Wege zum individuellen Erfolg: Die unternehmerorientierte Führung von Klein- und Mittelunternehmen [1 ed.] 9783896445544, 9783896735546

Ein ganz neuer Managementansatz: Die Unternehmensführung orientiert sich an der Persönlichkeit des Unternehmers. Nicht d

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Wege zum individuellen Erfolg: Die unternehmerorientierte Führung von Klein- und Mittelunternehmen [1 ed.]
 9783896445544, 9783896735546

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EDITION MANAGEMENT

Hans-Dietrich Reckhaus

Wege zum individuellen Erfolg Die unternehmerorientierte Führung von Klein- und Mittelunternehmen

Verlag Wissenschaft & Praxis

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Hans-Dietrich Reckhaus

Wege zum individuellen Erfolg Die unternehmerorientierte Führung von Klein- und Mittelunternehmen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-554-6 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2010 D-75447 Sternenfels, Nussbaumweg 6 Tel. +49 7045 930093 Fax +49 7045 930094 [email protected] www.verlagwp.de © Einbandfoto: Nautor’s Swan, Firenze

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Inhalt Einleitung ................................................................................................... 7 1 Das Konzept des unternehmerorientierten Segelns mit kleinen bis mittelgroßen Schiffen ............................................................................ 9 2 Die Seekarte der unterschiedlichen Segelreviere................................. 11 2.1 Theorie der Lebenszyklen............................................................ 11 2.2 Der typische Lebenszyklus eines Schiffes .................................... 14 2.3 Die einzelnen Segelreviere .......................................................... 17 3 Wohin soll die Reise gehen? ............................................................... 27 3.1 Die Notwendigkeit von Zielen..................................................... 27 3.2 Das Ziel: das stetige Vorankommen ............................................ 28 3.3 Kapitänsprofile: unterschiedliche Ziele........................................ 29 3.4 Fazit: der Kapitän und seine Törnpläne ....................................... 30 3.5 Selbsteinschätzung: unsere Ziele als Kapitän............................... 31 4 Wo befindet sich unser Schiff zurzeit? ................................................ 35 4.1 Navigationskunde........................................................................ 35 4.2 Der Schiffskompass...................................................................... 38 4.3 Selbsteinschätzung: unser derzeitiges Revier ............................... 45 5 Egal wo wir segeln, das sollten wir können und wissen ...................... 47 5.1 Notwendige Eigenschaften für das Segeln ................................... 47 5.2 Notwendiges Wissen für das Segeln ............................................ 49 6 Hamburg – Helgoland: so segelt der vorsichtige Kapitän am besten ... 51 6.1 Der vorsichtige Kapitän und sein Ziel.......................................... 51 6.2 Segeln im Zielrevier..................................................................... 52 6.3 Besondere Anforderungen an den vorsichtigen Kapitän .............. 58 7 Hamburg – Oslo: so segelt der optimistische Kapitän am besten ........ 61 7.1 Der optimistische Kapitän und sein Ziel ...................................... 61 7.2 Segeln im Zielrevier..................................................................... 61 7.3 Besondere Anforderungen an den optimistischen Kapitän........... 72

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INHALT 8 Hamburg – Boston: so segelt der risikobereite Kapitän am besten ...... 75 8.1 Der risikobereite Kapitän und sein Ziel........................................ 75 8.2 Segeln im Zielrevier..................................................................... 75 8.3 Besondere Anforderungen an den risikobereiten Kapitän ............ 81 9 Untiefen auf der Seekarte: Anspruch und Realität................................... 83 9.1 Die unterschiedlichen Charaktere der Kapitäne........................... 83 9.2 Das Schiff und die Mannschaft brauchen den ganzen Kapitän .... 87 10 Segeln in seiner schönsten Form ......................................................... 89 Anlage Seekarte zur individuellen Positionsbestimmung

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Einleitung Ziel des Buches ist die Schaffung eines konzeptionellen und pragmatischen Managementansatzes für die Führung von kleinen und mittleren Unternehmen. Im Zentrum steht nicht das Unternehmen, sondern der Erfolg des Unternehmers. Und damit sind wir bereits beim Wichtigsten: Im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen wird speziell auf die Persönlichkeit des Unternehmers eingegangen. Die Ziele und die persönlichen Eigenschaften werden in den Vordergrund gestellt. Es geht konkret um folgende Fragen: ̶

Welche Ziele haben die Unternehmer? ̶

Welche Stärken haben sie? ̶

Welche Maßnahmen müssen sie für ihren individuellen Erfolg ergreifen?

Der Ansatz soll kein fertiges und starres Konzept von Anleitungen darstellen. Vielmehr sind die Ausführungen als Orientierungsrahmen für die Geschäftsführer von Klein- und Mittelunternehmen zu verstehen, anhand dessen sie Probleme im eigenen Betrieb schneller erkennen und Lösungsansätze selbst entwickeln können. Die Führung von Unternehmen ist mit dem Steuern von Schiffen vergleichbar: Geht es doch auch auf der See darum, auf die unterschiedlichsten Einflüsse von draußen (Wetter) und von drinnen (Mannschaft und Boot) zu reagieren und das Schiff ständig auf Kurs zu halten. Diese Vergleiche können so viel Freude bereiten, dass wir uns entschieden haben, das ganze Buch zu einem großen Segeltörn zu machen. Kommen Sie mit, segeln Sie von Hamburg aus nach Helgoland, Oslo und nach Boston!

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Das Konzept des unternehmerorientierten Segelns mit kleinen bis mittelgroßen Schiffen

Unternehmerisch tätig sein ist wie Segeln auf hoher See. Bevor wir auslaufen, müssen wir wissen: Stufe 1:

Welche Segelreviere gibt es?

Ö Kapitel 2

Stufe 2:

Wohin soll unsere Reise gehen?

Ö Kapitel 3

Stufe 3:

Wo befindet sich unser Schiff zurzeit?

Ö Kapitel 4

Stufe 4:

Welches Wissen und welche Fähigkeiten werden grundlegend für das Segeln benötigt?

Ö Kapitel 5

Stufe 1: Die Veränderungen, auf die wir uns als Unternehmer einstellen müssen, nehmen zu. Zu nennen sind beispielhaft: ̶

Entwicklungen im gesetzlichen Bereich, z. B. erhöhte Umweltschutzauflagen, strengere Ausfuhr- und Einfuhrbestimmungen oder modifizierte Steuersätze ̶

Technologiesprünge, wie z. B. das Internet ̶

Internationalisierung unserer Absatz- und Beschaffungsmärkte

Unser Unternehmen kann sich „im Trend“ bewegen und schnell vorankommen oder es „hinkt hinterher“ und fährt langsam. Es gibt Bereiche (Segelreviere), in denen die Vorzeichen günstig sind und solche, in denen Sturm von vorn weht. Im 2. Kapitel geht es zunächst darum, die unterschiedlichen Segelreviere aufzuzeigen. Stufe 2: Als Unternehmer haben wir die prägende Rolle im Unternehmen, wir sind der Kapitän auf dem Schiff des Unternehmens. Bevor wir auslaufen, müssen wir uns erst einmal unsere Ziele anschauen. Wir müssen festlegen, wohin die Reise (Ziele) gehen soll: Kapitel 3 Stufe 3: Nachdem wir wissen, welche Segelreviere es gibt und welche Reiseziele wir haben, müssen wir erkunden, wo sich unser Schiff zurzeit

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DAS KONZEPT DES UNTERNEHMERORIENTIERTEN SEGELNS befindet. Im 4. Kapitel wird dazu die notwendige Navigationskunde präsentiert und gezeigt, wie ein Kompass installiert werden kann. Stufe 4: Das Schiff will gesegelt werden, und dazu bedarf es ganz speziellen persönlichen Voraussetzungen beim Kapitän. Im 5. Kapitel werden die besonderen, persönlichen Eigenschaften und das notwendige Wissen für das Segeln skizziert. Nach den unterschiedlichen Stufen kann es losgehen! Individuelle Ziele fordern jeweils unterschiedliche Steuerungen des Schiffes. Exemplarisch wird aufgezeigt, wie ein vorsichtiger, ein optimistischer und ein risikobereiter Kapitän sein Schiff führen sollte (Kapitel 6, 7 und 8). Aber Vorsicht, Untiefen in Sicht! Immer da, wo der Kapitän sich selbst falsch einschätzt, kann das Schiff in Gefahr geraten: Anspruch und Realität in Kapitel 9. Im letzten Kapitel wird das Segelrevier beschrieben, in das jeder möchte: Sonne und ständig Rückenwind. Wir zeigen auf, wie wir dort hinkommen und verweilen können: Segeln in seiner schönsten Form.

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2 Die Seekarte der unterschiedlichen Segelreviere Die unterschiedlichen Lebensphasen des Unternehmens entsprechen den Segelrevieren, in denen sich das Schiff befindet. Das Konzept der Lebensphasen oder -zyklen kommt aus der Natur. Im Zeitverlauf erlebt jedes lebende System Geburt und Tod, Höhen und Tiefen, das gilt auch für Unternehmen. Es wird gegründet und ist zunächst klein, erlebt in dieser Zeit bereits Stürme von vorn, aber auch Starkwind von hinten. Das Unternehmen wächst und andere Probleme kommen. Unterschiedliche Phasen werden durchlaufen, die meistens eine gewisse Regelmäßigkeit haben. Die Regelmäßigkeit von Zyklen, die wir aus der Natur kennen, kann auf die ökonomische Welt, z. B. auf unseren Markt, unsere Branche und somit auf unser Unternehmen übertragen werden.

2.1 Theorie der Lebenszyklen Beispielhaft wollen wir drei sehr bekannte Arten von Lebenszyklen beschreiben: Produkt-, Branchen- und Technologiezyklus. Produkt-Lebenszyklus Ein Konditor entwickelt als erster Pralinen mit einem sehr gut schmeckenden Vitaminzusatz und bietet diese exklusiv seinen Kunden an. Die Verkäufe sind zunächst schwach, da das Produkt unbekannt ist. Werbeanstrengungen und Mund-zu-Mund Werbung bringen immer mehr Kunden, auch Kunden von anderen Konditoreien. Das Produkt kommt gut an. Der Umsatz wächst schnell. Nun entdecken seine Mitbewerber die Art der Pralinenherstellung und bieten diese zu einem niedrigeren Preis an. Unser Konditor kann wohl mit gestiegenen Werbeanstrengungen und einer Preisreduzierung den Umsatz knapp halten, die Rendite geht jedoch merklich zurück. Immer mehr Anbieter übernehmen die Art der besonderen Pralinen, ein langfristiger Preisverfall tritt ein. Folgende Abbildung zeigt den Verlauf von Umsatz und Gewinn.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE

Abb. 1: Modell des Produkt-Lebenszyklus

Das Beispiel der Pralinen ist auf viele Produkte übertragbar. Je einfacher das Produkt für andere Unternehmen kopierbar und gleichzeitig auch rentabel ist, desto kürzer wird der Lebenszyklus des Produktes sein. Branchenzyklus Ein Zyklus kann auch für ganze Branchen nachgewiesen werden: Am Anfang steht normalerweise eine sogenannte Basisinnovation, eine große Erfindung, die marktfähig angeboten wird. Zunächst ist es ein Unternehmen, andere werden angezogen, immer größere Verbrauchermengen (immer mehr Nachfrager) werden angesprochen. Können kaum noch neue Kunden gewonnen werden, gibt es immer wieder kleine Innovationen, um Kaufanreize zu schaffen. Das Wachstum, das die Branche jedoch am Anfang hatte, wird nicht mehr realisiert. Die folgende Abbildung zeigt die Branche der Langspielplatten.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE

200 160 120

LP MC

80

CD

40 0 1960

1970

1980

1990

2000

2010

Abb. 2: Absatz von Langspielplatten, Musik-Kassetten und Compact-Discs in Mio. Stück Quelle: Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V. Hamburg

Die Stagnation und der Rückgang des Verkaufes der Langspielplatten sind zunächst auf die vermehrte Verwendung von Kassetten (auch Aufnahme von Platte auf Kassette), später auf die Einführung von Compact Discs zurückzuführen. Technologiezyklus Beim Technologiezyklus interessiert vor allem das Verhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit der Technologie und den Kosten, das heißt des Aufwandes für Forschung und Entwicklung. Und auch für dieses Verhältnis konnte immer wieder der Zyklus festgestellt werden, der im Folgenden abgebildet ist.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE

Abb. 3: Die Technologie S-Kurve

Zunächst gibt es bei einer neuen Technologie viel Unwegsames, viele Unbekannte, es muss viel Aufwand betrieben werden, um in kleinen Schritten voranzukommen. Ab einem gewissen Punkt kann der Aufwand jedoch viel produktiver verwendet werden, Know-how ist erarbeitet, Geld wird produktivitätsorientierter eingesetzt, die Leistungsfähigkeit steigt schnell. Später nimmt dann der Fortschritt pro Einheit Aufwand ab, da die Technologie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stößt. Alle drei Lebenszyklen zeigen ähnliche Verläufe. Im folgenden Kapitel wird beschrieben, in welchem Ausmaß diese Regelmäßigkeiten auch für die Entwicklung von Unternehmen im Zeitverlauf zutreffen.

2.2 Der typische Lebenszyklus eines Schiffes Am Anfang des Lebens eines Unternehmens steht die Gründung. Unternehmen können von einer Person gegründet werden und viele Jahre nur einen oder wenige Mitarbeiter haben. Unternehmen können aber auch von Großunternehmen als Tochtergesellschaften mit einer Startmannschaft von über 100 Mitarbeitern ins Leben gerufen werden. Da wir uns hier nur auf kleine und mittlere Unternehmen konzentrieren, gehen wir vom ersten Fall aus: Eine Person gründet ein Unternehmen.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE Dieser Gründer hat eine gute Idee, z. B. ein rollendes Brett, das einfach hinten an einen Kinderwagen angebracht werden kann und so ein zweites Kind problemlos befördert. Der Gründer ist so stark von seiner Idee überzeugt, dass er seinen festen Arbeitsplatz aufgibt und mit seinen wenigen Ersparnissen den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Pionierhaft sucht er nach dem richtigen Material, nach den richtigen Lieferanten, baut sich selbst eine Maschine, um dieses neue Brett zu produzieren. Er plant Verkaufswege, ohne auch nur einen Kunden zu diesem Zeitpunkt zu kennen. Nachdem er wochenlang Informationen eingeholt und erste Prototypen erstellt hat, geht er zu Kaufhausketten, um sein Idee vorzustellen. Ohne Erfolg. Von seiner Idee überzeugt, gibt er nicht auf. Es dauert zwei Jahre, in denen er viel Geld investiert, bis er seinen ersten Kunden gewonnen hat. Die Produktion kann langsam anlaufen, zunächst alles in eigener Handarbeit, später mit einem Aushilfsmitarbeiter. Nach einem weiteren Jahr gelingt es ihm, zwei große Kaufhausketten für sich zu gewinnen. Der Umsatz steigt enorm. Eine größere Maschine wird gekauft, Mitarbeiter werden eingestellt. Und plötzlich kommen immer mehr Kunden, die dieses Brett kaufen wollen. Wie oben beim Produktzyklus erklärt, wird das Wachstum des Unternehmens, solange es nur auf das eine Produkt setzt, nach einer starken Phase des Wachstums stagnieren. In der dann eintretenden Phase wird von Reife gesprochen. Werden dann keine besonderen Anstrengungen unternommen, werden aufgrund des Wettbewerbsdruckes Umsatz und Gewinn zurückgehen, schließlich wird das Unternehmen eingehen. Diese Phase heißt Wendephase, da das Unternehmen entweder zu neuer Stärke zurück geführt wird oder eingeht.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE

Abb. 4: Die Entwicklung des Unternehmens im Zeitverlauf

Wenn es dem Unternehmer gelingt, die einzelnen Abschnitte zu „überleben“, sie zu meistern und damit die Voraussetzung für die nächste Phase zu schaffen, durchläuft das Unternehmen vier unterschiedliche Phasen: Pionier-, Wachstums-, Reife- und Wendephase. Grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung ist, dass der Unternehmer es schafft, aus seinen Pionierleistungen ein marktfähiges Angebot zu entwickeln, Kunden zu gewinnen und eine Verwaltung aufzubauen. Falls er das nicht schafft, geht das Unternehmen schon im frühen Pionierstadium unter. Eine weitere Phase wird immer erst dann erreicht, wenn die vorherige gemeistert wurde. Ebenso ist ein Rücksprung möglich: Einem Unternehmer kann es am Ende einer Wachstumsphase gelingen, das Unternehmen z. B. durch neue Produktideen zum Anfang einer neuen Wachstumsphase zurückzuführen. Gilt diese typische Entwicklung auch für kleine Unternehmen? Viele kleine Unternehmen haben sich auf eine Nische spezialisiert: Ihr Produktangebot, ihre Serviceleistungen oder ihr Absatzkanal sind so speziell, dass sie kaum Wettbewerb haben. Seit Jahren wachsen sie langsam, aber stetig, die Preise brauchen sie dazu nicht zu reduzieren. Die

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE Wachstumsphase kann dann Jahre, mit viel Glück Jahrzehnte dauern. Voraussetzung ist jedoch, dass die Nische so klein ist, dass sie für große Unternehmen und für weitere kleine Unternehmen nicht interessant ist. Das bedeutet, dass die Unternehmen klein bleiben. Die Unternehmer suchen hier nicht aktiv neue Märkte, sondern beschränken sich in ihrem eigenen Wachstum, mit dem sie offensichtlich zufrieden sind. Sie investieren nur zögerlich, und wenn, dann eben in die alten Produkte und Leistungen: in Maschinen und Prozesse, die diese Produkte und Leistungen herstellen können und in Werbung für den vorhandenen Markt. Generell nimmt der Wettbewerbsdruck zu. Auf einmal sind andere Mitbewerber da. Lassen Sie uns doch mal an ein seit Jahrzehnten am Ort eingeführtes Spielwarengeschäft denken. Plötzlich kommt die amerikanische Kaufhauskette „Toys ‚r‘ us“, eröffnet ein Spielwarenkaufhaus und bietet eine viel größere Auswahl zu besseren Preisen an. Das alte Geschäft muss schließen. Wie viele traditionelle Einzelhandelsgeschäfte mussten trotz guter Kapitalausstattung, langjähriger Stammkundschaft und besten Standorten aufgrund neuer Konkurrenz schließen? Wir wollen festhalten: Unabhängig davon, ob unser Unternehmen schnell wächst und mehrere Märkte bedient oder ob es sich in einer Nische erfolgreich behauptet, die Gesetzmäßigkeit der Lebenszyklen kann vorausgesetzt werden und in der Regel auch auf unser Unternehmen übertragen werden.

2.3 Die einzelnen Segelreviere Die Theorie der Lebenszyklen zeigt, dass es vier unterschiedliche Segelreviere gibt: 1.

Pionierphase

2.

Wachstumsphase

3.

Reifephase

4.

Wendephase

Um die Reviere besser kennen zu lernen, werden nachfolgend die wesentlichen Merkmale der Regionen beschrieben. Aufgrund der individuellen

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE Unternehmensausgangslagen kann hier nur idealtypisch eine Erläuterung versucht werden. Die Beschreibung erfolgt anhand der Kriterien: ̶

Tätigkeit des Unternehmers ̶

Marktstellung ̶

Mitarbeiter ̶

Technologie ̶

Kapitalstruktur

Segelrevier 1: Pionierphase Tätigkeit des Unternehmers Der Unternehmer hat eine eigene Produktidee. Er ist von dieser Idee besessen und versucht, sie mit allen Mitteln direkt an den Kunden zu verkaufen. Er entwickelt das Produkt, er arbeitet in der Produktion mit, kennt alle Lieferanten und alle Kunden. In dieser Phase gibt es kaum eine Tätigkeit im Unternehmen, die er nicht selbst initiiert hat. Er ist in alle Geschäftsvorfälle eingeweiht. Marktstellung Von Marktstellung kann gar nicht die Rede sein. In dieser Phase gibt es noch keinen Kundenstamm, keinen Marktanteil. Der Umsatz wächst, aber sehr langsam und unstetig. Neue Produkte werden nicht entwickelt, da der Unternehmer zunächst sein eines Produkt serienreif machen muss. Neue Märkte werden ebenfalls nicht erschlossen, da noch keine Kunden da sind. Die Markttransparenz kann als sehr klein beurteilt werden. Mitarbeiter In dieser Phase hat das Unternehmen sehr wenige Mitarbeiter, ihre Qualifikation konzentriert sich auf die Entwicklung der Idee. Die wenigen Mitarbeiter beschäftigen sich mit dem Produkt, mit möglichen Maschinen und Arbeitsabläufen. Mitarbeiter in der Verwaltung gibt es nicht, es gibt noch keine Verwaltung. Die Mitarbeiter sind oftmals über private Kontakte gefunden worden. Das Arbeitsklima besteht aus der Vision, ein neues Produkt zu entwickeln und ein Unternehmen aufzubauen. Diese Atmos-

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE phäre und der sehr persönliche Kontakt zum Unternehmer erzeugen eine hohe Motivation. Es werden viele Überstunden geleistet. Technologie Die Produktion geschieht überwiegend per Hand, Maschinen sind notdürftig konstruiert worden. Je innovativer die Produktidee ist, desto weniger wird es auf dem Markt Maschinen geben, die diese Produkte herstellen. Die Arbeitsabläufe sind nicht strukturiert und geprüft. Ein Sicherheitsbeauftragter, der sich z. B. um die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften kümmert, existiert nicht. Umweltschutzauflagen werden kaum betrachtet oder sind noch nicht relevant. Kapitalstruktur In dieser Phase fehlt es vor allem an Liquidität. Der Unternehmer hat Fremdkapital aufgenommen, das in der Regel nicht ausreicht. Da die Produktion schwieriger als geplant und der Verkauf noch nicht erfolgreich gewesen ist, muss weiteres Fremdkapital aufgenommen werden, ohne dass Geld erwirtschaftet wird. Segelrevier 2: Wachstumsphase Tätigkeit des Unternehmers Der Unternehmer konzentriert sich jetzt nicht mehr auf die eigene Produkt- oder Dienstleistungsidee. Er ist vor allem vom Verkauf eingenommen. Erst jetzt lernt er den Markt und damit das für sein Angebot mögliche Nachfragepotenzial kennen. Dieses Potenzial versucht er mit allen Mitteln zu bekommen. Der Unternehmer fährt zu Kunden, fängt an, auf Messen auszustellen, Kataloge drucken zu lassen und Außendienstmitarbeiter einzustellen. Zusätzlich stellt er einen Produktionsleiter und einen Innendienstleiter ein. Die Zeit, dass er jeden Morgen im Betrieb war, ist vorbei. Er kennt längst nicht mehr alle Lieferanten oder Geschäftsvorfälle. Marktstellung Das Angebot wird hervorragend vom Markt angenommen, die Anzahl Neukunden ist groß. Der Umsatz wächst mit zweistelligen Zuwachsraten. Der Unternehmer und seine Mitarbeiter sind vom Wachstum überrascht und haben alle Hände voll zu tun. Das Unternehmen kann sich dabei

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE sogar noch Preiserhöhungen erlauben. Auch wenn nur wenig Werbung betrieben wird, kennt am Ende der Wachstumsphase jeder im Absatzkanal dieses Unternehmen. Das Unternehmen hat es in der kleinen Nische zum Marktführer gebracht. Im Markt kann von vollständiger Transparenz gesprochen werden. Neue Märkte für das bestehende Produkt werden beiläufig erschlossen. Neue Mitbewerber kommen am Ende der Wachstumsphase. Ihr Angebot ist jedoch noch nicht so gut und wird daher vom Markt nur teilweise, mit niedrigeren Preisen angenommen. Mitarbeiter Der Umsatz wächst schneller als die Beschäftigtenzahl. Aufgrund des enormen Arbeitsdruckes wird nicht besonders viel Zeit auf die Einstellung neuer Mitarbeiter verwendet. Ergebnis ist, dass die fachspezifische Qualifikation nicht den steigenden unternehmensinternen Anforderungen entspricht. Der Schwerpunkt der Arbeitsleistung liegt nun nicht mehr in der Entwicklung der eigentlichen Produktidee, sondern in der Produktion des Leistungsangebotes, d. h. Schwerpunkte sind Herstellung und Logistik. Das Arbeitsklima wird wegen der nicht genügend durchdachten Einstellungen heterogen. Für die Mehrzahl der Mitarbeiter gilt jedoch, dass sie viel Freude am Wachstum haben. Sie dürfen miterleben, wie das Unternehmen sich entwickelt, sie erhalten ständig neue Aufgaben und werden vom Unternehmer persönlich „mitgezogen“. Es werden viele Überstunden geleistet, jedoch nicht mehr so viele wie in der Pionierphase. Technologie Endlich hat sich der Unternehmer entschieden, Maschinen zu kaufen. Diese Phase ist gekennzeichnet von hohen Lerneffekten. Immer wieder müssen neue Maschinen in den Ablauf integriert werden, um das Umsatzwachstum zu befriedigen. Auch wenn die Maschinen den Stand der Technik darstellen, ist die Fertigungsqualität nur ausreichend. Die Arbeitsabläufe sind zum großen Teil strukturiert, aber nicht genügend hinterfragt. Die Qualitätskontrolle kann daher auch nicht mehr als befriedigend beurteilt werden. Ein Sicherheitsbeauftragter, der sich hauptsächlich um die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften kümmert, existiert, jedoch nur mit einer viertel Stelle. Umweltschutzauflagen werden mehr als vorher betrachtet, eine konsequente Umsetzung in die Praxis wird jedoch wegen der „Dynamik“ in der Produktion nicht ernsthaft betrieben.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE Kapitalstruktur Der Umsatz steigt schneller als der Gewinn, weil zu viele Lerneffekte, sei es produktionstechnisch, ablauforganisatorisch in der Verwaltung, oder einfach im Einkauf oder im Verkauf anfallen. Viele teure Überstunden werden in der Produktion geleistet, weil die Produktionsmengen nicht optimal geplant werden können. Immer wieder müssen kleinere Chargen nachproduziert werden, sei es wegen neuen Wachstums oder einfach weil Materialien nicht rechtzeitig disponiert wurden. In der Verwaltung müssen ständig neue Abläufe eingeführt werden, um den gestiegenen Arbeitsaufwand zu meistern (irrationale Wege müssen beschritten werden, Fehler vermehren sich). Im Einkauf werden immer wieder kleinere Mengen zu sehr hohen Preisen nachgekauft (Umsatzwachstum konnte nicht so vorhergesehen werden). Im Verkauf werden neue Mitarbeiter eingestellt, die sich erst später rentieren und die Verwaltung und den Ablauf erst behindern. Auf neuen Messen wird ausgestellt, neue Kataloge werden gedruckt. Hinzu kommen immer wieder Investitionsschübe, die je nach Risikoneigung des Unternehmers weiteres Wachstum einkalkulieren und deswegen für den Zeitpunkt der Anschaffung, zu hohe Abschreibungen verursachen können. Das sehr ungünstige Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital kann jedoch abhängig von Investitionen verbessert werden. Segelrevier 3: Reifephase Tätigkeit des Unternehmers Weitere Mitbewerber kommen auf den Markt. Der Unternehmer weiß aufgrund seiner Markttransparenz, dass er mit den herkömmlichen wenigen Werbemitteln und den relativ hohen Herstellungskosten nicht mehr konkurrenzfähig ist. In dieser Phase gibt es viele Möglichkeiten, ein weiteres Wachstum zu generieren, wir beschränken uns bei unseren Ausführungen jedoch auf die typischen Erscheinungen der Reife: Der Unternehmer hält an der ursprünglichen Geschäftsidee fest und akzeptiert die offensichtlich schlechtere Marktsituation. Er erbringt nicht noch einmal eine pionierhafte Leistung, sondern versucht, das zu optimieren, was er aufgebaut hat. Da ihm ein Umsatzwachstum nicht mehr so gelingt, blickt der Unternehmer das erste Mal richtig nach innen: Er versucht nun, die Abläufe in Produktion und Verwaltung zu optimieren. Erst jetzt entstehen durch-

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE dachte, formale Strukturen. Funktionsbereiche (z. B. Finanzen, Personal, Organisation, EDV) werden geschaffen und mit Funktionsspezialisten (Divisionsbereiche, z. B. Geschäfts- oder Produktbereiche werden wahrscheinlich wegen des kleinen Produktangebotes und der Überschaubarkeit des Marktes nicht eingerichtet) besetzt. Erst jetzt beschäftigt sich der Unternehmer mit der Einführung eines umfassenden Kostenrechnungssystems, mit Nachkalkulationen und der Entwicklung von Kosten/Leistungsvorgaben für einzelne Bereiche. Im Markt fängt der Unternehmer an, mit Preisreduzierungen und kleinen Produktverbesserungen um Umsatz zu kämpfen. Selbst größere Kunden können kaum noch besucht werden, die effektive Verkaufstätigkeit geht stark zurück. Marktstellung Das Angebot der neuen Mitbewerber wird von Jahr zu Jahr besser. Sie versuchen, mit Billigpreisen in den Markt zu kommen. Der hohe Marktanteil kann nur aufgrund niedrigerer Preise und verstärkter Werbeanstrengungen gehalten werden. Neue Märkte können nicht mehr angegangen werden, da die gesamten Verkaufsanstrengungen in den alten Markt gehen. Neukunden gibt es praktisch nicht mehr. Wurden im Wachstumsstadium schnell neue, kleine Produktideen umgesetzt und angeboten, fallen jetzt solche Ideen einer sehr genauen Kalkulation zum Opfer. Mitarbeiter Durch die Strukturierung der Organisation findet in der Verwaltung eine relativ hohe Fluktuation statt. Die Anzahl der Mitarbeiter bleibt dabei gleich oder steigt sogar ein wenig. Die fachspezifische Qualifikation nimmt deutlich zu und kann am Ende der Reifephase aufgrund kaum gestiegener Anforderungen (Stagnation) als sehr gut bezeichnet werden. Der Schwerpunkt der Arbeitsleistung liegt am Ende des Reifeprozesses in der Verwaltung. Das Arbeitsklima verändert sich in dieser Phase stark: Einige Mitarbeiter haben das Unternehmen verlassen, leitende Funktionsspezialisten, meist von größeren Unternehmen kommend, fokussieren die sachlichen Aspekte der Arbeit. Der Schwung, die Dynamik, die vom Wachstum ausgegangen ist, fehlt. Alle Mitarbeiter merken, dass ein Erfolg des Unternehmens in der Branche schwieriger wird. Der Optimismus, der die Leistung zu großen Teilen getragen hat, verschwindet merklich. Der Unternehmer „zieht“ die Mitarbeiter nicht mehr mit, sondern auch er betont immer mehr

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE die sachliche Seite der Leistung. Die Gesamtmotivation lässt deutlich nach. Überstunden werden kaum noch geleistet. Technologie In dieser Phase erlebt die Qualität der Technologie (Fertigungsqualität) ihren Höhepunkt. Die in der Wachstumsphase gesammelten Erfahrungen werden von den langjährigen Mitarbeitern (die vielleicht um funktionsspezifische Fach- und Führungskräfte verstärkt werden) produktiv genutzt: Beste, junge Maschinen, optimierte und jetzt auch geprüfte Arbeitsabläufe, gutes Know-how bezüglich des herzustellenden Produktes und konstante Produktionsmengen (kaum noch Umsatzschwankungen) sorgen für beste Qualität. Die Qualitätskontrolle kann als führend in der Branche angesehen werden. Ein vollamtlicher Sicherheitsbeauftragter wird eingestellt. Umweltschutzauflagen werden vorbildlich umgesetzt. Kapitalstruktur Stagniert der Umsatz in der Reifephase, so nimmt der Gewinn zunächst noch zu und erreicht in der Mitte der Phase seinen Höhepunkt: Die rationalisierten Arbeitsabläufe und die genaue Kostenkontrolle bringen mehr Geld, als die vermehrten Werbeanstrengungen und Preiszugeständnisse kosten. Je länger jedoch die Reifephase anhält, desto größer werden die Werbeausgaben und desto höher die Preiszugeständnisse. Einsparungen dagegen sind bei gleicher Leistung nicht mehr zu erzielen. Wurde am Anfang der Reifephase noch in allen Bereichen des Unternehmens investiert, so markiert ein Investitionsstopp bei leicht sinkenden Umsätzen das Ende der Reifephase. In dieser Phase ist das Verhältnis zwischen Eigenund Fremdkapital am besten. Segelrevier 4: Wendephase Tätigkeit des Unternehmers Das Konkurrenzangebot ist qualitativ und preislich ebenbürtig oder besser. Der Umsatz geht zurück. In dieser Phase steht der Unternehmer vor der „Wende“. Entweder gelingt ihm die Wende oder das Unternehmen geht ein. Für die Wende muss er pionierhaft neue Ideen auf den Markt bringen oder pionierhaft neue Märkte erschließen. Viele schaffen das nicht und konzentrieren sich ausschließlich auf das Vorhandene. Der Unternehmer

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE wird bei letzterem versuchen, das „Aufgebaute“, die alten Produkte, die doch immer noch Umsatz bzw. Deckungsbeitrag bringen, und die guten alten Kundenbeziehungen um jeden Preis zu halten. Vielleicht geht er selbst noch einmal verstärkt in den Verkauf. Er wird jedoch feststellen, dass das Ausbleiben weiteren Erfolges an seinem Angebot liegt. Er muss noch günstiger produzieren, die Abläufe müssen noch weiter rationalisiert und optimiert werden. Vielleicht bezüglich des gestiegenen Wettbewerbsdruckes oder erhöhten Umweltschutzauflagen oder irgendwelchen anderen „Ausreden“ resigniert er und versucht nur noch eines: Kostenreduzierung. Der Blick geht weiter nach innen. Er selbst ist wieder vermehrt in der Produktion, er selbst übernimmt wieder einzelne Aufgaben in der Verwaltung. Marktstellung Der Umsatz geht zurück, alte Kunden springen ab. Die Kundenzufriedenheit nimmt ab, da jegliche „Extrawünsche“ nicht mehr erfüllt werden und der Außendienst nicht mehr so regelmäßig kommt. Die besten Mitarbeiter im Innen- und Außendienst verlassen das Unternehmen und nehmen Kunden mit. Es werden nur noch vereinzelt Messen besucht. Der einst ausgezeichnete Ruf des ehemaligen Marktführers geht wegen des schlechten Services und der mittelmäßigen Produkte ein. Neue Produkte werden schon seit langem nicht mehr angeboten. Es gibt keine Neukunden. Mitarbeiter Arbeitsabläufe werden weiter rationalisiert, der Umsatz geht zurück: Mitarbeiter werden entlassen. Damit sinkt zwangsläufig die Qualifikation: Für besondere Fachbereiche gab es eine Kraft (nicht vielleicht wie in Großunternehmen mehrere Mitarbeiter), die nun entlassen wird. Dazu kommt, dass die besonders guten Mitarbeiter des Unternehmens freiwillig gehen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt wahrscheinlich aufgrund der fortgeschrittenen Automatisierung und des rückläufigen Umsatzes weiter in der Verwaltung. War das Arbeitsklima in der Reifephase von einer Versachlichung der Aufgaben und der Arbeitseinstellung geprägt, so ist es jetzt von Resignation und Angst geprägt. Die Motivation, es doch noch zu schaffen, wird wahrscheinlich auch nicht mehr vom Unternehmer vorgelebt, der für die Mitarbeiter die noch einzige Hoffnung dargestellt hätte.

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DIE SEEKARTE DER UNTERSCHIEDLICHEN SEGELREVIERE Technologie Der Investitionsstopp, die Reduzierung der Produktionsmitarbeiter, die radikale Kostenkürzung, der Weggang von wichtigen Leistungsträgern des Unternehmens und die geringe Motivation, ein gutes Produkt herzustellen, lassen die Fertigungsqualität stark zurückgehen. Die Qualitätskontrolle ist durchschnittlich, die Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten sind auf andere, nicht kompetente Mitarbeiter aufgeteilt worden, Investitionen in den Umweltschutz finden nur noch durch Androhung von Strafen durch Behörden statt. Kapitalstruktur Die Kostenersparnisse können den Umsatzrückgang nicht auffangen, Verlust entsteht, und zwar jedes Jahr überproportional mehr. Das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital verschlechtert sich, klappt die Wende nicht, so geht das Unternehmen ein. Zu diesem Kapitel findet sich am Schluss des Buches eine Seekarte der unterschiedlichen Segelreviere (unterschiedliche Unternehmensphasen).

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3

Wohin soll die Reise gehen?

3.1 Die Notwendigkeit von Zielen „Der Wind ist nur für den günstig, der weiß wohin er will." Seneca

Wer sich nicht im Klaren darüber ist, wohin er will, der wird: ̶

für alltägliche Entscheidungen viel Zeit brauchen ̶

viele Entscheidungen im Nachblick falsch treffen ̶

nur wenig Motivation beim Betrachten seiner Arbeit haben ̶

Irritationen und damit Demotivation bei den Mitarbeitern auslösen ̶

...

Je genauer die Zielfestlegung ist, desto besser. Der Unternehmer kann sich orientieren, die Mitarbeiter können sich orientieren. Entscheidend ist die Wirkung des Ziels. Das Ziel soll Leitmarke sein, Orientierungshilfe, Vision. Wichtig dabei ist, dass das Erreichen des Ziels nicht unbedingt vorgeschrieben wird, es nicht als eine Voraussetzung für den Fortbestand des Unternehmens verstanden wird. Es darf für keinen ein Druckmittel im Sinne der Erhaltung der Existenz darstellen. Es soll helfen, es soll motivieren. Das Zurücknehmen des Ziels bleibt damit auch frei. Wenn der Unternehmer und seine Mitarbeiter „zwanglos“ auf das Unternehmensziel eingestellt sind, kann auch problemlos eine Zielstellung nach einer gewissen Zeit zurückgenommen werden, ohne dass dabei jemand das Gesicht verliert. Ohne Ziel aber auch kein Hinterfragen. Wenn ein Unternehmer sich ein Ziel aufgestellt hat, dann hat er sich in Ruhe Gedanken über die Entwicklung seines Unternehmens gemacht. Er hat versucht, mit Realismus

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WOHIN SOLL DIE REISE GEHEN? die Entwicklung zu analysieren und hat schlussendlich für sich selbst ein Ziel oder mehrere Ziele formuliert. Werden diese nicht erreicht, wird sich der Unternehmer fragen, warum sie nicht erreicht wurden. Dieses Hinterfragen wird ihn mit Sicherheit weiterbringen, er wird neue Ziele formulieren, mit seinen Mitarbeitern besprechen und vorankommen. Dieser Zusammenhang klingt einfach, aber wie viele Unternehmer setzen sich konkret Ziele, machen diese transparent (dabei muss es nicht um genaue Zahlen gehen) und korrigieren sie nach der Zeit?

3.2 Das Ziel: das stetige Vorankommen Wie können Ziele aussehen? Ziele können mannigfaltig sein: Umsatzerhöhung jedes Jahr um mindestens 10 %, Rendite in den nächsten Jahren von 10 %, Marktanteil von 10 % in zwei Jahren, ... . Die Ziele können aber auch ganz persönlicher Natur sein. Um schlüssige Aussagen zur Führung von kleinen und mittleren Unternehmen zu entwickeln, ist eine Konzentration auf ein Ziel notwendig. Es wird das Ziel Wachstum gewählt. Unter Wachstum soll ein gesundes Unternehmenswachstum verstanden werden: Umsatzwachstum bei befriedigender Rendite. Gegenstand der Betrachtungen ist die langfristige Entwicklung der Unternehmen. Ein langfristiges Umsatzwachstum ist nicht ohne ausreichende Rendite möglich. Ein Halten des Umsatzes ist dabei auch mit einer Steigerung der Rendite vorstellbar. Ein permanenter Umsatzrückgang dagegen wird sich spätestens mittelfristig auf die Rendite auswirken. Unter Wachstum wollen wir ein gesundes Wachstum verstehen, das mit einer befriedigenden Rendite und einer ordentlichen Kapitalausstattung verbunden ist.

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WOHIN SOLL DIE REISE GEHEN?

3.3 Kapitänsprofile: unterschiedliche Ziele „Sie müssen den Umsatz ankurbeln.“ Das sagt der Berater zum Unternehmer, obwohl er ihn gar nicht kennt. Der Berater weiß doch gar nicht, wohin der Unternehmer möchte! In den nächsten Jahren den Umsatz halten oder in den nächsten Jahren jedes Jahr 10 % mehr oder in den nächsten Jahren jedes Jahr 50 % mehr? Wir sehen schon, so einfach ist das nicht. Der eine Unternehmer ist ein sehr vorsichtiger Mensch. Mit Glück ist er in die Selbstständigkeit geraten, er hat sich etwas aufgebaut. Das Unternehmen halten, das reicht ihm. Er braucht nicht viel, aber er möchte seine Selbstständigkeit wahren. „Umsatz ankurbeln“, einverstanden, aber ohne größere Investitionen. Er wird die Kosten weiter senken und selber mehr arbeiten. Ein zweiter Unternehmer hat viel vor. Er ist nicht mit dem Erreichten zufrieden, er möchte in den nächsten Jahren zwischen 10 und 20 % pro Jahr zulegen. Er ist nicht größenwahnsinnig, er möchte versuchen, sein Unternehmen überschaubar zu halten. Er ist von seinen Marktchancen überzeugt und investiert viel in die Zukunft. Einen dritten Unternehmer ärgert seine derzeitige Unternehmensgröße: Er wird viel arbeiten, er möchte unbedingt ein großes Unternehmen besitzen. Es kann doch nicht so schwer sein, andere Unternehmen wachsen auch schnell: In fünf Jahren von 30 auf 500 Mitarbeiter, das muss doch möglich sein! Das Produkt und der Absatzweg sind ihm egal, Hauptsache voran. „Umsatz ankurbeln“ hat für jeden der drei Unternehmer eine andere Bedeutung. Jeder der drei, und eigentlich gilt das für alle Unternehmer, hat seine eigenen Vorstellungen davon, wohin er mit dem Unternehmen möchte. Die drei genannten Beispiele zeigen eine gute Bandbreite: ̶

Unternehmer 1: vorsichtig ̶

Unternehmer 2: optimistisch ̶

Unternehmer 3: risikobereit

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WOHIN SOLL DIE REISE GEHEN? Irgendwo dazwischen wird sich wohl jeder einordnen können. Managementratschläge, die ohne die Berücksichtigung der individuellen Zielausrichtung angeboten werden, müssen sinnlos sein: Unternehmer 1 muss sein Unternehmen doch ganz anders führen als Unternehmer 2 oder 3!

3.4 Fazit: der Kapitän und seine Törnpläne Unabhängig von den Eigenschaften der Unternehmer, unabhängig vom Erfolg der Unternehmer, können wir für die drei oben beschriebenen Zieldimensionen die idealen Unternehmensentwicklungen (Törnpläne) skizzieren. Basis dazu ist das Modell der Unternehmensphasen, das in Kapitel 2 beschrieben wurde. Der vorsichtige Unternehmer ist nach einem anfänglichen Wachstum (nach der Gründung) ab einem gewissen Punkt (z. B. Umsatzhöhe, Distribuierungsgrad, Mitarbeiteranzahl, Kapitalbindung) nicht mehr bereit, besonders zu wachsen. Grund hierfür ist seine fehlende Risikobereitschaft, das erreichte Niveau ist ihm genug. Er hält bewusst größere Investitionen zurück. Auch wenn der Markt für mehr Umsatz direkt vor ihm liegt, er wird nicht expansiv. Nicht wachsen wollen heißt nicht, keine Rendite zu erwirtschaften. Diesem Unternehmertyp geht es sehr wohl um die Rendite. Dinge, wie beispielsweise der Umsatz oder die gesellschaftliche Reputation sind ihm zweitrangig. Er möchte sein „Schäfchen im Trockenen“ haben und seine Selbstständigkeit im Kleinen bewahren.

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WOHIN SOLL DIE REISE GEHEN?

Abb. 5: Die Törnpläne eines vorsichtigen, eines optimistischen und eines risikobereiten Unternehmers

Der optimistische Unternehmer möchte aktiv sein Unternehmen vergrößern. Wohl immer „gut temperiert“, aber ohne Wachstum wäre er unzufrieden. Für den risikobereiten Unternehmer soll das Wachstum größer als das der Mitstreiter sein. Die Marktführerschaft wird angepeilt. Mit dem Ausschöpfen einer kleinen Marktnische gibt er sich nicht zufrieden, der ganze Markt ist das Ziel.

3.5 Selbsteinschätzung: unsere Ziele als Kapitän Das Erkennen der eigenen Ziele ist die erste Stufe in dem hier skizzierten Modell. Die Ziele sind das, wo wir hinwollen. Hier muss schonungslos Selbstkritik geübt werden. Die selbst gewählten Ziele entscheiden später darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen und wie die Führung ausgestaltet wird. Die Ziele liegen wie ein Grundverständnis, wie eine Philosophie über allem, was im Unternehmen bewegt wird. Deshalb ist gerade hier große Sorgfalt geboten. Der nachstehende Fragebogen soll uns bei der Selbsteinschätzung helfen.

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WOHIN SOLL DIE REISE GEHEN? FRAGEN: trifft zu A

trifft zu großen Teilen zu B

trifft teilweise zu trifft nicht zu C D

1.

Ich bin bereit, den Verlust meines gesamten Vermögens für die Investitionen für die Zukunft meines Unternehmens zu riskieren. Ich habe viel vor und bin mir bewusst, dass ich ein hohes Risiko eingehe.

2.

Ich möchte in den nächsten Jahren aktiv mein Unternehmen aufbauen, um mir privat eine solide Basis zu schaffen.

3.

Ich möchte das Vorhandene bewahren, ein Ausbau des Unternehmens interessiert mich nicht.

4.

Meine Interessen liegen nicht primär im Unternehmen. Das Unternehmen muss mir jedoch ein gewisses Niveau an Versorgung bieten.

5.

In meinem Absatzmarkt strebe ich die Marktführerschaft an.

6.

Mein Unternehmen steckt voller Ideen, die ich unbedingt in den nächsten Jahren nutzen muss.

7.

Ich könnte aufgrund unserer guten Produkte sehr viel stärker wachsen, aber ich möchte solide, gut finanziert und langsam wachsen.

8.

Mein Unternehmen soll klein und überschaubar bleiben.

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WOHIN SOLL DIE REISE GEHEN? TYPISCHE ANTWORTEN DER EINZELNEN UNTERNEHMERTYPEN: vorsichtige

optimistische

risikobereite Unternehmer

1.

D

D

A

2.

D

A

B

3.

A

D

D

4.

A

C

D

5.

D

C

A

6.

D

C

A

7.

A

B

D

8.

A

B

D

Die drei oben skizzierten Unternehmertypen zeigen eine gute Bandbreite der Persönlichkeiten. Gemäß Fragebogen werden wir irgendwo dazwischen liegen. Wie können diese Typen nun mit den Zielen in Verbindung gebracht werden: ̶

der vorsichtige Unternehmer möchte langsam wachsen, aber mit einer ihm ausreichenden Rendite und einer überdurchschnittlichen Kapitalausstattung ̶

der optimistische Unternehmer möchte stetig wachsen, sein Unternehmen soll sich entwickeln, es ist nicht schlimm, wenn mal eine Periode mit weniger Rendite und einer schwächeren Kapitaldecke auftritt ̶

der risikobereite Unternehmer stellt das Wachstum in der Vordergrund, aber mittel- bis langfristig müssen die Rendite und die Kapitaldeckung sehr gut sein, um das fortlaufende Wachstum zu finanzieren

33

4

Wo befindet sich unser Schiff zurzeit?

4.1 Navigationskunde Erinnern wir uns zurück: Das Unternehmen durchläuft im Zeitverlauf die unterschiedlichen Lebensphasen Pionier-, Wachstums-, Reife- und Wendephase. Um der Unternehmensentwicklung (Umsatz/Rendite) die Form zu geben, die wir uns als Ziel ausgesucht haben, bedarf es je nach Unternehmensphase spezifischer Maßnahmen. Egal wo wir hin möchten, wie hoch wir uns die Ziele stecken, die Lebensphase des Unternehmens bestimmt die zu ergreifenden Maßnahmen: Ein Unternehmen in der Reifephase muss anders geführt werden als ein Unternehmen in der Pionieroder in der Wachstumsphase. Nach der Eigenanalyse (Ziele) muss in einem zweiten Schritt daher erkannt werden, in welcher Phase das Unternehmen steckt. Vereinfacht formuliert, wird die Phase als Summe der einzelnen Phasen bestimmt, in denen sich die wesentlichen Komponenten des Unternehmens befinden: das heißt, durch die Analyse der einzelnen Phasen schließt man auf das Gesamtunternehmen. In welcher Lebensphase befindet sich das Unternehmen? Das Unternehmen besteht aus einer Vielzahl von kleinen Teilbereichen. Bei Betrachtung der Phase sind dabei nicht nur ökonomische Komponenten, wie z. B. der vorhandene Markterfolg, zu bewerten. Möglichst viele Bereiche sollten berücksichtigt werden, so z. B. auch politische oder ökologische Randbedingungen, innerbetriebliche Probleme, einfach alles, was Einfluss auf die Komponenten haben kann. Ein Unternehmen kann aufgrund der Wahl des richtigen Absatzmarktes und aufgrund der aktiven Bearbeitung desselben in der Wachstumsphase sein. Seit Jahren wurde jedoch kein Geld mehr in den Umweltschutz gesteckt, Gespräche mit Behörden stocken und das Unternehmen steht unmittelbar vor der Stilllegung der hoch spezialisierten Produktion, die Voraussetzung für den Markterfolg ist. Befindet sich das Unternehmen wirklich in der Wachstumsphase? Oder: Die Mitarbeiter haben ein Durchschnittsalter von 58 Jahren. Das Unternehmen befindet sich vom Markt her in der Wachstumsphase, das

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? Personal in der Restrukturierungsphase. Entscheidend ist zu erkennen, dass alle Unternehmenskomponenten gewissen Zyklusgesetzgebungen unterworfen sind. Wir gehen davon aus, dass neben dem Produktzyklus, der im wesentlichen für den Verkauf ausschlaggebend ist, und dem besprochenen Technologiezyklus, zyklische Prozesse auch für die Mitarbeiter gelten: Junge, neue Mitarbeiter müssen zunächst eingearbeitet werden (Pionierphase), später nimmt ihre Produktivität bzw. ihre Qualifikation für die Aufgaben im Unternehmen stark zu, bevor sie auf hohem Niveau kaum noch ausgebaut werden kann. Im Alter nimmt der Beitrag, den sie leisten können, dann langsam ab. Die unterschiedlichen Messeinheiten: Umsatzentwicklung, Leistungsfähigkeit der Technologie und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter wollen wir zur Vereinfachung zu einer Maßgröße zusammenfassen, die alle verbindet: Der Nutzen, der für das Unternehmen erbracht wird. Theorie (die wir nicht lesen müssen) Um die notwendige Bestimmung der Unternehmensphase vornehmen zu können, ist folgendes wichtig: 1. Komponenten Bestimmung relevanter Unternehmenskomponenten, die einen Rückschluss auf die Unternehmensphase zulassen. 2. Messkriterien Bestimmung eindeutiger Messkriterien für diese Unternehmenskomponenten. Ziel ist, zu sagen: wenn Komponente A in einem gewissen Maße ausgeprägt ist, dann ist zumindest diese spezielle Komponente in der Lebensphase x. 3. Gewichtung Festlegung einer Gewichtung der Komponenten für den Entscheid, in welcher Phase das gesamte Unternehmen steckt. Aufgrund der Möglichkeit, dass sich die verschiedenen Komponenten in unterschiedlichen Phasen befinden, müssen die Komponenten im Hinblick auf die gesamte

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? Unternehmung bewertet werden, d. h. jede Komponente geht mit einer besonderen Gewichtung in die Entscheidungsfindung ein. 4. Phasenspezifika Die einmalige Bestimmung der Komponenten kann nach Umständen für mehrere Phasen ausreichend sein, die Festlegung der speziellen Gewichtung der Komponenten und die Interpretation der Situation (Messkriterien) müssen dagegen für jede neue Phase neu vollzogen werden. Die Lebensphasen durchdringen das gesamte Unternehmen so stark, dass in den jeweiligen Phasen ganz unterschiedliche Komponenten wichtig sein können und dass die Interpretation der Messergebnisse ganz unterschiedlich ausfällt. 5. Zeitraumbetrachtung Die ersten vier Punkte reichen aus, uns zu sagen, in welcher Phase wir uns befinden, d. h. den Zeitpunkt. Wir richten unser Management auf diese Phase aus. Wie erkennen wir, dass uns eine neue Phase erreicht hat? Wir müssen entweder immer den jetzigen Zeitpunkt ermitteln, und für die ersten drei Punkte, wie oben beschrieben, das Ende der Phase, in der wir uns befinden, skizzieren oder eben heute den Anfang der folgenden Phase beschreiben. Für alle Phasen bis auf die Restrukturierungsphase, bei der wir nicht wissen, in welche Richtung das Unternehmen steuern wird, ist bekannt, welche Phase folgt. Es ist also möglich, die Messkriterien und die Gewichtung für den Anfang der nächsten Periode festzulegen. Folglich müssen wir immer den Zeitraum bis zur nächsten Phase betrachten. 6. Frühwarnung Wichtig ist es zu wissen, wann wir kurz vor einer neuen Phase stehen. Je früher und je genauer wir wissen, wann eine neue Phase auf uns zukommt, desto besser können wir das Management darauf einstellen. Eine regelmäßige Kontrolle der im Vorfeld beschriebenen Komponenten wäre hier ein sicherer Weg. Soviel Arbeit wäre aber in kleinen oder mittleren Betrieben nicht realistisch. Dabei ist zu bedenken, dass eine Phase sechs Monate aber auch zehn Jahren dauern kann. Statt ständiger Beobachtung zahlreicher Komponenten, sind hier eine phasenspezifische Festlegung

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? einzelner „Frühwarnindikatoren“ und deren regelmäßige Kontrolle ausreichend. Wissen wir, wie das Unternehmen am Ende einer Phase bzw. am Anfang der nächsten Phase aussieht, werden wir auch einige kritische Größen kennen und diese zu den Frühwarnindikatoren erklären. 7. Kritische Entwicklungen Beschäftigen sich die oben beschriebenen sechs Punkte ausschließlich mit der Bestimmung der Lebensphase eines Unternehmens, so sollten wir die „phasenbezogene“ Sichtweise weiter nutzen, um damit kritische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Die wichtigen Komponenten des Unternehmens betrachten wir doch sowieso. Die Entwicklung einzelner Komponenten kann das ganze Unternehmen unabhängig von der Lebensphase in kritische Situationen führen, wie die oben skizzierten Beispiele mit der fehlenden Umwelteinbeziehung in der Produktion und die Altersstruktur der Mitarbeiter verdeutlichen. Unabhängig von der oben beschriebenen Gesamtbetrachtung des Unternehmens (Punkte 1-6) müssen kritische Komponenten bzw. deren kritische Entwicklungsstadien formuliert werden. Diese müssen ständig beobachtet werden, damit gefährliche Situationen möglichst frühzeitig erkannt werden können. Diese „kritischen“ Komponenten sind nicht zu verwechseln mit den Frühwarnindikatoren, jene sollen rechtzeitig anzeigen, wann das ganze Unternehmen vor einer neuen Phase steht. Ein Phasensprung kann dabei vorteilhaft sein, z. B. von der Pionier- zur Wachstumsphase. Die „Endphase“ (Restrukturierungsphase) einer kritischen Komponente kann jedoch, auch wenn sie nur ganz wenig mit der gesamten Entwicklung des Unternehmens zu tun hat, das Unternehmen an sich gefährden und es sogar in den Niedergang bringen.

4.2 Der Schiffskompass Wir sehen schon, wie komplex die Theorie sein kann. Eine Umsetzung der oben beschriebenen Aspekte in die Praxis ist für KMU kaum möglich. Wir wollen nachfolgend versuchen, ein reduziertes Gerüst zu entwickeln, das uns, anhand von nur fünf für die Unternehmensentwicklung wesentlichen Komponenten, einen Einblick in die Methodik der Analyse der Lebensphasen zeigt. Dieses Gerüst wird unser Kompass sein.

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? Jedes Unternehmen hat seine eigene spezifische Situation, eine ganz individuelle Unternehmensphilosophie, Organisation, Marktstellung usw. Es kann daher nur um einen „Einblick in die Methodik“ gehen. Jeder Unternehmer muss selbst für sich ein Gerüst aufbauen und/oder mit seinen Mitarbeitern oder externen Beratern entwickeln. Gehen wir davon aus, dass wir ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern haben, das Kinderspielzeug herstellt und über einen eigenen Außendienst an den Einzelhandel verkauft. Welches können die wesentlichen Komponenten für unser Geschäft sein? Wir greifen die Komponenten auf, anhand derer wir oben schon die einzelnen Phasen des Unternehmenszyklus erklärt haben: Marktstellung, Mitarbeiter, Technologie, Finanzen, Unternehmer. Diese Komponenten erachten wir als wichtig für die Entwicklung des Unternehmens. Im Nachfolgenden stellen wir bezüglich jeder Komponente Fragen, die herausfinden sollen, in welcher Phase sich die jeweilige Komponente befindet. Marktstellung Wie haben sich in den letzten Jahren der Umsatz und die Kundenanzahl entwickelt? Wie stark ist unser Konkurrenzvorteil, wie stark haben wir unseren Vertriebskanal erschlossen und sind neue Vertriebswege angegangen? Konnten wir in den letzten zwei Jahren Preiserhöhungen durchsetzen? Gibt es rechtliche, ökologische und andere Aspekte, die unseren Verkauf bereits im nächsten Jahr deutlich gefährden, z. B. ein neues Gesetz, das den Verkauf unseres erfolgreichsten Spielzeuges behindert? Mitarbeiter Wie hat sich die Anzahl der Mitarbeiter im Verhältnis zum Umsatz entwickelt? Wie ist die Qualifikation der Mitarbeiter: hat sie in der Vergangenheit ausgereicht, bzw. konnte sie in den letzten Jahren den gestiegenen Anforderungen genügen? Sind die meisten Mitarbeiter in der Produktion, im Verkauf oder in der Verwaltung tätig? Wie ist die Altersstruktur? Wie ist unser Arbeitsklima: passt es zur formulierten Unternehmensstrategie von morgen oder ist das Klima ausschließlich von der Persönlichkeit des Unternehmers geprägt? Wie viele kreative Vorschläge sind von den Mitarbeitern gekommen? Wie viele Bewerbungen bekommen

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? wir? Wie sind die Fehlzeiten? Werden viele Überstunden gemacht? Wie eng und persönlich ist die Zusammenarbeit mit dem Unternehmer? Technologie Wie modern sind unsere Produktionsanlagen, wie gut ist unsere Fertigungsqualität, wie viele technische Innovationen (Maschinen, Arbeitsabläufe, Produkte) sind in den letzten Jahren im Vergleich zu vorher realisiert worden? Werden alle Gesetzesauflagen erfüllt? Gibt es einen Sicherheitsbeauftragten, der sich ausschließlich mit den gesetzlichen Auflagen beschäftigt? Sind alle Arbeitsabläufe geprüft und dokumentiert? Kann unsere Qualitätskontrolle als führend in der Branche verstanden werden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Umweltschutzauflagen gibt, die unsere Produktionsmöglichkeiten erheblich einschränken? Finanzen Sind unsere Investitionen in den letzten zwei Jahren deutlich stärker gestiegen als der Umsatz? Haben wir in den letzten zwei Jahren nur Ersatzinvestitionen getätigt? Ist unser Gewinn in den letzten zwei Jahren schwächer gestiegen als der Umsatz? Ist er stärker gestiegen? Haben wir trotz steigenden Umsatzes weiterhin Verlust gemacht? Hat sich das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert? Der Unternehmer Sind wir jeden Morgen bei Produktionsbeginn im Haus? Steuern wir die Qualitätskontrolle selbst? Arbeiten wir regelmäßig in der Produktion mit? Kennen wir jeden Mitarbeiter? Haben wir jeden Mitarbeiter bis jetzt eingestellt? Entwickeln wir selbst regelmäßig Produkte? Haben wir mehrere leitende Mitarbeiter? Kennen wir jeden Lieferanten? Kennen wir alle wichtigen Kunden und betreuen sie zum größten Teil selbst? Wie gesund sind wir? Fragebogen Je nach der Phase, in der sich das Unternehmen befindet, können typische Antworten auf die Fragen gegeben werden. Diese Antworten finden wir in

40

WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? dem folgenden Fragebogen. Nutzen wir diesen Fragebogen für eine Einschätzung der Phase, in der sich unser Unternehmen befindet. Mit K sind Fragen gekennzeichnet, die auf für das Gesamtunternehmen „kritische Entwicklungen“ hinweisen sollen. Bei diesen Fragen sollte zusätzlich beschrieben werden, wie die zukünftige Entwicklung zu betrachten ist.

DER FRAGEBOGEN Bewertung trifft zu A

trifft zu großen Teilen zu B

trifft teilweise zu C

trifft nicht zu D

Unternehmensphasen 1. Pionier

2. Wachstum

3. Reife

4. Wende

Komponente

Typische Ausprägung pro Phase

Pionier/Wachstum/ Reife/Wende

Unsere Marktstellung:

Der Umsatz und die Kundenanzahl sind in den letzten Jahren stark gestiegen.

BADD

Unser Konkurrenzvorteil ist sehr stark.

ABCD

Unseren Vertriebskanal haben wir bereits stark erschlossen.

DDBA

Neue Vertriebswege, die ausbaufähig sind, werden angegangen.

DACD

K Für die nächsten zwei Jahren gibt es in rechtlicher, ökologischer und anderer Sicht erhebliche Einschränkungen für unseren Verkauf.

DDBA

Zusammenfassung: Bezüglich der Marktstellung befinden wir uns überwiegend in der Phase: Beziehungsweise zwischen den Phasen: Aber: Kritische Entwicklung:

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? Unsere Mitarbeiter:

K Die Qualifikation der Mitarbeiter konnte in den letzten Jahren den gestiegenen Anforderungen genügen.

DDAB

Die meisten Mitarbeiter sind in der Produktion tätig.

ABCD

Die meisten Mitarbeiter sind in der Verwaltung tätig.

DDBA

K Das durchschnittliche Alter liegt über dem Branchenschnitt.

DDBA

Unser Arbeitsklima passt zur formulierten Unternehmens- ABCD strategie von morgen. Das Klima ist ausschließlich von der Persönlichkeit des Unternehmers geprägt.

ABDD

Viele kreative Vorschläge kommen von den Mitarbeitern.

ABCD

Wir bekommen viele Bewerbungen.

DBBC

Unsere Fehlzeiten liegen unter dem Branchendurchschnitt.

ABDD

Es werden viele Überstunden gemacht.

AADD

Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmer ist eng und persönlich?

ABDD

Zusammenfassung: Bezüglich der Mitarbeiter befinden wir uns überwiegend in der Phase: Beziehungsweise zwischen den Phasen: Aber: Kritische Entwicklung: Unsere Fertigungsqualität liegt über dem BranchendurchTechnologie: schnitt.

DCAB

Es sind viele technische Innovationen (Maschinen, Arbeitsabläufe, Produkte) in den letzten Jahren im Vergleich zu vorher realisiert worden.

ABCD

Es werden alle Gesetzesauflagen erfüllt.

DCBA

Es gibt einen Sicherheitsbeauftragten, der sich ausschließ- DCAB lich mit den gesetzlichen Auflagen beschäftigt. Es sind alle Arbeitsabläufe geprüft und dokumentiert.

DCBA

Unsere Qualitätskontrolle kann als führend in der Branche verstanden werden.

DDAB

K Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in naher Zukunft Umweltschutzauflagen kommen, die unsere Produktionsmöglichkeiten erheblich einschränken.

DDBA

Zusammenfassung: Bezüglich der Technologie befinden wir uns überwiegend in der Phase: Beziehungsweise zwischen den Phasen: Aber: Kritische Entwicklung:

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? Finanzen:

Unsere Investitionen sind in den letzten zwei Jahren deutlich stärker gestiegen als der Umsatz.

ADBB

Wir haben in den letzten zwei Jahren nur Ersatzinvestitionen getätigt.

DDBB

K Unser Gewinn ist in den letzten zwei Jahren schwächer gestiegen als der Umsatz.

ACDA

K Trotz steigenden Umsatzes haben wir weiterhin Verlust ADDD gemacht. Das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital hat sich in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert. Zusammenfassung: Bezüglich der Finanzen befinden wir uns überwiegend in der Phase: Beziehungsweise zwischen den Phasen: Aber: Kritische Entwicklung Der Unternehmer: Wir sind jeden Morgen bei Produktionsbeginn im Haus.

DCAC

ACBC

Wir steuern selbst die Qualitätskontrolle.

ACDD

Wir arbeiten regelmäßig in der Produktion mit.

ACDC

Wir kennen jeden Mitarbeiter.

ABCC

Wir haben jeden Mitarbeiter bis jetzt eingestellt.

ABCC

Wir entwickeln selbst regelmäßig Produkte.

ACDD

Wir haben mehrere leitende Mitarbeiter.

DCBB

Wir kennen jeden Lieferanten.

ABCD

Wir kennen alle wichtigen Kunden und betreuen sie zum größten Teil selbst.

ABCD

K Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich unser Gesundheitszustand erheblich negativ auf unsere Arbeitsleistung auswirkt.

DDBA

Zusammenfassung: Bezüglich des Unternehmers befinden wir uns überwiegend in der Phase: Beziehungsweise zwischen den Phasen: Aber: Kritische Entwicklung

Die Fragen und vor allem die „typischen“ Antworten sind eben typisch. Wie schon mehrfach angesprochen, hat jedes Unternehmen seine Eigenarten, sein spezielles Wettbewerbsumfeld, seine eigene gewachsene Struktur. Und so kann es kommen, dass widersprüchliche Ergebnisse auftreten. Viele dieser Widersprüche sind auf die Entwicklung der Unternehmensgröße zurückzuführen. Dazu ein Beispiel:

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT? Wenn ein produzierendes Unternehmen z. B. zehn Mitarbeiter hat, wird der Unternehmer wahrscheinlich regelmäßig in der Produktion mitarbeiten, die Qualitätskontrolle selber steuern, er hat alle Mitarbeiter selbst eingestellt und hat mit allen ein enges Verhältnis. Darüber hinaus kennt er alle wichtigen Kunden und betreut sie größtenteils selbst. Die „Komponente Unternehmer“ befindet sich demnach in der Pionierphase. Unser Beispielunternehmen, das bereits seit 20 Jahren besteht, hat sich jedoch auf die Produktion eines einzigen Produktes spezialisiert, der Markt ist vollkommen erschlossen. Bezüglich des Marktes befindet sich das Unternehmen in der Reifephase. Was entscheidet hauptsächlich über die Phase? Schlussendlich wird Erfolg, Entwicklung und Wachstum, nur durch den Verkauf der Produkte bzw. durch die Attraktivität des Unternehmens am Markt realisiert. Hauptaugenmerk gilt daher der Komponente Marktstellung. Die Marktstellung wird später die Zielgröße sein, an der alle anderen Komponenten ausgerichtet werden. Zu deren Ausrichtung müssen wir aber wiederum wissen, in welcher Phase sich die einzelnen Komponenten befinden. Die Analyse wird später daher nochmals gebraucht. Was sagen uns die kritischen Entwicklungen? Unabhängig davon, in welcher Phase sich unser Unternehmen als Ganzes befindet, die kritischen Entwicklungen müssen thematisiert werden. Hier haben wir in der Regel nur wenig Zeit, um zu reagieren. Den kritischen Entwicklungen muss schnell entgegen gewirkt werden. Abhängig von unseren Zielen muss ein Plan aufgestellt werden, ob und wie die kritischen Entwicklungen in Prozesse umgewandelt werden können, die unsere Hauptentwicklung fördern und nicht mehr gefährden.

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WO BEFINDET SICH UNSER SCHIFF ZURZEIT?

4.3 Selbsteinschätzung: unser derzeitiges Revier In die Matrix können wir nun unsere Ergebnisse der einzelnen Komponenten eintragen: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse Komponente:

Pionier

Wachstum

Reife

Wende

Phase: Marktstellung Mitarbeiter Technologie Finanzen Unternehmer

Der Zustand der „Komponente Marktstellung“ sollte am stärksten bei der Gewichtung der Ergebnisse berücksichtigt werden. Wir können nun entscheiden, in welcher Phase oder zwischen welchen Phasen sich unser Unternehmen befindet. Fazit Bezüglich der Marktstellung befindet sich unser Unternehmen in der Phase:

Bezüglich der anderen Komponenten befindet es sich mehrheitlich in der Phase:

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Egal wo wir segeln, das sollten wir können und wissen

Unabhängig davon, ob wir schnell oder langsam wachsen wollen und ob sich unser Unternehmen in einer anfänglichen Wachstumsphase oder seit langem in einer Reifephase befindet, wir als Unternehmer müssen über ganz besondere Fähigkeiten bzw. Eigenschaften und über ein spezielles Wissen verfügen, um überhaupt das Unternehmen am Leben zu erhalten.

5.1 Notwendige Eigenschaften für das Segeln Aufgrund der prägenden Rolle des Inhabers von KMU ist für den Erfolg in der Regel entscheidend, ob der Unternehmer über besondere persönliche Eigenschaften verfügt. Viel ist darüber diskutiert worden, welche Eigenschaften einen erfolgreichen Unternehmer ausmachen, ein einheitliches „Persönlichkeitsprofil“ gibt es jedoch bis heute nicht. Wir können und wollen deswegen nachstehend nicht die „Erfolgseigenschaften“ präsentieren, die unabhängig vom Unternehmen und der Branche und anderen Kriterien Allgemeingültigkeit besitzen. Wir wollen jedoch gewisse persönlichkeitsbezogene Voraussetzungen skizzieren, die nach unserer Meinung erst ein „unternehmerisches Verhalten“ möglich machen: 1.

Unzufriedenheit mit der gegebenen Situation

2.

Volle Überzeugung von der eigenen Idee

3.

Offenheit/Sensibilität für Neues

4.

Kreativität und Pragmatismus

5.

Konzeptionelles und rationales Denken

6.

Hohe physische und psychische Belastbarkeit

Zu 1.: Die Unzufriedenheit mit der gegebenen Situation macht unsere Aktivität erst möglich. Unter der gegebenen Situation verstehen wir die persönlichen Umstände, die persönliche Sichtweise des Umfeldes, privat und geschäftlich. Unternehmensgründungen entstehen oftmals aus einer unzufriedenen Lage, so war z. B. der Arbeitsplatz nicht ansprechend genug

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EGAL WO WIR SEGELN, DAS SOLLTEN WIR KÖNNEN UND WISSEN oder der Verdienst zu gering. Geben wir uns auch bei wachsenden Umsätzen nicht zufrieden, so werden wir weiter aktiv sein: neue Produkte werden entwickelt, Investitionen getätigt. Sind wir hingegen zufrieden mit dem was um uns herum geschieht, so werden wir nicht überdurchschnittlich aktiv, wir werden passiv, andere überholen uns. Zu 2.: Der, der stark an sich selbst glaubt, hinterfragt nicht ständig seine Ideen, sondern setzt sie in Taten um. Selbstvertrauen ist eine der wesentlichen Eigenschaften, über die Unternehmer verfügen müssen. Unternehmer, die nicht oder nur wenig an sich glauben, werden zu spät neue Produkte auf dem Markt präsentieren, werden Mitarbeiter nicht zu überdurchschnittlichen Leistungen anspornen und werden nur im notwendigen Rahmen investieren. Selbstzweifelnd wird nicht in die Zukunft geschaut, sondern nur versucht, das alte zu bewahren. Zusammen mit einer vorhandenen Unzufriedenheit mit dem Erreichten sind selbstbewusste Unternehmer hoch aktiv. In ihren Unternehmen herrscht das „Primat des Handelns“ (erst schießen, dann zielen), sie sind beseelt von einem starken Willen, sie „unternehmen“. Zu 3.: Die „Offenheit und Sensibilität für Neues“ verleiht dem Unternehmer zusätzliche „Gänge im Getriebe des Unternehmens“. Er selbst wäre nicht weiter gekommen. Der Unternehmer schaut aufmerksam auf andere Märkte, er ist sensibel für zukünftige Chancen, hört erfahrenen Beratern zu und tauscht sich aktiv mit Mitarbeitern, anderen Unternehmern oder Freunden aus. Aktiv nimmt er Ratschläge auf. Mitarbeiter, die sich entfalten können, haben oft gute Vorschläge. Unternehmer, die diese sensibel, mit dem richtigen Gespür aufnehmen, bringen ihr Unternehmen nach vorn und, was vielleicht noch wichtiger ist: sie motivieren ihre Mitarbeiter. Ein Beispiel für die Offenheit für ganz unkonventionelle Ideen: Ein industrieller Unternehmer mit 70 Mitarbeitern sitzt mit seinem Wirtschaftsprüfer zur Bilanzbesprechung zusammen. Die Zahlen sind wiederum gut. Der konservative, vorsichtige Unternehmer stöhnt darüber, dass ihm eigentlich nur Eigenkapital fehle, ansonsten könnte er sich aufgrund seiner guten Produkte viel stärker entwickeln. Der Prüfer fragt, ob er nicht schon mal über die Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft nachgedacht hätte. Aktiengesellschaft für sein kleines Unternehmen? Nein, das wäre nichts für ihn. Das Gespräch ging weiter, im nächsten Jahr wurde

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EGAL WO WIR SEGELN, DAS SOLLTEN WIR KÖNNEN UND WISSEN die Aktiengesellschaft gegründet. Der Kapitalzufluss ermöglichte erhebliche Investitionen. Der Umsatz wurde innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Zu 4.: Kreativität und Pragmatismus sind zwei sehr wichtige Eigenschaften von kleinen und mittelgroßen Unternehmern. Sie müssen kreativ sein, um die vielen kleinen, unvorhersehbaren, innerbetrieblichen Probleme lösen zu können, und auch um interessante Angebote zu schaffen. Diese Kreativität bringt in kleinen und mittleren Unternehmen erst etwas, wenn sie mit Pragmatismus verbunden ist. Es muss schnell und oft unkonventionell agiert werden. Pläne und Besprechungen haben dann keinen Platz. Zu 5.: Konzeptionelles und rationales Denken müssen Gegenstand jeglicher unternehmerischer Tätigkeit sein. Bei allem Selbstbewusstsein, aller Kreativität und allem Pragmatismus, der Unternehmer muss sein Verhalten „wohldosiert“ steuern. Dazu gehört auch, dass er sich seiner Stärken bewusst wird, ständig eine zukunftsträchtige Strategie für sein Unternehmen hat und sich konsequent im Wettbewerbsumfeld differenziert. Zu 6.: Eine hohe physische und psychische Belastbarkeit muss als persönlichkeitsbezogene Voraussetzung für die unternehmerische Tätigkeit vorausgesetzt werden. Es könnten natürlich noch mehr Eigenschaften aufgezählt werden, die notwendig sind, ein Unternehmen überhaupt verantwortungsvoll und zukunftsträchtig zu führen. Diese kurze „Einführung“ soll jedoch für die Fokussierung auf die Notwendigkeit spezieller Eigenschaften reichen. Weitere Eigenschaften werden später noch ausführlich diskutiert.

5.2 Notwendiges Wissen für das Segeln Ein gewisses Maß an Know-how bezüglich Unternehmensführung müssen wir für ein erfolgreiches Verhalten voraussetzen. Angefangen von der Zielsetzung, über die Formulierung von Strategien bis hin zur Ausgestaltung und eigenen Durchführung von Bewertungssystemen, z. B. Erfolgsrechnungen oder Kalkulationen. Das Spektrum ist sehr breit. Im nachfolgenden sind konkrete Wissensaspekte aufgegliedert, die wir als Grundvoraussetzung für eine unternehmerische Tätigkeit verstehen wollen. Wir können z. B. erst dann ein marktfähiges Produkt verkaufen, wenn wir

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EGAL WO WIR SEGELN, DAS SOLLTEN WIR KÖNNEN UND WISSEN wissen, wer unsere Mitbewerber sind und welche Argumente sie haben. Wir können erst dann Produkte kalkulieren, wenn wir eine Übersicht über sämtliche anfallende Kosten haben. Folgende Bereiche wollen wir erwähnen: Markt/Nachfrage ̶

Angebote der unterschiedlichen Mitbewerber ̶

Verhalten meiner Zielkunden/-konsumenten ̶

Entwicklung meines Marktes ̶

warum werden meine Produkte gekauft ̶

warum sollten meine Produkte gekauft werden

Markt/Einkauf ̶

Angebote der unterschiedlichen Lieferanten ̶

Entwicklung des Marktes

Allgemeine Verwaltung ̶

vollständige Transparenz in der Aufbau- und in ̶

der Ablauforganisation ̶

wo fallen welche Kosten an ̶

was muss wo investiert werden ̶

kurzfristige bis langfristige Finanzentwicklung ̶

Entwicklung des Personals

Auch diese Liste lässt sich weiter ausführen, einzelne Elemente des Managements werden jedoch später ausführlich präsentiert. Die soeben beschriebenen Wissensaspekte sind absolut notwendig, um ein Unternehmen zu führen. Dabei ist es natürlich wichtig, dass dieses Wissen immer auf dem aktuellen Stand gehalten wird. Wenn wir das nicht beherzigen, werden wir, unabhängig von unseren Zielen und der Lebensphase des Unternehmens, scheitern. Dieses Wissen allein schafft keinen Erfolg, es ist aber die Voraussetzung dafür.

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6

Hamburg – Helgoland: so segelt der vorsichtige Kapitän am besten

6.1 Der vorsichtige Kapitän und sein Ziel Zunächst müssen wir uns als vorsichtiger Kapitän klar darüber werden, dass wir ein vorsichtiger Kapitän sind. Dazu haben wir in Kapitel 3 bereits eine kleine Analyse versucht. In Kapitel 3 wurde auch die gewollte Unternehmensentwicklung von einem vorsichtigen Unternehmer gezeigt. Die einzelnen Teilstücke des normalen Verlaufes haben ihre eigenen Phasenspezifika. Jeder Zeitabschnitt verlangt für das erfolgreiche „Durchschreiten“ vom Unternehmen besondere Anforderungen. Unser „Zielwachstum“ entspricht einem gewissen Vorankommen pro Zeiteinheit. Diese Art, dieses Ausmaß der Entwicklung entspricht einer ganz speziellen Phase der „normalen“ Entwicklung. Als vorsichtige Unternehmer möchten wir schnell in die Reifephase. Die ideale Entwicklung für den vorsichtigen Unternehmer erfolgt durch ein Halten der relativen Rendite. Das Unternehmen durchläuft sehr schnell die Pionier- und die Wachstumsphase, die eben nicht ausschöpft werden, und gelangt so in die Reifephase. Hier möchten wir lange verweilen, um die gewünschte Rendite zu erwirtschaften. Wir werden deswegen zeigen, wie wir unser Unternehmen auf einen langen Aufenthalt in der Reifephase (Zielrevier) einstellen können.

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN

6.2 Segeln im Zielrevier Anhand der schon besprochenen Unternehmenskomponenten: ̶

Marktstellung/Angebot ̶

Mitarbeiter ̶

Technologie ̶

Unternehmer (wird separat im nächsten Kapitel dargestellt)

wird beschrieben, wie wir als vorsichtiger Unternehmer möglichst lang in unserem Zielrevier verbleiben können. Marktstellung/Angebot Als vorsichtiger Unternehmer wollen wir möglichst lange in einer Reifephase verweilen. Erinnern wir uns zurück: Reifephasen sind dadurch gekennzeichnet, dass immer mehr Mitbewerber auf den Markt kommen, die Preise fallen, unser bestehender Konkurrenzvorteil stark abnimmt usw. Wie können wir länger gesund in einer solchen Phase bleiben? Marktselektion: Wir brauchen einen kleinen Markt Mit dem Grundverständnis, dass wir nicht ein großes Unternehmen aufbauen wollen, können wir uns problemlos einen kleinen Markt aussuchen, klein von den Abnehmern her. Dieses kann z. B. der Markt für Luxusartikel sein. Oder es kann ein Massenmarkt sein, in dem wir uns bezüglich der Distribution eine Nische aussuchen, z. B. mit einer auf Naturprodukten aufgebauten Kosmetikserie, die es exklusiv nur bei Kosmetikerinnen gibt. Je kleiner unsere Nische ist, desto uninteressanter ist sie in der Regel für Großunternehmen. Egal wie stark wir uns dort ausbreiten, große Mitbewerber müssen wir nicht fürchten. Wie können wir uns vor kleinen Mitstreitern schützen? 1. Produkt: Je komplexer desto besser: Wenn wir ein solch einfaches Produkt wie Brötchen oder den Verkauf von Flugtickets haben, können kleine Mitbewerber schnell mit auf den Markt kommen. Wir brauchen eine gute Idee oder besser ein komplexes Produkt, das in der Regel nur von

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN hoch spezialisierten Unternehmen hergestellt werden kann, z. B. Spezialitäten im Pflanzenschutz- oder Arzneimittelsektor. 2. Marke: Je professioneller desto besser: Je professioneller wir aus unserem Produkt bzw. aus unseren Produkten eine Marke entstehen lassen, desto mehr sind wir vor kleinen Mitstreitern geschützt. Die Mitbewerber können nicht so schnell eine Marke aufbauen. Sie können vielleicht unsere einfachen Produkte nachstellen, jedoch nicht eine Marke entwickeln. Je professioneller der Markenaufbau, desto besser: Gelingt uns der Aufbau einer starken Marke, dann können wir nicht nur relativ hohe Preise erzielen, sondern wir können unser Sortiment unter dem Dach der Marke auch mit relativ einfachen Produkten ausbauen, was uns einfaches Wachstum beschert. Steht nicht das Produkt (das ursprüngliche Produkt war sicherlich auch der Ursprung der Marke), sondern mehr die Marke im Vordergrund, dann ist es sinnvoll, den wenigen Kunden immer mehr Produkte zu verkaufen, als aufwendig neuen Kunden das Konzept zu erklären. Dazu kommt eine höhere Kundenbindung an das eigene Haus. Je kleiner der Markt ist, desto weniger kostet es auch, eine Marke aufzubauen. Es gibt Marken, die kommen fast ausschließlich ohne Werbung aus. Und ein ganz wesentlicher Vorteil: Wir wollen möglichst lange in einem Markt bleiben. Wir wollen und können doch gar nicht alle paar Jahre einen neuen Markt erschließen, vielleicht dann auch noch mit neuen Produkten. Das bedeutet, das Beste wäre, wir verkaufen unsere Produkte möglichst lange auf dem vorhandenen Markt. Hier rettet uns förmlich nur eine Marke! Wie aktiv sollte die Marktbearbeitung sein? Je nachdem wie stark wir wachsen wollen. Erreichen wir relativ schnell das Niveau, das uns „eigentlich“ reicht, muss die Marktbearbeitung nicht so aktiv verlaufen. Lieber gezielte Ansprachen bei wenigen Kunden als die aufwendige und teure Streuung an viele, die wir aufgrund unserer geringen Ressourcen sowieso nicht alle entsprechend bedienen können. Ist der ausgesuchte Markt wenig umkämpft, ist es sogar ratsam, langsam vorzugehen: Wir halten uns in diesem Fall noch für die nächste Zeit den Markt offen.

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN Wie innovativ sollten wir sein? Innovativ sein ist immer gut, aber unser kleiner Markt braucht gar nicht immer Innovationen! Der Zauber eines richtig ausgesuchten, kleinen Marktes liegt darin, dass er andere Spielregeln hat: Er ist nicht so umkämpft. Warum sollten wir Kraft in Innovationen stecken? Unsere Innovationen müssen dann greifen, wenn wir sie brauchen, nämlich dann, wenn doch ein ernst zu nehmender Mitbewerber kommt und aufbauend auf unserem vorhandenen Produktsortiment Alternativen anbietet. Die Suche nach Innovationen muss daher eines unserer Steckenpferde werden. Die Innovationen sollten wir aber erst dann auf den Markt bringen, wenn wir es müssen. Aufbau neuer Märkte Der konsequente Aufbau mehrerer neuer Märkte steht für den vorsichtigen Unternehmer hinten an, da einerseits sein Stammmarkt ihm genug Potenzial bietet und andererseits ein Neuaufbau mit zu vielen Risiken verbunden ist. Um möglichst die aufgebaute Kompetenz im Markenbereich zu nutzen, ist zu überlegen, ob das gleiche Konzept mit anderem Namen auf neue Märkte (andere Kundengruppen) oder unter vorhandenem Namen auf nahe Auslandsmärkte gebracht werden kann. Gefahr: Ein-Produkt- oder Ein-Markt-Aktivitäten Als vorsichtiger Unternehmer kann es uns mit den skizzierten Aktivitäten gelingen, langfristig erfolgreich zu sein. Die größte Gefahr besteht allerdings darin, dass wir uns aufgrund unseres Erfolges auf ein Produkt oder auf einen kleinen Markt beschränken. Es muss daher für uns gelten, dass wir, auch wenn es mit Risiko verbunden ist, weitere Produkte entwickeln oder weitere Märkte öffnen. Mitarbeiter/Motivation Schwerpunkt der Arbeitsleistung Bevor wir uns fragen, welche Qualifikationen unsere Mitarbeiter haben sollten und wie wir sie finden, müssen wir uns zuerst fragen, welchen Schwerpunkt wir in unserer Arbeitsleistung setzen. Wir haben oben bereits festgestellt, dass unser Schwerpunkt nicht in der aktiven Marktbearbeitung

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN bzw. dem effektiven Verkauf liegt. Bei der Besprechung haben wir aber die Wichtigkeit des Markenaufbaus bzw. der Kundenbindung an unser Haus erkannt. Wie kann nun eine Kundenbindung langfristig gehalten werden: 1. Qualität der Produkte Unsere Kunden bzw. deren Abnehmer müssen, um von der Marke überzeugt zu sein, eine überdurchschnittliche und gleichbleibende Qualität erhalten. Je nachdem wie viel wir von unserem Sortiment selbst produzieren, kann ein Schwerpunkt der Arbeitsleistung in der Produktion liegen. Falls wir nicht so viel selbst produzieren, muss eine einwandfreie Qualitätssicherung aufgebaut werden. 2. Kundenservice Jeder Kunde muss entsprechende Informationen über unsere Produkte erhalten, jede Bestellung muss schnell und unbürokratisch ausgeliefert werden, jeder Anruf muss sofort zur vollständigen Zufriedenheit des Kunden beantwortet werden usw. Hierzu bedarf es neben einer funktionierenden Logistik vor allem eines Verkaufsinnendienstes bzw. des Aufbaus von kundenorientierten Strukturen in der gesamten Verwaltung. Ist die Qualität der Produkte mit wenigen Mitteln sicherzustellen, so sollte der Schwerpunkt der Arbeitsleistung in der Verwaltung liegen. Qualifikation der Mitarbeiter Hier wollen wir auf vier Bereiche aufmerksam machen: 1. Produktion: Das Erfordernis einer einwandfreien Qualität hatten wir bereits deutlich gemacht. Der vorsichtige Unternehmer kann dabei in der Produktion sehr gut planen: Er wird langfristig die gleichen Produkte herstellen und der Umsatz wird nur langsam steigen. Das bedeutet, dass er ein Optimum von Maschinenausstattung, Personal, und damit Qualifikation und Output realisieren kann. In diesem Bereich kann er auf Funktionsspezialisten zurückgreifen. 2. Forschung/Entwicklung: Wir hatten oben auf die latente Notwendigkeit von Innovationen hingewiesen. Falls nicht ein Spezialist aus der Produktion ständig im „kleinen Rahmen“ an Innovationen arbeiten kann, ist hier die Zusammenarbeit mit Externen, wie Universitäten, privaten Laboren oder allgemein Beratungsunternehmen anzustreben. In der Forschung und

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN Entwicklung besteht in der Regel eine Qualifikationslücke, die aber eben in Zusammenarbeit mit Externen geschlossen werden kann. 3. Verwaltung: Da wir als vorsichtiger Unternehmer relativ klein bleiben möchten, brauchen wir nicht unbedingt eine Organisation mit Funktionsbereichen aufzubauen. Wir können das verwirklichen, was der Markt fordert: eine nach Kunden orientierte Struktur der Verwaltung. Hier werden also vor allem „Allround-Kräfte“ benötigt, wobei eine gewisse Kommunikationsfähigkeit vorausgesetzt werden muss. 4. Führung: Falls das kleine Unternehmen eine weitere Führungskraft braucht, dann sollte dies ein Allrounder, bzw. abhängig von unseren unternehmerischen Fähigkeiten, eine „komplementäre“ Kraft sein. Persönlicher Kontakt Wenn das Unternehmen klein bleibt und die Mitarbeiter nicht durch hochinnovative Ideen oder durch besondere Entfaltungsmöglichkeiten motiviert werden, müssen wir selbst die Motivation dar- bzw. sicherstellen. Der persönliche Kontakt zu den Mitarbeitern sollte deswegen eng sein. Die Schwierigkeit der Motivation/das Motto Wir können als vorsichtiger Unternehmer nicht wie ein Wachstumsunternehmer große Visionen aufzeigen oder wie ein großes Reifeunternehmen hohe Gehälter zahlen. Trotzdem brauchen wir ehrgeizige und leistungsbereite Mitarbeiter. Wir können unseren Mitarbeiter kaum besondere kaufmännische Erfolge bieten, um die es ihnen auch ohnehin nicht geht. Worum geht es uns? Unsere Ziele können vielschichtig sein: Wir können z. B. nur wenig wachsen wollen, weil wir nicht einseitig an materiellen Werten ausgerichtet sind. Wir könnten entsprechend besonders „alternative“ und besonders gute Produkte anbieten. Je nachdem was uns veranlasst, einen vorsichtigen Weg zu gehen: wir müssen es mit unseren Mitarbeitern diskutieren und gemeinsam mit ihnen eine Unternehmensphilosophie erarbeiten und leben. Gerade in unserem vorsichtigen und damit besonderen Agieren kann das Unternehmen reizvoll für „außerordentliche“ Mitarbeiter sein, die in anderen Unternehmen nicht zurechtgekommen sind. Ein Motivationsmotto könnte sein:

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN „Wir sind im Vergleich zu anderen sehr faire Geschäftspartner. Wir wollen nur dann unsere Produkte verkaufen, wenn sie wirklich besser sind als andere. Wachstum ist nicht unser erstes Ziel. Wir haben Freude an unserer vor allem menschlichen Art des Unternehmens.“

Technologie/Produktion Leistungsfähigkeit/Fertigungsqualität Wie bereits bei der Qualifikation besprochen, können wir als vorsichtiger Unternehmer vor allem aufgrund unserer mittelfristig konstanten Produktionsmengen eine sehr hohe Fertigungsqualität realisieren. Gehen wir davon aus, dass das vorsichtige Wachstum auch eher ein sicheres Wachstum ist, so dürften wir kaum Investitionen scheuen, um uns nicht die modernsten Maschinen zu kaufen. Strukturierung der Arbeitsabläufe Auch wenn wir als vorsichtiger Unternehmer nur einen kleinen Betrieb haben, werden wir als solcher die Kosten genau betrachten und, nicht nur im Sinne einer notwendig hohen Qualität, strukturierte Arbeitsabläufe einführen, die möglichst immer wieder geprüft werden. Umweltschutzauflagen Unabhängig von einer umweltorientierten Unternehmensphilosophie sollten wir von Anfang an die Umweltschutzauflagen in die betrieblichen Prozesse aufmerksam integrieren. Grund hierfür ist, dass wegen des relativ konstanten Produktsortimentes, die Herstellungsverfahren für viele Jahre gleich bleiben werden. Wird die Umwelt am Anfang der Investitionen mit berücksichtigt, kann später viel Geld gespart werden.

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN

6.3 Besondere Anforderungen an den vorsichtigen Kapitän Die Ausführungen zeigen unterschiedliche Anforderungen an den vorsichtigen Unternehmer: 1.

Aufspüren eines interessanten Marktes/Aufbau und Führung eines Markenkonzepts

2.

Initiierung einer kundenorientierten Verwaltung

3.

Entwicklung einer umfassenden Qualitätskontrolle

4.

Motivation der Mitarbeiter/enger Kontakt zu Mitarbeitern

5.

Rationale, „sparsame“ Unternehmensführung

Zu 1.: Aufspüren eines interessanten Marktes/Aufbau und Führung eines Markenkonzepts Märkte können mit Intuition aufgespürt werden, jedoch nur dann, wenn man sich aktiv andere, neue Märkte anschaut. Hier werden von uns Flexibilität, Mobilität und Weitsicht gefordert. Um den „richtigen“ Markt dabei zu wählen, bedarf es einer Marktanalyse. Hier ist ein strukturelles Vorgehen (analytisches Denken und Handeln) erforderlich, das aus einer gezielten Informationssammlung und -auswertung bestehen kann. Zusätzlich muss eine umfassende, erfolgsträchtige Strategie entwickelt werden, die auch eine Rentabilitätsbetrachtung berücksichtigt. Verdeutlichen wir uns die Wichtigkeit dieses Marktes für das Unternehmen, so muss in diesem Schritt eine gewisse Professionalität der Strategieentwicklung gefordert werden. Ist der Entscheid für den Markt gefallen, bedarf es des Aufbaues und der Führung eines Markenkonzeptes. Versuchen wir hier ohne Beratung von außen auszukommen, müssen wir für die Entwicklung über Erfahrungen im Markenbereich verfügen. Der Aufbau einer Marke wird ohne einen intensiven Kontakt zum Markt, der z. B. aus Besuchen vom Kunden, aktivem Verkaufen der Produkte, Produktpräsentationen bei Kundenvereinigungen und Ausstellen auf Messen, besteht, nicht erfolgreich sein. Wir sollten über Kontaktfreudigkeit, sicheres Auftreten, Verkaufsgeschick und

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN besonderes Durchhaltevermögen verfügen. Beim Aufbau der Marke werden wir für den Kontakt zum Markt kaum auf vorhandene Mitarbeiter oder auch auf neu eingestellte Verkaufsprofis zurückgreifen können: Das kleine Unternehmen verfügt noch nicht über eine Marktposition oder über andere Stärken, deswegen dürfen wir uns nicht selbst dieser entscheidenden Aufgabe entziehen. Zu 2.: Initiierung einer kundenorientierten Verwaltung Zum Aufbau einer kundenorientierten Verwaltung müssen wir vor allem „im Markt leben“: nicht funktionsspezifische Aspekte sondern die Dynamik des Marktes und die einzelnen Wünsche der Kunden sind Maßgabe für die Einrichtung von Stellen bzw. von Aufgabengebieten. Diese Außenorientierung müssen wir ständig vorleben und damit bei den Mitarbeitern aktiv halten. Durch das „im Markt leben“ werden wir auch die „richtigen“ Mitarbeiter einstellen. Zu 3.: Entwicklung einer umfassenden Qualitätskontrolle Abhängig von der Komplexität der Produkte und der Herstellungsprozesse sind für die Qualitätskontrolle besondere technische, chemische oder andere fachspezifische Kenntnisse notwendig. Ein gewisses Niveau an analytischem Denken und strukturiertem Vorgehen fördert dabei die Qualität eines umfassenden Qualitätssicherungssystems. Zu 4.: Motivation der Mitarbeiter/enger Kontakt zu Mitarbeitern Gerade als vorsichtiger Unternehmer, dessen Person, wie oben ausgeführt, ausschlaggebend für die Motivation der Mitarbeiter ist, müssen wir uns über unsere Ziele bezüglich der Arbeitseinstellung, des Miteinanders und der Entwicklung des Unternehmens klar sein. Die Mitarbeiter in „vorsichtigen Unternehmen“ brauchen dabei umso mehr eine qualitative, menschlich orientierte und konkret für die nächsten Jahre festgelegte, am besten gemeinsam erarbeitete Unternehmensphilosophie. Der enge Kontakt zu den Mitarbeitern darf dabei für uns nicht störend, sondern auf uns befruchtend und motivierend wirken. Besonders fördernde Eigenschaften können hier sein: Kameradschaftlichkeit, innere Ausgeglichenheit, Toleranz und Ehrlichkeit.

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SO SEGELT DER VORSICHTIGE KAPITÄN AM BESTEN Zu 5.: Rationale, „sparsame“ Unternehmensführung Neben einer gewissen Rationalität und „Sparsamkeit“ geht es hier vor allem darum, aus dem „kleinen, vorsichtigen“ Unternehmen, das sich in einer Reifephase befindet, genügend Rendite zu erwirtschaften. Hier sind Weitsicht und Fingerspitzengefühl gefragt: Ohne wesentliche Umsatzentwicklung muss ständig soviel Rendite erwirtschaftet werden, um die steigenden Ansprüche in allen Bereichen zu bestehen. Hier wird ein Erfolg nur realisiert, wenn wir Wissen und Erfahrung in der Anwendung von Managementtechniken haben.

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7

Hamburg – Oslo: so segelt der optimistische Kapitän am besten

7.1 Der optimistische Kapitän und sein Ziel Zunächst müssen wir uns als optimistischer Kapitän klar darüber werden, dass wir ein optimistischer Kapitän sind. Dazu haben wir im Kapitel 3 bereits eine kleine Analyse versucht. In Kapitel 3 wurde auch die gewollte Unternehmensentwicklung von einem optimistischen Unternehmer gezeigt. Die ideale Entwicklung erfolgt durch ein schnelles Durchleben der Pionierphase, um rasch zu Wachstum zu gelangen. Diese Phase soll das Unternehmen bestimmen. Der Unternehmer muss es schaffen, das Unternehmen in der Wachstumsphase zu halten und vor der drohenden Reifephase zu schützen. Das Wachstum soll dabei aber nicht risikovoll sein, sondern „gut temperiert“: Verglichen mit der „typischen“ Entwicklung schöpfen wir als optimistischer Unternehmer daher nicht vollständig das Wachstumspotenzial aus, sondern sind mit einem geringeren Wachstum zufrieden.

7.2 Segeln im Zielrevier Anhand der schon besprochenen Unternehmenskomponenten: ̶

Marktstellung/Angebot ̶

Mitarbeiter ̶

Technologie ̶

Unternehmer (wird separat im nächsten Kapitel dargestellt)

wird beschrieben, wie wir als optimistischer Unternehmer möglichst lange in unserem Zielrevier verbleiben können.

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Marktstellung/Angebot In der gewünschten Wachstumsphase steigt der Umsatz stark an, immer mehr neue Kunden bevorzugen unser Angebot. Wollen wir eine lange Wachstumsphase haben, müssen wir einen Markt finden, der uns ein solches Wachstumspotenzial bietet. Marktselektion: kleine gegen große Märkte Ein kleiner Nischenmarkt, den ein vorsichtiger Unternehmer präferiert, reicht uns als optimistischer Unternehmer nicht aus. Wie sieht es mit größeren Märkten, z. B. für Konsumartikel aus? Große Märkte, Massenmärkte, wie z. B. der Markt für Waschmittel oder Babywindeln, werden von großen Unternehmen beherrscht. Sie konkurrenzieren sich mit erheblichen Werbeanstrengungen, wie Fernsehspots und umfangreichen Werbemaßnahmen in den Verkaufsgeschäften, mit ständigen kleinen Produktverbesserungen und aggressiven Preisaktionen. Sie sind in der Regel weltweit tätig und produzieren aufgrund der sehr hohen Stückzahlen für solch niedrige Herstellungskosten, die für kleine und mittlere Unternehmen nicht realisierbar sind. Wichtiger als der Verkaufspreis ist jedoch meistens die Bindung des Konsumenten zur Marke. Der Konsument kauft die Produkte im Supermarkt, wo er ohne Beratung auf „Vorinformationen“ angewiesen ist. Diese bekommt er durch die Werbung. Mit ihren sehr hohen Werbebudgets binden die großen Unternehmen den Konsumenten an ihre Marke. Je nachdem wie wichtig bei einzelnen Produktgruppen das Markenbewusstsein für die Kaufentscheidung und je nachdem wie stark der Preisunterschied eines unbekannten Produktes im Vergleich zum bekannten Markenprodukt ist, wird sich der Konsument entscheiden. In der Regel haben in diesem Bereich Mittelständler mit unbekannten Produkten nur geringe Chancen. Dazu kommt im Bereich der „Konsumentenprodukte“ eine starke Konzentration im Handel, die für den kleinen und mittleren Anbieter erhebliche Risiken darstellt, die wir als optimistischer Unternehmer aufgrund unserer ausgewogenen Risikohaltung nicht suchen. Und wenn ein großer Markt noch gar nicht erschlossen, noch unbekannt ist? Wie z. B. bei dem schon erwähnten Markt der Compact Dics in den 1980er Jahren (Kapitel 2) oder beim Markt des Fast Food in den 1970er Jahren können Kleine Unternehmen Ursprung für große Märkte sein. Sie

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN können die Idee gehabt und damit einen großen Markt erst einmal entdeckt haben, wie z. B. in den 1960er Jahren Otto Beisheim, Gründer der Metro-Gruppe, mit seiner Idee, Selbstbedienungsgeschäfte „Cash and Carry“ aufzubauen. Haben wir als optimistischer Unternehmer eine solche Idee und bauen in den ersten Jahren den Markt auf, so erlebt das Unternehmen ein, nach anfänglichen Schwierigkeiten, rasantes Wachstum. Wir schöpfen dann aber nicht mehr so ehrgeizig das Potenzial aus, wir sind auch mit durchschnittlichem Wachstum zufrieden. Unser Wachstum hat sich rumgesprochen, und da der Markt auch für Große interessant ist, überholen uns diese sehr schnell. Folge ist, dass wir wohl die anfängliche und „teure“ Wachstumsphase miterlebt und sogar selbst initiiert haben, wir aber in dem Moment wo „endlich“ auch gute Gewinne in Sicht waren, diese nicht ernten konnten. Die erheblichen Anstrengungen werden also nicht belohnt. Zusätzlich sind nun auch große Unternehmen auf dem Markt, gegen die wir uns nicht durchsetzen können. Folge ist nicht ein reduziertes Wachstum, sondern vielmehr der Untergang bzw. der Unternehmensverkauf an ein großes Unternehmen. Der mittelgroße Markt kann die Lösung sein Als optimistischer Unternehmer bedienen wir am besten Märkte, die über mehr Potenzial als kleine Nischenmärkte verfügen und gleichzeitig nicht so groß sind, dass Großunternehmen hier tätig werden wollen. Das sind in der Regel Märkte mit hoch spezialisierten Produkten bzw. Dienstleistungen, z. B. Maschinenbau oder Softwarelösungen oder besonders kreativen Produkten, wie z. B. Mode. Oder: mehrere kleine Nischenmärkte bedienen Um dem Wettbewerb mit den Großen aus dem Weg zu gehen, können auch mehrere Nischenmärkte parallel bedient werden. Denken wir zurück an den vorsichtigen Unternehmer. Nacheinander könnten solche Märkte aufgebaut werden. So würde ein langfristiges, langsames und relativ sicheres Wachstum entstehen. Hier müssen wir uns als optimistischer Unternehmer fragen, ob sich der relativ hohe Aufwand der jeweiligen Markterschließung im Verhältnis zum Umsatz lohnt. Falls ja, ist dieser durchaus zu empfehlen.

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Produktangebot Die erste Zeit einer „typischen“ Wachstumsphase entsteht dadurch, dass immer mehr neue Kunden auf ein neuartiges Produkt aufmerksam werden und es kaufen. Um dieses Wachstum zu realisieren, müssen wir möglichst schnell mit unserer Idee viele Kunden ansprechen. Noch ist die Idee neu und im ganzen Markt begehrt. Nutzen wir nicht kurzfristig diese Situation, kommen aufgrund des Marktpotenzials mittelgroße Mitbewerber, die den Weg zum Potenzial verbauen. Hier ist vor allem Optimismus gefragt: Mit nur einem Produkt gehen wir aktiv in den Markt. Der Aufbau einer Marke, der einige Jahre dauert, würde in dieser Phase zu lange dauern. Ebenso ist nicht die Ausweitung des Sortimentes mit Zusatzprodukten zu empfehlen. Beispiel: Wir haben eine völlig neuartige Chemikalie zur Algenbekämpfung in Schwimmbecken entwickelt. Zusatzprodukte könnten hier sein: Testkit zur Messung der Wasserqualität, Universalreiniger für das Wasser, Reiniger für die Platten. In der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, würden nur Produkte mit angeboten werden, die nicht so innovativ oder wirksam sind wie das neue Produkt des Unternehmens. Und die vielleicht nur vergleichbar mit bestehenden Wettbewerbsprodukten sind. Eine solche Ausweitung hätte zur Folge: ̶

nicht so erfolgreiche Verkaufsgespräche: Nicht ein Produkt, sondern ein ganzes Programm muss erklärt werden, es bedarf vieler neuer Argumente, die Überzeugungswirkung des Hauptproduktes lässt nach, der Kunde zögert mehr, kostbare Zeit geht verloren: mit der gleichen Verkaufsleistung könnte mit nur einem Produkt letztendlich kurzfristig mehr Umsatz erzielt werden ̶

die Rendite bei den weiteren Produkten ist sicherlich schlechter als beim Ausgangsprodukt (die anderen Produkte können, da sie nicht mehr neu sind, nicht so teuer verkauft werden und zusätzlich werden sie nicht selbst produziert und deswegen teuer eingekauft): Unsere Verkaufsleistung lohnt (Rendite kurzfristig) sich mehr mit einem Produkt als mit mehreren ̶

die schlechtere Qualität der Zusatzprodukte erschwert erheblich einen späteren Markenaufbau: der Käufer kann keine Philosophie erkennen

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Wie sieht es mit der Qualität des Produktes aus? Wenn wir schnell den Markt erobern wollen, reicht es nicht, dass unser Produkt ein wenig besser als die vorhandenen ist, der Kaufanreiz wäre zu klein. Das Produkt muss vor allem innovativ sein. Die Qualität ist zweitrangig. Wie aktiv sollte die Marktbearbeitung sein? Je nachdem wie stark wir als optimistischer Unternehmer wachsen möchten. Falls wir das gesamte Wachstum der „typischen“ Entwicklung realisieren möchten, müssen wir möglichst schnell und aktiv unser Einproduktsortiment dem gesamten Markt anbieten. Falls uns das Wachstum in einem früheren Stadium reicht, können wir weiteres, aber eben geringes Wachstum, durch den Ausbau des Sortimentes erzielen. Wichtig ist hier zu erkennen, dass wir durch dieses Verhalten den noch potenziellen Teil des Marktes den in diesem Moment aufkommenden Mitbewerbern überlassen. Ein später gewollter Anstieg des Wachstums wird nicht mehr möglich sein. Aufgrund der oben beschriebenen Renditesituation beim Ausbau des Sortimentes wird ebenfalls das Niveau des Renditeanstieges reduziert. Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Zeit, solange wir auf nur einem Markt tätig sind, die kritische Ressource ist: Je nachdem wie stark wir wachsen möchten, muss die Marktbearbeitung hoch aktiv sein, um möglichst schnell die potenziellen Kunden des Marktes für uns zu gewinnen. Wegen der Größe des Marktes würden ansonsten potenzielle Marktanteile an Wettbewerber verloren gehen. Nachdem wir erfolgreich das potenzielle Umsatzwachstum auf unserem Markt mitgenommen haben, wird der Umsatz bzw. die Rendite kaum noch steigen, da in der Wachstumsphase immer mehr Mitbewerber auf den Markt gekommen sind. Was können wir „unternehmen“: Ende des Wachstums mit einem Produkt in einem Markt. Was tun? Wir wollen drei Möglichkeiten diskutieren: 1.

Produkt-/Marktaktivitäten

2.

Akquisition anderer Unternehmen

3.

Kooperation mit anderen Unternehmen

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Zu 1.: Produkt-/Marktaktivitäten Vier klassische Wege sind in dieser Situation bekannt: ̶

Marktdurchdringung: Alte Produkte den alten Kunden weiter verkaufen ̶

Produktentwicklung: Neue Produkte den alten Kunden verkaufen ̶

Marktentwicklung: Alte Produkte an neue Kunden verkaufen ̶

Diversifikation: Neue Produkte an neue Kunden verkaufen

Marktdurchdringung Ein weiteres Umsatzwachstum im „alten“ Markt ist nur durch eine Attraktivitätssteigerung der Produkte und durch aktivere Verkaufsanstrengungen zu erzielen, z. B.: ̶

Überarbeitung der bestehenden Produkte: Erhöhung der Funktionalität oder „Verschönerung“ der Produkte (Modellpflege) ̶

Aufbau eines umfassenden Markenkonzepts, verbunden mit erheblichen Werbeausgaben ̶

Preisreduzierungen ̶

Verstärkte Außendienstarbeit verbunden mit Verkaufsmaßnahmen beim Kunden (Point of sale)

Trotz dieser Maßnahmen kann jedoch das Umsatzwachstum der Vergangenheit nicht aufrechterhalten werden. Wesentlich ist hier, dass ein weiterer Umsatzanstieg teuer erkauft werden muss und unsere Rendite deswegen zurückgeht. Eine Konzentration auf den alten Markt kann uns daher nicht die gewünschte Entwicklung bringen. Produktentwicklung Die Produktentwicklung während der Wachstumsphase haben wir bereits angesprochen. In der jetzigen Phase gibt es durchaus neue Überlegungen: ̶

Ist es uns gelungen, mit unseren „alten“ Produktinnovationen einen bekannten und kompetenten Namen im Markt aufzubauen, so können wir diesen jetzt nutzen und unter dem „alten“ Namen

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN weitere, neue Produkte dem bestehenden Kundestamm anbieten. Gehen wir davon aus, dass es sich hier um „einfache“ Produkte handelt, die wir überwiegend zukaufen, ist ein vorübergehendes Wachstum möglich, jedoch werden wir nicht mehr die Rendite wie in der Vergangenheit erwirtschaften ̶

Gelingt es uns wieder, eine „echte“ Innovation vorzustellen, können wir durch die Nutzung der bestehenden Kunden ein großes Wachstum verzeichnen und uns einen für lange Zeit anhaltenden Markterschließungsvorsprung erarbeiten

Wollen wir weiter wie in der Vergangenheit wachsen, bedarf es einer „echten“ Innovation, die uns ein langes Wachstum bescheren kann. Gelingt uns kein wirklich neues Produkt, so sollten die Ressourcen in andere Bereiche, wie z. B. die Marktentwicklung gesteckt werden. Marktentwicklung Haben wir uns jahrelang mit der Entwicklung und Herstellung eines Produktes beschäftigt, ist es unvorteilhaft, diese Kompetenz nicht mehr zu nutzen, nur weil man auf dem „alten“ Markt nicht mehr wachsen kann. Wir sollten daher intensiv unsere Chancen auf neuen Märkten, national und international, analysieren. Nationale neue Märkte: Hier geht es um andere Kundengruppen. Denken wir z. B. an die Reinigungschemikalie zur Algenbekämpfung in Schwimmbädern. Dieses Produkt wurde vorher durch eigenen Außendienst über den Fachhandel an den privaten Anwender verkauft. Nun ist eine Sättigung eingetreten. Ein neuer Markt könnten z. B. die öffentlichen Badeanstalten sein, die man entweder über spezielle Großhandlungen oder direkt durch eigenen Außendienst erreicht. International neue Märkte: Vor allem in den Nachbarländern kann ähnliches Nachfrageverhalten existieren, das uns weiteres Wachstum bringen kann. Diversifikation Die Diversifikation stellt die höchsten Anforderungen an uns: Wir müssen neue Produkte entwickeln und neue Märkte aufbauen. Der Lohn für diese Anstrengungen wäre vor allem eine Verminderung des unternehmerischen

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Risikos. Wir werden unabhängig von der Konjunktur unserer alten Branche und generellen Nachfrageschwankungen bezüglich unseres alten Produktes. Zu 2.: Akquisition anderer Unternehmen Die Übernahme anderer Unternehmen kann vielfältige Vorteile haben, z. B.: ̶

wenn wir ein Unternehmen akquirieren, das am Anfang einer Wachstumsphase ist, wird es uns anhaltend Wachstum bringen ̶

wenn wir einen Mitbewerber übernehmen, wird es einerseits zu Kosteneinsparungen kommen und möglicherweise zu besseren Verkaufserfolgen ̶

wenn wir ein Unternehmen übernehmen, dass nicht in unserer Branche tätig ist, vermindern wir unser unternehmerisches Risiko (Diversifikation)

Zu 3.: Kooperation mit anderen Unternehmen Schaffen wir es nicht aus eigener Kraft, ein anderes Unternehmen zu akquirieren, können wir mit einem anderen Unternehmen kooperieren. Die Vorteile sind mit den beschriebenen Vorteilen der Akquisition vergleichbar, der Nachteil ist eine Einschränkung der Besitz- und Führungsverhältnisse. Zusammenfassung der drei Möglichkeiten Eine ganze Reihe von Möglichkeiten steht uns als optimistischer Unternehmer zur Verfügung, wenn wir auf unserem alten Markt mit dem alten Produkt nicht mehr wachsen. Die Möglichkeiten unterscheiden sich vor allem bezüglich der Zukunftsträchtigkeit (wie lange bringen sie uns Wachstum) und dem Mitteleinsatz (wie viel kosten sie). Am wenigsten zukunftsträchtig ist die Marktdurchdringung, die auch nur wenig Renditepotenzial hat. Die Produktentwicklung kann dagegen sehr erfolgreich sein, jedoch nur dann, wenn es gelingt, „echte“ Innovationen den alten Kunden anzubieten. Gelingt eine solche Innovation, kann erfolgreich diversifiziert werden. Sind wir nicht so innovativ, steht uns der Weg der Marktentwicklung offen. Die Alternativen Akquisition und Kooperation sind dabei immer denkbar.

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Für unsere Überlegungen ist wesentlich, dass ein weiteres Wachstum nur dann erreicht werden kann, wenn die Entwicklung, die mit einer neuen Maßnahme zusammenhängt, bereits die Pionierphase durchschritten hat. Fangen wir mit einer Marktentwicklung oder Diversifikation erst an, wenn unser „altes“ Wachstum stagniert, kann das gesamte Unternehmen gefährdet werden: Das Bestehen auf dem alten Markt bringt immer weniger Rendite und gleichzeitig kostet der Aufbau eines neuen Marktes erhebliche Mittel, und eventuell dauert er länger als geplant. Entscheidend ist also der Zeitpunkt der „Neuorientierung“. Wann sollten neue Märkte aufgebaut werden? Die Aussage „so früh wie möglich“ kann nicht für kleine und mittlere Unternehmen gelten: Solch ein Aufbau kostet Geld und vor allem auch den Einsatz des Unternehmers. Geld wird erst nach einer gewissen Zeit in der Wachstumsphase vorhanden sein. Ist die Wachstumsphase auf dem alten Markt dann noch lange genug, um auf einem anderen Markt die Pionierphase durchstehen zu können, reicht der Start innerhalb der Wachstumsphase. Am besten ist, allfällige Vorabklärungen, wie z. B. Marktanalysen, die nicht soviel Geld kosten, schnell in Angriff zu nehmen, um hier nicht wertvolle Zeit zu verlieren. Was passiert mit unserem alten Markt? Je nach der Entwicklung des neuen Marktes: Verfügen wir über eine neue Innovation und brauchen wir für den Aufbau des Marktes und die Produktion nicht unser „altes“ Unternehmen, so können wir unsere personellen und finanziellen Ressourcen zukunftsträchtig dorthin leiten und den alten Markt „verkaufen“. Je nach Synergien oder nach Renditeaussichten im alten Markt sollten wir den „alten“ Markt weiter bearbeiten. Mitarbeiter/Motivation Schwerpunkt der Arbeitsleistung Um das vorhandene Marktpotenzial auszuschöpfen, muss kurzfristig eine aktive Marktbearbeitung erfolgen und entsprechend dem Wachstum die ausreichende Herstellung der Produkte sichergestellt werden. Dabei muss bedacht werden, dass unser Unternehmen in der Regel noch klein ist und über keine bewährten Strukturen verfügt. Je nach Komplexität des Produktes wird die Herstellung besondere Anforderungen erfüllen müssen.

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Gehen wir davon aus, dass wir optimistisch an uns glauben, werden wir möglichst „große“ Maschinen bauen oder erwerben. Der Schwerpunkt der Arbeitsleistung kann somit und muss sowieso der Verkauf werden. Qualifikation der Mitarbeiter Hier wollen wir auf drei Bereiche aufmerksam machen: 1.

Produktion: Die voraussichtliche Herstellung nur eines Produktes wird in der Regel keiner besonderen Qualifikationen bedürfen.

2.

Forschung/Entwicklung: Auch hier wird mit der Ein-Produkt-Strategie kaum Qualifikation aufgebaut werden müssen.

3.

Verwaltung: Die unter Zeitdruck erfolgende Verkaufskonzentration und das erhebliche Wachstum lassen den Aufbau einer strukturierten Verwaltung nicht zu. Die Qualifikation für die Aufgaben ist gering.

Persönlicher Kontakt Der persönliche Kontakt zwischen uns und den Mitarbeitern nimmt aufgrund des Wachstums immer mehr ab. Die Motivation Auch wenn der persönliche Kontakt abnimmt, zeigen wir doch Visionen auf. Wir hatten die Idee und zeigen allen, vor allem im Markt und im geografischen Umfeld, dass unsere Vision wertvoll, richtig und zukunftsträchtig ist. Die Mitarbeiter spüren im gesamten Unternehmen den Zuspruch des Marktes, das Einverständnis mit der Leistung, und damit auch der eigenen Leistung. In stark wachsenden Unternehmen wird nicht gegrübelt, lange hinterfragt, es macht einfach Spaß. Und es macht Spaß, seinen Tätigkeitsfeld ständig wachsen zu sehen. Man lernt ständig dazu. Und alle wissen: Wir als Unternehmer sind der Ausgangspunkt, sind das Zugpferd, und zwar zu Recht. Die Motivation der Mitarbeiter wird zur Schwierigkeit, wenn das Wachstum nachlässt und wir der eigentlichen Leistung nicht mehr die gewohnte Beachtung schenken. Wenn Gelder für Projekte nicht mehr bewilligt werden und die Arbeit immer mehr hinterfragt wird. Gelingt es, einen neuen Markt mit der alten Mannschaft aufzubauen, kann unsere visionäre Kraft weiter leuchten und es geht weiter. Wird jedoch das Unternehmen aufgeteilt, so kann wohl die Motivation im „neuen Unternehmen“ sehr gut

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN sein, das alte Unternehmen aber verliert aufgrund einer frustrierten Stimmung noch mehr am Markt und erwirtschaftet eine noch schlechtere Rendite als geplant. Technologie/Produktion Leistungsfähigkeit/Fertigungsqualität Als optimistischer Unternehmer schauen wir vor allem auf den Umsatz und auf den Markt. Wir sind uns bewusst, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Das bedeutet, dass wir nur wenig Augenmerk auf die Herstellung der Produkte und damit auf die Fertigungsqualität legen. Optimistisch in die Zukunft schauend, schrecken wir nicht vor Investitionen für, zum Anschaffungszeitpunkt zu große Maschinen zurück. Die Maschinen sind gut, aber es wird keine Zeit für Erfahrungen gewährt. Die Fertigungsqualität muss in der Regel als nicht besonders gut eingestuft werden. Hier liegt ein Schwachpunkt für uns als optimistischer Unternehmer. Obwohl wir stark investieren, bekommen wir die Fertigungsqualität nicht in den Griff. Investitionen in Personal sind hier dringend notwendig, um nicht dem starken Wettbewerb am Ende der Wachstumsphase zu unterliegen. Strukturierung der Arbeitsabläufe Aus dem oben Gesagten und aufgrund des ständig steigenden Umsatzes kann bereits abgeleitet werden, dass es kaum strukturierte Arbeitsabläufe gibt. Eine Einstellung von Fachspezialisten kann hier für Sorgfalt und Produktivität sorgen. Umweltschutzauflagen Das gute Wachstum schafft die Rendite, um in diesem Bereich ebenfalls spezielles Know-how aufzubauen. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Einhaltung der Umweltschutzauflagen ein kritischer Bereich der Entwicklung. Eine Vernachlässigung dieses Bereiches kann schnell zum Untergang des gesamten Unternehmens führen. Sind wir als optimistischer Unternehmer nicht bereit, Know-how im eigenen Unternehmen aufzubauen, sollten wir die strukturierte Zusammenarbeit mit externen Beratern suchen, die vom Investitionsvorhaben über die Anträge bei öffentlichen Institutionen bis hin zur Beaufsichtigung auf der Baustelle und der folgenden Abnahme für uns alles regeln.

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN

7.3 Besondere Anforderungen an den optimistischen Kapitän Die Ausführungen zeigen unterschiedliche Anforderungen an den optimistischen Unternehmer: 1.

Aufspüren eines interessanten Marktes

2.

Ausschöpfen des vorhandenen Marktes

3.

Aufspüren eines neuen Marktes und dessen Erschließung

4.

Delegation von Arbeit

5.

Zeitorientierte Unternehmensführung

Zu 1.: Aufspüren eines interessanten Marktes Märkte können mit Intuition aufgespürt werden, jedoch nur dann, wenn man sich aktiv andere, neue Märkte anschaut. Hier wird von uns Flexibilität, Mobilität und Weitsicht gefordert. Um den „richtigen“ Markt zu wählen, bedarf es einer Marktanalyse. Ein strukturelles Vorgehen (analytisches Denken und Handeln) ist erforderlich, das aus einer gezielten Informationssammlung und -auswertung bestehen kann. Zusätzlich muss eine umfassende Strategie entwickelt werden, die auch eine Rentabilitätsbetrachtung berücksichtigt. Verdeutlicht man sich die Wichtigkeit dieses Marktes für das Unternehmen, muss in diesem Schritt eine gewisse Professionalität der Strategieentwicklung gefordert werden. Zu 2.: Ausschöpfen des vorhandenen Marktes Als optimistischer Unternehmer wählen wir Märkte, die auch für größere Unternehmen interessant sind. Die Geschwindigkeit, in der wir den Markt ausschöpfen, erlangt dabei überlebenswichtigen Charakter. Wir dürfen uns daher nicht mit Erreichtem zufrieden geben. Wir müssen mehr zeitorientiert als qualitätsstrebend handeln, wir sollten entscheidungsfreudig sein und damit über ein möglichst hohes Maß an Selbstvertrauen verfügen. Um den Markt schnell auszuschöpfen, müssen wir auch selbst in den Verkauf gehen. Wir sollten über gute kommunikative Fähigkeiten, Kontaktfreudigkeit und Verkaufsgeschick verfügen.

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SO SEGELT DER OPTIMISTISCHE KAPITÄN AM BESTEN Zu 3: Aufspüren eines neuen Marktes und dessen Erschließung Aufgrund unserer optimistischen Einstellung sind wir bereit, neue Märkte zu erschließen. Wir sind offen für neue Wege und können uns gut von alten Ideen und Produkten trennen. Zu 4: Delegation von Arbeit Um uns auf die expansive Tätigkeit zu konzentrieren, müssen wir immer mehr Aufgaben abgeben. Damit verbunden ist, dass wir Vertrauen zu unseren Mitarbeitern und Lieferanten haben und delegationsfreudig Gestaltungsräume Dritter zulassen. Zu 5.: Zeitorientierte Unternehmensführung Da wir weitere Märkte erschließen möchten, gewinnt die Zeitkomponente an Wichtigkeit und damit die Planung. Um langfristig unser Zielwachstum zu erreichen, müssen wir umfassend unsere Aktivitäten und Geschäftsbereiche zeitlich und finanziell planen. Dafür sollten wir über ein höheres Maß an Management Know-how verfügen als beispielsweise der vorsichtige Unternehmer.

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8

Hamburg – Boston: so segelt der risikobereite Kapitän am besten

8.1 Der risikobereite Kapitän und sein Ziel Zunächst müssen wir uns als risikobereiter Kapitän klar darüber werden, dass wir ein risikobereiter Kapitän sind. Dazu haben wir im Kapitel 3 bereits eine kleine Analyse versucht. In Kapitel 3 wurde auch die gewollte Unternehmensentwicklung von einem risikobereiten Unternehmer gezeigt. Der Unterschied zu dem optimistischen Unternehmer liegt darin, dass der erste Teil der Wachstumsphase deutlich länger gehalten wird. Beim optimistischen Unternehmer gerät das Unternehmen schnell in den zweiten Teil des Wachstums und verharrt dort, der Unternehmer gibt sich mit langsameren Wachstumsraten zufrieden. Hauptaufgabe des risikobereiten Unternehmers ist, das Unternehmen so lange wie möglich im anfänglichen Wachstumsstadium (höchste Wachstumsraten) zu halten.

8.2 Segeln im Zielrevier Anhand der schon besprochenen Unternehmenskomponenten: ̶

Marktstellung/Angebot ̶

Mitarbeiter ̶

Technologie ̶

Unternehmer (wird separat im nächsten Kapitel dargestellt)

wird beschrieben, wie wir als risikobereiter Unternehmer möglichst lange in unserem Zielrevier verbleiben können.

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SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN Marktstellung/Angebot Welchen Markt sollten wir wählen: klein, mittelgroß oder groß? Müssen es denn gleich die großen Märkte sein? Gehen nicht auch nacheinander oder parallel kleine? Mehrere kleine Märkte? Wenn wir uns überlegen, in welch kurzer Zeit ein erhebliches Wachstum realisiert werden soll, ist die Konzentration auf kleine Märkte nahezu ausgeschlossen: Zu viel Energie und zu viel Zeit würden für die Bearbeitung der kleinen Märkte verloren gehen. Haben wir z. B. eine sehr gute Innovationsidee und verkaufen diese zunächst an einen kleinen Markt, später an weitere, ist die Gefahr groß, dass andere Unternehmen diese Idee aufnehmen und sie erfolgreich an große Märkte bringen. Wie sieht es mit mittelgroßen Märkten aus? Je nach dem wie stark wir wachsen möchten, wird es uns nicht reichen, mittelgroße Märkte zu erschließen. Wollen wir mehrere nacheinander erschließen, so tritt die oben genannte Problematik wieder zutage. Dazu kommt, dass mittelgroße Märkte aufgrund der Dominanz von kleinen und mittleren Anbietern und der damit verbundenen intensiven Verbindungen zwischen Anbietern und Nachfragern nur langsam zu erschließen sind. Können wir denn als kleine Unternehmer große Märkte erschließen? Voraussetzung für die Erschließung großer Märkte durch ein kleines Unternehmen ist eine „revolutionierende“ Innovation, die sehr viele Abnehmer gebrauchen können. Wir haben daher bezüglich der „Idee“ zwei Aspekte: 1.

Die Idee muss völlig neu und erheblich anders sein als vorhandene Alternativen, sie muss revolutionierend sein. Beispiele: OTTO und der Aufbau eines strukturierten Versandhandels in den 1950er Jahren (OTTO Versand, Hamburg); Beisheim und die Selbstbedienungsgeschäfte in den 1970er Jahren (Metro AG); 3M und die „Post-it“ Zettel in den 1980er Jahren (3M International, USA).

2.

Die Idee muss von vielen gebraucht werden. Was nützt uns eine wunderbare Innovation, wenn sie nur für ganz wenige Menschen in Betracht kommt. Wichtiger als der Grad der „Revolution“ ist die Er-

76

SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN schließung der Märkte. Warum ist Nike (USA) in den 1980er Jahren auf dem bereits von anderen Unternehmen vollständig erschlossenen Markt der Sportschuhe so erfolgreich geworden? Oder Red Bull auf dem Getränkemarkt in den 1990er Jahren? Produktangebot Versuchen wir schnell den Markt mit unserem noch nicht richtig fertigen (da wir noch über zu wenig Know-how verfügen) Produkt zu erobern, werden die Kunden unzufrieden sein. Folge ist, dass wir uns den Markt verbauen. Es muss also sichergestellt sein, dass wir im Zeitpunkt des Markteintrittes über ein einwandfreies Produkt verfügen. Hierbei ist zu beachten, dass wir einen großen Markt erobern wollen, der von vielen Großen intensiv beobachtet wird. Wenn unsere Produktqualität sofort nachgebaut werden könnte, werden wir mit unserem Produkt keine Chance haben. In der Qualität unseres Produktes oder unserer Dienstleistung liegt daher ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit. Sicherlich muss der Markt schnell bearbeitet werden, hier reicht keine Mund-zu-Mund Werbung mehr aus, wir müssen investieren in Werbung, Verkaufspersonal usw. Aber noch wichtiger ist die Aufrechterhaltung unseres „Innovationsvorsprunges“, unserer Qualität. Im Markt muss unser Unternehmen die „Standards“ festschreiben, sie vorgeben. Die Entwicklungsarbeit gewinnt bei uns die Schlüsselrolle. Beispiele: Bill Gates und Microsoft weltweit, in Deutschland SAP Software oder Sixt Autovermietung. Marktbearbeitung Die Marktbearbeitung muss ähnlich wie beim optimistischen Unternehmer geschehen: aktiv und schnell. Davon ausgehend, dass unsere Innovation viele Menschen nicht nur „gebrauchen“ können, sondern sie sogar sehr begrüßen, müssen von uns möglichst viele der unterschiedlichen Facetten des großen Marktes entdeckt werden. Risikovoll und besessen von Wachstum werden auch gleich die internationalen Märkte angegangen. Das ein solch großes Aufgabengebiet nicht von uns allein initiiert werden kann, ist vorstellbar. Aber um schon früh einer möglichen Stagnation im Heimatland vorzubeugen, muss der ausländische Markt frühzeitig bearbeitet werden.

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SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN Kritisch: Spitzenleistungen in Entwicklung und Verkauf gleichzeitig Die Produktqualität muss ständig verbessert werden. Mit innovativem Geist muss völlig überzeugt vom eigenen Angebot eben an diesem ständig weitergearbeitet werden, um die „Vorreiterrolle“ zu behalten. Gleichzeitig muss der Verkauf, um das gewollte Wachstum zu erreichen, sehr aktiv nationale und internationale Märkte bearbeiten. Diese Anforderungen kann eine Person selten allein bewältigen. Das Ideal sind zwei „Unternehmer“. Der eine kümmert sich um die Entwicklung, der andere um den Verkauf. Aber auch dieses Wachstum ist nicht grenzenlos Aus unseren Überlegungen bezüglich der Lebenszyklen von Produkten und Branchen wissen wir, dass auch eine noch so gute Innovation nach einer gewissen Zeit nicht mehr so gefragt ist, der Nutzen für die Käufer abnimmt. Möchten wir als risikovoller Unternehmer nach einem anhaltenden starken Wachstum weiter wachsen, so stehen uns wie oben gezeigt, zunächst drei Wege offen: ̶

Produkt-/Marktaktivitäten ̶

Akquisitionen ̶

Kooperationen

Produkt-/Marktaktivitäten Bei der erfolgten aktiven und erfolgreichen Erschließung eines großen Marktes sollten keine größeren Marktpotenziale mehr vorhanden sein. Entsprechend können eine Marktdurchdringung und auch Marktentwicklung ausgeschlossen werden. Produktentwicklung und Diversifikation können dem Unternehmen nur dann wieder so viel Wachstum bescheren, wenn es gelingt, erneut eine „revolutionierende“ Innovation für einen breiten Abnehmerkreis zu finden. Akquisition Die geforderte Intensität des Wachstums kann bei einer Akquisition nur durch ein Unternehmen gefördert werden, das über eine große Innovation verfügt und gleichzeitig noch nicht den Markt erschlossen hat. Ist es für das

78

SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN eigene Unternehmen nicht möglich, erneut eine große Innovation zu entwickeln, ist die Akquisition eine Alternative. Kooperation In der Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen können große Innovationen entstehen oder weitere vorher nicht erreichbare Märkte erschlossen werden. Entscheidend: Innovationen müssen weiter gehen Um ein kontinuierliches Wachstum zu generieren, bedarf es weiteren „revolutionierenden“ Innovationen. Dies ist ein hoher Anspruch, den wir aber als ständig unzufriedener und risikobereiter Unternehmer fordern. Mitarbeiter/Motivation Schwerpunkt der Arbeitsleistung Wie oben beschrieben, liegt der Schwerpunkt für die Arbeitsleistung in der Produktentwicklung und im Verkauf. Je nachdem, in welchem Verhältnis die Anforderungen an das Produkt und an die Dienstleistung des Verkaufes stehen, wird das Hauptaugenmerk in einem der Bereiche liegen. Falls wir nicht mit dem Wachstum aus einer Innovation zufrieden sind, müssen weitere Innovationen gefunden werden. Je nachdem wie lange das Wachstum aus der ersten Innovation anhält, wird im kreativen Bereich der Ideenfindung ein weiterer Schwerpunkt liegen. Qualifikation der Mitarbeiter Als risikovoller Unternehmer müssen wir praktisch in allen Bereichen Spitzenleistungen fordern. Aufgrund des erheblichen Wachstums ergibt sich hier eines der Hauptprobleme: Schaffung einer produktiven, sich selbst mit dem Wachstum des Unternehmens entwickelnden Organisation und die Akquirierung der „richtigen“ Mitarbeiter. Um eine ausreichende Qualifikation sicherzustellen, müssen wir gut qualifizierte Manager von außen holen. Es muss dafür gesorgt werden, dass vor allem die Qualifikationen in den Bereichen Entwicklung, Produktion und Verkauf weit über dem Branchendurchschnitt liegen.

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SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN Persönlicher Kontakt Der persönliche Kontakt zwischen uns und den Mitarbeitern nimmt aufgrund des Wachstums immer mehr ab, wobei der Kontakt vor allem zum kreativen bzw. „unternehmerischen“ Bereich des Unternehmens zur Innovationsfindung sehr eng sein sollte. Die Motivation Das Unternehmen wächst schnell. Schon früh können wir uns nicht mehr um unsere originellen kaufmännischen Angelegenheiten kümmern, wir müssen Verantwortung abtreten. Um Spitzenleistungen bei unseren Mitarbeitern zu erreichen, müssen wir diese nicht nur von unseren Visionen überzeugen, sondern wir sollten „Unternehmertum im Unternehmen“ schaffen. Die Motivation ist daher breit angelegt: Wir überzeugen mit unserer Vision, das Unternehmen ermöglicht aufgrund seines Wachstums immer vielfältigere und neue Aufgaben und zusätzlich wird durch Anreizinstrumente, wie Beteiligungen, und der Forderung nach selbstständigem „Unternehmertum“ eben dieses verkörpert. Technologie/Produktion Leistungsfähigkeit/Fertigungsqualität Als wachstumsorientierter Unternehmer werden wir uns nur selten mit dem Aufbau einer eigenen Produktion in unserem Umfeld beschäftigen. Um vorteilhaft anbieten zu können, orientieren wir uns schon frühzeitig bei bestehenden nationalen und internationalen Herstellern. Bei mehreren Unternehmen wird dann in Auftrag gefertigt oder Beteiligungen vorgenommen. Entscheidend ist hier, dass technisches Know-how in Form von Qualitätskontrolleuren, die vor Ort arbeiten, aufgebaut wird. Diese eigenen Mitarbeiter sorgen für die einwandfreie Qualität.

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SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN

8.3 Besondere Anforderungen an den risikobereiten Kapitän Die Ausführungen zeigen unterschiedliche Anforderungen an den risikobereiten Unternehmer: 1.

Initiierung mindestens einer „revolutionären“ Innovation

2.

Erschließen eines großen Marktes, national und international

3.

Schaffung von „Unternehmertum im Unternehmen“

4.

Strategische Führung aufgrund der Größe des Unternehmens

Zu 1.: Initiierung mindestens einer „revolutionären“ Innovation Innovationen können nicht erzwungen werden. Es bedarf hier nicht einer wissenschaftlichen Erfindung, es bedarf etwas neuem, was möglichst viele Menschen gebrauchen können. Wir müssen „revolutionär“ denken, und um unsere Idee auch umzusetzen, revolutionär handeln. Wir müssen von uns und unserer Idee besessen, hoch ehrgeizig und widerstandsfähig sein, da das vorhandene Umfeld uns Widerstände leisten wird. Wir müssen ein visionärer Typ sein, der in der durch starkes Durchsetzungsvermögen erfolgenden Prägung seines Umfeldes seine Befriedigung erlebt. Mit dem jetzigen sind wir überhaupt nicht einverstanden. Zu 2.: Erschließung eines großes Marktes, national und international Um sich mit seiner Idee gleich an einen großen Markt heranzuwagen, bedarf es vielem von dem, was soeben beschrieben wurde. Vielleicht dürfen wir hier auch als „größenwahnsinnig“ bezeichnet werden, wenn wir ohne große Mittel und vielleicht auch ohne eine Strategie eine Marktführerschaft anstreben und dies auch als Kleinunternehmer im fernen Ausland. Mit großem Mut und viel Risiko investieren wir in fremde Gebiete. Nicht rechts und links schauend gehen wir selbst die Märkte an, wir prägen nicht nur unser nahes Umfeld, sondern den ganzen Markt weltweit. Dazu hilft uns Charisma. Es gelingt uns, fremde Personen schnell für uns und unsere Ideen zu gewinnen. Ohne diese gewinnende Art könnte die Erschließung nicht so schnell gelingen.

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SO SEGELT DER RISIKOBEREITE KAPITÄN AM BESTEN Zu 3.: Schaffung von „Unternehmertum im Unternehmen“ Besessen von unserer Idee und der Vision der Marktführerschaft spüren wir, dass wir uns nicht um die vielen organisatorischen Angelegenheiten, um die Verwaltung und um die zahlreichen Märkte selbst kümmern können und wissen, dass wir möglichst viele Mitarbeiter zu Unternehmern machen sollten. Hier liegt eine der wesentlichen Voraussetzungen für weiteres Wachstum, auch über eine Stagnation im „ersten Innovationsmarkt“ hinaus. Wenn viele Pionierpersönlichkeiten in der Vergangenheit kein Unternehmertum in ihrem Unternehmen zuließen, so schaffen wir gerade dadurch eine enorme Steigerung der gesamten Unternehmensleistung. Dazu müssen wir aber offen sein für neue Ideen. Wir müssen begeistern und teilen können, wir sollten Vertrauen und Zutrauen unseren Mitarbeitern gegenüber haben. Wir müssen von unserer Idee überzeugt sein, und diese gleichzeitig nicht als unantastbar empfinden. Zu 4.: Strategische Führung aufgrund der Größe des Unternehmens Das kleine Unternehmen entwickelt sich zu einem großen. Konnte das kleine zum großen Teil noch mit Intuition geführt werden, so bedarf es bei der Führung des großen Unternehmens der Beherrschung umfangreicher Managementkenntnisse, verbunden mit zahlreichen persönlichen Merkmalen, wie schneller Auffassungsgabe, hohem Abstraktionsvermögen, ausgeprägtem analytischen Denken und stark konzeptionellem Agieren.

82

9

Untiefen auf der Seekarte: Anspruch und Realität

9.1 Die unterschiedlichen Charaktere der Kapitäne Wachstum ist schön, je stärker unser Unternehmen wächst, desto mehr Geld könnten wir verdienen. Aber zwei Restriktionen sind damit sofort verbunden: 1. Risiko Sind wir bereit, immer mehr Risiko in Kauf zu nehmen? Wir müssen uns positionieren. Für alle Arten von Zielen gibt es eine spezielle Ausgestaltung der Führung und eine spezifische Unternehmensentwicklung. 2. Unsere unternehmerischen Fähigkeiten Verfügen wir überhaupt über die unternehmerischen Fähigkeiten, die ein weiteres Wachstum bzw. die von uns gewünschte Entwicklung des Unternehmens fordern würde? Reichen unsere Eigenschaften und unser Wissen aus? Hier gibt es sicherlich viele Fehleinschätzungen, die schnell Ursache für den Niedergang eines ansonsten erfolgreichen Unternehmens sein können: Der Unternehmer überschätzt sich selbst, investiert stark und kann dann die Zunahme der Probleme, die sich mit dem schnellen Wachstum ergibt, nicht mehr kontrollieren. Was können wir alles unter unternehmerischen Fähigkeiten verstehen? Unter unternehmerischen Fähigkeiten wollen wir alles Persönliche verstehen, das Auslöser unserer gesamten unternehmerischen Aktivität sein kann. Oder anders ausgedrückt: Alles was „hinter“ unseren Handlungen steht. Die Persönlichkeit ist ein komplexes Gebilde. Wir versuchen jedoch, zwei Aspekte in den Vordergrund zu stellen: ̶

persönliche Eigenschaften, die sich aufgrund unseres Charakters ergeben, der neben unserer Herkunft stark von unserer Vergangenheit (Ausbildung, Beruf,...) geprägt ist. Z. B.: Kreativität, Pragmatismus, Durchsetzungsfähigkeit, Technikorientiertheit, usw.

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UNTIEFEN AUF DER SEEKARTE: ANSPRUCH UND REALITÄT

̶

Spezielles angeeignetes Wissen. Z. B. Wissen um die Konstruktion einzelner Produkte, Kenntnis von Unternehmensführungstechniken, Verständnis von personellen Aspekten im unternehmerischen Alltag usw.

Diese beiden Bereiche befruchten sich gegenseitig und sind ständig Gegenstand unserer Handlungen. Welche Fähigkeiten brauchen wir? Im 5. Kapitel wurden einige Eigenschaften und spezielle Wissensbereiche vorgestellt, die Grundvoraussetzungen für eine unternehmerische Tätigkeit sind. Diese Voraussetzungen sollten wir mitbringen. Je nachdem, wo wir hinwollen, brauchen wir darüber hinaus ganz spezielle Fähigkeiten. Abhängig davon, in welcher Phase unser Unternehmen ist, bzw. in welche Phase wir das Unternehmen bringen oder halten möchten, muss das Unternehmen anders gesteuert werden. Die entscheidende Frage ist, ob wir bereits über die „phasenspezifischen“ Eigenschaften verfügen, und falls nicht, ob wir diese erlernen können. Die phasenspezifischen Eigenschaften Nicht jeder ist Pionier und nicht jeder ist ein Verkäufertyp, der z. B. die Wachstumsphase des Unternehmens besonders gut ausschöpfen kann. Das nachstehende Beispiel zeigt eine gute Bandbreite von vorhandenen Eigenschaften: Beispiel Bei einem kleinen Unternehmen, das Kinderspielzeug herstellt, sind seit langem Umsatz und Gewinn rückläufig. Gemäß der Phasenüberlegungen aus dem 2. Kapitel befindet sich das Unternehmen in der Wendephase. Eine Unternehmensberatung wird beauftragt und kommt im Gespräch mit dem Inhaber zum Ergebnis: „Sie müssen den Verkauf mehr ankurbeln, sie müssen neue Produkte bringen oder neue Kunden gewinnen, sonst sind Sie in zwei Jahren nicht mehr da.“ Was bedeutet das für den Unternehmer? Wie wird er sein Verhalten ändern? Das Ergebnis der Beratung kann aufgrund unterschiedlicher Charaktere ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen:

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UNTIEFEN AUF DER SEEKARTE: ANSPRUCH UND REALITÄT Unternehmer 1 Unternehmer 1 ist zurückgezogen, sitzt lieber am Schreibtisch und denkt vorwiegend in Zahlen. Er wird nach dem Rat des Beraters nicht aufstehen und selbst zu den Kunden fahren. Er wird vielleicht eine Anzeige in die Zeitung setzen: „Suche Verkaufsleiter“. In der Zwischenzeit bis zur Einstellung werden die Kosten im Betrieb gesenkt. Der Unternehmer schöpft konsequent das aus, was noch zu holen ist. Fraglich ist, ob er einen für sein Unternehmen erfolgreichen Verkaufsleiter findet und ob er neue Produkte entwickeln kann. Die Zukunft ist ungewiss. Unternehmer 2 Einen anderen Unternehmer, der vielleicht auch zurückgezogen arbeitet und am meisten an seinem Schreibtisch zu finden ist, hat der Ratschlag aufgeweckt. Er analysiert zunächst akribisch den Markt: Wo liegen meine Stärken, wo meine Schwächen, wie ist die Zukunft einzuschätzen? Er erkennt vielleicht, dass das Unternehmen kaum weitere Chancen am Markt hat, er findet ein junges aufstrebendes Unternehmen in der Branche und fusioniert mit diesem zu guten Konditionen, weil er diesem Unternehmen, das vorher nichts selbst produziert hat, eine Produktionsstätte bietet. Das Unternehmen wächst: Der Unternehmer hat das Unternehmen zurück in eine anfängliche Wachstumsphase geführt. Unternehmer 3 Ein dritter Unternehmer bekommt seinen zweiten Frühling: Es ist ihm sowieso seit langem auf die Nerven gegangen, dass er sich soviel im Büro aufhält, er muss an die Front. Er delegiert interne Aufgaben an langjährige Mitarbeiter, frischt den Kontakt zu alten Kunden wieder auf, akquiriert neue, macht Sonderaktionen und stellt auf zusätzlichen Messen aus. Das Unternehmen wächst, aber wie lange wird der Unternehmer mit den alten Produkten, mit der alten Strategie erfolgreich sein? Da die alte Strategie gleich geblieben ist, hat der Unternehmer das Unternehmen „nur“ zum Ende einer Wachstumsphase zurückgeführt, die Reife (mit jedoch guter Rendite) ist bereits absehbar.

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UNTIEFEN AUF DER SEEKARTE: ANSPRUCH UND REALITÄT Unternehmer 4 Der vierte Unternehmer denkt ganz anders: Den Umsatz mit diesem alten Spielzeug ankurbeln? Ich gehe jetzt endlich an meine Idee, die ich schon seit zwei Jahren habe: Die Entwicklung einer Heizung des Kindersackes, der in den Kinderwagen liegt. Das ganze mit Fernbedienung, damit der Sack bzw. der Kinderwagen zum Warmhalten nicht immer umständlich in der Wohnung stehen muss. Der Unternehmer braucht nur drei Monate, um aus seiner Idee ein fertiges Produkt zu schustern. Bereits auf den ersten Messen, wo das Unternehmen sowieso ausstellt, wird die neue Idee ein absoluter Renner. Der Unternehmer hat das Unternehmen in eine neue Pionierphase zurückgeführt, die ihm nach kurzer Zeit ein längeres Wachstum bietet. In allen vier Beispielen wurde die Situation des Unternehmens verbessert. Entweder wurde der Umsatz nachhaltig angekurbelt und/oder die Rendite verbessert. Jeder hat es aber auf „seine“ Art gemacht. Die Persönlichkeit des Unternehmers war ausschlaggebend für die Strategie, die gewählt wurde. Ein zurückgezogener Unternehmer kann eben nicht die Ärmel hochkrempeln und von morgens bis abends Kunden besuchen. Ein Analytiker, der stark in Unternehmensbewertungen ist, hat keine „Pionierideen“. Nach unserem Phasenmodell könnten wir die unterschiedlichen Unternehmer beispielhaft nach ihren Stärken einteilen:

Eigenschaft/Stärken

am besten geeignet für Phase

Pionier

Unternehmer 4

Pionierphase

Verkäufer

Unternehmer 3

Wachstumsphase

Kostenbewusster Analytiker

Unternehmer 1

Reifephase

Sanierer/visionärer Stratege

Unternehmer 2

Wendephase

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UNTIEFEN AUF DER SEEKARTE: ANSPRUCH UND REALITÄT Sicherlich gibt es das Ideal vom Unternehmer, der in jeder Phase Stärken hat und somit allen Untiefen des Meeres erfolgreich ausweichen kann, aber wer ist schon ideal? Wir sehen schon: Abhängig von unseren Zielen und der damit verbundenen gewollten Unternehmensentwicklung (Unternehmensphase) unterstützt uns unsere vorhandene Persönlichkeitsstruktur oder sie steht uns im Weg. Ein risikobereiter Unternehmer, der stetig schnell wachsen möchte, muss pionierhaft agieren. Ist er von seinem Naturell her mehr ein Analytiker, besteht eine große Diskrepanz zwischen dem für seine eigene Zielerreichung erforderlichen Handeln und seinen eigenen Voraussetzungen. Das Unternehmen kann auf dem Weg hin zur gewünschten Phase und auch danach im Zeitverlauf mehrere Phasen durchlaufen. Idealtypisch müsste sich der Unternehmer phasenspezifisch Eigenschaften angewöhnen und Wissen aneignen. Fraglich ist, welche notwendigen Eigenschaften überhaupt erlernbar sind, und wenn, wie lange der Lernprozess dauert und wie viel er kostet.

9.2 Das Schiff und die Mannschaft brauchen den ganzen Kapitän Auf kleinen Schiffen durchdringt der Kapitän mit seiner Vision und seinem Verhalten fast alle Leistungen der Mannschaft und des Schiffes. Er entscheidet z. B. bei einem kleinen Segelboot: das Winterlager, den Zeitpunkt der Wasserung im Frühjahr, das Ausmaß der Renovierungsarbeiten und Neuanschaffungen, den Liegeplatz, die Auswahl der Mannschaft, den Zeitpunkt des Auslaufens, den Kurs, die Segel, die Segeleinstellungen, den Zeitpunkt von Wendemanövern, ... . Ist der Kapitän nicht bereit, sich voll für das Schiff einzusetzen, die vielfältigen Anforderungen aktiv an sich zu nehmen und kursgerichtet mit Kraft umzusetzen, verliert das Boot schnell seinen Kurs, es wird langsamer und schlussendlich in Seenot geraten. Der unternehmerische Alltag ist wie eine permanente Ausscheidungsregatta. Der passive Kapitän wird schnell überholt und das Schiff muss aufgegeben werden.

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UNTIEFEN AUF DER SEEKARTE: ANSPRUCH UND REALITÄT Die unterschiedlichen Phasen von kleinen und mittleren Unternehmen sollten vom Unternehmer leibhaftig mit Seele intensiv gefüllt werden: der Unternehmer darf nicht locker lassen, er muss ständig seinen Mitstreitern voraus sein, er muss in seiner Tätigkeit voll aufgehen, sich bestätigt fühlen, Freude an genau dieser Arbeit haben. Der notwendige, sehr intensive Einsatz ist nur durch die Identifikation mit der unternehmerischen Leistung möglich: Zwischen der Persönlichkeitsstruktur und den Tätigkeiten sollten keine größeren Diskrepanzen bestehen. Nur bei Harmonie, bei Gleichheit entsteht die exzellente Leistung, die zum Bestand im Wettbewerb notwendig ist: das Schiff und die Mannschaft brauchen den ganzen Kapitän. Bei dem hohen persönlichen Anteil an der Arbeit ist es fragwürdig, ob wir die aufgrund der unterschiedlichen Unternehmensphasen speziellen Persönlichkeitserfordernisse tatsächlich erlernen können: Die Pionierphase unseres Unternehmens ist heute nur dann erfolgreich zu meistern, wenn wir diese Phase intensiv mit unserer Persönlichkeit ausfüllen können, wenn wir eben selbst ein Pionier sind, der z. B. hochbegabt für technische Detailfragen in seinen Erfindungen aufgeht. Gelangt das Unternehmen in die Wachstumsphase, müssen wir auch diese Phase erschöpfend ausfüllen, wir müssen uns zu einem Verkäufer mit Leib und Seele entwickeln. Sicherlich sind einzelne persönliche Eigenschaften zu erlernen bzw. zu entwickeln. Wenn wir aber der Meinung sind, dass es für die langfristig erfolgreiche Unternehmensentwicklung darauf ankommt, dass der Inhaber nur durch einen sehr intensiven persönlichen Einsatz seinen Anforderungen gerecht werden kann, dann kann er nur die Phase erfolgreich führen, die seinem Naturell am nächsten ist. Diese Erkenntnis (Realität) schränkt unsere unternehmerische Manövrierfähigkeit bezüglich der gewollten Entwicklung (Anspruch) ein. Wie wir dennoch die Untiefen der unterschiedlichen Unternehmensphasen meistern können, wollen wir im nächsten Kapitel zeigen.

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10 Segeln in seiner schönsten Form Wir sind nur in der Phase erfolgreich, die wir intensiv persönlich besetzen können. Nur da macht es richtig Freude. Nur da sind wir auch richtig erfolgreich. Nur da, wo die Anforderungen an uns möglichst stark unserem Naturell entsprechen, wird sich eine langfristig stabile Unternehmensentwicklung einstellen. Aber wie können wir die Untiefen der unterschiedlichen Unternehmensphasen umfahren? Entscheidend ist, dass wir herausfinden: ̶

wohin wollen wir? ̶

welche persönlichkeitsbezogene Unternehmereigenschaften haben wir?

Die unterschiedlichen Ziele und die damit verbundenen, gewollten Unternehmensentwicklungen haben wir in den letzten Kapiteln beschrieben. Spezielle persönlichkeitsbezogene Eigenschaften haben wir ebenfalls skizziert und eine grobe Einteilung der Charaktere in Pionier, Verkäufer, Analytiker und Sanierer vorgenommen. Wir können nicht die Eigenschaften über die Ziele setzen. Die Ziele sind entscheidend. Werden diese nicht erreicht, entwickelt sich unabhängig von den Eigenschaften eine Unzufriedenheit. Erkennen wir, dass unsere Ziele nicht erreichbar sind, werden wir die Ziele reduzieren oder anders setzen. Wie vorsichtige, optimistische und risikobereite Kapitäne gemäß ihren Zielen am besten die unterschiedlichen Unternehmensphasen meistern können, haben wir in den letzten Kapiteln gezeigt. Aber unabhängig von den Zielen gilt das Postulat, dass wir auf unsere persönlichkeitsbezogenen Eigenschaften hören müssen: Konzentration auf die eigenen Stärken!

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SEGELN IN SEINER SCHÖNSTEN FORM Der Pionier Was sollen wir als Pionier am Ende der Pionierphase machen? Wir sollten, weil wir es können, eine neue aufbauen. Wir können innerhalb des Unternehmens einen neuen Geschäftsbereich entwickeln oder ein ganz neues Unternehmen aufbauen oder einen neuen Markt erschließen. Wenn wir langsam wachsen möchten, weil wir sehr vorsichtig sind, sollten wir entweder unser altes Unternehmen (unsere alte Idee) mit einem Verkäufer oder einem Strategen besetzen oder es selbst auf reduziertem Niveau strategisch führen oder es verkaufen, um Rücklagen für eine neue Idee zu haben. Wenn wir schnell wachsen möchten, sollten wir den gleichen Weg gehen, bloß aktiver und konsequenter, d. h. nicht mit verminderter Kraft das alte Unternehmen weiterführen, sondern möglichst schnell, bereits in der Mitte der Pionierphase das bestehende Geschäft abgeben und neue Pioniertätigkeiten umsetzen. Zusammenfassend bedeutet das: Die Aktivitäten des Pioniers sind unabhängig von der Risikobereitschaft die gleichen, die Ziele bestimmen Tempo und Grad der Konsequenz. Der Verkäufer Was sollten wir als Verkäufer am Ende der Wachstumsphase machen? Wir sollten, weil wir es können, eine neue aufbauen. Wir können innerhalb des Unternehmens nur dann eine neue Wachstumsphase erschließen, wenn wir strategisch ausgerichtet bereits im Verlaufe der Wachstumsphase eine Pionierphase in unserem Unternehmen installiert haben, z. B. durch Einstellen eines Pioniers. Oder wir kaufen ein Unternehmen, das am Anfang einer Wachstumsphase ist. Was sollen wir mit dem alten Unternehmen machen? Wir können es verkaufen oder mit Managementwissen kontrollieren und von anderen führen lassen, und zwar von Phasenspezialisten (Strategen). Auch hier gilt: Die Aktivitäten sind unabhängig von den individuellen Zielen gleich, die Ziele bestimmen jedoch Tempo und Grad der Konsequenz.

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SEGELN IN SEINER SCHÖNSTEN FORM Der Analytiker Was sollten wir als Analytiker am Ende der Reifephase machen? Wir sollten, weil wir es können, eine neue aufbauen. Innerhalb des Unternehmens gelingt uns das nur, wenn zeitlich gesehen zwei Phasen zuvor eine Pionieraktivität realisiert werden konnte. Ansonsten sollten wir ein Unternehmen übernehmen, das am Anfang einer Reifephase steht. Der Sanierer/visionärer Stratege Auch als Sanierer sollten wir am Ende der Restrukturierungsphase eine neue Sanierungsphase aufbauen. Und auch hier kann es im eigenen Unternehmen oder durch Zukauf möglich sein. Neue Phasen erschließen, alte weiterlaufen lassen Versucht z. B. der Pionier, den einzigen Geschäftsbereich seines Unternehmens am Ende der Pionierphase zurück zum Anfang dieser Phase zu bringen (völlig neue Innovation), wird automatisch das Potenzial der ablaufenden Phase verschenkt. Das Wachstum, das durch die ursprüngliche Idee erst am Ende der Pionierphase entsteht, wird nicht realisiert. Der Pionier soll ein neue Pionierphase schaffen, zusätzlich kann er die alte Phase nutzen: Durch die Delegation an einen entsprechenden Phasenspezialisten wird das Potenzial optimal ausgeschöpft und Rendite erwirtschaftet. Alternativ ist der Verkauf dieses Unternehmensbereiches vorstellbar. Die Herausforderung ist, dass sich der Unternehmer immer wieder seine Phase aufbaut. Der Pionier ist am erfolgreichsten in der Pionierphase, der Verkäufer in der Wachstumsphase usw. Am Ende einer Phase muss es ihm gelingen, eine neue, seiner Persönlichkeit entsprechende Phase aufzubauen. Management Know-how wird notwendig Damit wir in unserem Phasentyp (Pionier-, Wachstums-, Reife- oder Wendephase) bleiben können, wird ein gewisses Niveau an Management Know-how notwendig: Unabhängig davon, wie stark wir wachsen wollen und wie vorsichtig wir veranlagt sind, sollten durch unsere Aktivität auf-

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SEGELN IN SEINER SCHÖNSTEN FORM grund der Dynamik (Zeitkomponenten und deren Folgen) mehrere Unternehmensbereiche oder mehrere Unternehmen mit unterschiedlichen Phasen entstehen. Auch wenn es uns gelingen sollte, jeweils das vorhandene Unternehmen zu veräußern und zeitgerecht eine neue Phase zu erschließen, so brauchen wir doch eine sehr genaue Planung (zeitlich, finanziell, personell). Stärken weiter ausbauen Ein langfristiger Verbleib in unserer Phase macht einen Ausbau unserer phasenspezifischen Stärken besonders sinnvoll. Wir können unsere Stärken gezielt fördern und dadurch die Potenziale unserer Phasen noch besser ausschöpfen. Als technikbegeisterter Pionier sollten wir z. B. stärker unseren technischen Interessen folgen: Mitwirkung an universitären Projekten, Einrichtung eines eigenen Labors. Als marktorientierter Verkäufer sollten wir z. B. Verkaufsseminare besuchen und in Marketingverbänden aktiv mitarbeiten. Lernmotivation und Lernfähigkeit sind entscheidend Lernmotivation und Lernfähigkeit stellen sich als die beiden entscheidenden persönlichkeitsbezogenen Erfolgseigenschaften heraus. Wenn wir bereit sind, uns spezielles Management Know-how anzueignen, können wir erfolgreich mehrere Unternehmensbereiche oder sogar Unternehmen führen. Damit würden wir uns den Weg für den Verbleib in unserer „Wunschphase“ freimachen. Sind wir dann auch noch bereit, unsere persönlichen Stärken durch Weiterbildung auszubauen, werden wir eine strukturell wettbewerbsüberlegende Leistung in unserer Phase entwickeln. Verbunden mit einer gesunden Selbsterkenntnis können wir dann mit Freude und Erfüllung unser Unternehmen langfristig ganz nach unseren Wünschen ausrichten: Segeln in seiner schönsten Form.

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Der Autor Dr. Hans-Dietrich Reckhaus hat in St. Gallen Betriebswirtschaftslehre studiert und sich bereits 1993 in seiner Dissertation mit Erfolgsstrategien für Klein- und Mittelunternehmen beschäftigt. Seit 1995 ist er Geschäftsführer der Reckhaus GmbH & Co. KG, Bielefeld mit 50 Mitarbeitern und hält Seminare über erfolgreiche Führung in KMU an der Universität St. Gallen.

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Wachstumsphase

Reifephase

Unternehmer Hauptgegenstand der Unternehmertätigkeit Entwicklung einer aktives Erschließen Aufbau rationaler neuen Produktidee von Märkten und kostenorientierter Strukturen Besessenheit von: eigener Idee Umsatzmöglichrationalen keiten Gedanken Vorstellung von der Zukunft des Unternehmens, Strategie keine Vorstellung, optimistisch, teilklare Vorstellung keine Strategie weise träumerisch von den nächsten wird an die zukünfJahren; Entwicklung tige Größe des Unter- einer Strategie, nehmens gedacht; Verwerfung der keine klare, formualten Strategie lierte Strategie; nur Umsatzplanungen Finanz-/Kosten-Planung alles verfügbare Formulierung von Aufbau umfassenGeld wird in die Investitionsvorder KosteninformaIdee gesteckt, keine haben; grobe tionssysteme – Kostenkontrolle Finanzplanung, umfassende Finanzkaum Nachkalkuplanung lationen; kein umfassendes Kostenbewertungssystem Verkauftstätigkeit allein zuständig, aktiv mit anderen praktisch nicht kennt alle Kunden zuständig, kennt mehr, kennt nur sehr viele Kunden Großkunden Kenntnis/Delegation von Geschäftsvorfällen kennt alle Vorfälle; wenig Interesse an großes Interesse für praktisch keine innerbetrieblichen alle Vorfälle; strukDelegation Vorfällen; Versuch turierte, kontrollierder Delegation te Delegation Organisation/Struktur organisiert alle zusammen mit Innen-Aufbau einer Bereiche selbst; einem Innendienst- rationalen Organikeine Organisaleiter und einem sationsstruktur tionsstruktur Produktionsleiter erkennbar; Struktur erkennbar organisiert er alle wird von rationalen Bereiche selbst; Abläufen geprägt Struktur wird von einzelnen Personen geprägt Kontakt Lieferanten,Behörden verhandelt mit allen verhandelt mit praktisch keine Parteien selbst vielen; Versuch der Verhandlung mehr; Delegation alles Delegation

Pionierphase

bei wichtigen Gesprächen ist er wieder Gesprächspartner

Abbau von Funktionsbereichen; stärkere Organisationskonzentration auf Unternehmer; Struktur wird von Kostendenken geprägt

sehr großes Interesse für alle Vorfälle; wenig Delegation

wieder teilweise aktiv, besucht Großkunden

Nachlassende Nutzung der vorhandenen Systeme

keine Vorstellung, keine Strategie; nur Umsatzplanung

Angst

Kosten senken; Niedergang vermeiden

Wendephase

Wachstumsphase

Reifephase

Anzahl der Mitbewerber praktisch nicht gering vorhanden Preisniveau niedrig, Kosten stark steigend, werden nicht Kostendeckung eingefahren Werbeausgaben uneinheitlich, aber mäßig, steigen gering schwächer als Umsatz Erschließung neuer Märkte nein ja, aktiv, wesentlicher Bestandteil der Verkaufstätigkeit Markttransparenz des Unternehmens kaum vorhanden fast vollständig

uneinheitlich, stark abnehmend

nein

sehr hoch

ja, aber nur versuchsweise, meistens von außen angeregt

abnehmend

stark fallend, Kosten werden teilweise nicht gedeckt

fallend, Kosten können eingefahren werden

vollständig

sehr hoch

kein Vorteil mehr vorhanden

Reduzierung: keine Zusatzprodukte, weniger Formen bei Hauptprodukt

sehr hoch

viele Kunden; nur alte Kunden

hoch

rückläufig

Wendephase

mäßig bis hoch

Marktstellung Umsatzentwicklung: in den letzten 2 Jahren/nahe Zukunft sprunghaft, zaghaft stark zunehmend stagnierend Marktanteil nicht vorhanden schwach sehr hoch Kundenanzahl/-art nur einzelne viele Kunden; sehr viele Kunden; Kunden; überwiegend wenige Neukunden alles Neukunden Neukunden Bekanntheitsgrad des Angebotes nicht vorhanden schwach sehr hoch Typologie des Gesamtangebotes ein Hauptprodukt ein Hauptprodukt ein Hauptprodukt in einer Form in mehreren in vielfältigsten Formen, wenige Formen, viele Zusatzprodukte Zusatzprodukte Konkurrenzvorteil des Angebotes sehr hoch hoch niedrig

Pionierphase

Seekarte zur individuellen Positionsbestimmung

Wachstumsphase

„Unser Chef zeigt uns einzigartige Visionen auf.“

von hohem Niveau

stark steigend, Funktionsspezialisten werden eingestellt

„Unternehmen bietet uns einen interessanten und sicheren Arbeitsplatz.“

mäßig, hauptsächlich sachbezogen, selten

Verwaltung

Kapitalstruktur Liquidität sehr schlecht befriedigend bis gut sehr gut Fremdkapitalniveau im Vergleich zum Eigenkapital sehr ungünstig mäßig gut bis sehr gut

schlecht

sehr schlecht

gut bis ungenügend, aber gewisse Instrumente sind vorhanden

Aufgaben werden aufgeteilt

abnehmende Strukturierung und Prüfung

abnehmend

vollständige Automatisierung

keine Überstunden

sehr niedrig

„So schnell können wir nicht entlassen werden.“

schlecht, regelmäßig

Verwaltung

abnehmende professionelle Arbeitsorganisation

uneinheitlich

ausschließlich über Anzeigen/Berater

professionelle Arbeitsorganisation

rückläufig

Wendephase

stagnierend hoch

Reifephase

Motivationshöhe sehr hoch, aber sehr hoch und stabil mäßig und stabil nicht stabil Anzahl Überstunden sehr hoch hoch praktisch kaum Überstunden Produktion/Technologie Automatisierungsgrad der Produktion praktisch nicht stark steigend, aber vollständige vorhanden immer noch relativ Automatisierung viel „Handarbeit“ Leistungsfähigkeit der Technologie/Fertigungsqualität sehr gering hoch sehr hoch Strukturierung/Prüfung der Arbeitsabläufe praktisch nicht die meisten Abläufe vollständige vorhanden sind strukturiert, Strukturierung, alles aber nicht geprüft ist geprüft Sicherheitsbeauftragter nein Aufgaben werden ja aufgeteilt Einhaltung von Umweltschutzauflagen nein ausreichend bis gut ungenügend

Motivationsmotto „Wir haben eine tolle Idee.“

Mitarbeiter/Motivation Anzahl Mitarbeiter sehr gering stark wachsend Einstellungen persönliche persönliche Kontakte Kontakte; erste Anzeigen (Printmedien) Qualifikation sehr gering für mäßig, „normale“Aufgaben, überwiegend evtl. sehr hoch bzgl. „allround“der Produktidee Ausbildung Arbeitsorganisation praktisch nicht Einführung von vorhanden Stellenbeschreibungen, ansonsten kaum Organisation Schwerpunkt der Arbeitsverwaltung Entwicklung Produktion/Logistik Persönlicher Kontakt zur Führungsspitze sehr gut, sehr sehr gut, weniger intensiv intensiv

Pionierphase