf die Frage nach der Wirkung von Religionsunterricht vor allem die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler selbst. Für sie liegt mehrheitlich auf der Hand, dass der Religionsunterricht zu ihrer Wissensentwicklung über Jesus Christus beigetragen hat. Mit einer Ausnahme betrachten ihn alle ausgewählten Kinder als Lernort, in zwei Fällen alternativlos.1251 I: Franziska, mich würde als erstes interessieren, woher kennst du denn Geschichten über Jesus? Franziska: Von dir. I: Sonst noch irgendwoher? Franziska: Mm.1252 I: Also Jonas, du kennst jetzt schon einige Geschichten über Jesus. Woher kennst du denn diese Geschichten? Jonas: Aus em Reliunterricht. I: Woher vielleicht noch? Jonas: Eigentlich nur aus em Reliunterricht.1253

1249 Pemsel-Maier, Theologie für Kinder, 214. 1250 Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 110. 1251 Zwei von sechs Fallbeispielen können in einer qualitativen Studie selbstverständlich keine Repräsentativität widerspiegeln. Aber es sicher nicht von der Hand zu weisen, dass es eine gewisse Aussagekraft hat, wenn fünf von sechs Schülerinnen und Schülern den Religionsunterricht als Ort, an dem sie Wissen über Jesus erfahren nennen. Das deckt sich auch mit der Studie von Hanisch/Bucher – vgl. dies., Was Kinder von der Bibel wissen, 61 f. – die die hohe Bedeutsamkeit der Religionslehrkraft sowie des Religionsunterrichts herausstellt. Zweifellos handelt es sich auch bei den beiden Schüleräußerungen, die keine Alternative zum Wissenserwerb im Religionsunterricht nennen können um real existente Schülerwahrnehmungen, die, was zumindest anzunehmen ist, auch in anderen Probandengruppen vorhanden sind. 1252 Transkript Interview Ende der zweiten Klasse – Franziska in 11.3.2.2. 1253 Transkript Interview Ende der zweiten Klasse – Jonas in 11.3.3.2.

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

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Festzuhalten ist demnach, dass der Religionsunterricht zumindest in der mehrheitlichen Wahrnehmung der befragten Schülerinnen und Schüler wirkt.1254 Hennecke bewertet auf der Basis ihrer Studie zur kindlichen Rezeption von Religionsunterricht die Erinnerungsleistungen der Kinder als sehr heterogen, insgesamt jedoch in vielen Fällen als nicht zufriedenstellend, wobei insbesondere Erzählungen eine Ausnahme bilden.1255 Im Blick auf das Lernen von Drittklässlern im Religionsunterricht eines Schuljahres stellt sie mit Blick auf die Input-Output-Balance fest, dass wenig hängenbleibt und wie wenig effektiv der Unterricht zu sein scheint, allerdings sieht sie dennoch eine deutliche Lernentwicklung im Blick auf das Denken des Gegenstandes, nicht auf das Denken als reine Wissensvermittlung.1256 Im Vergleich dazu sind auf der Basis der Ergebnisse der vorliegenden Langzeitstudie die Erinnerungsleistungen – obwohl sie heterogen ausfallen – positiv zu bewerten, vgl. die zusammenfassenden Wissenslandkarten sowie die tabellarische Übersicht zur theologischen Kompetenz. Bei ausnahmslos allen Schülerinnen und Schülern sind erhebliche Wissenszuwächse sowie Erweiterungen ihrer Vorstellungen über Jesus Christus zu verzeichnen.1257 Das kann natürlich damit zusammenhängen, dass die Thematik Jesus Christus eng mit biblischen Geschichten zusammenhängt. Wenn Geschichten besonders gut erinnert werden können scheint es logisch, dass Unterrichtsthemen, die zum Großteil auf der Kenntnis biblischer Geschichten basieren einfacher zu erinnern sind und demzufolge auch besser erinnert werden. Auch Hennecke konstatiert im Zuge ihrer Untersuchung zum Lernen von Kindern im Religionsunterricht, dass gerade Geschichten eine sehr eindrückliche Wirkung erzeugen.1258 »Von allen eingesetzten Elementen des Religionsunterrichts waren die erzählten Geschichten in der Rezeption der Grundschulkinder die eindringlichsten. An diese konnten sich die Kinder erinnern, diese konnten sie detailliert wiedergeben und kreativ weiterdenken. Durch diese Geschichten wurden sie zu Fragen veranlasst.«1259

Hennecke vermutet, dass sowohl die identifikatorischen Elemente auf inhaltlicher Ebene als auch die Stringenz erzeugenden Merkmale auf textstruktureller 1254 Das belegen auch die Interviews der Kinder, die nicht für die Fallanalyse ausgewählt wurden. 1255 Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 355. 1256 Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 357. Vgl. im Blick auf das Stichwort »Denken des Gegenstandes« Ladenthin 2007, 48, aufgegriffen von Hennecke ebd. 1257 Vgl. die Wissens- und Vorstellungslandkarten Ende der zweiten Klasse aller ausgewählten Schülerinnen und Schüler in 8.x.3.3. 1258 Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 355. 1259 Hennecke, Was lernen Kinder, 355. Vgl. hier auch die beiden nächsten Gedanken von Hennecke.

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Ebene zur aktiven Aufnahme beitragen.1260 Sie ermuntert dazu, geeignete narrative Elemente wieder verstärkt einzusetzen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie stützen diese These. Gerade im Blick auf die Domäne Jesus Christus sind biblische Erzählungen ein Hauptmedium des Religionsunterrichts. Während Hennecke narrative Element aufgrund von Handlungsorientierung und philosophischen Zugängen als zurückgehend einordnet und für eine Rückbesinnung auf narrative Element plädiert1261 scheint es auf der Basis der vorliegenden dokumentierten Beobachtungen sinnvoller zu sein, Erzählungen und theologische Gespräche systematisch miteinander zu verknüpfen. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass insbesondere das Wechselspiel aus geeignetem Input von außen (Narrative eignen sich insbesondere) und das daran anschließende theologische Gespräch mit seinem Wechselspiel aus Konstruktions- und KoKonstruktionsprozessen als fruchtbar einzuschätzen ist. Offensichtlich war die gewählte Form der kontextualisierten Entwicklung von Vorstellungen über Jesus nachhaltig. Religionspädagogische Implikationen und unterrichtspraktische Folgerungen Was die Wirkung von Religionsunterricht anbelangt wird schon seit einiger Zeit als dringend erforderlich angesehen, »die Forschung zum Religionsunterricht weiter voranzutreiben.«1262 Dabei werden u. a. von Schweitzer Interventionsstudien eingefordert, bei denen gerade die Notwendigkeit bestimmter Unterrichtsformen, bzw. Unterrichtseinheiten konsequent überprüft werden.1263 Dem ist auf der Basis der vorliegenden Arbeit uneingeschränkt zuzustimmen. Echte Interventionsstudien, die ähnlich dieser Studie die Eingangsvoraussetzungen vor sowie die Unterrichtsergebnisse nach einer Intervention messen, diese jedoch insbesondere an Vergleichsgruppen prüfen, um herauszufinden, ob Veränderungen tatsächlich auf den erteilten Unterricht zurückgeführt werden können, sind dringend notwendig und können sich an die vorliegende – explorative – Studie anschließen. Diese erhebt zwar die Lernvoraussetzungen vor der Intervention (Vorschulinterviews), die Lernprozesse während der Intervention (Theologische Gespräche und Portfolios) sowie die Lernergebnisse nach der Intervention (Interviews am Ende der zweiten Klasse), doch ging es dabei darum, die Lernentwicklung (Entwicklung religiösen Wissens und theologischer Kompetenz zu Jesus Christus) darzustellen, nicht die Wirksamkeit eines bestimmten Unterrichtsstils zu untersuchen. Ersteres lässt sich anhand von 1260 Vgl. im Blick auf biblische Geschichten von Jesus sowie der Bedeutung von Erzählungen im Religionsunterricht sowohl Kapitel 4.3.2 wie auch Kapitel 9.3.4. 1261 Vgl. Hennecke, Was lernen Kinder, 355. 1262 Schweitzer, Elementarisierung, 243. 1263 Vgl. Schweitzer, Elementarisierung, 243. Vgl. dort auch den nachfolgenden Gedanken zur Durchführung von Interventionsstudien.

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Fallbeispielen tun, letzteres benötigt insbesondere eine Vergleichsgruppe. Allerdings lässt sich konstatieren, dass die positiven Lernresultate sowie die dokumentierten Lernprozesse wie sie in Kapitel 7 und 8 dargestellt sind sich in Abhängigkeit eines konkret durchgeführten und dokumentierten Religionsunterrichts ergaben. Aus Sicht der Praxis ist es möglich, diesen Unterricht wiederholt durchzuführen1264 und dabei vermutlich zu ähnlichen Ergebnissen zu kommen. Offensichtlich hatte der im Rahmen der Studie durchgeführte Unterricht die beobachtete und analysierte Wirkung, ob ein andersartiger Unterricht dieselbe gehabt hätte kann meine Studie nicht klären. Ob und welche äußeren Faktoren ebenfalls dazu beigetragen haben kann die vorliegende Studie nur in Ansätzen klären.1265

9.3.2 Lernprozesse 9.3.2.1 Miteinander über Jesus sprechen können – Vorwissen und Ko-Konstruktionsprozesse in theologischen Gesprächen Verschiedene Prozesse der Ko-Konstruktion wurden bereits in Kapitel 7 analysiert. An dieser Stelle soll ein neuer Aspekt ins Zentrum gerückt werden, nämlich die Frage, ob das Vorwissen der sechs ausgewählten Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Ko-Konstruktionsprozesse innerhalb theologischer Gespräche eine Rolle spielt. Dabei wird von der These ausgegangen, »dass Voraussetzungskompetenzen ihren Wert besonders entfalten können, wenn sie durch theologische Gespräche als Prozesskompetenzen herausgefordert und weiterentwickelt werden können.«1266 Im Rahmen der Analyse einzelner theologischer Gespräche wurde sichtbar, dass »Lernen in der Auseinandersetzung mit den Konstruktionen anderer geschieht«1267, so dass sich sozial geprägte Konstrukte der Wirklichkeit ergeben. Theologische Gespräche stehen im Rahmen des die Studie begleitenden Unterrichts vor der individuellen Auseinandersetzung mit der Thematik. Das entspricht nicht dem idealtypischen Modell eines konstruktivistischen Unterrichtsablaufs nach Mendl, das folgendermaßen aussieht:1268 ›Auf eine erste Phase, in der die Schüler/innen in Beziehung zum Unterrichtsgegenstand ge1264 Die Dokumentation der Unterrichtseinheiten, vgl. 11.4 soll eine solche Wiederholbarkeit ermöglichen. 1265 Vgl. Angaben im Elternfragebogen 1 – 2 sowie die Antworten der Schülerinnen und Schüler auf die Einstiegsfrage im Interview. 1266 Zimmermann, theologische Kompetenz, 407. 1267 Vgl. Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 107, ebd. auch der nächste Gedanke. 1268 Vgl. zu diesem im Folgenden dargestellten idealtypischen Ablauf Mendl, konstruktivistische Religionspädagogik, 113.

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bracht werden und in der die Thematik auf die individuellen Vorerfahrungen trifft, folgt die instruktivistische Phase, in der eine thematische Lernlandschaft eingeführt und bearbeitet wird. Danach schließt sich die Phase der individuellen Konstruktion an, in der sich die Schüler/innen individuell mit dem Lerngegenstand beschäftigen. Erst am Ende folgt die Phase der individuellen Konstruktion im Dialog, innerhalb derer verschiedene Konstruktionen vorgestellt und diskutiert werden, was wechselseitige Konstruktionen ermöglicht‹. Im Rahmen des Unterrichts, der die Studie begleitet, wurde bewusst ein zeitlich anderes Vorgehen gewählt. Dadurch, dass das theologische Gespräch zumeist vor die individuelle Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand gesetzt wurde, konnten Ko-Konstruktionsmöglichkeiten den individuellen Konstruktionsprozessen vorgelagert werden. Dies schien mit Blick auf die Heterogenität des Vorwissens sinnvoll. Auf diese Weise hatten zunächst alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihr Vorwissen zur Thematik einzubringen, vom Vorwissen der anderen zu profitieren und auf der Basis dieses Austauschs neues Wissen zu generieren und in bestehende Wissenskonstrukte zu integrieren. Charlotte verfügt beispielsweise über ein mittleres bis stark ausgeprägtes Vorwissen. In den meisten theologischen Gesprächen lässt sich allerdings ein zurückhaltendes Verhalten ihrerseits beobachten. Das bedeutet im Umkehrschluss auf der einen Seite, dass ihre Mitschüler/innen keinen Anteil an ihrem Vorwissen bekommen. Es bedeutet auf der anderen Seite auch, dass es im Unterrichtsgeschehen für die Lehrperson schwierig ist, Einblicke in Charlottes Denken bzw. ihre Denkentwicklung einzusehen. Sie ist stark auf die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung im Portfolio angewiesen. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass Charlotte ihr Denken über den Verlauf von zwei Jahren weiterentwickelt.1269 Michael verfügt über ein sehr ausgeprägtes Vorwissen.1270 Wenn im Gespräch Wissen als Weiterführung eingebracht werden kann, insbesondere, wenn dies durch Lehrerimpulse eingefordert wird, bringt Michael sein Wissen gerne ein. Dies geschieht häufig auf eine Art und Weise, die für das Gespräch insgesamt förderlich ist, so dass auch andere Kinder von seinem spezifischen Einzelwissen profitieren können. Man kann Michael insofern als Protagonisten bezüglich inhaltlichen Wissens bezeichnen. Beispiel: Spontanes Theologisieren über die Kreuzigung1271 Elena: Ich denke, dass er als Erwachsener ans Kreuz genagelt worden ist. Michael: Ich weiß es ganz genau. Als er erwachsen war. 1269 Vgl. Wissenslandkarte, Kompetenztabelle und Falldarstellung von Charlotte in Kapitel 8.5. 1270 Vgl. Kapitel 8.6. Michael – individuelle Entwicklung. 1271 Vgl. Gesprächsprotokoll in Kapitel 7.3.1.

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

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[…] Julia: Dann ham, dann ham die ihn dann freigelassen, weil sie dachten, er wär tot und dann ist er als schwarzer Geist rum. […] Michael: Ich weiß es ganz richtig. L: Jetzt erzählen es dir die Kinder hier ein bisschen. [Verschiedene Kinder tragen zusammen] Michael: Und dann war da ein Engel am Grab. [..] Michael: Der hat gesagt, dass Jesus auferstanden ist. Beispiel aus dem Gespräch: »Was hat das Kreuz mit Jesus zu tun?«1272 [… Sch. sammeln, tragen Teile ihres Vorwissens zusammen] L: Was weißt du noch, Michael? Michael: Der musste sein Kreuz tragen. L: Okay. Was weißt du noch Vic? Vic: Frau … [Erzieherin] die hat uns das mal vorgelesen. Die hat noch was gesagt mit nem Garten. Ich weiß aber nicht mehr ganz genau. L: Weiß vielleicht sonst noch jemand was von dem Garten? Das stimmt, es kommt auch ein Garten in der Geschichte vor. Weiß vielleicht jemand was von dem Garten oder was Jesus in dem Garten gemacht hat? Michael: Ich weiß es L: Was weißt du? Michael: Gebetet. Und dann kamen die Soldaten und ham ihn… L: Und wieso hat Jesus da noch mal gebetet in dem Garten, was denkt ihr? Michael: Weil er nicht sterben wollte.

Vic verfügt in einzelnen Bereichen über mittleres Vorwissen, in den meisten Bereichen ist sie jedoch als Novizin einzuordnen. Allerdings fällt Vic insbesondere durch ihre Fragehaltung auf, die sich einerseits in echten Fragen kristallisiert, andererseits auch in Nachfragen bei Unverständnis auszumachen ist. Religionsdidaktische Implikationen und unterrichtspraktische Folgerungen Zur Lehrerrolle in theologischen Gesprächen: Ist sich die Lehrperson im Unterricht über das heterogene Niveau des Vorwissens der Schülerinnen und Schüler im Klaren? Weiß sie, wie es zumindest ansatzweise im Rahmen eines Gesprächs erhoben werden kann? Gelingt es ihr, die Schüleräußerungen empathisch wahrzunehmen? Kann sie sie den einzelnen Niveaus zuordnen? Wie kann die Lehrperson ihre Gesprächsführungskompetenz im Rahmen eines theologischen Gesprächs so nutzen, dass alle Kinder von diesem Gespräch profitieren und das Gespräch in Richtung auf das gewünschte Zielareal (vgl. zu erreichende Kompetenzen der jeweiligen Bildungspläne und allgemein die 1272 Vgl. Gesprächsprotokoll in Kapitel 7.3.1.

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Zusammenfassende thematische Analyse

›Förderung des eigenständigen theologischen Denkens von Kindern‹1273) gelenkt wird? Betrachtet man die Methode des Theologisierens nach FreudenbergerLötz1274 müssen Lehrende innerhalb eines theologischen Gesprächs drei Ebenen im Blick behalten. Sie müssen erstens wahrnehmen, wie die Schüler/innen ein Thema verstehen, zweitens weiterführendes Verstehen anregen und drittens weiterführendes Wissen zum Thema einbringen. Sie agieren demnach wechselweise als aufmerksame Beobachter, stimulierende Gesprächspartner sowie begleitende Experten. Die erste Ebene ermöglicht es den Lehrenden ihre Schülerinnen und Schüler jeweils auf dem Niveau zu verorten, auf dem sie stehen. Dabei kann es leicht passieren, dass Kinder vorschnell einem bestimmten Niveau zugeordnet werden. Eine einzelne Aussage darf deshalb nicht überbewertet werden. Kinder können durchaus in einem Thema Novize sein, in einem anderen dagegen auf mittlerem Niveau stehen.1275 Weiß der Lehrende um das Vorwissen seiner Schülerinnen und Schüler kann er dies im Rahmen der Gesprächsführung berücksichtigen. Weiterführende Impulse müssen dann nicht zwangsläufig vom Lehrenden selbst eingebracht werden. Wenn Protagonisten über Zusatzwissen verfügen, können diese als Experten eingebunden werden.1276 Dies ist wichtig für die anderen, die von diesem Expertenwissen profitieren können, ebenso wichtig jedoch auch für das betreffende Kind. Es erhält den Eindruck, dass sein Vorwissen erwünscht, gewürdigt und positiv eingebunden wird. Die Lehrperson, die immer auch die Rolle der begleitenden Expertin einnimmt1277 kann Schülerinnen und Schüler gewissermaßen als Ko-Experten mit einbinden. Damit ermöglicht sie eine Ko-Konstruktion, was sie aber nicht von ihrer Pflicht entbindet, das Zielareal im Blick zu behalten. Dies gelingt ihr aber nur dann, wenn sie im Blick auf das Vorwissen ihrer Schülerinnen und Schüler auf dem Laufenden ist. Es enthebt sie auch nicht der Pflicht, Zusatzwissen, das nicht vorhanden ist – oder nicht geäußert wird – selbst einzubringen.

1273 Vgl. Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche, 223. Hier auch die nachfolgenden Gedanken. 1274 Vgl. dazu Schaubild Freudenberger-Lötz, theologische Gespräche, 223. Vgl. hier auch die folgenden zwei Gedanken. 1275 Vgl. in meiner Studie zum Beispiel Vic. Vics Vorwissen ist im Blick auf die Heilung von Bartimäus sowie die Passion Jesu auf mittlerem Niveau, wohingegen sie bei vielen anderen Erzählungen (z. B. bei der Sturmstillung, der Kindersegnung) eindeutig als Novize gelten muss, da sie praktisch kein Vorwissen dazu mitbringt. 1276 Vgl. in der vorliegenden Studie vor allem Michael, vgl. 8.6. 1277 Vgl. Freudenberger-Lötz, Didaktik des Theologisierens, 140.

Auswertung im Kontext der Wissens- und Kompetenzdebatte

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9.3.2.2 Immer wieder theologisieren können – Entwicklung eines theologisierenden Habitus »Im Sinne des Habituskonzeptes vermittelt das Theologisieren offensichtlich nicht nur einen Wissenszuwachs, sondern auch eine bestimmte Haltung im Hinblick auf den Umgang mit religiösen bzw. explizit theologischen Inhalten. Es geht dabei auch um den Erwerb von Argumentationskompetenz.«1278

Warum ist das Einüben dieses Habitus wichtig? Laut Büttner verspricht die Habitualisierung des Theologisierens zweierlei, sowohl die Pflege christlicher Semantik als auch die Einübung einer konstitutiven Rationalität, die verbesserte Partizipationsmöglichkeiten in der gesellschaftlichen und ökonomischen Welt ermöglicht.1279 Büttner geht davon aus, dass es möglich ist, auch bildungsmäßig benachteiligte Kinder und Jugendliche in einem förderlichen Umfeld und durch gezielte Förderung zu theologisch relevanten Gesprächen zu bringen.1280 Die Auswahl der Probanden innerhalb der vorliegenden Studie ist insofern repräsentativ, als sie eine durchschnittlich zusammengesetzte Klasse in einer Kleinstadt in B-W darstellt. Über die generelle Bildungsnähe bzw. -ferne kann keine Aussage getroffen werden, weil diese nicht erhoben wurde. Jedoch kann im Blick auf die Domäne Religion anhand der vorschulisch erhobenen Daten in den Fragebögen (Eltern, Erzieher/innen) festgestellt werden, dass sowohl Kinder mit vorschulisch höheren religiösen Bildungschancen als auch solche mit niedrigeren Bildungschancen anzutreffen sind. Es zeigte sich, dass Kinder, die mit wenig Vorwissen kamen, sich jedoch in theologischen Gesprächen aufgeschlossen zeigten (Fragen stellten, sich beteiligten, Vermutungen einbrachten) teilweise rasch aufholen konnten.1281 Auf der Basis dessen scheint es sinnvoll die folgende These zu erweitern: »Dass sich der Fächer des Wissensfeldes immer weiter öffnet, je mehr gegenstandsbezogenes Wissen dazu tritt. […] Gerade beim Thema Christologie wird deutlich: Wer keine Jesusgeschichten kennt, ist bald mit seinem Nachdenken am Ende. Gerade diese Erfahrung suggeriert, es käme mehr oder weniger nur auf das Wissen an. Der Experte jeden Alters ist offensichtlich den Novizen überlegen. Dennoch spielen die biologischen Voraussetzungen eine Rolle: ein 5-jähriger Experte wird mit seinem Wissen doch anders umgehen als ein erwachsener.«1282 [Ein siebenjähriger Experte mit theologi1278 Büttner, Habitus Theologisieren, 140. 1279 Vgl. Büttner, Habitus Theologisieren, 143. Der Begriff der konstitutiven Rationalität stellt einen Rückbezug auf Jürgen Baumert dar. 1280 Vgl. Büttner, Habitus Theologisieren, 140. Büttner identifiziert das Theologisieren zunächst als einen bildungsbürgerlichen Habitus, weil Kinder aus bildungsnahen Familien, deren Sprach- und Argumentationsfähigkeiten gut ausgebildet sind, einen einfacheren Zugang zum Theologisieren finden. 1281 Vgl. zum Beispiel Vic oder Linnea. 1282 Büttner/Dieterich, Entwicklungspsychologie, 208.

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sierendem Habitus wird einem siebenjährigen Experten ohne theologisierenden Habitus überlegen sein, weil er besser mit seinem Wissen umgehen kann].

Der Religionsunterricht kann insofern also dienlich sein, um einen theologischen Habitus auszubilden denn er kann auch Kinder, die mit wenig Vorwissen in die Schule kommen in theologische Gespräche einüben und sie zu theologisch relevanten Gesprächen bringen. Umso wichtiger ist, was Freudenberger-Lötz und Büttner fordern, nämlich eine Qualifikation auf Seiten der Religionslehrkräfte, die idealerweise bereits in der Ausbildung beginnt.1283 »Es geht also um eine spezifische Ausgestaltung der Berufsrolle im Sinne eines Habitus, der nicht nur das Theologisieren bewusst fördern will, sondern um das Trainieren einer Haltung, die auch in komplexen Situationen unbewusst so reagiert, dass entsprechende Gespräche gefördert werden können.«1284

Dazu gehört die Fähigkeit, diese Gespräche zwischen Lehrkraft und Schüler/ innen anzuleiten, angemessen zu kommunizieren, idealerweise intuitiv, aber angemessen, d. h. wissensgesättigt und argumentativ. Religionspädagogische Implikationen und unterrichtspraktische Folgerungen Büttner fordert zu recht eine »Erhellung darüber, in welcher Weise theologische Themen in der Kommunikation mit Kindern überhaupt auftauchen und mit welchen Einfällen und Bildern sie bei letzteren konnotiert werden«1285 als Schritt dahingehend, dass die Lehrpersonen den Schüler/innen Lernarrangements ermöglichen können – gewissermaßen als Brücke, um im Studium angeeignetes theologisches Wissen auf reale Unterrichtskommunikation beziehen zu können.1286 Das ist nicht immer einfach. Es erfordert methodisches Geschick in der Gesprächsführung, Empathie und theologische Kenntnisse. Deshalb gilt: »Gerade wenn wir offene Gespräche initiieren wollen, dann ist es für Lehrer/innen wichtig und hilfreich, wenn sie den erwartbaren Antworthorizont kennen.«1287 Deswegen wurden im Rahmen dieser Studie Übersichten zu möglichen Gesprächsverläufen/ Denkspektren von Kindern erstellt. Diese ermöglichen, das Antwortspektrum der Kinder ebenso wie mögliche Gesprächsrichtungen auf mehr als nur der eigenen Erfahrung zu antizipieren, auf der Basis von qualita-

Vgl. Büttner, Habitus Theologisieren und Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche. Büttner, Habitus Theologisieren, 141. Vgl. ebd., 141ff auch den nachfolgenden Gedanken. Büttner, Kindertheologie und Theologie, 21. Vgl. den von Büttner angeführten Rekurs auf Caroline Kondring und Oliver Reis: »An der Uni lernst du nichts!« – Eine Lernumgebung zum Konzeptwechsel in der Lehrerbildung. In: Büttner u. a. (Hrsg.,): Religion lernen. Jahrbuch für konstruktivistische Didaktik. Bd. 3. Hannover 2012. 1287 Büttner, Kindertheologie und Theologie, 19.

1283 1284 1285 1286

Abschließende Bemerkungen

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tiven Forschungsergebnissen. Diesen müssen zwingend weitere Forschungen folgen.

9.4

Abschließende Bemerkungen

Wer ist Jesus – was denkst du? Beim Rückblick auf das vorangehende die Fäden bündelnde und zusammenfassende Kapitel sowie auf die gesamte Arbeit, lässt sich bezüglich der Genese religiösen Wissens und theologischer Kompetenz zuförderst die abgebildete Vielfalt resümieren. Insbesondere die sechs in ihrer Heterogenität dargestellten Entwicklungsverläufe der ausgewählten Schülerinnen und Schüler in Kapitel acht ermöglichten einen tiefen Einblick in den Reichtum an individuellen Entwicklungsprozessen, der mich trotz meiner langjährigen Unterrichtserfahrung in seinem Ausmaß überrascht hat, obwohl er doch aufgrund der theoretischen Vorarbeiten von Anfang an zu erwarten gewesen ist. Die Intensität des Blickes auf das einzelne Kind, die im Rahmen dieser Studie erreicht werden konnte, ist im normalen Unterrichtsalltag nicht leistbar. Insofern betrachte ich diese Forschungsstudie für mich persönlich als einzigartige Chance und Bereicherung, die mich geprägt hat und die sich auf meine weitere berufliche Tätigkeit in Unterricht und Lehrerbildung auswirken wird. Ich hoffe, dass die an dieser Stelle von mir geleistete Arbeit von interessierten Leserinnen und Lesern aus unterrichtspraktischem sowie wissenschaftlichem Kontext rezipiert wird und insofern weitere Kreise ziehen kann. Die vorliegende Forschungsstudie war durch ihre Praxisorientierung gezielt auf Komplexität angelegt. Es stand im Vorhinein fest, dass in der Auswertung der erhobenen Daten stark exemplarisch würde gearbeitet werden müssen. So wurden sechs individuelle Entwicklungsverläufe sowie ausgewählte theologische Gespräche im Blick auf Entwicklungsprozesse innerhalb der Gruppe fokussiert. Beides ist für den Religionsunterricht wichtig und ich bin froh, diesbezüglich ein Gleichgewicht gefunden und beiden Ebenen genügend Raum eröffnet zu haben. Nur auf diese Weise konnten interessante Verschränkungen von individuellen und kollektiven Entwicklungsprozessen zum Vorschein treten. Ins Gleichgewicht gebracht werden mussten auch immer wieder Theorie und Praxis. Zeitweise immer wieder parallel verliefen theoretische Vorarbeiten, teilweise unterrichtsnahe Datenerhebung und die theoriegeleitete Auswertung derselben. Die Balance zu halten stellte mitunter eine Herausforderung immer jedoch eine bereichernde Chance dar. Versucht wurde explizit die sich in dieser Form der Forschungsarbeit eröffnende Vielfalt durch Aufnahme umfassender Aspekte so weit wie möglich abzubilden und zugleich durch strukturierende und komprimierende Darstellungsformen so dicht wie möglich zu beschreiben.Generell

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wäre es bei jedem einzelnen aufgegriffenen Aspekt möglich und der Sache gerecht gewesen, sich weiter zu vertiefen, gezielter zu forschen und intensiver auszuwerten. Die Entscheidung für eine breit angelegte Arbeit die den Blick auf Vieles lenkt ohne allzu lange auf dem Einzelnen zu verweilen war jedoch eine grundlegende. So wurde die Vielfalt gezielt in den Mittelpunkt gestellt. Die Forschungslücke im Bereich praxisorientierter Längsschnittstudien gerade mit jüngeren Kindern im religionspädagogischen Bereich ist jedoch noch so groß, dass es begrüßenswert wäre, wenn sich weitere, auch gezielte Forschungsstudien an die vorliegende Arbeit anschließen würden.

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11. Anhang

11.1 Fragebögen 11.1.1 Fragebogen Erzieherinnen/Erzieher Kindertagesstätte 1. Ist die Trägerschaft des Kindergartens staatlich oder kirchlich? ____________ 2. Äußern die teilnehmenden Kinder von sich aus theologische Gedanken oder suchen das Gespräch über biblische Geschichten? _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ 3. Wurde im Kindergarten Weihnachten gefeiert/thematisiert? Wenn ja, auf welche Weise? (Lieder, biblische Erzählung, Krippe, Weihnachtsweg, Feier) ______________________________________________________________ ______________________________________________________________ ______________________________________________________________ 4. Wurde im Kindergarten Ostern thematisiert? Wenn ja, auf welche Weise? ______________________________________________________________ ______________________________________________________________ ______________________________________________________________ 5. Wurden im Kindergarten Geschichten von Jesus erzählt. Wenn ja, welche? ______________________________________________________________ ______________________________________________________________ ______________________________________________________________

512

Anhang

6. Stehen im Kindergarten Kinderbibeln zur Verfügung. Wenn ja, welche? ______________________________________________________________ Wird daraus vorgelesen? Wenn ja, wie oft? ______________________________________________________________ 7. Haben die Kindergartenkinder gemeinsam eine Kirche besucht? ___________ 8. Werden Gelegenheiten zum Theologisieren eröffnet? Wenn ja, welche? ______________________________________________________________ ______________________________________________________________ 9. Arbeitet der Kindergarten nach dem Orientierungsplan?__________________

Fragebögen

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11.1.2 Fragebogen Eltern – Zeitpunkt: Ende der Kindergartenzeit Besucht Ihr Kind spezielle Kleinkindergottesdienste? Nein Ja, 1-2 Mal im Jahr Ja, alle 2-3 Monate oder öfter Geht Ihr Kind in die Kinderkirche? Ja, mindestens 1 Mal im Monat Selten Nein Ist Ihr Kind schon im Erwachsenengottesdienst gewesen? Weihnachtsgottesdienst Ostergottesdienst Familiengottesdienst Normaler Gottesdienst Taufgottesdienst Hat Ihr Kind eine eigene Kinderbibel oder stehen ihm Kinderbibeln im Haus zur Verfügung? Ja Welche?__________________________________________ Nein Lesen Sie Ihrem Kind biblische Geschichten vor oder erzählen ihm welche? Nein Ja, selten Ja, häufig Zeigt Ihr Kind an einigen biblischen Geschichten besonderes Interesse? Wenn ja, an welchen? _________________________________________________________ _________________________________________________________ _________________________________________________________ Äußert Ihr Kind Gedanken oder Fragen religiösen Inhalts? (z.B. über Gott, Jesus, Sterben und Tod, Weihnachten, Ostern,…..) _______________________________________________________________ _______________________________________________________________ ______________________________________________________________ ______________________________________________________________

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Anhang

11.1.3 Fragebogen Eltern – Zeitpunkt: Ende des zweiten Schuljahres 1. Ging Ihr Kind in den vergangenen zwei Jahren in die Kinderkirche? Nein Ja, 1-3 Mal im Jahr Ja, alle 2-3 Monate oder öfter 2. Ging Ihr Kind in den vergangenen zwei Jahren in die Jungschar? Nein Selten Ja, mindestens 1 Mal im Monat 3. a)Hat Ihr Kind eine eigene Kinderbibel oder stehen ihm Kinderbibeln im Haus zur Verfügung? Ja Welche? _________________________________________ Nein b)Lesen Sie Ihrem Kind biblische Geschichten vor oder liest es selbst welche? Ja, oft Ja, selten Nein 4. Zeigt ihr Kind Interesse an Themen des Religionsunterrichts? Wenn ja, an welchen? ____________________________________________________________ ____________________________________________________________ 5. Interessiert sich Ihr Kind für den Religionsordner zum Thema Jesus Christus? (Hat ihn zuhause gezeigt oder angeschaut,…) Ja Nein 6. Äußert Ihr Kind Gedanken zu theologischen Inhalten? Stellt es selbst Fragen? (z.B. über Gott, Jesus, Sterben und Tod, Weihnachten, Ostern ……..) _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ 7. Haben Sie Anmerkungen zum Religionsunterricht der 1./2. Klasse? (auch Rückseite) ______________________________________________________________ ______________________________________________________________

Leitfadeninterview (Ende der Kindergartenzeit – Ende des zweiten Schuljahres)

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11.2 Leitfadeninterview (Ende der Kindergartenzeit – Ende des zweiten Schuljahres) Bild von Jesus malen lassen Malen in einer Kleingruppe aus 2 – 4 Kindern.1288 Einstieg ins Interview geschieht über die individuellen Bilder. Bibel – Weißt du, was die Bibel ist? – Schaust du dir die Geschichten an oder liest sie dir jemand vor? – Wie oft? Manchmal, jeden Tag – Mit wem? Ich habe verschiedene Geschichten aus der Bibel ausgesucht, über die ich gerne mehr wissen möchte. Ich frage mich, ob du mir etwas über sie erzählen kannst. (Fassung Kindergarten-Interview) Du kennst jetzt schon einige Geschichten von Jesus. Als Erstes möchte ich von dir wissen: Woher kennst du denn diese Geschichten? Und jetzt möchte ich zu einigen noch mal Näheres von dir wissen und du erzählst mir, was du erinnerst. (Fassung Interview Ende des zweiten Schuljahres) Geburt Jesu – Kennst du die Geschichte, wie Jesus geboren wurde? Die Weihnachtsgeschichte? – Ja – Erzähl mal! – Nein – Krippe zeigen: Fällt dir jetzt etwas dazu ein? – Kennst du die Personen? Ist Maria die Mama von Jesus? Wer ist Josef ? – Ist Jesus der Sohn Gottes oder der Sohn von Josef. Was meinst du? – – – – –

Wer kommt denn noch zur Krippe? Welche Menschen und welche Tiere? Kommen auch Menschen wie dieser (Hirte mit Schaf)? Was ist das für ein Mensch? Woher wissen die Hirten denn, dass Jesus geboren wurde? Was hat ihnen der Engel gesagt?

– Kommen noch mehr Leute zur Krippe? – Wer ist denn das? – Manchmal werden die auch so gemalt (Bild mit Kronen) 1288 Kontaktaufnahme mit ›fremder‹ Interviewerin erleichtert. Diese ist im anschließenden Interview schon ein wenig vertrauter.

516

Anhang

– Woher wissen sie, dass Jesus geboren wurde? – Was bringen sie mit? Jesus blieb nicht immer ein Baby. In der Bibel stehen viele Geschichten, die erzählen, was Jesus als erwachsener Mann gemacht hat. – Kennst du solche Geschichten von Jesus? Welche? Du weißt ja schon einiges. Das ist prima! Zu einigen Geschichten möchte ich gern noch mehr von dir wissen. Bartimäus – Was ist das für ein Mann? – Warum ist der Mann blind? – Kennst du die Geschichte wie Jesus Bartimäus begegnet? – Ja – Erzähl mal! – Nein – Bartimäus ist blind. Was denkst du passiert, als Jesus Bartimäus trifft? Gelähmter Mann – Was passiert hier? – Was ist das für ein Mann? Warum wird er getragen? – Warum ist der Mann gelähmt? Was denkst du? – Kennst du die Geschichte wie Jesus dem Gelähmten begegnet? – Ja – Erzähl mal! – Nein – Was denkst du, wie die Geschichte auf dem Bild weitergeht? Jesus als Heiler – Kann Jesus den blinden und den gelähmten Mann gesund machen? – Wieso kann er das? – Macht er das ganz alleine? – Wer hilft ihm? – Kennst du noch andere Geschichten, in denen Jesus Menschen gesund gemacht hat? Welche? Kindersegnung – Was siehst du hier auf dem Bild? – Warum sind die Kinder bei Jesus? – Wärst du auch gerne dabei? – Warum? – Was genau macht Jesus mit seiner Hand?

Leitfadeninterview (Ende der Kindergartenzeit – Ende des zweiten Schuljahres)

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– Was machen die erwachsenen Männer, die bei Jesus sind? Gefällt ihnen, was Jesus tut? Der große Fischzug Jesus hatte Freunde und Freundinnen, die ihn immer begleitet haben. – Was denkst du, warum sind sie mit ihm mitgegangen? – Kennst du die Geschichte, wie die Fischer seine Freunde wurden? (Impuls: Netz mit Fischen: Die Geschichte hat mit einem Netz und vielen Fischen zu tun) – Warum sind die Fischer mit Jesus mitgegangen? 5 Brote und 2 Fische – Kennst du eine Geschichte von Jesus in der es um 5 Brote und 2 Fische ging? – Ja – Erzähl mal! – Warum hat das Essen für alle gereicht? – Nein – Ok. Die hörst du dann in der Schule. Sturmstillung – Was passiert hier? – Kennst du die Geschichte? Ja – Erzähl mal! – Wie geht es den Menschen hier? – Was macht Jesus? – Wieso schläft Jesus? – Warum hat Jesus keine Angst? – Wie wird die Geschichte weitergehen? – Am Ende wird die Geschichte gut ausgehen. Der Sturm hört auf. Warum? – Wer ist Jesus, dass der Sturm tut, was er sagt? Der gute Hirte – Kennst du die Geschichte vom Hirten, die Jesus den Menschen erzählt? – Ja – Erzähl mal! – Nein – vielleicht jetzt? 2. Bild anbieten – Warum erzählt Jesus diese Geschichte? – Wer ist der Hirte? – Wieso erzählt Jesus den Menschen von Gott? Passion und Ostern Einzug in Jerusalem – Was passiert hier?

518

Anhang

– Warum reitet Jesus auf einem Esel? Wohin reitet er? – Was machen die Kinder und warum? Letztes Mahl – Wer sind die Leute hier am Tisch? – Was tun sie da? – Was tut Jesus? Gethsemane – Wen kannst du auf dem Bild erkennen? – Was tut Jesus? – Warum betet Jesus? – Was denkst du, was betet Jesus? Tod Jesu – Weißt du, was hier passiert ist? Woher weißt du das? – Was denkst du, warum das passiert ist? Wie wird es weitergehen? Auferstehung – Was ist hier passiert? – Was ist das dort? (auf leeres Grab + Stein zeigen) – Wer ist das auf dem Bild? – Was macht diese Frau? – Wie geht es ihr? Weitere Fragen – War Jesus ein Mensch wie du und ich oder war er ein besonderer Mensch? – War er wie Gott oder war er ein besonderer Mensch? Was meinst du? – War er eher Gott oder eher Mensch?

11.2.1 Übersicht über ergänzend eingesetzte Bilder Geburt Jesu

Krippenszene mit Holzfiguren (Maria, Josef, Jesuskind, Hirte mit Schäfchen, Engel, Sterndeuter, stilisiert als Könige).

Sterndeuter

Bild ›Sterndeuter‹ aus Pioch, Wilfried: Die neue Kinderbibel. Mit Kindern von Gott reden. Illustriert von Eva Bruchmann, 88. Ó Agentur des Rauhen Hauses. Hamburg, 2013.

Leitfadeninterview (Ende der Kindergartenzeit – Ende des zweiten Schuljahres)

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Bartimäus

Bild ›Bartimäus‹ in: Bibelbilderbuch, Bd. 5. Mit Zeichnungen von Kees de Kort. Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, 1999, 10. Ó Kees de Kort.

Heilung Gelähmter:

Bild ›Heilung Gelähmter‹ in: Bibelbilderbuch, Bd. 4. Mit Zeichnungen von Kees de Kort. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1999, 38.Ó Kees de Kort.

Kindersegnung

Bild ›Kindersegnung‹ in Pioch, Wilfried: Die neue Kinderbibel. Mit Kindern von Gott reden. Illustriert von Eva Bruchmann, 125. Ó Agentur des Rauhen Hauses. Hamburg, 2013.

Großer Fischzug An dieser Stelle wurde kein Bild verwendet, sondern bei Bedarf ein Netz mit zahlreichen Holzfischchen gezeigt. 5 Brote und 2 Fische

Bild ›5 Brote und 2 Fische‹ in: Das Ravensburger Buch der Biblischen Geschichten. Erzählt von Max Bolliger. Mit Bildern von Silvio Neuendorf. Ravensburger Verlag, 1999, 169. Ó Silvio Neuendorf.

Sturmstillung

Bild ›Sturmstillung‹ in: Bibelbilderbuch, Bd. 3. Mit Zeichnungen von Kees de Kort. Deusche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1999, 130 f. Ó Kees de Kort.

Der gute Hirte

Bild ›Der gute Hirte‹ in: Das verlorene Schaf. Nacherzählt von Irmgard Partmann. Illustrationen von Nana Friedel. Kevelaer, 2006, 13. Ó Verlag Butzon& Bercker.

Einzug in Jerusalem

Bilder ›Jesus auf Esel‹ und ›Kinder mit Palmblättern‹ in: Schupp, Renate: Rica erlebt Ostern. Ein Folien-Osterkalender zum Vorlesen und Basteln eines Fensterbildes. Illustrationen von Johanna Ignjatovic. Lahr, 3. Aufl., 2007, 4 Folienbild 2.

Letztes Mahl

Bild ›Letztes Mahl‹ in: Steinwede, Dietrich, Ingrid Ryssel und Doris Westheuser (Hrsg.): Religion spielen und erzählen. Kinder begleiten in Schule und Gemeinde, Bd. 3. Gütersloh, 2000, Nr. 182, Bild 1. Ó by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

520

Anhang

Gethsemane

Bild ›Jesus in Gethsemane‹ in: Steinwede, Dietrich, Ingrid Ryssel und Doris Westheuser (Hrsg.): Religion spielen und erzählen. Kinder begleiten in Schule und Gemeinde, Bd. 3. Gütersloh, 2000,Nr. 182, Bild 2. Ó by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Tod Jesu

Bild ›Tod Jesu‹ in: Bibelbilderbuch, Bd. 5. Mit Zeichnungen von Kees de Kort. Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, 1999, 68. Ó Kees de Kort.

Auferstehung

Bild ›Drei Frauen auf dem Weg zum Grab‹ in: Schupp, Renate: Rica erlebt Ostern. Ein Folien-Osterkalender zum Vorlesen und Basteln eines Fensterbildes. Illustrationen von Johanna Ignjatovic. Lahr, 3. Aufl., 2007, 13, Folienbild 11. Bild ›Auferstehung‹ in: Steinwede, Dietrich, Ingrid Ryssel und Doris Westheuser (Hrsg.): Religion spielen und erzählen. Kinder begleiten in Schule und Gemeinde, Bd. 3. Gütersloh, 2000, Nr. 182, Bild 6. Ó by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

11.3 Transkriptionen der Interviews Diese sind im Internet abrufbar unter www.v-r.de/anhang-wer-ist-jesus. Das Passwort lautet G69WuHrU.

11.4 Unterrichtsdokumentation Diese sind im Internet abrufbar unter www.v-r.de/anhang-wer-ist-jesus. Das Passwort lautet G69WuHrU.

11.5 Quellenverzeichnis Arbeitsblatt: Heilung des Gelähmten Vgl. S. 323, 344, 362, 398 und 420. Entnommen aus: Freudenberger-Lötz, Petra (Hrsg.): Spuren lesen. Lehrermaterialien für das 1. / 2. Schuljahr, 237. Das Bild wurde für den Unterricht durch Sprechblasen, eine Frage und Linien für die Beantwortung derselben ergänzt. Ó 2010 Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart und Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig.