Wahlrecht für Ausländer: Zugleich ein Beitrag zum Volksbegriff des Grundgesetzes [1 ed.] 9783428435753, 9783428035755

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Wahlrecht für Ausländer: Zugleich ein Beitrag zum Volksbegriff des Grundgesetzes [1 ed.]
 9783428435753, 9783428035755

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 287

Wahlrecht für Ausländer Zugleich ein Beitrag zum Volksbegriff des Grundgesetzes

Von

Manfred Birkenheier

Duncker & Humblot · Berlin

MANFRED BIRKENHEIER

Wahlrecht für Ausländer

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 287

Recht

Wahlrecht für Ausländer Zugleich ein Beitrag zum Volksbegriff des Grundgesetzes

Von

Dr. Manfred Birkenheier

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed i n Germany I S B N 3 42a 03675 5

Inhaltsverzeichnis Einleitung

9

Erster Teil

Das Wahlrecht zum Bundestag 1. Abschnitt: Zulässigkeit der Einräumung an Ausländer de Constitutione lata

des Wahlrechts

zum Bundestag

1. K a p i t e l : Aktives Wahlrecht

14

A . Das geltende Gesetzesrecht u n d sein Verhältnis zur Verfassung

14

I . Der Normenbefund

14

I I . Regelungsdefizit der Verfassung?

16

B. Die Wahlrechtsgrundsätze des A r t . 38 I GG

.

...

I. Gleichheit der W a h l

16 16

I I . Allgemeinheit der W a h l

17

C. Der Zusammenhang von A r t . 38 u n d A r t . 20 G G I. W a h l u n d Demokratie

19 19

I I . Die Verwendung des Begriffes V o l k i m Grundgesetz I I I . Die Verschiedenheit der Volksbegriffe A r t . 20 I I 2 GG

14

i n A r t . 20 I I 1 u n d

D. Der Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG I. Die heutige Lehre I I . Die Entstehungsgeschichte I I I . Systematische Interpretation des Volksbegriffs

21 22 23 23 24 25

1. V o l k ohne adjektivischen Zusatz

25

2. V o l k als „deutsches V o l k " a) Der Begriff des Deutschen nach A r t . 116 I G G b) Staatenordnung u n d Staatsangehörigkeit als Verfassungsvoraussetzung c) Die Möglichkeit eines Umkehrschlusses von „deutsches V o l k " auf „ V o l k " d) Präambel u n d A r t . 146 GG e) A r t . 56, 64 I I G G

26 26 27 30 31 33

Inhaltsverzeichnis

6

3. V o l k i n substantivischen Zusammensetzungen

33

4. A r t . 20 I V GG

34

5. A r t . 33 I GG

35

6. A r t . 25 GG a) Der Normadressat b) Wahlrecht u n d allgemeine Hegeln des Völkerrechts

38 38 39

7. Die politischen Grundrechte

42

I V . Der demokratische Volksbegriff

43

1. Das V o l k als Subjekt der demokratischen Staatsordnung

43

2. Der Demokratiebegriff des Verfassunggebers

44

3. Die ideengeschichtlichen Grundlagen der Demokratie des Grundgesetzes a) Volksbegriff u n d Parlamentarismus b) Volksbegriff u n d Repräsentation c) Das V o l k der demokratischen Volkssouveränität

46 46 47 50

4. Souveränes V o l k u n d der Begriff des Staatsvolkes a) Das V o l k als Element des Staates b) Gesellschaftsvolk u n d Gemeinschaftsvolk c) Die Gesamtheit der Staatsangehörigen d) Das souveräne V o l k als egalitäres Verbandsvolk e) Demokratie u n d Nationalstaat f) Verbandsvolk u n d Gebietszugehörigkeit

51 51 53 55 56 59 60

V. Die Staatsangehörigkeit Gleichheit

als

Voraussetzung

demokratischer

62

1. Die Besonderheit des Ausländerstatus a) Der Aufenthaltsstatus b) Der Pflichtenstatus aa) Die Wehrpflicht bb) öffentliche Ehrenämter cc) T r e u - u n d Gehorsamspflicht dd) Steuerpflicht ee) Sonstige Pflichten

62 62 64 64 66 66 67 68

2. Der Sonderstatus des europäischen Marktbürgers

68

3. Staatsangehörigkeit u n d nationale Minderheit

70

4. Historische Beispiele f ü r ein Ausländerwahlrecht a) U S A b) Die sowjetische Verfassung v o n 1918 c) A r t . 26 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes v o n 1920 d) Sonstige Beispiele 5. Das V o l k des A r t . 20 I I 1 GG als Bundesvolk

71 71 72

E. Wahlrecht u n d Grundrechte I. Grundrechte u n d demokratische Staatsordnung I I . E x k u r s : A r t . 3 GG u n d Staatsangehörigkeit 1. A r t . 3 I I I G G 2. A r t . 3 I G G

73 74 75 76 76 78 79 80

Inhaltsverzeichnis F. Wahlrecht u n d Sozialstaatsprinzip

80

G. Ergebnis

82

2. K a p i t e l : Passives Wahlrecht

82

A . Gesetzeslage u n d verfassungsrechtliche Problemstellung

82

I. Die Gesetzeslage

82

I I . Umkehrschluß aus A r t . 54 12 GG?

83

I I I . Die Argumentation f ü r das passive Wahlrecht der Ausländer . . .

84

B. Die demokratische Repräsentation nach A r t . 20 I I GG

85

C. öffentliches A m t u n d demokratisches Mandat

87

D. Ergebnis

89

2. Abschnitt: Zulässigkeit der Einräumung des Wahlrechts tag an Ausländer de Constitutione ferenda

zum

Bundes90

A . A r t . 79 I I I GG u n d das demokratische Prinzip

90

B. Die Konsequenzen der Unzulässigkeit einer Verfassungsänderung . .

92

I. Wechsel der Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit

92

I I . Grundgesetz u n d europäische Einigung

93

1. Die Bedeutung des A r t . 24 GG

93

2. Notwendigkeit der Verfassungsänderung?

95

I I I . Die Einbürgerung

96

Zweiter

Teil

Das Wahlrecht zu den Landtagen 1. Abschnitt: Ausländer

Zulässigkeit der Verleihung de Constitutione lata

des Landtagswahlrechts

an

98

A . Die Regelung der Landesverfassungen

98

B. Die Verfassungslage nach dem Grundgesetz

99

I. Die Forderungen des Grundgesetzes an die Landesverfassungen I I . Bundesstaat u n d demokratische Egalität

99

I I I . Die Abgrenzungsfunktion des A r t . 33 I G G 2. Abschnitt: Ausländer

Zulässigkeit der Verleihung de Constitutione ferenda

des Landtagswahlrechts

99

101 an

102

8

Inhaltsverzeichnis Dritter

Teil

Das Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen 1. Abschnitt: Ausländer

Zulässigkeit der Verleihung de Constitutione lata

des Kommunalwahlrechts

an

103

A . Das Problem

103

B. Gemeinde u n d Staat

106

I . Staat u n d Gesellschaft

106

I I . Die historische Stellung der Gemeinde i m Verhältnis zu Staat u n d Gesellschaft 110 1. Die Zeit v o r 1918

110

2. Die Lage zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung

111

I I I . Die Stellung der Gemeinde nach dem Grundgesetz

112

1. Die institutionelle Garantie des A r t . 28 I I GG 2. Die Legitimationsgrundlage der Gemeinde a) Selbstverwaltung u n d A r t . 20 I I 1 GG b) Die örtliche Gemeinschaft c) Die Gemeinde u n d der Volksbegriff des A r t . 28 I 2 G G . .

112 113 113 115 116

3. Der gestufte demokratische Staatsaufbau a) Die Staatshomogenität der K o m m u n e n b) Gemeindebürgerschaft u n d Staatsbürgerschaft

118 118 120

4. Gemeinde u n d gesellschaftliche Organisationsformen

121

5. A r t . 28 I 2 GG als „demokratische Mindestverbürgung"?

125

C. Die Regelungen der Länderverfassungen

126

D. Ergebnis

128

2. Abschnitt: Ausländer

Zulässigkeit der Verleihung de Constitutione ferenda

des Kommunalwahlrechts

an 129

Schluß I. Rechtspolitische Anmerkungen I I . Der differenzierte Volksbegriff des Grundgesetzes

133 134

1. Die Differenzierung unter territorialem Aspekt

135

2. Die Differenzierung unter demokratisch-funktionellem Aspekt

136

3. Die einheitliche personelle Komponente des Volksbegriffs

136

Literaturverzeichnis

138

Einleitung Die Rechtsstellung der Ausländer i n der Bundesrepublik Deutschland ist i n den letzten Jahren zunehmend Gegenstand politischer, aber auch rechtswissenschaftlicher Erörterungen geworden. Die Diskussion wurde ausgelöst durch den ständigen und rapiden Anstieg der Anzahl ausländischer Bewohner des Bundesgebietes, wie er insbesondere i m Laufe des letzten Jahrzehnts zu verzeichnen war. Dieser Bevölkerungszuwachs resultierte i m wesentlichen aus dem Bedarf an Arbeitskräften, der i n der bundesdeutschen Wirtschaft bis vor kurzem bestand und der die Bundesrepublik als Arbeitsplatz für ausländische Arbeitnehmer attraktiv machte. Der Import von Arbeitskräften befriedigte aber nicht nur die Bedürfnisse der Wirtschaft, sondern schuf zunehmend, nicht zuletzt dadurch, daß die ausländischen Familien ihrem Ernährer folgten, Integrationsprobleme für Staat und Gesellschaft, deren Gewicht durch die einschlägigen Zahlen deutlich wird: Ende September 1974 lebten i m Bundesgebiet rund 4,1 Millionen Ausländer 1 . A m 30. 9. 1970 waren es erst 2,97 Millionen gewesen 2 . Ein beträchtlicher Teil der ausländischen Arbeitnehmer hält sich bereits seit mehreren Jahren hier auf. So sollen etwa 2 4 % von ihnen bereits seit fünf Jahren, 10 % sogar schon seit zehn Jahren i n der Bundesrepublik leben 3 . Unter dem Eindruck dieser Zahlen hat sich die politische und rechtswissenschaftliche Diskussion schon bald nicht mehr auf die Fragen der sozialen Integration der Ausländer beschränkt, sondern sich auch dem Problem ihrer politischen Rechte und ihrer politischen Repräsentation zugewandt. I n den Vordergrund der Überlegungen ist dabei auch ihre Beteiligung an der Wahl der staatlichen und kommunalen Vertretungs1 Angabe des Statistischen Bundesamtes nach einer Meldung der Süddeutschen Zeitung v o m 30.10.1974, S. 1 ; die Dunkelziffer der sich illegal i m B u n desgebiet aufhaltenden Ausländer ist h i e r i n nicht erfaßt. M i t einem A n t e i l von 2 5 % (1,02 Millionen) bilden die T ü r k e n die stärkste Gruppe. Es folgen die Jugoslawen m i t 17 °/o, Italiener m i t 15 % , Griechen m i t 10 % u n d Spanier m i t 7 % . Weitere statistische Angaben für frühere Stichtage bei Dolde, Ausländer, S. 15 u n d Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 51, Fußn. 3; i n der jüngsten Zeit sind die Zahlen infolge des Anwerbestops f ü r ausländische Arbeitnehmer und die weniger günstige Wirtschaftslage leicht rückläufig. 2 Statistisches Jahrbuch 1971, S. 42. 3 Diese Prozentzahlen w u r d e n 1973 von der Bundesanstalt f ü r Arbeit v e r öffentlicht; vgl. Ruland, S. 10 m. w. N.

10

Einleitung

körperschaften gerückt. Diese Teilnahme ist inzwischen wiederholt Gegenstand politischer Forderungen, die ein Teil des rechtswissenschaftlichen Schrifttums m i t juristischen Argumenten zu untermauern sucht. Die Forderung nach dem Wahlrecht für Ausländer stellt eine gleichsam selbstverständliche staatsrechtliche Tradition i n Frage. Das Wahlrecht war i n Deutschland i n der Vergangenheit zwar schon immer Gegenstand verfassungspolitischer und verfassungsrechtlicher Auseinandersetzungen. Erinnert sei nur an den Kampf, der i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um das allgemeine Wahlrecht als der Gegenposition zu dem damals überall geltenden Zensus- und Klassenwahlrecht ausgetragen und der i m Zuge der politischen Umwälzungen, die sich dem ersten Weltkrieg anschlossen, mit Einführung der Demokratie durch die Weimarer Reichsverfassung zugunsten des allgemeinen Wahlrechts entschieden wurde. Diese Auseinandersetzungen basierten jedoch auf einer Voraussetzung, die, wie schon i n der Tradition des 19. Jahrhunderts, auch i n der modernen Demokratie bisher unumstritten war: daß das politische Wahlrecht nur Staatsangehörigen zustehe. A n diesem Grundsatz haben die Wahlgesetze und teilweise auch ausdrücklich die Verfassungen sowohl i n Deutschland als auch i n den anderen Staaten — von wenigen, auf besonderen Bedingungen beruhenden Ausnahmen abgesehen4 — bis heute festgehalten. Die Verleihung des Wahlrechts an Ausländer erweist sich vor diesem Hintergrund nicht nur als ein politisches, sondern vor allem als ein verfassungsrechtliches Problem, dem die vorliegende Arbeit für das geltende Verfassungsrecht der Bundesrepublik - Deutschland nachgehen will. Nach den bisher vorgetragenen Reformvorstellungen w i r d das Wahlrecht nicht unterschiedslos für alle Ausländer, die sich i m Bundesgebiet aufhalten, sondern nur für diejenigen unter ihnen, deren Aufenthalt sich bereits über einen längeren Zeitraum erstreckt, gefordert. Der Schwerpunkt der Diskussion liegt dabei nicht auf dem Wahlrecht zum Bundestag oder zu den Landtagen, sondern auf dem Gemeindewahlrecht. Die Änderungsvorschläge schwanken hinsichtlich der Mindestaufenthaltsdauer, die Voraussetzung der Verleihung des Kommunalwahlrechts sein soll. Teilweise w i r d ein Aufenthalt i m Bundesgebiet von ein bis drei Jahren 5 für ausreichend erachtet, u m die für die Ausübung 4

Vgl. dazu 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap. D V 4. Sasse, S. 54 (zunächst n u r f ü r Angehörige von Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft); zwei Jahre: Vorschlag der Europa-Union Hessen nach Frankfurter Rundschau v o m 6. 5. 1970, S. 15, ebenfalls begrenzt auf EG-Angehörige (zit. nach Dolde, Ausländer, S. 78, Fußn. 44); drei Jahre: Henkel, Integration, S. 115; drei Jahre Aufenthalt i n der Gemeinde: FDP Baden-Württemberg nach Süddeutsche Zeitung v o m 18. 11. 1974, S. 5. 5

Einleitung des W a h l r e c h t s e r f o r d e r l i c h e V e r t r a u t h e i t m i t d e n V e r h ä l t n i s s e n i m W a h l g e b i e t sicherzustellen. A n d e r e v e r l a n g e n e i n e n M i n d e s t a u f e n t h a l t v o n f ü n f Jahren i m Bundesgebiet6 bzw. i n einer b e s t i m m t e n Gem e i n d e 7 . Schließlich w i r d auch e i n M i n d e s t a u f e n t h a l t i m B u n d e s g e b i e t v o n zehn Jahren bei mindestens f ü n f j ä h r i g e m A u f e n t h a l t i n einer bestimmten Gemeinde befürwortet 8. D e r G e f a h r , daß m ö g l i c h e r w e i s e zwischen verschiedenen A u s l ä n d e r g r u p p e n bestehende n a t i o n a l e K o n f l i k t e ü b e r n a t i o n a l e L i s t e n i n d e n G e m e i n d e r a t h i n e i n g e t r a g e n w e r d e n u n d d a d u r c h das I n t e g r a t i o n s z i e l d e r V e r l e i h u n g des W a h l r e c h t s gerade v e r e i t e l t w e r d e n k ö n n t e , s o l l nach e i n e m T e i l d e r R e f o r m v o r s t e l l u n g e n d a d u r c h begegnet w e r d e n , daß die A u s l ä n d e r n u r f ü r ( m e h r h e i t l i c h ) deutsche politische G r u p p i e r u n g e n s t i m m e n u n d n u r ü b e r sie k a n d i d i e r e n d ü r f e n 9 , oder daß sie ü b e r h a u p t n u r das a k t i v e W a h l r e c h t e r h a l t e n 1 0 . E i n e M i n d e s t a u f e n t h a l t s d a u e r , d i e ü b e r d i e D r e i m o n a t s f r i s t des § 12 B W a h l G 1 1 h i n a u s g e h t , w i r d auch f ü r d i e V e r l e i h u n g des B u n d e s t a g s w a h l r e c h t s u n d entsprechend auch des L a n d t a g s w a h l r e c h t s f ü r e r f o r d e r lich gehalten12. β Rolvering, S. 111; Dolde, Ausländer, S. 78; FDP Hamburg nach Frankfurter Rundschau v o m 3.12.1971, S. 4 (zit. nach Dolde, Ausländer, S. 78, Fußn. 44). 7 Beschluß der Kommunalpolitischen Bundeskonferenz der SPD v o m 13. 10. 1974, nach Süddeutsche Zeitung v o m 14.10.1974, S. 5. 8 Kevenhörster, S. 68, i m Anschluß an einen entsprechenden Gesetzentwurf, der dem belgischen Repräsentantenhaus vorliegen soll. I n Schweden soll eine Gesetzesnovelle i n A r b e i t sein, die f ü r Gastarbeiter nach zweijährigem A u f enthalt das aktive u n d passive Kommunalwahlrecht vorsieht (nach Der Spiegel Nr. 38/1974, S. 121). I n den Niederlanden soll es schon 1970 ähnliche Bestrebungen gegeben haben (nach Frankfurter Rundschau v o m 9. 2. 1970, S. 1; zit. nach Dolde, Ausländer, S. 77, Fußn. 34), die aber bisher offensichtlich noch zu keinem Ergebnis geführt haben. Die Beratende Versammlung des Europarates hat i n einem Beschluß v o m Herbst 1973 empfohlen, allen Gastarbeitern nach fünf Jahren Aufenthalt, davon drei Jahre am selben Ort, das aktive (nicht auch das passive) Kommunalwahlrecht zu verleihen (nach Der Spiegel Nr. 38/ 1974, S. 121). Das soweit ersichtlich einzige Beispiel eines bereits v e r w i r k l i c h t e n Kommunalwahlrechts f ü r Ausländer findet sich i m Schweizer K a n t o n Neuenburg. D o r t haben Ausländer i n Gemeindesachen nach f ü n f j ä h r i g e m Wohnsitz i m K a n t o n u n d einjährigem Wohnsitz i n der Gemeinde Stimmrecht, allerdings nicht passives Wahlrecht: vgl. Moser, S. 350; Giacometti, S. 187, Fußn. 11; Jagmetti, S. 293. Die i n der L i t e r a t u r öfter genannten Kantone Thurgau u n d Freiburg gehen jedoch nicht soweit. I m m e r h i n kann nach § 7 I I der Thurgauer Kantonsverfassung Ausländern das S t i m m - u n d Wahlrecht i n Gemeindesachen verliehen werden, vgl. Jagmetti, S. 293; bis 1904 erhielten Ausländer i m selben K a n t o n nach einjähriger Niederlassung das Stimmrecht i n Angelegenheiten, welche die Gemeindeökonomie betrafen, vgl. Giacometti, S. 187, Fußn. 11; nach Schweizer Recht ist die Teilnahme von Ausländern an der staatlichen Willensbildung jedoch ausgeschlossen, vgl. Giacometti, S. 185 ff. 9 Henkel, Integration, S. 113. 10 Kevenhörster, S. 67; Schleberger, S. 599. 11 Bundeswahlgesetz v o m 7. 5. 1956 (BGB1. I S. 383) i. d. F. d. G. v o m 7. 7.1972 (BGBl. I, S. 1100, ber. S. 1534). 12 Zuleeg, DVB1.1974, S. 349.

12

Einleitung

Hinsichtlich der Ausgestaltung des Wahlrechts i m einzelnen sind die Reformvorstellungen nicht weiter präzisiert. Sie setzen jedoch, soweit es sich bei dem betroffenen Personenkreis nicht u m Angehörige von M i t gliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft handelt, die nach europäischem Gemeinschaftsrecht einen Sonderstatus innehaben 13 , eine Liberalisierung des Aufenthaltsrechts der Ausländer voraus 14 . Die Argumente für die Verleihung des Wahlrechts i m einzelnen bedürfen an dieser Stelle keiner ausführlichen Erörterung, da auf sie i m Laufe der Untersuchung einzugehen sein wird. Als ihr Tenor kann jedoch festgehalten werden, die Ausländer seien nach mehrjährigem Aufenthalt i m Bundesgebiet von den politischen Entscheidungen i n vergleichbarer Weise wie die Deutschen betroffen. Die Verleihung des Wahlrechts sei von daher geradezu ein Gebot demokratischer Konsequenz. Darüber hinaus werden die Ausländer als eine sozial besonders benachteiligte Gruppe angesehen, die des Wahlrechts als Vehikel zur Durchsetzung ihrer Interessen bedürfe. Für die Gemeindeebene leuchtet der K r i t i k die Beschränkung des Wahlrechts auf Deutsche angesichts des auf den örtlichen Rahmen und überwiegend auf die „Daseinsvorsorge" begrenzten Aufgabenkreises der Gemeinde noch weniger ein. Das Wahlrecht für EG-Angehörige w i r d daneben als sinnvoller Schritt i n Richtung auf die europäische Einigung gewertet. Die folgende Untersuchung über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verleihung des Wahlrechts zu den staatlichen und kommunalen Vertretungskörperschaften an Ausländer legt den Begriff des Ausländers zugrunde, wie er i n der Legaldefinition des § 1 I I des Ausländergesetzes vom 28. 4. 196515 umschrieben ist: „Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher i m Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist." Die Deutschen i m Sinne von Art. 116 I GG besitzen nach sämtlichen geltenden Wahlgesetzen das Wahlrecht ohnehin. Da das Grundgesetz i n Art. 116 I vom Fortbestehen einer einheitlichen gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit ausgeht 16 , sind damit auch die Bürger der DDR und die Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten, sofern sie das gesetzliche Aufenthaltserfordernis erfüllen, wahlberechtigt. A u f die Probleme, die sich aus der besonderen Rechtslage Deutschlands ergeben, braucht i m vorliegenden Zusammenhang daher nicht zentral eingegangen zu werden. Diese Fragen werden nur berücksichtigt, so13 Dazu 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap. D V 2; eine aufenthaltsrechtliche Sonderstellung nehmen auch die heimatlosen Ausländer i m Sinne von § 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer i m Bundesgebiet v o m 25. 4.1951 (BGBl. I, S. 269) ein. 14 Vgl. Behrend, S. 378; Henkel, Integration, S. 116; Kevenhörster, S. 67. 15 B G B l . I, S. 353. 16 Vgl. BVerfGE 36,1, 30 ; kritisch Rumpf, S. 203 ff.

Einleitung weit sie für die Auslegung einzelner Grundgesetzbestimmungen von Bedeutung sind. Nicht unter das Thema der Arbeit fallen desweiteren schon nach § 1 I I AuslG Personen m i t mehrfacher Staatsangehörigkeit, sofern sie auch Deutsche i m Sinne des Art. 116 GG sind. Der sachliche Gegenstand der Arbeit ist das Wahlrecht zum Bundestag, zu den Landtagen (Bürgerschaften) und zu den Kommunalvertretungen. Nicht berücksichtigt werden also all jene Formen rein informeller und beratender Einflußnahme auf die Entscheidungen der genannten Vertretungskörperschaften, die Ausländern bereits nach geltendem Recht offenstehen. Außerhalb der Betrachtung bleiben demnach insbesondere die individuellen Möglichkeiten der Anhörung und beratenden M i t w i r k u n g von Ausländern auf Gemeindeebene 17 , die Wahl sogenannter Ausländerparlamente ebenfalls auf kommunaler Ebene, wie sie bereits i n mehreren deutschen Städten m i t unterschiedlichem Erfolg vorgenommen wurde 1 8 , sowie die Modelle, die ein gestuftes System der Ausländerrepräsentation über Koordinierungskreise und Beiräte mit beratender Funktion auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vorsehen 1 9 .

17 I n Baden-Württemberg können Ausländer als sachkundige Einwohner v o m Gemeinderat bzw. Kreistag zu den Beratungen einzelner Angelegenheiten zugezogen werden (§§ 10 I, 33 I I GemO; 9, 23 I L K O ) . Sie können darüber hinaus als beratende Mitglieder i n die beschließenden Ausschüsse (§§ 40 I 4 GemO, 27 I 3 L K O ) u n d als Vollmitglieder i n die beratenden Ausschüsse (§§ 41 I 3 GemO, 28 I 3 L K O ) berufen werden. Ähnliche Bestimmungen gibt es i n Niedersachsen; vgl. Henkel, Integration, S. 97 f. m. w. N.; die A n h ö r u n g von Ausländern erlaubt auch § 50 I I I SaarlKSVG (i. d. F. d. Bekanntmachung v o m 2.1.1975, A B l . S. 49). 18 Die Ausländerparlamente (ζ. B. i n Troisdorf, Nürnberg, Offenbach, Wiesloch/Walldorf) haben rein beratende F u n k t i o n i n Fragen, die Ausländer betreffen; z. T., jedoch nicht überall, ist ein Anhörungsrecht gegenüber dem Gemeinderat gegeben. Z u den bisherigen Erfahrungen m i t dieser Einrichtung vgl. Henkel, Integration, S. 97; Sasse, S. 13; Kevenhörster, S. 64 f. 19 Vgl. Henkel, Integration, S. 95 f.; Kevenhörster, S. 69 ff.

ERSTER T E I L

Das Wahlrecht z u m Bundestag

1. Abschnitt

Zulässigkeit der Einräumung des Wahlrechts zum Bundestag an Ausländer de Constitutione lata 1. KAPITEL: AKTIVES WAHLRECHT A. Das geltende Gesetzesrecht und sein Verhältnis zur Verfassung I. Der Normenbefund Eine A n t w o r t auf die Frage, ob Ausländern das aktive Wahlrecht zum Bundestag verliehen werden kann, läßt sich aus dem Grundgesetz nicht auf den ersten Blick entnehmen. Der für die Bundestagswahl einschlägige A r t . 38 GG regelt i n seinem Absatz 2 die Wahlberechtigung nur insoweit, als er die Vollendung des 18. Lebensjahres zur Voraussetzung erhebt. Die Abgeordneten werden zwar i n A r t . 38 I GG als solche des „Deutschen" Bundestages bezeichnet. Dies erlaubt jedoch nicht den Schluß, die Wähler und Abgeordneten dürften ausschließlich Deutsche sein. A r t . 38 I GG n i m m t m i t der Formulierung „Deutscher Bundestag" nur die Staatsbezeichnung des A r t . 20 I GG wieder auf, drückt also eine Zuordnung von Staatsorgan und Staat aus. Der Name des Staates dokumentiert nur Grundentscheidungen i n bezug auf die Staatsform („Bundesrepublik"), nicht aber verfassungsrechtliche Details 1 . I m übrigen sagt Art. 38 GG nicht ausdrücklich, daß das Wahlrecht auf Deutsche beschränkt bzw. Ausländer von i h m ausgeschlossen seien. Diese Beschränkung findet sich ausdrücklich auch i n keiner anderen Grundgesetzbestimmung 2 . Sie w i r d explizit erst durch § 12 I BWahlG 1

Vgl. Wernicke , B K , I I 1 a zu A r t . 20 GG (Erstbearb.).

Α. Das geltende Gesetzesrecht

15

ausgesprochen. Danach besitzen das Wahlrecht zum Bundestag alle über 18 Jahre alten Deutschen i m Sinne des A r t . 116 I GG, die seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt i m Wahlgebiet 3 haben 4 . Für die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 12 I BWahlG kommen folgende Möglichkeiten i n Betracht: — erstens seine Verfassungswidrigkeit, wenn das Grundgesetz die Einräumung des Wahlrechts an Ausländer gebietet; das i n A r t . 38 I I I GG vorgesehene Ausführungsgesetz darf den von der Verfassung vorgegebenen Kreis der Wahlberechtigten nur konkretisieren, nicht aber einschränken 5 . — Zweitens die Verfassungsmäßigkeit des § 12 I BWahlG, wenn das Grundgesetz Ausländer vom Wahlrecht ausschließt, — drittens Verfassungsmäßigkeit des § 12 BWahlG, wenn das Grundgesetz das Wahlrecht für Ausländer nicht ge- oder verbietet, es aber, indem es das Wahlrecht den Staatsangehörigen gewährleistet, auch nicht ausschließt, — viertens Verfassungsmäßigkeit des § 12 I BWahlG, wenn das Grundgesetz insoweit eine Regelungslücke aufweist und damit dem einfachen Gesetzgeber i n dieser Frage die Ausgestaltung überläßt. I m ersten Falle müßte, i m dritten und vierten Falle könnte das Ausländerwahlrecht durch entsprechende Änderung des Bundeswahlgesetzes eingeführt werden.

2 Das Grundgesetz erwähnt den Ausländer ausdrücklich n u r i n A r t . 74 Nr. 4, wo es das Aufenthalts- u n d Niederlassungsrecht des Ausländers der k o n kurrierenden Gesetzgebung zuweist. Wenn die Verfassung das Aufenthaltsrecht einer Personengruppe gesetzlicher Regelung u n t e r w i r f t , i h r also nicht das Aufenthaltsrecht garantiert, so w i r d zu fragen sein, ob sie derselben Personengruppe gleichzeitig ein so weitgehendes Recht w i e das Wahlrecht gewährleisten w i l l . 3 Wahlgebiet ist der Geltungsbereich des Grundgesetzes, das Bundesgebiet. Vgl. Henkel, Wahlrecht, S. 1. 4 M i t der Beschränkung der Wahlberechtigung auf Deutsche setzt § 12 I B W a h l G die Tradition früherer deutscher Wahlregelungen fort: § 1 Reichswahlgesetz v o m 12.4.1849 (RGBl. 1849, S. 79); § 1 W a h l G für den Reichstag des Norddeutschen Bundes v o m 31. 5. 1869 (BGBl. Nr. 17, S. 145) i V m §2 Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs v o m 16. 4. 1871 (BGBl, des Deutschen Bundes Nr. 16, S. 63) ; § 2 Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (Reichswahlgesetz) v o m 30. 11. 1918 (RGBl. S. 1345); § 1 Reichswahlgesetz v o m 27. 4. 1920 (RGBl. S. 627) i. d. F. der Bekanntmachung v o m 6. 3.1924 (RGBl. I, S. 159); § 1 I Nr. 1, I I Wahlgesetz v o m 15. 6. 1949 (BGB1. S. 21); § 1 I Wahlgesetz v o m 8. 7. 1953 (BGB1.1, S. 470). 5 von Mangoldt / Klein, V zu A r t . 38, S. 893; Hamann/ Lenz, Β 9 zu A r t . 38; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 57; Dolde, Ausländer, S. 73; Behrend, S. 376.

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I. Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag II. Regelungsdefizit der Verfassung?

Für die zuletzt genannte Möglichkeit einer Regelungslücke i n der Verfassung 6 könnte das formale Argument sprechen, daß das Wahlrecht erst i n dem Ausführungsgesetz, das durch A r t . 38 I I I GG zur Regelung der näheren Einzelheiten berufen ist, ausdrücklich auf Deutsche beschränkt wird. Das Fehlen einer ebenso ausdrücklichen Aussage i n der Verfassung selbst könnte die Vermutung nahelegen, die Verfassung mache i n den Wahlrechtsgrundsätzen und abgesehen von den Voraussetzungen des A r t . 38 I I GG keine näheren Aussagen über den Kreis der Wahlberechtigten, und dieser Auffassung sei auch der Gesetzgeber gewesen. Die Übertragung näherer Regelung an den Gesetzgeber beweist jedoch nicht, daß sich die Verfassung einer Äußerung zu der näher zu regelnden Materie enthalten hat. Schon der Wortlaut des A r t . 38 I I I GG („Das Nähere") bedeutet umgekehrt, daß eine Grundentscheidung i n der Verfassung getroffen ist, deren Konsequenzen i m einzelnen der gesetzgeberischen Konkretisierung überlassen bleiben 7 . A u f der anderen Seite zwingt die Tatsache, daß der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung trifft, nicht zu dem Schluß, er sei vom Fehlen dieser Regelung i n der Verfassung selbst ausgegangen. Umgekehrt ist die Wiederholung der bereits i n der Verfassung enthaltenen Grundzügeregelung i m Ausführungsgesetz üblich. So wiederholt § 12 BWahlG selbst i n Nr. 1 des Absatz 1 den A r t . 38 I I 1. Halbsatz GG. B. Die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 381 GG Eine Regelung des Kreises der Wahlberechtigten könnte durch die i n A r t . 381 GG aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze getroffen sein. Von den dort genannten fünf Wahlrechtsgrundsätzen können allerdings für die weitere Untersuchung von vornherein die der immittelbaren, freien und geheimen Wahl ausgeschieden werden, da sie offensichtlich nichts über den Kreis der Wahlberechtigten aussagen, sondern nur das Wahlverfahren betreffen. Dagegen können die Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl von Bedeutung sein. I. Gleichheit der Wahl Als spezieller Gleichheitssatz bezieht sich der Grundsatz der Gleichheit der Wahl nach einhelliger Ansicht nur auf A r t und Ausmaß der Stimmβ Die Worte „Grundgesetz" u n d „Verfassung" werden i n dieser A r b e i t synonym verwandt. Z u der Frage, i n w i e w e i t das Grundgesetz eine Verfassung darstellt, vgl. Ehmke, Grenzen, S. 80 ff. 7 Vgl. von Mangoldt / Klein, V zu A r t . 38 GG, S. 893; von einem Regelungsdefizit geht jedoch Grabitz, S. 27, aus.

Β. Die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 I GG

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Wertung und gebietet, jeder Stimme das gleiche Gewicht zuzumessen (Stimmwertgleichheit) 1 . Er setzt damit die Festlegung der Stimmberechtigung voraus und enthält selbst keine diesbezügliche Regelung. II. Allgemeinheit der Wahl Ebenso wie der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gilt derjenige der Allgemeinheit der Wahl als spezielle Ausformung des Gleichheitssatzes 2 . Der Unterschied zwischen beiden ist lediglich ein „quantitativer" 3 : Während sich der Grundsatz der gleichen Wahl auf die Stimmwertung bezieht, betrifft der Grundsatz der allgemeinen Wahl die Stimmberechtigung. Das i m Grundsatz der allgemeinen Wahl enthaltene Gleichstellungsgebot w i r d nach herkömmlicher Auffassung so verstanden, daß das Stimmrecht grundsätzlich allen „Staatsbürgern" zustehen muß und nicht nur bestimmten Gruppen unter ihnen 4 . Zum Kreis der Staatsbürger werden dabei nur die Deutschen, also nicht die Ausländer gerechnet. Abstriche vom allgemeinen Wahlrecht sind nur dort zulässig, wo i n folge bestimmter persönlicher Eigenschaften eine vernünftige Wahlentscheidung nicht zu erwarten ist, wo also ein einleuchtender sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen den Staatsbürgern gegeben ist 6 . I n diesem Sinne stellt zum Beispiel die Beschränkung des Wahlrechts auf Personen eines bestimmten Lebensalters i n A r t . 38 I I GG eine zulässige Ausnahme vom Grundsatz der allgemeinen Wahl dar. Das gleiche gilt für die i n den §§ 13,14 BWahlG enthaltenen Beschränkungen. Die herrschende Auffassung zur Allgemeinheit der Wahl entspricht dem traditionellen Verständnis und der historischen Stoßrichtung dieses Wahlrechtsgrundsatzes, wie sie sich i m Laufe des 19. Jahrhunderts aus1 Vgl. BVerfGE 1, 208, 244ff.; 13, 243, 246 f.; 15, 165, 167; weitere Nachweise aus der Rspr. des B V e r f G bei Leibholz / Rinck, A r t . 38, A n m . 4a; Badura, B K , A n h . z. A r t . 38 GG: BWahlG, A n m . 5 ff.; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 34, Fußn. 8, A n m . 39; Hesse, Grundzüge, S. 60; Herzog, Demokratie u n d Gleichheit, S. 713; Bläsi, S. 1 f. 2 Zahlreiche Nachweise aus der Rspr. des B V e r f G bei Leibholz / Rinck, A r t . 38, A n m . 2; Badura, B K , A n h . zu A r t . 38, A n m . 2. 8 Rinck, DVB1.1958, S. 222 f.; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 34, Fußn. 8. 4 Unbestritten, vgl. von Mangoldt, S. 231; von Mangoldt / Klein, A r t . 38, I I I 2 c, S. 879; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 39, 39 ff., 40 m. Fußn. 4; Hamann / Lenz, A r t . 38, Β 2; Badura, B K , A n h . zu A r t . 38: BWahlG, A n m . 3; SchmidtBleibtreu / Klein, A r t . 38, A n m . 5; Hesse, Grundzüge, S. 59; E. Stein, S. 35; Grundlagen Wahlrecht, S. 28; Herzog, Demokratie u n d Gleichheit, S. 713; Bläsi, S. 1, 94; Henkel, Wahlrecht, S. 4; vgl. auch Bäumlin, S. 13; aus der Rspr. ζ. B. BVerfGE 11, 266, 272; 36, 139 ff. sowie die weiteren Nachweise bei Leibholz / Rinck, A r t . 38, A n m . 3 f. 5 Maunz, i n : M D H , A r t . 38 A n m . 40; vgl. Seifert, A r t . 38, A n m . 6, S. 38; von Mangoldt / Klein, I I I 2 c zu A r t . 38, S. 879, die aber zu Unrecht i n diesem Zusammenhang auch das K r i t e r i u m der Deutscheneigenschaft nennen.

2 Birkenheier

1 8 I . Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag geformt und auch i n den älteren deutschen Verfassungen und Wahlgesetzen ihren Niederschlag gefunden haben. Die Forderung des allgemeinen Wahlrechts wendet sich seit ihrem Entstehen, mehr oder weniger weitgehend, gegen den m i t wirtschaftlichen, sozialen, bildungsmäßigen oder ähnlichen Gründen motivierten Ausschluß bestimmter Gruppen von Staatsbürgern von der Beteiligung an der staatlichen Willensbildung®. Beispielhaft für diese Zielrichtung des allgemeinen Wahlrechts ist die Wahlrechtsdebatte i n der Frankfurter Paulskirchenversammlung i m Jahre 1848. Die Verfechter des allgemeinen Wahlrechts mußten sich gegen starke Strömungen durchsetzen, die das Wahlrecht auf die „Selbständigen" unter den Staatsbürgern beschränken und damit Dienstboten, Handwerksgehilfen und Fabrikarbeiter sowie Tagelöhner i n erster L i nie m i t dem Argument zu großer Abhängigkeit von ihrem Dienstherrn und dadurch bedingter Beeinflußbarkeit bei der Stimmabgabe ausschließen wollten 7 . Diese i n der Diskussion u m die Reichsverfassung von 1848 erstmals i n Deutschland politisch bedeutsam gewordene Auffassung vom allgemeinen Wahlrecht als der Gegenposition zu Wahlrechtsbeschränkungen innerhalb des Kreises der Staatsbürger hat i n der staatsrechtlichen und politischen Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allerdings nur wenige Verfechter gehabt 8 . Von der überwiegenden Mehrheit i m staatsrechtlichen Schrifttum wurde damals ein allgemeines Wahlrecht noch abgelehnt. Die Reichsverfassung von 1871 sah i n A r t . 20 I das allgemeine Wahlrecht vor und knüpfte damit bewußt an Reichsverfassung und Reichswahlgesetz von 1849 an 9 . Wenn auch wegen des unterschiedlichen Erfolgswerts der Stimmen damals weiterhin bestimmte Bevölkerungsschichten, insbesondere die Arbeiterschaft, benachteiligt blieben 1 0 , so war doch i m Grundsatz die Beteiligung aller Staatsbürger (mit Ausnahme der Frauen) an der Wahl gesichert. 6 Vgl. Meyer, G., S. 412 ff., Hesse, Gleichheit, S. 119 f.; E. Stein, S. 36; Bläst, S. 5 ff.; Ruland, S. 10. Das Stimmrecht der Frauen w u r d e erst später i n den Begriff der allgemeinen W a h l einbezogen. Vgl. Vogel ! Nohlen ! Schultze, S. 20 f. 7 Vgl. Meyer, S. 181 ff., Frensdorff, S. 143, 151; Krüger, Staatslehre, S. 95; Schilfert, S. 196 ff., 220 ff.; Einigkeit bestand jedoch auch w e i t e r h i n über den Ausschluß v o n Personen, die unter Vormundschaft oder K u r a t e l standen oder über deren Vermögen der K o n k u r s - oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden w a r sowie der Bezieher von öffentlicher Armenunterstützung. Vgl. § 2 RWahlG 1849 ; Schilfert, S. 10. 8 Vgl. die Literaturhinweise bei Smend, Maßstäbe, S. 20, Fußn. 4 u n d S. 32, Fußn. 13 sowie die Darstellung bei Schilfert, S. 16 ff. 9 Frensdorff, S. 138; Seifert, S. 11. 10 Der Reichstag hatte damals zudem eine wesentlich schwächere Stellung als der Weimarer Reichstag oder der heutige Bundestag; vgl. zum Wahlsystem i m Kaiserreich Vogel / Nohlen / Schultze, S. 95 ff.; Rittstieg, S. 247 ff.

C. Der Zusammenhang von Art. 38 und Art. 20 GG

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I n der Weimarer Zeit wurde der Grundsatz der allgemeinen Wahl ausdrücklich dahin umschrieben, daß das Wahlrecht nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden dürfe, die nicht jeder Deutsche i m wahlfähigen Alter erfüllen könne 1 1 . Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl wurde demnach nie anders denn als Verbot der Diskriminierung bestimmter Staatsbürgergruppen hinsichtlich ihrer Wahlberechtigung, nicht aber i m Sinne der Einbeziehung sämtlicher Bewohner des Staatsgebiets einschließlich der Ausländer verstanden. Ein abgegrenzter Kreis von Staatsbürgern, innerhalb dessen der Gleichheitsmaßstab angelegt werden konnte, war damit vorausgesetzt. Der als Staatsbürger verstandene Staatsangehörige war als Bezugspunkt der allgemeinen Wahl mitgedacht. Aus dem Verfassungsbegriff der allgemeinen Wahl selbst ist diese Beschränkung des vom Wahlrecht begünstigten Personenkreises auf die Staatsbürger allerdings nicht zu entnehmen. Dieser Begriff läßt schon nach der philologischen Interpretation des Wortes „allgemein" die Definition des Kreises derjenigen, die i n den Genuß des als allgemein beschriebenen Wahlrechts kommen sollen, offen, setzt i h n also voraus. Der Begriff der Allgemeinheit der Wahl ist lediglich ein formaler Begriff. Er verlangt, daß die Verfassung außerhalb seiner, weil er selbst dies nicht leisten kann, den Kreis derjenigen bestimmt, die Objekt der Gleichstellung durch das allgemeine Wahlrecht sein sollen 12 . Die heute unangefochten herrschende Interpretation dieses Wahlrechtsgrundsatzes, die die Staatsangehörigkeit gerade nicht unter die für die Wahlberechtigung verbotenen Differenzierungsgesichtspunkte einreiht, hält also nur dann dem Maßstab der Verfassung stand, wenn sich aus dem Grundgesetz nicht entnehmen läßt, daß die Ausländer i n das allgemeine Wahlrecht einbezogen werden müssen.

C. Der Zusammenhang von Art. 38 und Art. 20 GG I. Wahl und Demokratie Der Inhalt von Wahlrechtsgrundsätzen läßt sich nur aus der Funktion, die der Wahl nach der Verfassung i m Zusammenhang des Staatsaufbaus zukommt, ermitteln. Wahlrecht und Staatsform bedingen einander. Die Wahl zum Bundestag ist ein Kernstück der demokratischen Staatsordnung, die i n den Absätzen 1 und 2 des A r t . 20 GG für die Bundesre11 RStGH i n : Lammers / Simons I, S. 338; Pohl, S. 388; Thoma, Reich als Demokratie, S. 187, Fußn. 1; Stier-Somlo, S. 70 ff. 12 Ebenso Henkel, Wahlrecht, S. 5, der v o n einem „regulativen Charakter" des Grundsatzes der allgemeinen W a h l spricht.



2 0 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

publik Deutschland festgelegt ist 1 . Die Verbindung des A r t . 38 GG zu A r t . 20 I I GG ist schon nach dem Wortlaut der Bestimmungen durch zweierlei augenfällig: zum einen ist die i n A r t . 38 GG näher geregelte Bundestagswahl eine der Wahlen, durch die nach A r t . 20 I I 2 GG das V o l k die Staatsgewalt ausübt. Zum anderen sind die gewählten Abgeordneten des Bundestages nach A r t . 38 I 2 GG „Vertreter des ganzen Volkes". Die Bedeutung dieser Bezeichnung liegt zwar i n dem Bekenntnis des Grundgesetzes zum freien Mandat des Abgeordneten 2 . Sie drückt jedoch gleichzeitig die Eigenschaft des Bundestages als „Volksvertretung" aus8. I n dieser Eigenschaft stellt er eines jener besonderen Organe (der Gesetzgebung) dar, die nach A r t . 20 I I 2 GG neben dem Volk zur Ausübung von Staatsgewalt berufen sind. Die Verteilung der Ausübung der Staatsgewalt auf Volk und besondere Organe, wie sie A r t . 20 I I 2 GG vornimmt, kennzeichnet den besonderen Typus der grundgesetzlichen Demokratie: sie ist keine unmittelbare Demokratie, i n der das Volk die Staatsgewalt ausschließlich selbst handelnd ausübt 4 , sondern eine Form der mittelbaren, repräsentativen Demokratie. I h r Fundament erhält diese Staatsform durch A r t . 20 I I 1 GG. Der Satz, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgehe, beschreibt die Volkssouveränität als Inhalt des demokratischen Prinzips 5 . Er beschreibt eine bestimmte Form der Errichtung legitimer Herrschaft 6 : Die Ausübung von Staatsgew a l t ist deshalb legitim, w e i l sie dem Volk zugerechnet werden kann und die sie ausübenden Organe dem Anspruch unterliegen, i m Interesse des Volkes zu handeln. Demokratische Herrschaft heißt nicht zuletzt Verantwortung vor dem Volk 7 . I n der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes erhält die Wahl des Bundestages ihre besondere Bedeutung aus ihrer zentralen Stellung 1

Kriele, S. 63; Seifert, A r t . 38, A n m . 1, S. 35. Vgl. hierzu Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 48 ff.; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 9 ff.; das freie Mandat ist f ü r den vorliegenden Problemkreis ohne Bedeutung. 3 Badura, B K (Zweitbearb.), A r t . 38, A n m . 48; auf den Zusammenhang zwischen A r t . 38 u n d A r t . 20 I I weisen außerdem h i n : Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 34 m i t Fußn. 7; von Mangoldt f Klein, II 3 zu A r t . 38, S. 876; Hamann ! Lenz, A 1 f. zu A r t . 38; Seifert, A r t . 38, A n m . 1, S. 35; Ruppel, S. 187; Bläsi, S. 94. 4 Zippelius, S. 82. 6 Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 46; zum Problem, ob der Staatsgewaltformel deklaratorischer oder konstitutiver Gehalt zukommt, vgl. Steiner, S. 44. β Vgl. Bäumlin, S. 11; Badura, Diskussionsbeitrag W D S t R L 29 (1971), S. 95, 97; Η . H. Klein, S. 169. 7 Kriele, S. 60; von Simson, S. 6; Hesse, Grundzüge, S. 56; Schnapp, i n : G G Komm., A r t . 20, A n m . 30; Schindler, Staatswillen, S. 28; Bäumlin, S. 104; Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 398 f. Η . H. Klein, S. 168. 2

C. Der Zusammenhang von Art. 38 und Art. 20 GG

21

i n diesem Legitimationsprozeß. Da von dem gewählten Parlament alle anderen Staatsorgane abhängig sind, n i m m t die Wahl i m Verhältnis zu dem gewählten Repräsentativorgan der Gesetzgebung unmittelbar und i m Verhältnis zu allen anderen Organen mittelbar die von A r t . 20 I I 1 GG geforderte Rückkoppelung aller Ausübung von Staatsgewalt an das Volk vor 8 . Das Recht zur Teilnahme an dieser Wahl erweist sich von daher als eine Funktion dieses Legitimationszusammenhanges. Wählen und damit legitimieren kann nur, wer zu denen gehört, die Quelle der Legitimation sein sollen. Indem das Grundgesetz diese Legitimationseinheit als das „ V o l k " benennt, schließt es alle, die nicht zum Volk gehören, vom Wahlrecht aus: Die Staatsgewalt würde sich nicht mehr vom Volk her legitimieren, wenn auch Personen, die nicht zum Volk gehören, an dem Legitimationsakt, den das Volk durch die Aktivbürgerschaft i n der Wahl vornimmt, beteiligt wären 9 . Das ausschließliche Herrschaftsrecht des Volkes wäre geschmälert, d. h. aufgehoben. Der Schlüssel zur Bestimmung des Kreises der zum Bundestag Wahlberechtigten liegt daher i m Begriff des Volkes 1 0 . Die Zulässigkeit des Ausländerwahlrechts hängt also davon ab, ob der Volksbegriff auch Ausländer umfaßt. II. Die Verwendung des Begriffes Volk im Grundgesetz Der Begriff des Volkes w i r d weder i n A r t . 20 noch an anderer Stelle i m Grundgesetz genau definiert. Er w i r d jedoch außer i n A r t . 20 I I GG noch mehrfach an anderer Stelle gebraucht: teils wie i n A r t . 20 I I GG ohne weiteren Zusatz (Art. 21 I, 28 I 2, 38 I), dabei i n A r t . 28 I 2 GG i m Zusammenhang m i t einer Differenzierung nach Ländern, Kreisen und Gemeinden; mehrfach mit dem A t t r i b u t „deutsches V o l k " (Präambel, A r t . 1 II, 56, 146) sowie i n den substantivischen Zusammensetzungen Volksabstimmung (Art. 29 II), Volksentscheid (Art. 29 I I I , IV, V, VI), Volksbegehren (Art. 29 II, III), Volksbefragung (Art. 118), Volksvertretung (Art. 10 II, 17, 54 I I I , 115 h I, 144 I) und Volkszugehörigkeit (Art. 1161). Aus dieser vielfältigen Gebrauchsweise des Begriffes Volk werden sich möglicherweise Rückschlüsse auf den Inhalt des Begriffes i n A r t . 20 I I GG ziehen lassen. Wegen des jeweils unterschiedlichen Zusammenhanges, i n dem der Begriff je nach Regelungsgegenstand und systematischer Stellung verwendet wird, erscheint eine vorschnelle Identifizierung der jeweiligen Begriffsinhalte jedenfalls nicht angebracht 11 . 8

Kriele, S. 63 u n d 82, Leits. 7. So ausdrücklich auch Behrend, S. 276; Ruland, S. 11. 10 Zuleeg, DVB1.1974, S. 349. 11 Vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 222. 0

2 2 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag I I I . Die Verschiedenheit der Volksbegriffe in Art. 20 I I 1 und Art. 20 Π 2 GG

Schon i n A r t . 20 I I GG selbst w i r d der Begriff Volk i n verschiedener Weise verwendet. Der Unterschied der beiden Volksbegriffe i n Satz 1 und 2 von A r t . 20 I I GG ergibt sich aus der unterschiedlichen Funktion, die der als Volk bezeichneten Gruppe jeweils zugesprochen wird. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Trägerschaft und Ausübung der Staatsgewalt 12 . Die Ausübung von Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen setzt eine Gruppe von Menschen voraus, die i m Besitz entsprechender Entscheidungs- utid Handlungsfähigkeit sind. Dem entspricht die zu allen Zeiten und i n allen demokratischen Staaten übliche Handhabung, das Wahlrecht zum Beispiel erst ab einem bestimmten Lebensalter zuzusprechen, also insbesondere Kinder und Jugendliche hiervon auszuschließen. M i t einem Kreis von i n diesem Sinne Handlungsfähigen rechnet das Grundgesetz, wenn es von dem die Staatsgewalt ausübenden Volk spricht. Unter Volk i m Sinne von A r t . 20 I I 2 GG ist demgemäß nur die Gruppe der nach staatlichem Recht Wahlberechtigten, die „Aktivbürgerschaft" 1 3 zu verstehen 14 . Demgegenüber handelt es sich i n A r t . 20 I I 1 GG u m den Zurechnungsund Legitimationszusammenhang, wie er — für die demokratische Staatsform kennzeichnend — zwischen jeder staatlichen Herrschaftsausübung und Volk bestehen muß. Aus dem funktionellen Gehalt des Volksbegriffes i m Sinne von A k t i v bürgerschaft läßt sich der Kreis derjenigen, die für die Wahlberechtigung i n Betracht kommen, nicht ermitteln. Die Gruppe der Aktivbürger formiert sich aus dem umfassenderen 15 Kreis derjenigen, denen der Wille der Aktivbürgerschaft zugerechnet wird, die Legitimationsquelle der staatlichen Herrschaft sind. Wer zu den Aktivbürgern gehört, muß zu12

Kriele, S. 60; von Mangoldt / Klein, A r t . 20, V 3 d, S. 595; Steiner, S. 221; Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 50. 13 Aktivbürgerschaft meint die Wahlberechtigten, nicht diejenigen, die von i h r e m R e d i t tatsächlich Gebrauch machen. Vgl. Affolter, S. 80 f.; Schönherr, S. 61. 14 Ganz h. Μ . ; ζ. B. Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 49; Wernicke, B K , I I 2 b zu A r t . 20; von Mangoldt / K l e i n , V 3 c, d zu A r t . 20, S. 595 f.; Schnapp, i n : G G Komm., A r t . 20, A n m . 31; Steiner, S. 45, Fußn. 140; Rolvering, S. 76; Behrend, S. 376; Henkel, Integration, S. 100. 15 Der Abgrenzung von V o l k als Träger der Staatsgewalt u n d V o l k als Aktivbürgerschaft liegt die Vorstellung konzentrischer Kreise zugrunde: V o l k i n A r t . 20 I I 1 ist die größere Einheit u n d schließt das V o l k des A r t . 20 I I 2 ein. VgL Wernicke, B K , I I 1 c zu A r t . 20; Rolvering, S. 76; Behrend, S. 376; V o l k i n A r t . 20 I I 1 u n d 2 GG setzen gleich (jeweils i m Sinne von Aktivbürgerschaft) : von Mangoldt, S. 136; Schlenker, S. 1; Ruppel, S. 187.

D. Der Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG

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g l e i c h z u m V o l k als d e m T r ä g e r d e r S t a a t s g e w a l t gehören. D e r f ü r die F r a g e s t e l l u n g entscheidende V o l k s b e g r i f f i s t also der des A r t . 20 I I 1 G G .

D . D e r Volksbegriff des A r t . 20 Π 1 G G I . Die heutige Lehre D i e h e u t i g e Staatsrechtslehre d e f i n i e r t das V o l k i n A r t . 20 I I 1 G G fast u n a n g e f o c h t e n als d i e G e s a m t h e i t d e r S t a a t s a n g e h ö r i g e n 1 . G e g e n ü b e r der W e i m a r e r Lehre zu A r t . 1 I I W R V besteht insofern ein Unterschied, als diese u n t e r V o l k i n A r t . 1 I I W R V n u r d i e A k t i v b ü r g e r s c h a f t v e r stand, o b w o h l die F o r m u l i e r u n g des A r t . 1 I I W R V m i t d e r des A r t . 20 I I 1 G G p r a k t i s c h i d e n t i s c h w a r 2 . B e g r ü n d u n g e n f ü r d i e v o n d e r h. M . a n g e n o m m e n e B e s c h r ä n k u n g a u f d i e S t a a t s a n g e h ö r i g e n s i n d selten. E r n s t h a f t e A n s ä t z e finden sich i n d e r L e h r e erst, s e i t d e m d i e F o r d e r u n g nach d e m A u s l ä n d e r w a h l r e c h t i h r e B e r e c h t i g u n g aus d e m s e l b e n A r t . 20 I I 1 G G , dessen V o l k s b e g r i f f sie i m S i n n e e i n e r s t a a t s a n g e h ö r i g k e i t s u n a b h ä n g i g e n „ L e b e n s - u n d Schicksalsgemeinschaft" d e u t e t , h e r z u l e i ten versucht3. 1 Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 49; Wernicke, B K , I I 1 c zu A r t . 20; Schönherr, S. 3, Fußn. 9; Schulz-Schaeffer, S. 5 f.; Hamm, S. 94; Asam, S. 6 f.; Kempen, S. 71; Behrendt, S. 376; Ruland, S. 10; Henkel, Integration, S. 100. Ausländer sind dementsprechend nach h. M . k r a f t Verfassung v o m Bundestagswahlrecht ausgeschlossen: von Mangoldt / Klein, Vorb. A I I 3 c vor A r t . 1 GG; Kimminich, B K , A r t . 16, A n m . 147 (Zweitbearb. 1964); Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 185 f.; Bläsi, S. 92 f.; Kraus, S. 90; Heuer, S. 36; Bender, S. 81; Ruppel, S. 23f., 186f.; Papke, S. 2327; Rose, S. 226; Schiedermair, S. 446f.; Scheidle, S. 120; E. Stein, S. 117; H. W. Thieme, S. 64 (anders S. 88); Tomuschat, S. 57; Dolde, Ausländer, S. 72 f.; Dolde, D Ö V 1973, S. 372; Behrend, S. 376 f.; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 92 ff.; Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 35 f.; Vogel, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 115; Leisner, Diskussionsbeitrag W D S t R L 32 (1974), S. 130 f.; Sasse, S. 17, 44; Ruland, S. 10f.; Henkel, Integration, S. 100 f. Vgl. für die Schweiz Fehrlin, S. 103; Moser, S. 350; Giacometti, S. 185 ff.; für die allgemeine Staatslehre siehe Jellinek, S. 723; Kelsen, Staatslehre, S. 159; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 168 f.; Krüger, Staatslehre, S. 592, Fußn. 66; Zippelius, S. 50; Küchenhoff, S. 828; aus der Sicht des Völkerrechts: Guggenheim, S. 311; Berber, S. 353, 364, 382; Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 32 f.; Britsch, S. 26, 37; Hauser, S. 34 f.; Schindler, Gleichberechtigung, S. 12 f.; Kimminich, Völkerrechtsfragen, S. 134,137. 2 „Die Staatsgewalt geht v o m Volke aus." Z u r Interpretation des A r t . 1 I I W R V (Volk = Aktivbürgerschaft), der eine dem A r t . 20 I I 2 G G vergleichbare Bestimmung allerdings nicht enthielt, vgl. Anschütz, A r t . 1, A n m . 2, S. 38; Thoma, Jurist. Bedeutung, S. 26; Thoma, Reich als Demokratie, S. 187; Sarto rius, S. 281 ; Jahrreiß, S. 633. Nach Weimarer h. L . waren Ausländer ebenfalls v o m Wahlrecht ausgeschlossen; vgl. Anschütz, A r t . 1, A n m . 2, S. 38; Thoma, Jurist. Bedeutung, S. 27; Thoma, Reich als Demokratie, S. 187; Strupp, S. 274 f., 278; Laun, S. 244; Fuld, S. 45 f.; Harz, S. 28, 134; Heinze, S. 9; Kimme, S. 24; Kotthaus, S. 25; f ü r die Zeit vor 1918 ebenso Beutner, S. 56; Frensdorff, S. 138; G. Meyer, S. 453 f.; Zorn, S. 16, 24, 28, 50 ff., 116; vgl. die historische Darstell u n g bei Friederichsen, S. 251. 3 So insbesondere Zuleeg, DVB1.1974, S. 349.

2 4 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag II. Die Entstehungsgeschichte

I m Parlamentarischen Rat 1 ist der Begriff des Volkes bei den Verhandlungen zum späteren 2 A r t . 20 GG 3 nur einmal näher zur Sprache gekommen. Der Abgeordnete Dr. Schmid erläuterte den Inhalt des späteren A r t . 20 I I 1 GG dahingehend, daß hiernach die letzte irdische Quelle der Gewalt i m Staate das konkrete lebende Volk, die Summe der jeweils lebenden einzelnen Deutschen sei 4 . A n Ausländer war demnach bei dem Begriff Volk nicht gedacht. Die Beratungen zum späteren 5 Art. 38 GG e sind i n diesem Zusammenhang zwar unergiebig. Dennoch t r i f f t die i m Schrifttum vertretene Auffassung nicht zu, daß damals über die Frage des Wahlrechts für Ausländer nie gesprochen worden sei 7 . Einen Anlaß hierzu sahen die Abgeordneten allerdings nicht bei der Beratung der speziellen Wahlrechtsbestimmungen, sondern bei A r t . 3 GG. Der Allgemeine Redaktionsausschuß hatte am 13. 12. 1948 vorgeschlagen, den Gleichheitssatz des heutigen A r t . 3 I GG nicht i m Sinne eines Menschenrechts, sondern, wie i n der Weimarer Reichsverfassung, als Deutschenrecht zu formulieren. Dies war m i t der Erwägung begründet worden, der Ausländer könne verfassungsrechtlich dem Inländer nicht gleichgestellt werden, z. B. nicht hinsichtlich Wahlen, Versammlungsfreiheit und Grunderwerbsfreiheit 8 . I n der zweiten Lesung des Hauptausschusses (42. Sitzung vom 18. 1. 1949) verteidigte der Abgeordnete Dr. von Mangoldt die Fassung des Gleichheitssatzes als Menschenrecht m i t dem Hinweis auf die besonderen Bestimmungen der Verfassung, i n denen ausdrücklich die notwendige Beschränkung auf Deutsche vorgenommen sei und sagte: „Der besondere A r t i k e l etwa über das Wahlrecht (...) n i m m t diese notwendige Beschränkung vor 9 ." Die Wahlrechtsartikel sämtlicher Entwürfe, die bis zum Zeitpunkt dieser Äußerung vorgelegt worden waren, sahen vor, daß die Abgeordneten des Bundestages „vom V o l k " gewählt werden 1 0 . Diese Hervorhe1

Der Herrenchiemseer Konvent hatte einen m i t A r t . 20 GG vergleichbaren A r t i k e l nicht i n seinem E n t w u r f vorgesehen. 2 I n früheren E n t w ü r f e n w a r der I n h a l t v o n A r t . 20 unter A r t . 21 v o r gesehen. 3 Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 195 ff. 4 JÖR N F 1 (1951), S. 199. 5 Der I n h a l t von A r t . 38 G G w a r i n früheren E n t w ü r f e n unter A r t . 45 - 47 vorgesehen. 6 JÖR N F 1 (1951), S. 349 ff. 7 So aber Dolde, Ausländer, S. 72 u n d D Ö V 73, 372 sowie Ruland, S. 10. 8 Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 71. 9 Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 538; vgl. auch JÖR N F 1 (1951), S. 71.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

25

bung wurde erst i n der vierten Lesung des Hauptausschusses vom 5. 5. 1949 ohne nähere Begründung gestrichen 11 . Die Streichung dürfte aus sprachkosmetischen Gründen erfolgt sein. Da die Regelung des freien Mandats der Abgeordneten („Vertreter des ganzen Volkes"), die i n den früheren Entwürfen einem eigenen A r t i k e l vorbehalten war, i n derselben Sitzung als Satz 2 i n einem Absatz desselben Artikels mit der eigentlichen Wahlr edits Vorschrift zur endgültigen Gestalt des A r t . 38 I GG zusammengefaßt wurde 1 2 , wäre ohne die Streichung das Wort „ V o l k " zweimal dicht hintereinander vorgekommen, ohne daß dies — wie i n Art. 20 I I 2 GG zur Differenzierung zwischen Volk und besonderen Organen — erforderlich gewesen wäre. Die Auffassung des Abgeordneten Dr. von Mangoldt, der Wahlrechtsartikel schließe die Ausländer ausdrücklich vom Wahlrecht aus 13 , — ihr wurde i n den Beratungen nicht widersprochen — läßt sich jedenfalls nur damit erklären, daß i n dem damals noch vorhandenen Zusatz, die Abgeordneten würden „vom V o l k " gewählt, unter Volk nur die wahlberechtigten Deutschen verstanden wurden. Die spätere Streichung dieses Zusatzes bezeugt keinen Sinneswandel des Verfassunggebers. Sie dokumentiert vielmehr die Selbstverständlichkeit, m i t der man von der Beschränkung des Wahlrechts auf Deutsche ausging 14 , zumal der Gedanke der Wahl durch das Volk i n dem Begriff der „Volks"-Vertretung i n Art. 38 I 2 GG aufrechterhalten war. Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ergibt daher, daß — jedenfalls i m Zusammenhang m i t Wahlen und damit dem demokratischen Entscheidungsprozeß insgesamt — der Begriff Volk i n A r t . 20 II, 38 GG Ausländer nicht umfassen sollte. III. Systematische Interpretation des Volksbegriffs 1. Volk ohne adjektivischen

Zusatz

Die Möglichkeiten, den Begriff Volk aus dem Zusammenhang der anderen Grundgesetz-Bestimmungen, i n denen er — ebenso wie i n A r t . 20 I I GG — ohne den adjektivischen Zusatz „deutsch" gebraucht wird, näher zu umreißen, sind begrenzt. I n dem schon erwähnten A r t . .38 I GG ist, da der Bundestag Organ des Bundes ist, das von i h m vertretene Volk das Volk des Bundes 1 i m Gegensatz zum Volk der Länder, Kreise 10 Vgl. A r t . 45 I des E n t w u r f s v o n Herrenchiemsee, abgedr. i n JÖR N F 1 (1951), S. 349. A r t . 45 G G - E n t w u r f , Formulierungen des Organisationsausschusses (Stand 18. 10. 1948), Drucks. Nr. 203, abgedr. i n JÖR N F 1 (1951), S. 351. A r t . 45 der Fassung des Hauptausschusses i n d r i t t e r Lesung, abgedr. i n JÖR N F 1 (1951), S. 353. 11 JÖR N F 1 (1951), S. 353. 12 JÖR N F 1 (1951), S. 353. 13 H. W. Thieme, S. 27, meint, diese Voraussetzung, von der Dr. von Mangoldt ausgegangen sei, sei angesichts der Formulierung des A r t . 38 G G nicht eingetreten. 14 Ruppel, S. 187 m i t Fußn. 1 ; Dolde, Ausländer, S. 72; Ruland, S. 10.

2 6 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

und Gemeinden, für das von A r t . 28 I 2 GG jeweils eigene Vertretungsorgane vorgesehen sind. Das Grundgesetz bezeichnet also Personeneinheiten, die verschiedenen Territorien zuzuordnen sind, m i t dem Begriff Volk. Aus den beiden genannten Bestimmungen allein läßt sich aber nicht entnehmen, ob das territorial unterschiedene Volk jeweils auch i n seiner personellen Zusammensetzung unterschiedlich ist, ob also für die verschiedenen Territorien jeweils ein anderer Volksbegriff verwendet wird, oder ob es sich i m Bund und den anderen Gebietsverbänden insgesamt um ein und dieselbe Personeneinheit handelt, die nur unter territorialem Aspekt untergliedert wird. Für diese letztere Interpretation spricht A r t . 21 I GG. Der Wirkungsbereich der Parteien bei der politischen Willensbildung, also i m Vorfeld der i n A r t . 20 I I GG angesprochenen formalisierten Staatswillensbildung, erstreckt sich gleichermaßen auf Gesamtstaat, Gliedstaaten und unterstaatliche Verbände. Es liegt nicht gerade nahe, daß derselbe Begriff Volk, bezogen auf den einen Grundgesetz-Artikel, i n dem er gebraucht wird, je nach Gebietseinheit einen — abgesehen von der territorialen Differenzierung — unterschiedlichen Inhalt hat. 2. Volk als „deutsches Volk" Da das Grundgesetz den Begriff Volk an mehreren Stellen i n der Verbindung „deutsches V o l k " verwendet, bietet es sich an, i n der Deutscheneigenschaft das verbindende Merkmal zu sehen, das dem Volksbegriff der Verfassung auch i n seiner schon festgestellten territorialen und funktionalen 2 Differenzierung zugrunde liegt. a) Der Begriff des Deutschen nach Art. 1161 GG Wer zum deutschen Volk gehört, w i r d von Art. 116 I GG definiert 3 . Deutscher i m Gegensatz zum Ausländer 4 ist danach, „wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling i n dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat". Das deutsche Volk ist die Gesamtheit dieser Deutschen, bestehend aus Staatsangehörigen und Volkszugehörigen. Der Begriff Volk i n Volkszugehörigkeit ist nicht identisch m i t Volk in dem Begriff „deutsches V o l k " : Volk ist i n dem Begriff Volkszugehörig1 Vgl. von Mangoldt, S. 223, 231; von Mangoldt / Klein, I V 3 zu A r t . 38, S. 888; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 3, 5 u n d A r t . 20, A n m . 48; Henkel, Wahlrecht, S. 1. 2 Demokratisch-funktionale Differenzierung des A r t . 20 I I : V o l k als A k t i v bürgerschaft u n d als Legitimationseinheit, s. o. C. I I I . 3 Asam, S. 6. 4 Vgl. § 1 I I AuslG.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

27

keit i n kultursoziologischem Sinn gebraucht 5 . Zum deutschen Volk können als Staatsangehörige aber auch Personen zählen, die nicht i n dem soeben genannten Sinne Volkszugehörige sind, da nach Staatsangehörigkeitsrecht die Möglichkeit der Einbürgerung von Ausländern besteht und diese die Volkszugehörigkeit nicht voraussetzt®. b) Staatenordnung und Staatsangehörigkeit als Verfassungsvoraussetzung Wie die Verweisung i n der Definition des A r t . 116 I GG erkennen läßt. setzt das Grundgesetz die Staatsangehörigkeit als Institution voraus und schließt damit an das vorkonstitutionelle deutsche Gesetzesrecht, insbesondere das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz 7 sowie das Völkerrecht an 8 . Die Anerkennung der Staatsangehörigkeit als Institution ergibt sich über A r t . 116 I GG hinaus auch aus den A r t . 16 I, 73 Nr. 2, 74 Nr. 4 und 8, 19 I I I GG. Sie bedeutet allerdings nicht, daß der Inhalt des Verfassungsbegriffs der Staatsangehörigkeit i m einzelnen m i t den Merkmalen, die die Staatsangehörigkeit nach früherem oder gegenwärtigem Gesetzesrecht kennzeichnen, übereinstimmen muß 9 . Staatsangehörigkeit als Verfassungsbegriff ist, wie insbesondere die Kompetenznormen der A r t . 73 Nr. 2 und 74 Nr. 8 GG zeigen, inhaltlich nicht starr festgeschrieben, sondern für Fortbildungen offen 10 . U m eine derartige Fortbildung handelt es sich aber nicht, wenn i n A r t . 116 I GG für die Deutscheneigenschaft neben der deutschen Staatsangehörigkeit die deutsche Volkszugehörigkeit maßgeblich ist. Ebensowenig kann hier von einer Überwindung des „formalen Kriteriums" der 5 Vgl. die Definition der Volkszugehörigkeit i n § 6 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen u n d Flüchtlinge (BVFG) i. d. F. v o m 23.10. 1961 (BGBl. I, S. 1883) / 3. 8. 1964 (BGBl. I, S. 571): „Deutscher Volkszugehöriger i m Sinne dieses Gesetzes ist, w e r sich i n seiner Heimat zum deutschen V o l k s t u m bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale, wie Abstammung, Sprache, Erziehung, K u l t u r bestätigt w i r d " ; vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 116, A n m . 13. 8 Vgl. § 8 RuStG; allerdings setzt die Einbürgerung i n der Praxis die E i n gliederung i n die deutschen Lebensverhältnisse voraus; dies hat aber m i t „Volkszugehörigkeit" nichts zu tun. 7 V o m 22. 7. 1913 (RGBl. S. 583), dazu Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit v o m 5. 2.1934 (RGBl. S. 85). 8 Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 59, Fußn. 22; Maunz, Staatsrecht, S. 26; Maunz, i n : M D H , A r t . 116, A n m . 2. 9 Vgl. Leisner, Verfassungsmäßigkeit, S. 29, Fußn. 63 u n d S. 33 m i t Fußn. 77. 10 Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 59, Fußn. 22; es handelt sich daher n u r bedingt u m einen Begriff der „Verfassung nach Gesetz", also einen Begriff, der seinen I n h a l t aus einem gegenüber der Verfassung niederrangigen Normbereich bezieht. Z u m Problem der Verfassung nach Gesetz u n d der Gefahr unkritischen Rückgriffs auf die Begrifflichkeit niederrangigen Rechts s. Leisner, Verfassungsmäßigkeit, passim, insb. S. 26 ff.; kritisch zu Leisner u n d allgemein zum Problem Majewski, passim, insb. S. 17 ff., 20.

2 8 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

Staatsangehörigkeit durch Anknüpfung an tatsächliche Verhältnisse 11 gesprochen werden. Die Aufnahme eines besonderen Status des „Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit" i n das Grundgesetz ist ausschließlich aus der Nachkriegssituation zu erklären. Sie war dazu bestimmt, der durch Vertreibung und Verfolgung Volksdeutscher i m Anschluß an den zweiten Weltkrieg hervorgerufenen anomalen Situation und den Notzuständen der Nachkriegszeit Rechnung zu tragen 12 . Diese Zielsetzung kennzeichnet A r t . 116 I GG als echte, nicht nur durch seine Stellung i m gleichnamigen Abschnitt des Grundgesetzes als solche ausgewiesene Übergangsvorschrift, die nach und nach durch Aufnahme der Betroffenen i n den Kreis der Staatsangehörigen überflüssig w i r d 1 3 . Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er den Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit i m Sinne von A r t . 116 I GG durch § 6 I des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. 2. 195514 einen Anspruch auf Einbürgerung eingeräumt hat. Damit bleibt der Besitz der Staatsangehörigkeit die eigentliche Grundlage der Deutscheneigenschaft und w i r d vom Grundgesetz als der Normalfall angesehen 15 . Die vorliegende Untersuchung bedarf daher keiner Differenzierung für Deutsche m i t und ohne deutsche Staatsangehörigkeit, sondern kann den Normalfall der Staatsangehörigkeit zugrundelegen. Die Verweisung auf die Institution Staatsangehörigkeit macht deutlich, daß das Grundgesetz wie jede Verfassung kein lückenloses System der gesamten Verfassungsmaterie enthält, sondern daß es auf bestimmten Grundlagen aufbaut, die es selbst nicht regelt, die aber zur Verfassung i m materiellen Sinne gehören. Der Gesamtkomplex dieser Grundlagen w i r d i n der Literatur mit dem Begriff der „Verfassungsvoraussetzungen" gekennzeichnet und als ein Teil der Verfassungssätze außerhalb der geschriebenen Verfassung angesehen 16 . Der Anerkennung der Institution Staatsangehörigkeit kommt i n diesem Zusammenhang insofern Bedeutung zu, als das Grundgesetz hiermit die von i h m vorgefundene Staatenordnung widerspiegelt. Es ist die Verfassung eines Staates, der sich i n eine Gemeinschaft von Staaten, die nicht nur i n territorialer Hinsicht, sondern durch die Institution der 11

So Dolde, Ausländer, S. 77. Maunz, i n : M D H , A r t . 116, A n m . 2; so auch Dolde selbst, Ausländer, S. 57; Asam, S. 6. 13 Maunz, i n : M D H , A r t . 116, A n m . 2. 14 B G B l . I, S. 65. Die Einbürgerung steht n u r unter dem Vorbehalt, daß der Antragsteller die Staatssicherheit nicht gefährdet. 15 Rolvering, S. 5; die Deutschen ohne (formelle) deutsche Staatsangehörigkeit haben, da sie den deutschen Staatsangehörigen nach Rechten u n d Pflichten gleichgestellt sind, materiell den Status v o n Staatsangehörigen inne; vgl. G. Hoff mann, S. 306 f. 16 Z u m Begriff der Verfassungsvoraussetzungen: Krüger, Verfassungsvoraussetzungen, S. 286 ff. 12

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Staatsangehörigkeit auch i n personeller Hinsicht gegeneinander abgegrenzt sind, einfügt und einfügen muß 1 7 . Das Grundgesetz setzt die Staatenordnung der Gegenwart als die Umwelt, i n die das von i h m verfaßte Staatswesen hineingestellt ist, voraus und macht diese Verfassungsvoraussetzung durch Anerkennung der I n stitution Staatsangehörigkeit sichtbar. Dies ergibt sich auch aus den Bestimmungen des Grundgesetzes, die Ausdruck seiner völkerrechtsfreundlichen Grundhaltung sind: Präambel Satz 1, A r t . 9 I I , 24 - 26, 32 GG 1 8 . Die Öffnung zum Völkerrecht und zu zwischenstaatlichen Beziehungen setzt abgegrenzte Staatlichkeit voraus. M i t der Anerkennung der Staatsangehörigkeit und der damit verbundenen Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen und Staatsfremden folgt das Grundgesetz einem Gebot des Völkerrechts. Die Weigerung eines Staates, den Kreis seiner Staatsangehörigen überhaupt zu bestimmen, wäre nach der gegenwärtigen Staatenordnung ein völkerrechtswidriges Verhalten 1 9 . Die Staatsangehörigkeit läßt sich demnach vom Staatsbild des Grundgesetzes nicht trennen, weil sie wesentlicher Bestandteil der vom Grundgesetz vorausgesetzten Staatenordnung, wie sie sich i m Laufe der beiden letzten Jahrhunderte herausgebildet hat, und deren Staaten ist 2 0 . Zwar ist mit der deutschen Staatsangehörigkeit i n A r t . 116 I GG nicht eine eigene formelle Staatsangehörigkeit des Staates Bundesrepublik Deutschland gemeint; vielmehr w i r d hiermit an einer gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit festgehalten, die zugleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland sei 21 . Diese Problematik, die auf der besonderen Hechtslage Deutschlands beruht, wie sie i n der Folge des zweiten Weltkriegs entstanden ist, kann hier jedoch vernachlässigt werden, da es i n dieser Arbeit nur u m die Abgrenzung zum Ausländer geht und der Ausländerbegriff negativ aus A r t . 1161 GG abgeleitet ist. Liegt dem Begriff des Deutschen und damit dem des deutschen Volkes nach dem Verfassungstext die Institution Staatsangehörigkeit zugrunde und w i r d hierin ein bestimmtes, von der Verfassung vorausgesetztes Staatsbild sichtbar, so muß eine Verfassungsauslegung, die bei Beach" Vgl. Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 8. Z u m Verfassungsgrundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit vgl. Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 57, Fußn. 18 m. w. N.; Maunz, i n : M D H , A r t . 25, A n m . 3. 19 Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 11; vgl. aber G. Hoffmann, S. 314 ff.; das Fehlen eines formellen Staatsangehörigkeitsgesetzes w ü r d e Völkerrechtsw i d r i g k e i t nicht begründen, sofern n u r der Status materieller Staatsangehörigkeit anhand der bestehenden Rechte u n d Pflichten gegenüber dem Staat erkennbar wäre. 20 Vgl. G. Hoff mann, S. 312 f.; Böckenförde, Teilung, S. 430. 21 BVerfGE 36, 1, 16 f., 30; Maunz, i n : M D H , A r t . 73, A n m . 50; vgl. Maunz, Staatsrecht, S. 27 f.; kritisch Rumpf, S. 203 ff.; vgl. Böckenförde, Teilung, S. 457 ff. 18

3 0 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

tung aller Differenzierung auf die Einheit und systematische Geschlossenheit der Verfassung abstellt, auch i m Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG i n der Staatsangehörigkeit das Merkmal sehen, das die Verbindung zu den an anderer Stelle verwendeten Volksbegriffen herstellt. Eine Identifizierung dieser Volksbegriffe w i r d damit nicht vorgenommen. Hier läßt sich die Auslegung des Volksbegriffes i n A r t . 20 I I 1 GG jedoch nicht abschließen. Als Bestandteil des Satzes über Ursprung und Legitimation der Staatsgewalt gehört dieser Begriff zum Grundbestand aller modernen Verfassungen seit der französischen Revolution. Er w u r zelt i n verfassungstheoretischen Vorstellungen und gehört zur Kategorie der „selbständigen Verfassungsbegriffe", d. h. der Begriffe, die nur die Verfassung oder die sie jedenfalls primär, d. h. unabgeleitet kennt, er ist typische Verfassungsmaterie 22 . Sein Inhalt erschließt sich daher aus der zugehörigen Verfassungstheorie, die ihrerseits allerdings auf Tradition und damit auch auf herkömmlichen niederrangigen Normen aufbauen kann 2 3 . Die Institution Staatsangehörigkeit kann, von diesem Ansatz aus betrachtet, i n den Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG Eingang nur finden, wenn ihr dies durch die Verfassungstheorie vermittelt wird. Hierzu w i r d unten i m Anschluß an die systematische Interpretation Stellung zu nehmen sein 24 . c) Die Möglichkeit eines Umkehrschlusses von „deutsches V o l k " auf „ V o l k " Da die Verfassung ausdrücklich ein deutsches Volk i m Unterschied zu den Ausländern kennt, könnte man per argumentum e contrario zu der Auffassung gelangen, sie habe auch nur dort, wo sie ausdrücklich vom deutschen Volk spreche, allein die Deutschen gemeint, dort aber, wo sie auf das A d j e k t i v „deutsch" verzichte, den Ausländer einbeziehen oder zumindest nicht ausschließen wollen. Bei näherer Betrachtung w i r d aber erkennbar, daß dieser Verzicht andere, von der Ausländerproblematik unabhängige sachliche Gründe hat. Wäre die Formulierung „deutsches V o l k " auch i n den A r t . 20 I I , 28 I 2 und 38 I GG — bei Gleichheit von deren Fassung i m übrigen — gewählt worden, so hätte der Begriff „deutsches V o l k " nicht nur i m Sinne der Abgrenzung zu Ausländern, sondern bei Fehlen einer entsprechenden Einschränkung i n der Bedeutung „gesamtes deutsches V o l k " oder zumindest „deutsches Volk der Bundesrepublik Deutschland" interpretiert werden und damit Mißverständnisse hervorrufen müssen. 22 28 84

Nach Leisner, Verfassungsmäßigkeit, S. 16. Leisner, Verfassungsmäßigkeit, S. 20 ff.; dersImperium, Siehe unten I V .

S. 285 f.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

31

So würde A r t . 20 I I 1 GG i n der Fassung: „ A l l e Staatsgewalt geht vom deutschen Volke aus" m i t der anerkannten Staatsqualität 2 5 der Bundesländer kollidieren. Eine solche Fassung des A r t . 20 I I 1 GG müßte i n dem Sinne gedeutet werden, daß sich die Staatsgewalt des einzelnen Bundeslandes nicht aus dessen Landesvolk, sondern entweder aus dem deutschen Bundesvolk oder gar dem gesamten deutschen Volk legitimieren solle, sie also keine originäre, sondern abgeleitete Staatsgewalt wäre 2 6 . Da (Landes-)Staatsgewalt aber nicht i n irgendeinem Volk, das außerhalb ihres Machtbereichs lebt, ihre Legitimation finden kann, wäre eine solche Fassung des A r t . 20 I I 1 GG unter demokratischem Aspekt nicht haltbar 2 7 . Die Landesstaatsgewalt leitet sich nur aus dem Landesvolk her. M i t diesem Inhalt gilt A r t . 20 I I 1 GG unmittelbar für die Länder 2 8 . Die Intention seiner jetzigen Fassung (nur „Volk") ist von daher nicht die Einbeziehung des Ausländers, sondern die differenzierende Berücksichtigung von Bundes- und Ländervolk 2 0 . I n A r t . 381 2 GG wäre es nicht möglich, die Abgeordneten als „Vertreter des ganzen deutschen Volkes" zu bezeichnen. Zwar sind auch die Bürger der D D E und die Deutschen i n den Ostgebieten Deutsche i m Sinne des Grundgesetzes. Der Bundestag ist jedoch nicht ihr Vertretungsorgan, da er nur das Volk des Staatsverbandes der Bundesrepublik, die i m Bundesgebiet lebenden Deutschen repräsentiert 80 . Ähnliche Mißverständnisse würden i n A r t . 28 I 2 GG wegen dessen Verbindung m i t A r t . 20 I I GG auftreten. Dem argumentum e contrario ist damit der Boden entzogen. d) Präambel und A r t . 146 GG Der Begriff des „deutschen Volkes" w i r d i n Satz 1 der Präambel i n bezug auf die dort namentlich aufgeführten Länder verwendet. Dieser 25 H . M . vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 5, 11; A r t . 28, A n m . 1; von Mangoldt, S. 126, 135; von Mangoldt / Klein, I I I 3 a zu A r t . 20, S. 589; Wernicke , B K , I I 1 b zu A r t . 20; Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 4; G. Hoff mann, S. 309 ff.; umfassende Nachweise bei Hempel, S. 56 f. i n Fußn. 8, 9; aus der Rechtsprechung BVerfGE 1,14,34; 12,205, 255. 26 So i n der Tat Zinn, S. 294, 296 u n d Hamann / Lenz, Β 5 zu A r t . 20; a A die h. M., statt aller Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48 u n d G. Hoff mann, S. 310. 27 Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48; von Mangoldt / Klein, V 4 e zu A r t . 20, S. 596. 28 Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48; Maunz, Staatsrecht, S. 221. 29 von Mangoldt, S. 136; Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48; Maunz, Staatsrecht, S. 222; ebenso f ü r A r t . 1 I I W R V Anschütz, A n m . 3 zu A r t . 1, S. 38 f.; Liermann, S. 176. 30 BVerfGE 5, 2, 6: Der Bundestag ist das Repräsentationsorgan der i m Geltungsbereich des Grundgesetzes lebenden Bevölkerung. Vgl. von Mangoldt, S. 223, 231; von Mangoldt ! Klein, I V 3 zu A r t . 38, S. 888; Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 3, 5 u n d A r t . 20, A n m . 48; Henkel, Wahlrecht, S. 1; siehe zu dieser Frage noch unten V. 5.

3 2 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

Sprachgebrauch macht wiederum 3 1 deutlich, daß das Grundgesetz die territoriale Differenzierung des Volksbegriffs kennt, zusätzlich bestätigt sie, daß die Deutscheneigenschaft des Volkes i n der territorialen Differenzierung unverändert bleibt, daß sie das verbindende Merkmal des territorial gegliederten Volkes ist 8 2 . Der Volksbegriff i n Satz 1 der Präambel ist aber nicht m i t dem Volksbegriff i n Art. 20 I I 1 GG identisch, w e i l er den historischen Verfassunggeber kennzeichnet 33 . Dieses Volk stimmt m i t dem des A r t . 20 I I 1 GG nicht überein, w e i l die i n Satz 1 der Präambel genannten Länder nicht das ganze heutige Staatsgebiet der Bundesrepublik ausmachen 34 , das die (aktuelle) Staatsgewalt legitimierende Volk des Art. 20 I I 1 GG aber das gesamte Volk des gesamten Staatsgebiets, auf das sich die Staatsgewalt erstreckt, sein muß. I n Satz 3 der Präambel und A r t . 146 GG ist i m Unterschied zu Satz 1 der Präambel das gesamte deutsche Volk als Verfassunggeber eines künftigen wiedervereinigten Deutschland angesprochen 35 . Hierzu zählen alle Deutschen i m Sinne von A r t . 116 I GG i n deutschem Staatsgebiet 36 , auch soweit sie Bewohner der DDE sind. Von den Bewohnern des Bundesgebietes gehören dazu jedenfalls auch nur Deutsche, nicht aber Ausländer, die somit ausdrücklich ausgeschlossen sind. Die gegenteilige A u f fassung vermag den von ihr provozierten Widerspruch zwischen A r t . 146 und A r t . 1161 GG nicht zu erklären. Aus Satz 3 der Präambel und A r t . 146 GG ergibt sich für die Auslegung des A r t . 20 I I 1 GG folgendes Argument: Es bestünde ein Widerspruch zwischen ihnen und A r t . 20 I I 1 GG, wenn zur verfassunggebenden Gewalt eines künftigen gesamtdeutschen Staates aus dem Vorgänger- und Teilstaat Bundesrepublik nach dem Willen der Verfassung nur die Deutschen gehören sollten, die Staatsgewalt dieses Teilstaates sich nach A r t . 20 I I 1 GG aber andererseits aus einem auch die dort lebenden Ausländer umfassenden „ V o l k " legitimieren und damit das politische Schicksal dieses Teilstaates von Ausländern mit abhängig sein würde. 31 32 33 34

Vgl. oben I I I . 1. Vgl. oben I I I . 2. b. Zuleeg, DVB1.1974, S. 349. Es fehlt das Saarland.

35 von Mangoldt, A r t . 146, A n m . 2, S. 668; Hamann I Lenz, A r t . 146, A n m . Β 3, S. 745; Lemke, S. 58 ff., 63; a. A. Dichgdns, S. 62; Dennewitz, B K , A r t . 146, I I I ; nicht haltbar ist die Auffassung, A r t . 146 GG habe einen Bedeutungswandel durchgemacht des Inhalts, daß m i t dem „deutschen V o l k " i n den Jahren nach 1949 das gesamte deutsche V o l k auch außerhalb der Bundesrepublik bezeichnet worden sei, heute aber, nach Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Wiedervereinigung, h i e r m i t n u r noch die Deutschen i n der Bundesrepublik gemeint seien (so Dichgans, S. 62). 36 Hamann ! Lenz, Β 3 zu A r t . 146, S. 745; was i m einzelnen als deutsches Staatsgebiet i n diesem Sinne anzusehen ist, k a n n hier offenbleiben.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

33

Der Wiedervereinigungsappell i n Satz 3 der Präambel und A r t . 146 GG hingen i n der Luft, wenn das Grundgesetz nicht alle staatliche Macht zur Verwirklichung jenes Zieles denen vorbehalten hätte, die als Deutsche den anvisierten Gesamtstaat schaffen sollen, wenn es, überspitzt ausgedrückt, durch die Ermöglichung der staatlichen M i t w i r k u n g von Staatsfremden über A r t . 20 I I GG zugleich die Möglichkeit zur Vereitelung des selbstgesteckten Zieles quasi institutionalisiert hätte. e) A r t . 56, 64 I I GG Gegen die Zugehörigkeit der Ausländer zum Volk i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG und damit gegen deren M i t w i r k u n g bei der Bundestagswahl als Aktivbürger (Art. 20 I I 2 GG) spricht auch die Fassung des von Bundeskanzler, Bundesministern und Bundespräsident gemäß A r t . 56, 64 I I GG zu leistenden Amtseides. Dieser verpflichtet die genannten Amtsträger nicht auf das Wohl des Volkes, sondern ausdrücklich auf das Wohl des „deutschen Volkes". Der Eid von Kanzler und Ministern ist zu sehen i m Zusammenhang m i t der Stellung der Bundesregierung als besonderes Organ der vollziehenden Gewalt i m Sinne von A r t . 20 I I 2 GG, das seine Legitimation für die Ausübung von Staatsgewalt gemäß Art. 20 I I 1 GG aus dem Volk bezieht. Heißt Legitimation durch das Volk zugleich Verantwortung vor dem Volk und Pflicht, i n seinem Interesse zu handeln 3 7 , so würde der Amtseid, indem er Pflichten der Regierung nur gegenüber dem deutschen V o l k 3 8 statuiert, diesen Verantwortungszusammenhang unzulässig verkürzen, wenn zu dem legitimierenden Volk des A r t . 20 I I 1 GG auch Ausländer gehören könnten. Für den Eid des Bundespräsidenten gelten diese Erwägungen entsprechend. 3. Volk in substantivischen

Zusammensetzungen 30

Die zusammengesetzten Begriffe, i n denen der Begriff Volk i m Grundgesetz vorkommt, tragen zur Auslegung von A r t . 20 I I 1 GG nichts Zusätzliches bei. So bezeichnet der Begriff „Volksvertretung" teils nur den Bundestag (Art. 10 I I GG), teils nur die Landtage (Bürgerschaften) (Art. 54 I I I , 115 h I, 144 I), teils beide (Art. 17) 40 . Die einschlägigen Bestimmungen haben daher nicht mehr Aussagekraft als A r t . 38 I und A r t . 2812 GG. 87

Vgl. oben C. I. Offenbleiben k a n n hier, ob der E i d m i t dem deutschen V o l k das gesamte deutsche V o l k oder n u r die i n der Bundesrepublik lebenden Deutschen meint. I n beiden Fällen werden Ausländer nicht erfaßt. 89 Der Begriff der Volkszugehörigkeit i n A r t . 116 I GG wurde bereits oben, D. I I I . 2. a, behandelt. 88

3

Birkenheier

3 4 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

Die Begriffe „Volksentscheid" und „Volksabstimmung" i n A r t . 29 I I - V I beinhalten eine Abstimmung i m Sinne von A r t . 20 I I 2 GG. Unter Volk ist hier also die Aktivbürgerschaft des Gebietsvolkes 41 zu verstehen 4 2 . A r t . 29 I I I 2 GG verweist zwar für die Abgrenzung der Stimmberechtigten auf die Wahlberechtigung zum Landtag. Obwohl das Landtagswahlrecht bei Inkrafttreten und unter Geltung des Grundgesetzes i n allen Bundesländern immer auf Deutsche beschränkt war und ist 4 3 , läßt sich m i t Hilfe dieser Verweisung des A r t . 29 I I I 2 GG die generelle Beschränkung der Aktivbürgerschaft 4 4 auf Deutsche als Verfassungsgebot nicht begründen. Die Verweisung bezieht sich auf die jeweilige, durch die Landesgesetzgebung umschriebene Aktivbürgerschaft, sagt aber selbst nichts darüber aus, wer zur Aktivbürgerschaft gehören kann oder muß. I n den Begriffen „Volksabstimmung" und „Volksentscheid" bedarf „ V o l k " also ebenso einer Abgrenzung durch eine andere Verfassungsnorm, wie die Aktivbürgerschaft i n Art. 20 I I 2 GG. Analoges gilt für den Begriff „Volksbefragung" i n Art. 118 GG. I n dem Begriff „Volksbegehren" schließlich hat „ V o l k " einen anderen, von allem Bisherigen abweichenden Sinn: es ist hier nur eine Minderheit (Art. 29 I I GG: ein Zehntel) der Aktivbürger 4 5 . 4. Art. 20IV

GG

Für die Ermittlung des Inhalts des Volksbegriffs von A r t . 20 I I 1 GG kommen nicht nur die anderen Grundgesetzbestimmungen i n Betracht, i n deren Zusammenhang das Wort „ V o l k " eine Rolle spielt. Einige Verfassungsnormen stehen von ihrem Regelungsgegenstand her i n Beziehung zu A r t . 20 I I 1 GG und können daher mittelbar Aufschluß über dessen Volksbegriff geben. Hierzu gehört A r t . 20 I V GG, der i m Zuge der Notstandsgesetzgebung nachträglich i n das Grundgesetz eingefügt wurde; das durch i h n positivierte Widerstandsrecht ist nicht (überpositives) individuelles Notwehrrecht, sondern politisch- demokratisches Widerstandsrecht zur Verteidigung der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung", das i n der 40

Dürig, i n : M D H , A r t . 17, A n m . 58. Der Begriff Gebietsvolk w i r d als Gegensatz zu Bundesvolk gebraucht von Maunz, i n : M D H , A r t . 29, A n m . 43, 56. 42 Schulz-Schaeffer, S. 6. 43 Vgl. die Nachweise unten 2. Teil, 1. Abschnitt A . 44 Der Begriff „Volksentscheid" w i r d i n A r t . 29 GG auch auf das Bundesv o l k bezogen (Art. 29 V 3 GG). 45 Z u m Begriff des Volksbegehrens vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 241. 41

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

35

Souveränität des Volkes wurzelt und dem Einzelnen kraft seiner Zugehörigkeit zum souveränen Volk zukommt 4 6 . Diesen Zusammenhang manifestiert die systematische Stellung des Rechts i n der Staatsformbestimmung des Art. 20 GG, also i n unmittelbarer Nähe des die Volkssouveränität ausdrückenden A r t . 20 I I 1 GG 4 7 . Als Recht des Status activus 4 8 steht das Widerstandsrecht des A r t . 20 I V GG i n der Nähe des Wahlrechts 49 . Wenn A r t . 20 I V GG dieses als Ausfluß der Volkssouveränität verstandene Widerstandsrecht ausdrücklich auf Deutsche beschränkt 50 , so bedeutet dies für die systematische Verfassungsauslegung, daß Ausländer nicht zum souveränen Volk i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG gehören. 5. Art. 33 I GG A r t . 33 I GG handelt von staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten, steht also i n engstem Sachzusammenhang m i t A r t . 20 I I GG, so daß seine Auslegung auch unter Berücksichtigung dieser Bestimmung erfolgen muß. Art. 33 I GG bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf die Träger staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten i n den Bundesländern. Seine diesbezügliche Regelung erlaubt aber gewisse Rückschlüsse auf die von der Verfassung für den Bund vorgesehenen Verhältnisse. Die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten sollen i n jedem Land jedem Deutschen i n gleicher Weise zukommen. A r t . 33 I GG umschreibt damit für die Länder den Kreis der Aktivbürgerschaft i m Sinne von A r t . 20 I I 2 GG. Die von i h m vorgenommene Gleichstellung der Deutschen bringt zum Ausdruck, daß die Verfassung die Anknüpfung jener Rechte und Pflichten an eine besondere Landeszugehörigkeit, unter Voraussetzung, daß eine solche formell geregelt wäre, nicht für erforderlich hält 5 1 . Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, daß es i n irgendeinem Bundesland „Bürger minderen Rechts" gibt 5 2 . 46

So die h. M. : Isensee, Widerstandsrecht, S. 33, 34 m. w. N. aus Entstehungsgeschichte u n d L i t e r a t u r i n Fußn. 70; Kempen, S. 6 9 - 7 2 ; Scheidle, S. 120 f., 148; Schneider, S. 13,15; abweichend Bertram, S. 51 f. 47 Kempen, S. 71; Isensee, Widerstandsrecht, S. 44; ähnlich Dolde, Ausländer, S. 89. 48 Scheidle, S. 120,148; Isensee, Widerstandsrecht, S. 84. 49 Diese Querverbindung sehen Isensee, Widerstandsrecht, S. 84; Kempen, S. 71 f.; Schneider, S. 16; Scheidle, S. 120 (Hinweis auf A r t . 38 GG). 50 A r t . 20 I V GG begründet jedoch k e i n Recht der Deutschen außerhalb der Bundesrepublik. Der Schutz der Staatsordnung ist n u r denen aufgetragen, die i n ihrem Geltungsbereich leben; ein Interventionsrecht f ü r Außenstehende ist nicht gewollt; vgl. Isensee, Widerstandsrecht, S. 50 f.; Kröger, S. 11; Schneider, S. 15 f.; f ü r das Wahlrecht vgl. unten V. 5. 51 Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 4,5. 52 Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 5.



3 6 I . Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag Die Gleichstellung aller Deutschen hinsichtlich des status activus auf Landesebene läßt sich nicht ohne die Verfassungsentscheidung für den Bundesstaat, wie sie i n A r t . 20 I GG getroffen ist, erklären 5 3 . Sie beruht auf der politischen Homogenität 5 4 , die die Verbindung der Länder als Gliedstaaten und den aus ihnen gebildeten Zentralstaat 5 5 auszeichnet. Der bundesstaatliche Zusammenschluß der Einzelstaaten, der ihnen selbst den Charakter einer politischen Einheit beläßt, sie aber zugleich i n eine neue gemeinsame politische Einheit einbettet 5 6 , macht für den einzelnen Gliedstaat eine strikte Unterscheidung zwischen eigenen Landesangehörigen und solchen anderer Bundesländer sowie deren Rechtsposition nicht mehr erforderlich. Die bundesstaatlich begründete Gleichheit i n den Gliedstaaten impliziert aber staatsbürgerliche Gleichheit auf der Ebene des Bundes, d. h. i m Zentralstaat; insofern enthält A r t . 33 I GG (in Verbindung m i t Art. 20 I GG) indirekt auch eine Aussage über die Träger staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten i m Bund. Da alle Mitglieder der Gliedstaaten zugleich Mitglieder des Zentralstaates 57 sind, liegt es i n der Logik des Bundesstaates, daß i n den Gliedstaaten nur derjenige gleichzustellen ist, der auf der Ebene des Zentralstaates zu den Gleichen gehört und weil er zu diesen gehört. Gliedstaatliche Gleichheit ohne das Korrelat der auf den Zentralstaat bezogenen Gleichheit wäre ein Widerspruch i m System 58 . Wenn demnach A r t . 33 I GG sein Gleichstellungsgebot für die Länder nicht auf Ausländer erstreckt, gibt er zu erkennen, daß diese auch nicht i m Bund einen Status staatsbürgerlicher Gleichheit innehaben. Denn es hätte weder einen rechtlichen noch einen politischen Sinn, Ausländer von der Gleichstellung i n den Ländern auszunehmen, wenn ihnen i m Bund staatsbürgerliche Gleichheit zukäme. A r t . 33 I GG setzt also eine aus Deutschen bestehende Bundes-Aktivbürgerschaft voraus 59 . 53 Der Zusammenhang v o n A r t . 33 I GG u n d bundesstaatlichem Prinzip w i r d erwähnt v o n Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 5. 54 Z u r Bedeutung der politischen Homogenität i m Bundesstaat vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 375 ff.; vgl. auch Maunz, i n : M D H , A r t . 28, A n m . 2. 55 Z u r terminologischen Unterscheidung v o n Gliedstaat, Zentralstaat u n d Gesamtstaat: Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 6; ablehnend BVerfGE 13, 54, 77 ff. (Zweigliedrigkeit) ; z u m Problem dieser Unterscheidungen, die hier u n erörtert bleiben können, allgemein Hempel, S. 58 ff., 64 ff. 56 Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 371; Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 5. 57 I m Bundesstaat k a n n es keine Personen geben, die Staatsangehörige des Bundes, nicht aber eines Landes sind u n d umgekehrt; die Länder wären daher, gäbe es eine formelle Landesangehörigkeit, gehindert, diese Ausländern zu verleihen, sofern damit nicht gleichzeitig die Staatsangehörigkeit i m B u n d erworben w ü r d e ; vgl. G. Hoff mann, S. 331 f. 58 Dagegen wäre eine auf den Zentralstaat bezogene Gleichheit ohne Gleichheit i n den Gliedstaaten möglich, vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, Anm. 4. 59 A. A. H. W. Thieme, S. 27.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

37

Demgegenüber ist es nicht haltbar, durch Umkehrschluß aus der Erwägung, daß Art. 33 I GG sich nur an den Landesgesetzgeber richte 6 0 , für die Bundesebene die gleiche staatsbürgerliche Teilhabe der Ausländer zu folgern und dann die Zulässigkeit von deren Einschränkung durch § 12 I BWahlG aus A r t . 3 I GG abzuleiten 61 . Diese Argumentation übersieht die aufgezeigten bundesstaatlichen Implikationen des A r t . 33 I GG. Aus dem bisher Gesagten folgt zunächst aber nur, daß der Ausschluß der Ausländer vom Wahlrecht nicht gegen das Grundgesetz verstößt, das Grundgesetz ihr Wahlrecht also nicht gebietet. Noch nicht entschieden ist, ob die von A r t . 33 I GG vorausgesetzte Gleichheit i m Bund eine die Ausländer qua Verfassungsgebot ausschließende Gleichheit ist. Dagegen sprechen könnte das Beispiel einiger Deutschengrundrechte (z. B. A r t . 8 I, 9 I GG), die dem Gesetzgeber freie Hand lassen, den Ausländer dem Deutschen gleichzustellen. Art. 33 I GG wäre dann nicht als Sperre gegen die Verleihung des status activus an Ausländer zu verstehen. Der status activus des Ausländers wäre dann lediglich nicht i n gleicher Weise wie der des Deutschen vom Grundgesetz geschützt. Als Regelungsnorm des status activus ist A r t . 33 I GG jedoch i n Verbindung m i t Art. 20 I I GG zu sehen, der ja auch für die Länder unmittelbar gilt 6 2 . Die Zuweisung des status activus an alle Deutschen, die i n einem Bundesland wohnen, besagt infolge des Legitimationszusammenhanges, der zwischen Aktivbürgerschaft und Volk i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG besteht, zugleich, daß jedenfalls alle Deutschen i n dem Bundesland zum Volk des Landes gemäß Art. 20 I I 1 GG gehören. Würden die i m Lande wohnenden Ausländer zum Landesvolk i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG gehören und i n dieser Eigenschaft die Staatsgewalt des Landes grundsätzlich legitimieren können, so wäre ihre Einbeziehung i n den zwischen Volk und Staatsorganen bestehenden Legitimationsprozeß mangels einer Verfassungsgarantie ihres status activus nicht abgesichert. Das Grundgesetz würde dann innerhalb des Volkes als Träger der Staatsgewalt zwei Personengruppen mit verschiedener Legitimationsfähigkeit unterscheiden: zum einen die deutschen Landesbewohner, denen die staatsbürgerlichen Rechte verfassungskräftig garantiert wären (Art. 33 I, 93 I Nr. 4 a GG), sofern nur die natürlichen Voraussetzungen zu deren Wahrnehmung gegeben wären (Mindestalter usw.); auf der anderen Seite die ausländischen Landesbewohner, die auf Grund ihres Auslän60 So H. W. Thieme, S. 88; das ist schon insofern mißverständlich, als A r t . 33 I GG nicht n u r einen A u f t r a g an den Landesgesetzgeber, sondern unmittelbar geltendes Recht enthält; vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 10. 61 H. W. Thieme, S. 88, 90. 62 Vgl. oben D. I I I . 2. c.

3 8 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

derstatus nie Zugang zu den staatsbürgerlichen Rechten zu erhalten brauchten, da j a ihr Ausschluß, wie A r t . 33 I GG zeigt, nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Es gäbe also Personen, die als Angehörige des Volkes i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG zwar i m Prinzip Staatsgewalt legitimieren, diese aber nicht i n Wahlen und Abstimmungen mangels eines entsprechenden Verfassungsgebotes ausüben könnten. Eine solche Spaltung des Volkes als Träger der Staatsgewalt scheint m i t Inhalt und Sinn von Art. 20 I I 1 GG kaum vereinbar. Dies bedarf noch einer näheren Untersuchung 63 . Jedenfalls läßt sich aus A r t . 33 I GG i n Verbindung m i t A r t . 74 Nr. 8 GG nicht entnehmen, das Grundgesetz gehe davon aus, daß die Staatsangehörigkeit keine unabdingbare Voraussetzung des Wahlrechts sei 64 . Diese Argumentation unterschiebt dem Begriff der Staatsangehörigkeit i n den Ländern gemäß Art. 74 Nr. 8 GG einen bestimmten Inhalt, nämlich daß sie ein Status sei, der nicht von jedem Deutschen bereits m i t der Wohnsitznahme i n einem Bundesland erlangt werde. A r t . 33 I GG hat jedoch selbst bereits Auswirkungen darauf, wie eine formell geregelte Landeszugehörigkeit, die auf Grund von A r t . 74 Nr. 8 GG eingeführt würde, überhaupt aussehen dürfte: Da er die Deutschen hinsichtlich aller staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten i n jedem Bundesland gleichstellt, entscheidet er, daß jeder Deutsche mit der Niederlassung i n einem Land materiell dessen Angehöriger w i r d 6 5 . Die Rechtsw i r k u n g einer besonderen Landesangehörigkeit könnte praktisch über die Vermittlung der Staatsbürgerrechte nicht hinausgehen. Eine Staatsangehörigkeit i n einem Bundesland, die dies nicht berücksichtigen würde, wäre verfassungswidrig 66 . Selbst wenn man aber einen engeren Begriff der Staatsangehörigkeit i n den Ländern zugrunde legt, so würde die Tatsache, daß es eigens einer Vorschrift wie des A r t . 33 I GG bedarf, um das Wahlrecht von der Landesangehörigkeit zu lösen, eher umgekehrt dafür sprechen, daß das Grundgesetz die grundsätzliche Konnexität von Staatsangehörigkeit und Wahlrecht anerkennt. Daß es durch A r t . 33 I GG den Konnex löst, bedeutet dann wiederum eine (materielle) Neubestimmung der Landesangehörigkeit. 6. Art 25 GG a) Der Normadressat A r t . 25 GG führt m i t dem Begriff der Bewohner des Bundesgebietes eine weitere Kategorie von Rechts- und Pflichtenträgern ein. Bewohner 63

Dazu unten I V . So Dolde, Ausländer, S. 77. » Vgl. G. Hoffmann, S. 334. ββ Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 74, A n m . 54 unter d. 64

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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des Bundesgebietes i n diesem Sinne sind Deutsche und Ausländer gleichermaßen 67 . Die Aufnahme der Ausländer als Normadressaten des A r t . 25 GG ist schon deshalb erforderlich, weil sonst der von den allgemeinen Regeln des Völkerrechts umfaßte fremdenrechtliche Mindeststandard für Ausländer i m Inland nicht gelten würde. Die Tatsache, daß das Grundgesetz einen die Ausländer umfassenden Begriff dort wählt, wo es, wie bei der Rezeption des Völkerrechts, von der Sache her geboten ist, beweist, daß es auch außerhalb des Grundrechtsabschnittes zwischen Inländern und Ausländern unterscheidet, die Wahl des jeweiligen Begriffes also genau zu beachten ist. Es hätte daher, wenn es die staatsbürgerliche Gleichstellung der Ausländer gewollt hätte, auch i n A r t . 33 I GG den Begriff „Bewohner des Bundesgebietes" verwenden können. Da es unterblieben ist, bestätigt die Fassung des A r t . 25 S. 2 GG die soeben vorgenommene Auslegung des A r t . 33 I GG: Wenn es die Zielrichtung des A r t . 33 I GG ist, Bürger minderen Rechts i n den Ländern zu verhindern, so erlaubt die nur auf Deutsche und nicht auf die Bewohner des Bundesgebietes erstreckte Gleichstellung den Schluß daß Ausländer i n den Ländern und daher mittelbar i m Bund einen Status minderen Rechts hinsichtlich des status activus innehaben können. Dagegen kann daraus, daß A r t . 25 S. 2 GG nicht den Begriff Volk verwendet, nicht gefolgert werden, die Ausländer gehörten nicht zum Volk i m Sinne des Grundgesetzes. Art. 25 S. 2 GG spricht die Bewohner des Bundesgebietes als Träger individueller Rechte und Pflichten an. Dieser individuelle Charakter der Rechtsposition hätte m i t dem Kollektivbegriff Volk nicht zutreffend ausgedrückt werden können. b) Wahlrecht und allgemeine Regeln des Völkerrechts Die von Art. 25 GG rezipierten allgemeinen Regeln des Völkerrechts 68 selbst fordern das Wahlrecht des Ausländers i m Aufenthaltsstaat nicht. Sie umfassen zu seinen Gunsten nur den erwähnten, von der h. L . 6 9 des Völkerrechts geforderten fremdenrechtlichen Mindeststandard, wie er sich durch Völkergewohnheitsrecht und allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze ausgebildet hat 7 0 . 67 Unbestritten. Vgl. statt aller Maunz, i n : M D H , A r t . 25, A n m . 21 sub c; i n diesem Sinne auch schon A r t . 22 des Entwurfs von Herrenchiemsee u n d die Diskussion i m Parlamentarischen Rat, vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 229 f. 68 Z u ihrem Rang i n der Stufenleiter des Bundesrechts siehe Doehring, Regeln, S. 138 ff., 173 ff., 187 ff. u n d Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 22; Dolde, Ausländer, S. 170 ff. 69 Berber, S. 380 ff.; Guggenheim, S. 307; Wengler, I I , S. 1004; vgl. Doehring, Regeln, S. 70 ff.; Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 13; Bender, S. 71; Hauser, S. 22 ff.; Thomsen, S. 8; Tomuschat, S. 13 m i t weiteren Nachweisen i n Fußn. 4. 70 Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 16 ff., 23; vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 25, A n m . 14 ff.

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Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

Dieser Mindeststandard beinhaltet für das Individuum nicht einmal das Recht zu politischer Betätigung 7 1 und somit erst recht nicht die dieses Recht voraussetzende Teilhabe am status activus 72 . Wichtiger ist daher die Frage, ob es das Völkerrecht dem Aufenthaltsstaat nicht sogar verbietet, den auf seinem Territorium lebenden Ausländern das Wahlrecht einzuräumen. Diese Vergünstigung könnte, da sie den Ausländer hinsichtlich seiner Rechte dem Inländer gleichstellen würde, i n die Personalhoheit des Heimatstaates eingreifen. Die Wahrnehmung einer vom Aufenthaltsstaat angebotenen Teilhabe an der Staatswillensbildung könnte als Verletzung der Gehorsams- und Treuepflicht erscheinen, die dem Ausländer gegenüber seinem Heimatstaat nach einer verbreiteten Meinung auch dann obliegt, wenn er sich auf dem Gebiet eines anderen Staates aufhält 7 3 . Durch Verleihung des Wahlrechts würde dann der Aufenthaltsstaat diesen „Treuebruch" provozieren. A u f Grund derartiger Überlegungen ist der Einführung des Ausländerwahlrechts m i t dem Argument begegnet worden, sie stelle, wenn nicht ein völkerrechtswidriges, so doch kein völkerrechtsfreundliches Verhalten dar 7 4 . Hierbei muß jedoch zunächst zwischen aktivem und passivem Wahlrecht differenziert werden. Hinsichtlich des aktiven Wahlrechts erscheint es so gut wie ausgeschlossen, daß durch seine Gewährung die Personalhoheit des Heimatstaates „unterminiert" werden könnte 7 5 . Die immer wieder genannten, völkerrechtlich nicht zu beanstandenden7® Sanktionen 77 , m i t denen ver71 Berber, S. 382; Guggenheim, S. 311; Bender, S. 72; Hauser, S. 34; Heuer, S. 15; Rolvering, S. 25; Ruppel, S. 101; Thieme, S. 72; Thomsen, S. 9; Tomuschat, S. 14 f.; Kimminich, Völkerrechtsfragen, S. 136 ff. 72 Die Notwendigkeit der Verleihung politischer Rechte ergibt sich für die Bundesrepublik ebensowenig aus Völkervertragsrecht (Heuer, S. 15 u n d die i m folgenden genannten Autoren). Dies gilt f ü r die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen v o m 10. 12. 1948 — A r t . 21 beschränkt das Wahlrecht auf den jeweiligen Heimatstaat — w i e f ü r die Konvention über bürgerliche u n d politische Rechte v o m 16. 12. 1966 (Art. 15: Wahlrecht n u r für jeden Staatsbürger). Das europäische Völkervertragsrecht weist keine Besonderheiten auf. A r t . 16 der Europäischen Menschenrechtskonvention v o m 4. 11. 1950 (ZustG v o m 7. 8. 1952, B G B l . I I , S. 685) behält den Unterzeichnerstaaten die Einschränkung der politischen Betätigung von Ausländern v o r (Dolde, A u s länder, S. 166 f.; Bender, S. 75 ff.). Das Europäische Niederlassungsabkommen verbessert n u r die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Angehörigen der Vertragsstaaten (Bender, S. 77; Ruland, S. 9). Das gleiche g i l t f ü r die von der Bundesrepublik abgeschlossenen bilateralen Freundschafts- u n d Niederlassungsverträge (Bender, S. 78 f.) sowie für den E W G - V e r t r a g ; vgl. zum letzteren unten V. 2. 73 Vgl. etwa Berber, S. 365; Jaenicke / Doehring, S. 524 f. 74 Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 20 f., 35. 75 Unter seinen Beispielen nennt Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 35 auch n u r das passive, nicht das aktive Wahlrecht. 78 Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 35. 77 Doehring nennt, V V D S t R L 32 (1974), S. 35, Fußn. 82, als Beispiel U S A Nationality A c t of 1940, Sec. 401 (b), wonach der Verlust der amerikanischen

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

41

schiedene Staaten auf eine nach ihrer Auffassung zu starke Bindung von Staatsangehörigen an fremde Staaten reagieren bzw. reagiert haben, betreffen alle einen stärkeren Integrationsgrad, als i h n Verleihung und Ausübung des aktiven Wahlrechts voraussetzen. Das klassische Beispiel ist die Annahme eines öffentlichen Amtes i m Aufenthaltsstaat. Eine vergleichbare Bindung an den Aufenthaltsstaat bewirkt die Ausübung des aktiven Wahlrechts nicht. Auch das Gewicht einer Treueerklärung kommt ihr nicht zu. Sie begründet keine auf eine gewisse Dauer angelegte Beziehung, wie sie der Verpflichtung i n ein öffentliches A m t eigentümlich ist, sondern beschränkt sich i n ihrer Wirkung auf den Wahlakt. Bei der Stimmabgabe sollte der Ausländer zwar auch, sofern dies überhaupt möglich ist, unter Beachtung der Interessen des Aufenthaltsstaates handeln. Diese Interessenwahrnehmung würde aber keine über den Wahlakt hinausgehende Bindung zur Folge haben. Eine m i t Bindungswirkung ausgestattete Rechtsposition erhält der Ausländer nur, wenn der Aufenthaltsstaat m i t der Wahlberechtigung diejenigen Pflichten verknüpft, die herkömmlich m i t der Stellung des Aktivbürgers korrespondieren. Eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Heimatstaat könnte dann auch erst durch Erfüllung dieser Pflichten gegenüber dem Aufenthaltsstaat, ein Angriff auf die Personalhoheit des Heimatstaates seitens des Aufenthaltsstaates erst durch A u f erlegung dieser Pflichten eintreten. Schon näher liegt der Eingriff i n ausländische Personalhoheit bei Verleihung des passiven Wahlrechts, auf das hier insoweit wegen des Sachzusammenhanges vorgegriffen werden darf. Das Abgeordnetenmandat kommt einem öffentlichen A m t insofern nahe, als es seinen Träger verpflichtet, für eine gewisse Dauer für den Staat tätig zu werden. Wenn auch der Heimatstaat des Ausländers an die Annahme des Abgeordnetenmandats Sanktionen knüpfen mag, ohne sich damit i n Widerspruch zum Völkerrecht zu setzen, so folgt daraus noch nicht, daß das die Sanktionen bedingende Verhalten des Aufenthaltsstaates völkerrechtswidrig sein muß. Für die Fälle der Aufnahme eines Ausländers i n den Staatsdienst des Aufenthaltsstaates, der am häufigsten den Sanktionen des Heimatstaates zugrunde liegt, ist dies, soweit ersichtlich, auch noch nicht behauptet worden. Staatsangehörigkeit bei Abgabe einer Treueerklärung gegenüber einem fremden Staat eintritt, sowie A r t . 12 I Ziff. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von Polen v o m 19. 1. 1951 (GBl. 1951, Nr. 4), wonach der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem polnischen Staat wegen Annahme eines öffentlichen Amtes i m Ausland u. ä. e i n t r i t t ; vgl. auch A r t . 36e des rumänischen Staatsangehörigkeitsgesetzes v o m 23. 2. 1924 u n d A r t . 40, 3 des Gesetzes v o m 16. 1. 1939, wonach die Annahme des Schutzes eines ausländischen Staates als G r u n d für den Verlust der rumänischen Staatsangehörigkeit betrachtet w i r d (zit. nach Grawert, S. 56 m i t Fußn. 57) ; vgl. auch § 28 I RuStG v o m 22. 7. 1913 (RGBl. S. 583), der infolge Widerspruchs zu A r t . 16 I G G gemäß A r t . 123 GG inzwischen außer K r a f t getreten ist; dazu Rolvering, S. 17.

4 2 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

Die Verleihung des passiven Wahlrechts wäre, selbst wenn es sich um eine größere Zahl i n Betracht kommender Ausländer handelte, offensichtlich auch keine „Abwerbung", die den Heimatstaat der Ausländer i n meßbare Existenznot bringen könnte, so daß etwa die „Extrem- und Evidenzgrenze" erreicht wäre, bei der ein unfreundlicher A k t i n völkerrechtswidriges Verhalten umschlägt 78 . Selbst wenn man hierin überhaupt einen unfreundlichen A k t sehen könnte, so ergäbe sich daraus jedenfalls kein völkerrechtliches Verbot, Staatsfremden das passive Wahlrecht zu verleihen. Es bleibt damit festzustellen, daß das Völkerrecht das Wahlrecht für Ausländer weder gebietet noch verbietet, sondern insoweit dem innerstaatlichen Recht freie Hand läßt 7 9 . 7. Die politischen Grundrechte Von Aussagekraft für die Abgrenzung des vom Grundgesetz als Wählerschaft vorausgesetzten Personenkreises und damit für den Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG sind schließlich noch diejenigen Grundrechte, die aufgrund ihres engen Zusammenhanges mit der öffentlichen Meinungsbildung und damit der politischen Willensbildung des Volkes geradezu als deren Voraussetzung erscheinen. Zwar sind Meinungs- und Informationsfreiheit i n A r t . 5 GG als Menschenrechte garantiert 8 0 . Die sie ergänzenden kollektiven Garantien 8 1 der Vereins- und Versammlungsfreiheit (Art. 8 I, 9 I GG) hingegen sind den Deutschen vorbehalten. Lediglich das von der Menschenwürde geforderte M i n i m u m „organisierter Kommunikation" 8 2 ist dem Ausländer über das subsidiäre allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 I GG i n diesem Bereich garantiert 8 3 . Läßt die Verfassung i m Bereich der „Vorformung der politischen W i l lensbildung des Volkes" 8 4 demnach eine Schlechterstellung des Ausländers zu, so wäre es damit nicht vereinbar, wenn sie ihn andererseits an der formalisierten Staatswillensbildung beteiligen wollte 8 5 . Aus dem Vergleich m i t Art. 8 I, 9 I GG ergibt sich also ebenfalls, daß das Grundgesetz das Wahlrecht für Ausländer nicht fordert. Da jedoch 78

Zitat u n d K r i t e r i u m : Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 21. So auch Dolde, Ausländer, S. 170, 172 f.; Rolvering, S. 17; Kewenig, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 108; Zuleeg, DVB1. 1974, S. 348; früher schon Kotthaus, S. 25. 80 Z u r Frage der „großen" u n d „kleinen" Meinungsfreiheit siehe unten E. I. 81 Maunz, Staatsrecht, S. 129; Hesse, Grundzüge, S. 166; Dolde, Ausländer, S. 27. 82 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 79. 83 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 80 f. m. w. N. i n Fußn. 73; Ruland, S. 10; kritisch Dolde, Ausländer, S. 60 ff. 84 BVerfGE 8,104,113; 20, 56, 98. 85 Ebenso Ruland, S. 10. 79

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

43

die Deutschengrundrechte die Gleichstellung des Ausländers i n ihrem Bereich durch den Gesetzgeber nicht verhindern wollen 8 6 , kann der Vergleich nicht ausschließen, daß dies auch für das Wahlrecht der Fall sein könnte. Hier liegen die Grenzen einer auf die Deutschengrundrechte abstellenden systematischen Auslegung. IV. Der demokratische Volksbegriff 1. Das Volk als Subjekt der demokratischen

Staatsordnung

Infolge der fundamentalen Bedeutung des Art. 20 I I 1 GG als Grundentscheidung der Verfassung für die demokratische Staatsform darf sich seine Interpretation nicht auf entstehungsgeschichtliche und verfassungssystematische Gesichtspunkte beschränken, sondern muß den ideengeschichtlichen Zusammenhang, i n dem die Vorschrift steht, einbeziehen. Aus der Vielfalt möglicher Inhalte des Begriffes V o l k 1 die für den demokratischen Volksbegriff kennzeichnenden Merkmale herauszustellen, vermag nur eine Auslegung, die Verfassungsdogmatik und Verfassungstheorie als Einheit sieht. Die grundlegende Funktion des Art. 20 I I 1 GG für Legitimation und Aufbau des Staates, die gerade am Beispiel des Wahlrechts praktisch-politische Relevanz besitzt, verlangt Klarheit der begrifflichen Voraussetzungen, wenn die Umsetzung der politischen Grundentscheidung i n die politische Praxis gelingen soll. Die verfassungskräftige Rückkoppelung aller staatlichen Herrschaft an das Volk ginge ins Leere, wenn sich dieses zur Legitimationsquelle erhobene Volk i n dem W i r r w a r r begrifflicher Vieldeutigkeit nicht ausmachen ließe 2 . Wer m i t dem Begriff der Demokratie konfrontiert wird, sieht sich i n Verlegenheit. Die oft beklagte Vielfalt der Inhalte 3 , die diesem Begriff beigegeben werden, scheint selbst die schmälste Basis des Konsenses und damit die Möglichkeit der Herleitung von Ergebnissen, die allgemeine Zustimmung finden können, in Frage zu stellen. Die verfassungsrechtliche Analyse darf zwar nicht von irgendeinem beliebigen Begriff von Demokratie ausgehen, sondern muß den Demokratiebegriff zugrundelegen, der konkret i m Grundgesetz nach dessen Gesamtkonzeption, wie sie i n den einzelnen Ausprägungen sichtbar wird, vorausgesetzt ist 4 . Doch selbst für denjenigen, der nicht Demokratie 86

Vgl. Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 81. Vgl. die Ubersicht bei hiermann, S. 9 ff. 2 Mißverständlich Kröger, S. 18, der davon ausgeht, das V o l k sei als Souver ä n nicht personifizierbar. 3 Hesse, Grundzüge, S. 52; von Simson, S. 4 ff.; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 225; eine knappe Übersicht über verschiedene Demokratiebegriffe bei von Simson, S. 6; vgl. auch Curtius, S. 107 ff. 4 Hesse, Grundzüge, S. 52. 1

4 4 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

schlechthin, sondern Demokratie, wie sie speziell das Grundgesetz versteht, untersuchen muß, ändert sich der Befund nicht grundlegend. Die herrschende Verfassungsdogmatik sieht sich denn auch nicht i n der Lage, Demokratie i m Sinne des Grundgesetzes abschließend zu definieren und begnügt sich m i t der Aufzählung mehrerer, als unverzichtbar angesehener Begriffselemente 5 . Hierbei stehen meist Merkmale, die Demokratie als eine bestimmte formale Methode der Erzeugung legitimer Herrschaft kennzeichnen 6 , neben solchen, die mit dieser Staatsform auch einen Grundbestand materieller Wertordnung verbinden und damit die traditionelle Abgrenzung zur rechtsstaatlichen und sozialstaatlichen Sphäre nicht mehr in aller Schärfe erkennen lassen7. Diese ganze Spanne möglicher Begriffselemente von Demokratie auszuloten, erfordert die Frage nach dem demokratischen Volksbegriff jedoch nicht. Es geht ihr nicht um die einzelnen, das Verfahren der Konstituierung von Herrschaft charakterisierenden Wesenszüge (ζ. B. Mehrheitsprinzip, Mehrparteiensystem) oder darum, ob zum Demokratiebegriff möglicherweise die Anerkennung von Grund- und Freiheitsrechten des Einzelnen oder Minderheitenschutz gehören. So wesentlich diese Gesichtspunkte sind, so wenig liefern sie allein bereits die Kriterien, durch die sich Demokratie von anderen Staatsformen abhebt. Das Prinzip der Herrschaft der Mehrheit zum Beispiel bleibt ohne Aussagewert, wenn i h m nicht die Bezugsgröße beigegeben wird, innerhalb derer die Unterscheidung von Mehrheit und Minderheit getroffen werden soll. Indem i n der Demokratie das Volk zu dieser Bezugseinheit erhoben wird, rückt der Begriff des Volkes i n das Zentrum des Demokratiebegriffes überhaupt. Die Aufgabe besteht i n unserem Zusammenhang demnach nicht darin, den Demokratiebegriff des Grundgesetzes i n all seinen Dimensionen zu erfassen. Die Fragestellung darf sich auf das personelle Substrat beschränken, das der Erzeugung der Herrschaftsordnung i n der Demokratie zugrunde liegt 8 . 2. Der Demokratiebegriff

des Verfassunggebers

Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, welches Demokratieverständnis i m besonderen i m Grundgesetz Ausdruck gefunden hat. Die Väter der Verfassung haben sich i n den Beratungen i m Parlamentarischen Rat mit dem Begriff der Demokratie unmittelbar kaum auseinandergesetzt, obwohl man dies aufgrund der voraufgegangenen poli5

Vgl. den Katalog bei Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 30 ff.; Püttner, S. 49. Vgl. Badura, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 29 (1971), S. 95; Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 38; i n diesem Sinne etwa Hamm, S. 99 f.; H. H. Klein, S. 170. 7 Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 36, 39 f., 45; Hesse, Grundzüge, S. 52 ff. 8 Vgl. Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 92: „Demokratie ist Herrschaftszuständigkeit, nicht Herrschaftsziel oder Herrschaftsgrenze." 6

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

45

tischen Erfahrungen, auf die das Grundgesetz eine A r t A n t w o r t sein mußte, eigentlich hätte erwarten können 9 . Auch die Aufnahme der Bestimmung des späteren A r t . 20 I GG, i n dem von der Demokratie ausdrücklich die Rede ist und der weder i n der Weimarer Reichsverfassung noch i m Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee ein Vorbild hatte 1 0 , war den Abgeordneten kein A n laß, eine Begriffsinterpretation vorzunehmen 11 . Der Wortlaut des ersten Entwurfs zum späteren A r t . 20 I GG 1 2 , den der Abgeordnete Dr. von Mangoldt dem Grundsatzausschuß i n seiner 11. Sitzung am 14. 10. 1948, damals noch als A r t . 21 I GG, vorgelegt hatte 1 8 , lenkte den Akzent der Debatte nicht auf den Begriff der Demokratie, sondern auf die parlamentarische Regierungsform 14 , die offenbar i n spezifischer Verknüpfung m i t der Demokratie gesehen wurde. Lediglich der Abgeordnete Dr. Schmid schlug vor, man solle sich m i t der Formel, das Volk sei Träger der Staatsgewalt, begnügen, weil damit „das Wesen des Demokratischen bereits ausgesprochen" sei 15 . Derselbe Abgeordnete war es auch, der bereits vorher, i n der zweiten Sitzung des Plenums am 8. 9. 1948, als einziger näher auf den Begriff der Demokratie eingegangen war. Er sprach von i h r als der klassischen Demokratie, als deren Kennzeichen er Gleichheit und Freiheit der Bürger, Gewaltenteilung und Garantie der Grundrechte hervorhob 1 6 . I n dieser Äußerung fand das von der ganz überwiegenden Mehrheit des Parlamentarischen Rates geteilte Verständnis der zu schaffenden Staatsordnung als einer liberalen Demokratie westlicher Prägung 1 7 seinen Ausdruck. Dieses Verständnis gründete vor allem auf der bewußten Ablehnung des Gegenmodells einer „sozialistischen" Demokratie, wie sie i n den Ländern der damaligen Ostzone praktiziert wurde, sowie auf den Erfahrungen der nationalsozialistischen Ä r a 1 8 . Von diesen politischen Erfahrungen rührt es auch her, daß unter den Demokratiebegriff — wie 9 Z u m Demokratiekonzept i n den damaligen Verfassungsmodellen der p o l i tischen Parteien vgl. Fromme, S. 519 f. 10 Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 195. 11 Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 195 ff.; Fromme, S. 520. 12 „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer u n d sozialer Rechtsstaat m i t parlamentarischer Regierungsform u n d bundesstaatlichem Aufbau." Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 195. 13 JÖR N F 1 (1951), S. 195. 14 JÖR N F 1 (1951), S. 195,196. 15 Stenogr. Protokoll des Grundsatzausschusses, 11. Sitzung, S. 4 (zit. nach Fromme, S. 520, Fußn. 22). 16 Parlamentarischer Rat, Stenogr. Bericht, S. 14. 17 Fromme, S. 522; Kriele, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 29 (1971), S. 107. 18 Vgl. die Äußerung des Abgeordneten Dr. Bergsträßer i n der 11. Sitzung des Grundsatzausschusses am 14. 10. 1948, JÖR N F 1 (1951), S. 195. Die D ü r f t i g -

4 6 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

die Äußerung des Abgeordneten Dr. Schmid mit der Erwähnung der Grundrechte zeigt — nicht nur formal die Legitimation von Herrschaft, sondern auch bestimmte Inhalte und Richtwerte für die A r t ihrer Ausübung gefaßt wurden 1 9 . 3. Die ideengeschichtlichen Grundlagen der Demokratie des Grundgesetzes Die grundgesetzliche Demokratie hat, wie auch die Entstehungsgeschichte zeigt, i m wesentlichen drei geistige Wurzeln: Neben der i n Frankreich entwickelten modernen Idee der Volkssouveränität, ausgedrückt durch die klassische Formel vom Volk als Träger aller Staatsgewalt i n Art. 20 I I 1 GG, haben Vorstellungen des Parlamentarismus, wie sie insbesondere i n England ihre historischen Vorbilder haben, und solche des Liberalismus Eingang gefunden. Die konkrete Ausgestaltung, die das Grundgesetz i n den A r t . 20, 21 und 38 seiner Demokratie gegeben hat, kennzeichnen diese als eine Erscheinungsform des Types der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. Der Begriff des Volkes, der dieser Verfassungsform zugrunde liegt und ihr personelles Substrat definiert, läßt sich allerdings weder unmittelbar aus dem Begriff des Parlamentarismus noch aus der Idee der Repräsentation bestimmen. a) Volksbegriff und Parlamentarismus Der Parlamentarismus stellt — bei aller begrifflichen Unbestimmtheit i m einzelnen und Variabilität der Erscheinungsformen 20 — ursprünglich eine besondere Form des Regierungssystems dar, i n dem das Parlament, wenigstens der Idee nach, als öffentliche Austragungsstätte k r i t i scher Diskussion von Meinung und Gegenmeinung 21 eine unentbehrliche Funktion i m staatlichen Entscheidungsprozeß wahrnimmt. Das Parlament ist damit aber noch keine demokratische Institution. I n seinem klassischen Land, i n England, war der Parlamentarismus vielmehr ständischen Ursprungs 22 . Erst nach der französischen Revolution keit der Entstehungsmaterialien erklärt sich daraus, daß die Mehrheit des Parlamentarischen Rates i h r eigenes Demokratieverständnis nicht zu konkretisieren brauchte, w e i l es an einer Herausforderung hierzu infolge der zahlenmäßigen u n d theoretischen Schwäche der Vertreter des sozialistischen Gegenmodells, der K P D , fehlte. Vgl. Fromme, S. 521 f. 19 Fromme, S. 518 m i t Fußn. 2. 20 Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 303; Loewenstein, S. 65; Kluxen, S. 17. 21 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 315; Kluxen, S. 18. 22 Max Weber, S. 27; Kluxen, S. 91.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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gingen Parlamentarismus und Demokratie eine Verbindung ein, ohne jedoch trotz ihrer vielfältigen Zusammenhänge zu Synonymen zu werden. Demokratie schließt Parlamentarismus nicht ein, sondern ist nur Voraussetzung eines modernen Parlamentarismus 23 . I n diesem ist die besondere Stellung des Parlaments durch eine wechselseitige Abhängigkeit i m Verhältnis zur Regierung gekennzeichnet, die verhindern soll, daß der Staatswille von einem der beiden Staatsorgane allein gebildet werden kann 2 4 . Diese Abhängigkeit äußert sich i n der einen Richtung dahin, daß die Regierung, die i n der Regel aus dem Parlament personell hervorgeht, dem Parlament verantwortlich ist, diesem also Kontrollrechte zustehen, auf der anderen Seite aber der Regierung das Recht zusteht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu veranlassen 25 . Dieses parlamentarische Grundmodell hat i n der modernen Parteiendemokratie, insbesondere auch der des Grundgesetzes, einen Strukturwandel durchgemacht. Der Gegensatz von Kabinett und Parlament hat sich zu einem Gegenüber von Regierungspartei und Oppositionspartei verschoben 2 6 . b) Volksbegriff und Repräsentation M i t dem Parlamentarismus hat die Idee der Repräsentation 27 , die sich von diesem nicht trennen läßt, gemeinsam, daß sie zwar historisch eine enge Beziehung zur Entstehung des modernen Staates auf weist, jedoch nicht i n einem wesensnotwendigen Zusammenhang m i t einer auf die Souveränität des Volkes aufbauenden Staatsordnung steht 2 8 . Das englische Parlament repräsentierte die Korporationen der ständischen Gesellschaft, bevor sich, spätestens i m Laufe des 16. Jahrhunderts, eine nationale bürgerliche Gesellschaft herausgebildet hatte 2 9 . Noch später, nämlich erst m i t der Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts, vollzog sich i n Frankreich der Wechsel von der ständischen zur Nationalrepräsentation 30 . Diese gründete entsprechend dem richtungweisenden Konzept des Abbé Sieyès i n der Nationalversammlung von 178981 auf dem freien Mandat des Abgeordneten und stand so i n schrof23 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 304 f.; Max Weber, S. 27; Loewenstein, S. 65 ; Kluxen, S. 25. 24 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 304; Loewenstein, S. 66. 25 Loewenstein, S. 66; Kluxen, S. 25; vgl. Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 17. 28 Vgl. Scheuner, Regierungssystem, S. 437. 27 Z u r W o r t - u n d Begriffsgeschichte der Repräsentation vgl. die umfassende Darstellung von H. Hofmann; dort auch kritische Stellungnahme zur aktuellen Diskussion, S. 15 ff., 29 ff. 28 Leibholz, Repräsentation, S. 78 f. 29 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 2 - 3 . 80 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 4; vgl. f ü r die Parallele i n Deutschland Gerber, S. 28 ff. m i t zahlreichen Belegen aus der zeitgenössischen L i t e r a t u r (S. 28/29, Fußn. 3); vgl. Drath, S. 271.

4 8 I . Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag fem Gegensatz nicht nur zu dem überwundenen ständischen System, sondern auch zu der eine Repräsentation verwerfenden 3 2 Demokratievorstellung Rousseaus33. I n der Nationalrepräsentation i m Sinne der politischen Philosophie des Liberalismus t r i t t denn auch neben oder gar gegen die Souveränität des Volkes die Souveränität des Parlaments, die durch die völlige Unabhängigkeit der Abgeordneten von ihren Wählern konstituiert wird. Die Souveränität des Parlamentes w i r d hier jedoch durch die relative gesellschaftlich-soziale Homogenität von Abgeordneten und Wählerschaft kompensiert. Die gemeinsame Herkunft der Abgeordneten aus dem durch Bildung und Besitz privilegierten Bürgertum, dem ein plutokratischer Wahlzensus den entscheidenden Einfluß vorbehält, ist die Gewähr dafür, daß das von den Abgeordneten unabhängig artikulierte nationale Interesse m i t dem der dominierenden Schicht übereinstimmt 3 4 . Der Wahlzensus w i r d ideologisch damit gerechtfertigt, daß er eine Auslese der politisch Vernünftigen ermögliche 85 . Das souveräne Parlament der Nationalrepräsentation ist Honoratiorenparlament. A n das freie Mandat des Abgeordneten als der Voraussetzung dieser liberal-repräsentativen Demokratie knüpfen die Theorien an, die i n Repräsentation nicht einen Vorgang legitimierender Zurechnung, sondern einen „Wesensbegriff" 36 sehen. So heißt Repräsentation für Carl Schmitt 37, „ein unsichtbares Sein durch ein öffentlich anwesendes Sein sichtbar machen und vergegenwärtigen". Sie setzt, da eine beliebige oder wertlose A r t des Seins nicht repräsentiert werden kann, eine „gesteigerte A r t Sein, die einer Heraushebung i n das öffentliche Sein, einer Existenz, fähig i s t " 3 8 , voraus. Eine solche höhere A r t Sein kommt i n der politischen Sphäre nicht dem natürlichen Dasein einer irgendwie zusammenlebenden Menschengruppe, sondern nur einem als politische Einheit existierenden Volk zu 3 9 . Diese politische Einheit als Ganzes 40 , nicht die Summe Einzelner w i r d repräsentiert. 31

Vgl. Fraenkel, S. 357. Rousseau, Contrat social I I I , 15; vgl. Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 406. 33 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 10. 34 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 11,12; „ V o l k " bezeichnet i n dieser Zeit n u r die herrschende Gesellschaftsschicht der Besitzenden, vgl. Krüger, Staatslehre, S. 158 u n d Integration, S. 265 sowie Heller, Staatslehre, S. 162; auch Boberach, S. 62 ff. ; Schilfert, S. 209. 35 Thoma, Begriff, S. 41; Rittstieg, S. 235 ff.; vgl. Schilfert, S. 202. 36 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 26. 37 Verfassungslehre, S. 209. 38 Verfassungslehre, S. 210. 39 Verfassungslehre, S. 210. 40 Verfassungslehre, S. 212. 32

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Hierin besteht Übereinstimmung m i t Gerhard Leibholz, wenn dieser das Vorhandensein einer ideell bestimmten Wertsphäre des zu repräsentierenden Seins zur Voraussetzung von Repräsentation erhebt 41 . Repräsentiert w i r d demnach das Volk als politisch-ideelle Einheit 4 2 , d. h. nicht die Summe der das Volk bildenden Individuen, sondern die Volksgemeinschaft als generationenumfassende Wertgemeinschaft 43 . Von dieser Warte aus ist es nur konsequent, daß der moderne Parteienstaat, wie er sich i m Gefolge eines von gesellschaftlicher Stellung unabhängigen, „demokratischen" Wahlrechts herausgebildet hat, nicht als repräsentative, sondern als „rationalisierte Erscheinungsform der plebiszitären Demokratie" 4 4 eingestuft wird. Mag man dagegen auch den Begriff der Repräsentation von seiner normativen Verengung auf die Begriffswelt einer bestimmten Epoche, wie sie i n den geschilderten Theorien zum Ausdruck kommt, lösen und i h n auch für den modernen Parteienstaat i m Sinne einer Interpretation als legitimierende Delegation durch das empirische Volk fruchtbar machen können 4 5 , so zeigt sich auch dann, daß sich trotz der Reduzierung der repräsentierten Einheit von einer qualitativen zu einer empirischen, quantifizierbaren Größe das repräsentierte Volk i n personeller Hinsicht nicht abgrenzen läßt. Der Begriff der Repräsentation als solcher beschreibt, gleich wie man i h n faßt, einen Vorgang, der m i t dem Repräsentierten verbunden ist, oder eine besondere Beziehung, i n der das Repräsentierte steht, nicht aber das Repräsentierte selbst. Das Bestehen der zu repräsentierenden politischen Einheit w i r d von i h m stets vorausgesetzt 46 . Es ist daher keine Folge des Repräsentationsgedankens, sondern Folge einer gewandelten Vorstellung von Demokratie, wenn sich die heutige parlamentarische Repräsentation i m Parteienstaat, so wie sie auch i m Grundgesetz i n den A r t . 20, 21, 38 konzipiert ist, nicht mehr i m Sinne der liberalen Nationalrepräsentation 47 , sondern nur als egalitäre Volksvertretung verstehen läßt 4 8 . Die Aufgabe eines wertgebundenen „existenziellen" Repräsentationsbegriffs zugunsten einer Vorstellung von Repräsentation, die sich als 41

Repräsentation, S. 32; ähnlich Gerber, S. 7. Repräsentation, S. 29. 43 Leibholz, Repräsentation, S. 45 f., 57,128. 44 Leibholz, Repräsentation, S. 226; vgl. auch Gerber, S. 7, Fußn. 2, 60 f. 45 I n diesem Sinne: Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 29; Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 391,398 f. 46 Badura, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 29 (1971), S. 97. 47 Das Fehlen eines Wesenszusammenhangs zwischen Demokratie u n d Repräsentation w i r d auch daran deutlich, daß diese nach der liberalen Auffassung eine W a h l prinzipiell nicht voraussetzt; vgl. Gerber, S. 50 f. 48 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 28 f. 42

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Birkenheier

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Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

Zurechnungs- und Legitimationsverhältnis zwischen empirischem Volk und Parlament begreift, zieht nur die Konsequenz aus der i n der Mitte des vergangenen Jahrhunderts eingeleiteten politischen Wirklichkeit, deren Demokratisierungsprozeß durch die i n das allgemeine und gleiche Wahlrecht mündende politische Emanzipation der sozialen Unterschichten gekennzeichnet ist und damit die Privilegienherrschaft der Besitzerschichten überwand 4 9 . c) Das Volk der demokratischen Volkssouveränität Läßt sich demnach der Begriff des Volkes nicht aus dem Begriff der Repräsentation näher eingrenzen, so muß hierfür auf die vorausgesetzte politische Einheit zurückgegangen werden, die i n der modernen Parteiendemokratie als repräsentiert gedacht ist. Diese ist die Einheit des souveränen Volkes i m Sinne der Idee der Volkssouveränität, die am Anfang der modernen Demokratie steht 5 0 . Durch seine besondere Ausgestaltung und als Repräsentativverfassung ist das Grundgesetz von einer radikal-kollektivistischen Volkssouveränitätsauffassung i m Sinne Rousseaus m i t volonté générale und unmittelbarer Volksherrschaft zwar weit entfernt 5 1 , knüpft aber durch die Formulierung des A r t . 20 I I 1 GG an den Volksbegriff der Volkssouveränität als der Grundlage seines Repräsentativsystems an 5 2 . Die Repräsentation ersetzt dabei nicht das Volk durch einen anderen Souverän, wenngleich sie die faktische Herrschaft den Repräsentanten überträgt, sondern modifiziert den Inhalt der Souveränität, indem sie dem Volk nicht die Stellung des Subjekts unmittelbarer Entscheidung, sondern des Subjekts der Zurechnung und Legitimation der Entscheidung der Repräsentanten zuweist. Da jede moderne Demokratie nur als eine repräsentative Demokratie vorstellbar ist, läßt sich i m Hinblick auf das Herrschaftspotential, das i n 49 Thoma, Begriff, S. 40, 43; Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 13; Hesse, Gleichheit, S. 119 f.; Kriele, S. 61 ff. 50 Vgl. Hesse, Grundzüge, S. 54; Steiner, S. 96; Curtius , S. 75. 51 Dies gilt z. B. i m H i n b l i c k auf die Beschränkung der verfassunggebenden Gewalt durch A r t . 79 I I I (vgl. auch A r t . 9 I I , 21 I I , 20 I V GG): Kriele, S. 59; Fromme, S. 524; Curtius , S. 37, 66; unrichtig Hamm, S. 100 f.; eine Übernahme rousseauistischer Volkssouveränitätsideen ist auch nicht i n der Weise erfolgt, daß dem V o l k eine A r t subsidiärer Universalkompetenz zusteht, soweit das Grundgesetz sein Tätigwerden nicht ausdrücklich ausschließt; hierzu Kriele, S. 60; Wittkämper, S. 158; allgemein zu den Unterschieden zwischen der Theorie Rousseaus u n d dem modernen Demokratieverständnis vgl. Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 406 f., 418; Ehmke, Grenzen, S. 110 f., Fußn. 19; zum Einfluß der Demokratievorstellung Rousseaus auf die Weimarer Lehre vgl. W. Hofmann, S. 273 ff. 52 A r t . 20 I I 1 G G sehen als Ausdruck der Volkssouveränität z. B.: Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 46; Wittkämper, S. 157; W. O. Schmitt, S. 439; Lemke, S. 66.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

51

ihr den Repräsentanten eingeräumt ist, mit Recht feststellen, daß Demokratie gerade nicht Aufhebung von Herrschaft, sondern Anerkennung von Herrschaftsverhältnissen durch Bestätigung des Unterschiedes von Regierenden (Repräsentanten) und Regierten ist 5 3 . Die traditionellen Definitionen der Demokratie als Identität von Regierenden und Regierten, Herrschenden und Beherrschten, Befehlenden und Gehorchenden 54 lassen sich aber halten, indem man die Befehls-, Regierungs- und Herrschaftsfunktion der Beherrschten i n ihrer Funktion als Zurechnungs- und Legitimationssubjekt erblickt, so daß sich Demokratie als Identität von Legitimierenden und Beherrschten darstellt 5 5 . I n diesem Sinne w i r d i m folgenden die vereinfachende Formel von der Identität der Regierenden und Regierten verwendet. 4. Souveränes Volk und der Begriff

des Staatsvolkes

Die Kennzeichnung des legitimierenden Volkes als die „empirischen Angehörigen des Staatsvolkes" 56 ist jedoch insofern problematisch, als der Begriff des Staatsvolkes keinen einheitlichen Inhalt hat. a) Das Volk als Element des Staates Die traditionelle allgemeine Staatslehre sieht den Staat als durch die drei Elemente Gebiet, Volk und Staatsgewalt konstituiert an 5 7 . Sie gebraucht für das i n diesem Sinne verstandene Volk auch die Bezeichnung „Staatsvolk" 5 8 . Die Umgrenzung dieses Staatsvolkes ergibt sich dabei aus dem Verhältnis von Staatsvolk zu Staatsgewalt, das — wie auch das Verhältnis der drei Staatselemente zueinander insgesamt 59 — i m Sinne wechselseitiger Bedingung gedacht w i r d : Das Staatsvolk ist das notwendige Korrelat der Staatsgewalt. Diese ist nur dann echte Herrschaftsgewalt, wenn ihr Gehorsam entgegengebracht wird. Sie w i r d somit einerseits durch den Gehorsam der ihr Unterworfenen konstituiert, andererseits konstituiert sie selbst die ihr Unterworfenen zur Einheit des Volkes als Ele53

Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 30 m. w. N.; Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 392; Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 29; Ehmke, Festgabe für Smend, S. 49 ; Hesse, Grundzüge, S. 54 f. ; Wittkämper, S. 127 ; W. Thieme, Staatsgewalt, S. 658; Drath, S. 293 f., 323; H. H. Klein, S. 166. 54 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 234; Kelsen, Demokratie, S. 14; kritisch Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 407. 55 Maunz (in: M D H , A r t . 20, A n m . 30) sieht hinter der Kontroverse u m diese Frage zu Recht mehr terminologische Differenzen als einen sachlichen U n t e r schied. 56 Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 29. 57 Jellinek, S. 394-434; Kelsen, Staatslehre, S. 9 5 - 162; Zippelius, S. 43; kritisch Krüger, Staatslehre, S. 145 f. 58 Jellinek, S. 406; Kelsen, Staatslehre, S. 149. 59 Jellinek, S. 426. 4*

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Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

ment des Staates 60 . Differenzen weist die traditionelle Lehre i n der Frage auf, ob diesem Staatsvolk als einer Gesamtheit von Subordinierten 61 , von Objekten der Staatsgewalt 61 , von Pflichtsubjekten 61 gleichzeitig auch die Qualität einer Gesamtheit von Rechtssubjekten zukommt. Hierzu bestehen i m wesentlichen zwei Richtungen. Nach der einen ist eine willensmäßige Beteiligung des gewaltunterworfenen Volkes an der Bildung der Staatsgewalt oder auch nur irgendeine andere schwächere Rechtsstellung gegenüber der Staatsgewalt zwar für bestimmte Staatsformen, nicht aber für den Staat als solchen konstitutiv. Der Staat muß danach Untertanen, aber er muß keine „Staatsbürger" haben 62 . Die personelle Umgrenzung dieses nur als Gesamtheit von Untertanen verstandenen Staatsvolkes ergibt sich aus seinem begrifflichen Korrelat, der Staatsgewalt. Untertanen sind alle, die der Staatsgewalt unterliegen. Der Wirkungsbereich der Staatsgewalt folgt i m modernen Staat grundsätzlich dem Territorialitätsprinzip, einem Wesenszug des modernen Staates überhaupt 6 3 . Staatsgewalt kann ohne ein bestimmtes Gebiet nicht gedacht werden. Die rechtliche Unterworfenheit unter die Staatsgewalt knüpft allein an den Umstand an, daß sich die Person auf dem Gebiet befindet, auf das sich die Herrschaft erstreckt. Zum Volk als Element des Staates gehören daher nicht nur die Staatsangehörigen oder Staatsbürger, sondern auch die Staatsfremden (Ausländer), sobald sie durch Aufenthalt i m Staatsgebiet der Staatsgewalt unterworfen sind 6 4 . Nach der anderen Ansicht genügt die Kennzeichnung als Gesamtheit von Gewaltunterworfenen und Pflichtsubjekten dem Begriff des Staatsvolkes als Element des Staates nicht. Von einem Staat und damit einem Staatsvolk kann danach nur gesprochen werden, wenn eine Vielheit von Menschen nicht nur als Objekt von Herrschaft zusammengefaßt wird, sondern zugleich Subjekt von Rechten ist. Dem Staatsvolk muß also zugleich objektive und subjektive Qualität innewohnen 6 5 . Der Mensch kann nach dieser Auffassung gegenüber dem modernen Staat nicht mehr i n eine Sphäre völliger Rechtlosigkeit verwiesen werden. Unterworfenheit unter die Staatsgewalt steht i n unlösbarem Zusammenhang m i t der Anerkennung des Menschen als Person, d. h. als eines mit der Sphäre öffentlicher Rechte ausgestatteten Individuums 6 6 . 60

Jellinek, S. 426. Jeweils Jellinek, S. 408. 62 Kelsen, Staatslehre, S. 160. es Z u r E n t w i c k l u n g v o m Personenverbandsstaat zum Territorialstaat vgl. Krüger, Staatslehre, S. 3,89,162,859 f. 64 So ausdrücklich Kelsen, Staatslehre, S. 160. 65 Jellinek, S. 406 f. ββ Jellinek, S. 408; die Notwendigkeit einer subjektiven Qualität des Volkes w i r d bei Jellinek, w i e die Begründung der Anerkennung des Menschen als 61

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

53

Ein Staatsvolk konstituiert sich nur dort, wo die der Staatsgewalt unterworfenen Pflichtsubjekte durch die staatliche Anerkennung einer Sphäre öffentlicher Rechte der Staatsgewalt als koordinierte Rechtssubjekte 67 gegenüberstehen. I n diesem Sinne bilden sie eine Genossenschaft 68, sind sie „Mitglieder des Staates" 69 . Die Staatsmitglieder teilen sich i n zwei Gruppen m i t jeweils verschiedenen subjektiven öffentlichen Rechten: die Gruppe der Vollmitglieder 7 0 , das sind die dem Staat auf Dauer rechtlich zugehörigen Menschen 71 , und die Gruppe derjenigen, die der Staatsgewalt nur vorübergehend unterworfen sind 7 2 , d. h. alle auf staatliches Gebiet gelangenden Menschen 73 . I n der personellen Abgrenzung des Staatsvolkes insgesamt besteht gegenüber der zuvor dargestellten Lehre demnach kein Unterschied: Die Zugehörigkeit zum Volk als Element des Staates knüpft i n beiden Fällen an die durch den Aufenthalt auf dem Staatsgebiet vermittelte Subordination unter die Staatsgewalt an. Die zuletzt geschilderte Lehre fordert als Bedingung der Konstituierung eines Staatsvolkes zusätzlich zur Objektstellung gegenüber der Staatsgewalt, daß derselben Vielheit von Menschen die Qualität des Rechtssubjekts zukommt. Auch sie schließt damit aber den Staatsfremden i n das Staatsvolk ein 7 4 , auch wenn sie aus seiner nur vorübergehenden Beziehung zur Staatsgewalt einen geringeren Bestand an Rechten 75 folgert. b) Gesellschaftsvolk und Gemeinschaftsvolk Ein abweichender Begriffszusammenhang findet sich bei Liermann: Dies ist insofern von Interesse, als Liermann auf dieser Grundlage auch die Staatsgewaltformel des A r t . 1 I I WRV interpretiert. Die Begriffe Volk als Element des Staates und Staatsvolk werden zwar auch gleichgesetzt 76 . Die so benannte Einheit stellt eine besondere Person — aus der „gesamten K u l t u r e n t w i c k l u n g " (S. 408 ff.) zeigt, weniger aus dem Begriff des Staates als Körperschaft (so Kelsen, Staatslehre, S. 160), als aus der Auffassung v o m menschlichen I n d i v i d u u m als vorstaatlichem Inhaber subjektiver Rechte abgeleitet (so Kelsen, Staatslehre, S. 162). 67 Jellinek, S. 408. 68 Jellinek, S. 408,419. 69 Jellinek, S. 408, 419. 70 Jellinek, S. 408, auch „Staatsglieder" i m Unterschied zu „Person" (S. 419). 71 Jellinek, S. 408,419. 72 Jellinek, S. 408. 73 Jellinek, S. 419. 74 Jellinek, S. 408. 75 Die subjektiven öffentlichen Rechte des Staatsfremden umfassen, w i e die Darstellung bei Jellinek (S. 409 ff.) zeigt, der Anerkennung des Fremden als Person entsprechend, zumindest bestimmte Grundrechte als Menschenrechte. Die subjektive Qualität des Staatsvolkes ist also bei staatlicher Anerkennung solcher Rechte gegeben. Jellinek w i r d insoweit mißverstanden von H. W. Thieme, S. 61 f. ; Grabitz, S. 26, 30.

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Form von Volk i m soziologischen Sinne dar; sie ist wie dieses „eine i n psychischer Wechselwirkung stehende größere Gemeinschaft von Menschen, wobei der Geist dieser Gemeinschaft... unabhängig vom Leben des Einzelnen vergangene und zukünftige Generationen verbindet" 7 7 . Ihre Besonderheit gegenüber dem allgemeinen soziologischen Volksbegriff bezieht sie daraus, daß die Substanz dieser geistigen Gemeinschaft darin liegt, daß sie einen „bestimmten Staat als ihren Staat" betrachtet 7 8 . M i t diesem Gesinnungskriterium 7 9 w i r d das Staatsvolk ( = Element des Staates) als „Gemeinschaftsvolk" 80 von dem Zusammenhang m i t der Staatsgewalt (es ist nicht identisch m i t den Normunterworfenen) 8 1 und von der Staatsangehörigkeit 82 gelöst. Es ist reale Gesamtpersönlichkeit, die nicht vom Recht konstituiert, sondern vorgefunden w i r d 8 3 , es ist ein Volk außerhalb und vor der Verfassung, dessen Existenz von dieser anerkannt w i r d 8 4 . Dieser generationenumspannende, werthafte Volksbegriff geht zurück auf Burke 8 5 und liegt allen wertbezogenen, qualitativen Repräsentationstheorien zugrunde 86 . Dem „Gemeinschaftsvolk" setzt Liermann das sog. „Gesellschaftsvolk" (in Anlehnung an Tönnies' Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft) gegenüber, das er als rechtlich geschaffene, quantifizierend auf dem Individuum aufbauende, atomisierte, gemeinschafts- und seelenlose 87 Summe koexistierender Menschen 88 kennzeichnet und m i t dem Staatsbürgervolk der W R V 8 9 , das sind die Staatsangehörigen 90 , identifiziert. Dieses sei das Gesellschaftsvolk der Lehre Rousseaus91. Hierzu steht i m Widerspruch, daß Liermann unter dem Volk i. S. v. A r t . 1 I I WRV, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, das Gemeinschaftsvolk verstehen w i l l 9 2 . 76

Liermann, S. 35 ff., 41. Liermann, S. 17,31. 78 Liermann, S. 48,77. 79 Vgl. Liermann, S. 53. 80 Liermann, S. 83 ff. 81 Vgl. Liermann, S. 53. 82 Liermann, S. 48 f. 83 Liermann, S. 79. 84 Liermann, S. 80,169. 85 Vgl. Badura, B K , A r t . 38, A n m . 10, 26; Meinecke, S. 123 f. 86 Badura, B K , A r t . 38, A n m . 26; vgl. oben I V . 3. b dieser A r b e i t ; ähnlich auch der Volksbegriff bei Kaufmann, Volkswillen, S. 8 f., 12. 87 Liermann, S. 138. 88 Liermann, S. 84,87. 89 Liermann, S. 101,131,138. 90 Liermann, S. 166. 91 Liermann, S. 119. 92 Liermann, S. 176 ff., 182. 77

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Der „verinnerlichte", qualitative Begriff des Gemeinschaftsvolkes 93 ist zur Abgrenzung der demokratischen Legitimationseinheit mangels Identifizierbarkeit nicht brauchbar. Nicht überzeugend ist die Terminologie bei Kind, der i m Anschluß an Liermann das — m i t dem Volk als Element des Staates allerdings nicht identische — Staatsvolk als „die gerade i m Staat lebende Generation der Menschen, denen ein Staat ihr Staat ist" bezeichnet 04 , hierunter dann aber doch keine „geistige Gemeinschaft" verstehen w i l l 9 5 . Dieser Staatsvolksbegriff w i r d dann noch sowohl mit der Summe der Staatsangehörigen 9 6 als auch der Gesamtheit der Normunterworfenen 0 7 gleichgesetzt. Die Charakterisierung dieses Staatsvolkes m i t Hellers Formulierung als „wirkend-gewirkte Wirklichkeit" 9 8 ist deshalb fragwürdig, weil Heller diese Eigenschaft ausdrücklich dem Volk als politisch amorpher „ K u l turbildung" zuspricht, nicht aber auf seinen Begriff des Staatsvolkes bezieht 99 . c) Die Gesamtheit der Staatsangehörigen Der Begriff „Staatsvolk" w i r d auch dann verwendet, wenn nicht das Volk als Element des Staates, sondern die Gesamtheit der Staatsangehörigen und damit jene besondere, durch das positive Recht eines Staates näher geregelte Form der rechtlichen Zugehörigkeit oder Mitgliedschaft i n einem Staat bezeichnet werden soll 1 0 0 . Diese Mitgliedschaft ist nicht identisch m i t dem Begriff von Staatsmitgliedschaft, die die Lehre von der subjektiven Qualität des Volkes als Element des Staates diesem Volk kraft seiner subjektiven Qualität zuerkennt 1 0 1 . Die Staatsangehörigkeit hebt eine Gruppe unter den Gewaltunterworfenen heraus, begründet so unter diesen die Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen und Staatsfremden und verleiht dieser Unterschei~ 9 3 Vgl. die K r i t i k bei Wolff, S. 290 ff., 301 ff. 04 Kind, S. 28; ähnlich Kaufmann, Volkswillen, S. 12. 95 Kind, S. 28, Fußn. 123. 98 Kind, S. 28. 97 Kind, S. 29. 98 Heller, Staatslehre, S. 160; vgl. Kind, S. 28, Fußn. 123. 99 Vgl. Heller, Staatslehre, S. 158 ff., 160 - 164. 100 So ζ. B. Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48; von Mangoldt / Klein, V 1 zu A r t . 20, S. 593, 595; Schiedermair, S. 446; Heuer, S. 36; Henkel, Wahlrecht, S. 6; Böckenförde, Unterscheidung, S. 47; ders., Teilung, S. 430; G. Hoff mann, S. 312; Quaritsch, S. 96; Cellier, S. 108; Bäumlin, S. 96; BVerfGE 8, 104, 114; i m Völkerrecht Berber, S. 354; Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 8,35. 101 Die Terminologie w i r d jedoch auch bei Jellinek nicht i m m e r durchgehalten. Während er einerseits das V o l k als Element des Staates als die Gesamtheit der Staatsmitglieder bezeichnet (S. 408, 419), verwendet er an anderer Stelle (S. 425) den Begriff der Mitgliedschaft, aus der besondere, von der bloßen Unterworfenheit unter die Staatsgewalt verschiedene Pflichten erwachsen, wie sie f ü r die Staatsangehörigkeit typisch sind.

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Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

dung dadurch Substanz, daß sie nach ihrem regelmäßigen Durchschnittsgehalt besondere Rechte und Pflichten den Staatsangehörigen vorbehält. d) Das souveräne Volk als egalitäres Verbandsvolk Nach den erwähnten Definitionen der Demokratie als Identität von Regierenden (Legitimierenden) und Regierten scheint es so, als verlange der demokratische Gedanke, daß alle, die der Staatsgewalt unterworfen sind, i n den Legitimationszusammenhang einbezogen werden müßten. Das souveräne Volk wäre dann m i t dem Volk als Element des Staates identisch. Nach der demokratischen Theorie hat jedoch der Identitätsgedanke einen anderen Sinn. Souveränität ist ein Bestimmungsrecht, nämlich das oberste politische Entscheidungsrecht, und setzt dementsprechend ein hierfür taugliches, nämlich entscheidungs- weil willensfähiges Subjekt voraus 1 0 2 . Indem die demokratische Idee die Souveränität dem Volk zuspricht, erkennt sie das Volk als ein m i t den geforderten Eigenschaften begabtes Subjekt an 1 0 3 . Die Willensfähigkeit des Volkes beruht dabei auf der Willensfähigkeit der Einzelnen, die kraft ihres Kohäsionswillens das Volk zu einer Einheit formen 1 0 4 . Das souveräne Volk ist eine Gruppe willensautonomer Individuen, die fähig sind, einen „freien personalen Selbstentscheid" zu fällen 1 0 5 . I n diesem B i l d des Menschen liegt eine der wesentlichen W u r zeln der modernen demokratischen Idee. Sie erwächst aus der naturrechtlichen Gedankenwelt der Aufklärung 1 0 6 , die natürliche Freiheit und Gleichheit aller Menschen postuliert. Dieser individualistisch-menschenrechtliche Ansatz führt sie jedoch nicht zur Forderung nach Auflösung aller staatlichen Ordnung. Der Staat w i r d als notwendig zu Schutz und Erhaltung des Einzelnen anerkannt 1 0 7 , er bedarf allerdings nunmehr besonderer Legitimation. Die Idee der Volkssouveränität ist die Umsetzung des naturrechtlichen Menschenbildes i n eine Staatsidee 108 , die den Anspruch erhebt, die einzige dem Wesen des Menschen angemessene 100 Staatsform gefunden zu haben. 102

Kurz, S. 163,180 f. Kurz, S. 181; Redslob, S. 52; Heller, Souveränität, S. 74 f. 104 Kurz, S. 181,188,190. 105 Zit. Affolter, S. 54; ähnlich Kurz, S. 192 f., 206; Kind, S. 30; Schönherr, S. 58; Schindler, Staatswillen, S. 26. 106 Vgl. Bäumlin, S. 89; Jellinek, S. 723; Zippelius, B K , A r t . 1 I (Zweitbearb.), A n m . 6. 107 Affolter, S. 43 f.; Zippelius, S. 275,277. 108 Affolter, S. 43 f.; vgl. Scheuner, Repräsentatives Prinzip, S. 387. 109 Über den Zusammenhang v o n Demokratie u n d Menschenwürde vgl. Jellinek, S. 722; Bäumlin, S. 40; Kägi, S. 841 a f.; Maihof er, S. 56, 78 f.; Ruland, S. 11 ; BVerfGE 5, 85, 204 f. 103

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Sie sucht zu verhindern, daß das den staatlichen Zusammenschluß erfordernde Ziel der Erhaltung aller auf Kosten ihrer aller Freiheit erreicht wird. Dies ist der Sinn der Theorie des Gesellschaf tsver träges, wie sie — i n der politischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts vorbereitet 1 1 0 — bei Rousseau ihre klassische demokratische Ausprägung erfährt. Die größtmögliche Freiheit der durch den Gesellschaftsvertrag zusammengeschlossenen und so den Naturzustand überwindenden Individuen 1 1 1 w i r d dadurch gewährleistet, daß diese selbst die staatliche Herrschaft übernehmen. Hierfür fordert die grundlegende Klausel des Gesellschaftsvertrages, daß jedes Gesellschaftsmitglied sich ganz der Gesamtheit hingibt, m i t allen seinen Rechten völlig i n ihr aufgeht 1 1 2 . Die gleiche Unterwerfung aller unter die Gesamtheit kompensiert die Aufgabe der natürlichen Freiheit und ist die Bedingung ihrer gesellschaftlichen, bürgerlichen Freiheit 1 1 3 . Diese läßt sich also nur realisieren, wenn zwischen allen Beteiligten des Gesellschaftsvertrages völlige Gleichheit besteht, d. h. Gleichheit aller als Untertanen, die den Staatsgesetzen zu Gehorsam verpflichtet sind, und Gleichheit aller als Staatsbürger, also Teilhaber an der Staatsgewalt 114 . I n dieser durch den Gesellschaftsvertrag bedingten Gleichheit der Glieder des souveränen Volkes als Subjekt wie als Objekt der Staatsgewalt liegt die Berechtigung des Satzes von der Identität von Regierenden und Regierten. Die demokratische Egalität differenziert nicht zwischen den Qualitäten des Volkes als Staatsbürgerschaft und Untertanschaft. Da sie sich auf den Gesamtstatus des zum souveränen Volk gehörenden Individuums bezieht, wäre eine Gleichheit nur der Rechte, nicht aber auch hinsichtlich der Pflichten oder umgekehrt bereits Ungleichheit. Das Fundament des Gesellschaftsvertrages wäre zerstört. I n der demokratischen Theorie des Gesellschaftsvertrages steht die Gleichheit der politischen Berechtigung der Individuen demnach i n unlösbarem Zusammenhang m i t ihrer gleichen Unterworfenheit unter die 110

Vgl. Zippelius, S. 276 ff. Rousseau meint das „ A k t i v - V o l k " (Kurz, S. 193, 210 ff.) der zum „freien personalen Selbstentscheid" Fähigen, w e n n er als Mitglieder jenes durch den Gesellschaftsvertrag gebildeten politischen Gesamtkörpers sämtliche S t i m m abgebenden bezeichnet u n d diesen Gesellschaftsgenossen als Gesamtheit den Namen V o l k gibt (contrat I 6). Die nicht als politisch willensfähig A n e r k a n n ten, etwa die Heranwachsenden, gehören demnach nicht zum souveränen V o l k des Gesellschaftsvertrages. Diese Unterscheidung darf hier aber vernachlässigt werden, da die v o m „ A k t i v - V o l k " Ausgeschlossenen i n der Regel jedenfalls potentiell zu diesem gehören (vgl. Steiner, S. 96: Volkssouveränität i m eigentlichen u n d i m weiteren Sinn). 112 ContratI6. 113 Contrat 1,6; 1,8. 114 Contrat I, 6; I I , 4; vgl. Kelsen, Demokratie, S. 93. 111

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Gewalt des von allen gebildeten Gemeinwesens 115 , das den Einzelnen zum Gehorsam zwingen und von i h m den höchsten Einsatz zu seiner Erhaltung verlangen kann 1 1 6 . Da diese Gleichheit der Einzelnen eine durch den Gesellschaftsvertrag vermittelte Gleichheit ist, setzt sie nicht den Menschen i m Naturzustand, sondern den m i t anderen zu einer politischen Einheit zusammengeschlossenen Menschen voraus. Die von der demokratischen Idee postulierte Gleichheit ist eine innerverbandliche 1 1 7 Gleichheit, die Demokratie des souveränen, als regierendes und regiertes identischen Volkes beruht auf dem egalitären Staatsverband 118 . Dieser ist die vorgegebene und vorausgesetzte Einheit, i n der Mehrheitsentscheidungen getroffen werden können 1 1 9 . Die demokratische Gleichheit ist also nicht die allgemeine Menschengleichheit, sondern setzt diese voraus. Demokratie als politische Form verlangt eine politische Gleichheit, d. h. eine Gleichheit, welche die Unterscheidung zwischen Gleichen und Ungleichen, nämlich denjenigen, die innerhalb, und denjenigen, die außerhalb des politischen Verbandes stehen, ermöglicht 1 2 0 . Die allgemeine Menschengleichheit ist keine politische Gleichheit, weil sich mit ihr keine Unterscheidung zwischen Menschen vornehmen läßt. Sie ermöglicht es daher gerade nicht, menschliche Verbände gegeneinander abzugrenzen, also politische Formationen zu bilden, sondern tendiert i m Gegenteil auf einen Abbau jeder politischen Unterscheidung 121 . Eine Tendenz zur Überwindung der Unterscheidung zwischen Staaten und den sie bildenden Menschen wohnt der Demokratie trotz ihres naturrechtlichen Ansatzes weder der Idee nach, die ja die Notwendigkeit des Staates anerkennt, noch ihrer historischen Entwicklung nach inne. Schon i n der französischen Revolution, die aus der Idee der Volkssouveränität entscheidende Impulse erfährt und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf ihr Programm schreibt, mündet das Menschheitspathos i n die Einheit der Nation 1 2 2 . Die demokratische Idee verbindet 115

Contrat social I, 6; I, 7; I I , 4. Contrat social I I , 5. 117 Der Begriff des Verbandes w i r d hier nicht i n dem engeren Sinn einer nach Privatrecht gebildeten Organisation, sondern i m allgemeinen Sinne, als Oberbegriff f ü r p r i v a t - u n d öffentlich-rechtliche Vereinigungen verwandt. 118 Jellinek, S. 723; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 227; vgl. Wolff , S. 299; Zorn, S. 51 ; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 92. 119 Vgl. Leisner, V o l k u n d Nation, S. 116; Grabitz, S. 35 f. 120 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 227; C. Schmitt, Parlamentarismus, S. 16 ff.; Hesse, Gleichheit, S. 122. 121 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 226; ders., Parlamentarismus, S. 18. 122 Déclaration des droits de l'homme et d u citoyen ν. 26. 8. 1789, art. 3: 118

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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sich mit der aufkommenden nationalstaatlichen Idee, die die Kongruenz von (Kultur-)Nation und Staat anstrebt. Der Gedanke der Gleichheit aller Menschen w i r k t dagegen innerhalb des Staates und richtet sich gegen politische Privilegien, die sich auf soziale Privilegierung gründen 1 2 3 . Hierin liegt die Wurzel der Entwicklung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts 124 . e) Demokratie und Nationalstaat Das i m Gefolge der französischen Revolution i m 19. Jahrhundert aufkommende Nationalstaatsprinzip, nach welchem möglichst jede Nation (im ethnisch-kulturellen Sinn) einen Staat bilden und jeder Staat nur eine Nation umfassen soll, ist kein Wesenselement der demokratischen Idee, auch wenn seine Entstehung und Entwicklung mit deren Vordringen historisch zusammenfällt 1 2 5 . Der egalitäre demokratische Staatsverband fordert nicht, daß seine Mitglieder einer einheitlichen Abstammungs- und/oder Kulturgemeinschaft entstammen. Dies ist zwar i n der Gegenwart aufgrund der historischen Entwicklung überwiegend der Fall, ist aber sowenig Bedingung der Demokratie wie irgendeiner anderen Staatsform. Ein Begriff der Nation, der etwas anderes als das Staatsverbandsvolk zum Inhalt hat, beschreibt nicht den demokratischen Volksbegriff, wenngleich er faktisch denselben Personenkreis bezeichnen kann. Eine so verstandene nationale Homogenität 1 2 6 ist daher nur dann die Substanz der demokratischen Gleichheit, wenn alle Mitglieder des Staatsverbandes " L e principe de toute souveraineté réside essentiellement dans la nation. N u l corps, n u l i n d i v i d u ne peut exercer d'autorité q u i n'en émane expressément." Constitution de 1791 (3. 9. 1791), t i t r e I I I , art. 1: " L a souveraineté est une, indivisible, inaliénable et imprescriptible; elle appartient à la Nation: aucune section d u peuple n i aucun i n d i v i d u ne peut s'en attribuer l'exercice." Constitution de 1793 (24. 6. 1793, sog. Jakobinische Verfassung), Acte constitutionnel, art. 7: " L e peuple souverain est l'universalité des citoyens français." Dazu Déclaration des droits de l'homme et du citoyen, art. 25: " L a souveraineté réside dans le peuple; elle est une et indivisible, imprescriptible et inaliénable." Constitution de l'an I I I (22. 8. 1795, sog. D i r e k t o r i a l Verfassung), art. 2: "Le souverain est l'universalité des citoyens français." Vgl. Redslöb, S. 46 ff.; Hasbach, S. 65 ff.; Kurz, S. 116 ff.; Grabitz, S. 35 ff.; zum Begriff der Nation i n den Revolutionsverfassungen i m Sinne der politisch zu Bewußtsein erwachten Einheit des Staatsvolkes vgl. Bilfinger, S. 6 u n d C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 50, 231 ; zur Identifizierung der Begriffe V o l k (peuple) u n d Nation i m Laufe der Revolution vgl. Leisner, V o l k u n d Nation, S. 109 ff.; Wolff, S. 298. 123 Meinecke, S. 16; Thoma, Begriff, S. 44; Kriele, S. 61 ff.; C. Schmitt, Parlamentarismus, S. 17. 124 Vgl. oben Β . I I . 125 Zuleeg, DVB1. 1974, S. 347, dessen Argumentation aber die Verwechslung von Nationalstaatsprinzip u n d Staatsangehörigkeit als rechtlicher M i t g l i e d schaft i m Staat zugrunde liegt. 126 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 231; ders., Parlamentarismus, S. 14.

6 0 I .

Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag

tatsächlich zur selben Nation gehören, sie ist aber nicht Bedingung der Demokratie 1 2 7 . Auch ein Vielvölkerstaat besitzt ein demokratisches Verbandsvolk, obwohl er nicht national homogen ist. Auch eine nationale Minderheit gehört zum Verbandsvolk des Staates, i n dem sie lebt 1 2 8 . f) Verbandsvolk und Gebietszugehörigkeit Die dem Volk i n der Demokratie zugewiesene Stellung als Inhaber des obersten politischen Bestimmungsrechts, seine Herrschaftszuständigkeit, setzt die Abgrenzbarkeit des Volkes als entscheidende bzw. legitimierende Einheit voraus. I n diesem Sinne setzt Demokratie notwendig eine Verbandsmitgliedschaft, die Zugehörigkeit zum souveränen Volk voraus, wobei noch offen bleibt, wodurch diese sowie der Verband konstituiert werden 1 2 9 . Hinge die Zugehörigkeit zum demokratischen Volk nur von der Gebietszugehörigkeit ab — weil der Aufenthalt i m Staatsgebiet die Unterworfenheit unter die Staatsgewalt vermittelt, die Betroffenen also zu Regierten und Beherrschten macht —, so wäre der Träger der Staatsgewalt — abgesehen von der immer bestehenden natürlichen Fluktuation durch Geburt und Tod — permanenter Veränderung unterzogen. Die unbegrenzte Möglichkeit des Gebietswechsels würde dazu führen, daß eine konkrete menschliche Einheit als Zurechnungssubjekt und Legitimationsquelle der Staatsgewalt nicht erkennbar wäre. Da als Gebietszugehöriger potentiell jeder Mensch i n Betracht kommt, wäre ein konkretes Volk als demokratischer Souverän nicht identifizierbar. Eine Identität von Regierenden und Regierten wäre damit nicht herstellbar. Hierin zeigt sich ein Unterschied der Demokratie gegenüber nichtdemokratischen Staatsformen, bei denen sich die Staatsgewalt aus einem Einzelnen oder aus einer Oligarchie legitimiert. Da dort das „ V o l k " nur als Objekt der Herrschaft relevant ist, würde es genügen, auf die Gebietszugehörigkeit abzustellen. I n der Demokratie ist das Volk aufgrund der i h m zugewiesenen Herrschaftsfunktion jedoch eine Größe, die anderer Abgrenzung bedarf. Der Volksbegriff der Volkssouveränität und damit der Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG, der seine Substanz aus der Zugehörigkeit zum egalitären Staatsverband empfängt, ist daher nicht identisch m i t dem Staatsvolkbegriff der Dreielementenlehre, der an die m i t der Gebietszugehörigkeit verbundene Unterworfenheit unter die Staatsgewalt anknüpft 1 3 0 . 127

Hesse, Gleichheit, S. 121. Dazu noch unten V. 3. 129 Insofern legt der Begriff der Mitgliedschaft nicht auf die Staatsangehörigkeit fest. A. A. Zuleeg, DVB1.1974, S. 348. 130 Α. A. insoweit, wenn auch nicht i m Ergebnis, Schulz-Schaeffer, S. 5 und Ruland, S. 11, die einem doppelten I r r t u m unterliegen: Sie identifizieren den 128

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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I n der politischen Funktion des souveränen Volkes als Träger der Staatsgewalt ist die Zugehörigkeit zu dem von diesem Volk gebildeten Staatsverband als eine Dauerbeziehung angelegt 131 . Nur eine Dauerbeziehung vermittelt die geforderte demokratische Gleichheit der Verbandszugehörigen. Andererseits ist m i t dem Merkmal der Dauerbeziehung allein der demokratische Souverän insofern noch nicht identifiziert, als auch eine Gebietszugehörigkeit von Dauer sein kann. Die von der demokratischen Idee postulierte Gleichheit der Verbandsmitglieder 1 3 2 , die auf einer sich wechselseitig bedingenden Gleichheit von Hechts- und Pflichtenstatus beruht, bezieht ihren Inhalt jedoch aus dem spezifischen Verhältnis zur Staatsgewalt. Es liegt i n der Konsequenz der Absolutheit des Egalitätspostulats, daß der gleiche Einfluß auf die Staatsgewalt nur denjenigen zustehen darf, die dieser Staatsgewalt i n gleicher Weise ausgesetzt sind, und daß umgekehrt auch all denen der gleiche Einfluß zustehen muß, die der Staatsgewalt i n gleicher Weise unterliegen 1 3 3 . Zum Wesen einer auf der freien Selbstentscheidung des Volkes beruhenden Demokratie gehört es, daß wirkliche Gleichheit aller Mitentscheidenden nur gegeben ist, wenn alle die Folgen ihrer Entscheidung i n gleicher Weise zu tragen und zu verantworten haben. Von hierher w i r d die für die Zugehörigkeit zum souveränen Volk bereits genannte Voraussetzung einer Dauerbeziehung konkretisiert: sie besagt nicht, daß nach einer gewissen Dauer des Aufenthalts i m Staatsgebiet die Zugehörigkeit zum souveränen Volk erworben werde, sondern verlangt für die Konstituierung dieses Volkes als Subjekt der Staatsgewalt, daß die Zugehörigkeit selbst auf Dauer angelegt sei.

Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG zu Unrecht m i t dem Begriff des Staatsvolks als Konstituante des Staatsbegriffs i m Sinne der Dreielementenlehre u n d setzen obendrein den letztgenannten Begriff m i t der Summe der Staatsangehörigen gleich (vgl. hierzu oben D I V . 4. a). Unrichtig auch Rolvering, S. 77 f., der i m Anschluß an H. W. Thieme, S. 60 f., das den Ausländer umfassende (soziologische) Staatsvolk als Element des Staates i n A r t . 20 I I 1 GG hineininterpretiert, dann aber über A r t . 3 I GG es f ü r zulässig hält (S. 78, 108), Ausländer v o m Wahlrecht auszuschließen. 131 Vgl. Kurz, S. 226; Meyer, S. 454; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 92. 132 Die Gleichheit als Grundlage der Demokratie betonen: Hasbach, S. 329; Thoma, Begriff, S. 43; Jahrreiß, S. 633; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 227 ff.; Leibholz, Repräsentation, S. 220 f.; Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 34; Kriele, S. 61; Schindler, Staatswillen, S. 56, 60; Peters, Problematik, S. 34; Kurz, S. 193, 217, 223; Asam, S. 8; Herzog, Demokratie u n d Gleichheit, S. 713; Hesse, Gleichheit, S. 118, 135; Curtius, S. 112; Bläst, S. 92; vgl. BVerfGE 1, 237, 243, 247 u n d die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung bei Leibholz / Rinck, A r t . 38, A n m . 3. 133 Vgl. Henkel, Wahlrecht, S. 9; Ruland, S. 12.

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Teil, 1. Abschn., 1. Kap.: Aktives Wahlrecht zum Bundestag V. Die Staatsangehörigkeit als Voraussetzung demokratischer Gleichheit

Die Bedingungen demokratischer Egalität sind auf dem Boden der modernen Staatenwelt, die das Grundgesetz voraussetzt, nur i n der Staatsangehörigkeit als der rechtlichen Dauerbeziehung zum Staat erfüllt. Der demokratische Staatsverband w i r d durch die Staatsangehörigkeit konstituiert. 1. Die Besonderheit des Ausländerstatus Der Status des Staatsangehörigen bezieht seine Konturen aus der Gegenüberstellung zum komplementären Status des Staatsfremden, des Ausländers. Während jener sich i n einer zweiseitigen Rechtsbeziehung zwischen dem Staatsangehörigen und seinem Staat erschöpft, w i r d der Status des Ausländers, der sich auf fremdem Staatsgebiet aufhält, durch eine zusätzliche Rechtsbeziehung gekennzeichnet: Der Ausländer ist der Gebietshoheit des Aufenthaltsstaates und gleichzeitig der Personalhoheit seines Heimatstaates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterworfen. Diese Zuordnung zu zwei Staaten bezieht ihn zusätzlich i n den W i r kungsbereich des die zwischenstaatlichen Verhältnisse regelnden Völkerrechts ein. Die Frage, ob die Ausländer zu dem egalitären Staatsverband des Aufenthaltsstaates gehören, hängt von den Konsequenzen dieser rechtlichen Zuordnung ab 1 . a) Der Aufenthaltsstatus Der Status des Ausländers ist i m Verhältnis zum Aufenthaltsstaat grundsätzlich nicht als Dauerbeziehung angelegt. Der Aufenthalt eines Ausländers i m Inland kann zwar faktisch von langer Dauer sein. K r a f t seiner durch das Völkerrecht zwischenstaatlich abgesicherten Zugehörigkeit zu einer fremden Herrschaftsordnung, nämlich der seines Heimatstaates, könnte er sich jedoch, wäre er an der demokratischen Wahlentscheidung beteiligt, deren von i h m mitbestimmten Folgen durch Rückkehr i n seinen Heimatstaat jederzeit entziehen 2 . Die Freiheit des Staatsfremden, den Aufenthaltsstaat jederzeit zu verlassen, ist als allgemeine Regel des Völkerrechts anerkannt 3 . Der Versuch, den Ausländer an der 1 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 55 f., beschreibt den Ausländerstatus treffend als „Rechts-Dreieck". Die doppelte Zuordnung des Ausländers zu zwei Hoheitsgewalten betonen außerdem: Harz, S. 11; Kimme, S. 51; Bordewin, S. 83; Tomuschat, S. 60; Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 19 ff.; Fehrlin, S. 103; Hauser, S. 14. 2 Tomuschat, S. 60; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 93; Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 37; Ruland, S. 11; a. A . Zuleeg, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 111. Die Gleichheit des Aufenthaltsstatus ist Bedingung demokratischer Egalität: Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95. 3 Berber, S. 384; Wengler I I , S. 1003; Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 21; Hartmann, S. 463; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 59, Fußn. 26; Ruppel, S. 100:

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Ausreise zu hindern, würde nicht nur gegen Völkerrecht, sondern über Art. 25 GG auch gegen Verfassungsrecht verstoßen. Die Position des Staatsangehörigen weicht demgegenüber ab. Sein Verhältnis zum Staat ist als Dauerbeziehung angelegt 4 . Z u seiner von A r t . 2 I GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit gehört zwar auch die Ausreisefreiheit 5 . Diese ist jedoch gegenüber der des Ausländers i n zweierlei Hinsicht relativiert 6 : Zum einen korrespondiert ihr kein Aufnahmeanspruch gegenüber einem anderen Staat 7 , wie ihn der Ausländer aufgrund seiner Angehörigkeitsbeziehung zu seinem Heimatstaat hat 8 . Der Staatsangehörige bleibt, auch wenn er sich i m Ausland befindet, aus der Sicht des Völkerrechts, solange er nicht eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat, seinem Heimatstaat verhaftet 9 . Dies äußert sich darin, daß der i m Ausland nicht aufgenommene oder ausgewiesene Staatsangehörige letztlich von seinem Heimatstaat wieder aufgenommen werden muß 1 0 . Insofern ist die Feststellung zutreffend, daß der Staatsangehörige auf seinen Staat „unentrinnbar angewiesen" ist 1 1 . Die Unentrinnbarkeit dokumentiert sich auch noch i n anderer Hinsicht: Die verfassungsmäßig garantierte Ausreisefreiheit des Staatsangehörigen steht unter dem Vorbehalt der Einschränkung durch die verfassungsgemäße Rechtsordnung 12 . Sie kann also unter bestimmten Voraussetzungen durch Gesetz eingeschränkt werden 1 3 . Weder der Wesensgehalt der Rolvering, S. 16. A l s Ausnahmen sind n u r Fälle polizeilicher Festhaltung aus Gründen der Sicherheit des Aufenthaltsstaates, Strafverbüßung, Internierung i m Kriegsfall u. ä. anerkannt. 4 Vgl. Grawert, S. 235 ff. 5 BVerfGE 6, 32, 41 f.; zur Geschichte der Ausreisefreiheit vgl. Scheuner, Auswanderungsfreiheit, S. 204 ff. 6 Dies übersehen Dolde, S. 69 f.; Zuleeg, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 111. 7 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 60; vgl. Ruland, S. 11; a. A . Sasse, S. 27 für EG-Angehörige; dazu unten V. 2.; der Hinweis auf vertraglich begründetes Aufenthaltsrecht von Ausländern (Rolvering, S. 77) ändert am Grundsatz nichts. 8 Vgl. Leisner, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 130 f. 9 Vgl. Berber, S. 354. 10 Berber, S. 365; Zorn, S. 82, Fußn. 126. Der Staatsangehörige seinerseits hat ein Recht auf A u f e n t h a l t i n seinem Heimatstaat: Zorn, S. 82; Strupp, S. 275; H. W. Thieme, S. 62; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 62. 11 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 59, 93; hieran anschließend Ruland, S. 11; vgl. Leisner, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 32 (1974), S. 130 f. 12 BVerfGE 6, 32,42. 13 Dies ergibt sich a maiore ad minus auch aus der Einschränkbarkeit der Freizügigkeit (Art. 11 I I GG); die Streitfrage, ob die Ausreisefreiheit A r t . 11 oder A r t . 2 I GG zuzuordnen ist, k a n n hier dahinstehen, vgl. Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 60, Fußn. 27 m. w. N.; zu den Voraussetzungen der Einschränkung der Ausreisefreiheit vgl. Hartmann, passim.

I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 19 I I GG) noch die Menschenwürde w i r d tangiert, wenn sich die Persönlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen nur innerhalb der Grenzen des Staates entfalten darf. Ein entsprechendes Gesetz verstößt auch nicht gegen Normen des allgemeinen Völkerrechts. Von i h m w i r d nur die Ausreisefreiheit des Ausländers, nicht die des Inländers geschützt. Als eine weltoffen konzipierte Verfassung 14 ist das Grundgesetz von nationaler Abkapselung zwar weit entfernt. Die Möglichkeit, durch Beschränkung der Ausreise das Schicksal des Staatsangehörigen an das seines Staates zu binden — eine Möglichkeit, die wegen der freiheitlichen Ausrichtung des Grundgesetzes nur aus besonders schwerwiegenden Gründen i n Betracht kommen kann —, hebt den Status der Unentrinnbarkeit des Staatsangehörigen von dem des Ausländers aber besonders deutlich ab. Hieran zeigt sich auch, daß es eine politische Schicksalsgemeinschaft 15 , die von der Gemeinschaft des durch die Staatsangehörigen konstituierten Staatsverbandes verschieden ist, grundsätzlich nicht gibt 1 6 . b) Der Pflichtenstatus M i t der ungleichen aufenthaltsrechtlichen Stellung des Ausländers steht seine ungleiche Pflichtenstellung 17 gegenüber dem Aufenthaltsstaat i n engstem Zusammenhang. Da er grundsätzlich nicht an der Ausreise gehindert werden darf, können i h m auch grundsätzlich nicht jene Pflichten auferlegt werden, deren Erfüllung die Wahrnehmung der Freiheit, jederzeit auszureisen, vereiteln würde. Es handelt sich hierbei u m die Pflichten, „deren Erfüllung nicht nur ein Leisten an den Staat, sondern auch ein Handeln für den Staat" 1 8 i n sich schließt, insbesondere die Wehrpflicht. aa) Die Wehrpflicht Die Wehrpflicht darf nach den über A r t . 25 GG auch staatsrechtlich wirksamen allgemeinen Regeln des Völkerrechts grundsätzlich Ausländern nicht auferlegt werden 1 9 . 14 Vgl. A r t . 2 4 - 2 6 G G ; dazu näher Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 57 f., Fußn. 18,19; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 50. 15 I n diesem Sinne interpretiert Zuleeg, DVB1. 1974, S. 349 den Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG, u m Ausländer einbeziehen zu können. Z u m Begriff der politischen Schicksalsgemeinschaft vgl. Zippelius, S. 46, wo auch der Staatsverband der Staatsangehörigen gemeint ist. 16 Α. A. Zuleeg, DVB1.1974, S. 349. 17 So schon f ü r die W R V Strupp, S. 275, 280; vgl. H. W. Thieme, S. 63. 18 Jellinek, S. 425. 19 Berber, S. 382 f.; Verdroß, S. 369; Jaenicke ! Doehring, S. 524, 557 ff.; Doehring, i n : WbVR, S. 812; Doehring, Regeln, S. 181; Isensee, W D S t R L 32

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Wenn § 2 1 W P f l G 2 0 die Möglichkeit eröffnet, Ausländer, deren Heimatstaat Deutsche zum Wehrdienst verpflichtet, „unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen Deutsche dort wehrpflichtig sind", der Wehrpflicht zu unterwerfen 2 1 , so ist dies, wie schon der Wortlaut der Vorschrift erkennen läßt, als — völkerrechtlich zulässige 22 — Repressalie 23 , nicht aber als Abweichung von dem völkerrechtlichen Grundsatz gedacht 24 oder gar als Indiz für dessen Nichtexistenz verwertbar 2 5 . Die Ungleichheit des Ausländerstatus würde nicht aufgehoben, wenn von der allgemeinen Wehrpflicht abgesehen und eine Berufsarmee eingerichtet würde 2 6 . Für die Statusfrage maßgebend ist nicht, i n welcher Form der Staat seine Verteidigung organisiert; entscheidend ist vielmehr, daß er nicht gehindert wäre, jederzeit alle seine Bürger, aber eben nur diese, der allgemeinen Wehrpflicht zu unterwerfen. Unerheblich ist i n diesem Zusammenhang auch das Fehlen einer Wehrpflicht für Frauen 2 7 . Die Ausnahme der Frauen von der Wehrpflicht, die von A r t . 3 GG her keinen Bedenken unterliegt, beruht auf Gründen, die sich ausschließlich aus dem Unterschied der Geschlechter herleiten, m i t der Zugehörigkeit zum demokratischen Staatsverband also i n keinerlei Beziehung stehen. Der Gesetzgeber wäre nach entsprechender Änderung des Grundgesetzes nicht gehindert, eine besondere Dienstpflicht für Frauen einzuführen 2 8 , wie es bereits jetzt nach A r t . 12 a I V GG für den Verteidigungsfall möglich ist. (1974), S. 94 m i t Fußn. 113; H. W. Thieme, S. 76 f.; schon früher Fuld, S. 46; Harz, S. 67, 150; Zorn, S. 49. A . A . : Wengler I I , S. 946f., 1006; Menzel, S. 203; Rolvering, S. 18; zum völkerrechtlich anerkannten Recht des Staates, den Staatsangehörigen, insbesondere den Wehrpflichtigen, aus dem Ausland zurückzurufen (ius avocandi) vgl. Berber, S. 365. 20 Wehrpflichtgesetz v. 21.7.1956 (BGBl. I, S. 651) i d F d. Bekanntmachung v. 28. 9.1969 (BGBl. I, S. 1773, ber. S. 2043). 21 Vgl. i n diesem Zusammenhang § 2 I I WPflG, der allen Staatenlosen, die den Wehrdienst abgeleistet haben, bei dauerndem Aufenthalt i m I n l a n d einen Anspruch auf Einbürgerung verleiht u n d somit auf dem Gedanken beruht, daß Wehrpflicht u n d volles Staatsbürgerrecht sich wechselseitig bedingen; einen notwendigen Zusammenhang zwischen Wehrpflicht u n d Demokratie sieht C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 254; vgl. auch Jaenicke / Doehring, S. 525. 22 Bedenken hiergegen bei Doehring, Regeln, S. 181, Fußn. 587 u n d Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 19; ders., i n : WbVR, S. 816. 23 Ruland, S. 11; zum Begriff der Repressalie als M i t t e l zur A b w e h r v ö l k e r rechtswidrigen Verhaltens vgl. Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 18. 24 Doehring, Regeln, S. 181; a. A . Zuleeg, DVB1.1974,348. 25 So aber Rolvering, S. 18; sinngemäß Zuleeg, DVB1.1974, S. 348. 86 A . A . offenbar Sasse, S. 72. 27 A r t . 12 a I G G ; dieses A r g u m e n t w i r d v o n Zuleeg, DVB1. 1974, S. 348 gebracht. 28 Zutreffend Ruland, S. 11. 5

Birkenheier

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob i m Einzelfall tatsächlich Wehrdienst geleistet w i r d 2 9 . Die Befreiung vom Wehrdienst, die auf Gewissensgründen, Gesundheitsgründen oder auch darauf beruhen kann, daß der Staat organisatorisch und kapazitätsmäßig nicht i n der Lage ist, alle Wehrpflichtigen unterzubringen, ändert am Grundsatz der Wehrpflicht des Staatsangehörigen nichts. Sie hindert insbesondere den Staat nicht, aus Gründen der „Wehrgerechtigkeit" freigestellten Staatsangehörigen Ersatzpflichten aufzuerlegen („Wehrsteuer") oder sie i m Ernstfall zu anderen Dienstpflichten heranzuziehen. Das sich aus dem Gebot demokratischer Egalität zwingend ergebende 30 Kompensationsverhältnis von demokratischen Rechten und Pflichten besteht also auch dann, wenn es sich i m Einzelfall nicht aktualisiert. Die Rechte kompensieren die auf der Personalhoheit beruhende besondere Belastbarkeit des Staatsangehörigen, die i h n vom Ausländer unterscheidet. bb) öffentliche

Ehrenämter

Die Verhältnisse gestalten sich analog, wenn auch weniger augenfällig, bei der ebenfalls i n der Staatsangehörigkeit wurzelnden Pflicht zur Übernahme öffentlicher Ehrenämter. Daß sich i n der Praxis möglicherweise kaum ein Ausländer weigern würde, derartige Pflichten zu übernehmen 31 , ist ebenso unerheblich wie bei der Wehrpflicht die möglicherweise vorhandene Bereitschaft von Ausländern, diesen i n Deutschland abzuleisten, oder beim Wahlrecht der Wille von Ausländern, wählen zu wollen 3 2 . cc) Treu- und Gehorsamspflicht I n der traditionellen Staatslehre und i m Völkerrecht w i r d neben den genannten Pflichten zusätzlich noch eine besondere Treu- und Gehorsamspflicht des Staatsangehörigen hervorgehoben, deren Inhalt als Pflicht zu Gesetzesgehorsam und zur Unterlassung aller Handlungen, „welche auf die Beschädigung des Staates abzielen" 33 , umschrieben wird. Soweit sich diese Pflichten jedoch nicht durch den besonderen Aufenthaltsstatus des Staatsangehörigen und die beschriebenen besonderen Pflichten, die i h n von dem qua Territorialhoheit grundsätzlich gleichermaßen zum Gesetzesgehorsam verpflichteten 34 Ausländer unterscheiden, rechtlich konkretisieren lassen, haben sie nur das Gewicht eines „ethischpolitischen Postulats" 3 5 . Gleichwohl liegen diese Pflichten der Staats29

Α . A . offenbar Zuleeg, DVB1. 1974, S. 348. Α . A. Zuleeg (Fußn. 29). 31 Sasse, S. 73. 32 Vgl. die Suggestivinterviews bei Kevenhörstere, S. 88 ff. 33 Zit. Laband I, S. 143; ähnlich Fuld, S. 16; Harz, S. 149; Kimme, S. 52; Strupp, S. 277; Zorn, S. 38 Berber, S. 365 ; Jaenicke / Doehring, S. 525. 34 Rolvering, S. 102; H. W. Thieme, S. 63 f. 35 Zit. Kelsen, Staatslehre, S. 159; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S.94, Fußn. 113. 30

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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angehörigkeit zugrunde, auch wenn sie — abgesehen von den genannten besonderen Pflichten des Staatsangehörigen — keinen positiv-rechtlichen Ausdruck finden 36. Dies zeigt sich darin, daß die doppelte Staatsangehörigkeit weithin als eine m i t dem Wesen der Staatsangehörigkeitsbeziehung i m Grunde unvereinbare Anomalie angesehen wird. Die Staatsangehörigkeit w i r d damit als eine Beziehung anerkannt, i n der das Individuum grundsätzlich nur zu einem einzigen Staat stehen kann 3 7 . Einer besonderen Treu- und Gehorsamspflicht kann der Ausländer nicht unterliegen, w e i l i h m damit faktisch eine doppelte Staatsangehörigkeit zugemutet würde und er infolge der Zugehörigkeit zu seinem Heimatstaat Pflichten- und Interessenkollisionen ausgesetzt wäre 3 8 . Hieran würde auch seine m i t zunehmender Aufenthaltsdauer wachsende faktisch-gesellschaftliche Integration nichts ändern. dd) Steuerpflicht Gegenüber der besonderen Pflichtenstellung des Staatsangehörigen, die sich i n den genannten Pflichten zu einem persönlichen Handeln für den Staat niederschlägt, läßt sich demokratische Gleichheit des Ausländers nicht m i t dessen Pflichten zur Leistung an den Staat, insbesondere nicht mit seiner i m wesentlichen der des Staatsangehörigen gleichen Steuerpflicht begründen 39 . Die Parole der Unabhängigkeitsbewegung i n den englischen Kolonien Nordamerikas: „Taxation without representation is tyranny" entstammt dem Geist einer Epoche, i n der das Parlament, abgesichert durch ein Zensuswahlrecht, die Interessen der Besitzenden vertrat 4 0 . Die Parole ist daher zeitgebundener Ausdruck systemimmanenter K r i t i k : wo Besitz und damit Steuerpflicht die Grundlage parlamentarischer Vertretung sind, muß jeder, der diese Voraussetzungen erfüllt (und nur dieser) Einfluß auf diese Vertretung haben 41 . Die Weigerung des englischen Mutterlandes, dieser Konsequenz des Systems Rechnung zu tragen, w a r einer der Faktoren, aus denen die Unabhängigkeitserklärung der Kolonien ihre Legitimation bezog. 38 Vgl. aber A r t . 20 RhPfVerf, der von der Treuepflicht des Staatsbürgers gegenüber dem Staat spricht. 37 Vgl. die Lehre v o n der Einzigkeit der Untertanschaft bei Krüger, Staatslehre, S. 954 ff.; Grawert, S. 236 ff. 38 Vgl. Rolvering, S. 102 ff.; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 57; Ruland, S. 11; der Gesichtspunkt der Interessenkollision spricht auch gegen die Möglichkeit einer unvorbelasteten u n d verantwortlichen Ausübung des Wahlrechts durch Ausländer. 39 So offensichtlich Zuleeg, DVB1. 1974, S. 348; Henkel, Wahlrecht, S. 9; ders. t Integration, S. 101. Die Steuerpflicht des Ausländers ist völkerrechtlich anerkannt, ζ. B. Berber, S. 383; Fuld, S. 48. 40 Vgl. Hasbach, S. 35 ff., 37, 39; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 311 f. u n d oben I V . 3. b). 41 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 312.

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

Die Bedingungen dieses Parlamentarismus sind jedoch entfallen, seitdem die Besitzesprivilegien sich gegenüber der Forderung nach allgemeinem, d. h. alle sozialen Unterschiede negierendem Wahlrecht nicht mehr behaupten konnten 4 2 . Die moderne Demokratie ist, indem sie nur noch an die Person und nicht mehr an ihren sozialen Status anknüpft, radikal egalitär. Sie bezieht, da Besitz und ßteuerpflicht i n i h r diese Funktion verloren haben, die Bedingungen der Egalität nur noch aus der Zugehörigkeit zum Staatsverband der Staatsangehörigen. Der i n der Steuer liegenden Pflicht zur Leistung an den Staat entsprechen die Leistungen des Staates, an denen alle Steuerzahler, Inländer wie Ausländer, A n t e i l haben. Über einen Anspruch auf diese Leistungen hinaus folgen aus dem Tatbestand der Steuerpflicht keine Rechte 43 . Den Vorrechten des Staatsangehörigen entspricht demgegenüber sein besonderer Pflichtenstatus. ee) Sonstige Pflichten Auch aus der unterschiedslosen Beitragspflicht der Ausländer zur Sozialversicherung folgt kein anderes Ergebnis. Als Mitglieder der Solidargemeinschaft der Versicherten hat der Ausländer i n vollem Umfang A n spruch auf die seinem Beitrag entsprechenden Leistungen, wenn auch dessen Realisierung vielfach praktische Schwierigkeiten entgegenstehen mögen. I n diesem Anspruch erschöpfen sich jedoch die Konsequenzen seiner Beitragspflicht. 2. Der Sonderstatus des europäischen Marktbürgers

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Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben kraft Gemeinschaftsrecht i n den anderen Mitgliedstaaten einen besonderen, vom allgemeinen fremdenrechtlichen Ausländerstatus zum Teil abweichenden Rechtsstatus inne. Der Unterschied betrifft nicht den Pflichtenstatus, sondern den Aufenthaltsstatus. Dem Gemeinschaftszweck, der wirtschaftlichen Integration der M i t gliedstaaten, dienen der freie Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt eines jeden Mitgliedstaates („Freizügigkeit der Arbeitnehmer"), die Freiheit der Niederlassung für Gewerbetreibende und sonstige Selbständige, sowie die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs i n allen M i t gliedstaaten. Diese Freiheiten bedingen zu ihrer Verwirklichung die Freiheit der Einreise und des Aufenthalts. 42 Diesen Zusammenhang übersieht Henkel, Wahlrecht, S. 9; ders., I n t e gration, S. 101. 48 Vgl. Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 94. 44 Der Terminus „ M a r k t b ü r g e r " w u r d e zuerst gebraucht von Ipsen, N J W 1964, S. 340, A n m . 2.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

69

Die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sehen daher Einreise- und Aufenthaltsfreiheit für den jeweils angesprochenen Personenkreis unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausdrücklich vor 4 5 . Den Arbeitnehmern steht darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen nach Beendigung der Beschäftigung ein Recht auf Verbleib i n dem betreffenden Mitgliedsstaat 4 6 zu. Die aufenthaltsrechtliche Gleichstellung des ausländischen Marktbürgers mit dem Inländer ist jedoch i n zweifacher Hinsicht verkürzt. Zum einen sind freie Einreise und freier Aufenthalt nur um der freien beruflichen Betätigung w i l l e n gewährt, d. h. sie stehen i n funktionellem Zusammenhang m i t der Berufsausübung und finden von hierher auch ihre Grenze 47 . Die marktbürgerliche Gleichheit bleibt insofern eindimensional i m Rahmen der ökonomischen Zielsetzung der Gemeinschaft 48 . Die nach dem jetzigen Stand des Gemeinschaftsrechts verwirklichte Integration ist nur eine funktionell-ökonomische Integration ohne „gesellschaftliche Dimension" 4 9 , sie löst den Marktbürger also nicht aus seinem staatlichen Verband. Zum anderen stehen freie Einreise und freier Aufenthalt unter dem mitgliedsstaatlichen Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit 50 . 45 Freizügigkeit der Arbeitnehmer: A r t . 48 E W G V ; heute maßgebend V e r ordnung Nr. 1612/68/EWG v. 15.10.1968 über die Freizügigkeit der A r b e i t nehmer innerhalb der Gemeinschaft, A B l . L 257 v. 19.10.1968, S. 2; dazu Richtlinie Nr. 68/360/EWG zur Aufhebung der Reise- u n d Aufenthaltsbeschränkungen f ü r Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten u n d ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft, A B l . L 257 v. 19.10.1968, S. 13; früher galten V O Nr. 15 v. 16.8.1961, A B l . 1961, S. 1073; V O Nr. 38/64/EWG v. 25.3.1964, A B l . 1964, S. 965 nebst Richtlinie v. 25. 3.1964, A B l . 1964, S. 981; vgl. Grabitz, S. 69 ff. Niederlassungsfreiheit: A r t . 52 - 58 E W G V ; Richtlinie Nr. 64/220/EWG zur Aufhebung der Reise- u n d Aufenthaltsbeschränkungen f ü r Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung u n d des Dienstleistungsverkehrs v. 25. 2.1964, A B l . 1964, S. 845, neugefaßt durch Richtlinie Nr. 73/148/EWG v. 21. 5.1973, A B l . L 142 v. 28. 6.1973, S. 14; Grabitz, S. 74 ff. Dienstleistungsverkehr: A r t . 5 9 - 6 6 E W G V ; dazu vgl. unter Niederlassungsfreiheit u n d Grabitz, S. 81 ff. Vgl. auch Gesetz über E i n reise u n d Aufenthalt v o n Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft v. 22. 7.1969 (BGBl. I, S. 927), §§ 1 - 11. 46 Verordnung Nr. 1251/70 der Kommission v. 29. 6.1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung i m Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, A B l . L 142,24; vgl. A r t . 48 I I I d EWGV. 47 Grabitz, S. 68, 85; sie gelten allerdings auch für die Familienangehörigen des Inhabers des Rechts auf freie berufliche Betätigung; vgl. Grabitz, S. 85 ff., 87; auch das Recht auf Verbleib steht den Familienangehörigen des A r b e i t nehmers zu (Art. 3 V O Nr. 1251/70). 48 Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 252 (9/136); Grabitz, S. 68 f. 4 ® Zit. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 998 (54/23), vgl. auch S. 252 (9/136) u n d 254 (9/140); Grabitz, S. 68; u n k l a r Pünder, S. 105.

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

Zwar dürfen Grundlage von Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nur das persönliche Verhalten des einreise- und aufenthaltswilligen ausländischen Marktbürgers, nicht aber wirtschaftliche Gründe (Arbeitsmarktlage, Konkurrenzschutz u. ä.) sein 51 . Andernfalls würde der marktbürgerlichen Gleichstellung, die ja gerade auf dem w i r t schaftlichen Gemeinschaftsziel gründet, durch die Hintertür des Polizeivorbehalts letztlich die Substanz entzogen 52 . Das funktionell-ökonomische Gemeinschaftsziel verlangt insoweit eine i n allen Mitgliedstaaten einheitliche, restriktive Auslegung und Anwendung des Polizeivorbehalts 53 . Die gemeinschaftsrechtliche Anerkennung eines Polizeivorbehalts als solche macht jedoch deutlich, daß der Marktbürger vom Ausländerstatus nicht völlig befreit ist. Er ist nach Gemeinschaftsrecht dem Inländer nicht einmal hinsichtlich Einreise und Aufenthalt — ganz zu schweigen von politischen Rechten und staatsbürgerlichen Rechten 54 — völlig gleichgestellt. Funktionelle Begrenzung des Einreise- und Aufenthaltsrechts und Polizeivorbehalt verhindern, daß der auswanderungswillige Staatsangehörige schlechthin einen Aufnahmeanspruch gegenüber einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft hat 5 5 . Daher und wegen des nicht aufgehobenen Unterschieds, der i m Pflichtenstatus gegenüber dem Inländer nach wie vor besteht, sind i m Sonderstatus des europäischen Marktbürgers die Bedingungen demokratischer Egalität nicht verwirklicht 5 6 . 3. Staatsangehörigkeit

und nationale

Minderheit

Das Ergebnis eines auf die Staatsangehörigkeit abstellenden Statusvergleichs zwischen Inländer und Ausländer w i r d nicht dadurch berührt, daß man dem Ausländerproblem die Dimension eines Problems nationaler Minderheiten verleiht 5 7 . Als Minderheitsproblem läßt es sich allen50 A r t . 48 I I I , 56 I, 66 i. V. m. 56 I E W G V ; Richtlinie Nr. 64/221/EWG zur K o o r dinierung der Sondervorschriften für die Einreise u n d den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, v. 25. 2.1964, A B l . 1964, S. 850 u n d die entsprechenden Vorbehalte i n den i n Fußn. 45 genannten Vorschriften; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 253 (9/138); Grabitz, S. 92 ff. 51 Richtlinie Nr. 64/221/EWG (Fußn. 50), A r t . 3 I ; Grabitz, S. 94; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 253 (9/138). 52 Grabitz, S. 94 f.; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 253 (9/138). 53 Grabitz (Fußn. 52); Ipsen (Fußn. 52). 54 Vgl. Grabitz, S. 88 ff. 55 Dies übersieht Sasse, S. 27, 54 ff. 56 Α . A. Grabitz, S. 103,110. 57 So Kewenig, Diskussionsbeitrag W D S t R L 32 (1974), S. 107; Zuleeg, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 110; auch Sasse, S. 66, sieht Querver-

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

71

falls von soziologischer, nicht aber von staatsrechtlicher Warte aus begreifen. Die Angehörigen nationaler Minderheiten sind Staatsangehörige des Staates, i n dem sie sich aufhalten 5 8 . Die Forderung nach Gleichstellung nationaler Minderheiten stellt sich also nur dort, wo die unterschiedliche Nationalität Grund der Diskriminierung innerhalb des Kreises der Staatsangehörigen ist. Der Schutz nationaler Minderheiten betrifft die staatsbürgerliche Gleichstellung ihrer Angehörigen und zielt daneben darauf, die Entfaltung nationaler, d. h. insbesondere kultureller Eigenart innerhalb des Staatsverbandes zu ermöglichen 59 . Insoweit folgt er den Hegeln der Gruppenparität, die sich dem Maßstab demokratischer Egalität und der Majorisierung entziehen 60 . 4. Historische Beispiele für ein Ausländerwahlrecht Der Zusammenhang von demokratischer Egalität und Staatsangehörigkeit w i r d verschiedentlich 61 durch den Hinweis auf Beispiele anderer Staaten i n Zweifel gezogen, i n denen das Wahlrecht auf gesamtstaatlicher Ebene auch Staatsfremden zugestanden wurde. Die besonderen Voraussetzungen aber, unter denen diese Regelungen zustande kamen, werden dabei nicht immer gesehen. a) USA Daß i n den Einzelstaaten der USA i m 19. Jahrhundert auch Fremden das Wahlrecht und andere politische Rechte zugesprochen wurden 6 2 , erklärt sich aus der besonderen Situation dieser Staaten, die zur damaligen Zeit Einwanderungsstaaten waren. Die USA befanden sich i n der Phase ihrer Konsolidierung und waren auf die Einwanderer aus aller Herren Länder angewiesen, u m sich ein breites Bevölkerungsfundament zu verschaffen 63 . Die Verleihung politischer Rechte diente diesem Ziel und stand praktisch der Aufnahme i n den Staatsverband — m i t entsprechender Pflichtenstellung — gleich. bindungen zur Minderheitenproblematik; a. Α.: Doehring, Diskussionsbeitrag W D S t R L 32 (1974), S. 112; Isensee, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 114; Mosler, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 113. 58 Berber, S. 368 ff.; Doehring, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 112. 59 Vgl. BVerfGE 1, 208, 240f.; Berber, S. 369 ff.; Guggenheim, S. 262 ff.; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 114. 60 Vgl. Isensee (Fußn. 59). 61 von Frisch, S. 355 f.; Dolde, Ausländer, S. 76. 62 von Frisch, S. 355 f.; Meyer, S. 454. 63 So schon Rüttimann, Das nordamerikanische Bundesstaatsrecht I, S. 88 f. (zit. nach von Frisch, S. 355 f.).

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

b) Die sowjetische Verfassung von 1918 Die A r t . 20, 64 f. der sowjetischen Verfassung vom 10. 7. 1918 gewährten auch Ausländern politische Hechte, insbesondere auch das Wahlrecht; begünstigt waren jedoch nicht alle Ausländer, die sich i n Rußland aufhielten, sondern nur die ausländischen Werktätigen, d. h. Angehörige der Arbeiterklasse und der Bauernschaft 64 . Gleichzeitig besaßen aber nicht alle russischen Staatsangehörigen das Wahlrecht, sondern ebenfalls nur die Arbeiterschaft und die Bauern, dazu die Armeeangehörigen (Art. 64). Der Bourgeoisie waren alle Rechte genommen (Art. 65 a - c). Die staatsbürgerlichen Rechte setzten hier also nicht die Staatsangehörigkeit voraus. Stattdessen wurde aber nicht auf eine personelle Abgrenzung überhaupt verzichtet, d. h. die Rechte knüpften nicht an die bloße Gebietszugehörigkeit (von bestimmter Dauer) an. Die Staatsangehörigkeit als Grundlage der staatsbürgerlichen Rechte wurde vielmehr nur durch die Klassenzugehörigheit ersetzt 65 . Dieses Verfassungskonzept ist nur aus dem ideologischen Kontext des Bolschewismus zu verstehen. I n i h m spiegelt sich die Theorie des weltweiten Klassenkampfes, der die internationale Solidarität des Proletariats fordert. Die Verleihung des Wahlrechts an ausländische Werktätige 64 A r t . 10: „Die russische Republik ist eine freie sozialistische Gesellschaft aller Werktätigen i n Rußland. Die ganze Macht i m Bereiche der R.S.F.S.R. steht der gesamten i n den städtischen u n d ländlichen Räten zusammengefaßten Arbeiterbevölkerung des Landes zu." A r t . 20: „ V o n der Solidarität der Werktätigen aller Völker ausgehend, gewährt die R.S.F.S.R. den Ausländern, die i m Gebiete der russischen Republik sich zwecks werktätiger Beschäftigung aufhalten u n d der Arbeiterklasse oder der Bauernschaft angehören, die sich nicht fremder A r b e i t bedienen, alle politischen Rechte der russischen Bürger u n d erkennt Ortsräten das Recht zu, solchen Ausländern das russische Bürgerrecht ohne alle erschwerenden Formalitäten zu verleihen." A r t . 64 c A n m . 2: „ V o n denjenigen, die die russische Bürgerschaft nicht erworben haben, genießen auch die i n A r t . 20 bezeichneten Personen das aktive u n d passive Wahlrecht." A r t . 65 : „Nicht wählen oder gewählt werden können . . . a) Personen, die sich der Lohnarbeit zwecks Gewinnerzielung bedienen; b) Personen, die von arbeitslosem Einkommen w i e Kapitalzinsen, E i n k ü n f t e n von Unternehmen, Vermögen u n d dergleichen leben; c) private Handelsleute, Handels- u n d kaufmännische V e r m i t t l e r ; d) Mönche u n d geistliche Diener von Kirchen u n d Religionskulten; e) Angestellte u n d Agenten der früheren Polizei, des Gendarmeriekorps u n d der Überwachungspolizei sowie Mitglieder des früher i n Rußland regierenden Hauses." (Zit. n. Abdruck i n : Neuberg er, Die Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Räterepublik, Diss. Düsseldorf 1925, S. 84 ff.) Die geltende Verfassung von 1936 enthält keine vergleichbaren Bestimmungen, vgl. Maurach, S. 329. 65 Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 233 f.; Kotthaus, S. 51 ff.; Maklerow u. a., S. 39 f.; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 92, Fußn. 108.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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ist Ausdruck dieser Solidarität. Sie beruht gerade nicht auf einem weltbürgerlichen Menschheitsgedanken 66 , sondern auf dem Gedanken der Privilegierung der bisher unterprivilegierten Klassen. Klassenherrschaft und egalitäre Demokratie westlicher Prägung sind schon i m Ansatz nicht vergleichbar 67 . Argumente für ein Ausländerwahlrecht lassen sich aus diesem i n seinen Voraussetzungen völlig andersartigen Modell nicht herleiten. c) A r t . 26 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes von 1920 Die Regelung des A r t . 26 I 2 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes von 1920, wonach der Gesetzgeber auch solchen Personen, die nicht die Bundesbürgerschaft besaßen, aufgrund staatsvertraglich gewährleisteter Gegenseitigkeit das Wahlrecht zuerkennen konnte 6 8 , ist vor dem Hintergrund der politischen Situation nach dem ersten Weltkrieg zu sehen. Sowohl i m Deutschen Reich wie i m damaligen Deutschösterreich ging man i n den Jahren 1918/19 von einem unmittelbar bevorstehenden Anschluß der deutschsprachigen Provinzen der nach der Kriegsniederlage zusammengebrochenen Donaumonarchie an das Reich aus 69 . Besonders i n Österreich fand der Anschlußgedanke starke Verbreitung, da die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, die aus den Trümmern der untergegangenen Monarchie erwuchsen, Zweifel an der Lebensfähigkeit eines selbständigen Deutschösterreich weckten. Die Provisorische Nationalversammlung, die am 12. 11. 1918 die Republik Deutschösterreich proklamierte, erklärte diese denn auch zu einem „Bestandteil der deutschen Republik" 7 0 . I m Deutschen Reich ließ man daraufhin i m Vorgriff auf den erwarteten Zusammenschluß die im Lande wohnenden Deutschösterreicher zur Wahl der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung zu 7 1 . I m grundsätzlichen wurde damit nicht 88

So Kelsen, Demokratie, S. 18. Kotthàus, S. 53; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 92, Fußn. 108; Behrend, S. 377. 88 Die Bestimmung wurde durch Bundes-Verfassungsgesetz v. 13.11.1968 (BGBl. S. 1659) ersatzlos gestrichen; vgl. Henkel, Integration, S. 103. 89 Vgl. Gebhardt, S. 189; Ruland, S. 11. 70 A r t . 2 Satz 1 des Gesetzes über die Staats- u n d Regierungsform von Deutschösterreich v. 12.11.1918, Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich 1918, Nr. 5; bestätigt durch die am 16. 2.1919 gewählte österreichische Konstituierende Nationalversammlung i m Gesetz über die Staatsform v. 12.3.1919 i d F : „Deutschösterreich ist ein Bestandteil des Deutschen Reiches." (StGBl. f. d. Staat Österreich 1919, Nr. 174); außer K r a f t gesetzt durch Gesetz v. 21.10.1919 (StGBl. 1919, Nr. 484) i m Anschluß an den Vertrag v o n St. Germain ; vgl. auch Liermann, S. 234. 87

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

vom Staatsangehörigkeitsprinzip abgegangen. Das Wahlrecht wurde nicht allen Ausländern, sondern nur denjenigen, die man als künftige Inländer ansah, verliehen 7 2 , und auch dies nur für eine bestimmte einzelne Wahl. M i t den Friedensverträgen des Jahres 1919, die Österreichs Unabhängigkeit vorschrieben und einen eventuellen Zusammenschluß m i t dem Deutschen Reich von der Zustimmung des Völkerbundes abhängig machten 7 3 , war dieser Zusammenschluß aufgrund der politischen Lage praktisch unmöglich geworden. M i t Art. 26 I 2 nahm die österreichische Bundesverfassung von 1920 dennoch eine Bestimmung auf, die auf diesen Fall zugeschnitten war. Von der i n ihr enthaltenen Ermächtigung wurde i m übrigen nicht Gebrauch gemacht 74 . Zudem wurde durch den Vorbehalt der Gegenseitigkeit, unter dem die Verleihung des Wahlrechts stand, eine A r t „gemeinsames Indigenat" der vertragschließenden Staaten zur Bedingung gemacht, so daß es sich nicht mehr um ein echtes Ausländerwahlrecht gehandelt hätte 7 5 . d) Sonstige Beispiele Dem Wahlrecht dänischer Staatsbürger i n Island sowie dem isländischer Staatsbürger i n Dänemark 7 6 schließlich liegt zugrunde, daß Island und Dänemark bis 1944 eine Union bildeten 7 7 . Die übrigen Beispiele für ein Wahlrecht Staatsfremder i n der Schweiz 78 beziehen sich auf die kommunale Ebene und bedürfen daher an dieser Stelle keiner Erörterung. 71 So i n Ergänzung der Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (Reichswahlgesetz) v. 30.11.1918 (RGBl. S. 1345) § 1 der Verordnung des Rates der Volksbeauftragten v. 7.1.1919 (RGBl. S. 15) über die Teilnahme der Angehörigen der deutschösterreichischen Repub l i k an den Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung. Vgl. auch § 25 d. V O v. 30.11.1918 u n d A r t . 61 I I W R V ; vgl. Kimme, S. 26; nach Liermann, S. 115 f., 234 w i r k t i n der Verleihung des Wahlrechts an Deutschösterreicher der Gedanke des „GemeinschaftsVolkes", d. h. a l l derer, die das Deutsche Reich (bereits) als „ i h r e n Staat" betrachteten, u n d hebt die Abgrenzung des „Gesellschaftsvolkes" der Staatsangehörigen auf; zu Liermanns Terminologie vgl. oben I V . 4. b); vgl. Ruland, S. 12 (unrichtig aber Fußn. 61). 72 Ebenso Liermann, S. 116. 73 A r t . 80 des Friedensvertrages von Versailles v. 28.6.1919; A r t . 88 des Friedensvertrages von St.-Germain-en-Laye v. 10. 9.1919. 74 Dolde, Ausländer, S. 76; Ruland, S. 12, Fußn. 60. 75 Vgl. dazu unten 2. Abschnitt Β . I I . 76 Ruland, S. 12, Fußn. 62. 77 Von Schroeder (hrsg.), S. 239, 253. 78 Vgl. Fehrlin, S. 103; Moser, S. 350; Dolde, Ausländer, S. 76 sowie oben Einleitung, Fußn. 8.

D. Der Volksbegriff des Art. 20 I I 1 GG

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Alle genannten Regelungen sind also wegen der besonderen politischen Situation, von der sie ausgehen, nicht geeignet, die Staatsangehörigkeit als K r i t e r i u m demokratischer Egalität i m Grundsatz i n Frage zu stellen. 5. Das Volk des Art 20 II 1 GG als Bundesvolk Durch die Feststellung, daß der Begriff des Volkes i n A r t . 20 I I 1 GG das Volk des Staatsverbandes i m Sinne der Gesamtheit der Staatsangehörigen bezeichnet, sind Ausländer vom Wahlrecht verfassungskräftig ausgeschlossen. Damit ist aber das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland noch nicht positiv umschrieben. Hier entsteht eine besondere Problematik infolge der durch die deutsche Spaltung bedingten Rechtslage. Das Grundgesetz hält in A r t . 116 I GG an einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit fest, deren Inhaber zum Beispiel auch die Bürger der DDR sind 7 9 . Diese können nicht auch zum Staatsvolk der Bundesrepublik gehören, w e i l das Volk, das Staatsgewalt legitimiert, das m i t sich selbst als regierendes und regiertes identisch ist, nur ein Volk sein kann, das dieser Staatsgewalt auch unterworfen ist, also i n ihrem Einwirkungsbereich lebt. Da der Einwirkungsbereich der Staatsgewalt i m Regelfall durch das Staatsgebiet umgrenzt wird, gehören zum Staatsvolk der Bundesrepublik grundsätzlich nur diejenigen deutschen Staatsangehörigen bzw. Deutschen 80 i m Sinne von A r t . 116 I GG, die i m Bundesgebiet ihren Wohnsitz haben 81 . Nur sie werden durch den Bundestag repräsentiert. Ein demokratisch organisiertes Staatsvolk außerhalb des Staates ist nicht denkbar. Personen, die der Staatsgewalt nicht unterliegen, können nicht die für die demokratische Egalität charakteristische Rechts- und Pflichtenposition innehaben. Das Staatsvolk i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG bilden daher nur diejenigen Deutschen, die kraft ihres Wohnsitzes i m Bundesgebiet materiell die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland, die „Bundesangehörigkeit" 8 2 besitzen. Volk i n A r t . 20 I I 1 GG bezeichnet, soweit 79

Vgl. BVerfGE 36,1, 30; Rumpf, S. 201 ff. Einer Unterscheidung zwischen Deutschen u n d deutschen Staatsangehörigen bedarf es i m Hinblick auf das oben, D. I I I . 2. b), Gesagte nicht. 81 Z u m Wohnsitzprinzip vgl. Böckenförde, Teilung, S. 461; zum Sonderproblem der Deutschen i m Ausland, die sich nie oder längere Zeit nicht i m I n l a n d aufhalten, vgl. BVerfGE 36, 139 ff.; Henkel, Wahlrecht, S. 1 ff.; Schreiber, S. 829 ff. 82 Von einer formell nicht geschaffenen, aber materiell bestehenden Bundesangehörigkeit sprechen bereits Asam, S. 3 ff. u n d H. W. Thieme, S. 59 ; i n dieser Richtung auch Rumpf, S. 201 ff.; Böckenförde, Teilung, S. 457 ff.; unrichtig Grabitz, S. 26, der die Gesamtheit der Deutschen iSv A r t . 116 I GG für das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland hält. 80

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

es sich auf den Bund als Gesamtstaat bezieht, i n diesem Sinne das „Bundesvolk" 8 3 . E. Wahlrecht und Grundrechte I. Grundrechte und demokratische Staatsordnung I n der gegenwärtigen Diskussion w i r d gelegentlich die von Art. 20 I I 1 GG vorgenommene demokratisch-egalitäre Abgrenzung des Staatsvolkes der Staatsangehörigen i m Hinblick auf die Grundrechtsstellung des Ausländers m i t Fragezeichen versehen 1 . Diesem Ansatz begegnen jedoch grundsätzliche Bedenken aus der Stellung der Grundrechte i m Verfassungsgefüge. Ein Verständnis der Grundrechte, das diese als i n sich geschlossenen Verfassungsbestandteil dualistisch dem von A r t . 20 GG eingeleiteten organisatorischen Teil der Verfassung gegenüberstellt, kann zwar heute als überwunden gelten 2 . Die Funktion der Grundrechte kann nicht mehr ausschließlich i n der Errichtung eines Schutzwalls gegen das Vordringen der staatlichen Macht und der Abgrenzung einer staatsfreien Privatsphäre gesehen werde. Ihre Bedeutung erschöpft sich i n einer freiheitlichen, demokratisch organisierten Staatsordnung nicht i n der Begründung subjektiver Abwehrrechte gegen den Staat, sondern erstreckt sich auch auf die objektive Ordnung dieses Staates. Der von ihnen u m der freien und selbstverantwortlichen Lebensgestaltung w i l l e n eingeräumte Freiraum, der die Bildung einer öffentlichen Meinung als Gegengewicht und Korrektiv zu der von den Staatsorganen gebildeten „Staatsmeinung" sowie die „Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes" i n Verbänden und Parteien ermöglicht, ist als für die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes „schlechthin konstituierend" 3 anerkannt. Weisen die Grundrechte, insbesondere die A r t . 5, 8 und 9 GG somit eine „demokratische Komponente" 4 auf, so kann doch damit ihr Unterschied gegenüber den Organisationsnormen der Verfassung nicht negiert werden. Diese werden von den Grundrechten weder ersetzt noch über-

83 Vgl. die Nachweise oben, Fußn. 30 zu D. I I I . dieser A r b e i t ; dazu Klein, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 29 (1971), S. 121; Maunz, Staatsrecht, S. 222. 1 Vgl. Sasse, S. 18 f.; Kewenig, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 109. 2 Z u m folgenden Hesse, Grundzüge, S. 125. 3 BVerfGE 5, 85, 204f.; 7,198, 208; 8,104, 112; 25, 256, 265 m. w . N.; vgl. Hesse, Grundzüge, S. 61 f., 158; Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 35; Ehm)ce, Grenzen, S. 103 f.; Krüger, Repräsentation, S. 96, 98 ff.; Krüger, Integration, S. 249 ff., 267 ff. Ä h n l i c h für W R V Thoma, Reich als Demokratie, S. 190. 4 Vgl. Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 99 ff. m. w. N.

E. Wahlrecht und Grundrechte

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lagert, sondern stehen zu ihnen i n einem Verhältnis der Wechselbeziehung 5 . M i t der demokratischen Grundformel des A r t . 20 I I 1 GG t r i f f t das Grundgesetz seine Entscheidung über die Staatsform, beschreibt es das Aufbauprinzip des von i h m verfaßten Staates 6 . Die Grundrechte setzen m i t ihrer demokratischen Komponente dieses Aufbauprinzip voraus, knüpfen hieran an und füllen es aus, indem sie die Freiheit des politischen Prozesses, der der formalisierten Staatswillensbildung durch das Volk i m Sinne von A r t . 20 I I GG vorausgeht, gewährleisten. Sie konstituieren den Staat damit nur i n einem weiteren Sinne, während dieser seine politische Form eigentlich durch A r t . 20 I I GG erhält. Der Unterschied zwischen Grundrechten und den Verfassungselementen der politischen Formgebung i m engeren Sinn ist i m Grundgesetz nicht völlig aufgehoben. Der schwierig zu konkretisierende normative Gehalt, der dem demokratischen Aspekt der Grundrechte innewohnt 7 , hat i n der Wechselbeziehung zwischen Grundrechten und Staatsorganisation keinen Einfluß auf den Kreis der Grundrechtsinhaber oder die Abgrenzung des demokratischen Volkes, sondern läßt den Kreis der verfassungsmäßig jeweils vorausgesetzten Rechtssubjekte unberührt. M i t der Feststellung ihrer demokratischen Komponente lassen sich also weder die Jedermann-Rechte des A r t . 5 GG unter Korrektur des eindeutigen Verfassungswortlauts zu Staatsbürgerrechten verkürzen 8 , noch läßt sich umgekehrt aus der Einbeziehung der Ausländer unter die Grundrechtsträger des A r t . 5 GG die Basis des von A r t . 20 I I GG vorausgesetzten Volkes erweitern®. Die Formel, wonach der demokratischen Komponente der Grundrechte eine grundrechtliche Komponente der demokratischen Rechte entspreche 10 , ist somit nichts als ein schönes Wortspiel, das nur dann zutrifft, wenn man es auf den Kreis der Staatsbürger begrenzt. Das i n der demokratischen Egalität des Staatsvolkes wurzelnde Wahlrecht ist nicht deshalb Grundrecht, w e i l der Meinungs- und Willensbildungsprozeß, der i n die Wahl mündet und sich außerhalb der Wahlen 5

Hesse, Grundzüge, S. 125. Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 200. 7 Vgl. Isensee, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 145. 8 BVerfGE 21, 271 f.; Thomsen, S. 54; Bender, S. 81,108 ff.; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 99 ff. m. w . N.; a. A . Ridder, Meinungsfreiheit, S. 651; Ridder, GR I I , S. 288 f.; Heuer, S. 36; Tomuschat, S. 50 m. Fußn. 120, S. 57 ff. 9 So der Ansatz von Sasse, S. 18; Kewenig, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 109. 10 Kewenig (Fußn. 9), S. 109. 6

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

fortsetzt, grundrechtlich ermöglicht ist und die Grundrechte daher unabdingbare Voraussetzung einer demokratischen Wahlentscheidung sind. Der über A r t . 5 GG ermöglichte, also grundrechtlich gesicherte Einfluß der Ausländer auf die öffentliche Meinungsbildung und damit letztlich die Wahlentscheidung des Staatsvolkes ist angesichts ihres Ausschlusses von der Wahlentscheidung selbst nicht inkonsequent. Diesen mittelbaren fremden Einfluß auf die Staatswillensbildung w i l l das Grundgesetz nicht ausschalten. Dies zeigt sich u. a. i n der Gewährleistung des Grundrechts der Informationsfreiheit, also des Rechts, sich aus allen, auch ausländischen Quellen zu informieren. Die freie Meinungsäußerung der Ausländer ist ein Element des Informationsstromes, den das Staatsvolk i n die politische Entscheidung umsetzt 11 . Das Wahlrecht ist ein politisches Staatsbürgerrecht 12 , dessen verantwortungsbewußte Ausübung von der grundrechtlich garantierten und ermöglichten Vorformung der Willensbildung lebt. Es leitet sich zugunsten des Einzelnen, der Angehöriger des Volkes ist, aus der als apriorische Eigenschaft vorausgesetzten Souveränität des Volkes ab. Seine verfassungsrechtliche Verankerung findet es, auch i n subjektivrechtlicher Hinsicht, ausschließlich i n A r t . 20 I I 1 GG, nicht aber, hinsichtlich seiner subjektiv-individualrechtlichen Seite, i n A r t . 2 I GG 1 3 . Auf die Normen des Grundrechtsteils läßt sich daher weder das Wahlrecht des Staatsangehörigen noch das des Staatsfremden gründen. Insbesondere ist auch A r t . 3 GG nicht anwendbar 14 . Sedes materiae sind allein die A r t . 20 ff. GG, die f ü r ihren Bereich die erforderlichen speziellen Gleichheitssätze (Art. 33 I, 381 GG) aufstellen. II. Exkurs: Art. 3 GG und Staatsangehörigkeit Das Gleichheitsgrundrecht des A r t . 3 GG ist i m Gegensatz zur deutschen Verfassungstradition 15 vom Grundgesetz bewußt 1 6 nicht als Deutschenrecht, sondern als Menschenrecht gewährleistet. Hieraus folgt jedoch kein Verbot jeglicher Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit, zumal das Grundgesetz selbst an Ausländer- und Inländerstatus unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpft (z. B. A r t . 81, 9 I, 33 I GG). 11 Vgl. BVerfGE 8, 104, 113, wo zwischen öffentlicher Meinungs- u n d p o l i tischer Willensbildung einerseits u n d (formeller) staatlicher Willensbildung andererseits deutlich unterschieden w i r d ; vgl. Badura, B K , A r t . 38, A n m . 35; Bender, S. 113,119. 12 Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 38, A n m . 31 („grundrechtsähnliches Recht" des Staatsangehörigen). 13 So aber Kurz, S. 233 ff. 14 A. A . H. W. Thieme, S. 89; Rolvering, S. 77 f., 104 ff., 108. 15 V I , A r t . 2 §§ 134,137 RVerf 1848; A r t . 109 WRV. 16 Vgl. hierzu die Entstehungsgeschichte des A r t . 3, JÖR N F 1 (1951), S. 71.

E. Wahlrecht und Grundrechte

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2. Art. 3 III GG A r t . 3 I I I GG, der als lex specialis 17 zu A r t . 3 I GG eine Reihe absoluter Differenzierungsverbote aufführt, nennt die Staatsangehörigkeit hierunter nicht. Die dort genannten, von einer gewissen Affinität zur Staatsangehörigkeit nicht freien Merkmale der „Heimat und Herkunft" sowie der „ A b stammung" umfassen die Staatsangehörigkeit als solche nicht. Dies ist praktisch unbestritten 1 8 . So ist unter „Heimat" nur räumliche Herkunft nach Geburt oder Ansässigkeit, die Ortsverbundenheit zu verstehen 19 . „Herkunft" meint die ständisch-soziale Abstammung, also die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht 20 . Auch die Merkmale „Abstammung" (als natürliche, biologische Beziehung zu den Vorfahren i m Sinne familiärer Abstammung 2 1 ), „Sprache" und „Rasse" meinen nicht die Staatsangehörigkeit. Die Identifizierung von Merkmalen des A r t . 3 I I I GG m i t der Staatsangehörigkeit als absolutem Differenzierungsverbot vermag den dadurch hervorgerufenen Widerspruch zu der vom Grundgesetz selbst vorgenommenen Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit (Art. 8 I, 9 I, 33 I GG) nicht zu erklären 2 2 . Ein absolutes Differenzierungsverbot bedeutet, daß es unter dem betreffenden Gesichtspunkt überhaupt keine Unterscheidung geben kann, auch nicht durch die Verfassung selbst. Erfaßt A r t . 3 I I I GG somit die Staatsangehörigkeit nicht, so ist doch die Feststellung zutreffend, daß seine Merkmale häufig m i t fremder Staatsangehörigkeit zusammenfallen 23 . Hieraus folgt aber nicht die Unzulässigkeit einer Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit, sondern nur, daß eine (zulässige) Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht Vorwand für eine i n Wahrheit beabsichtigte Benachteiligung oder Bevorzugung wegen Abstammung, Heimat oder Herkunft werden darf 2 4 . 17

Ipsen, Gleichheit, S. 178; Doehring, Regeln, S. 196 f. BVerfGE 5,17, 22; 9,124,128; 23, 258, 262; BVerwGE 3, 235, 236; 22, 66, 69f.; Ipsen, Gleichheit, S. 134, 145 f. von Mangoldt ! Klein, V 2 a zu A r t . 3; Wernicke, B K , I I 3 zu A r t . 3; Hamann! Lenz, Β 10 zu A r t . 3; Doehring, Regeln, S. 195; Rolvering, S. 52; Ruppel, S. 40; Dolde, Ausländer, S. 55 f.; Bender, S. 85; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 75; a . A . Zuleeg, D Ö V 1973, S. 363 f.; ähnlich Brinkmann, A r t . 8 1 a S. 3 u n d A r t . 9 , 1 a S. 1 f. 19 Es w a r insbesondere an die Vertriebenen gedacht, vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 69; BVerfGE 5, 17, 22; 17, 199, 203; 23, 258, 262 u n d die L i t e r a t u r i n Fußn. 18. 20 Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 69; BVerfGE 9, 124, 128 u n d die bereits angegebenen Entscheidungen sowie die L i t e r a t u r i n Fußn. 18. 21 Ipsen, Gleichheit, S. 145; Dolde, Ausländer, S. 56; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 75; BVerfGE 23, 258, 262. 22 Ipsen, Gleichheit, S. 134; Tomuschat, S. 51, A n m . 123; Rolvering, S. 52; Ruppel, S. 42; Bender, S. 86; Dolde, Ausländer, S. 57. 23 Dolde, Ausländer, S. 56. 24 Rolvering, S. 53; die Umgehungsmöglichkeiten dürften gering sein; skeptisch Dolde, Ausländer, S. 56. 18

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I. Teil, 1. Abschn., . Kap.:

ives Wahlrecht zum Bundestag

Das Differenzierungsverbot muß eingreifen, wenn die Differenzierung gerade kausal an die Merkmale des A r t . 3 I I I GG anknüpft 2 5 . 2. Art

3IGG

Verbietet A r t . 3 I I I GG die Differenzierung nach einem bestimmten K r i t e r i u m nicht, so folgt daraus nicht, daß die Verfassung diese Differenzierung schlechthin erlaube 2 6 . Wenn jedoch A r t . 3 I I I GG die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht verbietet, so kann sie auch nach A r t . 3 I GG nicht schlechthin unzulässig sein. Die gegenteilige Auffassung käme einer Korrektur des die Staatsangehörigkeit bewußt ausklammernden A r t . 3 I I I GG gleich 27 . Eine nach der Staatsangehörigkeit unterscheidende Regelung muß sich also an den allgemeinen Maßstäben des A r t . 3 I GG messen lassen: eine Ungleichbehandlung von Ausländern muß, soll sie rechtlichen Bestand haben, durch einen vernünftigen, sachlich einleuchtenden Grund gerechtfertigt sein, der Ausländer darf für den bestimmten geregelten Zusammenhang nicht als dem Inländer „wesentlich gleich" angesehen werden können 2 8 . Da die Verfassung die Entscheidung hierüber für das Wahlrecht i n den A r t . 20, 38 GG selbst getroffen hat, ist für die Anwendung des A r t . 3 GG i n diesem Bereich kein Raum.

F. Wahlrecht und Sozialstaatsprinzip Die Forderung nach dem Wahlrecht für Ausländer w i r d auch auf das Sozialstaatsprinzip gestützt und als Ausdruck eines aktuellen Verfassungsgebotes angesehen1. Die ausländische Bevölkerung stelle, so lautet die Argumentation, eine sozial besonders benachteiligte Gruppe dar, deren Situation sich nur ändern lasse, wenn ihr durch Verleihung des Wahlrechts das einzig effektive M i t t e l „zur Befriedigung gruppenspezifischer Interessen" i n die Hand gegeben werde 2 . 25

BVerfGE 2, 266, 286 u n d die weiteren Nachweise bei Leibholz / Rinck, A r t . 3, A n m . 36; Doehring, Regeln, S. 196 f. 28 Ipsen, Gleichheit, S. 145; Bender, S. 86. 27 Bender, S. 86. 28 Ruppel, S. 47; Doehring, W D S t R L 32 (1974), S. 41. 1 Zuleeg, D Ö V 1973, S. 370; ders., DVB1. 1974, S. 349 u n d Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 112. 2 Zit. Sasse, S. 14, der sich aber nicht auf das Sozialstaatsprinzip stützt; Zuleeg, DVB1.1974, S. 347; vgl. auch Kewenig, Diskussionsbeitrag V V D S t R L 32 (1974), S. 109 i m Hinblick auf effektiven Grundrechtsschutz insb. i m Bereich der Leistungsverwaltung.

F. Wahlrecht und Sozialstaatsprinzip Diese Argumentation verfehlt Standort des Sozialstaatsprinzips.

Inhalt und

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verfassungsrechtlichen

Zwar ist nicht zweifelhaft, daß auch Ausländer an den sozialstaatlichen Leistungen teilhaben, das Sozialstaatsprinzip also auch für sie W i r k u n g entfaltet 3 . Die Sozialstaatsklausel normiert jedoch — von engsten Ausnahmen abgesehen4 — kein Rechtsverhältnis, aus dem sich subjektive öffentliche Rechte ergeben 5 . Sie formuliert ein Staatsziel 6 , das sich i m wesentlichen auf die Formel der Herstellung sozialer Gerechtigkeit und des Ausgleichs der sozialen Gegensätze und Benachteiligungen 7 bringen läßt. Z u r Verwirklichung dieses Zieles bedarf das Prinzip der Konkretisierimg 8 durch die Staatsorgane; es verpflichtet i n erster Linie den Gesetzgeber 9, dem für die inhaltliche Präzisierung aber politischer Spielraum zur Verfügung steht 1 0 . Den beiden anderen Gewalten dient das Sozialstaatsprinzip als Auslegungsregel 11 . Dieser Inhalt determiniert auch den verfassungsrechtlichen Standort der Sozialstaatsklausel. Als Staatszielbestimmung setzt sie den Staat, dessen Organen sie den Gestaltungsauftrag erteilt, voraus, konstituiert aber nicht dessen politische Form. Sie enthält daher keinerlei Aussage darüber, auf welche Weise und durch wen die Staatsorgane, die sie verpflichtet, zu bilden sind. Berührt sie also den Bereich des Staatsaufbaus nicht, so kann sie auch keine Rechte, die für einen bestimmten Staatsaufbau kennzeichnend sind, gewähren. 3 Z u Begründung u n d Umfang dieser Geltung Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 86 ff. 4 Aus dem Sozialstaatsprinzip w i r d ein Anspruch auf Zuteilung des Existenzminimums (Art. 1 1 i. V. m. 20 I GG) anerkannt, vgl. die Nachweise bei Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 192, Fußn. 40 sub k. 5 Schnapp, i n : GG-Komm., A r t . 20, A n m . 19; Hesse, Grundzüge, S. 86. 6 BVerfGE 22, 180, 204; Hesse, Grundzüge, S. 85 f.; Maunz, Staatsrecht, S. 78; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 87 f., 90; ders., Subsidiaritätsprinzip, S. 192 m i t umfassenden Nachweisen S. 191 f., Fußn. 40. 7 Vgl. die Definitionen i n BVerfGE 5, 85, 206; 22,180, 204; Maunz, Staatsrecht, S. 78; Schmidt-Bleibtreu I Klein, A r t . 20, A n m . 20; Schnapp, i n : G G - K o m m , A r t . 20, A n m . 17; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 88. 8 BVerfGE 5, 85,198; Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 88. 9 BVerfGE 1, 97, 105; 22, 180, 204; Wernicke, B K , I I 1 d zu A r t . 20; Hesse, Grundzüge, S. 86; Schnapp, i n : GG-Komm., A r t . 20, A n m . 19; Ossenbühl, Mitbestimmung, S. 21. 10 Hesse, Grundzüge, S. 87. 11 Schnapp, i n : GG-Komm., A r t . 20, A n m . 20.

β

Birkenheier

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I. Teil, 1. Abschn., 2. Kap.: Passives Wahlrecht zum Bundestag G. Ergebnis

Die Frage der Zulässigkeit der Verleihung des aktiven Bundestagswahlrechts an Ausländer findet ihre A n t w o r t i n A r t . 20 I I 1 GG. Der Begriff des Volkes i m Sinne der Idee der Volkssouveränität, den A r t . 20 I I 1 GG zur Kennzeichnung der Legitimationsquelle aller Staatsgewalt gebraucht, umfaßt das egalitäre Volk des Staatsverbandes, das Staatsvolk i m Sinne der Gesamtheit der Staatsangehörigen. Dies sind für die Bundesrepublik Deutschland die i m Bundesgebiet lebenden Deutschen, das Bundesvolk. Ausländer gehören damit nicht zum Volk des A r t . 20 I I 1 GG. Das Grundgesetz verbietet also ihre Teilnahme an der Ausübung von Staatsgewalt i n Form von Wahlen. Die durch den Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG ausgedrückte demokratische Egalität, deren Voraussetzungen nur i m Status des Staatsangehörigen erfüllt sind, ist die Grundlage aller speziellen demokratischen Gleichheiten, die das Grundgesetz dem Deutschen einräumt: die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl (Art. 38 I GG) konkretisieren 1 2 A r t . 20 I I 1 GG.

2. KAPITEL: PASSIVES WAHLRECHT A. Gesetzeslage und verfassungsrechtliche Problemstellung I. Die Gesetzeslage Wie das aktive w i r d auch das passive Wahlrecht zum Bundestag nicht i n der Verfassung selbst, sondern erst i m Bundeswahlgesetz ausdrücklich den Deutschen vorbehalten. § 16 I BWahlG erklärt alle volljährigen Personen, die seit mindestens einem Jahr Deutsche i m Sinne von A r t . 1161 GG sind, für wählbar 1 . 12 Kriele, S. 46 f.; Ruland, S. 10, dreht dieses Verhältnis um, w e n n er den Ausschluß der Ausländer aus dem Grundsatz der allgemeinen W a h l herleitet. Vgl. dagegen C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 227. 1 Die Einschränkung der Wählbarkeit auf Deutsche enthielten auch die früheren deutschen Wahlgesetze (Fundstellen i n den Gesetzblättern vgl. oben 1. Kap., Α. I., Fußn. 4): §5 Reichswahlgesetz v o m 12. 4. 1849; § 1 Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes v o m 31. 5. 1869 i n Verbindung m i t §2 Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches, v o m 16. 4. 1871; §5 V O über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (ReichswahlG) v o m 30. 11. 1918; §4 Reichs Wahlgesetz v o m 27. 4. 1920 i. d. F. d. Bek. v o m 6. 3. 1924; §5 I b Wahlgesetz v o m 15. 6. 1949; § 5 I Nr. 2 Wahlgesetz v o m 8. 7.1953.

Α. Gesetzeslage und verfassungsrechtliche Problemstellung

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II. Umkehrsdiluß aus Art. 5412 GG? Bei systematischer Verfassungsinterpretation scheint es auf den ersten Blick zweifelhaft, ob das Grundgesetz den einfach-gesetzlichen Ausschluß der Ausländer vom passiven Bundestagswahlrecht gebietet. A r t . 54 I 2 GG hebt nämlich für den Bundespräsidenten ausdrücklich hervor, daß nur ein Deutscher i n dieses A m t gewählt werden kann. Diese Vorschrift bietet sich damit als Basis eines Umkehrschlusses an: Wenn die Verfassung dem Ausländer das Wahlrecht zum A m t des Bundespräsidenten ausdrücklich verwehrt, so könnte hieraus folgen, daß sie i h m i n allen anderen Fällen, für die eine ebenso eindeutige Bestimmung fehlt, die Stellung als Organwalter (Bundeskanzler, Bundesminister) und insbesondere das passive Wahlrecht zum Bundestag nicht schlechthin vorenthalten w i l l 2 . Dieser Umkehrschluß erweist sich jedoch bereits bei näherer Betrachtung des A r t . 54 I 2 GG und seiner Entstehungsgeschichte als fragwürdig. Gegenstand der Erörterungen i m Parlamentarischen Rat war seinerzeit nur die Frage, ob die Wählbarkeit zum A m t des Bundespräsidenten nicht von noch strengeren Voraussetzungen als der Deutscheneigenschaft und einem bestimmten Mindestalter abhängig gemacht werden sollte. Gedacht war an die Geburt i m Bundesgebiet, eine bestimmte Mindestdauer des Aufenthalts i m Bundesgebiet oder i m Gebiet des Deutschen Reiches, deutsche Staatsangehörigkeit oder „Bundesangehörigkeit" 3 . Der heutige Wortlaut des A r t . 54 I 2 GG, wonach „jeder Deutsche" zum Bundespräsidenten gewählt werden kann, ist Ausdruck der Absage des Parlamentarischen Rates an derartige zusätzliche Einschränkungen der Wählbarkeit, ist also gerade nicht m i t der Intention der Abgrenzung zum Ausländer gewählt worden. Darüber hinaus muß A r t . 54 I 2 GG — ungeachtet der erheblichen Unterschiede zwischen der verfassungsrechtlichen Stellung des Bundespräsidenten und der des Weimarer Reichspräsidenten — i n der Tradition des A r t . 41 I I WRV gesehen werden. Bereits dort hatte es geheißen, daß zum Reichspräsidenten „jeder Deutsche" wählbar sei. I n dieser Formulierung spiegelte sich der fundamentale Wandel, der sich mit der Revolution des Jahres 1918 vollzogen hatte: der Wegfall der deutschen Kaiserkrone und der Übergang zur Republik, wie er auch in Art. 11 WRV an herausragender Stelle Ausdruck fand. 2

So i n der T a t H. W. Thieme, S. 88; Dolde, Ausländer, S. 80; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95, Fußn. 116, hält dies für eine „formalistische V e r fassungsauslegung". 3 Vgl. JÖR N F 1 (1951), S. 400 ff.; i n A r t . 75 I I I des Entwurfs des Herrenchiemseer Konvents hieß es: „ W ä h l b a r ist jeder Bundesangehörige . . . " ; ebenso noch i n A r t . 75 I V der Fassung des Antrags der F D P - F r a k t i o n , der i n der 1. Lesung des Hauptausschusses behandelt wurde.

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I. Teil, 1. Abschn., 2. Kap.: Passives Wahlrecht zum Bundestag

Sinn des A r t . 41 I I WRV w a r von daher nicht nur, m i t dem Hinweis auf die Deutscheneigenschaft Wählbarkeitskriterien aufzustellen, sondern auch zu manifestieren, daß i n der neuen Staats- und Verfassungsordnung nunmehr jeder Deutsche Zugang auch zum höchsten A m t i m Staate hatte. Dieser Gedanke w i r k t i n A r t . 54 I 2 GG fort. Auch er ist insoweit Ausfluß des republikanischen Prinzips. Dem erwähnten Umkehrschluß gibt A r t . 54 I 2 GG somit keine Grundlage. I I I . Die Argumentation für das passive Wahlrecht der Ausländer Die Frage, ob die jetzige Fassung des § 16 BWahlG verfassungsrechtlich zulässig, geboten oder verboten ist, beurteilt sich — wie beim aktiven Wahlrecht — über A r t . 38 I GG wiederum an A r t . 20 I I GG. Der Bundestag ist i n A r t . 20 I I 2 GG als eines der besonderen Organe der Gesetzgebung angesprochen, das aus einer Wahl durch das Volk (die Aktivbürgerschaft) hervorgeht und zur Ausübung von Staatsgewalt berufen ist. Geht alle Staatsgewalt nach A r t . 20 I I 1 GG vom Volk, d. h. der Gesamtheit der i m Bundesgebiet lebenden Staatsangehörigen bzw. Deutschen aus, so präzisiert sich das Problem des passiven Wahlrechts für Ausländer zu der Frage, ob es nicht i n der Konsequenz des A r t . 20 I I 1 GG liegt, daß auch die volksgewählten besonderen Organe nur m i t Angehörigen dieses „Volkes" besetzt sein dürfen. I n der zu dieser Frage spärlichen Literatur w i r d bestritten, daß sich der Ausschluß der Ausländer vom passiven Wahlrecht zum Bundestag unmittelbar aus A r t . 20 I I GG herleiten lasse4. A r t . 20 I I GG enthalte i n dieser Richtung keinen Anhaltspunkt. Es bestehe kein zwingender Grund, Wahlämter nur m i t Verbandsangehörigen zu besetzen, selbst wenn die Stimmberechtigung auf Verbandsmitglieder beschränkt sei. Die Wahl Verbandsfremder könne dann sinnvoll sein, wenn das A m t „besondere sachliche Anforderungen" stelle, die i m konkreten Fall nur ein Verbandsfremder erfüllen könne 5 . Auch das Prinzip der Volkssouveränität gebiete die Wahl Verbandsangehöriger nicht, es fordere lediglich die Legitimation der Amtswalter durch das Volk, die auch einem Verbandsfremden erteilt werden könne 6 . Daraus folge, daß das passive Wahlrecht das aktive nicht voraussetze. Dies lasse auch § 16 BWahlG erkennen, indem er nicht auf das aktive Wahlrecht Bezug nehme. 4 5 6

Dolde, Ausländer, S. 73 f.; ders., DÖV1973, S. 372. Dolde, Ausländer, S. 73. Dolde, D Ö V 1973, S. 372; ebenso Henkel, Integration, S. 101.

Β. Die demokratische Repräsentation nach Art. 20 I I GG

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Wenn somit der Ausschluß der Ausländer vom passiven Wahlrecht zwar nicht von A r t . 20 I I GG geboten sei, so sei er doch nach dem Rechtsgedanken des A r t . 33 I I GG zulässig: aus A r t . 33 I I GG ergebe sich der allgemeine Grundsatz, daß das Grundgesetz dem Ausländer den Zugang zur Stellung als Organwalter nicht gewährleisten wolle 7 .

B. Die demokratische Repräsentation nach Art. 20 I I GG Die Auslegung des A r t . 20 I I GG muß hinsichtlich des passiven Wahlrechts von der Bedeutung der Verfassungsentscheidung für eine repräsentative Demokratie, wie sie Satz 2 des A r t . 20 I I GG ausspricht, ausgehen und deren Verhältnis zu der i n A r t . 20 I I 1 GG formulierten Grundlage einer jeden Demokratie, daß das Volk Träger der Staatsgewalt sei, berücksichtigen. Die Übertragung der Herrschaftsfunktionen auf besondere Organe resultiert aus der Einsicht, daß unter den Bedingungen heutiger Staatlichkeit eine unmittelbare Herrschaft des Volkes, die diesem selbst alle (Sach-)Entscheidungen vorbehielte, nicht realisierbar ist. Die Herrschaft volksgewählter Repräsentanten, die i n der repräsentativen Demokratie an die Stelle unmittelbarer Volksherrschaft t r i t t , nimmt dieser gegenüber den Charakter eines Surrogats an 8 . Eine repräsentative Demokratie, die sich zur Souveränität des Volkes bekennt, hebt diese nicht auf, indem sie Herrschaftsfunktionen vom Volk auf besondere Organe verlagert, sondern modifiziert sie, indem sie den von den Repräsentanten gebildeten Staatswillen kraft der vom Volk vorgenommenen Bestellung und Kontrolle der Repräsentanten dem Volk als eigenen zurechnet. Die Souveränität des Volkes verwirklicht sich i n diesen Bestellungs- und Kontrollbefugnissen, i n der Legitimation aller Herrschaftsausübung 9 , wie sie i n der Wahl institutionalisiert ist. Demokratie ist i n ihrer repräsentativen Erscheinungsform daher zwar nicht i m strengen Sinne Identität von Herrschenden und Beherrschten, weil die unmittelbare Herrschaft nicht i n der Hand aller Angehörigen des Staatsverbandes liegt. Die durch das Repräsentativsystem bedingte Reduktion der Souveränität des Volkes auf einen Zusammenhang von Legitimation und Kontrolle ermöglicht jedoch nicht die Aufgabe der Identität des Staatsverbands auf der Ebene der legitimierten Staatsorgane 10 . 7

Dolde, Ausländer, S. 73 f.; ders., DÖV1973, S. 372. Vgl. Drath, S. 278, 293. 9 Vgl. Drath, S. 293; Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 39. 10 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95 f. m i t Fußn. 116; Ruland, S. 13.

8

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I. Teil, 1. Abschn., 2. Kap.: Passives Wahlrecht zum Bundestag

Der Surrogatscharakter demokratischer Repräsentation ersetzt die Herrschaft des egalitären Staatsvolkes durch die legitimierte Herrschaft einzelner Verbandszugehöriger 11 , eröffnet den Zugang zur staatlichen Herrschaft aber nicht Verbandsfremden. I n der Zugehörigkeit der Repräsentanten zum Staatsverband liegt die formelle Gewähr dafür, daß die Herrschaft i m Interesse des Volkes ausgeübt w i r d 1 2 und das Volk sie sich zurechnen kann. Die i n der Idee der Volkssouveränität verankerte demokratische Selbstbestimmung des Staatsvolkes ist von der konkreten Ausgestaltung der Staatsverfassung unabhängig. Sie würde durch ein Repräsentativsystem aber gerade aufgehoben, wenn i n diesem die Herrschaft staatsfremder „Repräsentanten" und damit eine zwar selbstbestimmte, aber i m Grunde fremde Herrschaft möglich wäre. Eine auf der Souveränität des Volkes beruhende repräsentative Demokratie schließt selbstbestimmte Fremdbestimmung auf der Ebene der Staatsorgane aus 13 . Das passive Wahlrecht als aktives Statusrecht folgt ebenso wie das aktive Wahlrecht dem Grundprinzip demokratischer Egalität. Diesem Prinzip würde es widersprechen, wenn Ausländer trotz ihres ungleichen Status 14 als Mitglieder des staatlichen Repräsentationsorgans Staatsgewalt ausüben könnten. I n der egalitären Struktur des Staatsvolkes, wie sie das Prinzip der Volkssouveränität fordert, ist es daher angelegt, daß wählbar nur ist, wer selbst als Mitinhaber des egalitären Status zu den Wählern gehört 1 5 . 11

Vgl. Badura, B K , A r t . 38 (Zweitbearb.), A n m . 28. I n diesem Sinne ist der Hinweis von Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 36, zu verstehen, dem freien Mandat des Abgeordneten müsse seine Zugehörigkeit zum Staatsvolk entsprechen; ähnlich Henkel, Integration, S. 101. 13 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 96, spricht i n diesem Sinne von dem „demokratischen Gebot der Homogenität von V o l k u n d Volksrepräsentanten". — Dies w i r d mißverstanden von Zuleeg, DVB1.1974, S. 348. 14 Vgl. oben 1. Kap. D. V. 15 Α. A. Dolde, Ausländer, S. 73 u n d D Ö V 1973, S. 372; auch §16 B W a h l G spricht nicht dagegen, daß das passive Wahlrecht das aktive voraussetzt. Daß er nicht ausdrücklich auf das aktive Wahlrecht Bezug n i m m t , ist eine u n erhebliche Formalie. Es k o m m t demgegenüber auf die materiellen Wahlrechtsvoraussetzungen an. § 16 B W a h l G stellt strengere Anforderungen, als sie § 12 B W a h l G f ü r das aktive Wahlrecht fordert, auf u n d setzt damit das aktive Wahlrecht voraus: der Bewerber muß seit mindestens einem Jahr Deutscher sein. Daß auf das Erfordernis dreimonatigen Wohnsitzes i m I n l a n d verzichtet w i r d , ist demgegenüber sekundär u n d liegt i n der Besonderheit des passiven Wahlrechts begründet: E i n Abgeordneter k a n n schon aus praktischen G r ü n den nicht ohne Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt i m I n l a n d sein. Ist es zudem der Zweck der Wohnsitzklausel beim aktiven Wahlrecht sicherzustellen, daß der Wähler i m Augenblick der W a h l eine gewisse Kenntnis der politischen Verhältnisse i m Wahlgebiet besitzt (Dolde, Ausländer, S. 77), so bedarf dieses Erfordernis beim passiven Wahlrecht keiner gesetzlichen Statuierung, w e i l sich der auf vier Jahre gewählte Abgeordnete diese Kenntnis i m Laufe u n d 12

C. öffentliches Amt und demokratisches Mandat

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Art. 20 I I GG verbietet daher auch das passive Bundestagswahlrecht für Ausländer 1 6 . C. Öffentliches Amt und demokratisches Mandat Wenn gegenüber der hier vertretenen Auffassung ein Teil der Literatur zu dem Ergebnis kommt, der Ausschluß der Ausländer vom passiven Wahlrecht sei nach dem Grundgesetz zwar zulässig, nicht aber geboten, so bestehen hiergegen grundsätzliche Bedenken schon deswegen, w e i l nicht A r t . 20 I I GG, sondern A r t . 33 I I GG bzw. ein i h m entnommener Rechtsgedanke dieses Ergebnis stützen soll 1 7 . Es ist zwar richtig, daß nach herrschender Auffassung A r t . 33 I I GG die Übertragung eines öffentlichen Amtes an Ausländer nicht schlechthin verbieten, sondern jedenfalls nicht gewährleisten w i l l 1 8 . A r t . 33 I I GG sieht demnach den deutschen Amtsinhaber als den Regelfall und den Ausschluß der Ausländer für zulässig an, wenn er i h n auch nicht m i t letzter Konsequenz vorschreibt. Das Problem besteht jedoch darin, ob A r t . 33 I I GG überhaupt — sei es unmittelbar, sei es i m Wege der Übertragung eines Rechtsgedankens — für die Frage des passiven Wahlrechts herangezogen werden kann. Die Vorschrift regelt den Zugang zu „öffentlichen Ämtern". Der Begriff des öffentlichen Amtes hat i n A r t . 33 I I GG nach der Verfassungsdogmatik eine eigenständige, umfassende Bedeutung und fällt insbesondere nicht m i t dem engeren Begriff des „öffentlichen Dienstes" nach A r t . 33 IV, V GG zusammen. Er ist weit zu fassen und beinhaltet über das A m t i m engeren Sinne hinaus jedes Dienstverhältnis, das beim Staat, Trägern mittelbarer Staatsverwaltung oder Selbstverwaltungsträgern eingegangen werden kann 1 9 . Indem A r t . 33 I I GG den gleichen Zugang zu all diesen Ämtern jedem Deutschen nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gewährleistet, begründet er eine grundrechtsähnliche Position des Staatsbürgers, die der rechtsstaatlichen Verfassungssphäre angeaufgrund seiner Tätigkeit ohnehin i n kürzester Zeit erwerben kann, w i r d u n d muß. 18 I n Ergebnis u n d Begründung ebenso Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95 f. m i t Fußn. 116; Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 36; Behrend, S. 377; Tomuschat, S. 57; Ruppel, S. 187; Ruland, S. 13. 17 Dolde, Ausländer, S. 73 f.; ders., D Ö V 1973, S. 372. 18 Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 16; von Mangoldt / Klein, A r t . 33, I V 4; Dolde, Ausländer, S. 79; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95; vgl. §4 I I B R R G ; § 7 I I BBG. 19 Vgl. statt aller Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 12; Hamann / Lenz, A r t . 33, Β 2; der Begriff erstreckt sich bis zum Beliehenen.

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I. Teil, 1. Abschn., 2. Kap.: Passives Wahlrecht zum Bundestag

hört 2 0 . Adressat des sich an den Eignungskriterien ausrichtenden Gleichbehandlungsgebots ist der Hoheitsträger, der das A m t zu vergeben hat 2 1 . Den Verfassungsbereich, der den Staatsaufbau betrifft, die demokratische Repräsentation, berührt A r t . 33 I I GG demnach nicht. Dies erkennt auch die herkömmliche Verfassungsdogmatik an, wenn sie den Kreis der durch A r t . 33 I I GG betroffenen Ämter durch das demokratische Prinzip eingeschränkt sieht 2 2 . Wenn auch A r t . 48 I I 1 GG von dem „ A m t " des Abgeordneten spricht, so ist dieses also kein A m t i m Sinne des A r t . 33 I I GG. Das Mandat des Abgeordneten, des Volksrepräsentanten bis hinab zu den Gemeinderäten, setzt eine besondere Qualifikation des Bewerbers nicht voraus. Der radikal-egalitäre Ansatz der modernen Demokratie, wie er i m Grundgesetz i n A r t . 20 I I i n Verbindung m i t den Wahlrechtsgrundsätzen der allgemeinen und gleichen Wahl (Art. 38 I, 2812 GG) zum Ausdruck kommt, resultiert geradezu aus der Vorstellung, daß Wahlrecht und Wählbarkeit jedem Staatsbürger als solchem, unabhängig von erworbener Qualifikation zukommen müssen, w e i l die Fähigkeit zur politischen Entscheidung nicht von dieser abhängig sei 23 . Die Wahl ist außerdem als der A k t zu sehen, i n dem sich die demokratische Volkssouveränität realisiert: das souveräne Volk ist frei darin, wen von den Angehörigen des Staatsverbandes es zu seinen Repräsentanten bestimmen w i l l 2 4 . Seine Wahl ist durch keinerlei Eignungserfordernisse der Kandidaten eingeschränkt und insoweit unnachprüfbar 25 . So kann theoretisch der Ungelernte Abgeordneter und Minister werden, während für niedrigere Positionen eine bestimmte Qualifikation erforderlich ist. Was auf der Ebene rangniederer Ämter gilt, gilt auf der Ebene der Staatsorgane nicht. Das Abgeordnetenmandat ist demnach keinem wertenden Gleichheitsmaßstab zugänglich, sondern folgt allein der staatsbürgerlichen Egalität. Da A r t . 33 I I GG die rechtsstaatliche, nicht aber die demokratische Verfassungssphäre betrifft, läßt sich aus i h m kein Rechtsgedanke auf den Bereich der demokratischen Repräsentation übertragen. Dies w i r d 20 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95, Fußn. 116; daß die Heranziehung der geeignetsten Bewerber zugleich i m Interesse des Staates liegt (sog. staatsorganisatorische Komponente des A r t . 33 I I GG, vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 12), steht nicht entgegen. 21 Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 16. 22 Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 14. 23 Vgl. Kriele, S. 62; Krüger, Repräsentation, S. 109. 24 Die Einschränkungen, die sich i n der Parteiendemokratie aus der A u f stellung von Parteilisten ergeben, interessieren hier nicht. 25 Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 14; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 95, Fußn. 116.

D. Ergebnis

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auch nicht durch den Kunstgriff möglich, daß man einfach von seinen Eignungskriterien abstrahiert 2 6 . A r t . 33 I I GG könnte nur die Basis für ein argumentum a minore ad maius sein, m i t dessen Hilfe aber die Frage, ob das Grundgesetz das Ausländerwahlrecht nicht nur nicht gebietet, sondern auch verbietet, nicht beantwortet werden kann. Soweit m i t dem Hinweis auf besondere sachliche Anforderungen, die m i t einem A m t verbunden sein können, die Überlegung gestützt wird, Wahlämter brauchten nicht zwingend m i t Verbandsangehörigen besetzt zu werden 2 7 , sind die gleichen Einwände zu erheben, wie sie gegen die Übertragung eines Rechtsgedankens aus A r t . 33 I I GG bestehen. Dieses Argument paßt lediglich auf die Wahl von Hauptverwaltungsbeamten i n den Gemeinden, die nach den Gemeindeordnungen voraussetzt, daß der gewählte Bewerber eine bestimmte Qualifikation mitbringt. Das Argument versagt jedoch auf der Ebene der Staatsorgane, wo die Erfüllung von Eignungskriterien keine Wahlvoraussetzung ist. Zudem w i r k t die Vorstellung, das Mandat des Bundestagsabgeordneten könne Anforderungen stellen, die nur ein Ausländer erfüllen könne 2 8 , geradezu absurd. Schließlich erscheint es, wenn man schon bei der Frage des passiven Wahlrechts nicht auf A r t . 20 I I GG abstellen w i l l , doch als umständlich, hier überhaupt A r t . 33 I I GG zu bemühen. Sehr viel näher läge es demgegenüber, eine Analogie zu A r t . 33 I GG zu ziehen, da dieser m i t den staatsbürgerlichen Rechten auch das (passive) Wahlrecht, wenn auch nur i m Bereich der Länder, ausdrücklich zum Gegenstand hat. Damit ließe sich jedenfalls das Ergebnis begründen, daß das Grundgesetz dem Ausländer das passive Wahlrecht nicht gewährleisten w i l l .

D. Ergebnis A r t . 20 I I GG verbietet dem Gesetzgeber, Ausländern das passive Wahlrecht zum Bundestag zu verleihen 2 9 . 26 So Dolde, Ausländer, S. 74, w e n n er erklärt, das demokratische Prinzip überspiele n u r die drei Eignungsmerkmale. 27 Dolde, Ausländer, S. 73. 28 Vgl. die Gedankenführung bei Dolde, Ausländer, S. 73. 29 Nicht zum eigentlichen Thema der A r b e i t gehört die Frage, i n w i e w e i t es möglich wäre, daß Ausländer von der ausländischen Bevölkerung des B u n desgebietes zu Mitgliedern des Bundestages ohne Stimmrecht — m i t ähnlichem Status w i e die Berliner Bundestagsabgeordneten (vgl. hierzu § 54 BWahlG) — gewählt würden. Hiergegen bestünden einmal Bedenken deswegen, w e i l die Zusammensetzung eines höchsten Verfassungsorgans aus Mitgliedern u n t e r schiedlicher Kompetenz u n d m i t verschiedenem Status — von wenigen, wie i m F a l l der Berliner Abgeordneten auf besonderen Gründen beruhenden A u s -

I. Teil, 2. Abschn.:

u n a w a h l r e c h t de Constitutione ferenda 2.

Abschnitt

Zulässigkeit der Einräumung des Wahlrechts zum Bundestag an Ausländer de Constitutione ferenda A . A r t . 79 I I I G G und das demokratische Prinzip D i e Frage, ob es zulässig ist, A u s l ä n d e r n das W a h l r e c h t z u m B u n d e s t a g d u r c h eine entsprechende Ä n d e r u n g des Grundgesetzes e i n z u r ä u m e n , h ä n g t v o n der T r a g w e i t e des A r t . 79 I I I G G ab. D e r V e r f a s s u n g s ä n d e r u n g k ö n n t e n u r d e r i n A r t . 20 I , I I G G ausgesprochene G r u n d s a t z der D e m o k r a t i e entgegenstehen, d e r z u d e n v o n A r t . 79 I I I G G m i t a b s o l u t e m Bestandsschutz 1 v e r s e h e n e n G r u n d s ä t z e n des A r t . 20 G G g e h ö r t . A k t i v e s u n d passives W a h l r e c h t k ö n n e n i n s o w e i t g e m e i n s a m b e t r a c h t e t w e r d e n , da beide, w i e die b i s h e r i g e U n t e r s u c h u n g gezeigt h a t , auf d e r d e m o k r a t i s c h e n E g a l i t ä t des Staatsvolkes b e r u h e n . W e n n A r t . 79 I I I G G seinen Schutz n u r a u f die „ G r u n d s ä t z e " des A r t . 20 G G erstreckt, so ist dies auch i m S i n n e e i n e r E i n g r e n z u n g z u v e r s t e h e n : A b s o l u t geschützt w e r d e n s o l l e n n i c h t a l l e A u s p r ä g u n g e n u n d A u s g e s t a l t u n g e n , w e l c h e d i e verfassungsrechtlichen G r u n d e n t s c h e i d u n gen i m e i n z e l n e n i n d e r V e r f a s s u n g g e f u n d e n haben, s o n d e r n n u r die P r i n z i p i e n selbst 2 . F ü r d e n G r u n d s a t z d e r D e m o k r a t i e , d e r i n A r t . 20 I I G G u m s c h r i e b e n ist, b e d e u t e t dies, daß es der V e r f a s s u n g überlassen nahmen abgesehen — m i t Stellung u n d Aufgabe des Verfassungsorgans grundsätzlich k a u m vereinbar ist (vgl. Stern, D Ö V 1975, S. 519). I m übrigen stünden dem genannten Modell dieselben Gründe entgegen w i e beim vollen aktiven u n d passiven Wahlrecht. Auch dann wäre der Bundestag keine Volksvertretung mehr, sobald Personen, die nicht zum V o l k gehören, Einfluß auf die Zusammensetzung des Verfassungsorgans (wenn auch n u r hinsichtlich der beratenden Mitglieder) erhielten. Der Bundestag repräsentiert nicht die Gesamtbevölkerung des Staatsgebiets, sondern das Staatsvolk der Staatsangehörigen. Da er nicht die Ausländer repräsentiert, können Ausländer auch nicht als Repräsentanten des ausländischen Bevölkerungsteils Bundestagsmitglieder — sei es auch n u r m i t beratender F u n k t i o n — werden. Als Repräsentanten des deutschen Staatsvolks i m Sinne demokratischer Repräsentation scheiden Ausländer ohnehin, w i e oben dargelegt, aus. Die — auch ohne das Stimmrecht bestehenden — weitgehenden Statusrechte eines Bundestagsabgeordneten i m Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit, die letztlich ebenfalls auf das Mandat des Wahlvolks zurückzuführen sind, lassen sich m i t der informellen, externen Einflußnahme auf Parlamentsentscheidungen, w i e sie Ausländern auf G r u n d ihrer Grundrechtsstellung offensteht, nicht vergleichen. Der Ausschluß des Stimmrechts ist daher nicht geeignet, die Zulässigkeit einer B u n destagsmitgliedschaft von Ausländern zu begründen. Dies gilt entsprechend f ü r die Vertretungsorgane der Länder u n d der kommunalen Gebietskörperschaften, worauf insoweit bereits vorgegriffen werden darf. 1

Vgl. Dürig, Festgabe Maunz, S. 43. Kriele, S. 47; W. O. Schmitt, S. 437; Behrend, S. 377; Dürig, Festgabe Maunz, S. 43 („Verfassungskern, änderungsfestes M i n i m u m " ) . 2

A. Art. 79 I I I GG und das demokratische Prinzip

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bleibt, wie sie Elemente unmittelbarer und Elemente repräsentativer Demokratie gegeneinander ausbalancieren w i l l , wieweit das Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, Entscheidungen selbst soll treffen können oder wieweit diese den volksgewählten Organen übertragen sind. Unabänderlich hingegen ist das demokratische Prinzip als solches, daß es eben das Volk sei, von dem sich alle Staatsgewalt ableite, aus dem sich alle Herrschaft legitimiere 3 . M i t diesem Prinzip der Volkssouveränität ist zugleich das i n i h m enthaltene Prinzip demokratischer Egalität aller Angehörigen des Volkes durch A r t . 79 I I I GG für unabänderlich erklärt 4 . Eine Volksherrschaft, die nicht auf dem Prinzip der Gleichheit aufbaut, ist ein Widerspruch i n sich selbst 5 . Die Offenheit des Demokratiebegriffs 6 öffnet diesen nicht schrankenloser Relativierbarkeit, sondern schließt nur die Verabsolutierung bestimmter konkreter Ausformungen des demokratischen Prinzips aus. Ist also der egalitäre Status aller Angehörigen des sich selbst bestimmenden souveränen (Staats-)Volkes untrennbar m i t dem demokratischen Prinzip verknüpft, so ist eine Änderung des Grundgesetzes, die Ausländern das Wahlrecht zum Bundestag eröffnet, nach A r t . 79 I I I GG unzulässig: Sie würde die Egalität der Entscheidenden aufheben und somit gegen das demokratische Prinzip verstoßen 7 . Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede des Ausländerstatus 8 sind Ausländer, selbst nach langjährigem Aufenthalt i m Inland, nicht in gleicher oder vergleichbarer Weise wie Staatsangehörige von der Staatsgewalt betroffen. M i t diesem Gesichtspunkt kann die Zulässigkeit einer Grundgesetzänderung nicht begründet werden 9 . I n einer Verfassungsänderung diesen Inhalts könnte daher keine Weiterentwicklung des demokratischen Prinzips gesehen werden. Eine solche Änderung würde das demokratische Prinzip gerade aufheben, nicht aber 3 Vgl. Herrfahrdt, B K , A r t . 79 (Erstbearb.), I I 3, S. 4; W. O. Schmitt, S. 438 f.; vgl. BVerfGE 2,1,12 f.; 5, 85,140. 4 Kriele, S. 61; Ruland, S. 11. 5 Z u r Gleichheit als Fundament der Demokratie vgl. die oben, 1. Abschnitt, 1. Kap., D. IV., Fußn. 132, angegebene Literatur. 6 Vgl. Fromme, S. 525 f.; Leisner, Imperium, S. 301. 7 I m Ergebnis ebenso Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 93; grundsätzlich auch Ruland, S. 11, der jedoch eine Verfassungsänderung für zulässig hält i m H i n blick auf den F a l l des Zusammenschlusses m i t einem oder mehreren anderen Staaten, sobald eine volle Gleichstellung (auch i m Aufenthalts- u n d Pflichtenstatus) der eigenen Staatsangehörigen m i t denen des (der) anderen Staates(n) erreicht ist. Dagegen halten eine Grundgesetzänderung, die die Verleihung des Bundestagswahlrechts an Ausländer ermöglicht, generell für zulässig: Behrend, S. 377; Henkel, Integration, S. 107; Sasse, S. 72; Kriele, Staatslehre, S. 99. 8 Hierzu oben 1. Abschnitt D. V. 9 So aber Behrend, S. 377; Henkel, Integration, S. 107.

I. Teil, 2. Abschn.: u n a w a h l r e c h t de Constitutione ferenda nur eine „Anpassung an eine v o m Verfassunggeber bei Erlaß des Grundgesetzes nicht vorhergesehene Änderung der Lebensverhältiiisse und der Anschauungen" bedeuten 10 . Von einer Änderung der Anschauungen kann nicht die Rede sein. Eine allgemeine Rechtsüberzeugung, daß Ausländer nach längerwährendem Aufenthalt an der Staatswillensbildung beteiligt werden müßten oder könnten, läßt sich nicht nachweisen. I m übrigen rechnet das Grundgesetz, wie die nach Deutschen und Ausländern differenzierenden Verfassungsnormen zeigen, m i t dem (auch langjährigen) Aufenthalt von Ausländern i m Inland. Schon vor dem ersten und vor dem zweiten Weltkrieg gab es i n Deutschland eine nicht unerhebliche Zahl von Ausländern, die hier lebten und arbeiteten 11 . Dem Verfassunggeber waren diese Verhältnisse bekannt. Das Vorhandensein eines ausländischen Bevölkerungsteils ist kein grundsätzlich neues Problem. Selbst rapide Vergrößerung dieses Bevölkerungsanteils vor allem i m letzten Jahrzehnt kann nicht als unvorhergesehene qualitative Veränderung der Verfassungswirklichkeit, die von der Verfassung nicht mehr erfaßt würde, gewertet werden.

B. Die Konsequenzen der Unzulässigkeit einer Verfassungsänderung I. Wechsel der Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit Gegen das Ergebnis, daß selbst eine Verfassungsänderung unzulässig ist, die Ausländern die Rechte des status activus verschafft, könnte es sprechen, daß der einfache Gesetzgeber i n der Lage ist, die Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit zu ändern. Die Möglichkeit, durch einfaches Gesetz das jetzige ius sanguinis zugunsten des ius soli aufzugeben, könnte darauf hindeuten, daß der Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG nicht die Staatsangehörigen bezeichne1, oder daß jedenfalls eine Verfassungsänderung zugunsten des Ausländerwahlrechts möglich sein müsse. Durch eine Änderung der Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit würde sich an der Auslegung des Volksbegriffs des A r t . 20 I I 1 GG jedoch nichts ändern. Nur wäre der Kreis der Staatsangehörigen durch einfaches Gesetz anders umschrieben. Die Staatsangehörigen, die kraft 10

So aber Behrend, S. 377. A m 1. 12. 1900 lebten i m Deutschen Reich 778 737 Angehörige anderer Staaten. A m 1. 12. 1905 waren es 1 028 560 (Angaben nach: Statistisches J a h r buch für das Deutsche Reich 1908, S. 10), am 16. 6. 1933 756 760 Ausländer = 1,2 % der Gesamtbevölkerung (Statistisches Jahrbuch f ü r das Deutsche Reich 1936, S. 16). 1 Dieses Argument verwendet offenbar Zuleeg, DVB1.1974, S. 349. 11

Β. Die Konsequenzen der Unzulässigkeit einer Verfassungsänderung

93

eines ius soli zum Staatsverband gehörten, hätten nicht nur die gleichen Rechte, sondern auch die gleichen Pflichten 2 . Das Prinzip demokratischer Egalität wäre gewahrt. Die Möglichkeit, die Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit zu wechseln, ohne daß sich an der Auslegung des A r t . 20 I I 1 GG etwas ändert, beweist aber i m Gegenteil, daß der demokratische Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG die demokratischen Rechte nicht an die „Blutsbande" knüpft 3 . Die gegenteilige Auffassung verwechselt die Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit m i t deren Rechtsnatur als besonderes Rechtsverhältnis zum Staat oder besondere Eigenschaft (Status) gegenüber dem Staat. Die demokratischen Rechte setzen die Staatsangehörigkeit als rechtliche Zugehörigkeit zum Staatsverband, nämlich zu einer Rechtsund Pflichtengemeinschaft voraus, lassen aber dahinstehen, i n welcher Weise die Staatsangehörigkeit erworben wird. II. Grundgesetz und europäische Einigung 1. Die Bedeutung des Art. 24 GG Das Ergebnis, das i n Art. 20 II, 79 I I I GG verankerte demokratische Prinzip verbiete eine Verfassungsänderung zugunsten des Ausländerwahlrechts, steht nur scheinbar i n Widerspruch zu der Offenheit des Grundgesetzes für Formen zwischenstaatlicher Integration. Zwar ist es über A r t . 24 I GG, der die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen sogar durch einfaches Gesetz4 vorsieht, möglich, daß zwischenstaatliche Gewalten wie die der Europäischen Gemeinschaft ohne unmittelbare Legitimation durch die Angehörigen sämtlicher beteiligter Staaten („Gemeinschaftsvolk") partielle Hoheitsbefugnisse wahrnehmen. Jedoch ist der nach A r t . 24 I GG zur Übertragung der Hoheitsrechte befugte Gesetzgeber seinerseits unmittelbar demokratisch legitimiert 5 . Könnten auf der mitgliedstaatlichen Ebene Staatsfremde mitbestimmen, so wäre die autonome Selbstentscheidung des Mitgliedstaates, die die Errichtung von Gemeinschaftsgewalten ermöglicht, gerade aufgehoben. A r t . 24 GG setzt die demokratisch-egalitäre Struktur des Staatsvolkes und 2

Vogel, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 111. So Zuleeg, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. I l l ; ders., DVB1. 1974, S. 349; Grabitz, S. 37; Sasse, S. 71 f.; Henkel, Integration, S. 106; ähnlich Rolvering, S. 100. 4 Vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 57 f. 6 Die Geltung der Gemeinschafts-Rechtsordnung ist jedoch nicht v o m M i t gliedstaat abgeleitet oder delegiert: Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 63; Krüger, Staatslehre, S. 848; allgemein zu den Problemen der „Konsentierung" der Gemeinschaftsgewalt vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 1040 ff. 3

I. Teil, 2. Abschn.: u n a w a h l r e c h t de Constitutione ferenda Wahl des Gesetzgebungsorgans voraus, schafft aber kein Einfallstor für die Durchbrechung innerstaatlicher demokratischer Egalität 6 . Die Zielrichtung des A r t . 24 GG liegt nicht i n der Aufhebung innerstaatlicher Gleichheit, sondern i n ihrer Erweiterung auf der Basis zwischenstaatlicher Kooperation. I n den Gegebenheiten der vorhandenen Staatenwelt, wie sie sich auch i m Völkerrecht widerspiegeln, liegt es begründet, daß die Ausdehnung des gleichheitlichen Staatsbürgerstatus über die Staatsangehörigen hinaus nicht einseitig durch einen einzelnen Staat, sondern nur auf der Basis zwischenstaatlicher Vereinbarung erfolgen kann. Solange die zwischenstaatliche Integration über die gemeinsame Bewältigung einzelner — wenn auch für den Staat wesentlicher — Staatszwecke nicht hinausgeht und sich die Gleichstellung der Staatsangehörigen funktionell hieran orientiert, sind die Bedingungen umfassender demokratischer Egalität nicht verwirklicht 7 . Diese Bedingungen zu schaffen, ist nach A r t . 24 GG allerdings möglich. Das Grundgesetz ist für die politische Integration der Bundesrepublik i n eine größere politische Einheit, die nach den aktuellen politischen Verhältnissen und Perspektiven nur eine (west-)europäische Einheit sein könnte, offen. Sollte die europäische Integration also über ihren bestehenden funktionell-ökonomischen Rahmen hinaus einmal weitere Bereiche erfassen, wobei die durch den Integrationsprozeß bewirkte Supranationalisierung nicht zwingend auf den Staatscharakter der Gemeinschaft und einen streng bundesstaatlichen Aufbau hinauszulaufen brauchte 8 , so wäre es denkbar, daß damit eine Stufe materiell umfassender, Pflichten- und Aufenthaltsstatus einbeziehender Gleichstellung der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten erreicht wäre, die es erlauben würde, ein europäisches Indigenat einzuführen 9 . Unter diesen Voraussetzungen wäre es möglich, den Angehörigen der Mitgliedstaaten den status activus i n der politischen Einheit ihres jeweiligen Wohnsitzes einzuräumen, so wie es heute für alle Bürger der Bundesrepublik als Folge der Bedingungen des Bundesstaates der Fall ist.

8 Α. A . offenbar Sasse, S. 57: er betrachtet es als Widerspruch, w e n n einerseits über A r t . 24 G G durch A b t r e t u n g von Hoheitsrechten „Fremdbestimmung" ermöglicht, andererseits aber Ausländern die politische M i t b e s t i m m u n g i m I n l a n d verwehrt werde. Dieser Widerspruch besteht jedoch nicht, da es sich u m verschiedene Rechtsebenen handelt. 7 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 94, Fußn. 111 u n d Diskussionsbeitrag ebd., S. 114 f.; auch Ruland, S. 12, geht hiervon aus. 8 Z u r Offenheit der Gestaltungsformen einer künftigen europäischen Gemeinschaft vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 1054 ff. 9 I m Ergebnis ebenso Grabitz, S. 113 f.; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 94, Fußn. 111 und 114 f.; Henkel, Integration, S. 107; Ruland, S. 12.

Β. Die Konsequenzen der Unzulässigkeit einer Verfassungsänderung 2. Notwendigkeit

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der Verfassungsänderung?

Die Schaffung eines europäischen Indigenats kann sich nur auf der Normebene des Gemeinschaftsrechts, nicht auf der des mitgliedstaatlichen Verfassungsrechts vollziehen 10 . Der Standort einer dem A r t . 33 I GG vergleichbaren Vorschrift wäre eine künftige „Gemeinschaf tsverfassung" 11 . Fraglich ist allein, welche Auswirkungen das europäische Indigenat auf die Normen des status activus i m Grundgesetz hätte 1 2 . Überwiegend w i r d angenommen, daß eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich wäre 1 3 . Soll damit etwas anderes gesagt werden, als daß der Beitritt zu einem Bund — auch eine Ausweitung funktioneller Integration, die dem Einzelstaat immer weniger Hoheitsfunktionen beläßt, zu einem mehrdimensionalen Netz funktioneller Integration läßt sich substantiell von einem Bund kaum mehr unterscheiden — immer eine Änderung der Verfassung bedeutet 14 , so bedarf dies differenzierender Betrachtung. Der Satz des A r t . 20 I I 1 GG, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgehe, bedürfte weder einer Änderung noch einer Ergänzung. Setzt er das egalitäre Volk des Staatsverbandes zum Träger der Staatsgewalt ein, so würde hierzu ein europäisches Indigenat nicht i n Gegensatz stehen. Dessen Wirkung bestünde i m Gegenteil nur darin, daß es den Kreis derjenigen, die kraft gleicher Rechts- und Pflichtenstellung Mitinhaber des egalitären Status sind, neu umschreiben würde, nicht anders, als es eine Änderung der Erwerbsgründe der Staatsangehörigkeit bewirken würde. Der egalitäre Staatsverband der Bundesrepublik als Mitgliedstaat wäre kraft der vollen Gleichstellung sämtlicher Angehörigen aller Mitgliedstaaten neu abgesteckt und würde nach dem Wohnsitzprinzip sämtliche Angehörigen der Gemeinschaft, die i m Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben, umfassen. Das Volk des Mitgliedstaates i m Sinne von A r t . 20 I I 1 GG wäre der durch sein Territorium abgegrenzte Teil des neugeschaffenen egalitären „Gemeinschaftsvolks" aller Gemeinschaftsangehörigen. Das bisherige Staatsangehörigkeitsverhältnis gegenüber dem M i t gliedstaat würde durch den Status der Gemeinschaftsangehörigkeit 15 , der 10 Auch die Möglichkeit, daß alle Mitgliedstaaten i n parallel laufendem Verfahren ihre Verfassungen ändern könnten (Henkel, Integration, S. 107), setzt eine vorherige Einigung auf Gemeinschaftsebene voraus. 11 Grabitz, S. 111. 12 Änderungen i m Bereich der Grundrechte u n d sonstige notwendig w e r dende Verfassungsänderungen können hier außer Betracht bleiben. 13 Grabitz, S. 114; Ruland, S. 11 f. 14 Nach C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 366, 368 ändert sich die „Verfassung i m positiven Sinn". Dies ist die „Gesamt-Entscheidung über A r t u n d F o r m der politischen Einheit (Verfassungslehre, S. 20 ff.); den verfassungsändernden Charakter des Verfahrens nach A r t . 24 GG bejaht auch Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 58.

I. Teil, 2. Abschn.: u n a w a h l r e c h t de Constitutione ferenda durch das europäische Indigenat begründet würde, angesichts der Herauslösung der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten und ihrer Zuordnung zur Gemeinschaftsangehörigkeit an rechtlicher Substanz verlieren. Die Parallele zu den bundesstaatlichen Verhältnissen i n der Bundesrepublik zeigt, daß die Staatsangehörigkeit zum Mitgliedstaat materiell m i t der Niederlassung i m Mitgliedstaat erworben würde, weil nämlich die für die Verbandszugehörigkeit charakteristischen Mitwirkungsrechte und Mitwirkungspflichten unter der Voraussetzung der Gemeinschaftszugehörigkeit durch den Wohnsitz i n einem Mitgliedstaat vermittelt würden 1 6 . Der Ausländerstatus der Gemeinschaftsangehörigen wäre i m Verhältnis zu den einzelnen Mitgliedstaaten aufgehoben. Es würde sich also i m Grunde nicht mehr u m ein Problem des Ausländerwahlrechts handeln. Der Bedeutungsschwund der Staatsangehörigkeit wäre nur die Folge einer gewandelten Verfassungslage des Staates selbst 17 . Aus denselben Gründen wie bei A r t . 20 I I GG bedürfte Art. 38 I GG keiner Änderung. Auch A r t . 33 I GG („jeder Deutsche") müßte nicht geändert werden. Da die deutsche Staatsangehörigkeit von „Gemeinschaftsangehörigen" bereits mit der Niederlassung i n der Bundesrepublik Deutschland erworben würde, wären diese Personen dann auch Deutsche i m Sinne des Grundgesetzes. Sie wären folglich von A r t . 33 I GG unmittelbar erfaßt. I I I . Die Einbürgerung Solange das geschilderte Stadium europäischer Integration nicht erreicht ist, bleibt sowohl dem EG-Ausländer wie auch jedem anderen Ausländer nur die Einbürgerung als Weg zum Aktivbürgerstatus 1 8 . Derjenige Ausländer, der nicht mehr an Rückkehr i n seinen Heimatstaat denkt und auf Dauer i m Inland zu verbleiben wünscht, kann dies durch einen Einbürgerungsantrag dokumentieren. 15

Vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 251 (9/132). Vgl. G. Hoffmann, S. 307 (dort bezogen auf die Deutschen ohne formelle deutsche Staatsangehörigkeit bei Niederlassung i m Bundesgebiet) u n d S. 334. 17 Daß eine Ä n d e r u n g des A r t . 20 I I G G nicht erforderlich wäre, zeigt die parallele Problematik i n den Verfassungen der Bundesländer. Diese enthalten zum großen T e i l den Satz „ A l l e Staatsgewalt geht v o m Volke aus" (vgl. z. B. A r t . 25 I 1 BaWüVerf, A r t . 2 I 1 NdsVerf, A r t . 3 I I HambVerf, A r t . 66 I BremVerf, A r t . 62 I SaarlVerf), erkennen das Landtagswahlrecht aber gleichzeitig allen i m L a n d wohnenden Deutschen zu (vgl. die Nachweise hierzu i m 2. Teil, 1. Abschnitt, Α., Fußn. 1): Das egalitäre Staatsverbandsvolk der Länder ist durch das gemeinsame deutsche Indigenat umschrieben. Es w i r d lediglich an den Wohnsitz angeknüpft. 18 Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 96; Vogel u n d Düng, Diskussionsbeiträge, V V D S t R L 32 (1974), S. 115, 116; Ruland, S. 11; Henkel, Integration, S. 114 spricht sich i m Ergebnis auch hierfür aus; ebenso Rose, S. 226. 16

Β. Die Konsequenzen der Unzulässigkeit einer Verfassungsänderung

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Allerdings müßte die Einbürgerung zur Vermeidung menschlicher Härten großzügiger als bisher gehandhabt und vom Odium des Gnadenaktes befreit werden 1 9 . Ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung kann allerdings aus der Verfassung nicht abgeleitet werden. Weder die Menschenwürde (Art. 1 I GG) noch die A r t . 2 und 3 G G 2 0 bieten hierfür irgendeinen Ansatzpunkt 2 1 . Der Gesetzgeber sollte aber den faktischen Schwierigkeiten, die der Rückkehr eines Ausländers i n seinen Heimatstaat nach langjährigem Aufenthalt i m Bundesgebiet und entsprechender gesellschaftlicher Integration entgegenstehen, durch das Angebot eines Einbürgerungsanspruchs zumindest für EG-Angehörige abhelfen. Die für das Entstehen dieses Anspruchs vorauszusetzende Aufenthaltsdauer ist eine Frage der Rechtspolitik. Sie könnte, entsprechend der Niederlassungsdauer, die nach den geltenden Richtlinien bei einer Einbürgerung nach § 8 RuStG gegeben sein soll 2 2 , bei zehn Jahren liegen 2 3 . Der Einbürgerungsanspruch könnte unter den Vorbehalt der Staatssicherheit gestellt werden, wie dies i n § 6 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. 2. 195524 für die Einbürgerung Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit der Fall ist, oder einem Polizeivorbehalt analog den Verhältnissen bei Einreise und Aufenthalt von EG-Angehörigen unterworfen werden.

19 F ü r Erleichterung der Einbürgerung: Henkel, Integration, S. 114 m. w . N. i n Fußn. 134; Ruland, S. 11. 20 So Hans Mayer, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 136,137. 21 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 62 ff., Nachw. S. 63, Fußn. 37; Zuleeg, DVB1. 1974, S. 349; Maunz, Staatsrecht, S. 35. 22 Vgl. Makarov, S. 63. 23 F ü r Einbürgerung nach f ü n f Jahren: Henkel, Integration, S. 115. 24 B G B l . I, S. 65 i. d. F. d. G. v o m 28.12.1959 (BGBl. I , S. 829).

7

Birkenheier

ZWEITER TEIL

Das Wahlrecht zu den Landtagen

1. Abschnitt

Zulässigkeit der Verleihung des Landtagswahlrechts an Ausländer de Constitutione lata A. Die Regelung der Landesverfassungen Die Verfassungen der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland behalten das aktive und passive Wahlrecht zu den Landtagen ausdrücklich Deutschen vor 1 . Die Verfassung von Hamburg enthält die gleichen Wahlrechtsgrundsätze wie A r t . 38 I GG und verweist i m übrigen auf einfaches Gesetz 2 . Letzteres gilt auch für die Verfassung von Schleswig-Holstein 3 . Die nordrhein-westfälische Verfassung sieht i n der Wahl einen A k t , i n dem das Volk seinen Willen bekundet 4 , wiederholt die Wahlrechtsgrundsätze des A r t . 38 I und den Inhalt von A r t . 38 I I GG und verweist zur Regelung des Näheren auf Gesetz5. Die Wahlgesetze aller Bundesländer beschränken übereinstimmend aktives und passives Wahlrecht auf Deutsche*.

1

A r t . 261,28 I I BaWüVerf ; A r t . 4,7,14 I I BayVerf ; A r t . 69 I, 76, 78 BremVerf ; A r t . 73 I, 75 I I HessVerf ;Art. 4 I I NdsVerf; A r t . 75 I I , 76 I I , 80 I I RhPfVerf; A r t . 66, 68 I I 2 SaarlVerf; ebenso die Verfassung von B e r l i n i n A r t . 26 I I I , I V . 2 A r t . 6 I I , I V HambVerf. 3 A r t . 3 I V SchlHVerf. 4 A r t . 2,301 NRWVerf. 5 A r t . 311, I I , I V NRWVerf. 6 A r t . 8 I, 11 I BaWüLandtagswahlG ; A r t . 1 I, 39 I I BayLandtagswahlG; §§ 1, 5 BremLandtagswahlG; §§ 6 Nr. 2, 10 H a m b W a h l G ; §§ 2, 5 HessLandtagsw a h l G ; §§2, 6 NdsLandeswahlG; §§1 Nr. 1, 4 I NRWLandeswahlG; §§2, 29 I RhPfLandeswahlG; §§ 13, 17 SaarlLandtagswahlG; §§ 1 I, 9 I Nr. 1 SchlHLandeswahlG; ebenso §§ 1,5 BerlLandeswahlG.

Β. Die Verfassungslage nach dem Grundgesetz

99

B. Die Verfassungslage nach dem Grundgesetz I. Die Forderungen des Grundgesetzes an die Landesverfassungen Besondere Anforderungen an die Landesverfassungen zur Sicherung der bundesstaatlichen Homogenität stellt das Grundgesetz i n A r t . 28 auf. Für die Wahl der Vertretungsorgane der Länder werden dieselben Wahlrechtsgrundsätze wie i n A r t . 38 I GG für die Wahl des Bundestages festgelegt. Aus dem Grundsatz der allgemeinen Wahl, der i n A r t . 28 I 2 GG die gleiche formale Bedeutung wie i n A r t . 38 I GG hat 1 , kann dabei ebensowenig wie bei der Bundestagswahl der Wählerkreis abgegrenzt werden 2 . A r t . 28 I 2 GG fordert jedoch eine Vertretung des „Volkes" i n den Ländern. Der Begriff des Volkes erhält hierbei für die Länder seine Substanz aus deren Staatsqualität 3 . Er ist insoweit m i t dem Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG identisch. Der Satz, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgehe, gilt auch für die Bundesländer als Staaten 4 . Gemeint ist hier analog den Verhältnissen i m Bund das egalitäre Volk des Staatsverbandes des jeweiligen Landes, das originär die Staatsgewalt des Landes legitimiert 5 . Das Staatsvolk des Bundeslandes steht i n Beziehung zum Wirkungsbereich der Landesstaatsgewalt, w i r d also durch das Staatsgebiet des Bundeslandes begrenzt. Landesstaatsgewalt legitimiert sich nicht aus einem beliebigen, außerhalb ihres Einwirkungsbereiches lebenden Volk 6 . II. Bundesstaat und demokratische Egalität Die Zugehörigkeit zum egalitären Staatsverband des Landes bestimmt zunächst A r t . 33 I GG. Sein Gebot der Gleichstellung aller Deutschen hinsichtlich der staatsbürgerlichen Rechte (d. h. auch aktives und passives Wahlrecht) und Pflichten i n den Ländern schafft die Bedingungen der umfassenden demokratischen Egalität aller Deutschen, die i n einem Bundesland wohnen. I n Verbindung m i t A r t . 33 I GG bezeichnet „ V o l k " i n A r t . 28 I 2 GG daher jedenfalls den durch das Landesgebiet begrenzten Teil des Bundesvolkes 7 . Fraglich ist darüber hinaus nur, ob nicht alle Bewohner eines Landes, nicht nur die Deutschen, zum egalitären Staatsvolk des Landes gehören. 1

Maunz, i n : M D H , A r t . 28, A n m . 5, 22; Stern, B K , A r t . 28, A n m . 54. Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap., Β . I I dieser A r b e i t ; a. A . Ruland, S. 12. 3 Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap., D. I I I . 2. c. 4 Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48; von Mangoldt, S. 136; von Mangoldt/ Klein, V 4 e zu A r t . 20, S. 596. 5 Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap., D. I I I . 2. c. 6 Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48. 7 Vgl. G. Hoffmann, S. 323 ff. 2

7*

100

II. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den

angen

Der zur Abgrenzung erforderliche Statusvergleich darf nicht auf die Landesebene abstellen. Eine Argumentation, die sich m i t der Feststellung, daß der Ausreisefreiheit hier die Freizügigkeit des Deutschen (Art. 11 GG) entspreche und daß auf Landesebene über besondere Pflichten wie ζ. B. die Wehrpflicht nicht entschieden werde, begnügen und damit das Statuskriterium der „Unentrinnbarkeit" verneinen wollte 8 , würde von vornherein die bundesstaatliche Dimension des Problems verfehlen. Die Gewährleistung der Freizügigkeit i m ganzen Bundesgebiet für alle Deutschen beruht gerade auf dem bundesstaatlichen Zusammenschluß der Länder 9 . Daß die Landesvolksvertretung über Fragen der Außenpol i t i k und Landesverteidigung nicht zu befinden hat, ist die Folge der bundesstaatlichen Kompetenzverlagerung auf den Bund, dessen Zweck es gerade ist, seine Mitglieder von diesen sie alle gemeinsam betreffenden Aufgaben freizustellen bzw. sie für alle Mitgliedstaaten gemeinsam zu erledigen 10 . Das Korrelat der bundesstaatlich begründeten Kompetenzverlagerung auf den Bund ist die verfassungsrechtlich gesicherte M i t w i r k u n g der Länder an der Bundesgesetzgebung (Art. 50, 77 f., 79 I I I GG), durch die das Landesvolk einen, wenn auch mehrfach mediatisierten Einfluß auf die Bundespolitik erhält. Das Statuskriterium der „Unentrinnbarkeit" muß diese bundesstaatliche Dimension berücksichtigen. Der Bundesstaat hebt die aus der Z u gehörigkeit zu einem Mitgliedstaat diesem gegenüber ursprünglich gegebene ausschließliche Zuordnung auf, ersetzt sie aber durch ein entsprechendes Verhältnis zum Verband des Gesamtstaats. Der Status demokratischer Egalität i n einem Bundesland erweist sich von hierher als eine Funktion bundesstaatlicher Egalität. Die Zugehörigkeit zum Staatsvolk des Bundeslandes setzt die Zugehörigkeit zum Staatsvolk des rechtlich homogenen Gesamtstaatverbandes voraus und umgekehrt. Dem Ausländer fehlt daher auch auf Landesebene der Status demokratischer Egalität. Da er aus diesem Grunde von der Staatswillensbildung auf Bundesebene ausgeschlossen ist, darf er Einfluß hierauf auch nicht über die Beteiligung an der mitgliedstaatlichen Willensbildung erlangen, wie es infolge der M i t w i r k u n g der Länder bei der Bundesgesetzgebung durch den Bundesrat der F a l l wäre 1 1 . Das Grundgesetz geht also i n der Konsequenz der Entscheidung für den Bundesstaat von einem i n Bund und Ländern homogenen Staatsvolk aus. Dies ist der Sinn der Homogenitätsvorschrift des A r t . 28 I GG. 8 So Kewenig, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 32 (1974), S. 109; Zuleeg, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. I l l ; ders., DVB1.1974, S. 348. 9 Den Zusammenhang v o n Bundesstaatlichkeit u n d Freizügigkeit u n t e r streicht Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 5. 10 Vgl. Zippelius, S. 242; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 368 f. 11 So auch Sasse, S. 46; Ruland, S. 12.

Β. Die Verfassungslage nach dem Grundgesetz

101

Das Volk der Länder i m Sinne von A r t . 28 I 2 GG i. V. m. 20 I I GG ist ausschließlich der durch das jeweilige Landesgebiet abgegrenzte Teil des Bundesvolkes. Volk i n A r t . 28 I 2 GG bezeichnet dagegen nicht nur den durch das Landesgebiet abgegrenzten Teil der Bundes-AJctiubürgerschaft 12. A r t . 28 I 2 GG spricht nicht von der Aktivbürgerschaft, sondern von dem vertretenen Volk, der durch das Vertretungsorgan repräsentierten politischen Einheit. Er liegt insofern parallel zu A r t . 20 I I 1 GG, nicht zu A r t . 20 I I 2 GG. Das Grundgesetz verbietet also auch für die Landesebene die M i t w i r kung von Ausländern bei der staatlichen Willensbildung. Dies gilt i n gleicher Weise für das aktive wie für das passive Wahlrecht 13 . Für das letztere gelten die Ausführungen zum passiven Wahlrecht zum Bundestag entsprechend 14 . III. Die Abgrenzungsfunktion des Art. 331 GG Von A r t . 28 I 2 i. V. m. 20 I I 1 GG erhellt sich auch die Funktion des A r t . 33 I GG. Sein Gleichstellungsgebot enthält, soweit er die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten i m engeren Sinn bezeichnet 15 , keine „ M i n destverbürgung" für Deutsche 16 , sondern legt zugleich auch die Grenze personeller Erstreckung der Gleichstellung fest. Eine „Mindestverbürgung" kann es prinzipiell nur i m rechtsstaatlichen Verfassungsbereich, also i m Verhältnis Staat - Individuum, oder i m bundesstaatlichen Verhältnis zwischen Bund und Ländern, nicht aber hinsichtlich der demokratischen Herrschaftszuständigkeit geben. Die Einräumung von Herrschaftsbefugnissen an einen zusätzlichen Personenkreis bedeutet Schmälerung und damit Aufhebung der Herrschaft derjenigen Gruppe, die von der Verfassung hierfür vorgesehen ist. A r t . 33 I GG schließt also, da sonst ein Widerspruch zu Art. 28 I 2, 20 I I 1 GG bestünde 17 , Ausländer vom Wahlrecht in den Ländern aus. I n seiner Betonung der Gleichheit staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten liegt zugleich die verfassungskräftige Anerkennung der Notwendigkeit wechselseitiger Bedingung von Rechtsund Pflichtenstatus, also umfassender Egalität als Voraussetzung demokratischer Mitwirkungsrechte. 12

So auch m i t zutreffender Begründung Sasse, S. 45. Henkel, Integration, S. 102. 14 Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 2. Kapitel. 15 Nach h. M. meint der Begriff der „staatsbürgerlichen Rechte" i n A r t . 33 I G G nicht n u r die Rechte des status activus, sondern das gesamte Rechtsverhältnis des Staatsbürgers, enthält also nicht n u r die demokratische, sondern auch eine rechtsstaatliche Komponente. Vgl. Maunz, i n : M D H , A r t . 33, A n m . 6; Hamann / Lenz, A r t . 33, Β 1. 18 So Sasse, S. 45; sinngemäß auch Dolde, D Ö V 1973, S. 372. 17 Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap., C. I. 13

II. Teil, 2. Abschn.:

a w a h l r e c h t de Constitutione ferenda 2. Abschnitt

Zulässigkeit der Verleihung des Landtagswahlrechts an Ausländer de Constitutione ferenda Die Darstellung kann sich hier kurz fassen und i m wesentlichen auf die Verhältnisse i m Bund verweisen. Für die Länder gilt i m Hinblick auf ihre Staatsqualität A r t . 20 I I 1 GG unmittelbar 1 . Die Staatsqualität der Länder w i r d von A r t . 79 I I I GG dadurch gewährleistet, daß diese Vorschrift die Gliederung des Bundes i n Länder für unabänderlich erklärt 2 . Uber die Garantie ihrer Staatsqualität partizipieren die Länder somit nach A r t . 79 I I I GG gleichzeitig am Schutz des i n A r t . 20 I I 1 GG festgelegten demokratischen Prinzips. Es kommt m i t anderen Worten nicht darauf an, daß Art. 79 I I I GG i n soweit nicht ausdrücklich auf A r t . 28 GG Bezug nimmt. Denn das demokratische Prinzip des A r t . 20 I I 1 GG hat i n A r t . 79 I I I GG auch für die Länder durch die Garantie ihrer Staatsqualität absoluten Bestandsschutz erhalten. Da das Landtagswahlrecht der Ausländer das Prinzip demokratischer Egalität verletzen würde, scheitert eine Verfassungsänderung an A r t . 79 I I I i n Verbindung mit A r t . 20 I I 1 GG 3 . Unter der Voraussetzung einer europäischen Einigung gelten hingegen die Ausführungen zum Bundestagswahlrecht entsprechend 4 . Der Verfassungswortlaut bedürfte einer Änderung weder i n A r t . 28 I 2 GG noch i n A r t . 331 GG.

1 Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap., D. I I I . 2. c; Maunz, i n : M D H , A r t . 20, A n m . 48. 2 Maunz, i n : M D H , A r t . 79, A n m . 33; Herr fahr dt, B K , A r t . 79 (Erstbearb.), I I 3, S. 4; G. Hoff mann, S. 310 f. 8 So auch Ruland, S. 12. 4 Vgl. oben 1. Teil, 2. Abschnitt, Β . I I .

DRITTER T E I L

Das Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

1. Abschnitt

Zulässigkeit der Verleihung des Kommunalwahlrechts an Ausländer de Constitutione lata A. Das Problem Nach geltendem Gesetzesrecht sind Ausländer vom aktiven und passiven Wahlrecht zu kommunalen Vertretungskörperschaften ausgeschlossen. Die Gemeindeordnungen und Kommunalwahlgesetze 1 der Bundesländer statuieren das Wahlrecht als Vorrecht des Gemeinde-„Bürgers", der i m Unterschied zum Gemeinde-„Einwohner" 2 Deutscher i m Sinne von Art. 1161 GG sein muß. Dies gilt entsprechend auf der Ebene der Landkreise, wo entweder die Landkreisordnungen selbst diese Einschränkung vornehmen oder auf die parallelen Vorschriften der Gemeindeordnung oder das Kommunalwahlgesetz verweisen 3 . Wegen der i m Verhältnis zu den Gemeinden analogen Rechtslage w i r d i m folgenden auf die Landkreise nicht speziell eingegangen. Die genannten Regelungen sind zum einen an den Bestimmungen der Länderverfassungen, soweit sie die Stellung der Gemeinden i m Staat und ihre innere Verfassung betreffen, letztlich aber an A r t . 28 GG zu messen, der aufgrund des generellen Vorrangs von Bundesverfaösungs1 §§ 12 I, 14 I BaWüGemO; A r t . 15 I I , 17 BayGemO; A r t . 1 I, 5 I BayGemW a h l G ; §§ 29, 30 I a, 32 I HessGemO; §§ 21 I I , 34 I, 35 I Nr. 3 NdsGemO; §§ 6 I I , 29 NRWGemO; §§ 16, 18 RhPfGemO; §§ 1, 5 R h P f K o m m W a h l G ; §§ 18 I I , 24 I, 32 I SaarlKSVG (Teil A = SaarlGemO); §§ 12 I, 16 I S a a r l K o m m W a h l G ; § 6 I I SchlHGemO; §§ 3, 7 SchlHKommWahlG. 2 Z u r E n t w i c k l u n g der Unterscheidung Einwohner — Bürger vgl. unten B. I I I . 3. 3 §§10 I, 19 I B a W ü L K O ; A r t . 11 I I , 12 B a y L K O ; A r t . 3 Nr. 2 B a y L a n d kreiswahlG i. V. m. A r t . 1, 5 BayGemWahlG; §§22 I, 23 I HessLKO; §§29 I, 30 I N d s L K O ; §§19, 21 N R W K r O ; §§7, 12 N R W K o m m W a h l G ; §§149, 152 I, 203 i. V. m. 18 I I SaarlKSVG; §§ 3, 7 SchlHKommWahlG.

104

III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

recht gegenüber Landesverfassungsrecht gemäß A r t . 31 GG den einschlägigen Bestimmungen der Länderverfassungen i m Falle einer Diskrepanz vorgeht 4 . Die Untersuchung kann sich daher sofort A r t . 28 GG zuwenden. A n den rahmensetzenden Homogenitätsvorschriften, die A r t . 28 I 2 GG für die Verfassungsstruktur der Länder aufstellt, partizipieren die Gemeinden insofern, als auch für sie ausdrücklich eine Vertretung des „Volkes" verlangt wird, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Einer gewählten Vertretung bedarf es nur dann nicht, wenn das Volk i n einer Gemeindeversammlung gemäß A r t . 2813 GG selbst handeln kann. Zusammen m i t der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung i n A r t . 28 I I GG umreißt A r t . 28 I 2 GG den verfassungsrechtlichen Standort der Gemeinde, der auch die personelle Abgrenzung der Gemeindewählerschaft bestimmt. Da die von A r t . 28 I 2 GG wiederholten Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl infolge ihrer formellen Natur ebensowenig wie für Bundestags- und Landtagswahl die Abgrenzungsfunktion übernehmen können, kommt auch beim Kommunalwahlrecht dem Begriff des Volkes i n A r t . 28 I 2 GG die entscheidende Bedeutung zu. Wurde für die staatliche Ebene des Bundes und der Länder die Wählerschaft aus dem Begriff des Volkes i m Sinne von A r t . 20 I I GG, nämlich dem egalitären demokratischen Staatsverbandsvolk der Staatsangehörigen erschlossen, so liegt nun die Annahme nahe, daß mit dem von A r t . 28 I 2 GG angesprochenen „ V o l k i n den Gemeinden" nur eine territoriale Untergliederung des egalitären Staatsverbandsvolkes gemeint ist. Erstaunlicherweise geht ein Teil der Stimmen, die i n der Verfassung keinen Hinderungsgrund für die gesetzliche Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer sehen5, auf die m i t dem Volksbegriff des A r t . 28 12 GG verbundene Problematik überhaupt nicht ein®. Sie stellen demgegenüber i m wesentlichen auf die faktische Integration des Ausländers, 4

Vgl. Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 18. Die Verleihung des Kommunalwahlrechts an Ausländer halten f ü r a) zulässig ohne Verfassungsänderung durch einfaches Gesetz: Rolvering, S. 111; Dolde, S. 78 (zumindest aktives Wahlrecht); Zuleeg, D Ö V 1973, S. 370 m i t Fußn. 159; ders., D Ö V 1974, S. 349; Sasse, S. 45 ff., 59 ff. (jedenfalls für EG-Angehörige); Schleberger, S. 599 (nur aktives Wahlrecht); b) zulässig nach vorheriger Verfassungsänderung (des A r t . 28 GG): Behrend, S. 377; Henkel, Integration, S. 107,113; Ruland, S. 12; c) zulässig, wobei nicht erkennbar ist, ob a oder b : Kewenig, Tomuschat, Diskussionsbeiträge, V V D S t R L 32 (1974), S. 109 bzw. 121; d) jedenfalls unzulässig nach geltender Verfassung: Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 96 u n d 115; Leisner, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 32 (1974), S. 132 f.; w o h l auch Vogel, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 115. β Ausnahmen: Behrend, Ruland, Leisner, Sasse (Fußn. 5). 5

Α. Das Problem

105

auf seine angeblich gleiche Betroffenheit als Gemeindeeinwohner und die auf den örtlichen Rahmen begrenzten Auswirkungen gemeindlicher Politik ab. Soweit der Volksbegriff des A r t . 28 I 2 GG i n die Betrachtung einbezogen wird, w i r d die Ansicht vertreten, er schließe die Ausländer nicht vom Kommunalwahlrecht aus. Der gegenteiligen Auffassung w i r d entgegengehalten, sie beziehe den Grundsatz des Art. 20 I I 1 GG, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgehe, unzulässigerweise auf die Gemeinde 7 . Das Grundgesetz aber begreife die Gemeinde, wie die Selbstverwaltungsgarantie des A r t . 28 I I GG zeige 8 , nicht als quasi-staatlichen Teil der staatlichen Verwaltung, sondern als „institutionalisierte Form gesellschaftlicher Selbstorganisation" 9 mit eigenständiger, vom Staatsvolk unabhängiger Legitimationsquelle. I n Anknüpfung an historische Entwicklungsstufen der kommunalen Selbstverwaltung w i r d die Gemeinde i n dem Umfang, wie ihr von der Verfassung ein Kernbereich eigenverantwortlicher Erfüllung von öffentlichen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft garantiert werde, als institutionelle Ausformung eines gesellschaftlich-politischen Prinzips 1 0 und Stätte der Entfaltung gesellschaftlicher Freiheit gegenüber dem Staat gesehen. Die Wahrnehmung der Selbstverwaltungsangelegenheiten als charakteristischer „Wesensgehalt" gemeindlicher Tätigkeit finde ihre Legitimation i n der örtlichen Gemeinschaft aller Gemeindeangehörigen 11 . Der Volksbegriff i n A r t . 28 I 2 GG stimme dementsprechend nicht m i t dem des A r t . 20 I I GG überein 1 2 . Er bezeichne vielmehr die Gebietsbevölkerung des jeweiligen Landes-, Kreis- oder Gemeindegebiets, und zwar die deutsche Gebietsbevölkerung. Damit seien Ausländer jedoch nicht prinzipiell vom Kommunalwahlrecht ausgeschlossen13. Denn A r t . 28 I 2 GG bestimme i n Verbindung m i t A r t . 33 I GG allein, daß jedenfalls der deutsche Bevölkerungsteil i n Ländern, Kreisen und Gemeinden demokratisch vertreten sein müsse, verbiete aber nicht eine Ausdehnung der demokratischen Vertretung auf ausländische Gemeindeangehörige. Art. 28 I 2 GG stelle also nur eine unverzichtbare Mindestforderung zugunsten der deutschen Gebietsbevölkerung auf. Diese Auslegung ergebe sich zwingend aus dem lediglich rahmensetzenden Charakter derartiger Homogenitätsklauseln.

7

Sasse, S. 37. Sasse, S. 37. 9 Sasse, S. 37. 10 Sasse, S. 41 ff., 60. 11 Sasse, S. 41,43, 59 f. 12 Z u m folgenden Sasse, S. 45. 13 I m Anschluß an Sasse ebenso Schleberger, S. 599.

8

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen B. Gemeinde und Staat I. Staat und Gesellschaft

Die Problematik eines Ansatzes, dessen Prämisse i n der Gemeinde ein eigenständiges gesellschaftlich-politisches Prinzip verwirklicht sieht und der von hierher dem Ausländer als Gesellschaftsbürger den Zugang zum institutionellen gemeindlichen Willensbildungsprozeß eröffnen w i l l , liegt darin, ob und inwieweit sich die Kategorie des „Gesellschaftlichen" überhaupt als eine Kategorie aktuellen Verfassungsrechts ermitteln und, wenn ja, ob und in welchem Umfang sich die Gemeinde dieser Kategorie zuordnen läßt. Angesichts des engen Zusammenhanges zu vergangenen Verfassungsepochen, i n dem die Ausgrenzung eines gesellschaftlichen Bereiches gegenüber dem Staat steht, ist es nicht selbstverständlich, daß auch die geltende Verfassung Staat und Gesellschaft als unterscheidbare Sphären mit unterschiedlichen Ordnungsprinzipien anerkennt. Zwar kann die Verfassungsposition der Gemeinde als eines geschichtlich gewachsenen Gebildes nur mittels einer die historische Dimension umgreifenden I n terpretation zutreffend bestimmt werden 1 , und insofern ist es berechtigt, an historische Entwicklungsstufen kommunaler Selbstverwaltung anzuknüpfen. Die Gefahr hierbei liegt jedoch darin, daß i n einer für die Verfassungsinterpretation generell methodisch bedenklichen Weise ein bestimmtes historisches Modell gemeindlicher Rechtsposition i n die geltende Verfassung hineinprojiziert w i r d 2 und dabei, soweit die Gemeinde einer vom Staat unterschiedenen „Gesellschaft" zugeordnet wird, ein überholter Gegensatz wiederbelebt werden soll. Der begrifflichen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, wie sie der staatsrechtliche Positivismus des 19. Jahrhunderts entwickelt hat 3 , liegt das Staatsbild des Spätabsolutismus und frühen Konstitutionalismus zugrunde 4 . Dieses Staatsbild ist das Ergebnis eines Wandlungsprozesses, der die zersplitterte Herrschaftsordnung des Mittelalters und noch der frühen Neuzeit, die von der Verteilung jeweils begrenzter Herrschaftsbefugnisse auf die verschiedensten Träger gekennzeichnet war 5 , nach und nach durch eine Ordnung, i n der sämtliche Herrschaftsbefugnisse monistisch i n einer Instanz konzentriert sind, abgelöst hat 6 . Der 1 Vgl. BVerfGE 11, 266, 274; 17, 172, 181; Maunz, i n : M D H , A r t , 20, A n m . 30; Scholz, S. 34 m. w . N. i n Fußn. 1. 2 Vgl. Peters, S. 54. 3 Z u seinen idealistischen Wurzeln vgl. Ehmke, Festgabe Smend, S. 38 ff., 41. 4 Böckenförde, Unterscheidung, S. 10 ff.; ders., Rechtsfragen, S. 12 ff., 15. 5 Vgl. Böckenförde, Unterscheidung, S. 10 f.; Heller, Staatslehre, S. 125 ff. 6 Heller, Staatslehre, S. 129; zum folgenden Böckenförde, Unterscheidung, S. 11 ff.

Β. Gemeinde und Staat

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Einzelne sieht sich i n dieser neuen Ordnung nur noch als Untertan i n der unmittelbaren, umfassenden und ausschließlichen Herrschaftsbeziehung zum Landesherrn, die sich später zur Herrschaftsbeziehung zwischen Untertan und Staat modifiziert, nachdem sich die „Staatsperson" gegenüber der Person des Herrschers verselbständigt hat und dieser nun nicht mehr selbst absoluter Souverän ist, sondern als Träger der souveränen Staatsgewalt den zur einheitlichen Herrschaftsorganisation verselbständigten Staat nunmehr als Staatsorgan repräsentiert 7 . I n dieser Verselbständigung des Staates liegt die Wurzel der Antinomie von Staat und Gesellschaft. Sie konnte sich herausbilden, da die Einbindung des Individuums i n die Herrschaftsbeziehung zum Staat nicht total, sondern durch die Staatszwecke begrenzt war: Von der Staatstheorie der Aufklärung vorbereitet und begleitet, räumt die Staatspraxis gegen Ende des 18. Jahrhunderts dem Individuum und damit der Gesellschaft als den „Individuen i n ihrem sozialen Zusammenhang" 8 einen Freiraum jenseits des durch die Staatszwecke begrenzten Herrschaftsbereiches ein und sichert ihn grundrechtlich ab. Indem der Staat bürgerliche Rechtsgleichheit und Erwerbsfreiheit gewährt und das erworbene Eigentum garantiert, ermöglicht er die Herausformung jener „bürgerlichen Gesellschaft", wie sie sich i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorwiegend als Besitz- und Erwerbsgesellschaft darstellt 9 . Von der Teilnahme an der Ausübung der Staatsgewalt hingegen bleibt die so freigesetzte bürgerliche Gesellschaft ausgeschlossen10. Der Staat der konstitutionellen Monarchie 11 , der diese Entwicklungsphase kennzeichnenden Verfassungsform, ruht auf dem Königtum, der Beamtenschaft, Heer und Adel und befindet sich als solcher zu der Gesellschaft des liberalen B ü r gertums i n einem Verhältnis strikter Trennung 1 2 . Diesen für den größten Teil des 19. Jahrhunderts charakteristischen „Dualismus" 1 3 von Staat und Gesellschaft vor Augen, hält die ganz überwiegende Meinung i m heutigen Schrifttum die Trennung von Staat und 7 Z u diesem Vorgang Böckenförde, Unterscheidung, S. 12 ff. m i t umfassenden Nachweisen; ders., Rechtsfragen, S. 12 f.; Ehmke, Festgabe Smend, S. 29 ff., 34, 36 f. 8 Böckenförde, Rechtsfragen, S. 14; vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 149 (Gesellschaft als Inbegriff aller sozialen Erscheinungen außerhalb des Staates). 9 Ehmke, Festgabe Smend, S. 39, weist darauf hin, die bürgerliche Gesellschaft sei i n Deutschland i m Unterschied zu Frankreich zunächst mehr B i l dungs- als Besitzgesellschaft gewesen. 10 Ehmke, Festgabe Smend, S. 36; Böckenförde, Rechtsfragen, S. 15. 11 Vgl. hierzu i m Grundsätzlichen Böckenförde, Verfassungstyp. 12 Böckenförde, Unterscheidung, S. 18 f.; ders., Rechtsfragen, S. 15; Ehmke, Festgabe Smend, S. 42. 18 Vgl. hierzu außer der bisher angegebenen L i t e r a t u r auch Krüger, Staatslehre, S. 342 ff., der aber nicht einen Gegensatz von Staat u n d Gesellschaft, sondern einen Gegensatz innerhalb des Staates (S. 345) der konstitutionellen Monarchie sieht.

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Gesellschaft i m demokratischen Staat der Gegenwart für überwunden 1 4 . Sie sieht i n einem Staat, i n dem sich die Staatsgewalt von allen Bürgern ableitet, der also gewissermaßen von der Gesellschaft getragen wird, und der sich als Sozialstaat begreift, also i n die Gesellschaft hineinwirkt, die dualistische Trennung durch eine Synthese ersetzt. Die Schlußfolgerungen hieraus sind aber i m einzelnen unterschiedlich: Während einerseits jegliches Denken i n den Kategorien von Staat und Gesellschaft abgelehnt w i r d 1 5 , werden diese andererseits i m Sinne einer organisatorisch-funktionellen Unterscheidung, die aber gerade nicht auf beziehungslose Trennung, sondern dialektische Zuordnung beider Bereiche hinausläuft, auch für die demokratische Verfassungstheorie und das geltende Verfassungsrecht fruchtbar zu machen versucht 16 . Dabei erscheint i n der zwischen Staat und Gesellschaft bestehenden Wechselbeziehung die Gesellschaft als die von tatsächlicher Ungleichheit gekennzeichnete Vielfalt der i n den sozialen Gruppen verkörperten „legitimen Besonderheiten" 17 , die auf den Staat einwirken und i h n dadurch hervorbringen; der Staat als die Sphäre „ausschließlicher Allgemeinheit" 1 8 ist demgegenüber organisatorisch verselbständigt, aber funktionell auf die Gesellschaft bezogen, indem er dieser gegenüber eine Erhaltungs- und Förderungsfunktion i m Interesse seiner eigenen Erhaltung ausübt 19 und kraft seiner politischen Herrschaftsbefugnis dem gesellschaftlichen Pluralismus i n der Rechtsordnung einen verbindlichen Rahmen setzt 20 . A u f dieser spezifischen Funktion des Staates beruht seine qualitative Unterscheidung gegenüber allen gesellschaftlichen Gebilden 21 . Die Unterscheidung der dialektisch aufeinander bezogenen Funktionsbereiche von Staat und Gesellschaft erhält ihre Bedeutung nach diesen Theorien auch i m Zeichen des demokratischen Prinzips daraus, daß sie den Einzelnen, auch 14 Umfassende Nachweise, auch aus der politikwissenschaftlichen u n d soziologischen Literatur, bei Böckenförde, Unterscheidung, S. 7, Fußn. 1; vgl. Ehmke, Festgabe Smend, S. 24 f. 15 Ehmke, Festgabe Smend, S. 25, 44 f. operiert stattdessen m i t dem Begriff des „politischen Gemeinwesens", der Staat u n d Gesellschaft i m traditionellen Sinn umfassen soll (ebenso Bull, S. 88), u n d kennzeichnet die Institutionen der Meinungs- u n d Willensbildung u n d die Führungs-, Koordinierungs- u n d Lenkungsinstitutionen des politischen Gemeinwesens m i t dem anglo-amerikanischen Begriff des „government". Vgl. hierzu die K r i t i k bei Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 153 u n d Böckenförde, Unterscheidung, S. 22, 33. 18 Kaiser, S. 338 f.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 151 ff., 154; Böckenförde, Unterscheidung, S. 21 ff., 34 ff.; ders., Rechtsfragen, S. 16 ff., 20 ff.; vgl. auch Krüger, Staatslehre, S. 526 ff.; Forsthoff, Staat, S. 21; kritisch Bull, S. 65 ff.; Hesse, DÖV1975, S. 438 ff. 17 Zit. Krüger, Staatslehre, S. 350; vgl. ebd. S. 346, 526; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 151. 18 Krüger, Staatslehre, S. 350. 19 Krüger, Staatslehre, S. 526; Böckenförde, Unterscheidung, S. 27. 20 Böckenförde, Unterscheidung, S. 27; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 154. 21 Böckenförde, Unterscheidung, S. 30 f.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S.254.

Β. Gemeinde und Staat

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wenn er am allgemeinen staatlichen Entscheidungsprozeß beteiligt ist, und die sozialen Gruppen vor einer totalen Einbindung i n die demokratische staatliche Entscheidungsgewalt bewahrt, das demokratisch-egalitäre B i l d des Gemeinwesens durch den Aspekt der auf tatsächlicher Verschiedenheit der Individuen und gesellschaftlichen Verbände beruhenden sozialen Vielfalt ergänzt 22 , insoweit dem demokratischen Herrschaftsanspruch Grenzen zieht und dadurch zur Bedingung und Grundlage individueller und gesellschaftlicher Freiheit w i r d 2 3 . Verfassungstheoretischer und verfassungsrechtlicher Ausdruck der A b grenzung des Funktionsbereichs der Gesellschaft sind die Grundrechte 24 . Indem das Grundgesetz die Grundrechte anerkennt und absichert, geht es von der Differenzierung der Funktionsbereiche von Staat und Gesellschaft aus. Die Zuordnung der zwischen der staatlichen Organisation und dem Individuum vorhandenen Gebilde zum staatlichen oder gesellschaftlichen Bereich folgt ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung i n dem von Staat und Individuum markierten Bezugssystem: Gründen die Verbände sich auf die Wahrnehmung individueller Grundrechtsfreiheit, so nehmen sie einen Platz i m Funktionsbereich der Gesellschaft ein. Sind sie hingegen i n das staatliche Institutionengefüge eingegliedert, so ist i h r Platz i m staatlichen Bereich 25 . Der Maßstab der Unterscheidung besteht nicht i n der Rechtsform des Verbandes und nicht i n der Grundrechtsbindung 2 6 , sondern i n der Grundrechtsträgerschaft, wenngleich sich auch hier i m Rahmen des A r t . 19 I I I GG Abgrenzungsprobleme ergeben mögen 27 . Die den Staat i n seiner funktionellen Unterscheidung von der Gesellschaft umschreibende öffentliche Gewalt ist nicht selbst Träger von Grundrechten, sondern an diese gebunden 28 . Die nach dieser Theorie der Verfassung zugrunde liegende grundrechtliche Umschreibung des gesellschaftlichen Bereichs hat für die Rechtsstellung des Ausländers entscheidende Bedeutung. Aus i h r ergibt sich die Schlußfolgerung, daß der Ausländer, soweit er als Träger von Grundrechten i n Betracht kommt, als Glied der Gesellschaft eine gleichberechtigte Stellung i n den gesellschaftlichen Verbänden innehat. Wenn dem22

Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 151. I n diesem Sinne besonders Böckenförde, Unterscheidung, S. 34 ff. ; ders., Rechtsfragen, S. 20 ff.; ähnlich Forsthoff, Staat, S. 21; Henke, V V D S t R L 28, 166; vgl. auch Η . H. Klein, Festschrift Forsthoff, S. 172; kritisch Hesse, D Ö V 1975, S. 440 f. 24 Krüger, Staatslehre, S. 527 f.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 153 ff.; Böckenförde, Unterscheidung, S. 35 m i t Fußn. 84; vgl. Wittkämper, S. 58 ff. u n d passim. 25 Z u diesen K r i t e r i e n Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 155,157, 252. 26 K r i t i s c h hierzu Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 155 f. 27 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 156. 28 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 210; zur Frage, i n w i e w e i t der Staat als Fiskus Grundrechtsträger sein kann, siehe die Nachweise ebd. i n Fußn. 106 sowie Dürig, i n : M D H , A r t . 19 I I I , A n m . 42 ff. 2a

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

gegenüber auch dort, wo auf die Grundrechte abgestellt wird, die Gesellschaft i n personeller Hinsicht mit dem Staatsvolk als der Gesamtheit der Staatsangehörigen identifiziert w i r d 2 9 , so w i r d dabei die Eigenschaft des Ausländers als Gesellschaftsglied nicht bewußt geleugnet, sondern nur i m Interesse der grundsätzlichen Funktionsunterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft vernachlässigt. II. Die historische Stellung der Gemeinde im Verhältnis zu Staat und Gesellschaft 1. Die Zeit vor 1918 Das Verhältnis der Gemeinde zum Staat hat i n der Entwicklung der letzten Jahrhunderte mehrere Wandlungen durchgemacht 1 . Die genossenschaftliche Ausformung, welche die Gemeinde bis i n die frühe Neuzeit prägte, war m i t dem Staatsverständnis des absolutistischen Staates nicht mehr vereinbar. I n einem Staat, der einen universellen Machtanspruch erhob, konnte die Gemeinde als Zelle politischer Autonomie nicht fortbestehen 2 . Die Gemeinde wurde zur „Staatsanstalt" 3 . I n der Phase des Spätabsolutismus begann sich der aufkommende Dualismus von Staat und bürgerlicher Gesellschaft auch i n der Gemeinde niederzuschlagen. Die Gemeinde wurde einerseits zur staatlichen Verwaltungseinheit, andererseits nahm sie i n ihrer gesellschaftlich-wirtschaftlichen Ausformung als Wirtschafts- oder Realgemeinde den Charakter eines „gesellschaftlichen Privatrechtssubjekts" an 4 . I n diesem Rahmen fand die sich herausbildende bürgerliche Gesellschaft i n A b kehr vom Obrigkeitsstaat i n der Gemeinde eine Stätte individualfreiheitlicher Selbstorganisation 5 . M i t der Preußischen Städteordnung des Freiherrn vom Stein vom 19. 11. 18086 wurde unter dem Einfluß des Liberalismus und unter Rückgriff auf genossenschaftliche Ideen 7 der Versuch unternommen, die Gemeinde und i n ihr das Bürgertum aus ihrer gesellschaftlichen Isolation zu lösen und sie durch Übertragung autonomer Verwaltungsbereiche dem Staat zu integrieren 8 . 29 So Böckenförde, Unterscheidung, S. 47; ders., Rechtsfragen, S. 20; Ehmke, Festgabe Smend, S. 25; Krüger, Staatslehre, S. 346. 1 Vgl. zum Folgenden die Darstellung bei Scholz, S. 35 ff. m i t umfassenden Nachweisen. 2 Peters, S. 31,54; Scholz, S. 37 f. 3 Vgl. Dehmel, S. 59,68. 4 Scholz, S. 38. 5 Scholz, S. 39. β GS, S. 324. 7 Scholz, S. 40 m i t Fußn. 31.

Β. Gemeinde und Staat

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Die Gemeinde wurde jedoch auch danach als primär „gesellschaftliche Veranstaltung" 9 aufgefaßt. Kommunale Selbstverwaltung galt zunehmend als Ausdruck bürgerlicher Freiheit gegenüber dem Obrigkeitsstaat der konstitutionellen Monarchie 10 und rückte i n die Nähe anderer Formen bürgerlich-gesellschaftlicher Selbstorganisation wie den Vereinen 1 1 . Damit ist die für das 19. Jahrhundert 1 2 kennzeichnende Idee gemeindlicher Selbstverwaltung genannt: Das Selbstverwaltungsrecht wurde als staatsgerichtetes Grundrecht gesellschaftlicher Prägung verstanden 18 und entsprechend i n den Verfassungen der damaligen Zeit konzipiert (zum Beispiel A r t . X I § 184 RVerf 1849). 2. Die Lage zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung Noch die Weimarer Verfassung ordnete das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 127) i n unmittelbarer Nachbarschaft zu Versammlungs- und Vereinsfreiheit (Art. 123, 124) i n ihren Grundrechtsteil ein. A l l e i n dieser systematische Standort darf indes nicht zu der Schlußfolgerung führen, die Verfassungsposition der Gemeinde i n der Weimarer Zeit habe sich von der des 19. Jahrhunderts nicht unterschieden. Die verfassungsrechtliche Basis, auf der ein Gegenüber von Staat und Gemeinde als Ausdruck der Trennung von Staat und Gesellschaft möglich war, nämlich der monarchische Obrigkeitsstaat, war 1919 m i t Einführung einer Demokratie, i n der alle Staatsgewalt vom Volk ausging, weggefallen 14 . Eine Konzeption der Gemeinde als grundrechtsbewehrter Bürgerverband i n Abwehrstellung gegenüber dem Staat war i n dem Augenblick überholt und systemwidrig geworden, als dieser Staat selbst i n der Hand aller seiner Bürger lag. 8 Forsthoff y Körperschaft, S. 8 ff., 14 ff.; ders., Lehrbuch, S. 472; Peters, S. 43; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 150; ders., Neubestimmung, S. 3 f.; Gönnenwein, S. 12; Scholz, S. 39; Dehmel, S. 15, 33, 36; Sasse, S. 39; von Unruh, S. 17. 9 von Mohl, S. 89. 10 Forsthoff, Lehrbuch, S. 472; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 156; W. Weber, S. 32 f., 61 f.; Gönnenwein, S. 7, 15; Dehmel, S. 68; Scholz, S. 40; von Unruh, S. 17. 11 Insb. L . v. Stein, S. 3 ff., 274 ff.; vgl. Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 67; Gönnenwein, S. 14; Forsthoff, Lehrbuch, S. 472; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 149; ders., Neubestimmung, S. 4; Dehmel, S. 43 f.; Scholz, S. 40; Sasse, S. 40. 12 Z u r E n t w i c k l u n g i m einzelnen vgl. Forsthoff, Lehrbuch, S. 524 ff. 15 Scholz, S. 40 m. w. N. i n Fußn. 33; zu der bereits genannten L i t e r a t u r noch W. Hof mann, S. 268; Körte, S. 4. 14 Peters, S. 43; Forsthoff, Lehrbuch, S. 527; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 151; ders., Neubestimmung, S. 5 f.; Gönnenwein, S. 60; Scholz, S. 41; Niemeyer, S. 127; W. Hof mann, S. 269; Dehmel, S. 62.; W. Weber, S. 62 f., sieht die Aufhebung des Dualismus von Staat u n d Selbstverwaltung erst nach 1945.

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Mochte noch der Weimarer Verfassunggeber von der Grundrechtskonzeption ausgegangen sein — die Weimarer Lehre und Praxis hat sie nicht übernommen 15 . Sie korrigierte nicht nur den Verfassungswortlaut, indem sie das Selbstverwaltungsrecht nicht als Grundrecht, sondern i m Sinne einer institutionellen Garantie deutete 16 , sondern schränkte auch das so verbliebene Selbstverwaltungsrecht weiter ein: Da der demokratische Staat das Verhältnis zwischen Gemeinde und Staat nicht mehr als Gegensatz von Volk und Obrigkeit begriff, sondern nur noch den Gegensatz von Gesamtvolk und Teilen dieses Volkes kannte 1 7 , mußte dem streng zentralistischen Weimarer Demokratieverständnis, das den Begriff der Demokratie nur auf den Staat und sein gesamtes Volk, den Gesamtwillen, bezog 18 , die Zuweisung von Entscheidungskompetenzen an Teile des Volkes als Schutz von Minderheiten erscheinen 19 . Die Gemeinde war i n einer so zentralistisch verstandenen Demokratie nicht selbst Zentrum politischer Integration, sondern entwickelte sich mehr und mehr zu einer unpolitischen Verwaltungseinheit 2 0 , deren Kompetenzen davon abhingen, i n welchem Maße sich der demokratische Gesamtwille zum Schutz von Minderheiten bereit zeigte. Die herrschende Definition des gemeindlichen Tätigkeitsfeldes enthielt dementsprechend keine Garantie einer bestimmten Zuständigkeit, vergleichbar der Zuweisung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i n A r t . 28 I I GG. Die Gemeinde hatte sämtliche innerhalb ihres Gebietes anfallenden öffentlichen Aufgaben zu erledigen, sofern sie von keiner anderen Stelle erfüllt wurden 2 1 , und war i n den Rang einer „technischen Hilfseinricht u n g " 2 2 des Staates gesunken 23 . I I I . Die Stellung der Gemeinde nach dem Grundgesetz 1. Die institutionelle

Garantie des Art. 28 II GG

Für das Grundgesetz ist A r t . 28 I I i. V. m. I 2 die Schlüsselvorschrift zum Verständnis der heutigen verfassungsrechtlichen Position der Ge15

Vgl. Peters, S. 23 ff. Grundlegend C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 ff., 173; vgl. Anschütz, S. 583, Fußn. 1; StGH i n Lammers~Simons I , S. 366 ff., 385 ff.; I I , S. 99 ff., 114 ff.; vgl. Wiese, S . 6 f f . 17 Vgl. Peters, S. 43. 18 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 273; Forsthoff, Krise, S. 21; Peters, S. 40 f., 43 f.; vgl. Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 151 m i t Fußn. 158; ders., Neubestimmung, S. 8; Gönnenwein, S. 60; W. Hof mann, S. 273; Scholz, S. 41, 43; Dehmel, S. 63; von Unruh, S. 18. 19 Vgl. Peters, S. 43 f. 20 Scholz, S. 41, 43; Hof mann, S. 273 ff., 276; Dehmel, S. 63; Sasse, S. 41. 21 Vgl. die repräsentative Definition bei Peters, S. 54. 22 Smend, Verfassung, S. 271. 23 Z u r kommunalen Selbstverwaltung i n der Weimarer Zeit vgl. den Ü b e r blick bei Forsthoff, Lehrbuch, S. 527; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 152 ff.; W. Hofmann, S. 269 ff. 16

Β. Gemeinde und Staat

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meinde. Gegenüber der Weimarer Verfassung weist er schon den Unterschied auf, daß er sich nicht i m Abschnitt über die Grundrechte, sondern i n dem Bund und Länder betreffenden Teil der Verfassung befindet. Dam i t hat die bereits zur Weimarer Zeit i n Lehre und Praxis vollzogene Wandlung i n der Deutung des kommunalen Seibstverwaltungsrechts auch ihren verfassungssystematischen Ausdruck gefunden 1 . Die ganz herrschende Meinung interpretiert das Selbstverwaltungsrecht des A r t . 28 I I GG nicht als staatsgerichtetes Grundrecht der Verbandsperson Gemeinde, sondern als institutionelle Garantie 2 . Gründet sich i m Zeichen der demokratischen Staatsverfassung die U n terscheidung von Staat und Gesellschaft als dialektisch zugeordneten Funktionsbereichen auf den Maßstab der Grundrechtsträgerschaft, so muß der Verlust ihrer Grundrechtsqualität bereits Zweifel am gesellschaftlichen Charakter der kommunalen Selbstverwaltung wecken. Durch ihre Einbeziehung i n den Verfassungsbereich der Länder rückt sie i n die Nähe staatlicher Strukturprinzipien. Eine endgültige Ortsbestimmung ist damit jedoch noch nicht gewonnen. Sie kann nur dem positiven Normenbefund der Verfassung entnommen werden 3 . Die Entscheidung, ob die Gemeinde dem gesellschaftlichen Bereich zugeordnet werden kann, hängt davon ab, ob sie sich nicht wenigstens mittelbar auf eine grundrechtliche Legitimation stützen kann. 2. Die Legitimationsgrundlage

der Gemeinde

a) Selbstverwaltung und A r t . 20 I I 1 GG Die Frage nach der Legitimationsgrundlage der Gemeinde kann von vornherein den Bereich der Auftragsverwaltung ausklammern. Die Gemeinden fungieren hier, indem sie staatliche Gesetze unter Fachaufsicht ausführen, als Teile der staatlichen Verwaltung und beziehen daher ihre Legitimation insoweit über den Gesetzgeber ausschließlich vom gesamten Staatsvolk 4 . 1 Das Argument der systematischen Stellung der Selbstverwaltungsgarantie findet sich bei: Forsthoff, Lehrbuch, S. 529; Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 67 f.; Scholz, S. 44; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 241; Niemeyer, S. 127; Körte, S. 7. 2 BVerfGE 1, 167, 174 f. u. st.Rspr.; BVerwGE 2, 329, 332; 3, 129; BGHZ 13, 207, 208; Maunz, i n : M D H , A r t . 28, A n m . 24 m. w. N. i n Fußn. 2; Maunz, Staatsrecht, S. 188; Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 60, 66 f.; von Mangoldt / Klein, A r t . 28, I V ; Gönnenwein, S. 28; Röttgen, S. 15 ff.; W. Weber, S. 36; E. Becker, H K W P I, S. 140; ders., GR IV/2, S. 681, 713 ff.; Scholz, S. 43; Forsthoff, Lehrbuch, S. 529, 532; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 242; dafür, daß A r t . 28 I I k e i n Grundrecht i m Sinne eines subjektiven Rechts der Gemeinden enthält: Maunz, i n : M D H , A r t . 28, A n m . 27; Dürig, i n : M D H , A r t . 19 I I I , A n m . 38 sub e m i t umfassenden Nachweisen i n Fußn. 5. 3 Vgl. Böckenförde, Rechtsfragen, S. 23. 4 Sasse, S. 43.

8

Birkenheier

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Anders liegen die Verhältnisse jedoch i n dem von A r t . 28 I I GG umschriebenen Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gemeinde stützt sich hier auf eine eigene Legitimationsquelle, die i m folgenden noch näher zu umschreiben sein wird. Da die Gemeinde aber auch i m Selbstverwaltungsbereich hoheitlich tätig wird, bedarf es zunächst der Klärung, i n welcher Beziehung diese Ausübung von Hoheitsgewalt zu Art. 20 I I 1 GG steht. Nach Art. 20 I I 1 GG darf es keine Staatsgewalt, d. h. keine Form von öffentlicher Gewalt geben, die ihre Legitimation nicht unmittelbar oder wenigstens mittelbar vom Volk, d. h. vom Staatsvolk des Bundes oder eines Landes erhält 5 . Die Staatsgewaltformel des A r t . 20 I I 1 GG ist Ausdruck des Gewaltmonismus, der den modernen Staat überhaupt kennzeichnet 6 . Das Bestehen von Selbstverwaltungsträgern, die m i t Hoheitsgewalt ausgestattet sind, ist m i t der monistischen Staatsauffassung nur dann vereinbar, wenn deren Hoheitsfunktionen nicht als gleichwert i g neben denen des Staates stehend, sondern als vom Staat delegiert angesehen werden. Dementsprechend ist es heute anerkannt, daß jede Erscheinungsform von Selbstverwaltung, also auch die kommunale Selbstverwaltung, als Bestandteil der vollziehenden Gewalt i m Sinne von A r t . 20 I I 2, I I I GG eine staatliche Schöpfung darstellt, die ihre Hoheitsgewalt von der des Staates ableitet 7 . Die nach A r t . 20 I I 1 GG erforderliche Rückkoppelung der hoheitlichen Betätigung der Selbstverwaltungsträger an das Staatsvolk erfolgt durch das Instrument der staatlichen (Rechts-)Aufsicht. 5 H. H. K l e i n , Festschrift Forsthoff, S. 167 f., 177, 184; ders., Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 29 (1971), S. 121. 6 Vgl. oben Β . I K r ü g e r , Staatslehre, S. 847 ff., 866. 7 Daß die Hoheitsgewalt der Gemeinde v o m Staat abgeleitet ist, entspricht der h. M.: vgl. ζ. B. Jellinek, S. 644 f.; Kelsen, Staatslehre, S. 183 f.; Peters, S. 56; Wolff, S. 451; Krüger, Staatslehre, S. 866; Fuß, S. 741; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 242, Fußn. 77 m. w . N.; Dürig, i n : M D H , A r t . 19 I I I , A n m . 38 sub c; f ü r Gemeindeverbände ebd., A n m . 37; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 157; Hempel, S. 83 ff., 137; H. ff. Klein, Festschrift Forsthoff, S. 177, 184; Mronz, S. 155 f.; Ruland, S. 12, Fußn. 68; a. A . Körte, S. 24; die Anerkennung eines eigenständigen „pouvoir m u n i c i p a l " läßt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen; vgl. hierzu Krüger, Staatslehre, S. 865 f.; Stern, D Ö V 1975, S. 516. Wenn die Gemeinde wegen ihrer v o m Staat abgeleiteten Hoheitsgewalt u n d unter Leugnung eines qualitativen Unterschieds zwischen Staats- u n d Gemeindeaufgaben der sog. „mittelbaren Staatsverwaltung" zugerechnet w i r d (so Forsthoff, Lehrbuch, S. 470 ff., 524; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 240 ff.; ders., V V D S t R L 32 (1974), S. 96, Fußn. 118; Mronz, S. 160; Ruland, S. 12; a. A . Gönnenwein, S. 62 ff.; Scholz, S. 45, Fußn. 60; Dehmel, S. 65; Sasse, S. 37; zur begrifflichen Abgrenzung Dehmel, S. 59 ff.; Mronz, S. 159 ff.), so gibt dieser Begriff für die Frage der Zulässigkeit des Ausländerwahlrechts letztlich nichts her, w e i l er nicht m i t einem einheitlichen I n h a l t verwendet u n d dementsprechend auf Verbände m i t heterogener S t r u k t u r bezogen w i r d ; vgl. Brandstetter, S. 129 f.

Β. Gemeinde und Staat

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Nur unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen kann davon gesprochen werden, daß eine Selbstverwaltungskörperschaft wie die Gemeinde über eine eigene, vom Staatsvolk verschiedene Legitimationsquelle verfügt 8 . Der Grundsatz des A r t . 20 I I 1 GG w i r d also durch die besondere, örtlich verwurzelte Legitimation der Gemeinde nicht durchbrochen. Wenn i n Art. 28 I 2 GG die Gemeindevertretung ausdrücklich als eine Vertretung des „Volkes" i n den Gemeinden bezeichnet und damit die Legitimationsfunktion dem Volk i n den Gemeinden zugesprochen wird, so bedarf eine Umschreibung der gemeindlichen Legitimationseinheit, die stattdessen m i t einem von dem des Volkes verschiedenen Begriff „der örtlichen Gemeinschaft aller Gemeindeangehörigen" operiert 9 , besonderer Rechtfertigung. b) Die örtliche Gemeinschaft Die Bestimmung der örtlichen Gemeinschaft zur Legitimationsgrundlage der Gemeinde nimmt offensichtlich Bezug auf A r t . 28 I I GG. Dort w i r d der Umfang des Selbstverwaltungsrechts dahingehend umschrieben, den Gemeinden sei i m Rahmen der Gesetze die eigenverantwortliche Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gewährleistet. Der Definitionsbestandteil „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" enthält nach herkömmlicher und vorherrschender Auffassung eine Zuständigkeitsregel, die den Gemeinden die Allzuständigkeit für alle Angelegenheiten zuweist, „die i n der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben und von dieser örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und selbständig bewältigt werden können" 1 0 . Indem Art. 28 I I GG so die Garantie kommunaler Selbstverwaltung als Garantie einer bestimmten kommunalen Zuständigkeit umreißt, zieht er zugleich die Grenzen seiner normativen Wirkung: er ist Kompetenznorm 1 1 , nicht aber Legitimationsnorm. Demgegenüber ist A r t . 28 I 2 GG durch die Verwendung des Begriffes der Volksvertretung für das Vertretungsorgan der Gemeinde und seinen Gegenstand, die Wahlen zu Vertretungsorganen und die Aufstellung hierfür geltender Grundsätze, als typische Legitimationsnorm ausgewiesen. 8

Η . ff. Klein, Festschrift Forsthoff, S. 177. So Sasse, S. 41,43. BVerfGE 8, 122, 134; zum Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft u n d zur Allzuständigkeit vgl. Forsthoff, Lehrbuch, S. 530 ff.; Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 86; Gönnenwein, S. 36; Dehmel, S. 106 ff.; Körte, S. 34 f.; W. Weber, S. 49 iL; Niemeyer, S. 126. 11 Vgl. Ossenbühl, Mitbestimmung, S. 25 ff.; Wiese, S. 27 („Aufgabengarantie"). 9

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Wäre A r t . 28 I I GG neben A r t . 28 I 2 GG ebenfalls Legitimationsnorm, so bedürfte es der Klärung, i n welchem Verhältnis die Begriffe „ V o l k " und „örtliche Gemeinschaft" i n personeller Hinsicht zueinander stehen. Diese Frage w i r d i m Schrifttum, soweit ersichtlich, nicht als Problem gesehen. „ V o l k i n den Gemeinden" und „örtliche Gemeinschaft" werden wohl stillschweigend i n personeller Hinsicht gleichgesetzt 12 . Die Verwendung zweier verschiedener Begriffe für denselben Legitimationssachverhalt stünde aber i n Widerspruch zu der Genauigkeit, die das Grundgesetz ansonsten — auch außerhalb des Grundrechtsabschnitts — bei der Bezeichnung des Personenkreises, dem es bestimmte Rechte zuerkennt, auszeichnet 13 . Schon grundsätzlich wäre aber der Dualismus zweier Legitimationsnormen für dieselbe Körperschaft nicht einsichtig. Die Auslegung des A r t . 28 I 2 GG als Legitimationsnorm und die des A r t . 28 I I GG als Kompetenznorm hingegen bringt beide i n einen sinnvollen, funktionsaufteilenden Zusammenhang. Als Kompetenznorm t r i f f t A r t . 28 I I GG also nicht zugleich eine Bestimmung über die Legitimationsquelle des kommunalen Kompetenzträgers. Unmittelbar auf die Problematik des Ausländerwahlrechts bezogen bedeutet dies, daß m i t der kompetenzrechtlichen Erfassung des Ausländers als Gemeindeeinwohner, wie sie durch den Begriff der örtlichen Gemeinschaft erfolgt, der — falls seine Personifizierung überhaupt möglich ist — nicht nur die Gemeindebürger, sondern alle Gemeindeeinwohner erfaßt, seine Einbeziehung i n den kommunalen Legitimationszusammenhang verfassungsrechtlich weder ermöglicht noch verbürgt ist. Eine A n t w o r t kann insoweit nur i n der Legitimationsnorm des A r t . 28 I 2 GG gefunden werden. Damit ist die Frage nach dem Inhalt des dort gebrauchten Volksbegriffs i n seiner Beziehung auf die Gemeinde gestellt. c) Die Gemeinde und der Volksbegriff des A r t . 2812 GG Die Dimensionen des Volksbegriffs i n A r t . 28 I 2 GG werden nicht nur durch den Bezug auf die Begrifflichkeit des Art. 20 GG, wie i h n die Funktion des A r t . 28 GG als Homogenitätsvorschrift bedingt, sondern insbesondere auch dadurch abgesteckt, daß er i n einen Zusammenhang m i t drei verschiedenen Gebietskörperschaften gebracht wird. Soweit der Begriff Volk sich auf die Länder bezieht, ist bereits festgestellt worden, daß er seine Substanz hier aus der Staatsqualität der Länder bezieht und insoweit m i t dem Volksbegriff des A r t . 20 I I 1 GG übereinstimmt 1 4 : Er bezeichnet das egalitäre Staatsverbandsvolk der 12

So offenbar Gönnenwein, S. 32 f. i m Vergleich m i t S. 249, 261; Körte, S. 42. Vgl. die Differenzierung zwischen „Bewohnern des Bundesgebietes" u n d Deutschen, A r t . 25, 33 GG; dazu oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap. D. I I I . 6. 18

Β. Gemeinde und Staat

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Länder, zu dem Ausländer, da sie die Bedingungen demokratischer Egalität nicht erfüllen, nicht gehören 15 . Wenn nach A r t . 28 I 2 GG das Volk nicht nur i n den Ländern, sondern auch i n den Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben muß, so bedeutet diese territoriale Differenzierung zunächst, daß es sich nicht u m eine Vertretung des i n Art. 20 I I 1, 28 I 2 GG angesprochenen gesamten Staatsvolks des Bundes bzw. eines Landes handelt. Da i n der Demokratie die Volksvertretung immer eine Vertretung derjenigen ist, aus denen die Aktivbürgerschaft hervorgeht, w i r d das gesamte Staatsvolk i m Sinne von Art. 20 I I 1, 28 I 2 GG nur auf der Ebene vertreten, auf der es die Vertretung selbst, durch die Aktivbürgerschaft (Art. 20 I I 2, 33 I GG), wählen kann, nämlich durch den Bundestag bzw. die Landtage. Das gesamte Staatsvolk w i r d nicht durch das Vertretungsorgan jeder einzelnen unterstaatlichen Gebietskörperschaft erneut vertreten. Daraus folgt, daß der Volksbegriff des A r t . 28 I 2 GG nicht vollends m i t dem des A r t . 20 I I 1 GG übereinstimmt, insofern nämlich, als er i n A r t . 28 I 2 GG differenziert w i r d und hier nicht nur das gesamte Staatsvolk des Landes, sondern auch ein Volk, das anderen unterstaatlichen territorialen Einheiten zugerechnet wird, bezeichnet. Die territoriale Differenzierung des Volksbegriffs bedeutet also, daß die Volksvertretung i m Sinne von Art. 28 I 2 GG i n den Kreisen und Gemeinden eine Vertretung des Volkes ist, das zu diesen Gebietseinheiten i n besonderer Beziehung steht, ihnen nach dem Wohnsitz angehört. Dem Staatsvolk i n seiner Gesamtheit steht das Volk i n den Gemeinden und Kreisen gegenüber. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß sich die Differenzierung des Volksbegriffs i n Art. 28 I 2 GG auf den territorialen Aspekt beschränkt. Zu diesem Ergebnis muß man aber aufgrund der Überlegung kommen, daß die Technik der Differenzierung des Begriffes unter dem Aspekt der territorialen Zuordnung der bezeichneten Personeneinheit nur anwendbar ist, wenn der Begriff i m übrigen dieselben einheitlichen Merkmale aufweist. W i r d ein und derselbe Begriff gleichzeitig auf Menschen i n ihrer Zuordnung zu verschiedenen Territorien bezogen, so widerspräche es sprachlicher Logik, wenn der Begriff nicht nur i n territorialer, sondern, je nach Territorium, auch i n personeller Hinsicht einen anderen Inhalt hätte. Wäre jedesmal ein anders abgegrenzter Personenkreis gemeint, so wäre die Verwendung desselben Begriffes unverständlich 16 . 14 Insofern t r i f f t es zu, daß A r t . 28 GG v o n demselben Volksbegriff ausgeht wie A r t . 20 I I GG (so Leisner, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 [1974], S. 131). 15 Vgl. oben 2. Teil, 1. Abschnitt, Β . I I . 16 F ü r einen unterschiedlichen Begriffsinhalt j e nach Territorium, auf das sich der Begriff V o l k i n A r t . 28 I 2 GG bezieht, spricht auch nicht die u n t e r -

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Dies würde auch der schon hervorgehobenen Genauigkeit des Grundgesetzes bei der personellen Abgrenzung von Rechtsträgern widersprechen. Umfaßt der Volksbegriff des Art. 28 I 2 GG i n bezug auf die Länder das egalitäre Staatsverbandsvolk, wie es durch die Staatsangehörigkeit konstituiert wird, so ändert sich also diese seine personelle Komponente i n bezug auf Kreise und Gemeinden nicht. Das Volk des Staatsverbandes w i r d i n A r t . 28 I 2 GG lediglich i n territorialer Hinsicht nach Kreisen und Gemeinden gegliedert. A u f Kreis- und Gemeindeebene handelt es sich u m Teile des (Landes-) Volkes 1 7 . Legitimationsquelle der Gemeinden i m Selbstverwaltungsbereich sind damit die deutschen Gemeindeeinwohner 18 . 3. Der gestufte demokratische Staatsaufbau a) Die Staatshomogenität der Kommunen Die Zuordnung der Gemeinde zur staatlichen Sphäre, wie sie i n der vom Grundgesetz vorgenommenen Einordnung i n den Verfassungsbereich der Länder bereits sichtbar geworden ist, findet i n der Zuweisung der Legitimationsfunktion an den zum Gemeindegebiet gehörenden Teil des Staatsvolkes eine weitere und entscheidende Stütze. Indem das Grundgesetz das Prinzip der Volksvertretung auch auf die kommunalen Gebietskörperschaften überträgt und die demokratischen Wahlrechtsgrundsätze des A r t . 38 I GG auch für die Kommunalwahlen verbindlich macht, stellt es die Gemeinden gerade nicht i n einen Gegensatz zum Staat, sondern bezieht sie i n den umfassenden Zusammenhang demokratischer Legitimation aller Hoheitsträger ein. Die Gemeinde verwirklicht i n dieser Demokratie kein anderes politisches oder gesellschaftliches Prinzip 1 9 , sondern bildet innerhalb des gestuften demokratischen Staatsaufbaus 20 die unterste Stufe. Die Einbeziehung der Kommunen unter das demokratische Prinzip bedeutet die Abkehr von einem rein zentralistischen Demokratieverständnis, das den Begriff der Demokratie nur m i t schiedliche Rechtsnatur von Ländern u n d Gemeinden (Staatsqualität der L ä n der). Die Zuordnung des Begriffes V o l k sowohl zu Ländern w i e zu Gemeinden deutet vielmehr die Stellung der Gemeinde als integraler T e i l der Staatsorganisation an. Dazu noch unten B. I I I . 3. 17 Böckenförde, Rechtsfragen, S. 34, Fußn. 47; Püttner, S. 50; Obermayer, S. 26; Stern, D Ö V 1975, S. 516, spricht zutreffend von einer „gebietskörperschaftlich gegliederten Demokratie". 18 Auch Sasse (S. 45) versteht i m Ergebnis unter „ V o l k " i n A r t . 28 I 2 GG n u r die deutschen Gemeindeeinwohner. Z u seiner entscheidenden These unten 5. 19 Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 151, 156 f.; ders., Neubestimmung, S. 6, 8, 29 f.; W. Weber, S. 63; Stern, DÖV 1975, S. 516. 20 Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 31, 70; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 158; Gönnenwein, S. 32, 247; E. Becker, Kommunalverwaltung, S. 75; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 242; Püttner, S. 49; Obermayer, S. 26.

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dem (Gesamt-)Staat verbindet. I n dem Homogenitätsgebot, das der Gemeinde die gleiche demokratische Struktur auferlegt wie dem Staat, bekennt sich das Grundgesetz zur Vereinbarkeit von Selbstverwaltung und Demokratie 2 1 . Die Staatshomogenität der Kommunen erschöpft sich jedoch nicht i n der Übernahme der (formalen) demokratischen Wahlrechtsprinzipien 22 . Sie ist, wie Art. 28 I 2 GG mit der Forderung einer Vertretung des „ V o l kes" i n den Gemeinden deutlich macht, zugleich eine Homogenität der Träger der Demokratie. Die mit der Selbstverwaltung verbundene „örtliche Demokratie" rekrutiert ihre personelle Basis nicht anders als die staatliche Demokratie. Es sind dieselben Kräfte, die auf beiden Ebenen wirken 2 3 . Die Identität des volkssouveränen Staatsverbandes w i r d auf der untersten Stufe des demokratischen Staatsaufbaus nicht aufgegeben 24 . Nach der Demokratie und kommunale Selbstverwaltung verbindenden Konzeption des Grundgesetzes verwirklicht sich auch i n der Gemeinde ein Stück Volkssouveränität 25 . Die Gemeinde ist zwar m i t dem Staat nicht identisch, sie besitzt nicht Staatsqualität 26 , sie ist nicht i n die staatliche Hierarchie eingebaut. Durch A r t . 28 GG ist sie jedoch i n das staatliche Institutionengefüge, das System der Hoheitsträger eingegliedert 27 als eine Verwaltungseinheit, die sich zwar von der Hierarchie der staatlichen Verwaltung durch ihre rechtliche Autonomie und die besondere, örtlich verwurzelte Legitimation abhebt, die aber aufgrund ihrer vom Staat abgeleiteten Hoheitsgewalt und ihre Gründung auf die Trägerschaft territorial abgegrenzter Teile des Staatsvolkes „Staatsgewalt i m weiteren Sinn" ist 2 8 . 21 Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 46, 70; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 157 f.; E. Becker, H K W P I, S. 141; ders., GR IV/2, S. 686 ff.; Scholz, S. 50 f.; Niemeyer, S. 127, 153; Wiese, S. 36; Obermayer, S. 26; differenzierend Forsthoff, Lehrbuch, S. 536,551. 22 So Sasse, S. 48. 23 Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 152; von Unruh, S. 19; die Zulässigkeit des Kommunalwahlrechts f ü r Ausländer schon nach geltender Verfassung k a n n nicht damit begründet werden, daß „das Demokratiegebot von A r t . 28 Abs. 1 G G bereits herkömmlich anders verstanden" werde als i m staatlichen Bereich (so Schieberger, S. 598); dies ist mißverständlich; der Unterschied zum Staat besteht nämlich allein darin, daß i n der Gemeinde nicht ein strenges Repräsentativmodell durchgeführt ist, sondern verstärkt plebiszitäre Elemente vorhanden sind; vgl. Ossenbühl, Mitbestimmung, S. 42 ff., 82; die Auslegung des Volksbegriffs i n A r t . 281 2 G G ist davon unberührt. 24 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 96; Leisner, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 131. 25 Die W a h l der Gemeindevertretung sehen als Anwendungsfall der V o l k s souveränität: Gönnenwein, S. 275 f.; Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 46 f., 50; Behrend, S. 377; BVerfGE 8, 122, 132; Körte, S. 23 f.; a. A . Sasse, S. 47. 26 Ossenbühl, Mitbestimmung, S. 29; Stern, D Ö V 1975, S. 518. 27 Dürig, i n : M D H , A r t . 19 I I I , A n m . 38; Körte, S. 7; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 155, 242; Fuß, S. 742; Mronz, S. 156. 28 BVerfGE 8,122,132.

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Die gemeindliche Demokratie w i r k t i m gestuften Staatsaufbau des Grundgesetzes i m Sinne einer Dezentralisation, welche die örtlichen Kräfte des Staatsvolkes m i t ihrer größeren Sachnähe und besseren Kenntnis der zu regelnden Angelegenheiten für die Verwaltung nutzbar macht, ihre demokratische Integration auf das Staatsganze h i n hierdurch fördert und gleichzeitig eine A r t (vertikaler) Gewaltenteilung herbeiführt 2 9 . W i r k t i n der Gemeinde nach Art. 28 I 2 GG der Gedanke der Volkssouveränität, wobei es sich hier also — m i t Ausnahme der territorialen Unterscheidung — nicht u m ein anders abgegrenztes Volk als auf staatlicher Ebene handelt, so kommt es für die Frage der M i t w i r k u n g von Ausländern bei der gemeindlichen Willensbildung nicht darauf an, daß infolge des auf die örtlichen Angelegenheiten begrenzten Aufgabenbereiches der Gemeinde i n i h r über Angelegenheiten, die nur den Gesamtstaat betreffen und daher i n dessen Kompetenzbereich fallen (Verteidigungsfragen, Wehrpflicht ζ. B.), nicht entschieden w i r d und die Ungleichheit zwischen Inländer- und Ausländerstatus, die sich wesentlich aus dem Verhältnis zum Gesamtstaat herleitet, auf unterstaatlicher Ebene nicht sichtbar w i r d 3 0 . Die Einordnung der Gemeinde i n die Stufenfolge demokratischer Integration innerhalb des Staatsverbandes bedingt es, daß der Maßstab demokratischer Egalität auf der Gemeindeebene kein anderer ist als auf der Ebene des (Gesamt-)Staatsverbands. Die Gemeinde kann nicht als isolierter Verband gesehen werden. Die grundrechtlich dem Deutschen gewährte Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebiets, die es i h m scheinbar ermöglicht, sich den Folgen von i h m mitbestimmter gemeindlicher Entscheidungen zu entziehen, ist m i t der Ausreisefreiheit des Ausländers nicht vergleichbar, w e i l der Deutsche dem gesamtstaatlichen Verband verhaftet bleibt 3 1 . b) Gemeindebürgerschaft und Staatsbürgerschaft M i t der Zuweisung der den Selbstverwaltungsbereich der Gemeinde betreffenden Entscheidungsgewalt an die Mitglieder des Staatsvolks, die der Gemeinde angehören, bestimmt das Grundgesetz i n A r t . 28 I 2 GG zugleich, daß die Gemeindebürgerschaft die Staatsbürgerschaft voraus29 Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 70; ders., D Ö V 1975, S. 516; Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 157 ff., 163; ders., Neubestimmung, S. 6, 9, 15 ff., 30; Gönnenwein, S. 33; Pagenkopf, S. 37; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 251 f.; Körte, S. 7, 9 ff.; Wiese, S. 42 ff.; von Unruh, S. 20; ff. ff. Klein, Festschrift Forsthoff, S. 175. 80 Das Argument, auf Gemeindeebene gebe es keine „ U n e n t r i n n b a r k e i t " des Staatsangehörigen, w i r d zugunsten des Kommunalwahlrechts für Ausländer angeführt v o n Kewenig, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 109; Zuleeg, Diskussionsbeitrag, V V D S t R L 32 (1974), S. 111 u n d DVB1. 1974, S. 349; Sasse, S. 48; zweifelnd Schleberger, S. 599. 31 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 93 f., Fußn. 111 u n d S. 114.

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setzt. Die Gemeindebürgerschaft ist gegenüber der Staatsbürgerschaft kein „ a l i u d " 3 2 wie die Mitgliedschaft i n zwei verschiedenen Vereinen, sondern ein Ausschnitt aus ihr, der sich m i t den Kategorien des plus oder minus nicht erfassen läßt, weil es weder eine von der Staatsbürgerschaft isolierte Gemeindebürgerschaft noch das Umgekehrte gibt 3 3 . I n A r t . 28 I 2 GG ist die sogenannte Einwohnergemeinde vorgeschrieben, wie sie schon i m Laufe des späteren 19. Jahrhunderts gefordert und i n A r t . 17 I I WRV erstmals verfassungsrechtlich verankert w a r 3 4 . Die Forderung der Einwohnergemeinde richtete sich gegen den ständischen Bürgerbegriff, nach dem das Gemeindebürgerrecht und die von i h m abhängigen Rechte an Besitz oder einen Zensus geknüpft waren 3 5 , und strebte stattdessen die Verbindung des Gemeindebürgerrechts m i t einem von ständisch-sozialen Privilegien befreiten allgemeinen Staatsbürgerrecht an. A u f ausländische Gemeindeeinwohner bezog sie sich prinzipiell nicht, nicht nur deswegen nicht, weil damals der Ausländeranteil an der Gemeindebevölkerung nicht so hoch war wie heute 36 . Die Zahl der i n Deutschland lebenden Ausländer war damals immerhin schon so hoch 37 , daß man, wäre wirklich die umfassende Einwohnergemeinde i m Sinne des heutigen Einwohnerbegriffs gewollt gewesen, diese nicht hätte übergehen können. Der heute von den Gemeindeordnungen verwendete Begriff des Gemeindebürgers entspricht also der Forderung der Einwohnergemeinde 38 . 4. Gemeinde und gesellschaftliche

Organisationsformen

M i t der vorstehenden Interpretation des A r t . 28 I 2 GG ist auch die Stellung der kommunalen Selbstverwaltung i m Koordinatensystem von Staat und Gesellschaft dargelegt. Werden die Funktionsbereiche von Staat und Gesellschaft durch die Grundrechte abgesteckt 39 , so kann die Gemeinde dem gesellschaftlichen Bereich nicht zugeordnet werden. Sie ist eine politische Lebensform 40 , die mit dem Staat den umfassenden 32

So Sasse, S. 49 ff. Die (unterschiedliche) Aufenthaltsdauer, die die Gemeindeordnungen den Staatsbürgern als Voraussetzung der Teilnahme an den Gemeindewahlen vorschreiben, ist f ü r das Verhältnis von Gemeindebürgerschaft zu Staatsbürgerschaft nicht entscheidend, da sie n u r den Zweck hat, die Kenntnis der Verhältnisse i m Wahlgebiet sicherzustellen. 34 Gönnenwein, S. 69. 35 Gönnenwein, S. 68 ff. 38 Α. A . offenbar Sasse, S. 50. 37 Vgl. 1. Teil, 2. Abschnitt, Fußn. 11. 38 Gönnenwein, S. 70. 39 Vgl. oben unter Β . I. 40 Gönnenwein, S. 249; Scheuner, Neubestimmung, S. 10, 31, 40; Scholz, S. 45 m i t umfangreichen Nachweisen i n Fußn. 59, S. 50 ff. 33

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

Wirkungskreis und die Gebietshoheit, d. h. die Einbeziehung aller Bewohner eines bestimmten Gebietes gemeinsam hat 4 1 . Sie legitimiert sich wie der Staat aus einer (staatshomogenen) Personenallgemeinheit 42 , einem gebietsmäßig abgegrenzten Teil des Staatsvolkes, ist aber nicht grundrechtlich ermöglichte „legitime Besonderheit" 43 ; wie sie Kennzeichen gesellschaftlicher Formationen und Grundlage des gesellschaftlichen Pluralismus ist. Die sonstigen Formen von Selbstverwaltung gründen sich nicht auf eine Gesamtheit, sondern repräsentieren nur bestimmte Interessen, beziehen nur einen bestimmten, funktional abgegrenzten Teil der Allgemeinheit ein und unterscheiden sich hierdurch, auch wenn sie partiell Hoheitsfunktionen wahrnehmen, wesentlich von der kommunalen Selbstverwaltung 4 4 . Dieser Unterschied w i r d übersehen, wenn die Gemeinde, u m die Forderung nach Beteiligung der Ausländer an der örtlichen W i l lensbildung zu stützen, i n eine Reihe m i t den Universitäten 4 5 , der beruflichen und sozialen Selbstverwaltung 4 6 , Vereinen, Gewerkschaften und politischen Parteien 4 7 gestellt wird. Das Mitwirkungsrecht der akademischen Mitglieder der Universität beruht auf dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 I I I GG), soweit dessen personelle Geltung reicht, i m übrigen auf dem Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 GG), rechtfertigt sich also aus einer bestimmten gesellschaftlichen Funktion, die den Universitätsmitgliedern gemeinsam ist, nicht aber aus der Allgemeinheit des Staatsvolkes oder gebietsmäßig abgegrenzter Teile von i h m 4 8 . Soweit der Ausländer an diesen Grundrechten teilhat, müssen i h m daher die gleichen Mitwirkungsrechte eingeräumt werden 4 9 . Dies gilt entsprechend für die berufliche und soziale Selbstverwaltung 5 0 und ebenso für die Vereine und Gewerkschaften, die ihre Existenz 41

Peters, S. 55 f.; Krüger, Staatslehre, S. 866; Gönnenwein, S. 4; Pagenkopf, S. 38; Scheuner, Neubestimmung, S. 10; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 240. 42 Böckenförde, Rechtsfragen, S. 34, A n m . 47; H. ff. Klein, Festschrift Forsthoff, S. 183. 43 Zit. Krüger, Staatslehre, S. 350; ähnlich Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 254. 44 Dieser Unterschied w i r d hervorgehoben von: Peters, S. 56; Scheuner, Neubestimmung, S. 10; W. Thieme, A f K 1963, S. 192; Scholz, S. 51 f.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 155, 252; ders., V V D S t R L 32 (1974), S. 96 f.; Böckenförde, Rechtsfragen, S. 34, A n m . 47; ff. ff. Klein, Festschrift Forsthoff, S. 183; Hamann / Lenz, A r t . 80, Β 3 b, S. 546. 45 So Dolde, Ausländer, S. 87; Sasse, S. 52; Ruland, S. 13 (bezüglich m i t t e l barer Staatsverwaltung i m allgemeinen). 46 Sasse, S. 48 f R u l a n d , S. 13 (wie Fußn. 45). 47 Sasse, S. 51. 48 Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 85, 97. 49 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 85, 97. 50 Die öffentlich-rechtliche Rechtsform (Körperschaft des öffentlichen Rechts) ist für die Einordnung i n die Kategorien von Staat u n d Gesellschaft

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der grundrechtlich gesicherten Vereins- und Koalitionsfreiheit ihrer M i t glieder verdanken 5 1 . Auch die politischen Parteien haben grundrechtliche Wurzeln (Art. 9 I GG) und stehen dem Ausländer, soweit er Träger des Grundrechts sein kann, offen. Dementsprechend läßt § 2 I I I des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. 7. 1967 (BGBl. I, S. 773) die Parteimitgliedschaft von Ausländern zu. Nach den Satzungen von SPD, FDP und D K P können Ausländer Parteimitglieder werden 5 2 . Aus der besonderen Funktion der Parteien, der M i t w i r k u n g bei der politischen Willensbildung des Staatsvolkes (Art. 21 I GG), ergeben sich jedoch verfassungsrechtliche Grenzen ihrer Mitgliedschaftsbefugnisse insoweit, als durch Parteientscheidungen bereits die Willensentschließung des Staatsvolkes präjudiziert w i r d 5 3 . Für die Einordnung „organisierter Wirkeinheiten" 5 4 i n den Funktionsbereich von Staat und Gesellschaft ist nicht der tatsächliche Gegenstand der von ihnen erbrachten Leistungen, sondern ihre Legitimation maßgebend. Es kommt daher nicht darauf an, daß gesellschaftliche Verbände wie zum Beispiel Kirchen, Sozialversicherungsträger oder Gewerkschaften heute Leistungen anbieten können, die i n ihrer „existenziellen" Bedeutung an die Leistungen des Sozialstaats und seines Exponenten, der Gemeinde, heranreichen können bzw. sich nicht von ihnen unterscheiden 55 . Entscheidend ist, daß sich die Gemeinde nach A r t . 28 I 2 GG aus der Personenallgemeinheit des zum Gemeindegebiet gehörenden Teils des Staatsvolkes, also demokratisch legitimiert, während sich die andeohne Aussagewert, dies verdeutlicht besonders gut das Beispiel der Kirchen; vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 156. 51 Z u den Berufskammern als Mischgebilden mittelbarer Staatsverwaltung u n d gesellschaftlicher Selbstverwaltung vgl. Brandstetter, S. 76 f. 52 Vgl. die Nachweise bei Henkel, Integration, S. 92, Fußn. 5 u n d 8. 53 §22 I B W a h l G folgt einem Verfassungsgebot, indem er Ausländer von der Beteiligung an der Nominierung der Wahlbewerber einer Partei ausschließt; vgl. Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 98 m i t Fußn. 124; Henkel, Integration, S. 92. 54 Begriff von Böckenförde, Unterscheidung, S. 22, 24 f. ; nach Heller, Staatslehre, ζ. B. S. 228. 55 Hierauf stellt Sasse, S. 49, ab, u m dann die kommunale Selbstverwaltung auf einen Nenner m i t Sozialversicherung, Gewerkschaft u n d Betrieben (!) bringen zu können; das K o m m u n a l Wahlrecht für Ausländer läßt sich nach geltendem Verfassungsrecht nicht m i t der sozialstaatlichen Kompetenz der Gemeinde i m Bereich der „Daseinsvorsorge" begründen, da eine solche auch dem Staat insgesamt zukommt. Überhaupt ist das K r i t e r i u m der „Daseinsvorsorge" i n diesem Zusammenhang unbrauchbar, da es die Gemeinde weder v o m Staat noch von privaten Organisationen oder privaten Einzelnen unterscheidet. Berechtigt ist aber die rein tatsächliche Feststellung von W. Thieme, A f K 1963, S. 191 f. u n d Laux, S. 225, die darauf hinweisen, der Bürger sei heute i n stärkerem Maße Verbandsbürger als Gemeindebürger; es komme i h m i m Endeffekt n u r auf den Empfang der (Versorgungs-)Leistungen an, nicht darauf, w e r sie erbringe; ähnlich von Unruh, S. 21.

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III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

ren Verbände grundrechtlich legitimieren 5 6 . Die Legitimation dieser Verbände ist gerade keine demokratische 57 i m Sinne des Grundgesetzes, sondern folgt allenfalls „demokratischen Grundsätzen" 58 , Die Gemeinden sind demgegenüber als Stufe i m demokratischen Staatsaufbau vom Staat nicht grundrechtlich abgesetzt 59 , auch wenn sie durch eine verfassungskräftige institutionelle Garantie gegenüber der staatlichen Verwaltungshierarchie eine Sonderstellung einnehmen. Sie sind auch nicht Sachwalter von Grundrechten ihrer Bürger 6 0 . Sie sind daher keine gesellschaftlichen Gebilde, sondern stehen als grundrechtsgebundene und vom (Teil-)Volk legitimierte Hoheitsträger auf der Seite des Staates, an dessen spezifischen Funktionen, die i h n qualitativ von gesellschaftlichen Wirkeinheiten unterscheiden, nämlich Gewaltmonopol und Rechtsetzungsmonopol 61 , sie partizipieren 6 2 . M i t dieser Feststellung soll die Nähe und Brückenfunktion zum gesellschaftlichen Bereich, die der Gemeinde als Element dezentralistischer Staatsorganisation zukommt 6 3 , nicht geleugnet werden. W i r d dagegen der Gemeinde ein „gesellschaftlich-politisches Mandat" zugesprochen, so liegt dem ein anderer Gesellschaftsbegriff zugrunde, 56 Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 96 f.; ebenso schon ders., Subsidiaritätsprinzip, S. 240 ff., 252, 260; allgemein zur Frage der Grundrechtsfähigkeit j u r i stischer Personen des öffentlichen Rechts vgl. Dürig, i n : M D H , A r t . 19 I I I , A n m . 30 ff.; Brandstetter, S. 75 ff. m. w. N. 57 So aber Sasse, S. 48; sein Argument, die Grenze zwischen wirtschaftlicher u n d kommunaler Selbstverwaltung sei eine i n verschiedenen politischen Systemen unterschiedlich gelöste Angelegenheit der politischen Opportunität, was sich anhand der verschiedenen Regelungen i n Westeuropa nachweisen lasse, zieht deshalb nicht, w e i l f ü r eine verfassungsrechtliche Untersuchung n u r das konkrete politische System, das die Verfassung konstituiert, nicht aber das anderer Staaten interessiert. Wie Sasse auch Zuleeg, DVB1. 1974, S. 349. Der Begriff „demokratische Legitimation" w i r d i m Sinne des Textes gebraucht von Böckenförde, Rechtsfragen, S. 34, A n m . 47 u n d sinngemäß v o n Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 96. 58 Vgl. i n diesem Zusammenhang die Formulierung des A r t . 21 I 3 GG, der deutlich zwischen demokratischer Legitimation (wie sie auch die Parteien nicht aufweisen, da sie sich nicht aus der Personenallgemeinheit des Staatsvolkes oder eines gebietsmäßig abgegrenzten Teiles desselben legitimieren) u n d verbandsinterner S t r u k t u r nach „demokratischen Grundsätzen" unterscheidet; widersprüchlich hierzu Püttner, S. 53. 59 Vgl. Bull, S. 98. 60 Dürig, i n : M D H , A r t . 19 I I I , A n m . 38. 61 Vgl. Böckenförde, Unterscheidung, S. 30 f. 62 Den gesellschaftlichen Charakter der Gemeinde verneinen: Scheuner, Gemeindeverfassung, S. 151 f., 156 ff.; ders., Neubestimmung, S. 3 ff., 6 ff., 29 f.; Isensee, V V D S t R L 32 (1974), S. 96 m i t Fußn. 118; ders., Subsidiaritätsprinzip, S. 242 m i t Fußn. 77; Fuß, S. 741; Körte, S. 7; Bull, S. 51; Stern, DÖV 1975, S. 516; a. A . Salzwedel, W D S t R L 22 (1963), S. 222 ff., 233, 255 ff. 63 Dezentralisation der Staatsorganisation erscheint als K l a m m e r von Staat u n d Gesellschaft bei Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 256; ähnlich Scholz, S. 52 m. w. N.

Β. Gemeinde und Staat

125

der sein Korrelat i n einem zentralistischen Staatsbegriff findet. Gesellschaft ist dann schon alles, was sich nicht aus dem Staatsvolk i n seiner Gesamtheit herleitet; die Gemeinde verwirklicht dann schon deshalb ein gesellschaftliches Prinzip, w e i l sie nicht i n der staatlichen Verwaltungshierarchie steht 64 . Ein solcher Gesellschaftsbegriff vermag jedoch den entscheidenden Unterschied der Legitimationsgrundlage, nämlich den Unterschied zwischen demokratischer und grundrechtlicher Legitimation, der nach der Verfassung zwischen kommunaler und sonstiger Selbstverwaltung, Gemeinden und Vereinen sowie Koalitionen besteht, nicht zu erfassen. 5. Art 2812 GG als „demokratische

Mindestverbürgung"?

M i t der aktuellen Verfassungsposition der Gemeinde als die unterste Stufe i m demokratischen Staatsaufbau, die von dem zum Gemeindegebiet gehörenden Teil des Staatsvolkes getragen wird, steht die oben 65 bereits dargelegte Auslegung des A r t . 28 I 2 GG i m Sinne einer Mindestverbürgung demokratischer Vertretung zugunsten der deutschen Gemeindeeinwohner 66 nicht i n Einklang, da sie auf der nicht haltbaren Prämisse einer gesellschaftlichen Natur der kommunalen Selbstverwaltung beruht und das Wesen demokratischer Vertretung verkennt. I n Art. 28 I 2 GG w i r d entsprechend der grundgesetzlichen Konzeption der staatshomogenen „örtlichen Demokratie" der spezifisch demokratische Begriff der Volksvertretung gebraucht. Hiermit ist nicht nur der Vorgang politischer Vertretung i m Sinne von Repräsentation, sondern zugleich das Organ bezeichnet, i n dem diese Repräsentation stattfindet. Volk und Vertretung stehen sich auch auf Gemeindeebene als repräsentierte Einheit und Repräsentant i m Sinne demokratischer Repräsentation gegenüber 67 . Dieser von der Verfassung vorgesehene Repräsentationszusammenhang wäre aufgehoben, wenn die zu repräsentierende Einheit u m die Ausländer erweitert würde: Die Kommunal Vertretung wäre keine Volksvertretung mehr, sobald Personen, die nicht zum Volk gehören, Einfluß auf ihre Zusammensetzung hätten 6 8 . Wie auf der staatlichen Ebene läßt sich auch i n der Gemeinde die Herrschaftszuständigkeit nicht ausdehnen, ohne daß damit die Herrschaft der hierzu verfassungsmäßig eingesetzten Personeneinheit geschmälert, d. h. aufgehoben wird. Eine Mindestverbürgung als eine A r t verfassungsrechtliches Günstigkeitsprinzip ist mit demokratischer Herrschaftszu64

So Sasse, S. 37,41 ff., 51, 60; u n k l a r Scholz, S. 44, 50,52 f. Vgl. 3. Teil, 1. Abschnitt, A . 86 Sasse, S. 45,60. 87 Dem steht nicht entgegen, daß die Gemeindevertretung nicht Parlament, sondern Organ der V e r w a l t u n g ist; vgl, Forsthoff, Lehrbuch, S. 551. 88 Vgl. oben 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap., C. I. 85

126

III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

ständigkeit nicht vereinbar, weil sie notwendig zu deren qualitativer Veränderung führt 6 9 . M i t der Zuweisung der Legitimationsfunktion an das Volk i n den Gemeinden sind hiervon alle nicht zum Volk gehörenden Personen ausgeschlossen. Der Hinweis auf A r t . 33 I GG 7 0 ändert hieran nichts, weil diese Norm selbst, soweit sie die staatsbürgerlichen Rechte i m engeren Sinn (status activus) betrifft, wegen ihres Zusammenhanges mit A r t . 20 I I 1 GG nicht i m Sinne einer „Mindestverbürgung" gedeutet werden kann 7 1 . Auch das Argument, A r t . 28 I GG habe als Homogenitätsklausel lediglich rahmensetzenden Charakter 7 2 , trägt dessen Interpretation als M i n destverbürgung nicht. Es t r i f f t zwar zu, daß die Homogenitätsklausel von ihrer Zielsetzung her einer Gestaltung der Verfassungsordnung der Länder und Gemeinden, die hinsichtlich der Ausformung des demokratischen Prinzips Differenzierungen vornimmt, d. h. „demokratischer" ist als die des Bundes, nicht entgegensteht 73 . Sie stellt insoweit nur die demokratischen Mindestanforderungen auf. Die Möglichkeiten, an die hierbei gedacht ist, liegen zum Beispiel i n der Verstärkung des plebiszitären Elements, also einem Mehr an unmittelbarer Demokratie durch Volksabstimmungen, oder i n der Ausweitung des allgemeinen Wahlrechts durch Herabsenkung des Wahlalters 7 4 . Den Ländern steht es nach geltender Verfassung also frei, sich i n ihrem Bereich dem demokratischen Ideal der Identität von Regierenden und Regierten noch mehr zu nähern, die Herrschaft des Volkes unmittelbarer zu realisieren, nicht jedoch Personen, die nicht zum Staatsverband gehören, Herrschaftsrechte einzuräumen und dadurch die Identität des Staatsverbandes aufzuheben.

C. Die Regelungen der Länderverfassungen I n den Bestimmungen der Landesverfassungen, die die kommunalen Vertretungsorgane zum Gegenstand haben, findet sich kein ausdrücklicher Wahlrechtsvorbehalt zugunsten der deutschen Gemeindeeinwohner. Lediglich A r t . 12 I der bayerischen und A r t . 50 I der rheinlandpfälzischen Verfassung verweisen für die Kommunalwahlen auf die 89

Vgl. oben 2. Teil, 1. Abschnitt, B. I I I . Sasse, S. 45. 71 Dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt, B. I I I . 72 Sasse, S. 45. 73 Vgl. Stern, B K , A r t . 28 (Zweitbearb.), A n m . 22, 54 f.; Maunz, i n : M D H , A r t . 28, A n m . 5. 74 Maunz, i n : M D H , A r t . 28, A n m . 11 - 14. 70

C. Die Regelungen der Länderverfassungen

127

Grundsätze für die Landtagswahlen. Die i n Bezug genommenen Vorschriften führen nicht nur die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, gleichen, freien und geheimen Wahl auf, sondern gewähren das (Landtags-)Wahlrecht ausdrücklich nur Deutschen. Da A r t . 281 2 GG gemäß A r t . 31 GG auch Landesverfassungsrecht vorgeht und eventuell entgegenstehende Bestimmungen der Landesverfassung verdrängt, ist die Verleihung des Kommunalwahlrechts an Ausländer dem Landesgesetzgeber auch nach Landesverfassungsrecht nicht gestattet. Fraglich kann nur sein, ob überhaupt abweichendes Landesverfassungsrecht vorhanden ist. Dies wäre der Fall, wenn die erwähnten A r t . 12 I BayVerf und A r t . 50 I RhPfVerf den Ausländer vom Kommunalwahlrecht nicht ausschließen, sondern lediglich dieses Recht allen Deutschen, i m Unterschied zu Landesangehörigen i n einem engeren Sinn, verbürgen wollten, also eine Mindestverbürgung enthielten. Dies w i r d i n der Literatur 1 mit der Begründung angenommen, die genannten Bestimmungen seien — offenbar insbesondere wegen ihres A u f baus m i t der Verweisungstechnik — Art. 17 WRV nachgebildet. Dieser enthielt i n Absatz 1, ähnlich wie heute A r t . 28 I GG, Vorschriften über die Gestaltung der Länderverfassungen; neben den bekannten Wahlrechtsgrundsätzen war festgelegt, daß die Landesvolksvertretung von allen i m Lande wohnenden Reichsdeutschen gewählt werden mußte. I n A r t . 17 I I WRV wurde dann ausgesprochen, daß die Grundsätze für die Wahlen zur Volksvertretung auch für die Gemeindewahlen gelten sollten. M i t der Hervorhebung des Landtagswahlrechts aller Reichsdeutschen habe Art. 17 WRV — und entsprechend der auf i h n verweisende Art. 17 I I WRV — ausschließlich ein Verbot der Diskriminierung nach innerdeutscher Landesangehörigkeit ausgesprochen, nicht aber Staatsfremde vom Wahlrecht ausschließen wollen. Wegen des entstehungsgeschichtlichen Zusammenhanges müsse Entsprechendes für A r t . 12 I BayVerf und A r t . 501 RhPfVerf gelten. Diese Auffassung beruht auf einer unzutreffenden Auslegung des A r t . 17 WRV und übersieht den bundesstaatlichen Rahmen der beiden Landesverfassungen. A r t . 17 WRV kann nicht ausschließlich als innerdeutsches Diskriminierungsverbot, sondern muß wegen seines Zusammenhanges m i t A r t . 1 I I WRV auch als Abgrenzungsnorm gesehen werden. Indem er alle i n einem Land wohnenden Reichsdeutschen den Landesangehörigen (d. h. den Staatsangehörigen i m Sinne des RuStG) gleichstellt, n i m m t er eine Neubestimmung des egalitären Staatsverbandsvolkes der Länder vor, von 1

Sasse, S. 34 ff.

128

III. Teil, 1. Abschn.: Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen

dem nach A r t . 1 I I WRV die Staatsgewalt i n den Ländern ausgeht 2 . A r t . 17 WRV schließt i n Verbindung mit A r t . 1 I I WRV also Ausländer aus. Für ihn gilt dasselbe wie für A r t . 33 I, 20 I I GG 3 . Die beiden Landesverfassungen setzen, ebenso wie alle anderen Landesverfassungen, den bundesstaatlichen Zusammenschluß voraus. Dieser ist Verfassungsbestandteil. Die Ausdehnung der Wahlberechtigung auf alle i m Lande wohnenden Deutschen trägt i h m und A r t . 33 I GG Rechnung. Ohne den bundesstaatlichen Zusammenschluß und das von i h m begründete gemeinsame Indigenat des A r t . 33 I GG wären die A k t i v b ü r gerrechte auf Landesangehörige i m engeren Sinn 4 beschränkt. Bei einer demokratischen Verfassung der Bundesländer könnten hierzu Ausländer mangels demokratischer Egalität nicht gehören. Die Verweisungen i n A r t . 12 I BayVerf und A r t . 50 I RhPfVerf setzen diese Zusammenhänge voraus und schließen daher ebenso wie A r t . 28 I 2 GG Ausländer vom Kommunalwahlrecht aus. I m übrigen kann hinsichtlich der Annahme einer Mindestverbürgung auf die entsprechenden Ausführungen zu A r t . 28 I 2 GG verwiesen werden 5 . D. Ergebnis A r t . 28 I GG läßt die gesetzliche Übertragung des Kommunalwahlrechts an Ausländer nicht zu. Dies gilt für das aktive Wahlrecht und — entsprechend den Regeln demokratischer Repräsentation analog zur Verfassungsrechtslage für die Bundes- und Landesebene — auch für das passive Wahlrecht 6 .

2 Z u r Geltung des A r t . 1 I I W R V f ü r die Länderstaatsgewalt vgl. Anschütz, A n m . 3 zu A r t . 1, S. 38 f.; Liermann, S. 176. 3 Dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt, B. I I I . 4 Die Länder müßten dann formell eine eigene Staatsangehörigkeit einführen (vgl. A r t . 74 Nr. 8 GG). 5 Vgl. oben B . I I I . 5. 6 F ü r die Gemeindeebene w i r d dies durch A r t . 28 I 3 G G verdeutlicht: Danach k a n n i n (kleinen) Gemeinden an die Stelle einer gewählten K ö r p e r schaft die Gemeindeversammlung treten, i n der alle a k t i v Wahlberechtigten u n m i t t e l b a r die Sachentscheidungen treffen. W i r d wegen der Größe einer Gemeinde die W a h l einer Vertretungskörperschaft notwendig, so k a n n dies nicht das passive Wahlrecht von Personen, die verfassungskräftig v o m aktiven Wahlrecht ausgeschlossen sind, begründen; ebenso Ruland, S. 13.

III. Teil, 2. Abschn.: Kommunalwahlrecht de Constitutione ferenda

129

2. Abschnitt

Zulässigkeit der Verleihung des Kommunalwahlrechts an Ausländer de Constitutione ferenda Einer Verfassungsänderung, die es ermöglicht, Ausländern das K o m munalwahlrecht einzuräumen, könnte A r t . 79 I I I GG nur insofern entgegenstehen, als er das zu den Grundsätzen des A r t . 20 GG gehörende demokratische Prinzip absolut schützt. Für die Unzulässigkeit einer derartigen Verfassungsänderung müßte, da der K e r n des demokratischen Prinzips von A r t . 20 I I 1 GG umschrieben wird, der Nachweis erbracht werden, daß die M i t w i r k u n g von Ausländern bei der Gemeindewahl gegen den Grundsatz, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgehe, verstieße. Das Ergebnis hängt von der Bedeutung des A r t . 20 I I 1 GG ab. Nach den bisherigen Überlegungen bezieht sich dieser Satz auf das (gesamte) Staatsvolk des Bundes oder eines Landes und bestimmt, daß jegliche Ausübung hoheitlicher Gewalt auf die Legitimation durch dieses Volk, d. h. i m Selbstverwaltungsbereich der Gemeinden wegen ihrer Zuordnung zum Verfassungsbereich der Länder letztlich auf die Legitimation des Landesvolkes, zurückführbar sein müsse. Dieser Inhalt des A r t . 20 I I 1 GG erlaubt zunächst die Feststellung, daß die Existenz von Gemeinden als örtlichen Selbstverwaltungsträgern m i t Entscheidungskompetenzen des zum Gemeindegebiet gehörenden Teiles des Staatsvolkes nicht durch A r t . 20 I I 1 GG vorgeschrieben ist. Dies erfolgt vielmehr allein durch A r t . 28 GG. Dementsprechend genießt die Existenz von Gemeinden nicht den Schutz des A r t . 79 I I I GG. Dies ergibt sich auch aus Art. 79 I I I GG selbst insofern, also dort nur die Gliederung des Bundes i n Länder, nicht aber die weitere Untergliederung der Länder der Verfassungsänderung entzogen und A r t . 28 I 2 und I I GG als die Verfassungsgrundlagen der Gemeinden nicht erwähnt sind 1 . Die gemeindliche Selbstverwaltung ist i n ihrem Kernbereich nur vor dem Gesetzgeber, nicht vor dem Verfassungsgesetzgeber geschützt. Der Grundsatz der Demokratie i m Sinne von A r t . 20, 79 I I I GG wäre also nicht berührt, wenn durch Verfassungsänderung eine zentralistische Demokratie ohne demokratisch strukturierte unterstaatliche Gebietskörperschaften geschaffen würde. Diese Feststellung könnte die Schlußfolgerung nahelegen, daß, wenn schon nicht die Existenz von Gemeinden m i t Volksvertretungen und Selbstverwaltungsrecht notwendig aus A r t . 20 I I 1 GG folgen und daher nach A r t . 79 I I I GG Bestand haben, dann auch nicht, quasi als minus i m 1

9

Vgl. Stern, D Ö V 1975, S. 518, r. Sp.

Birkenbeier

III. Teil, 2. Abschn.: Kommunalwahlrecht de Constitutione ferenda Verhältnis hierzu, bei Bestehen von Gemeinden, deren innere Verfassung i n bezug auf die personelle Homogenität der Entscheidungsträger m i t dem Staatsvolk unabänderlich ist. Diese Folgerung würde sich aber dann als unrichtig erweisen, wenn jedenfalls, solange die Existenz von Gemeinden verfassungsrechtlich vorgesehen ist, nicht erst A r t . 28 I 2 GG, sondern doch bereits A r t . 20 I I 1 GG die Beteiligung der Ausländer ausschließen würde, wenn also die jetzige Fassung des A r t . 28 I 2 GG („Volk" i n den Gemeinden) notwendige Konsequenz des A r t . 20 I I 1 GG wäre. Diese Frage w i r d nicht bereits durch den Hinweis beantwortet, daß Ausländer schon heute i n anderen Körperschaften der mittelbaren Staatsverwaltung, also etwa i m Bereich der Selbstverwaltung der Sozialversicherung, der Berufskammern und der Universitäten kraft Gesetzes Mitwirkungsrechte besitzen 2 . Das Bestehen einer gesetzlichen Regelung besagt zunächst nichts über deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit. Da die genannten Selbstverwaltungskörperschaften i m übrigen auch auf anderer Grundlage basieren 3 und Personalkörperschaften sind, müßte, wer die Zulässigkeit einer Verfassungsänderung zugunsten des Ausländerwahlrechts i n der Gemeinde vertritt, den Einwand ausräumen, daß die besondere Natur der Gemeinde als Gebietskörperschaft mit nicht sachlich begrenzter, sondern universeller Kompetenz gegenüber den Personalkörperschaften einen so wesentlichen Unterschied begründe, daß die Gebietsherrschaft auf der Ebene der Gemeinde notwendig, wie auf staatlicher Ebene, ausschließlich Sache des (Teil-)Staatsvolkes sei. Es hieße aber A r t . 20 I I 1 GG einen doppelten Inhalt geben, wollte man i h n i n Verbindung m i t A r t . 79 I I I GG bei Dezentralisierung der Hoheitskompetenzen als Sperre gegen die Delegation von (Gebiets-)Hoheitsgewalt i n den Gemeinden auch an Personen, die nicht zum Staatsverband gehören, verstehen. Art. 20 I I 1 GG müßte dann — abgesehen von dem Erfordernis der Rückführbarkeit jeglicher Ausübung von Hoheitsfunktionen auf die Legitimation des gesamten Staatsvolkes — zusätzlich auch besagen, daß bei dezentralisierender Delegation von Hoheitsfunktionen — jedenfalls i m Rahmen der Gebietshoheit — i n den Organisationen, die Delegationsempfänger sind, nur Angehörige des Staatsverbands entscheidungsberechtigt sein dürften. Eine derartige zusätzliche Bedeutung läßt sich aber aus A r t . 20 I I 1 GG nicht ermitteln. Dem Erfordernis der Legitimation jeder Ausübung hoheitlicher Gewalt durch das gesamte Volk des Staatsverbandes, wie es A r t . 20 I I 1 GG 2 So i m Zusammenhang m i t der Frage der Verfassungsänderung Ruland, S. 13 i. V. m. S. 9, Fußn. 6. 8 Z u ihrer grundrechtlichen Legitimation vgl. oben 3. Teil, 1. Abschnitt, B. I I I . 4.

III. Teil, 2. Abschn.: Kommunalwahlrecht de Constitutione ferenda

131

postuliert und dem Bestandsschutz nach A r t . 79 I I I GG zugrunde liegt, ist i m Falle der Delegation von Hoheitsgewalt auf unterstaatliche Träger mittelbarer Staatsverwaltung Genüge getan, wenn die Delegation selbst auf das Staatsvolk zurückgeführt werden kann und i n Gestalt der staatlichen Aufsicht an das Volk gebunden bleibt. Dieser Legitimationsgrundsatz des A r t . 20 I I 1 GG wäre auch i m Falle der M i t w i r k u n g von Ausländern an der Wahl der kommunalen Vertretungsorgane gewahrt, da die Gemeinde auch dann ihre Hoheitsfunktionen vom Staatsvolk ableiten würde und durch die staatliche Hechtsaufsicht gebunden wäre. Ein prinzipieller Unterschied i n bezug auf das Delegationsverhältnis gegenüber dem Staat bestünde zwischen der Gemeinde als unterstaatlicher Gebietskörperschaft und den Personalkörperschaften nicht. A r t . 20 I I 1 GG läßt nicht erkennen, daß es insoweit auf die Rechtsnatur des Delegationsempfängers ankommen könnte. Die Tatsache, daß die Gemeinde Gebietshoheit innehat und einen umfassenden Wirkungskreis besitzt, liefert keinen Gesichtspunkt, welcher der Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer i m Rahmen der A r t . 79 I I I , 20 GG entgegenstehen könnte. Nicht der Grundsatz der Demokratie gemäß A r t . 20 GG, sondern die personelle Homogenität zwischen Bund und Ländern einerseits und Gemeinden andererseits wäre demnach durch eine solche Verfassungsänderung aufgehoben. Diese Homogenität folgt für die Gemeinden allein aus A r t . 28 I 2 GG. Die personelle Homogenität i m Sinne einer Homogenität der Zugehörigkeit zum egalitären Volk des Staatsverbandes wird, soweit sie nicht ihrerseits — wie für die Länder als Staaten — als Ausw i r k u n g und Forderung des demokratischen und des bundesstaatlichen Prinzips bereits i n den Grundsätzen des A r t . 20 GG enthalten ist, von Art. 79 I I I GG nicht geschützt 4 . Eine Grundgesetzänderung, die das Kommunalwahlrecht für Ausländer ermöglicht, wäre daher zulässig 5 . Die Gemeinde würde dadurch allerdings infolge der veränderten Struktur der i n ihr entscheidenden Personeneinheit aus dem gestuften demokratischen Staatsaufbau herausgelöst und i n die Nähe gesellschaftlicher Organisationsformen gerückt 6 , innerhalb deren sie aber weiterhin durch den umfassenden Kompetenzbereich eine Sonderstellung einneh4 Aus den von Ruland, S. 12 Fußn. 71, zitierten Entscheidungen BVerfGE 1, 208, 255 u n d 4, 45 geht allerdings nicht hervor, daß das Bundesverfassungsgericht die Homogenität nur f ü r Bundes- u n d Landtagswahlen fordert. Das Gericht stellt vielmehr n u r fest, daß Homogenität jedenfalls auf diesen beiden Ebenen erforderlich ist. 5 I m Ergebnis ebenso Behrend, S. 377; Henkel, Integration, S. 107; Ruland, S. 12 f. 0 Grundrechtsträger oder Sachwalter von Mitgliedergrundrechten wäre sie aber auch danach nicht.



III. Teil, 2. Abschn.: Kommunalwahlrecht de Constitutione ferenda men würde. Die neue Legitimationsbasis und die damit notwendig verbundene Wesensveränderung der Gemeinde wären gegenüber der jetzigen gebietskörperschaftlich gegliederten Demokratie des Grundgesetzes m i t personell homogener Trägerschaft zwar verfassungsrechtlich inkonsequent. Inkonsequenz allein begründet jedoch kein verfassungsrechtliches Verbot einer Verf assungsänderung. Eine etwaige Verfassungsänderung dürfte sich nicht nur auf das aktive, sondern müßte sich auch auf das passive Wahlrecht erstrecken. Gerade wenn man beim Kommunalwahlrecht auf die gleiche Betroffenheit des ausländischen Gemeindeeinwohners, auf den begrenzten politischen Rahmen und das weitgehende Fehlen außenpolitischer Implikationen i n der Gemeinde abstellt, kann es keinen rechtlichen oder sachlichen Grund geben, Ausländern, sofern sie das aktive Wahlrecht besitzen, das passive vorzuenthalten 7 . Hiervon unberührt bleiben die höheren persönlichen Anforderungen, von denen das passive Wahlrecht — auch bei Deutschen — abhängig gemacht werden kann. Bei Ausländern kämen etwa eine längere Mindestaufenthaltsdauer, als sie für das aktive Wahlrecht erforderlich wäre, oder höhere Anforderungen an Deutschkenntnisse i n Betracht 8 . Diese Fragen brauchten aber nicht Gegenstand der Verfassungsregelung zu sein, sondern könnten den an die Verfassungsänderung anzupassenden Kommunalwahlgesetzen überlassen bleiben.

7 8

Ruland, S. 13; Sasse, S. 58. Ruland, S. 13; Sasse, S. 54.

Schluß I. Rechtspolitische Anmerkungen Die vorliegende Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß das Grundgesetz i n seiner geltenden Fassung dem Gesetzgeber verbietet, Ausländer zu den Wahlen zum Bundestag, zu den Landtagen (Bürgerschaften) und zu den Kommunalvertretungen zuzulassen, und daß es darüber hinaus eine Verfassungsänderung nur i m Hinblick auf das K o m munalwahlrecht erlaubt. Da die Arbeit nur zum Gegenstand hatte, die politische Forderung nach dem Wahlrecht für Ausländer auf ihre rechtliche Realisierbarkeit zu überprüfen, mußte die politische Dimension des Themas i n diesem Rahmen weitgehend außer Betracht bleiben. Auch soweit die Arbeit i m Ergebnis einen verfassungsrechtlich gangbaren Weg für das Ausländerwahlrecht sieht, nämlich i m kommunalen Bereich nach vorheriger Verfassungsänderung, können die hieran anschließenden rechtspolitischen Fragen an dieser Stelle nur i n groben Zügen angedeutet werden. Zu denken wäre etwa an das Problem, ob Ausländer nur über deutsche politische Gruppierungen kandidieren und gewählt werden könnten oder sollten oder ob nicht das Wahlrecht konsequenterweise das Recht zur Bildung eigener Gruppierungen und Listen impliziert. Auch der Umfang des Rechts der Ausländer auf politische Betätigung sowie dessen grundrechtliche Absicherung müßten neu überdacht werden. Für den Fall, daß es zur Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer kommen sollte, müßte es allen Ausländern, die Einwohner einer Gemeinde sind, übertragen werden, also nicht nur den Arbeitnehmern unter ihnen, sondern auch allen Selbständigen. Diese Selbstverständlichkeit w i r d i n der politischen Diskussion, sofern sie auf „Gastarbeiter" beschränkt ist, gelegentlich übersehen. Eine Beschränkung des Kommunalwahlrechts auf ausländische Arbeitnehmer 1 1 Eine solche Beschränkung soll von der kommunalpolitischen Bundeskonferenz der SPD am 13. 10. 1974 i n Nürnberg erörtert worden sein (nach Süddeutsche Zeitung v o m 14. 10. 1974, S. 5). Das beschlossene Grundsatzprogramm enthält diese Einschränkung jedoch nicht. D o r t ist vorgesehen, daß generell

134

Schluß

und deren Familienangehörige i m wahlfähigen Alter würde Klassenunterschiede schaffen und wäre m i t Art. 3 GG nicht zu vereinbaren. Unabhängig von diesen Einzelfragen bedarf es jedoch der grundsätzlichen Überlegung, ob die verfassungsrechtlich mögliche Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer verfassungs- und staatspolitisch sinnvoll wäre. Die Frage kann nicht einseitig unter dem Gesichtspunkt des Integrationswertes des Kommunalwahlrechts beantwortet werden. Die Folgen der Aufgabe der Staatshomogenität auf der Kreis- und Ortsstufe und damit der Herausnahme der Kommunen aus dem gestuften demokratischen Staatsaufbau bedürften eingehender Prüfung. Gegenüber einer Lösung, die Staat und Kommunen verschieden strukturiert, erscheinen zwei andere, sich ergänzende Wege geeigneter, die Probleme der politischen Integration von Ausländern zu bewältigen: Zum einen die Erleichterung der Einbürgerung, die für alle Ausländer, die auf Dauer bleiben wollen, und insbesondere für diejenigen unter ihnen, die dies — wie die Angehörigen von EG-Mitgliedstaaten — auch rechtlich können, ohnehin die angemessene Regelung wäre; zum anderen die beschleunigte Entwicklung eines „europäischen Staatsbürgerrechts" i m Rahmen einer nicht nur funktionell-ökonomisch, sondern auch politisch verstandenen europäischen Integration. Dies wäre zudem die konsequente, wenn auch auf die Mitgliedstaaten der EG beschränkte Fortsetzung der bisherigen rechtlichen Gleichstellung der Angehörigen der Mitgliedstaaten auf der Basis der Gegenseitigkeit. Da diese beiden Wege die Homogenität der Entscheidungsträger i n Kommune und Staat bewahren, erscheinen sie folgerichtig und systemgerecht. II. Der differenzierte Volksbegriff des Grundgesetzes Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden i m wesentlichen m i t tels des Verfassungsgrundsatzes der Demokratie i n Verbindung m i t einer Analyse des Volksbegriffes des Grundgesetzes gewonnen. Während der Begriff des Volkes i m Grundgesetz bisher — sofern er überhaupt näherer Erörterung für würdig befunden wurde — den Verfassungsinterpreten als „blaß und wie i n einer Vitrine gezeichnet" 2 erschien, wurden i n der „Ausländer, die sich mindestens 5 Jahre ohne Unterbrechung i n einer Gemeinde aufhalten, . . . i n diesem Bundesland das aktive u n d passive K o m m u nalwahlrecht erhalten" sollen ( I I I . 1. des Programms). 2 Werner Weber, Spannungen, S. 42; Weber bezieht dies aber auf die m a n gelnde Ausstattung des Volkes m i t Rechten unmittelbarer Entscheidung u n d

II. Der differenzierte Volksbegriff des Grundgesetzes

135

Analyse Konturen dieses Begriffes sichtbar, die sich aus einer unterschiedlichen Verwendungsweise je nach Verfassungsnorm ergeben. Bei zusammenfassender Betrachtung lassen sich Unterschiede 3 i n zweierlei Hinsicht feststellen: 1. Die Differenzierung

unter territorialem

Aspekt

Der Begriff Volk w i r d für Personeneinheiten gebraucht, die jeweils verschiedenen Territorien zugeordnet werden. Die territoriale Zuordnung erfolgt teils durch ausdrücklichen Zusatz, teils ergibt sie sich aus dem Zusammenhang des Regelungsgegenstandes der Verfassungsnorm. A u f diese Weise entsteht eine territoriale Gliederung des Volkes nach A r t konzentrischer Kreise: So kennen Satz 3 der Präambel und A r t . 146 GG ein ,.gesamtes deutsches Volk", das nach seiner Gebietszugehörigkeit nicht auf das Gebiet des durch das Grundgesetz verfaßten Staates, das Bundesgebiet beschränkt ist 4 . A r t . 20 I I GG als verfassungsrechtliche Grundnorm, i n der für Bund und Länder die demokratische Staatsform festgelegt wird, bezeichnet das Volk des Staatsverbandes der Bundesrepublik Deutschland (Bundesvolk) und zugleich das Volk des Staatsverbandes der Bundesländer (Ländervolk). Letzteres w i r d daneben i n A r t . 28 I 2 GG sowie für die zum Zeitpunkt der Verfassunggebung vorhandenen Länder i n Satz 1 der Präambel ausdrücklich angesprochen. Das Bundesvolk ist auch i n Art. 38 I 2 GG, i n Art. 29 V 3 GG sowie i n dem Begriff „Volksvertretung" i n A r t . 10 I I GG gemeint. Nur auf das Ländervolk bezieht sich der Begriff „Volksvertretung" i n den A r t . 54 I I I , 115 h I, 144 I, auf Bundes- und Ländervolk zugleich i n A r t . 17 GG. Sowohl Bundes- als auch Ländervolk bezeichnet auch Volk i n Art. 211 GG. Daneben kennt das Grundgesetz i m Zusammenhang m i t der Neugliederung des Bundesgebietes i n den Begriffen „Volksentscheid" und „Volksabstimmung" (Art. 29 I I - V I GG) sowie „Volksbefragung" (Art. 118 GG) ein Volk von Gebietsteilen der heutigen Bundesländer 5 . Schließlich bezieht Art. 28 I 2 GG den Begriff Volk auch auf die Kreise und Gemeinden (Kreisvolk und Gemeindevolk).

die angeblich v o m Grundgesetz unterlassene Gliederung des Volkes i n seine beruf ständischen, wirtschaftlichen u n d sonstigen Gruppierungen. 3 Den differenzierten Begriffsinhalt hebt bereits Asam, S. 3, hervor. 4 I n diesem Sinne w o h l auch A r t . 1 I I , 56 GG. 5 Dies gilt auch f ü r „ V o l k " i n „Volksbegehren" (Art. 29 I I , I I I GG) m i t den oben (1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kap. D. I I I . 3.) genannten Besonderheiten.

136

Schluß 2. Die Differenzierung

unter demokratisch-funktionellem

Aspekt

Neben seiner territorialen Differenzierung bezeichnet der Volksbegriff i m Grundgesetz gleichzeitig Personeneinheiten, die i m Hinblick auf ihre demokratische Funktion verschieden abgegrenzt sind. Das einem bestimmten Territorium zugeordnete Volk ist entweder die gesamte repräsentierte Personeneinheit des Territoriums oder die aus i h r hervorgehende Aktivbürgerschaft. Diese Unterscheidung entfällt nur, soweit Volk i m Sinne des gesamten deutschen Volkes über das der Bundesrepublik hinaus aufzufassen ist, da die demokratische Staatsform nach dem Grundgesetz auf den Staatsverband der Bundesrepublik Deutschland begrenzt ist und eine bestimmte demokratische Funktion nur dem Volk, das i m Geltungsbereich des Grundgesetzes lebt, zukommen kann. Als repräsentierte Einheit, nämlich die Gesamtbürgerschaft des Bundes bzw. der Länder ist Volk i n Art. 20 I I 1, 28 I 2, 38 I 2 sowie i n dem Begriff Volksvertretung (Art. 10 II, 17, 54 I I I , 115 h I, 144 I GG) zu verstehen. I m Sinne der repräsentierten Einheit w i r d der Begriff auch i n bezug auf die Kreise und Gemeinden (Art. 28 12 GG) gebraucht. Demgegenüber handelt es sich i n A r t . 20 I I 2 GG u m die Aktivbürgerschaft, und zwar die des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Die Aktivbürgerschaft, nämlich die von Gebietsteilen der Länder, bezeichnen infolge ihres unmittelbaren Zusammenhanges m i t A r t . 20 I I 2 GG („Abstimmungen") auch die Begriffe „Volksabstimmung" (Art. 29 I I GG), „Volksentscheid" (Art. 29 I I I , IV, V, V I GG), „Volksbefragung" (Art. 118 GG). 3. Die einheitliche personelle Komponente des Volksbegriffs Den unterschiedlichen Bedeutungen des Volksbegriffs unter territorialem und demokratisch-funktionellem Aspekt liegt aber ein i n allen Fällen einheitliches Begriffsmerkmal zugrunde. Soweit der Volksbegriff nicht unter Bezeichnung des gesamten deutschen Volkes über das Bundesvolk hinausgreift, kennzeichnet er jeweils das demokratisch-egalitär strukturierte Volk des Staatsverbandes der Bundesrepublik Deutschland oder Teile dieses Volkes, also das Staatsvolk des Bundes oder der Länder i n seiner Gesamtheit oder i n seinen gebietlichen Untergliederungen. Das einheitliche Begriffsmerkmal, das hier die gemeinsame personelle Komponente der Volksbegriffe genannt werden soll, liegt i n der Zugehörigkeit zum egalitären Staatsverband, die auf der Deutscheneigenschaft i m Sinne von A r t . 116 I GG als der Voraussetzung demokratischer Egalität beruht®.

• Die Frage des Wohnsitzerfordernisses k a n n hier dahinstehen.

II. Der differenzierte Volksbegriff des Grundgesetzes

137

Soweit der Volksbegriff nicht nur das Volk des Staatsverbandes der Bundesrepublik, sondern darüber hinaus das ganze deutsche Volk bezeichnet, liegt i h m ebenfalls die Deutscheneigenschaft gemäß Art. 116 I GG zugrunde. Die wesentliche Grundlage des Volksbegriffs ist damit die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Erweiterung des Kreises der Deutschen u m Personen sog. deutscher „Volkszugehörigkeit" und die entsprechende Erweiterung des Volksbegriffs stellt demgegenüber nur eine nachkriegsbedingte Besonderheit dar, der kein grundsätzliches Gewicht zukommt. I n „Volkszugehörigkeit" (Art. 116 I GG) w i r d der Volksbegriff aber i n einer gegenüber allen anderen Verwendungsweisen eigenständigen Bedeutung gebraucht, da es sich hier um einen ethnisch-kulturellen Volksbegriff, der von der Staatsangehörigkeit unabhängig ist, handelt, und der seinerseits als Element des Deutschenbegriffs die einheitliche personelle Komponente des Volksbegriffes, der i n allen anderen Bestimmungen des Grundgesetzes verwendet wird, mitumschreibt.

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