Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder: Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images [1. Aufl.] 978-3-658-26176-4;978-3-658-26177-1

Julia Caspers untersucht die Wahrnehmung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen durch Medien, Investoren, politi

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Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder: Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images [1. Aufl.]
 978-3-658-26176-4;978-3-658-26177-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIII
Einleitung (Julia Caspers)....Pages 1-19
Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images (Julia Caspers)....Pages 21-46
Bedeutung von CEO-Images (Julia Caspers)....Pages 47-82
Zusammensetzung von CEO-Images (Julia Caspers)....Pages 83-120
Modell zur Beschreibung und Analyse der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images (Julia Caspers)....Pages 121-132
Konzeption der Empirischen Untersuchung (Julia Caspers)....Pages 133-164
Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension (Julia Caspers)....Pages 165-227
Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension (Julia Caspers)....Pages 229-280
Zusammenfassung und Diskussion (Julia Caspers)....Pages 281-304
Fazit (Julia Caspers)....Pages 305-316
Back Matter ....Pages 317-352

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Julia Caspers

Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images

Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder

Julia Caspers

Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images

Julia Caspers Neuss, Deutschland Dissertation Universität Hohenheim D100, 2018

ISBN 978-3-658-26176-4 ISBN 978-3-658-26177-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort „Ausdauer und Entschlossenheit sind zwei Eigenschaften, die bei jedem Unternehmen den Erfolg sichern“ hat der russische Schriftsteller Leo Nikolajewitsch Tolstoi einmal gesagt. Diese Dissertation war in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Und doch hätten Ausdauer und Entschlossenheit alleine nicht ausgereicht, denn ohne die Unterstützung, die ich während der vergangenen vier Jahre von so vielen Seiten erhalten habe, wäre dieses Projekt weder zustande gekommen noch beendet worden. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen herzlich bedanken, die auf die eine oder andere Art zu diesem Projekt beigetragen haben. Sie alle namentlich zu nennen, würde den Rahmen dieser Danksagung sprengen. Daher möchte ich stellvertretend einige Personen hervorheben, die wesentlich am Entstehungsprozess beteiligt waren: An vorderster Stelle meinen Doktorvater, Prof. Dr. Frank Brettschneider, der dieses Projekt mit großer Offenheit, stets Mut machendem Interesse und konstruktiver Kritik in vielen anregenden Gesprächen begleitet hat. Sein Verständnis für meinen Wunsch nach einer berufsbegleitenden Dissertation hat dieses Projekt überhaupt erst möglich gemacht. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Wolfgang Schweiger, der das Zweitgutachten übernommen hat, sowie Prof. Dr. Michael Schramm für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes bei der Verteidigung. Die 30 Experten, die sich trotz ihrer ohnehin engen Terminkalender die Zeit für die Gespräche mit mir genommen haben. Nur durch ihre Bereitschaft, sich mit großem Engagement auf die Thematik einzulassen, hat dieses Projekt relevante Ergebnisse hervorbringen können. All diejenigen, die mir für die Gewinnung der hochrangigen Experten für diese Studie Zugang zu ihrem beruflichen und privaten Netzwerk eröffnet haben. Meinen Kollegen Jan Hiesserich, ohne dessen wertvollen Rat ich mich sicherlich nicht nur einmal in der Theorie verlaufen hätte. Meine Geschwister und Moritz für ihre Unterstützung und ihre offenen Ohren in einer Zeit mit Höhen und Tiefen. Meine Eltern, die mir in meinem Leben nicht nur alle Möglichkeiten und die notwendige Sicherheit, sondern auch die Freiheit gegeben haben, meinen eigenen

VI

Vorwort

Weg zu finden. Nicht zuletzt danke ich ihnen auch für ihre wertvollen Anmerkungen zum Manuskript. Ganz besonders möchte ich meinem Mann Claus danken. Er hat mich in den vergangenen drei Jahren bedingungslos unterstützt, mir die Kraft zum Durchhalten gegeben und dabei selbst auf vieles verzichtet. Ohne ihn hätte ich dieses Projekt niemals zu Ende gebracht. Neuss, Februar 2019

Julia Caspers

Inhaltsverzeichnis 1.

Einleitung...................................................................................................1 1.1. Personalisierung in der deutschen Wirtschaft: Eine Bestandsaufnahme ............................................................................................ 1 1.1.1. Personalisierung der Unternehmensberichterstattung .................... 3 1.1.2. Personalisierung der Unternehmenskommunikation ...................... 8 1.1.3. Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung ............................ 12 1.2. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit .................................................. 17

2.

Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images ................ 21 2.1. Begriffsdefinitionen und -abgrenzung ......................................................... 21 2.1.1. Image ................................................................................................... 22 2.1.2. Reputation........................................................................................... 25 2.2. Zustandekommen von Images ..................................................................... 28 2.3. Zusammensetzung von Images .................................................................... 36 2.3.1. Imagekomponenten ........................................................................... 36 2.3.2. Imagedimensionen ............................................................................. 39 2.4. Handlungsleitender Einfluss von Images .................................................... 44

3.

Bedeutung von CEO-Images ................................................................. 47 3.1. Images als immaterielle Ressourcen von Unternehmen ............................ 47 3.1.1. Unternehmen und ihre Stakeholder ................................................ 48 3.1.2. Unternehmensimages als Stakeholder Capital ............................... 53 3.1.3. CEO-Images als CEO Capital ......................................................... 55 3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung ............................... 56 3.2.1. Personenbezogene Adressierung von Unternehmen .................... 56 3.2.2. Personenbezogene Bewertung von Unternehmen ........................ 63 3.3. Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung ....................... 66 3.3.1. Personalisierungstreibende Faktoren .............................................. 67 3.3.2. Personalisierungsgrade ...................................................................... 71 3.4. Empirische Befunde zum Einfluss von CEO-Images auf Unternehmensimages ..................................................................................... 74

VIII

4.

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung von CEO-Images .................................................... 83 4.1. Imagedimensionen in der Personalisierungsforschung ............................. 83 4.1.1. Spezifische und Globale Personalisierung ...................................... 84 4.1.2. Funktionale, soziale und charismatische Personalisierung ........... 86 4.1.3. Rollennahe und rollenferne Personalisierung ................................ 90 4.2. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images .............. 92 4.3. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von Kandidatenimages......................................................................................... 101 4.4. Dimensionen von CEO-Images ................................................................. 105 4.4.1. Fachkompetenz ................................................................................ 106 4.4.2. Leadership ......................................................................................... 109 4.4.3. Integrität ............................................................................................ 112 4.4.4. Charisma ........................................................................................... 113 4.4.5. Persönliche Merkmale ..................................................................... 116

5.

Modell zur Beschreibung und Analyse der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images ................................................... 121 5.1. Erste Personalisierungsdimension: Bedeutung von CEO-Images ......... 121 5.2. Zweite Personalisierungsdimension: Zusammensetzung von CEO-Images.................................................................................................. 126

6.

Konzeption der Empirischen Untersuchung ........................................ 133 6.1. Das Untersuchungsdesign ........................................................................... 133 6.1.1. Experteninterviews als Erhebungsmethode ................................. 138 6.1.1.1. Auswahlverfahren ............................................................ 143 6.1.1.2. Feldzugang ........................................................................ 148 6.1.1.3. Entwicklung des Leitfadens............................................ 149 6.1.2. Gütekriterien qualitativer Forschung ............................................ 152 6.2. Dokumentation der Interviews ................................................................... 160 6.3. Auswertungsverfahren ................................................................................. 161

7.

Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension ............................. 165 7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung .......... 165 7.1.1. Der CEO als systemverantwortlicher Unternehmensrepräsentant ............................................................ 166 7.1.2. Imagetransfers zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage ........................................................................ 168

Inhaltsverzeichnis

IX

7.1.3. Handlungsleitender Einfluss von Images ..................................... 178 7.1.4. Der CEO im Verhältnis zu anderen Akteuren ............................ 184 7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images ........................... 191 7.2.1. Stakeholderspezifische Einflussfaktoren ...................................... 191 7.2.1.1. Primär- und Sekundärerfahrungen ................................ 191 7.2.1.2. Vorprägungen ................................................................... 205 7.2.2. CEO-spezifische Einflussfaktoren ................................................ 213 7.2.3. Unternehmensspezifische Merkmale ............................................ 215 7.2.3.1. Unternehmensgröße und Unternehmensalter.............. 215 7.2.3.2. Branchen, Kundensegmente und Produktbeschaffenheit .................................................... 217 7.2.3.3. Unternehmenssituation ................................................... 222 8.

Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension ..........................229 8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen ....................................... 229 8.1.1. Fachkompetenz ................................................................................ 229 8.1.2. Leadership ......................................................................................... 234 8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen ...................................... 246 8.2.1. Integrität ............................................................................................ 246 8.2.2. Charisma ........................................................................................... 256 8.2.3. Persönliche Merkmale ..................................................................... 261 8.3. Interdependenzen zwischen Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen ............................................................................ 272 8.4. Die Bedeutung von Performance für CEO-Images ................................ 275 8.5. Bedeutung von Eigenschaftsdimensionen in Abhängigkeit von der Unternehmenssituation ......................................................................... 277

9.

Zusammenfassung und Diskussion ...................................................... 281

10. Fazit ........................................................................................................305 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 317 Anhang ........................................................................................................... 341 I. Interviewleitfaden ......................................................................................... 341 II. Regelsystem zur Transkription ................................................................... 346 III. Kodierleitfaden ............................................................................................. 348

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Formate der CEO-Kommunikation ................................................... 31

Tabelle 2:

Wert- und Nutzenbeiträge generischer Stakeholdergruppen .......... 52

Tabelle 3:

Anteil CEO-Reputation an Unternehmensreputation ..................... 77

Tabelle 4:

Handlungsleitender Einfluss von CEO-Images, 1997 - 2001 (in Prozent) ............................................................................................ 78

Tabelle 5:

Handlungsleitender Einfluss von CEO-Images nach Stakeholdergruppe, 2001 (in Prozent) ................................................ 79

Tabelle 6:

Liste der Interviewpartner.................................................................. 146

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Ebenen der Personalisierung ................................................................. 3

Abbildung 2:

Drei Komponenten von Images ......................................................... 39

Abbildung 3:

Zusammensetzung von Images aus Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen..................................................................... 43

Abbildung 4:

Personalisierungsgrade nach Staab (1990) ......................................... 72

Abbildung 5:

Funktionale, soziale und expressiv-charismatische Personalisierung..................................................................................... 88

Abbildung 6:

Maßgebliche Imagebestandteile nach Burson-Marsteller (2001) ...................................................................................................... 94

Abbildung 7:

Rollennahe und rollenferne Dimensionen von Kandidatenimages ............................................................................... 103

Abbildung 8:

Dimensionen von CEO-Images ....................................................... 106

Abbildung 9:

Erste Modelldimension ...................................................................... 122

Abbildung 10: Personalisierungsgrade ....................................................................... 124 Abbildung 11: Imageprofil CEO ................................................................................ 129 Abbildung 12: Rollennahe und rollenferne CEO-Eigenschaften und Eigenschaftsdimensionen................................................................... 130 Abbildung 13: Theoretisches Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung ...................................... 131 Abbildung 14: Typen persönlicher Primärerfahrungen ........................................... 204 Abbildung 15: Überarbeitetes CEO-Imageprofil ..................................................... 294 Abbildung 16: Personalisierungsgrad in Abhängigkeit von der Asymmetrie der Stakeholderbeziehung .................................................................. 302 Abbildung 17: Überarbeitetes Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung ...................................... 304

1.

Einleitung

1.1. Personalisierung in der deutschen Wirtschaft: Eine Bestandsaufnahme Die Sichtbarkeit von Chief Executive Officers (CEOs)12 deutscher börsennotierter Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch erhöht – unterstützt von Massenmedien und Internet, die Informationen weltweit in Echtzeit verbreiten. Führungsaufgaben werden zunehmend komplexer, und das Anforderungsprofil eines Vorstandsvorsitzenden anspruchsvoller (Freda 2014: 1). Während Unternehmen noch vor wenigen Jahren in einem weitgehend vor der Öffentlichkeit geschützten Raum agierten, stehen sie heute im Rampenlicht des allgemeinen Interesses. Und immer öfter ist es der CEO, der unternehmerische Entscheidungen in der öffentlichen Debatte zu vertreten hat (vgl. Deekeling und Arndt 2014: 1238). Probleme, Herausforderungen und Leistungen des Unternehmens werden zunehmend an seiner Person festgemacht. Der CEO wird zur Projektionsfläche für Erfolg und Misserfolg des Unternehmens; zum Gradmesser für die Organisation, die er repräsentiert (vgl. Deekeling und Arndt 2014: 1239, Hiesserich 2013: 14). Diese Tendenz, „Personen zu Deutungsmustern organisationaler Sachverhalte zu machen“ (Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010: 117), wird in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung als Personalisierung bezeichnet. Während Personalisierung in der Politik – Politiker als „Verkörperung politischer Ideale und Ziele und als Vertreter politischer Bewegungen und Parteien“ (Radunski 1980: 15) – bereits beinahe so alt ist wie die Politik selbst (vgl. ebd.), blieb die Personalisierung

1

2

Im Folgenden beschränkt sich diese Arbeit auf männliche Geschlechterbezeichnungen („der CEO“, „der Vorstandsvorsitzende“ etc.). Die Vereinheitlichung soll lediglich die Übersichtlichkeit und Lesbarkeit des vorliegenden Textes wahren. Alle Bezeichnungen beziehen sich aber auf beide Geschlechter (vgl. Hiesserich und Weidenfeld 2015: 21). Die angelsächsische Bezeichnung „CEO“ (Chief Executive Officer) vereinheitlicht die formaljuristisch unterschiedlichen Bezeichnungen der exekutiven Funktion in einem Unternehmen. Nach dem Verständnis dieser Arbeit sind CEOs diejenigen Personen an der Spitze von Unternehmen (z.B. Geschäftsführer, geschäftsführende Gesellschafter, Vorstandsvorsitzender, Vorstandssprecher), denen die exekutive Funktion im Unternehmen zukommt (vgl. Deekeling und Arndt 2014: 1240, Deekeling und Arndt 2006: 7f.). Ob die damit verbundene Aufwertung der Rolle des Unternehmenslenkers auch formaljuristisch gerechtfertigt ist, sei dahingestellt, und soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden (vgl. Hiesserich und Weidenfeld 2015: 161). Im Rahmen dieser Dissertation wird der Begriff „CEO“ mit den Begriffen des „Vorstandsvorsitzenden“ oder des „Vorstandssprechers“ im oben genannten Sinne synonym gebraucht, unabhängig von den rechtlichen Implikationen der Begriffe.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_1

2

1. Einleitung

der deutschen Wirtschaft lange fern (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 135). Auch wurde ihr in der sozialwissenschaftlichen Forschung lange Zeit vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt (vgl. Bentele und Fähnrich 2010: 52). In den vergangenen Jahren hat es jedoch mehr und mehr Publikationen zu diesem Thema gegeben. Was dabei genau unter Personalisierung verstanden wird, variiert von Autor zu Autor. Bentele und Fähnrich beklagen in diesem Zusammenhang die mangelnde begriffliche Präzision und Differenzierung des Personalisierungsbegriffs (2010: 52). Für eine Annäherung an die Personalisierung in der Wirtschaft erscheint daher zunächst eine Systematisierung des Personalisierungsbegriffs angebracht. Nach aktuellem Forschungsstand können drei Ebenen unterschieden werden, auf denen sich Personalisierung in der Wirtschaft vollziehen kann (vgl. Abbildung 1). Diese Ebenen korrespondieren mit Urhebern (Eisenegger 2010: 13) oder Instanzen (Talanow 2015: 42ff.), die den Trend zur Personalisierung maßgeblich treiben. Personalisierung der Unternehmensberichterstattung meint die (Fremd-)Darstellung eines Unternehmens durch die Medien anhand seiner Spitzenpersonen. Personalisierung der Unternehmenskommunikation beschreibt einen gesteigerten Stellenwert von Spitzenpersonen in der Selbstdarstellung von Unternehmen. Und schließlich bezeichnet die Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung jenen Zusammenhang, in dem Spitzenpersonen die Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens durch ihre Stakeholder beeinflussen (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 135ff., Eisenegger 2010: 13f.).3

3

Teilweise werden in der Literatur auch nur zwei Ebenen der Personalisierung unterschieden. Bentele und Fähnrich (2010) differenzieren beispielsweise nur mediale und organisationale Personalisierung (vgl. auch Sandhu und Zielmann 2010). Sie betrachten jedoch nicht den Prozess der Personalisierung auf der Ebene der Stakeholderwahrnehmung. Dies kann als erstes Indiz dafür gelten, dass der Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung in der wissenschaftlichen Forschung im Vergleich zu den anderen beiden Ebenen bislang wenig Beachtung geschenkt worden ist (vgl. Abschnitt 1.1.3.).

1.1. Personalisierung in der deutschen Wirtschaft: Eine Bestandsaufnahme

Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung

3

Personalisierung der Unternehmenskommunikation

Personalisierung der Unternehmensberichterstattung Abbildung 1:

Ebenen der Personalisierung

Quelle: In Anlehnung an Brettschneider und Vollbracht 2010: 135

1.1.1. Personalisierung der Unternehmensberichterstattung Im Zuge von Personalisierungstendenzen hat sich die Unternehmensberichterstattung grundlegend verändert. Mit einer zunehmend „personengebundene[n] und personenfokussierende[n] Vermittlung journalistischer Inhalte“ (Bentele und Fähnrich 2010: 52) verschiebt sich das Augenmerk der Wirtschaftsjournalisten von der anonymen Organisation auf die Unternehmenslenker an deren Spitze. Strukturen und Organisationen werden anhand von Personen aufbereitet und der CEO in den Medien so zum personifizierten Unternehmen stilisiert (vgl. Hiesserich 2013: 15). Standen noch vor einigen Jahren abstrakte wirtschaftliche Erfolgsgrößen im Vordergrund (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 135), muss heute der CEO als ranghöchster Repräsentant seines Unternehmens für mediale Deutungsversuche herhalten. In den letzten zehn Jahren haben verschiedene Studien eine solide Basis empirisch gesicherten Wissens über Personalisierung in der deutschsprachigen Wirtschafts- und Unternehmensberichterstattung generiert (u.a. Brettschneider und Vollbracht 2010, Talanow 2015, Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010, Mast 2012a). Auch wenn die Personalisierung in der politischen Berichterstattung noch immer stärker ausgeprägt ist, konnte gezeigt werden, dass sich die Personalisie-

4

1. Einleitung

rungswerte von Politik- und Wirtschaftsberichterstattung über die letzten Jahre immer stärker angeglichen haben (vgl. Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010: 122). Eine Tendenz zur Personalisierung in der Wirtschafts- und Unternehmensberichterstattung konnte in allen vier Arbeitsschritten des journalistischen Prozesses – Recherche, Selektion, Bearbeitung und Präsentation (vgl. Talanow 2015: 113ff.) – nachgewiesen werden. So ist die Recherchephase durch eine gestiegene Nachfrage der Journalisten nach personengebundenen Inhalten wie zum Beispiel Interviews, Hintergrundgesprächen oder Zitaten des CEOs geprägt (vgl. Talanow 2015: 114). In der Präsentationsphase zeigt sich mediale Personalisierung im verstärkten Einsatz von emotionalen Personenfotos oder personenzentriertem Bewegtmaterial bei digitalen Inhalten, der sogar traditionell wenig visuelle Publikationen wie den Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ergriffen hat (vgl. Talanow 2015: 120ff., Hoppe 2007). Die Personalisierung der Berichterstattung drückt sich aber insbesondere in der Selektions- und Bearbeitungsphase aus, und wird entsprechend als Selektions- und Darstellungsmerkmal medialer Berichterstattung bezeichnet (vgl. Bentele und Fähnrich 2010). Personalisierung in der Selektionsphase meint die bevorzugte Auswahl von Ereignissen für die Berichterstattung, bei denen Personen eine hohe Bedeutung für den berichteten Sachverhalt haben (vgl. Staab 1990: 221). Dieser grundlegende Gedanke bezieht sich auf die Nachrichtenwerttheorie, die zu erklären versucht, wie Journalisten, die aufgrund einer Informationsflut Ereignisse für die Berichterstattung selektieren müssen (vgl. Maier 2010: 13, Lippman 2012 [1922]: 37ff.), bei der Nachrichtenauswahl vorgehen. Einzelne Aspekte oder Merkmale eines Ereignisses bestimmen dabei, ob und mit welcher Intensität über ein Ereignis berichtet wird, ob es also publikationswürdig ist beziehungsweise einen Nachrichtenwert hat (vgl. Maier 2010: 18, Kepplinger 2008). Diese Ereignismerkmale werden auch als Nachrichtenfaktoren bezeichnet. Je bedeutender die Rolle von Personen bei einem Ereignis ausfällt, desto wahrscheinlicher ist es gemäß der Nachrichtenwerttheorie, dass dieses Ereignis für die Berichterstattung ausgewählt wird (vgl. Galtung und Ruge 1965: 68). Personalisierung ist jedoch nicht nur Selektions-, sondern insbesondere auch Präsentations- und Darstellungsmerkmal der medialen Berichterstattung, und kommt in dieser Form in der Phase der Bearbeitung von recherchierten und ausgewählten Inhalten zum Einsatz (vgl. Talanow 2015: 11). Personalisierung in der Bearbeitungsphase bezeichnet eine „Art einer medialen Darstellung, bei der individuelle Schicksale in den Vordergrund gestellt werden“ (Sandhu und Zielmann 2010: 216f.).4 In diesem Sinne kommt es bei der Bearbei4

Talanow (2015: 66ff.) bietet in seiner Dissertation einen umfangreichen Überblick über weitere der Personalisierung verwandten journalistischen Darstellungskonzepte und ihr Verhältnis zueinander.

1.1. Personalisierung in der deutschen Wirtschaft: Eine Bestandsaufnahme

5

tung von Ereignissen für die Berichterstattung zur aktiven Zuschreibung des Nachrichtenfaktors Personalisierung durch den Journalisten (vgl. Talanow 2015: 115). „Die Nachrichtenfaktoren fungieren in dieser Betrachtungsweise als bewußt oder unbewußt eingesetzte Mittel, um die Betrachtungswürdigkeit von Beiträgen zu steuern“ (vgl. Staab 1990: 98). Durch die Hervorhebung bestimmter Aspekte, zum Beispiel der Rolle von Personen für einen berichteten Sachverhalt, kann die „Betrachtungswürdigkeit von Beiträgen erhöht werden (vgl. Talanow 2015: 116). Dem Publikum fällt es leichter, sich mit einem menschlichen Akteur zu identifizieren als mit einer anonymen Organisation. Die Berichterstattung bekommt somit beinahe den Charakter einer zwischenmenschlichen Konversation. Außerdem reduziert personalisierte Darstellung in erheblichem Maße die Komplexität wirtschaftlicher und unternehmerischer Zusammenhänge. Damit macht sie die Berichterstattung für das Publikum nachvollziehbarer, verständlicher und in hohem Maße unterhaltsamer (vgl. Bentele und Fähnrich 2010: 54, Robling 1983). So ist es nicht verwunderlich, dass zwischen 2002 und 2007 der CEO-Anteil an der Unternehmensberichterstattung deutlich von zehn auf 14 Prozent gestiegen ist (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 141).5 Außerdem wurden im Jahr 2012 deutlich mehr Interviews mit und Gastbeiträge von Vorstandsmitgliedern – also inhärent personalisierte mediale Formate – veröffentlicht als noch im Jahr 2007. Auch die Anzahl veröffentlichter Wortlautinterviews stieg in diesem Zeitraum deutlich (vgl. Talanow 2015: 313f.).6 Der größte Anteil der personalisierten Inhalte entfällt dabei auf den CEO. Dennoch erfolgt mediale Personalisierung nicht immer ausschließlich über den Vorstandsvorsitzenden; ein Unternehmen kann auch über andere hohe Repräsentanten personalisiert dargestellt werden. So stieg der Anteil des gesamten Vorstandes an der Unternehmensberichterstattung zwischen 2002 und 2007 ebenfalls signifikant von 5

6

Brettschneider und Vollbracht (2010) weisen in ihrer Inhaltsanalyse meinungsführender Medien im Hinblick auf die Akteure der Unternehmensberichterstattung eine Zunahme der Personalisierung zwischen 2002 und 2007 nach. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 15. Mai 2007 hat die Studie die gesamte Berichterstattung über die DAX-30-Unternehmen in meinungsführenden Medien (Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, taz, BildZeitung, Neue Zürcher Zeitung, ARD Tagesschau, ARD Tagesthemen, ZDF heute, ZDF heute journal, RTL Aktuell, SAT.1 18:30, Pro 7 Nachrichten, Focus, Spiegel, Woche, Stern, Wirtschaftswoche, Financial Times, Wall Street Journal Europe) erfasst. Insgesamt wurden 286.180 Textpassagen über Unternehmen codiert (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 139). Talanow erörtert die Fragestellungen anhand von vier Fallstudien von DAX-30-Unternehmen: Daimler AG, Adidas AG, BASF AG und SAP AG. Dabei dienten Experteninterviews mit 13 ranghohen Kommunikationsverantwortlichen, die zwischen Juli und Oktober 2013 geführt wurden, als Leitmethode der Erhebung (vgl. Talanow 2015: 181f.). Als ergänzende Methode wurde eine quantitative Inhaltsanalyse sämtlicher Interviews und Gastbeiträge durchgeführt, die in den Jahren 2007 und 2012 in 18 Wirtschaftsleitmedien veröffentlicht wurden (vgl. Talanow 2015: 184).

6

1. Einleitung

18,3 Prozent auf 32,7 Prozent (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 141). Und die Zahl der veröffentlichten Interviews mit und Gastbeiträge von übrigen Vorstandsmitgliedern stieg zwischen 2007 und 2012 sogar stärker als für den CEO (vgl. Talanow 2015: 315f.). Aber auch wenn andere Vorstandsmitglieder scheinbar deutlich an Medienpräsenz hinzugewonnen haben und mehr Verantwortung in der externen Kommunikation übernehmen, ist der CEO nach wie vor Spitzenreiter in Sachen medialer Aufmerksamkeit (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 141, Mast 2012a: 237f.). Dennoch hat Personalisierung für verschiedene mediale Formate eine unterschiedlich große Bedeutung. So weist die Berichterstattung in Wirtschaftsmagazinen einen höheren Personalisierungsgrad auf als in Tageszeitungen (vgl. Mast 2012a). Dies ist nicht überraschend, schließlich konzentrieren sich Tageszeitungen klassischerweise auf die Vermittlung von aktuellen Ereignissen, während sich Magazine primär darum bemühen, Themen in Kontexte einzuordnen und Interpretationen zu liefern. Magazine erzählen Geschichten, die typischerweise von Personalisierung geprägt sind (vgl. Talanow 2015: 84ff., Mast 2012a: 88f.). Die geringste Tendenz zur personalisierten Berichterstattung weisen dabei Fachjournalisten auf, die stärker faktenorientiert berichten und ein vergleichsweise geringes Interesse am „Geschichten erzählen“ haben (vgl. Mast 2012a: 185). Einen Sonderfall stellen die Boulevardmedien dar. Personalisierung hat in den Boulevardmedien als Stilmittel – auch in der Wirtschaftsberichterstattung – eine große Bedeutung (vgl. Beck et al. 2012: 136). Dies gilt speziell für die Bild-Zeitung, wie Beck et al. (2012) in einer Inhaltsanalyse herausgefunden haben. 5,8 Prozent der untersuchten Wirtschaftsartikel der Bild-Zeitung waren von Personalisierung geprägt. Demnach lag der Anteil personalisierter Wirtschaftsberichterstattung in der Bild-Zeitung zumindest leicht über dem der Wirtschaftsberichterstattung in der Süddeutschen Zeitung mit 4,3 Prozent, die als Referenz in die Analyse aufgenommen wurde. Allerdings folgt die Wirtschaftsberichterstattung einer eigenständigen Logik. Wirtschaftsthemen finden „dann Eingang in die Boulevardmedien, wenn sie einen Bezug zur Politik haben und geeignet sind, auch die breite Bevölkerung anzusprechen“ (Talanow 2015: 91). Dabei wird überwiegend die Perspektive der Zielgruppe des Mediums, der Arbeitnehmer, eingenommen und die Auswirkungen von Wirtschaftsthemen auf die Zielgruppe in den Vordergrund gestellt (vgl. Talanow 2015: 91). Die Wirtschaftsberichterstattung in den Boulevardmedien weist demnach zwar einen höheren Personalisierungsgrad auf als beispielsweise die von überregionalen Tageszeitungen. Jedoch findet nicht das gesamte Themenspektrum Eingang in die Berichterstattung.

1.1. Personalisierung in der deutschen Wirtschaft: Eine Bestandsaufnahme

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Wenn von Personalisierung gesprochen wird, wird häufig als erstes an die Ebene personalisierter Medienberichterstattung gedacht. Dies mag daran liegen, dass mediale Personalisierung weithin als „die wichtigste und die eigentliche Ursache“ (Bentele und Fähnrich 2010: 52) von Personalisierung auf den anderen beiden Ebenen angesehen wird (vgl. auch Eisenegger 2010, Eisenegger und KoniecznyWössner 2010). Mit Strategien zur symbolischen Repräsentation der abstrakten Organisation durch den CEO reagieren Unternehmen „auf ein Element der „Medienlogik“, eine Darstellungsform und -strategie des Mediensystems, Informationsund Unterhaltungsangebote stark und zunehmend personalisiert (...) darzustellen“ (Bentele und Fähnrich 2010: 51). Das Argument leuchtet ein, wenn man sich die Medialisierungsthese vor Augen führt: Medialisierung bezeichnet einen „Metaprozess“ (Krotz 2007, 2008), der „Reaktionen in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen“ (Meyen 2009) beschreibt, die sich auf einen Bedeutungszuwachs und einen Strukturwandel des Mediensystems beziehen. Nach der Medialisierungsthese richten in Informationsgesellschaften Akteure in autonomen gesellschaftlichen Teilbereichen ihr Handeln immer stärker nach den Regeln der medialen Logik aus (vgl. Bentele und Fähnrich 2010: 57, vgl. auch Meyen 2009, Donges 2005, Kepplinger 2008: 327). Auch sind Unternehmen und ihre Repräsentanten unter den Bedingungen einer „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ (Franck 1998) von den Medien abhängig. Durch einen immer größeren Informationsüberfluss wird Aufmerksamkeit in der heutigen Zeit zu einer knappen Ressource, um die alle sozialen Akteure wetteifern müssen (vgl. Franck 1998: 50). Den Medien kommt in der Ökonomie der Aufmerksamkeit eine Dienstleistungsrolle zu, die sie in eine besondere Machtposition versetzt: „Die Anbieter dieser Dienstleistung verfügen dann frei über die Aufmerksamkeit, die sie durch diese Finanzierung vermittelt einfangen. Sie sind frei zu entscheiden, wie die massenhaft angezogene Aufmerksamkeit verwendet wird, für welche Zwecke sie ausgegeben wird und – vor allem – an wen sie weitergegeben wird. (...) Sie sind die Königsmacher der postindustriellen Gesellschaft. Niemand, der es zu Macht und Bedeutung bringen möchte, kommt um die Medien noch herum.“ (Franck 1998: 154).

Diese Machtposition erlaubt es den Medien, anderen gesellschaftlichen Akteuren ihre „Medienästhetik“, also ihre Strukturen und Darstellungsformen, zu diktieren. Im Kampf um Aufmerksamkeit müssen sich alle gesellschaftlichen Akteure dem medialen Selektionsprozess aussetzen (vgl. Franck 1998: 172ff.).

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1.1.2. Personalisierung der Unternehmenskommunikation Die Personalisierung der Wirtschaftsberichterstattung bleibt nicht folgenlos für die Selbstdarstellung von Unternehmen. Die verstärkte Nachfrage nach personenbezogenen Inhalten und die erhöhte Sicht- und Wahrnehmbarkeit des CEOs durch personalisierte Berichterstattung lenkt den Fokus der Aufmerksamkeit auf die Person an der Spitze des Unternehmens. Unternehmen reagieren auf die Personalisierung der Wirtschaftsberichterstattung mit Strategien zur symbolischen Repräsentation der abstrakten Organisation durch den CEO. Sie „versuchen den Medien das zu bieten, was Nachrichtenwert hat“ (Freda 2014: 20). Mit zunehmender Personalisierung gewinnt die Rolle des CEOs in der Unternehmenskommunikation besondere Bedeutung. Um den veränderten Anforderungen an die CEO-Rolle gerecht zu werden, muss Unternehmenskommunikation zur Chefsache werden (vgl. Freda 2014: 2). CEO-Kommunikation, die alle bewusst geplanten, durchgeführten und evaluierten Kommunikationsaktivitäten des CEOs sowohl nach innen als auch nach außen umfasst (vgl. Sandhu und Zielmann 2010: 215, Zerfaß und Sandhu 2006: 52), wird zum integralen Bestandteil der Unternehmenskommunikation. Sowohl Kommunikationsverantwortliche, als auch die CEOs selbst, erkennen laut verschiedener empirischer Studien eine Bedeutungssteigerung des CEOs für die Unternehmenskommunikation, und gehen davon aus, dass diese zukünftig noch zunehmen wird (vgl. Sandhu und Zielmann 20107, Egon Zehnder International 20108, Nagel 20139, Talanow 2015, Institut für Demoskopie Allens-

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Sandhu und Zielmann (2010) haben in ihrer Studie 39 ranghöchste Kommunikationsverantwortliche in DAX-30-, TecDAX- und GEX-Unternehmen zu ihren Ansichten zu der Rolle des CEOs in der Unternehmenskommunikation befragt. Der Befragungszeitraum lief von März bis September 2006. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie n=39 verwertbare Fragebögen generiert. Der Rücklauf war mit 26 Prozent verwertbarer Fragebögen (n=149 angeschriebene Unternehmen) eher gering. Daher konnte das Ziel der Studie, zwischen den verschiedenen Börsensegmenten zu vergleichen, nicht verwirklicht werden (vgl. Sandhu und Zielmann 2010: 218f.). Die Grundgesamtheit der Studie von Markus Will in Kooperation mit Egon Zehnder International bilden die Vorstandsvorsitzenden der 30 DAX-Unternehmen, der fünf größten MDAXUnternehmen und der fünf größten deutschen nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften. 11 der 40 Unternehmen beteiligten sich an der Studie. Bei zehn Unternehmen stand außerdem der Kommunikationschef in dem jeweils einstündigen Leitfadeninterview zur Verfügung. Die Autoren warnen vor einem möglichen Bias aufgrund der relativ niedrigen Rücklaufquote von 27,5 Prozent. Sie vermuten, dass sich vornehmlich überdurchschnittlich kommunikative CEOs für die Studie zur Verfügung gestellt haben. Aufgrund fehlender Vergleichsstudien kann dieser Bias jedoch nicht nachgewiesen werden (vgl. Egon Zehnder International 2010: 9f.).

1.1. Personalisierung in der deutschen Wirtschaft: Eine Bestandsaufnahme

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bach 200510). Dem CEO wird eine bedeutende Rolle bei der Präsentation und Darstellung des Unternehmens gegenüber den verschiedenen Stakeholdergruppen zugeschrieben (vgl. Nagel 2013: 94, Institut für Demoskopie Allensbach 2005: 4ff.). Repräsentation wird als eine der wichtigsten Aufgaben eines CEOs angesehen. Da überrascht es nicht, dass CEOs einen Großteil ihrer Arbeitszeit für kommunikative Zwecke – von der Pressearbeit über interne Kommunikation, Markenkommunikation und Finanzkommunikation – aufwenden (vgl. Egon Zehnder International 2010: 18, vgl. Talanow 2015). Die von Will befragten CEOs geben den Zeitaufwand für kommunikative Aufgaben mit einem Anteil von 15 bis 50 Prozent ihrer gesamten Arbeitszeit an (vgl. Egon Zehnder International 2010: 18). Ähnlich sehen es die von Talanow befragten Kommunikationsverantwortlichen, die von rund einem Drittel der Arbeitszeit des CEOs ausgehen (vgl. Talanow 2015: 319). In der Wahrnehmung von Kommunikationsverantwortlichen und verschiedenen anderen Anspruchsgruppen hat CEO-Kommunikation aber nicht nur einen größeren Stellenwert bekommen, sondern ist auch professioneller geworden und wird bewusster eingesetzt (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2005: 10ff.). Wenn Unternehmenskommunikation zur Chefsache wird, wird das Anforderungsprofil an die CEO-Rolle komplexer. Schließlich muss ein CEO nicht mehr nur in Sach- und Führungskompetenz große Stärken aufweisen, um den gewachsenen Kommunikationsanforderungen begegnen zu können, sondern auch in Kommuni-

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Eine Studie von Nagel (2013) untersucht die Ansichten von CEOs und Kommunikationsverantwortlichen zum Thema Kommunikation mithilfe einer Kombination von Interviews, OnlineUmfragen und Inhaltsanalysen von Wirtschaftsmedien. In der Studie wurden 29 CEOs von DAX-, MDAX-, SDAX-Unternehmen, großen Familienunternehmen und Private Equity-Unternehmen im Zeitraum von Februar bis Juni 2013 im Rahmen von Leitfadeninterviews zu den Themen „Bedeutung von CEO-Kommunikation“, „Prozessen“ und „Anspruchsgruppen“ befragt. In einer OnlineBefragung wurden zusätzlich 68 ehemalige und amtierende CEOs aus dem Netzwerk der Atreus Interim Management GmbH zu den drei oben genannten Themen befragt. In einer weiteren OnlineUmfrage wurden 54 ehemalige und amtierende Kommunikationschefs von DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen sowie aus dem Atreus Interim Management GmbH Netzwerk in einem Zeitraum von Februar bis April 2013 befragt. In einem vierten und letzten Teil der Studie wurde mit einer Inhaltsanalyse der deutschen Wirtschaftsmedien Handelsblatt, WirtschaftsBlatt, Handelszeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung für einen Zeitraum von Januar bis Dezember 2012 der Anteil personalisierter Berichterstattung gemessen. Personalisierung wurde festgestellt, wenn der CEO eines Unternehmens im Artikel abgebildet, zitiert oder genannt wurde. Außerdem wurden die Themen codiert, zu denen personalisierte Berichterstattung stattfindet, und gemessen, ob personalisierte Berichterstattung eher positiver oder negativer ausfiel als die übrige Berichterstattung (vgl. Nagel, 2013: 94f.). Das Institut für Demoskopie Allensbach (2005) hat insgesamt 163 Personen zum Kommunikationsverhalten deutscher CEOs (49 Kommunikationschefs, 63 Journalisten, 31 Analysten, 20 Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten) befragt.

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kationsfähigkeit und Medienkompetenz (vgl. Freda 2014: 21). Kommunikationsfähigkeit und Medienkompetenz sind allerdings nicht in jedem Lebenslauf angelegt. Umso wichtiger ist es, „sich bewusst auf die kommunikativen Anforderungen der CEO-Position vorzubereiten“ (Hiesserich und Weidenfeld 2015: 163). Dennoch scheinen deutsche CEOs mit den neuen Anforderungen teilweise noch überfordert zu sein. Deekeling und Arndt (2014: 1241) sprechen von einem „Dualismus von Arbeit und Kommunikation“, der noch immer in deutschen Chefetagen vorherrscht. Kommunikation wird demnach noch immer nicht als integraler Bestandteil der Arbeit eines CEOs begriffen, und Führungskräfte stehen ihren kommunikativen Aufgaben bisweilen skeptisch gegenüber (vgl. ebd.). Verwunderlich ist das nicht unbedingt. Schließlich sind Kommunikationsaufgaben bislang noch nicht in diesem Maße in das Aufgabengebiet eines Unternehmenslenkers gefallen (vgl. ebd., Freda 2014: 20). Im Gegenteil – so schirmte die Kommunikationsabteilung den CEO traditionell weitestgehend von den Medien und der Öffentlichkeit ab. Doch heute ist „öffentlichkeitsscheu“ eine Eigenschaft, die ein Ausschlusskriterium für die CEO-Position bedeuten kann (vgl. Freda 2014: 2). CEOs erleben diese Kommunikationsanforderungen als überraschend hoch und beklagen fehlende Vorbereitung (vgl. Egon Zehnder International 2010: 16). Der ehemalige CEO der deutschen Bank, Jürgen Fitschen, spricht in einem Interview in diesem Zusammenhang „von einem Gefälle des öffentlichen Interesses, das den CEO von den anderen Vorstandsmitgliedern trenne“ (Hiesserich und Weidenfeld 2015: 163). Im Gegensatz zu den Positionen, die sie vorher bekleidet haben, stehen sie als CEO im Zentrum der Aufmerksamkeit, insbesondere vonseiten der Presse (vgl. Egon Zehnder International 2010: 16). In diesem Zusammenhang sind sie mit einem großen Interesse an ihrer Persönlichkeit, insbesondere persönlichen Details, konfrontiert (vgl. Egon Zehnder International 2010: 16f.). Die ständige Aufmerksamkeit und das große Interesse erfordern von den Vorstandsvorsitzenden eine ständige Präsenz. Ein CEO fasst diese Erwartungshaltung so zusammen: „Ein CEO muss heute sichtbar sein, er muss für die Mitarbeiter sprichwörtlich greifbar sein. Man muss sich sehen und berühren können. Die Mitarbeiter sind heute nicht mehr willens zu sagen, ich kenne meinen Chef nicht. Diese Zeiten sind komplett vorbei.” (Egon Zehnder International 2010: 18)

Die Position im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit scheint von den CEOs dabei häufig als große Belastung empfunden zu werden (Nolte und Heidtmann 2010, Hiesserich und Weidenfeld 2015). Vorstandsvorsitzende nehmen daher nicht selten eine ablehnende Haltung gegenüber den Medien ein, und machen die skandalisierende Berichterstattung deswegen zumindest teilweise für das schlechte Mana-

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gerbild in der Öffentlichkeit verantwortlich (vgl. Freda 2014: 21). Stephan Gemkow, Vorstandsvorsitzender von Franz Haniel & Cie., gibt im Interview mit Ursula Weidenfeld Folgendes zu Protokoll: „Manager sind in der Öffentlichkeit immer schlechter angesehen, Familienunternehmen kommen immer besser weg. Kann man sich zufrieden zurückziehen in sein Privatunternehmen und sagen, ein Glück, dass ich die richtige Seite erwischt habe? Woran liegt das denn, dass das Ansehen von Managern so gesunken ist? Es liegt natürlich zum Teil am Fehlverhalten von Managern, von Einzelpersonen. Aber es liegt auch an einer deutlich gestiegenen Tendenz zur Dramatisierung und Skandalisierung von Verhalten. Das wird durch die Nutzung von sozialen Netzwerken und von anonymen Plattformen sehr beflügelt. Gegen diese Skandalisierung ist niemand gefeit. Selbst wenn Sie, auf Deutsch gesagt, keinen Dreck am Stecken haben, schützt es Sie nicht davor, zur medialen Zielscheibe zu werden. Auch wenn sich womöglich zwei, drei, vier, fünf Jahre später zeigt, da war nichts dran. Die Persönlichkeit ist – meist dauerhaft – beschädigt.“ (Herv. i.O.) (Hiesserich und Weidenfeld 2015: 104)

Personalisierte Berichterstattung wird von den CEOs tendenziell als wenig sachdienlich abgelehnt (vgl. Hiesserich und Weidenfeld 2015: 21). Gleichzeitig setzt sich auf Unternehmensseite aber die Erkenntnis durch, dass die Personalisierung der Unternehmenskommunikation für die Selbstdarstellung des Unternehmens durchaus positiv genutzt werden kann (vgl. Freda 2014: 20). CEO-Kommunikation meint daher auch „die systematische Gestaltung der öffentlichen Wahrnehmung des obersten Entscheidungsträgers in einem Unternehmen zur Durchsetzung seiner unternehmerischen Agenda“ (Deekeling und Arndt 2014: 1240). Unternehmen versuchen hier auf die Fremdpositionierung – insbesondere durch Medien – in der öffentlichen Wahrnehmung durch eine gezielte Selbstpositionierung des CEOs Einfluss zu nehmen (vgl. Szyszka 2010: 102): „Personalisierung macht die strategische Profilierung über einen CEO möglich. Bei CEO-Positionierung wird Unternehmenskomplexität gezielt reduziert, indem positiv belegbare Merkmale eines CEO (Stärken, Qualitäten) als für die Person und das Unternehmen zentral und repräsentativ markiert werden (...). Angestrebt wird damit eine wünschenswerte Positionierung von Unternehmen und CEO in den Prozessen öffentlicher Kommunikation, die sich in Reputation niederschlagen soll.“ (Herv. i. O.) (Szyszka 2010: 103)

Kommunikationsverantwortliche versuchen daher – trotz der vielfach ablehnenden Haltung der CEOs selbst – die Unternehmenslenker stärker in die Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens einzubinden. Der primäre Grund liegt in der Annahme, dass im Zuge einer Personalisierung der Einfluss des CEOs auf das Unternehmensimage und die Unternehmensreputation dramatisch steigt (vgl. Kapitel 3). Der CEO-Kommunikation kommt für die Pflege des CEO-Images dabei eine

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1. Einleitung

zentrale Rolle zu, denn sie hat Einfluss auf die Wahrnehmung des CEOs und damit auch indirekt auf die des Unternehmens in den Augen seiner Stakeholder (vgl. Deekeling und Arndt 2014: 1239). Auf diese Weise kann das CEO-Image zum wertvollen Unternehmensasset werden. In den vergangenen Jahren hat sich daher ein sehr umfassender Grundstock an „überwiegend normative[r], praxisorientierte[r] How-to-do-Literatur“ gebildet, die sich beratungsorientiert mit CEOReputationsmanagement und CEO-Positionierung auseinandersetzt (Sandhu und Zielmann 2010: 214). Viele dieser Ansätze stammen von Kommunikationsberatern und PR-Praktikern, die Anleitungen entwickeln, wie eine erfolgreiche CEOKommunikation als Bestandteil der Unternehmenskommunikation gestaltet werden kann (u.a. Hiesserich 2013, Deekeling und Arndt 2006, Nagel 2013, Gaines-Ross 2003). Um die Personalisierung allerdings zum Wohl des Unternehmensimages nutzen zu können – so wird in der Literatur an vielen Stellen betont – ist eine genaue Kenntnis derjenigen Muster unerlässlich, die bei der Wahrnehmung des Unternehmens und seines CEOs durch die Stakeholder zum Tragen kommen. 1.1.3. Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung Wie in den vorausgegangenen Abschnitten gezeigt wurde, weisen sowohl die Wirtschaftsberichterstattung als auch die Unternehmenskommunikation für den deutschsprachigen Raum Personalisierungsmerkmale auf. Sie sollen im Rahmen dieser Dissertation nicht weiter betrachtet werden, bilden aber den Kontext für die Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung. Mit dem Begriff „Stakeholder“ sind diejenigen Individuen gemeint, die durch ihr Verhalten freiwillig oder unfreiwillig die Wertschöpfungstätigkeit des Unternehmens beeinflussen und aus diesem Grund von der Wertschöpfungstätigkeit des Unternehmens entweder positiv oder negativ beeinflusst werden (vgl. Post et al. 2002: 19). Für börsennotierte Unternehmen umfassen Stakeholder damit neben den Shareholdern, also den Anteilseignern des Unternehmens, zahlreiche weitere interne und externe Anspruchsgruppen wie zum Beispiel Mitarbeiter, Finanzanalysten, Medien, Kunden, Zulieferer, NGOs, Politiker oder Gewerkschaften (vgl. Abschnitt 3.1.1.). Unter personalisierter Stakeholderwahrnehmung werden im Rahmen dieser Arbeit grundsätzlich zwei Tendenzen verstanden. Erstens wird mit zunehmender Personalisierung die Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens durch einen Stakeholder immer stärker vom CEO abhängig gemacht. Zweitens werden CEOs mit zunehmender Personalisierung von den Stakeholdern verstärkt anhand von so genannten „rollenfernen“ Persönlichkeitsmerkmalen beurteilt, die nicht oder

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nur indirekt in Zusammenhang mit der Ausübung der Rolle des Vorstandsvorsitzenden stehen, während „rollennahe“ Merkmale tendenziell in den Hintergrund treten. Brettschneider (2002: 23) hat diese beiden „Personalisierungsthesen“ ursprünglich für den Bereich der Personalisierung des Wählerverhaltens in der Politik entwickelt, empirisch überprüft und später auf personalisierte Wirtschaftsberichterstattung angewendet (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010). Es gibt immer wieder Beispiele, die auf eine Gültigkeit der ersten Personalisierungsthese schließen lassen. So machte Kasper Rorsted, damals amtierender CEO des Konsumgüterherstellers Henkel, im Januar 2016 seinen Wechsel an die Spitze des Sportartikelherstellers Adidas öffentlich. Die Börsenreaktion auf diese Ankündigung kam schnell, und sie war deutlich: Während der Kurs von Adidas zeitweise um bis zu zwölf Prozentpunkte in die Höhe schnellte, entwickelte sich der Kurs von Henkel gegenteilig (vgl. o.V. 2016a). Auch wenn sich die Börsenkurse beider DAX-30-Konzerne bald wieder stabilisierten, wurden diese Kursentwicklungen als Beleg für das Vertrauen der Anleger in den scheidenden Henkel-Chef gedeutet (vgl. o.V. 2016a). Während Rorsteds achtjähriger Amtszeit bei dem Konsumgüterhersteller hatte sich der Börsenkurs des Unternehmens verdreifacht (vgl. o.V. 2016b). Diese positive Entwicklung schrieben die Investoren offenbar Rorsteds Fähigkeiten zu. In ihrem Anlageverhalten kam damit eine positive Bewertung von Rorsted ebenso zum Ausdruck wie das in ihn gesetzte Vertrauen, diese Fähigkeiten auch in Zukunft und unter anderen Rahmenbedingungen gewinnbringend einsetzen zu können (vgl. o.V. 2016a). Im Falle von Rorsted hatte die Bewertung des CEOs offenbar einen signifikanten Einfluss auf die Bewertung des Unternehmens und hat sich entsprechend im Anlageverhalten der Investoren niedergeschlagen. Eine Studie von FTI Consulting, laut der 31,5 Prozent der Investoren ihre Anlageentscheidungen von ihrer Wahrnehmung des Vorstandsvorsitzenden abhängig machen (FTI Consulting 2012: 6), unterstützt diese Vermutung. Aber auch für andere Stakeholdergruppen existieren Indizien dafür, dass die Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens in hohem Maße vom CEO abhängig ist. So fand die Kommunikationsberatung BursonMarsteller (2001) heraus, dass die Bewertung des Unternehmens durch Führungskräfte, Medien, politische Akteure sowie Finanzanalysten und institutionelle Investoren zu 48 Prozent von der Bewertung des CEOs abhängt (vgl. Gaines-Ross 2003: 13). Und 84 Prozent der von der Kommunikationsberatung Hill und Knowlton (2008) befragten MBA-Absolventen einer Untersuchung über den War for Talent gaben an, dass die Wahrnehmung des CEOs für sie einer der wichtigsten Faktoren

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1. Einleitung

bei der Entscheidung für oder gegen eine Karriere in einem Unternehmen sei. Doch so eindeutig diese Studien den Einfluss des CEOs auf die Unternehmenswahrnehmung der Stakeholder auch zu belegen scheinen, sie sind nicht unproblematisch. Denn die wenigen bislang bekannten Ansätze stammen überwiegend aus der Beratungspraxis. Durch ihre Praxisorientierung sind die vorgelegten Studien tendenziell wenig theoretisch fundiert und geben häufig keine ausreichende Auskunft über das methodische Vorgehen. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse der Studien zumindest teilweise interessengeleitet sind. Sie können daher lediglich als Anhaltspunkte oder Indizien für die zukünftige Forschung dienen. In der wissenschaftlichen Forschung wurde dem Einfluss des CEO-Images auf das Unternehmensimage dagegen bislang vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt. Es gibt dennoch gute Gründe, eine Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension anzunehmen. Neben der bereits nachgewiesenen Personalisierung auf den anderen beiden Ebenen (vgl. Abschnitt 1.1.1. und 1.1.2.) ist dies beispielsweise die Annahme, dass Personalisierung der Komplexitätsreduktion dient (u.a. Szyszka 2010, Eisenegger 2010, Hoffmann und Raupp 2006). Weil es in einer zunehmend komplexer werdenden Unternehmensumwelt kaum mehr möglich ist, „international operierende Unternehmen in ihrer Gesamtheit zu verstehen, wird die Persönlichkeit, werden das Verhalten, die Mimik und Sprache des Vorstandsvorsitzenden zum Gradmesser der gesamten Unternehmung“ (Hiesserich 2013: 14). Die Stakeholder suchen nach Möglichkeiten, die steigende Komplexität bei der Unternehmenswahrnehmung zu bewältigen. Der CEO ist dabei das Mittel der Wahl. Doch auch wenn es intuitiv einleuchtend erscheint, eine Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung anzunehmen, sind viele Fragen nach wie vor ungeklärt. Beispielsweise besteht keine Klarheit darüber, welche Merkmale personalisierte Stakeholderwahrnehmung aufweist. Zwar wird in der Literatur immer wieder behauptet, dass der CEO das Unternehmen verkörpere (vgl. u.a. Freda 2014: 81, Hirt 2012: 69), ihm ein Gesicht gebe (vgl. u.a. Freie Universität 2005: 32, Deekeling und Arndt 2014, Nagel 2013: 24, Immerschitt 2009: 115) oder zum personifizierten Unternehmen werde (vgl. u.a. Ebel und Hofer 2003: 13). Darüber, wie genau sich diese „Personifizierung“ beziehungsweise „Verkörperung“ ausdrückt, gehen die Meinungen aber auseinander. Neben der wechselseitigen Zuschreibung von Eigenschaften zwischen dem CEO und dem Unternehmen (vgl. u.a. Casanova 2004, Zerfaß 2010) wird beispielsweise die Verlagerung von abstraktem Systemvertrauen auf konkretes Personenvertrauen als zentrales Merkmal personalisierter Stakeholderwahrnehmung genannt (vgl. u.a. Szyszka 2010, Eisenegger

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und Schranz, 2013, Bentele und Fähnrich 2010). Einen umfassenden Überblick über die Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung, den man als Grundlage für eine empirische Erhebung der Bedeutung von CEO-Images nutzen könnte, sucht man aber vergebens. Außerdem fehlen Erkenntnisse darüber, welche Faktoren die Bedeutung des CEOs für die Stakeholderwahrnehmung bestimmen. Zwar werden an verschiedenen Stellen in der Literatur einzelne unternehmensbezogene „personalisierungstreibende Faktoren“ (Talanow 2015, Eisenegger 2010) wie zum Beispiel Krisen- und Veränderungssituationen (u.a. Talanow 2015, Nagel 2013, Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010) genannt, jedoch kein umfassender Überblick über verschiedene Faktoren und ihre Wirkung gegeben. Auch existieren keine fundierten Erkenntnisse zu stakeholderbezogenen Faktoren, die sich personalisierungstreibend auf die Wahrnehmung auswirken. Zwar wird in weiten Teilen der Image- und Reputationsforschung davon ausgegangen, dass die Wahrnehmungsmuster von Individuen, die derselben Stakeholdergruppe angehören, große Ähnlichkeiten aufweisen, während zentrale Unterschiede zwischen den Wahrnehmungsmustern von Mitgliedern verschiedener Stakeholdergruppen bestehen (vgl. u.a. Park und Berger 2004: 95, Bromley 2002: 36). In diesem Sinne wird also die Zugehörigkeit zu einer Stakeholdergruppe als personalisierungstreibender Faktor betrachtet. Während sich die Reputationsforschung im Zusammenhang mit der Unternehmenswahrnehmung jedoch bereits eingehend mit diesem Zusammenhang beschäftigt hat (u.a. Fiedler 2011, Helm 2007), stehen für die CEOWahrnehmung entsprechende empirische Belege noch aus. Auch im Hinblick auf die zweite Personalisierungsdimension kann man anhand von Praxisbeobachtungen den Eindruck gewinnen, dass rollenferne Eigenschaften für die Wahrnehmung eines CEOs eine zentrale Rolle spielen. So wird die Persönlichkeit des CEOs von den Medien zunehmend in allen Facetten beleuchtet. Es geht nicht mehr nur um konkrete Entscheidungen oder Unternehmensstrategien, die vom CEO vertreten werden; zunehmend rückt die Persönlichkeit des CEOs – von seinen fachlichen Stärken und Schwächen über seinen Führungsstil bis hin zu seinen Wertvorstellungen oder Hobbies (vgl. Deekeling und Arndt 2014: 1238) – ins Zentrum des Interesses. Bei der medialen Bewertung eines CEOs werden nicht mehr nur Eigenschaften betrachtet, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Anforderungen der CEO-Rolle stehen. Das Interesse erstreckt sich vielmehr bis hin zu den innersten Sphären der Privatperson. Beispielsweise ist der Gesundheitszustand der Konzernlenker immer wieder Thema der Wirtschaftsberichterstattung. Nicht umsonst positionieren sich CEOs gerne als gesundheitsorientierte Sportler, die nicht nur Marathon laufen, sondern auch Bergsteigen. Persönliche

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1. Einleitung

Schwäche wird schließlich – zumindest in der medialen Berichterstattung – als Indikator für die Unternehmensleistung genommen. Schwächelt der CEO, dann schwächelt auch das Unternehmen. BMW-Chef Harald Krüger brach nach den ersten anstrengenden Wochen an der Spitze des Autobauers und mehrwöchigen Reisen rund um den Globus bei seiner Präsentation auf der weltgrößten Autoschau IAA im Herbst 2015 zusammen. Diagnose: Schwächeanfall aufgrund von Erschöpfung. Ein Kommunikationsdesaster. Die Medien überschlugen sich über diese „Demonstration menschlicher Schwäche“ (Michler und Gassmann 2015: 33). Einige zweifelten gar sofort, ob Krüger denn der richtige Mann für den Job sei. Beispiele wie dieses existieren zahlreich. Allerdings stellt sich die Frage, ob solche rollenfernen Merkmale nicht doch viel eher Unterhaltungszwecken dienen oder ob sie tatsächlich zu relevanten Bewertungsmaßstäben von Vorstandsvorsitzenden werden und dabei möglicherweise sogar rollennahe Eigenschaften wie die Fachoder Führungskompetenz bei der Stakeholderwahrnehmung dominieren. In der Beratungspraxis wurden erste Versuche unternommen, zentrale Eigenschaften von CEOs abzuleiten und ihre Bedeutung empirisch zu untersuchen (u.a. BursonMarsteller 1997, 1999, 2001, Hill und Knowlton 2008, FTI Consulting 2012, Weber Shandwick 2015, Trummer 2006, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Dr. Doeblin 2014, Schwalbach 2014, Zerfaß et al. 2013). Dabei werden überwiegend rollennahe Eigenschaften wie Fach- oder Führungskompetenzen sowie integritätsbezogene Merkmale als Erfolgsfaktoren von CEOs benannt. Rollenfernen Eigenschaften kommt dagegen nur eine sehr untergeordnete Rolle zu. In keinem dieser Ansätze wird jedoch detailliert erklärt, wie die untersuchten Imagedimensionen abgeleitet wurden. Zwar werden einzelne Eigenschaften genannt, die eine Rolle für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs durch verschiedene Stakeholder spielen. Einen fundierten Überblick über die Faktoren der CEO-Wahrnehmung verschiedener Stakeholdergruppen bleiben die bisherigen Ansätze aber alle schuldig. Die Analysen basieren eher auf Erfahrungen aus der Beratungspraxis und lassen, ebenso wenig wie für die erste Personalisierungsthese, einen Vergleich zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen zu. Auch erlauben diese Ansätze nicht, qualitative Aspekte der Bedeutung einzelner Eigenschaften für die CEO-Wahrnehmung zu erörtern. Trotz aller Personalisierungsbehauptungen in Wissenschaft und Praxis sind Fragen folgender Provenienz daher kaum überprüft: Haben die Investoren beim Wechsel von Kasper Rorsted an die Spitze von Adidas ihr Anlageverhalten tatsächlich vom scheidenden CEO abhängig gemacht? Welche Rolle spielte dabei die Be-

1.2. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

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wertung von Rorsteds „rollenfernen“ Eigenschaften wie Gesundheit, Alter oder seinen Hobbies? Und wie unterschied sich beispielsweise die Bewertung von Rorsted durch die Investoren von der Bewertung durch Mitarbeiter? Keiner der bisherigen Ansätze ermöglicht es, die Bedeutung und Zusammensetzung von CEOImages verschiedener Stakeholdergruppen theoretisch fundiert zu ermitteln. Für die Ebene der Stakeholderwahrnehmung existiert also in der Personalisierungsforschung eine Forschungslücke, die im Rahmen dieser Arbeit geschlossen werden soll. 1.2. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit Ungeachtet der zahlreichen Behauptungen, die insbesondere in der praxisorientierten Literatur über die beiden Dimensionen personalisierter Stakeholderwahrnehmung existieren, muss das empirisch gesicherte Wissen zur Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images als unbefriedigend angesehen werden. Die vorliegende Arbeit setzt am dargestellten Forschungsdefizit an und versucht zu ergründen, inwieweit die Wahrnehmung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen Merkmale aufweist, die auf eine Personalisierung im Sinne der ersten und zweiten Personalisierungsthese schließen lässt. Darüber hinaus will diese Arbeit unternehmens- und stakeholderspezifische Faktoren identifizieren, die Unterschiede in der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images begründen. Daraus ergeben sich folgende zentrale Fragestellungen, die im Verlauf der Dissertation behandelt werden: 1. Welche Bedeutung hat der CEO für die Wahrnehmung des Unternehmens durch die Stakeholder? 2. Wie setzen sich CEO-Images der Stakeholder zusammen? 2.1 Welche Eigenschaftsdimensionen und Einzeleigenschaften spielen bei der Wahrnehmung von CEOs durch die Stakeholder eine Rolle? 2.2 Welche Bedeutung haben rollenferne Eigenschaften bei der Wahrnehmung von CEOs durch die Stakeholder? 3. Wie lassen sich Unterschiede in der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images erklären? 3.1 Welche Einflüsse auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEOImages gibt es in Abhängigkeit von stakeholderbezogenen Merkmalen? 3.2 Welche Einflüsse auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEOImages gibt es in Abhängigkeit von unternehmensbezogenen Merkmalen?

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1. Einleitung

Die Beantwortung der Forschungsfragen wird sowohl mittels einer theoretischen Reflexion der wissenschaftlichen Literatur als auch einer eigenständigen empirischen Erhebung in Angriff genommen. Im ersten Teil der Arbeit (Kapitel 2 bis 5) werden die Forschungsfragen im Rahmen einer literaturgebundenen Analyse zunächst theoretisch erörtert, um die Grundlage für das methodische Design der späteren empirischen Erhebung zu legen. Kapitel 2 dient der Annäherung an den Untersuchungsgegenstand. Ziel des Kapitels ist es, das komplexe Konzept „Image“ sorgsam zu definieren und von verwandten Konzepten abzugrenzen (Abschnitt 2.1.). Im Anschluss werden die Imagegenese, der Prozess des Zustandekommens von Images (Abschnitt 2.2.), sowie die Struktur beziehungsweise Zusammensetzung von Images (Abschnitt 2.3.) erörtert, bevor auf den handlungsleitenden Einfluss von Images eingegangen wird (Abschnitt 2.4.). Mit dieser Annäherung soll die theoretische Grundlage für das Verständnis der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images im weiteren Verlauf der Arbeit geschaffen werden. In Kapitel 3 wird die erste Dimension personalisierter Stakeholderwahrnehmung, der Einfluss des CEO-Images auf das Unternehmensimage, theoriegebunden erörtert. Dazu werden zunächst Reputation und Image als intangible Vermögenswerte des Unternehmens eingeordnet (Abschnitt 3.1.). Im nächsten Schritt werden mit der personenbezogenen Adressierung (Abschnitt 3.2.1.) und der personenbezogenen Bewertung (Abschnitt 3.2.2.) zwei zentrale Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsthese identifiziert. Anschließend werden aus der Literatur unternehmensbezogene Faktoren abgeleitet, die Unterschiede in der Bedeutung von CEO-Images bedingen können (Abschnitt 3.3.1.), bevor aus der Literatur idealtypische Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung abgeleitet werden, zwischen denen sich personalisierte Stakeholderwahrnehmung bewegen kann (Abschnitt 3.3.2.). Zum Abschluss des Kapitels wird der bisherige empirische Forschungsstand zur Bedeutung von CEOImages für die Wahrnehmung und Bewertung von Unternehmen durch unterschiedliche Stakeholder dargestellt und erörtert (Abschnitt 3.4.). In Kapitel 4 wird die theoretische Grundlage für das Verständnis der Zusammensetzung von CEO-Images geschaffen. Auf Basis der bisherigen Überlegungen werden zunächst die Erkenntnisse der Personalisierungsforschung herangezogen, um die Einordnung einzelner Dimensionen von CEO-Images auf dem Kontinuum zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften zu ermöglichen und die Bedeutung von rollennahen und rollenfernen Eigenschaften zu bestimmen (Ab-

1.2. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

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schnitt 4.1.). In einem nächsten Schritt werden die wenigen bisherigen Erkenntnisse zur Zusammensetzung von CEO-Images diskutiert (Abschnitt 4.2.). Aufgrund der signifikanten Forschungslücke für den Bereich der Wirtschaft wendet sich diese Arbeit anschließend den Erkenntnissen der Forschung zur Zusammensetzung von Kandidatenimages zu, und leitet hieraus vorläufige Imagedimensionen von CEOImages ab, die im empirischen Teil der Arbeit untersucht werden sollen (Abschnitt 4.3.). Anschließend werden die einzelnen Imagedimensionen vorgestellt und bisherige Erkenntnisse zur Bedeutung der einzelnen Dimensionen für die Wahrnehmung von CEOs diskutiert (Abschnitt 4.4.). Kapitel 5 bildet den Übergang zum empirischen Teil der Arbeit. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen wird ein eigenständiges Modell zur Beschreibung und Analyse der Zusammensetzung von CEO-Images erarbeitet. Dieses Modell dient als Gerüst für die Erhebung, die im empirischen Teil der Arbeit durchgeführt wird. Kapitel 6 beschäftigt sich mit dem Untersuchungsdesign. Neben einer umfangreichen methodologischen Reflexion der Erhebungsmethode des Experteninterviews werden die Gütekriterien des methodischen Vorgehens diskutiert (Abschnitt 6.1.). Anschließend wird die durchgeführte Untersuchung grob skizziert (Abschnitt 6.2.), bevor zum Abschluss des Kapitels das Auswertungsverfahren erörtert wird (Abschnitt 6.3.). In den Kapiteln 7 bis 9 werden die Ergebnisse der Umfragen unter den verschiedenen Stakeholdergruppen anhand des formulierten Modells im Rahmen einer deskriptiven Vorbetrachtung vorgestellt. Kapitel 7 konzentriert sich dabei auf die Ergebnisse mit Bezug zur ersten Personalisierungsthese, während Kapitel 8 sich mit den Ergebnissen zur zweiten Personalisierungsthese auseinandersetzt. Im anschließenden Kapitel 9 werden die Ergebnisse konsolidiert und unter Rückgriff auf die in den Kapiteln 2 bis 4 erörterte Literatur, das eigenständige theoretische Modell und die eingangs formulierten Forschungsfragen diskutiert. Schließlich wird in Kapitel 10 ein Fazit im Hinblick auf die Forschungsfragen gezogen. Darüber hinaus erfolgt eine kritische Reflexion des Forschungsprojekts. Dabei sollen einerseits die Limitationen der Arbeit – unter anderem im Hinblick auf die Gültigkeit der Ergebnisse – kritisch hinterfragt, aber auch die theoretischen und praktischen Implikationen des Projekts gewürdigt werden. Dabei werden Bezüge zu bestehenden Befunden hergestellt und neue Erkenntnisse hervorgehoben. In einem letzten Schritt sollen Impulse für die weitere Forschung im Bereich von CEOImages gegeben werden.

2.

Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

Im Zusammenhang mit dem Personalisierungsphänomen wird dem CEO-Image sowohl in der praxisorientierten als auch in der wissenschaftlichen Literatur eine große Bedeutung für das Unternehmensimage zugeschrieben. Doch auch wenn in letzter Zeit einige Versuche unternommen worden sind, kann dieser Zusammenhang noch nicht als umfassend untersucht angesehen werden. Im Folgenden soll daher die theoretische Basis für die empirische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den beiden Imagegrößen „CEO“ und „Unternehmen“ geschaffen werden. Dazu werden die komplexen Konzepte Image und Reputation zunächst detailliert diskutiert und voneinander abgegrenzt. Anschließend werden das Zustandekommen und die Zusammensetzung von Images sowie der Zusammenhang zwischen Images und Handlungsentscheidungen diskutiert. Die Diskussion der Funktionsweise von Images und seinen verwandten Konzepten dient als Grundlage und Kontext für das Verständnis der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images in den folgenden Kapiteln. 2.1. Begriffsdefinitionen und -abgrenzung Im Rahmen der Image- und Einstellungsforschung existieren verschiedene Begrifflichkeiten, die häufig synonym und ohne klare Abgrenzung angewendet werden. Die folgende Darstellung konzentriert sich im Zusammenhang mit Unternehmen und CEOs auf die Konzepte Image und Reputation, die sich insbesondere durch ihre „Urheber“ von verwandten Konzepten wie zum Beispiel „Brand“ (Marke) oder „Identity“ (Identität) unterscheiden. Während Unternehmensmarke und -identität Selbstbilder der Unternehmung beschreiben, die durch das Unternehmen gesteuert werden können, bezeichnen Image und Reputation verschiedene Dimensionen der Wahrnehmung des Unternehmens oder des CEOs durch seine Stakeholder. Damit sind Image und Reputation von Unternehmen höchstens auf kommunikativem Wege beeinfluss-, jedoch keinesfalls kontrollierbar (vgl. Liehr-Gobbers und Storck 2011: 29, da Camara 2011: 49): „Image can be shaped but not controlled by an organization because factors such as media coverage, governmental regulations and surveillance, industry dynamics and other external forces also influence impressions of the firm.“ (Barnett et al. 2006: 34)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_2

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2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

Für die Konzepte Reputation und Unternehmensmarke fasst Helm (2011) die Unterschiede folgendermaßen zusammen: „What differentiates the two concepts is the driving force behind them: Brands are inherently firm driven and owned by the firm. With their corporate brand, the firm attempts to convey relevancy and differentiation of its offerings to customers and other stakeholders. Reputation is stakeholder driven and conveys legitimacy of corporate activities and corporate conduct in respect to a wide range of stakeholder groups. Although oftentimes called a corporate asset, reputation is not completely owned by the firm but by stakeholders who formulate expectations toward a firm’s conduct.“ (Helm 2011: 10)

Mit dem primären Fokus auf die Stakeholdergruppe der Kunden ist es nicht verwunderlich, dass die Unternehmensmarke insbesondere im Marketing eine große Rolle spielt, während die Unternehmenskommunikation, die verschiedene Stakeholdergruppen in den Blick nimmt, überwiegend mit den Konzepten Image und Reputation arbeitet. Diese Arbeit untersucht die Wahrnehmung von Unternehmen und CEOs durch verschiedene Stakeholdergruppen und wendet sich daher den Konzepten Image und Reputation zu. Die beiden Begriffe „scheinen sich auf den ersten Blick einer eindeutigen definitorischen Abgrenzung zu entziehen“ (Eisenegger 2005: 19). Beide beziehen sich auf die Vorstellungen, die Menschen von Imageund Reputationsträgern, wie zum Beispiel Organisationen, haben: „Nevertheless, images, impressions, and reputations are fundamentally similar – they refer to what individuals or publics think of an organization, or the perceptions or cognitions they have of an organization.“ (Park und Berger 2004: 95)

Auch wenn zwischen den beiden Konzepten zentrale Ähnlichkeiten bestehen und sie in der Literatur oftmals synonym benutzt werden (vgl. Park und Berger 2004: 94), müssen sie dennoch klar voneinander abgegrenzt werden. Bei der Abgrenzung wurden in der Literatur teils unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt (vgl. Gotsi und Wilson 2001: 25ff.). Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Konzepten werden in den folgenden beiden Abschnitten dargestellt. Auf Basis der Definitionen wird anschließend der primäre Fokus auf das Konzept des Images im Rahmen dieser Arbeit begründet. 2.1.1. Image Der Begriff „Image“ bezeichnet ein „Vorstellungsbild“ oder einen „Totaleindruck“, den eine Person von einem Sachverhalt, einem Objekt, einer Person, Organisation oder Institution hat (vgl. Eisenegger 2005: 23; Dichter 1985: 75). Das Image ist

2.1. Begriffsdefinitionen und -abgrenzung

23

damit Teil der Wahrnehmungswelt dieser Person (Schmid und Lyczek 2008: 82). Jedes der Wahrnehmung zugängliche Objekt – zum Beispiel Technologien, Städte, Berufe oder Güter, aber eben auch Unternehmen und Personen – kann grundsätzlich zum Imageträger werden (vgl. Bentele 1992: 153, Bergler 1991: 3). Daher unterscheidet man in der PR- und Marketing-Literatur beispielsweise zwischen Personen-, Waren-, Produkt- oder Markenimages (vgl. Eisenegger 2005: 23). Das Image als „Totaleindruck“ (Dichter 1985) beziehungsweise Gesamteindruck resultiert aus der Evaluation von Eigenschaften und Einzeleindrücken der „Imageträger“ (vgl. Brettschneider 2002: 134) oder auch „Imageobjekte“ (vgl. u.a. Röttger et al. 2014: 153ff.) durch den Urheber des Images, das „Imagesubjekt“ (vgl. u.a. Janik 2002: 70). Einzelne Eindrücke 11 , die ein Imagesubjekt von einer Sache gewinnt, werden auf Basis von subjektiven Vorprägungen, Einstellungen und Erfahrungen verarbeitet, bewertet und zu einem Image geformt: „Das Bild des Unternehmens entsteht auf der Basis verschiedenster Eindrücke (z.B. Erfahrung, Hörensagen, Werbung) und Voreinstellungen (Grundhaltungen und Werte z.B. politische und soziale Gesinnung). Es ist durch den jeweiligen Kontext in all seinen Dimensionen mitbestimmt.“ (Herv. i. O.) (Schmid und Lyczek 2008: 84)

Images sind insbesondere in Situationen von Bedeutung, in denen unmittelbare Erfahrungen mit dem Imageobjekt unmöglich oder nur unter erschwerten Bedingungen realisierbar sind. Dies gilt unter anderem für die Wahrnehmung öffentlicher Personen wie zum Beispiel CEOs, die überwiegend indirekt über die Medien wahrgenommen werden (vgl. Eisenegger 2005: 23): „Der für den Fernbereich typische Mangel an konkreten Erfahrungszusammenhängen betrifft neben dem prinzipiellen Vertrauen in die Stimmigkeit unserer Situationseinschätzungen auch die inhaltlichen Elemente dieser Perzeptionen. Das stabile, erfahrungsgestützte Wissen um die Eigenschaften verschiedener Akteure und die Angemessenheit bestimmter Handlungsweisen wird in ausdifferenzierten Gesellschaften mehr und mehr durch diffuse, facettenhafte Images ersetzt.“ (Herv. i. O.) (Zerfaß 2010: 127)

11

Das Konzept des Eindrucks (impression) weist große definitorische Ähnlichkeiten mit dem Imagekonzept auf und wird häufig synonym verwendet (vgl. Park und Berger 2004: 94). Insbesondere in der Sozialpsychologie wird rund um das Thema der Personenwahrnehmung häufiger mit dem Begriff des Eindrucks gearbeitet, als mit dem Imagebegriff (vgl. u.a. Bierhoff 1986). Im Rahmen dieser Dissertation meint Image jedoch die Gesamtheit der auf Basis von Voreinstellungen kognitiv verarbeiteten Eindrücke, die eine Person von einem Imageträger gesammelt hat. Eine Person kann also viele einzelne Eindrücke durch Primär- oder Sekundärerfahrungen mit dem Imageträger (vgl. Kapitel 2.2.) sammeln, die dann zu einem Image verarbeitet werden (vgl. Park und Berger 2004: 4).

24

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

Die Bewertung des Imageträgers muss aufgrund mangelnder direkter Erfahrung mit dem Imageträger auf Basis „unvollständiger und teils widersprüchlicher Einschätzungen der interaktionsrelevanten Eigenschaften“ (Zerfaß 2010: 127) vorgenommen werden. Das Image zeichnet sich daher nicht nur durch Subjektivität aus, sondern auch durch eine Tendenz zur Vereinfachung und Typisierung zur Komplexitätsreduktion der Wirklichkeit (vgl. Eisenegger 2005: 23, Essig et al. 2010: 24). Aufgrund der starken subjektiven Färbung und der Tendenz zur Typisierung und Vereinfachung kann ein Image nicht als Abbild der Wirklichkeit gelten: „An image is not a picture, that is, it is not a detailed representation; it is, rather, a few details softened with the fuzziness of perception“ (Newsom et al. 1989: 364, zitiert in Park und Berger 2004: 95). Je mehr Informationen einer Person bei der Imagebildung über das Imageobjekt zur Verfügung stehen, desto ausdifferenzierter sind Images. Stehen nur wenige Informationen zur Verfügung, bleiben Images eher undifferenziert oder „verschwommen“ (vgl. Essig et al. 2010: 24). Images sind das Ergebnis (inter-)subjektiver Erfahrungsprozesse, „in denen Bedeutungen generiert und modifiziert werden“ (Zerfaß 2010: 127). Image ist also eine „Bezeichnung für den psychisch-mentalen Komplex, mit dem eine Sache im kognitiven System eines Akteurs repräsentiert ist“ (Schmid und Lyczek 2008: 82). Anhand dieser Eigenschaften von Images wird auch ihre Funktion deutlich: Sie ermöglichen es, „den Mangel an erfahrungsgestütztem Wissen in ausdifferenzierten Gesellschaften durch handlungsprägende Orientierungsmuster zu kompensieren“ (Zerfaß 2010: 129). Lange Zeit wurde diskutiert, ob jedem Imageträger ein einziges Image zugeordnet werden kann. Nach heute herrschender Meinung existieren jedoch ebenso viele Images zu einem Imageträger wie es Imagesubjekte gibt. Diese Images können sich zwar teilweise ähneln, aber auch komplett widersprechen. Nur die individuellen Faktoren von Images zu betonen würde jedoch übersehen, „daß das Subjekt, der Einzelne, nicht nur als Person, sondern auch als Mitglied sozialer Organisationen lebt und daß er gleichzeitig sowohl Einzelmensch, unverwechselbares Individuum, als auch Gruppenmensch, ein gleicher unter vielen ist“ (Kleining 1961: 147). Große Ähnlichkeiten findet man nach herrschender Meinung zwischen den Images von Individuen, die derselben gesellschaftlichen oder politischen Gruppe angehören (vgl. Bromley 2002: 36). In der Literatur wird in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass der gleiche Sachverhalt oder die gleiche Person in unterschiedlichen Meinungsmärkten durch Abweichungen in den meinungsadäquaten Bewertungsmaßstäben der einzelnen Gruppen anders bewertet werden kann (vgl. Szyszka 2010: 91). Im Zusammenhang mit Unternehmens- oder CEO-Images gehen viele Autoren davon aus, dass die Images von Mitgliedern derselben Stakehol-

2.1. Begriffsdefinitionen und -abgrenzung

25

dergruppe große Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. Park und Berger 2004: 95, Riordan et al. 1997: 401, Bromley 2002: 36, Brown 1998: 216), während zwischen den Images verschiedener Stakeholdergruppen tendenziell Unterschiede bestehen. Die Ursache liegt laut Dowling (1988) darin, dass Mitglieder derselben Stakeholdergruppe ähnliche „Rollen“ gegenüber dem Unternehmen einnehmen: „Because an organization serves multiple publics that have a different type of interaction with the company, then each of these groups is likely to have a different image of a particular company. Hence, a company does not have an image; it will have multiple images.“ (Dowling 1988: 28)

In Anlehnung an Eisenegger (2005: 24) wird Image daher zusammenfassend im Rahmen dieser Arbeit folgendermaßen definiert: Images sind subjektive, stereotype Vorstellungsbilder über (Kollektiv-)Subjekte wie Personen und Institutionen sowie Objekte, die zur Vereinfachung neigen. Images sind psychisch-mentale Komplexe, die aus der Evaluation von Eigenschaften und Eindrücken resultieren, mit denen ein Imageträger im kognitiven System eines Akteurs repräsentiert ist. 2.1.2. Reputation Reputation bezeichnet umgangssprachlich den „guten Namen“, das öffentliche Ansehen oder den „Ruf“ eines Reputationsträgers (vgl. Talanow 2015: 21), und ist in vielfältiger Weise und mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in der wissenschaftlichen Literatur definiert worden.12 Der Reputationsbegriff weist große Ähnlichkeit mit dem Imagebegriff auf. Dennoch können einige zentrale Unterschiede identifiziert werden. So ist Reputation generell ein „kommunikatives Produkt beziehungsweise Ergebnis kommunikativer Vermittlungsleistungen und Inszenierungen“ (Eisenegger 2005: 22). Öffentliche Beachtung oder Aufmerksamkeit ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Person oder Organisation zum Reputationsträger wird. Eine Person wird erst dann zum Reputationsträger, wenn „unbeteiligte Dritte“ vom Ansehen der Person Kenntnis erlangen (vgl. Eisenegger 2005: 21).13 Aus diesem Grund spielen die Medien bei der Reputationskonstitution eine herausragende Rolle. Reputation wird überwiegend medial vermittelt; Eiseneg-

12 13

Systematisierungen verschiedener Definitionen von Reputation mit jeweils anderen Schwerpunkten finden sich unter anderem bei Barnett et al. (2006) oder Helm (2011). Ist das Ansehen der Person nur Teil der unmittelbaren Sozialzusammenhänge der Person oder Organisation, so spricht Eisenegger (2005) von Prestige. Jede Person oder Organisation ist also Prestigeträger, aber nur wenige werden durch (kommunikative) Vermittlungsprozesse ihres Ansehens an unbekannte Dritte zu Reputationsträgern (vgl. Eisenegger 2005: 21).

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2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

ger (2005) spricht daher von „medialisierter Reputationskonstitution“. Ebenso wie der Imagebegriff wird auch der Reputationsbegriff in der Literatur teilweise sehr unterschiedlich definiert. Im Folgenden werden zentrale Unterschiede zwischen den Konzepten Image und Reputation diskutiert. Auf Basis dieser Abgrenzung der Begriffe wird dann Reputation für den Zweck dieser Arbeit definiert werden. Zunächst werden Reputation und Image in der Hinsicht unterschieden, dass der Imagebegriff auch auf Objekte oder Sachverhalte angewandt werden kann, während nur Personen oder Organisationen Reputationsträger sein können (Eisenegger 2005: 23, Helm 2011: 9). Darüber hinaus ist der Imagebegriff zunächst neutral konnotiert. Mit dem Begriff Image können sowohl neutral-kognitive, als auch normativ-bewertende oder emotional-expressive Assoziationen verbunden sein. Reputation auf der anderen Seite enthält stets bewertende Assoziationen und impliziert eine Rangordnung zwischen verschiedenen Reputationsträgern. Dabei kommt Reputation eine zentrale Bedeutung im Prozess der Aufrechterhaltung sozialer Ordnung zu, weil sie den Gesellschaftsmitgliedern einen Rang zuweist (Eisenegger 2005: 23 f., Bromley 1993: 6). Der bedeutendste Unterschied zwischen Image und Reputation im Rahmen dieser Dissertation ist jedoch der Bezugsrahmen der beiden Begriffe. Image bezieht sich auf die individuelle, Reputation auf die kollektive Wahrnehmung eines Reputationsträgers: „Während Image das bezeichnet, was ich vom Unternehmen denke, ist Reputation das, was „man“ (die Gruppe, die Anderen) von einem Unternehmen denkt.“ (Herv. i. O.) (Schmid und Lyczek 2008: 89)

Reputation ist somit das Aggregat beziehungsweise die „Summe der Wahrnehmungen aller relevante(r)[n] Stakeholder“ (Fombrun und Wiedmann 2001: 46; vgl. auch Fombrun et al. 2000: 242; Wartick 1992: 34; Highhouse et al. 2009: 783); auf der anderen Seite beeinflusst Reputation den Entstehungsprozess von Images. Weil das Aggregat aller Images für eine wahrnehmende Person jedoch zu keiner Zeit eindeutig zu bestimmen ist, sind insbesondere die Images von Meinungsführern von Bedeutung (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 89f.). Reputation als Aggregat der einzelnen Images hat außerdem eine Ordnungsfunktion in der Gesellschaft. Das Aggregat der individuellen Images kann als Konsensbedeutung des Reputationsträgers in der Gesellschaft angesehen werden, die im Diskurs der einzelnen Gesellschaftsmitglieder ausgehandelt wird und konsequenterweise mit den Grundwerten der jeweiligen Gesellschaft vereinbar sein muss: „Die Unternehmensreputation ist demnach auf Gemeinschaften bezogen, in denen eine gemeinsame Bedeutung des Unternehmens ausgehandelt und grundsätzlich geteilt wird. Zwischen kollektiven (Reputation innerhalb der Gemeinschaft und inner-

2.1. Begriffsdefinitionen und -abgrenzung

27

halb von Subgruppen) und individuellen Imageelementen muss sich ein Gleichgewicht einstellen, das letztlich mit den identitätstiftenden Grundüberzeugungen der jeweiligen Gemeinschaft kompatibel sein wird.“ (Schmid und Lyczek 2008: 90)

Eisenegger (2005: 23f.) bezeichnet diesen Vorgang als Prozess sozialer Anerkennung eines Reputationsträgers, bei dem individuelle Images gegeneinander abgewogen und zu einer Gesamtreputation saldiert werden (vgl. auch Fombrun 1996: 37). Aufgrund dieser evaluativen Funktion kommt Reputation eine zentrale Bedeutung dabei zu, Individuen in der Gesellschaft ihren Rang zuzuweisen (vgl. Eisenegger 2005: 24). Im Gegensatz zur Reputation besitzen individuelle Images diese Funktion nicht, weil sie auf die Wahrnehmung und Bewertung des Imageträgers durch ein Imagesubjekt beschränkt sind. Sie konstituieren aber in ihrer Aggregation die Reputation von Akteuren (vgl. Eisenegger 2005: 23).14 Eisenegger (2005) führt die zuvor diskutierten Punkte zusammen. Seine Definition von Reputation liegt dieser Arbeit zugrunde: „Reputation ist eine öffentlich vermittelte Form der Anerkennung und basiert auf der Diffusion von Prestigeinformation an unbekannte Dritte über den Geltungsbereich persönlicher Sozialnetze hinaus. Dieser Verbreitungsprozess reproduziert sich in interpersonaler Anschlusskommunikation im Rekurs auf öffentliche, insbesondere medienvermittelte Kommunikation. Dabei werden in Prozessen sozialer Anerkennung verschiedene Images eines Akteurs zu einer (Gesamt-)Reputation saldiert. Reputation impliziert stets eine mehr oder weniger explizite soziale Rangordnung zwischen bewerteten und evaluierten Akteuren und ist integraler Bestandteil des sozialen Prozesses, soziale Ordnung zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Reputation bezeichnet demnach das öffentliche Ansehen, das eine Person, Institution, Organisation oder allgemeiner ein (Kollektiv-)Subjekt mittel- oder langfristig genießt und das aus der Diffusion von Prestigeinformation an unbekannte Dritte über den Geltungsbereich persönlicher Sozialnetze hinaus resultiert.“ (Herv. i. O.) (Eisenegger, 2005: 24)

Reputation und Image weisen viele Parallelen, aber auch einige Unterschiede, auf. Für den Zweck dieser Arbeit wird jedoch vorwiegend der Imagebegriff herangezogen. Die vorliegende Dissertation hat das Ziel, die Wahrnehmung des CEOs durch verschiedene Stakeholder des Unternehmens zu untersuchen. Die Wahrnehmungen einzelner Stakeholder sind also der Gegenstand der Untersuchung. Die Gesamtreputation des CEOs als Aggregat der gesamten Stakeholder-Images wird in der Un14

Andere Ansätze in der Reputationsforschung unterscheiden Image und Reputation zum Beispiel primär hinsichtlich des zeitlichen Horizontes und der Stabilität. Während Image nach diesen Definitionen ein eher instabiles, spontanes Bild von einem Imageträger ist, ist Reputation eine langfristige und stabile aggregierte Bewertung von Unternehmenseigenschaften (u.a. Mast 2016: 48): „An image presents a temporary perception, whereas a reputation is more lasting, constant perception produced over time“ (Park und Berger 2004: 95; vgl. auch Gray and Balmer 1998).

28

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

tersuchung dabei nur am Rande thematisiert. Dennoch wird das Reputationskonzept im Laufe der Arbeit immer wieder aufgegriffen werden. 2.2. Zustandekommen von Images Die Imagegenese, der Prozess des Zustandekommens von Images, ist vielschichtig und hochkomplex. Charakteristisch für die Imagegenese ist dabei insbesondere die dynamische Natur. Ein andauernder Strom von Eindrücken zum Imageobjekt unterwirft das individuelle Image zu Beginn einem kontinuierlichen Veränderungsprozess (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 90). Das Image ist daher zunächst ein äußerst instabiles Konstrukt. Die Dynamik der Imagegenese nimmt jedoch mit der Zeit ab, das Image verfestigt sich: „Images entstehen sehr schnell. In ihrem Anfangsstadium können sie mit jeder neuen Information, mit jedem Wechsel des psychologischen Zustandes dynamisch moduliert und beeinflusst werden. (...) Ein Image festigt sich sehr langsam und erreicht schließlich einen sehr beständigen Zustand. Ein einmal gefestigtes Image ist ein sehr solides System, das langfristig angelegt und nur schwer zu ändern ist.“ (Essig et al. 2010: 23)

Im dynamischen Prozess der Imagegenese spielen verschiedene Einflussgrößen eine Rolle. Die Imagegenese ist ein mehrdimensionaler Prozess, in den „eigene Primärerfahrungen und verbürgtes Wissen über ein Objekt ebenso einfließen wie Vorurteile, Befürchtungen, Sympathien oder Erwartungen“ (Janik 2002: 70). In der Image- und Einstellungsforschung werden im Allgemeinen die folgenden drei Imagequellen unterschieden: Primärerfahrungen, Sekundärerfahrungen und Vorprägungen. Primärerfahrungen Primärerfahrungen sind direkte Vermittlungsprozesse (vgl. Zerfaß 2010: 130). Das Imagesubjekt macht eine direkte Erfahrung mit einem Imageobjekt, bei der kein „Imagemittler“ (Zerfaß 2010: 130) zwischengeschaltet ist. Um die zentrale Bedeutung von Primärerfahrungen bei der Imagegenese zu erklären, greift Zerfaß (2010) auf Giddens‘ (1996) These von der Wiedereinbettung entflochtener sozialer Beziehungen zurück: „Das Spiegelbild jeder Entflechtung von Handlungszusammenhängen ist ihre partielle Wiedereinbettung (Reembedding) in konkrete Kontexte. Bestimmte Handlungssituationen bilden Zugangspunkte zu abstrakten Medien und Akteuren, die hier in Form

2.2. Zustandekommen von Images

29

konkreter Aktionen und Reaktionen »faßbar« und erlebbar werden.“ (Herv. i. O.) (Zerfaß 2010: 130)

Direkt erlebbare Handlungssituationen bilden Zugangspunkte zu den ansonsten entrückten Imageträgern. Abstrakte Images können so im konkreten Handlungsvollzug einer Überprüfung unterzogen werden (vgl. Zerfaß 2010: 130). Primärerfahrungen dienen demnach insbesondere Verifizierungszwecken. Das Imagesubjekt überprüft seine Einschätzungen und Eindrücke von einem Imageobjekt. Damit resultiert die besondere Bedeutung von Primärerfahrungen im Prozess der Imagegenese unter anderem aus ihrem Seltenheitswert. Für Unternehmensimages definieren Schmid und Lyczek (2008: 91) Primärerfahrungen als Einflüsse von Unternehmensseite. Eine Primärerfahrung mit einem Unternehmen schließt nicht nur Erfahrungen mit dem Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens ein, sondern auch jede Form der geplanten oder auch ungeplanten Kommunikation, die von einem Unternehmen direkt an das Imagesubjekt gerichtet wird und ohne einen Imagemittler auskommt. Dies umfasst die vierteljährliche Finanzberichterstattung eines börsennotierten Unternehmens ebenso wie Pressemitteilungen oder die Kommunikation des Unternehmens über soziale Medien (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 91). Im Falle des CEO-Images meinen Primärerfahrungen entsprechend jede Form des direkten Kontaktes zwischen dem Imagesubjekt und dem CEO. Die wichtigste Primärquelle von CEO-Images ist die CEO-Kommunikation. Je personalisierter Stakeholder ein Unternehmen wahrnehmen, desto größer wird die Bedeutung der CEO-Kommunikation, denn die Stakeholder fordern die kommunikative Vermittlungsleistung des CEOs zunehmend ein: „Vorbei sind die Zeiten, als Unternehmensleiter die Öffentlichkeitsarbeit an die Pressesprecher delegieren konnten, denn Stakeholder schauen an die Spitze des Unternehmens, um Antworten und Erklärungen zu erhalten.“ (Freda 2014: 35)

CEO-Kommunikation erfolgt immer mit dem Ziel einer Einflussnahme auf den Imagebildungsprozess, der „systematische[n] Gestaltung der öffentlichen Wahrnehmung des obersten Entscheidungsträgers in einem Unternehmen zur Durchsetzung seiner unternehmerischen Agenda“ (Deekeling und Arndt 2014: 1240, vgl. auch Nagel 2013: 27). Der CEO wird im Zuge von Personalisierungstendenzen damit zum ersten und wichtigsten Sprecher seines Unternehmens stilisiert. In der Vergangenheit sind verschiedene strategische Modelle zum Management der CEOKommunikation entwickelt worden (u.a. Gaines-Ross 2003, Deekeling und Arndt 2006, Hiesserich 2013). Die CEO-Kommunikation wird für alle Stakeholdergruppen wichtiger, wenn sich im Zuge von Personalisierungstendenzen alle Augen – von Investoren über Medien, die Politik, NGOs, Mitarbeiter, der Öffentlichkeit bis

30

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

hin zu den Kunden – zunehmend auf den CEO richten (vgl. Freda 2014: 29). CEOKommunikation richtet sich deshalb an alle unternehmerischen Anspruchsgruppen. Dabei gilt es, die unterschiedlichen und teilweise konfliktbeladenen Ansprüche, Erwartungen und Haltungen der verschiedenen Zielgruppen der CEOKommunikation genau zu kennen, um die gewünschten Imagewirkungen bestmöglich erreichen zu können (vgl. Nagel 2013: 34). Dem CEO stehen bei der Kommunikation mit den unterschiedlichen Stakeholdern diverse Instrumente zur Verfügung. Nagel (2013) unterscheidet grundlegend zwischen Live-Formaten, Multimedia-Formaten und Social-Media-Formaten. Außerdem unterscheidet sie zwischen Formaten, die überwiegend für die externe beziehungsweise die interne Kommunikation eingesetzt werden, sowie solchen Formaten, die für beide zum Einsatz kommen (vgl. Tabelle 1).15

15

Für eine detaillierte Diskussion der einzelnen Formate der CEO-Kommunikation vgl. Nagel (2013: 57ff.).

2.2. Zustandekommen von Images

Tabelle 1:

31

Formate der CEO-Kommunikation

Quelle: Nagel 2013: 57 Intern

Extern

Live



• Freie Rede Vortrag mit Folien (PPT)

• • • • • • • •

Meeting Telefonkonferenz Videokonferenz Mitarbeiter-/Betriebsversammlung Mitarbeiterveranstaltungen Führungskräfteveranstaltungen Standortbesuche Betriebsfeiern, Dienstjubiläen und andere informelle Meetings

• •

Beitrag in der Mitarbeiterzeitschrift CEO-Mail

Social Media

Multi-Media



• • • • • • • •

Webcast • • • •

• • •

IBM Connections, Jive, Yammer etc.

Auftritt in Fernseh-Talkshow Rednerbeitrag auf Kongress, Tagung u.ä. Pressekonferenz TV-/Radio-Interview Hintergrundgespräch Conference Call/Webkonferenz Round Table-/Podiumsdiskussion Informelle Meetings/Get-together

Pressemitteilung Interview in Print- oder Online-Presse Fach- oder Meinungsbeitrag in Printoder Online-Presse Brief an Kunden/Geschäftspartner/Aktionäre

CEO-Blog CEO-Chat • • • •

Facebook Postings Profil bei Xing, LinkedIn etc. Twitter-Meldungen Videos bei YouTube

Dabei wird von Kommunikationsverantwortlichen, die in verschiedenen Studien zur CEO-Kommunikation befragt wurden, Live-Formaten grundsätzlich die größte Bedeutung für den Stakeholderdialog beigemessen (vgl. Sandhu und Zielmann 2010, Freie Universität Berlin 2005). Je exklusiver das Setting der Live-Formate, desto wertvoller scheinen die Kommunikationsaktivitäten für den Imagebildungsprozess zu sein: „Nichts geht über das persönliche Gespräch“ (Nagel 2013: 59). Befragt zu den Instrumenten der CEO-Kommunikation, erachten Kommunikationsverantwortliche Hintergrundgespräche mit Journalisten und Analysten als besonders wichtig. Persönliche und sehr exklusive Settings eines Vier-bis-AchtAugen-Gespräches, also sehr direkte und personenzentrierte Kommunikationsfor-

32

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

men, werden als wertvolles Instrument der CEO-Kommunikation betrachtet (Sandhu und Zielmann 2010: 226f.): „Wenngleich ein Hintergrundgespräch von keiner unmittelbaren Öffentlichkeitswirksamkeit ist, so hat es doch eine Reihe von Vorzügen: Ausgewählte Gesprächspartner erfahren exklusiv und unter Verschwiegenheit, was immer sie aus Sicht des CEOs über sein Unternehmen, die Branche oder den Markt erfahren sollen. (...) Der CEO schenkt Vertrauen (...). Die Teilnehmer fühlen sich in der Regel geehrt, Informationen vor ihren Kollegen zu erhalten und sind entsprechend aufgeschlossen. Werden Hintergrundgespräche regelmäßig veranstaltet, wird so zudem eine Vertrauensbasis geschaffen, die zu einem späteren Zeitpunkt und insbesondere in Krisensituationen von hohem Wert für ein Unternehmen und seinen CEO sein kann.“ (Nagel 2013: 67)

Die positive Wirkung von exklusiven und persönlichen Treffen wird auch für die Gruppe der Mitarbeiter angenommen: Die von der Freien Universität Berlin (2005)16 befragten PR-Praktiker gehen mehrheitlich davon aus, dass intensiver Kontakt zwischen Mitarbeitern und CEO einen positiven Einfluss auf das Image des CEOs hat. Dies gilt insbesondere für direkte und eher informelle Kommunikationsformen wie Mitarbeitergespräche und die Präsenz des CEOs bei informellen Treffen und Freizeitveranstaltungen. Denn Mitarbeiter schätzen die direkte Ansprache und empfinden Wertschätzung durch den CEO, wenn er an Veranstaltungen persönlich teilnimmt, anstatt einen Stellvertreter zu schicken (vgl. Nagel 2013: 61). Formellen und indirekten Kommunikationsformen wie dem Intranet, E-Mails, der Mitarbeiterzeitschrift oder einer CEO-Homepage wird dagegen kein signifikanter Einfluss auf das CEO-Image nachgesagt, obwohl die indirekten und formellen Kommunikationsformen bislang noch überwiegend in der internen Kommunikation des CEOs verwendet würden (vgl. Freie Universität Berlin 2005). Weiterhin sind für die von Sandhu und Zielmann befragten Kommunikationsverantwortlichen hauptsächlich Qualitätszeitungen und Wirtschaftsmagazine als Medien der gesellschaftlichen Elite für die CEO-Kommunikation von großer Bedeutung. Interviews und Gastbeiträge von CEOs spielen im Rahmen personalisierter Unternehmenskommunikation dabei eine besondere Rolle (vgl. Talanow 2015). Neue Medien wie Blogs oder Social Media spielen nach Ansicht von Kommunika-

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Die Freie Universität Berlin (2005) hat 179 interne PR-Experten aus Unternehmen und PRAgenturen zu der Rolle des CEOs in der Unternehmenskommunikation befragt. Die Studie wurde in einer standardisierten Online-Umfrage unter PR-Verantwortlichen in Unternehmen oder Agenturen, die sich mit dem Thema CEO-Kommunikation beschäftigen, zwischen dem 1. Juni und dem 22. Juni 2005 operationalisiert. Der Fragebogen enthielt insgesamt 25 Fragen. Die endgültige Stichprobe enthält 179 verwertbare Fragebögen (vgl. Freie Universität Berlin 2005: 9f.).

2.2. Zustandekommen von Images

33

tionsverantwortlichen noch keine größere Rolle für die CEO-Kommunikation (Sandhu und Zielmann 2010: 226f.). Dennoch ist die wachsende gesellschaftliche Bedeutung von sozialen Medien zumindest den Kommunikationsverantwortlichen sehr bewusst, denn „Social Media und das mobile Internet haben das Kommunikations- und Informationsverhalten der Menschen dramatisch verändert“ (Deekeling und Arndt 2014: 1247). Social Media sind aber kein einfaches Instrument, das in der CEO-Kommunikation eingesetzt werden kann oder nicht, sondern spiegeln einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel wider, der auch für die Unternehmen nicht folgenlos bleibt (vgl. ebd.). Kommunikationsverantwortliche dringen daher auf ein zunehmendes Engagement der CEOs in den sozialen Netzwerken, und zwar sowohl extern als auch intern (u.a. Weber Shandwick 2010, 2012a, 2015, BRANDfog 2012, CEO.com 2013). Welche Social-Media-Aktivitäten ein CEO dabei sinnvollerweise ergreift, hängt aber von der Branche, der Führungs- und Unternehmenskultur und der Kommunikationsstrategie des Unternehmens ab, denn die Social-Media-Aktivitäten müssen sich sinnvoll in die restliche Strategie der CEO-Kommunikation einfügen (vgl. Deekeling und Arndt 2014: 1249). Insbesondere deutsche Kommunikationsverantwortliche tun sich aber noch sehr schwer, ihre Chefs von den Vorteilen der Kommunikation mit Stakeholdern über soziale Netze zu überzeugen, was sich in der extrem geringen Anzahl an deutschen CEOs niederschlägt, die eine Präsenz auf sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook, Xing oder LinkedIn haben (vgl. ebd., vgl. auch Hering Schuppener 2017). Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Instrumente der CEOKommunikation feststellen, dass nach dem bisherigen Forschungsstand von Kommunikationsverantwortlichen so genannten Live-Formaten eine tendenziell größere Bedeutung für die Imagebildung eines Stakeholders beigemessen wird als multimedialen Formaten oder Social-Media-Formaten. Welche Formate der CEOKommunikation jedoch tatsächlich die wichtigste Rolle als Primärquelle des CEOImages im Prozess der Imagegenese spielen, kann letztendlich nur von den Stakeholdern selbst beantwortet werden. Sekundärerfahrungen Neben den Primärerfahrungen hat auch die Sichtweise anderer Akteure auf ein Imageobjekt einen großen Einfluss auf seine Wahrnehmung durch ein Imagesubjekt. Im Fernbereich – diejenigen Imageobjekte, die wir aufgrund entflochtener sozialer Beziehungen (Giddens 1996) nicht unmittelbar selbst wahrnehmen können – „ist dieser symbolische Imageanteil notwendigerweise der primäre“ (Schmid

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2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

und Lyczek 2008: 83). Weil die Zahl der Objekte, die wir primär im Fernbereich wahrnehmen, größer ist als die Zahl der Objekte, die wir unmittelbar selbst wahrnehmen können (vgl. ebd.), hat in der Praxis eine zweite Quelle von Images eine größere Bedeutung. Sekundärerfahrungen sind im Gegensatz zu Primärerfahrungen indirekte Vermittlungsprozesse (vgl. Zerfaß 2010: 130), also Aussagen und Meinungen über das Imageobjekt, die von einem Imagemittler kommuniziert werden. Diese Imagemittler zeichnen sich dadurch aus, dass sie gegenüber dem Imagesubjekt einen „erhöhten Wissens- oder Erfahrungsschatz“ aufweisen, und dass man ihren Einschätzungen aus „diesen oder anderen Gründen Glauben schenkt“ (ebd.). Sie können sowohl aus dem Nah- als auch aus dem Fernbereich stammen: „Solche Vertrauens- oder Imagemittler wären Bezugspersonen wie Eltern, Freunde, Lehrer, aber auch korporative Akteure wie Forschungsinstitute, Nachrichtendienste und Zeitungsredaktionen. Mit einigen Vermittlern stehen wir in einem unmittelbaren face-to-face Kontakt, so daß wir ihre Zuverlässigkeit und andere relevante Eigenschaften selbst beurteilen können. Ein großer Teil unseres Weltbildes wird jedoch durch Organisationen vermittelt, zu denen eine räumliche oder zeitliche Distanz besteht.“ (Herv. i.O.) (Zerfaß 2010: 130)

Für die Genese des Unternehmensimages definieren Schmid und Lyczek (2008: 91) Sekundärerfahrungen als „Einflüsse von der Unternehmensumwelt“. Sie umfassen alle Aussagen externer Quellen, die nicht dem Unternehmen zuzurechnen sind, wie zum Beispiel Medien 17 , NGOs, Finanzanalysten, sonstige Meinungsführer, aber auch Aussagen von Personen aus dem persönlichen Bekanntenkreis. Darüber hinaus stellen auch andere Unternehmen der gleichen Branche oder des gleichen Börsensegments eine Sekundärquelle dar, weil sie als Vergleichsobjekte dienen und damit Einfluss auf die Wahrnehmung des Unternehmens haben (vgl. ebd.). Für die Genese von CEO-Images umfassen Sekundärerfahrungen entsprechend alle Aussagen über den CEO, die nicht vom CEO selbst getätigt werden. Wie schon bei Unternehmensimages können dies Medien oder andere institutionelle Quellen oder Meinungsführer sein, ebenso wie Personen aus dem persönlichen Bekanntenkreis des Imagesubjektes. Sowohl für Primär- als auch für Sekundärquellen muss zudem beachtet werden, dass Images einerseits auf Basis von aktuellen Eindrücken entstehen, andererseits aber auch über einen langen Zeitraum gewonnene (Primär- oder 17

Lange Zeit herrschte die Vorstellung vor, dass Medien als Sekundärquelle von (Unternehmens-)Images ausschließlich klassische Medienformate wie Printmedien, TV-Formate und ähnliches umfassen würden. Erst in jüngster Zeit rücken die neuen medialen Formate im Rahmen des Web 2.0. (Blogs, Soziale Netzwerke, Foren Bewertungs- und Netzwerkplattformen etc.) in den Blickwinkel der Forschung zur Konstitution von Reputation und Image (vgl. Peters und Liehr-Gobbers 2015: 922).

2.2. Zustandekommen von Images

35

Sekundär-)Erfahrungen mit dem Imageträger in die Imagegenese einfließen (vgl. Brettschneider 2002: 135). Vorprägungen Neben Primär- und Sekundärerfahrungen existiert eine dritte Quelle im Prozess der Imagegenese. Sie soll im Rahmen dieser Arbeit als „Vorprägungen“ bezeichnet werden. Ein Image ist immer mehr als die Summe von Teileindrücken – sei es aus Sekundär- oder Primärquellen. Images als „Totaleindruck“ von einem Objekt zeichnen sich vielmehr durch einen kognitiven Verarbeitungsprozess aus, durch die Evaluation von Einzeleindrücken und die daraus folgende Aggregation zu einem Gesamteindruck auf Basis von Persönlichkeitsmerkmalen des wahrnehmenden Individuums: „Dieses Gesamthafte stellt dabei mehr als die Summe von Teileindrücken dar, was auf die menschliche Eigenschaft zurückzuführen ist, wahrgenommene Einzeleindrücke im Gehirn in verordnete Ganzheiten zusammenzufügen. Demnach fließen in ein Image immer Persönlichkeitsmerkmale des wahrnehmenden Individuums ein, wie z.B. Erinnerungen, Erfahrungen, Vorurteile, Interessen usw.“ (Janik 2002: 70)

Vorprägungen umfassen damit alle „Einflüsse der wahrnehmenden Person“ (Schmid und Lyczek 2008: 91). Neben den von Janik (2002: 70) genannten Einflussfaktoren können dies ebenfalls Persönlichkeitseigenschaften, Werte und Voreinstellungen oder auch motivationale und emotionale Zustände sein (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 91). Darüber hinaus entstehen Images immer auch im Kontext. Neben Primär- und Sekundärerfahrungen mit dem Imagesubjekt und den individuellen Vorprägungen spielt auch die Wahrnehmung anderer Imageobjekte, die mit dem jeweiligen Imageobjekt in Zusammenhang stehen, eine Rolle. (vgl. Zerfaß 2010: 128f.). Sie bilden, ebenso wie unsere Vorprägungen, eine Art Hintergrund, vor dem wir ein Imageobjekt wahrnehmen (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 83). Dies gilt beispielsweise für Images von Parteien und ihren Mitgliedern, aber auch für Images von Unternehmen und ihren Produkten (vgl. Zerfaß 2010: 128f.). Peters und LiehrGobbers (2015) fassen den Prozess der Imagegenese am Beispiel des Imageträgers „Unternehmen“ noch einmal zusammen: „Die Reputation eines Unternehmens entsteht bei den Stakeholdern in einem dynamischen Prozess (...). Geprägt wird sie zum einen durch den direkten Kontakt mit dem Unternehmen, den dabei entstehenden persönlichen Wahrnehmungen und gemachten Erfahrungen mit dem Unternehmenshandeln und den Unternehmensleistungen. Zum anderen bildet sich die Unternehmensreputation bei den Stakeholdern auch durch Vorstellungsbilder, die ihnen von anderen Stakeholdern mittels interper-

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2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

sonaler Kommunikation und Massenkommunikation vermittelt werden, in denen deren Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bewertungen zum Ausdruck kommen. Im Zeitverlauf kombinieren Stakeholder verschiedene Wahrnehmungen und Erfahrungen, bewerten diese vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Ansprüche und Erwartungen sowie Überzeugungen und Einstellungen, um sie schließlich zur gesamthaften Einschätzung des Unternehmens (...) zu kondensieren.“ (Peters und Liehr-Gobbers 2015: 921)

2.3. Zusammensetzung von Images In weiten Teilen der Image- und Einstellungsforschung wird zur Erklärung der Zusammensetzung von Images auf zwei verschiedene Begriffe zurückgegriffen: Komponenten und Dimensionen von Images (vgl. Rehberg 2008: 4, Essig et al. 2010: 25). Um den Zusammenhang sowie die zentralen Unterschiede zwischen beiden Begriffen aufzuzeigen, werden beide Bezeichnungen im Folgenden erläutert, diskutiert und voneinander abgegrenzt. 2.3.1. Imagekomponenten In der wissenschaftlichen Literatur zur Struktur von Images wird auf die Erkenntnisse der Sozialpsychologie zurückgegriffen, die sich intensiv mit der Struktur von „Einstellungen“ als einem dem Image verwandten Konzept beschäftigt hat. Zwischen den Konzepten Image und Einstellung bestehen enge Parallelen. Ob sie – wie beispielsweise von Kroeber-Riel und Gröppel-Klein (2013: 233) vorgeschlagen – synonym zu gebrauchen sind, oder ob es sich um eigenständige Konzepte handelt (vgl. u.a. Essig et al. 2010: 28), ist für den Zweck dieser Dissertation unerheblich und soll daher an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden.18 Einigkeit besteht in der Literatur aber weitestgehend darüber, dass Images und Einstellungen in etwa die gleichen Merkmale zugeschrieben werden können und die Konzepte weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013: 233, Rehberg 2008: 42f.). Die engen Parallelen werden unter anderem daran deutlich, dass zur Messung des Imagekonstruktes vielfach auf die Verfahren der Einstellungsmessung – zum Beispiel Likert-Skalen oder Semantische Differentiale – zurückgegriffen wird (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013: 233, Trommsdorff 2004: 182ff., Trommsdorff 1975: 23ff.). Zum anderen wird die Parallelität darin ersichtlich, dass 18

Für eine Diskussion der Unterschiede zwischen Images und Einstellungen vgl. Essig et al. (2010: 29).

2.3. Zusammensetzung von Images

37

die Erkenntnisse zur Struktur von Einstellungen auf das Imagekonstrukt übertragen werden. Die Diskussion um die Komponenten von Einstellungen geht auf das DreiKomponenten-Modell nach Rosenberg und Hovland (1960) zurück. Das DreiKomponenten-Modell der Einstellung wurde jedoch auch auf Images (vgl. u.a. Trommsdorff 1975, Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013) und weitere der Einstellung verwandte Konzepte wie zum Beispiel Reputation übertragen (vgl. u.a. Fiedler 2011, Fiedler et al. 2009, Fombrun und Gardberg 2000, Schwaiger 2004). Demnach bestehen Images ebenso wie Einstellungen aus einer affektiven, einer kognitiven und einer verhaltensbezogenen Komponente. Die affektive Imagekomponente bezeichnet die Gesamtheit aller Gefühle oder Emotionen, die eine Person mit einem Einstellungsobjekt assoziiert (vgl. Aaker et al. 2004: 283, Stürmer 2009: 71). Als „sinnlich bildlicher Kern des Images“ (Schmid und Lyczek 2008: 82) hat sie eine große Bedeutung für die Ausbildung des Images, weil die emotionale Reaktion einen direkten Einfluss auf unser Verhalten gegenüber dem Imageobjekt hat (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 84). Wird ein Imageobjekt auf der affektiven Komponente positiv bewertet, so ist es wahrscheinlich, dass sich ein grundsätzlich positives Image manifestiert (vgl. Stürmer 2009: 71). Die kognitive Imagekomponente, die auch als „Wissenskomponente“ (Fiedler et al. 2009: 199) bezeichnet wird, umfasst alle Informationen, die dem Imagesubjekt über das Imageobjekt zur Verfügung stehen. Dies schließt sowohl das (subjektive) Wissen eines Imagesubjekts über die Eigenschaften eines Imageobjekts mit ein, als auch das individuelle Urteil über die relative Bedeutung dieser Eigenschaften (vgl. Fiedler 2011: 130, Aaker et al. 2004). Sie ist damit das Ergebnis des kognitiven Prozesses zur Verarbeitung von Eindrücken bei der Imagegenese (vgl. Fiedler 2011: 130). Die Relevanz der beiden Imagekomponenten ergibt sich daraus, dass sie determinieren, auf welchem Wege ein gewonnener Eindruck verarbeitet wird und welche Imagekomponente das finale Image schlussendlich am stärksten determiniert: „Je nachdem, welche Image-Elemente im Vordergrund stehen, kann unsere Einstellung zu einer Sache deshalb primär durch sinnlich-emotionale Elemente bestimmt sein. Sie hat dann eine primär individuell-persönliche Bedeutung – die Anderen sehen ja nicht direkt, wie ich empfinde und was eine Sache für mich bedeutet. Entsprechend können die individuellen Verhaltensdispositionen aus individuellen Erfahrungen und spezifischem Können resultieren und – im geeigneten Kontext – zur Hinwendung oder Ablehnung einer Sache reizen. Stehen dagegen die symbolischen, durch sprachliches Wissen dominierten Imageanteile im Vordergrund, dann ist die Sache in einen begründenden und räsonierenden Prozess eingebunden, in dem

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2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

der internalisierte „Blick der Anderen“ von uns Rechenschaft fordert. In diesem Fall dominiert die soziale Bedeutung die Sache als soziale Konstruktion.“ (Schmid und Lyczek 2008: 83)

Die dritte und letzte Komponente von Images, die verhaltensbezogene Komponente, bezieht sich auf Informationen über das Imageobjekt, „die aus dem eigenen Verhalten im Umgang mit diesem Objekt abgeleitet werden“ (Stürmer 2009: 73). Die verhaltensbezogene Komponente umfasst dabei frühere, gegenwärtige und für die Zukunft antizipierte Verhaltensweisen, die mit einem Einstellungsobjekt verbunden sind (Haddock und Maio 2014: 204). Schmid und Lyczek (2008: 82) bezeichnen diese Komponente daher auch als „Handlungswissen“. Die Drei-KomponentenTheorie wird in der Regel so ausgelegt, dass sowohl die affektive als auch die kognitive Imagekomponente direkten Einfluss auf die Verhaltensintention haben und damit indirekt das Verhalten beeinflussen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013: 242, Trommsdorff 2004: 164). Andererseits wirkt auch das Verhalten auf das Image zurück, indem das Imagesubjekt aus dem eigenen Verhalten gegenüber dem Imageobjekt auf die eigene Wahrnehmung des Imagesubjektes zurückschließt.19 In der Literatur wird daher ein wechselseitiger Einfluss zwischen Images und Verhalten angenommen (u.a. Mummendey 1988). So kann beispielsweise das Image, das ein Imageträger von einer politischen Partei hat, die Wahlentscheidung beeinflussen. Gleichzeitig kann die Wahl wiederum das Parteienimage beeinflussen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013: 247). Der Zusammenhang zwischen der affektiven und der kognitiven Imagedimension und dem Verhalten beziehungsweise der Verhaltensintention ist in Abbildung 2 dargestellt. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation werden die kognitive und die affektive Dimension von Images im Vordergrund stehen.

19

Für einen umfassenden Überblick über den Einfluss des Verhaltens gegenüber einem Imageobjekt auf den Prozess der Imagegenese vgl. Haddock und Maio (2014: 203f.).

2.3. Zusammensetzung von Images

39

Kognitive Komponente

Verhaltensintention

Verhalten

Affektive Komponente Abbildung 2:

Drei Komponenten von Images

Quelle: In Anlehnung an Trommsdorff 2004: 164

2.3.2. Imagedimensionen Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits angesprochen wurde, besteht eine enge Verbindung zwischen Imagedimensionen und Imagekomponenten: Imagedimensionen bezeichnen Eigenschaften, die mit einem Imageobjekt verbunden werden. Diese umfassen sowohl sachbezogene Eigenschaften, die rational im Sinne der kognitiven Imagekomponente verarbeitet werden, als auch solche, die nicht sachlich sind und eher emotional beziehungsweise gefühlsmäßig im Sinne der affektiven Imagekomponente verarbeitet werden (vgl. Rehberg 2008: 45, Essig et al. 2010: 26). Eigenschaften, die kognitiv verarbeitet werden, werden als denotative Eigenschaften bezeichnet; Eigenschaften, die im Rahmen der affektiven Imagekomponente verarbeitet werden, werden als konnotative Eigenschaften bezeichnet (vgl. Essig et al. 2010: 26f., Glogger 1999: 54). Imagedimensionen bezeichnen also Eigenschaften, die einem Imageobjekt von einem Imagesubjekt auf der Basis von Eindrücken zugeschrieben werden. Diese Eigenschaften können unterschiedlichster Natur sein: „Als Imagedimensionen bezeichnet man die inhaltlichen Kriterien, anhand derer ein Gegenstand, eine Person oder ein System beurteilt wird (...) Personen und korporative Akteure können nicht nur in Bezug auf ihre fachliche Kompetenz und moralische

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2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

Integrität, sondern vor allem auch hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit oder Vertrauenswürdigkeit beurteilt werden.“ (Zerfaß 2010: 128).

Während Komponenten von Images alternative Verarbeitungswege der Eigenschaften eines Imageobjektes beschreiben, werden unter Imagedimensionen also die Eigenschaften verstanden, die einem Imageobjekt zugeschrieben werden (vgl. Essig et al. 2010: 28). In der Image- und Einstellungsforschung herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die einzelnen Eigenschaften zu übergeordneten Eigenschaftsdimensionen zusammenfassen lassen (u.a. Brettschneider 2002, Vetter und Brettschneider 1998, Miller et al. 1986, Kinder et al. 1980, Miller und Shanks 1996, Kindelmann 1994, Jakubowski 1998, Wirth und Voigt 1999, Dams 2003, Lass 1995). In diesem Sinne bezeichnen Imagedimensionen also übergeordnete Kategorien, die sich aus zueinander in Beziehung stehenden Einzeleigenschaften zusammensetzen: Die Vorstellung stützt sich „auf (...) Erkenntnisse der Kognitionspsychologie, wonach Menschen Verfahren der Kategorisierung anwenden, um sich in der sie umgebenden Komplexität zurechtzufinden. Sie organisieren ihre Eindrücke und Einstellungen entlang abstrakter, weiter gefasster Kategorien“ (Brettschneider 2002: 139). Sozialpsychologen, die sich mit der Personenwahrnehmung auseinandersetzen, sind sich dabei grundsätzlich über zwei Punkte einig: Erstens machen sich Beobachter ein relativ einheitliches Bild von anderen Menschen. Zweitens ist das Image einer Person immer mehr als die Summe der Einzeleindrücke (vgl. Krech et al. 2008: 71f.). Bei der Wahrnehmung und Beurteilung von anderen Menschen greift eine wahrnehmende Person auf Erfahrungen und Vorstellungen zurück, die sie im Laufe der Zeit über die Organisation von Persönlichkeitsmerkmalen gesammelt hat (vgl. Forgas 1999: 36). Dieses Wissen nimmt schließlich die Gestalt einer impliziten Persönlichkeitstheorie an, definiert als Summe aller akkumulierten Erfahrungen und Hypothesen darüber, wie Attribute und Persönlichkeitszüge bei anderen Menschen organisiert sind (vgl. Forgas 1999: 36). Eine implizite Persönlichkeitstheorie beschreibt diese Zusammenhänge zwischen Eigenschaften (vgl. Bierhoff 1986: 16) und besteht aus: „(...) einem speziellen Bündel deskriptiver Kategorien (z.B. äußere Erscheinung, Temperament, geistige Fähigkeiten, sozioökonomische Schicht) und bestimmten Annahmen darüber, welche Eigenschaften mit welchen anderen Eigenschaften Hand in Hand gehen (z.B. beleibte Menschen sind umgänglich, extrem intelligenten Menschen fällt es schwer, sehr enge Beziehungen zu anderen herzustellen, Angehörige der Unterschicht haben häufig rohe Gesichtszüge).“ (Krech et al. 2008: 73)

2.3. Zusammensetzung von Images

41

In einem Zuschreibungsprozess wird von „den Erfahrungen mit einem schmalen Persönlichkeitsausschnitt eines Image-Objektes (...) auf strukturell völlig andere Persönlichkeitsausschnitte dieses Image-Objektes geschlossen“ (Szyszka 1992: 105f.). Menschen neigen dazu, sich bei der Personenwahrnehmung von einem Gesamteindruck, der eine positive oder negative Bewertung impliziert, oder von einer subjektiv wichtigen Eigenschaft leiten zu lassen (vgl. Fischer und Wiswede 2009: 232, Bierhoff 1986: 4). Personenwahrnehmung führt so häufig zu einem relativ einheitlichen Bild. Denn nach der Theorie kognitiver Dissonanz (Festinger 1957), drängt „das „kognitive System des Menschen“ auf eine interne Konsistenz, auf eine Vereinbarkeit oder Konsonanz der kognitiven Inhalte“ (Herv. i. O.) (Fischer und Wiswede 2009: 304). Falls diese Einheitlichkeit nicht durch wirkliche Zusammenhänge unter den beurteilten Eigenschaften gerechtfertigt ist, spricht man von einem Halo-Effekt (vgl. Bierhoff 1986: 4): „Halo-Effekte sind Eindrucksverzerrungen: Wenn Beurteiler einem Menschen einmal gute (oder schlechte) Eigenschaften zuerkannt haben, neigen sie dazu, auch andere – mit den bereits zugewiesenen Eigenschaften in keinem Zusammenhang stehende – Merkmale konsistent als gut oder schlecht zu beurteilen.“ (Forgas 1999: 61)

In diesem Zusammenhang hat bereits Asch (1946) in zahlreichen Experimenten nachgewiesen, dass für die Eindrucksbildung in der Personenwahrnehmung nicht alle Elemente die gleiche Bedeutung haben. Einige Eigenschaften nehmen Einfluss auf die Bewertung anderer Eigenschaften und können deshalb als zentral angesehen werden (vgl. Fischer und Wiswede 2009: 248). Zentrale Eigenschaften stellen den Kern des Persönlichkeitsbildes dar, während periphere Eigenschaften weniger Gewicht für die Personenwahrnehmung haben (vgl. Bierhoff 1986: 12). Die Wahrnehmung, Verarbeitung, Speicherung und der Abruf von Informationen verläuft in vorhandenen kognitiven Strukturen einer wahrnehmenden Person (vgl. Brettschneider 2002: 137). Diese kognitiven Strukturen werden als Frames oder Schemata oder – mit besonderem Bezug zur Personenwahrnehmung – als Prototypen bezeichnet. Prototypen sind so genannte kognitive Short Cuts, abstrakte Vorstellungen verbunden mit vergangenen Erfahrungen, die der Wahrnehmung einer Person zugrunde gelegt werden. Sie dienen der Komplexitätsreduktion. Aufmerksamkeit wird auf bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen gelenkt, mit deren Hilfe auf die zukünftigen Verhaltensweisen der Person geschlossen wird (vgl. ebd.). Ein Prototyp bei der Personenwahrnehmung stellt eine Kombination von Eigenschaften oder Merkmalen dar, die aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des Wissensstands der Person zusammen auftreten. Dabei können wahrnehmende

42

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

Personen zu bestimmten Kategorien von Menschen (z.B. Männer oder Frauen) auch mehrere prototypische Vorstellungen von zusammengehörigen Eigenschaftskombinationen haben. Je nachdem, welche Informationen zur Verfügung stehen, wird bei der Wahrnehmung von Personen (z.B. Männern oder Frauen) dann ein bestimmter Prototyp aktiviert, mit dessen Hilfe sich die wahrnehmende Person dann nicht direkt wahrnehmbare Eigenschaften eines Imageobjektes erschließen kann (vgl. Bierhoff 1986: 287f.). Ein Prototyp bei der Personenwahrnehmung kann aber auch die Vorstellung von einem idealen Vertreter einer bestimmten Rolle – zum Beispiel der CEO-Rolle – sein, die sich in einer als ideal befundenen Merkmalskombination ausdrückt (vgl. Bierhoff 1986: 287, Brettschneider 2002: 137). Implizite Persönlichkeitstheorien müssen dabei nicht notwendigerweise vollständig individuell sein. Es konnte nachgewiesen werden, dass Menschen mit einem ähnlichen kulturellen beziehungsweise gesellschaftlichen Hintergrund häufig ähnliche implizite Persönlichkeitstheorien entwickeln (vgl. Forgas 1999: 43). In der Image- und Einstellungsforschung konnte im Rahmen von Faktoranalysen gezeigt werden, dass bei der Wahrnehmung von Personen, Gegenständen oder Organisationen einzelne Eigenschaften zu übergeordneten Eigenschaftsdimensionen zusammenfasst und die Imageobjekte auf den übergeordneten Eigenschaften bewertet werden (vgl. Abbildung 3).20 Eigenschaften, die zu Eigenschaftsdimensionen zusammengefasst werden, stehen dabei in engem inhaltlichem Bezug zueinander. Weil wahrnehmende Personen bei kognitiven Elementen, die in relevanten Relationen zueinanderstehen, nach Konsistenz streben (vgl. Fischer und Wiswede 2009: 304), werden diese inhaltlich zueinander in Bezug stehenden Eigenschaften tendenziell einheitlich bewertet und zu einer übergeordneten Dimension zusammengefasst.

20

Die Image- und Einstellungsforschung hat sich diesen Zusammenhang bei der Entwicklung von Maßen für verschiedene der Einstellung verwandte Konzepte wie Image und Reputation zunutze gemacht. Anstatt für die Image- oder Reputationsmessung alle relevanten Eigenschaften erheben zu müssen, werden durch Faktoranalysen umfassende Eigenschaftslisten auf wenige statistisch unabhängige Eigenschaftsdimensionen reduziert (vgl. u.a. Fombrun et al. 2000, Schwaiger 2004, Helm 2005, Ponzi et al. 2011, Walsh und Beatty 2007, Highhouse et al. 2009).

2.3. Zusammensetzung von Images

43

Eigenschaft 1 Eigenschaft 2

Dimension 1

Eigenschaft 3 Eigenschaft 4 Dimension 2

Eigenschaft 5 Eigenschaft 6

Image Eigenschaft 7 Dimension 3

Eigenschaft 8 Eigenschaft 9 Eigenschaft 10 Eigenschaft 11

Dimension 4

Eigenschaft 12 Abbildung 3:

Zusammensetzung von Images aus Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen

Quelle: In Anlehnung an Brettschneider 2002: 140

Diese übergeordneten Eigenschaftsdimensionen haben die Funktion, den Mangel an erfahrungsgestütztem Wissen durch handlungsprägende Orientierungsmuster zu kompensieren und ähneln in ihrer Funktionsweise somit den Zuschreibungsprozessen, die im Zuge der impliziten Persönlichkeitstheorien erfolgen: Von wahrgenom-

44

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

menen Eigenschaften wird in einem Zuschreibungsprozess auf nicht wahrnehmbare Eigenschaften geschlossen, die der gleichen Dimension zugeordnet werden. Einzelne Eigenschaftsdimensionen haben dabei größere Bedeutung für die Gesamtwahrnehmung als andere, je nachdem, welche kognitiven Strukturen der Wahrnehmung der Stakeholder zugrunde liegen (vgl. Brettschneider 2002: 141). 2.4. Handlungsleitender Einfluss von Images Ebenso wie die Reputation gehört das Image zu den der Einstellung verwandten Konzepten, deren Bedeutung in ihrem handlungsleitenden Charakter zu suchen ist (vgl. Fiedler 2011: 129). Images werden auch als „handlungsprägende Vorstellungsbilder“ (Zerfaß 2010: 129) bezeichnet, die nach dem Stand der Forschung enormen Einfluss auf Meinungs- und Einstellungsprozesse und damit auch auf das Verhalten von Individuen haben (vgl. Janik 2002: 71, Szyszka 1992: 104): „Festzuhalten bleibt: Auf der Basis des komplexen und im Zeitverlauf dynamischen Vorstellungsbildes, das ein Individuum von einem Unternehmen gewonnen hat, bildet sich sein Verhalten, wählt es seine mit diesem Unternehmen verbundenen Entscheidungen und Handlungen.“ (Schmid und Lyczek 2008: 84)

Images dienen der Komplexitätsreduktion und erlauben eine komprimierte Wahrnehmung einer immer komplexer werdenden Wirklichkeit. Sie ermöglichen es dem Individuum, an der sozialen Interaktion in dieser komplexen Welt überhaupt teilzunehmen und bilden die Voraussetzung für eigenverantwortliches Handeln (vgl. Janik 2002: 71, Szyszka 1992: 104f.): „Nur mithilfe dieser komprimierten Wahrnehmungsweise (...) kann der Mensch sich in seiner Umwelt orientieren und adäquat verhalten“ (Janik 2002: 71). Damit gewinnt die Orientierungsfunktion von Images im Zeitalter der Mediengesellschaft besondere Bedeutung, weil unmittelbare persönliche Erfahrungen mit Imageträgern zunehmend seltener werden (vgl. Janik 2002: 71). Um den Zusammenhang zwischen Images und Verhalten grundlegend zu verstehen, bietet es sich erneut an, auf die Erkenntnisse der Einstellungsforschung zurückzugreifen. Nach mehreren Jahrzehnten der Forschung kann es als gesichert gelten, dass Einstellungen das Verhalten von Individuen zwar nicht vollständig determinieren, aber einen großen Einfluss auf das Verhalten haben: „Einstellungen werden als komplexe intervenierende Variable verstanden, die zwischen situativen Reizen (Personen, Situationen, soziale Sachverhalte etc.) einerseits und den messbaren abhängigen Variablen (verbale Äußerungen über Affekte/Gefühle bzw. Reaktionen des autonomen Nervensystems, Wahrnehmungsurteile

2.4. Handlungsleitender Einfluss von Images

45

über verbal geäußerte Überzeugungen und schließlich offen zutage tretendes bzw. beobachtbares Verhalten) andererseits vermitteln.“ (Herv. i.O.) (Fischer und Wiswede 2009: 283)

Die Sozialpsychologie hat verschiedene Modelle entwickelt, die Aufschluss darüber geben, wie Einstellungen das Verhalten beeinflussen. Als besonders einflussreich können in diesem Zusammenhang die Theorie des überlegten Handelns (Ajzen und Fishbein 1975) und deren Weiterentwicklung, die Theorie des geplanten Handelns (Ajzen 1991), gelten, die empirisch stark gestützt worden sind. 21 Sie wurden zur Vorhersage von überlegten Handlungsentscheidungen entwickelt. Nach der Theorie des überlegten Handelns ist die unmittelbare Determinante für das Verhalten eines Individuums seine Verhaltensintention (vgl. auch Trommsdorff 2004: 164). Diese wird durch Einstellungen und subjektive Normen bestimmt. Die Einstellungskomponente bezieht sich auf die Einstellung eines Individuums zu seinem Verhalten, ob es als gut oder schlecht bewertet wird, das Verhalten auszuführen. Subjektive Normen beziehen sich dagegen auf die Überzeugungen eines Individuums, wie Andere das betreffende Verhalten beurteilen. Die Theorie des überlegten Handelns wird demnach auch den Erwartungswertmodellen zugerechnet, da Ajzen und Fishbein (1975) davon ausgehen, dass Individuen sich den Erwartungen ihrer Umwelt anzupassen versuchen. Eine Person wägt demnach ab, wie sie sich mit dem eigenen Verhalten und den eigenen Einstellungen den Erwartungen der Umwelt anpassen kann (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013: 235). Die Theorie des geplanten Verhaltens ist eine Weiterentwicklung der Theorie des überlegten Handelns. Neben Einstellungen und subjektiven Normen werden demnach Verhaltensintentionen einer Person auch durch die wahrgenommene Verhaltenskontrolle direkt oder indirekt beeinflusst. „Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle beschreibt die Überzeugung von Individuen, wie einfach oder wie schwierig (bzw. wie mühelos oder mühevoll) sich die Umsetzung eines zuvor geplanten Verhaltens gestalten wird.“ (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013: 236)

Aufgrund der Parallelen zwischen dem Image- und Einstellungskonstrukt (vgl. Kapitel 2.3.1.) können zentrale Erkenntnisse aus der Einstellungsforschung auch für Images angenommen werden. Ebenso wie Einstellungen werden auch Images 21

Neben Theorien für die Erklärung überlegter Handlungen existieren auch Ansätze, die den Einfluss von Einstellungen auf spontane Handlungen erklären können. Nach dem MODE-Modell (Motivation and Opportunity as Determinants of Behavior) von Fazio (1990) ist der Einfluss von Einstellungen auf das Verhalten einer Person größer, wenn ausreichend Motivation und Gelegenheit zur Abwägung der verfügbaren Informationen vorhanden sind (vgl. Haddock und Maio 2014: 227). Zum restlichen Abschnitt vgl. auch Haddock und Maio (2014: 223ff.).

46

2. Allgemeine Bedeutung und Zusammensetzung von Images

als „intervenierende Variablen“ des Verhaltens von Individuen angesehen (vgl. Trommsdorff 1975: 20). Für den Zusammenhang zwischen Image und Verhalten halten wir daher fest: Images beeinflussen das Verhalten der wahrnehmenden Person gegenüber dem Imageobjekt. Allerdings variiert die Stärke des Einflusses von Images auf die Handlungsentscheidung zwischen verschiedenen Entscheidungssituationen und -kontexten, der Stärke des Images und den Persönlichkeitseigenschaften des Imagesubjektes (vgl. Haddock und Maio 2014: 219ff., Schmid und Lyczek 2008: 84). Für Unternehmen ist es aufgrund des handlungsleitenden Charakters von Images aber in jedem Fall bedeutsam, ihre Entstehung und Zusammensetzung nachzuvollziehen (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 81). In der Imageforschung sind daher folgende Punkte zu beachten: „Eine Analyse des Phänomens Image muss fragen, welche Attribute ein Individuum einem Unternehmen und/oder einem Produkt zuschreibt, wie diese Attribute bewertet werden und welche „Verhaltensintentionen“ sich daraus ergeben.“ (Rosenstiel und Neumann 2002: 204f., zitiert in Schmid und Lyczek 2008: 82)

3.

Bedeutung von CEO-Images

Im Zusammenhang mit dem Personalisierungsphänomen wird sowohl in der praxisorientierten als auch in der wissenschaftlichen Literatur dem CEO-Image eine große Bedeutung für die Unternehmenswahrnehmung der Stakeholder zugeschrieben. Insbesondere in der praxisorientierten, aber auch in der wissenschaftlichen Literatur, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der CEO das Unternehmen verkörpere (vgl. u.a. Freda 2014: 81, Hirt 2012: 69), ihm ein Gesicht gebe (vgl. u.a. Freie Universität 2005: 32, Deekeling und Arndt 2014, Nagel 2013: 24, Immerschitt 2009: 115) oder zum personifizierten Unternehmen werde (vgl. u.a. Ebel und Hofer 2003: 13). Diese Behauptungen entbehren jedoch für die Ebene der Stakeholderwahrnehmung häufig einer theoretischen und empirischen Grundlage. Auch wenn in letzter Zeit erste Versuche unternommen worden sind, diesen Zusammenhang theoretisch und empirisch zu verorten, kann er noch nicht als umfassend untersucht angesehen werden. Das vorliegende Kapitel setzt zunächst auf der theoretischen Ebene an und hat zum Ziel, die theoretische Basis für die Untersuchung personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsthese zu erarbeiten. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie gestalten sich die Stakeholderbeziehungen des Unternehmens? Welche Interessen beziehungsweise Erwartungshaltungen haben verschiedene Stakeholder gegenüber einem Unternehmen? Wodurch ist personalisierte Stakeholderwahrnehmung gekennzeichnet? Wie und warum entstehen Wechselwirkungen zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage eines Stakeholders? Welche Faktoren haben einen Einfluss auf die Bedeutung von CEO-Images für Unternehmensimages? Kann personalisierte Stakeholderwahrnehmung verschiedene Ausprägungen annehmen? Inwieweit konnte personalisierte Stakeholderwahrnehmung bereits empirisch nachgewiesen werden? 3.1. Images als immaterielle Ressourcen von Unternehmen Reputation – und damit natürlich auch die einzelnen Images der verschiedenen Stakeholder – ist eine der wichtigsten Wertgrößen eines Unternehmens und wird auch als Intangibles Asset oder Social Approval Asset (Pfarrer et al. 2010: 1131) bezeichnet. Unternehmen stehen als offene Systeme in vielfältigen Interaktions- und Transaktionsbeziehungen mit ihrer Umwelt und sind in ihrer Wertschöpfungstätig© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_3

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3. Bedeutung von CEO-Images

keit von der Kooperation verschiedenster Gruppen abhängig: „Because organizations are not self-contained or self-sufficient, the environment must be relied upon to provide support“ (Pfeffer und Salancik 1978: 43). Wertschöpfung gelingt in Zeiten von Arbeitsteilung und Spezialisierung nur gemeinsam mit anderen. Dabei konkurriert ein Unternehmen mit seiner Umwelt (z.B. anderen Unternehmen) um knappe Ressourcen, die es für die Erfüllung seiner Wertschöpfungsfunktion benötigt. Diese können tangibler (physischer) oder auch intangibler (nicht-physischer) Natur sein. Das Interesse an den intangiblen Vermögenswerten von Unternehmen ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Insbesondere die Social Approval Assets wie Image und Reputation sind verstärkt Objekte wissenschaftlicher Forschung geworden, weil die Überzeugung besteht, dass gerade sie die Unternehmen mit einem langfristigen Wettbewerbsvorteil ausstatten (vgl. Pfarrer et al. 2010: 1131). Bislang fällt es – mit Ausnahme des Markenwertes des Unternehmens – jedoch noch schwer, die intangiblen Assets korrekt zu beziffern und in der Bilanz der Unternehmen auszuweisen. Dennoch belegen beispielsweise die Ansätze eines wertorientierten Controllings immaterieller Vermögensgegenstände, dass ihnen eine große Bedeutung für Unternehmen beigemessen wird (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 94f., Möller und Piwinger 2014, vgl. u.a. Bruns et al. 2003, Heyd und Lutz 2005). Lange Zeit fehlte ein fundierter theoretischer und empirischer Beleg für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Reputation und finanzieller Performance des Unternehmens, die eher von Intuition als von Theorie gestützt war. In der jüngeren Zeit wird diesem Thema in der wissenschaftlichen Literatur jedoch verstärkt Beachtung geschenkt. Im Folgenden sollen daher sowohl verschiedene theoretische Sichtweisen vorgestellt, als auch ein Überblick über die empirische Forschung gegeben werden. 3.1.1. Unternehmen und ihre Stakeholder In der Wissenschaft sind verschiedene Ansätze der Theorie der Unternehmung herangezogen worden, um zu erklären, warum Reputation eine wichtige immaterielle Wertgröße für Unternehmen darstellt. Neben der ressourcenbasierten Sicht der Unternehmung, die auf Penrose (1959) zurückgeht (u.a. Barney 1991, Roberts und Dowling 2002, Eberl und Schwaiger 2005), wird auch die Prinzipal-AgentenTheorie von Jensen und Meckling (1976) bei der Untersuchung der Bedeutung von Reputation für Unternehmen herangezogen (u.a. de la Fuente Sabaté und de Quevedo Puente 2003, Devine und Halpern 2001, Schwaiger 2004). Einen besonderen Stellenwert hat jedoch die Stakeholder-Theorie (u.a. Schmid und Lyczek 2008,

3.1. Images als immaterielle Ressourcen von Unternehmen

49

Neville et al. 2005, Frooman 1999, Fiedler et al. 2009). Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er nicht nur in der Lage ist, den Zusammenhang zwischen der Unternehmensreputation und Unternehmensperformance zu erklären, sondern auch die Rekursivität der Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen Stakeholdern berücksichtigt. Die Stakeholder-Theorie, die auf Freeman (2010[1984]) zurückgeht, ist eine Theorie der Unternehmensführung, die eine Organisation in ihrem sozial-ökonomischen Kontext begreift (vgl. Karmasin und Weder 2014: 82). Ihr wird unter anderem deshalb große Bedeutung zugesprochen, weil sie sich vom Paradigma des Shareholder-Values (u.a. Rappaport 1998) abwendet. Nach dieser traditionellen und interessenmonistischen Sichtweise soll die Unternehmensleitung ausschließlich die Interessen der Eigentümer oder Aktionäre (Shareholder) bei unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigen. Das Ziel der Unternehmensführung liegt nach dem Paradigma des Shareholder-Value in der maximalen Steigerung des Unternehmenswertes in Form des Marktwertes des Eigenkapitals (vgl. Rappaport 1998) zugunsten der Anteilseigner. Die Stakeholder-Theorie, als moderne Theorie der Unternehmung, bricht mit dieser Annahme. Ansprüche gegenüber einem Unternehmen können hier aus verschiedenen Arten von Beziehungen resultieren, die nicht ausschließlich durch Eigentumsrechte an der Unternehmung begründet sind und gleichberechtigt neben den Ansprüchen der Shareholder stehen: „[T]he stakeholder perspective emphasizes the similarity and mutuality of interests among the diverse constituents of the corporation, and the many forms that ownership may take. In the modern theory of the firm, ownership is seen in cognitive and behavioral, as well as physical and legal, terms. An individual owns his or her own knowledge and capabilities, and groups of people own the common understanding and routines that they have learned to rely on over time. Commitment to working within and among specific organizations, and development of situation-specific capabilities that serve organizational purposes, involves investments comparable to – and possibly rarer and more valuable than – the financial investment of shareowners.“ (Post et al. 2002: 16)

Die Stakeholder-Theorie erweitert also den Bezugsrahmen der Unternehmensführung und berücksichtigt neben den Shareholdern weitere Anspruchsgruppen, die – nicht notwendigerweise in monetärer Form – in ein Unternehmen „investiert“ haben. Häufig wird ein Stakeholder dabei in Anlehnung an Freemans (2010[1984]: 46) weitverbreiteten Ansatz als „[a]ny group or individual who can affect or is affected by the achievement of the organization’s objectives“ definiert. Viele Autoren (u.a. Post et al. 2002: 18f.) kritisieren allerdings, dass diese Definition zu weit gefasst ist. Freeman (2010[1984]: 17f., 25) zählt mit seiner Definition auch Konkurrenzunternehmen zu den Stakeholdern, die ebenfalls vom Unternehmenshandeln betrof-

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3. Bedeutung von CEO-Images

fen sind, beziehungsweise die unternehmerische Tätigkeit erheblich beeinflussen könnten. Eine so weitgefasste Definition widerspricht aber nach Auffassung vieler Autoren dem Gebrauch des Begriffs „Stakeholder“ in der Literatur. Aufbauend auf Freeman sind in der Literatur daher mittlerweile zahlreiche Ansätze für Definitionen vorhanden, die den Begriffsrahmen stärker eingrenzen. 22 Im Rahmen dieser Dissertation soll folgende Definition herangezogen werden: „The stakeholder in a corporation are the individuals and constituencies that contribute, either voluntarily or involuntarily, to its wealth-creating capacity and activities, and that are therefore its potential beneficiaries and/or risk bearers.“ (Post et al. 2002: 19)

Stakeholder können, wie schon bei Freeman, einen Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit nehmen, weil sie erfolgskritische Ressourcen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus zeichnen sich Stakeholder aber auch als „Risikonehmer“ aus, weil sie aus der Unternehmenstätigkeit sowohl Nutzen ziehen als auch Schaden nehmen können (vgl. auch Kochan und Rubenstein 2000: 369). Das Element des „Risikos“, welches die Stakeholder tragen, vermittelt eine wichtige Qualität der Beziehung zwischen Stakeholder und Unternehmen: die Reziprozität der Beziehungen (vgl. Mitchell et al. 1997: 857). Nach der Stakeholder-Theorie sind Unternehmen eingebunden in ein Netzwerk bestehend aus dem Unternehmen und den mit ihm in Wechselbeziehungen stehenden unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Das Netzwerk ist durch interdependente Interessenlagen gekennzeichnet (vgl. Post et al. 2002: 8, vgl. auch Rowley 1997, Roloff 2008) 23 . Die Unternehmensführung hat nach der Stakeholder-Theorie die komplexe Aufgabe, die Interessen aller Anspruchsgruppen bei unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen und bei widersprüchlichen Interessen einen bestmöglichen Interessenausgleich herzustellen. Dies kann unter Umständen auch dazu führen, dass der Shareholder-Value reduziert wird, weil die Interessen aller Anspruchsgruppen im Gegensatz zum Shareholder-Ansatz gleichberechtigt nebeneinanderstehen (vgl. Smith 2003: 86).

22 23

Eine umfassende Übersicht über eng- und weitgefasste Definitionen mit verschiedenen Schwerpunkten bieten Mitchell et al. (1997: 858). Eine explizit netzwerktheoretische Perspektive auf die Stakeholder-Theorie verschiebt den Fokus von den Akteuren (Unternehmen und Stakeholder) als Knotenpunkte des Netzwerkes auf die Beziehungen zwischen den Akteuren. Diese dualen und rekursiven Beziehungen stehen im Zentrum eines netzwerktheoretischen Ansatzes der Stakeholder-Theorie. Ebenso nehmen netzwerktheoretische Betrachtungen von der Idee Abstand, dass Unternehmen als fokale Knoten im Netzwerk angesehen werden (vgl. Karmasin und Weder 2014: 82f.).

3.1. Images als immaterielle Ressourcen von Unternehmen

51

Die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Stakeholdern sind dual und rekursiv. Stakeholder gehen eine Beziehung mit dem Unternehmen in der Erwartung eines bestimmten Nutzenbeitrages ein und leisten im Gegenzug einen Wertbeitrag (vgl. Schmid und Lyczek 2008, Donaldson und Preston 1995: 68). Im Zuge ihrer vielfältigen Interaktionen mit den Unternehmen können die Stakeholder dem Unternehmen durch ihr Verhalten entweder Ressourcen verleihen und ihm so einen Wettbewerbsvorteil bringen, oder ihm Ressourcen entziehen beziehungsweise verweigern und ihm so Schaden zufügen (Wertbeitrag). Gleichzeitig kann die Beziehung zum Unternehmen auch die Interessen der Stakeholder positiv oder negativ beeinflussen (Nutzenbeitrag) (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 75ff.). Stakeholder bilden Erwartungen gegenüber dem Unternehmen auf Basis dieser Interessen. Je nachdem, ob Stakeholder den Eindruck haben, dass ihre Erwartungen durch ein Unternehmen erfüllt werden, beeinflusst dies ihr Unternehmensimage. Dadurch wird eine entsprechende Verhaltensdisposition diesem Unternehmen gegenüber wahrscheinlicher (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 75). „If stakeholders are to feel and act positively towards a company, it will be in reciprocation for that company making a contribution to their lives.“ (Lewis 2001: 35).24 Mit ihrem Verhalten „sanktionieren“ die Stakeholder das Verhalten des Unternehmens; sie belohnen das Unternehmen, wenn es ihre Erwartungen erfüllt, und bestrafen es, wenn es ihre Erwartungen nicht erfüllt (vgl. Neville et al. 2005: 1187, Post et al. 2002). Aufgrund der Vielzahl an Stakeholdergruppen und Erwartungen, die teilweise in Konflikt zueinander stehen, sind Unternehmen allerdings häufig nicht in der Lage, die Erwartungen aller Anspruchsgruppen zur gleichen Zeit zu erfüllen: „Organizations could not survive if they were not responsive to the demands from their environments. But, we have noted that demands often conflict and that response to the demands of one group constrains the organization in its future actions, including responding to the demands of others. This suggests that organizations cannot survive by responding completely to every environmental demand. The interesting issue then becomes the extent to which organizations can and should respond to various environmental demands, or the conditions under which one social unit is able to obtain compliance with its demands.” (Pfeffer und Salancik 1978: 43f.)

Unternehmen stehen also vor der Herausforderung, alle für sie relevanten Anspruchsgruppen zu identifizieren und anschließend zu priorisieren. Es ist dabei nicht möglich, eine abschließende Liste von relevanten Stakeholdergruppen zu 24

Lewis (2001) kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass das Verhalten eines Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern einen viel größeren Einfluss auf die Unternehmensreputation hat als die Unternehmenskommunikation/PR-Strategie.

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3. Bedeutung von CEO-Images

erstellen, die universell für alle Unternehmen gültig ist. Vielmehr ist es notwendig, für jedes Unternehmen diejenigen Akteure zu identifizieren, die freiwillig oder unfreiwillig Einfluss auf die Wertschöpfungstätigkeit des Unternehmens nehmen und durch die Unternehmenstätigkeit dadurch entweder positiv oder negativ beeinflusst werden können. 25 Bei der Identifikation von erfolgskritischen Anspruchsgruppen eines Unternehmens kann dabei grundlegend nach generischen Stakeholdergruppen (Stakeholdergruppen, deren Wertbeitrag für die meisten Unternehmen wichtig ist) (vgl. Storck 2014: 551f.) und solchen Stakeholdergruppen unterschieden werden, deren Einfluss auf die Wertschöpfungstätigkeit sich aus unternehmensspezifischen Faktoren ergibt. Tabelle 2 fasst die Wert- und Nutzenbeiträge von verschiedenen generischen Stakeholdergruppen beispielhaft zusammen. Tabelle 2:

Wert- und Nutzenbeiträge generischer Stakeholdergruppen

Quelle: In Anlehnung an Schmid und Lyczek (2008: 76ff.) Stakeholdergruppe

Wertbeiträge

Nutzenbeiträge

Eigen- und Fremdkapitalgeber

Reduzierte Kapitalkosten; günstige Finanzmarktwahrnehmung (Vermeidung von Risikoabschlägen); „Patient Capital“: Langfristige Investition unabhängig von der kurzfristigen Entwicklung des Unternehmens Reduzierte Kosten für HumanKapital; erhöhte Produktivität: durch vorhandenes Vertrauen der Mitarbeiter untereinander und zur Unternehmensführung, positive Kooperationseffekte in Arbeitsprozessen Positive Netzwerkeffekte; Kostenreduktion durch Zusammenarbeit in der Prozessoptimierung und Technologieentwicklung Stabilität und Bereitschaft zur friedlichen Konfliktlösung in den Tarifbeziehungen

Rendite; Zinsen und Dividenden; Informationen zu Unternehmen, Branchen und Märkten

Mitarbeiter

Zulieferer

Gewerkschaften

25

Löhne und Gehälter; Wissen und Fähigkeiten, „Employability“; berufliche und private Kontakte; sozialer Status, Zugehörigkeit, Sicherheit

Positive Netzwerkeffekte; Kostenreduktion durch Zusammenarbeit in der Prozessoptimierung und Technologieentwicklung Gewerkschaftsbeiträge aus Löhnen und Gehältern; Bereitschaft zur friedlichen Konfliktlösung; Unterstützung von Arbeitnehmerinteressen und deren Rechten

In der Literatur existieren verschiedene Ansätze zur Identifikation von Anspruchsgruppen. Diese Suchstrategien können mehr oder weniger formalisiert sein, setzen unterschiedliche Schwerpunkte, und können bei Bedarf kombiniert angewendet werden. Einen Überblick über bedeutende Strategien zur Identifikation von Stakeholdergruppen bietet Zerfaß (2010: 328f.).

3.1. Images als immaterielle Ressourcen von Unternehmen

Kunden

Regierungen

Regulierungsbehörden NGOs

Medien

Loyalität zu den Produkten des Unternehmens; Bereitschaft zur Zusammenarbeit z.B. im Rahmen von kundenintegrierten Produktentwicklungen Makroökonomische Rahmenbedingungen und Sozialpolitik; Bedingungen der legalen Einflussnahme auf die Gesetzgebung

Bestätigung der Produkt- und Servicequalität des Unternehmens Konstruktive Zusammenarbeit; günstige öffentliche Wahrnehmung; freiwillige Qualitätsstandards Erhöhte Wahrnehmbarkeit des Unternehmens; günstige öffentliche Wahrnehmung; Respekt gegenüber den Darstellungen des Unternehmens

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Bedürfnisbefriedigung; primäre und sekundäre Produktnutzen; sozialer Status; Netzwerkeffekte; Bedürfnisidentifikation; Innovation; Produktsicherheit Steuern und Abgaben, insbesondere Unternehmenssteuern; zur Verfügungstellung und Aufbereitung notwendiger Informationen zur Vorbereitung der Gesetzgebung; Kooperation in Fragen des Umweltschutzes, Konjunktur, Technologie, internationale Beziehungen etc.; Abwicklung von Staatsaufträgen, Herstellung von Produkten und Dienstleitungen Kooperative Zusammenarbeit; Gebühren und Abgaben Konstruktive Zusammenarbeit; Spenden; Einbindung in Entscheidungsprozesse; Wissen und Informationen; Produkte und Dienstleistungen Wissen und Informationen; exklusive Berichterstattung

3.1.2. Unternehmensimages als Stakeholder Capital Weiter oben (vgl. Abschnitt 2.4.) wurde dargestellt, dass Images einen handlungsleitenden Charakter haben. Damit beeinflusst das Unternehmensimage das Ausmaß, in dem ein Stakeholder ein Unternehmen bei der Leistungserstellung unterstützt, ihm also die benötigten, kritischen Ressourcen zur Verfügung stellt (vgl. Peters und Liehr-Gobbers 2015: 924). Aus diesem Zusammenhang leiten Schmid und Lyczek (2008: 94) ab, „dass die Stakeholder Images und damit die Reputation einer Unternehmung durch ihre handlungslenkenden Merkmale selbst zu einer Wertgrösse werden“. Diese Wertgröße, die Gesamtheit aller Stakeholder-Images, bezeichnen die Autoren als Stakeholder Capital, welches starke Parallelen zur Reputation aufweist: „Als Determinanten des Stakeholder Handelns weisen Image und Reputation einer Unternehmung einen hohen ökonomischen Wert auf. Images sind einkommenswirksam und haben daher Kapitalcharakter. Die Gesamtheit aller Stakeholder Images

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3. Bedeutung von CEO-Images

lässt sich als das Stakeholder Capital einer Unternehmung auffassen. “ (Herv. i. O.) (Schmid und Lyczek 2008: 97)

Die Forschung hat sich eingehend mit Reputation als einem erfolgskritischen immateriellen Vermögensgegenstand beschäftigt und konnte bereits für verschiedene Stakeholderbeziehungen den Kapitalcharakter von Reputation aufzeigen.26 So können Unternehmen mit guter Reputation erwiesenermaßen eine höhere Kundenbindung erreichen (vgl. Caminiti 1992; Preece et al. 1995, Nguyen und Leblanc 2001), wodurch sowohl mehr Produkte abgesetzt, als auch höhere Preise erzielt werden können (vgl. Shapiro 1983). Mit Hilfe einer guten Reputation können außerdem Kapitalkosten drastisch reduziert werden (vgl. Beatty und Ritter 1986). Dies gilt ebenfalls für Personalkosten. Studien haben gezeigt, dass die Personalfluktuation bei Unternehmen mit guter Reputation geringer ist und potentielle Arbeitnehmer sich bevorzugt bei einem reputationsstarken Arbeitgeber bewerben (vgl. u.a. Caminiti 1992, Dowling 1986, Preece et al. 1995, Collins und Han 2004, Cable und Turban 2003). In Zeiten des demografischen Wandels, der mit einem zunehmenden Fachkräftemangel einhergeht, kann außerdem argumentiert werden, dass die Reputation für die Gewinnung von potentiellen Mitarbeitern zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. Schließlich steigt unter diesen Umständen der Wettbewerbsdruck für Unternehmen beim Kampf um die besten Mitarbeiter. Weil Reputation einen gravierenden Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz bedeutet, resultiert daraus letztendlich auch eine langfristig bessere finanzielle Performance (u.a. Roberts and Dowling, 2002, Fombrun and Shanley 1990, Herremans et al. 1993, McGuire et al. 1990). Dabei konnte zum einen ein positiver Einfluss einer guten Reputation auf den Börsenkurs und damit die Marktkapitalisierung eines Unternehmens nachgewiesen werden (u.a. Srivastava et al. 1997, Jones et al. 2000, Pfarrer et al. 2010, Raithel und Schwaiger 2015, Eberl und Schwaiger 2005). Andererseits konnte gezeigt werden, dass Unternehmen mit einer guten Reputation schneller Zuwächse in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erreichen und diese auch länger erhalten können (u.a. Roberts und Dowling 1997, Roberts und Dowling 2002).

26

Für den folgenden Überblick vgl. auch Schwaiger (2004: 50f.) sowie Eberl und Schwaiger (2005: 839).

3.1. Images als immaterielle Ressourcen von Unternehmen

55

3.1.3. CEO-Images als CEO Capital Die Wahrnehmung und Bewertung von Unternehmen, die sich in Form von Images der einzelnen Stakeholder niederschlägt, ist für die Unternehmen eine bedeutende immaterielle Wertgröße. Mit zunehmender Personalisierung wandelt sich jedoch der Bezugsrahmen für die Wahrnehmung und Bewertung von Unternehmen durch seine Stakeholder. Ruft man sich noch einmal die Definition von Eisenegger und Konieczny-Wössner aus der Einleitung in Erinnerung, so bedeutet Personalisierung „die Tendenz Personen zu Deutungsmustern organisationaler Sachverhalte zu machen“ (2010: 117). Für die Ebene personalisierter Stakeholderwahrnehmung bedeutet dies, dass Erwartungen der Anspruchsgruppen des Unternehmens verstärkt an Personen gekoppelt werden (vgl. Szyszka 2010). Der CEO wird für die Stakeholder zum zentralen Bezugspunkt ihrer Interaktion mit dem Unternehmen. Das bleibt nicht folgenlos für das Unternehmensimage der Stakeholder. Mit zunehmender Personalisierung, so die Annahme der Personalisierungsforschung, beeinflussen „das Image und die Reputation des CEOs in erheblicher Weise die Wahrnehmung und die Bewertung des Unternehmens in verschiedenen Stakeholdergruppen“ (Brettschneider und Vollbracht 2010: 136, vgl. auch Szyszka 2010: 93). Es entsteht ein direkter Zusammenhang zwischen Unternehmensimage und CEOImage eines Stakeholders. Wenn das Unternehmensimage durch seinen handlungsleitenden Charakter (vgl. Kapitel 2.4) zur Wertgröße wird und das CEO-Image eines Stakeholders Einfluss auf das Unternehmensimage nimmt, so wird das CEO-Image damit ebenfalls zur relevanten Wertgröße (vgl. Freda 2014: 26). Je positiver das CEO-Image, desto eher kann das CEO-Image das Unternehmensimage, und damit im Umkehrschluss das Stakeholderverhalten, positiv im Sinne des Unternehmens beeinflussen. Die Bedeutung des CEO-Images beziehungsweise der CEO-Reputation, als Gesamtheit der CEO-Images der Stakeholder eines Unternehmens, wurde in den vergangenen Jahren an vielen Stellen – insbesondere in der praxisorientierten Literatur – betont. Ein bedeutender und vielfach zitierter Ansatz stammt dabei von Leslie GainesRoss, Chief Reputation Strategist bei der internationalen Kommunikationsberatung Weber Shandwick. In ihrem gleichnamigen Buch entwickelt sie das Konzept des CEO Capitals, das CEO-Reputation als erfolgskritische, intangible Wertgröße eines Unternehmens verortet: „CEO capital. By this term, I mean the asset created by a CEO’s reputation (...) when it is harnessed to advance a company’s success. It is the collective esteem that signifi-

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3. Bedeutung von CEO-Images

cant others, inside and outside a company, hold for the company’s chief executive and, as a consequence, for the company.“ (Gaines-Ross 2003: 11)

Gaines-Ross betont mit dem Konzept des CEO-Kapitals sowohl den Einfluss der Wahrnehmung des CEOs auf die Wahrnehmung des Unternehmens als auch den Einfluss auf den Unternehmenserfolg und damit die Stellung des CEO-Kapitals als Wertgröße. 3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung Obwohl der Zusammenhang zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage intuitiv einleuchten mag, ist er sowohl theoretisch als auch empirisch noch nicht ausreichend untersucht. Einer der Gründe liegt darin, dass bestehende Ansätze in der PR-Forschung, die zu einem Großteil der radikalkonstruktivistischen Systemtheorie zuzuordnen sind, die soziale Einheit „Person“ weitgehend ausblenden. Die Bedeutung von personalen Akteuren wie dem CEO für die Stakeholderwahrnehmung vermögen diese Ansätze somit nicht abzubilden (vgl. Imhof 2010: 30f., Szyszka 2010: 94). Unter Rückgriff auf die bisherigen Ansätze, die sich mit personalisierter Stakeholderwahrnehmung auseinandersetzen, konnten dabei zwei zentrale Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung identifiziert werden, die im Folgenden vorgestellt werden 3.2.1. Personenbezogene Adressierung von Unternehmen Personenbezogene Verantwortungszuschreibung In einem ersten Versuch, die soziale Einheit Person in einer systemtheoretischen Sicht auf Unternehmen und Unternehmenskommunikation sichtbar zu machen, erweitert Szyszka (2010: 95ff.) den systemtheoretischen Ansatz um Bezüge zur Rollentheorie, um die Beziehung zwischen den sozialen Einheiten Unternehmen und CEO theoretisch zu verorten. In Anlehnung an Luhmanns Systemtheorie (1984) verortet Szyszka Repräsentanten in einer systemtheoretisch geprägten Modellierung von Unternehmen. Gesellschaftliche Funktionssysteme wie die Wirtschaft sind nur auf der Ebene von Organisationen – zum Beispiel Unternehmen – beobacht- und addressierbar (vgl. Szyszka 2010: 95). Diese Organisationen erbringen funktionsspezifische Leistungen auf Basis von Entscheidungen, die der Systemerhaltung und -weiterentwicklung dienen. Entscheidungen sind dabei riskante

3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung

57

Prozesse (Luhmann 1984: 47), „weil sich Organisationen auf eine bestimmte Option festlegen und damit andere mögliche, bisweilen von Beobachtern erwartete Optionen verwerfen“ (Szyszka 2010: 95). Für den Beobachter sind Organisationen allerdings abstrakte Gebilde; nicht Organisationen handeln in den Augen der Beobachter, sondern Personen als Rollenträger von Mitgliedsrollen. Repräsentation entsteht damit durch die Verknüpfung von Personen und Organisationen seitens der Beobachter, also der Stakeholder (vgl. Szyszka 2010: 94). Auch Schulz (2010) greift im Zusammenhang mit dem Personalisierungsphänomen auf den Begriff der „Repräsentation“ zurück. Unter Repräsentation versteht er die „sinnlich wahrnehmbare Darstellung eines häufig abstrakten Sachverhalts“ (Schulz 2010: 80). Personen als Rollenträger von Mitgliedsrollen machen organisationale Entscheidungen für einen Beobachter „sinnlich wahrnehmbar“. Dabei existiert aber eine Hierarchie zwischen verschiedenen Entscheidungsrollen: „An jede Entscheidungsrolle knüpfen sich ganz bestimmte Rollen- und damit Entscheidungserwartungen. Mit abnehmender Stellung im Rollensystem wird der Entscheidungsraum schmaler und spezifischer. Personen sind Rollenoperatoren, ohne die eine Organisation nicht operationsfähig ist. Rollen bestehen immer unabhängig von einer bestimmten Person und werden für einen begrenzten Zeitraum mit einer Person besetzt. Da Organisationen erst auf der Ebene von konkreten Personen unmittelbar beobachtbar werden, repräsentieren Personen eine Organisation für die Dauer ihrer Zugehörigkeit.“ (Herv. i.O.) (Szyszka 2010: 96)

CEOs sind Träger von Führungsrollen, die organisationspolitische Grundsatzentscheidungen treffen. Nur diese Entscheidungsträger verstehen die Sinndispositionen organisationaler Entscheidungen vollständig, weil nur sie den kompletten Entscheidungsprozess beobachten können. Nachgeordnete Entscheidungsträger treffen ihre Entscheidungen immer auf Basis vorangegangener Entscheidungen, deren Sinndispositionen sie nur auf Basis der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen nachvollziehen können. Weil nachgeordnete Entscheidungsträger den tatsächlichen Entscheidungsprozess auf vorgelagerten Ebenen nicht beobachten können, sind die abgeleiteten Sinndispositionen immer „unterstellt“ (vgl. Szyszka 2010: 96f.). Entscheidungen, die der CEO trifft, unterscheiden sich also vehement von Entscheidungen, die auf anderen Hierarchiestufen getroffen werden. Denn „CEOs treffen grundlegende Richtungsentscheidungen, für die es keine Referenz, keinen Rahmen mehr gibt, an dem man sich orientieren könnte“ (Hiesserich und Weidenfeld 2015: 165). Es gibt keine höhere Ebene mehr, die Verantwortung für die Entscheidungen des CEOs übernehmen könnte. Daher, so argumentiert Szyszka (2010: 97), können Organisationen nur von ihren Führungsfiguren – im engsten Sinne vom CEO – vertreten und repräsentiert werden, weil nur sie an den

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3. Bedeutung von CEO-Images

Grundsatzentscheidungen und den mit ihnen verbundenen Sinndispositionen direkt beteiligt sind. Der CEO wird damit „für alle sichtbar zur letzten Instanz“ (vgl. Hiesserich und Weidenfeld 2015: 165). Szyszka sieht darin den Grund dafür, dass sich die internen und externen Beobachtungsinteressen im Zuge der Personalisierung so auf den CEO konzentrieren (vgl. 2010: 97). Nach Szyszka ist das Rollensystem einer Organisation auch ein Repräsentationssystem, das den Rollenträgern in Abhängigkeit von ihrer Position unterschiedliche Repräsentationswerte zuweist (Szyszka 2010: 97). Der CEO ist dabei der formale Rollenträger, der die Gesamtverantwortung trägt und dem somit die höchsten Repräsentationswerte zugeschrieben werden. Personenvertrauen Neben personenbezogener Verantwortungszuschreibung drückt sich die personenbezogene Adressierung von Unternehmen auch noch in der Bedeutung von Personenvertrauen für die Unternehmenswahrnehmung aus. In modernen Gesellschaften, die von der „Entbettung“ von Raum-Zeit-Relationen – dem „Herausheben von sozialen Beziehungen aus ortsgebunden Interaktionszusammenhängen und ihre unbegrenzte Raum-Zeit-Spannen übergreifende Strukturierung“ (Giddens 1996: 33) – geprägt sind, entstehen Handlungsinterdependenzen zwischen räumlich und zeitlich voneinander getrennten Akteuren. Häufig sind die Interaktionspartner einander völlig unbekannt (vgl. Zerfaß 2010: 124). Spezialisierung und Arbeitsteilung führen zu immer komplexeren Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – zum Beispiel Politik und Wirtschaft (vgl. Mast 2012a: 40). In der Mediengesellschaft (u.a. Jarren und Donges 2011) erhöht sich die Komplexität der Handlungssituation zusätzlich, weil der Wahrheitsgehalt von Informationen, die im Rahmen öffentlicher Kommunikation über die Medien verbreitet werden, zunehmend schwieriger nachzuprüfen ist, Realität aber überwiegend medial vermittelt wird (vgl. Bentele 1994: 133). Umso wichtiger wird ein grundsätzlicher „Glaube“ in die Funktionsfähigkeit des Mediensystems zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit moderner Gesellschaften. Mast (2012a: 41) bezeichnet diesen Zusammenhang als „das Dilemma moderner Gesellschaften: Wo Unsicherheit wächst, wird Vertrauen zur entscheidenden Größe“; Vertrauen dient der „Wiedereinbettung“ (Giddens 1996) entflochtener sozialer Beziehungen in modernen Gesellschaften: „In heutigen modernen Gesellschaften, häufig als Informations-, Kommunikations-, Medien- oder Wissensgesellschaften apostrophiert, ist wohl der größte Anteil der

3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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Wirklichkeitswahrnehmung des Weltgeschehens durch öffentliche Kommunikation, also durch vormediale Informationsproduktion der Public Relations sowie durch medial-journalistische Selektions- und Konstruktionsprozesse, durch die mediale Wirklichkeiten entstehen, vermittelt. Da medienvermittelte Information in der Regel nicht direkt und unmittelbar nachprüfbar ist, scheint Vertrauen – insbesondere öffentliches Vertrauen – in solchen Gesellschaften noch höhere Relevanz zu gewinnen, als dies in jeder Gesellschaft ohnehin der Fall ist. In gleichem Maße sind politische und wirtschaftliche Einzelakteure wie korporative Akteure (Organisationen) immer stärker auf die Zuschreibung solchen (öffentlichen) Vertrauens angewiesen.“ (Bentele und Seidenglanz 2015: 411)

Vertrauen kann in Anlehnung an Luhmann als Mechanismus zur Reduktion der Komplexität (Luhmann 2014[1986]: 27ff.) aufgefasst werden. Durch Vertrauen kann die Komplexität der Handlungssituation auf ein Maß reduziert werden, das die Handlungsfähigkeit des Einzelnen in sozialen Interaktionen garantiert und unsichere Erwartungen stabilisiert (vgl. Rippberger 2003: 14). Gleichzeitig ist Vertrauen immer auch eine „riskante Vorleistung“ (Luhmann 2014[1986]: 27) des „Vertrauenden“27: Einem Einzelnen ist es nicht möglich, im Sinne vollständiger Rationalität alle Zukunftsszenarien gegeneinander abzuwägen. Ein Vertrauender blendet diese Unsicherheit aus, indem er sich auf Basis seiner Erfahrungen mit der Vertrauensperson dazu entschließt, „auf eine – ohnehin nicht leistbare – permanente Kontrolle aller seiner Lebensbereiche und ihrer Wirkzusammenhänge“ (Szyszka 1992: 106) zu verzichten (vgl. Bentele und Seidenglanz 2015: 411). Dennoch kann man ohne (Vor-)Informationen nicht vertrauen; ein Vertrauender sucht demnach immer nach Informationen oder Anhaltspunkten, die sein Vertrauen rechtfertigen (vgl. Janik 2002: 97). Diese Anhaltspunkte sucht der Vertrauende in der Vergangenheit: „In vertrauten Welten dominiert die Vergangenheit über Gegenwart und Zukunft. In der Vergangenheit gibt es keine „anderen Möglichkeiten“ mehr, sie ist stets schon reduzierte Komplexität. Die Orientierung am Gewesenen kann daher die Welt vereinfachen und verharmlosen. Man unterstellt, daß das Vertraute bleiben, das Bewährte sich wiederholen, die bekannte Welt sich in die Zukunft hinein fortsetzen wird.“ (Luhmann 2014[1986]: 23)

Vertrauen ist damit eine „Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen“ und somit ein „mittlerer Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen um den Menschen. Der völlig Wissende braucht nicht zu vertrauen, der völlig Nichtwissende kann vernünftigerweise nicht einmal vertrauen“ (Simmel 1968[1908]: 263). In der Funktion von Vertrauen als Mittel zur Komplexi27

In einen „Vertrauensprozess“ sind immer mindestens zwei Akteure involviert: der Vertrauende beziehungsweise das Vertrauenssubjekt und die Vertrauensperson beziehungsweise das Vertrauensobjekt (vgl. Bentele und Seidenglanz 2015: 414, 420).

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3. Bedeutung von CEO-Images

tätsreduktion wird die große Ähnlichkeit zum Imagekonstrukt ersichtlich. Beide stellen „riskante Vorleistungen“ (Luhmann 2014[1986]: 27) dar, wobei Image im Gegensatz zum Vertrauen eher als „Vor-Urteil“ betrachtet werden kann (vgl. Szyszka 1992: 108). Grundsätzlich können zwei Grundformen von Vertrauen unterschieden werden: Interpersonales Vertrauen und Öffentliches Vertrauen (vgl. Bentele 1994: 144). (Interpersonales) Basisvertrauen dient im Sinne eines „Zutrauens zu den eigenen Erwartungen“ (Luhmann 2014[1986]: 1) dazu, den Einzelnen zu befähigen, die Herausforderungen seines täglichen Lebens zu meistern (vgl. Bentele 1994: 143): „Der Mensch hat zwar in vielen Situationen die Wahl, ob er in bestimmten Hinsichten Vertrauen schenken will oder nicht. Ohne jegliches Vertrauen aber könnte er morgens sein Bett nicht verlassen. Unbestimmte Angst, lähmendes Entsetzen befielen ihn. Nicht einmal ein bestimmtes Mißtrauen könnte er formulieren und zur Grundlage defensiver Vorkehrungen machen (...). Solch eine unvermittelte Konfrontation mit der äußeren Komplexität der Welt hält kein Mensch aus.“ (Luhmann 2014[1986]: 1)

Diese Form des Vertrauens spielt insbesondere eine Rolle im Nahbereich sozialer Interaktionen – in zwischenmenschlichen Beziehungen mit Akteuren, die sich persönlich begegnen. Davon zu unterscheiden ist das öffentliche Vertrauen, bei dem öffentlich wahrnehmbare Akteure – Personen, Institutionen oder gesellschaftliche (Teil-)Systeme – als Vertrauensobjekte fungieren (Bentele 1994: 141). Die mediale Vermittlung der Wahrnehmung dieser Akteure ist dabei von zentraler Bedeutung, weil sich öffentliches Vertrauen damit einerseits vom interpersonalen Basisvertrauen unterscheidet und andererseits die besondere Bedeutung von öffentlichem Vertrauen in modernen Mediengesellschaften deutlich wird. Die Medien – aber auch PR-Agenturen und Pressestellen – dienen in diesem Sinne als „Vertrauensvermittler“ (Bentele 1994: 143). Öffentliches Vertrauen besteht aus drei Unterformen, die sich anhand der drei Vertrauensobjekte (öffentliche Personen, Institutionen und Systeme) organisieren lassen: Personenvertrauen, Organisationenvertrauen und Systemvertrauen (vgl. Bentele 1994: 143f.). „Öffentliches Vertrauen bezieht sich einerseits (...) auf die Zuschreibung von unterschiedlich stark ausgeprägtem Ver- oder Misstrauen gegenüber öffentlich wahrnehmbaren Personen, Organisationen und sozialen Systemen. Öffentliches Vertrauen bezieht sich andererseits auf die sozialen Mechanismen der öffentlichen Kommunikation, durch die Vertrauen in Akteure und Systeme konstituiert wird. Politiker, politische Parteien oder das Bundespräsidialamt sind Akteure, das Renten- oder Gesundheitssystem, das pluralistische Parteiensystem oder das System der sozialen Marktwirtschaft sind Systeme, in die Individuen bzw. die Bevölkerung mehr oder weniger Vertrauen setzen können.“ (Herv. i. O.) (Bentele und Seidenglanz 2015: 420)

3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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Die drei Formen öffentlichen Vertrauens können dabei zeitweise unabhängig voneinander bestehen. So kann das Organisationenvertrauen in eine politische Partei relativ niedrig sein bei gleichzeitig hohem Systemvertrauen in das politische System. Ebenso kann das Personenvertrauen in einen Unternehmenslenker niedrig sein bei gleichzeitig hohem Organisationenvertrauen in das Unternehmen (vgl. Bentele 1994: 144). Öffentliches Personenvertrauen bezieht sich dabei ganz konkret auf das Vertrauen, das eine Person bestimmte perzipierte positive oder negative Merkmale aufweist (vgl. Zerfaß 2010: 126). Dieses Vertrauen eines Subjektes in seine Perzeptionen von einer Person muss allerdings ganz klar von den Eigenschaften unterschieden werden, die einem Vertrauensobjekt (in diesem Fall einer Person) im Rahmen der Imagegenese zugeschrieben werden (vgl. ebd.). Personenvertrauen meint also das Vertrauen in die grundsätzliche Richtigkeit der eigenen Einschätzung und Bewertung einer Person, unabhängig von den der Person zugeschriebenen Eigenschaften. 28 Dabei wirken bestimmte „Vertrauensfaktoren“ vertrauensfördernd. Werden möglichst viele dieser Faktoren in möglichst hoher Intensität zugeschrieben, „so ist Vertrauensgewinn, Vertrauensbildung beziehungsweise Vertrauenskonstitution sehr wahrscheinlich“ (Bentele 1994: 145). Bentele (1994: 144f.) leitet aus theoretischen und empirischen Ansätzen acht Vertrauensfaktoren ab: Sachkompetenz, Problemlösungskompetenz, Kommunikationsadäquatheit, kommunikative Konsistenz, kommunikative Transparenz, kommunikative Offenheit, gesellschaftliche Verantwortung und Verantwortungsethik. Diese Eigenschaften, die größtenteils sowohl Organisationen als auch Personen zugeschrieben werden können, werden im Zusammenhang der Diskussion der Zusammensetzung von CEO-Images Beachtung finden. Darüber hinaus spielt die Eigenschaft „Glaubwürdigkeit“ eine zentrale Rolle für die Bildung von Vertrauen, wie an vielen Stellen in der Literatur proklamiert wird. Glaubwürdigkeit wird einem Imagesubjekt auf Basis der Qualität seiner Kommunikation zugeschrieben und zeichnet sich durch den Wahrheitsgehalt der Aussagen eines Imagesubjektes sowie durch die Kohärenz des kommunikativen Verhaltens des Imagesubjektes aus:

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Im Prozess der Imagegenese können einer Person die Eigenschaften Vertrauens- oder Glaubwürdigkeit zugeschrieben werden, die insbesondere bei der Beurteilung der Kommunikation (Aussagen, Berichte, Kommentare etc.) von Personen eine zentrale Rolle spielen (vgl. Zerfaß 2010: 126, Bentele und Seidenglanz 2015: 412). Die Zuschreibung von Vertrauens- oder Glaubwürdigkeit wirkt sich positiv auf das Vertrauen eines Subjektes in eine Person aus und kann daher als Teilphänomen des Vertrauens rekonstruiert werden (vgl. Bentele und Seidenglanz 2015: 412). Die besondere Bedeutung von Glaubwürdigkeit wird im späteren Teil der Dissertation noch ausführlich diskutiert (vgl. Kapitel 4.2.2.3.).

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3. Bedeutung von CEO-Images

„Glaubwürdigkeit läßt sich bestimmen als eine Eigenschaft, die Menschen, Institutionen oder deren kommunikativen Produkten (mündliche oder schriftliche Texte, audiovisuelle Darstellungen) zugeschrieben wird. (...) Glaubwürdigkeit einer Person (oder Institution) X ist gegeben, wenn zumindest zwei Bedingungen erfüllt sind: a) der Kommunikationspartner (oder Rezipient) Y muß darauf vertrauen können, daß die Aussagen x1-n über die Ereignisse z1-n wahr sind, daß sie z1-n adäquat beschreiben; b) daß kommunikative Verhalten von X muß ein Mindestmaß an Kohärenz aufweisen (...). Dieses Vertrauen stellt sich durch oftmalige positive Erfahrung her oder wird durch Merkmale wie gesellschaftlichen Status, Sachverständigkeit, Unabhängigkeit von Partialinteressen usw. konstituiert und unterstützt.“ (Bentele 1988: 408)

Auch wenn zwischen Glaubwürdigkeit und Vertrauen eine „symbiotische Beziehung [besteht], die es nicht erlaubt, den Aspekt Glaubwürdigkeit von dem der Vertrauenswürdigkeit zu trennen“ (Derieth 1995: 196), sind die beiden Begriffe keinesfalls synonym zu verwenden. Glaubwürdigkeit kann als notwendige, wenngleich auch nicht hinreichende, Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen betrachtet werden (vgl. Janik 2002: 97, Alemann 1990: 65). Vertrauen besitzt zudem im Gegensatz zu Glaubwürdigkeit ebenso wie das Imagekonstrukt einen unmittelbaren handlungsleitenden Charakter: „Es verweist auf eine potenzielle, riskante Handlungsoption in der Zukunft“ (Bentele und Seidenglanz 2015: 412). Fehlende Glaubwürdigkeit aufgrund von kommunikativen Diskrepanzen wird als wichtige Ursache für Vertrauensverluste in Personen, Organisationen oder Systeme betrachtet (vgl. Bentele 1994: 147f.). Im Zusammenhang mit dem Personalisierungsphänomen gewinnt Vertrauen im Allgemeinen und Personenvertrauen im Besonderen an Bedeutung. Ebenso wie Vertrauen ist Personalisierung ein Mechanismus zur Komplexitätsreduktion (vgl. Kapitel 1). Unter Rückgriff auf den Repräsentationsbegriff, den Carl Schmitt (1954[1923]) am Beispiel des Katholizismus entwickelt hat, beschreibt Schulz (2010: 81) Wirtschaftsunternehmen als Gebilde, die dem Beobachter „vielfältige, aber häufig auch widersprüchliche, positive und negative Bedeutungsoptionen“ bieten. Heutzutage müssten Unternehmen, so Schulz (2010: 82), zwischen teils widerstreitenden Handlungsmaximen wie Gewinnmaximierung und gesellschaftlicher Verantwortung lavieren und widerstreitende Interessen und Erwartungen ihrer Anspruchsgruppen vereinbaren (vgl. Abschnitt 3.1.). Abstrakte Objekte wie zum Beispiel Marken könnten diese Unsicherheiten für den Beobachter nicht auflösen, wohl aber Personen (vgl. Schulz 2010: 81). Denn nur Personen können Unsicherheiten und Paradoxien für den Beobachter „sinnlich wahrnehmbar“ neutralisieren (ebd. 82). Folgt man der Argumentation von Schulz, so dient Personalisierung demnach zur Komplexitätsreduktion bei der Wahrnehmung einer durch Unsicher-

3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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heiten und Widersprüche charakterisierten Wirtschaftswelt. In diesem Zusammenhang liegt auch die enge Verbindung zwischen Personalisierung und Vertrauen begründet. Denn auch Vertrauen dient als Mechanismus zur Reduktion von Komplexität (vgl. Luhmann 2014[1986]: 23ff., vgl. auch Abschnitt 3.2.1.). Auch Szyszka weist in seiner systemtheoretischen Abhandlung auf die Bedeutung von Personenvertrauen hin: „Personalisierung ist ein Mechanismus zur Komplexitätsreduktion, der die kausale Linie von sozialem Vertrauen und Reputation fortschreibt: Eher abstraktes Systemvertrauen wird auf konkretes, von personaler Reputation abgeleitetes Personenvertrauen verlagert.“ (Szyszka, 2010: 98)

Personalisierung fördert also die Vertrauens- und Reputationsbildung (vgl. Bentele und Fähnrich 2010 S. 65). Indem die Vertrauensbildung auf die Ebene von Personen verlagert wird, reduzieren sinnlich wahrnehmende Personen die Komplexität ihrer Umwelt. Denn Rezipienten neigen dazu, eher Personen als anonymen Organisationen, Institutionen oder Systemen zu vertrauen (vgl. Eisenegger und Schranz 2013: 355): „Vertrauen ist an Personen gebunden: Nicht das abstrakte Konstrukt “Organisation“ genießt Vertrauen; es sind vielmehr jene Menschen, die als Entscheidungsträger die Verantwortung hierfür tragen.“ (Szyszka 1992: 107)

Szyszka (2010: 97) fasst seine Ausführungen folgendermaßen zusammen: Organisationen sind auf zwei Ebenen adressierbar: Organisational auf der Ebene von Leistungen und personal auf der Ebene von Repräsentanten. Im Zuge der Personalisierung gewinnt die personale Ebene dabei zunehmend an Bedeutung. Personenbezogene Adressierung findet dabei immer dann statt, wenn es um Verantwortlichkeiten geht, die nur einem Repräsentanten der Organisation, aber nicht einem anonymen System zugeschrieben werden können. Geht es um die Organisation als Ganzes, wird die Verantwortlichkeit dem CEO zugeschrieben. Geht es dagegen um spezifische Fachthemen, so wird die Verantwortung eher fachlich verantwortlichen Rollenträgern zugeschrieben – also beispielsweise den Fachvorständen. 3.2.2. Personenbezogene Bewertung von Unternehmen Neben der personenbezogenen Adressierung von Unternehmen (vgl. Abschnitt 3.2.1.) kommt personalisierte Stakeholderwahrnehmung noch in einem weiteren Merkmal zum Ausdruck, das sich ebenfalls unter dem Überbegriff der personenbezogenen Bewertung von Unternehmen fassen lässt. Weil Unterneh-

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3. Bedeutung von CEO-Images

menshandeln auf der Ebene von Repräsentanten „beobachtbar“ wird (Szyszka 2010), entsteht in der Wahrnehmung der Stakeholder eine enge Verbindung zwischen der CEO-Persönlichkeit und der Unternehmenspersönlichkeit. Als Repräsentant übernimmt der CEO mit seinen zentralen Persönlichkeitsmerkmalen bis zu einem gewissen Grad die Stellvertreterfunktion für die von ihm vertretene Organisationspersönlichkeit (vgl. Szyszka 2010: 102). Von den Beobachtern werden also „von außen wahr genommene Charaktereigenschaften des CEO auf das Unternehmen extrapoliert“ (Casanova 2004: 55). Die Wahrnehmung des CEOs hat so großen Einfluss auf die Wahrnehmung des Unternehmens, weil der CEO als zentraler Vertreter der Unternehmenswerte wahrgenommen wird (vgl. Casanova 2004: 55). Dadurch ist die „Entwicklung einer Organisationsidentität oder -biographie eng mit derjenigen der beteiligten Mitglieder verbunden“ (Zerfaß 2010: 109). Dennoch sind die Wahrnehmung und Bewertung der Organisationspersönlichkeit nicht vollständig abhängig von der CEO-Persönlichkeit, weil das Unternehmen über einen längeren Zeitraum besteht, während die Entscheidungsträger häufiger wechseln: „Die strukturelle Verfestigung dieser Handlungen und Erfahrungen trägt jedoch dazu bei, dass sich Organisationen und Assoziationen von einzelnen Individuen entkoppeln können, dass sie beispielsweise (...) als Unternehmen den Wechsel von Inhabern und Mitarbeitern überdauern können.“ (Zerfaß 2010: 109)

Mit seinen personenbezogenen Merkmalen übernimmt der CEO eine Stellvertreterfunktion für das Unternehmen. Merkmale, die Stakeholder dem CEO zuschreiben, schreiben sie auch dem Unternehmen zu. Für ein genaueres Verständnis dieses Zusammenhangs lohnt sich ein Rückgriff auf die Erkenntnisse der Image- und Einstellungsforschung. Ein Image steht immer im „Kontext“ mit anderen Images, die Einfluss auf seine Entstehung nehmen und in dem sie die Attribution von Eigenschaften auf ein Imageobjekt beeinflussen können (vgl. Abschnitt 2.2.) (vgl. Schmid und Lyczek 2008: 83). Wie wir etwas wahrnehmen, hängt demnach auch davon ab, wie wir andere Objekte wahrnehmen, die mit diesem Objekt in irgendeinem Zusammenhang stehen. Images „zusammenhängender Elemente der sozialen Welt“ (Zerfaß 2010: 128f.) sind also interdependent. Interdependenzen oder Wechselwirkungen entstehen typischerweise zwischen Images, die in einem engen Zusammenhang stehen, wie etwa Parteien und ihre Mitglieder (vgl. Zerfaß 2010: 128f.). Diese „latente Interdependenz“ (Zerfaß 2010: 128f.), die auch für CEO-Images und Unternehmensimages angenommen werden kann, bildet den Ausgangspunkt für die theoretischen Überlegungen zur Qualität der wechselseitigen Einflüsse zwischen CEO- und Unternehmensimage.

3.2. Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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Um die Qualität dieser Wechselwirkungen zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Marketingliteratur, die sich intensiv mit Wechselwirkungen zwischen Images beschäftigt hat, insbesondere im Hinblick auf Markenimages. Das Markenimage als „ein in der Psyche relevanter externer Zielgruppen fest verankertes, verdichtendes, wertendes Vorstellungsbild von einer Marke“ (Burmann et al. 2003: 6) hat Einfluss auf die Kaufentscheidung von Konsumenten. Ziel des Marketings ist es, das Markenimage des Konsumenten positiv durch eine entsprechende Marketingstrategie zu beeinflussen. Bei der Markteinführung von neuen Produkten wird versucht, das positive Markenimage bereits in den Markt eingeführter Produkte eines Unternehmens zugunsten des neu einzuführenden Produktes im Sinne einer „Transfermarkenstrategie“ (u.a. Wehr 2001: 17f.) zu nutzen. Hier können einem Unternehmen Imagetransfereffekte von Nutzen sein. Ein Imagetransfer kann dabei im engeren Sinne einer Marketingstrategie definiert werden als: „Vorgang bzw. längerfristiger Kommunikationsprozess, der die Nutzung und Verwertung eines bestehenden positiven Images von Unternehmen, Produkten oder Marken und dessen Übertragung auf andere oder neue Produkte, Marken oder Firmen anstrebt“ (Rota und Fuchs 2007: 170 zitiert in Mast 2016: 50).

Im Zusammenhang mit Produktmarken werden in der Konsumentenwahrnehmung also Produkteigenschaften vom bereits eingeführten Produkt auf das neu in den Markt einzuführende Produkt übertragen. Dies kann hilfreich für das neu einzuführende Produkt sein, wenn das bereits etablierte Produkt ein sehr positives Markenimage hat. Imagetransfereffekte können aber nicht nur zwischen verschiedenen Produkt- beziehungsweise Markenimages entstehen, die einer gemeinsamen Dachmarke oder Markenfamilie zugeordnet sind (vgl. Wehr 2001: 16). Imagebestandteile können zwischen jeglichen Imageobjekten (u.a. Personen, Unternehmen, Marken, Produkten etc.) übertragen werden: „Hier können Interdependenzen zwischen dem Image der jeweils zu führenden Marke und den Images ihrer Schwesternmarken, also von anderen Marken, die das Image der betreffenden Marke bei ihren Rezipienten beeinflussen, gesehen werden. Dies sind vor allem andere Marken der gleichen Markenfamilie (z. B. wenn mehrere Marken unter einer Dach- oder Unternehmensmarke positioniert sind), aber auch Aktienmarken, Personenmarken (z.B. CEOs oder Testimonials) und geografische Marken (z.B. Nationenmarken).“ (Hoepfner 2015: 914)

In diesem weiteren Sinne bezeichnet Imagetransfer allgemein den Vorgang der „wechselseitige[n] Übertragung und Verstärkung von Objektassoziationen zwischen Objekten unterschiedlicher Kategorien“ (Zentes und Swoboda 2001) in Wahrnehmungsprozessen. Ein Imagetransfer zeichnet sich also durch Wechselseitigkeit aus (vgl. Nufer 2007: 168). Voraussetzung für einen Imagetransfereffekt ist dabei immer

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3. Bedeutung von CEO-Images

eine „imagemäßige Affinität“ (Meffert 1999: 303) zwischen den Imageobjekten. Interdependenzen oder Wechselwirkungen entstehen demnach typischerweise zwischen Images, die in einem engen Zusammenhang stehen (vgl. Zerfaß 2010: 128f.). Die imagemäßige Affinität kann daher entsprechend auch für CEOs und Unternehmen angenommen werden. Die Forschung geht weitgehend davon aus, dass Imagetransfers zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage wechselseitig verlaufen und somit ein beidseitiger Imagetransfer stattfindet (vgl. auch Nagel 2013: 17, 55): „Die Marke »CEO« und die Marke »Corporate Brand« sind symbiotisch miteinander verbunden. Die Reputation des CEO beeinflusst genauso stark die Reputation des Unternehmens wie umgekehrt die Reputation des Unternehmens die des CEOs.“ (Casanova 2004: 55)

Im Rahmen des wechselseitigen Imagetransfers gleichen sich demnach beide Imagegrößen im Zeitverlauf an. 3.3. Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung Zwischen den beiden eigenständigen Imagegrößen CEO und Unternehmen bestehen, wie zuvor erarbeitet, Wechselwirkungen. Die konkrete Ausgestaltung der Wechselbeziehungen zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage ist dabei kein Fixum, sondern kann zwischen verschiedenen Unternehmen variieren. Darüber hinaus kann der Personalisierungsgrad in ein- und demselben Unternehmen im Zeitverlauf variieren. Die Personalisierung muss nicht immer gleich stark ausgeprägt sein. Auch wenn personalisierungstreibende Faktoren (vgl. Talanow 2015, Eisenegger 2010) in der bisherigen Forschung noch nicht systematisch untersucht worden sind, konnten einzelne Faktoren in der theoretischen und empirischen Personalisierungsforschung bereits aufgedeckt werden. Aufbauend auf der Diskussion dieser personalisierungstreibenden Faktoren werden drei Idealtypen personalisierter Stakeholderwahrnehmung identifiziert, die als Referenzpunkte für die Analyse der Ergebnisse der empirischen Erhebung dienen.

3.3. Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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3.3.1. Personalisierungstreibende Faktoren Krisen- und Veränderungssituationen In der Literatur wird an verschiedenen Stellen eine Zunahme von Personalisierung in Sondersituationen konstatiert. Diese Sondersituationen umfassen sowohl Krisenals auch Veränderungssituationen, wie zum Beispiel Transformations- oder Restrukturierungsphasen, ebenso wie große Transaktionen, CEO-Wechsel oder auch eine Wirtschaftskrise (vgl. Nagel 2013: 199, Talanow 2015: 200). Sondersituationen führen – zumindest potentiell – zu erheblichen Veränderungen in einem Unternehmen. Nicht selten kann sogar die Existenz des Unternehmens bedroht sein. Sondersituationen sind gekennzeichnet durch eine steigende Komplexität und eine damit einhergehende größere Unübersichtlichkeit. Aus der Verunsicherung der Stakeholder resultiert ein gesteigertes Bedürfnis nach Orientierung, das auf die zentralen Repräsentanten der Organisation projiziert wird: In Krisensituationen bekommt die personenbezogene Verantwortungszuschreibung (vgl. Abschnitt 3.2.1.) somit besondere Bedeutung. Denn Stakeholder erwarten, „dass nicht anonyme Mächte oder undurchsichtige Strukturen im Falle von Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden, sondern personale Verantwortungsträger“ (Eisenegger 2010: 23, vgl. auch Hoffmann und Raupp 2006: 463). Die personenbezogene Verantwortungszuschreibung hilft den beteiligten Stakeholdern, die Krisensituation „für beherrschbar zu halten“ (Nagel 2013: 199). „Diese Personenfixierung hat letztlich zur Konsequenz, dass auf Krisensituationen eher mit dem Mittel des „Köpferollens“ reagiert wird, anstatt die erforderlichen Systemreparaturen anzugehen“ (Eisenegger und Schranz 2013: 356), weil die Illusion besteht, mit dem Wechsel der obersten Entscheidungsträger einen Systemwandel herbeiführen zu können. Hier wird wiederum die Bedeutung von Personalisierung als Mittel zur Reduktion von Komplexität deutlich. Denn gerade Krisensituationen sind häufig äußerst vielschichtig und haben multiple Ursachen. Durch personale Verantwortungszuschreibung können Beobachter die Komplexität auf ein erträgliches Maß reduzieren (vgl. Nagel 2013: 198f.). Eine verstärkte Personalisierung in Krisenzeiten hat damit aber zur Folge, dass komplexe Probleme und Prozesse in den Hintergrund geraten. Es entsteht der Eindruck, dass das wirtschaftliche Wohl und Wehe eines Unternehmens einzig und allein durch den positiven oder negativen Einfluss „großer Männer“ bedingt ist (Neumann-Braun und Müller-Doohm 2000: 83). Gleichzeitig adressieren die Stakeholder an den CEO auch die Verantwortung für die Lösung der Krise (vgl. Nagel 2013: 199). Die Hoffnungen der beteiligten Stakeholder ruhen

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3. Bedeutung von CEO-Images

in einer Krisensituation auf dem CEO. „Krisen produzieren Hoffnungsträger“ (Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010: 124, Herv. i.O.). In einer komplexen Krisensituation bekommt Personenvertrauen eine größere Bedeutung, weil die Unsicherheit der Umwelt dramatisch ansteigt. Hier bestehen enge Parallelen zu Max Webers Konzept der charismatischen Herrschaft, die im weiteren Verlauf der Dissertation noch ausführlich beleuchtet wird (vgl. Abschnitt 4.1.2.). Krisen begünstigen die charismatische Herrschaft, die „auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen“ (Weber 1980: 124) beruht. Bereits Weber beschrieb demnach die charismatische Herrschaft als das Kind „bedrohlicher äußerer Situationen“ (Weber 1980: 661, zitiert in Eisenegger und KoniecznyWössner 2010: 124). In einer komplexen Krisensituation, die von großer Unsicherheit geprägt ist, tendieren Menschen dazu, ihr Vertrauen in einen „Hoffnungsträger“ zu setzen, dem sie die Verantwortung für die Lösung der Krise zuschreiben: „Krisen in Organisationen bewirken das Gleiche wie Krisen in der Gesellschaft. Sie erhöhen die Chance der Delegation aller Macht und Aufmerksamkeit auf eine Person, die von dieser Krise lebt, weil sie durch sie nicht nur an die Macht gekommen ist, sondern weil diese Macht durch die Krise gerechtfertigt ist.“ (vgl. Imhof 2010: 33)

Personenbezogene Verantwortungszuschreibung erfolgt in einer Krisensituation demnach auf zwei Ebenen: der Verantwortung für das Herbeiführen der Krise und der Verantwortung für das Überwinden der Krise (vgl. auch Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010: 124). Für andere Formen von Sonder- und Veränderungssituationen wie zum Beispiel Transaktionen oder Führungswechsel gelten die Annahmen in ähnlicher Form (vgl. Nagel 2013: 199ff.). Zwar sind hier in den seltensten Fällen Fragen der Verantwortlichkeit für das Herbeiführen der Sondersituation zu klären; dennoch steigt die Unsicherheit in jeder Form der Veränderungssituation drastisch an, was wiederum die Bedeutung von Personenvertrauen, und damit die personale Adressierung von Unternehmen, befördert. Für die Ebene der Wirtschaftsberichterstattung konnte der personalisierungstreibende Faktor „Krise“ bereits nachgewiesen werden (vgl. Eisenegger und KoniecznyWössner 2010: 123). Im Rahmen einer medialen Inhaltsanalyse konnte gezeigt werden, dass bei krisenhaften Entwicklungen die Personalisierungsanteile der Berichterstattung signifikant ansteigen. Hohe Personalisierungswerte in der medialen Berichterstattung werden daher von den Autoren auch als „Krisenindikatoren“ angesehen (vgl. ebd.). Auch der personalisierungstreibende Charakter von CEOWechseln konnte durch inhaltsanalytische Untersuchungen bereits belegt werden

3.3. Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung

69

(vgl. Park und Berger 2004: 107, Brettschneider und Vollbracht 2010: 145). Ebenso identifizieren die von Talanow (2015: 318) befragten Kommunikationsverantwortlichen die verschiedenen Formen von Sondersituationen wie zum Beispiel Krisen, Transaktionen oder Führungswechsel als personalisierungstreibenden Faktor für die Ebene der Unternehmenskommunikation. Branchen, Kundensegmente und Produktbeschaffenheit Auch die Bedeutung von Branchen und Kundensegmenten, in denen Unternehmen tätig sind, sowie die Beschaffenheit ihrer Produkte, ist in der Literatur bereits als personalisierungstreibender Faktor hervorgehoben worden. Die von Talanow (2015) befragten Kommunikationsverantwortlichen stimmen darin überein, dass Personalisierung ein wichtiges Merkmal der Kommunikation von Business-toBusiness (B2B)-Unternehmen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Unternehmen immaterielle beziehungsweise wenig visible, emotionale und haptische Produkte herstellen (vgl. Talanow 2015: 316). In den Interviews mit den Kommunikationsverantwortlichen der BASF AG und der SAP AG wurde deutlich, dass Personalisierung in der Unternehmenskommunikation ein wichtiges Mittel ist, um die Identifikation der Stakeholder mit dem Unternehmen zu stärken, weil das Produkt als Identifikationsträger wegfällt (vgl. Talanow 2015: 251, 308, 316). Deswegen ist nach Ansicht der befragten Kommunikationsverantwortlichen auch die Fähigkeit des CEOs, komplexe Produkte oder Zusammenhänge verständlich erklären zu können, in solchen Unternehmen von größerer Bedeutung, weil er den Stakeholdern die Unternehmenstätigkeit und die Produkte des Unternehmens näherbringen muss (vgl. Talanow 2015: 308). Bei Business-to-Consumer (B2C)-Unternehmen wie zum Beispiel Automobilherstellern, die haptische und emotional besetzte Produkte herstellen, könne dagegen auch das Produkt sehr viel stärker für kommunikative Zwecke eingesetzt werden (vgl. Talanow 2015: 308). Eine enge Verbindung zwischen dem CEO und den Produkten des Unternehmens wird aus diesem Grund als Voraussetzung für eine erfolgreiche Personalisierungsstrategie in einem Konsumgüterunternehmen angesehen (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 151). In B2CUnternehmen mit haptischen Produkten wird nach Aussage der befragten Kommunikationsverantwortlichen demnach eine stärker produktnahe Personalisierungsstrategie in der Kommunikation verfolgt. Dabei kann sowohl die Person im Kontext des Produktes als auch andersherum das Produkt im Kontext der Person positioniert werden (vgl. Talanow 2015: 221). Hier zeigt sich, dass in diesen Unternehmen scheinbar neben die beiden Imagegrößen CEO und Unternehmen das

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3. Bedeutung von CEO-Images

Produkt als eine weitere wichtige Imagegröße tritt, und dass auch zwischen dem Produktimage und dem CEO-Image gewisse Wechselwirkungen bestehen. Wenn man die Argumentation von Talanow auf die Ebene der Stakeholderwahrnehmung überträgt, hat der CEO für die Wahrnehmung eines B2B-Unternehmens mit immateriellen oder wenig visuellen, haptischen oder emotionalen Produkten eine größere Bedeutung als für die Wahrnehmung eines B2C-Unternehmens mit einem emotionalen und haptischen Consumer-Produkt. Inwieweit diese Annahme auf die Ebene der Stakeholderwahrnehmung zutrifft, wird im empirischen Teil der Arbeit untersucht werden. Unternehmensgröße In ihrer Inhaltsanalyse meinungsführender Medien haben Brettschneider und Vollbracht (2010) gezeigt, dass der Personalisierungsgrad der Unternehmensberichterstattung für die DAX-30-Unternehmen von der Unternehmensgröße abhängt (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 145). Je kleiner das DAX-30-Unternehmen, desto größer war der CEO-Anteil an der Berichterstattung im untersuchten Zeitraum. Brettschneider und Vollbracht (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 145) schließen daraus, dass es die kleineren Unternehmen schwerer haben, neben dem CEO noch weitere Vorstandsmitglieder in den Medien zu positionieren. Journalistische Aufmerksamkeit hänge auch von der Bekanntheit der handelnden Akteure ab, die wiederum an die Unternehmensgröße gekoppelt sei (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 145). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Unternehmensberichterstattung in den kleineren Unternehmen stärker personalisiert ist als in den größeren, weil die Medien auch über andere Akteure als den CEO personalisieren können (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Es ist denkbar, dass dieser Zusammenhang auch für die Ebene der Stakeholderwahrnehmung zutrifft, da ein großer Teil der Stakeholder in ihrer Unternehmenswahrnehmung stark von der Medienberichterstattung geprägt ist. Auch ist anzunehmen, dass der Faktor „Bekanntheit“ der handelnden Akteure in einem Unternehmen ein wichtiger Faktor für die Ausprägung des Personalisierungsgrades der Stakeholderwahrnehmung ist. Erst wenn die handelnden Akteure wie zum Beispiel der CEO oder seine Vorstandskollegen in einer Ökonomie der Aufmerksamkeit (vgl. Abschnitt 1.1.) eine bestimmte Wahrnehmungsschwelle erreichen, kann die Stakeholderwahrnehmung über diese Akteure personalisiert sein. Dies würde auch bedeuten, dass eine bestimmte Unternehmensgröße vorliegen muss, damit der CEO eine bestimmte Wahrnehmungsschwelle erreicht. Je kleiner

3.3. Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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ein Unternehmen ist, desto schwieriger wird es demnach für die handelnden Akteure sein, die notwendige Wahrnehmungsschwelle zu erreichen. 3.3.2. Personalisierungsgrade Um den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung für ein Unternehmen zu bestimmen, gilt es, die Qualität und Stärke des wechselseitigen Einflusses zwischen den beiden Imagegrößen CEO und Unternehmen zu bestimmen. In diesem Zusammenhang wird beim Imagetransfer in der Literatur zwischen dem Stammbeziehungsweise Hauptobjekt und dem Transferobjekt unterschieden (vgl. u.a. Nufer 2007: 168): „Während das “Stammobjekt“ den Meinungsgegenstand darstellt, der über die zu transferierenden Eigenschaften verfügt, ist unter dem “Transferobjekt“ der Meinungsgegenstand zu verstehen, auf den diese Eigenschaften übertragen bzw. dessen Eigenschaften verstärkt werden sollen (...).“ (Herv. i.O.) (Nufer 2007: 168)

Das Hauptobjekt verfügt demnach über die positiven oder negativen Eigenschaften, die im Rahmen des Imagetransfers übertragen werden (vgl. Burmann et al. 2013: 38). Da Imagetransfers zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage wechselseitig verlaufen (vgl. Abschnitt 3.2.2.), nehmen die beiden Imagegrößen abwechselnd die Rolle des Haupt- und die Rolle des Transferobjekts ein. Dennoch sind verschiedene Ausprägungen der wechselseitigen Einflüsse denkbar. So kann eines der beiden Images als primäres Hauptobjekt einen stärkeren Einfluss auf das jeweils andere (primäre) Transferobjekt haben. Um verschiedene Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung zu identifizieren, lohnt sich ein Blick auf die Forschung zur Personalisierung der Medienberichterstattung und der Personalisierung der Unternehmenskommunikation. So hat Staab (1990) für die Ebene der Medienberichterstattung verschiedene Personalisierungsgrade definiert (vgl. Abbildung 4) (vgl. Talanow 2015: 41).

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3. Bedeutung von CEO-Images

Keine Personalisierung Geringe Personalisierung

Große Personalisierung

Größte Personalisierung Abbildung 4:

Personen, Namen, Titel werden nicht genannt, rein nüchterne Tatsachendarstellung Personen werden zwar genannt, sind aber für das Geschehen ohne Bedeutung. Kern des Ereignisses sind nüchterne Vorgänge, abstrakte Tatsachen. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen etwa gleichrangig Personen und unpersönliche Sachverhalte. Die Äußerung einer bzw. die Auseinandersetzung zwischen einigen wenigen, namentlich genannten, Personen dreht sich um abstrakte Vorgänge. Das Geschehen dreht sich ausschließlich um einige oder wenige, namentlich genannte, Personen oder genau bezeichnete Personen.

Personalisierungsgrade nach Staab (1990)

Quelle: Talanow (2015: 41)

In ähnlicher Weise leiten auch Brettschneider und Vollbracht (2010: 146f.) verschiedene Personalisierungsstrategien von Unternehmen aus den Charakteristika der Berichterstattung über DAX-30-Unternehmen ab. Sie zeigen anhand einer Inhaltsanalyse meinungsführender Medien, dass in der Unternehmensberichterstattung eine einzige Person – der CEO – im Fokus stehen, die mediale Berichterstattung aber auch mehrere Spitzenpersonen oder das anonyme Unternehmen in den Blick nehmen kann. Auf Basis der erhobenen Daten leiten Brettschneider und Vollbracht Schlüsse zu den Kommunikationsstrategien der untersuchten Unternehmen ab: „Das Kontinuum reicht von einer Unternehmenskommunikation, in der das Topmanagement keine besondere Bedeutung spielt, über eine Variante, in der die Außendarstellung auf möglichst viele Schultern verteilt wird (neben dem CEO werden hier auch der Finanz-, der Personal- und der Entwicklungsvorstand aktiv in den Medien platziert), bis hin zur Konzentration der Unternehmenskommunikation auf den CEO (...).“ (Brettschneider und Vollbracht 2010: 136)

Ihre Analyse der Ausprägungen personalisierter Unternehmensberichterstattung beziehungsweise der zugrundeliegenden Kommunikationsstrategien soll im Folgenden als Bezugsrahmen für eine Darstellung verschiedener „Personalisierungsgrade“ (Staab 1990) auf der Ebene personalisierter Stakeholderwahrnehmung genutzt werden. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, weil die Wirtschaftsberichterstattung und die Unternehmenskommunikation als Kontext personalisierter Stakeholderwahrnehmung dienen. Unterschiedliche Personalisierungsgrade in der Medienberichterstattung und der Unternehmenskommunikation korrespondieren gemäß dieser Annahme mit verschiedenen Personalisierungsgraden auf der Ebene der Stakeholderwahrnehmung.

3.3. Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung

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Aus den Ausführungen von Brettschneider und Vollbracht (2010) können drei idealtypische Personalisierungsgrade abgeleitet werden. Der Personalisierungsgrad sinkt dabei vom ersten zum dritten Typ: Das CEO-Image kann das dominante Image beziehungsweise das Hauptimage sein (1). Der Stakeholder nimmt das Unternehmen hier beinahe ausschließlich über den CEO wahr. Der CEO steht mit seinen Persönlichkeitsmerkmalen vollständig für die Organisationspersönlichkeit. Das CEO-Image „überformt“ (vgl. Eisenegger 2010: 20) das Unternehmensimage. Die Organisationspersönlichkeit mit ihren organisationsbezogenen Merkmalen wird neben dem CEO mit seinen personenbezogenen Merkmalen praktisch nicht wahrgenommen. Bei diesem Typ der Stakeholderwahrnehmung ist die Personalisierung am stärksten ausgeprägt. Organisationen stehen hier nicht mehr für sich selbst, sondern für den CEO (vgl. Eisenegger 2010: 21). Im Gegensatz zum ersten Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung sind die Einflüsse zwischen CEO- und Unternehmensimage im zweiten Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung wechselseitig (2). Hier steht der CEO zwar mit einigen seiner Persönlichkeitsmerkmale oder Werte stellvertretend für das Unternehmen. Ebenso steht die Organisation mit einigen ihrer Merkmale oder Werte für den CEO. Elemente des einen Imageobjektes werden in der Wahrnehmung der Stakeholder auf das jeweils andere übertragen. Das CEO-Image bildet also sozusagen den Kontext, in dem das Unternehmen wahrgenommen wird. Gleichzeitig bildet das Unternehmen den Kontext, in dem der CEO wahrgenommen wird. Die Images sind in diesem Typ der Stakeholderwahrnehmung in etwa gleich stark. Kein Image dominiert das jeweils andere. Die Stakeholderwahrnehmung ist immer noch personalisiert; das CEO-Image hat einen Einfluss auf das Unternehmensimage der Stakeholder. Im Gegensatz zum ersten Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung findet jedoch keine Überformung des Unternehmensimages durch das CEOImage statt. Vielmehr gleichen sich die beiden Images wechselseitig an. Auf diesem Wege kann ebenfalls eine Einheit CEO/Unternehmen in der Wahrnehmung der Stakeholder entstehen, diese wird aber nicht vom CEO-Image dominiert. Der dritte und letzte Typ der Stakeholderwahrnehmung bildet den Gegenpol zum ersten Typ. Hier dominiert das Unternehmensimage die Wahrnehmung des CEO-Images. Stakeholder nehmen beinahe ausschließlich die Organisationspersönlichkeit mit ihren organisationsbezogenen Merkmalen wahr. Die CEOPersönlichkeit mit ihren personenbezogenen Merkmalen hat fast keinen Einfluss auf die Wahrnehmung der Organisation. Das Unternehmensimage überformt also

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3. Bedeutung von CEO-Images

das CEO-Image. Daher stellt dieser dritte und letzte Typ der Stakeholderwahrnehmung auch die geringste Ausprägung der Personalisierung der Wahrnehmung dar. Die drei Typen der Stakeholderwahrnehmung stellen idealtypische Ausprägungen dar, die in der Realität vermutlich nicht in diesen Reinformen anzutreffen sind. Eine personalisierte Stakeholderwahrnehmung ist weniger ein Fixum, sondern bewegt sich mehr in einem Kontinuum (vgl. Talanow 2015: 41). Der erste und der dritte Typ stellen dabei die beiden Pole dar, zwischen denen sich personalisierte Stakeholderwahrnehmung in der Realität abbilden lässt. Dennoch können diese idealtypischen Formen personalisierter Stakeholderwahrnehmung einen Ausgangspunkt für die Analyse der Wahrnehmung eines Unternehmens und seines CEOs durch einen Stakeholder bilden. 3.4. Empirische Befunde zum Einfluss von CEO-Images auf Unternehmensimages Perspektive von Kommunikationsverantwortlichen und CEOs In der Personalisierungsforschung wurden bislang überwiegend hochrangige Kommunikationsverantwortliche und auch CEOs selbst mit der Frage konfrontiert, welche Bedeutung der CEO für die Stakeholderwahrnehmung hat. Die von Sandhu und Zielmann (2010) befragten Kommunikationsverantwortlichen gehen von einer Bedeutungssteigerung des CEOs für die Unternehmenskommunikation aus. Fast die Hälfte der befragten Kommunikationsverantwortlichen von DAX-30Unternehmen erwartet in der Zukunft einen weiteren Bedeutungszuwachs für den CEO in der Unternehmenskommunikation. Auch halten die Kommunikationschefs, insbesondere die der großen DAX-Konzerne, den CEO für einen bedeutenden Sinnstifter, der die Identifikation mit dem Unternehmen erleichtert und die Unternehmenswerte verkörpert (vgl. Sandhu und Zielmann 2010: 220). Imagepflege sehen die Kommunikationschefs daher als eine wichtige Aufgabe des CEOs an. Die qualitative Studie von Markus Will in Kooperation mit Egon Zehnder International ergründet, wie Unternehmenslenker die steigenden Anforderungen an Kommunikation und insbesondere an ihre Kommunikatorenrolle erleben (vgl. Egon Zehnder International 2010: 7f.). Dabei nimmt die Studie erstmals direkt die Perspektive der Vorstandsvorsitzenden ein. Aus der Analyse der qualitativen Interviews wird ersichtlich, dass CEOs die Kommunikationsanforderungen als überra-

3.4. Empirische Befunde zum Einfluss von CEO-Images auf Unternehmensimages

75

schend hoch erleben und fehlende Vorbereitung beklagen. Im Gegensatz zu den Positionen, die sie vorher bekleidet haben, stehen sie als CEO im Zentrum der Aufmerksamkeit, insbesondere vonseiten der Presse (vgl. Egon Zehnder International 2010: 16). Das CEO-Image hat ihrer Meinung nach eine große Bedeutung für ein Unternehmen, weil das Unternehmensimage in erheblichem Maße vom CEO abhängt. In diesem Zusammenhang sind sie mit einem großen Interesse an ihrer Persönlichkeit konfrontiert (vgl. Egon Zehnder International 2010: 16f.). Die Studie der Freien Universität Berlin (2005) kommt zu dem Ergebnis, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen den Unternehmenswerten und ihrer Verkörperung durch den CEO gibt. Etwa 80 Prozent der befragten PR-Praktiker geben an, dass Divergenzen zwischen CEO-Image und Unternehmensimage in jedem Fall zu vermeiden sind; die Anpassungen zwischen den beiden Imagegrößen scheinen dabei, wie von der Personalisierungsforschung angenommen, wechselseitig zu verlaufen: „Etwa zwei Drittel der Befragten stimmten der Aussage „Mit einem CEO stehen und fallen die Werte und Ziele eines Unternehmens/einer Organisation“ zu, halten also den Chef für wertegebend und -steuernd. Die gegensätzlich formulierte Aussage „CEOs wechseln, Werte hingegen bleiben und prägen das Profil eines Unternehmens/einer Organisation langfristig“ fand den Zuspruch von 82,5 Prozent der Kommunikationsexperten. Eine mögliche Erklärung dafür könnten die erläuterten Phänomene, wie Bejahungstendenz und soziale Erwünschtheit, bieten.“ (Herv. i. O.) (Freie Universität Berlin 2005: 15)

Hinsichtlich der Tendenz zur Personalisierung gehen die PR-Praktiker von einem starken Zusammenhang zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage aus (91,1 Prozent). Der CEO gibt dem Unternehmen nach vorherrschender Ansicht ein Gesicht (93,7 Prozent) und eine starke CEO-Positionierung bringt positive Effekte für das Unternehmensimage (80,8 Prozent). Im Hinblick auf den handlungsleitenden Charakter von CEO-Images widersprechen sich die Befragten in diesem Zusammenhang jedoch: „Während nahezu alle Befragten der Meinung sind, dass das CEO-Image prägend für das Unternehmensimage ist und dass der CEO dem Unternehmen ein Gesicht gibt, werden konkrete betriebswirtschaftliche Konsequenzen, wie beispielsweise ein Umsatzrückgang, aufgrund eines privaten Fehlverhaltens des Chefs von einem Großteil der Experten ausgeschlossen. Das Image des CEO wirkt sich also, nach Angaben der Praktiker, kaum auf die betriebswirtschaftliche Performance des Unternehmens aus.“ (Freie Universität Berlin 2005: 32)

Ein negativer Eindruck von der Privatperson des CEOs hat nach Meinung der befragten PR-Praktiker also keine direkte Auswirkung auf das Stakeholderverhalten.

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3. Bedeutung von CEO-Images

Dies kann verschiedene Ursachen haben. Beispielsweise könnte es sein, dass der CEO nur mit seinen rollennahen Eigenschaften eine Stellvertreterfunktion für die von ihm vertretene Organisationspersönlichkeit einnimmt, nicht aber mit rollenfernen Eigenschaften, unter die alle Aspekte seines Privatlebens fallen. Sowohl in den Augen der von Nagel (2013) befragten Vorstandsvorsitzenden selbst (99 Prozent), als auch für die von ihr befragten Kommunikationschefs (94 Prozent), spielt CEO-Kommunikation eine große Rolle. In den qualitativen Interviews bestätigen alle befragten CEOs dieses Umfrageergebnis (Nagel 2013: 117). Eine große Mehrheit der CEOs und Kommunikationschefs gibt außerdem an, dass der CEO-Kommunikation eine bedeutende Rolle bei der gesamten Darstellung des Unternehmens gegenüber den verschiedenen Stakeholdergruppen zukommt. Durch CEO-Kommunikation könne der Unternehmenswert positiv beeinflusst werden (vgl. Nagel 2013: 94). Das Institut für Demoskopie Allensbach (2005) hat unter anderem die Einschätzung der Bedeutung des CEOs für den Geschäftserfolg eines Unternehmens in einer Umfrage unter Kommunikationsverantwortlichen, Journalisten, Analysten und Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräten erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass gut jeder vierte Befragte dem Image des CEOs 'sehr große' Bedeutung beimisst (28 Prozent), weitere 46 Prozent 'große', nur insgesamt jeder fünfte 'weniger große' (18 Prozent) oder 'gar keine' Bedeutung für den Geschäftserfolg des Unternehmens (vgl. Instituts für Demoskopie Allensbach 2005: 40). Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Kommunikationsverantwortliche und die CEOs selbst von einer Bedeutungssteigerung des CEOs für die Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens durch die Stakeholder ausgehen. Diese Bedeutungssteigerung drückt sich darin aus, dass Kommunikationsverantwortliche und CEOs von einer steigenden Bedeutung der CEO-Kommunikation ausgehen und der CEO mehr und mehr Aufgaben in der Unternehmenskommunikation übernimmt. Unter der Annahme, dass Image und Reputation Leitwerte der Unternehmenskommunikation sind, ist davon auszugehen, dass sich Kommunikationsverantwortliche und CEOs durch die Rolle des Kommunikators positive Einflüsse auf die Unternehmensimages verschiedener Stakeholder erhoffen, weil von einem starken Einfluss des CEO-Images auf das Unternehmensimage ausgegangen wird.

3.4. Empirische Befunde zum Einfluss von CEO-Images auf Unternehmensimages

77

Perspektive von Stakeholdern Bei den bislang vorgestellten Studien handelt es sich allerdings ausschließlich um Einschätzungen zur Stakeholderwahrnehmung von Kommunikationsverantwortlichen und CEOs, die der Ebene des Unternehmens zugeordnet sind. Um fundierte Aussagen über die Wahrnehmung von Stakeholdern zu treffen, ist es daher unerlässlich, die Stakeholder selbst zu befragen. Wie bereits in der Einleitung angesprochen wurde, besteht für die Ebene personalisierter Stakeholderwahrnehmung eine gravierende Forschungslücke. Die wenigen bislang bekannten, zumeist praxisorientierten, Studien sind wenig theoretisch fundiert und wenden überwiegend schwer zu verifizierende methodische Designs an. In diesen Studien werden Einflüsse der Personalisierung auf Wahrnehmung, Bewertung und Verhalten von Stakeholdern betrachtet (Brettschneider und Vollbracht 2010: 136). Die PR-Beratung BursonMarsteller (1997, 1999, 2001) hat in ihren CEO-Studien im Rahmen von Umfragen den Einfluss der CEO-Reputation auf die Unternehmensreputation börsennotierter Unternehmen vergleichend für Führungskräfte, Finanzanalysten und institutionelle Investoren, Wirtschaftsmedien und politische Akteure untersucht und auch CEOs selbst zu diesem Thema befragt. Zwischen 1997 (40 Prozent) und 2001 (48 Prozent) stieg dabei der Anteil der CEO-Reputation an der Unternehmensreputation, der durchschnittlich von allen befragten Stakeholdergruppen angegeben wird, um fast 20 Prozent. Somit hing im Jahr 2001 die Unternehmensreputation nach Einschätzung der befragten Gruppen bereits zu fast 50 Prozent von der CEOReputation ab (vgl. Gaines-Ross 2003: 19). Aufgeschlüsselt nach den einzelnen Gruppen werden graduelle Unterschiede in der Einschätzung der Bedeutung der CEO-Reputation deutlich (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3:

Anteil CEO-Reputation an Unternehmensreputation

Quelle: Gaines-Ross 2003: 19

1997 1999 2001

Gesamt

CEOs

Führungskräfte Finanzanalysten/ Politische Institutionelle Akteure Investoren

Medien

40 45 48

38 46 49

40 44 47

46 52 52

39 47 43

35 46 52

Dennoch ist für fast alle befragten Gruppen (mit Ausnahme der Finanzanalysten und der institutionellen Investoren) eine kontinuierliche Steigerung der geschätzten

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3. Bedeutung von CEO-Images

Bedeutung zu verzeichnen. Burson-Marsteller fragte außerdem nach der Einschätzung der verschiedenen Akteure hinsichtlich des handlungsleitenden Einflusses einer guten CEO-Reputation – beispielsweise der Bereitschaft, Unternehmensaktien zu erwerben, und/oder dem Unternehmen bei schlechter Performance oder negativer Medienberichterstattung einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Die Tabellen 4 und 5 fassen sowohl die durchschnittliche Einschätzung des handlungsleitenden Einflusses der CEO-Reputation für die Jahre 1997, 1999 und 2001, als auch die stakeholderspezifischen Einschätzungen für das Jahr 2001, zusammen. Tabelle 4:

Handlungsleitender Einfluss von CEO-Images, 1997 - 2001 (in Prozent)

Quelle: Gaines-Ross 2003: 14; NA = nicht abgefragt

Eine vorbildliche CEOReputation fördert die Bereitschaft...

1997

1999

2001

… Unternehmensaktien zu erwerben … bei negativer Berichterstattung dem Unternehmen zu glauben … das Unternehmen als guten Partner für eine Allianz oder Fusion zu betrachten … dem Unternehmen einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, wenn die Aktienkurse hinter den Erwartungen zurückbleiben … die Unternehmensaktie zum Kauf zu empfehlen … das Unternehmen als vorbildlichen Arbeitgeber zu empfehlen … über das Unternehmen regelmäßig in den Medien zu berichten … Premiumpreise für die Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens zu bezahlen … die Website des Unternehmens zu besuchen

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NA

NA

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NA

NA

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3.4. Empirische Befunde zum Einfluss von CEO-Images auf Unternehmensimages

Tabelle 5:

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Handlungsleitender Einfluss von CEO-Images nach Stakeholdergruppe, 2001 (in Prozent)

Quelle: Gaines-Ross 2003: 15

Eine vorbildliche CEOReputation fördert die Bereitschaft...

CEOs

Führungs- Finanzanalyskräfte ten/ Institutionelle Investoren

Politische Akteure

Medien

… Unternehmensaktien zu erwerben … bei negativer Berichterstattung dem Unternehmen zu glauben … das Unternehmen als guten Partner für eine Allianz oder Fusion zu betrachten … dem Unternehmen einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, wenn die Aktienkurse hinter den Erwartungen zurückbleiben … die Unternehmensaktie zum Kauf zu empfehlen … das Unternehmen als vorbildlichen Arbeitgeber zu empfehlen … über das Unternehmen regelmäßig in den Medien zu berichten … Premiumpreise für die Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens zu bezahlen … die Website des Unternehmens zu besuchen

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40

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35

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44

Die PR-Beratung Hill und Knowlton (2004, 2006) hat einen ähnlichen Ansatz wie Burson-Marsteller verfolgt. In ihrer Studie Corporate Reputation Watch (2004) geben 30 Prozent der befragten Führungskräfte an, der CEO sei für sie der primäre Reputationstreiber. In der Folgestudie Return on Reputation (2006) geben 87 Prozent der befragten Analysten an, den CEO für einen bedeutenden Reputationstreiber zu halten (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 136). Die Kommunikationsberatung Weber Shandwick (2012b) hat für ihre Studie The company behind the brand: in reputation we trust eine Umfrage unter Kunden und Führungskräften in zwei Industrie- (USA/Großbritannien) und in zwei Schwellenländern (China/Brasilien) zum Thema CEO-Reputation durchgeführt. Die Führungskräfte geben an, dass 49 Prozent der Reputation des Unternehmens von

80

3. Bedeutung von CEO-Images

der Reputation des CEOs abhängt. Auch 66 Prozent der Kunden halten den CEO für sehr bedeutend bei der Meinungsbildung über ein Unternehmen. Darüber hinaus geben 59 Prozent der Kunden an, dass CEO-Kommunikation ihre Meinung über das Unternehmen beeinflusst. 28 Prozent der Kunden geben an, regelmäßig über den CEO zu sprechen. In der jüngeren Studie The CEO Reputation Premium: Gaining Advantage in the Engagement Era aus dem Jahr 201529 befragt Weber Shandwick in Kooperation mit KRC Research Führungskräfte aus 19 Ländern weltweit zur Bedeutung der CEO-Reputation für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Die befragten Führungskräfte geben an, dass etwa die Hälfte (45 Prozent) der Unternehmensreputation von der CEO-Reputation bestimmt wird. Die Hälfte (50 Prozent) der Befragten geht darüber hinaus davon aus, dass die Bedeutung der CEO-Reputation für die Unternehmensreputation in der Zukunft noch weiter steigen wird. Aus dieser Bedeutung ergibt sich ein direkter Einfluss der CEO-Reputation auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens (vgl. Weber Shandwick 2015: 5). Die befragten Führungskräfte gehen davon aus, dass die CEO-Reputation etwa 44 Prozent der Marktkapitalisierung eines Unternehmens ausmacht. Die Ursachen für die hohe Bedeutung der CEO-Reputation für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens wird von den Führungskräften unter anderem in den Vorteilen gesehen, die eine gute CEO-Reputation für die Gewinnung neuer Investoren (87 Prozent), positive Medienaufmerksamkeit (83 Prozent), sowie die Gewinnung (77 Prozent) und Bindung (70 Prozent) von qualifizierten Mitarbeitern hat (vgl. Weber und Shandwick 2015: 5). Auch in Bezug auf sich selbst gehen die befragten Führungskräfte davon aus, dass ihr CEO-Image einen handlungsleitenden Charakter besitzt. Die Hälfte der befragten Führungskräfte gibt an, dass ihre Entscheidung, sich bei dem jeweiligen Unternehmen zu bewerben, von ihrer Wahrnehmung des CEOs beeinflusst wurde. Und etwa 58 Prozent der Befragten empfinden ihre Wahrnehmung des CEOs als wichtigen Faktor, der sie an das Unternehmen bindet (vgl. Weber und Shandwick 2015: 5). Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Hill und Knowlton (2008) in einer Untersuchung über den War for Talent. Hier gaben 84 Prozent der befragten MBA-Absolventen an, dass die Reputation des CEOs für sie einer der wichtigsten Faktoren bei der Entscheidung für oder gegen eine Karriere in einem Unternehmen sei (vgl. Hiesserich 2013: 15). 29

Befragt wurden Führungskräfte von Unternehmen aus Nordamerika (USA, Kanada), Europa (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen, Schweden, Türkei), Lateinamerika (Brasilien) und Asien (Australien, China, Hongkong, Indien, Indonesien, Japan, Malaysia, Singapur, Südkorea) (vgl. Weber Shandwick 2015: 4).

3.4. Empirische Befunde zum Einfluss von CEO-Images auf Unternehmensimages

81

Die Beratung FTI Consulting (2012) führt in ihrer Studie Communicating critical events: CEO transitions and the risk to enterprise value eine Untersuchung von 263 Führungswechseln in 35 Ländern durch. Der Fokus der Studie liegt auf der Reaktion von Investoren auf diese Führungswechsel. Die befragten Investoren geben an, dass ihre Investment-Entscheidungen zu etwa einem Drittel auf ihrer Wahrnehmung des CEOs beruhen. Die CEO-Reputation befindet sich damit unter den sechs wichtigsten Faktoren für die Bewertung eines Unternehmens durch Investoren. Sie ist dabei annähernd so wichtig für die Anlageentscheidung eines Investors wie die Unternehmensreputation, und wichtiger noch als die Qualität der Produktmarken eines Unternehmens (vgl. FTI Consulting 2012: 3). Die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs kann dabei jedoch eher einen negativen als einen positiven Effekt auf das Verhalten des Investors haben: „When CEOs change, investors are more than twice as likely to sell shares in a company as they are to buy them. All things being equal, nearly 40 percent of investors said they would sell a stock solely on the basis of the new CEO, the FTI survey found, while only 15 percent said they would buy the stock on the same basis.“ (vgl. FTI Consulting 2012: 3)

Die bisherigen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass CEO-Image und -Reputation großen Einfluss auf die Wahrnehmung und die Bewertung des Unternehmens durch die Stakeholder haben. Auch ein handlungsleitender Charakter des CEO-Images konnte für einige Stakeholdergruppen aufgezeigt werden. Vergleiche zwischen den einzelnen Studien sind aufgrund der unterschiedlichen und teilweise undurchsichtigen methodischen Vorgehensweisen allerdings nicht möglich und auch nicht ratsam. Außerdem sind die bisherigen Studien für den amerikanischen Markt durchgeführt worden. Ob Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung in einer vergleichbaren Intensität auch auf die Wahrnehmung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen zutrifft, muss erst noch nachgewiesen werden. Alle bisherigen Studien haben sich der Bedeutung von CEO-Images für die Unternehmenswahrnehmung quantitativ genähert und geben diese Bedeutung in Anteilen der CEO-Reputation an der Unternehmensreputation an. Keine der bisherigen Studien erlaubt es aber, zu untersuchen, inwieweit Personalisierungsmerkmale – wie zum Beispiel personenbezogene Adressierung und personenbezogene Bewertung von Unternehmen – in der Stakeholderwahrnehmung zum Tragen kommen. Außerdem ermöglicht keine der bislang durchgeführten Studien einen Vergleich zwischen der Bedeutung eines CEOs für die Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens in verschiedenen Unternehmenssituationen. Ob der personalisierungstreibende Faktor „Krise“ somit auch auf die Ebene der Stakeholderwahrneh-

82

3. Bedeutung von CEO-Images

mung zutrifft, konnte empirisch noch nicht bestätigt werden. Die Beantwortung der Frage nach der Bedeutung des CEOs für die Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens durch verschiedene Stakeholdergruppen, sowie nach dem handlungsleitenden Charakter des CEO-Images, kann daher auf Basis der bisherigen empirischen Forschung nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

4.

Zusammensetzung von CEO-Images

Nach einer Reflexion des theoretischen und empirischen Forschungsstands zur Bedeutung von CEO-Images für die Unternehmenswahrnehmung der Stakeholder wendet sich dieses Kapitel nun der Zusammensetzung von CEO-Images zu. Im Folgenden wird der Forschungsstand zur zweiten Personalisierungsdimension (Brettschneider 2002) erarbeitet. Dazu wird zunächst ein Überblick über verschiedene Ansätze der Personalisierungsforschung zur Systematisierung von Eigenschaften gegeben; anschließend werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ansätzen diskutiert (Kapitel 4.1.1. bis 4.1.3.). So soll die Einordnung einzelner Dimensionen von CEO-Images auf dem Kontinuum zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften ermöglicht werden. Im Anschluss wird der empirische Forschungsstand zur inhaltlichen Struktur von CEO-Images dargestellt (Kapitel 4.2.). Die Diskussion der bisherigen Ansätze macht deutlich, dass ein theoretisch fundierter Ansatz zur Zusammensetzung von CEO-Images für die Ebene der Stakeholderwahrnehmung bislang noch fehlt. Daher wird auf die umfassenden wissenschaftlichen Befunde zur Personalisierung für den gesellschaftlichen Teilbereich der Politik zurückgegriffen (Kapitel 4.3.). Mithilfe der bisherigen Erkenntnisse zur Zusammensetzung von CEO- und Kandidatenimages werden daraufhin fünf vorläufige Imagedimensionen von CEO-Images identifiziert: Fachkompetenz, Leadership, Integrität, Charisma und persönliche Merkmale, die in den Abschnitten 4.4.1. bis 4.4.5. vorgestellt werden. 4.1. Imagedimensionen in der Personalisierungsforschung In der Personalisierungsforschung existieren verschiedene Ansätze, wie unterschiedliche „Modi“ (Eisenegger 2010) von Personalisierung nach angesetzten Bewertungsmaßstäben unterschieden werden können. Diese Modi von Personalisierung sind hilfreich, um sich der Zusammensetzung von CEO-Images zu nähern, da in den unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben verschiedene Gruppen von Eigenschaften zur Selbst- und Fremddarstellung sowie zur Bewertung von CEOs herangezogen werden. Die drei wichtigsten Ansätze werden im Folgenden vorgestellt und im Hinblick auf die Bedeutung für die Beantwortung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellungen eingeordnet.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_4

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

4.1.1. Spezifische und Globale Personalisierung Eine bedeutende Unterscheidung verschiedener Modi von Personalisierung bietet Lass (1995). In seiner Dissertation zur Personalisierung in der Politik und der Wahrnehmung von Kanzlerkandidaten durch ihre Wähler unterscheidet er zwischen globaler und spezifischer Personalisierung: „Wenn also von Personalisierung gesprochen wird, dann sind oft zwei unterschiedliche Phänomene gemeint. Politik kann anhand von Personen personalisiert werden. Zum anderen können Politiker oder Kandidaten personalisiert werden.“ (Lass 1995: 10f.)

Politik anhand von Personen zu personalisieren, bezeichnet Lass als globale Personalisierung. Im universalen Modus von Personalisierung wird „auf die Präsentation von Politikern stärker Nachdruck gelegt (...) als auf die eigentlichen politischen Fragen“ (Lass 1995: 9). Die Person des Politikers steht also bei der Darstellung durch die Medien und der Wahrnehmung durch Beobachter des politischen Prozesses gegenüber thematischen Aspekten rein quantitativ im Vordergrund. Der globale Modus der Personalisierung wurde in diesem Sinne bereits im vorangegangenen Kapitel auf den gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft angewendet und entspricht der ersten Personalisierungsthese von Brettschneider (2002). Im Gegensatz dazu bezieht sich der inhaltlich enger gefasste, spezifische Modus von Personalisierung auf eine bestimmte Qualität der Darstellung und Wahrnehmung eines Politikers: „Spezifische Personalisierung kann im Gegensatz zur globalen Personalisierung als Konzentration (...) auf bestimmte persönliche Merkmale (moralische und unpolitische) des Politikers verstanden werden.“ (Lass 1995: 10)

Personalisierung im engeren Sinne meint also die Konzentration auf persönliche Eigenschaften des Politikers. Mit zunehmender Personalisierung verlieren „formale“ beziehungsweise politische Eigenschaften wie zum Beispiel Kompetenz, Führungsqualitäten und Leistung für die Wahrnehmung des Politikers durch die Wähler an Bedeutung (vgl. Lass 1995: 36). Die Wahrnehmung eines Politikers über seine politischen Merkmale beschreibt Lass auch als „Rollenorientierung“: „Zur Rollenorientierung gehören die Wahrnehmung von Kandidaten, die direkt mit dem politischen Amt, mit der politischen Funktion korrespondieren. Dazu gehören Wahrnehmungen der professionellen Fähigkeiten. Alles andere gehört zur Person.“ (Lass 1995: 11)

Im Zuge der Personalisierung verliert die Rollenorientierung zunehmend an Bedeutung und wird durch eine Personenorientierung ersetzt (vgl. Lass 1995: 11). Bei der

4.1. Imagedimensionen in der Personalisierungsforschung

85

personenorientierten Wahrnehmung unterscheidet Lass zwischen rein persönlichen und anderen persönlichen Eigenschaften: „Die rein persönlichen lassen auch den indirekten politischen Bezug nicht mehr erkennen. Es sind völlig unpolitische Eigenschaften“ (Lass 1995: 11). Die „anderen persönlichen Merkmale“ bezeichnet er auch als „politisch persönliche Merkmale“ (Lass 1995: 35). Bei den politisch persönlichen Merkmalen, die insbesondere integritätsbezogene Merkmale umfassen, sind zumindest indirekte Bezüge zur politischen Rolle erkennbar. Während Lass bei Vorstellungen von Kandidaten, die ausschließlich auf ihren rein persönlichen Eigenschaften (z.B. Alter, Aussehen etc.) basieren, demokratietheoretische Probleme erkennt, weil eine vollständige Entpolitisierung der Kandidatenwahrnehmung geschieht, bieten integritätsbezogene Eigenschaften (z.B. Aufrichtigkeit) eine Möglichkeit, die Komplexität der Wahlentscheidung für den Wähler zu verringern, ohne die Wahlentscheidung vollständig zu entpolitisieren (vgl. Lass 1995: 36): „Die Beurteilung formaler Kriterien, Kompetenz, Führungsqualität und Leistung, wie sie für das politische Geschäft notwendig sind, verlangen dem Wähler einen hohen Input ab. Die Bewertung von Integritätsmerkmalen korrespondiert stärker mit dem Alltag der Wähler als die der formalen Kriterien. Sie stellen damit relativ kostengünstige Informationen dar.“ (Lass 1995: 36)

Darüber hinaus gibt Lass zu bedenken, dass die Vertrauenskrise der Politik die Bedeutung von integritätsbezogenen Eigenschaften für die Wahrnehmung von Politikern verstärkt (vgl. Lass 1995: 36). Auch dem gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft wird insbesondere seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise eine allgemeine Vertrauenskrise attestiert. Nachdem das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen der deutschen Wirtschaft in den Jahren 2008/2009 und erneut in 2012 auf einem Tiefstand angelangt war, scheint das Vertrauen in den letzten Jahren laut der jährlich durchgeführten globalen Umfrage der Kommunikationsberatung Edelman in 28 Ländern weltweit, zu denen auch Deutschland gehört, jedoch wieder langsam zuzunehmen (vgl. Edelman 2014, 2015, 2016). Hatten 2008 gerade einmal 34 Prozent der deutschen Bevölkerung angegeben, mehrheitlich Vertrauen zur deutschen Wirtschaft zu haben, lag der Wert im Jahr 2014 bei 57 Prozent (vgl. Edelman 2014: 10). Dieser Umstand wird insbesondere der im Allgemeinen guten Performance deutscher Unternehmen zugeschrieben. Auch wenn der Vertrauensindex in 2015 wieder signifikant auf nur 45 Prozent sank (vgl. Edelman 2015: 4), zeigt

86

4. Zusammensetzung von CEO-Images

die jüngste Studie von Edelman 30 wieder einen leichten Vertrauensgewinn der Deutschen in ihre Wirtschaft auf 47 Prozent (vgl. Edelman 2016: 3).31 Aus dem Edelman Trust Barometer ergibt sich für die CEOs ein ähnliches Bild wie für Unternehmen: Während im Jahr 2009 gerade einmal 16 Prozent der befragten Deutschen angaben, die Aussagen des CEOs für glaubwürdig zu halten, stieg dieser Wert über die Jahre deutlich und erreichte im Jahr 2016 39 Prozent (vgl. Edelman 2014: 19, Edelman 2016: 12).32 Das Vertrauen in deutsche Unternehmensführer ist demnach kürzlich wieder gestiegen – ganz im Gegenteil zum Vertrauen in politische Führer. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die integritätsbezogenen Merkmale auch für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs nach wie vor eine große Bedeutung für die Wiedergewinnung von Vertrauen bei den verschiedenen Stakeholdergruppen haben. 4.1.2. Funktionale, soziale und charismatische Personalisierung Eine weitere Möglichkeit der Systematisierung von verschiedenen Modi der Personalisierung bietet der Ansatz von Eisenegger (2010: 18ff.). Unter Rückgriff auf Jürgen Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns (1984) differenziert Eisenegger drei Personalisierungsmodi. Dazu macht er sich Habermas‘ zentrale Beobachtung zunutze, nach der sämtliche Akteure moderner Gesellschaften in Diskursen immer genau im Hinblick auf drei Weltbezüge thematisiert werden können: objektive, soziale und subjektive Welt (vgl. Eisenegger 2010: 18, Habermas 1984: 75ff.). Daher, so argumentiert Eisenegger, werden auch sämtliche Akteure moderner Gesellschaften, ihre Äußerungen und Handlungen, immer genau im 30

31

32

Im Rahmen des Edelman Trust Barometers 2016 wurden zwischen dem 13. Oktober und dem 16. November 2015 mehr als 33.000 Befragten in 28 Ländern (u.a. Deutschland) befragt. In den 28 Ländern wurden jeweils 1150 Personen aus der allgemeinen Bevölkerung (Alter: 18+) befragt und zusätzlich 200 (in den USA und China jeweils 500) Personen aus der „informierten Öffentlichkeit“, die folgende Kriterien erfüllten: Zwischen 25 und 64 Jahre alt, Hochschulabschluss, das jährliche Haushaltseinkommen liegt in den oberen 25 Prozent ihres Landes, gemessen am Alter der Befragten, informieren sich regelmäßig über verschiedene mediale Kanäle, insbesondere über Wirtschaftsnachrichten (vgl. Edelman 2016). Die Angaben beziehen sich auf die Gruppe der informierten Öffentlichkeit (Zwischen 25 und 64 Jahre alt, Hochschulabschluss, das jährliche Haushaltseinkommen liegt in den oberen 25 Prozent ihres Landes gemessen am Alter der Befragten, informieren sich regelmäßig über verschiedene mediale Kanäle, insbesondere über Wirtschaftsnachrichten). Für die Gruppe der allgemeinen Öffentlichkeit können die Zahlen nur für die Jahre 2015/2016 verglichen werden. Hier lag der Wert jeweils bei 42 Prozent und damit in beiden Jahren unter dem Wert der informierten Öffentlichkeit (vgl. Edelman 2016: 2). Die Angaben beziehen sich wieder auf die Gruppe der informierten Öffentlichkeit.

4.1. Imagedimensionen in der Personalisierungsforschung

87

Hinblick auf diese drei Weltbezüge bewertet (vgl. Eisenegger 2010: 18). Jeder Weltbezug steht für einen individuellen Beurteilungsrahmen: „In der objektiven Welt werden die Akteure danach beurteilt, ob sie in kognitiver Hinsicht den Zwecken ihrer Funktionssysteme (Politik, Wirtschaft etc.) dienen. In der sozialen Welt wird die normativ-moralische Korrektheit zum Beurteilungsmaßstab. Und in der subjektiven Welt schließlich gilt das Interesse der Frage, welche emotionale Wirkung vom individuellen Wesen des Akteurs ausgeht. Entsprechend gehorchen diese drei Weltbezüge den Geltungsansprüchen der kognitiven Wahrheit, der normativen Korrektheit und der emotionalen Attraktivität und Authentizität.“ (Herv. i. O.) (Eisenegger 2010: 18)

Die drei Weltbezüge determinieren die Reputation von Akteuren. Für die Formulierung der Personalisierungsmodi kombiniert Eisenegger die drei Weltbezüge mit den drei Typen legitimer Herrschaft aus Max Webers vielzitierter Herrschaftstypologie. Personalisierung mit Herrschaft in Verbindung zu bringen betrachtet Eisenegger als zielführend, da Personalisierung „stets einzelne Personen aus der Masse hervortreten“ lasse und somit „Beachtung und Prominenz – eine wesentliche Voraussetzung für Machterwerb“ schaffe (Eisenegger 2010: 19). Max Weber stellt in seinem Werk drei Typen legitimer Herrschaft vor: rationale Herrschaft, traditionale Herrschaft und charismatische Herrschaft. Rationale beziehungsweise legale Herrschaft kann auch als Herrschaft der Bürokratie bezeichnet werden. Die Quelle der Legitimität stellt hier die Satzung beziehungsweise das Recht dar, auf das sich die Herrschaft gründet. Die Personen, die Herrschaft ausüben, werden auf Basis der Satzung gewählt oder ernannt: „Gehorcht wird nicht der Person kraft deren Eigenrecht, sondern der gesatzten Regel, die dafür maßgebend ist, wem und inwieweit ihr zu gehorchen ist.“ (Herv. i.O.) (Weber 2009: 217). Traditionale Herrschaft leitet ihren Legitimitätsanspruch dagegen aus der Tradition ab. „Gehorcht wird der Person kraft ihrer durch Herkommen geheiligten Eigenwürde (...). Der Inhalt der Befehle ist durch Tradition gebunden“ (Weber 2009: 219). Der Herrscher muss demnach die traditionellen Normen und Werte der Gesellschaft ebenfalls achten, um die Legitimität seiner Herrschaft nicht zu gefährden (vgl. Weber 2009: 219). Die reinste Form der traditionalen Herrschaft ist die patriarchalische Herrschaft (Weber 2009: 219). Charismatische Herrschaft schließlich beruht „auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen“ (Weber 1980: 124). Charismatische Herrschaft ist eine kraftvolle, aber auch inhärent instabile, Herrschaftsform. Die Beherrschten folgen dem charismatischen Führer nur, solange sie an seine Übermenschlichkeit glauben, „daher auch nur solange ihm diese Qualitäten zugeschrieben werden: sein Charisma sich durch deren Erweise

88

4. Zusammensetzung von CEO-Images

bewährt. Wenn er von seinem Gotte ‚verlassen’ oder seiner Heldenkraft oder des Glaubens der Massen an seine Führerqualität beraubt ist, fällt seine Herrschaft dahin.“ (Herv. i. O.) (Weber 2009: 221). Aufbauend auf den Theorien von Habermas und Weber formuliert Eisenegger (2010: 18ff.) die drei Modi der Objekt-Personalisierung: funktionale Personalisierung, soziale Personalisierung und expressiv-charismatische Personalisierung. Die drei Modi kombinieren jeweils einen Weltbezug mit der entsprechenden Herrschaftsform (vgl. Abbildung 5). Funktionale Personalisierung

Soziale Personalisierung

Expressivcharismatische Personalisierung

Personalisierungsreferenz Personalisierungsaspekte

Objektive Welt

Soziale Welt

Subjektive Welt

Personaler Erfolg; Fachkompetenz

Sozialverantwortlichkeit; Soziale Legitimität; Fairness

Personalisierungsstil Herrschaftstyp nach Weber

Kognitiv-rational Rationale Herrschaft

Normativ-moralisierend Traditionale Herrschaft

Persönlichkeit/ Charakter; Begabungen/ Talente; Werdegang; Private Lebenswelt; Charisma/Leadership; Faszinationskraft Emotional-ästhetisierend Charismatische Herrschaft

Abbildung 5:

Funktionale, soziale und expressiv-charismatische Personalisierung

Quelle: In Anlehnung an Eisenegger 2010: 19

Im Modus funktionaler Personalisierung werden Personen gemäß der objektiven Welt beurteilt. Akteure werden also daran gemessen, ob sie in kompetenter Weise und mit den richtigen Mitteln bei der Zielerreichung erfolgreich sind. Personalisierungsaspekte sind also unter anderem der personale Erfolg sowie die Fachkompetenz einer Person (vgl. Eisenegger 2010: 18). Im Modus sozialer Personalisierung werden Personen danach beurteilt, ob sie in der Gesellschaft geltende und anerkannte Normen und Werte bei der Zielerreichung einhalten. Das Handeln der Person muss legitim im Sinne dieser Normen erscheinen. Personalisierungsaspekte sind hier unter anderem Sozialverantwortlichkeit und Fairness (vgl. Eisenegger 2010: 18f.). Im Modus expressiv-charismatischer Personalisierung wird die Person an ihrer individuellen Eigenart gemessen, also daran, was sie von ihrer Persönlichkeit oder ihrer spezifischen Subjektivität zum Ausdruck bringt. Sie wird demnach im Hinblick auf ihre persönlichen Charaktereigenschaften personalisiert dargestellt und wahrgenommen.

4.1. Imagedimensionen in der Personalisierungsforschung

89

Dazu gehören unter anderem Begabungen und Talente, der berufliche Werdegang, ihr Privatleben oder ihr Charisma (vgl. Eisenegger 2010: 19). Die Herrschaftstypologie von Weber bereichert die Personalisierungsmodi insofern, als auch hier der Grad der Personalisierung abgelesen werden kann (vgl. Eisenegger 2010: 20f.). Rationale Herrschaft ist dabei als die unpersönlichste anzusehen. Hier wird Legitimität der Herrschaft durch Gesetz verliehen. Der legitime Herrscher steht zwar an höchster Stelle in der Rangordnung, er ist aber austauschbar. Die Legitimität der Herrschaft ist, anders als bei der traditionalen oder charismatischen Herrschaft, nicht mit der Person des Herrschers verknüpft. In der traditionalen Herrschaft verkörpert der Herrschaftsträger eine Sozialordnung und vertritt sie nicht nur. Die charismatische Herrschaft beruht auf den außeralltäglichen Fähigkeiten des Herrschers und wird somit zum alleinigen Legitimationsgrund von Herrschaft (vgl. Eisenegger 2010: 20). Eisenegger führt an, dass der Modus charismatischer Personalisierung, der den charismatischen Herrschaftstyp alimentiert, somit mit dem stärksten Grad an Personalisierung verbunden ist: „Übertragen auf den Gegenstand der Organisationskommunikation geht eine charismatische Personalisierung mit der größten Überformung der Organisation durch die charismatisierte Person einher. In Prozessen charismatischer Personalisierung werden ranghohe Vertreter selbst zur Botschaft, ihre Auftritte sowie die Diskussionen über ihre besonderen Stärken und Schwächen werden zum eigentlichen Kommunikationsereignis und zum sich verselbständigenden Narrativ. In charismatisierenden Darstellungsformen ist somit die höchste Stufe der Personalisierung erreicht: Organisationen und Institutionen stehen nicht mehr nur für sich selbst, sondern für die charismatische Figur, der sie sich unterstellen.“ (Eisenegger 2010: 20f.)

Eisenegger nimmt an, dass sowohl die soziale als auch insbesondere die charismatische Personalisierung in jüngster Zeit verstärkt an Bedeutung gewonnen haben. Die Tendenz des Mediensystems zu Skandalisierung und Ahndung von Normverstößen von Führungspersonen aller gesellschaftlichen Teilsysteme sowie die Vertrauenskrise gegenüber wirtschaftlichen Eliten (vgl. Abschnitt 4.1.1.) zählen zu den Ursachen einer stärkeren sozialen Personalisierung. Auf der anderen Seite stellt beispielsweise die Ökonomie der Aufmerksamkeit (vgl. Abschnitt 1.1.1.) eine zentrale Rahmenbedingung für den Bedeutungsgewinn der charismatischen Personalisierung dar (vgl. Eisenegger 2010: 21).

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

4.1.3. Rollennahe und rollenferne Personalisierung Eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung bietet die Unterscheidung von rollennaher und rollenferner Personalisierung. Der Ansatz geht auf die Wahlforschung zurück und findet seinen Ursprung im Klassiker The American Voter von Campbell et al. (1960). Campbell et al. haben als erste Autoren politische (u.a. Führungskompetenz, Verwaltungsfähigkeiten, Bildung etc.) und persönliche Fähigkeiten (u.a. Integrität, Patriotismus, Inspirationskraft etc.) bei der Wahrnehmung von Präsidentschaftskandidaten unterschieden. In der deutschsprachigen Literatur hat Lass (1995: 60) das Begriffspaar rollennah vs. rollenfern in seiner Studie zur Wahrnehmung von Kanzlerkandidaten eingeführt. Brettschneider (2002) greift das Begriffspaar in seiner umfassenden Analyse von Kandidatenimages in Deutschland, England und den USA auf. Rollennahe Eigenschaften bezeichnen dabei politische Eigenschaften von Kandidaten und damit Eigenschaften, die direkt für die Ausübung der politischen Rolle qualifizieren. Rollenferne beziehungsweise unpolitische Eigenschaften qualifizieren nicht direkt für die Tätigkeit eines Politikers (Brettschneider 2002: 141): „Unter rollennaher Personalisierung wird dabei die Thematisierung/Wahrnehmung instrumenteller Personenmerkmale gefasst wie Leistungs-, Kompetenz- oder Führungseigenschaften. Als rollenfern gilt eine Personalisierung auf der anderen Seite dann, wenn wertexpressive Merkmale wie die Integrität oder der Charakter der Person ins Zentrum gerückt werden. (...) Im Fokus steht also die Frage, hinsichtlich welcher Reputationsmerkmale Personen in der medialen und organisationalen Kommunikation thematisiert und bewertet werden und welche Aspekte die Personenwahrnehmung des Publikums bestimmen.“ (Herv. i. O.) (Eisenegger 2010: 17f.)33

Um den Unterschied zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften nachvollziehen zu können, ist es hilfreich, einen kurzen Blick auf die Rollentheorie zu werfen. Der Rollenbegriff wurde insbesondere in der Soziologie und Sozialpsychologie diskutiert, ist aber auch in vielen anderen Disziplinen, wie zum Beispiel der Führungsforschung, aufgegriffen worden. Eine soziale Rolle kann definiert werden als ein Bündel von Verhaltenserwartungen, die von anderen sozialen Akteuren an den Inhaber einer sozialen Position herangetragen werden (vgl. Dahrendorf 1974: 32). Merton (1949) erweitert den Bezugsrahmen der Rollentheorie, indem er davon ausgeht, dass jeder sozialen Position ein Rollenset bestehend aus verschiedenen 33

Auch die Termini instrumentell vs. wertexpressiv hat Lass (1995: 60) eingeführt. Er nutzt sie in seiner empirischen Untersuchung, um den „psychologischen Momenten“ der Kandidatenwahrnehmung Rechnung zu tragen, während die Begriffe rollennah vs. rollenfern eher soziologisch orientiert sind.

4.1. Imagedimensionen in der Personalisierungsforschung

91

einzelnen Rollen zugeordnet werden könne. So nimmt ein CEO neben der Rolle des Vorstandsvorsitzenden beispielsweise auch noch die Rolle des Vaters, des Ehemannes, des Freundes und viele weitere soziale Rollen ein (vgl. Hiesserich 2013: 65). Eine soziale Rolle besteht dabei unabhängig von der Person, die eine Position aktuell einnimmt (Linton 1936, vgl. Fischer und Wiswede 2009: 518). Entsprechend beschreiben Katz und Kahn (1978) Organisationen als Systeme zusammenhängender sozialer Rollen beziehungsweise Positionen (vgl. Fischer und Wiswede 2009: 518). Die Rollenerwartungen, die an den aktuellen Inhaber einer Position herangetragen werden, bestehen also unabhängig von dieser Person und sind fest mit der Rolle verbunden, auf die sie sich beziehen. Vor diesem Hintergrund kann daher auch der Unterschied zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften von CEOs aufgezeigt werden: Rollenzentrierte CEO-Images bestehen aus rollennahen Eigenschaften, die unabhängig von der individuellen Persönlichkeit eines CEOs für die Erfüllung der an ihn gerichteten Rollenerwartungen benötigt werden. Personenzentrierte CEO-Images entfernen sich von der vollständigen Konzentration auf die CEO-Rolle und beziehen die CEO-Persönlichkeit in die Wahrnehmung des CEOs mit ein. Aus diesem Grund können rollenferne Eigenschaften in personenzentrierte Vorstellungen über CEOs einfließen, während diese in rollenzentrierten CEOImages grundsätzlich ausgeklammert werden. Mit zunehmender Personalisierung – so die zweite Personalisierungsthese von Brettschneider – gewinnen rollenferne Eigenschaften bei der Zusammensetzung von CEO-Images an Bedeutung. CEOs werden zunehmend anhand von rollenfernen Kriterien (z.B. Ausstrahlung, Alter, Familienleben) wahrgenommen und bewertet, während rollennahe Kriterien (z.B. Fach- und Führungskompetenz) in den Hintergrund treten (vgl. Brettschneider 2002: 23, vgl. auch Lass 1995: 36). Anstelle einer strikten Einteilung von Eigenschaften in eine rollennahe und eine rollenferne Kategorie geht diese Dissertation unter Rückgriff auf den Ansatz von Lass (1995) jedoch davon aus, dass sich Eigenschaften eines CEOs auf einem Kontinuum zwischen einem rollennahen und einem rollenfernen Pol einordnen (vgl. auch Dams 2003, Wirth und Voigt 1999). Integritätsbezogene Merkmale werden daher, wie von Lass (1995) vorgeschlagen, als eine hybride Dimension zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften zwischen den beiden Polen eingeordnet. Die Systematisierung von Personalisierung in einen rollennahen und einen rollenfernen Modus weist enge Parallelen zu der Unterscheidung von globaler und spezifischer sowie von funktionaler, sozialer und charismatischer Personalisierung auf. So hat der spezifische Personalisierungsmodus große Ähnlichkeit mit dem rollenfernen Modus. In beiden Fällen liegt der Fokus von Darstellung und Wahr-

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

nehmung auf wertexpressiven, rollenfernen beziehungsweise unpolitischen Eigenschaften. Beide Modi beschreiben also eine „Personalisierung von Personen“ (Lass 1995: 10). Auch der expressiv-charismatische sowie der soziale Modus von Personalisierung weisen Parallelen mit dem spezifischen Personalisierungsmodus auf. Lass (1995: 10) gibt an, dass der spezifische Modus von Personalisierung unpolitische oder moralische Eigenschaften von politischen Kandidaten im Blick hat. Damit weist der spezifische Modus sowohl Elemente des sozialen als auch des expressivcharismatischen Personalisierungsmodus auf. In allen diesen Personalisierungsmodi setzen sich CEO-Images überwiegend aus rollenfernen Eigenschaften zusammen. Auch der funktionale, der globale und der rollenferne Modus der Personalisierung weisen Parallelen auf. Hier stehen jeweils die Fach- und Führungskompetenzen von CEOs im Vordergrund. Daher ist Personalisierung in diesen Modi jeweils am schwächsten ausgeprägt. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wird begrifflich auf die Unterscheidung zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften zurückgegriffen. Dennoch bilden alle drei vorgestellten Ansätze und ihre Verbindungen untereinander den Rahmen, in dem rollennahe und rollenferne Eigenschaften eingeordnet und verstanden werden. 4.2. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images Will man der Frage nachgehen, inwieweit CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen durch ihre verschiedenen Stakeholder personalisiert wahrgenommen werden, ist es unabdingbar, sich mit dem Forschungsstand zur inhaltlichen Struktur von CEO-Images zu beschäftigen. Der zweiten Personalisierungsthese zufolge prägen rollenferne Eigenschaften zunehmend die Stakeholderwahrnehmung. Wirft man einen Blick auf die Unternehmensberichterstattung, so kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass die zweite Personalisierungsvermutung auf die Stakeholderwahrnehmung zutrifft. Schließlich wimmelt es in den verschiedenen medialen Formaten nur so von persönlichen Details über die großen deutschen Unternehmenslenker, ihre Hobbies, ihre Familien und vieles mehr. Es „menschelt“ also zunehmend in der Wirtschaftsberichterstattung. Auch die von Sandhu und Zielmann (2010) befragten Kommunikationsverantwortlichen gehen mehrheitlich davon aus, dass persönliche Qualitäten des CEOs wie Glaubwürdigkeit, Authentizität, Integrität, Überzeugungskraft oder Charisma wichtiger für das Image eines Vorstandsvorsitzenden seien als „trainierbare“ Eigenschaften wie Fachkompetenz oder mediales Auftreten. Die als wichtig empfundenen Eigenschaften berühren also im Sinne Eiseneggers (2010) den sozialen sowie den charismatisch-expressiven Perso-

4.2. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images

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nalisierungsmodus und sind damit den rollenfernen Eigenschaften zuzurechnen. Eigenschaften, die der funktionalen beziehungsweise der rollennahen Ebene zuzuordnen sind, werden dagegen als eher weniger bedeutend empfunden. Und auch die von Talanow (2015) befragten Kommunikationsexperten bringen zum Ausdruck, dass sowohl der soziale als auch der charismatisch-expressive Personalisierungsmodus für die mediale Vorstandskommunikation an Bedeutung gewinnen (vgl. Talanow 2015: 316). Inwieweit rollenferne gegenüber rollennahen Eigenschaften aber tatsächlich bei der Zusammensetzung von CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen eine Rolle spielen, darüber können nur die Stakeholder selbst Auskunft erteilen. Die wenigen Studien, die sich im weitesten Sinne mit der Zusammensetzung von CEO-Images beschäftigen und dabei auch empirisch auf der Ebene der Stakeholderwahrnehmung ansetzen, stammen überwiegend aus der anwendungsorientierten Beratungspraxis. Studien der Kommunikationsberatungen Burson-Marsteller (1997, 1999, 2001) untersuchen die Bedeutung des CEOs für die Wahrnehmung, Bewertung und das Verhalten von Anspruchsgruppen (vgl. Kapitel 3.4.) und liefern darüber hinaus erste Hinweise zur Bedeutung verschiedener Imagebestandteile für die Zusammensetzung von CEO-Images. So leiten Burson-Marsteller (2001) in ihrer Studie Building CEO Capital maßgebliche Faktoren für die CEO-Reputation ab. Diese Imagebestandteile ordnen sie nach dem ermittelten Einfluss auf den Gesamteindruck, den ein Stakeholder von einem CEO gewinnt. Abbildung 6 fasst diese Ergebnisse zusammen.

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

Die wichtigsten Imagebestandteile • • • • •

ist glaubwürdig fordert hohe ethische Standards kommuniziert im Unternehmen eine klare Vision gewinnt und hält ein erstklassiges Managementteam motiviert und inspiriert Mitarbeiter

Die zweitwichtigsten Imagebestandteile • • • •

nimmt die Kunden ernst managt Krisen bzw. Geschäftseinbrüche effektiv steigert den Aktionärswert setzt die strategische Vision erfolgreich um

Die drittwichtigsten Imagebestandteile • • • • •

versteht die globalen Märkte ist führend in der Branche zeichnet sich durch Innovationen aus fördert und bekennt sich zur Unternehmensgemeinde hat eine überzeugende Internetstrategie

Abbildung 6:

Maßgebliche Imagebestandteile nach Burson-Marsteller (2001)

Quelle: In Anlehnung an Gaines-Ross 2006: 67

Die wichtigsten Imagebestandteile ordnet Gaines-Ross als weiche Faktoren beziehungsweise Soft-Skills ein (vgl. Gaines-Ross 2006: 66). Dies ist insofern erstaunlich, als dass „harte“, finanziell messbare, Imagebestandteile wie „Steigerung des Aktionärswertes“ erst in der zweitwichtigsten Kategorie auftauchen (vgl. Gaines-Ross 2006: 66). Im Sinne der Zielsetzung dieser Dissertation lässt sich darüber hinaus feststellen, dass die ermittelten Imagebestandteile zwar überwiegend aus der rollennahen Kategorie stammen. Dennoch sind gerade unter den wichtigsten Imagebestandteilen mit „Glaubwürdigkeit“ und „Ethischen Grundsätzen“ zwei Eigenschaften vertreten, die sich in die hybride Kategorie einordnen lassen (vgl. Abschnitt 4.1.1.). Ähnliche Ergebnisse wie Burson-Marsteller erzielt eine neuere Studie der Kommunikationsberatung Weber Shandwick (2015). Mithilfe einer Umfrage unter Führungskräften der ersten Führungsebene hat Weber Shandwick das Ziel verfolgt, den Wert von CEO-Images für Unternehmen abzubilden (vgl. auch Kapitel 3.4.). Unter anderem fragt die Studie dabei auch nach den Ursachen für eine starke CEOReputation. CEOs mit einer starken Reputation unterscheiden sich von CEOs mit

4.2. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images

95

einer schwachen Reputation demnach insbesondere durch Stärken in den folgenden Bereichen: „By wide margins, executives who work with highly regarded CEOs, relative to those with lesser regarded CEOs, describe their CEOs as having a clear vision for the company, inspirational and motivational to others, honest and ethical, a good communicator internally, and someone who cares that the company is a good place to work. They also describe these highly regarded CEOs as having a global business outlook, being a good communicator externally, decisive, and customer-focused.“ (Weber Shandwick 2015: 6).

Wie schon in der Studie von Burson-Marsteller sind die meisten der ermittelten Imagebestandteile dabei eindeutig rollennaher Natur. Einzig „Ehrlichkeit und ethische Grundsätze“ fallen in die hybride Kategorie. Beide Studien geben jedoch keinerlei Auskunft darüber, wie die untersuchten Imagebestandteile erarbeitet wurden. FTI Consulting (2012)34 untersucht die Bedeutung der CEO-Reputation für die Wahrnehmung eines Unternehmens durch Investoren im Rahmen von Führungswechseln in einem internationalen Vergleich. Dabei identifiziert sie zentrale Imagebestandteile für den ersten Eindruck von einem neuen CEO. Diese umfassen neben der bisherigen Leistungsbilanz (63 Prozent) industriespezifische Erfahrung (18 Prozent), persönliche Reputation (10 Prozent), Erfahrung im Unternehmen (4 Prozent) und Erfahrung in einem ähnlichen Unternehmen (3 Prozent) (vgl. FTI Consulting 2012: 3). Alle Faktoren sind den rollennahen Eigenschaften zuzuordnen. Eine erste Analyse von CEO-Images für den deutschsprachigen Raum hat Trummer (2006) in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsberatung BursonMarsteller für Österreich vorgelegt. In einer Umfrage unter 250 Repräsentanten der Gruppen „Spitzenvertreter der österreichischen Wirtschaft“, „Meinungsmultiplikatoren“ sowie „Medien“ und „Politik“ wurde die Zusammensetzung von CEOImages erhoben (vgl. Trummer 2006: 12f.). Zunächst wurden die Befragten dazu aufgefordert, die drei ihrer Meinung nach besten und erfolgreichsten CEOs zu benennen.35 Anschließend wurden sie nach den Gründen für eine besonders gute Reputation eines CEOs gefragt. Zu diesem Zweck wurden den Befragten verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgelegt, aus denen sie eine oder mehrere

34

35

Die Abteilung „Strategische Kommunikation“ von FTI Consulting führte zwischen Juli 2007 und Juni 2010 eine Umfrage unter 358 Portfoliomanagern und Finanzanalysten durch. Dabei wurden 263 CEO-Wechsel in 35 Ländern weltweit in die Analyse miteinbezogen (vgl. FTI Consulting 2012: 10). Diese Frage diente zur Erhebung eines Gesamtmaßes für die Reputation im Sinne eines eindimensionalen Reputationsindexes.

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

auswählen konnten. Dabei wurden folgende Imagebestandteile erhoben (vgl. Trummer 2006: 22): • • • • • • • • • • • • • •

vermittelt eine klare Vorstellung von der Unternehmensstrategie ist international anerkannt ist in seiner Branche innovativ und visionär ist glaubwürdig kommuniziert offensiv nach außen managt Unternehmenswandel vorbildlich zieht qualifizierte Topmanager an sorgt für Firmenwachstum traut der Person zu, Krisen zu bewältigen über diese Person sieht, hört oder liest man häufig etwas in den Medien handelt verantwortungsvoll gegenüber Mitarbeitern und der Umwelt denkt kundenorientiert motiviert und inspiriert Mitarbeiter diese Person unterscheidet sich deutlich von anderen CEOs

Die erhobenen Imagebestandteile entsprechen fast ausschließlich rollennahen Merkmalen eines CEOs. Nur die Punkte „Glaubwürdigkeit“ und „Verantwortungsbewusstsein“ fallen in die hybride Kategorie. Den Ergebnissen der Studie zufolge würden CEOs also beinahe ausschließlich über rollenferne und hybride Eigenschaften beurteilt, während rollennahe Eigenschaften keine Bedeutung für die Wahrnehmung hätten. Problematisch an der Studie von Trummer ist allerdings, dass an keiner Stelle erörtert wird, wie die erhobenen Imagebestandteile abgeleitet wurden. Falls die Imagebestandteile ausschließlich auf Basis von Erfahrungen oder – im besten Falle – einer Literaturanalyse ausgewählt wurden, besteht die Gefahr, dass Eigenschaften, die für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs eine Rolle spielen, in der Studie nicht betrachtet wurden. Es ist außerdem nicht ersichtlich, ob den Befragten die Möglichkeit gegeben wurde, im Rahmen einer offenen Frage zusätzliche Eigenschaften anzugeben, die für die Wahrnehmung und Bewertung eines reputationsstarken CEOs eine Rolle spielen. Rückschlüsse auf die Bedeutung von rollenfernen Merkmalen können auf dieser Basis also nicht gezogen werden. Ein weiteres Problem der Studie ergibt sich daraus, dass die Ergebnisse nicht nach den befragten Personengruppen aufgeschlüsselt wurden und somit auch die Antworten der verschiedenen Stakeholdergruppen nicht isoliert betrachtet werden können.

4.2. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images

97

Das Institut für Demoskopie Allensbach (2005) befragt verschiedene Stakeholdergruppen zur Bedeutung von CEO-Eigenschaften. Die befragten Zielgruppen betonen dabei nicht nur die Bedeutung von rollennahen Eigenschaften wie zum Beispiel Präsentationsgeschick, rhetorische Fähigkeiten oder Überzeugungskraft für die CEO-Wahrnehmung (43 Prozent), sondern ebenso integritätsbezogene Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit und Seriosität (43 Prozent). Soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen oder Empathie werden von jedem Dritten als wichtige Eigenschaften eines erfolgreichen CEOs betrachtet (33 Prozent), ebenso wie Offenheit und Transparenz (24 Prozent), die ebenfalls zu den integritätsbezogenen Eigenschaften gezählt werden können. Des Weiteren sind laut Aussage der Befragten Konsequenz, Gradlinigkeit und Klarheit von Bedeutung für die CEOWahrnehmung (18 Prozent). Andererseits werden „strategisches Denken“ oder „regelmäßige, zeitnahe Kommunikation“ eher vereinzelt und nachrangig genannt, ebenso wie „Personalführung, zum Beispiel guter Umgang mit den Mitarbeitern“ (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2005: 26ff.). Das Institut für Demoskopie Allensbach konnte dabei keine grundlegenden Unterschiede in der Gewichtung dieser Eigenschaften für verschiedene Expertengruppen finden. Auffällig ist, dass sowohl Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat als auch Analysten seltener die soziale Kompetenz oder das Einfühlungsvermögen als wichtige Eigenschaften eines erfolgreichen CEOs nennen als Kommunikationschefs und Journalisten. Politikjournalisten (55 Prozent) und Wirtschaftsjournalisten (33 Prozent) fordern vom CEO dagegen häufiger als die anderen Gruppen ein besseres Einfühlungsvermögen (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2005: 30f.). Die Gesellschaft für Wirtschaftsforschung Dr. Doeblin (2014) führte eine Umfrage unter deutschen Wirtschaftsjournalisten zur Erhebung von Images deutscher DAX-CEOs durch.36 Untersucht wurden dabei die Imagebestandteile „Kompetenz und Persönlichkeit“, „Strategischer Weitblick“, „Offenheit gegenüber den Medien“ und „Sympathie“. Die Rechtfertigung für die Auswahl der untersuchten Imagebestandteile ist jedoch erneut nicht ersichtlich. Auch fehlt jeweils das theoretische Fundament. Die Analysen basieren eher auf Erfahrungen aus der Beratungspraxis. Die wohl bekannteste und verbreitetste Analyse von CEO-Images für Deutschland wird seit 2013 vom manager magazin in Kooperation mit Managementprofes-

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Zwischen dem 27. und dem 28. November 2014 wurden 122 Wirtschaftsjournalisten (Tages- und Wochenzeitungen, Wirtschaftsmagazine, Fachzeitschriften, öffentlich-rechtliche Funk- und Fernsehredaktionen, Online-Medien, freie Wirtschaftsjournalisten) im Rahmen einer Online-Umfrage befragt (vgl. Dr. Doeblin 2014: 4).

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

sor Joachim Schwalbach von der Humboldt-Universität in Berlin durchgeführt.37 In einer Umfrage unter Führungskräften38 wird dabei regelmäßig das Image von CEOs der größten deutschen Unternehmen erhoben. Die Führungskräfte bewerten die CEOs von Unternehmen aus ihrer Branche auf sieben Eigenschaften (vgl. Schwalbach 2014: 9): Strategische Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Vorbildfunktion, Teamfähigkeit und Gesellschaftliches Engagement (vgl. Schwalbach 2014: 10). Die Bewertung wird mithilfe einer Zehn-Punkte-Skala durchgeführt (vgl. Schwalbach 2014: 9). Die parallele Erhebung der Unternehmensimages (vgl. Kapitel 4.2.1.1.) ermöglicht es außerdem, Abweichungen zwischen dem CEO- und dem Unternehmensimage festzustellen. Neben einer Bewertung der CEOs nach diesen Eigenschaften wird auch die Bedeutung der einzelnen Eigenschaften für die Gesamtbewertung des CEOs erhoben. Die Imagedimensionen werden dabei auf einer Skala von null (unwichtig) bis fünf (sehr wichtig) hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Gesamtwahrnehmung des CEOs eingeschätzt. Strategische Kompetenz und Glaubwürdigkeit gelten demnach als bedeutendste CEO-Eigenschaften, gefolgt von Kommunikationsfähigkeit. Auch wenn die Imagestudie von Schwalbach den umfassendsten bislang bekannten Ansatz einer Erhebung von CEO-Images darstellt, ist der Ansatz der Studie nicht unproblematisch. Insbesondere lässt die Studie offen, wie genau die Eigenschaften entwickelt wurden. Bekannt ist nur, dass die Eigenschaften aus einem umfangreichen Literaturstudium entwickelt wurden (vgl. Schwalbach 2014: 9). Das Fehlen einer explorativ-qualitativen Vorstudie lässt aber die Frage aufkommen, ob alle wichtigen Imagebestandteile in der Studie Berücksichtigung finden. Definitive Schlüsse auf die Qualität des CEO-Images zu ziehen, ist daher äußerst schwierig. Auch lässt die Studie aufgrund der ausschließlichen Befragung von Führungskräften der ersten und zweiten Führungsebene keinerlei Schlüsse auf Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs durch verschiedene Stakeholder zu.

37

38

In der zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Arbeit aktuellsten Version der Imagestudie wurden 2156 Führungskräfte aus insgesamt elf Branchen zum Image der 150 wichtigsten Unternehmen Deutschlands und ihrer CEOs zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember 2015 befragt (vgl. Palan 2016: 35). Führungskräfte werden von Schwalbach als „hybride Stakeholder“ angesehen, die nicht nur einer klassischen Stakeholdergruppe zugeordnet werden können, sondern gleichzeitig die Rolle des Konsumenten, Investors, Lieferanten und/oder Wettbewerbers annehmen können. Aus welcher Perspektive die befragten Führungskräfte ihre Bewertungen vornehmen, vermag die Studie nicht zu ermitteln und lässt daher auch keine vergleichenden Schlüsse für die CEO-Wahrnehmung verschiedener Stakeholdergruppen zu. (vgl. Schwalbach 2014: 10f.).

4.2. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images

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Auch ein Blick auf die Ergebnisse des European Communication Monitor (ECM) lohnt im Hinblick auf die Bedeutung verschiedener Imagedimensionen für die Wahrnehmung von CEOs. Unter der Leitung von Ansgar Zerfaß werden im Rahmen des internationalen ECM jährlich Kommunikationsverantwortliche mit dem Ziel befragt, Trends in der strategischen Kommunikationspraxis zu erheben.39 Der ECM aus dem Jahr 2013 beschäftigt sich dabei unter anderem mit der CEOKommunikation und der CEO-Reputation und fragt in diesem Zusammenhang danach, welche CEO-Eigenschaften bei seiner Positionierung durch die Unternehmenskommunikation in den Vordergrund gestellt werden (vgl. Zerfaß et al. 2013: 22). Da die Strategie der Unternehmenskommunikation immer auch eine Reaktion auf die Bedürfnisse des Publikums ist, also in diesem Fall der Stakeholder, können aus den genannten Imagebestandteilen unter Einschränkungen Rückschlüsse auf ihre Bedeutung für die Zusammensetzung von CEO-Images gezogen werden. Der ECM 2013 bietet den Befragten vier Antwortmöglichkeiten auf die Frage, welche CEO-Eigenschaften im Zentrum der Positionierungs- und Kommunikationsstrategie für den CEO liegen: Funktionale Kompetenzen des CEOs (32,5 Prozent), die als Fähigkeiten zur Erfüllung der Jobanforderungen beschrieben werden; Ethische Kompetenzen (28,4 Prozent), die als persönliche und professionelle Wertorientierung und als Verantwortungsbewusstsein aufgefasst werden; Kognitive Kompetenzen (26,5 Prozent), die als Wissens- und Intelligenzkomponente begriffen und persönliche Kompetenzen (12,7 Prozent), die an der Angemessenheit des Verhaltens festgemacht werden (vgl. Zerfaß et al. 2013: 22). Auch wenn Zerfaß et al. ebenfalls nicht ausführen, wie die erhobenen Imagebestandteile erarbeitet wurden, werden hier zum ersten Mal übergeordnete Eigenschaftsdimensionen für CEOs beschrieben, die sich aus Einzeleigenschaften zusammensetzen, wie sie in der Erforschung der Zusammensetzung von Kandidatenimages in der Politik bereits seit vielen Jahrzehnten eingesetzt werden. Auch die Zusammensetzung von Images deutscher Aufsichtsräte, die ebenfalls zu den Unternehmensrepräsentanten mit den höchsten Repräsentationswerten gezählt werden können, war bereits Gegenstand detaillierter empirischer Erhebungen. Voeth et al. (2014) erheben die Images deutscher Aufsichtsräte bevölkerungs-

39

Der ECM wurde im Jahr 2013 zum siebten Mal durchgeführt. Dazu wurden in 2013 2170 Kommunikationsverantwortliche aus 43 Ländern zu den aktuellsten Trends und Themen im Bereich strategischer Kommunikationspraxis befragt (Zerfaß et al. 2013: 9).

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

repräsentativ in einer Umfrage unter mehr als 500 Personen.40 Angesichts häufig negativer Berichterstattung über deutsche Aufsichtsräte stellen sich die Autoren die Frage, über welches Image deutsche Aufsichtsräte in der Bevölkerung verfügen (vgl. Voeth et al. 2014). Das untersuchte Imageprofil besteht dabei aus den Dimensionen Fachkompetenz, Persönlichkeitskompetenz, Führungskompetenz und Sozialkompetenz und baut auf dem Anforderungsprofil an Aufsichtsräte auf, das von Kuck (2006: 130ff.) entwickelt wurde. Um die übergeordneten Eigenschaftsdimensionen zu operationalisieren, wurden den Befragten verschiedene Items beziehungsweise Einzeleigenschaften, die unter die Dimensionen subsumiert wurden, zur Bewertung im Rahmen einer Soll-Ist-Abweichung (vgl. Trommsdorff 2004: 182ff.) vorgelegt, die auf einer 7-Punkte-Likert-Skala bewertet wurden. Auch von diesen Autoren werden ebenfalls keine weiteren Angaben zur Strategie der Erarbeitung der Eigenschaften und Eigenschaftsdimensionen gemacht (vgl. Voeth et al. 2014): • Fachkompetenz: kaufmännischer Sachverstand, politischer Sachverstand, technischer Sachverstand, naturwissenschaftlicher Sachverstand, sozialwissenschaftlicher Sachverstand, juristischer Sachverstand, ethischer Sachverstand, wissenschaftlicher Sachverstand, religiöser Sachverstand • Persönlichkeitskompetenz: Autorität, Überzeugungsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Zielstrebigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Verhandlungsfähigkeit • Führungskompetenz: analytisches Denkvermögen, Charisma, Unbestechlichkeit, Kreativität, Durchsetzungsstärke, Innovation • Sozialkompetenz: Zukunftsorientierung, Teamfähigkeit, Solidarität, Loyalität, Gerechtigkeit/Fairness, Verantwortungsbewusstsein, Vertrauenswürdigkeit, Konfliktfähigkeit Die Durchsicht der einschlägigen Literatur zeigt, dass bislang hauptsächlich die Bedeutung von rollennahen und hybriden Eigenschaften für die CEOWahrnehmung betont wurde. Dennoch kann daraus nicht einfach geschlossen werden, dass rollenferne Eigenschaften für die CEO-Wahrnehmung keine Rolle spielen. Die bisherigen, überwiegend praxisorientierten Ansätze entbehren weitestgehend eines theoretischen Fundaments und geben häufig auch keine detaillierte 40

Die bevölkerungsrepräsentative Umfrage (Grundgesamtheit = deutsche Bevölkerung über 18 Jahre) unter 500 Personen wurde unter Mitarbeit eines Meinungsforschungsinstituts zwischen Ende Oktober und Anfang November 2013 durchgeführt. Neben den Imageprofilen von deutschen Aufsichtsräten wurden außerdem Einschätzungen zu Aufsichtsräten und deren Tätigkeiten in Bezug auf folgende Teilaspekte erhoben: Kenntnisstand über Aufsichtsratsaufgaben, Bedeutung der Aufgaben von Aufsichtsräten und Notwendigkeit gesetzlicher Frauenquoten für die Besetzung von Aufsichtsräten (vgl. Voeth et al. 2014: 110f.).

4.3. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von Kandidatenimages

101

Auskunft über das methodische Vorgehen und die Strategien zur Ableitung der untersuchten Imagebestandteile. Daher kann nicht verifiziert werden, ob sie tatsächlich die vollständige Bandbreite bei der Zusammensetzung von CEO-Images abbilden. In Ermangelung einer theoretisch fundierten Grundlage zur Zusammensetzung von CEO-Images wendet sich diese Arbeit daher im folgenden Abschnitt den Erkenntnissen zur Zusammensetzung von Kandidatenimages zu. Auch wenn die Wahrnehmung von Politikern und CEOs nicht gleichförmig verläuft, bestehen zwischen den Funktionsweisen der beiden gesellschaftlichen Teildimensionen Politik und Wirtschaft zentrale Ähnlichkeiten. Sowohl CEOs als auch Spitzenpolitiker sind Träger von Führungsrollen in verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen unserer Gesellschaft. Ebenso wie CEOs sind auch Politiker bei der Erfüllung ihrer Rollenanforderungen auf Unterstützung verschiedener Gruppen (Medien, Wähler etc.) angewiesen (vgl. Park und Berger 2004: 99, Deekeling und Arndt 2014: 1245). CEOs befinden sich somit ebenso wie Spitzenpolitiker „in einem permanenten Wahlkampf“ (Casanova 2004: 58) um die Gunst ihrer Stakeholder, die sie von ihrer Strategie für das Unternehmen überzeugen und zur Unterstützung derselben motivieren müssen (vgl. Casanova 2004: 58.) (vgl. auch Abschnitt 3.1.1.). Insbesondere in der Personalisierungsforschung wurden daher bereits an verschiedenen Stellen Parallelen zwischen der CEO-Wahrnehmung und der Kandidatenwahrnehmung gezogen. Park und Berger (2004) haben außerdem bereits Dimensionen, die von Miller et al. (1986) für Kandidatenimages ermittelt wurden, in einer Untersuchung von Medienimages von CEOs angewendet. Es ist auch intuitiv einleuchtend, dass Führungspersonen aus verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen anhand ähnlicher Imagedimensionen beurteilt werden. Die Imagedimensionen, die in der Literatur zu Kandidatenimages erarbeitet wurden, können daher als wichtige Anhaltspunkte für die Erarbeitung von Imagedimensionen eines CEOs dienen (vgl. u.a. Park und Berger 2004: 99, Eisenegger 2010: 17). 4.3. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von Kandidatenimages Bislang wurden das Zustandekommen und die Zusammensetzung von Images in der wissenschaftlichen Literatur in systematischer Weise vorwiegend für die Personalisierung des Wählerverhaltens in der Politik und die Entstehung von Kandidatenimages untersucht (u.a. Brettschneider 2002, Hacker et al. 2000, Vetter und Brettschneider 1998, Wirth und Voigt 1999, Jakubowski 1998, Miller und Shanks 1996, Lass 1995, Kepplinger et al. 1994, Kindelmann 1994, Miller et al. 1986, Kin-

102

4. Zusammensetzung von CEO-Images

der et al. 1980, Nimmo und Savage 1976, Campbell et al. 1960). Dabei wurde schon in den frühen wahlsoziologischen Arbeiten (u.a. Campbell et al. 1960) festgestellt, dass Politiker nicht ausschließlich aufgrund von politischen, also rollennahen, Eigenschaften von ihren Wählern beurteilt werden, sondern auch auf Basis von unpolitischen Persönlichkeitsmerkmalen (vgl. Brettschneider 2002: 139). Abbildung 7 fasst ausgewählte Ansätze zusammen, die übergeordnete Imagedimensionen für Kandidatenimages in der Politik identifiziert haben, und macht gleichzeitig das Zusammenspiel von rollennahen und rollenfernen Eigenschaften in den Modellen deutlich.

4.3. Empirische Befunde zur Zusammensetzung von Kandidatenimages

103

Imagedimensionen rollennah

Rollenfern

Campbell et al. (1960)

Politische Fähigkeiten

Persönliche Qualitäten

Nimmo und Savage (1976)

Politische Eigenschaften

Stilistische Eigenschaften

Kinder et al. (1980)

Leistung

Persönlichkeit

Kinder (1986), Miller und Shanks (1996)

Kompetenz

Miller et al. (1986)

Kompetenz

Kindelmann (1994)

Kompetenz

Leadership

Integrität

Verlässlichkeit

Integrität

Management

Lass (1995)

Integrität

Empathie

Charisma

Ausstrahlung

Integrität

Persönliche Merkmale

Privates & Restkategorie

Unpolitisches

Jakubowski (1998)

Kompetenz / Manager

Vertrauen

Personenqualitäten

Privates

Wirth und Voigt (1999)

Kompetenz / Manager

Integrität

Personenqualitäten

Privates

Brettschneider (2002)

Kompetenz

Leadership

Integrität

Persönlichkeitsmerkmale

Abbildung 7:

Rollennahe und rollenferne Dimensionen von Kandidatenimages

Quelle: Eigene Darstellung

104

4. Zusammensetzung von CEO-Images

Bei aller Vielfalt der Imagedimensionen, die für die Zusammensetzung von Kandidatenimages ermittelt worden sind, existieren gewisse Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Ansätzen. So unterscheiden die meisten Ansätze in der einen oder anderen Form rollennahe und rollenferne Eigenschaften (vgl. Brettschneider 2002: 142). Obwohl das Begriffspaar rollennah/rollenfern erst von Lass (1995) einund von Brettschneider (2002) weiter ausgeführt wurde, finden sich ähnliche Unterscheidungen beziehungsweise Systematisierungen von Kandidateneigenschaften bereits in frühen wahlsoziologischen Arbeiten. Bereits Campbell et al. (1960) unterschieden beispielsweise in dem Klassiker The American Voter zwischen „politischen“ und „persönlichen“ Eigenschaften eines Kandidaten; Nimmo und Savage (1976) differenzierten zwischen „politischen“ und „stilistischen“ Eigenschaften. Die traditionell zweidimensionale Konzeptualisierung von Kandidatenimages wird jedoch in der Forschung nach und nach aufgebrochen (vgl. Brettschneider 2002: 142). Kepplinger et al. (1994) unterscheiden kompetenzbezogene von charakterbezogenen Eigenschaften. Während charakterbezogene Eigenschaften universelle Eigenschaften sind, die auch anderen Menschen zugeschrieben werden, bezeichnen kompetenzbezogene Eigenschaften solche Merkmale, die ein Politiker zur Bewältigung politischer Aufgabenstellungen und Probleme benötigt (vgl. Kepplinger et al. 1994). Diese beiden Eigenschaftsdimensionen lassen sich jedoch weiter aufschlüsseln. Mittels Faktoranalyse werden die 21 untersuchten Charaktereigenschaften zu vier Teildimensionen kombiniert: Integrität, Erfahrung, Selbstsicherheit und Rücksichtslosigkeit. Die 17 kompetenzbezogenen Eigenschaften lassen sich demgegenüber in drei Teildimensionen (Alte Politik, Neue Politik, Außenpolitik) zusammenfassen (vgl. Kepplinger et al. 1994: 483f.). Miller und Shanks (1996) gehen einen Schritt weiter und identifizieren zunächst vier Dimensionen von Kandidatenimages für die Präsidentschaftswahl Bush vs. Clinton von 1992 in den USA: Kompetenz, Leadership, Integrität und Empathie. In einem zweiten Schritt versuchen sie diese beiden Eigenschaftsdimensionen zu zwei Dimensionen zu konsolidieren, die sie als kompetenzbezogene und integritätsbezogene Eigenschaften bezeichnen (vgl. Miller und Shanks 1996: 425). Die Erklärungskraft der Eigenschaftsdimensionen sinkt jedoch im Zuge der Konsolidierung (vgl. Miller und Shanks 1996: 433f.). Eine ähnliche Entdeckung macht Kinder (1986: 248), der die von Kinder et al. (1980) abgeleiteten zwei Teildimensionen Persönlichkeit und Leistung mittels konfirmatorischer Faktoranalyse zu vier Teildimensionen (Kompetenz, Leadership, Integrität, Empathie) aufschlüsselt und somit die Erklärungskraft der Dimensionen steigert (vgl. Kinder 1986: 248). Jüngere Ansätze gehen mittlerweile überwiegend von einem mehrdimensionalen Imagekonstrukt aus und identifizieren vier bis fünf

4.4. Dimensionen von CEO-Images

105

einzelne Imagedimensionen für die Wahrnehmung von Politikern. Die identifizierten Teildimensionen variieren zwischen den Publikationen. Zentrale Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden im Folgenden aufgeführt. Beispielsweise wird in beinahe allen Ansätzen eine Kompetenz-Dimension ermittelt, die spezifische, zur Lösung von politischen Problemen notwendige, Eigenschaften umschreibt. In einigen Ansätzen beinhaltet diese Kompetenz-Dimension die „Führungsqualitäten“, die ein Politiker benötigt (vgl. u.a. Miller et al. 1986, Kindelmann 1994, Lass 1995, Jakubowski 1998, Wirth und Voigt 1999). In anderen Ansätzen werden Führungsqualitäten in einer eigenständigen Dimension erfasst (vgl. u.a. Brettschneider 2002, Funk 1996). Bei den rollenfernen Eigenschaftsdimensionen ermitteln alle neueren Ansätze eine Integritäts-Dimension. Unterschiede bestehen jedoch insbesondere hinsichtlich der übrigen „rollenfernen“ Eigenschaftsdimensionen. Während einige Ansätze eine einzige „Restkategorie“ für sogenannte unpolitische Merkmale beziehungsweise Persönlichkeitseigenschaften wählen (vgl. u.a. Lass 1995, Vetter und Brettschneider 1998, Brettschneider 2002), wird bei anderen Ansätzen weiterhin zwischen charismatischen Eigenschaften und persönlichen Merkmalen differenziert (vgl. u.a. Miller et al. 1986, Kindelmann 1994, Wirth und Voigt 1999). Die identifizierten Imagedimensionen in allen genannten Ansätzen der Forschung zu Kandidatenimages in der Politik können in Anlehnung an Wirth und Voigt (1999) und Dams (2003) auf das Kontinuum zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften eingeordnet werden. Abbildung 7 nimmt eine entsprechende Unterscheidung vor. 4.4. Dimensionen von CEO-Images Basierend auf dem bisherigen Forschungsstand zur Zusammensetzung von CEOImages in Kombination mit den Erkenntnissen der Forschung zu Kandidatenimages wird im Folgenden angenommenen, dass CEO-Images sich aus den folgenden fünf Imagedimensionen zusammensetzen: Fachkompetenz, Leadership, Integrität, Charisma und persönliche Merkmale. Die fünf identifizierten Imagedimensionen bilden nach Ansicht der Verfasserin eine sinnvolle Bandbreite der in der Literatur identifizierten Imagedimensionen für die Wahrnehmung von Führungspersönlichkeiten wie Politikern und CEOs ab. Außerdem spiegeln sie die große Bandbreite der bisherigen empirischen Befunde zur Zusammensetzung von CEO-Images bestmöglich wider. Sie sind daher gut geeignet, um im Rahmen einer qualitativen Studie die Zusammensetzung von CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen zu untersuchen und sollen im empirischen Teil dieser Arbeit einer

106

4. Zusammensetzung von CEO-Images

ersten Überprüfung unterzogen werden. Die Imagedimensionen können auf dem Kontinuum zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften eingeordnet werden, wobei die Dimension „Integrität“ die hybride Kategorie zwischen rollennahen und rollenfernen Eigenschaften darstellt (vgl. Abschnitt 4.1.1.) (vgl. Abbildung 8). Die Bedeutung dieser Imagedimensionen für die CEO-Wahrnehmung ist an verschiedenen Stellen in der Literatur – wenngleich auch nicht im Zusammenhang mit der Forschung zu CEO-Images – thematisiert worden. Alle Imagedimensionen sollen im Folgenden vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Stakeholderwahrnehmung diskutiert werden. rollennah

rollenfern

Fachkompetenz Abbildung 8:

Leadership

Integrität

Charisma

Persönliche Merkmale

Dimensionen von CEO-Images

Quelle: Eigene Darstellung

4.4.1. Fachkompetenz Die Fachkompetenz-Dimension umfasst Eigenschaften, die zur Bewertung der Fähigkeiten des CEOs zur Lösung von Sachproblemen herangezogen werden (vgl. Brettschneider 2002: 143). Dazu zählen neben betriebswirtschaftlicher Sachkenntnis auch industriespezifische Kenntnisse – beispielsweise Kenntnisse der Chemie, des Maschinenbaus oder des Handels – sowie ein Grundstock an Intelligenz und analytischen Fähigkeiten. Eigenschaften der Fachkompetenz-Dimension befähigen einen CEO unter anderem zur Entwicklung von Unternehmensstrategien. Fachliche Kompetenz ist immer dann notwendig, wenn ein CEO „Ziele, Maßnahmen, Mittel und Wege hinsichtlich ihrer zukünftigen Folgen durchdenkt“ oder „festlegt, welche Ziele in welchem Ausmaß erreicht, welche Maßnahmen und Mittel hierzu ergriffen und welche Wege eingeschlagen werden müssen“ (Gaitanides 1991: 125, zitiert in Berner 2003: 54). Sie hilft dem CEO, die Unwägbarkeiten zukünftiger Szenarien zu überblicken und bestmöglich informierte Entscheidungen zu treffen. Fachliche Kompetenzen stellen damit die rollennahesten Eigenschaften dar, weil ein CEO, der über fachliche Kompetenzen verfügt, seine originären, planerischen Aufgaben objektiv besser erfüllen kann als ein CEO, der nicht über diese Eigenschaften verfügt (vgl. Brettschneider 2002: 143). Die Bedeutung von fachlichen Kompetenzen

4.4. Dimensionen von CEO-Images

107

für den Erfolg eines CEOs wird dabei bereits in den klassischen Ansätzen der Organisationstheorie thematisiert, in denen das technisch-ökonomische Aufgabenprofil der Unternehmensleitung fast ausschließlich aus planerischen Funktionen besteht (vgl. Berner 2003: 30ff.). So bestehen die Aufgaben des Topmanagements in der wissenschaftlichen Betriebsführung, die auf Taylor (1911) zurückgeht, hauptsächlich in der Planung des Produktionsprozesses. Darunter fallen die optimale Aufteilung des Produktionsprozesses in einzelne Arbeitsschritte sowie dessen optimaler Ablauf, inklusive zeitlicher Vorgaben für die einzelnen Arbeitsschritte. Darüber hinaus entwickelt das Topmanagement Anreizsysteme. Mitarbeiterführung besteht in der wissenschaftlichen Betriebsführung ausschließlich in der „Zuweisung spezieller Aufgaben, detaillierter Arbeitsanordnungen und spezifischer Vorschriften“ (Berner 2003: 32f., vgl. Kieser 2014: 85f.). Im Rahmen dieser planerischen Tätigkeiten benötigt das Topmanagement insbesondere fachliche Kompetenzen – zum Beispiel spezifisches technisches Wissen, das für den Produktionsprozess von Bedeutung ist – sowie Intelligenz und analytische Fähigkeiten. Gerade der überlegene Wissensstand und die kognitiven Fähigkeiten befähigen das Topmanagement schließlich zu planerischen Aufgaben und unterscheiden sie vom einfachen Arbeiter (vgl. Taylor 1911: 25f.). Hybride oder gar rollenferne Eigenschaften fallen dagegen nicht in das Anforderungsprofil eines Topmanagers. Auch seinen Führungsqualitäten wird in der wissenschaftlichen Betriebsführung nur eine sehr geringe Bedeutung beigemessen. Die Führungstätigkeit eines Managers besteht letztlich ausschließlich in der Definition und Zuweisung von Arbeitsanweisungen, während andere Führungsaufgaben, wie beispielsweise die Schulung oder Kontrolle der Arbeiter, nicht in den Aufgabenbereich des Topmanagements fallen.41 Der administrative Managementansatz (Fayol 1929) sieht die primären Aufgaben des Topmanagements in der Verwaltung. Das Management erfüllt die administrativen Funktionen Planung, Organisation, Leitung, Koordination und Kontrolle. Spezifische Grundfunktionen in einem Unternehmen, wie zum Beispiel technische Vorgänge (Herstellung), kommerzielle Vorgänge (Einkauf, Verkauf) oder auch finanzielle Vorgänge (Beschaffung und Verwendung des Kapitals) werden demgegenüber von anderen Akteuren im Unternehmen erfüllt (vgl. Berner 2003: 33). Das Anforderungsprofil, das sich aus dem Aufgabenprofil eines Topmanagers gemäß 41

Neben Planung und Ausführung fiel für Taylor auch die Kontrolle in einen eigenen Aufgabenbereich. Während jegliche planerische Tätigkeit in den Aufgabenbereich des Arbeitsbüros fällt, das mit der Ebene des Topmanagements gleichgesetzt werden kann, sind die „Meister“ mit der Kontrolle der Arbeiter betraut. Für einen detaillierten Überblick über das „Funktionsmeistersystem“ von Taylor vgl. Kieser (2014: 84).

108

4. Zusammensetzung von CEO-Images

des administrativen Management-Ansatzes von Fayol ableiten lässt, definiert sich also ebenso wie bei der wissenschaftlichen Betriebsführung insbesondere über Eigenschaften der Fachkompetenz. Für die Planungsfunktion sind insbesondere fachliche Kenntnisse, Intelligenz und analytische Fähigkeiten von einem Topmanager gefordert. Das Topmanagement ist nach Fayol schließlich insbesondere dazu aufgefordert, „Prognosen bezüglich der Zukunft zu erstellen, sowie diesbezügliche Vorbereitungen zu treffen“ (Berner 2003: 34), falsche Schritte oder unnötige Kursänderungen zu vermeiden. Auch in den modernen Ansätzen der Managementtheorie behält ein CEO seine Funktion als Stratege und Planer, Organisator und auch Controller, obwohl sich sein Aufgabenspektrum signifikant erweitert hat (vgl. Berner 2003: 71, vgl. auch Hiesserich 2013). Jedoch scheinen die Eigenschaften der FachkompetenzDimension – wenngleich immer noch von großer Bedeutung – heute nicht mehr ausreichend zu sein, um als CEO Erfolg zu haben: „Such qualities as strategic thinking, industry knowledge, and political persuasiveness, though desirable, no longer seem essential. Particularly when a company is struggling, directors in the market for a new CEO—as well as the investors, analysts, and business journalists who are watching their every move—will not be satisfied with an executive who is merely talented and experienced. Companies now want leaders.“ (Khurana 2002a: 60)

Befragt nach den wichtigsten Eigenschaften eines CEOs, äußert sich der Herausgeber des Handelsblatts, Gabor Steingart, ähnlich wie Khurana: „Die Fachkompetenz würde ich nach wie vor hoch bewerten, aber sie steht heute wahrscheinlich nicht mehr an erster Stelle. An dieser würde ich Empathiefähigkeit sehen, also die Fähigkeit, anderen Menschen zuzuhören, das Gehörte zu verarbeiten und die vielen Partikularinteressen auszubalancieren. (...) Eine Führungskraft in der Wirtschaft muss jedoch zusätzlich zu diesem Ausbalancieren noch eine weitere Fähigkeit besitzen, nämlich die, ein verlässliches Ziel zu haben, in eine Richtung zu marschieren und andere dabei mitzunehmen. Fehlt es an Leadership, dann hat man den Status quo lediglich ausbalanciert. Die zweite wichtige Fähigkeit, um in einer Führungsposition erfolgreich zu sein, ist daher das „Nach-Vorn-Blicken“ und eine Idee von der Zukunft zu haben. An dritter Stelle steht meines Erachtens die bereits angesprochene Fachkompetenz, welche man jedoch bereits in den unteren Abteilungen der Firmen in ausreichendem Ausmaß vorfindet.“ (Steingart 2015: 550)

Fachkompetenz ist demnach zwar nach wie vor eine wichtige Dimension für die CEO-Wahrnehmung (vgl. auch Park und Berger 2004). Diese ist jedoch nicht CEO-spezifisch, sondern bereits auf niedrigeren Hierarchieebenen im Unternehmen zu finden und wird als relativ unproblematische Eigenschaft angesehen. So zeigen Brettschneider und Vollbracht (2010) in ihrer Inhaltsanalyse, dass die Fach-

4.4. Dimensionen von CEO-Images

109

kompetenz-Dimension in der medialen Darstellung von CEOs im Vergleich zu anderen Dimensionen überwiegend positiv bewertet wird. Den CEOs wird also durchaus eine große Fachkompetenz zugesprochen (vgl. Brettschneider und Vollbracht 2010: 145). 4.4.2. Leadership Leadership meint wörtlich übersetzt Führung (Hegele-Raih 2004). Dennoch muss man grundlegend zwischen dem Verständnis von Führung als „Leadership“ und Führung als „Management“ unterscheiden. Führung im Sinne von Management steht für die perfekte Planung, Organisation und Kontrolle von Prozessen in Unternehmen (vgl. Kotter 1990, Hegele-Raih 2004): „[W]hether his or her energies are directed toward goals, resources, organization structures, or people, a manager is a problem solver. The manager asks himself: “What problems have to be solved, and what are the best ways to achieve results so that people will continue to contribute to this organization?” In this conception, leadership is a practical effort to direct affairs; and to fulfill his task, a manager requires that many people operate at different levels of status and responsibility. (…) It takes neither genius nor heroism to be a manager, but rather persistence, toughmindedness, hard work, intelligence, analytical ability and, perhaps most important, tolerance and goodwill.“ (Zaleznik 1981: 25 f.)

Manager zeichnen sich daher überwiegend durch Stärken in der FachkompetenzDimension wie zum Beispiel analytische Fähigkeiten, Intelligenz und Kenntnisse der Materie aus (vgl. Abschnitt 4.4.1.). Ein Manager führt über Anweisung und Kontrolle. Wichtige Eigenschaften im Zusammenhang mit diesem hierarchischen Führungsverständnis sind beispielsweise Durchsetzungskraft und Entscheidungsfreude sowie Organisationstalent. Leadership bedeutet dagegen, die Geführten mit Visionen zu inspirieren und zu motivieren. Auf diese Weise wird bei den Geführten Kreativität, Innovation, Sinnerfüllung und Wandel befördert (vgl. Kotter 1990, Hegele-Raih 2004). Die Bedeutung von Leadership für die Unternehmensführung ist dabei über die Jahre immer mehr ins Bewusstsein von Organisations- und Führungstheoretikern vorgedrungen. In den 80er- und 90er-Jahren sind zunehmend motivationale und identifikationsanregende Aufgaben des CEOs ins Bewusstsein der Management-Literatur gerückt. Die Aufgaben des CEOs werden seither nicht mehr nur in der Zielsetzung, Planung, Realisierung und Kontrolle – als Phasen des klassischen Management-Prozesses – gesehen (vgl. Berner 2003: 52ff.). Der CEO ist vielmehr dafür verantwortlich, die Identifikation der Organisationsmitglieder mit dem Unternehmen zu fördern, indem er Werte und Symbolsysteme als wichtigste

110

4. Zusammensetzung von CEO-Images

Elemente der Unternehmenskultur definiert, die das Verhalten der Organisationsmitglieder nach innen und nach außen nachhaltig prägen sollen (vgl. Berner 2003: 51). Der CEO muss daher heute auch Visionär und Sinnstifter sein und „eine realistische, glaubwürdige und attraktive Zukunftslösung“ (Nanus 1994: 21, zitiert in Berner 2003: 60) für ein Unternehmen vermitteln. Die Vision zu vermitteln, ist dabei Aufgabe des CEOs. Ein visionärer CEO ist in der Lage, „an die Vorstellungskraft der Zuhörer zu appellieren und diese somit besser als andere motivieren und inspirieren zu können“, und setzt damit „ein klares Merkmal guter Führung“ (vgl. Hiesserich 2013: 77). Denn Mitarbeiter wollen heutzutage nicht mehr nur Befehle empfangen; sie wollen mitgerissen werden: „Die Managementtheorien der 1990er Jahre bekämpfen Hierarchiestufe als bürokratische Lehmschichten und propagieren das Führungsverhalten des ‚Hinter-sichScharens’ kraft persönlicher Überzeugungskraft. Die Menschen in den Großunternehmen wollen, gemäß dieser Theorien, keine Befehle empfangen, sondern überzeugt und mitgerissen werden.“ (Imhof 2010: 42)

Ein CEO muss daher heute weniger Manager und mehr Leader sein. Während Manager eine eher distanzierte Haltung gegenüber Unternehmenszielen einnehmen und ihr Handeln eher an Konzepten als an persönlichem Engagement und Leidenschaft anlehnen, sind Leader begeisterungsfähige und risikoaffine Führungsfiguren, die nicht am Status Quo festhalten, sondern das Unternehmen weiterentwickeln (vgl. Berner 2003: 63). Nur ein Leader kann die Identifikation der Organisationsmitglieder mit der Unternehmenskultur bestmöglich fördern: „Leadership ist die Kunst und Wissenschaft, vor dem Hintergrund einer zentralen Unternehmensvision alle Kräfte eines Unternehmens zur Entfaltung zu bringen und auf die Realisierung gemeinsamer Ziele auszurichten.“ (Schließmann 1995: 119, zitiert in Berner 2003: 63)

Diese Unterscheidung zwischen dem Manager und dem Leader spiegelt sich auch in der Unterscheidung zwischen transaktionaler und transformationaler Führung wider (u.a. Burns 1978, Bass 1985). Transaktionale Führung besteht in der Festlegung von klaren Zielen, der Definition von Erwartungen und Arbeitsinhalten und der Etablierung eines Belohnungs- beziehungsweise Bestrafungssystems, das die Leistungserbringung der Geführten sicherstellen soll: „Transactional leadership refers to the exchange relationship between leader and follower to meet their own self-interests. It may take the form of contingent reward in which the leader clarifies for the follower through direction or participation what the follower needs to do to be rewarded for the effort. It may take the form of active management-by-exception, in which the leader monitors the follower’s performance and takes corrective action if the follower fails to meet standards. Or it may take the

4.4. Dimensionen von CEO-Images

111

form of passive leadership, in which the leader practises passive managing-byexception by waiting for problems to arise before taking corrective action or is laissezfaire and avoids taking any action.“ (Bass 1999: 10 f.)

Den Bezugsrahmen für die transaktionale Führung durch einen Manager bestimmen dabei die bestehenden Ziele und Werte des Unternehmens. Transformationale Führung durch einen Leader nimmt dagegen die bestehenden Ziele und Werte eines Unternehmens nur als Ausgangspunkt eines Prozesses, der Veränderungen bewirken soll. Leadership fokussiert auf motivationale und identifikationsanregende Elemente, mithilfe derer die Geführten von den Veränderungsprozessen überzeugt werden sollen. Alte Denkmuster sollen aufgebrochen und durch neue ersetzt werden: „Managers tend to adopt impersonal, if not passive, attitudes towards goals. Managerial goals arise out of necessities rather than desires, and, therefore, are deeply embedded in the history and culture of the organization. (…) [Leaders] are active instead of reactive, shaping ideas instead of responding to them. Leaders adopt a personal and active attitude toward goals. The influence a leader exerts in altering moods, evoking images and expectations, and in establishing specific desires and objectives determines the direction a business takes. The net result of this influence changes the way people think about what is desirable, possible, and necessary.“ (Zaleznik 1981: 26f.)

Die Persönlichkeitseigenschaften des transformationalen Führers stehen dabei im Mittelpunkt, weil er als Identifikationsperson und Sinnstifter die Mitarbeiter von seiner Vision für das Unternehmen überzeugen möchte (vgl. Bass 1990: 22, Bass 1985, Bass und Avolio 1994: 22). Im Zusammenhang mit der transformationalen Führung weist Leadership damit enge Verbindungen zur Charisma-Dimension auf (vgl. Abschnitt 4.4.4.). Neben Charisma können aber auch andere persönliche Eigenschaften des transaktionalen Leaders seinen Führungsanspruch begründen: „Superior leadership performance – transformational leadership – occurs when leaders broaden and elevate the interests of their employees, when they generate awareness and acceptance of the purposes and mission of the group, and when they stir their employees to look beyond their own self-interest for the good of the group. Transformational leaders achieve these results in one or more ways: They may be charismatic to their followers and thus inspire them; they may meet the emotional needs of each employee; and/or they may intellectually stimulate employees.” (Bass 1990: 21)

Auch wenn der Leadership-Begriff über die vergangenen Jahre mehr und mehr in Mode gekommen ist und man den Eindruck gewinnen konnte, erfolgreiche CEOs müssten nun alle Leader sein und Manager hätten zunehmend ausgedient, hat bereits Kotter (1990) erkannt, dass ein erfolgreiches Unternehmen sowohl Manager

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

als auch Leader benötigt, um gut geführt zu sein. Unternehmen brauchen zu jeder Zeit Manager, die Ziele definieren, planen, organisieren und kontrollieren. Insbesondere in Umbruchphasen braucht ein Unternehmen aber ebenso einen Leader, der die Organisationsmitglieder auf eine neue Richtung einschwören kann (vgl. Hegele-Raih 2004, Kotter 1990). Die Leadership-Dimension muss daher sowohl managementbezogene als auch leadershipbezogene Eigenschaften umfassen, unter anderem Durchsetzungsstärke, Entscheidungsfreude, Organisationstalent und Überzeugungskraft (vgl. Brettschneider 2002: 143). Diese Eigenschaften befähigen einen CEO zur Durchsetzung seiner Strategie für das Unternehmen, zur Vermittlung der Unternehmenskultur und -vision und zur Motivation der Mitarbeiter. 4.4.3. Integrität Die Integritäts-Dimension umfasst alle Eigenschaften, die Rückschlüsse auf das Wertesystem und die Moral eines CEOs zulassen (vgl. Brettschneider 2002: 143). Darunter fallen unter anderem Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Fairness, aber auch Authentizität und Glaubwürdigkeit. Der IntegritätsDimension wird insgesamt eine große Bedeutung für die Wahrnehmung von Führungspersonen wie Spitzenpolitikern oder CEOs beigemessen. Die Integrität einer Führungsperson ist generell leichter einzuschätzen als die rollennahen Dimensionen Fachkompetenz und Leadership (vgl. u.a. Lass 1995: 36, Brettschneider 2002: 144, Kepplinger et al. 1994: 501). Bei der Beurteilung von Handlungssituationen suchen Menschen nach Informationen, die einfach zugänglich sind. Während die Beurteilung von Fachkompetenz oder Führungsqualitäten eines CEOs einem Stakeholder umfassendes Wissen und analytische Fähigkeiten abverlangt, fällt die Beurteilung anderer Menschen anhand der Integritäts-Dimension grundsätzlich leichter, weil es ein bekannter Vorgang ist. Auch andere soziale Akteure des täglichen Lebens – Freunde, Nachbarn oder ähnliche – werden anhand von integritätsbezogenen Merkmalen beurteilt (vgl. Brettschneider 2002: 144, Lass 1995: 36). Weil Images allgemein der Komplexitätsreduktion dienen (vgl. Abschnitt 2.1.1.), kann davon ausgegangen werden, dass den integritätsbezogenen Merkmalen in diesem Zusammenhang für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs große Bedeutung zukommt. Zudem werden einzelne Eigenschaften der Integritäts-Dimension – insbesondere die Glaubwürdigkeit – als Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen in eine Führungsperson angesehen (vgl. Alemann 1990: 65, Bentele und Seidenglanz 2015: 412, Janik 2002: 97). Von der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit eines CEOs geht eine positive Wirkung auf die Identifikation der Mitarbeiter

4.4. Dimensionen von CEO-Images

113

mit dem Unternehmen aus (Men 2012). Es ist daher wenig verwunderlich, dass Integrität in verschiedenen Ansätzen der Führungsforschung (Eigenschaftstheorien der Führung) als prototypische Eigenschaft einer Führungsfigur identifiziert wurde (u.a. Daft 1999, Northhouse 1997, Yukl 1998, Yukl und Van Fleet 1992). Schließlich bekommen integritätsbezogene Merkmale insbesondere dann eine Bedeutung für die Wahrnehmung von Führungspersonen, wenn das Vertrauen der Wahrnehmenden in diese Führungspersonen insgesamt sinkt (vgl. Lass 1995: 37). Aufgrund einer allgemeinen Vertrauenskrise der Öffentlichkeit in das gesellschaftliche Teilsystem der Wirtschaft und die CEOs als oberste Repräsentanten dieses Teilsystems (vgl. Abschnitt 4.1.1.) kann daher angenommen werden, dass von den Stakeholdern zunehmend nach Anzeichen gesucht wird, ob ein CEO als vertrauenswürdig anzusehen ist. In der Folge kommt integritätsbezogenen Merkmalen für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs eine besondere Bedeutung zu. Ein CEO, der Integrität durch sein eigenes beispielhaftes Verhalten vorlebt, kann Vertrauen schaffen – in sich selbst und das eigene Unternehmen und auch in den gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft als Ganzes. CEOs, die zu Problemen und Kritik aus breiten Bevölkerungskreisen wie zum Beispiel Korruptions- oder Betrugsvorwürfen, Spekulationen, Börsenmanipulationen, Umweltschädigungen oder ähnlichen Themen Stellung beziehen und handlungsorientierte Lösungen erarbeiten, können einen positiven Imageeffekt bewirken (vgl. Berner 2003: 66). Auf der anderen Seite kann der CEO Vertrauen auch ebenso schnell zerstören, wenn seine Integrität angezweifelt wird. Dies gilt insbesondere für Glaubwürdigkeitsprobleme. „Integrität zeigt sich nicht nur durch Lippenbekenntnisse“ (Hiesserich 2013: 59), sondern erfordert eine hohe Kohärenz von Reden und Handeln eines CEOs. Ein CEO muss den Stakeholdern seine Integrität durch sein Verhalten unter Beweis stellen. Allianz-Chef Oliver Bäte geriet beispielsweise in die Kritik, weil er sich zwar bemühte, dem Versicherungsriesen ein ökologisches Image zu verleihen, gleichzeitig aber den Privatjet des Unternehmens selbst für kurze Reisestrecken und Heimflüge zur Familie nutzte (vgl. Dams und Nagel 2017: 33). 4.4.4. Charisma Der Begriff Charisma hat einen christlich-religiösen Ursprung und bezeichnet in diesem Sinn eine von Gott gegebene Gabe oder auch geistliche Fähigkeiten. Im heutigen Sprachgebrauch – insbesondere im Zusammenhang mit den außerordentlichen Fähigkeiten von Führungskräften – bezeichnet Charisma „uncommon inspirational powers (...) a set of personal qualities that inspire awe and submission

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4. Zusammensetzung von CEO-Images

in others“ (Khurana 2002a: 60). Charisma umfasst also alle Eigenschaften, die sich auf die (außergewöhnliche) Wirkung eines CEOs auf seine Umgebung beziehen, wie zum Beispiel Ausstrahlung, Inspirationskraft, Selbstbewusstsein, Enthusiasmus, Einfühlungsvermögen und Kommunikationstalent. Charismatische Eigenschaften werden im Sinne von Habermas‘ (1984) Theorie des kommunikativen Handelns gemäß des subjektiven Weltbezugs bewertet und bedingen damit die emotionale Attraktivität eines CEOs (Eisenegger 2010: 18). Seit den 1980er Jahren wird die Bedeutung von charismatischen Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs insbesondere in der Führungstheorie verstärkt diskutiert (vgl. Conger et al. 2000: 747). Dabei scheinen charismatische Eigenschaften eine enge Verbindung zu den Eigenschaften der Leadership-Dimension aufzuweisen: „Today, it has become common to speak of the qualifications for the CEO position in relation not to any specific managerial task but rather the ability of certain individuals to rouse others. What is now considered the all-important quality of “leadership” is all about being able to energize people who are lethargic or skeptical. It is about increasing the self-confidence of employees when the company is collectively anxious. It is about unifying an organization’s constituencies when self-interest and political alignments divide them from one another. The corporate leader’s job is thought to consist, above all, in helping the organization face up to a crisis situation and then taking into account into the future with a guiding and motivating vision. To be able to carry out this defining task, it is now almost universally believed, a CEO must have “charisma”.” (Khurana 2002b: 152)

Schon Max Weber (1980: 124) befasste sich mit der Bedeutung von charismatischer Herrschaft, die „auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen“ beruht (vgl. Abschnitt 4.1.2.). Dem Großteil der Ansätze, die sich mit der Bedeutung von charismatischer Führung im Zusammenhang mit dem spezifischen Verhalten von charismatischen Unternehmensführern befassen (u.a. Conger und Kanungo 1987)42, stehen einige Ansätze gegenüber, die sich gezielt mit den Auswirkungen des wahrgenommenen Charismas einer Führungsperson auf das Verhalten der „Geführten“ auseinander (vgl. Conger et al. 2000: 747). So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass sich die Wahrnehmung von charismatischen CEO-Eigenschaften positiv auf die Leistung und die Zufriedenheitswerte der Mitarbeiter sowie die Entstehung einer kollektiven Gruppenidentität und Iden42

Exemplarisch haben Conger und Kanungo (1987: 641) die Unterschiede im Verhalten von charismatischen und uncharismatischen Führern anhand von zehn Komponenten beschrieben. Ähnlich der transformationalen Führung definiert sich das Verhalten eines charismatischen Führers grundsätzlich über die Veränderung des Status Quo mithilfe einer überzeugenden Vision, mit der die Gefolgschaft motiviert und die Identifikation mit dem CEO erleichtert werden soll.

4.4. Dimensionen von CEO-Images

115

tifikation mit dem Unternehmen auswirkt (u.a. Bass 1985, Conger und Kanungo 1987, Shamir et al. 1993, Conger et al. 2000). Gleichzeitig konnte ein positiver Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Charisma eines CEOs und der „Verehrung“, die diesem CEO entgegengebracht wird, aufgezeigt werden (Conger et al. 2000). Die charismatischen Eigenschaften eines CEOs unterstützen aber nicht nur seine Führungsstärke. Unter den Bedingungen der Ökonomie der Aufmerksamkeit (vgl. Abschnitt 1.1.1.) können charismatische CEOs, die durch Ausstrahlung, Inspirationskraft, Selbstbewusstsein und Kommunikationstalent bestechen, auch im Kampf um die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit bestehen, die eine wichtige Ressource für sie selbst und die Unternehmen, die sie leiten, darstellt (Khurana 2002b: 154). Khurana (2002a) fasst die charismatischen Fähigkeiten eines CEOs folgendermaßen zusammen: „In keeping with the religious conception of the CEO’s role, the charismatic leader was also supposed to have the “gift of tongues,” with which he could inspire employees to work harder and gain the confidence of investors, analysts, and the everskeptical business press. Finally, in all too many cases, the charismatic leader was supposed to have the power to perform miracles—to bring a dying company back to life, for instance, or to vanquish much larger, more powerful foes.“ (Khurana 2002a: 62)

Die über die Jahre gewachsene Überzeugung, dass charismatische Eigenschaften CEOs zu besseren Führungsfiguren machen, blieb nicht ohne Wirkung für die Unternehmenswelt. Khurana (2002b) hat gezeigt, dass charismatische Eigenschaften für die Auswahl eines CEOs teilweise von größerer Bedeutung sind als beispielsweise fachliche Kompetenzen oder Erfahrungen. Er untersuchte die CEOAuswahlprozesse in 850 US-amerikanischen Unternehmen zwischen 1980 und 1996 (vgl. Khurana 2002b: 228) und fand heraus, dass charismatische Eigenschaften ein wichtiges Kriterium im Auswahlprozess eines CEOs waren. Dieser Zusammenhang wurde unter anderem damit erklärt, dass eine positive Korrelation zwischen dem Charisma eines CEOs und der Unternehmensperformance angenommen wurde. Die empirische Forschung zum Zusammenhang zwischen dem Charisma eines CEOs und der Unternehmensperformance hat jedoch keine eindeutigen Ergebnisse zustande gebracht. Während einige Studien eine positive Wirkung des CEOCharismas auf die Unternehmensperformance nachgewiesen haben (u.a. Agle und Sonnenfeld 1994, Waldman et al. 2004), konnte diese positive Wirkung in anderen Studien nicht gezeigt werden (u.a. Agle et al. 2006, Tosi et al. 2004). Eine jüngere Studie, die den Zusammenhang zwischen CEO-Charisma und der Unternehmensperformance für 150 deutsche Unternehmen untersucht hat, weist eine indirekte positive Wirkung des CEO-Charismas auf die Unternehmensperformance

116

4. Zusammensetzung von CEO-Images

nach: CEO-Charisma habe einen positiven Einfluss auf die transformationale Leadership-Kultur innerhalb eines Unternehmens, ebenso wie auf die Stärke der Unternehmensidentität. Für diese beiden Größen konnte wiederum eine positive Wirkung auf die Unternehmensperformance nachgewiesen werden (vgl. Boehm et al. 2015). Khurana geht in jedem Fall davon aus, dass die Bedeutung des CEOCharismas auf die Unternehmensperformance weit überschätzt und der Einfluss wichtiger Umweltfaktoren übersehen wird. An anderer Stelle wird wiederum auch betont, dass ein charismatischer CEO aufgrund seiner großen Überzeugungskraft eine ebenso positive wie negative Wirkung auf die Unternehmensperformance haben kann: „The problem with charismatic leaders is that exceptional powers of persuasion make it easy for them to overcome resistance and opposition to their chosen course of action. If your company is heading in the right direction, a charismatic leader will get you there faster. Unfortunately, if you’re heading in the wrong direction, charisma will also get you there faster.” (Stadler und Dyer 2013)43

Den starken Fokus auf das Charisma eines CEOs bei den Auswahlprozessen empfindet Khurana als hochproblematisch; dieser habe nämlich häufig zur Folge, dass nicht die besten Leute für den Job ausgewählt würden, weil fachliche Kompetenzen und Erfahrungen im Auswahlprozess nicht genug Berücksichtigung fänden (vgl. Khurana 2002b). 4.4.5. Persönliche Merkmale Zu den persönlichen Merkmalen zählen unter anderem das Aussehen, das Alter und der Gesundheitszustand beziehungsweise das Familien- und Liebesleben eines CEOs. Persönliche Merkmale stehen nicht mit der Erfüllung der Rollenanforderungen der CEO-Rolle im engeren Sinne in Verbindung. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass persönliche Merkmale ebenso wie charismatische Eigenschaften eher emotional im Rahmen der affektiven Imagekomponente verarbeitet werden. Dennoch muss eine Bewertung des CEOs anhand von persönlichen 43

In der Führungsforschung wird an verschiedenen Stellen der Zusammenhang zwischen Charisma und Narzissmus betont (u.a. Kets de Vries 1990, Goleman 2000, Macoby 2004, Goldman 2006). Narzissten verfügen sehr häufig über ein starkes Charisma. Aus diesem Grund ist der Narzisst heute ein verbreiteter Persönlichkeitstyp in den Vorstandsetagen. Die Eigenschaften eines Narzissten können sich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken, sind aber auch mit großen Risiken verbunden (vgl. auch Neßhöver und Schwarzer 2015). In der Literatur wird daher an verschiedenen Stellen zwischen gesundem und ungesundem Narzissmus unterschieden (u.a. Macoby 2004, Goldman 2006, Dammann 2007, Kets de Vries 1990) (vgl. Mai et al. 2015: 9f.).

4.4. Dimensionen von CEO-Images

117

Merkmalen nicht notwendigerweise vollständig irrational sein, weil die Stakeholder von den persönlichen Merkmalen möglicherweise auf andere CEO-Eigenschaften schließen. So kann es vorkommen, dass vom Familien- und Liebesleben eines CEOs Rückschlüsse auf das Wertesystem des CEOs und andere Eigenschaften, die der Integritäts-Dimension zugeordnet werden, gezogen werden (vgl. Brettschneider 2002: 144). Ein CEO, der seine Ehefrau betrügt, wird vermutlich als weniger integer wahrgenommen als ein Vorzeigevater und -ehemann. Ebenso kann die Herkunft oder politische Gesinnung ein Indikator für das Wertesystem eines CEOs sein. Aber auch das Alter und der Gesundheitszustand eines CEOs können Schlüsse auf seine Fähigkeiten zur Ausübung der CEO-Rolle zulassen. Bei einer schweren Erkrankung des CEOs drängt sich beispielsweise die Frage auf, ob ein CEO körperlich und seelisch noch in der Lage dazu ist, die hohen Belastungen der Position auszuhalten (vgl. Michler und Gassmann 2015: 33). Auch die Hobbies eines CEOs können Rückschlüsse auf weitere Charaktereigenschaften zulassen. Nicht umsonst inszenieren CEOs ihr Freizeitverhalten medienwirksam für die Öffentlichkeit: „Überhaupt: Verraten Sportarten etwas über Managertypen? In den Zeitungsarchiven finden sich dazu jedenfalls einige erstaunliche Befunde. Die vom Aufstieg besessenen Karrieristen der neunziger Jahre waren auffällig oft Bergsteiger. In Seilschaften wie der von Reinhold Messner gegründeten Similauner-Klettergruppe halfen sie sich gegenseitig, letztlich blieb der Gipfelsturm aber eine einsame Sache. Ganz oben war ja auch nur Platz für wenige. Mit der Jahrtausendwende kam erst der Boom und dann die Krise – und viele Chefs entdeckten das Skifahren für sich. Rauf ging es mühelos im Lift, aber man musste erst einmal heil wieder runterkommen. Und seit längerem hat sich Marathonlaufen als Managersportart etabliert. Ideal für Ausdauertypen mit langfristigen Zielen, die nicht vom Weg abkommen wollen.“ (Rohwetter 2015: 30)

Vom Freizeitverhalten eines CEOs kann ein Stakeholder also ebenfalls auf andere Eigenschaften – zum Beispiel aus der Integritäts- oder Leadership-Dimension – schließen. CEOs und ihre Kommunikationsabteilungen sind sich dieser Wirkung der rollenfernen Eigenschaften bewusst und nutzen sie daher gezielt zur Inszenierung des Vorstandsvorsitzenden. Innerhalb der persönlichen Merkmale weist nur das Aussehen keinerlei Verbindung zu der Fähigkeit eines CEO auf, seine Rollenanforderungen zu erfüllen. Dennoch haben verschiedene Untersuchungen aus der Arbeitsmarktforschung und Personalberatung die große Bedeutung von Aussehen für beruflichen Erfolg und die Karriereaussichten hinlänglich nachgewiesen (u.a. Hamermesh und Biddle 1994, Hamermesh 2011, Hamermesh 2012, Mobius und Rosenblat 2006). Die Vorteile, die sich für eine attraktive Person auf dem Arbeitsmarkt im Hinblick auf Berufseinstieg und -aufstieg oder auch Gehälter ergeben,

118

4. Zusammensetzung von CEO-Images

werden in der Arbeitsmarktforschung auch als Beauty Premium bezeichnet (u.a. Mobius und Rosenblat 2006, Doorley und Sierminska 2012). Aber auch an der Spitze angekommen spielt das Aussehen eine zentrale Rolle für den Erfolg eines CEOs. Offenbar existiert nämlich so etwas wie ein optischer Prototyp eines erfolgreichen CEOs in deutschen Chefetagen: „Frank Appel, Vorstandschef der Deutschen Post, ist ein schlanker Zwei-MeterMann. Dieter Zetsche von Daimler misst gut 1,90 Meter, von ähnlicher Statur sind Michael Diekmann, CEO der Allianz, und Peter Löscher, der Siemens-Spitzenmann. Auch Commerzbank-Chef Martin Blessing ist mindestens 1,90 Meter groß. Keine dieser Wirtschaftsgrößen ist übergewichtig, und fett schon gar nicht. Im Gegenteil: Alle repräsentieren den neuen Phänotyp erfolgreicher Manager - hochgewachsen, kein Gramm Fett zu viel, eher asketisch und damit augenfällig kontrolliert. Kleine Konzernlenker wie der 170-Zentimeter-Recke Hartmut Mehdorn sind in Deutschland die Ausnahme, und dicke Vorstände sucht man fast vergebens. Sie sind aus der Mode gekommen, seit der Schlankheitswahn nicht nur Kinderzimmer, sondern auch die Büros erreicht hat.“ (Kloepfer 2012)

Schlanke, große Männer gelangen allem Anschein nach häufiger in die höchsten Führungspositionen der deutschen Wirtschaft als kleine, eher rundliche Personen. Insbesondere das Gewicht kann sich zum Karrierekiller entwickeln, wie beispielsweise eine Studie von Giel et al. (2012) nachgewiesen hat. Im Gegensatz zur Körpergröße, die bekanntlich kein Mensch beeinflussen kann, werden übergewichtigen Menschen neben der „Schuld“ für ihren körperlichen Zustand auch noch Eigenschaften wie Trägheit, Disziplinlosigkeit oder auch Maßlosigkeit zugeschrieben (vgl. Kloepfer 2012) – alles Eigenschaften, die man mit einer Führungsfigur in verantwortungsvoller Position in der heutigen Zeit nicht mehr verbinden möchte. Die signifikante Vertrauenskrise, mit der sich die Wirtschaft und ihre Führungspersonen konfrontiert sehen, bedeutet auch das Ende der maßlosen fat cat-CEOs (vgl. Kloepfer 2012): „Lang vorbei sind die Zeiten, in denen Top-Manager in Karikaturen mit Schmerbauch, dicker Uhrenkette, Zigarre und Cognac-Glas gezeichnet wurden. Der Chef von heute ist durchtrainiert, asketisch, signalisiert Energie und Effizienz. Morgens quält er sich um 5.00 Uhr aus dem Bett zum Waldlauf.“ (Kloepfer 2012)

Von optischen Merkmalen einer Führungsperson schließen Stakeholder möglicherweise ebenfalls unterbewusst auf verschiedene rollennahe Eigenschaften, die einen CEO direkt zur Ausübung seiner Rolle befähigen, wie zum Beispiel Umsetzungsfreude, Konsequenz und Effizienz oder Durchsetzungsstärke. In diesem Zusammenhang wird in der jüngsten Zeit ein weiteres Merkmal von CEOs in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt: der Kleidungsstil. In Zeiten des

4.4. Dimensionen von CEO-Images

119

disruptiven Wandels müssen sich Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle grundlegend wandeln und möglichst innovativ den Herausforderungen der Zukunft begegnen. Viele Konzernlenker schauen bei der Strategiebildung dabei auf die Technologie- und Start-Up-Branche, die für ihre Innovationen bekannt ist, und über den Atlantik nach Kalifornien. Der Blick ins Silicon Valley spiegelt sich auch optisch wider. Waren früher dunkler Anzug und Krawatte Pflicht in deutschen Chefetagen, geht es mittlerweile merklich lockerer zu: So lässt sich Springer-Chef Matthias Doepfner auf einer Reise ins Silicon Valley locker im Hoodie ablichten, Allianz-Frontmann Oliver Bäte trägt rote Sneaker auf der Hauptversammlung, und sowohl Siemens-Chef Joe Kaeser als auch Daimler-CEO Dieter Zetsche sieht man zuletzt häufiger in Jeans und offenem Hemd als im Business-Dreiteiler (vgl. Student 2016). Mit ihrem stilistischen Wandel demonstrieren Deutschlands mächtigste Konzernlenker nicht nur Innovationskraft, sondern auch einen neuen Führungsstil, der geprägt ist von basisdemokratischen Strukturen und flachen Hierarchien (vgl. Student 2016: 83). Auch hier wird also von den persönlichen Merkmalen auf andere Eigenschaften des CEOs geschlossen. Persönliche Merkmale werden von den CEOs zunehmend zu (Selbst-)Inszenierungszwecken genutzt, obwohl eine große Skepsis vor der Überschreitung der Grenze zwischen privater und öffentlicher Person eines CEOs bei Kommunikationsverantwortlichen und den CEOs selbst besteht (vgl. Talanow 2015: 316, Sandhu und Zielmann 2010: 228). Gerade in der (Selbst-)Inszenierung eines CEOs über seine persönlichen Merkmale liegt aber die Problematik ihrer steigenden Bedeutung für die Beurteilung von Spitzenmanagern begründet. In der Forschung zu Kandidatenimages in der Politik wird auf die demokratietheoretisch problematischen Implikationen einer übermäßig starken Bewertung von Spitzenpolitikern anhand von persönlichen Merkmalen hingewiesen. Sie wird mit einer „Entpolitisierung“ der Kandidatenwahrnehmung gleichgesetzt und führe, so die kritischen Stimmen, zu einer Trivialisierung von Wahlkämpfen und politischem Wettbewerb (vgl. Brettschneider 2002: 144). Diese Kritik kann auch auf die Wahrnehmung von CEOs übertragen werden: Je stärker CEOs anhand von rollenfernen, persönlichen Merkmalen beurteilt werden, desto mehr geraten Fähigkeiten, die direkt zur Ausübung der CEO-Rolle befähigen, bei der Beurteilung von CEOs in den Hintergrund. Damit werden die Wahrnehmung und die Bewertung von CEOs zunehmend trivialisiert, weil sie verstärkt auf prototypischen Vorstellungen basieren. Dennoch kann die Frage, ob persönliche Merkmale für die Stakeholderwahrnehmung tatsächlich eine Bedeutung haben, auf Basis

120

4. Zusammensetzung von CEO-Images

des bisherigen Forschungsstands nicht beantwortet werden (vgl. Abschnitt 4.2.). Dieser Frage gilt es im empirischen Teil dieser Dissertation nachzugehen.

5.

Modell zur Beschreibung und Analyse der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images

Das eigenständige Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung bildet den Abschluss der theoriegeleiteten Analyse dieser Arbeit und leitet zugleich zum empirischen Teil über, wo es im Rahmen der Untersuchung auf die Wahrnehmungsmuster verschiedener Stakeholdergruppen angewendet wird. Das Modell wird dabei entsprechend der beiden identifizierten Dimensionen personalisierter Stakeholderwahrnehmung aus zwei Teilmodellen bestehen. Die beiden Personalisierungsthesen, die von Brettschneider (2002) für die Beschreibung und Analyse von Kandidatenimages für den gesellschaftlichen Teilbereich der Politik formuliert wurden, bilden damit den theoretischen Rahmen für die Formulierung des Modells personalisierter Stakeholderwahrnehmung. Dem hier formulierten Modell liegt die Annahme zugrunde, dass gemäß der Medialisierungsthese (vgl. Abschnitt 1.1.1.) die Personalisierung der Wirtschaftsberichterstattung (vgl. Abschnitt 1.1.1.) nicht folgenlos für die Unternehmenswahrnehmung der Stakeholder bleiben kann. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass sich Personalisierungslogiken auch in der Stakeholderwahrnehmung widerspiegeln. Das Modell wird auf Basis der Erkenntnisse, Daten und Überlegungen, die im bisherigen Verlauf der Arbeit – insbesondere in den Kapiteln 3 bis 5 – vorgestellt wurden, formuliert. Die Verbindung zu bestehenden Erkenntnissen soll dabei zugleich die Anschlussfähigkeit an die Personalisierungsforschung gewährleisten (vgl. Talanow 2015: 154). 5.1. Erste Personalisierungsdimension: Bedeutung von CEO-Images Die erste Teildimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung betrifft den Einfluss des CEO-Images auf das Unternehmensimage eines Stakeholders unter Rückgriff auf die erste Personalisierungsthese von Brettschneider (2002). Für den gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft besagt die erste Personalisierungsthese, dass mit zunehmender Personalisierung die Wahrnehmung und die Bewertung des Unternehmens durch seine Stakeholder immer stärker vom CEO beeinflusst werden (vgl. auch Brettschneider und Vollbracht 2010). Aufgrund des handlungsleitenden Charakters von Images (vgl. Abschnitt 2.4.) steigt mit zunehmender Personalisierung außerdem der Ein-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_5

122

5. Modell zur Beschreibung und Analyse von CEO-Images

fluss des CEO-Images auf das Verhalten der Stakeholder gegenüber dem Unternehmen.

Primärerfahrungen

Sekundärerfahrungen

Stakeholder

Wechselwirkungen

UnternehmensImage

Stakeholderverhalten

Vorprägungen CEO-Image

Abbildung 9:

Erste Modelldimension

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 9 beschreibt den in Kapitel 4 erarbeiteten Zusammenhang zwischen Stakeholdern, Images und dem Stakeholderverhalten, der den Kontext für die erste Personalisierungsthese darstellt. Im Rahmen dieser Dissertation werden CEOImage und Unternehmensimage als zwei eigenständige Imagegrößen begriffen, zwischen denen Wechselwirkungen bestehen (vgl. Kapitel 3.2.2.). Um diese Wechselwirkungen unter Personalisierungsgesichtspunkten beschreiben und analysieren zu können, werden unter Rückgriff auf die bisherigen Erkenntnisse der Personalisierungsforschung zwei Personalisierungsmerkmale herangezogen: personenbezogene Adressierung (vgl. Abschnitt 3.2.1.) und personenbezogene Bewertung (vgl. Abschnitt 3.2.2.). Unter dem Aspekt der personenbezogenen Adressierung werden dabei personenbezogener Verantwortungszuschreibung und Personenvertrauen (vgl. Szyszka 2010) zwei Merkmale subsumiert. Die personenbezogene Bewertung drückt sich wiederum in wechselseitigen Imagetransfereffekten (u.a. Zentes und Swoboda 2001, Meffert 1999, Wehr 2001) zwischen den eigenständigen Imagegrößen CEO und Unternehmen in der Stakeholderwahrnehmung aus. Die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs durch einen Stakeholder beeinflusst demnach die

5.1. Erste Personalisierungsdimension: Bedeutung von CEO-Images

123

Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens. Ebenso beeinflusst umgekehrt die Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens durch einen Stakeholder die Wahrnehmung und Bewertung des CEOs. Dabei kann entweder ein Image das primäre „Hauptimage“ sein, dessen Eigenschaften im Rahmen eines Imagetransfers auf das „Transferimage“ übertragen werden, oder beide Images können als etwa gleich starke Imagegrößen nebeneinanderstehen. Anhand der Ausgestaltung der Wechselwirkungen zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage lässt sich daher der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung bestimmen. Je dominanter das CEO-Image gegenüber dem Unternehmensimage ist und je stärker damit die Transfereffekte in Richtung des Unternehmensimages ausfallen, desto stärker personalisiert ist die Stakeholderwahrnehmung (vgl. Abschnitt 3.3.2.). Grundsätzlich können in Anlehnung an Brettschneider und Vollbracht (2010) und Staab (1990) drei idealtypische Ausprägungen der Stakeholderwahrnehmung unterschieden werden (vgl. Abschnitt 3.3.2.) (vgl. Abbildung 10).

124

5. Modell zur Beschreibung und Analyse von CEO-Images

1. Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung

UnternehmensImage

Stakeholderverhalten

Stakeholder

CEO-Image

2. Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung

UnternehmensImage

Stakeholderverhalten

Stakeholder

CEO-Image

3. Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung

UnternehmensImage

Stakeholderverhalten

Stakeholder

CEO-Image

Abbildung 10:

Personalisierungsgrade

Quelle: Eigene Darstellung

5.1. Erste Personalisierungsdimension: Bedeutung von CEO-Images

125

Der höchste Grad der Personalisierung existiert demnach im ersten Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung: Das CEO-Image als Hauptimage dominiert hier das Unternehmensimage als Transferimage. Die Imagetransfers erfolgen also in Richtung des Unternehmensimages. Umgekehrt hat das Unternehmensimage keinen Einfluss auf das CEO-Image. Im zweiten Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung sind die beiden Images in etwa gleich stark und beeinflussen sich wechselseitig. Kein Image dominiert das jeweils andere. Die Imagetransfers finden in Form eines wechselseitigen Anpassungsprozesses zwischen den beiden Images statt. Der dritte Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung bildet den Gegenpol zum ersten Typ. Hier hat das CEO-Image als Transferimage keinen Einfluss auf das Unternehmensimage. Das Unternehmensimage als Hauptimage dominiert die Stakeholderwahrnehmung. Personalisierung ist in diesem Typ also am schwächsten ausgeprägt. Damit bilden der erste und der letzte Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung die beiden Pole auf dem Kontinuum, auf dem sich personalisierte Stakeholderwahrnehmung vollziehen kann (vgl. Talanow 2015: 41). Die idealtypischen Ausprägungen personalisierter Stakeholderwahrnehmung – auch wenn sie in der Realität möglicherweise nicht in diesen Reinformen vorkommen – dienen als Referenzpunkte zur Beschreibung und Analyse der Stakeholderwahrnehmung. In großen Teilen der Forschung zu Unternehmensimages und Unternehmensreputation wird angenommen, dass sich die Unternehmensimages verschiedener Stakeholdergruppen unterscheiden, während die einzelnen Unternehmensimages innerhalb einer Stakeholdergruppe eine große Ähnlichkeit aufweisen (vgl. Park und Berger 2004, Riordan et al. 1997, Bromley 2002) (vgl. Abschnitt 2.1.1.). Dieser Zusammenhang wird auf Erkenntnisse aus der Image- und Einstellungsforschung zurückgeführt, wonach Images sich primär auf Basis von drei Imagequellen bilden, die im Rahmen dieser Arbeit als Primärerfahrungen, Sekundärerfahrungen und Vorprägungen bezeichnet werden (vgl. Abschnitt 2.2.). Die Unterschiede in den CEO-Images verschiedener Stakeholder liegen in diesen stakeholderspezifischen Quellen von Images begründet. Gleichzeitig erscheint es logisch, dass insbesondere die Vorprägungen der Mitglieder ein- und derselben Stakeholdergruppe große Ähnlichkeiten aufweisen, weil Mitglieder derselben Stakeholdergruppe ähnliche Bewertungsmaßstäbe bei der Beurteilung von CEOs anlegen. Auf Basis der Erkenntnisse der Image- und Einstellungsforschung zum Prozess der Imagegenese, ebenso wie der Erkenntnisse der Reputationsforschung zum Zusammenhang zwischen Unternehmensimages und Stakeholdergruppen, wird daher im vorliegenden Modell davon ausgegangen, dass die Transferwirkungen zwischen dem CEO- und dem Unternehmensimage von Mitgliedern ein- und derselben Stakeholdergruppe ähnlich

126

5. Modell zur Beschreibung und Analyse von CEO-Images

gestaltet sind, während sie sich für Mitglieder verschiedener Stakeholdergruppen stärker unterscheiden. Indizien dafür, dass das CEO-Image einen Einfluss auf das Unternehmensimage eines Stakeholders hat (u.a. Burson-Marsteller 1997, 1999, 2001, Hill und Knowlton 2004/2006, Weber Shandwick 2012b, FTI Consulting 2012) sowie einen handlungsleitenden Charakter besitzt (u.a. Hill und Knowlton 2008, Weber Shandwick 2015, Burson-Marsteller 1997,1999, 2001, FTI Consulting 2012), liegen vor, ohne allerdings detaillierte Erkenntnisse zu den beiden Personalisierungsmerkmalen zu liefern (vgl. Abschnitt 3.4.). Diese Indizien liefern ebenfalls keine fundierten Erkenntnisse über die Qualität oder die Stärke des wechselseitigen Einflusses zwischen den beiden Imagegrößen CEO und Unternehmen. Außerdem liegen bislang keine ausreichenden Erkenntnisse zu Unterschieden zwischen den CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen eines Unternehmens vor. Nur vereinzelt wurden erste Ansätze für eine vergleichende Analyse der Wahrnehmung verschiedener Stakeholdergruppen vorgelegt (u.a. Burson-Marsteller 1997, 1999, 2001, Weber Shandwick 2012b). Darüber hinaus erlauben es die bisherigen Studien nicht, Schlüsse über den Einfluss von unternehmensspezifischen Merkmalen auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung zu ziehen. Mithilfe der ersten Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung sollen diese Forschungslücken im empirischen Teil der Arbeit geschlossen werden. 5.2. Zweite Personalisierungsdimension: Zusammensetzung von CEOImages Die zweite Teildimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung bezieht sich auf die Zusammensetzung von CEO-Images. Images als „Totaleindruck“ (vgl. Eisenegger 2005: 23; vgl. Dichter 1985) von einem Imageobjekt setzen sich aus denjenigen Eigenschaften zusammen, die mit einem Imageobjekt verbunden beziehungsweise dem Imageobjekt zugeschrieben werden (vgl. Abschnitt 2.3.2.). Imagesubjekte fassen nach den Erkenntnissen der Image- und Einstellungsforschung inhaltlich zueinander in Bezug stehende Eigenschaften zu übergeordneten Eigenschaftsdimensionen zusammen und bewerten die Imageobjekte anhand der übergeordneten Dimensionen (vgl. Zerfaß 2010: 129, Brettschneider 2002: 139). Dabei wird im Rahmen von impliziten Persönlichkeitstheorien von wahrgenommenen Eigenschaften einer Dimension auf nicht wahrnehmbare Eigenschaften derselben Dimension geschlossen (vgl. u.a. Asch 1946, Szyszka 1992: 105f., Fiske und Taylor 1984, Krech et al. 2008: 73); es

5.2. Zweite Personalisierungsdimension: Zusammensetzung von CEO-Images

127

finden Zuschreibungen statt (vgl. Abschnitt 2.3.2.). Menschen, die einem ähnlichen kulturellen beziehungsweise gesellschaftlichen Hintergrund entstammen, entwickeln häufig ähnliche implizite Persönlichkeitstheorien (vgl. Forgas 1999: 43). Im Rahmen einer theoretischen Reflexion der wissenschaftlichen und praxisorientierten Literatur zur Zusammensetzung von CEO-Images und Kandidatenimages wurden im vorangegangenen Kapitel aus der Literatur fünf Dimensionen von CEO-Images abgeleitet: Fachkompetenz, Leadership, Integrität, Charisma und persönliche Merkmale. Unter diese übergeordneten Imagedimensionen können nach den Erkenntnissen der Image- und Einstellungsforschung verschiedene Persönlichkeitseigenschaften eines CEOs subsumiert werden (vgl. Abschnitt 2.3.2.). Diese Einzeleigenschaften stehen inhaltlich in Bezug zueinander. Nach Durchsicht der einschlägigen Literatur zur Erhebung von CEO- und Kandidatenimages (vgl. Abschnitt 4.2. und Abschnitt 4.3.) wurden für die identifizierten Imagedimensionen die wichtigsten korrespondierenden Einzeleigenschaften abgeleitet. Unter die Fachkompetenz-Dimension wurden dabei Eigenschaften subsumiert, die den CEO zum Verständnis und zur Lösung von Sachproblemen befähigen (vgl. Brettschneider 2002: 143). Eigenschaften der Fachkompetenz-Dimension unterstützen den CEO bei der Definition von Unternehmenszielen, der Festlegung von Strategien zu ihrer Erreichung und der Ableitung von konkreten Maßnahmen (vgl. Abschnitt 4.4.1.). Unter die Leadership-Dimension fallen Fähigkeiten, die der CEO zur Umsetzung beziehungsweise Implementierung von Strategien und zur Führung und Motivation von Mitarbeitern benötigt. Dabei umfasst die Leadership-Dimension sowohl TopDown- als auch Bottom-Up-orientierte Führungseigenschaften und vereint somit transaktionale und transformationale Führungseigenschaften (vgl. Burns 1978, Bass 1985, Kotter 1990, Hegele-Raih 2004, Zaleznik 1981) (vgl. Abschnitt 4.4.2.). Integrität umfasst Eigenschaften, die Rückschlüsse auf das Wertesystem eines CEOs zulassen. Als hybride Eigenschaftsdimension spielen integritätsbezogene Eigenschaften insbesondere deshalb eine Rolle, weil sie leichter wahrnehmbar sind als rollennahe Eigenschaften wie Fachkompetenz und Leadership und der wahrnehmenden Person weniger kognitive Vorleistungen abverlangen (vgl. u.a. Lass 1995: 35, Brettschneider 2002: 144, Kepplinger et al. 1994: 501). Darüber hinaus haben sie eine zentrale Bedeutung für den Aufbau von Vertrauen in einen CEO (vgl. Alemann 1990: 65, Bentele und Seidenglanz 2015: 412, Janik 2002: 97) (vgl. Abschnitt 4.4.3.). Charisma bildet Eigenschaften ab, die sich auf die Wirkung des CEOs auf seine Umwelt beziehen (vgl. Khurana 2002a) (vgl. Abschnitt 4.4.4.). Charismatische Eigenschaften weisen dabei einen engen Zusammenhang zur Leadership-Dimension – insbesondere zu den transformationalen Leadership-

128

5. Modell zur Beschreibung und Analyse von CEO-Images

Eigenschaften – auf (vgl. Weber 1980, Khurana 2002b, Bass 1985, Bass und Avolio 1990, Conger und Kanungo 1987, Shamir et al. 1993, Conger et al. 2000). Und schlussendlich fassen die persönlichen Merkmale Persönlichkeitseigenschaften eines CEOs zusammen, die mit der Ausübung der CEO-Rolle in keinem direkten Zusammenhang stehen und sich vorwiegend auf die private Person des CEOs beziehen. Die Bedeutung der persönlichen Merkmale für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs resultiert daraus, dass wahrnehmende Personen von bestimmten persönlichen Merkmalen auf andere Eigenschaften – beispielsweise in der Integritäts- und Leadership-Dimension – schließen (u.a. Brettschneider 2002: 144, Bischoff 2010, Hamermesh und Biddle 1994, Hamermesh 2011, Hamermesh 2012, Mobius und Rosenblat 2006). Abbildung 11 fasst das vorläufige CEO-Imageprofil, bestehend aus Einzeleigenschaften und übergeordneten Eigenschaftsdimensionen, zusammen. Das vorläufige Imageprofil soll im Rahmen der empirischen Untersuchung im zweiten Teil dieser Dissertation einer qualitativen Überprüfung unterzogen werden.

5.2. Zweite Personalisierungsdimension: Zusammensetzung von CEO-Images

• • • • • • •

Kaufmännischer Sachverstand Industriespezifischer Sachverstand Erfahrung Intelligenz Analytik ... ...

• • • • • • •

Durchsetzungskraft Entscheidungsfreude Organisationstalent Überzeugungskraft Kompromissfähigkeit ... ...

Fachkompetenz

• • • • • • • •

Leadership

Abbildung 11:

Aussehen Alter Lebensstil Hobbies Familie / Familienleben ... ...

Authentizität Glaubwürdigkeit Geradlinigkeit Vertrauenswürdigkeit Fairness Verantwortungsbewusstsein ... ...

CEO

Integrität

Persönliche Merkmale • • • • • • •

129

Charisma • • • • • • •

Inspirationskraft Kommunikationstalent Ausstrahlung Selbstbewusstsein Einfühlungsvermögen ... ...

Imageprofil CEO

Quelle: Eigene Darstellung

Die zweite Teildimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung trifft darüber hinaus Aussagen über die Gewichtung der einzelnen Eigenschaften des CEO-Imageprofils in den CEOImages der Stakeholder unter Rückgriff auf die zweite Personalisierungsthese von Brettschneider (2002). Für die Politik besagt die zweite Personalisierungsthese, dass mit zunehmender Personalisierung rollenferne Eigenschaften eine größere Rolle für die Wahrnehmung und Bewertung von Kandidaten spielen. Übertragen auf den gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft besagt die zweite Personalisierungsthese, dass mit zunehmender Personalisierung rollenferne Merkmale für die Wahrneh-

130

5. Modell zur Beschreibung und Analyse von CEO-Images

mung und Bewertung eines CEOs durch verschiedene Stakeholder an Bedeutung gewinnen, während rollennahe Merkmale zunehmend in den Hintergrund treten (vgl. auch Brettschneider und Vollbracht 2010). Mit zunehmender Personalisierung würden die rollenfernen Imagedimensionen bei der Zusammensetzung der CEOImages der verschiedenen Stakeholder also stärker und rollennahe Dimensionen zunehmend schwächer gewichtet. Die Dimensionen des CEO-Imageprofils lassen sich dabei in das Kontinuum zwischen rollennahen und rollenfernen Merkmalen einordnen (vgl. Abbildung 12). Fachkompetenz bildet die rollennaheste Dimension, während persönliche Merkmale die rollenfernste Dimension darstellen. Integrität steht als hybride Dimension zwischen den rollennahen und den rollenfernen Merkmalen (vgl. Abschnitt 4.4.3.). Je stärker die Gewichtung von Charisma und persönlichen Merkmalen in den CEO-Images der verschiedenen Stakeholder wird, desto personalisierter ist damit die Stakeholderwahrnehmung im Sinne der zweiten Personalisierungsthese. Je stärker die Gewichtung von Kompetenz und Leadership, desto geringer der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung. rollenfern

rollennah Kompetenz

Leadership

Kaufmännischer Sachverstand

Durchsetzungskraft Entscheidungsfreude Organisationstalent

Geradlinigkeit

Überzeugungskraft

Vertrauenswürdigkeit

Kompromissfähigkeit

Fairness

Selbstbewusstsein

Verantwortungsbewusstsein

Einfühlungsvermögen

Industriespezifischer Sachverstand (z.B. Chemie, Pharmazie, Luftfahrt) Erfahrung Intelligenz

Integrität

Charisma

Persönliche Merkmale

Authentizität

Inspirationskraft

Aussehen

Glaubwürdigkeit

Kommunikationstalent

Lebensstil

Ausstrahlung

Alter Hobbies Familie/ Familienleben

Analytik

Abbildung 12:

Rollennahe und rollenferne CEO-Eigenschaften und Eigenschaftsdimensionen

Quelle: Eigene Darstellung

Auch für die zweite Teildimension des Modells sind die Erkenntnisse der Imageund Einstellungsforschung von Bedeutung. Danach unterscheiden sich die CEOImages verschiedener Stakeholdergruppen, während die CEO-Images innerhalb einer Stakeholdergruppe starke Parallelen aufweisen. Die Annahme von zentralen Gemeinsamkeiten in der Zusammensetzung von CEO-Images derjenigen Stakeholder, die derselben Gruppe angehören, schließt damit aber keineswegs aus, dass jedes CEO-Image individuell sein kann. Vielmehr sind mit Gemeinsamkeiten strukturelle

5.2. Zweite Personalisierungsdimension: Zusammensetzung von CEO-Images

131

Ähnlichkeiten gemeint (vgl. Abschnitt 2.1.1.). Abbildung 13 fasst die beiden Dimensionen zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung integriert zusammen. Stakeholder

UnternehmensImage

Primärerfahrungen Sekundärerfahrungen

Images

Investor

Vorprägungen

Stakeholderverhalten

Bereitschaft, in das UN zu investieren und langfristig investiert zu bleiben.

CEO-Image Persönliche Merkmale Fachkompetenz Leadership Integrität Charisma

UnternehmensImage

Primärerfahrungen Sekundärerfahrungen

Medienvertreter

Vorprägungen

CEO-Image

Bereitschaft die Darstellungen des UN zu respektieren und fair über das UN zu berichten.

Persönliche Merkmale Fachkompetenz Leadership Integrität Charisma

UnternehmensImage

Primärerfahrungen Sekundärerfahrungen

Mitarbeiter

Vorprägungen

CEO-Image

Bereitschaft, kreativ, produktiv und engagiert zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und sich langfristig an das UN zu binden.

Persönliche Merkmale Fachkompetenz Leadership Integrität Charisma

UnternehmensImage

Primärerfahrungen Sekundärerfahrungen

Politischer Akteur

Vorprägungen

CEO-Image

Bereitschaft, die wirtschaftspolitischen Interessen bei legislativen/regulatorischen Entscheidungen zu berücksichtigen.

Fachkompetenz Persönliche Merkmale Leadership Integrität Charisma

Abbildung 13:

Theoretisches Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung

Quelle: Eigene Darstellung

132

5. Modell zur Beschreibung und Analyse von CEO-Images

Für die Bedeutung von einzelnen Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen existieren bislang ausschließlich Indizien, die in überwiegend praxisorientierten Studien ermittelt wurden (vgl. Abschnitt 4.2.). Rollennahe Eigenschaften der Fachkompetenz- und Leadership-Dimension stellen dabei den überwiegenden Teil der identifizierten Faktoren, die eine Bedeutung für die CEO-Wahrnehmung haben, dar (u.a. BursonMarsteller 2001, Weber Shandwick 2015, FTI Consulting 2012, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Schwalbach 2014, Zerfaß et al. 2013). Neben den rollennahen Eigenschaften konnte darüber hinaus auch die Bedeutung von hybriden Eigenschaften der Integritäts-Dimension für die CEO-Wahrnehmung gezeigt werden (u.a. Trummer 2006, Weber Shandwick 2015, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Schwalbach 2014, Zerfaß et al. 2013). Aber auch charismatische Eigenschaften werden vereinzelt als wichtige Faktoren für die CEO-Wahrnehmung herausgearbeitet (u.a. Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Schwalbach 2014). Eigenschaften, die im Rahmen dieser Dissertation den persönlichen Merkmalen zugeordnet werden, wurden in den bisher bekannten empirischen Ansätzen noch nicht als Faktoren für die CEO-Wahrnehmung identifiziert. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass persönliche Merkmale für die CEO-Wahrnehmung keine Rolle spielen. Denn der überwiegende Teil der bislang bekannten und häufig praxisorientierten Studien, die sich mit der Bedeutung von Eigenschaften für die CEOWahrnehmung beschäftigen, macht keine klaren Angaben zur Erarbeitung der untersuchten Imagedimensionen und zum empirischen Vorgehen. Wie im Einzelnen wichtige Faktoren für die CEO-Wahrnehmung identifiziert worden sind, kann in den meisten Fällen nicht nachgeprüft werden. Daher ist es durchaus möglich, dass neben den genannten Faktoren auch weitere Eigenschaften eine Bedeutung für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs durch verschiedene Stakeholder haben. Außerdem liegen bislang keine ausreichenden Erkenntnisse zu den Unterschieden in der Zusammensetzung von CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen vor. Lediglich vereinzelt erlauben bisherige Studien einen Vergleich der Bedeutung einzelner Eigenschaften für die CEO-Wahrnehmung verschiedener Stakeholdergruppen (u.a. Dr. Doeblin 2014, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Trummer 2006). Unter Rückgriff auf die zweite Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung sollen diese Forschungslücken im empirischen Teil der Arbeit geschlossen werden.

6.

Konzeption der Empirischen Untersuchung

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Konzeption der empirischen Untersuchung. Das Untersuchungsdesign wurde mit der Zielsetzung entwickelt, die Frage nach der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images von Medienvertretern, Investoren, politischen Akteuren und Mitarbeitern möglichst umfassend zu beantworten. Die Anwendung einer bestimmten Methode muss dabei von der Eigenart des jeweiligen Forschungsprojektes ausgehen (vgl. Flick 2007: 53). Daher gilt es zunächst, die Wahl eines qualitativen und vergleichenden Untersuchungsdesigns methodologisch zu begründen (Kapitel 6.1.). Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der angewandten Erhebungsmethode der Experteninterviews, deren Einsatz methodologisch umfassend reflektiert wird (Kapitel 6.1.1.). Außerdem werden Auswahlverfahren (Kapitel 6.1.1.1.), Feldzugang (Kapitel 6.1.1.2.) und die Entwicklung des Leitfadens (Kapitel 6.1.1.3.) diskutiert und die Gütekriterien qualitativer, sozialwissenschaftlicher Forschung reflektiert (Kapitel 6.1.2.). Darauf aufbauend werden Aussagen über den Gültigkeitsbereich der Ergebnisse der Studie getroffen (Kapitel 6.1.3). Im Anschluss wird der Ablauf der 30 Interviews mit Experten für die vier oben genannten Stakeholdergruppen dokumentiert (Kapitel 6.3.), bevor abschließend das in der vorliegenden Arbeit angewendete Auswertungsverfahren vorgestellt wird (Kapitel 6.4.). 6.1. Das Untersuchungsdesign Alle bislang veröffentlichten Studien zu den Forschungsthemen dieser Dissertation sind der quantitativen Forschung zuzuschreiben. Dabei schätzten beispielsweise Führungskräfte im Rahmen von standardisierten Umfragen den Anteil des CEOImages am Unternehmensimage ein oder bewerteten amtierende CEOs hinsichtlich verschiedener Items im Rahmen einer klassischen Imagemessung (vgl. Abschnitt 3.4. und Abschnitt 4.2.). Aufgrund ihrer quantitativen Natur greifen diese bisherigen Ansätze für beide Personalisierungsdimensionen allerdings teilweise zu kurz. Für die erste Personalisierungsdimension wurden bislang ausschließlich grobe prozentuale Schätzungen des Anteils des CEO-Images am Unternehmensimage bestimmt, ohne auf die Qualität dieses Einflusses eingehen zu können. Insbesondere war es nicht möglich nachzuprüfen, ob die Stakeholderwahrnehmung zentrale Personalisierungsmerkmale wie zum Beispiel die personenbezogene Adressierung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_6

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6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

und die personenbezogene Bewertung von Unternehmen aufweist. Für die zweite Personalisierungsdimension ist die Forschungslücke noch gravierender. Die Ergebnisse der Imagemessungen amtierender CEOs zeigen zwar einen Ist-Zustand, dessen Veränderung im Zeitablauf verglichen werden kann. Jedoch ist es nicht möglich, die Ergebnisse der Imagestudien hinsichtlich der Anspruchshaltungen der Stakeholder einzuordnen. Erst wenn man die konkrete Bewertung eines CEOs mit den Ansprüchen, die ein Stakeholder an den Vorstandsvorsitzenden richtet, in Form eines Soll-Ist-Vergleichs (u.a. Trommsdorff 2004) gegenüberstellt, kann man zu schlüssigen und aussagekräftigen Ergebnissen kommen. In dieser Studie wird daher ein qualitatives Design gewählt, um die Forschungslücke zu schließen. Qualitative und quantitative Ansätze unterscheiden sich grundlegend, und das nicht nur hinsichtlich ihrer Forschungsdesigns und Erhebungs- und Auswertungsmethoden, sondern auch hinsichtlich ihres Erkenntnisinteresses und impliziten Wissensverständnisses (vgl. Bauer et al. 2012: 12f., Mayring 2015: 19). Quantitative Forschung hat das Ziel, bestimmte Kausalzusammenhänge zu analysieren und zu erklären. Qualitative Forschung will Gegenstände, Zusammenhänge und Prozesse dagegen in ihrer ganzen Vielfalt und Komplexität verstehen und erlebbar machen (vgl. Mayring 2015: 19f., Hussy et al. 2013: 186.). Sie setzt dabei an den Perspektiven der Beteiligten und ihrer Vielschichtigkeit an: „Qualitative Forschung (...) verdeutlicht die Unterschiedlichkeit der Perspektiven (...) auf den Gegenstand und setzt an den subjektiven und sozialen Bedeutungen, die mit ihm verknüpft sind, an. Sie untersucht Wissen und Handeln der Beteiligten. Sie analysiert die diesbezüglichen Interaktionen und Umgangsweisen (...) im jeweiligen Feld. Zusammenhänge werden im konkreten Kontext des Falls beschrieben und aus ihm erklärt. Qualitative Forschung berücksichtigt, dass die auf den Gegenstand bezogenen Sicht- und Handlungsweisen im Feld sich schon deshalb unterscheiden, weil damit unterschiedliche subjektive Perspektiven und soziale Hintergründe verknüpft sind.“ (vgl. Flick 2007: 29)

Helm (2007) hat in Bezug auf Berens und van Riel (2004) und Bromley (2002) für die Untersuchung der Konstrukte Image und Reputation bereits festgestellt: „Indepth investigations of individual perceptions of reputation call for qualitative research methods that are suitable to capture heterogeneity“ (Helm 2007: 239). Die qualitative Vorgehensweise ermöglicht es dem Forscher, Kontexte, Sinn und Bedeutung von Konstrukten zu erfassen (vgl. Hussy et al. 2013: 185f., Meyen et al. 2011: 46, Hug et al. 2014: 89). Dazu arbeitet qualitative Forschung mit flexiblen Forschungsdesigns, während quantitative Forschung den genauen Untersuchungsablauf vor Beginn festlegt und mit standardisierten, objektiven Messinstrumenten arbeitet (vgl. Hussy et al. 2013: 190):

6.1. Das Untersuchungsdesign

135

„Qualitative research uses a flexible questioning approach. Although a basic set of questions is designed to start the project, the researcher can change questions or ask follow-up questions at any time.“ (Wimmer und Dominick 2011: 118)

Würde diese Dissertation sich für die absolute Höhe des CEO-Anteils am Unternehmensimage der einzelnen Stakeholdergruppen interessieren oder nach der Verteilung einzelner Prototypen innerhalb verschiedener Stakeholdergruppen fragen, so müsste eine quantitative Studie mit repräsentativem Sample durchgeführt werden. Dieses Projekt fragt aber vielmehr danach, wie die Bedeutung des CEOs in der Unternehmenswahrnehmung zum Ausdruck kommt und welche Bedeutung Stakeholder einzelnen Persönlichkeitseigenschaften von CEOs zuschreiben (vgl. Hug et al. 2014: 86). Daher bietet sich hier ein qualitatives Vorgehen an. In ihrer großen Stärke liegt aber auch die größte Schwäche qualitativer Forschung begründet. Qualitative Studien können nicht zu statistisch repräsentativen Ergebnissen führen. Dies liegt zum einen an der relativ kleinen Anzahl an Fällen, die innerhalb von qualitativen Studien im Gegensatz zu standardisierten Messungen im Rahmen quantifizierter Forschung untersucht werden können. Dazu kommt, dass die Fallauswahl grundsätzlich nicht repräsentativ im Sinne der Grundgesamtheit ist. Aussagen über Häufigkeitsverteilungen von Merkmalen oder gar hypothesenüberprüfende Testverfahren sind daher im Rahmen von qualitativen Studien nicht anwendbar (vgl. Meyen et al. 2011: 44). Dennoch wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass in einem gewissen Rahmen auch Verallgemeinerungen der Ergebnisse qualitativer Studien möglich sind. Der Gültigkeitsbereich der Ergebnisse dieser Studie wird unter diesen Gesichtspunkten noch ausführlich diskutiert werden (vgl. Kapitel 6.1.4.). Qualitative Studien werden insbesondere in bislang unerforschten Gebieten eingesetzt, um zunächst einen detaillierten Überblick über Bedeutungen, Interpretationen, Handlungsmaximen oder Vorstellungen in einem Feld zu einem bestimmten Thema zu gewinnen (vgl. Bogner et al. 2014: 24). Eine exemplarische und detaillierte Untersuchung weniger Forschungsobjekte eröffnet das Feld für den Forscher. Anschließend können darauf aufbauend standardisierte quantitative Studien statistisch belastbare Ergebnisse durch die repräsentative Untersuchung großer Populationen liefern (vgl. Kreileder 2014: 160). Der Einsatz eines qualitativen Forschungsdesigns im Rahmen dieser Dissertation folgt dieser Argumentation. Auch wenn es bereits vereinzelt quantitative Studien zum Thema des Forschungsprojektes gibt, haben diese teilweise theoretisch wenig fundierten und zumeist eher praxisorientierten Ansätze den Schritt einer qualitativen Auftaktstudie ausgelassen, was mit dem vorliegenden Projekt nachgeholt werden soll. Im Gegensatz zu den

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6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

bisherigen quantitativen Studien zum Forschungsthema ermöglicht ein qualitatives Vorgehen, die Bedeutung des CEOs beziehungsweise der Vorstellung, die ein Stakeholder vom jeweiligen Unternehmenslenker hat, für die Wahrnehmung des Unternehmens als Ganzes zu rekonstruieren und zu kontextualisieren. Ein qualitatives Studiendesign ermöglicht es darüber hinaus, nicht nur die bewussten Einschätzungen hinsichtlich der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images für die verschiedenen Stakeholder zu berücksichtigen. Es bietet auch die Option für indirekte Hinweise, die sich aus sonstigen Aussagen der Experten über die Stakeholdergruppe, ihre Ansichten, Grundüberzeugungen und das Verhalten gegenüber dem Unternehmen finden lassen, die auf Bedeutungen des CEOs, die dem Interviewpartner zunächst nicht bewusst sind, rückschließen lassen (vgl. Kreileder 2014: 161). Ziel des Projektes ist es unter anderem, ein Imageprofil als Grundlage für die Erhebung der Zusammensetzung von CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen zu schaffen. Dieses Instrumentarium ebenso wie die übrigen Ergebnisse der Studie sollen als Basis zukünftiger quantitativer CEO-Imagestudien dienen und dabei helfen, Ergebnisse aus Imagerankings einordnen zu können. Das Forschungsdesign Das Forschungsdesign soll den Forscher befähigen, „die Fragestellung der Untersuchung in der vorhandenen Zeit mit den vorhandenen Mitteln zu beantworten“ (Flick 2007: 173). Zur Beantwortung der Forschungsfragen erscheint das von Flick (2007) beschriebene Basisdesign einer Vergleichsstudie eine geeignete Herangehensweise. Im Gegensatz zu einem Fallstudiendesign wird hier nicht ein Fall in seiner Komplexität und Ganzheit analysiert. Vielmehr wird eine Vielzahl von Fällen im Hinblick auf bestimmte Aspekte vergleichend gegenübergestellt (vgl. Flick 2007: 179; vgl. auch Gläser und Laudel 2010: 93). Die Wahl der Vergleichsstudie als Basisdesign in Anlehnung an Flick determiniert dabei bereits die Wahl der Erhebungsmethode. Flick (2007: 180) sieht hier Interviews als angemessene Erhebungsmethode an (vgl. Flick 2007: 183). Innerhalb des Basisdesigns einer Vergleichsstudie ist eine weitere Entscheidung hinsichtlich der zeitlichen Dimension des Forschungsdesigns zu treffen. Eine Vergleichsstudie kann demnach einen retrospektiven Charakter haben, eine Querschnittstudie beziehungsweise Zustandsbeschreibung sein oder in Form einer Längsschnittstudie beziehungsweise Prozessanalyse durchgeführt werden. Im Hinblick auf die zugrunde liegenden Forschungsfragen passt der Ansatz der Querschnittstudie. Das Forschungsprojekt ist nicht an einem früheren Zustand

6.1. Das Untersuchungsdesign

137

personalisierter Stakeholderwahrnehmung interessiert und möchte auch nicht die Entwicklung personalisierter Stakeholderwahrnehmung nachvollziehen. Vielmehr geht es um eine umfassende Zustandsbeschreibung personalisierter Stakeholderwahrnehmung: „Verschiedene Ausprägungen des Expertenwissens, das in einem Feld im Moment der Forschung existiert, werden in Interviews (...) erhoben und miteinander verglichen. Auch wenn in die Interviews entsprechende Beispiele aus früheren Zeitpunkten einfließen, ist die Forschung nicht primär auf die retrospektive Rekonstruktion eines Prozesses gerichtet. Vielmehr wird eine Zustandsbeschreibung zum Zeitpunkt der Forschung gegeben.“ (Flick 2007: 182).

Anders argumentiert Mayring (2007). Er unterscheidet vier Basisdesigns, die sowohl mit qualitativen als auch mit quantitativen Forschungsansätzen oder Kombinationen von beiden umsetzbar sind: 1. 2. 3. 4.

Explorative Studien Deskriptive Studien Zusammenhangsanalysen Kausalanalysen

„Grundgedanke explorativer Studien ist, dass man dem Forschungsgegenstand möglichst nahe kommen will, um zu neuen, differenzierten Fragestellungen und Hypothesen zu gelangen. Deskriptive Studien wollen den Gegenstandbereich möglichst genau und umfassend beschreiben. Zusammenhangsanalysen greifen einzelne Variablen aus dem Gegenstandsbereich heraus und untersuchen, ob diese Variablen in Verbindung stehen. Kausalanalysen verschärfen diese Fragerichtung, indem sie untersuchen, ob ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen den Variablen besteht.“ (Mayring 2007: 4).

Diese vier Grunddesigns können auch kombiniert werden (vgl. Mayring 2007: 5). Das vorliegende Forschungsprojekt kann als eine Kombination aus deskriptiver Studie und Zusammenhangsanalyse angesehen werden. Der deskriptive Charakter der Studie ergibt sich aus dem geringen wissenschaftlichen Kenntnisstand hinsichtlich der Forschungsfrage. Ziel ist es, ein umfangreiches „Stimmungsbild“ zu erzeugen und die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images für verschiedene Stakeholder also möglichst umfassend und detailliert zu beschreiben. Gleichzeitig bezieht sich die empirische Erhebung auf ein aus der Theorie abgeleitetes Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung, welches im Rahmen einer vergleichenden Analyse zwischen verschiedenen Stakeholdergruppen überprüft und weiterentwickelt werden soll. Damit hat die Studie ebenfalls den Charakter einer Zusammenhangsanalyse, die sich

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6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

dadurch auszeichnet, „dass sich hier theoretische Strukturen aufstellen lassen und damit die Basis für Theorieentwicklung geschaffen wird“ (Mayring 2007: 4). 6.1.1. Experteninterviews als Erhebungsmethode Die Wahl der Erhebungsmethoden orientiert sich immer an der Natur der Informationen, die für die Beantwortung der Forschungsfrage benötigt werden. Für das vorliegende Forschungsprojekt kommen Experteninterviews als Erhebungsmethode in Frage. Warum sie eine geeignete Erhebungsmethode sind, wird deutlich, wenn man sich der Person des Experten und dem spezifischen Expertenwissen, über das er verfügt, annähert. Der Zweck eines Experteninterviews liegt in der Rekonstruktion von besonderen Wissensbeständen, von „Expertenwissen“ (vgl. Pfadenhauer 2009: 99). Das Experteninterview zielt dabei auf den „Wissensvorsprung“ des Experten, weil angenommen wird, dass er über Wissen verfügt, dass nicht jedem in seinem Handlungsfeld zugänglich ist (Meuser und Nagel 2009: 37).44 In Experteninterviews werden „die Befragten als Spezialisten für bestimmte Konstellationen befragt“ (Hopf 1993: 15, zitiert in Gläser und Laudel 2010: 40). Diesen Sonderstatus eines Experten erlangen sie über „spezifische Funktionen, die solche Personen problembezogen erbringen, sei es in der beruflichen Rolle, sei es in einer ehrenamtlichen Tätigkeit“ (Meuser und Nagel 2009: 44). Der Expertenstatus von Personen definiert sich grundsätzlich über die Position sowie das ihnen zugeschriebene Wissen (Kaiser 2014: 38). Position und Status eines Experten bestimmen sich dabei anders als beim Elitenbegriff nicht über den Habitus einer Person – wie zum Beispiel Kontakte, Netzwerke oder „Stallgeruch“ (vgl. Bogner et al. 2014: 13). Vielmehr rekurrieren Position und Status im Zusammenhang mit dem Expertenbegriff auf die „(zurechenbare) Zuständigkeit für problemlösungsbezogene Entscheidungen“ (Pfadenhauer 2009: 101). Ein Experte ist verantwortlich für die Bereitstellung von Problemlösungen, benötigt also Expertise (vgl. Pfadenhauer 2009: 102). Beim Expertenwissen unterscheiden Bogner et al. (2014) drei Typen. Technisches Wissen definieren sie als Daten, Fakten oder Tatsachen. Träger von technischem Expertenwissen verfügen über privilegierten Zugang zu Informationen, zum Beispiel zu Fakten über bestimmte soziale oder organisationale Kontexte wie unter anderem dem Inhalt von Dokumenten. Technisches Wissen ist personenunabhängig, objektiv und kodifizierbar (vgl. Bogner et al. 2014: 17f.). Experteninterviews 44

Eine ausführliche Diskussion der Abgrenzung des Expertenbegriffs von Laien nehmen Meuser und Nagel (2009: 37f.) vor.

6.1. Das Untersuchungsdesign

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eignen sich für diese spezifische Art von Expertenwissen nur, wenn Informationen anderweitig nicht zugänglich sind. Prozesswissen beschreibt demgegenüber „Einsicht in Handlungsabläufe, Interaktionen, organisationale Konstellationen, Ereignisse usw., in die die Befragten involviert sind oder waren“ (Bogner et al. 2014: 18). Prozesswissen hat damit den Charakter von Erfahrungswissen und ist damit personengebunden (vgl. Bogner et al. 2014: 18). Die dritte Form des Expertenwissens, das Deutungswissen (vgl. auch Kaiser 2014: 43), steht im Zentrum dieses Forschungsprojektes: „Deutungswissen (...) beinhaltet die subjektiven Relevanzen, Sichtweisen, Interpretationen, Deutungen, Sinnentwürfe und Erklärungsmuster der Expertinnen. Das Deutungswissen umfasst zugleich auch die normativen Dispositionen: Zielsetzungen, Bewertungen usw., es ist nicht nur sachliches Wissen.“ (Bogner et al. 2014: 19)

Subjektiv bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht individuell. Experten werden grundsätzlich nicht als Individuen befragt. Vielmehr wird ihren Beurteilungen von Situationen, Positionen und Geschehnissen eine gewisse intersubjektiv geteilte Bedeutung zugesprochen (vgl. Lauth et al 2009: 168, zitiert nach Kaiser 2014: 38). Für das vorliegende Forschungsprojekt geben die Experten ihre subjektiven Einschätzungen und Deutungen zur Bedeutung und Zusammensetzung von CEOImages ab. Aufgrund der hochrangigen Positionen der Experten in der jeweiligen Stakeholdergruppe beziehungsweise ihre langjährige Erfahrung im Umgang mit derselben kann diesen Beurteilungen eine in der jeweiligen Stakeholdergruppe intersubjektiv geteilte Bedeutung zugesprochen werden. Darüber hinaus ist das (Deutungs-)Wissen der Experten noch aus einem anderen Grund intersubjektiv relevant. Experten werden nämlich nicht allein aufgrund ihres (subjektiven) Wissens befragt, sondern „weil ihre Handlungsorientierungen, ihr Wissen und ihre Einschätzungen die Handlungsbedingungen anderer Akteure in entscheidender Weise (mit-)strukturieren“ (Bogner et al. 2014: 13). Das Wissen eines Experten ist orientierungs- und handlungswirksam für andere Akteure (vgl. Bogner et al. 2014: 14). Die befragten Experten können im Rahmen dieses Forschungsprojekts aufgrund ihrer hohen sozialen Position in der jeweiligen Stakeholdergruppe als „Imagemittler“ betrachtet werden: „Images stützen sich nicht nur auf partielle Erfahrungen, sondern auch auf die Aussagen und Meinungen anderer Akteure mit einem erhöhten Wissens- oder Erfahrungsschatz, denen man aus diesen Gründen Glauben schenkt.“ (Zerfaß 2010: 130)

140

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

Stützen die Mitglieder der jeweiligen Stakeholdergruppe ihre Images auf die Wahrnehmungen und Deutungen der befragten Experten, so werden diese orientierungsund handlungswirksam für die gesamte Stakeholdergruppe. Damit sind die Einschätzungen der Experten sowohl im Sinne einer subjektiven Deutung als auch im Sinne einer Einschätzung für die Wahrnehmungsmuster der gesamten Stakeholdergruppe relevant. Diese Dissertation folgt daher der Expertendefinition von Bogner et al. (2014): „Experten lassen sich als Personen verstehen, die sich - ausgehend von einem spezifischen Praxisoder Erfahrungswissen, das sich auf einen klar begrenzten Problemkreis bezieht - die Möglichkeit geschaffen haben, mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend für Andere zu strukturieren.“ (Herv. i.O.) (Bogner et al. 2014: 13)

Darüber hinaus wird der Expertenstatus auch vom Forscher zugeschrieben. Der Forscher muss also letztlich bestimmen, „wer vor dem Hintergrund des jeweiligen Forschungsproblems über privilegierte Informationen verfügt und auch bereit ist, diese preiszugeben“ (Kaiser, 2014: 39). Diese Zuschreibung findet im Prozess des Auswahlverfahrens statt, wenn Personen in Interviewanfragen als Experten adressiert werden (vgl. Bogner et al. 2014: 11). Die Experteninterviews im Rahmen dieser Dissertation werden in Form von leitfadengestützten und damit teilstrukturierten Interviews durchgeführt. Wie weiter oben bereits diskutiert worden ist, geht es in dieser Dissertation um die Rekonstruktion der Bedeutung von CEOs für die Wahrnehmung von Unternehmen durch verschiedene Stakeholder. Dabei sollen sowohl explizite als auch implizite Sinnstrukturen der Befragten erhoben werden. Standardisierte Interviews sind nicht in der Lage, diese Informationen zu generieren: „Geht es um die Rekonstruktion des handlungsorientierenden Wissens von Experten, ließe sich mit standardisierten Befragungen allenfalls Wissen auf der Ebene des diskursiven Bewusstseins erfassen; hierbei handelt es sich vielfach um rationalisierte und vor allem legitimationsfähige Argumentationsfiguren.“ (Meuser und Nagel 2009: 51f.)

In standardisierten Interviews kann also maximal das explizite Wissen eines Experten erhoben werden. In leitfadengestützten, also teilstrukturierten, Interviews geben die Befragten dagegen sehr viel mehr preis – „immer dann, wenn sie fortfahren und erläutern, extemporieren, Beispiele geben oder andere Formen der Exploration verwenden“ (Meuser und Nagel 2009: 52). Dennoch ist es auch nicht im Sinne des Forschungsprozesses, wenn, wie bei narrativen Interviews, vollständig auf einen Leitfaden verzichtet wird. Zum einen bestünde die Gefahr, vom Experten als inkompetenter Gesprächspartner empfunden zu werden. Zum anderen wäre dieser

6.1. Das Untersuchungsdesign

141

Ansatz methodisch unpassend. Während in einem narrativen Interview biographische Gegebenheiten des Interviewpartners im Zentrum des Interesses stehen, interessieren sich die Forscher in Experteninterviews für bestimmte Teilaspekte des Expertenwissens der befragten Person (vgl. Meuser und Nagel 2009: 52). Aus diesem Grund müssen in einem Experteninterview zum einen verschiedene Themen behandelt werden, die durch das Ziel des Forschungsprojektes vorgegeben sind, und zum anderen einzelne, genau bestimmbare Informationen erhoben werden (vgl. Gläser und Laudel 2010: 111). Diese Funktion wird von teilstrukturierten Interviews erfüllt. Trotzdem plädieren Meuser und Nagel dafür, auch in teilstrukturierten Interviews stückweise narrative Phasen zuzulassen, um weitere implizite Elemente des Expertenwissens zu erheben: „Obwohl sich das Experteninterview in seiner Zielrichtung und in seiner methodischen Anlage deutlich vom biografischen Interview unterscheidet, ist damit nicht ausgeschlossen, dass in Experteninterviews narrative Passagen enthalten sind. Diese erweisen sich, wenn der Inhalt der Erzählung eine Episode aus dem beruflichen Handlungsfeld ist, durchaus als Schlüsselstellen für die Rekonstruktion von handlungsleitenden Orientierungen. Methodisch gewendet heißt dies, durch die Interviewführung Narrationen herauszufordern. Erzählungen geben Aufschluss über Aspekte des Expertenhandelns, die dem Experten selbst nicht voll bewusst sind, die ihm vielmehr erst im Laufe der Erzählung Schritt für Schritt bewusst werden.“ (Meuser und Nagel 2009: 52f.)

Hinsichtlich der Strategie der Gesprächsführung bestehen besondere Anforderungen an Experteninterviews. Im Gegensatz zum Ideal eines „neutralunterstützenden“ Interviewers rät Trinczek (2009), für hochrangige Experten wie Manager eine „argumentativ-diskursive“ Interviewstruktur zu wählen, um sich an Gesprächs- und Kommunikationsformen des beruflichen Kontextes der Experten anzupassen (vgl. Trinczek 2009: 234). Diese Strategie der Gesprächsführung ist aber nicht ganz unproblematisch, setzt sie doch voraus, dass die Experten dem Interviewer einen gewissen Status zuschreiben. Als mittzwanzigjährige Studentin konnte die Interviewerin zum Zeitpunkt der Interviews jedoch nicht als den Experten „gleichgewichtig“ erscheinen (vgl. Trinczek 2009: 234f.). Bogner und Menz (2009) weisen jedoch darauf hin, dass es verschiedene Strategien der Gesprächsführung gibt, die in einem Experteninterview an die Erfordernisse der Situation angepasst werden sollen (vgl. Bogner und Menz 2009: 91). Diese Strategien der Gesprächsführung hängen davon ab, wie der Experte den Interviewer wahrnimmt. Bogner und Menz (2009: 90) unterscheiden dabei sechs Typen der Zuschreibungen, die von Faktoren wie „Alter, Geschlecht und Qualifikationsstatus, den eigenen Fachkenntnissen wie etwa der Beherrschung der Fachterminologie, den Sprachkompetenzen, der institu-

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6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

tionellen Herkunft, der Ausstattung mit akademischen Titeln usw.“ abhängt: Der Interviewer als Co-Experte, Experte einer anderen Wissenskultur, Laie, Autorität, Komplize und potentieller Kritiker. Sowohl die Zuschreibung der Autorität als auch des potentiellen Kritikers halten die Autoren dabei für nicht empfehlenswert. Nimmt der Experte den Interviewer als potentiellen Kritiker wahr, so spricht er ihm die Fähigkeit zur „objektiv-fachgerechten“ Beurteilung der Interviewinhalte ab und betrachtet ihn als „Vertreter einer unerwünschten Weltanschauung“ (Bogner et al. 2014: 53). Folglich ist die Antwortbereitschaft im Interview gering, weil der Befragte dem Interviewer mit großem Misstrauen begegnet (vgl. Bogner et al. 2014: 53). Nimmt er den Interviewer dagegen aufgrund dessen Position als Autorität wahr, führt dies zu einer gewissen Asymmetrie in der Gesprächsführung, im Laufe derer der Befragte unsicher agiert (vgl. Bogner et al. 2014: 54). Die übrigen Zuschreibungen erscheinen je nach Situation passend, sind aber an Voraussetzungen gebunden. Die Wahrnehmung als Co-Experte ähnelt in ihren Anforderungen der diskursivargumentativen Gesprächsstruktur von Trinczek (2009) und setzt beim Interviewer nicht nur umfangreiche Fachkenntnisse und die Beherrschung der Fachterminologie, sondern auch einen dem Interviewten ebenbürtigen Status in Form von Position beziehungsweise akademischen Titeln voraus. Die Wahrnehmung als Komplize basiert dagegen auf einem Vertrauensverhältnis zwischen den Gesprächspartnern, das häufig auf der persönlichen Bekanntschaft oder einem „geteilten Erfahrungshintergrund“ (Talanow 2015: 174) beruht. Schließlich bildet die Wahrnehmung als Laie das Gegenstück zur Expertenwahrnehmung. Dem Interviewer wird eine geringere Fachkompetenz unterstellt. Im Vergleich zum Befragten hat er einen deutlich niedrigeren Status. Im Interview hat der Befragte die Gesprächshoheit und strukturiert das Interview. Der Interviewer stellt viele erzählgenerierende Fragen (vgl. Bogner und Menz 2009: 88f.). Aufgrund dieser Interviewstruktur eignet sich die Zuschreibung des Laien insbesondere für theoriegenerierende Interviews, in denen es um die Evaluation von Deutungswissen der Experten geht: „Glaubt die Befragte sich einem Laien gegenüber, präsentiert sie ihre eigenen Relevanzen ausführlicher. Auch basale Orientierungen und Vorstellungen werden ausgeführt und erläutert - gerade wenn man Deutungswissen untersuchen möchte, kann das sehr relevant sein.“ (Bogner et al. 2014: 53)

Dennoch kann eine als gering wahrgenommene Fachkompetenz auch negative Auswirkungen auf die Befragung haben. Der Interviewte wird in den wenigsten Fällen Informationen preisgeben, wenn er den Eindruck hat, dass der Interviewer keine ausreichenden Kenntnisse über den Gegenstand des Interviews besitzt (vgl. Kaiser 2014: 40). Folglich ist es ratsam, trotz eines starken Status- und Erfahrungs-

6.1. Das Untersuchungsdesign

143

unterschiedes einen recht hohen Grad an Fachkompetenz zum Forschungsthema – das ja im besten Falle während der Vorarbeiten zu den Interviews aufgebaut werden sollte – mitzubringen (vgl. Pfadenhauer 2009: 111). Entsprechend der Empfehlungen nahm die Verfasserin während der Interviews die Rolle einer vorinformierten und interessierten Laiin ein, während die Gesprächspartner die Experten für den Gegenstand der Befragung waren (vgl. Gläser und Laudel 2010: 177). Folglich stellte die Interviewerin engagierte, aber teilweise weniger spezifische, Nachfragen, die den Erzählfluss der Experten anregen sollten, ohne ihnen jedoch die Gesprächsstruktur komplett zu überlassen. 6.1.1.1. Auswahlverfahren Das in dieser Studie zur Anwendung kommende Verfahren der Fallauswahl45 hatte zum Ziel, die Stakeholdergruppen der Investoren, Medienvertreter, Mitarbeiter und politischen Akteure so breit wie möglich zu erfassen, „damit eine für die Rekonstruktion intersubjektiver Bedeutungen ausreichende Variation der Perspektive gewährleistet und das Spektrum an möglichen Unterschieden möglichst vollständig abgedeckt ist“ (Wenger 2005: 53, zitiert in Kreileder 2014: 167). Im Sinne einer Vergleichsstudie soll das Feld hier in seiner ganzen Breite erfasst werden, indem möglichst unterschiedliche Fälle einbezogen werden, während bei Einzelfallstudien das Feld eher in der Tiefe anhand von einem oder sehr wenigen Beispielen durchdrungen wird (vgl. Flick 2007: 167f.). In der Studie wurde zu Beginn nicht im Sinne eines „Top-Down-Verfahrens“ ein Kriterienkatalog festgelegt, aus dem anschließend die entsprechende Strichprobe gezogen wurde. Vielmehr wurden im Sinne eines „Bottom-Up-Verfahrens“ beziehungsweise des „theoretischen Samplings“ (Glaser und Strauss 2010: 61ff.) zwar einige Kriterien zu Beginn aus dem Forschungsstand und dem theoretischen Hintergrund (vgl. Meyen et al. 2011) entwickelt, diese aber im Laufe der Untersuchung im Sinne der Strategie maximaler Variation (Patton 2002) nach und nach weiterentwickelt. Entscheidungen über die Auswahl der Fälle werden also im Prozess der Datenerhebung getroffen beziehungsweise angepasst (Flick 2007: 158ff.): „Die für das theoretische Sampling, die Auswahl einer zu untersuchenden Gruppe, (...) grundlegende Frage lautet: welchen Gruppen oder Untergruppen wendet man sich zwecks Datenerhebung nächstens zu? Und mit welcher theoretischen Absicht?“ (Herv. i. O.) (Glaser und Strauss 2010: 63) 45

Im Rahmen von qualitativer Forschung spricht man im Gegensatz zur quantitativen Forschung von einer bewussten Fallauswahl im Gegensatz zur Stichprobenziehung (vgl. Hussy et al. 2013: 193f.).

144

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

Mehrmals wurden die Kriterien während der Erhebung aufgrund von theoretischen (aber teilweise auch forschungspraktischen) Überlegungen an den Stand des Projektes angepasst, sodass sichergestellt werden konnte, dass weitere Personen, die befragt wurden, neue Aspekte in die Studie einbringen würden. Um Kriterien für die Auswahl der Experten zu entwickeln, muss man sich zunächst einen umfassenden Überblick über das relevante Feld verschaffen: „Der erste Schritt des Samplings besteht darin, mittels Literaturanalyse, also z.B. anhand von Medienberichten oder durch Gespräche mit Informanten – d.h. Personen, die mit dem Praxisfeld vertraut sind – zu eruieren, wer die relevanten Experten in einem Feld sind. Das Sampling setzt eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Feld voraus, um keine wichtigen Personen auszulassen. Empfehlungen von Befragten können bei der Einschätzung der Wichtigkeit von bestimmten Personen hilfreich sein.“ (Bogner et al. 2014: 35)

Gläser und Laudel (2010: 117) haben vier Kriterien entwickelt, nach denen Experten für eine Studie ausgewählt werden sollen: 1. 2. 3. 4.

Wer verfügt am ehesten über die relevanten Informationen? Wer ist am ehesten in der Lage, präzise Informationen zu geben? Wer ist am ehesten bereit, Informationen zu geben? Wer von den Informanten ist verfügbar?

Mithilfe dieser Kriterien und vielen Gesprächen mit Personen, die mit der Zusammensetzung der jeweiligen Stakeholdergruppen berufsmäßig vertraut sind, wurden Personen ausgewählt, die aufgrund ihrer Position und ihres Wissens, welches sie durch langjährige Erfahrung erworben haben, als Experten für die jeweiligen Stakeholdergruppen gelten können. Wie bereits erwähnt, orientierte sich die Fallauswahl im Rahmen dieses Forschungsprojektes am Prinzip maximaler Variation. Nach dieser Strategie sollen möglichst unterschiedliche Fälle in die Auswahl einbezogen werden, um die Variationsbreite im jeweiligen Feld einzufangen (vgl. Patton 2002: 230ff., zitiert in Flick 2007: 165). Bei der Fallauswahl wurden verschiedene Kriterien berücksichtigt. Das übergeordnete Kriterium war die Zugehörigkeit zu einer der vier zu betrachtenden Stakeholdergruppen. Ausnahmen bildeten sowohl die befragten Kommunikationsexperten, die jeweils als Experten für die einzelnen Stakeholdergruppen befragt wurden, als auch die Experten für die Stakeholdergruppe der Mitarbeiter. Mitglieder dieser Gruppe zu befragen war aus zweierlei Gründen nicht sinnvoll. Zum einen machte es methodisch keinen Sinn, da ein Mitarbeiter eines deutschen börsennotierten Unternehmens nur sehr begrenzt eine übergeordnete, unternehmensübergreifende Perspektive, wie sie im Rahmen der Studie gefordert ist, einnehmen kann. Außerdem stellt sich in so einer Situation immer die Frage, ob

6.1. Das Untersuchungsdesign

145

ein Mitarbeiter sich „traut“, ehrliche Auskünfte über die Wahrnehmung seines obersten Chefs zu erteilen, oder diese Aussagen nicht aus verschiedenen Gründen (z.B. Angst vor Job-Verlust) verzerrt sind. Auf der anderen Seite war die Befragung aber auch aus forschungspraktischen Gesichtspunkten unmöglich, weil Mitarbeiterbefragungen grundsätzlich langwierige Zustimmungsverfahren des Betriebsrates erfordern. Hier mussten Experten gefunden werden, die zwar langjährige professionelle Erfahrung mit der Gruppe haben, aber nicht direkt Mitglieder dieser Gruppe sind. Für die einzelnen Gruppen wurden schließlich folgende Kriterien betrachtet: • Journalisten: Mediengattung (Tageszeitung, Wochenmagazin, Monatsmagazin, Online-Publikation), Ausrichtung (Publikum vs. Fach, Qualität vs. Boulevard), Ressort (Wirtschaft, Unternehmen), Hierarchieebene (Chefredakteur, Ressortleiter, Fachredakteur) • Investoren: Akteur (Anleger vs. Proxy), Größenordnung (Institutionell vs. Kleinanleger), Anlageform (Aktienfonds, Pensions- / Rentenfonds, Private Equity, Hedge-Fonds) • Politische Akteure: Akteur (Politiker, Interessenvertreter / Lobbyist), Ebene (Bundesebene, Landesebene, Europaebene), Partei, Organisation (Parlament, Ministerium, Interessenvereinigung, NGO) • Mitarbeiter: Hierarchieebene (Berufseinsteiger, Mitte des Unternehmens, Führungskräfte), Organisationen (HR-Agentur, Interessenvertretung, Gewerkschaft) • Kommunikationsexperten: Stakeholdergruppe (Investoren, Medienvertreter, politische Akteure, Mitarbeiter) Die finale Fallauswahl umfasste schließlich sechs Experten für die Stakeholdergruppe der Investoren, acht Experten für die Stakeholdergruppe der Medienvertreter, elf Experten für die Stakeholdergruppe der politischen Akteure, sowie fünf Experten für die Gruppe der Mitarbeiter (vgl. Tabelle 6). Insgesamt waren drei weibliche Expertinnen und 27 männliche Experten in der Studie vertreten. Dieses ungleiche Verhältnis ist unproblematisch, da es einerseits die Realität in diesen Positionen widergibt und andererseits deshalb, weil demographische Daten bei der Fallauswahl unbeachtet geblieben sind. Da sich alle Stakeholder gegen eine Anonymisierung in der Studie entschieden haben, listet Tabelle 6 die Gesprächspartner unter ihrem Namen, inklusive Angaben zum Organisationstypus und der Position beziehungsweise Rolle auf, die sie zum Zeitpunkt des Interviews innehatten.

146

Tabelle 6:

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

Liste der Interviewpartner

Quelle: Eigene Darstellung Investoren Organisationstyp

Organisation

Name

Aktienfonds

Union Investment

Ingo Speich

Private Equity

Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) Hermes Investment Management

Pensionsfonds

Aktionärsberatung

Institutional Shareholder Services (ISS)

Aktionärsvereinigung

Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) HERING SCHUPPENER

Kommunikationsberatung

Rolle

Senior Portfoliomanager Aktien & Leiter Nachhaltigkeit Johannes Huth Member & Head of KKR EMEA Dr. Hans-Christoph Hirt Executive Director & Co-Head of Hermes EOS Thomas von Oehsen Associate Director & Leiter Research Mittelund Osteuropa Marc Tüngler Hauptgeschäftsführer

Dr. Brigitte von Haacke

Managing Partner

Medienvertreter Mediengattung

Organisation

Name

Rolle

Überregionale Tageszeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)

Carsten Knop

Wirtschaftsmedium (Wochenmagazin)

Wirtschaftswoche

Cornelius Welp

Wirtschaftsmedium (Monatsmagazin) Wirtschaftsmedium (Tageszeitung) Boulevardmedium

manager magazin

Dietmar Student

Ressortleiter Wirtschaft und Unternehmensberichterstattung Stellvertretender Ressortleiter Unternehmensberichterstattung Chefreporter

Börsenzeitung

Claus Döring

Chefredakteur

Bild

Nikolaus Blome

Tech- & Digitalmedium (Magazin, Website) Gemeinnütziges Verbraucherportal Unternehmen

Wired

Nikolaus Röttger

Ressortleiter Politik/Wirtschaft Chefredakteur

Finanztip

Hermann-Josef Tenhagen Alexander Cordes

Commerzbank

Chefredakteur Leiter External Communications Finance & Strategy

6.1. Das Untersuchungsdesign

147

Politische Akteure Organisationstyp

Organisation

Name

Rolle

Parlament & Bundesministerium Parlament & Bundesministerium

Bundestag (CDU) & Gesundheitsministerium Bundestag (SPD) & Bundeswirtschaftsministerium

Hermann Gröhe

Parlament

Landtag (FDP)

Christian Lindner

Parlament

Europäisches Parlament (FDP) Verband der Automobilindustrie (VDA) Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Verband der Chemischen Industrie (VCI) Landesverband NRW Dachverband Kritische Aktionäre Facing Finance e.V.

Alexander Graf Lambsdorff Matthias Wissmann

MdB & Bundesgesundheitsminister MdB & Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie MdL & Fraktionsvorsitzender FDP Landtag NRW & Bundesvorsitzender FDP Vizepräsident des EP & MdEP Präsident

Dr. Markus Kerber

Hauptgeschäftsführer

Naturschutzbund NRW 365 Sherpas

Interessenverband

Interessenverband

Interessenverband

Nichtregierungsorganisation Nichtregierungsorganisation Nichtregierungsorganisation Politikberatung Mitarbeiter Organisationstyp

Organisation

Brigitte Zypries

Hans-Jürgen Mittelstaedt Geschäftsführer

Christian Russau

Mitglied des Vorstands

Thomas Küchenmeister Josef Tumbrinck

Geschäftsführender Vorstand Landesvorsitzender

Cornelius Winter

Geschäftsführer

Name

Rolle

StudentenAISEC vereinigung Interessenvertretung Die Führungskräfte (DFK) HR-Agentur Boyden

Johannes Schneider

Bundesvorsitzender

Dr. Ulrich Goldschmidt

Vorstandsvorsitzender

Jörg Kasten

Gewerkschaft

Ver.di

Andrea Kocsis

Kommunikationsberatung

Kienbaum Communications

Erik Bethkenhagen

Chairman der Boyden World Corporation und Managing Partner von Boyden Deutschland Stellvertretende Bundesvorsitzende Geschäftsführer

148

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

Auch wenn die vorliegende Studie mit 30 geführten Interviews sehr viele Perspektiven einfangen konnte, ist es sicherlich nicht so, dass man durch die Befragung weiterer Personen mit anderen Merkmalsausprägungen „nichts mehr [hätte] lernen können“ (Meyen et al. 2011: 54). Dies gilt insbesondere für die Gruppe der Mitarbeiter, für die leider nur fünf Interviews geführt werden konnten. Dennoch ist das Kriterium der „theoretischen Sättigung“ in gewisser Weise erfüllt worden. Bei den letzten Interviews begannen sich Themen zu wiederholen und es kamen weniger neue Aspekte hinzu. Trotzdem fehlen möglicherweise einige Stimmen, die das Forschungsprojekt um weitere Aspekte angereichert hätten. 6.1.1.2. Feldzugang In der Regel gilt: „je höher der soziale Rang, umso schwieriger der Zugang“ (Bogner et al. 2014: 37). Dies trifft auch auf die hochrangigen Experten zu, die im Rahmen dieser Studie befragt wurden. Zum einen stellten persönliche Assistenten und Büroleiter oder PR-Abteilungen Barrieren bei der Kontaktaufnahme dar, die zu überwinden waren. Zum anderen war Zeitknappheit ein Hindernis beim Zugang zu den Experten. Die Interviewpartner haben alle sehr volle Terminkalender, die sie zur strikten Zeitplanung zwingen. Auch erhalten viele von ihnen sehr häufig Interviewanfragen – sowohl von medialer als auch von wissenschaftlicher Seite – und sind daher gezwungen, die Annahme von Interviewangeboten sehr selektiv zu gestalten (vgl. Bogner et al. 2014: 37f.). Als umso wertvoller ist es daher anzusehen, dass die befragten Experten der Interviewerin ihre knappen zeitlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt haben. Der Feldzugang erfolgte zum größten Teil über das berufliche und private Netzwerk der Autorin. Dabei wurden acht der befragten Personen über ehemalige Kollegen rekrutiert. Zehn Interviews wurden über das berufliche Netzwerk von zwei Familienmitgliedern der Interviewerin kontaktiert. Darüber hinaus wurden acht befragte Personen im Rahmen von Initiativanfragen der Autorin kontaktiert und schließlich für die Gespräche gewonnen. Zwei Interviews ergaben sich wiederum im Sinne eines „Schneeballverfahrens“ (Bogner et al. 2014) durch die Initiative von Interviewpartnern, die der Autorin freundlicherweise aus ihrem beruflichen Netzwerk weitere Kontakte eröffneten. Andere Gesprächspartner sprachen darüber hinaus am Ende des Gesprächs wertvolle Empfehlungen für weitere wichtige Expertenstimmen für die jeweilige Stakeholdergruppe aus, die dann im Rahmen von Initiativanfragen kontaktiert wurden (vgl. Bogner et al. 2014: 35). Diese „Rekrutierung über Dritte“ (Herv. i.O.) (Meyen et al. 2011: 75) wird auch als „Königsweg in das

6.1. Das Untersuchungsdesign

149

Feld“ (ebd.) bezeichnet. Bei dieser Vorgehensweise ist es jedoch besonders wichtig, dass das „Ideal der Fremdheit“ (Meyen et al. 2011: 75) eingehalten wird. Meyen et al. argumentieren, dass für eine neutrale und unvoreingenommene Gesprächsatmosphäre, wie sie zur Abfragung von Handlungsmotiven, Einstellungen und Werturteilen (um die es ja in dieser Studie auch geht) benötigt wird, „Fremdheit“ zwischen Befragten und fragender Person herrschen sollte: „Forscher und Untersuchungspersonen sollten sich vorher nicht kennen und zu Beginn sicher sein, dass sie sich unter normalen Umständen auch in Zukunft nicht regelmäßig sehen werden.“ (Meyen et al. 2011: 73)

In keinem der Fälle wurden Freunde, gute Bekannte, Partner oder Familienmitglieder der Interviewerin befragt (vgl. Meyen et al. 2011: 73). Das Ideal der Fremdheit konnte daher in den allermeisten Fällen eingehalten werden. Ausnahmen stellten in den 30 Interviews lediglich zwei Befragte dar, die die Interviewerin während eines Praktikums kennengelernt hatte. Zum Zeitpunkt des Interviews bestand jedoch keine Arbeitsbeziehung. 6.1.1.3. Entwicklung des Leitfadens Interviews mit Experten müssen sorgfältig vorbereitet werden, um den Anforderungen der Befragten an den Gesprächspartner zu genügen (vgl. Abschnitt 6.1.1.). In teilstrukturierten Experteninterviews, wie sie im Rahmen dieses Forschungsprojektes geführt werden, dient ein Leitfaden als „Checkliste und Richtschnur“ (Bogner et al. 2014: 27) des Gespräches. Dabei erfüllt er eine „Doppelfunktion“ (Bogner et al. 2014: 27, vgl. auch Flick 2007: 217), sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung der Interviews. Der Leitfaden hilft dem Forscher bei der Durchdringung des Themenfeldes im Vorfeld der Erhebung und erleichtert die Einarbeitung in den Themenbereich: „Die Arbeit, die in die Entwicklung des Leitfadens investiert wird, verschafft dem Interviewer die thematische Kompetenz, die ein ertragreiches Interview ermöglicht.“ (Meuser und Nagel 2009: 52)

Bei der Entwicklung des Leitfadens steigt der Forscher sehr tief in das Themenfeld des Experten ein und lernt beispielsweise auch die Fachterminologie, die für seine Wahrnehmung durch den Experten während des Interviews eine wichtige Rolle spielt (vgl. Abschnitt 6.1.1.). Gleichzeitig dient der Leitfaden aber auch als eine Art Gedächtnisstütze beziehungsweise Orientierungshilfe während des Interviews (vgl. Bogner et al. 2014: 28). Das Festhalten der wichtigsten Themenkomplexe in schrift-

150

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

licher Form stellt sicher, dass der Interviewer keine wichtigen Punkte während des Gespräches vergisst und somit in einer größeren Anzahl von Interviews die gleichen Informationen erhoben werden (vgl. Gläser und Laudel 2010: 143). Außerdem strukturiert und fokussiert der Leitfaden das Gespräch, ohne die Gesprächsinhalte vollständig vorzugeben (vgl. Flick 2007: 217). Die konkrete Ausgestaltung eines Leitfadens kann sehr unterschiedlich ausfallen und reicht von der Sammlung von anzusprechenden Themen(-bereichen) (vgl. u.a. Talanow 2015) bis hin zu konkreten Fragestellungen. Die Detaillierung der Leitfäden hängt dabei immer auch vom persönlichen Interview-Stil und dem Sicherheitsbedürfnis des Forschers ab. Das Festhalten von konkreten Frageformulierungen ermöglicht es dem Forscher beispielsweise, im Notfall auf konkrete Formulierungen zurückzugreifen (vgl. Bogner et al. 2014: 28). Egal, wie detailliert der Leitfaden ausfällt, so darf er jedoch niemals mit einem „Redeskript“ verwechselt werden, von dem der Forscher die Fragen einzeln und in der aufgelisteten Reihenfolge „abliest“ (Bogner et al. 2014: 28). Es ist schließlich gerade die große Stärke der qualitativen Forschung, dass nicht in allen Interviews die absolut identischen Fragen zu stellen sind, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Interviews herzustellen. Vielmehr gilt es, den Befragten zu den Themen des Forschungsprojektes zum Erzählen anzuregen (vgl. Gläser und Laudel 2010: 150). Dies kann je nach Situation und Interviewpartner durch unterschiedliche Fragen beziehungsweise Formulierungen geschehen (ebd.). Dieser freie Umgang mit dem Leitfaden stellt sich mit etwas Erfahrung spätestens nach einigen Interviews ein (ebd.). Bei der Gestaltung des Leitfadens für die Expertengespräche im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojektes wurde den Empfehlungen von Bogner et al. (2014: 28ff.) gefolgt. Der Leitfaden bestand aus acht Themenblöcken mit insgesamt 18 Hauptfragen, die als Gesprächsanreize zu den jeweiligen Themenabschnitten dienten. Dies entspricht den in der Literatur angegebenen Richtwerten für Hauptfragen, die für einstündige Interviews zwischen 15 (vgl. Meyen et al. 2011: 97) und 24 (vgl. Bogner et al. 2014: 28) liegen. Zusätzlich enthielt der Leitfaden diverse Unterfragen, die detaillierter auf Einzelaspekte eingingen. Die Hauptfragen wurden dabei in (fast) allen Gesprächen gestellt, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Gesprächen sicherzustellen. Die Unterfragen dienten zur Vertiefung von einzelnen Aspekten, die als besonders interessant angesehen wurden. Der Leitfaden enthielt konkret formulierte Fragen, die aber häufig nicht wortgleich mit den tatsächlich gestellten Fragen während des Interviews waren. Auch wurden während des Gesprächs häufig spontan weitere Nachfragen formuliert, die sich nicht im Leitfaden

6.1. Das Untersuchungsdesign

151

fanden, weil ein vom Befragten angesprochener Aspekt als besonders interessant empfunden wurde. Auch die Reihenfolge der Fragen in den Interviews wich gelegentlich von der Reihenfolge der Fragen im Leitfaden ab, weil ein Aspekt, der eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt an der Reihe war, vom Befragten bereits zuvor angerissen worden war. Dennoch konnte die vorgesehene Reihenfolge der Fragen in den allermeisten Fällen eingehalten werden, was für einen gelungenen thematischen Aufbau des Leitfadens spricht. Ein Spezifikum von Experteninterviews ist, dass häufig eine akteursspezifische Anpassung des Instrumentes erforderlich ist (vgl. Kaiser 2014: 53; Bogner et al. 2014: 30). Dies galt auch im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojektes. Hier wurden die Leitfäden an die Besonderheiten der einzelnen Stakeholdergruppen angepasst und so beispielsweise die entsprechende Fachterminologie berücksichtigt. Darüber hinaus wurde jedes Interview mit einer umfassenden Recherche zum Interviewpartner und dessen Tätigkeitsfeld vorbereitet. Aus diesem Grund enthielten die Leitfäden auch keine personenbezogenen Fragen. Zum einen hätte die Erfassung von personenbezogenen Daten viel wertvolle Zeit gekostet; zum anderen waren die Informationen im Vorfeld leicht aus anderen Quellen (u.a. Lebensläufe, die online zur Verfügung standen) zu recherchieren, weil es sich bei den Befragten überwiegend um Personen des öffentlichen Lebens handelte. Für die Konstruktion des Leitfadens wurden zunächst die Interviewfragen systematisch aus den Forschungsfragen abgeleitet. Der Leitfaden vermittelt „zwischen Theorie und Empirie“ (Meyen et al. 2011: 91). Statt dem Experten die Forschungsfrage direkt zu stellen, wurden sie in Interviewfragen „übersetzt“ (Kaiser 2014: 52). Der Leitfaden dieser Erhebung enthielt überwiegend offene, aber auch einige wenige geschlossene Fragen, die jeweils durch offene Nachfragen ergänzt werden konnten. Darüber hinaus wurden verschiedene Fragetypen (Einführungsfragen, strukturierende Fragen, direkte und indirekte Fragen, spezifizierende, interpretierende Fragen)46 gewählt und abgewechselt, um Monotonie im Interview zu vermeiden. Die Fragen wurden mit dem Ziel gewählt, die Regeln für „Gute Fragen“ von Meyen et al. (2011: 95) zu erfüllen. Gute Fragen zeichnen sich nach Meinung der Autoren durch folgende Charakteristika aus: • „beziehen sich auf den Interviewpartner und dessen Erfahrungen, • sind kurz, konkret, nicht mehrdeutig und leicht zu verstehen (...), • regen den Befragten zum Nachdenken an (...), 46

Für einen umfassenden Überblick über die aufgeführten Fragetypen vgl. Kaiser (2014: 68).

152

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

• suggerieren die Antwort nicht (...) und • werden taktvoll sowie mit Einfühlungsvermögen gestellt (...).“ (Meyen et al. 2011: 95) Der Aufbau des Leitfadens folgte dabei einer für den Experten ersichtlichen Argumentationslogik (vgl. Kaiser 2014: 53). Themenblöcke waren in sich abgeschlossen, sodass sie als Ganzes in der Reihenfolge verschoben werden konnten (vgl. Bogner et al. 2014: 29f.). Inhaltlich zusammengehörige Fragen sollten auch nacheinander behandelt werden, um das Interview einem natürlichen Gesprächsverlauf anzunähern (vgl. Gläser und Laudel 2010: 146). Auch wenn einzelne Brüche nicht vollständig ausgeschlossen werden konnten, wurde versucht, „die Zahl abrupter Übergänge (...) so niedrig wie möglich [zu] halten“ (Gläser und Laudel 2010: 146). Darüber hinaus enthielt der Leitfaden Kreativelemente. Im Rahmen der Fragen zur ersten und zweiten Personalisierungsthese wurden den Befragten die Modellübersichten vorgelegt. Dies diente im Fall der zweiten Personalisierungsthese zur Modellverifizierung. Hier wurde die Übersicht von den Befragten sehr stark in den Blick genommen und teilweise auch bearbeitet. Ferner wurden Zusammenhänge dargestellt, fehlende Eigenschaften hinzugefügt sowie Bedeutungen hervorgehoben. Die Interviewerin hatte stets das Gefühl, dass insbesondere die zweite Abbildung die Interviewsituation deutlich auffrischte und auch ruhigere Interviewpartner zum Gespräch anregen konnte. 6.1.2. Gütekriterien qualitativer Forschung Hinsichtlich der Frage, wie Gütekriterien qualitativer Forschung auszuformulieren sind, gibt es unzählige Vorschläge, die sich zwei grundsätzlichen Positionen zuordnen lassen. Ein Teil der Forscher vertritt die Auffassung, dass die quantitativen Gütekriterien der Reliabilität, Objektivität und Gültigkeit an die speziellen Anforderungen qualitativer Forschung angepasst werden müssen (u.a. Miles und Huberman 1994; Kirk und Miller 1986). Die andere Grundposition vertritt die Auffassung, dass eigenständige Gütekriterien für die qualitative Forschung zu formulieren sind (vgl. Steinke 2013: 319f., Flick 2007: 489). Dennoch ähneln sich die Anforderungen an qualitative Forschung in beiden Ansätzen, und die Strategien zur Erfüllung der jeweiligen Gütekriterien weisen viele Parallelen auf. Diese Arbeit reflektiert und adaptiert den Ansatz von Meyen et al. (2011), der die folgenden vier Gütekriterien formuliert:

6.1. Das Untersuchungsdesign

153

• Zuverlässigkeit: intersubjektive Nachvollziehbarkeit; • Gültigkeit: Stimmigkeit von Fragestellung, Theorie, Methode und Ergebnissen; • Übertragbarkeit: Generalisierbarkeit; • Werturteilsfreiheit: keine normative Beurteilung. (Herv. i. O.) (Meyen et al. 2011: 47) Zuverlässigkeit Das Kriterium der Zuverlässigkeit nach Meyen et al. (2011) erinnert an das Reliabilitäts-Kriterium quantitativer Forschung. Reliabilität im quantitativen Sinne meint dabei die Zuverlässigkeit beziehungsweise auch die Genauigkeit einer quantitativen Erhebung. Reliabilität bedeutet, dass Unterschiede zwischen zwei Messungen mit demselben Messinstrument tatsächlich auf Unterschiede in der Realität zurückzuführen sind und nicht auf Fehler im Messinstrument. Testwiederholungen mit demselben Material müssen also zu den gleichen Ergebnissen führen. Die Zuverlässigkeit einer Erhebung durch Wiederholung der Erhebung zu determinieren ist für qualitative Forschung – insbesondere aber für Experteninterviews – nicht oder nur sehr schlecht möglich: „Zum einen wird es an der Bereitschaft eines Experten, sich zweimal zum selben Thema befragen zu lassen, scheitern. Zum anderen wäre er ohnehin durch die Erfahrungen des ersten Interviews geprägt, ebenso wie durch Dinge, die sich in der Zwischenzeit ereignet haben – kein Mensch ist in seinen Ansichten, Einstellungen und Erfahrungen im Zeitablauf vollständig konstant.“ (Talanow 2015: 177)

Flick (2007: 489) merkt sogar an, dass die Möglichkeit der konstanten Erhebung derselben qualitativen Daten mit ein- und demselben Forschungsdesign den Forscher misstrauisch stimmen sollte. Schließlich würden diese „stereotyp sich wiederholenden Aussagen oder Beobachtungen“ eher auf „bewusst vermittelte Versionen des Geschehens“ hinweisen. Für die qualitative Forschung bezieht sich das Kriterium der Zuverlässigkeit daher eher auf den Forschungsprozess (vgl. Meyen et al. 2011: 47) und kann als „prozedurale Reliabilität“ (Flick 2007: 490) verstanden werden. Im Sinne prozeduraler Reliabilität kann im Unterschied zur quantitativen Forschung daher nicht der Anspruch auf intersubjektive Überprüfbarkeit erhoben werden. Stattdessen muss das Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit zur Anwendung kommen (vgl. Steinke 2013: 324). Nach Steinke kann intersubjektive Nachvollziehbarkeit durch drei Strategien sichergestellt werden. Zunächst wäre hier die Regelgeleitetheit beziehungsweise Kodifizierung des Forschungsprozesses

154

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

zu nennen (vgl. auch Mayring 2016: 145f.). Trotz der Offenheit qualitativer Forschung muss sie sich dennoch um „die Explikation und Kodifizierung von Forschungstechniken, das heißt die Explikation und systematische Analyse des Vorgehens mit dem Ziel der logischen Formulierung von Methoden“ (Steinke 2013: 326), bemühen. Auch qualitative Forschung muss sich also an bestimmte Verfahrensregeln halten und systematisch das Material bearbeiten. Im Zuge dieses Forschungsprojektes wird diesem Punkt beispielsweise durch die Anwendung von kodifizierten Auswahlverfahren sowie der systematischen, kategoriengeleiteten Ableitung der Interviewfragen aus den Forschungsfragen (vgl. Kapitel 6.1.1.3.) Rechnung getragen. Ebenso wurde der Kodierleitfaden kategoriengeleitet entwickelt. Darüber hinaus gilt es, den Forschungsprozess für andere Forscher transparent, also intersubjektiv „nachvollziehbar“ zu gestalten (vgl. Meyen et al. 2011: 48). Unter anderem müssen folgende Punkte dokumentiert werden (vgl. Steinke 2013: 324f.; vgl. auch Meyen et al. 2011: 48): • Vorverständnis des Forschers: Im Rahmen einer Selbstreflexion müssen die Vorannahmen und das Erkenntnisinteresse des Forschers ausführlich dokumentiert werden. • Erhebungs- und Auswertungsmethoden und Erhebungskontext: detaillierte Angaben zu den verwendeten Verfahren (z.B. Leitfadeninterviews, Auswahlverfahren, Feldzugang) und deren Entwicklung durch den Forscher. Auch Widersprüche oder Probleme sollen dokumentiert werden. Zusätzlich sollten Informationen über den Kontext, in dem die Interviews stattfanden (z.B. Gesprächsatmosphäre), zur Verfügung gestellt werden. Der Auswertungsprozess sollte ebenfalls dokumentiert sein (z.B. Transkriptionsregeln, Kodierverfahren). • Dokumentation der Informationsquellen: Kenntlichmachung, aus welcher Quelle die Informationen stammen (direkte Äußerungen von Interviewpartnern bzw. sinngemäße Wiedergabe ihrer Äußerungen, Kontext, in dem Äußerungen gemacht wurden, Beobachtungen des Forschers, Deutungen/Hypothesen/Interpretationen des Forschers). Die entsprechenden Angaben finden sich im gesamten Kapitel 6 und im Anhang (Interviewleitfaden, Kodierleitfaden etc.). Im Ergebnisteil der Arbeit wurde außerdem kenntlich gemacht, was indirekte beziehungsweise direkte Äußerungen der Interviewpartner sind und an welchen Stellen die Autorin Deutungen vorgenommen hat.

6.1. Das Untersuchungsdesign

155

Ein dritter Punkt, auf den sowohl Steinke (2013: 326) als auch Meyen et al. (2011: 48) im Zusammenhang mit dem Zuverlässigkeitskriterium hinweisen, ist die Interpretation in Gruppen. Die Befunde des Forschers sollen im Rahmen von Gesprächen mit anderen Forschern diskutiert und verifiziert werden. Diese Strategie kam im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojektes am wenigsten zur Anwendung. Die Autorin diskutierte als externe Promovierende ihr Vorgehen im Rahmen eines kontinuierlichen Austausches zwar regelmäßig mit dem Doktorvater sowie Kollegen, Freunden und der Familie. Dennoch ist anzumerken, dass zumindest die zuletzt genannten Personen nicht über das gesamte „(theoretische und empirische) Vorwissen“ (Meyen et al. 2011: 48) verfügten und das Material auch nicht beziehungsweise nur teilweise selbst ausgewertet hatten. Gültigkeit Das Kriterium der Gültigkeit erinnert an das quantitative Kriterium der Validität beziehungsweise der internen Validität, das die Eignung einer Erhebungs- beziehungsweise Messmethode hinsichtlich ihrer Zielsetzung bestimmt. Validität beschreibt also, inwiefern ein Messinstrument misst, was es messen soll. Das Grundproblem mit dem Konzept der Validität im Zusammenhang mit qualitativer Forschung besteht in der Untrennbarkeit der Erhebungsmethode vom Forscher. Wichtig ist also, dass der Forscher die Schlussfolgerungen, die er im Rahmen seiner Forschung zieht, nachvollziehbar begründet: „Wenn man von dieser Position ausgeht, wird die Frage der Validität von qualitativer Forschung zu einer Frage, inwieweit die Konstruktionen des Forschers in den Konstruktionen derjenigen, die er untersucht hat, begründet sind (...) und inwieweit für andere diese Begründetheit nachvollziehbar wird (...).“ (Flick 2007: 493)

Um die Stimmigkeit insbesondere der Ergebnisse zu erhöhen, sollten erstens die Interpretationen, die der Forscher im Rahmen der Auswertung vornimmt, eng am Text belegt und durch entsprechende (kontextualisierte) Textbelege untermauert werden (vgl. Talanow 2015: 178, Steinke 2013: 328). Flick schlägt darüber hinaus die Analyse der Interviewsituation vor: „Zur zentralen Frage wird hier, ob Interviewpartner aufgrund der Interviewsituation einen Anlass hatten, bewusst oder unbewusst eine spezifische, d.h. verfälschte Version ihrer Erfahrungen zu konstruieren, die sich nicht (oder nur begrenzt) mit ihren Sichtweisen deckt.“ (Flick, 2007: 494)

Analysen der Interviewsituation waren im Zuge der Auswertung auf Basis von detaillierten Interviewprotokollen möglich, die unmittelbar nach den Interviews

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6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

erstellt und in denen Informationen über die Gesprächsatmosphäre festgehalten wurden. Verzerrungen im Sinne von Flick konnten von der Autorin in den Interviewsituationen jedoch nicht identifiziert werden. Des Weiteren schlagen sowohl Steinke (2013) als auch Flick (2007) die kommunikative Validierung der Interviewsituation zur Steigerung der Gültigkeit der Ergebnisse vor. Die kommunikative Validierung „ermöglicht eine Rückbindung der im Forschungsprozess entwickelten Theorie an die Untersuchten“ (Steinke 2013: 329). Konkret soll nach der Transkription des Interviews die inhaltliche Zustimmung der befragten Person zu ihren Aussagen eingeholt werden (vgl. Flick 2007: 495; vgl. auch Mayring 2016: 147). Auch diese Strategie wurde im Rahmen dieser Arbeit verfolgt. Wie unten noch im Detail ausgeführt wird, wurden den Befragten die Zitate, die in den Text eingeflossen sind, zur Autorisierung vorgelegt. Hinsichtlich des Konzeptes der Gültigkeit spricht Flick (2007: 497ff.) schlussendlich eher von einer prozeduralen Validität beziehungsweise Validierung, als von Validität im Sinne quantitativer Forschung. Die „Beurteilung des einzelnen Schritts oder Bestandteils der Forschung zur Herstellung von Transparenz über den Forschungsprozess“ (Flick 2007: 499) steht im Zentrum, um die „Stimmigkeit von Fragestellung, Theorie, Methode und Ergebnissen“ (Meyen et al. 2011: 47) sicherzustellen. Im Zusammenhang mit der Validität kommt also auch der detaillierten Dokumentation des Forschungsprozesses eine große Bedeutung zu. Übertragbarkeit Beim Kriterium der Übertragbarkeit geht es um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse der Forschung im Sinne externer Validität in der quantitativen Forschung. Dieses Kriterium ist erfüllt, „wenn die Befunde, die bei der Untersuchung einer betreffenden Stichprobe beziehungsweise der Fälle gemacht wurden, auch für andere Stichproben oder Fälle gültig sind“ (Talanow 2015: 180). Die Idee der Generalisierbarkeit über den Fall hinaus ist in der qualitativen Forschung aus verschiedenen Gründen (vgl. Kapitel 7.1.) grundsätzlich nicht vorgesehen. Dies liegt unter anderem an den kleinen Stichproben beziehungsweise Fallzahlen, die in qualitativen Studien untersucht werden, und in der Strategie der bewussten „Fallauswahl“. Dennoch geht es auch bei der qualitativen Forschung darum, Aussagen zu tätigen, „die über das konkrete Untersuchungsobjekt hinausweisen und deshalb verallgemeinerbar sind“ (Meyen et al. 2011: 12). Der Ergebnisteil sollte idealerweise über die Untersuchungsteilnehmer hinausweisen und Strukturen beziehungsweise Hand-

6.1. Das Untersuchungsdesign

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lungsmuster oder auch Faktoren benennen, die das Handeln der Menschen beeinflussen, die unter bestimmten Voraussetzungen auch an anderer Stelle anzutreffen sind (vgl. Meyen et al. 2011: 169). Generalisierungsversuche müssen im Rahmen qualitativer Forschung aber stets gut begründet werden: „Diese Orientierung an einzelnen Fällen geht aber trotzdem Hand in Hand mit Generalisierungsversuchen. Es geht also schon auch um Verallgemeinerungen, die erfolgen allerdings behutsam und step by step.“ (Herv. i.O.) (Hug et al. 2014: 89)

Voraussetzung für eine gewisse Generalisierbarkeit von Ergebnissen qualitativer Forschung ist dabei die Auswahl möglichst unterschiedlicher Fälle gemäß dem Kriterium der maximalen Variation nach Patton (2002), das auch in dieser Arbeit zum Einsatz gekommen ist. Je größer die Varianz in den Merkmalen der Untersuchungsteilnehmer, desto größer die Generalisierbarkeit (vgl. Steinke 2013: 329f.). Obwohl qualitative Daten strenggenommen (und das nur im Falle der Erfüllung des Gültigkeits- und des Zuverlässigkeitskriteriums) nur für die im Rahmen der Studie untersuchten Fälle Gültigkeit besitzen, werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten der Generalisierung von Ergebnissen qualitativer Forschung diskutiert. Lewis et al. (2013: 348ff.) unterscheiden hier drei Arten von Generalisierung: Representational Generalisation, Inferential Generalisation und Theoretical Generalisation. Representational Generalisation bezieht sich auf die Frage, ob die Ergebnisse der qualitativen Studie auf die zugrunde liegende Fallpopulation beziehungsweise Grundgesamtheit ausgedehnt werden können (vgl. Lewis et al. 2013: 349). Generalisierbarkeit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass man die Verteilung der Merkmalsausprägungen in der Stichprobe auch für die Grundgesamtheit annehmen kann. Vielmehr bedeutet Generalisierbarkeit hier, dass die Stichprobe eine möglichst große Bandbreite an Merkmalskombinationen berücksichtigt (vgl. Lewis et al. 2013: 350f.). Eine gute Generalisierbarkeit erreicht man daher nicht durch eine repräsentative Stichprobe, sondern durch eine möglichst große Varianz an untersuchten Ausprägungen sowie Faktoren, die sie beeinflussen (vgl. Talanow 2015: 186, Lewis et al. 2013: 351). Hat man eine solch große Bandbreite untersucht, ist es möglich, durch detaillierte Beschreibungen und Erklärungen eine gewisse Form der Generalisierung vorzunehmen, auch wenn in der Grundgesamtheit weitere Merkmalskombinationen vorkommen, die in der Studie nicht betrachtet wurden (vgl. Talanow 2015: 186). Im Rahmen der vorliegenden Studie stellten die vier Stakeholdergruppen der Mitarbeiter, Medienvertreter, politischen Akteure und Investoren die vier Grundgesamtheiten dar, die der Studie zugrunde lagen. Für die einzelnen Stakeholdergruppen können dabei jeweils ähnliche Rahmenbedingungen ange-

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6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

nommen werden – unter anderem in Bezug auf die allgemeinen Erwartungen der Mitglieder derselben Stakeholdergruppe gegenüber einem Unternehmen, den Nutzen, den sie aus ihrer Beziehung zum Unternehmen ziehen, und die Ziele, die sie mit ihrer Beziehung zum Unternehmen verknüpfen. Gemäß der Strategie maximaler Variation wurde versucht, innerhalb einzelner Stakeholdergruppen möglichst unterschiedliche Merkmalsausprägungen einzufangen. Außerdem haben die befragten Experten (vgl. Kapitel 7.1.1.1.) überwiegend den Status von Meinungsführern, die Meinungen anderer Mitglieder der Stakeholdergruppe stark beeinflussen können. Daher kann angenommen werden, dass die Ergebnisse aus den Experteninterviews auch für andere Mitglieder der Stakeholdergruppe mit derselben oder einer ähnlichen Merkmalsausprägung zutreffen. Im Sinne der Inferential Generalisation stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse aus den Experteninterviews auf solche Fälle, die nicht zur Fallpopulation gehören, ausgedehnt werden können (vgl. Lewis et al. 2013: 349). Dies wären für die vorliegende Studie weitere Anspruchsgruppen des Unternehmens wie beispielsweise Kunden, Zulieferer oder die allgemeine Öffentlichkeit. Hier verändern sich jedoch die Rahmenbedingungen der Wahrnehmung – insbesondere die Vorprägungen als eine wichtige Quelle von Images (vgl. Abschnitt 2.2.) – gegenüber den vier untersuchten Stakeholdergruppen. Dennoch kann man in einem gewissen Rahmen möglicherweise auch Schlüsse für die übrigen Stakeholdergruppen ziehen, wenn man die veränderten Rahmenbedingungen der Wahrnehmung in die Analyse einbezieht. Dies würde jedoch eine sehr genaue Kenntnis der speziellen Rahmenbedingungen der Wahrnehmung der jeweiligen Stakeholdergruppe erfordern (vgl. Lewis et al. 2013: 352). Werden solche Inferenzschlüsse vorgenommen – was höchstens am Rande Ziel dieser Studie ist – so können diese nicht in Form von gesicherten Ergebnissen, sondern bis zu ihrer Bestätigung beziehungsweise Widerlegung lediglich in Form von Hypothesen vorgenommen werden (vgl. Talanow 2015: 188). Theoretical Generalisation ist dann möglich, wenn die Ergebnisse die Formulierung von neuen Theorien ermöglichen oder aber zur Weiterentwicklung bestehender Theorien dienen (vgl. Lewis et al. 2013: 349). Im Rahmen dieser Dissertation wurde zunächst ein Modell zur Beschreibung und Analyse der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images aus der Literatur abgeleitet. Dieses Modell wird anhand der Ergebnisse aus den Experteninterviews einer Prüfung unterzogen und, falls notwendig, an den entsprechenden Stellen angepasst. Insbesondere für die zweite Personalisierungsdimension ist die Modellüberprüfung ein expliziter Bestandteil der Experteninterviews.

6.1. Das Untersuchungsdesign

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Werturteilsfreiheit Werturteilsfreiheit entspricht dem Kriterium der Objektivität der quantitativen Forschung. Objektivität meint die vollständige Unabhängigkeit der Forschung und der Ergebnisse von den Einflüssen des Forschers. Ein Forschungsinstrument entspricht diesem Kriterium dann, wenn verschiedene Forscher mit dem gleichen Instrument zum selben Ergebnis kommen. Dies ist in der qualitativen Forschung, die ja untrennbar mit dem Forscher verbunden ist (vgl. Kapitel 6.1.), unmöglich. Steinke spricht in diesem Zusammenhang daher auch von reflektierter Subjektivität anstelle von Objektivität: „Dieses Kriterium prüft, inwiefern die konstituierende Rolle des Forschers als Subjekt (mit seinen Forschungsinteressen, Vorannahmen, Kommunikationsstilen, biographischem Hintergrund etc.) und als Teil der sozialen Welt, die er erforscht, möglichst weitgehend methodisch reflektiert in die Theoriebildung einbezogen wird.“ (Steinke 2013: 331)

Damit entsprechen die Anforderungen an die reflektierte Subjektivität der Forderung von Meyen et al. (2011: 48) nach einer umfassenden Selbstreflexion des Forschers. Diese Selbstreflexion sollte folgende Punkte umfassen, denen im Rahmen der Kapitel 7 Rechnung getragen wurde (vgl. Steinke 2013: 331): 1. Selbstbeobachtung des Forschers während des Forschungsprozess (z.B. um nachzuvollziehen, ob bestimmte Aspekte aus der Theoriebildung ausgeschlossen wurden) 2. Reflexion der persönlichen Voraussetzung des Forschers (ein Forscher, dem offene Situationen unangenehm sind, ist z.B. für narrative Interviews ungeeignet) 3. Reflexion von Vertrauensbeziehungen zwischen Forscher und Informant beziehungsweise Gesprächspartner 4. Reflexion von Irritationen während des Feldeinstiegs Die methodologische Reflexion der eingesetzten Methoden sowie der Gütekriterien qualitativer Forschung in diesem Kapitel erfolgte mit dem Ziel, sie im Sinne der Sicherung eines möglichst hohen methodischen Standards beim Design und der Durchführung der Fallstudien zu berücksichtigen.

160

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

6.2. Dokumentation der Interviews Im Zeitraum von April bis Oktober 2016 führte die Autorin Gespräche mit 30 Personen. Diese Gespräche dauerten insgesamt knapp 21 Stunden. Die durchschnittliche Gesprächsdauer lag bei ca. 42 Minuten. Allerdings variierte die Gesprächsdauer teilweise stark. So dauerte das kürzeste Interview gerade einmal rund 25 Minuten, während das längste über eine Stunde dauerte. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein kurzes Interview kein Indikator für Abschläge im Inhalt war. So dauerten einige der inhaltsreichsten Interviews gerade einmal rund eine halbe Stunde. Der überwiegende Teil der Interviews fand persönlich statt. Zu diesem Zweck reiste die Interviewerin unter anderem nach London, Berlin, Frankfurt, Bad Homburg, Hamburg, Bonn, Darmstadt, Essen und Düsseldorf. Fünf Interviews wurden telefonisch geführt. Dies geschah in allen Fällen aus terminlichen Gründen, weil ein persönliches Gespräch im anvisierten Zeitraum nicht realisierbar war. Obwohl telefonische Experteninterviews eine kostengünstige Alternative sind (vgl. Bogner et al. 2014: 39, Busse 2003: 28), haben sie dennoch klare Nachteile gegenüber persönlichen Gesprächen: „Ein Nachteil dieser Methode ist allerdings die Tatsache, dass im Gegensatz zum üblichen Interviewverfahren, bei dem man seinem Gesprächspartner von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzt, ein nicht unwichtiger Bestandteil menschlicher Kommunikation (Körpersprache, Mimik) verlorengeht: Man ist auf die Stimme seines Gesprächspartners als Informationsquelle beschränkt, und er hört nur die Stimme des Interviewers.“ (Busse 2003: 28).

Daraus ergeben sich Probleme bei der Interviewführung. Der Wegfall von nonverbalen Signalen hat eine höhere Anzahl potentieller Störquellen im Interaktionsprozess zwischen Interviewer und Befragtem zur Folge. Außerdem können potentielle externe Störquellen (z.B. das Hinzutreten von Dritten) nicht erkannt werden. Dies hat zur Folge, dass der Interviewer nicht genau feststellen kann, ob der Befragte seine volle Aufmerksamkeit auf das Interview richtet (vgl. Christmann 2009: 218). In der Literatur herrscht aus diesen Gründen weitgehend Einigkeit darüber, dass telefonische Interviews mit stärker ausformulierten und durchstrukturierten Leitfäden geführt werden müssen, um Verständnisprobleme aufgrund der Distanz gar nicht erst aufkommen zu lassen (vgl. Busse 2003: 31). Außerdem sei es entscheidend für die Gesprächsqualität, „die Fragen so klar und präzise wie möglich zu stellen“ (Busse 2003: 31). Im Rahmen dieser Dissertation wurden die telefonischen Interviews mit den gleichen Interviewleitfäden geführt wie die persönlichen Interviews. Auffällig war in der Rückschau allerdings, dass die telefonischen Interviews sich tatsächlich insgesamt etwas enger am Interviewleitfaden orientierten als die

6.3. Auswertungsverfahren

161

persönlichen Interviews. Dennoch kam grundsätzlich ein sehr guter und konzentrierter Gesprächsfluss in den Telefoninterviews zustande. Vor Beginn der Interviews wurden alle Befragten über das Thema des Forschungsprojektes und den Interviewzweck aufgeklärt. Außerdem wurde das Einverständnis für die Tonbandaufzeichnung des Interviews eingeholt und Möglichkeiten der Anonymisierung der Interviewdaten besprochen. Alle befragten Personen erklärten sich im Anschluss an das Interview zu einem Verzicht auf die Anonymisierung bereit, und zwar unter der Bedingung, die im Rahmen der Arbeit verwendeten Zitate autorisieren zu dürfen. Sämtliche Interviews wurden von der Autorin persönlich anhand desselben Erhebungsinstrumentes in Form des Leitfadens geführt. Gleichwohl verlief – wie es im Rahmen teilstrukturierter Interviews gewollt ist – jedes Gespräch anders ab und das mit teilweise unterschiedlichen Schwerpunkten (vgl. Talanow 2015: 182f.). Der Leitfaden blieb dabei in seiner Struktur im Wesentlichen unverändert. Nach den ersten Interviews wurden lediglich einzelne weitere Fragen hinzugefügt. Der überwiegende Teil der Interviews wurde mit dem finalen Leitfaden geführt. Außerdem wurde nach den ersten Interviews eine zweite Übersicht zur ersten Personalisierungsthese entwickelt, die den Experten zu Verdeutlichungszwecken oder bei Verständnisproblemen im Rahmen von Fragen zur ersten Personalisierungsthese während der Gespräche vorgelegt wurde. Im Zuge der Interviews wurden die befragten Experten mit dem von der Autorin entwickelten CEO-Imageprofil konfrontiert, das stets ausführlich diskutiert wurde. 6.3. Auswertungsverfahren Auch die Auswertung der 30 Expertengespräche erfolgte gemäß der Gütekriterien qualitativer Forschung regelgeleitet und systematisch. Dabei kann die Auswertung qualitativer Daten grob in drei Schritte untergliedert werden: Datenaufbereitung, Datenanalyse und Ergebnisdarstellung (vgl. Hussy et al. 2013: 245). Zunächst mussten die in den Interviews gewonnenen und audiographisch aufgezeichneten Daten verschriftlicht und somit der Analyse zugänglich gemacht werden. Die Interviews wurden von zwei Transkriptoren manuell transkribiert. Die Transkription erfolgte zur Sicherung der Qualität und Einheitlichkeit (zwei Transkriptoren) anhand eines Regelsystems zur Transkription, das schriftlich festgehalten wurde (vgl. Anhang). Auch führte die Autorin eine intensive Qualitätskontrolle insbesondere der Transkripte durch, die hervorragend ausfielen. Ziel der Transkription muss es sein, die Schriftfassung intersubjektiv nachvollziehbar zu gestalten. Gleichzeitig sollte alles aufgenommen werden, was für das Forschungsziel und die Interpretation der Daten

162

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

wichtig ist. In diesem Forschungsprojekt war es für das Forschungsziel und die Analyse wichtig, was gesagt wurde, nicht, wie etwas gesagt wurde (vgl. Gläser und Laudel 2010: 193). Aus diesem Grund wurde vollständig und wörtlich, aber nicht lautsprachlich transkribiert. Syntaktische beziehungsweise semantische Besonderheiten ihrer Äußerungen boten keinen zusätzlichen Erklärungsinhalt für die Beantwortung der Forschungsfragen. Parasprachliche Äußerungen wurden zu normalem Schriftdeutsch gekürzt. Ebenso wurden sprachliche Glättungen abgebrochener Worte beziehungsweise Sätze, Versprecher, Wiederholungen oder Fülllaute vorgenommen, die nichts zum Inhalt der Aussage beitrugen. Alle emotionalen oder nonverbalen Merkmale wie Lachen, Luft holen, Zögern oder ähnliches, die zum inhaltlichen Verständnis wichtig sind, ebenso wie besondere Betonungen von einzelnen Wörtern oder Satzteilen, wurden kenntlich gemacht. Zusätzlich zur Transkription wurde direkt im Anschluss an die jeweiligen Interviews ein Interviewprotokoll erstellt. Darin wurde festgehalten, was nach dem Abschalten des Tonbands noch erzählt wurde, sowie alles, was für die Interpretation des Gespräches wichtig erschien (Gesprächsatmosphäre, Störungen und Zwischenfälle, Besonderheiten bei der Behandlung einzelner Themenbereiche etc.). Außerdem wurde kurz der Weg der Rekrutierung des Interviewpartners festgehalten, ebenso wie die Vereinbarungen mit diesem bezüglich der Anonymisierung im finalen Text. Die Interviewprotokolle wurden den Transkripten beigefügt und im Rahmen der Analyse der einzelnen Interviews herangezogen. Die Daten aus den Experteninterviews wurden im Rahmen der Analyse entlang des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung ausgewertet. Diese theoretisch fundierte Herangehensweise entspricht der Forderung von Meyen et al. (2011: 168) nach einem kategoriengeleiteten Vorgehen der Analyse und einer Rückbindung jedes einzelnen Schrittes des Forschungsprozesses an die Analysedimensionen. Die einzelnen Analyseschritte müssen mit konzeptionellen Überlegungen korrespondieren, die Ergebnisse der Analyse anschließend wieder auf den theoretischen Kontext rückbezogen werden (vgl. Kaiser 2014: 92). Wie bereits weiter oben (vgl. Kapitel 6.1.1.3.) beschrieben, wurden die Interviewfragen systematisch in einem Dreischritt aus den Forschungsfragen abgeleitet. Kaiser (2014) schlägt vor, die entwickelten Dimensionen als Grundlage für die Entwicklung von Kategorien für den Kodierleitfaden zu nehmen. Zusätzlich plädiert er für die Möglichkeit, deduktive Kategorien, die aus der Theorie abgeleitet wurden, durch induktive zu ergänzen, um die Offenheit qualitativer Forschung zu gewährleisten (vgl. Kaiser 2014: 92). Unter Bezugnahme auf Kaiser (2014), Mayring

6.3. Auswertungsverfahren

163

(2015) sowie Meuser und Nagel (2009) wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit daher folgende systematische Vorgehensweise für die Auswertung der 30 Experteninterviews gewählt: 1. Kodierung der Interviews anhand eines konzeptionell/theoretisch begründeten Kategoriensystems (deduktive Vorgehensweise). Das Kategoriensystem (Hauptkategorien) besteht aus den „Fragekomplexen“, die im Rahmen der Ableitung der Interviewfragen aus den Forschungsfragen entwickelt wurden. In wenigen Fällen werden Unterkategorien zu den Hauptkategorien gebildet. 2. Textstellen, die für die Beantwortung der Forschungsfragen relevant erscheinen, sich aber nicht unter das existierende Kategoriensystem subsumieren lassen, werden zunächst textnah kodiert (induktive Vorgehensweise). 3. In einem nächsten Schritt werden redundante Textstellen gestrichen und die übrigen Textstellen gleicher Kodierung auf der Ebene der einzelnen Interviews zusammengefasst. 4. Induktiv gebildete Kategorien werden in Anlehnung an Mayrings (2015) Analysetechnik der Explikation notfalls um zusätzliche Informationen ergänzt, die zum konzeptionellen Verständnis und zur Einordnung der Textstelle notwendig erscheinen. 5. Gleiche Kodierungen werden über alle Interviews zusammengefasst und zu Kernaussagen paraphrasiert. 6. Zum Schluss werden die Sinnzusammenhänge, die in den Kodierungen und Kernaussagen immanent werden, unter Rückgriff auf das der Arbeit zugrunde liegende theoretische Modell miteinander verknüpft. Für die induktiv gebildeten Kategorien gilt es zu beachten, dass in Schritt fünf zunächst thematisch vergleichbare Textpassagen aus den verschiedenen Interviews gebündelt und zu Kodierungen verdichtet werden. Dabei ist zunächst von einer theoriesprachlichen Abstraktion (vgl. Meuser und Nagel 2009: 57) abzusehen. Erst im Anschluss „erfolgt eine Ablösung von den Texten und auch von der Terminologie der Interviewten. Gemeinsamkeiten und Differenzen werden im Rekurs auf theoretische Wissensbestände begrifflich gestaltet“ (Meuser und Nagel 2009: 57). Der deduktiv abgeleitete Kodierleitfaden umfasste schließlich 23 Hauptkategorien, die das Modell zur Beschreibung und Analyse der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images abbildeten (vgl. Anhang). Nach ihrer Transkription wurden die Interviews entsprechend der oben beschriebenen Vorgehensweise und dem deduktiv entwickelten Kategoriensystem kodiert. Anschließend wurden die

164

6. Konzeption der Empirischen Untersuchung

Ergebnisse unter Rückgriff auf das thematische Rahmenwerk und das Modell, das dieser Dissertation zugrunde liegt, aufbereitet, um eine gute Anschlussfähigkeit an die Theoriediskussion zu erreichen (vgl. Talanow 2015: 184). Direkte Zitate aus den Experteninterviews, die im Ergebnisteil als Ankerzitate Verwendung finden, wurden den Interviewpartnern zur Freigabe vorgelegt. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen war die Autorisierung der Zitate in beinahe allen Fällen Voraussetzung für das Einverständnis zur Aufzeichnung der Interviews und den Verzicht auf die Anonymisierung des Experten im finalen Text. Zum anderen diente die Freigabe der Zitate auch deren kommunikativer Validierung, die als Strategie zur Validierung qualitativer Daten weiter oben diskutiert wurde. Im Zuge der Autorisierungen nahmen die Experten wenige sprachliche Glättungen an den Zitaten vor, ohne jedoch inhaltliche Aussagen zu verändern. Auch wurden ganz vereinzelt Zitate gestrichen, mit deren Veröffentlichung sich der Experte nicht einverstanden erklärte.

7.

Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung Im Rahmen der Gespräche wurden die Interviewpartner zunächst nach ihrer Einschätzung der Bedeutung von CEO-Images für die Unternehmenswahrnehmung im Allgemeinen – unabhängig von der Wahrnehmung der jeweiligen Stakeholdergruppe – gefragt. Grundsätzlich maßen alle Befragten dem Personalisierungsphänomen für die Ebene der Stakeholderwahrnehmung eine große Bedeutung bei. Auf die direkte Frage nach der Einschätzung der Bedeutung des CEOs für die Wahrnehmung des Unternehmens in der eigenen Stakeholdergruppe ergab sich allerdings ein zweigeteiltes Bild: Eine Gruppe von Experten schätzte die Bedeutung des CEOs für die Unternehmenswahrnehmung der eigenen Stakeholdergruppe sehr hoch ein: „Da sind wir schon sehr weit. Hat selbst uns „erfasst“ in Anführungszeichen. Wir können uns der Personalisierung nicht entziehen, weil es einfach in der Wahrnehmung auch unserer Zielgruppe an Bedeutung gewonnen hat. Aber ich glaube, dass es kaum noch zu steigern ist.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter) „Ich glaube, alle tun das und ich glaube, Investoren können sich davon nicht frei machen. Auch, weil Investoren wie alle anderen Zeitung lesen. Medien pushen die Personalisierung. In einer immer komplexeren Welt neigen nicht nur Medienvertreter, sondern Menschen im Allgemeinen, dazu, sich ein einfacheres Bild von komplexen Tatbeständen zu machen. Und da ist die Person des CEO eben eine Möglichkeit.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren) „Der CEO hat eine erhebliche Auswirkung auf die Wahrnehmung des Unternehmens durch die Journalisten. Manchmal sogar auch eine überhöhte, würde ich sagen.“ (Hermann-Josef Tenhagen, Experte Medienvertreter)

Dagegen ging eine andere Gruppe von Experten zunächst davon aus, dass die Bedeutung des CEOs für die Wahrnehmung der eigenen Stakeholdergruppen eher gering sei: „Für uns ist das gesamte Unternehmen schon noch wichtiger als der CEO, zur Jahrtausendwende mag das beim Blick auf einige Technologie-Gurus anders gewesen sein.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „In der Gesamtheit würde ich sagen, es gibt einige Unternehmen, in denen das wirklich so ist, also in denen der CEO stark wahrgenommen wird und das, was er sagt, auch eine hohe Relevanz hat. Ich glaube aber, dass das in den wenigsten Unternehmen so ist. Ich gehe sogar davon aus, dass es in vielen Unternehmen so ist, dass die © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_7

166

7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Mitarbeiter nicht einmal wissen, wer der CEO ist.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter) „Dass wir als Politiker börsennotierte Unternehmen über die CEOs wahrnehmen? Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen. Ich finde Personalisierung – jedenfalls im deutschen Kontext – eher bei familiengeführten Unternehmen.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure) „Unternehmen werden zukünftig eher immer weniger über ihre CEOs wahrgenommen, weil die Verweildauern an der Spitze immer kürzer werden, und auch weil es nur noch sehr wenige Gründer-CEOs gibt.“ (Dr. Hans-Christoph Hirt, Experte Investoren)

Trotz dieser Einschränkung lassen zahlreiche indirekte Hinweise zur Qualität des Zusammenhangs zwischen den Imagesubjekten CEO und Unternehmen sowie zum handlungsleitenden Einfluss des CEO-Images Rückschlüsse darauf zu, dass beinahe alle Experten grundsätzlich eine Tendenz zur Personalisierung der Wahrnehmung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen in der eigenen Stakeholdergruppe wahrnehmen. 47 Dennoch existieren graduelle Unterschiede zwischen den Einschätzungen der Qualität des Zusammenhangs durch die verschiedenen Experten. Aus der Auswertung der Expertenaussagen unter Rückgriff auf den theoretischen Rahmen ergeben sich dabei verschiedene Zusammenhänge, in denen sich personalisierte Stakeholderwahrnehmung manifestiert. Diese werden im Folgenden vorgestellt und erörtert. Stakeholderspezifische Besonderheiten – ob diese auf einzelne Mitglieder der Stakeholdergruppen oder die gesamte Stakeholdergruppe zutreffen – werden an den entsprechenden Stellen herausgearbeitet. 7.1.1. Der CEO als systemverantwortlicher Unternehmensrepräsentant Die Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung kommt in den Expertengesprächen unter anderem in der personenbezogenen Adressierung von Unternehmen zum Ausdruck, die von Szyszka (2010) als Ausdruck eines personalisierten Wahrnehmungsverhaltens identifiziert wurde (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Aus den Expertengesprächen wird deutlich, dass organisationales Handeln für die Stakeholder auf der Ebene ihrer Repräsentanten sichtbar wird (vgl. Szyszka 2010: 96). Die Experten weisen darauf hin, dass CEOs wesentliche Entscheidungen für ihre Unternehmen treffen: 47

Im Verlauf der Interviews wurden an vielen Stellen Ursachen für die „Ablehnung“ der Annahme einer personalisierten Wahrnehmung in der eigenen Stakeholdergruppe ersichtlich. Diese werden im Verlauf des Kapitels noch diskutiert.

7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung

167

„Natürlich hat der CEO einen großen Anteil an der Unternehmenswahrnehmung, weil man ja unternehmerische Entscheidungen an ihm festmacht. Da fallen beide schon zusammen, also der Topentscheider und Repräsentant und das Unternehmen. Es ist ja kaum möglich, das zu trennen.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure) „Und dann wendet man sich schon in erster Linie an den CEO oder an den gesamten Vorstand und meistens auch Aufsichtsrat. Und das ist dann schon personalisiert, weil das diejenigen sind, die die Firmenpolitik verantworten, Entscheidungen treffen, Weisungen geben und Richtlinien vorgeben. Und die sind unsere ersten Ansprechpartner, die wir kritisieren, wenn wir sagen, in Umweltfragen, Menschenrechtsfragen habt ihr die und die Defizite, da müsst ihr mehr ran gehen.“ (Christian Russau, Experte politische Akteure)

Daraus schließen sie wiederum, dass auch die Verantwortung für organisationales Handeln immer den handelnden Personen und nicht der anonymen Organisation zugeschrieben werden müsse. Dem CEO, als höchstem Unternehmensrepräsentanten, wird dabei die Gesamtverantwortung für die Unternehmenshandlungen zugeschrieben: „Bei der Wahrnehmung von Unternehmensverantwortung wird sehr stark auf die wenigen Spitzenpersönlichkeiten hin personalisiert, und die Unternehmen werden dann nicht selten mit ihren Spitzenpersonen gleichgesetzt.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure) „Ich würde schon sagen, der CEO ist derjenige, der die Gesamtverantwortung hat.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

Nach Meinung einiger Experten hat der CEO eine Generalverantwortung oder auch „Systemverantwortung“, weil er die Rahmenbedingungen des Systems „Unternehmen“ durch seine Leitentscheidungen vorgibt. Dem CEO wird von den Experten daher auch die Verantwortung für Entscheidungen zugeschrieben, die nicht er selbst, sondern andere getroffen haben. Als Akteur mit dem größten Entscheidungsspielraum schränke er, so die Experten, den Entscheidungsspielraum von Akteuren auf nachgelagerten Hierarchieebenen ein und würde ihre Entscheidungen mitbestimmen: „Jede Entscheidung geht mit Verantwortung einher. Und da die CEOEntscheidungsebene die weitreichendste im Unternehmen ist und möglicherweise den Entscheidungsspielraum anderer Leute dann deutlich einschränkt, müssen CEOs auch Verantwortung für Dinge übernehmen, die sie am Ende gar nicht selbst entschieden haben, wo aber der Entscheidungsspielraum der Leute, mit denen sie arbeiten, soweit eingegrenzt wird, dass das, was dann hinterher sozusagen als MitarbeiterEntscheidung raus kommt, durch deren Leitlinien quasi vorgegeben ist.“ (HermannJosef Tenhagen, Experte Medienvertreter)

168

7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

„Ja, es entsteht eine Systemverantwortung dadurch, dass der CEO die Rahmenbedingungen des Systems wesentlich prägt.“ (Hermann-Josef Tenhagen, Experte Medienvertreter)

Eine Ausnahme stellen nach Meinung der Experten ausschließlich Entscheidungen dar, die eindeutig in ein anderes Vorstandsressort fallen: „Das sind dann Fälle, wo man schon darüber nachdenkt, wie man den Tagesordnungspunkt „Entlastung“ bewertet. Ist es kriminell oder wirklich schweres Fehlverhalten? Und wenn ein Vorstand Fehler gemacht hat, denkt man natürlich in erster Linie an den CEO – es sei denn, es sind Themen, die ganz eindeutig in das Ressort eines anderen Vorstandsmitglieds fallen.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Bei fachspezifischen Themen werden in der Stakeholderwahrnehmung also andere Vorstandsmitglieder zur Verantwortung gezogen (vgl. 3.2.1.). Die Systemverantwortung wird dem CEO von den Stakeholdern nach Ansicht der Experten zugeschrieben, obwohl der Einfluss von äußeren Faktoren (z.B. Marktumfeld, Konjunkturzyklen), institutionelle Beschränkungen des Handlungsspielraumes des CEOs sowie unvollständige Informationen über Unternehmenszusammenhänge durchaus von den befragten Experten anerkannt werden: „Ich glaube, man darf die Rolle eines CEO nicht überschätzen und denken, der ist jetzt der Alleinherrscher und kann machen, was er will. Da ist vieles auch durch, wie soll ich sagen, Sachzwänge und Gegebenheiten, die man nicht ändern kann, determiniert.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter) „Der CEO weiß nicht über alles Bescheid, was in einem riesigen Monsterfirmengeflecht vor sich geht.“ (Christian Russau, Experte politische Akteure)

Dennoch verfügt der CEO nach Meinung der Experten im Vergleich zu anderen Akteuren über die weitreichendsten Kenntnisse über das Unternehmen: „Der CEO ist ja der beste Kenner seines Unternehmens, und er ist der wichtigste Insider. Und insofern ist seine Darstellung für das Unternehmen besonders relevant und glaubwürdig.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

7.1.2. Imagetransfers zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage In den Gesprächen identifizieren die Experten wechselseitige Imagetransfers zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage in der Stakeholderwahrnehmung (vgl. Abschnitt 3.2.2.). Diese Imagetransfers entstehen, weil die Stakeholder dem CEO beziehungsweise dem Unternehmen Eigenschaften des jeweils anderen Imagesubjektes zuschreiben.

7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung

169

Wechselseitige Zuschreibung von Eigenschaften zwischen den Imageobjekten Aus den Expertenaussagen wird ersichtlich, dass in der Stakeholderwahrnehmung ein wechselseitiger Anpassungsprozess zwischen der CEO-Persönlichkeit und der Unternehmenskultur entsteht. In der Stakeholderwahrnehmung nimmt der CEO Eigenschaften des Unternehmens an, während das Unternehmen wiederum Eigenschaften des CEOs annimmt. Über die Länge der Amtszeit des CEOs sollte nach Meinung vieler Experten idealerweise eine zunehmende Kongruenz zwischen der CEO-Persönlichkeit und der Unternehmenskultur entstehen: „Und ich glaube, das ist ein Phänomen, was wir zumindest bei guten CEOs sehr oft sehen, dass die sich so mit dieser Firma identifizieren, und sich dann auch irgendwie die Firma mit ihnen identifiziert. und das dann ein bisschen zusammenwächst.“ (Johannes Huth, Experte Investoren) „Und dann auch irgendwo, dass es so ein Gleichlauf idealerweise wäre zwischen Persönlichkeit und Unternehmen. Also, das finde ich weiterhin wichtig - dieser Match.“ (Dr. Hans-Christoph Hirt, Experte Investoren) „Die Werte oder die Adjektive, die ich einem Unternehmen zuschreibe, muss ich in wesentlichen Teilen auch dem CEO zuschreiben können. Ich denke nicht, dass das Eins-zu-Eins der Fall sein muss, aber ich glaube, es braucht eine Komponente, in der es Gemeinsamkeiten gibt.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter)

Zu Beginn einer Amtszeit ist diese Kongruenz dagegen typischerweise weniger stark ausgeprägt: „Wenn ein CEO neu anfängt, dann haben Sie ein halbes Jahr, vielleicht auch mal 18 Monate, wo die Images sich unterscheiden sollten. Aber je länger ein CEO im Amt ist, desto mehr sollten die Images zusammenwachsen. Also, eigentlich hat diese Grafik einen Fehler. Eigentlich müssten Sie CEO-Image und Unternehmensimage in einem Kreis haben.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Die primäre Richtung und Stärke des wechselseitigen Einflusses hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Die lange gewachsene Unternehmenskultur stellt den Rahmen dar und begrenzt den wahrgenommenen Einfluss des CEOs auf die Unternehmenskultur. So determiniert die Unternehmenskultur nach Meinung verschiedener Experten, welche Persönlichkeitsprofile die CEO-Rolle in einem Unternehmen ausüben können, weil sich die lange gewachsene Unternehmenskultur nur bedingt verändern kann, CEO-Persönlichkeit und Unternehmenskultur aber zueinander passen müssen: „Bei Adidas könnte ich mir jetzt ganz schwer einen übergewichtigen CEO vorstellen, der vor der Kamera eine Zigarette raucht und neben sich das Whiskyglas stehen hat.

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Das würde überhaupt nicht passen. Also, es sollte doch zum Unternehmen der Bezug hergestellt sein.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter) „In einem etablierten, traditionsreichen Unternehmen mit einem bekannten Markennamen kann jetzt ein neuer CEO reinkommen. Aber er wird erst einmal diese ganze Geschichte nicht ersetzen. Wenn er dann mehr und mehr mit dem Unternehmen identifiziert wird, nimmt er ja auch etwas von dem Unternehmen auf. Das ist jetzt nicht nur in eine Richtung, sondern in beide Richtungen.“ (Johannes Huth, Experte Investoren) „Einige Unternehmen, wie zum Beispiel große Technologieführer, haben ein ganz bestimmtes Image, eine ganz bestimmte Reputation, eine ganz bestimmte Güteansehung, die eindeutig die Erwartung prägt, die ein politischer Akteur in Bezug auf das Verhalten des jeweiligen Unternehmensführers in diesen Unternehmen hat. Man erwartet einen ganz bestimmten Typ Unternehmensführer bei bestimmten Firmen.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

Diese Wahrnehmung ist im Hinblick auf die Erkenntnisse der Image- und Einstellungsforschung wenig überraschend, weil davon ausgegangen wird, dass Images sich mit der Zeit stabilisieren (vgl. Abschnitt 2.1.1.). Weil die meisten börsennotierten Unternehmen bereits über viele Jahrzehnte existieren, verfestigt sich das Unternehmensimage der Stakeholder über die Zeit und kann sich nur noch bedingt durch Zuschreibungen von Eigenschaften des jeweils amtierenden CEOs verändern. Dennoch wird aus den Expertenaussagen deutlich, dass Stakeholder auch dem Unternehmen Eigenschaften des CEOs zuschreiben. Die Experten sind sich grundsätzlich darüber einig, dass ein CEO in Veränderungssituationen den angestrebten Wandel der Unternehmenskultur verkörpern muss. Der CEO zeigt mit seiner Persönlichkeit das „Potential des Unternehmens“, die angestrebte Richtung der Unternehmensentwicklung, auf: „Idealerweise gibt es immer eine kleine Differenz [zwischen der CEO-Persönlichkeit und der Unternehmenskultur, Anm. d. Verf.], insofern, als das der Anspruch eines Vorstandsvorsitzenden wäre, dass er ein Unternehmen vorantreibt, einem Unternehmen eine Richtung gibt. Das Unternehmen sollte idealerweise folgen. Ein CEO ist auch wesentlich dafür da, Ziele vorzugeben, aber auch eine Kultur. Und die Institution oder das Unternehmen folgt dem idealerweise.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter)

In diesen Fällen passt sich in der Stakeholderwahrnehmung die Unternehmenskultur der CEO-Persönlichkeit an. An der CEO-Persönlichkeit machen die Stakeholder demnach fest, wohin ein Unternehmen sich entwickeln möchte. Konsequenterweise erhöhen große gesellschaftliche Veränderungsprozesse wie zum Beispiel die Digitalisierung den Spielraum des CEOs bei der Veränderung der Unternehmenskultur:

7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung

171

„Ja, ja klar, er [der CEO, Anm. d. Verf.] ist Symbolfigur für den Wandel. Den Wandel gibt es natürlich immer, aber der ist jetzt extremer, durch die Digitalisierung. Und da kommt es dann schon darauf an, wer ist das da an der Spitze, und wie glaubwürdig kriegt der den Wandel hin, auch, was seine Persönlichkeit angeht.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Wenn Unternehmen weitreichenden Veränderungsprozessen unterworfen sind, sind die Stakeholder also scheinbar besser in der Lage, ihre stabilen Unternehmensimages aufzubrechen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Dem Ausmaß der Veränderung von Unternehmensimages infolge von Zuschreibungen von CEOEigenschaften sind jedoch klare Grenzen gesetzt. Die lange gewachsene Unternehmenskultur kann sich in der Stakeholderwahrnehmung immer nur graduell – nur evolutionär und niemals revolutionär – unter Einflussnahme eines amtierenden CEOs verändern: „Jedes Unternehmen hat eine spezielle Unternehmenskultur. Bei einem CEO, der dieser Unternehmenskultur diametral entgegensteht, kann es zu einem „Clash“ kommen. Deswegen muss der CEO klare strategische Ideen vorgeben, mit denen er das Unternehmen auch verändern kann, aber als Revolutionär wird ein CEO wahrscheinlich scheitern. Er muss ein Evolutionär sein.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter)

Der Einfluss der CEO-Persönlichkeit auf die Unternehmenskultur steigt, so verschiedene Experten, mit der Länge der Amtszeit eines CEOs kontinuierlich an; je länger ein CEO im Amt ist, desto mehr werden dem Unternehmen von den Stakeholdern CEO-Eigenschaften zugeschrieben: „Wenn ein CEO längere Zeit in der Rolle ist, dann prägt sicherlich das Bild, das die Mitarbeiter von ihm haben, ihr Unternehmensimage. Ich glaube auch, dass es die Kultur des Unternehmens prägen kann.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Jeder CEO beeinflusse, so die Experten, die Unternehmenskultur bis zu einem gewissen Grad in einem begrenzten Rahmen. Mit jedem CEO-Wechsel gehe mit dem alten CEO damit ein Stück der Unternehmenskultur beziehungsweise der Unternehmensidentität verloren. Der neue CEO präge die Unternehmenskultur wiederum auf seine Weise und sorge so für eine erneute Veränderung: „Und der Wechsel eines CEOs würde fast auch immer eine Veränderung des Unternehmensimages mit sich führen.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren) „Das hängt aber nicht alles nur an der Person. Ist die Unternehmenskultur weg, wenn Person A weg ist? Nein, da würde keiner sagen, das war ja alles nur die Person. Da kommt die nächste Person und dann hat die Person durch das Wirken des Vorgängers Vorschusslorbeeren. Und dann kann es sich aber ganz schnell ändern. Also, so schnell kann man gar nicht gucken, wie sich das wieder rumspricht, dass sich jetzt

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

in dem Unternehmen anscheinend alles komplett geändert hat und die anscheinend ja ihre ganze Philosophie jetzt über den Haufen geworfen haben mit dem Weggang von der einen Person. Von daher ist es zwar personenabhängig, aber es bleibt immer was am Unternehmen haften.“ (Josef Tumbrinck, Experte politische Akteure)

Lange Amtszeiten sind dabei nach Ansicht der Experten von Vorteil, weil eine Unternehmenskultur beständig sein müsse und keinem dauerhaften Wandel unterworfen sein dürfe. „Wenn Sie einen CEO haben, der alle fünf Monate die Strategie oder seine Außenwirkung oder Werte verändert, dann schafft es der Konzern nicht mehr, zu folgen. Insofern müssen Sie auch jemanden haben, der weiß, was er tut und auch langfristig denkt. In zwei Jahren vier CEOs - das schafft ein Unternehmen nicht. Sie haben dann keine Kontinuität in der Führung.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Der CEO stellt damit in der Stakeholderwahrnehmung ein temporäres Wesensmerkmal eines Unternehmens dar: „Wenn das eine sehr kommunikative Person ist, wo man weiß, ok, da gibt es einen Dialog, dann nehme ich natürlich das Unternehmen auch positiv wahr, ist ja klar. Das mag dann auch eine Unternehmenskultur sein, die die Spitze vorgibt. Und von daher ist der CEO – zumindest über die Zeit, die er im Unternehmen ist – natürlich auch ein Wesensmerkmal für das Unternehmen.“ (Josef Tumbrinck, Experte politische Akteure)

Die Stakeholder schreiben in einem gewissen Rahmen dem Unternehmen Eigenschaften des jeweiligen CEOs zu. Dadurch verändert sich das Unternehmensimage der Stakeholder unter Einfluss des jeweiligen CEO-Images. Das stabile Unternehmensimage begrenzt dabei das Ausmaß, in dem Zuschreibungen möglich sind. Durch die wechselseitige Zuschreibung von Eigenschaften verbinden sich der CEO und das Unternehmen in der Stakeholderwahrnehmung zu einer Einheit. Personalisierte Stakeholderwahrnehmung manifestiert sich damit in der wahrgenommenen Kongruenz zwischen den beiden Größen. Je kongruenter die Unternehmenskultur und die CEO-Persönlichkeit wahrgenommen werden, desto eher schließen die Stakeholder von Eigenschaften eines CEOs auf die Eigenschaften des Unternehmens, die Unternehmenskultur. Weil Imagetransfers nur in einem gewissen Rahmen möglich sind, ist eine wichtige Voraussetzung für personalisierte Stakeholderwahrnehmung, dass CEO-Persönlichkeit und Unternehmenspersönlichkeit mit ihren jeweiligen Eigenschaften zueinander passen. Aus den Expertenaussagen wird darüber hinaus ersichtlich, dass auch schon die „Annahme“ dieser Kongruenz zwischen Unternehmenskultur und CEO-Persönlichkeit eine entsprechende Wirkung entfalten kann, weil Stakeholder die Kongruenz zwischen den Eigenschaften von CEO und Unternehmen voraussetzen:

7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung

173

„Der CEO wird als – wie soll ich sagen – Ambassadeur oder Visitenkarte des Unternehmens betrachtet, und es wird davon ausgegangen, dass das, was der tut und sagt, auch das Unternehmen darstellt. Ob das immer so ist, ist eine andere Frage.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Ein Experte für die Gruppe der Medienvertreter weist darauf hin, dass Stakeholder die Eigenschaften des CEOs beobachten und bewerten, um etwas über die Unternehmenskultur und -strategie zu erfahren: „Also, in gewissem Maße schon, weil wir natürlich davon ausgehen, dass derjenige an der Spitze des Unternehmens auch letztlich sein Unternehmen darstellt, indem er sich selbst darstellt. Insofern schließen wir natürlich von der Selbstdarstellung eines CEOs auch auf die Art, wie er das Unternehmen führt und wie er das Unternehmen positionieren will.“ (Nikolaus Blome, Experte Medienvertreter)

Der Einfluss des CEO-Images auf das Unternehmensimage kann also auch daraus resultieren, dass die Stakeholder in Erwartung einer Kongruenz zwischen der CEOPersönlichkeit und der Unternehmenskultur Eigenschaften des CEOs beobachten und dem Unternehmen automatisch dieselben Eigenschaften zuschreiben, ohne die Gültigkeit dieser Annahme zu überprüfen. Der Grund für dieses Vorgehen kann darin liegen, dass personale Eigenschaften für wahrnehmende Personen leichter zu beobachten sind als organisationale Eigenschaften (vgl. u.a. Szyszka 2010). Positive und negative Imagetransfers zwischen CEO und Unternehmen Imagetransfereffekte, die sich in der wechselseitigen Zuschreibung von Eigenschaften ausdrücken, können sowohl positiver als auch negativer Natur sein. Bei Imagetransfers in Richtung des Unternehmens wird in Erwartung einer Kongruenz von den Merkmalen eines CEOs auf die Merkmale des Unternehmens zurückgeschlossen. Wird – beispielsweise bei einem CEO-Wechsel – der neue CEO positiv wahrgenommen, so wirkt sich dies zunächst positiv auf die Unternehmenswahrnehmung aus, weil dem Unternehmen positive CEO-Eigenschaften zugeschrieben werden. Wird der CEO dagegen negativ wahrgenommen, so wirkt dies wiederum entsprechend negativ auf die Unternehmenswahrnehmung: „Wenn der CEO schon in der Öffentlichkeit kritisch gesehen wird, dann färbt das definitiv auch auf das Unternehmen ab. Weil er Vorbild sein muss. Und er sollte auch die Werte oder Ideale des Unternehmens verkörpern beziehungsweise seine eigenen auch als Maßstäbe dann dafür setzen. Das heißt, wenn der CEO strauchelt, leidet auch immer – ich sag jetzt auch bewusst – die Marke des Unternehmens. Also nicht unbedingt das Unternehmen als operative Struktur, sondern auch die Außen-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

wahrnehmung, das Image, die Marke des Unternehmens.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Langfristig überprüfen Stakeholder die erwartete Kongruenz aber anhand der Charakteristika des Unternehmens. Eine positive Wahrnehmung der CEOPersönlichkeit muss laut Expertenaussagen langfristig mit entsprechenden Veränderungen im Unternehmen belegt werden: „Man müsste den ja immer an den Taten messen. Ich habe den Eindruck, der Herr X bei Unternehmen A hat schon damit angefangen und der neue CEO, der Herr Y, geht noch einen Schritt weiter. Aber ich will da lieber drauf warten, bis diese Kriterien veröffentlicht sind. Wenn die veröffentlicht sind, kann ich mir die anschauen und schauen, sind die robust und sind die in sich stimmig, und können die für die Menschen vor Ort wirklich was bewirken?“ (Christian Russau, Experte politische Akteure)

Die positive Wahrnehmung eines CEOs – und daraus resultierend die positive Wahrnehmung des Unternehmens – kann also nur dann aufrechterhalten werden, wenn der CEO entsprechende Veränderungen im Unternehmen herbeiführt. In diesem Zusammenhang mag einer der Gründe dafür darin liegen, dass Unternehmen zu Beginn der Amtszeit eines CEOs typischerweise zunächst eine zurückhaltende, auf funktionelle Aspekte fokussierte, Personalisierungsstrategie in der CEOPositionierung verfolgen und die Personalisierungsstrategie erst intensivieren, wenn sich erste Erfolge eingestellt haben (vgl. Talanow 2015: 326). Ein positiver Imagetransfer in Richtung des Unternehmens ist in dieser Hinsicht beispielsweise bei einem CEO-Wechsel möglich: „Je erfolgreicher das Unternehmen ist, desto stärker wirkt das auf das Ansehen des CEOs. Also, da gibt es eine klare Abstrahlung. Und umgekehrt kann das natürlich auch so sein. Sagen wir, es kommt ein schon sehr erfolgreicher CEO von einem Unternehmen zum nächsten, dann kann es natürlich auch einen positiven ImageTransfer geben, dass der CEO abstrahlt auf das Image des Unternehmens.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure)

Wenn ein CEO mit einem sehr positiven Image zu einem negativ wahrgenommenen Unternehmen kommt (z.B. schlechte Unternehmensperformance, Probleme mit der Unternehmenskultur), kann es also kurzfristig positive Imageeffekte in Richtung des negativ bewerteten Unternehmens geben. In Erwartung einer positiven Veränderung des Unternehmens unter der Führung des CEOs wird das Unternehmen positiver bewertet, als es der Realität zu diesem Zeitpunkt entspricht. Sollte der CEO jedoch keine positiven Veränderungen herbeiführen können, so entsteht der umgekehrte Effekt. Das negative Unternehmensimage wirkt sich negativ auf das CEO-Image aus:

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„Sie können den besten CEO in einem schlechten Unternehmen haben und keiner investiert. Wenn der beste CEO der Welt es nicht schafft, das Unternehmen auf die Spur zu kriegen, ist es nicht mehr der beste CEO der Welt. Insofern leidet das CEOImage dann unter dem Unternehmensimage und nicht umgekehrt.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Aber auch in umgekehrter Richtung können sowohl positive als auch negative Imagetransferwirkungen entstehen. So kann nach Ansicht der Experten aus zwei Gründen ein negativer Imagetransfer in Richtung des CEOs entstehen. Zum einen kann sich eine schlechte Unternehmensperformance negativ auf die Wahrnehmung des CEOs auswirken, weil ihm die Verantwortung für die Missstände zugeschrieben wird. Ebenso kann es bei einer positiven Unternehmensperformance auch einen positiven Imagetransfer geben. In diesem Fall erfolgt eine Erfolgszuschreibung, wenn der CEO zum Beispiel Wachstumspläne erfolgreich umgesetzt hat, wie im Zitat von Matthias Wissmann weiter oben bereits deutlich wurde. Die Ursache für einen Imagetransfer in Richtung des CEOs kann also nicht nur in der Zuschreibung von Eigenschaften, sondern auch in der Verantwortungszuschreibung liegen (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Ein weiterer Grund für einen negativen Imagetransfer kann in einem negativen Branchenimage liegen. In diesem Fall findet ebenfalls ein Zuschreibungsprozess statt; dem CEO werden die als negativ wahrgenommenen Eigenschaften der Branche zugeschrieben: „Es gibt Situationen, in denen eine negative Unternehmenswahrnehmung auf den CEO zurückfallen kann. Wenn beispielsweise ein Manager mit einer bis dahin hervorragenden Reputation in einer Restrukturierungssituation den CEO-Posten in einem Unternehmen übernimmt und es ihm nicht gelingt, die notwendigen Veränderungen im Unternehmen herbeizuführen, dann leidet auch seine persönliche Reputation. Ein anderes Beispiel sind Unternehmen, die unabhängig von der Situation, in der sie sich gerade befinden, ein schlechtes Image haben. Wenn ein Manager sich bereit erklärt, CEO eines solchen Unternehmens zu werden, kann das durchaus negative Auswirkungen auf seine eigene Reputation haben. Jedenfalls anfänglich. Über die Zeit hat der CEO jedoch dann wieder die Möglichkeit, mit seiner persönlichen Authentizität und Glaubwürdigkeit die Reputation des Unternehmens positiv zu beeinflussen – insbesondere dann, wenn er die notwendigen Veränderungen im Unternehmen anstößt.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren) „Wenn Sie jetzt ein Unternehmen aus der Waffenindustrie nehmen oder einer anderen Branche, die nicht besonders beliebt ist: Ich glaube, dass es ein sehr kurzfristiger Effekt ist, wenn jetzt beispielsweise Herr Gauck, der ja einen super Ruf hat, da CEO werden würde. Ich glaube schon, dass dann so ein Unternehmens-, oder nennen wir es mal eher Branchenimage, so stark ist, dass es eher das Image des CEOs letztlich ein bisschen runterzieht. Langfristig würde ich sagen, wenn derjenige dann klug arbeitet, hat das sicherlich auch positive Effekte – auch auf das Unternehmensimage. Aber ich glaube, dass das Unternehmensimage immer stärker ist, weil das Unterneh-

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men ja immer da ist – es sei denn, das geht jetzt pleite – während der CEO eben jemand ist, der auch mal gehen kann.“ (Erik Bethkenhagen, Experte für Mitarbeiter) „Ja, aber das kommt nicht daher, dass der CEO schlecht ist, sondern, dass das Unternehmen was Böses macht, und der CEO ist dann schuld. Das ist ja genau dieser Punkt von Kompetenz und Verantwortung: Als CEO habe ich Verantwortung für mein Unternehmen, und wenn mein Unternehmen was Schlechtes macht, dann werde ich dieser Verantwortung nicht gerecht. Deswegen würde auch niemand den Chef von Monsanto gut finden oder von Nestlé oder von Pfizer oder Rheinmetall. Das ist vielleicht wirklich ein netter Typ, aber ich finde ihn leider doof, denn er baut Panzer.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

In diesem Zusammenhang sind auch die Besonderheiten der Imagetransferwirkungen bei einem CEO-Wechsel von Bedeutung: Grundsätzlich hat ein negatives Unternehmensimage (z.B. schlechte Unternehmensperformance) bei einem CEOWechsel laut Expertenaussagen keinen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung eines CEOs: „Wenn ich jetzt als Politiker spreche, und da kommt ein neuer CEO in ein Unternehmen, der kommuniziert im politischen Raum, dann würden wir vielleicht vermutlich als Politiker jetzt nicht sofort sagen, der ist für alles das verantwortlich, was unter seinem Vorgänger falsch gelaufen ist.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Ein neuer CEO bekommt die Chance, sich zu beweisen. Es erfolgt keine Verantwortungszuschreibung für Vorhergegangenes qua Funktion. Die Stakeholder unterscheiden hier also klar zwischen Rollenträger und CEO-Rolle, und bewerten das personenbezogen (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Das Rollenhandeln wird dem jeweiligen Rollenträger zugeschrieben und nicht dem Unternehmen. Ein negativer Imagetransfer erfolgt hier nur, wenn der CEO in der Stakeholderwahrnehmung keine positiven Veränderungen im negativ wahrgenommenen Unternehmen bewirken kann. Eine Ausnahme bildet in diesem Sinne der Wechsel eines CEOs zu einem Unternehmen, das aufgrund eines negativen Branchenimages in der Öffentlichkeit negativ wahrgenommen wird (z.B. Rüstungsindustrie). Hier hat das Unternehmensimage sofort eine negative Imagetransferwirkung in Richtung des CEO-Images. Haupt- und Transferimages Wie gezeigt wurde, sind die Imagetransfereffekte zwischen dem CEO-Image und dem Unternehmensimage sind wechselseitiger Natur. Dennoch stellt sich die Frage, ob ein primäres Haupt- und ein primäres Transferimage unterschieden werden können (vgl. Abschnitt 3.3.2), ob also ein Image die Stakeholderwahrnehmung

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stärker bestimmt. Über die Frage, ob eine der beiden Imagegrößen in der Wahrnehmung dominant ist, besteht zwischen den Experten Uneinigkeit. Eine Gruppe von Experten geht davon aus, dass grundsätzlich das über einen langen Zeitraum stabilisierte Unternehmensimage stärker ist als das CEO-Image: „Ein CEO kann ein Unternehmen, das sehr lange sehr positiv gelaufen ist, natürlich negativ beeinflussen, wenn er ein negatives persönliches Image hat. Umgekehrt wird ein Unternehmen, das sehr unpopulär ist, in der Wahrnehmung auch mit einem strahlenden Helden, einem White-Knight-CEO, nicht so schnell umgedreht. Das heißt nicht, dass der CEO keine Wirkung hat, aber es gibt nicht unbedingt einen Turnaround. Also, wenn Sie fragen, was wichtiger ist, dann eindeutig das Unternehmensimage.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Eine zweite Gruppe von Experten geht dagegen vom umgekehrten Zusammenhang aus. Demnach sei das CEO-Image zumeist stärker als das Unternehmensimage. Das Unternehmensimage könne nur in Ausnahmefällen dominant sein, wenn das CEOImage außergewöhnlich schwach sei. Als Erklärung gibt ein Experte an, dass CEOs zumeist sehr „starke“ Persönlichkeitsprofile aufweisen und somit ihre Unternehmen in der Wahrnehmung überformen würden: „Es gibt vergleichsweise farblose CEOs, da steht eindeutig das Image des Unternehmens im Vordergrund. Und das wird durch den CEO auch nicht sehr verändert. Aber es gibt fast mehr Beispiele, wo der CEO das Image des Unternehmens stark prägt. Auch durch seinen Erfolg natürlich.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter) „Wenn man CEO wird, gerade in einem großen Konzern, erfordert das eine besondere Persönlichkeitsstruktur. Und ich glaube, diese Persönlichkeitsstrukturen sind relativ immun dagegen, dass etwas auf sie abfärbt. Die sind schon so stark geprägt und ich glaube auch von sich überzeugt – wahrscheinlich auch völlig zu Recht überzeugt – die haben eher den Ansatz: „Ich verändere das Unternehmen“.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Eine dritte Expertengruppe sieht einen Wandel in der Stärke der Images im Zeitablauf. Demnach sei das Unternehmensimage zu Beginn einer CEO-Amtszeit dominant, weil die Unternehmensidentität und -kultur aufgrund der langen Existenz des Unternehmens in der Stakeholderwahrnehmung sehr stark sind. Hier wird also wiederum die Bedeutung der Stabilisierung des Unternehmensimages im Zeitverlauf deutlich. Im Laufe der Amtszeit trete das CEO-Image, so diese Gruppe von Experten, aber als zweite starke Imagegröße neben das Unternehmensimage: „Wir haben in Deutschland – vielleicht sogar mehr als in vielen anderen Ländern – Unternehmen, die zum Teil seit vielen Jahrzehnten eine hohe nationale Bedeutung haben. Diese Bedeutung strahlt dann natürlich auch auf den CEO ab. Wenn ein völlig Unbekannter an die Spitze eines solchen Traditionsunternehmens tritt, dann öffnet ihm natürlich zunächst einmal schon der Unternehmensname viele Türen. Und

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in guten und häufigen Fällen tritt dann gleichsam neben das Unternehmenslogo die persönliche ‚Marke‘ des CEO.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

7.1.3. Handlungsleitender Einfluss von Images Von den befragten Experten wird auf die direkte Frage, ob die Wahrnehmung des CEOs eine Bedeutung für das eigene Verhalten gegenüber einem Unternehmen habe, ein handlungsleitender Einfluss des CEO-Images überwiegend negiert. Experten für die Medienvertreter und die politischen Akteure lehnen einen Einfluss des CEO-Images auf das eigene Verhalten gegenüber dem Unternehmen als inhärent subjektiv ab. Experten für die Gruppe der Medienvertreter betonen beispielsweise die große Bedeutung der Objektivität und Unabhängigkeit der Berichterstattung. Ein Journalist müsse objektiv in der Unternehmensberichterstattung sein. Die persönliche Wahrnehmung des CEOs, also das eigene CEO-Image, werde daher idealerweise ausgeblendet. Persönliche Zu- beziehungsweise Abneigung gegenüber den Organisationsvertretern im Allgemeinen und dem CEO im Besonderen seien bei der Festlegung des Verhaltens gegenüber dem Unternehmen bewusst auszublenden, um ein Höchstmaß an Objektivität bei der Handlungsentscheidung zu gewährleisten: „Ich glaube, man muss schon als Journalist versuchen, immer objektiv an die Geschichten ranzugehen. Und wenn man Unternehmensberichterstattung macht und einem Unternehmen geht es nicht gut, dann muss man einfach auch schreiben, dass es dem Unternehmen nicht gut geht, unabhängig davon, ob der CEO jetzt mehr oder weniger sympathisch ist. Umgekehrt würde ich auch sagen, dass es schon auch unsympathisch wirkende CEOs gibt, und die führen trotzdem erfolgreiche Unternehmen. Und dann wird, glaube ich, trotzdem mit positivem Blick aufs Unternehmen geschaut.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Auch von den Experten für die politischen Akteure wird die Bedeutung von CEOs für das Verhalten gegenüber einem Unternehmen zurückgewiesen. Ähnlich wie bereits bei den Medienvertretern folgt dies einer normativen Logik. Die eigene Wahrnehmung des CEOs dürfe grundsätzlich keinen Einfluss auf die legislativen Entscheidungen haben, um ein größtmögliches Maß an Objektivität, unabhängig von persönlichen Zu- oder Abneigungen gegenüber den handelnden Personen, zu gewährleisten: „Ich glaube, wir versuchen es immer so zu organisieren, dass nicht unsere Wahrnehmung – ich sag mal in Klammern: unser Vorurteil – die Rolle spielt, sondern wir orientieren uns da mehr an Fakten. Also, wir versuchen das zumindest immer.“ (Thomas Küchenmeister, Experte politische Akteure)

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„Wenn jemand politische Kontakte pflegt und in der Lage ist, differenziert zu argumentieren, hat der natürlich ganz andere Möglichkeiten, seine unternehmerischen Interessen argumentativ zu verankern – ich sage nicht, durchzusetzen, aber argumentativ zu verankern – als jemand, der keinen kennt, der kein guter Gesprächspartner ist, unsensibel ist und nicht in der Lage ist, gute Argumente vorzutragen.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

Ein direkter Einfluss des CEO-Images auf gesetzgeberische Entscheidungen wäre nach Aussage verschiedener Experten in höchstem Maße unethisch und müsse um jeden Preis vermieden werden: „Das würde ich auch ablehnen. Das darf keine Rolle spielen. Und wenn es so wäre, dann hielte ich das für unethisch und falsch. Noch nicht einmal ein positives Unternehmensimage, erst recht nicht das Image eines Unternehmensführers, darf Auswirkung auf Gesetzgebung haben, sondern ausschließlich Gemeinwohlinteressen.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

In legislativen Verfahren müsse daher dem Sachargument immer der Vorzug gegenüber persönlichen Sympathien gegenüber dem Absender gegeben werden. Dennoch wird von den Experten anerkannt, dass man sich als Mensch niemals vollständig frei von solchen Einflüssen machen könne, obwohl dies Ziel und Anspruch sein müsse. In wirtschaftspolitischen Debatten seien Argumente immer eine Kombination aus dem Gewicht des Sachargumentes und dem Vertrauen in den Absender (Personenvertrauen): „Natürlich ist die Überzeugungskraft von Argumenten sowohl vom sachlichen Gehalt als auch vom Vertrauen in den Absender bestimmt. Entscheidend müssen die Sachargumente sein, nicht, ob sie ein mehr oder weniger sympathischer Mensch vorträgt. Andererseits geht es häufig um Vertrauenswürdigkeit, also auch um subjektive Einschätzungen. Deshalb ist es gut, dass wir in der Politik ja zu allermeist gemeinsame Entscheidungen treffen, es also hier in der Gruppe der Entscheider durchaus ‚Checks and Balances‘ gibt.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Aus den Aussagen der Experten lässt sich daher ableiten, dass CEO-Images eine Art Frame für die Wahrnehmung und Bewertung der Sachargumente des Unternehmens darstellen. Ein positives Image führt demnach zu einer Art „Grundakzeptanz“ der Argumente des Unternehmens. Ein CEO mit einem guten Netzwerk in der Politik und einem positiven Image bei den einzelnen politischen Akteuren könne daher seinen Argumenten stärkeres Gewicht verleihen: „Ich glaube, wenn ein persönlicher Kontakt besteht, ein gegenseitiger Respekt und Wertschätzung von Unternehmensvertreter und politischen Entscheidern, dann ist auch eine Grundakzeptanz da, sich mit der Argumentationslinie des Gegenübers zu befassen. Am Ende müssen jedoch die Sachargumente überzeugen.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure)

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Dennoch weist ein Experte darauf hin, dass legislative Entscheidungen grundsätzlich von mehreren Personen getroffen würden, selbst wenn ein positives CEOImage indirekt Einfluss auf die regulatorischen Entscheidungen eines einzelnen politischen Akteurs nehmen könne. Das würde den Einfluss der individuellen CEO-Images weiter reduzieren. Ebenso argumentieren auch einige Experten für die Gruppe der Medienvertreter, dass ein unbewusster Einfluss der eigenen CEO-Wahrnehmung auf die Unternehmensberichterstattung natürlich nicht vollständig ausgeschlossen werden kann und gegebenenfalls unterbewusst das Handeln beeinflusst: „Das [Einfluss der CEO-Wahrnehmung auf die Unternehmensberichterstattung, Anm. d. Verf.] sollte nicht so sein. Man kann aber nicht völlig ausschließen, dass das so ist.“ (Hermann-Josef Tenhagen, Experte Medienvertreter)

Eine Ausnahme stellt die Stakeholdergruppe der Investoren dar, bei der beinahe alle befragten Experten einen handlungsleitenden Einfluss des CEO-Images bejahen. Die befragten Experten für die Gruppe der Investoren geben an, dass explizit beide Imagegrößen für die Festlegung der Investitionsentscheidung herangezogen werden: „Definitiv, die Person fließt immer ein, je nach Einzelfall mal mehr, mal weniger.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Das CEO-Image habe – in Abhängigkeit von der Anlageform (vgl. Abschnitt 7.2.1.2.) – einen großen Einfluss auf die Anlageentscheidung eines Investors. Die Ursache liegt darin, dass Investoren ihre Anlageentscheidung überwiegend auf Personen- und weniger auf Systemvertrauen gründen, weil dem CEO von den Investoren eine große Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens zugeschrieben wird: „Das ist wichtig für einen Investor, der aktiv anlegt und nicht passiv investiert. Bei uns würde niemand eine größere Investition in ein Unternehmen machen, ohne den CEO und vermutlich auch den Aufsichtsratsvorsitzenden und einige andere Topmanager mal kennengelernt zu haben. Also, dieser „In-die-Augen-gucken-Test“ ist wichtig bei unserer Arbeit. Es ist etwas ganz anderes, ob man irgendetwas liest, oder sich den Jahresbericht anguckt, oder ob man dann eine Chance hat, sich zu vergewissern. Und ultimativ ist manchmal auch das Vertrauen zu der Person.“ (Dr. HansChristoph Hirt, Experte Investoren)

Laut der Aussage eines Experten gebe es eine notwendige und eine hinreichende Bedingung für die Investitionsentscheidung. Die notwendige Bedingung sei zunächst die Unternehmensbewertung. Diese Bewertung wird von einem Investor in zwei Schritten vorgenommen. Zunächst einmal stelle sich die Frage, ob die Branche

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für eine Investition überhaupt interessant sei. Darauf aufbauend erfolge die Bewertung des einzelnen Unternehmens anhand zweier Fragen: Wie ist die heutige Position des Unternehmens in der Branche (Kostenstruktur, Marktanteil, Technologie etc.)? Welches Entwicklungspotential hat das Unternehmen? Die hinreichende Bedingung sei dagegen die Bewertung des CEOs. Hier stellt sich für den Investor die Frage, ob er dem CEO zutraut, das Unternehmen entsprechend seines Potentials zu entwickeln. Der CEO verkörpert diese zukünftige Unternehmensentwicklung, weil die unternehmerischen Entscheidungen von Menschen und nicht von Systemen getroffen werden. Die Anlageentscheidung stützt sich in diesem zweiten Schritt damit ganz klar auf Personenvertrauen: „Ein Investor wird ja eine Analyse machen, und dann hängt das erst einmal davon ab, ob das eigentlich eine Branche ist, die überhaupt für ihn interessant ist. Also insofern gibt es da erst einmal vielleicht einen Filter. Und dann hängt es davon ab, wie dieses Unternehmen eben dann in dieser Branche positioniert ist. Und das ist eigentlich ein dynamisches Bild. Da geht es dann weniger darum, wie dieses Unternehmen heute positioniert ist – das spielt zwar auch eine Rolle – sondern vielmehr darum, wie es sich von da, wo es heute steht, weiter nach vorne entwickeln kann. Und diese Entwicklungsphantasie wird dann natürlich durch den CEO vermittelt, wenn man so möchte. Und der Wille zu investieren ist dann eben auch ein Vertrauen in den CEO, ob er diesen Plan, diese Reise, die er da vorstellt, umsetzen kann. Insofern ist das einmal sicherlich eine Bewertung des Unternehmens – wie sind die aufgestellt, wie ist deren Kostenstruktur, wie ist der Marktanteil, wie sind die technologisch aufgestellt und so weiter – und dann eben der Plan, wo sie hinwollen, was sie dazu brauchen und wer das eigentlich umsetzt. Weil im Endeffekt macht es ja das Unternehmen nicht selbst, es machen ja wieder die Leute im Unternehmen. Aber die anderen Faktoren sind Voraussetzungen. Das ist sozusagen ein Zaun, über den man drüber springen muss, und wenn man den nicht erreicht, ist es eigentlich egal, wie gut der CEO ist. Aber wenn man den erreicht hat, dann spielt eben dieses Vertrauen in den CEO sicherlich auch eine große Rolle.“ (Johannes Huth, Experte Investoren)

Die Investoren vertrauen darauf, dass der CEO bestimmte Eigenschaften aufweist (vgl. Zerfaß 2010: 126), die er in ihrer Wahrnehmung zur Freisetzung des Potentials des Unternehmens benötigt. Dieses Personenvertrauen spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Bewertung im ersten Schritt nicht eindeutig zugunsten einer Investition in das Unternehmen ausgefallen ist: „Ich glaube, die Wahrnehmung des CEOs hat häufig einen ähnlich großen Einfluss auf die Investitionsentscheidung wie das Zahlenwerk des Unternehmens. Wenn das Zahlenwerk exzellent ist, ist auch ein mittelmäßiger CEO nicht unbedingt ein Argument gegen eine Investition. Aber in den meisten Fällen ist das Zahlenwerk eben nicht eindeutig exzellent, sondern es gibt Fragen zur zukünftigen Entwicklung. Und diese Fragen müssen natürlich inhaltlich beantwortet werden, aber wer sie beantwortet und wie, hat auch eine Auswirkung darauf, ob die Antwort den In-

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vestor überzeugt und er bereit ist zu investieren.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Einen Sonderfall in der Investorengruppe stellen die Stimmrechtsberater dar. Nach Aussage des befragten Experten für diese Akteure spiele das CEO-Image für die Analysen der Stimmrechtsberater keine Rolle. Diese würden sich ausschließlich auf die Unternehmensbewertung im Sinne des von Johannes Huth skizzierten ersten Schrittes beschränken. Die vollständige Ausblendung des CEO-Images sei Voraussetzung dafür, dass die Analysen ein Höchstmaß an Objektivität und Konsistenz aufweisen würden. Das CEO-Image sei immer subjektiv und würde somit zu willkürlichen Analysen führen: „Ja, wir nehmen CEOs wahr, aber sie spielen für unsere Arbeit und für unsere Analysen keine sehr große Rolle, weil sie es auch nicht dürfen. Es ist ein sehr weicher, subjektiver Begriff. Wir müssen konsistent analysieren und bewerten, und wenn man einen CEO sehr stark in den Vordergrund stellt, besteht die Gefahr, dass es zu subjektiv, wenn nicht gar zu willkürlich, werden kann. Und das dürfen wir natürlich nicht tun.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Der Experte erkennt aber wiederum an, dass Investoren – als Kunden der Stimmrechtsberater – in ihren nachgelagerten Analysen den CEO ganz klar in die Bewertung einbeziehen würden: „Das wichtige an unserer Arbeit ist, dass wir sehr objektiv bleiben, dass wir sehr konsistent sind, und dass wir eine gerade Linie haben. Das Feintuning – so nenne ich es mal – ist Aufgabe der Investoren, die wir beraten und für die wir Empfehlungen geben. Wir müssen letztlich auf gleicher Basis Analysen schreiben für alle. Was unsere Kunden dann damit machen und wie sie vielleicht auch abweichen, weil sie positive oder negative Dinge bei der Unternehmensleitung sehen – das ist in erster Linie dann Aufgabe von Investoren.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Die Wahrnehmungsmuster der Stimmrechtsberater folgen hier also ähnlich wie bei den Medienvertretern und politischen Akteuren einer normativen Logik, die auf Objektivität bei der Handlungsentscheidung ausgerichtet ist. Hinsichtlich der Bedeutung des CEOs für das Verhalten von Mitarbeitern gehen die Meinungen unter den befragten Experten auseinander. Grundsätzlich gehen die Experten eher von einer geringen Bedeutung des CEOs für das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen aus. Mitarbeiter in börsennotierten Unternehmen handeln, so die Experten, grundsätzlich eher für das gesamte Unternehmen und weniger für einzelne Personen: „Ich glaube, dass Mitarbeiter eher für das Unternehmen und nicht für eine einzelne Person handeln. Es gibt die CEOs, die wechseln aber auch immer mal wieder. Die Mitarbeiter wissen, das Unternehmen bleibt trotzdem weiterbestehen. Und wenn sie

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sich dann engagieren, dann tun sie das für das Unternehmen, wissend, dass es natürlich Auswirkungen auf ihre Arbeitsverhältnisse hat.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Die Ursache dafür liegt in der eher geringen Personalisierung der Wahrnehmung eines durchschnittlichen Mitarbeiters (vgl. Abschnitt 7.2.1.2.). Abhängig von der Situation, in der sich das Unternehmen befindet, steigt allerdings der Personalisierungsgrad, ebenso wie der handlungsleitende Einfluss des CEO-Images (vgl. Abschnitt 7.2.3.). Ein positives CEO-Image kann in einer Krisensituation – in der die Personalisierung der Mitarbeiterwahrnehmung grundsätzlich steigt – dazu führen, dass sich ein Mitarbeiter stärker engagiert. Dies liegt daran, dass in einer Krisensituation Personenvertrauen von großer Bedeutung ist. Wenn die Mitarbeiter dem CEO das Management der Lage zutrauen, wollen sie ihn nach Kräften bei der Lösung der Krise unterstützen. Diese Wirkung kann jedoch nach Expertenaussagen auch im negativen Sinne auftreten. Wenn die Mitarbeiter ein negatives CEO-Image haben und ihm gegenüber kein Vertrauen empfinden, kann es sein, dass die Mitarbeiter weniger bereit sind, sich zu engagieren (vgl. Abschnitt 7.2.3.). Auch für die Gruppe potentieller Mitarbeiter gehen die befragten Experten von einem eher geringen Einfluss des CEOs auf die Entscheidung aus, sich bei einem Unternehmen zu bewerben oder eine Stelle bei einem Unternehmen anzutreten. Dies liegt nach Aussage eines Experten unter anderem daran, dass CEOs im Bereich des Employer Brandings tendenziell wenig Präsenz zeigen würden: „Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass das Unternehmensimage für die Entscheidung, sich bei einem Unternehmen zu bewerben, entscheidender ist. Es gibt da sicherlich Ausnahmen, wo ein CEO das Unternehmen massiv verkörpert. Aber die meisten CEOs beschäftigen sich mit dem Thema Arbeitgeberkommunikation nach wie vor eigentlich kaum. Wenn sich das mal ändert, glaube ich schon, dass sich das auch verändern kann, dass ein CEO stellvertretend für einen potentiellen Arbeitgeber steht. Aber so ist es bislang eigentlich selten.“ (Erik Bethkenhagen, Experte für Mitarbeiter)

Ein Experte geht davon aus, dass potentielle Arbeitnehmer ihre Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen verstärkt an eher objektiven Aspekten wie zum Beispiel dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens festmachen würden: „In Deutschland würde ein Bewerber eher sagen: „So, jetzt hole ich mir die FAZ und noch die Wirtschaftswoche und noch das Handelsblatt und gucke, wie hat sich der Börsenkurs dieses Unternehmens entwickelt und versuche, das technisch irgendwo festzumachen, ob es das richtige Unternehmen für mich ist“. Das mag sich alles verändern. Das mag sich verändern mit einer neueren Generation von Mitarbeitern. Im Moment sehe ich es aber noch nicht.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Der Experte für die Gruppe der jungen Berufseinsteiger weist ebenfalls daraufhin, dass der CEO nur einen geringen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen hat. Entscheidender seien dagegen die konkrete Aufgabe, die einen Bewerber bei einem Unternehmen erwartet, sowie die Wahrnehmung derjenigen Personen, mit denen man zukünftig zusammenarbeiten würde. Wichtig scheint hier auch der direkte Vorgesetzte zu sein: „Nein. Ich glaube, der entscheidendste Faktor – gerade auch für deutsche junge Menschen – ist die Aufgabe. Also, kann ich die Aufgabe? Und dann kommt die Frage: Mag ich die Aufgabe mit dem Team zusammen machen? Ja, und dann kommt dieses Ganze: würde ich dafür umziehen und Freunde und Netzwerk und Geld für eine Aufgabe bekommen und einen ordentlichen Chef haben und was lernen auch in dem Job? Das kommt alles davor.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter) „Wenn ich in eine Firma einsteigen würde, würde ich mich fragen: Wer wird mein Chef? Meinen Chef möchte ich kennenlernen!“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

7.1.4. Der CEO im Verhältnis zu anderen Akteuren In den Expertengesprächen wurde an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass neben dem CEO auch andere Akteure einen Einfluss auf die Unternehmenswahrnehmung der Stakeholder haben können. Die Aussagen der befragten Experten decken sich mit den Erkenntnissen der Personalisierungsforschung, wonach Unternehmen nicht nur über den CEO, sondern auch über andere Personen personalisiert werden können (u.a. Brettschneider und Vollbracht 2010, Szyszka 2010). Dabei lässt sich grundsätzlich festhalten, dass für die Stakeholder insbesondere diejenigen Akteure einen Einfluss auf die Unternehmenswahrnehmung haben, zu denen die Mitglieder dieser Stakeholdergruppe persönliche Kontakte pflegen. Hier wird die Bedeutung von Primärerfahrungen für die Imagebildung und den Personalisierungsgrad der Wahrnehmung deutlich, was in Abschnitt 7.2.1.1. noch ausführlich beleuchtet wird. So beziehen Investoren auch die übrigen Mitglieder des Vorstandes und das restliche Top-Management in ihre Evaluation des Unternehmens ein: „Wenn Sie ein Unternehmen haben, bei dem der richtige Vorstandsvorsitzende ist, jedoch die restliche Führungscrew wegbricht, dann nützt auch ein starker Vorstandsvorsitzender nichts. Jeder noch so starke Vorstandsvorsitzende braucht auch ein Team, da er nicht alles übernehmen kann. Ein Unterbau ist eine notwendige Bedingung, auf den der CEO zählen kann, sodass der CEO im Endeffekt nachher nur die graduellen – aber wichtigen – Nuancen so setzt, damit sich das Unternehmen dann weiterentwickeln kann.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

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„Im Team sind einfach mehr Kompetenzen vorhanden. Die Fülle und Verknüpfung von Kompetenzen ist das Entscheidende. Deshalb muss ein CEO auch immer eine gute Mannschaft hinter sich haben.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Die Ursache für die Einbeziehung weiterer hochrangiger Unternehmensrepräsentanten in die Unternehmensevaluation liegt demnach darin begründet, dass die Investoren davon ausgehen, dass der CEO durch die Vielzahl der anfallenden Aufgaben ein Unternehmen nicht alleine führen kann. Auch könnten im Team Kompetenzen gebündelt werden, die der CEO alleine nicht notwendigerweise alle mitbringt. Daher sei es weder notwendig noch gewünscht, dass der CEO „alle Themenbereiche an sich reiße“. Vielmehr sei es förderlich, wenn zu Fachthemen auch einmal die verantwortlichen Fachvorstände kommunizieren würden: „Da [auf der HV, Anm. d. Verf.] erwarten die Aktionäre heute, dass auch mal der Finanzvorstand zu dem Themenbereich Finanzen was sagt oder der COO zum Thema operatives Geschäft. Der CEO sollte nicht alle Themenbereiche an sich reißen.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Der befragte Private Equity-Investor weist außerdem darauf hin, dass die gesamte Führungsmannschaft für die Wahrnehmung von Private Equity-Investoren von besonderer Bedeutung sei, weil ein Private Equity-Investor viel tiefer in ein Unternehmen hineinschaue als ein weniger aktiver Investor (vgl. auch Abschnitt 7.2.1.2.): „Weil wir ja normalerweise auch im Aufsichtsrat sitzen, sehen wir viele der Leute, die da auch in anderen Funktionen tätig sind, gehen auch in die zweite Ebene rein, arbeiten mit denen eng zusammen und haben dadurch eine viel weitere Wahrnehmung.“ (Johannes Huth, Experte Investoren)

Experten für die politischen Akteure auf der Landesebene weisen darauf hin, dass für eben diese Akteure weniger der CEO einen Einfluss auf die Unternehmenswahrnehmung habe als vielmehr die Repräsentanten des Unternehmens auf der Landesebene, wie zum Beispiel einzelne Standortverantwortliche: „Wir haben hier auf regionaler Ebene bei den Unternehmen häufig eine gewisse Aufgabenteilung. Die sieht bei den Großunternehmen oft so aus, dass der CEO hier in der Region nicht immer das Gesicht des Unternehmens ist, sondern andere Personen, beispielsweise aus dem Vorstand, diese Aufgabe wahrnehmen. Daher würde ich die automatische Personalisierung qua Amt des CEO auf dieser Ebene nicht unbedingt so sehen. Bei Unternehmen, die hier in der Region produzieren, ihre Konzernzentrale aber in einem anderen Land liegt, ist das Gesicht des Unternehmens hier dann oftmals der Standortverantwortliche – also nicht die oberste Führungsebene des Unternehmens. Diese Person tritt dann gegenüber der lokalen Politik, gegenüber der Bevölkerung und gegenüber den regionalen NGOs als der Vertreter, als das Gesicht des Unternehmens, auf.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure)

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Dies gilt auch für NGO-Vertreter auf der Landesebene, da hier der Kontakt mit den Unternehmen auch überwiegend auf rangniedrigeren Ebenen stattfindet: „Grundsätzlich ist der persönliche Kontakt zum CEO sehr bedeutsam, weil das einfach die Spitze ist. Aber das findet auf der NRW-Ebene eher selten statt. Und bei den großen Unternehmen, wo es auch Kontakte gibt, läuft es eigentlich eine Ebene drunter. Mit der Vorstandsebene haben wir dann nicht oder eher selten zu tun, sondern letztendlich dann mit Projektverantwortlichen.“ (Josef Tumbrinck, Experte politische Akteure)

In diesem Zusammenhang weist ein Experte für die Bundesebene außerdem darauf hin, dass die zunehmende Zentralisierung des Politikkontaktes durch den CEO von hochrangigen Bundespolitikern als negativ empfunden wird. Während früher auch andere Akteure im Unternehmen, wie zum Beispiel Standortverantwortliche oder der Betriebsrat, mit der Politik kommuniziert hätten, würden CEOs heute den Politikkontakt – zumindest mit hochrangingen Bundespolitikern – vollständig monopolisieren. Dies wird als negativ angesehen, weil der Zugang zum CEO stark limitiert ist und viele Politiker somit keinen Zugang zu den wichtigen Entscheidungsträgern im Unternehmen erhalten: „Es gibt durchaus Kolleginnen und Kollegen, für die es schon mal ein Problem sein kann, persönlichen Kontakt zu Entscheidern in großen Unternehmen zu bekommen. Dies hat sich durch die Zentralisierung in vielen großen Unternehmen in den letzten zwei Jahrzehnten weiter verschärft. Will ein Landtags- oder Bundestagsabgeordneter, ein Bürgermeister oder Landrat dann aber beispielsweise mit Unternehmensvertretern über eine Anlagenerweiterung oder Arbeitsplatzabbau, verkehrliche Belastungen, einen Unfall auf dem Werksgelände oder übermäßige Lärmentwicklung sprechen, dann ist der Zugang in die Konzernzentrale nicht immer leicht, obwohl häufig dort, und nicht im Werk vor Ort, wesentliche Entscheidungen getroffen werden.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Dagegen zeuge es von Souveränität, wenn ein CEO beim Politikerkontakt auf der lokalen Ebene auch weitere Akteure einbeziehen würde: „Es zeigt eine gewisse Souveränität, wenn ein CEO beim Politikerkontakt auch die vor Ort Verantwortlichen seines Unternehmens miteinbezieht.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Besonders prägnant ist dieser Zusammenhang aber für die Gruppe der Mitarbeiter. Nach Aussage aller Experten für die Gruppe der Mitarbeiter hat – zumindest für einen Mitarbeiter, der auf einer niedrigen Hierarchieebene beschäftigt ist – der direkte Vorgesetzte eine größere Bedeutung für die Unternehmenswahrnehmung als der CEO. Dieser sei für die Mitarbeiter zumeist sehr viel direkter wahrnehmbar

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und würde die Unternehmenswahrnehmung so stärker beeinflussen. Der CEO sei dagegen zu stark „entrückt“: „Ich habe da schon unterschiedliche Ebenen von Personalisierung. Der CEO ist für den normalen Mitarbeiter einfach noch sehr entrückt. Das findet dann vielleicht statt in der Mitarbeiterzeitung oder auf Weihnachtsfeiern – da gibt es ja diese, sagen wir mal, mehr symbolischen Events. Aber der eigentliche Ansprechpartner und das Gesicht tatsächlich der Ziele, jetzt mit Blick auf diese internen Veränderungsprozesse, ist hier eigentlich immer der direkte Vorgesetzte oder der darüber, an die ich überhaupt noch drankomme.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Es scheint daher so, als würden insbesondere diejenigen Akteure die Unternehmenswahrnehmung beeinflussen, mit denen Stakeholder persönliche Kontakte pflegen. Durch die persönlichen Kontakte entsteht eine gefühlte „Nähe“ der Stakeholder zu den jeweiligen Akteuren. Ihre Präsenz in der Stakeholderwahrnehmung steigt. Hier deutet sich erneut die Bedeutung von Primärerfahrungen als Determinante der Stakeholderwahrnehmung an, die im Verlauf des Kapitels noch ausführlich beleuchtet wird (vgl. Abschnitt 7.2.1.1.). Während der überwiegende Teil dieser weiteren Akteure stakeholderspezifisch ist, sticht ein Akteur hervor, der stakeholdergruppenübergreifend von Bedeutung zu sein scheint: Der Aufsichtsratsvorsitzende. Verschiedene Experten für die Gruppen der Medienvertreter, Investoren und politischen Akteure heben die Bedeutung dieser Persönlichkeit hervor. Die Experten betonen die Machtposition des Aufsichtsratsvorsitzenden. Als Vorsitzender des Kontrollgremiums bestellt und kontrolliert er den CEO. Auffällig ist, dass viele der befragten Experten auf eine zunehmende Aufwertung der Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden hinweisen. Die Experten nehmen wahr, dass Aufsichtsratsvorsitzende zunehmend öffentlich kommunizieren. „Man darf nicht vergessen, dass es neben dem Vorstandsvorsitzenden auch noch den Aufsichtsratsvorsitzenden gibt, und dass jetzt einige Aufsichtsratsvorsitzende anfangen, auch öffentlich zu kommunizieren. In Amerika hat man ja häufig den Chairman und den CEO in einer Person, der dann das ganze Interesse auf sich vereint und dann auch in der Regel der einzige Sprecher ist, während man sich in Deutschland zumindest vorstellen kann, dass der Aufsichtsratsvorsitzende einige Aufgaben des CEOs übernimmt – zum Beispiel die Kommunikation mit einigen Stakeholdergruppen.“ (Dr. Hans-Christoph Hirt, Experte Investoren)

Die zunehmende externe Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden sei nicht unkritisch zu sehen, da die Gefahr bestehe, dass ein Unternehmen so nicht mehr mit einer Stimme spricht:

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

„Bei öffentlichen Äußerungen des Aufsichtsrats heißt es „Vorsicht“, weil ein Unternehmen dann nicht mehr mit einer Stimme spricht. Mitunter gibt es ja auch Interessenkonflikte zwischen den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Vorstandsvorsitzenden. In der Vergangenheit war es daher verpönt, dass sich ein Aufsichtsratsvorsitzender öffentlich äußert. Das wird auch heute noch von vielen kritisch gesehen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Die Aufwertung der Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden hat damit auch Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung des CEOs, weil es in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend auf einen „engen Schulterschluss“ zwischen dem Vorstands- und dem Aufsichtsratsvorsitzenden ankommt: „Weil die Rolle des Aufsichtsrates, vor allem auch des Aufsichtsratsvorsitzenden, enorm an Bedeutung gewonnen hat, kommt es heutzutage sehr häufig auf einen sehr engen Schulterschluss und auch ein Einvernehmen zwischen CEO und Aufsichtsratsvorsitzendem an. Das ist auch für die Wahrnehmung eines Vorstandsvorsitzenden bei uns nicht ganz unwichtig. Denn es gibt inzwischen häufiger Aufsichtsratsvorsitzende, die öffentlich nicht mehr zu allem schweigen, sondern die sich auch mal mehr oder weniger offen äußern über das Unternehmen und auch über einen CEO.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Je nachdem, wie stark der Aufsichtsratsvorsitzende ist, kann er somit auch einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Wahrnehmung des CEOs nehmen: „Es gibt Unternehmen, dort hat der CEO eine zentrale Rolle und der Aufsichtsrat eine eher nebengeordnete Rolle. Und es gibt andere Unternehmen, da ist der Aufsichtsrat sehr dominant und der CEO ist sehr stark abhängig vom Aufsichtsrat. Das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und CEO bedingt auch wichtige Punkte wie der CEO sich darstellt und was vom CEO erwartet wird. Ich glaube, dass die Rolle des Aufsichtsrates eine sehr elementare ist, um die Rolle des CEOs zu definieren.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

In der Wahrnehmung der befragten Experten nehmen die Aufsichtsratsvorsitzenden heute ihre Möglichkeiten, das Unternehmen indirekt zu steuern, sehr viel umfassender wahr als früher. Aus diesem Grund erfordere die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden – und auch des einfachen Aufsichtsratsmitgliedes – heute viel mehr Kompetenz als früher: „Es [die Aufsichtsratsrolle, Anm. d. Verf.] wird eine Aufgabe sein, die deutlich mehr Kompetenz und Zeit erfordert, die aber natürlich auch riskanter wird. Haftungsfragen kommen immer mehr auf. Es ist nicht mehr das, was es vor 15 Jahren war – ein schönes Ehrenamt, womit man sich geschmückt hat – sondern es ist eine sehr wichtige und anspruchsvolle Aufgabe. Und es ist entscheidend, dass ein Aufsichtsrat gut zusammengesetzt ist aus Leuten, die die Branche kennen, die bestimmte Fachkompetenzen haben, aber vielleicht auch Leute, die mal anders denken. Denn, wie gesagt, der Aufsichtsrat hat große Möglichkeiten, ein Unternehmen indirekt zu steuern –

7.1. Bedeutung von CEO-Images für die Stakeholderwahrnehmung

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dadurch, wie er Vorstände einsetzt, wie er über Vergütungssysteme entscheidet und dergleichen mehr.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Gemäß seiner Rechte und Pflichten wird dem Aufsichtsratsvorsitzenden von verschiedenen Experten die ultimative Verantwortung für das Verhalten – und damit auch für ein mögliches Fehlverhalten – des CEOs zugeschrieben. Insbesondere angelsächsische Investoren nehmen nach Aussage verschiedener Experten den Aufsichtsratsvorsitzenden zunehmend in die Pflicht. Investoren, die ein monistisches System nach angelsächsischem Vorbild gewohnt sind, seien unter Umständen sogar stärker auf den Aufsichtsratsvorsitzenden als auf den CEO fokussiert, weil sie denjenigen Unternehmensvertreter in die Pflicht nehmen, den sie gewählt haben und der ihnen verpflichtet ist: „Der Aufsichtsratsvorsitzende wird von Investoren – und damit indirekt auch von uns – eher als derjenige gesehen, der die Schnittstelle zwischen Investoren und Unternehmen darstellt. Denn der Aufsichtsrat wird von den Aktionären gewählt und beruft dann wiederum den Vorstand. Und deshalb ist er von besonderer Bedeutung, denn wenn Investoren mit dem Aufsichtsrat nicht zufrieden sind, können sie ja theoretisch sagen: „So, wir wählen die alle wieder ab“. Passiert nicht so oft, aber das könnten sie. Das ist mit dem Vorstandsvorsitzenden beziehungsweise CEO schwieriger. Der Aufsichtsrat hat eigentlich eine sehr entscheidende Rolle, weil er über viele Themen letztlich befinden kann. Er setzt den Vorstand ein, er entscheidet über die Vergütung des Vorstandes – ein Riesenthema in Deutschland, wie Sie wissen – also, er hat eine sehr große Einflussmöglichkeit.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Die Personalisierungsforschung erklärt die große Bedeutung des CEOs für die Unternehmensdarstellung und -wahrnehmung damit, dass der CEO als Rollenträger mit den höchsten Repräsentationswerten der ultimative Verantwortungsträger des Systems ist (vgl. Abschnitt 3.2.1.). An dieser Stelle wird allerdings deutlich, dass die Stakeholder einen weiteren Verantwortungsträger wahrnehmen, dessen Bedeutung unter Personalisierungsgesichtspunkten aus seiner „Verantwortung“ für das Verhalten des CEOs resultiert. Die relative Bedeutung der beiden Akteure für die Stakeholderwahrnehmung kann sehr unterschiedlich sein und ist von den jeweiligen Persönlichkeiten abhängig. Wird der CEO aufgrund seiner Persönlichkeitsmerkmale stärker wahrgenommen als der Aufsichtsratsvorsitzende, nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende zumeist eine eher nebengeordnete Rolle in der Stakeholderwahrnehmung ein. Wird der Aufsichtsratsvorsitzende von den Stakeholdern stärker wahrgenommen, so dominiert das Image des Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber dem CEO-Image. Aus der Bedeutung des Aufsichtsratsvorsitzenden für die Stakeholderwahrnehmung schließen verschiedene Experten, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem CEO für ein

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Unternehmen vorteilhaft ist und der Aufsichtsratsvorsitzende den CEO auch bei der Kommunikation mit den verschiedenen Anspruchsgruppen unterstützen sollte. Dies ist bereits im weiter oben genannten Zitat von Dr. Hans-Christoph Hirt deutlich geworden. Ein Experte für die Investorengruppe erwartet beispielsweise, dass der Aufsichtsratsvorsitzende zukünftig verstärkt Aufgaben im Dialog mit den Investoren wird wahrnehmen müssen: „Ja, definitiv mit Investoren. Investoren würden das erwarten aus den Gründen, die ich genannt habe, weil sie – gerade, wenn sie aus dem Ausland kommen – sagen: „Ich habe ja den Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt und nicht den CEO.“ Und deshalb wird es einfach erwartet, dass der Aufsichtsratsvorsitzende ansprechbar ist. Und ich glaube, es gibt auch genügend Anzeichen, dass sich das ändert, wenngleich das ein paar Jahre gedauert hat. Bis vor Kurzem war oft der Tenor, dass das aus rechtlichen Gründen nicht geht. Es wurde dann gesagt: „Nein, das ist nicht Aufgabe des Aufsichtsrates, das muss vom Vorstand kommen“. Gut, aber der ausländische Aktionär hat gesagt: „Sorry, wir wollen mit den Leuten reden, die wir gewählt haben, und nicht mit den anderen“. Das war ein Spannungsverhältnis. Ich glaube, da gibt es jetzt auch eine Lösung. Und deshalb wird dem Aufsichtsrat definitiv eine wichtigere Aufgabe zukommen.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Diese Entwicklung wird jedoch im Hinblick auf das dualistische Führungssystem, das in Deutschland Tradition hat, als problematisch angesehen, weil die Experten Kompetenzkonflikte zwischen CEO und Aufsichtsratsvorsitzendem erwarten. Ein befragter Experte hält es daher für sinnvoll, dass sich ein Aufsichtsratsvorsitzender nur in solchen Fällen öffentlich äußert, in denen seine ultimative Verantwortung für das (Fehl-)Verhalten des CEOs berührt wird, sich aber ansonsten in der Kommunikation zurückhält. Hier wird wiederum die personelle Adressierung von Unternehmen als Ausdruck personalisierter Stakeholderwahrnehmung deutlich. Während bereits die These von Szyszka (2010) bestätigt werden konnte, wonach Stakeholder den CEO als Systemverantwortlichen „adressieren“, wenn es um systemrelevante Themen geht, während sie Fachvorstände adressieren, wenn es um fachliche Themen geht, kann die personelle Adressierung von Unternehmen noch um den Aufsichtsratsvorsitzenden als einen weiteren Vertreter einer Führungsrolle im Unternehmen erweitert werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird immer dann von den Stakeholdern adressiert – und seine Präsenz in der Stakeholderwahrnehmung wird immer dann eingefordert – wenn sein Verantwortungsbereich durch das (Fehl-)Verhalten des CEOs berührt wird.

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images Im Verlauf der Interviews wurden von den Experten auch mögliche Einflussfaktoren auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsthese reflektiert. Nachdem die Experten explizit nur zu stakeholder- und unternehmensspezifischen Einflussfaktoren befragt worden waren, stellte sich im Laufe der Gespräche heraus, dass auch CEO-spezifische Merkmale einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Wahrnehmung haben. Im Folgenden werden die Erkenntnisse aus den Experteninterviews zu den drei identifizierten Gruppen von Einflussfaktoren vorgestellt. 7.2.1. Stakeholderspezifische Einflussfaktoren Zu den stakeholderspezifischen Einflussfaktoren der CEO-Wahrnehmung zählen die drei Quellen von CEO-Images, die in Abschnitt 2.2. identifiziert wurden und in die erste Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung in Kapitel 5 eingeflossen sind. 7.2.1.1. Primär- und Sekundärerfahrungen Primärerfahrungen wird von den Experten stakeholdergruppenübergreifend der größte Einfluss auf den Prozess der Genese von CEO-Images zugeschrieben. Begründungen für die angenommene hohe Bedeutung werden dabei stakeholdergruppenübergreifend thematisiert. Primärerfahrungen sind laut Expertenaussagen zunächst deshalb von so großer Bedeutung, weil der CEO als glaubwürdigste Quelle für Informationen über das Unternehmen wahrgenommen wird. Ihm wird die größte Kenntnis über das Unternehmen zugeschrieben: „Der CEO ist ja der beste Kenner seines Unternehmens, und er ist der wichtigste Insider. Und insofern ist seine Darstellung für das Unternehmen besonders relevant und glaubwürdig.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Sekundärerfahrungen sind nach Aussage der Experten immer durch Dritte vermittelt und gefiltert und somit weniger präzise als Informationen, die direkt vom CEO kommen. Ein Imagemittler (vgl. Zerfaß 2010: 130) (vgl. Abschnitt 2.2.) reduziert also nach Ansicht der Experten die Glaubwürdigkeit einer Aussage: „Der persönliche Kontakt mit dem CEO ist für die Politik sehr wichtig, weil die politischen Akteure natürlich ein großes Interesse haben, etwas über die Unternehmens-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

wirklichkeit zu erfahren – und zwar nicht über Dolmetscher, sondern von den Unternehmensführern selber.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure)

In diesem Zusammenhang wird von der Kommunikationsexpertin für die Investorengruppe darauf hingewiesen, dass Primärerfahrungen mit dem CEO für keine Gruppe eine so große Bedeutung habe wie für die Investoren. Schließlich benötige keine andere Gruppe so detaillierte Informationen über das Unternehmen wie die Investoren. Aus diesem Grund werden Sekundärerfahrungen wie zum Beispiel Medien von der befragten Kommunikationsexpertin von ihr als für die Investorenkommunikation eher ungeeignet betrachtet: „Persönliche Treffen – also immer an allererster Stelle die authentische, originäre Information – weil keine andere Stakeholdergruppe so tiefgehende Informationen über das Unternehmen haben möchte wie die institutionellen Investoren. Alles, was über andere Kanäle kommt, ist immer weniger präzise und gefiltert.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

An dieser Stelle wird also deutlich, dass Investoren im Rahmen von medial vermittelten Sekundärerfahrungen einen Informationsverlust befürchten. Den Medien wird als „Imagemittler“ demnach nicht notwendigerweise „Glauben geschenkt“ (vgl. Zerfaß 2010: 130). In diesem Zusammenhang wird von einem Experten auch darauf hingewiesen, dass teilweise gravierende Unterschiede zwischen einem CEOImage, das auf Basis von medialisierten Primärerfahrungen und Sekundärerfahrungen entstanden ist, und einem CEO-Image, das sich auf persönliche Primärerfahrungen stützt, bestehen: „Auf jeden Fall. Denn persönlicher Kontakt hat ja nicht immer etwas mit dem Image, das man hat, zu tun. Das kann ja grundverschieden sein.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Ein weiterer Experte weist außerdem darauf hin, dass CEO-Imagerankings in zahlreichen Fällen der eigenen Wahrnehmung von CEOs, die man persönlich kennengelernt habe, widersprächen: „Was ich immer interessant finde, ist die Bewertung von Vorständen und ihrer Reputation in den Wirtschaftsmagazinen. Wenn Sie dann die Person aus dem Meeting kennen, dann gibt es manchmal eklatante Unterschiede zur Wahrnehmung der Person in den Medien.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Dies kann als weiteres Indiz dafür gelten, dass durch einen Imagemittler im Prozess der Genese von CEO-Images wichtige „Informationen“ verloren gehen. Im Rahmen von Primärerfahrungen schreiben die Stakeholder persönlichen Treffen grundsätzlich einen höheren Wert zu als „medialisierten“ Primärerfahrungen in Form von Telefonaten, Briefen oder auch E-Mails (vgl. Abschnitt 2.2.). Der

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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Grund für diese Annahme liegt nach Aussagen der Experten darin begründet, dass die Glaubwürdigkeit und Authentizität eines CEOs von einem Stakeholder nur in einem persönlichen Treffen wirklich beurteilt werden könne: „Für jeden Artikel, der sich mit Unternehmen beschäftigt, ist zumindest die Zielsetzung, Kontakt mit CEOs und gegebenenfalls auch anderen Vorständen und Aufsichtsräten zu bekommen. Ansonsten bekommt man die Tiefe und die Authentizität in einer Unternehmensgeschichte nicht hin. Dann wirkt die oft wie aus dem Archiv geschrieben.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter) „Persönlicher Kontakt ist unbezahlbar, den kann man nicht in Geld aufwiegen. In einem bilateralen Gespräch merken Sie sehr schnell, ob der CEO eine Rolle spielt, und ob sein Reden auch tatsächlich die Basis seines Handelns ist. Und deswegen ist dieser persönliche Kontakt extrem wichtig. Mediale CEO-Kommunikation wird ja meistens sehr sorgfältig vorbereitet. Im Einzelgespräch oder im Gruppengespräch fallen Diskrepanzen dagegen sehr schnell auf.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Während der CEO bei medialisiertem Kontakt die Kommunikationssituation weitestgehend kontrollieren kann, ermöglichen persönliche Treffen mit dem CEO einem Stakeholder, ein „Gefühl“ für die authentische CEO-Persönlichkeit zu entwickeln, indem ein „In-die-Augen-gucken-Test“ durchgeführt wird: „Das ist wichtig für einen Investor, der aktiv anlegt und nicht passiv investiert. Bei uns würde niemand eine größere Investition in ein Unternehmen machen, ohne den CEO und vermutlich auch den Aufsichtsratsvorsitzenden und einige andere Topmanager mal kennengelernt zu haben. Also, dieser „In-die-Augen-gucken-Test“ ist wichtig bei unserer Arbeit. Es ist etwas ganz anderes, ob man irgendetwas liest, oder sich den Jahresbericht anguckt, oder ob man dann eine Chance hat, sich zu vergewissern. Und ultimativ ist manchmal auch das Vertrauen zu der Person.“ (Dr. HansChristoph Hirt, Experte Investoren) „Durch persönlichen Kontakt entsteht schon mehr Offenheit. Man kriegt schon Sachen anders mit, als wenn man nur vor einem Bildschirm sitzt oder nur irgendwo was liest. Und der persönliche Austausch ist schon wichtig, und da lernt man mehr über die Persönlichkeit, man lernt mehr über das Unternehmen, und man lernt mehr, wie jemand tickt und wie derjenige sein Unternehmen führen möchte und die Branche sieht.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Den CEO direkt in Handlungssituationen zu erleben, eröffnet den Stakeholdern Zugangspunkte zum entrückten Imageträger (vgl. Abschnitt 2.2.). Somit resultiert die Bedeutung von Primärerfahrungen für die Genese von CEO-Images, wie von Zerfaß (2010: 130) beschrieben, daraus, dass abstrakte Images im konkreten Handlungsvollzug einer Überprüfung unterzogen werden können. Primärerfahrungen dienen demnach insbesondere zu Verifizierungszwecken von imagerelevanten Eindrücken. Weil die wahrgenommene Glaubwürdigkeit eine wichtige Bedingung bei

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

der Entstehung von Personenvertrauen ist, kann darüber hinaus angenommen werden, dass persönliche Treffen mit dem CEO die Entstehung von Personenvertrauen – als einem zentralen Merkmal personalisierter Stakeholderwahrnehmung – signifikant fördern. Von Vertretern aller Stakeholdergruppen wird darüber hinaus betont, dass der persönliche Kontakt mit einem CEO auch deshalb so wertvoll ist, weil er so selten und schwierig zu erreichen sei. Folglich fühlen sich Stakeholder, die eine Chance bekommen, dem CEO persönlich zu begegnen, vom CEO „anerkannt“ beziehungsweise „wertgeschätzt“, weil ein Mensch mit engen Zeitrestriktionen und viel Verantwortung ihnen Aufmerksamkeit schenkt (vgl. auch Nagel 2013: 67): „Also, das persönliche Gespräch, das exklusive Vier-Augen-Gespräch mit dem CEO, hat natürlich eine große Bedeutung im Stakeholderdialog. Jeder reagiert auf Anerkennung. Wenn ein Stakeholder „Airtime“, also exklusive Zeit, mit einer Person bekommt, die extrem wenig Zeit und sehr viel Verantwortung hat, fühlt er sich wertgeschätzt.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter)

Bedeutung von Primärerfahrungen für Stakeholder niedrigerer Hierarchieebenen Persönliche Treffen mit dem CEO sind jedoch nicht für alle Mitglieder einer Stakeholdergruppe möglich. CEOs suchen nach Aussage der Experten – aufgrund von Zeitrestriktionen und ähnlichem – persönlichen Kontakt primär auf ähnlichen Hierarchieebenen. Stakeholder niedrigerer Hierarchieebenen nehmen den CEO dagegen verstärkt medial wahr: „Das ist dann aber auch so gefühlt dieselbe Hierarchieebene. Man trifft sich mit den Gleichen – nicht Gleichgesinnten, sondern Gleichgestellten.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter) „Naja, das hängt von der Ebene ab. In einem Großkonzern können Sie nicht mit jedem einzelnen Mitarbeiter reden, aber der engere Führungskreis, die Top 200, da wird das sicherlich über eine persönliche Kommunikation laufen. Sobald Sie darunter sind, sind das wahrscheinlich nur punktuelle Kontakte, und da wird vielfach das Bild wahrscheinlich auch durch die Darstellung des CEOs in den Medien geprägt werden, sofern Sie nicht direkte Berührungspunkte und einen direkten Kontakt mit ihm haben.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Für Stakeholder niedrigerer Hierarchieebenen wird die Realisierung von persönlichen Treffen dagegen immer schwieriger. Dies wird insbesondere von Experten für die Medienvertreter und die Investoren als problematisch betrachtet:

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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„Jetzt haben ja nicht alle Aktionäre die Chance, einen CEO persönlich kennenzulernen. Das Problem ist, wie man diese Gruppe erreicht.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Also, das Wichtigste ist immer noch die persönliche Begegnung. Das ist nicht für alle Medienvertreter möglich. Es gibt mittlerweile sogar Unternehmen, die die Bilanzpressekonferenz nicht mehr als Präsenzveranstaltung durchziehen, sondern als Telefon-Call. Und da haben Journalisten dann auch gar nicht mehr die Möglichkeit, die Persönlichkeit, die an der Spitze des Unternehmens steht, kennenzulernen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Journalisten niedrigerer Hierarchiestufen und auch Kleinanleger haben nur in den seltensten Fällen eine Gelegenheit zu persönlichem Kontakt mit einem CEO. Unternehmen minimieren diese Möglichkeiten sogar noch stärker, indem sie beispielsweise Bilanzpresse- oder Investorenkonferenzen immer häufiger als Telefonkonferenzen oder Webcasts durchführen. Die Wirkung von persönlichen Treffen muss daher nach der Hierarchieebene differenziert werden, denen die jeweiligen Stakeholder angehören. Für Stakeholder, die niedrigeren Hierarchieebenen angehören, bringt der persönliche Kontakt mit dem CEO zunächst einmal einen direkten positiven Imageeffekt für den CEO. Er wird von den Stakeholdern als offen und nahbar wahrgenommen; als jemand, der sich für die Anliegen der Stakeholder interessiert. Persönliche Treffen mit dem CEO werden als etwas „Besonderes“ beziehungsweise „Außergewöhnliches“ angesehen, während es eher als Normalzustand betrachtet wird, dass man den CEO nicht persönlich trifft. Für die Gruppe der Mitarbeiter wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass die zunehmende Möglichkeit von Primärerfahrungen auf höheren Hierarchieebenen die gefühlte Nähe zum CEO verstärkt, während Mitarbeiter niedrigerer Hierarchieebenen eine große Distanz zum CEO empfinden und ihn hauptsächlich über mediale Kanäle wahrnehmen: „Und je höher es in den Hierarchieebenen geht, desto größer ist, glaube ich, der Wunsch nach Partizipation. Also, nicht nur Information, sondern auch wirklich Kommunikation, also den Austausch zu bekommen. Jedem ist klar, das geht nicht jeden Tag. Man kann nicht jeden Tag mit seinem CEO jetzt in die Diskussionsrunde gehen, das ist völlig ausgeschlossen. Aber schon die Möglichkeit zu haben, sich einbringen zu können, ist für das Selbstverständnis dieser Mitarbeiter wichtig. Also, jetzt nicht nur zu konsumieren, was man an Informationen vorgesetzt bekommt, sondern auch darauf reagieren zu können.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Wenn Mitarbeiter niedrigerer Hierarchieebenen die Möglichkeit bekommen, Primärerfahrungen mit dem CEO zu machen, werden dem CEO Nahbarkeit und Offenheit zugeschrieben. Mitarbeiter niedrigerer Hierarchieebenen empfinden dabei schriftlichen Kontakt (E-Mail, soziale Medien etc.) bereits als Privileg. Persönliche

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Treffen in großer Runde (z.B. Townhall, Weihnachtsfeier) haben für diese Mitarbeiter daher eine besonders positive Imagewirkung, solange der CEO diese persönlichen Treffen nicht als Pflichtveranstaltung empfindet: „Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass der CEO Mitarbeiterveranstaltungen, wie zum Beispiel die Weihnachtsfeier, nicht als Pflichtveranstaltung empfindet. Wenn das jetzt jemand ist, der das als Pflichtveranstaltung wahrnimmt, der sich da hinstellt und nur sagt, was er sagen muss, dann ist das ganze Instrument hinfällig. Wenn aber jemand nahbar ist, dann funktioniert so was. Und das ist kein Handwerk oder keine Kunst, das ist einfach eine persönliche Ebene.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Bilaterale Gespräche oder Gespräche in kleinen Gruppen sind nach Aussage mehrerer Experten dabei eher für Mitarbeiter höherer Hierarchiestufen sinnvoll, weil sich Mitarbeiter niedrigerer Hierarchiestufen von exklusiven Gesprächssituationen mit dem CEO eher überfordert fühlen würden: „Es gibt auch ganz schöne Instrumente, wo man dann mit Mitarbeitern auch ins Gespräch kommt. Jetzt muss man natürlich aufpassen – also jetzt bitte nicht falsch verstehen: aber nicht jeder Mitarbeiter möchte das auch, dass der CEO zu ihm an den Arbeitsplatz kommt und sich mit ihm über die Strategie und die Sinnhaftigkeit seiner Tätigkeit im Unternehmen unterhalten will. Also, man darf die Menschen nicht zwangsbeglücken, aber man sollte schon ein Ohr dafür haben, was die Menschen erwarten. Und darauf sollte man dann auch eingehen. Und es gibt Menschen – und ich glaube, das sind gerade diejenigen, die auch noch einen gewissen Karriereweg vor sich haben – da ist es gut investierte Zeit, sich mit diesen Menschen auseinanderzusetzen.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Wenn der CEO den persönlichen Kontakt sucht, wünschen sich die Mitarbeiter einen echten Dialog. Ein CEO, der nicht nur senden, sondern auch empfangen kann, beeinflusst sein Image bei den Mitarbeitern sehr positiv: „Ja, also, man merkt das ganz extrem, wenn wir auf unserem Youth Speak-Forum eine Keynote von einem CEO haben. Nicht nur fühlt der sich da fehl am Platz, weil da so viele junge Menschen sind, sondern auch das komplette Publikum denkt sich: „Ah, cool, dass der hier redet. Aber der ist nur hier, um eine Keynote zu halten und nicht, um mit uns ins Gespräch zu kommen“. Das wäre was Außergewöhnliches, wenn dann so ein CEO vom Podium runterkommt und dann mit den Leuten darüber redet, was gab es denn heute zum Mittagessen? Das wäre was Außergewöhnliches.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

In diesem Zusammenhang weisen die Experten aber auch darauf hin, dass ein CEO, der zu einem Dialog einlädt, diesen Dialog auch wirklich führen muss: „Ich glaube, dass die Mitarbeiter schnell herausfinden, ob es sich um Standardantworten handelt. Wenn der CEO einlädt „kommuniziere doch mit mir“, die Antwort

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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aber in irgendeiner Form als standardisiert zu identifizieren ist, oder ob sie das Gefühl haben, da schreibt wirklich jemand persönlich. Das ist denen dann schon wichtig.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Wenn die Mitarbeiter das Gefühl bekommen, dass ihre Anfragen ins Leere verlaufen oder sie mit Standard-Antworten abgefertigt werden, hat dies scheinbar einen starken negativen Effekt auf das CEO-Image, weil es die Glaubwürdigkeit des CEOs beschädigt. Im Umkehrschluss leidet wieder das Vertrauen in den CEO. Ähnlich wie für die Mitarbeiter gestaltet sich die Bedeutung von Primärerfahrungen für NGOs. Grundsätzlich ist es für NGOs sehr viel schwieriger als für andere politische Akteure, Primärerfahrungen mit dem CEO zu machen. Die häufig kritische Haltung der NGOs – so die Einschätzung eines Experten – lasse die CEOs vor persönlichem Kontakt zurückschrecken. Aus den Aussagen der beiden Experten für NGOs auf Bundesebene lässt sich ableiten, dass der persönliche Kontakt – sollte er zustande kommen – dafür eine positive Wirkung entfaltet und zu einem konstruktiven Dialog zwischen den Parteien beiträgt: „Der hat uns dann sogar auch zu einem persönlichen Gespräch mal gebeten, weil er halt unsere Position einfach hören wollte. Der hat dann auch gesagt „ja, wir haben verschiedene Sichtweisen, das ist die Natur der Sache“, aber er hat sich das zumindest angehört. Dass das auch Strategie sein könnte, weil es halt irgendwie schwieriger ist, ihn dann später in der Rede wieder öffentlich zu brandmarken, wenn er vorher mit uns redet – das wäre eine Hypothese, dass das eine Strategie gewesen sein könnte, die dahinterstand.“ (Christian Russau, Experte politische Akteure) „Bei Unternehmen A bin ich deutlich aggressiver als bei Unternehmen B, weil Unternehmen A immer nur alles abwiegelt und Unternehmen B zumindest versucht, die Probleme mit uns zu debattieren.“ (Christian Russau, Experte politische Akteure)

Wenn ein CEO persönlichen Kontakt mit der NGO sucht, hat dies einen positiven Einfluss auf sein Image, weil dem CEO Offenheit und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein zugeschrieben werden: „Ich finde, das wäre auch in der Außendarstellung eine super Gelegenheit, sich auch mal von einer anderen Seite zu zeigen: gesprächsoffen, transparent, den Menschen, der Gesellschaft, zugewandt und nicht immer so abgeschottet.“ (Thomas Küchenmeister, Experte politische Akteure)

Dies gilt auch dann, wenn er sich von den Argumenten der NGO nicht überzeugen lässt und bei seiner Meinung zu einem Thema bleibt: „Der Herr X kommt dann auch raus, wenn wir vor der Aktionärsversammlung draußen unsere Protestaktionen machen. Letztes Mal kam er dann raus – wir standen draußen mit Transpis und haben Flyer verteilt – und er hat sich dann auch einen der Flyer genommen und sich mit uns kurz unterhalten. Er sieht die Sache natürlich an-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

ders, das liegt aber in der Natur der Sache. Wir haben da eben verschiedene Sichtweisen drüber. Das kann man auch akzeptieren.“ (Christian Russau, Experte politische Akteure)

Der positive Imageeffekt lässt sich damit erklären, dass persönlicher Kontakt als außergewöhnlich empfunden wird, weil grundsätzlich eine große Distanz zum CEO wahrgenommen wird. Bedeutung von Primärerfahrungen für Stakeholder höherer Hierarchieebenen Im Gegensatz dazu bildet der persönliche Kontakt mit einem CEO für Stakeholder, die vergleichbaren Hierarchieebenen angehören (z.B. hochrangige Politiker, profilierte Journalisten, institutionelle Investoren), die Voraussetzung für die Bildung eines differenzierten CEO-Images. Persönliche Treffen stellen für diese hochrangigen Vertreter der verschiedenen Stakeholdergruppen die einzige valide Möglichkeit zur Evaluation des CEOs dar. Der CEO wird als Gesprächspartner auf Augenhöhe angesehen. Daher werden persönliche Treffen von ihnen als selbstverständlich betrachtet und konsequent eingefordert: „Natürlich nimmt man ein Unternehmen über den Vorstandsvorsitzenden wahr, weil er der Gesprächspartner ist, mit dem man am häufigsten zu tun hat. Ihn nimmt man wahr über die Kommunikation in den Medien, und ihn trifft man dann auch bei hochrangigen Veranstaltungen.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure) „Ich erwarte schon, dass ein CEO ansprechbar ist und auch selber mal ein Signal sendet. Wenn wir Gesetze planen, die nicht recht sind, dann melden sie sich. Aber es ist natürlich auch ganz gut, wenn man zwischendurch mal ein Signal bekommt. Einen Dialog sollte man nicht nur dann suchen, wenn man was will, sondern – wie sich das für einen guten Dialog gehört – auch in unproblematischen Zeiten.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

Es kann daher angenommen werden, dass es einen direkten negativen Imageeffekt zur Folge haben würde, wenn der CEO dem Wunsch nach einem persönlichen Treffen nicht entspräche. Auch wenn persönliche Treffen auf dieser Hierarchieebene als selbstverständlich erachtet werden, ist dennoch nicht davon auszugehen, dass in gleicher Weise ein direkter positiver Imageeffekt durch ein persönliches Treffen zu erwarten ist. Darüber hinaus dienen persönliche Treffen mit hochrangigen Mitgliedern der verschiedenen Stakeholdergruppen der Etablierung eines Gesprächsund Vertrauensverhältnisses zwischen einem CEO und einem Stakeholder. Somit sind sie, insbesondere zu Anfang der Beziehung, von großer Bedeutung: „Ich glaube grundsätzlich an eine sehr große Bedeutung für die Politik, und zwar aus mehreren Gründen: Erstens, weil es natürlich aus Unternehmensperspektive, aber

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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auch aus politischer Sicht sehr wichtig ist, dass Menschen auf einer Augenhöhe zusammenfinden und ein gutes Verhältnis miteinander entwickeln. Und zweitens glaube ich auch, dass das für Politik – aber auch für den CEO im Übrigen – wechselseitig extrem wichtig ist, weil dieser direkte Kanal und auch ein direkt hergestelltes Gesprächs- und Vertrauensverhältnis wesentlich bedeutsamer sind, als die Kommunikation letztlich nur über einen Verband laufen zu lassen.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

Persönliche Treffen sind, wie weiter oben bereits beschrieben, eine notwendige Bedingung für die Entstehung von Personenvertrauen. Ein zwischenmenschliches Vertrauensverhältnis kann sich nach Ansichten der befragten Experten nur auf der persönlichen Ebene etablieren: „Der CEO muss den Investoren das Vertrauen vermitteln, dass er das, was er als Vision verkündet hat, auch umsetzt. Und das geht am besten über persönliche Gespräche.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Dennoch gehen die Meinungen darüber, inwieweit langfristige Vertrauensverhältnisse zwischen einem CEO und einem Stakeholder entstehen, in den einzelnen Stakeholdergruppen teilweise stark auseinander. Über die Frage, ob durch Primärerfahrungen Vertrauensverhältnisse zwischen dem CEO und einem Journalisten entstehen, besteht Uneinigkeit zwischen den befragten Experten für die Gruppe der Medienvertreter. Die Vertreter der Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung und Börsen-Zeitung erläutern, dass über einen langfristigen Austausch mit einem CEO ein belastbares Gesprächs- und Vertrauensverhältnis entsteht: „Auf die Dauer lohnt sich das auf jeden Fall. Deswegen lassen wir auch in der Regel Branchenbetreuer eher länger über ihren jeweiligen Sprengel schreiben, auch Korrespondenten bleiben länger als bei der Konkurrenz in den Städten, wo sie sind, weil wir glauben, dass es eher vorteilhaft ist, langfristige Beziehungen zu haben. Da bildet sich ein Vertrauensverhältnis.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Der persönliche Kontakt ist wichtig, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Die braucht ein Unternehmen beziehungsweise ein CEO vor allem dann, wenn es mal schwierig wird – wirtschaftlich schwierig, oder weil es im politischen Umfeld Probleme gibt, oder weil es Korruptionsvorwürfe gibt oder ähnliches. Das heißt also, wenn Gegenwind da ist. Und dann zahlt es sich aus, wenn man mit Medienvertretern einen vergleichsweise offenen Umgang und Dialog gepflegt und sich nicht verschanzt hat. Denn dann braucht man den Zugang. Und den kriegt man sonst nicht in diesen Situationen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Diese Vertrauensverhältnisse würden durch die Strukturen der Medien gefördert. So lasse man Branchenbetreuer beispielsweise viele Jahre in ihrer Position. Diese hätten die CEOs der entsprechenden Unternehmen dann häufig schon in früheren Positionen kennengelernt und somit von Beginn an ein etabliertes Gesprächs- und

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Vertrauensverhältnis. Auf der anderen Seite vertritt der Experte für das manager magazin die Auffassung, dass solche Vertrauensverhältnisse nicht entstehen und auch nicht wünschenswert seien. Ein Journalist müsse im Gegenteil die Distanz wahren, um als neutraler und notfalls auch kritischer Beobachter und Beurteiler zu agieren: „Vertrauensverhältnisse zu CEOs gibt es eigentlich nicht und sollte es auch nicht geben. Da hätte ich kein Interesse dran. Das kann nicht funktionieren. Wir haben in gewisser Weise die Rolle des Staatsanwaltes. Da darf keine Brücke da sein. Man sollte sich mit der Gegenseite nicht gemein machen, sondern muss genügenden Abstand wahren.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Die Unterschiede in der Einschätzung der Experten ist wahrscheinlich auf die Spezifika der einzelnen Medien zurückzuführen. So haben Journalisten eines Monatsmagazins sehr viel mehr Zeit für die Recherche zu einem Artikel. Sie können sich daher jedes Mal aufs Neue um Zugang zum Unternehmen beziehungsweise zum CEO bemühen. Tageszeitungen können diesen Rechercheaufwand zeitlich nicht bewältigen. Vertrauensverhältnisse sind somit die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen und CEOs bereit sind, mit den Tageszeitungen zu sprechen. Außerdem verfolgen Medien wie das manager magazin einen sehr viel kritischeren Ansatz als w- und finanzmarktorientierte Tageszeitungen. Unter diesen Umständen können Vertrauensverhältnisse nicht einfach entstehen. Für die Gruppe der politischen Akteure wird Primärerfahrungen auch eine systemische Bedeutung beigemessen. Nur durch persönlichen Kontakt zwischen Spitzenvertretern aus Politik und Wirtschaft ist eine Annäherung der beiden gesellschaftlichen Teilsysteme zu erreichen. Diese Annäherung ist deshalb von großer Bedeutung, weil die Mitglieder beider gesellschaftlicher Teilsysteme gemeinsam zentrale gesellschaftliche Probleme lösen müssen: „Es ist wichtig, dass Politik und Führungspersonen eng miteinander agieren. Eine gegenseitige Vertrauensbasis ist dabei elementar, wenn man gemeinsam etwas bewegen möchte. Dies wird aus meiner Sicht immer wichtiger, wobei Unternehmen erfolgreicher sein werden, wenn sie es schaffen, diese persönliche Ebene zu erreichen.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure)

Ob ein CEO persönlichen Kontakt mit der Politik sucht, hängt von seinem Verständnis für die Logik und Funktionsweise des politischen Systems ab. Die Politik lebe, so ein Experte, von interpersonalen Beziehungen, Loyalitäten und Vertrauensverhältnissen. Politiker wollen daher ein belastbares Gesprächs- und Vertrauensverhältnis mit einem CEO entwickeln. Grundlage dafür ist ein langfristiger persönlicher Austausch zwischen den Akteuren:

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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„Politik lebt von interpersonalen Beziehungen, Loyalitäten und Vertrauensverhältnissen. Und deswegen wollen politische Akteure gerne den direkten, persönlichen Draht zum Unternehmensführer haben. Und der muss aber auch belastbar sein. Also Vier-Augen-Gespräche, Unternehmensbesuche, Delegationsreisen – solche Dinge sind ungeheuer wichtig für politische Akteure, um einen personalen Bezug zum Unternehmensführer herstellen zu können.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

Besonders betont wird – im Gegensatz zu anderen Stakeholdergruppen – die Bedeutung einer kontinuierlichen Beziehungspflege. Die Politiker erwarten eine proaktive Kontaktaufnahme durch den CEO. Sie wünschen sich, dass ein CEO sich nicht nur bei konkreten Anliegen an sie wendet, sondern auch ohne konkrete Anliegen den Kontakt sucht und das Gesprächs- und Vertrauensverhältnis pflegt: „Ich glaube auch, dass Politik mehr und mehr ein Verhältnis zu schätzen weiß, in dem man sich nicht nur begegnet, wenn es um die Lösung von Problemen geht, sondern wo es auch um ein nachhaltiges Vertrauens- und Gesprächsverhältnis geht. Ich glaube, viele wissen nicht, dass es Ansprechpartner auf politischer Seite durchaus schätzen, wenn man auch mal kommt und kein Problem hat, sondern einfach nur mal hören will, wie es geht.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

Auch für die Gruppe der Investoren wird die Bedeutung von Vertrauensverhältnissen, die durch Primärerfahrungen entstehen, hervorgehoben. Die Bedeutung von Primärerfahrungen ist für verschiedene institutionelle Investoren jedoch sehr unterschiedlich. Ein aktiver Investor würde nach Expertenaussage niemals in ein Unternehmen investieren, ohne den CEO zuvor persönlich kennengerlernt zu haben, während dieser Kontakt für einen passiven Investor eine geringere Bedeutung hat: „Das ist wichtig für einen Investor, der aktiv anlegt und nicht passiv investiert. Bei uns würde niemand eine größere Investition in ein Unternehmen machen, ohne den CEO und vermutlich auch den Aufsichtsratsvorsitzenden und einige andere Topmanager mal kennengelernt zu haben. Also, dieser „In-die-Augen-gucken-Test“ ist wichtig bei unserer Arbeit. Es ist etwas ganz anderes, ob man irgendetwas liest oder sich den Jahresbericht anguckt, oder ob man dann eine Chance hat, sich zu vergewissern. Und ultimativ ist manchmal auch das Vertrauen zu der Person.“ (Dr. HansChristoph Hirt, Experte Investoren)

Die Stimmrechtsberater stellen im Rahmen der Investorengruppe eine absolute Ausnahme dar. Der Experte für die Stimmrechtsberater schreibt Primärerfahrungen nur eine sehr geringe Bedeutung zu: „Das findet meistens auf Ebene von Telefonkonferenzen statt. Teilweise auch persönlich, aber wir würden dafür nicht zu Unternehmen reisen, denn dann würden wir ja nur noch herumreisen. Sondern wenn ein Unternehmen es wünscht, mit uns zu sprechen, dann können sie zu uns nach Berlin kommen. Unternehmen haben aber

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

auch andere Dinge zu tun, sodass es oft bei einer Telefonkonferenz bleibt.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Persönlicher Kontakt mit der Unternehmensleitung würde von einem Stimmrechtsberater nur dann gesucht, wenn es konkrete Fragen gäbe – beispielsweise bezüglich von Tagesordnungspunkten auf der HV. Auch dann würde allerdings immer zunächst das persönliche Gespräch mit anderen Instanzen in den Unternehmen gesucht, zum Beispiel IR, CFO oder Aufsichtsratsvorsitzender, bevor ein Stimmrechtsberater das Gespräch mit dem CEO suchen würde. Diese geringe Bedeutung schreibt der Experte der Rolle der Stimmrechtsberater zu, die eine möglichst objektive Beurteilung von Unternehmensbelangen vorzunehmen hätten. Um die größtmögliche Objektivität zu garantieren, müssten sie sich eine Distanz zu den handelnden Personen bewahren. Aus diesem Grunde dürften zwischen CEOs und Stimmrechtsberatern auch niemals Vertrauensverhältnisse entstehen. Hohe Exklusivität und geringe Kontrolle der Kommunikationssituation Nicht jedes persönliche Treffen mit dem CEO hat die gleiche Wirkung. Aus den Antworten der Experten können zwei Faktoren herausgefiltert werden, die über die Qualität des persönlichen Treffens und seinen Einfluss auf den Prozess der Imagegenese mitbestimmen: der Grad der Exklusivität des Treffens sowie der Grad der Kontrolle der Kommunikationssituation. Je höher die Exklusivität und je geringer die Kontrolle der Kommunikationssituation ist, desto größer ist der Einfluss der persönlichen Primärerfahrung auf die Imagegenese. Die Ursache liegt laut Aussagen der Experten darin, dass sowohl der Grad der Exklusivität als auch der Grad der Kontrolle der Kommunikationssituation beeinflussen, inwieweit ein Stakeholder bei dem persönlichen Treffen einen authentischen Eindruck des CEOs gewinnen kann. Je exklusiver das Treffen und je weniger Menschen außer dem Stakeholder und dem CEO dem Treffen beiwohnen, desto mehr fühlen sich Stakeholder in der Lage, einen authentischen Eindruck von einem CEO zu gewinnen: „In einem großen Rahmen ist ein Treffen etwas anderes, als wenn man sich zum Hintergrundgespräch trifft. Da will man schon wissen, wie so jemand tickt und was er wirklich denkt. Man möchte den Menschen kennenlernen. Es ist auch ein Wunsch nach Authentizität und nach Nähe, nach Ehrlichkeit, da. Man will jetzt nicht alles über ihn wissen, aber man möchte zumindest das Gefühl haben, dass man auch wirklich mal jemanden kennengelernt, hinter die professionelle Maske geschaut hat.“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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Neben der Exklusivität beeinflusst nach Ansicht der Experten auch der Grad der Kontrolle der Kommunikationssituation, inwieweit Stakeholder einen authentischen Eindruck von einem CEO gewinnen können. Offizielle, standardisierte und kontrollierte Treffen (z.B. Roadshows, Investorentage, Pressekonferenzen, Hauptversammlungen) können keinen authentischen Eindruck vom CEO vermitteln, weil der CEO sich im Vorfeld – unter Umständen mit zahlreichen Beratern – intensiv auf die Kommunikationssituation vorbereitet hat und Ablauf beziehungsweise Inhalte der Treffen bereits im Vorfeld weitestgehend feststehen: „Hin und wieder moderiert man ja auch mal so Diskussionsrunden auf irgendwelchen Bühnen. Und wenn ich mir überlege, was da für ein Brimborium vorgeschaltet ist mit diesen Beraterstäben, die ihre CEOs dann da vorbereiten und nach Möglichkeit jede Form von Überraschungsmoment da rausnehmen wollen – das ist natürlich genau das Gegenteil von dem, was die Leute an Authentizität verlangen.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Einen CEO kann man von außen her auch nicht so gut bewerten. Man muss diese Leute erleben und mit ihnen auch mal zusammengearbeitet haben, um sie wirklich bewerten zu können. Wenn man einen CEO ab und zu trifft, wie zum Beispiel Investoren auf Roadshows – ich meine, da malen alle immer schöne Bilder. Entscheidend sind auch mal andere Situationen, und die erleben die Außenstehenden selten.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren) „Deswegen könnte ich mir vorstellen, dass ein guter Mittelweg oft persönliche Veranstaltungen sind. So etwas wie eben ein monatlicher Check-In mit dem Chef, dass man halt eine Betriebsversammlung hat. Aber nicht so im Sinne von TownhallMeeting – also Riesenrede, Kameras und Effekte und so etwas – sondern eher etwas Persönliches, Familiäres.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Die Begleitung des CEOs durch seine Stäbe reduziert die Authentizität der Kommunikationssituation weiter. Erst in Kommunikationssituationen, die nicht vollständig vorherseh- beziehungsweise kontrollierbar sind, zeigt sich, wie jemand wirklich ist: „Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist auch deshalb so wichtig, weil man das ganze Jahr davon zehrt, dass man diese Leute mal in einer besonderen Situation ohne ihre Stäbe kennengelernt hat. Denn da dürfen in das Konferenzzentrum ja tatsächlich vor allem die Chefs rein – und eben nicht der ganze Tross. Die so gesammelten Eindrücke kann man auch für Portraits das ganze Jahr über nutzen.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Während die Qualität der Kommunikationssituation für einen Stakeholder mit abnehmender Kontrolle und steigender Exklusivität steigt, wird sie für den CEO gleichzeitig immer anspruchsvoller. In bilateralen und informellen Gesprächen muss der CEO sehr schnell auf seinen Gesprächspartner reagieren können. Fehlen-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

de Fachkompetenz oder ähnliches fällt dem Gesprächspartner laut der Experten in solchen Gesprächen schnell auf. In diesem Zusammenhang weist ein Experte für die Investorengruppe darauf hin, dass informeller Small-Talk am Rande eines formellen (auch bilateralen) Meetings häufig mehr Auskunft über die Fähigkeiten und die Persönlichkeit des CEOs gebe als ein professionelles Gespräch: „In den Meetings sehen wir auch immer nur eine Seite der jeweiligen Person. Und deshalb ist auch für mich wichtig, so banal das klingt, auch mal andere Fragen zu stellen, losgelöst von der fachlichen Seite, um ein bisschen hinter die Person zu schauen. Also, manchmal ist die Aufzugsfahrt zum Meeting und vom Meeting wichtiger und erkenntnisreicher als das eigentliche Meeting. Oder auch, wie derjenige mit Menschen umgeht.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Aus den beiden Faktoren, welche die Qualität des persönlichen Treffens aus Sicht eines Stakeholders bestimmen, ergeben sich vier Typen von nicht medialisierten Primärerfahrungen (vgl. Abbildung 14). Geringe Kontrolle

Hohe Kontrolle

Nicht-kontrolliert, nicht-exklusiv

Nicht-kontrolliert, exklusiv

z.B. Sportveranstaltungen, Weihnachtsfeiern

z.B. One-on-One Investorengespräche, Hintergrundgespräche

Kontrolliert, nicht-exklusiv

Kontrolliert, exklusiv z.B. Wortlautinterviews

z.B. Bilanzpressekonferenz, Investorenkonferenz, Townhall

Geringe Exklusivität Abbildung 14:

Hohe Exklusivität

Typen persönlicher Primärerfahrungen

Quelle: Eigene Darstellung

Alle persönlichen Kommunikationssituationen haben aber grundsätzlich einen positiven Wert für den Prozess der Imagegenese. Kontrollierte, nicht-exklusive Treffen können dabei den Auftakt für einen persönlichen Kontakt zwischen einem Stakeholder und einem CEO darstellen. Nicht-kontrollierte und exklusive Treffen vertiefen das persönliche Verhältnis zwischen einem CEO und einem Stakeholder und helfen dabei, ein langfristiges Gesprächs- und Vertrauensverhältnis zu etablieren.

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

205

7.2.1.2. Vorprägungen Obwohl nach herrschender Meinung in der Image- und Einstellungsforschung zwischen den CEO-Images einzelner Stakeholdergruppen große Unterschiede bestehen, während die CEO-Images von Mitgliedern derselben Stakeholdergruppe Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. Abschnitt 2.1.1.), hat sich im Verlauf der Interviews gezeigt, dass auch einige zentrale Unterschiede zwischen den CEO-Images verschiedener Mitglieder einer Stakeholdergruppe bestehen. Die Vorprägungen als eine der drei Quellen von CEO-Images, die im theoretischen Teil der Arbeit identifiziert wurden (vgl. Abschnitt 2.2.), umfassen alle Persönlichkeitsmerkmale des wahrnehmenden Individuums, die einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs haben (vgl. Janik 2002: 70). Die aus Primär- und Sekundärerfahrungen gewonnenen Einzeleindrücke werden im Rahmen der kognitiven Strukturen der Stakeholder verarbeitet und zu einem Gesamteindruck aggregiert (vgl. Kapitel 2.1.1.). Zu den stakeholderspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen, die eine kognitive Verarbeitung der Eindrücke aus den Primär- und Sekundärquellen beeinflussen, zählen unter anderem Persönlichkeitseigenschaften, Werte und Voreinstellungen, Erinnerungen, Erfahrungen, Vorurteile, Interessen oder auch motivationale und emotionale Zustände (vgl. Janik 2002: 70, Schmid und Lyczek 2008: 91) (vgl. Kapitel 2.2.). Auch wenn Vorprägungen im Rahmen dieser Dissertation nur am Rande untersucht wurden, können aus den Expertenaussagen einige Rückschlüsse auf bedeutende Faktoren gezogen werden, die den kognitiven Verarbeitungsprozess der gewonnenen Einzeleindrücke hin zu einem aggregierten CEO-Image bestimmen. Diese Faktoren sind jeweils stakeholdergruppenspezifisch und werden im Folgenden für jede Stakeholdergruppe separat vorgestellt. Medienvertreter Die Experten für die Medienvertreter identifizieren die Publikationsform des Mediums als bedeutenden Einflussfaktor für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs durch den jeweiligen Journalisten. Sie weisen hier insbesondere auf Unterschiede zwischen Fachmedien und General-Interest-Medien (z.B. Tageszeitungen, Boulevardmedien, Magazine) hin, die sich im Hinblick auf ihre Zielgruppe und Geschäftsmodelle drastisch unterscheiden. Somit schauen sie mit einem unterschiedlichen Blickwinkel auf Unternehmen und ihre CEOs: „Was das Verhältnis von Medienvertretern zu CEOs oder Unternehmen beeinflusst, ist vor allem die Zielgruppe des Mediums. Und auch das „Geschäftsmodell“ in An-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

führungszeichen. Es ist ein großer Unterschied, ob man – wie bei uns – eine eher fachlich orientierte Zeitung hat, die fast nur über Abonnement vertrieben wird, oder ob man eine sich an ein breites Publikum wendende Publikation hat, die jeden Morgen über den Kiosk verkauft werden muss. Da müssen Sie natürlich mit ganz anderen Schlagzeilen rausgehen, um Kaufanreize für ihr Produkt zu schaffen. Und das hat natürlich Folgen für die Einschätzung von Journalisten zu diesen Unternehmen und für die Frage, wie sie mit Informationen umgehen und was sie daraus machen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Die Wirtschaftsberichterstattung von General-Interest-Medien ist aufgrund der Heterogenität der Zielgruppe häufig sehr facettenreich (vgl. Talanow 2015: 88, Spachmann 2005: 57). Während sich der überwiegende Anteil der Leser nur im Falle von spektakulären Neuigkeiten für die Wirtschaftsberichterstattung interessiert, hat ein kleinerer Teil der Leserschaft größeres Interesse und höhere Ansprüche an eine detaillierte Wirtschaftsberichterstattung (vgl. Talanow 2015: 88). Laut der Ergebnisse einer Studie von Mast (2012a: 185) bevorzugen WirtschaftsFachjournalisten eine stärker faktenorientierte Berichterstattung (vgl. Talanow 2015: 90). Daher kann angenommen werden, dass Fachmedien in Bezug auf den CEO vorwiegend im funktionalen Modus der Personalisierung (Eisenegger 2010) (vgl. Abschnitt 4.1.2.) agieren und vorwiegend rollennahe Aspekte des CEOs thematisieren, während General-Interest-Medien auch den sozialen und charismatischexpressiven Modus der Personalisierung (Eisenegger 2010) bedienen und rollenferne Aspekte von CEOs stärker in die Berichterstattung einfließen lassen. Darüber hinaus werden von den Experten Unterschiede zwischen Magazinen und Tageszeitungen angesprochen. Ein Experte weist explizit darauf hin, dass im Magazinjournalismus Geschichten traditionell entlang von Personen erzählt werden, während die Personalisierung in Tageszeitungen weniger Tradition hat. Folglich ist der CEO für die Wahrnehmung und Bewertung von Unternehmen für einen Magazinjournalisten von größerer Bedeutung: „Naja, fürs Magazin hat der CEO eine große Bedeutung, weil traditionell Magazine in Deutschland Geschichten an Personen entlang erzählen. Und da ist der CEO natürlich die Person, an der entlang man am besten Sachen erzählen kann. Im Boulevard ist er eigentlich nicht mal so wichtig, weil man ja gar nicht viel Geschichte erzählen kann, weil das einfach sehr kurze Texte sind. Und da müsste schon der Fall eintreten, dass das Handeln des CEO und das, was man über die Firma schreiben wird, unglaublich gut in Deckung zu bringen sind.“ (Hermann-Josef Tenhagen, Experte Medienvertreter)

Diese Expertenaussage spiegelt bisherige Forschungsergebnisse zur Personalisierung der Medienberichterstattung wider. Inhaltsanalytische Untersuchungen haben gezeigt, dass das Thema „Manager“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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(16 Prozent) einen deutlich geringeren Anteil an der Wirtschaftsberichterstattung hat als im manager magazin (62,5 Prozent) (vgl. Mast 2012a: 270, 284). Aber auch die Kultur eines Mediums, die Werte und Grundsätze, die der Berichterstattung zugrunde liegen, werden als Faktoren genannt, die die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen beeinflussen. So weist ein Experte beispielsweise darauf hin, dass ein kritischer journalistischer Ansatz, wie er unter anderem vom manager magazin verfolgt werde, eine wichtige Determinante des CEO-Images darstelle: „Ja, das liegt an dem Selbstverständnis, wie wir hier arbeiten, das ist nun einmal unser kritischer Ansatz.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Demnach werden CEOs von den betreffenden Journalisten grundsätzlich kritischer beurteilt. Diese Aussage spiegelt ebenfalls Erkenntnisse von Mast (2012a: 279) wider, die in einer inhaltsanalytischen Untersuchung gezeigt hat, dass der Spiegel, als ein weiteres Medium mit einem kritischen Ansatz, sich mit dem Thema „Manager“ tendenziell kritisch auseinandersetzt und dabei insbesondere persönliche Aspekte, Managementmethoden und wirtschaftskriminelles Verhalten in den Blick nimmt (vgl. Talanow 2015: 87). Einen Sonderfall stellen nach Aussage mehrerer Experten die Boulevardmedien dar. Der Experte für die Boulevardmedien weist zunächst darauf hin, dass die Wirtschaftsberichterstattung im Boulevardjournalismus grundsätzlich eine eher geringe Bedeutung hat (vgl. auch Talanow 2015: 90, Spachmann 2005: 167): „Bild macht nicht jede Unternehmensgeschichte. Können wir gar nicht, haben wir gar nicht den Platz dafür. Uns interessiert, was heißt das für den Kunden? Uns interessiert, was heißt das für die Arbeitsplätze? Uns interessiert, hat der Laden Erfolg? Und lässt sich das als Erfolgsgeschichte oder als Geschichte des Scheiterns erzählen?“ (Nikolaus Blome, Experte Medienvertreter)

Durch den Erzählansatz des Boulevards – kurze pointierte Texte – könne nur in geringem Maße die Tiefe erzeugt werden, die für die Wirtschaftsberichterstattung notwendig sei. Laut des Experten liegt der Fokus der Wirtschaftsberichterstattung auf den Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen für das tägliche Leben der eigenen Leserschaft. Wirtschaft wird also aus der Verbraucherperspektive aufgearbeitet. Im Rahmen dessen sind beispielsweise Themen wie Arbeitsplatzabbau oder Filialschließungen von großem Interesse, weil sie einen direkten Einfluss auf einen (potentiell) großen Anteil der eigenen Leserschaft haben. Die Leserschaft interessiert sich laut des Experten über darüber hinausgehende wirtschaftliche Zusammenhänge nur in sehr geringfügigem Maße. Dies spiegelt die Annahme von

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Mast (2012b: 324, zitiert in Talanow 2015: 90) wider, dass Wirtschaftsberichterstattung im Boulevard überwiegend die Ziele Unterhaltung, Befriedigung der eigenen Neugier sowie Nutzwert und Service verfolgt. Personalisierende Berichterstattung der Boulevardmedien nimmt also konsequent die Perspektive der Arbeitnehmer beziehungsweise der Leser, und nicht die Perspektive der Leistungsseite des Unternehmens, ein (vgl. Talanow 2015: 91f.). Investoren Auch Experten für die Gruppe der Investoren identifizieren Faktoren, die Unterschiede zwischen den CEO-Images innerhalb der Stakeholdergruppe begründen. Nach Aussage verschiedener Experten hat dabei die Investitionsform einen erheblichen Einfluss auf die Bedeutung eines CEOs für die Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens durch einen institutionellen Investor. Dabei unterscheiden die befragten Experten zunächst zwischen aktiven und passiven Investoren. Aktive Investoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie versuchen, Einfluss auf die strategische und operative Führung des Unternehmens zu nehmen, während passiven Investoren strategische und operative Unternehmensführung weitgehend untätig begleiten (vgl. Fieseler et al. 2008: 20f.). Passive Investoren kaufen und verkaufen ihre Anteile an Unternehmen in Abhängigkeit von der wahrgenommenen Lage und Entwicklung des Unternehmens; ihr Verhalten drückt sich demnach ausschließlich über Investition beziehungsweise Desinvestition in das Unternehmen aus (vgl. Fieseler et al. 2008: 21). Wenn sie mit dem Unternehmen in Kontakt treten, dann fragen sie typischerweise Informationen nach; mit ihren Anliegen treten sie jedoch normalerweise nicht an die Unternehmensleitung heran (vgl. Fieseler et al. 2008: 21). Aktive Investoren nutzen dagegen ihre formellen und informellen Rechte, um Einfluss auf die Unternehmensleitung zu nehmen. Dabei treten sie regelmäßig in Kontakt mit den ranghöchsten Mitgliedern der Unternehmensführung (vgl. Dietrich 2014: 66f., Fieseler et al. 2008: 20ff.). Es überrascht daher wenig, dass die Experten darauf hinweisen, dass aktive Investoren einen CEO sehr viel stärker und bewusster in ihre Unternehmensbewertung einbeziehen würden als passive Investoren. Passive Investoren würden dagegen ausschließlich das Zahlenwerk in ihre Unternehmensbewertung einbeziehen, während aktive Investoren auch weiche Faktoren, wie beispielsweise Personen, in ihrer Unternehmensbewertung betrachten würden: „Je aktiver der Investor ist, desto genauer wird er sich wahrscheinlich anschauen, wer im Führungsteam sitzt. Und je passiver der Investor ist, desto mehr wird er sich auf das Zahlenwerk konzentrieren.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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Wenn aktive Investoren das Ziel haben, Einfluss auf die operative und strategische Unternehmensführung zu nehmen, tragen sie ihre Anliegen an die Organisationsvertreter mit den höchsten Repräsentationswerten heran. Schließlich trägt der CEO als oberster Vertreter des Unternehmens nicht nur die größte Verantwortung, sondern hat auch die umfassendste Entscheidungsgewalt (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Die aktiven Investoren adressieren ein Unternehmen also eindeutig personenbezogen. Darüber hinaus kann der höhere Personalisierungsgrad der Wahrnehmung von aktiven Investoren damit erklärt werden, dass sich der regelmäßige persönliche Austausch von aktiven Investoren und CEOs im Rahmen von Investorenkonferenzen, Roadshows oder persönlichen One-on-One-Gesprächen personalisierungstreibend auf ihre Unternehmenswahrnehmung auswirkt: „Man muss sich ja überlegen, wie institutionelle Investoren einen CEO wahrnehmen. Und dass ist eigentlich normalerweise immer durch Investorentage oder über Roadshows, wo der CEO 100 Unternehmen innerhalb von einer Woche abhakt und mit jedem eine halbe Stunde verbringt. Und insofern nehmen institutionelle Investoren das Unternehmen eigentlich immer durch den CEO und vielleicht noch seinen CFO wahr, die beide zusammen ja diese Meetings machen.“ (Johannes Huth, Experte Investoren)

Auch hier spiegelt sich also die personalisierungstreibende Wirkung von persönlichen Primärerfahrungen wider (vgl. Abschnitt 7.2.1.1.). Die Wahrnehmung von Private Equity-Investoren scheint dabei einen besonders hohen Personalisierungsgrad aufzuweisen. Private Equity-Unternehmen erwerben häufig hohe Anteile an den Portfolio-Unternehmen und involvieren sich stark im Tagesgeschäft. Somit arbeiten sie eng mit den CEOs zusammen. Der befragte Private Equity-Investor weist darauf hin, dass Investoren dieser Anlageform besonders tiefe Einblicke in das Unternehmen hätten, weil Private Equity-Investoren im Normalfall auch einen Sitz im Aufsichtsrat einnehmen würden. Allerdings weist er auch darauf hin, dass Private Equity-Investoren neben dem CEO weitere Akteure im Unternehmen in ihre Wahrnehmung einbeziehen würden (vgl. Abschnitt 7.1.4.). Die Wahrnehmung von Private Equity-Investoren ist daher nicht nur über den CEO personalisiert, sondern auch noch über andere Akteure. Hier wird die Sonderstellung von Private Equity-Unternehmen deutlich, deren Rolle als aktive Investoren sich nicht über die Einmischung in das Tagesgeschäft, sondern auch über die aktive Wahrnehmung der Aufsichtspflicht gegenüber dem Management auszeichnet (vgl. Fegelein und Ludes 2008: 83).

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Politische Akteure Experten für die Gruppe der politischen Akteure identifizieren verschiedene Faktoren, die einen Einfluss auf die Interessenlage eines politischen Akteurs haben. Die unterschiedlichen motivationalen Zustände beeinflussen wiederum die Genese von CEO-Images der politischen Akteure. In diesem Zusammenhang wird aus den Expertengesprächen deutlich, dass die CEO-Wahrnehmung unter anderem davon beeinflusst wird, welche Stakeholdergruppe der Staat darstellt. Im Falle eines Unternehmens, an dem der Staat einen größeren Anteil hält – beispielsweise ein klassisches Staatsunternehmen oder Unternehmen, die im Zuge einer Krisensituation vom Staat finanziell gestützt wurden – stellt der Staat nicht nur den Gesetzgeber dar, der Rahmenbedingungen definiert, sondern ebenso einen Investor: „Eine Ausnahme will ich machen: Da ist natürlich das Thema Banken, weil wir hier durch die Bankenkrise seit 2008 die Situation haben, dass beispielweise die Commerzbank ja staatlich unterstützt wird. Also, sobald Steuergelder eine Rolle spielen, wird Leistung ein Thema. Dann ist die Politik ja auch letztlich Investor. Das gilt auch für die Deutsche Bahn, also für Staatsunternehmen.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Der Experte weist darauf hin, dass die Interessenlage des Staates in diesen Fällen eher der eines institutionellen Investors entspricht. Darüber hinaus deuten die Experten mögliche Unterschiede in den Interessenlagen von politischen Akteuren auf verschiedenen politischen Ebenen an. In diesem Zusammenhang hebt ein Experte hervor, dass beispielsweise für einen Bundestagsabgeordneten, in dessen Wahlkreis ein Unternehmen ansässig ist, der CEO dieses Unternehmens eine sehr viel größere Bedeutung hat als für andere Bundestagsabgeordnete: „Ein großes Werk in meinem Wahlkreis mag für mich als Abgeordneten eine ganz besondere Bedeutung haben, während es für die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen weit weniger interessant ist.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Der höhere Personalisierungsgrad der Wahrnehmung kann in diesen Fällen einerseits damit erklärt werden, dass die jeweiligen Politiker durch ihre Zuständigkeit ein größeres Interesse an den jeweiligen Unternehmen haben. Sowohl die Unternehmen selbst als auch die hochrangigen Organisationsvertreter, werden von ihnen daher stärker wahrgenommen. Andererseits ist anzunehmen, dass diese Politiker zu den betreffenden Unternehmen und ihren CEOs auch verstärkt persönliche Kontakte pflegen, wodurch der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung steigt (vgl. Abschnitt 7.2.1.1.). Für Wahlkreisabgeordnete und andere lokale und

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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regionale politische Akteure stehen dabei Belegschaftsinteressen im Vordergrund, weil die Unternehmen als Arbeitgeber in der Region von großer Bedeutung sind: „Die Unternehmen sind für die Region von großer Bedeutung. Sie sichern dort die Arbeitsplätze.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure) „Wahlkreisabgeordnete interessieren sich, völlig unabhängig vom Schwerpunkt ihrer Ausschussarbeit im Parlament, für die wirtschaftliche Situation und die Lage auf dem Arbeitsmarkt im heimischen Wahlkreis. Wichtige Arbeitgeber haben sie dabei natürlich besonders im Blick – ob es um die Landwirtschaft in einem ländlichen Kreis oder auch einen großen Industriebetrieb geht, in dem ja mitunter hunderte, ja, tausende Frauen und Männer Arbeit finden. Die Belange solcher Belegschaften spielen natürlich auch in der Wahlkreisarbeit eine große Rolle. Wenn ein CEO auf einen Wahlkreisabgeordneten zugeht, ist es daher klug – und manche CEOs machen das geradezu perfekt –, sich mit dem Betriebsrat ‚unterzuhaken‘.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Der Referenzrahmen für die Wahrnehmung von Unternehmen und ihren CEOs ist auf Bundesebene dagegen sehr viel weiter, da Unternehmen auch in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen von Interesse sind: „Ja, auf der Landesebene spielen viel mehr die Standort- und Arbeitsplatzfaktoren in einer bestimmten Region eine direkte politische Rolle, während das auf der Bundesebene weit über Deutschland hinausgehende Bezüge sind. Da spielen Themen eine Rolle wie das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika, die politische Einschätzung von Stabilität in China, aber auch außenpolitische und sicherheitspolitische Einschätzungen von Unternehmensführern. Der Maßstab ist ungleich weiter auf der Bundesebene.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

Der CEO wird von den politischen Akteuren als oberster Entscheidungsträger des Unternehmens wahrgenommen; sie adressieren Unternehmen personenbezogen. Allerdings wird aus den Expertenaussagen ebenfalls deutlich, dass die Wahrnehmung von politischen Akteuren nicht grundsätzlich personalisiert ist, sondern dass der Personalisierungsgrad der Wahrnehmung nur in spezifischen Fällen steigt, wenn die Interessenlage des Politikers das Unternehmen – und damit auch den CEO als den obersten Entscheidungsträger der Organisation – in seiner Wahrnehmung hervortreten lässt. Mitarbeiter Die Experten für die Gruppe der Mitarbeiter identifizieren zwei Einflussfaktoren von CEO-Images, die eng miteinander zusammenhängen und jeweils den personalisierungstreibenden Einfluss persönlicher Primärerfahrungen abbilden: die Hierar-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

chieebene und den Qualifikationsgrad der Mitarbeiter. Die Bedeutung der Hierarchieebene für die CEO-Wahrnehmung wurde weiter oben bereits angesprochen (vgl. Abschnitt 7.2.1.1.). Demnach steigt die Bedeutung des CEOs für die Mitarbeiterwahrnehmung mit der Hierarchieebene. Je „näher“ ein Mitarbeiter dem CEO in der Hierarchie ist, desto größer wird dessen Bedeutung für die Unternehmenswahrnehmung des Mitarbeiters. Für niedrige Hierarchieebenen ist der CEO zu stark „entrückt“; die Mitarbeiter haben im Alltag wenig Berührungspunkte mit dem CEO und nehmen ihn vorwiegend medial wahr. Höhere Hierarchieebenen – insbesondere die Führungskräfte – haben demgegenüber häufiger persönlichen Kontakt mit dem CEO und erleben ihn somit viel direkter und unmittelbarer. Außerdem sind auf höheren Hierarchieebenen zunehmend weniger Vorgesetzte zwischen dem Mitarbeiter und dem CEO „angesiedelt“. Der CEO wird so immer mehr zu einem „Vorgesetzten“ und weniger zu einem entrückten Repräsentanten der Organisation. Darüber hinaus wird von einer Expertin darauf hingewiesen, dass Personalisierung der Mitarbeiterwahrnehmung mit dem Qualifikationslevel der Beschäftigten steigt. Dies hängt einerseits mit der Zugänglichkeit der Informationen über den CEO und andererseits mit der Interessenlage der Beschäftigten zusammen. Die Befragte weist darauf hin, dass Mitarbeiter niedrigerer Qualifikationsstufen sich weder für den CEO persönlich noch für allgemeine Belange des Unternehmens interessieren, sondern nur für Fragen, die ihren individuellen Arbeitsplatz betreffen. Mitarbeiter höherer Qualifikationsstufen zeigten demgegenüber ein sehr viel größeres Interesse an allgemeinen Belangen rund um das Unternehmen und den CEO: „Erstmal glaube ich, dass das stark von der Beschäftigtenstruktur abhängt. Ich würde annehmen, dass das im Bankensektor völlig anders ist, weil da auch viele Beschäftigte mit höherer Qualifikation arbeiten, als zum Beispiel im Dienstleistungsbereich mit einfachen Tätigkeiten, wo viele Menschen mit relativ niedriger Qualifikation bis hin zu gar keiner arbeiten. Die interessieren sich faktisch auch gar nicht dafür, wer der CEO ist und setzen sich nicht zu sehr mit den Belangen des Unternehmens auseinander, sondern mehr mit den Fragen, die ihren Arbeitsplatz ganz konkret betreffen.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Darüber hinaus bezögen Mitarbeiter geringerer Qualifikationslevel Informationen vorwiegend aus solchen Medien, die in den Augen der Expertin kein typisches Format für die CEO-Kommunikation darstellen: „Ich sehe, dass die CEOs primär in der überregionalen Presse auftreten. Und CEOs treten häufig entweder in den öffentlich-rechtlichen oder in privaten Sendern auf, die sich mit Wirtschaft auseinandersetzen. Und diese Medien sind nicht von so hoher Relevanz für die Mehrzahl der Beschäftigten.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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7.2.2. CEO-spezifische Einflussfaktoren Das Ausmaß personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsthese hängt neben unternehmensspezifischen Besonderheiten auch von CEO-spezifischen Faktoren ab. In diesem Zusammenhang scheinen neben den wahrgenommenen CEO-Eigenschaften, die in Kapitel 8 ausführlich diskutiert werden, insbesondere die Nähe beziehungsweise der Bezug des CEOs zum Unternehmen, ebenso wie das Kommunikationsverhalten des CEOs, von herausragender Bedeutung zu sein. Aus den Expertenaussagen wird deutlich, dass der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung mit der Nähe des CEOs zum Unternehmen steigt. Die Nähe zum Unternehmen drückt sich dabei in der Länge der Amtszeit des CEOs sowie der Länge der Zugehörigkeit zum Unternehmen aus: „Also, eine Einheit zwischen CEO und Unternehmen entsteht über eine lange Zeitdauer oder eben auch, wenn ein CEO vorher schon lange in einem Unternehmen tätig war.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Insbesondere die Länge der Zugehörigkeit zum Unternehmen scheint dabei ein herausragender Faktor zu sein. Laut der Expertenaussagen ist bei einem externen CEO die Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung – zumindest zu Beginn seiner Amtszeit – am geringsten ausgeprägt. Mit einem internen CEO, der bereits länger im Unternehmen tätig ist, wird ein Unternehmen demgegenüber sehr viel stärker personalisiert wahrgenommen. Internen Kandidaten schreiben die Stakeholder laut der Experten „Stallgeruch“ zu: „Ja, es ist auch eine Frage, ob es ein externer CEO ist oder ob es jemand ist, der seit 20 Jahren im Unternehmen ist, der also auch „Stallgeruch“ hat.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Ein „Unternehmensgewächs“ verfügt im Gegensatz zu einem externen Kandidaten aufgrund seiner langjährigen Erfahrung über umfassende Kenntnisse über das Unternehmen. Er wird von den Stakeholdern zu Beginn seiner Amtszeit daher stärker mit dem Unternehmen identifiziert als ein externer Kandidat: „Es gibt ja CEOs, die von einem anderen Unternehmen als CEO zu einem neuen kommen, und andere CEOs, die im Prinzip in nur einem Unternehmen groß geworden sind. Da ist die Übereinstimmung, Identifizierung und auch die Personalisierung der Wahrnehmung natürlich viel größer, als wenn der CEO von draußen kommt.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Die wahrgenommene Kongruenz zwischen der CEO-Persönlichkeit und der Unternehmenskultur ist hier stärker ausgeprägt. Dies schlägt sich auch in einem „Vertrauensvorschuss“ wider:

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

„Der [interne Kandidat, Anm. d. Verf.] hat es von Anfang an viel einfacher. Jemand, der von außen kommt, der muss es sich erarbeiten. Der interne Kandidat hat schon einmal einen Vertrauensvorschuss.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Das Personenvertrauen – als ein Merkmal personalisierter Stakeholderwahrnehmung – ist bei einem internen Kandidaten zu Beginn seiner Amtszeit also stärker ausgeprägt. Somit kann ein hoher Personalisierungsgrad zu Beginn der Amtszeit eines CEOs nur bei einem internen Kandidaten entstehen. Den höchsten Personalisierungsgrad erreichen dabei Unternehmen, die von ihrem Gründer geführt werden, der von den Stakeholdern eines Unternehmens am stärksten mit dem Unternehmen identifiziert wird. Darüber hinaus stellen die befragten Experten fest, dass der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung mit der Länge der Amtszeit des CEOs steigt (vgl. auch Abschnitt 7.1.1.): „Wenn ein CEO längere Zeit in der Rolle ist, dann prägt sicherlich das Bild, das die Mitarbeiter von ihm haben, ihr Unternehmensimage. Ich glaube auch, dass es die Kultur des Unternehmens prägen kann.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Auch bei einem externen CEO kann demnach über die Jahre seiner Amtszeit eine hohe Kongruenz zwischen der CEO-Persönlichkeit und der Unternehmenskultur in der Stakeholderwahrnehmung entstehen. Darüber hinaus hat das Kommunikationsverhalten eines CEOs einen starken Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung. Je sichtbarer der CEO für die Stakeholder ist, je mehr Präsenz er in der Kommunikation zeigt, desto größer ist seine Bedeutung für die Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens durch die Stakeholder: „Also, ich kann erst mal nur für die Landesebene sprechen. Und da ist es schon so, dass ich natürlich die Unternehmen, auch die in NRW ansässig sind, über ihre Spitzen wahrnehme. Aber eigentlich auch nur die Unternehmen, über die auch medial mehr berichtet wird. Weil bei den anderen Unternehmen, die sozusagen nicht im Fokus von Berichterstattungen stehen, ist die Führungsebene auch nicht bekannt, es sei denn, es gibt bestimmte Affinitäten, die man zum Beispiel hat oder irgendwelche Auseinandersetzungen oder vielleicht auch über Kooperationen. Dann ist das vielleicht eher der Fall. Aber ansonsten sind es natürlich die Personen, die über eine Wahrnehmungsschwelle von Medien liegen.“ (Josef Tumbrinck, Experte politische Akteure)

Durch seine Präsenz wird er für die Stakeholder „sichtbarer“; das CEO-Image der Stakeholder kann somit an Profil und Stärke gewinnen, weil die Stakeholder die Eigenschaften des CEOs besser beobachten können. Dadurch verstärken sich die Imagetransferwirkungen in Richtung des Unternehmens, wodurch wiederum der Personalisierungsgrad steigt (vgl. Abschnitt 7.1.2.). Persönliche Primärerfahrungen

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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haben, wie weiter oben bereits ausführlich diskutiert, eine besonders personalisierungstreibende Wirkung (vgl. Abschnitt 7.2.1.1.). Unterschiede im Personalisierungsgrad der Wahrnehmung verschiedener Stakeholdergruppen können auch dadurch bestehen, dass der CEO in seiner Kommunikation stärker extern oder stärker intern ausgerichtet ist: „Ich glaube, dass die Bedeutung des CEOs für die Wahrnehmung aber auch davon abhängig ist, wie der CEO seine Rolle wahrnimmt – ob er eher jemand ist, der nach innen arbeitet oder mehr in die Öffentlichkeit raus geht.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Folglich ist die Wahrnehmung von externen Stakeholdergruppen stärker personalisiert, wenn der CEO seinen Fokus auf die externe Kommunikation legt. Ebenso ist die Wahrnehmung von internen Stakeholdergruppen stärker personalisiert, wenn der CEO seinen Fokus auf die interne Kommunikation legt. 7.2.3. Unternehmensspezifische Merkmale Die Ergebnisse der Experteninterviews haben gezeigt, dass der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension auch von unternehmensspezifischen Merkmalen abhängt. 7.2.3.1. Unternehmensgröße und Unternehmensalter Neben der Unternehmensgröße, deren Bedeutung bereits von Brettschneider und Vollbracht (2010: 145) für das Ausmaß personalisierter Wirtschaftsberichterstattung hervorgehoben wurde, nennen die Experten auch das Unternehmensalter als wichtige Einflussgröße personalisierter Stakeholderwahrnehmung. Die Experten heben an verschiedenen Stellen die Unterschiede zwischen Start-Ups und etablierten Unternehmen in der Stakeholderwahrnehmung hervor. In einem jungen Unternehmen hat der CEO nach Ansicht der Experten für die Stakeholderwahrnehmung eine viel größere Bedeutung als in einem etablierten Unternehmen, weil diese Unternehmen häufig von ihren Gründern geführt werden: „Ich finde, dass es durchaus zutrifft, dass Unternehmen über ihre CEOs wahrgenommen werden. Das mag aber jetzt auch meine Perspektive sein, weil ich mich ja viel mit Start-Ups beschäftige und da natürlich der Gründer immer im Mittelpunkt steht. Und das, glaube ich, ist schon so ein Spezifikum in der Start-Up-Welt, wo der Gründer sozusagen erst mal alleine anfängt und somit immer im Vordergrund steht – auch dann, wenn das Unternehmen irgendwann sehr groß ist wie zum Beispiel bei

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Elon Musk und Tesla. Ich glaube aber, dass die Personalisierung auch in anderen Unternehmen eine Rolle spielt.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter) „Also, bei einem Start-Up-Unternehmen hat der CEO ein ganz anderes Gewicht, wenn das der Gründer, der Genius, ist, als bei etablierten Unternehmen.“ (Dr. HansChristoph Hirt, Experte Investoren) „Ich würde es mir wünschen und ich glaube auch, dass es so sein wird. Insbesondere bei diesen Start-Ups, wo sich – wie mit Herrn Jobs und Apple – mit dem Gesicht eine Erfolgsgeschichte verbindet, die der CEO selber so zelebriert und darstellt und erzählt, und die er aber auch dank seiner Person erzählbar macht für Medien. Bei den großen Konzernen glaube ich nicht, dass so eine starke Einheit [zwischen dem CEO und dem Unternehmen, Anm. d. Verf.] entsteht. Es sei denn, da wächst eine neue Generation von Leuten ran, die das mitbringen und wollen. Und dann stünden ihnen wahrscheinlich überall die Türen offen bei den Medien. Ich bin aber nicht sicher, ob die Kollegen, die jetzt quasi in der Ebene unter dem Vorstand sind mit Anfang, Mitte Vierzig und in den nächsten fünf bis zehn Jahren den Schritt in den Vorstand machen, schon so sozialisiert sind, dass sie das genauso wenig tun wollen wie die jetzige Generation von 50-55-Jährigen, die jetzt in den Vorstandssesseln sitzen.“ (Nikolaus Blome, Experte Medienvertreter)

Die größere Bedeutung des CEOs in einem Start-Up ergibt sich damit zunächst einmal daraus, dass Stakeholder bei einem gründergeführten Unternehmen eine stärkere Kongruenz (vgl. Abschnitt 7.1.1.) zwischen dem CEO und dem Unternehmen wahrnehmen. Darüber hinaus stehen junge Unternehmen im Gegensatz zu etablierten Unternehmen vor der Herausforderung, das „Vertrauen“ der Stakeholder erst noch gewinnen zu müssen. Der CEO spielt laut der Experten für den Aufbau von Vertrauen in das Unternehmen eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund würden die Stakeholder den CEO in einem jungen Unternehmen stärker wahrnehmen als in einem bereits etablierten Unternehmen: „Besonders auch in solchen jungen Unternehmen, die unternehmerisch vordergründig Erfolg haben, man aber auch Misserfolge sieht und sich dann die Frage stellt, was ist da eigentlich noch außer einem unternehmerischen Erfolg, ist das [Charisma, Anm. d. Verf.] eine enorm wichtige Komponente für die weitere Kommunikation.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

Im Fall eines noch sehr jungen Unternehmens kann außerdem davon ausgegangen werden, dass die Stakeholder noch kein ausgeprägtes und stabiles Unternehmensimage entwickelt haben. Das Unternehmensimage hat daher noch ein größeres Veränderungspotential und kann demnach auch noch stärker vom CEO-Image beeinflusst werden (vgl. Abschnitt 2.1.1.). Darüber hinaus besteht in der Anfangsphase – wie von den Experten betont – besonders große Unsicherheit bezüglich der weiteren Unternehmensentwicklung. Je größer die Unsicherheit, desto größer wird

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

217

die Bedeutung von Personenvertrauen (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Auch hier liegt also eine mögliche Erklärung für den höheren Personalisierungsgrad bei jungen Unternehmen. Außerdem geben verschiedene Experten an, dass die Unternehmensgröße einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung habe (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Über die Richtung des Einflusses besteht zwischen den Experten jedoch Uneinigkeit. Einerseits wird angegeben, dass der Personalisierungsgrad in kleineren Unternehmen höher sei als in Großkonzernen. Die Ursache dafür liegt laut der Experten unter anderem darin, dass die Lebensläufe der Führungsetage in kleineren Unternehmen überwiegend sehr viel enger mit dem Unternehmen verknüpft seien als in Großkonzernen, wo auch häufig externe Kandidaten in die CEO-Rolle kämen. Somit wird von den Stakeholdern bei kleineren Unternehmen scheinbar eine stärkere Kongruenz zwischen dem CEO und dem Unternehmen wahrgenommen. Andererseits geben einige Experten an, dass der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung in einem Großkonzern – zumindest für externe Stakeholdergruppen – höher sei als in einem kleineren Unternehmen, weil die mediale Präsenz eines CEOs, der einen globalen Konzern führt, sehr viel größer sei als die eines CEOs, der ein kleineres Unternehmen führt: „Oder so globale Giganten wie Siemens stehen auch mehr im Fokus als kleinere Unternehmen. Wahrscheinlich hat es eher mit Größe zu tun. Wenn sie die deutsche Industrie repräsentieren, stehen sie natürlich mehr im Fokus der Öffentlichkeit.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Die betreffenden Experten argumentieren hier mit der „Wahrnehmbarkeit“ des CEOs. Diese ist bei CEOs größerer Unternehmen stärker ausgeprägt, weil CEOs größerer Unternehmen typischerweise mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen als CEOs kleinerer Unternehmen. 7.2.3.2. Branchen, Kundensegmente und Produktbeschaffenheit Neben der Unternehmensstruktur haben scheinbar auch die Branche, das Kundensegment und die Produktbeschaffenheit (vgl. Talanow 2015) einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Wahrnehmung von Medienvertretern und politischen Akteuren. Für Investoren und Mitarbeiter wird ein entsprechender Einfluss dagegen nicht ersichtlich. Eine Expertin betont beispielsweise, dass aufgrund der Zielsetzung von Investoren, mit ihrem Investment eine Rendite zu erwirtschaften – unabhängig

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

von dem jeweiligen Unternehmen – die genannten unternehmensspezifischen Merkmale keine Bedeutung für die CEO-Wahrnehmung von Investoren haben: „Das ist vor allem eine Frage der Wahrnehmung in den Medien und der breiten Öffentlichkeit. Investoren wollen Geld verdienen. Insofern ist für die beispielsweise Fresenius grundsätzlich genauso interessant wie Adidas.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Laut der Experten für die Gruppen der Medienvertreter und der politischen Akteure hängt der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung von der Produktbeschaffenheit ab. Bezüglich der Richtung des Einflusses existieren jedoch unterschiedliche Meinungen zwischen den Experten. Einerseits wird angegeben, dass der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung bei einem Unternehmen, das ein haptisches und emotionales Produkt (z.B. Konsumentenprodukt) herstellt, höher ist als bei einem Unternehmen, das ein nicht-haptisches und wenig emotionales Produkt (z.B. Industrieprodukt) herstellt: „Es spielt natürlich eine Rolle, ob ein Unternehmen emotionale Produkte herstellt. Und ein Automobil ist ein emotionales Produkt. Deswegen gucken die Leute auch, wer an der Spitze eines Automobilherstellers steht.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter) „Wahrscheinlich sind CEOs aus der Automobilbranche immer etwas bekannter als CEOs zum Beispiel chemischer Unternehmen. Es interessiert viele Menschen vermutlich noch mehr, wer den schnittigen Sportwagen baut, als die Frage, wer Medikamente herstellt. Öffentliche Aufmerksamkeit für ein Produkt und das Interesse an dem jeweiligen wirtschaftlichen Verantwortungsträger wirken daher zusammen. Und mancher CEO sucht, mancher meidet geradezu die öffentliche Aufmerksamkeit.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Aus diesen Aussagen lässt sich ableiten, dass die stärkere Personalisierung in diesen Fällen aus einem engen Wechselspiel zwischen dem CEO- und dem Produktimage entsteht. Die CEOs verkörpern in diesen Fällen nicht nur ihre Unternehmen in der Stakeholderwahrnehmung, sondern werden auch mit den Produkten identifiziert. Bei stark emotional besetzten Konsumentenprodukten wird damit eine produktnahe Personalisierung in der Stakeholderwahrnehmung sichtbar (vgl. Talanow 2015: 221) (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Andere Experten geben wiederum an, dass ein Unternehmen, welches ein haptisches Konsumentenprodukt herstellt, weniger personalisiert wahrgenommen wird als ein Unternehmen, das eine nicht-haptische Dienstleistung anbietet: „Also, ich glaube, gerade in diesen Lifestyle-Branchen hat er [der CEO, Anm. d. Verf.] eigentlich interessanterweise kaum diese Bedeutung. Das liegt sicherlich daran, dass da ganz eigene Erlebniswelten geschaffen werden mit einem immensen Marke-

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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ting- und Werbebudget und -aufwand. Das heißt, da wird ja eine Welt kreiert, die komplett von den Personen, die dieses Produkt machen, unabhängig ist. Im Vergleich dazu ist das beispielsweise bei Professional Services ein ganz anderes Thema. Letztlich geht es da um Intelligenz oder Kompetenz, die ich verkaufe. Und das verkörpert auf oberster Ebene dann der CEO.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Während sich das Unternehmensimage bei einem Unternehmen, das ein Konsumentenprodukt anbietet, weitgehend über das Produkt bestimmt, fällt das Produkt als Identifikationsträger hier weg (vgl. Talanow 2015: 251, 308, 316). Der CEO muss diesen fehlenden Identifikationsträger in der Stakeholderwahrnehmung ersetzen (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Ein Experte weist im Zusammenhang mit dem oben genannten Beispiel darauf hin, dass der CEO mit seiner Fachkompetenz die Dienstleistung in der Außenwahrnehmung verkörpern muss. Es kann also davon ausgegangen werden, dass der CEO seine Fachkompetenz in diesem Kontext insbesondere dafür benötigt, den Stakeholdern komplexe Produkte oder Dienstleistungen verständlich zu machen (vgl. Talanow 2015: 308). Die Produktbeschaffenheit kann sich demnach in zwei Richtungen personalisierungstreibend auswirken. Bei emotionalen und haptischen Konsumentenprodukten, die über ein starkes Produktimage verfügen, kann eine produktnahe Personalisierung in der Stakeholderwahrnehmung stattfinden. Hier wird der CEO mit dem Produkt identifiziert. Darüber hinaus hat der CEO für die Wahrnehmung von Unternehmen, die weniger haptische Produkte herstellen, eine besondere Bedeutung, weil der CEO das Produktimage als Identifikationsträger ersetzen muss. Einflüsse der Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung werden von den befragten Experten weitestgehend verneint. Dennoch wird der gesamtgesellschaftlichen Relevanz eines Unternehmens ein großer Einfluss auf den Personalisierungsgrad zugesprochen: „Fragen der Energiewirtschaft spielen überall in Deutschland eine Rolle, andere Wirtschaftszweige haben dagegen häufig nur in bestimmten Regionen eine besondere Bedeutung. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Gesprächsfähigkeit unterschiedlicher Branchen.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure) „Elektromobilität und gesellschaftspolitische Themen rund um das Auto sind bedeutender in der öffentlichen Wahrnehmung als zum Beispiel Versicherungen, obwohl die Transformation dort vielleicht genauso groß ist. Niedrigzinsen, Digitalisierung, das Geschäftsmodell muss sich ändern. Aber diese Themen spielen im Vergleich zum Auto in der öffentlichen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

Unternehmen, mit denen große Teile der Bevölkerung im täglichen Leben in Berührung sind, sind in der Wahrnehmung scheinbar sehr viel präsenter. Dadurch sind diese Unternehmen wiederum auch in der Berichterstattung präsenter: „Es gibt Unternehmen – wahrscheinlich geht es da eher um Größe oder Wahrnehmung von Wichtigkeit –, die medial präsenter sind als andere. Natürlich steht die Automobilindustrie in Deutschland mehr im Fokus als manche andere Branche. Finanzinstitute ebenso – durch die Finanzkrise hat sich das nochmal verstärkt.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren) „Autokonzerne sind ja nicht nur interessant, weil fast jeder ein Auto fährt, sondern auch als in Anführungszeichen „politische“ Instanz, die Branche ist die Schlüsselindustrie in Deutschland. Deshalb sind die Unternehmen natürlich in den Medien präsenter.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Die Bedeutung der Branchenzugehörigkeit für die CEO-Wahrnehmung zeigt sich insbesondere bei der Gruppe der politischen Akteure – Politiker, nicht NGOs. Die Wahrnehmung von Politikern ist stark von der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, ihren Wählern, geprägt. Politiker nehmen solche Unternehmen und ihre CEOs, die auch von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden, ebenfalls stärker wahr. Dies können einerseits Branchen sein, die als wichtige Arbeitgeber für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung sind, wie zum Beispiel Maschinenbau oder Automobil, aber auch Branchen wie Pharmazie oder Banken, mit denen große Teile der Bevölkerung beinahe täglich Berührungspunkte haben: „Automobil, Banken, Chemie, Maschinenbau – alle aus unterschiedlichen Gründen. Das Automobil ist das Lieblingsprodukt der Deutschen. Die Banken waren die Krisenbranche schlechthin vor 10 Jahren – also die sind, wenn Sie so wollen, der Patient, um den man sich am meisten kümmern muss mit riesigen Folgen für die Volkswirtschaft. Die Chemie war vor 30 Jahren Auslöser von großen Umweltkrisen, schon lange vorbei, aber im Gedächtnis der Politik noch da. Es wird irgendwo immer in einem Sinne mit Gefahr verbunden. Und der Maschinenbau ist immer für Politiker ein Feld, um mit Hochtechnologie zu glänzen. Da geht es um technologische Exzellenz, um Fortschritt und um ein Innovationsimage.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

Ebenso spielen stark regulierte Branchen eine große Rolle, weil Politiker sich mit diesen Unternehmen häufiger beschäftigen müssen: „Würde ich erneut davon abhängig machen, in welchem Segment das jeweilige Unternehmen unterwegs ist. Unternehmen mit einem ganz starken gesellschaftlichen Impact – ja! Stark regulierte Unternehmen – ja! Also Deutsche Telekom, Autohersteller usw. Aber jetzt nehmen wir mal Linde – nein! Das Unternehmen macht Industriegase, das interessiert die Öffentlichkeit nicht, was soll der Mann an der Spitze kommunizieren? Das interessiert auch die Politik nicht besonders.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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In beiden Fällen weisen die Unternehmen eine höhere Relevanz für die Politik auf. Das gleiche trifft auf die Medienvertreter zu. Die Medien bilden weitestgehend die Wahrnehmungsmuster der Öffentlichkeit ab, die als Zielgruppe der Berichterstattung auch für die Journalisten von großer Bedeutung sind. Hinsichtlich der Bedeutung von Kundensegmenten für den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung existieren unterschiedliche Meinungen zwischen den Experten für Medienvertreter und für politische Akteure. Die erste Gruppe (B2C > B2B) misst dem CEO eines B2C-Unternehmens größere Bedeutung für die Stakeholderwahrnehmung bei als dem CEO eines B2B-Unternehmens. Ähnlich wie bei den gesamtgesellschaftlich relevanten Branchen wird die größere Bedeutung des CEOs damit erklärt, dass die Zielgruppe des Unternehmens sehr viel größer ist (Verbraucher statt Business-Kunden), sodass viele Menschen Berührungspunkte mit den B2C-Unternehmen (z.B. Telekommunikation, Banken, Pharma) haben: „Absolut. 'C' heißt bei uns 'E': Electors. Also für uns sind B2B-CEOs Fachleute, die sich gegenseitig irgendwelche Halbfertigprodukte verkaufen. Das ist zahlenmäßig sehr überschaubar und nicht wirklich sichtbar. Aber nehmen Sie die großen B2CBereiche: Telekommunikation, Verkehr, Banking, Pharma – das sind ja alles Dinge, die unglaublich prominent sind, die bei den Leuten Emotionen auslösen – positive oder negative. Und gerade da, wo es negative Emotionen in der Öffentlichkeit auslöst – zum Beispiel die Bahn hat mal wieder ein Problem mit der Klimaanlage – stellt sich natürlich dann schon die Frage, ob der CEO damit umgehen kann.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Als oberster Verkäufer seiner Produkte müsse der CEO sich der Zielgruppe präsentieren. In B2C-Unternehmen spielt der CEO in der externen Kommunikation aus diesem Grund eine herausgehobene Rolle, während dies in B2B-Unternehmen weniger der Fall ist, da die Zielgruppe hier gezielter angesprochen wird: „Also, ich glaube, bei B2B-Unternehmen ist die Bedeutung des CEO nicht geringer, aber seine Wirkungsweise nach draußen und wie er präsentiert werden muss ist natürlich eine andere. Wenn man kein Endprodukt für Konsumenten herstellt, dann kann man sich auf die wesentlich engere Zielgruppe fokussieren und dann muss man vielleicht nicht so ein Showtalent sein, sondern vielleicht eher durch technische Brillanz auffallen oder besondere verkäuferische Eigenschaften haben. Und da spielt dann auch die Kommunikation nach draußen nicht so eine große Rolle wie bei Konsumgütern.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Damit sind B2C-Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel präsenter und auch bekannter als B2B-Unternehmen. Gleichzeitig, so ein Experte, hänge die Bedeutung des CEOs für die Stakeholderwahrnehmung aber immer auch von der Produktbeschaffenheit ab:

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

„In B2C-Unternehmen hat der CEO eine größere Bedeutung. Aber Shampoo reicht nicht. Das Produkt muss dafür interessant genug sein.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Die zweite Gruppe (B2B > B2C) geht vom umgekehrten Zusammenhang aus. Demnach sei der CEO bei einem B2B-Unternehmen für die Stakeholderwahrnehmung von größerer Bedeutung als bei einem B2C-Unternehmen. Zur Begründung geben die jeweiligen Experten an, dass sich das Unternehmensimage im B2CSegment zu einem großen Anteil auch über das Produkt beziehungsweise die Unternehmensmarke bilde, während das Produkt im B2B-Segment zur Imagebildung fast immer vollständig wegfalle: „Und bei B2C kommt es auf die Marke an. Da ist der CEO einfach nur ein Instrument, um die Marke zu verkaufen.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Dieses Vakuum füllt der CEO, der das Produkt bei der Bildung des Unternehmensimages ersetzt (vgl. 4.2.4.1.). Die betreffenden Experten argumentieren hier über die Produktbeschaffenheit der zumeist haptischen Konsumentenprodukte, die häufig emotionaler besetzt sind als industrielle Zwischenprodukte im B2B-Segment. 7.2.3.3. Unternehmenssituation Während die zuvor diskutierten stakeholderspezifischen Merkmale nur für einen Teil der Stakeholdergruppen, die im Rahmen dieser Dissertation untersucht werden, von Bedeutung sind, sehen Experten für alle Stakeholdergruppen in der Unternehmenssituation einen Faktor, der den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung beeinflusst. Aus den Expertenaussagen kann abgeleitet werden, dass der CEO in Krisen- oder Veränderungssituationen eine größere Bedeutung für die Stakeholderwahrnehmung bekommt als in Wachstums- oder Stabilitätsphasen. Dies scheint einerseits daran zu liegen, dass die Wahrnehmbarkeit des CEOs in einer Krisensituation steigt, weil die Medien häufiger über ihn und das Unternehmen berichten: „Der CEO hat in einer Krisensituation größere Bedeutung, weil er da mehr Medienberichterstattung kriegt.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Andererseits liegt die größere Bedeutung des CEOs in einer Krisensituation in der steigenden Bedeutung von personeller Verantwortungszuschreibung als zentralem Merkmal personalisierter Stakeholderwahrnehmung begründet. Laut der Experten schreiben die Stakeholder dem CEO in Krisensituationen die Verantwortung für die Lösung der Krise zu (vgl. auch Nagel 2013: 199) (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Stake-

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

223

holder fordern aktives Handeln vom CEO, der in Krisensituationen wichtige strategische Entscheidungen treffen müsse: „Egal, ob für Medienvertreter oder für andere: Je krisenhafter die Situation, desto mehr kommt es in der Wahrnehmung auf den CEO an. Denn da sucht man natürlich nach jemandem, der das Unternehmen aus der Krise führen kann. Und da steht in der Regel auch sehr viel auf dem Spiel – bis hin zur Existenz des Unternehmens. Von daher ist die Erwartungshaltung an den CEO – und wahrscheinlich auch die Last, die er zu tragen hat und die er verspürt – in einer Krisensituation am größten.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter) „Wenn es darum geht, eine Krise zu bewältigen oder das Unternehmen strategisch neu zu justieren, dann hat der [CEO, Anm. d. Verf.] mehr Bedeutung. Wenn das Unternehmen wirklich richtig läuft, hätte man die Chance – die sollte man auch nutzen –, Leute neben sich stärker zu positionieren - bis hin zum einfachen Mitarbeiter. Aber in einer Krise muss der Mann am Steuer schon das Ding fest in der Hand haben, sonst läuft es nicht.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Ja natürlich, in der Krisensituation steht der CEO in der Verantwortung, die Krise zu managen. Die Verantwortung kann er nicht abgeben und ist auch in einer Krisensituation eine ganz zentrale Figur.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure) „Der CEO hat natürlich immer eine wichtige Bedeutung. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass es gut läuft. Das wird dann nur nicht so extrem wahrgenommen, das wird einfach als Normalfall wahrgenommen. Aber wenn es eine Krisensituation gibt, dann erwarten glaube ich alle Mitarbeiter, und zwar egal, auf welcher Hierarchieebene, dass der CEO sich auch vor die Mitarbeiter und das Unternehmen stellt, beides schützt, und auch Möglichkeiten aufzeigt – auch für externe Beobachter –, wie es jetzt weitergehen soll.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Experten für die institutionellen Investoren betonen beispielsweise, dass die Person des CEOs in diesen Situationen stärker in die Unternehmensevaluation beziehungsweise die darauf basierende Investitionsentscheidung einfließe, als das in Stabilitäts- oder Wachstumsphasen der Fall sei. In Stabilitäts- beziehungsweise Wachstumsphasen sei das Unternehmen bereits „richtig aufgegleist“, und der CEO müsse eher den Status Quo verwalten als das Unternehmen weiterzuentwickeln. Laut Aussage eines Experten für die Investoren könne in einer Veränderungssituation das CEO-Image für die Unternehmensbewertung und die Investitionsentscheidung sogar bedeutender sein als das Unternehmensimage. In diesen Situationen sei das Vertrauen in den CEO noch entscheidender, weil der CEO das „zukünftige Potential“ seines Unternehmens verkörpere: „Auch da gibt es ehrlich gesagt keine pauschale Antwort. Wenn Sie ein Unternehmen haben, was evolutionär entwickelt wird, also eine hohe Stabilität hat, sehr groß ist, sehr breit aufgestellt ist, breit diversifiziert. Dann ist der Einfluss eines CEOs in mei-

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

nen Augen nicht so signifikant wie bei einem Unternehmen, was in einer Restrukturierung steckt. Das heißt, in dieser Form ist der CEO von seiner Persönlichkeit her auch in meiner Bewertung eher zurückgestellt. Wohingegen, wenn sie einen CEO haben, der bewusst in ein Unternehmen reinkommt, um es zu restrukturieren oder um neue Impulse zu setzen, ist es sehr wichtig, wie die Person ist, wie sie agiert und, vor allen Dingen, was für eine Historie sie aufweist. Dann stellen wir uns die Frage: Ist derjenige fähig, die hohen Anforderungen, die an ihn gestellt werden, auch zu erfüllen? Hat der das in der Vergangenheit schon bewiesen? Und wie ist er vom Typ, also, ist er auch in der Wahrnehmung von unserer Seite auch im Gespräch ein Fit mit dem Anforderungsprofil, was wir haben, was das Unternehmen braucht?“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Hier wird deutlich, dass die Bedeutung von Personenvertrauen als einem Merkmal personalisierter Stakeholderwahrnehmung in Krisensituationen signifikant ansteigt (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Die in der Literatur geäußerte Vermutung, wonach Menschen in einer komplexen Krisensituation, die von großer Unsicherheit geprägt ist, dazu tendieren, ihr Vertrauen in einen „Hoffnungsträger“ zu setzen, dem sie die Verantwortung für die Lösung der Krise zuschreiben, scheint damit für die Unternehmenswahrnehmung der verschiedenen Stakeholder weitestgehend zuzutreffen (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Inwieweit auch der charismatisch-expressive Modus der Personalisierung in einer Krisen- beziehungsweise Veränderungssituation an Bedeutung gewinnt, wird im Folgenden noch ausführlich diskutiert (vgl. Kapitel 8). Neben der Verantwortung für die Lösung der Krise, die dem CEO von den Stakeholdern zugeschrieben wird – unabhängig davon, wer die Krise verursacht hat – sind laut Aussage der Experten Fragen nach der Verantwortlichkeit für die Krisensituation zu klären. Die Verantwortungszuschreibung erfolgt demnach auf zwei Ebenen, nämlich der Verantwortung für das Herbeiführen der Krise und der Verantwortung für das Überwinden der Krise (vgl. Eisenegger und KoniecznyWössner 2010: 124) (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Der CEO steht als Generalverantwortlicher des Unternehmens dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit, es sei denn, die Verantwortung für die Krisensituation kann eindeutig einem anderen Vorstandsressort zugeordnet werden (vgl. Szyszka 2010: 97) (vgl. Abschnitt 3.2.1.): „Das sind dann Fälle, wo man schon darüber nachdenkt, wie man den Tagesordnungspunkt „Entlastung“ bewertet. Ist es kriminell oder wirklich schweres Fehlverhalten? Und wenn ein Vorstand Fehler gemacht hat, denkt man natürlich in erster Linie an den CEO - es sei denn, es sind Themen, die ganz eindeutig in das Ressort eines anderen Vorstandsmitglieds fallen.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

In diesem Zusammenhang gibt der befragte Stimmrechtsberater auch an, dass der CEO in einer Krisen- oder Veränderungssituation stärker in die Wahrnehmung des Unternehmens und die Stimmrechtsempfehlungen einfließt, weil Fragen der Ver-

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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antwortlichkeiten zu klären seien und auch in die Abstimmungsempfehlungen einfließen müssten, zum Beispiel im Hinblick auf die Entlastung des Vorstandes auf der Hauptversammlung. Allerdings weist er explizit darauf hin, dass auch in Krisenoder Veränderungssituationen keine Bewertung der CEO-Persönlichkeit durch die Stimmrechtsberater erfolgt, sondern nur eine Bewertung des CEO-Verhaltens. Diese Bewertungen fließen dann in die Abstimmungsempfehlungen ein: „Ja, der CEO würde – was unsere Arbeit direkt angeht – nur in extremen Fällen in den Fokus geraten, zum Beispiel, wenn ein Fehlverhalten vorliegt, was in einen Bereich kommt, wo man darüber nachdenken muss, ob man seine Entlastung befürwortet oder nicht. Aber auch in diesen Fällen bewerten wir nicht die Persönlichkeit des CEOs. Es ist dann eher so, dass beispielsweise der Mangel an bestimmten Fähigkeiten bestimmte Konsequenzen hat, zum Beispiel auch rechtliche Konsequenzen, die wir zu bewerten haben. Dann betrachten wir ihn natürlich näher. Aber ich denke, die Stufen davor sind und dürfen auch für einen Stimmrechtsberater nicht relevant sein.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Im Falle des Stimmrechtsberaters findet also in Krisensituationen eine personelle Adressierung des Unternehmens im Sinne einer personellen Verantwortungszuschreibung statt. Jedoch können auch in einer Krisensituation keine Anzeichen für eine personelle Bewertung des Unternehmens identifiziert werden. In Veränderungssituationen sehen die Experten die Ursache für die gesteigerte Bedeutung des CEOs für die Stakeholderwahrnehmung darin, dass der CEO als Leitfigur und Orientierungshilfe die Richtung für die Veränderung vorgeben muss: „Gerade in Phasen, in denen sich komplett das Bild verändert, sich der Rahmen für alle Stakeholder ändert, in Branchen, die völlig umgewälzt werden, guckt natürlich jeder auf die Nummer 1.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Wenn sich in Veränderungssituationen in einem Unternehmen der Rahmen für alle Beteiligten ändert, muss der CEO – ähnlich wie in der Krisensituation – das Kommando übernehmen, strategische Entscheidungen treffen und auch umsetzen und vor allem Entschlossenheit demonstrieren. Hier erfolgt also auch eine personelle Verantwortungszuschreibung. Der CEO muss als Generalverantwortlicher des Unternehmens die Richtung für die Unternehmensentwicklung definieren und das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft führen. Die Bedeutung der Unternehmenssituation als personalisierungstreibender Faktor trifft – im Gegensatz zu den zuvor diskutierten unternehmensspezifischen Merkmalen – auch auf die Stakeholdergruppe der Mitarbeiter zu. In jeder Sondersituation – zum Beispiel bei Führungswechseln, Strategiewechseln oder in Krisenzeiten – steigt das Interesse von Mitarbeitern aller Hierarchieebenen am CEO. Denn

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7. Ergebnisse zur ersten Personalisierungsdimension

sobald sich wichtige Rahmenbedingungen für das Unternehmen verändern, können diese Veränderungen potentiell auch einen Einfluss auf den Arbeitsplatz des einzelnen Mitarbeiters haben: „Also, ich könnte mir schon vorstellen, dass er eine größere Rolle spielen wird, wenn Unternehmen sich noch schneller als bisher wandeln müssen. Dann wird der CEO eine größere Rolle für die Mitarbeiter gewinnen, weil diese Veränderungen Auswirkungen auf die Belegschaft haben. Und dann wird es für die Mitarbeiter natürlich auch spannender zu gucken, wer sitzt denn hier gerade vor und wer trifft welche Entscheidungen und sind die Entscheidungen richtig oder falsch. Ich glaube, das wird sich verändern.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter) „Und erst wenn es Krisenmomente gibt oder große Restrukturierungen, wird der CEO interessanter. Solange das nicht ansteht, würde ich mal annehmen, dass sich nicht allzu viele Mitarbeiter innerlich überhaupt mit ihm auseinandersetzen.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Gleichzeitig verstärkt ein CEO in einer Sondersituation seine Kommunikation in Richtung der Mitarbeiter. Aus diesem Grund erhöht sich auch die Wahrnehmbarkeit des CEOs für die Mitarbeiter: „Aber ich glaube, dass häufig gerade in solchen Momenten, wo ein Unternehmen auch in die öffentliche Beobachtung gerät, es eine stärkere Kommunikation vom CEO in Richtung der Mitarbeiter gibt.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Unter den Rahmenbedingungen steigender Unsicherheit steigt die Bedeutung des CEOs, weil auch in der Gruppe der Mitarbeiter eine personelle Verantwortungszuschreibung stattfindet und die Bedeutung von Personenvertrauen steigt (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Sowohl in Krisen- als auch in Veränderungssituationen steht der CEO somit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das Interesse der Stakeholder am CEO steigt. Aber auch die Erwartungshaltung an einen CEO scheint in einer Krisen- oder Veränderungssituation höher zu sein. Aus den Expertengesprächen wird ersichtlich, dass die Beurteilung eines CEOs in einer Krisensituation sehr viel direkter erfolgt. Die Stakeholder verfolgen die Entwicklungen mit großem Interesse und beurteilen den CEO danach, ob es ihm gelingt, die Krise zu bewältigen. Der CEO muss in einer Krisensituation damit viel schneller sichtbare Ergebnisse liefern, während er in einer Wachstums- oder Stabilitätsphase von den Stakeholdern mehr Zeit bekommt, eigene Akzente zu setzen. Eine kleinere Gruppe von Experten vertritt dagegen die Auffassung, dass die Bedeutung des CEOs für die Stakeholderwahrnehmung unabhängig von der Unternehmenssituation ist. In Krisen- und Veränderungszeiten würde dem CEO die

7.2. Einflussfaktoren für die Bedeutung von CEO-Images

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Verantwortung für die Lösung der Krise oder die Umsetzung von Veränderungsprozessen zugeschrieben; in Wachstumszeiten würde eine Erfolgszuschreibung erfolgen: „Er hat in beiden Situationen eine gleich hohe Bedeutung – aus verschiedenen Gründen allerdings. Die Frage ist, wer für was verantwortlich gemacht wird. Die Verantwortung des CEOs in einer Krise liegt darin, die Krise gut zu managen, unabhängig von der Frage, wer sie verursacht hat. In der Wachstumssituation stellt sich aber auch die Frage, wer für den Erfolg verantwortlich ist. Und der Erfolg strahlt auf denjenigen zurück, der die Ziele vorgibt. Das sollte die Aufgabe des CEOs sein. Deswegen wird vielleicht das Thema Wachstum noch mehr mit seiner Person verbunden. Er wird als Urheber angesehen, weil er die grundlegenden Richtungsentscheidungen getroffen hat, die letztlich zu Wachstum geführt haben.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter)

Nach Ansicht dieser Gruppe von Experten dient die Unternehmenssituation vielmehr als positiver beziehungsweise negativer Frame für die CEO-Wahrnehmung.

8.

Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

Im Rahmen der Interviews wurden die Experten zur Bedeutung der einzelnen Dimensionen des CEO-Imageprofils (vgl. Abschnitt 5.2.) für die Genese der CEOImages der verschiedenen Stakeholdergruppen befragt. Die Ergebnisse werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt und im Hinblick auf Ähnlichkeiten und Unterschiede unter Rückgriff auf den Theorierahmen und die zweite Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung erörtert. 8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen 8.1.1. Fachkompetenz Hinsichtlich der Bedeutung der Fachkompetenz-Dimension ergibt sich unter den befragten Experten ein relativ einheitliches Bild: Fachkompetenz wird von fast allen Experten als eine Voraussetzung betrachtet, ohne die ein Manager in Deutschland nicht in eine CEO-Rolle hineinkommt: „Ohne Fachkompetenz geht gar nichts. Ich würde mal sagen, in Deutschland kommt man ohne Fachkompetenz überhaupt nicht in diese Rolle hinein.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Also, ganz oben steht für mich Authentizität, Glaubwürdigkeit, Integrität, weil man ab einem gewissen Level diese ‚ZDF-Zahlen-Daten-Fakten‘ einfach voraussetzen kann. Also, dass jemand sein Handwerk versteht, mit Zahlen umgehen kann und strategisch denken kann, das ist ab einem gewissen Level eine Grundvoraussetzung. Sonst kommt man da gar nicht hin.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Die Experten weisen darauf hin, dass ein CEO auf dem Weg durch die Hierarchieebenen eines Unternehmens seine Fachkompetenz in zahlreichen Situationen unter Beweis stellen muss. Den Experten zufolge setzen Stakeholder daher Fachkompetenz auf der Ebene des Vorstandsvorsitzes voraus: „Man kann bei einem CEO voraussetzen, dass er ein entsprechendes fachliches Knowhow hat. Das hat er in früheren Positionen in der Regel beweisen müssen. Fachkompetenz ist vor allem auf dem Weg zum CEO wichtig. Und wenn jemand bis dahin kommt, hat er die Fachkompetenz in der Regel mehr als genug nachgewiesen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_8

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Ich glaube, das Thema der Fachkompetenz ist auf der Position des CEOs nicht mehr die vorrangigste Eigenschaft. Das setzt man voraus. Fachkompetenz muss man auf dem Weg dorthin beweisen, aber nicht, wenn man angekommen ist. Alles andere halte ich für extrem relevant – vor allem Leadership und Charisma. Integrität natürlich auch, weil ich glaube, dass das Thema Verlässlichkeit in der InvestorenKommunikation extrem wichtig ist. Aber das ist in meinen Augen eher eine Pflichtdimension, die man erfüllen muss. Die persönliche Reputation entscheidet sich in der Kür. Und das sind Leadership, Charisma und zu einem gewissen Ausmaß wahrscheinlich persönliche Merkmale.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Dennoch betonen die Experten explizit die Bedeutung von Fachkompetenz für die Erfüllung der Anforderungen an die CEO-Rolle. Sie sehen Fachkompetenz als eine Art „conditio sine qua non“, eine Voraussetzung beziehungsweise das Fundament für die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle: „Aus medialer Sicht ist Fachkompetenz etwas, was Voraussetzung ist, „conditio sine qua non“, aber nichts, was heraussticht. Also, es ist sozusagen ein Hygienefaktor.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter) „Das ist das Fundament der Tätigkeit des CEOs (zeigt auf Fachkompetenz und Leadership).“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Gleichzeitig weisen sie aber darauf hin, dass Fachkompetenz bei der Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs durch seine Stakeholder zunehmend in den Hintergrund rückt (vgl. Abschnitt 4.4.1.). Die Stakeholder setzen voraus, dass der CEO Stärken in der Fachkompetenz-Dimension aufweist, und verzichten in Erwartung eines kompetenten CEOs in vielen Fällen auf eine explizite Bewertung des CEOs auf dieser Dimension. Sie schreiben dem CEO Fachkompetenz-Eigenschaften also automatisch zu: „Integrität, Charisma und persönliche Merkmale sind am wichtigsten, denn in der Politik will man sich ein Bild von demjenigen machen, mit dem man es zu tun hat. Und die anderen nimmt man doch einfach an. Also bei einem Basketballspieler zu sagen „der ist groß“, das bringt nichts. Bei dem Basketballspieler gehe ich davon aus, dass er 1,90 ist. Diese härteren Faktoren, da würde ich sagen, die sind „given“, das vermuten die schon, dass er die hat. Da erfolgen automatische Zuschreibungen.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

Aus diesem Grund fallen besondere Stärken in der Fachkompetenz-Dimension bei der Beurteilung eines CEOs eher weniger (positiv) ins Gewicht, weil sie als „Normalzustand“ angesehen werden. Schwächen in der Fachkompetenz-Dimension – wenn sie offensichtlich werden – fallen jedoch bei der Beurteilung eines CEOs stark negativ ins Gewicht, weil kompetenzbezogene Eigenschaften als Grundvoraussetzung für den Erfolg eines CEOs betrachtet werden:

8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen

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„Je weiter Sie die Hierarchieleiter in einem Unternehmen nach oben steigen, desto mehr überwiegt die persönliche Kompetenz gegenüber der Fachkompetenz. Aber als CEO müssen Sie trotzdem immer wissen, wovon Sie reden. Weil sonst sagen alle: Das ist ein Blender, der hat keine Ahnung.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

In diesem Zusammenhang wird außerdem von verschiedenen Stakeholdern darauf hingewiesen, dass die Fachkompetenz eines CEOs insbesondere für externe Stakeholder schwierig zu bewerten sei: „Integrität, Charisma, persönliche Merkmale – das sind wahrscheinlich die Punkte, die für Leute, die außerhalb eines Unternehmens stehen, viel eher zum Tragen kommen oder die eher auffallen, insbesondere wenn sie nicht funktionieren oder negativ sind, als Themen wie Fachkompetenz und Leadership. Ich meine Leadership ist eine Sache, die man nur intern wirklich bewerten kann. Fachkompetenz würde ein Außenstehender auch erst dann bemerken, wenn man einen schweren Mangel feststellt und das Unternehmen in große Schwierigkeiten kommt. Während Charisma natürlich etwas ist, das als erstes auffällt für jemanden, der mit solchen Menschen in Berührung kommt. Und Integrität, persönliche Merkmale – ganz klar, das auch.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Fehlende Fachkompetenz könne daher von einem externen Stakeholder erst dann festgestellt werden, wenn ein gravierender Mangel vorliege, weil Fachkompetenz grundsätzlich nur im Zuge von persönlichen Primärerfahrungen zuverlässig evaluiert werden könne. Aber auch unter diesen Umständen fordert die Bewertung der Fachkompetenz-Dimension einem Stakeholder einen „hohen Input“ ab (Lass 1995: 36). Dieser Zusammenhang erklärt möglicherweise auch, warum die Fachkompetenz-Dimension, wie von Brettschneider und Vollbracht (2010: 145) gezeigt, in der medialen Darstellung von CEOs im Vergleich zu anderen Dimensionen überwiegend positiv bewertet wird. Den CEOs wird also grundsätzlich eine große Fachkompetenz zugesprochen, es sei denn, es ist ein schwerer Mangel derselben feststellbar (vgl. Abschnitt 4.4.1.). Vereinzelt wurden von den Experten auch Aussagen zur Bedeutung von einzelnen Eigenschaften getätigt, die der Fachkompetenz-Dimension zuzurechnen sind. Dabei ist zunächst einmal auffällig, dass ein CEO aus Sicht seiner Stakeholder scheinbar kein „Spezialist“ für alle Unternehmensfunktionen und -bereiche sein muss. Vielmehr sollte der CEO aus Sicht seiner Stakeholder ein „Generalist“ sein. Spezialwissen in einzelnen Themenbereichen wie zum Beispiel Controlling, Finance, Vertrieb, Produktion oder Marketing ist aus Sicht der Interviewpartner nicht erforderlich und kann gegebenenfalls von Experten im Unternehmen kompensiert werden:

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Ich glaube, dass die Fachkompetenz auf dem Niveau nicht mehr so entscheidend ist. Der CEO muss alles können, aber nicht mehr wirklich so in die Tiefe gehen. Die Kompetenzen und Erfahrungen – das ist praktisch so ein „given“, aber es steht nicht mehr im Vordergrund. Und Leadership kann verstärkt werden durch persönliche Merkmale. Aber alleine würden persönliche Merkmale auch nicht Leadership-Talent oder Erfahrungen ersetzen. Und Integrität wird schlicht erwartet.“ (Dr. HansChristoph Hirt, Experte Investoren) „Also, Sie sehen es ab und zu, wenn ein Branchenfremder eine CEO-Funktion übernimmt oder wenn auf einmal ein CFO in einem technischen Unternehmen CEO wird. Da sagt man ja erst einmal: Das geht gar nicht, das muss ein Ingenieur sein, der kann doch hier nicht ein hochtechnisches Unternehmen führen, ohne die Fachexpertise zu haben. Doch, kann er! Weil er die Experten im Unternehmen hat. Also ich glaube, man braucht eine gewisse Helikoptersicht, einen gewissen gesunden Menschenverstand, eine gewisse Erfahrung – aber dann ist das Thema Fachkompetenz für mich eigentlich abgehakt.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Der CEO muss vielmehr über einen Grundstock an Wissen in allen Bereichen verfügen und in der Lage sein, Informationen aus allen Unternehmensbereichen zu verstehen und richtig einzuordnen. Uneinigkeit besteht unter den befragten Experten hinsichtlich der Bedeutung von industriespezifischem Sachverstand. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass industriespezifischer Sachverstand für einen CEO von großer Bedeutung sei, weil er das Unternehmen im Branchenkontext führen und daher grundlegende Kenntnisse nicht nur über das spezifische Unternehmen, sondern auch über die Branche, besitzen müsse: „Gut, ein CEO muss natürlich das Unternehmen als Ganzes im Blick haben. Dazu gehören Branchen- und Unternehmenskenntnisse. Er muss das Unternehmen kennen, und er muss wissen, wie sich der Markt und die Branche entwickeln.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Diese Ansicht wird dadurch bestärkt, dass auch bisherige empirische Studien, die sich mit der Zusammensetzung von CEO-Images beschäftigt haben, industriespezifischen Sachverstand als wichtigen Erfolgsfaktor hervorheben (vgl. u.a. FTI Consulting 2012) (vgl. Abschnitt 4.2.). Andererseits wird im Zusammenhang mit dieser spezifischen Einzeleigenschaft von den Experten darauf hingewiesen, dass auch branchenfremde CEOs ein Unternehmen sehr erfolgreich führen können, wie viele Beispiele belegen würden: „Ich weiß zum Beispiel gar nicht, ob der industriespezifische Sachverstand immer so richtig notwendig ist. Denn wenn Sie sich angucken, wie die CEOs auch die Branchen wechseln – das ist was, wo ich überlege, ob das wichtig ist, industriespezifischen Hintergrund zu haben, oder ob man das kompensieren kann.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen

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Industriespezifisches Wissen kann nach Ansicht der Experten daher zunächst von (Branchen-)Experten kompensiert werden, bevor der CEO es sich im Laufe der Zeit selbst aneignet. Darüber hinaus ergänzen die befragten Experten weitere Einzeleigenschaften, die ihrer Meinung nach für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs durch verschiedene Stakeholder auf der Fachkompetenz-Dimension von großer Bedeutung sind. Die Nennungen der Eigenschaften erfolgten jeweils mehrfach und wurden von den Experten begründet. Ein Fokus lag dabei auf der Digitalisierungskompetenz. Weil die Digitalisierung die Rahmenbedingungen für Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle in den vergangen Jahren und auch noch zukünftig verschiebt und damit alle Funktionen des Unternehmens – unter anderem die Führungsfunktion – grundlegend verändern wird, muss nach Meinung mehrerer Experten ein CEO auch eine ausgeprägte Digitalisierungskompetenz aufweisen, um in der Lage zu sein, für ein Unternehmen die richtigen Entscheidungen treffen zu können: „Ich glaube, dass man bei der Fachkompetenz heutzutage und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ohne Digitalisierungskompetenz nicht mehr auskommt. Das wird so derartig alles überlagern in allen Branchen, dass, wer da glaubt, weiterhin mit seiner bisherigen kaufmännischen oder technischen Ausbildung weiterzukommen, scheitern wird.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Die amtierende Managergeneration gehört in der Realität aber häufig noch zu den Half Digital Natives, die erst gegen Ende ihrer akademischen Ausbildung digitalisiert wurden. Einen CEO mit ausgeprägter Digitalisierungskompetenz zu finden ist daher eher selten (vgl. Becker und Knop 2015: 11). Darüber hinaus wird neben den Erfahrungen des CEOs, die im Modell bereits berücksichtigt wurden, auch die Bedeutung des Track Records hervorgehoben. Viele Stakeholder – so die befragten Experten – würden darauf achten, welche Leistungen ein CEO in seinen früheren Positionen erbracht hätte. Ein positiver Track Record könne das Vertrauen der Stakeholder in den CEO stärken, weil dieser bereits in der Vergangenheit bewiesen habe, dass er ein Unternehmen erfolgreich führen könne: „Was mir so ein bisschen fehlt, ist der Track Record. Also, dass man zeigen kann: „Ich habe es ja schon mal irgendwo geschafft, und ich habe schon mal was auf die Beine gestellt“. Das ist immer gut am Anfang, bis der CEO dann liefern kann. Track Record kommt bei Fachkompetenz rein.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Vertrauen kann man über den Aufbau eines Track-Records schaffen: Also Fakten schaffen, belegen, dass man in der Vergangenheit das erreicht hat, was man versprochen hat.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

In diesem Sinne kann der Track Record bei einem CEO-Wechsel das Image des neuen CEOs bei den Stakeholdern positiv beeinflussen. Dennoch kann dieser positive Imageeffekt nur für einen begrenzten Zeitraum Wirkung entfalten. Ein CEO muss, so die Experten, diesen positiven Eindruck nach einer gewissen Schonfrist durch eine entsprechende Entwicklung des Unternehmens untermauern, um den positiven Imageeffekt langfristig zu festigen (vgl. Abschnitt 7.1.2.). 8.1.2. Leadership Der Leadership-Dimension wird stakeholdergruppenübergreifend eine herausragende Bedeutung zugeschrieben. Die befragten Experten betrachten Leadership, wie auch bereits die Fachkompetenz-Dimension, als Fundament der CEO-Rolle. Ähnlich wie schon für die Fachkompetenz-Dimension sehen die befragten Experten auch Leadership-Qualitäten als eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Ausübung einer CEO-Rolle: „Leadership – ich glaube, das kann man nicht lernen – das hat man, oder das hat man nicht. Also, das ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das ich essentiell finde für einen erfolgreichen CEO.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Dennoch wird aus den Expertenaussagen deutlich, dass – anders als bei der Fachkompetenz-Dimension – bei der Leadership-Dimension nicht notwendigerweise automatische Zuschreibungen erfolgen. Die Experten weisen darauf hin, dass Leadership-Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs durch verschiedene Stakeholder von allergrößter Bedeutung sind. Vielfach wird Leadership sogar als die bedeutendste Kategorie für die CEO-Wahrnehmung identifiziert: „Für die mediale Wahrnehmung ist das Thema Charisma wichtig. Wichtiger sind aber Charakter und, daraus abgeleitet, Leadership. Darüber kann man Erfolg erreichen, der nachhaltig ist.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter) „Ich glaube, dass Leadership die wichtigste Eigenschaft ist. Leadership, Integrität, Fachkompetenz – in der Reihenfolge würde ich sagen.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure) „Leadership Skills natürlich. Wenn das Unternehmen den Eindruck erweckt, gut geführt zu sein, dann ist das natürlich etwas, das wir als Politiker in einem CEO schätzen, weil dafür sind die Leute da, das ist deren Job.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Daher scheint es eher so zu sein, dass Leadership-Eigenschaften explizit in die Bewertungen von CEOs einfließen und damit ein wichtiger Bestandteil der CEO-

8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen

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Images verschiedener Stakeholder sind. Leadership wird daher als zentraler Erfolgsfaktor für die Ausübung der CEO-Rolle wahrgenommen. Ein Experte weist darauf hin, dass, ebenso wie die Eigenschaften der Fachkompetenz-Dimension und Leadership-Eigenschaften insbesondere durch externe Stakeholder schlechter zu bewerten seien als die übrigen Eigenschaftsdimensionen (Integrität, Charisma und persönliche Merkmale). Rollenferne Eigenschaften sind nach Aussage des Experten dagegen intuitiv beziehungsweise gefühlsmäßig besser einzuschätzen als rollennahe Eigenschaften: „Integrität, Charisma, persönliche Merkmale – das sind wahrscheinlich die Punkte, die für Leute, die außerhalb eines Unternehmens stehen, viel eher zum Tragen kommen oder die eher auffallen, insbesondere wenn sie nicht funktionieren oder negativ sind, als Themen wie Fachkompetenz und Leadership. Ich meine, Leadership ist eine Sache, die man nur intern wirklich bewerten kann. Fachkompetenz würde ein Außenstehender auch erst dann bemerken, wenn man einen schweren Mangel feststellt und das Unternehmen in große Schwierigkeiten kommt. Während Charisma natürlich etwas ist, das als erstes auffällt für jemanden, der mit solchen Menschen in Berührung kommt. Und Integrität, persönliche Merkmale – ganz klar, das auch.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Hinsichtlich der Einzeleigenschaften, die im Rahmen der Leadership-Dimension nach Aussage der Experten von Bedeutung sind, fällt auf, dass Führung zunehmend transformationell definiert zu werden scheint. Bestimmte Eigenschaften innerhalb der Leadership-Dimension scheinen dabei an Bedeutung zu gewinnen. Dazu zählen unter anderem Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Vision, Überzeugungskraft und Kommunikationstalent – Eigenschaften, die teilweise im bisherigen Modell noch nicht beziehungsweise an anderer Stelle Berücksichtigung gefunden haben. Von vielen befragten Experten wurde im Verlauf der Interviews auf die herausragende Bedeutung von Überzeugungskraft für die Stakeholderwahrnehmung hingewiesen: „Ich würde sagen, dass die Überzeugungskraft innerhalb dieser Punkte, die Sie schon erwähnt haben, extrem an Bedeutung gewinnen wird. Wo früher vielleicht doch gesagt worden ist „So ist es jetzt“, muss man nun schon zusehen – und das gilt nicht nur für die Generation Y, sondern ich würde schon auch sagen, für die 40-50Jährigen auch –, dass ich verdammt gute Argumente dafür haben und diese auch kommunizieren können sollte, warum ich eine bestimmte Entscheidung, die für das Haus gravierend ist, getroffen habe.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Durchsetzungskraft eines CEOs – als ebenfalls zentrales und wichtiges Element seiner Führungsstärke – könne sich grundsätzlich auf zwei Weisen manifestieren: durch Anweisung oder durch Überzeugung:

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Und was einen guten CEO von einem weniger guten CEO unterscheidet, sind genau die Dinge, die ich genannt habe. Da gehört viel Begeisterungsfähigkeit dazu, die Bereitschaft, die Extrameile zu gehen, und die Fähigkeit, Mitarbeiter zu begeistern und zu führen. Wie man das tut, ist wieder eine andere Frage. Das kann man tun, indem man als Vorbild agiert, das kann man aber sicherlich auch tun, indem man Angst und Schrecken verbreitet. Und das eine muss nicht schlechter sein als das andere – das kommt wieder auf die Branche an. In der Automobilbranche funktioniert Angst und Schrecken wahrscheinlich besser als in der Strategieberatung, wo Ihnen dann die Leute weglaufen werden.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter) „Und ich glaube auch, dass eine Unternehmenskultur, die Angst und Schrecken verbreitet, eher auf einem schwachen Leader beruht, nicht auf einem starken, modernen Leader.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Durchsetzung durch Überzeugung gewinnt in den Augen der befragten Experten immer stärker an Gewicht: „Ein CEO sollte auch ein sehr guter Leiter sein, und ein sehr guter Leiter verhält sich in der Regel nicht wie ein Oberfeldwebel, sondern ist stark daran interessiert, dass er seine Mitarbeiter fördert.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Stakeholder wünschten sich heute an der Spitze eines börsennotierten Unternehmens eine moderne Führungsfigur, die nicht ausschließlich über Anweisungen und die Aufrechterhaltung klarere Befehlsstrukturen und Hierarchien führe. Eine Kultur von „Angst und Schrecken“ zu implementieren sei für einen CEO heutzutage daher nicht mehr zielführend. Auch wenn Durchsetzungskraft immer noch von allergrößter Bedeutung sei, entfalte diese Eigenschaft ihre Wirkung nur noch in Kombination mit Überzeugungskraft und auch Kompromissfähigkeit. In diesem Zusammenhang wird an verschiedenen Stellen auch auf die enge Verbindung zwischen Durchsetzungskraft, Begeisterungsfähigkeit und Überzeugungskraft eines CEOs hingewiesen, die nur gemeinsam ihre volle Stärke entfalten können: „Durchsetzungskraft ist sehr wahrscheinlich auch wichtig, aber nur im Zusammenhang mit den anderen Sachen hier. Also, es reicht nicht, alleine ein Dickkopf zu sein oder ein Despot. Man muss Leute schon überzeugen können. Also, wenn wir jetzt von so einem Idealtyp ausgehen, würde ich mal sagen, ist das genauso wichtig: Durchsetzungskraft wie Kompromissfähigkeit und vor allen Dingen Überzeugungskraft.“ (Thomas Küchenmeister, Experte politische Akteure)

Der CEO muss nach Ansicht der befragten Experten den Stakeholdern darüber hinaus als Orientierungshilfe dienen: „Ich denke, ein dritter und wichtiger Punkt ist noch das Thema Orientierung. Ich denke, es ist eine Aufgabe eines CEOs, eine Einordnung zu geben, wo das Unternehmen steht.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter)

8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen

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„Ich glaube, dass das Thema „Richtung geben“ ein ganz wichtiges ist. Und wenn wir jetzt die ganze GenY-Debatte sehen – das hat ja sehr viele partizipatorische Züge. Und es gibt ja immer mehr Transparenz und eigentlich wirklich eine Inflation von Informationen. Umso wichtiger ist das Thema Führung und eine klare Richtung zu geben. Deutlich zu machen, wo man als Unternehmen hin will und vor allen Dingen auch, warum ist glaube ich ganz entscheidend.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Diese Orientierungshilfe gibt der CEO sowohl hinsichtlich der übergeordneten Unternehmensstrategie als auch hinsichtlich der Aufgabe eines jeden Einzelnen. Er muss den Mitarbeitern den Sinn ihrer Tätigkeit, das gemeinsame Ziel und die Unternehmenskultur vermitteln. Der CEO müsse dazu dialogorientiert führen, seine Entscheidungen erklären und zur Diskussion stellen: „Er muss in der Lage sein, Orientierung zu geben. Orientierung geben, was die Strategie angeht, aber auch, was die Aufgabe des Einzelnen angeht. Er muss dafür sorgen, dass es dieses Verständnis und diese durchgehende Kultur gibt, dass jeder Mitarbeiter den Sinn versteht. Den Sinn seiner Aufgabe und den Sinn der unternehmerischen Zielsetzung. Beides gehört zusammen. Das ist dieses schöne Bild, was immer wieder zitiert wird, aus dem Mittelalter, wo Leute Steine behauen und dann gefragt werden, was sie da machen. Und der eine sagt: „Ich behaue Steine“. Und der andere sagt: „Ich baue eine Kathedrale“.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Dabei müsse er – so verschiedene Experten – auch offen für Ratschläge und Anregungen sein, nicht nur aus den Führungsetagen, sondern auch aus nachgelagerten Ebenen: „Er ist derjenige, der dafür sorgt, dass es eine klare Strategie gibt, der das Ganze koordiniert und auch ganz wesentlich diese Strategie mitbestimmt. Der aber auch offen sein muss für die Ratschläge, die er bekommt, und jetzt nicht nur von einem kleinen Kreis Ausgewählter, sondern nach Möglichkeit auch den Rat aus den Ebenen da drunter mal einzuholen. Ich glaube, das ist ein Problem, was wir im Moment in Deutschland wirklich ganz extrem haben. Wir lassen viel Information und Knowhow liegen. Und ich habe auch ein gewisses Maß an Verständnis dafür, dass viele CEOs sagen, das will ich gar nicht. Ich muss mich mit den Investoren auseinandersetzen, ich muss mich mit meinem Aufsichtsrat auseinandersetzen und dann kommen noch irgendwelche Mitarbeiter mit klugen Ideen, das fehlt mir gerade noch. Aber, wir lassen dann natürlich einfach Knowhow auch liegen. Und was mir auffällt, ist, dass selbst im Vorstand nicht alle im gleichen Maße beteiligt werden. Und das hängt ganz entscheidend von der Person des CEOs ab, ob er wirklich alle mitnimmt oder sagt: „Mir reicht, wenn ich das mit meinem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Finanzvorstand mache, und dann hole ich noch zwei, drei Berater mit ins Boot, und den Personalvorstand, den informiere ich hinterher“. Was aus meiner Sicht absolut töricht ist, aber es passiert in der Praxis.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

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Denn Überzeugung sei keine Einbahnstraße; der CEO müsse sowohl senden als auch empfangen können, um die Stakeholder – insbesondere die Mitarbeiter – von einem Weg zu überzeugen: „Man muss kommunizieren können, und man muss es auch wollen. Also, man muss das Handwerkszeug dafür haben und dann auch die Bereitschaft, in einen solchen kommunikativen Prozess hineinzugehen; Kommunikation eben nicht als Einbahnstraße begreifen, sondern tatsächlich auch als etwas, wo man wahlweise Sender und Empfänger ist. Es gibt Chefs, die die Empfängereigenschaft abschalten, aber die sind meistens nicht allzu lange Chef.“ (Hermann-Josef Tenhagen, Experte Medienvertreter) „Auf der obersten Ebene: genauso gut senden wie empfangen zu können.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

In diesem Zusammenhang spielt auch die Konflikt- und Kompromissfähigkeit eines CEOs eine große Rolle. Ein CEO muss in der Lage sein, einen Konflikt respektvoll auszutragen, um am Ende zu einer Lösung zu gelangen, die für möglichst viele Mitglieder der Organisation akzeptabel ist: „Sie haben Durchsetzungskraft und Kompromissfähigkeit, das finde ich sehr schön als Dualität. Ich habe es an anderer Stelle mal etwas krasser beschrieben: man muss auch konfliktbereit sein. Es geht dabei nicht darum, den Streit um des Streites willen zu suchen, aber man muss auch bereit sein, gewisse Dinge auszutragen. Das kann dann am Ende in einen Kompromiss führen, aber man darf nicht gleich sagen: Oh, streiten will ich mich nicht. Ich meine, solche Leute kommen in der Regel auch nicht in Spitzenpositionen. Aber das gehört eben einfach zur Persönlichkeit mit dazu, die es für bestimmte Funktionen braucht.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Dazu müsse ein CEO auch über den nötigen Abstand zu sich selbst verfügen, um in der Lage zu sein, die eigene Position zu überprüfen beziehungsweise zu hinterfragen und sich auf andere Standpunkte einzulassen. An verschiedenen Stellen in den Experteninterviews klingt außerdem an, dass von einem CEO erwartet wird, seine Mitarbeiter zu befähigen, ihr Potential bestmöglich zu entfalten: „Stichwort Leadership: In gewisser Weise muss und sollte jeder Leiter seine Mitarbeiter soweit fördern, dass er in gewisser Weise auch ersetzbar ist. Das machen die meisten natürlich nicht, weil sie Angst haben, dass sie dann verdrängt werden. Aber es ist eine sehr wichtige Sache, wenn man an das Unternehmen als Ganzes denkt. In der Regel ist ein Leiter - oder er sollte es sein – besser als seine Mitarbeiter. Er ist weiter, er hat mehr Wissen, und er sollte versuchen, das zu nutzen, um auch die entsprechenden Stärken seiner Mitarbeiter zu fördern.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

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Im Sinne von „Empowerment“ würde eine starke moderne Führungskraft die eigenen Stärken (z.B. Wissen, Fähigkeiten, Erfahrungen) dazu nutzen, ihre Mitarbeiter bestmöglich zu fördern, auch wenn sie so Gefahr laufe, sich in gewisser Weise ersetzbar zu machen. Ein starker Leader habe hier das langfristige Wohl des gesamten Unternehmens im Sinn und nicht nur seinen persönlichen Machterhalt. Aus diesem Grund würde ein starker Leader seine Mitarbeiter bestmöglich fördern und befähigen, damit sie ihr volles Potential zum Wohle des Unternehmens entfalten könnten. So ließe eine starke moderne Führungsfigur kein Knowhow im Unternehmen brach liegen. Ein CEO mit großen Stärken in der Leadership-Dimension hätte immer auch die Zukunft des Unternehmens im Blick und würde sich bewusst „ersetzbar machen“, um die Zukunft des Unternehmens auch über seine Amtszeit hinaus zu sichern. Eng verbunden mit der Orientierungsfunktion und der Befähigung der Mitarbeiter gibt es noch eine weitere Eigenschaft, die im Zuge der Neudefinition von Führung an Bedeutung zu gewinnen scheint. Ein befragter Experte spricht in diesem Zusammenhang von Selfawareness, also der „Selbsterfahrung“ beziehungsweise „Selbsterkenntnis“ des CEOs. Als Teil seines Leaderships müsse ein CEO sich seiner persönlichen Motivation bewusst sein und diese konsequent hinterfragen. Denn nur wenn der CEO seine eigene Motivation, für die Unternehmensziele zu kämpfen, kenne, könne er die Motivation für diese gemeinsamen Ziele auch in anderen erwecken: „Also, wie AIESEC Leadership definiert ist: Empowering Others, Solution Orientation, Being a World Citizen und Selfawareness. Und ich glaube, dieser SelfawarenessTeil, der fehlt mir da noch ein bisschen. Weil Leadership ist was sehr Persönliches. Also, ich brauche so meine persönliche Quelle davon, warum ich etwas tue. Also, mein Purpose oder wie man das auch nennen möchte – also mein Antrieb, warum ich etwas mache. Ich glaube, das hier zu kennen und auch in anderen zu wecken, ist ein bisschen eine grundlegende Fähigkeit von Überzeugungskraft. Aber das ist nur eine Ausprägung davon.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Darüber hinaus betonen viele Experten die Bedeutung von Vision beziehungsweise visionärer Kraft für die Stakeholderwahrnehmung, die im Modell bislang nicht reflektiert wurde. Die Eigenschaft wird einstimmig der Leadership-Dimension zugeordnet: „Was mir unter dem Thema Leadership so ein bisschen fehlt, ist die Vision. Denn die Unternehmen – auch die Aktiengesellschaften – brauchen immer stärker eine Perspektive über die Vierteljahresrendite hinweg.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure)

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Auch in der Literatur wurden sowohl Vision als auch die Rolle des CEOs als Visionär bereits als „klares Merkmal guter Führung“ thematisiert (Hiesserich 2013: 77). Unter Vision verstehen die Experten die Fähigkeit, Ideen für die langfristige Entwicklung eines Unternehmens vorausschauend und vor allem rechtzeitig zu entwickeln. In Zeiten tiefgreifender Veränderungsprozesse und der Disruption – zum Beispiel im Zuge der Digitalisierung – gewinnt die visionäre Kraft eines CEOs laut der Experten weiter an Bedeutung, weil Unternehmen und Geschäftsmodelle sich grundlegend verändern müssen: „Ich glaube, dass eines der wichtigsten Dinge in dieser Welt, die sich im Augenblick so schnell dreht durch die Digitalisierung, natürlich die Vision für das eigene Unternehmen ist, und diese Vision dann auch transportiert zu bekommen. Wo stehe ich und wo will ich hin und wo glaube ich, dass wir in drei, vier, fünf Jahren sind? Ich glaube, kein CEO kann sich heute mehr leisten, für sein Unternehmen nur noch in Drei- oder Fünf-Jahres-Rhythmen zu denken, sondern er muss es tatsächlich länger denken.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Ein CEO müsse diesen Veränderungsprozessen innovativ begegnen, um sein Unternehmen in die Zukunft zu führen, anstatt nur den Status Quo zu verwalten. Die visionäre Kraft eines CEOs wird in der Literatur in diesem Sinne auch mit der Fähigkeit in Verbindung gebracht, „gewichtige Trend und Umbrüche – strategic inflection points – zu erkennen“ (Herv. i. O.) (Hiesserich 2013: 77). In der Eigenschaft Vision drückt sich aber auch die langfristige Perspektive von Leadership aus, die von vielen Experten gefordert wird: „Vor allen Dingen ist es wichtig, dass eine nachhaltige Entwicklung im Unternehmen angestoßen wird, die nicht nur auf kurzfristig Rendite, sondern auf langfristigen Unternehmenserfolg ausgerichtet ist. Dies ist eine Entwicklung, die in der chemischen Industrie schon lange stattfindet und CEOs, die eine solche Politik fahren, werden aus meiner Sicht in der Politik auch eine höhere Anerkennung erfahren.“ (HansJürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure)

Veränderungsprozesse der nächsten Jahre müssen von einem CEO schon heute in den strategischen Weichenstellungen berücksichtigt werden. Laut eines Experten müsse ein CEO beim Führen immer bereits daran denken, was am Ende übrigbleibt und bei seinen strategischen und kulturellen Entscheidungen in einer zeitlichen Perspektive denken, die deutlich über seine Amtszeit hinausreicht: „Dass er eine Strategie, eine überzeugende Strategie, für sein Unternehmen hat. Dass er ein tragfähiges Geschäftsmodell kommunizieren kann, das über die Zeit der Führung seiner Amtsgeschäfte auch deutlich hinausreicht. Dass er beim Führen daran denkt, was am Ende übrig bleibt von dem, was er da hinterlässt. Und zwar nicht nur nach den fünf Jahren seiner Vertragslaufzeit, sondern eben auch, wenn er an seinem Lebensende darauf zurückblickt, was er im Leben so geleistet hat. Wenn man so will,

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das ‚Führen vom Ende‘ her, was viel zu wenig passiert. Da gibt’s ein ganzes Buch von Otto Scharmer vom MIT dazu.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des „Von der Zukunft her führen“, das auf ein Konzept von Scharmer (2014) zurückgeht. Scharmer beschreibt in diesem Buch einen Wechsel des Bezugsrahmens für Unternehmensführer. Scharmer fordert, dass Unternehmensführer anstelle eines "EgosystemBewusstseins", das auf das eigene Wohl konzentriert ist, ihr Handeln zukünftig an einem "Ökosystem-Bewusstsein", das auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist, orientieren sollten (vgl. Scharmer und Käufer 2014). Um seine Stärken in der visionären Eigenschaft auch ausspielen zu können, ist laut der Experten eine weitere Eigenschaft von herausragender Bedeutung: Kommunikationstalent. Der CEO muss in der Lage sein, seine Vision auch an die Stakeholder zu vermitteln: „Es gibt bestimmte Bereiche – zum Beispiel im Zusammenhang mit Industrie 4.0 – in denen ein ziemlicher Umbruch ansteht. Wenn man als CEO dafür eine Vision hätte, wäre das hilfreich. Und man muss auch in der Lage sein, das umzusetzen, und dazu braucht man die entsprechenden kommunikativen Fähigkeiten, denn man muss ja mit allen möglichen Stakeholdern reden – mit den Arbeitnehmern, mit den Gewerkschaften, mit der Politik usw.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

Während Kommunikationstalent im Rahmen des theoretischen Modells noch der Eigenschaftsdimension Charisma zugeordnet wurde, weisen verschiedene Experten darauf hin, dass Kommunikationstalent der Imagedimension Leadership zuzuordnen sei: „Da stolpere ich immer noch so ein bisschen drüber, dass Sie Kommunikationstalent bei Charisma eingeordnet haben – also, ich würde es vielleicht sogar eher hier oben noch bei Leadership reinsetzen.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdergruppen gehört zu den wichtigsten Führungsaufgaben eines CEOs. Schließlich führt ein CEO über Kommunikation. Insbesondere im Zusammenhang mit transformationellen Führungsansätzen steigt dabei die Bedeutung der Qualität der CEO-Kommunikation mit den unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Nur ein CEO, der über Kommunikationstalent verfügt, ist in der Lage, die Stakeholder von seinen strategischen Richtungsentscheidungen zu überzeugen. Kommunikationstalent ist außerdem eine Grundvoraussetzung dafür, dass der CEO den Interessen seines Unternehmens bei externen und internen Anspruchsgruppen überhaupt Gehör verschaffen kann: „Und ganz wichtig: Kommunikationsstärke. Der CEO ist der oberste Vertriebler, der oberste Pressesprecher, der oberste Personaler, und wenn der was Falsches erklärt,

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das kriegen die anderen kaum noch wieder eingefangen. Er muss kommunizieren, nach außen und nach innen, das ist einfach wichtig. Wir können keinen CEO gebrauchen, der sagt: „Ich mache unheimlich gern diesen Job, nur mit Menschen sollte es nichts zu tun haben“. Das funktioniert eben einfach nicht.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Somit wird Kommunikationstalent nach Ansicht vieler befragter Experten ein integraler Bestandteil der Führungsqualitäten eines CEOs. Grundsätzlich ist die Bedeutung von Kommunikationstalent nach Expertenaussagen in den letzten Jahren dramatisch gestiegen, weil sich die Kommunikationsgeschwindigkeit stark erhöht hat. Aus diesem Grund werde es für den CEO immer wichtiger, „sauber“ zu kommunizieren, weil negative Kommunikationsereignisse sich schnell verbreiten: „Ich glaube, dass Kommunikationstalent heute noch zehnmal wichtiger ist, weil einfach Dinge so schnell transportiert und multipliziert werden, vor allem auch negative Dinge, dass diese Fettnäpfchen einfach so zahlreich geworden sind, dass man sich einfach sauber bewegen können muss.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure)

Obwohl Kommunikationstalent zwar häufig mit charismatischen Eigenschaften einhergehe, kann laut der Experten Kommunikationstalent aber auch völlig unabhängig von charismatischen Eigenschaften bestehen: „Und ich meine, Charisma und Kommunikationsfähigkeit sind auch immer noch zwei verschiedene Paare Schuhe. Also, selbst wenn man Charismatiker ist, kann man Fehler in der Kommunikation machen. Und selbst wenn ich wenig Charisma habe, kann ich sehr gut kommunizieren und sehr glaubwürdig sein.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Im Gegensatz zu Charisma könne ein CEO Kommunikationstalent zu einem gewissen Grad trainieren (vgl. auch Nagel 2013: 36): „Wenn jemand kein brillanter Rhetoriker ist – der wird auch als CEO nie ein brillanter Rhetoriker sein. Es gibt halt gewisse Sachen, die können Sie trainieren; die Stärken kann man stärken, die Schwächen muss man versuchen, möglichst abzutrainieren oder nicht auffällig erscheinen zu lassen.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Der CEO könne beispielsweise durch Medien- und Sprechtrainings Fähigkeiten erlernen, um Kommunikationssituationen zu bewältigen, die nach klaren formalen Regeln ablaufen, wie zum Beispiel Interviews oder Hauptversammlungen: „Es gibt ganz viele formale Bedingungen, die man über Schulungen hinkriegt, das umfasst auch die Darstellungsseite. Das ist kein Problem. Aber den spontanen öffentlichen Auftritt, wo man plötzlich ein Problem hat in einem Unternehmen und dann Mitarbeiter für sich einnehmen muss, oder auch Talkshow-Auftritte: Das kann man alles nur sehr begrenzt steuern. Und da gibt es ganz wenige, die das von sich aus

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können, die vom Typ her so sind. Die meisten tun sich eher schwer, deswegen treten Unternehmensführer auch nicht so häufig in Talkshows auf.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Hier geht es also stärker um eine klare, ehrliche und transparente Kommunikation als um Fragen der Ausstrahlung des kommunizierenden CEOs. Die Fähigkeiten für spontane Kommunikation kann ein CEO jedoch nur sehr viel schwerer erlernen. Um in Kommunikationssituationen zu bestehen, die dem CEO eine gewisse Spontanität abverlangen, wie zum Beispiel Talkshows oder ähnliches, benötigt er neben Kommunikationstalent auch noch Ausstrahlung, Schlagfertigkeit und vieles mehr. Diese Eigenschaften sind eher der charismatischen Imagedimension zuzuordnen. Neben einem gewissen Grundstock an Kommunikationstalent sollte ein CEO in jedem Fall auch eine gesunde Portion Spaß an der Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern mitbringen. Nur dann, so viele der befragten Experten, könne der CEO sein Kommunikationstalent auch gewinnbringend im Stakeholderdialog einbringen: „Habe ich Lust am Kommunizieren, oder ist das für mich eine lästige Pflicht? Für die allermeisten ist es nach meinem Gefühl eine lästige Pflicht.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Die Experten beschreiben damit eine Eigenschaftskombination, die sich auf motivationale und identifikationsanregende Elemente konzentriert und somit einen starken transformationalen Charakter aufweist (vgl. Abschnitt 4.4.2.). Die befragten Experten weisen an dieser Stelle außerdem darauf hin, dass die aktuelle CEO-Riege in deutschen börsennotierten Unternehmen sich mit dieser neuartigen Form der Durchsetzungskraft durch Überzeugung bisweilen noch recht schwer täte, weil die amtierenden Unternehmenslenker überwiegend noch in einer Ära sozialisiert worden seien, die von einem eher transaktionalen Führungsansatz geprägt war. Aus diesem Grund herrsche in den Vorstandsetagen deutscher Konzerne nach wie vor eine sehr hierarchische Struktur; CEOs führten über Anweisungen. Dies werde von den Stakeholdern zunehmend negativ bewertet. Ein Umdenken sei deshalb dringend erforderlich. Der Führungsstil eines CEOs manifestiert sich in der Stärke der Ausprägung der verschiedenen Einzeleigenschaften der Leadership-Dimension bei einem CEO. Ein CEO, der eher transaktional führt, weist dabei vermutlich Stärken in den Eigenschaften Durchsetzungskraft, Organisationstalent und Entscheidungsfreude auf. Ein CEO, der eher transformational führt, hat dagegen vermutlich große Stärken in den Eigenschaften Überzeugungskraft, Vision und Kompromissfähigkeit, sowie in den Eigenschaften Teamfähigkeit und auch Kommunikationstalent. In der aktuell

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

amtierenden Führungsriege sehen einige der befragten Experten die transformationalen Führungseigenschaften noch vergleichsweise wenig repräsentiert: „Wenn ich da an den deutschen Kontext denke, hat es für mich viel mit Management zu tun und relativ wenig mit Leadership. Also, da geht es weniger um dieses Thema: Ich habe eine Vision, ich halte den Laden zusammen, ich motiviere Menschen, ich probiere, in den Leuten was zu erwecken, was über die Erfüllung meiner Aufgabe hinausgeht. Das erlebt man im deutschen Raum irgendwie relativ wenig, dass da Leute so krasse Visionen für Unternehmen haben. Und das ist dieses typische Ding, was Helmut Schmidt gesagt hat, von wegen, wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Dies mag daran liegen, dass der Führungsstil, der von einem CEO gepflegt wird, nach Aussage der befragten Experten auch davon abhängt, in welcher Führungskultur ein CEO „sozialisiert“ worden ist, seine berufliche Laufbahn begonnen und weiterentwickelt hat: „Wie ein CEO führt, hängt auch von seinem beruflichen Werdegang ab. Wenn Sie in einer Großorganisation groß werden, dann sind Sie natürlich auch geprägt durch die dort vorhandenen Strukturen. Das bedeutet auch viele Abhängigkeiten und viele Zwänge, was wiederum Menschen eingrenzt.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure) „Tendenziell ist es natürlich auch schon eine Generationenfrage. Es gibt, glaube ich, viele CEOs, die noch mit der Idee des Imperial CEO – wie ihn zum Beispiel Jack Welch verkörpert hat – aufgewachsen sind. Heute ist ja alles sehr viel stärker international, teamorientiert, flache Hierarchien, meine Tür steht immer offen, ich beantworte jede Email und so weiter.“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

Unabhängig vom Führungsstil wurden in den Experteninterviews noch weitere Eigenschaften identifiziert, die nach Aussage der Experten für die Stakeholderwahrnehmung von großer Bedeutung sind und noch nicht im Modell berücksichtigt wurden. Dazu zählen Innovationsfähigkeit, Mut und Risikobereitschaft. Innovationsfähigkeit weist dabei eine enge Verbindung zur visionären Kraft eines CEOs auf: „Ich glaube, es fehlt sogar noch etwas. Und zwar etwas, was sich rund um das Thema Innovationsfreudigkeit abspielt. Das ist vielleicht ein Thema, das ich vor fünf bis zehn Jahren anders gesehen hätte, aber im Zeichen der Veränderung – nicht nur der Industrie, sondern auch der Dienstleistungsarbeit – glaube ich, dass es eine hohe Erwartungshaltung gibt, dass jemand innovativ ist und nicht nur das verwaltet, was bisher besteht, sondern Perspektiven für die Zukunft entwickelt, also innovationsstark ist.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Mut steht in engem Zusammengang zur Entscheidungsfreude:

8.1. Bedeutung der rollennahen Imagedimensionen

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„Ach so, mir fällt noch was ein: Es ist wichtig, dass er auch mutig genug ist, Entscheidungen zu treffen. Wobei, das würde ich jetzt auch unter Entscheidungsfreude fassen.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter) „Mut ist eine ganz wichtige Eigenschaft für einen CEO.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Risikobereitschaft ist nach Aussage der Experten notwendig, damit ein CEO unternehmerische Entscheidungen unter Unsicherheit treffen kann. Risikobereitschaft muss gemäß der Expertenaussagen allerdings eher im Unterschied zur vollständigen Risikoaversion verstanden werden. Ein CEO sollte seine Risikobereitschaft sehr kontrolliert einsetzen: „Also, schon auch die Bereitschaft zu haben, unternehmerisch zu handeln und auch unternehmerische Risiken einzugehen. Ich mache es mal an einem Beispiel deutlich: Es gibt viele exzellente Controller, aber die würde ich ungern auf einem CEO-Posten sehen. Weil, ein Controller würde wie folgt vorgehen: „Das könnten wir machen und jetzt setze ich mich mal in Ruhe hin und schreibe alle Risiken auf, die damit verknüpft sind“. Am Ende hat man dann nichts entschieden. Weil irgendwo ist immer noch ein Risiko, was ich womöglich auch gar nicht absichern kann, was aber vielleicht minimal ist. Eben auch diese Risikobereitschaft muss in gewissem Maße da sein. Nicht übertrieben, das ist klar, aber das gehört eben zum Unternehmer für mich mit dazu.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Im Zusammenhang mit den disruptiven Veränderungsprozessen, zum Beispiel im Zuge der Digitalisierung, ist nach Ansicht der Experten darüber hinaus noch eine weitere Eigenschaft von allergrößter Bedeutung: Anpassungsfähigkeit. Ein CEO muss in Zeiten des disruptiven Wandels dazu in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren und die Unternehmensstrategie, das Geschäftsmodell und die eigenen Entscheidungen stetig zu hinterfragen und, falls notwendig, auch anzupassen: „Diese Fähigkeit, die Amerikaner „adaptability“ nennen, oder „ability to change“, „ability to react to change“, ist meiner Meinung nach eine wichtige. Wo wir heute so viele disruptive Technologien haben, ist die Fähigkeit, auf neue Umstände schnell zu reagieren und sich anzupassen, für Unternehmen – und damit auch für die CEOs – sehr wichtig.“ (Johannes Huth, Experte Investoren)

Auch im Zusammenhang mit der Leadership-Dimension nennen die politischen Akteure weitere CEO-Eigenschaften, die speziell für die Wahrnehmung eines CEOs dieser Stakeholdergruppe eine Rolle zu spielen scheinen. So weisen beinahe alle befragten Experten für die Gruppe der politischen Akteure darauf hin, dass ein CEO unbedingt Verständnis beziehungsweise Respekt für die Logik beziehungsweise die Funktionsweise anderer gesellschaftlicher Sphären als der Wirtschaft –

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

also insbesondere der Politik – mitbringen sollte. Dies sei im Dialog mit der Politik von großer Bedeutung, damit der CEO seine Interessen effektiv vertreten könne: „Der CEO sollte eine gewisse Sympathie für die komplexe Materie, die demokratische Entscheidungsprozesse definiert, haben. Der Wirtschaftsführer kommt ja aus einer relativ pyramidalen Welt, mit strengen Hierarchien und einer weitgehenden Entscheidungsfindung entlang rationaler Kriterien. In der Politik ist von klarer, pyramidaler Entscheidungsfindung überhaupt nichts zu sehen. Das Ganze ist eher fluid und folgt im besten Fall rationaler Erwägung, sehr oft aber eher emotionalpsychologischen Erwägungen, Stimmungen. Das heißt, die beiden Welten sind gar nicht miteinander vergleichbar. Deswegen muss der Unternehmensführer, wenn er in der politischen Welt auftrifft, relativ viel Empathie und Verständnis für die andere Seite mitbringen.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

Im gleichen Atemzug wird die Fähigkeit genannt, auf diese unterschiedlichen Erfahrungshorizonte eingehen zu können und Sachverhalte entsprechend einzuordnen: „Integrationsfähigkeit. Integrationsfähigkeit in dem Sinne, dass man die verschiedenen Gesetzmäßigkeiten unterschiedlicher Welten integriert, um das strategische Umfeld für das eigene Unternehmen positiv zu beeinflussen. Das kann Umgang mit Gewerkschaften, also Tarifparteien, sein, das kann Umgang mit der Politik, mit der politischen Sphäre, sein, das kann der Auftritt in den Medien sein.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Diese Eigenschaften können im weitesten Sinne unter den Oberbegriff der Integrationsfähigkeit gebracht werden und weisen eine enge Verbindung zum Kommunikationstalent auf. 8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen 8.2.1. Integrität Nach Ansicht eines sehr großen Teils der Experten gehören die integritätsbezogenen Eigenschaften zu den wichtigsten Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs: „Ich würde sagen, die drei obersten sind schon die wichtigsten, also die Mischung aus Leadership, Kompetenz und Integrität.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure) „Also, ganz oben steht für mich Authentizität, Glaubwürdigkeit, Integrität, weil man ab einem gewissen Level diese „ZDF-Zahlen-Daten-Fakten“ einfach voraussetzen kann. Also, dass jemand sein Handwerk versteht, mit Zahlen umgehen kann und

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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strategisch denken kann, das ist ab einem gewissen Level eine Grundvoraussetzung. Sonst kommt man da gar nicht hin.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter) „Integrität – ich glaube, auch das kann man nicht lernen. Die hat man, oder die hat man nicht. Und da fallen natürlich Dinge wie Glaubwürdigkeit und Authentizität drunter. Das muss man einfach mitbringen.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Die große Bedeutung liegt einerseits scheinbar darin begründet, dass integritätsbezogene Eigenschaften als hybride Eigenschaften für die Stakeholder leichter wahrnehmbar sind als rollennahe Eigenschaften der Fachkompetenz- oder der Leadership-Dimension (vgl. Abschnitt 4.1.1.). So weist ein Experte darauf hin, dass insbesondere für externe Stakeholder die rollennahen Dimensionen Fachkompetenz und Leadership schwerer zu bewerten sind als die rollenfernen Dimensionen Integrität, Charisma und persönliche Merkmale (vgl. 8.1.1. und 8.1.2.). Darüber hinaus werden die integritätsbezogenen Merkmale von den Experten auch als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle angesehen. In diesem Zusammenhang argumentiert ein Experte, dass nur ein integrer CEO die Belange seines Unternehmens glaubwürdig in der Öffentlichkeit vertreten kann: „Jemand, der nicht integer ist, kann nicht für eine Organisation sprechen. Er hat keine Glaubwürdigkeit und keine Argumentationskraft.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

Weitere Experten heben die Bedeutung von Integrität als Korrektiv für unternehmerische Risikobereitschaft hervor (vgl. auch Abschnitt 8.1.2.). Einem CEO, der grundsätzlich als integer wahrgenommen wird, wird bei kritisch bewerteten unternehmerischen Entscheidungen somit ein Vertrauensvorschuss gewährt: „Was mir sehr gut gefällt, ist Integrität. Ich glaube tatsächlich, das ist einer der wichtigsten Punkte, und zwar nicht nur für den CEO, sondern überhaupt, wenn man Führungspositionen besetzt. Und wenn man das jetzt nochmal so als Bogen schlägt zum unternehmerischen Risiko, dann ist das nämlich wieder das Korrektiv dafür.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter) „Wenn ich eine unternehmerische Entscheidung kritisch bewerte, dann wird meine Wahrnehmung der Argumente des CEO auch davon beeinflusst, ob ich ihn als integer wahrnehme oder nicht; ob ich das Gefühl habe, der CEO hat Bodenhaftung, oder ob ich das Gefühl habe, dass ihm die Konsequenzen seiner Entscheidungen für die Menschen vor Ort weniger wichtig sind.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Ein Experte geht sogar so weit zu sagen, dass in der Integritäts-Dimension der Unterschied zwischen einem guten CEO, der ausschließlich die rollenfernen Eigenschaftsdimensionen erfüllt, und einem sehr guten CEO begründet liegt:

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Also, ich weiß, im Alltag ist das hier natürlich erst mal das Entscheidende (zeigt auf Leadership und Fachkompetenz). Aber wenn es darum geht, was ich persönlich besonders wichtig finde, dann ist es der ganze Bereich hier (zeigt auf Integrität). Also, wenn man voraussetzt, dass der das kann (zeigt auf Leadership und Fachkompetenz), ist das hier (zeigt auf Integrität) der Unterschied zwischen der Note eins und drei oder vier.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Im Gegensatz zu den kompetenzbezogenen Eigenschaften werden die Eigenschaften der Integritäts-Dimension einer intensiven Prüfung unterzogen. Eine andere Gruppe von Experten betont dagegen, dass Integrität zwar als Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle wahrgenommen wird, aber – ähnlich wie die Fachkompetenz-Dimension – nur dann eine Wahrnehmung und Bewertung erfolgen, wenn der CEO erkennbare Schwächen in dieser Dimension zeigt: „Das gleiche würde ich bei Integrität denken. Auch das ist ein Hygienefaktor.“ (Alexander Cordes, Experte Medienvertreter) „Ja, also für mich steht Leadership bei einem CEO an erster Stelle. Integrität würde ich als ähnlich wichtige Grundvoraussetzung wie die Fachkompetenz ansehen. Integrität ist eine Eigenschaft, auf die Sie gar nicht verzichten können. Die muss da sein, wie Fachkompetenz auch. Dagegen kann man bei Leadership gewisse Abstufungen machen, in welchem Umfang das erforderlich ist.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter) „Ja, ich glaube, man darf keine Schwächen im Bereich Integrität haben. Aber ich glaube, dass man zum Beispiel beim Thema Fachkompetenz nicht der Industrieexperte sein muss, sondern mit Leadership und Charisma und den richtigen Beratern das auch wettmachen kann. Und ich glaube auch, dass es einfach unterschiedliche Stärken gibt und unterschiedliche Arten zu führen. Und die einen führen mehr über Fachkompetenz und die anderen führen vielleicht mehr über Charisma – wobei das am Ende auch niemals ganz ohne Fachkompetenz geht.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Weiterhin wird in den Expertengesprächen an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass Integrität in den vergangenen zehn bis 20 Jahren für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs durch verschiedene Stakeholder erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Als ursächlich für diese Bedeutungssteigerung wird die allgemeine Vertrauenskrise in Deutschlands (Führungs-)Eliten aus Politik und Wirtschaft gesehen (vgl. Abschnitt 4.1.1.). Vor dem Hintergrund der jüngeren Ereignisse, wie zum Beispiel der Bankenkrise, ist das Vertrauen in deutsche CEOs nach Ansicht der Experten sogar noch weiter gesunken: „Früher haben wir das Thema Integrität vielleicht nicht so hoch gehängt. Vor 20 Jahren hat das die Leute noch nicht so beschäftigt. Inzwischen ist das ein ganz wichtiger Punkt und in manchen Branchen noch mehr als in anderen Branchen – beispielsweise im Finanzsektor.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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„Wenn ich jetzt aus meiner Perspektive als Bankenmann spreche, sind diese Themen Leadership und Integrität seit der Finanzkrise von 2008 ganz besonders wichtig. Deshalb halten sich die CEOs öffentlich auch zurück, sind sehr, sehr vorsichtig, fast schon geduckt. Da tritt keiner mehr als Visionär oder besonders aggressiv auf. Das ist völlig diskreditiert.“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

Eine positive Wahrnehmung eines CEOs auf der Integritäts-Dimension ist nach Aussage verschiedener Experten daher eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Vertrauensverhältnissen zwischen dem CEO und einem Stakeholder: „Aber Integrität ist die hinreichende Bedingung. Denn ohne Integrität ist alles nichts. Da ist ja auch wirklich das Vertrauen in diese Leute einfach weg.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Hier zeigt sich ganz klar die vertrauensfördernde Wirkung von Integrität (vgl. Abschnitt 4.4.3.). Die wahrgenommene Integrität wird von den Stakeholdern einer kritischen Überprüfung unterzogen, zumindest immer dann, wenn Schwächen in der Integritäts-Dimension erkennbar werden. Gradmesser ist dabei nach Aussagen der Experten das Verhalten des CEOs. Die Stakeholder fragen sich laut der Experten beispielsweise, ob CEOs auch umsetzen, was sie ankündigen oder auch, ob ihr eigenes Verhalten den proklamierten Handlungsmaximen unterliegt: „Also, die Zielgruppe, die wir hier vertreten, die privaten und institutionellen Anleger, die erwarten einfach, dass der CEO auch in der Wertewelt vorneweg marschiert. Und es kann nicht funktionieren, dass ein Unternehmen das eine predigt, aber der CEO im Endeffekt das Gegenteil tut. Das wird sehr stark negativ wahrgenommen.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Persönliche Merkmale bekommen erst dann eine Bedeutung, wenn sie in den Bereich von Glaubwürdigkeit reichen. Also, wenn Sie nach vorne raus immer sagen, was für ein konservativer Knochen Sie sind und dass Sie eherne Grundsätze wie Anstand und Fleiß für das Wichtigste halten, und dann stellt sich heraus, Sie haben Ihren Lebenslauf getürkt.“ (Nikolaus Blome, Experte Medienvertreter)

Der CEO muss seine Integrität also kontinuierlich durch eine hohe Kohärenz von Reden und Handeln unter Beweis stellen (vgl. Abschnitt 4.4.3.). Dennoch erwarten Stakeholder laut der Experten kein „Gutmenschentum“ von einem CEO, sondern erkennen durchaus an, dass der Integrität eines CEOs dort Grenzen gesetzt sind, wo sie wichtigen rollennahen Eigenschaften, die zur Ausübung der CEO-Rolle unerlässlich sind, entgegensteht. Ein Experte weist beispielsweise darauf hin, dass die Geradlinigkeit eines CEOs niemals seiner Anpassungsfähigkeit im Weg stehen dürfe, weil ein CEO seine Strategie für das Unternehmen stetig an veränderte Rah-

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menbedingungen anpassen müsse. Das System generiere Sachzwänge, die stärker gewichtet sein könnten als die Integrität des CEOs: „Das System generiert auch Sachzwänge, die eventuell auch stärker sein könnten als das eigentliche moralische Ansinnen der CEOs selbst.“ (Christian Russau, Experte politische Akteure)

Ein CEO kann sein Handeln nicht ausschließlich an seinem persönlichen Wertesystem ausrichten, weil weitere Rahmenbedingungen für seine Handlungsentscheidungen existieren. In den Expertengesprächen wurden neben allgemeinen Aussagen zur Bedeutung der gesamten Integritäts-Dimension auch viele Bewertungen einzelner integritätsbezogener Eigenschaften vorgenommen. So betonen mehrere Experten, dass Verantwortungsbewusstsein nicht nur im Sinne „unternehmerischer“ Verantwortung (z.B. gegenüber den eigenen Mitarbeitern) zu verstehen sei, sondern auch „gesellschaftliches“ Verantwortungsbewusstsein umfassen müsse: „Ja, also, er sollte ehrlich sein, er sollte transparent sein, er sollte verantwortungsbewusst sein. Verantwortungsbewusst gegenüber seinen Mitarbeitern, aber auch verantwortungsbewusst in Bezug auf die Geschäftsmodelle und die Methodik eines Unternehmens.“ (Thomas Küchenmeister, Experte politische Akteure)

Ein CEO müsse die Interessen der Allgemeinheit in seine Entscheidungen einbeziehen und „verantwortbare“ Entscheidungen für das Unternehmen treffen. Als verantwortbar bezeichnen die befragten Experten Entscheidungen, die nicht nur persönliche Interessen des CEOs oder die Interessen des Unternehmens berücksichtigen, sondern vor allem solche, die im gesellschaftspolitischen Diskurs vor moralischen Standards bestehen. Denn eine unternehmerische Entscheidung, so ein Experte, müsse nicht nur legal, sondern auch moralisch einwandfrei sein: „Darüber hinaus sind solche Größen der Wirtschaft aber auch in einer gesellschaftspolitischen Verantwortung. Was bedeutet das? Ich erwarte von ihnen erstens, dass sie Initiative ergreifen und ihre unternehmerischen Interessen dann überschreiten und Stellung beziehen und zweitens, dass sie ihre strategischen Entscheidungen so ausrichten, dass diese verantwortbar sind. Unter verantwortbar verstehe ich eine Entscheidung, die in Freiheit getroffen wird und für die man Gründe angeben kann, die nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch vor moralischen Standards, religiösen Überzeugungen, im Diskurs standhalten können. Auch eine freie und legale Entscheidung kann unverantwortlich sein.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

Daraus resultiert nach Ansicht verschiedener Experten auch, dass ein CEO ein Gespür für die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen aufweisen und sie bei

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seinen Entscheidungen berücksichtigen müsse. Ein CEO dürfe also nicht vollkommen abgekoppelt von der gesellschaftspolitischen Realität agieren: „Aber zu wissen, was es bedeutet, in einem gesellschaftlichen Kontext bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, sie zu kommunizieren oder sie nicht zu kommunizieren – völlig wertfrei formuliert – dieses Verständnis tendiert meines Erachtens inzwischen gegen Null. CEOs bräuchten aber dringend ein Gespür dafür, in welchem gesellschaftlichen Kontext sie arbeiten, was man unter bestimmten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen besser nicht sagt oder macht, obwohl man vertraglich möglicherweise die Gelegenheit und das Recht dazu hat. Diese Firmen, mit den großen Namen, die sie tragen, und den großen Zahlen von Mitarbeitern und überhaupt der Bedeutung, die sie im ganzen Gefüge der Republik haben, arbeiten nicht im luftleeren Raum.“ (Nikolaus Blome, Experte Medienvertreter)

Darüber hinaus werfen die Experten verschiedene zusätzliche Eigenschaften auf, die für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs von großer Bedeutung und der Integritäts-Dimension zuzuordnen sind. Zum einen wird die Bedeutung von Ehrlichkeit betont, auch wenn anerkannt wird, dass der CEO aufgrund von Sachzwängen seinen Stakeholdern nicht unbedingt immer die volle Wahrheit erzählen kann: „Keiner ist immer ehrlich, aber man muss zumindest den Eindruck erwecken, dass man sich darum bemüht. Es gibt manchmal auch gute Gründe, etwas nicht ganz ehrlich zu sagen oder auch Dinge einfach zu verschweigen. Aber man darf jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass man seine Mitarbeiter vorführt. Das darf auf keinen Fall sein.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Darüber hinaus wird die Bedeutung von Verlässlichkeit betont: „Zentral für die Wahrnehmung des Unternehmers beziehungsweise der Unternehmerin und damit auch des Unternehmens durch die Politik ist, wie geradlinig und verlässlich sie als Person und Partner sind.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure) „Ich finde es total wichtig, dass man weiß, da ist jemand, auf den kann man sich verlassen.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

Verlässlichkeit kann in dem Sinne verstanden werden, dass der CEO Absprachen und Zielsetzungen einhält und zu seinem Wort steht – oder, für den Fall, dass dies einmal nicht möglich ist, die Stakeholder rechtzeitig, transparent und ehrlich darüber informiert: „Aber ich finde die Verlässlichkeit sehr wichtig, wenn man weiß, eine Zusage gilt, eine Aussage gilt, eine Verabredung gilt, eine Zielsetzung gilt. Und das wird auch verlässlich gemacht oder aber kommuniziert, dass es aus irgendwelchen Gründen nicht geht.“ (Josef Tumbrinck, Experte politische Akteure)

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

Darüber hinaus nennen die Experten auch Demut als wichtige CEO-Eigenschaft. Gemäß der Expertenmeinung sollte Demut im Sinne einer „Distanz zur eigenen Bedeutung“ verstanden werden. Der CEO solle Demut vor der großen Verantwortung zeigen, die mit seiner Aufgabe einhergehe, und sich selbst zurücknehmen. Er müsse verstehen, dass er letztendlich auch „nur“ der oberste Angestellte seines Unternehmens für eine begrenzte Zeit sei: „Vielleicht würde ich irgendwo zwischen Charisma und Integrität angesiedelt eine gewisse Demut und Zurückhaltung mit reinnehmen.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure) „Demut vor der Aufgabe. Demut vor der Verantwortung – dass man sich eben zurücknimmt. Demut heißt aber nicht Erstarren, sondern Demut heißt, dass man sich bewusst ist, dass man ein Teil von einem großen Ganzen ist“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Neben Demut sollte ein CEO nach Ansicht der Experten aus der Gruppe der politischen Akteure sowie aus der Gruppe der Mitarbeiter auch über eine gewisse Bodenständigkeit verfügen. Dabei wird häufig betont, dass Bodenständigkeit im Sinne einer Verankerung in der Normalität beziehungsweise Realität verstanden werden sollte und nicht im Sinne von Bescheidenheit: „Ich glaube, es ist wichtig, Bodenständigkeit zu haben und sich zu bewahren. Im Verlaufe einer Karriere würde man das wahrscheinlich immer mehr als eine Verankerung in die Normalität bezeichnen. Bodenständigkeit wird ja immer gerne mal fehlinterpretiert.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Viele große Konzerne machen das ja auch so, da trifft man sich mit den Mitarbeitern mal nicht nur im Büro, sondern man macht zum Beispiel eine gemeinsame Sportveranstaltung. Und wenn da der CEO mit auf den Sportplatz geht – kann sich auch ruhig ungeschickt anstellen, macht überhaupt nichts – aber wenn er einfach mitmacht, und sagt „ja, ich gehöre dazu, ich bin jetzt Teil dieser 4x100m-Staffel und ich lege nicht Wert darauf, dass ich der Schlussläufer bin, sondern ich laufe als zweiter die Kurve“ – ich glaube, das hilft unheimlich viel. Ich glaube einfach, dieses geerdet sein ist total wichtig. Aber jetzt nicht im Sinne von falsch verstandener Bescheidenheit, also sein Licht unter den Scheffel stellen, das soll man nicht tun.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Ein CEO sollte also nicht das Gespür für die Lebenswelten beziehungsweise Realitäten des durchschnittlichen Bürgers oder auch seines durchschnittlichen Mitarbeiters verlieren. Hier zeigt sich wiederum die Dynamik von Nähe beziehungsweise Distanz zum CEO. Je größer die Nähe zwischen einem Stakeholder und einem CEO ist, desto stärker personalisiert ist die Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsthese. Diese Nähe kann dabei scheinbar nicht nur über tatsächliche Nähe, die durch (persönliche Primärerfahrungen) entsteht, geschaffen

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werden, sondern auch über eine „empfundene Nähe“. Empfundene Nähe steigt dabei scheinbar mit der empfundenen „Gleichheit“. Je mehr der CEO sich in seiner Lebensweise von der durchschnittlichen Lebenswelt entfernt, desto größer wird die „empfundene“ Distanz zum CEO. Sonderrolle Authentizität & Glaubwürdigkeit Die Auswertung der Experteninterviews macht deutlich, dass Authentizität und Glaubwürdigkeit stakeholdergruppenübergreifend zu den wichtigsten Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs gehören. In vielen Experteninterviews werden sie als Voraussetzungen für die erfolgreiche Ausübung der CEORolle genannt – auch unabhängig von der Bedeutung der übrigen Merkmale der Integritäts-Dimension. Verschiedene Experten weisen außerdem darauf hin, dass erfolgreiche CEOs grundsätzlich sehr unterschiedliche Persönlichkeitsprofile aufweisen können, sich erfolgreiche CEOs aber immer durch Authentizität und Glaubwürdigkeit auszeichnen. Im Laufe der Expertengespräche wurde von den Interviewpartnern häufig darauf hingewiesen, dass Authentizität und Glaubwürdigkeit unterschiedliche Eigenschaften sind, die auch unabhängig voneinander bestehen können. Eine Analyse der Expertenaussagen zeigt, dass mit der Authentizität eines CEOs seine „Unverfälschtheit“ gemeint ist. Ein CEO wird als authentisch wahrgenommen, wenn er „er selbst ist“. Sein Handeln wird nicht von äußeren Einflüssen bestimmt, sondern unterliegt ausschließlich seinen eigenen Motiven, Zielen und Werten. Authentizität eines CEOs wird von den Stakeholdern laut Expertenaussagen insbesondere im Kommunikationsverhalten des CEOs gemessen. CEOs würden aber in der Realität überwiegend nach zuvor von ihren Beratern explizit festgelegten Regeln hinsichtlich Inhalten und Wortwahl kommunizieren, um reputationsschädigende Kommunikationsfehler zu vermeiden. Diese abgestimmte Kommunikation wird von den Stakeholdern als wenig authentisch wahrgenommen. Sie wünschen sich demgegenüber eine authentischere Kommunikation, bei der sie nicht das Gefühl haben, als spreche „die Rechts- oder Kommunikationsabteilung“: „Der Wunsch ist schon sehr stark da, dass man ihn eben auch als Verkörperung bestimmter Werte sieht, dass eine gewisse Authentizität auch da ist und eine gewisse Ehrlichkeit. Also, dass man irgendwie so das Gefühl hat, es spricht auch wirklich dieser Mensch zu einem und es spricht nicht die Kommunikations- oder die Rechtsabteilung.“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

Nur so können die Stakeholder ein Gefühl für die Person hinter der Rolle entwickeln, was wiederum als Grundlage für den Aufbau von Vertrauen dient: „Ich glaube, dass es einfach wichtig ist, dass da eine authentische Person steht. Ein Mensch mit Ecken und Kanten, der aber durch seine Authentizität erst in der Lage sein wird, das Vertrauen des Gegenübers zu gewinnen.“ (Hans-Jürgen Mittelstaedt, Experte politische Akteure)

Dennoch weist ein Experte auch darauf hin, dass zu viel Authentizität in der Kommunikation – im Sinne von hoher Spontanität und damit häufig einhergehender fehlender Strukturierung – wiederum als unprofessionell wahrgenommen werden kann. In diesem Zusammenhang liegt die Paradoxie der Authentizität. Stakeholder wollen den CEO als authentisch wahrnehmen, sie wollen ein Gefühl für die Person hinter der Rolle entwickeln. Gleichzeitig erwarten sie aber scheinbar ein höchstes Maß an Professionalität: „Es gibt eine besondere Paradoxie bei der Authentizität: Wenn jemand wirklich authentisch ist – also im Sinne von spontan, ich sage immer, was ich denke, und ich mache nicht drei taktische Wendungen und bereite nicht alles hundertmal vor – wenn uns tatsächlich so jemand begegnet auf der öffentlichen Bühne, dann würden Sie und ich das als Dilettantismus und Amateurhaftigkeit begreifen. Also, man muss schon authentisch sein, aber trotzdem mit einer Höchstanforderung an Professionalität und Berechenbarkeit.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

Demgegenüber ist die Glaubwürdigkeit eines CEOs nach Expertenmeinung eher im Sinne von Ehrlichkeit zu verstehen. Auch die Glaubwürdigkeit eines CEOs wird anhand seiner Kommunikation bewertet. Der CEO stellt seine Glaubwürdigkeit durch Transparenz in der Kommunikation unter Beweis: „Ja, die Frage ist, ob ein CEO in jeder Situation authentisch sein kann und glaubwürdig wirkt. Es gibt ja so einen platten Spruch „Sei immer authentisch“. Ich glaube, wenn man als CEO immer authentisch ist, wird man scheitern. Weil man eben in unterschiedliche Rollen reingedrückt wird und diese Rollen muss man spielen - in Anführungszeichen „spielen“. Es darf natürlich nicht alles gespielt sein. Dann fallen eben Authentizität und Glaubwürdigkeit nicht mehr zusammen. Aber graduell wird der CEO sich immer der jeweiligen Rolle anpassen müssen und dann ist die Frage: Wann ist er authentisch? Wann ist eine Person authentisch? Also, ich sage immer, er sollte glaubwürdig sein, ob er authentisch ist, ist ein anderes Thema.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Auch wenn von einem Experten darauf hingewiesen wird, dass es Situationen geben kann, in denen es für einen CEO Gründe gibt, in der Kommunikation nicht vollständig transparent zu sein und gewisse Sachverhalte zu verschweigen, so sollte er seine Stakeholder niemals in die Irre führen oder offen belügen (siehe oben). Darüber hinaus steht die wahrgenommene Glaubwürdigkeit nach Expertenaussagen

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auch in einem engen Zusammenhang zu seiner Geradlinigkeit. Die Experten weisen darauf hin, dass ein CEO zu seinem Wort stehen muss. Aussagen und darauffolgende Handlungen müssen stringent sein: „Ich glaube, dass es letztlich um Glaubwürdigkeit geht. Ich glaube, man muss rüberbringen, dass man tatsächlich hinter dem steht, was man sagt.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Authentizität und Glaubwürdigkeit können dabei laut eines Experten unabhängig voneinander bestehen. Obwohl beide Eigenschaften von den Experten als besonders wichtig für die CEO-Wahrnehmung der verschiedenen Stakeholder angesehen werden, existiert nach den Aussagen der Befragten eine Rangordnung. Demnach müsse ein CEO immer glaubwürdig sein. Er könne und müsse aber nicht immer authentisch sein, weil er als CEO unterschiedlichste Rollen ausfüllen müsse. Ein CEO müsse sich bestmöglich an die verschiedenen Rollenanforderungen anpassen, könne aber niemals in allen verschiedenen Rollen, die er zu erfüllen habe, authentisch sein, weil sie nicht alle auf sein Persönlichkeitsprofil passen und sich teilweise sogar gegenseitig ausschließen: „Authentizität ist eigentlich Quatsch. Man muss das natürlich ein bisschen differenzieren. Ich muss natürlich schon glaubwürdig sein, aber das sind zwei Paar Schuhe. Wenn ich jetzt ein unglaublich flippiger Typ bin und versuche, extrem konservativ daherzukommen, das wird einfach niemals funktionieren. Was aber funktioniert, ist, dass ich mir meine Zielgruppe genau anschaue und sehr transparent und klar kommuniziere. Und das ist für mich dann das Thema Glaubwürdigkeit. Aber das ist eben was anderes als Authentizität. Wie soll das auch funktionieren? Ein CEO muss letztlich glaubwürdig sein für jeden Mitarbeiter – vom Fachbearbeiter bis zur Führungskraft. Diese Rollen kann man ja gar nicht alle authentisch spielen. Authentizität kann bei dieser Vielfältigkeit der Zielgruppe einfach gar nicht funktionieren. Da geht es dann eben um die Wahl der Botschaften und sicherlich um Integrität und Glaubwürdigkeit, aber nicht Authentizität.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter)

Um sich an die verschiedenen Rollenanforderungen anzupassen, darf sich ein CEO nach Aussage der verschiedenen Experten niemals zu weit von seinem Persönlichkeitsprofil entfernen, weil er sonst nicht nur seine Authentizität, sondern insbesondere auch seine Glaubwürdigkeit verliert: „Er muss sich auch treu bleiben. Und ich glaube, das kann man so wie Schablonen von einem sehen. Stellen Sie sich vor, Sie haben die Silhouette von jemandem und schneiden daraus unterschiedliche Schablonen und dann versuchen Sie, die Schablonen der Rolle entsprechend hin und her zu schieben. Aber die Schablone muss immer noch zu fünfzig Prozent eine Überlappung haben mit der echten Person.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Manche Unternehmenskommunikatoren beraten auch falsch. Die versuchen, ihren CEO in ein künstliches Licht zu setzen, das an der Realität völlig vorbeiläuft – das Gegenteil von Authentizität.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Ein CEO sollte nach Auffassung verschiedener Experten daher lieber weniger authentisch sein und dafür seine Glaubwürdigkeit stets aufrechterhalten. Die größere Bedeutung von Glaubwürdigkeit für die Imagegenese kann auch damit erklärt werden, dass Glaubwürdigkeit eine notwendige Bedingung für den Aufbau von Vertrauen in die Führungsperson ist und damit unter den anderen Eigenschaften der Integritäts-Dimension hervorsticht (vgl. Abschnitt 4.4.3.). 8.2.2. Charisma Hinsichtlich der Bedeutung der charismatischen Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs gehen die Experten davon aus, dass Charisma eine Art Hilfsdimension darstellt. Charisma wird nicht als Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle wahrgenommen; dennoch kann Charisma – im Zusammenspiel mit der Leadership-Dimension – die Imagegenese positiv beeinflussen. In Deutschland, so die Experten, sei Charisma keine Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung einer CEO-Rolle, weil die deutschen Stakeholder auch solche Unternehmensführer positiv bewerten würden, die über wenig oder kein Charisma verfügen. Zur Begründung weisen sie auf die hohe Bedeutung der technologiebasierten deutschen Kernindustrien, wie zum Beispiel Maschinenbau und Automobilwirtschaft, hin, in denen charismatische Führung keine Tradition habe. Aus diesem Grund gäbe es in Deutschland traditionell großen Respekt für weniger charismatische Führungspersönlichkeiten: „Ich würde sagen, es [Charisma, Anm. d. Verf.] hat eine Bedeutung. Und es hat eine Bedeutung, deren Fehlen mehr negativen Einfluss hat, als deren Präsenz übermäßig positiven Einfluss hätte. Also, ich glaube, man würde sich wünschen, es gäbe mehr Leute, bei denen der Saal verstummt, wenn sie einen Raum betreten. Insofern ist es eine wichtige Eigenschaft, deren Bedeutung man auch hoch einschätzen muss und sollte. Ich glaube, es gibt aber gerade in Deutschland durchaus so etwas wie eine öffentliche Wertschätzung für Leute, die das nicht haben und trotzdem einen guten Job machen. Es gibt im Land der Ingenieure durchaus eine hohe Sympathie für Leute, die auch gar nicht die Aspiration haben, oder den Anspruch erheben, irgendeiner dieser charismatischen Typen zu sein.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

Fehlendes Charisma ließe sich durch Stärken in den anderen Dimensionen – insbesondere der Fachkompetenz- und Integritäts-Dimension – kompensieren:

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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„Und vieles ist kompensierbar, wenn jemand jetzt nicht der strahlende Held ist, aber die anderen Dinge einfach sehr stark ausgeprägt sind.“ (Erik Bethkenhagen, Experte Mitarbeiter) „Aber da ist glaube ich noch niemand drüber gestolpert. Es gibt CEOs, die haben kein besonderes Charisma und sind jetzt halt doch CEO. Und das hängt damit zusammen, dass die hier (zeigt auf Fachkompetenz und Leadership) ganz stark punkten.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Auch Charisma muss da sein. Aber es gibt eben CEO, die sind vom Typ her etwas weniger charismatisch, aber deswegen nicht zwangsläufig schlechtere CEOs. Wenn sie dafür in anderen Punkten – wie Integrität und Authentizität – punkten, dann kann dies fehlendes Charisma gut kompensieren.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Charismatische Eigenschaften stehen im Gegensatz zur Fachkompetenz in den Augen deutscher Stakeholder auch in keinem direkten Zusammenhang zur Leistungsfähigkeit eines CEOs. Einem charismatischen CEO würde, so ein Experte, schnell unterstellt, dass er die eigene fehlende Fachkompetenz oder auch Schwächen seines Unternehmens überspielen wolle. Deutsche Stakeholder würden folglich charismatischen Eigenschaften eher skeptisch gegenüberstehen: „Hier misstraut man Charisma ja eher. Ein charismatischer CEO steht ja eher im Verdacht, durch sein Charisma Unternehmensschwächen und unternehmerische Defizite zu überdecken. Nein, ich glaube, charismatische Superhelden sind – jedenfalls was die Kommunikation mit der Politik angeht – nicht das, was entscheidend ist.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure) „Also, dieser Typ des ganz charismatischen CEOs ist das, was man vielleicht in Deutschland als Zerrbild mit Thomas Middelhoff assoziieren würde. Und der ist ja nun extrem abgestürzt. Insofern gibt es vielleicht in Deutschland irgendwo auch immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber zu charismatischen Leuten, weil da immer noch die Idee ist, dass es bei denen dann aber hier fehlt (zeigt auf Fachkompetenz). Also, dass das (zeigt auf Fachkompetenz) mit dem (zeigt auf Charisma) einhergehen kann, also, dass Fachkompetenz und Charisma sich nicht ausschließen, ist, glaube ich, in Deutschland noch nicht so angekommen.“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

Stärken in der Charisma-Dimension scheinen daher tendenziell mit Schwächen in der Fachkompetenz-Dimension assoziiert zu werden. Daher kann angenommen werden, dass bei der Wahrnehmung von charismatischen Eigenschaften die Fachkompetenz-Dimension einer kritischen Überprüfung unterzogen wird. Dennoch erlangt Charisma eine Bedeutung als „Hilfseigenschaft“, die dem CEO seine Rollenausübung erleichtert:

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Ich glaube, man hat es leichter, wenn man charismatisch ist. Wie man es im Leben immer leichter hat, wenn man eine gewisse Ausstrahlung hat, als wenn man ein graues Mäuschen ist.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

Charisma alleine könne jedoch kein positives CEO-Image begründen, sondern seine positive Wirkung lediglich in Kombination mit anderen Eigenschaften entfalten. Mittel- bis langfristig müsse Charisma immer mit rollennahen Eigenschaften untermauert werden, um zu verhindern, dass der CEO als „Blender“ wahrgenommen wird, der fehlende rollennahe Eigenschaften mit Charisma zu überspielen versuche: „Damit sind wir wieder bei dem Thema deutsches Naturell: Ich habe den Eindruck, Charisma ist denen [den Mitarbeitern, Anm. d. Verf.] relativ wurscht. Also, es schadet sicherlich nicht, aber wenn alles andere fehlen würde, aber das ist ein total charismatischer Typ – ich glaube nicht, dass der in Deutschland eine Chance hätte, wirklich ganz nach oben zu kommen.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter) „Natürlich ist Charisma, wenn man das als Eigenschaftenbündel zusammenfasst, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Allerdings nach meiner Überzeugung wirklich in der Form einer notwendigen Bedingung. Hinreichend ist ein CEO erst dann, wenn er natürlich auch Substanz hat.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure) „Ich denke, dass Charisma ein sehr wichtiger Punkt ist, den man natürlich mittelund langfristig untermauern muss mit Fachkompetenz und Leadership. Aber wenn man das überhaupt nicht drauf hat, hat man es schwerer, andere Qualitäten unter Beweis zu stellen.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Charisma sei demnach eher „nice to have“, aber eben keine Voraussetzung für einen erfolgreichen CEO: „Auch Charisma kann man nicht lernen. Das ist ein Softskill, das hat man oder hat man nicht. Manch einer hat halt keine besondere Ausstrahlung und ein anderer ist halt einfach sofort da, wenn er in einen Raum geht. Wie soll ich sagen? Charisma ist nice-to-have. Ich glaube, dass es auch gut für ein Unternehmen ist, einen CEO mit Charisma zu haben. Aber wir haben auch sehr erfolgreiche CEOs erlebt, die eigentlich eher Technokraten sind und nicht sonderlich viel Ausstrahlung und Charisma haben. Trotzdem kann man dann erfolgreich sein. Also, es ist ein nice-to-have.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter) „Ich meine, schauen Sie in die Politik: Ein Boris Johnson ist ein begnadeter Redner. Hat der Fachkompetenz? Nein. Ist er damit glaubwürdig? Nein. Wird er Premierminister in England? Nein. Ganz simpel, trotzdem hat er Charisma ohne Ende. Also, das ist ein nice-to-have.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Charisma ist daher eine variable Eigenschaft, die stärker oder auch weniger stark ausgeprägt sein kann. Sowohl charismatischere als auch weniger charismatische CEOs werden von den Stakeholdern respektiert:

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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„Das Charisma kann ja durchaus sehr unterschiedlich sein. Die deutsche Wirtschaft braucht die Stillen im Lande, die „den Laden am Laufen halten“, und sie braucht gewandte, ja, „medientaugliche“ Vertreterinnen und Vertreter ihrer Anliegen. Aber nicht jeder muss ein besonders charismatischer Mensch sein – übrigens auch nicht jeder Politiker.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Von verschiedenen Experten wird hervorgehoben, dass Charisma deshalb von Bedeutung sei, weil ein CEO charismatische Eigenschaften zur Motivation seiner Mitarbeiter benötige. Charisma erleichtere es dem CEO, seine Mitarbeiter auf ein gemeinsames Unternehmensziel einzuschwören: „Für mich hat es viel damit zu tun, dass man in der Lage ist, innerhalb von kurzer Zeit Leute vom Unternehmenszweck zu überzeugen. Warum ist mir das Unternehmen wichtig? Warum ist das, was wir machen, relevant? Wo wollen wir damit hin? Und wenn das dann so den Nerv trifft, dann ist es gut. Oder auch, wenn jemand gute Antworten gibt auf kritische Fragen – einfach Schlagfertigkeit oder auch ein bisschen Witz hat. Das ist, glaube ich, gut. Und vor allem, wenn es fehlt, fällt es halt extrem auf. Es gibt nichts Schlimmeres als einen langweiligen Typen. Dann ist dieses Anzugträgerklischee halt erfüllt.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Außerdem zeigt sich hier die enge Verbindung der charismatischen Eigenschaften zu den Eigenschaften der Leadership-Dimension; charismatische Eigenschaften unterstützen in den Augen der Experten die Führungsstärke eines CEOs (vgl. Abschnitt 4.4.4.). Ein charismatischer CEO ist nach Meinung dieser Experten somit besser dazu in der Lage, den Stakeholdern seine Vision für das Unternehmen zu vermitteln, sie auf die Strategie einzuschwören und auf dem Weg der Umsetzung mitzunehmen, als ein weniger charismatischer CEO: „Ja, also ich meine, ein entsprechendes Charisma erleichtert natürlich enorm die Führung. Ein entsprechendes Charisma kann viel eher Leute mitnehmen, kann sie begeistern, kann ihnen das Gefühl von Teilhabe geben. Aber ich würde mal sagen, wenn ich vor der Frage stehe: Was ist wichtiger? Substanz und Fachkompetenz oder Charisma? Dann sicher das erste. Aber wenn Substanz und Fachkompetenz begleitet werden von Charisma, erleichtert es natürlich vieles.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure)

Insbesondere in Zeiten tiefgreifender Veränderungsprozesse gewinnt Charisma für die Führungsqualitäten des CEOs an Bedeutung: „Und dann nach innen: Also, wenn sie in dem Wandel, dem die alle unterworfen sind, eine Firma neu aufstellen müssen, dann, glaube ich, geht das nur, indem sie ihre Belegschaft – zumindest die Ebene, mit der sie direkt kommunizieren – einfach begeistern können. Und das würde ich jetzt ganz harmlos als Charisma bezeichnen.“ (Nikolaus Blome, Experte Medienvertreter)

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Charisma wird bedeutender. In den Bereich gehört auch das Thema Kommunikationstalent – der CEO muss alle Stakeholdergruppen davon überzeugen, in welche Richtung das Unternehmen gehen soll. Da die Welt komplexer und anspruchsvoller wird, wird die Fähigkeit des CEOs, das in klare Worte fassen zu können, immer wichtiger.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Hier wird also die identifikationsanregende und motivationale Wirkung von Charisma deutlich (vgl. Abschnitt 4.4.4.). Auch in der Führungsforschung konnte bereits gezeigt werden, dass sich die Wahrnehmung von charismatischen Eigenschaften positiv auf die Leistung und die Zufriedenheitswerte der Mitarbeiter sowie die Entstehung einer kollektiven Gruppenidentität und Identifikation mit dem Unternehmen unter den Mitarbeitern auswirkt (vgl. Abschnitt 4.4.4.). Demnach existiert eine enge Verbindung zwischen den Eigenschaften der LeadershipDimension und den charismatischen Eigenschaften in der Stakeholderwahrnehmung. Stärken in der Charisma-Dimension können die Wahrnehmung von Eigenschaften der Leadership-Dimension positiv beeinflussen. Von verschiedenen Experten wird darüber hinaus betont, dass sich die Bedeutung von Charisma im Zeitverlauf verändert. In einer ersten Begegnung mit einem CEO spiele Charisma eine größere Rolle für seine Wahrnehmung und Bewertung als zu einem späteren Zeitpunkt in einer etablierten Beziehung zwischen einem Stakeholder und einem CEO. Weil ein Stakeholder Eigenschaften der beiden rollennahen Dimensionen in einem ersten Gespräch noch nicht bewerten könne, sei das Charisma eines CEOs für den ersten Eindruck, den ein Stakeholder von einem CEO gewinnt, sehr bedeutend: „Sicherlich spielen in einem ersten Termin, den man mit einem CEO hat, diese Sachen wie Charisma und persönliche Merkmale auch eine Rolle. Denn wenn man 30 Minuten mit einem CEO hat, kann man die Fachkompetenz eigentlich sowieso nicht testen. Leadership – das kann man vielleicht so ein bisschen sehen. Aber es spielt sich eigentlich mehr hier unten ab (zeigt auf persönliche Merkmale, Charisma) in einem ersten Austausch. Aber dann in den nächsten zwei, drei Terminen kann man doch schon hier (zeigt auf Fachkompetenz, Leadership) ein bisschen mehr reindrillen und sehen, wie er da vielleicht auch auf kompliziertere Fragen eingeht, wie stark er in den Themen drin ist. Und dann stellt sich aber am Ende eben immer wieder die Frage: Was wurde geliefert?“ (Johannes Huth, Experte Investoren)

Hier wird deutlich, dass die rollenfernen Eigenschaften der Charisma-Dimension dem wahrnehmenden Stakeholder einen geringeren „Input“ (Lass 1995) abverlangen. Sie sind einfacher „wahrnehmbar“ als die Eigenschaften der rollennahen Eigenschaftsdimensionen (vgl. Abschnitt 4.1.1.).

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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Darüber hinaus werfen die Experten verschiedene zusätzliche Eigenschaften auf, die für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs von großer Bedeutung und der Charisma-Dimension zuzuordnen seien. Zunächst wird hier die Bedeutung von Nahbarkeit betont: „Präsenz zeigen und auf die Leute zugehen ist heute ganz wichtig. Vor zehn, zwanzig Jahren nicht, da mussten die Leute zum CEO kommen. Aber auch ein CEO muss sich jetzt öffnen – so ein bisschen vom Pull- zum Push-Ansatz.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Und ich glaube, diese Nähe zu schaffen, ehrliche Nähe zu schaffen, zwischen der eigenen Rolle und der Realität der Mitarbeiter, das ist super wichtig.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Darüber hinaus heben die Experten die Bedeutung der rhetorischen Fähigkeiten eines CEOs hervor: „Ich habe hier ein bisschen nach dem rhetorischen Talent gesucht. Denn ich würde schon sagen, die Macht des Wortes und der Rede ist etwas, was ungeheuer wichtig ist in heutigen Zeiten. Über Kommunikation entsteht so viel Erkennbarkeit, dass mir das hier fehlen würde.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

8.2.3. Persönliche Merkmale Die Bedeutung der persönlichen Merkmale (PM) für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs ist scheinbar äußerst vielschichtig. Von den Experten wird auf direkte Nachfrage in den meisten Fällen eine größere Bedeutung der persönlichen Merkmale für die Wahrnehmung der eigenen Stakeholdergruppe eher abgelehnt. Insbesondere die Gruppe der Investoren scheint den Anspruch an sich selbst zu haben, die persönlichen Merkmale bei der Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs vollständig auszublenden: „Also, ich glaube, dass ich auch für die Kollegen sprechen kann. Wir sind sehr zahlenlastig, wir kommen alle aus der Finanzanalyse, das heißt, wir gehen recht analytisch vor. Da frage ich mich immer, was hat das für Konsequenzen? Erstens auf die Zeit, die er auf das Unternehmen verwendet, also, wie stark fokussiert er sich auf das Unternehmen, und zweitens, was hat das für Konsequenzen dann auf den Management-Stil? Die Frage versuche ich zu klären, und von daher ist das eben sehr schwer zu beantworten.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Persönliche Merkmale dürfen nach Ansicht der befragten Experten für diese Stakeholdergruppe keine Rolle spielen, weil der CEO in seiner beruflichen, und nicht in seiner privaten, Rolle wahrgenommen wird:

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Ich glaube, die Investoren verdammen sich selbst dazu, diesen Bereich ausblenden zu müssen. Es gibt eine Selbstkasteiung, dass dieses Persönliche gar keine Rolle spielen darf, weil ein CEO ja nicht als Privatmann beurteilt wird, sondern in seiner beruflichen Rolle.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Also ich denke mal, institutionelle Investoren sind im Prinzip offen, wenn sie einen CEO sehen. Und Investoren sehen einen CEO ja nicht nur einmal, sondern die sehen den ja über mehrere Jahre und schauen sich an, wie er performt. Und die guten CEOs entwickeln ein Vertrauensverhältnis mit den Investoren nicht darüber wie sie aussehen oder was ihre persönlichen Merkmale sind, sondern welche Zahlen sie liefern. Und ich glaube da sind die Investoren sehr rational.“ (Johannes Huth, Experte Investoren)

Die persönlichen Merkmale werden als „irrationaler“ Faktor bei der Wahrnehmung betrachtet, der in einem rationalen Bewertungsprozess ausgeklammert werden muss: „Aber da sind wir Investoren ganz gut, dass wir uns dann nicht davon beeinflussen lassen, dass jetzt jemand überzeugend aussieht oder das richtige Alter hat.“ (Dr. Hans-Christoph Hirt, Experte Investoren)

Hier wird der Status der persönlichen Merkmale als rollenfernste Eigenschaftsdimension ersichtlich. Persönliche Merkmale stehen – zumindest auf den ersten Blick – in keinem Zusammenhang mit der Ausübung der CEO-Rolle (vgl. Abschnitt 4.4.5.). Aus den Expertenaussagen kann geschlossen werden, dass persönliche Merkmale von den Investoren nur dann explizit und bewusst in die Bewertung eines CEOs einbezogen werden, wenn ein Zusammenhang zu seiner Tätigkeit als CEO gesehen wird (vgl. Abschnitt 4.4.5.): „Das Privatleben spielt für meine Wahrnehmung keine Rolle, solange es nicht den Job beeinflusst.“ (Ingo Speich, Experte Investoren)

Wirkweise von persönlichen Merkmalen im Prozess der Imagegenese Trotz des Anspruchs an Rationalität wird auf weitere Nachfrage und aus vielen indirekten Hinweisen aus den Gesprächen dennoch die große Bedeutung der persönlichen Merkmale für alle Stakeholdergruppen ersichtlich. Ihr Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs ist aber eher indirekter Natur; sie wirken unterbewusst. Aus den Expertenaussagen können dabei primär zwei Wirkweisen abgeleitet werden. Einerseits wirkt die Wahrnehmung der persönlichen Merkmale wie eine Art „Frame“ (vgl. Abschnitt 2.3.2.) für die Wahrnehmung der übrigen Eigenschaften. Dabei beeinflussen die persönlichen Merkmale zunächst die wahrgenommene Gleichheit beziehungsweise Ungleichheit mit dem CEO:

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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„Der Politiker oder der politische Verantwortungsträger sucht ja Dinge, die ihn an sich selbst erinnern. Also, die Politik lebt ja von der Anmutung der Gleichheit aller Akteure. Isonomisches Denken ist wesentlich wichtiger in der Politik als in der Wirtschaft, wo Differenzierung im Wettbewerb viel wichtiger ist. Und deswegen sind die persönlichen Merkmale diejenigen, wo politische Verantwortungsträger versuchen, Gleichheiten zu finden und dann auch Sympathien daran festmachen.“ (Dr. Markus Kerber, Experte politische Akteure)

In diesem Sinne dienen die persönlichen Merkmale zur Identifikation mit dem CEO. Eine wahrgenommene Gleichheit – zum Beispiel hinsichtlich des Musikgeschmacks, der Herkunft oder des Alters – fördert eine Grundsympathie, eine wahrgenommene Nähe zum CEO. Eine wahrgenommene Ungleichheit – zum Beispiel im Hinblick auf den Lebensstil – führt dazu, dass eine Distanz zum CEO wahrgenommen wird: „Aber die Frage ist, ob es so eine Art Entkoppelung gibt, also, dass die Leute sagen, der lebt auf einem völlig anderen Stern. Und das ist ein fluider Prozess, das ändert sich immer mal wieder. Mal gibt es eine größere Toleranz in der Gesellschaft für Rolex, Brioni, Golfen und Cap d'Antibes, und mal gibt es da eben weniger Toleranz dafür. Das hängt auch sehr stark mit konjunkturellen Zyklen zusammen. Aber ein CEO mit politischem Gespür wird das einschätzen können. Einer, der zu wenig politisches Gespür hat, kann darüber in Probleme geraten und seinem Unternehmen Probleme bringen.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Darüber hinaus existiert laut der Expertenaussagen in den Köpfen der meisten Stakeholder eine Art „Stereotyp“ für einen CEO eines börsennotierten deutschen Unternehmens: Dieser sei typischerweise männlich, weiß, mittleren Alters, verheiratet und habe mehrere Kinder. Die persönlichen Merkmale des stereotypen CEOs korrespondieren dabei teilweise stark mit gesellschaftlich anerkannten Normen – beispielsweise, was den Familienstand oder den Lebensstil angeht, weil der CEO als Mitglied einer gesellschaftlichen Elite an den gesellschaftlich anerkannten Normen gemessen wird. Aus den Expertenaussagen wird deutlich, dass Stakeholder den persönlichen Merkmalen erst dann genauere Aufmerksamkeit schenken, wenn sie merklich von den stereotypen Merkmalen abweichen. „Ich glaube, wenn es da [bei den persönlichen Merkmalen, Anm. d. Verf.] jetzt irgendwelche Ausschläge gibt, dann spielt so etwas rein. Mit dem typischen CEO – gepflegtes Aussehen, zwischen 45 und 60, Lebensstil nicht besonders auffällig, Hobbies, keine Angaben, weil keine Zeit – spielt das, glaube ich, weniger eine Rolle.“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

Eine zu starke Abweichung von den stereotypen Merkmalen, die in den Köpfen der Stakeholder vorherrschen, kann dann im Sinne eines negativen Frames für die CEO-Wahrnehmung dienen, weil die Stakeholder unterbewusst das Gefühl be-

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

kommen, dass „hier etwas nicht stimmen kann“. In diesem Sinne wirkt die Wahrnehmung der persönlichen Merkmale auf die Wahrnehmung des CEOs in den anderen Dimensionen: „Und trotzdem ist es so, dass die persönlichen Merkmale dann subtil doch wieder bei allen reinspielen. Denn wenn er kompetent ist, ein guter Führer, integer und auch noch Charisma hat, aber gleichzeitig fünf Frauen und 20 Kinder von drei Frauen hat, dann denken alle: „Da stimmt doch irgendwas nicht?“. Es ist eine Wechselwirkung zwischen allen Kategorien erkennbar. Also, insofern glaube ich, dass man die Hausaufgaben hier (zeigt auf persönliche Merkmale) immer machen muss, damit alles andere überhaupt funktionieren kann.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Aus den Expertenaussagen kann geschlossen werden, dass es für die CEOWahrnehmung von Vorteil ist, wenn die persönlichen Merkmale nicht zu weit von den gesellschaftlich anerkannten Normen abweichen: „Also, wir reden jetzt über Aussehen, Alter, Hobbies Familienleben? Ich sag es mal so, wenn das zu schräg wird, wird es zum Problem.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Auch einige persönliche Merkmale sind irgendwann eine Pflichtdimension. Vor allem ein Lebenswandel, der nicht negativ auffällt. Wenn ein CEO durch private Affären in der Bild-Zeitung erscheint, ist das eindeutig nicht förderlich.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Diese Wirkweise treffe, so die Experten, jedoch nicht auf alle persönlichen Merkmale zu. Ein verrücktes Hobby könne unter Umständen als sehr interessant wahrgenommen werden: „Die Hobbies zum Beispiel sind wirklich nur sehr untergeordnet interessant. In der Regel werden die immer nur reingeschrieben, wenn es sich um irgendwelche abwegigen Dinge handelt. Dass der Typ ein Marathonläufer ist, interessiert schon immer weniger. Wenn er wie – das ist jetzt ein Beispiel aus der Politik – Herr Kretschmann in seiner eigenen Werkstatt quasi Schreinerqualitäten an den Tag legt, wäre das natürlich auch für einen Vorstandsvorsitzenden interessant.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Also, wenn das jetzt so der CEO ist, dann ist das halt der CEO. Wenn sich dann aber heraus stellt, hey, der Dieter Zetsche ist voll der krasse Dressurreiter, ist das interessant. Dann wird es spannend. Aber es ist jetzt nicht so, dass man aktiv nachfragen würde. Aber wenn man es erfährt, ist es cool.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

Auf der anderen Seite kann ein extravaganter Lebensstil allerdings durchaus negativ wahrgenommen werden. Ob und inwieweit ein persönliches Merkmaleinen positiven oder negativen Frame für die CEO-Wahrnehmung bildet, hängt also scheinbar sowohl vom einzelnen Merkmal als auch von der Merkmalsausprägung ab. Darüber

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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hinaus wird in den Expertengesprächen an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass in den vergangenen Jahren eine allgemein größere Diversität in der Gesellschaft das Spektrum dessen, was gesellschaftlich anerkannt ist, deutlich erweitert hat: „Persönliche Merkmale sind zwar wichtig, weil sie eng mit Charisma zu tun haben können. Aber Alter, Aussehen, Hobbies und Familie spielen heute eine geringere Rolle als früher. Wir haben inzwischen in der Gesellschaft eine größere Diversität als früher, als es sehr tradierte Vorstellungen davon gab, was ein Familienvater ist, oder was ein Unternehmensführer ist.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Die größere Diversität zeige sich, so die Experten, beispielsweise im Kleidungsstil und im Aussehen von amtierenden CEOs. So trügen CEOs heute häufiger einen Bart, was früher noch undenkbar gewesen sei. Das gleiche gilt laut Expertenaussage im Zusammenhang mit einem legereren Kleidungsstil, der in Deutschlands Vorstandsetagen zunehmend anzutreffen ist: „Wenn Sie sich die eher konservative Finanz- und Bankenbranche anschauen: Selbst da gibt es inzwischen deutliche Lockerungen. Zum Beispiel: Als ich in diesen Beruf kam, da wäre es in der Finanzwelt für einen Banker nicht möglich gewesen, einen Vollbart zu tragen. Inzwischen tragen einige einen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Aus den Expertenaussagen lässt sich außerdem schließen, dass die persönlichen Merkmale im Sinne einer impliziten Persönlichkeitstheorie (vgl. Abschnitt 2.3.2.) in den Köpfen der Stakeholder mit Eigenschaften aus anderen Dimensionen verknüpft sind. Sie können die Wahrnehmung eines CEOs in den anderen Dimensionen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen: „Sie [persönliche Merkmale, Anm. d. Verf.] unterstreichen und unterstützen ein Image. Gleichzeitig können sie ein Image aber auch beschädigen, wenn sie negativ wahrgenommen werden.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Die Experten beschreiben, wie Stakeholder von den persönlichen Merkmalen, die sie leicht beobachten können, auf die Existenz beziehungsweise die Nicht-Existenz von Eigenschaften aus anderen Dimensionen schließen. So werde beispielsweise vom Alter einer Person auf ihre Fachkompetenz – insbesondere auf die Einzeleigenschaft Erfahrung – geschlossen: „Auch auf das Thema Alter wird sofort geschaut, wie erfahren jemand ist. Ich glaube, dass die Frage, ob ein CEO 24 oder 54 ist, überhaupt nichts mit Stereotyp zu tun hat, sondern das hat einfach damit zu tun, ob jemand vorher schon drei Unternehmen geleitet hat oder ob er gerade sein erstes Start-Up an die Börse bringt. Das sind, glaube ich, unterschiedliche Perspektiven und unterschiedliche Erfah-

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

rungshorizonte, die man in unterschiedlichem Alter hat.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Eine besonders enge Verknüpfung scheint dabei zwischen den persönlichen Merkmalen und der Integrität eines CEOs in den Köpfen der Stakeholder zu bestehen, die in Abschnitt 8.3. noch ausführlich diskutiert wird. Die Experten deuten damit die Existenz von impliziten Persönlichkeitstheorien in den Köpfen der Stakeholder an. Von den leicht beobachtbaren Eigenschaften – und die persönlichen Merkmale als rollenfernste Eigenschaftsdimension sind die Eigenschaften, die am leichtesten zu beobachten sind (vgl. Abschnitt 4.4.5.) – schließen die Stakeholder auf die weniger gut beobachtbaren Eigenschaften, die in ihren impliziten Persönlichkeitstheorien mit den entsprechenden persönlichen Merkmalen verknüpft sind. Laut Aussage eines Experten spielen die persönlichen Merkmale aus diesem Grund auch insbesondere für solche Stakeholder eine Rolle, die nie oder nur selten die Möglichkeit haben, (persönliche) Primärerfahrungen mit einem CEO zu machen (vgl. Abschnitt 8.1.1. und 8.1.2.) und die Eigenschaften aus anderen Dimensionen als den persönlichen Merkmalen somit nicht bewerten können. In diesem Zusammenhang weist eine Expertin für die Gruppe der Mitarbeiter darauf hin, dass die Mitarbeiter vom Kleidungsstil des CEOs Rückschlüsse ziehen: „Aber ich glaube auch, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter indirekt etwas an der Person festmachen. Davon sind wir ja alle nicht befreit. Wenn jemand im Hamburger Kaufmannsanzug mit Goldmanschetten auftritt, strahlt der schon was völlig anderes aus, als jemand, der den modernsten italienischen Maßanzug trägt.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Außerdem wird von den Experten die Bedeutung der persönlichen Merkmale für den „ersten Eindruck“, den ein Stakeholder von einem CEO gewinnt, hervorgehoben: „Sicherlich spielen in einem ersten Termin, den man mit einem CEO hat, diese Sachen wie Charisma und persönliche Merkmale auch eine Rolle. Denn wenn man 30 Minuten mit einem CEO hat, kann man die Fachkompetenz eigentlich sowieso nicht testen. Leadership – das kann man vielleicht so ein bisschen sehen. Aber es spielt sich eigentlich mehr hier unten ab (zeigt auf persönliche Merkmale, Charisma) in einem ersten Austausch. Aber dann in den nächsten zwei, drei Terminen kann man doch schon hier (zeigt auf Fachkompetenz, Leadership) ein bisschen mehr reindrillen und sehen, wie er da vielleicht auch auf kompliziertere Fragen eingeht, wie stark er in den Themen drin ist. Und dann stellt sich aber am Ende eben immer wieder die Frage: Was wurde geliefert?“ (Johannes Huth, Experte Investoren) „Am Anfang sind sie [die persönlichen Merkmale, Anm. d. Verf.] natürlich schon wichtiger, weil man da noch gar nichts Genaues über die Performance weiß. Und man fragt sich natürlich, ob der die gleiche Performance, die er anderswo hatte, auch

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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hier bringen kann? Da guckt man natürlich stärker auf die persönlichen Merkmale.“ (Matthias Wissmann, Experte politische Akteure)

Unter Rückgriff auf die bisherigen Ergebnisse lässt sich daher annehmen, dass persönliche Merkmale für Mitglieder höherer Hierarchieebenen eher zu Beginn des Prozesses der Imagegenese eine Rolle spielen, solange Eigenschaften anderer Dimensionen noch nicht beobachtet werden können. Für Mitglieder niedrigerer Hierarchieebenen sind die persönlichen Merkmale für die Imagegenese dagegen fortwährend von größerer Bedeutung, weil diese Stakeholder dem CEO nicht „nahe genug“ kommen, um eine Bewertung seiner rollennahen Eigenschaftsdimensionen vornehmen zu können. Die impliziten Persönlichkeitstheorien werden aber auch genutzt, wenn ein Stakeholder anhand von leicht beobachtbaren persönlichen Merkmalen seine Wahrnehmung des CEOs in den rollennahen und hybriden Dimensionen überprüfen möchte. Weil in der Personenwahrnehmung nachweislich eine Tendenz zur „Einheitlichkeit“ besteht (vgl. Abschnitt 2.3.2.), ist daher anzunehmen, dass für den Fall, dass sich die Wahrnehmungen der persönlichen Merkmale und der rollennahen Eigenschaften in Bezug auf den Rahmen der impliziten Persönlichkeitstheorie widersprechen, Angleichungen vorgenommen werden. Inszenierung von persönlichen Merkmalen vs. Authentizität Grundsätzlich gehen die Experten davon aus, dass die persönlichen Merkmale für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs durch Stakeholder in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Die Ursache für diese Bedeutungssteigerung sehen die Experten darin, dass die Sichtbarkeit der persönlichen Merkmale deutscher CEOs stark gestiegen sei. Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse kann in diesem Zusammenhang angenommen werden, dass diese Bedeutungssteigerung vorwiegend für diejenigen Stakeholder gilt, die den CEO überwiegend durch die Medien wahrnehmen und keinen persönlichen Zugang zu ihm haben. Im Zuge dessen wird von den Experten auch mehrfach betont, dass die persönlichen Merkmale zunehmend zur Selbstdarstellung genutzt würden. Dieser bewussten Inszenierung, der gezielten Darstellung von einzelnen persönlichen Merkmalen, um (vermeintliche) Eigenschaften aus anderen Dimensionen „sichtbar“ zu machen, stehen Stakeholder nach Aussage der Experten eher skeptisch gegenüber. So leidet die wahrgenommene Authentizität und Glaubwürdigkeit des CEOs durch eine gezielte Inszenierung: „Ich glaube, dass man das [die Selbstdarstellung, Anm. d. Verf.] ganz schnell übertreibt und dann genau das Thema Glaubwürdigkeit leidet, weil das nicht authentisch

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

ist. Wenn ein CEO jetzt plötzlich Thai-Chi macht und man weiß genau, im Grunde macht er das nur, um gut dazustehen – das halte ich für gefährlich.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Um die Wahrnehmung und Bewertung des CEOs nicht negativ zu beeinflussen, sollten die persönlichen Merkmale authentisch sein, um die wahrgenommene Glaubwürdigkeit des CEOs nicht zu untergraben (vgl. Abschnitt 8.2.1.): „Letztlich spiegelt sich das (zeigt auf Authentizität und Glaubwürdigkeit) da wider (zeigt auf persönliche Merkmale).“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

Aus den Expertenaussagen wird deutlich, dass persönliche Merkmale wie beispielsweise die Hobbies, die von CEOs gerne zu Inszenierungszwecken eingesetzt werden (vgl. Abschnitt 4.4.5.), von den Stakeholdern einer kritischen AuthentizitätsPrüfung unterzogen werden. Auch wenn Stakeholder scheinbar anerkennen, dass der CEO nicht jederzeit authentisch sein kann (vgl. Abschnitt 8.2.1.), fordern sie, dass persönliche Merkmale, die er „öffentlich“ macht, authentisch sein müssen. Andernfalls kann ein negativer Imageeffekt die Folge sein. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls interessant, dass zum Beispiel hochrangige Politiker, die ebenso wie CEOs Personen des öffentlichen Lebens sind, die persönlichen Merkmale bei der Wahrnehmung und Bewertung des CEOs sogar bewusst ausblenden, weil sie mit der gezielten Inszenierung von persönlichen Merkmalen in der (medialen) Selbst- und Fremddarstellung vertraut sind. Von einem befragten Experten für die Gruppe der politischen Akteure wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die persönlichen Merkmale eines CEOs bei der Wahrnehmung besonders kritisch hinterfragt werden, weil man sich bewusst sei, wie persönliche Merkmale von den Medien beziehungsweise der Unternehmenskommunikation zu Darstellungszwecken eingesetzt werden: „Da ich selber eine öffentliche Person bin, tangiert mich das [persönliche Merkmale, Anm. d. Verf.] weniger, weil ich weiß, wie solche Berichterstattung zustande kommt, und wie die Medien auch Sachen verzerren. Auf meine Wahrnehmung hat das keine so großen Auswirkungen.“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

Bei diesen Stakeholdern spielt die wahrgenommene Authentizität eines CEOs daher vermutlich eine noch größere Rolle, und persönliche Merkmale fließen höchstens dann in das CEO-Image ein, wenn sie als vollkommen authentisch wahrgenommen werden.

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

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Bedeutung von einzelnen persönlichen Merkmalen für die Stakeholderwahrnehmung In den Expertengesprächen beziehen sich die Interviewpartner auch auf die Bedeutung einzelner persönlicher Merkmale. Zur Bedeutung der Familie beziehungsweise des Familienlebens des CEOs geben verschiedene Experten an, dass dieses Merkmal wahrgenommen werde, wenn es stark negativ behaftet sei. Über kleinere Verfehlungen – zum Beispiel mehrere Scheidungen, Affären oder ähnliches – werde dagegen eher hinweggesehen: „Familie und Familienleben würde ich auch nicht überbewerten. Ist wichtig, aber einige sind das dritte Mal geschieden und ihrer Karriere hat das jetzt trotzdem nicht geschadet – und wir würden ihnen auch als Journalist nicht kleingeistig einen Strick daraus drehen.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Dies mag an der allgemein größeren Diversität liegen, die von den Experten in der Gesellschaft gesehen wird. Nur bei starken Abweichungen von der gesellschaftlich anerkannten Norm kann sich das Familienleben negativ auf die Wahrnehmung des CEOs in der Integritäts-Dimension auswirken: „Und ich glaube, diese persönlichen Merkmale, die strahlen halt darauf [auf die Integrität, Anm. d. Verf.] ab. Also, da fällt mir jetzt ein früherer Vorstand in einer Großbank ein, über den halt bekannt war, dass er mehreren Ex-Mitarbeiterinnen Alimente zahlen muss. Also, da guckt man natürlich auf jemanden auch so ein bisschen mit diesem Blickwinkel und denkt sich: Irgendwas ist da... Das passt natürlich auch zu Integrität“ (Cornelius Welp, Experte Medienvertreter)

Hobbies können nach Aussage verschiedener Experten nur noch selten einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung des CEOs nehmen, weil Hobbies von CEOs und ihren Beratern seit Jahren bewusst zur Selbstdarstellung genutzt und somit in den Augen der Stakeholder wenig über die authentische Person des CEOs verraten würden. Dies gilt insbesondere für „typische“ CEO-Hobbies, die in der medialen Darstellung bereits überstrapaziert worden seien, wie zum Beispiel das Marathon-Laufen (vgl. Abschnitt 4.4.5.). Eine Ausnahme seien dagegen Hobbies, die besonders untypisch seien, wie zum Beispiel eine Hobby-Schreinerei wie die von Winfried Kretschmann, dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (vgl. Abschnitt 8.2.1.). Eine Ausnahme bilden scheinbar Hobbies, die auch Zuschreibungen beim Lebensstil des CEOs bedingen. Sehr kostspielige beziehungsweise extravagante Hobbies können unter Umständen dazu führen, dass dem CEO eine geringe Bodenständigkeit zugeschrieben wird (vgl. Abschnitt 8.2.1.):

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8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Hobby und Familienleben bilden natürlich auch einen wichtigen Bestandteil des Images, was ein CEO hat oder gerne hätte. Er würde nach außen gerne vielleicht als der bodenständige Saubermann auftreten, und wenn er dann aber das Hobby hat, super teure Porscherennwagen zu sammeln und fahren – das tut natürlich seinem Image dann nicht gut.“ (Jörg Kasten, Experte Mitarbeiter)

Insgesamt fließt der Lebensstil scheinbar stärker in die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs auf der Integritäts-Dimension ein. Ein ausschweifender Lebensstil – intensives Partyleben, Privatjet statt Linienmaschine – wirkt sich negativ auf die Bewertung des CEOs im Bereich der Integrität aus: „Lebensstil – das korrespondiert eben auch mit dem Punkt Integrität. Wenn der Mann oder die Frau jetzt halt eine Party nach der nächsten feiert, wäre das wahrscheinlich nicht so förderlich.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Laut Aussage verschiedener Experten sollte sich der Lebensstil eines CEOs innerhalb dessen bewegen, was gesellschaftlich akzeptabel ist. In diesem Sinne muss sich der CEO immer auch an den aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen orientieren. In Zeiten, in denen es dem Unternehmen oder der Wirtschaft im Allgemeinen weniger gut geht, ist ein exzentrischer und ausschweifender Lebensstil unangemessen. In guten Zeiten wird dem CEO dagegen auch ein ausschweifenderer Lebensstil meist nachgesehen: „Aber die Frage ist, ob es so eine Art Entkoppelung gibt, also, dass die Leute sagen, der lebt auf einem völlig anderen Stern. Und das ist ein fluider Prozess, das ändert sich immer mal wieder. Mal gibt es eine größere Toleranz in der Gesellschaft für Rolex, Brioni, Golfen und Cap d'Antibes, und mal gibt es da eben weniger Toleranz dafür. Das hängt auch sehr stark mit konjunkturellen Zyklen zusammen. Aber ein CEO mit politischem Gespür wird das einschätzen können. Einer, der zu wenig politisches Gespür hat, kann darüber in Probleme geraten und seinem Unternehmen Probleme bringen.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Die Bewertung des Aussehens eines CEOs ist laut Expertenaussage höchst subjektiv und grundsätzlich eher unwichtig für die Wahrnehmung eines CEOs: „Also, beim Thema Aussehen fragt man sich: Wann sieht jemand gut aus und wann nicht? Das ist jetzt wahrscheinlich etwas, was sehr subjektiv ist.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass weniger die tatsächliche „Schönheit“ eines CEOs eine Rolle spielt, sondern eher die Frage, ob er gepflegt ist, eine sportliche Statur hat oder sich angemessen kleidet. Auch das Alter betrachten die befragten Experten als eher unwichtig. Zwar würde das Alter in gewisser Weise einen Rückschluss auf die Erfahrungen – auch die allgemeine Lebenserfahrung – eines

8.2. Bedeutung der rollenfernen Imagedimensionen

271

CEOs zulassen (siehe oben). Ein jüngerer CEO könne die fehlende Erfahrung aber häufig durch seine Kompetenz aufwiegen: „Natürlich erwähnt man das Alter, aber wenn der CEO kompetent ist, ist es nicht wirklich relevant.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter) „Alter ist auch nicht so das große Thema. Ein junger CEO kann genauso fähig sein wie ein älterer CEO.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Diese Expertenaussage spiegelt sich in der Tatsache wider, dass CEOs auch im DAX-30-Segment heute im Durchschnitt deutlich jünger sind als in der Vergangenheit. Das Alter, so ein Experte, lasse dagegen eher Rückschlüsse auf den Führungsstil eines CEOs zu. Dieser hängt nach Expertenmeinung stark von der Zeit ab, in der ein CEO im Unternehmen „sozialisiert“ worden ist (vgl. Abschnitt 8.1.2.). In diesem Sinne wird also vom Alter auf den Führungsstil eines CEOs geschlossen. Die Experten benennen weitere persönliche Merkmale, die für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs eine Rolle spielen. Von verschiedenen Experten werden die Herkunft sowie die Nationalität beziehungsweise der kulturelle Hintergrund eines CEOs als weitere wichtige persönliche Merkmale genannt. Laut der Experten ist es für Stakeholder durchaus relevant, in welchem Kulturkreis sich ein CEO, der ein deutsches Unternehmen lenkt, zuhause fühlt. Bei einem CEO, der ausländischer Herkunft ist und ein international tätiges Unternehmen von Deutschland aus leitet, werde darauf geachtet, ob er sich in den deutschen Kulturkreis integriert habe oder ob er eine Distanz zur Kultur seines Arbeitgebers behält: „Für mich ist die Frage durchaus interessant, ob sich die führenden Verantwortungsträger eines internationalen Unternehmens in Deutschland auch um das Erlernen der deutschen Sprache bemühen. Denn wenn wir zum Beispiel zu einem ausländischen Stahlarbeiter sagen: ‚Bitte lerne Deutsch!‘, dann wäre es doch nicht schlecht, wenn dies auch für seine ‚Chefetage‘ in Deutschland gelten würde. Ich habe hier schon mehr als eine Führungskraft kennen gelernt, die überhaupt kein Deutsch sprach. Das steht dann ja auch für eine kulturelle Distanz.“ (Hermann Gröhe, Experte politische Akteure)

Darüber hinaus spielen für die Gruppe der politischen Akteure spezifische persönliche Merkmale eine Rolle, die für die anderen Stakeholdergruppen nicht von Bedeutung zu sein scheinen. Dies sind unter anderem „Diversity-Merkmale“ wie das Geschlecht und die sexuelle Orientierung: „Das Thema Diversity fehlt völlig – und damit auch die Frage, wie viele Frauen CEOs sind oder wie viele Homosexuelle CEOs sind. Das fehlt.“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

272

8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

Gleich mehrere Experten für die Gruppe der politischen Akteure geben an, dass es einen direkten positiven Einfluss auf das CEO-Image hätte, wenn der CEO eine Frau sei: „Wir haben in Deutschland ja eine nahezu komplett männerdominierte Führungsriege in der Wirtschaft. Also, allein die Tatsache, dass jemand eine Frau ist, wäre ein starker Faktor, gerade auch in der Kommunikation mit der Politik, die ja ständig äußert, die Wirtschaft müsse sich stärker öffnen. Also. das ist in meinen Augen das wichtigste Einzelmerkmal.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Dies mag daran liegen, dass die Politik sich seit Jahren darum bemüht, den Frauenanteil in Deutschlands Vorstandsetagen zu erhöhen. Eine Frau in einer entsprechenden Position würde der Öffentlichkeit vermitteln, dass die ergriffenen Maßnahmen Wirkung gezeigt haben. Die Politik, so eine Expertin, würde einem Unternehmen mit einer Frau an der Spitze mehr Aufmerksamkeit schenken und einen engen Kontakt zu dieser CEO suchen: „In der Wahrnehmung der Politik wäre eine weibliche Vorstandsvorsitzende auf alle Fälle positiv. Wir würden sie zu jeder größeren Veranstaltung einladen!“ (Brigitte Zypries, Expertin politische Akteure)

Darüber hinaus hebt ein befragter Experte die Bedeutung der Religionszugehörigkeit für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs hervor. Diese stehe in der Politik immer noch für die Verankerung in einem Wertesystem und weise daher enge Verbindungen zur Integritäts-Dimension auf: „Und ich würde hier auch noch das Thema Religionszugehörigkeit dazu fügen. Ich beobachte es bei der Politik, dass das dort durchaus eine Eigenschaft ist, auf die man schaut und wo man auch sieht, dass sich Menschen auch ein Stück weit entlang ihrer Religionszugehörigkeit definieren, organisieren und da mindestens mal auf der politischen Ebene auch eine Art Willensbildung stattfindet. Das ist ein Teil eines Wertesystems, das viele Menschen für sich nicht ausblenden wollen und vielleicht auch gar nicht können.“ (Cornelius Winter, Experte politische Akteure)

8.3. Interdependenzen zwischen Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen In den Expertengesprächen wird auffallend häufig auf Interdependenzen zwischen verschiedenen Eigenschaftsdimensionen verwiesen. Grundsätzlich gehen die Experten davon aus, dass alle Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen interdependent sind und sich wechselseitig beeinflussen. Die Eigenschaften scheinen sich in den Augen der Experten gegenseitig zu bedingen:

8.3. Interdependenzen zwischen Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen

273

„Ich glaube auch, dass alle diese fünf Punkte, die hier im Modell um den CEO herumstehen, sehr interdependent sind. Leadership funktioniert nicht, wenn man nicht integer ist und nicht das richtige Charisma hat. Fachkompetenz ist sowieso wichtig, und persönliche Merkmale schwingen immer subtil mit.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter)

Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen von wahrnehmbaren auf nicht wahrnehmbare Eigenschaften geschlossen wird (vgl. Abschnitt 8.2.3.). Diese Expertenaussagen deuten an, dass Stakeholder bei der Wahrnehmung und Beurteilung von CEOs auf Erfahrungen und Vorstellungen zurückgreifen, die sie vom Zusammenspiel verschiedener Persönlichkeitsmerkmale gesammelt haben (vgl. Forgas 1999: 36). Damit beschreiben sie implizite Persönlichkeitstheorien (vgl. Abschnitt 2.3.2.). Einige Interdependenzen fallen scheinbar stärker ins Gewicht und werden in den Interviews an verschiedenen Stellen hervorgehoben. Zunächst wird die starke Interdependenz zwischen der Fachkompetenz- und der Leadership-Dimension betont (vgl. Abschnitt 8.1.1.). Nach Meinung verschiedener Experten kann ein CEO nur dann Stärken in der Leadership-Dimension entwickeln, wenn er auch Stärken in der Fachkompetenz-Dimension aufweist. Denn eine gute Führungspersönlichkeit muss nach Ansicht der Experten immer auch kompetent wirken. Nur dann könne ein CEO die eigenen Leute hinter sich versammeln und die notwendige Autorität aufbauen, um den eigenen Führungsanspruch zu legitimieren. Außerdem scheint in den Köpfen der Stakeholder eine Verbindung zwischen charismatischen Eigenschaften und der Fachkompetenz eines CEOs zu bestehen (vgl. Abschnitt 8.2.2.). Laut der Experten besteht eine grundlegende Skepsis gegenüber charismatischen Eigenschaften. Stakeholder würden einem sehr charismatischen CEO schnell „unterstellen“, dass er mit seinem Charisma Schwächen in der Fachkompetenz-Dimension überspielen wolle. Charismatische Eigenschaften scheinen demnach tendenziell mit Schwächen in der Leadership-Dimension verknüpft zu sein. Darüber hinaus wird von den Experten auch darauf hingewiesen, dass die Eigenschaften der Charisma-Dimension eine enge Verbindung zur LeadershipDimension aufweisen (vgl. Abschnitt 8.2.2.). Diese Verbindung geht teilweise so weit, dass die Experten die charismatischen Eigenschaften direkt der LeadershipDimension zuordnen: „Also, für mich gehören die Sachen bei Charisma zu Leadership.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter)

274

8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Ich würde Charisma bei Leadership als Unterkompetenz einordnen.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren)

Eigenschaften wie Inspirationskraft und Ausstrahlung wirken stark auf die Leadership-Qualitäten eines CEOs ein. Ein Experte geht sogar so weit zu sagen, dass ein CEO in heutiger Zeit ohne Stärken in der Charisma-Dimension auch in der Leadership-Dimension keine Stärken mehr entwickeln könne: „Inspirationskraft würde ich mittlerweile fast unter Leadership fassen, denn ohne Inspirationskraft und eine visionäre Komponente kann man Unternehmen heutzutage gar nicht führen, man bekommt sonst keine Änderungen des Geschäftsmodells hin.“ (Dietmar Student, Experte Medienvertreter)

In diesem Zusammenhang wird an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass es schwierig sei, zwischen der Leadership- und der Charisma-Dimension zu unterscheiden. Die Expertenaussagen zur Interdependenz von charismatischen Eigenschaften und den Führungsqualitäten eines CEOs gewinnen vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von Charisma in der Führungsforschung (vgl. Abschnitt 4.4.3.) zusätzlich an Gewicht. Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf Interdependenzen zwischen den einzelnen Eigenschaften und Eigenschaftsdimensionen scheinen allerdings die persönlichen Merkmale zu sein. Nach Aussage verschiedener Experten sind die persönlichen Merkmale in der Stakeholderwahrnehmung dabei mit Eigenschaften aus allen übrigen Dimensionen verknüpft (vgl. Abschnitt 8.2.3.). So wird unter Umständen vom Alter des CEOs auf seine Kompetenz und Erfahrung oder auch auf seinen Führungsstil geschlossen, oder aber von seinem Lebensstil und seinem Familienleben auf seine Integrität. Als deskriptive Kategorien (vgl. Krech et al. 2008: 73) dienen die relativ leicht wahrnehmbaren persönlichen Eigenschaften in den impliziten Persönlichkeitstheorien der Stakeholder als Indikatoren für die schwerer wahrnehmbaren Eigenschaften anderer Dimensionen (vgl. Abschnitt 2.3.2.). Im Hinblick auf die starken Interdependenzen zwischen den einzelnen Dimensionen des Persönlichkeitsprofils fordert ein Experte explizit eine Anpassung des Modells, um so dem Zusammenspiel der verschiedenen Aspekte Rechnung zu tragen: „Und ich glaube, dass das eher ein Netz ist, als diese Strahlen, die alle sozusagen nach innen einzahlen. (...) weil diese persönlichen Eigenschaften unten ohne die Verknüpfung mit denen da oben an Erklärungskraft verlieren. Und weil die Eigenschaften, die Sie oben nennen, einen hervorragenden Fachmann ausmachen, aber nicht notwendig jemanden, der ein Unternehmen führt. Also, von daher braucht man

8.4. Die Bedeutung von Performance für CEO-Images

275

Aspekte all dieser fünf Dimensionen. Aber die sind viel enger verwoben, als das da erst mal den Eindruck macht.“ (Hermann-Josef Tenhagen, Experte Medienvertreter)

8.4. Die Bedeutung von Performance für CEO-Images In zahlreichen Experteninterviews wurde auf die Bedeutung der „Leistung“ des CEOs für die Stakeholderwahrnehmung hingewiesen. Nach dem Vergleich und der Analyse der verschiedenen Expertenaussagen zur Bedeutung von Performance für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs können dabei verschiedene Punkte festgehalten werden: Die Unternehmensperformance – als Indikator für die Leistung eines CEOs – scheint langfristig für viele Stakeholder von größerer Bedeutung zu sein als seine Persönlichkeitseigenschaften: „Die Performance-Dimension ist elementar für die langfristige Wahrnehmung. Kurzfristig kann man mit persönlichem Auftritt sicherlich etwas beeinflussen, aber am Ende des Tages zählt für die langfristige Bilanz die Performance.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

In einer guten Unternehmensperformance wird die primäre Aufgabe des CEOs gesehen. Daher sei, so einige Experten, eine positive Bewertung eines CEOs auf den verschiedenen Dimensionen obsolet, sobald die Unternehmensperformance nicht stimme: „Wenn der CEO nicht erfolgreich ist, dann braucht ihn auch keiner. Also, das ist auch wieder sehr gut vergleichbar mit einem Fußballtrainer von einem Bundesligisten. Wenn ihn alle toll finden, und er aber 10 Spiele hintereinander verliert, dann ist er halt irgendwann weg. Ich glaube, der Erfolg ist schon einfach wichtig.“ (Nikolaus Röttger, Experte Medienvertreter) „Also, ich habe mal an anderer Stelle gesagt: Führungskräfte werden für den Erfolg bezahlt. Sie werden nicht für gute Führung bezahlt, sondern sie werden für den Erfolg bezahlt. Das ist manchmal etwas ernüchternd, aber das ist es letztlich. Und jemand kann noch so integer sein, noch so ein toller Leader, und der kann beliebt sein bei seinen Mitarbeitern, nur, wenn der Laden langsam den Bach runter geht, dann hilft ihm das alles nichts. Dann ist der einfach nicht der Richtige an der Stelle. Liefern muss man, da hilft alles nichts.“ (Dr. Ulrich Goldschmidt, Experte Mitarbeiter)

Erst wenn der CEO seine primäre Aufgabe zufriedenstellend erfüllt, erwirbt er damit in den Augen der Stakeholder die Berechtigung, auch über sein eigenes Unternehmen hinaus zu wirken – beispielsweise in der politischen beziehungsweise gesellschaftlichen Sphäre. Dies scheint insbesondere daran zu liegen, dass der CEO erst dann als kompetenter Gesprächspartner wahrgenommen wird, seinen Argumenten also erst dann „Gehör“ verschaffen kann:

276

8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Von jemandem, der sein eigenes Unternehmen nicht gut führen kann, nimmt man dann ja auch weniger gerne politische Ratschläge an. Wenn der im eigenen Laden Probleme nicht lösen kann – ja, mit welcher Berechtigung oder Glaubwürdigkeit kann er darüber hinaus wirken und Ratschläge geben?“ (Christian Lindner, Experte politische Akteure)

Die Bedeutung der Performance für die CEO-Wahrnehmung gilt demnach wenig überraschend insbesondere für die Stakeholdergruppe der Investoren, deren Interessen gegenüber dem Unternehmen der Renditemaximierung des Investments liegen (vgl. Abschnitt 3.1.1.): „Es ist natürlich klar, dass Investoren auf die Performance achten. Die wollen sehen, dass sie mit ihren Anlagen letztlich auch Profite machen – keine Frage, das ist natürlich das, was für diese Gruppe im Vordergrund steht. Aber soweit ich das hier sehe, ist das in dem Sinne keine Kompetenz, sondern sie würde aus Fachkompetenz in erster Linie und Leadership vielleicht an zweiter Stelle resultieren.“ (Thomas von Oehsen, Experte Investoren)

Über eine gute Unternehmensperformance können CEOs zudem das Vertrauen ihrer Investoren gewinnen: „Nein, im Endeffekt spielen die Resultate, die der CEO liefert, die Rolle. Die anderen Sachen [seine Persönlichkeitseigenschaften, Anm. d. Verf.] sind eigentlich alle untergeordnet. Und wenn er sagt, das Ergebnis nächstes Jahr geht von 100 auf 120 und er liefert 121 und das nächste Jahr sagt er wir gehen von 121 auf 140 und er liefert 141 – dadurch erarbeitet er sich Vertrauen und steigt sehr stark im Ansehen der Investoren.“ (Johannes Huth, Experte Investoren) „Natürlich hängt die Wahrnehmung des CEOs auch an der Performance des Unternehmens. Ich würde sagen, wenn sich ein Unternehmen unter der Führung des jeweiligen CEOs lange gut entwickelt hat, gewinnt er naturgemäß das Ansehen der Investoren, weil er den Wert ihres Investments gesteigert hat.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Die Persönlichkeitseigenschaften spielen dagegen scheinbar eher zu Beginn einer CEO-Amtszeit eine größere Rolle als die Unternehmensperformance, ebenso wie in Krisen- und Veränderungssituationen, wenn dem CEO von den Stakeholdern eine gewisse Schonfrist für das Herbeiführen der notwendigen Veränderungen und der Performancesteigerung zugestanden wird. Damit sind Persönlichkeitseigenschaften immer dann von Bedeutung, wenn die Unternehmensperformance noch kein Indikator für die Leistung des CEOs sein kann, weil der CEO noch nicht lange genug im Amt ist. Ebenso spielen Persönlichkeitseigenschaften dann eine Rolle, wenn die Unternehmensperformance eine schlechte Leistung des CEOs indiziere– je nachdem, ob auch noch weitere externe Faktoren für die Krise verantwortlich gemacht werden können. In diesem Fall kann eine positive Bewertung des CEOs auf den

8.5. Bedeutung von Eigenschaftsdimensionen

277

verschiedenen Eigenschaftsdimensionen kurzfristig über die schlechte Unternehmensperformance hinwegtäuschen, wenn dem CEO zugetraut wird, dass er die Unternehmensperformance in naher Zukunft verbessern wird: „Die Bedeutung [des CEOs, Anm. d. Verf.] ist enorm, das sieht man sowohl bei den guten als auch bei den schlechten Beispielen. Also, wenn jemand das gut macht, kann das temporär auch über eine relativ schlechte Unternehmensperformance hinwegtäuschen oder über erhebliche Probleme mit Stakeholdergruppen.“ (Dr. HansChristoph Hirt, Experte Investoren)

Eine positive Unternehmensperformance wird nach Aussage der befragten Experten den Persönlichkeitseigenschaften eines CEOs zugeschrieben. Die Persönlichkeitseigenschaften werden demnach als endogene Faktoren des Modells angesehen, die Unternehmensperformance als exogener Faktor beziehungsweise Output: „Performance ist für mich der Output. Wenn der CEO – außer persönliche Merkmale – wenn er eben diese vier Faktoren (zeigt auf Fachkompetenz, Leadership, Integrität und Charisma) verkörpert und lebt, dann wird das Unternehmen erfolgreich sein.“ (Johannes Schneider, Experte Mitarbeiter) „Also, hier geht es ja um Persönlichkeitseigenschaften, also endogene Faktoren. Aber Leistung ist ja dann sozusagen die Umsetzung dieser endogenen Faktoren in etwas objektiv Messbares. Sie können aber Verantwortungsbewusstsein, Überzeugungskraft oder Sachverstand nicht objektiv messen. Das gehört zur Persönlichkeit.“ (Alexander Graf Lambsdorff, Experte politische Akteure)

Dementsprechend könnte man annehmen, dass eine gute Unternehmensperformance die explizite Bewertung der Fähigkeiten eines CEOs in vielen Fällen obsolet macht, weil von der guten Unternehmensperformance auf bestimmte Imagedimensionen zurückgeschlossen wird. In so einem Fall wirkt die Unternehmensperformance als Frame für die Wahrnehmung der Persönlichkeitseigenschaften eines CEOs. 8.5. Bedeutung von Eigenschaftsdimensionen in Abhängigkeit von der Unternehmenssituation In beinahe allen Expertengesprächen wird deutlich, dass die Bedeutung der verschiedenen Eigenschaftsdimensionen auch von der Situation abhängt, in der sich ein Unternehmen befindet. Die Gewichtung der Eigenschaften, die einem CEO zugeschrieben werden, variieren in der Bewertung des CEOs durch die Stakeholder in Abhängigkeit von der jeweiligen Unternehmenssituation. Unterschiedliche Unternehmenssituationen erforderten, so mehrere Experten, unterschiedliche Persönlichkeitseigenschaften:

278

8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

„Und es verschieben sich wiederum die wichtigen Kriterien, abhängig von der Unternehmenssituation. Eine Expansion braucht vermutlich einen CEO mit einem anderen Persönlichkeitsprofil als eine Restrukturierung.“ (Dr. Hans-Christoph Hirt, Experte Investoren) „Für bestimmte Situationen in Unternehmen braucht man ganz spezielle CEOs. Für Unternehmen, die ein Sanierungsfall sind, brauchen Sie einen ganz anderen CEO als wenn es gerade gut läuft und eine Branche boomt. Da sind jeweils ganz andere Fähigkeiten gefordert.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Die befragten Experten haben eine sehr genaue Vorstellung von der Bedeutung der hybriden und rollenfernen Eigenschaftsdimensionen in verschiedenen Unternehmenssituationen. Hierbei unterscheiden sie überwiegend zwischen einer Krisenoder Restrukturierungssituation auf der einen und einer Stabilitäts- beziehungsweise Wachstumsphase auf der anderen Seite. Dennoch sind sich die befragten Experten in ihren Einschätzungen der entsprechenden Unterschiede nicht immer einig. Für die Bedeutung der Charisma-Dimension geben verschiede Experten an, dass Charisma in einer sehr akuten Krisensituation, in der die Existenz eines Unternehmens gefährdet ist, für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs eine eher untergeordnete Rolle spiele: „Es gibt auch Situationen – wie zum Beispiel eine Krise – wo ein Unternehmen keinen zu charismatischen CEO haben sollte, sondern eher einen dezenten, zurückhaltenden CEO.“ (Marc Tüngler, Experte Investoren) „Ich glaube, bei einem Unternehmen, was gerade mitten in einer Restrukturierung steckt, ist jetzt niemand traurig, wenn der CEO relativ wenig Charisma hat. Da stehen einfach andere Sachen im Vordergrund.“ (Dr. Hans-Christoph Hirt, Experte Investoren)

Auch identifikationsanregende oder motivationale Elemente der LeadershipDimension, die eng mit den charismatischen Eigenschaften verknüpft sind, haben dann eine geringere Bedeutung. Notwendig sind dagegen vielmehr die transaktionalen Führungseigenschaften (vgl. Abschnitt 4.4.2.). Wenn tatsächlich die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht, so die Experten, sei es von untergeordneter Bedeutung, die Stakeholder vom eingeschlagenen Weg zu überzeugen, weil die Notwendigkeit normalerweise bereits von allen verinnerlicht worden sei. Ein CEO könne in einer solchen Situation auch über Anweisungen führen und müsse die Stakeholder nicht notwendigerweise von der eingeschlagenen Richtung überzeugen: „Das Unternehmen X ist in einer derartig desolaten Situation, dass es aufs Charisma auch nicht mehr ankommt. Der [CEO, Anm. d. Verf.] kann da jetzt so ziemlich durchziehen was er will. Charisma ist wichtiger, wenn ich einen Laden umbauen will oder in die Zukunft führen will, der noch ein recht ausgeprägtes Selbstbewusstsein

8.5. Bedeutung von Eigenschaftsdimensionen

279

selbst hat. Dann hilft es einem, dass man da besser durchdringt mit dem, was man glaubt, ändern zu müssen.“ (Carsten Knop, Experte Medienvertreter)

Der CEO kann in einer akuten Krisensituation über „Durchsetzungskraft“ führen; „Überzeugungskraft“ ist dagegen von untergeordneter Bedeutung. Als besonders wichtige Eigenschaften der Leadership-Dimensionen in Krisenzeiten heben die Experten Durchsetzungskraft und Entscheidungsfreude hervor – Eigenschaften, die eher dem transaktionalen Führungsverständnis entsprechen (vgl. Abschnitt 4.4.2.). Innerhalb der Leadership-Dimension spielt außerdem das Kommunikationstalent des CEOs in einer akuten Krisensituation eine besonders große Rolle. Insbesondere die Bedeutung der externen Kommunikation steigt in jeder Form von Krisen- oder Veränderungssituation, weil ein CEO sich aufgrund seiner verantwortungsvollen Position (Verantwortung für viele Arbeitsplätze) der Öffentlichkeit stellen muss (vgl. Abschnitt 8.1.2.). Die Bedeutung von Charisma ist nach Aussage verschiedener Experten in Veränderungs- oder Restrukturierungssituationen von großer Relevanz, wenn ein Unternehmen noch nicht in einer existenziellen Krise steckt oder die schlimmste Phase der Krise bereits überstanden hat. In einem solchen Fall hilft Charisma einem CEO dabei, die notwendigen Veränderungen im Unternehmen durchzusetzen und die Stakeholder mitzunehmen und vom eingeschlagenen Weg zu überzeugen: „Die Bedeutung [von Charisma, Anm. d. Verf.] ist höher bei Unternehmen, die eine Restrukturierung fahren, wo ein neuer CEO reinkommt, wo sie Strukturen verändern müssen, also in Change-Management Prozessen, und auch dort, wo sie vielleicht eine ausgeprägte Medien-Affinität haben müssen, einfach, weil das Geschäftsmodell das erfordert.“ (Ingo Speich, Experte Investoren) „Also, ich glaube, es wird sich mehr in Richtung Glaubwürdigkeit, in Richtung Kommunikationstalent, in Richtung Ausstrahlung verschieben. Ich glaube, diese Attribute werden dann wichtiger. Nicht so sehr die Fachkompetenz, denn wenn sich Unternehmen verändern, dann kann der CEO die ja auch nicht für jeden Fall vorhalten. Und ich glaube, dass es dann noch mehr auf diese Persönlichkeit ankommt, auf die Ausstrahlung und auf die Frage, ob ein CEO die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Veränderungsprozess mitnehmen kann.“ (Andrea Kocsis, Expertin Mitarbeiter)

Motivationale und identifikationsanregende Faktoren bekommen in diesen Situationen eine größere Bedeutung, weil aktives Stakeholdermanagement gefordert ist. In einer solchen Veränderungssituation spielt Charisma in den Augen der befragten Experten daher für die Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs eine größere Rolle als in einer Stabilitäts- oder Wachstumsphase.

280

8. Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension

Neben Unterschieden im Hinblick auf die Bedeutung der Charisma- und Leadership-Dimension in verschiedenen Unternehmenssituationen identifizieren die Experten ebenfalls Unterschiede für die integritätsbezogenen und persönlichen Merkmale. Hinsichtlich der integritätsbezogenen Merkmale merken mehrere Experten an, dass in einer Krisen- oder Restrukturierungssituation Ehrlichkeit, Verlässlichkeit sowie Authentizität und Glaubwürdigkeit eine besondere Rolle spielen. Insbesondere in einer Krisensituation, die auf ein organisationales Fehlverhalten zurückzuführen sei, müsse ein CEO verlorengegangenes Vertrauen bei den Stakeholdern zurückgewinnen. Aber auch in Restrukturierungssituationen, die nicht allein auf ein Fehlverhalten der Organisation und ihrer Mitglieder, sondern überwiegend auf strukturelle Rahmenbedingungen zurückzuführen seien, wirke sich die wahrgenommene Integrität eines CEOs stabilisierend auf die Stakeholderbeziehungen des Unternehmens aus. Den Stakeholdern falle es leichter, dem CEO einen Vertrauensvorschuss zu gewähren: „Ja, in solchen Situationen [Krise, Anm. d. Verf.] spielt das Thema Integrität und Charisma eine größere Rolle als sonst. Da geht es ja erst einmal darum, Vertrauen wieder zu gewinnen und dann auch aufzuräumen.“ (Claus Döring, Experte Medienvertreter)

Die Bedeutung von Integrität für den Aufbau von Personenvertrauen steigt demnach in Krisensituationen (vgl. Abschnitt 4.4.3.). Aus dem gleichen Grund beobachten die Stakeholder in einer Krisen- oder Veränderungssituation scheinbar auch die persönlichen Merkmale eines CEOs sehr viel genauer als in einer Stabilitäts- und Wachstumsphase. Sie suchen bewusst nach wahrnehmbaren Anzeichen für die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit eines CEOs: „In Veränderungssituationen gewinnen die persönlichen Eigenschaften an Bedeutung – große Transaktionen, Krisen, Restrukturierungen, Strategiewechsel – da muss der CEO seine persönliche Glaubwürdigkeit mit in die Waagschale werfen.“ (Dr. Brigitte von Haacke, Expertin Investoren)

Weil bestimmte persönliche Merkmale in den impliziten Persönlichkeitstheorien der Stakeholder mit integritätsbezogenen Merkmalen verknüpft sind, stehen sie in einer Krisen- oder Restrukturierungsphase also unter besonderer Beobachtung.

9.

Zusammenfassung und Diskussion

In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse zur ersten und zweiten Personalisierungsdimension konsolidiert werden. Unter Rückbezug auf das theoretische Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung (vgl. Kapitel 5) werden die Ergebnisse im Hinblick auf die Forschungsfragen beleuchtet, die dieser Arbeit zugrunde liegen (vgl. Abschnitt 1.2.). Darüber hinaus wird diskutiert, inwieweit sich das theoretische Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung als anwendbar erwiesen hat und an welchen Stellen gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen werden müssen. Im Rahmen der Experteninterviews wurde die Wahrnehmung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen durch vier generische Stakeholdergruppen – Investoren, Mitarbeiter, Medienvertreter und politische Akteure – einer qualitativen Untersuchung unterzogen. Die Forschungsfragen, die in Abschnitt 1.2. formuliert wurden, orientieren sich dabei eng an den beiden Personalisierungsdimensionen von Brettschneider (2002), die als theoretisches Fundament dieser Dissertation sowohl das theoretische Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung als auch die empirische Untersuchung strukturiert haben. Die erste Forschungsfrage lautet: Welche Bedeutung haben CEOs für die Wahrnehmung des Unternehmens durch Investoren, Mitarbeiter, Medienvertreter und politische Akteure sowie für ihr Verhalten gegenüber dem Unternehmen? Auf Grundlage der 30 Interviews mit Experten für die Stakeholdergruppen der Investoren, Mitarbeiter, Medienvertreter und politischen Akteure können Indizien für alle identifizierten Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension nachgewiesen werden. In den Experteninterviews wurde deutlich, dass stakeholdergruppenübergreifend eine Tendenz zur personenbezogenen Adressierung von Unternehmen besteht. In allen Stakeholdergruppen bestehen sehr konkrete und reflektierte Vorstellungen über die Rolle des CEOs als „systemverantwortlichem“ obersten Unternehmensrepräsentanten (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Organisationales Handeln wird für die Stakeholder auf der Ebene ihrer Repräsentanten sichtbar (vgl. Szyszka 2010: 96), weil nicht Unternehmen als juristische Personen handeln können, sondern nur natürliche Personen. Die Experten beschreiben CEOs als Träger von Führungsrollen, die organisationspolitische Grundsatzentscheidungen treffen (vgl. Szyszka 2010: 96f.). Als Akteur mit dem © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_9

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9. Zusammenfassung und Diskussion

größten Entscheidungsspielraum schränkt der CEO den Entscheidungsspielraum von Akteuren auf nachgelagerten Hierarchieebenen ein, weil er die Rahmenbedingungen des Systems durch seine Entscheidungen festlegt. Aus diesem Grund wird dem CEO den Einschätzungen der Experten zufolge von den Stakeholdern eine „Systemverantwortung“ zugeschrieben. Er trägt nicht nur die Verantwortung für Entscheidungen, die er selbst getroffen hat, sondern auch für die Entscheidungen von Rollenträgern nachgelagerter Hierarchieebenen, deren Entscheidungsspielraum er durch seine Richtlinienentscheidungen einschränkt. Aufschlussreich sind zudem Aussagen verschiedener Experten, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass Verantwortungszuschreibungen sowohl bei einer positiven als auch bei einer negativen Bewertung organisationalen Handelns erfolgen. Dies gilt unter anderem für die Wahrnehmung der Unternehmensperformance (vgl. Abschnitt 7.1.2. und 8.4.). Dem CEO wird die ultimative „Verantwortung“ für die Unternehmensperformance zugeschrieben. Auf Basis der positiven beziehungsweise negativen Evaluation der Unternehmensperformance schreiben die Stakeholder einem CEO dabei bestimmte positive beziehungsweise negative Eigenschaften zu. In dieser Hinsicht erfolgt also entweder eine Verantwortungs- oder eine Erfolgszuschreibung. Dem CEO wird die Verantwortung für eine schlechte Unternehmensperformance persönlich zugeschrieben; allerdings wird ihm auch der Erfolg im Falle einer positiven Unternehmensperformance persönlich zugeschrieben. Die Unternehmensperformance wird als ein Resultat der CEO-Eigenschaften betrachtet. Darüber hinaus scheint Personenvertrauen als weiterer Aspekt personenbezogener Adressierung von Unternehmen eine Bedeutung für die Unternehmenswahrnehmung zu haben (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Diese Bedeutung zeigt sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Verhalten der Stakeholder gegenüber dem Unternehmen (vgl. Abschnitt 7.1.3.). So wird beispielsweise von den Experten für die Investorengruppe mehrfach betont, dass das CEO-Image von entscheidender Bedeutung für die Anlageentscheidung sei. Investoren stellen sich die Frage, ob sie dem CEO zutrauen, dass er das Potential des Unternehmens freisetzen kann. Weil dem CEO die „Verantwortung“ für die Unternehmensperformance zugeschrieben wird, ist die Investitionsentscheidung unter Unsicherheit immer vom Vertrauen in den CEO abhängig. Aber auch Experten für die Gruppe der politischen Akteure betonen, dass Argumente in wirtschaftspolitischen Debatten immer eine Kombination aus dem Gewicht des Sachargumentes und dem „Vertrauen“ in den Absender seien. Insbesondere im Zusammenhang mit der Festlegung der Handlungsentscheidung wird damit „abstraktes Systemvertrauen (...) auf konkretes, von personaler Reputation abgeleitetes Personenvertrauen verlagert“ (Szyszka 2010: 98). Die Bedeutung

9. Zusammenfassung und Diskussion

283

von Personenvertrauen verstärkt sich unter Bedingungen steigender Unsicherheit. In diesen Fällen beschreiben verschiedene Experten, dass Stakeholder bereit sind, dem Unternehmen einen „Vertrauensvorschuss“ zu gewähren, wenn sie ein positives CEO-Image haben. Dies gilt beispielsweise in Krisen- oder Veränderungssituationen (vgl. Abschnitt 7.2.3.3.). Die Stakeholder vertrauen in solchen Fällen darauf, dass der CEO die notwendigen Eigenschaften mitbringt, um die Sondersituation erfolgreich zu managen. Neben den beiden Aspekten personenbezogener Adressierung ergeben sich aus der Analyse der Experteninterviews auch Indizien für eine personenbezogene Bewertung von Unternehmen durch die vier Stakeholdergruppen (vgl. Abschnitt 3.2.2.). Aus den Expertenaussagen lassen sich wechselseitige Imagetransfereffekte zwischen den beiden Imagegrößen als Merkmal der Unternehmenswahrnehmung der vier Anspruchsgruppen identifizieren (vgl. Abschnitt 7.1.2.). Grundsätzlich betonen die Experten, dass Stakeholder eine Kongruenz zwischen den Eigenschaften der Organisationspersönlichkeit und den Persönlichkeitseigenschaften des CEOs erwarten. Nehmen die Stakeholder dagegen Diskrepanzen zwischen der Organisations- und der CEO-Persönlichkeit wahr, so wirkt sich dies tendenziell negativ auf die Unternehmenswahrnehmung aus; die wahrgenommene Kongruenz wird somit zu einer Voraussetzung für die Entstehung von Personenvertrauen. Die Imagetransfereffekte manifestieren sich in der wechselseitigen Zuschreibung von Unternehmens- und CEO-Eigenschaften. Das Unternehmensimage als langfristig stabilere Imagegröße stellt den Rahmen dar, in dem CEO-Eigenschaften dem Unternehmen zugeschrieben werden. Dennoch verändert sich das Unternehmensimage immer nur graduell unter dem Einfluss des jeweils amtierenden CEOs. Weil die Stakeholder eine Kongruenz zwischen dem CEO- und dem Unternehmensimage voraussetzen, nutzen sie die leichter beobachtbaren personalen Eigenschaften des CEOs als Referenz für die Unternehmenseigenschaften. Die Eigenschaften, die sie beim CEO beobachten, schreiben sie – innerhalb der Grenzen des stabilen Unternehmensimages – dem Unternehmen zu. Dennoch überprüfen sie diese Zuschreibungen im Zeitverlauf auch anhand der wahrgenommenen organisationalen Eigenschaften. Im Hinblick auf die drei idealtypischen Personalisierungsgrade, die in Abschnitt 3.3.2. für die Stakeholderwahrnehmung abgeleitet wurden, lässt sich Folgendes festhalten: Der erste und der dritte Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung spiegeln nicht die Wahrnehmungsmuster der Stakeholder wider, die von den Experten beschrieben werden. Weder wird das Unternehmensimage voll-

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9. Zusammenfassung und Diskussion

ständig vom CEO-Image überformt, noch ist das Unternehmensimage so dominant, dass der CEO mit seinen personenbezogenen Merkmalen von den Stakeholdern nicht mehr wahrnehmbar wäre. Vielmehr nehmen die Stakeholder sowohl personenbezogene CEO-Eigenschaften als auch organisationsbezogene Unternehmenseigenschaften wahr, zwischen denen in der Stakeholderwahrnehmung Wechselwirkungen bestehen. Das stabile Unternehmensimage der Stakeholder stellt dabei den Rahmen dar, in dem der CEO wahrgenommen und bewertet wird. Dem Unternehmen werden von den Stakeholdern wiederum im Rahmen von Imagetransfers personenbezogene Eigenschaften des CEOs zugeschrieben. Über die Zeit entsteht somit eine immer stärkere Kongruenz zwischen dem CEO- und dem Unternehmensimage in der Stakeholderwahrnehmung. Die Wahrnehmungsmuster der Stakeholder entsprechen damit am ehesten dem zweiten Typ personalisierter Stakeholderwahrnehmung (vgl. Abschnitt 3.3.2.). Je nach Stärke der beiden Images können dabei graduelle Unterschiede in der Stärke des wechselseitigen Einflusses bestehen. Ist das CEO-Image in der Wahrnehmung dominanter als das Unternehmensimage, so werden die Imagetransfers in Richtung des Unternehmens stärker ausgeprägt sein. Das Gleiche gilt andersherum, falls das Unternehmensimage dominanter ist als das CEO-Image. Besonders interessant sind zudem Aussagen von Experten für die Gruppe der Medienvertreter und der politischen Akteure, sowie vom Experten für Stimmrechtsberater, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass gegenüber einem handlungsleitenden Einfluss von CEO-Images tendenziell eine abwehrende Haltung besteht. Während die befragten Experten Transfereffekte zwischen dem CEO- und dem Unternehmensimage durchaus anerkennen, wird ein handlungsleitender Einfluss des CEO-Images als irrational und inhärent subjektiv abgelehnt. Die Ursache für diese Haltung scheint darin zu liegen, dass sowohl Medien als auch politische Akteure und Stimmrechtsberater an sich selbst hohe Ansprüche hinsichtlich der Objektivität und der Rationalität stellen. Die Argumentationen der Experten folgen einer normativen Logik: Die Experten für die Gruppe der Medienvertreter betonen beispielsweise die große Bedeutung der Objektivität und Unabhängigkeit der Berichterstattung. Auch die Experten für die Gruppe der politischen Akteure betonen, dass die eigene Wahrnehmung des CEOs grundsätzlich keinen Einfluss auf die legislativen Entscheidungen haben dürfe, um ein größtmögliches Maß an Objektivität der Gesetzgebung, unabhängig von persönlichen Zu- oder Abneigungen gegenüber den handelnden Personen, zu gewährleisten. Dennoch erkennen sowohl die Experten für die Medienvertreter als auch für die politischen Akteure an, dass es möglicherweise nicht immer vollständig gelingt, die Wahrnehmung der handelnden

9. Zusammenfassung und Diskussion

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Akteure bei der Festlegung der Handlungsentscheidung nicht miteinzubeziehen. In der politischen Debatte sei eine Argumentation immer eine Kombination aus der Stärke des Sacharguments und dem Vertrauen in den Absender. Die Medienvertreter heben hervor, dass die Hemmschwelle, über einen positiv bewerteten CEO negativ zu berichten, deutlich höher läge. Auch der Stimmrechtsberater argumentiert über die Bedeutung von Objektivität und Rationalität für die eigene Arbeit. Der Experte betont, dass die Analysen eines Stimmrechtsberaters nicht für einen individuellen Investor erstellt würden, sondern für eine Vielzahl von Kunden. Aus diesem Grund beschränke sich ein Stimmrechtsberater auf die harten Fakten wie zum Beispiel das Zahlenwerk des Unternehmens, während weiche Faktoren, wie zum Beispiel die handelnden Faktoren, ausgeblendet würden. Die vollständige Ausblendung des CEO-Images, der persönlichen Wahrnehmung eines CEOs, sei Voraussetzung dafür, dass die Analysen ein Höchstmaß an Objektivität und Konsistenz aufwiesen. Für die Gruppe der Mitarbeiter scheint der handlungsleitende Einfluss des CEO-Images von der Hierarchieebene abzuhängen. Bei Mitarbeitern niedrigerer Hierarchieebenen erkennen die Experten einen handlungsleitenden Einfluss nur in Krisen- und Veränderungssituationen, in denen die Bedeutung von Personenvertrauen für die Handlungsentscheidung steigt, weil nicht selten der eigene Arbeitsplatz durch das Ausmaß der Veränderung betroffen ist. Führungskräfte würden ihr CEO-Image dagegen eher in ihre Entscheidung einfließen lassen, sich für ein Unternehmen zu entscheiden beziehungsweise zu engagieren. Im Gegensatz zu den übrigen Anspruchsgruppen wird ein handlungsleitender Einfluss des CEO-Images von beinahe allen befragten Experten der Investorengruppe bejaht. Dabei konnte eine notwendige und eine hinreichende Bedingung für die Investitionsentscheidung identifiziert werden. Die notwendige Bedingung stellt die Unternehmensbewertung dar (Branche, Kostenstruktur, Marktanteil, Technologie etc.). Die hinreichende Bedingung ist die CEO-Bewertung; der CEO muss als Akteur mit dem größten Entscheidungsspielraum im Unternehmen das „Potential“ des Unternehmens freisetzen. Im Hinblick auf das zukünftige Potential des Unternehmens spielen die Bewertung der CEO-Eigenschaften sowie das Vertrauen in den CEO eine herausragende Rolle. Es konnte daher gezeigt werden, dass der handlungsleitende Einfluss des CEO-Images ultimativ daran gekoppelt ist, ob die Beziehung zum Unternehmen primär durch eigene Interessen oder die Interessen anderer Akteure bestimmt ist. Bilden die Interessen dritter Akteure den Handlungsrahmen, blenden Stakeholder personenbezogene Bewertungen, die sie als inhärent subjektiv empfinden, bestmöglich aus.

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9. Zusammenfassung und Diskussion

Im Zuge der Experteninterviews wurde deutlich, dass die Wahrnehmungsmuster aller vier Stakeholdergruppen sowohl Merkmale personenbezogener Adressierung als auch personenbezogener Bewertung von Unternehmen aufweisen. Das Ausmaß dieser Bedeutung variiert jedoch in Abhängigkeit von verschiedenen unternehmensspezifischen, stakeholderspezifischen und CEO-spezifischen Merkmalen, die weiter unten noch ausführlich besprochen werden. Auch ein handlungsleitender Charakter von CEO-Images konnte gezeigt werden. Dabei hat sich die erste Dimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung grundsätzlich als hilfreich und anwendbar erwiesen, um die personenbezogene Bewertung als ein zentrales Merkmal personalisierter Stakeholderwahrnehmung und den handlungsleitenden Einfluss von CEO-Images abzubilden. Dennoch ist deutlich geworden, dass mit der bisherigen Darstellung des theoretischen Modells (vgl. Abbildung 13), in der nur eines von drei zentralen Merkmalen personalisierter Stakeholderwahrnehmung abgebildet wurde, personalisierte Stakeholderwahrnehmung nicht erschöpflich beschrieben werden kann. Vielmehr wurde in der bisherigen Version des Modells ein zu großer Fokus auf die personenbezogene Bewertung von Unternehmen gelegt. Aus diesem Grund bietet sich eine Überarbeitung der ersten Teildimension des theoretischen Modells an, die alle drei Merkmale gleichberechtigt nebeneinanderstellt. Das vormalige Modell zur ersten Teildimension behält weiterhin seine Gültigkeit, jedoch vielmehr als detaillierte Beschreibung eines Einzelaspekts personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension. Darüber hinaus hat sich in den Expertengesprächen auch deutlich gezeigt, dass nicht nur die CEO-Images, sondern auch die Images, mit denen weitere Unternehmensrepräsentanten in den Köpfen der Stakeholder repräsentiert sind, einen Einfluss auf die Unternehmenswahrnehmung haben (vgl. Abschnitt 7.1.4.). Die Aussagen der befragten Experten decken sich mit den Erkenntnissen der Personalisierungsforschung, wonach Unternehmen nicht nur über den CEO, sondern auch über andere Personen personalisiert werden können (vgl. Abschnitt 1.1.1.) (vgl. Talanow 2015: 315f., Brettschneider und Vollbracht 2010: 141, Mast 2012a: 237ff.). Dabei lässt sich grundsätzlich festhalten, dass für die verschiedenen Stakeholdergruppen insbesondere diejenigen Akteure einen Einfluss auf die Unternehmenswahrnehmung haben, zu denen die Mitglieder dieser Stakeholdergruppe persönliche Kontakte pflegen. Experten der drei externen Stakeholdergruppen Medienvertreter, Investoren und politische Akteure schreiben darüber hinaus dem Aufsichtsratsvorsitzenden eine zentrale Bedeutung für die Unternehmenswahrnehmung zu. Die externen Stakeholder nehmen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden einen weiteren

9. Zusammenfassung und Diskussion

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Verantwortungsträger wahr, dessen Bedeutung unter Personalisierungsgesichtspunkten aus seiner „Verantwortung“ für das Verhalten des CEOs resultiert. Für die Unternehmenswahrnehmung der internen Anspruchsgruppe der Mitarbeiter scheint der Aufsichtsratsvorsitzende dagegen keine Rolle zu spielen. Während Stakeholder den CEO als Systemverantwortlichen „adressieren“, wenn es um systemrelevante Themen geht, und Fachvorstände adressieren, wenn es um fachliche Themen geht (vgl. Szyszka 2010: 97) (vgl. Abschnitt 3.2.1.), kann die personenbezogene Adressierung von Unternehmen noch um den Aufsichtsratsvorsitzenden als einen weiteren Vertreter einer Führungsrolle im Unternehmen erweitert werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird immer dann von den (externen) Stakeholdern adressiert, wenn sein ultimativer Verantwortungsbereich, die Kontrolle des CEOs, berührt wird. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der ersten Dimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung ist daher zu überlegen, ob neben dem CEO in der zukünftigen Forschung weitere Akteure als bedeutende Imageträger im Modell berücksichtigt werden sollten. Die zweite forschungsleitende Frage dieser Dissertation bezieht sich auf die zweite Personalisierungsdimension. Wie setzen sich CEO-Images von Investoren, Mitarbeitern, Medienvertretern und politischen Akteuren zusammen? Die Frage setzt sich aus zwei Unterfragen zusammen. Welche Eigenschaftsdimensionen und Einzeleigenschaften spielen bei der Wahrnehmung von CEOs durch Investoren, Mitarbeiter, Medienvertreter und politische Akteure eine Rolle? Welche Bedeutung haben rollenferne Eigenschaften bei der Wahrnehmung von CEOs durch Investoren, Mitarbeiter, Medienvertreter und politische Akteure? Die Beantwortung der Forschungsfragen wurde unter Rückgriff auf die zweite Dimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung, in dem die fünf Imagedimensionen Fachkompetenz, Leadership, Integrität, Charisma und persönliche Merkmale repräsentiert sind, genau betrachtet. Die zweite Unterfrage konkretisiert dabei die allgemeine Zusammensetzung von CEO-Images im Hinblick auf die Bedeutung der rollenfernen Eigenschaftsdimensionen Charisma und persönliche Merkmale. In den Interviews wurde deutlich, dass die Experten grundsätzlich allen fünf Imagedimensionen der zweiten Teildimension des theoretischen Modells eine Bedeutung für die Wahrnehmung der eigenen Stakeholdergruppe zusprechen. Die Qualität und Wirkweise der einzelnen Eigenschaftsdimensionen im Prozess der Genese von CEO-Images unterscheidet sich teilweise jedoch stark voneinander. Die Experten unterscheiden zwischen Erfolgsfaktoren, die eine Voraussetzung für

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9. Zusammenfassung und Diskussion

die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle darstellen, und solchen Dimensionen, die zwar hilfreich sein können, aber in den Augen der Experten keine notwendigen Bedingungen für die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle darstellen. Innerhalb der Erfolgsfaktoren existieren des Weiteren Basisdimensionen, die vorausgesetzt und nur dann explizit bewertet werden, wenn ein schwerwiegender Mangel innerhalb der Dimension festgestellt werden kann. Demgegenüber wird den übrigen Erfolgsfaktoren einerseits eine große Bedeutung für die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle zugeschrieben; andererseits werden sie von den Stakeholdern grundsätzlich einer kritischen Bewertung unterzogen. Hinsichtlich der Bedeutung von Fachkompetenz für die CEO-Wahrnehmung stimmen die Experten weitestgehend darin überein, dass diese Dimension als Erfolgsfaktor anzusehen ist. Gleichzeitig weisen die Experten aber darauf hin, dass Fachkompetenz bei der Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs durch seine Stakeholder zunehmend in den Hintergrund rückt. Stakeholder scheinen Fachkompetenz bei einem CEO vorauszusetzen. Stärken in der Fachkompetenz-Dimension werden dem CEO automatisch zugeschrieben, weil sie schwer zu beobachten sind und ihre Bewertung dem Stakeholder einen hohen Input abverlangt (vgl. Lass 1995: 36). Eine explizite Bewertung der Fachkompetenz-Dimension findet daher erst statt, wenn ein signifikanter Mangel an Fachkompetenz feststellbar wird. Diese Dimension scheint daher den Status einer „Basisdimension“ zu haben. Auch die Leadership-Dimension wird stakeholdergruppenübergreifend als Fundament der CEO-Rolle und als zentraler Erfolgsfaktor für ihre Erfüllung angesehen. Ähnlich wie schon für die Fachkompetenz-Dimension sehen die befragten Experten auch Leadership-Qualitäten als eine Grundvoraussetzung für einen Manager, um in Deutschland eine CEO-Rolle zu übernehmen. Allerdings scheinen Leadership-Eigenschaften dem CEO nicht automatisch zugeschrieben zu werden, sondern fließen vielmehr explizit in die Bewertungen von CEOs ein, auch wenn ihre Beobachtung und Bewertung dem Imagesubjekt ebenfalls einen signifikanten Input abverlangen. Dies deutet darauf hin, dass die Leadership-Dimension im Prozess der Imagegenese besonders stark gewichtet wird. Im Hinblick auf die Bedeutung der einzelnen Eigenschaften der Leadership-Dimension beschreiben die Experten eine Eigenschaftskombination, die sich auf motivationale und identifikationsanregende Elemente konzentriert und somit einen transformationellen Charakter aufweist. Die Experten betonen, dass Überzeugungskraft innerhalb der Leadership-Dimension an Bedeutung gewinne, weil ein CEO heutzutage nicht mehr über Anweisung führen könne (vgl. Abschnitt 4.4.2.). Eigenschaften, denen

9. Zusammenfassung und Diskussion

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die Experten in diesem Zusammenhang große Bedeutung zuschreiben, sind neben der Überzeugungskraft unter anderem Vision, Kommunikationstalent, Dialogorientierung sowie Team- und Kompromissfähigkeit. Auch der Integritäts-Dimension wird von den Experten stakeholdergruppenübergreifend eine große Bedeutung für die CEO-Wahrnehmung zugeschrieben. In den Expertengesprächen wird dabei mehrfach betont, dass die Eigenschaften der Integritäts-Dimension von den Stakeholdern einer kritischen Überprüfung unterzogen werden; sie werden, ebenso wie die Leadership-Eigenschaften, nicht notwendigerweise als „gegeben“ vorausgesetzt. Integritätsbezogene Eigenschaften können laut der Experten leichter wahrgenommen und bewertet werden als die rollennahen Imagedimensionen. Die Experten bestätigen damit eine Annahme der Personalisierungsforschung (vgl. u.a. Lass 1995: 35, Brettschneider 2002: 144, Kepplinger et al. 1994: 501) (vgl. Abschnitt 4.1.1.), wonach die Bewertung von hybriden, integritätsbezogenen Eigenschaften der wahrnehmenden Person einen geringeren „Input“ abverlangt. Darüber hinaus betonen die Experten die vertrauensfördernde Wirkung von integritätsbezogenen Eigenschaften (vgl. Abschnitt 4.4.3.). Im Hinblick auf jüngere Ereignisse wie die globale Finanzkrise attestieren die Experten der Wirtschaft eine akute Vertrauenskrise (vgl. Abschnitt 4.1.1.). Da Integrität als Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen angesehen wird, können integre CEOs das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen. Die große Bedeutung integritätsbezogener Merkmale resultiert also unter anderem auch daraus, dass das Vertrauen in die wirtschaftlichen Eliten gesunken ist (vgl. Lass 1995: 37). Insbesondere die Glaubwürdigkeit, die von den Experten als wichtigste Einzeleigenschaft der Integritäts-Dimension identifiziert wurde, scheint dabei eine vertrauensfördernde Wirkung zu entfalten, die auch in der Literatur bereits hervorgehoben wurde (vgl. Alemann 1990: 65, Bentele und Seidenglanz 2015: 412, Janik 2002: 97). Auch Glaubwürdigkeit wurde bereits in verschiedenen empirischen Studien als zentraler Erfolgsfaktor identifiziert (vgl. Abschnitt 4.2.) (u.a. Burson-Marsteller 2001, Trummer 2006, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Schwalbach 2014). Im Gegensatz zu Fachkompetenz, Leadership und Integrität betrachten nur die wenigsten Experten Charisma als zentralen Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle. Bedeutung erlangt Charisma erst im Zusammenhang mit der Leadership-Dimension. So wird von den Experten mehrfach die identifikationsanregende und motivationale Wirkung von Charisma hervorgehoben (vgl. Abschnitt 4.4.4.). In der Stakeholderwahrnehmung können die rollenfernen Eigenschaften der Charisma-Dimension demnach lediglich die Wahrnehmung der

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9. Zusammenfassung und Diskussion

rollennahen Eigenschaften der Leadership-Dimension positiv beeinflussen. In dieser Hinsicht zeigt sich wiederum ein transformationelles Führungsverständnis bei den Experten (vgl. Abschnitt 4.4.2.). Dennoch wird Charisma von den Experten weniger als Voraussetzung für einen erfolgreichen CEO betrachtet, ebenso wie auch in der Führungsforschung bereits betont worden ist, dass ein „Leader“ nicht immer auch charismatisch sein müsse (vgl. Hegele-Raih 2004). Vielmehr scheint Charisma als eine Art Hilfseigenschaft wahrgenommen zu werden, die dem CEO die Erfüllung seiner Rollenanforderungen erleichtert, jedoch für sich genommen kein eigenständiges Qualitätsmerkmal darstellt. Diese reservierte Haltung gegenüber charismatischen Eigenschaften mag unter anderem darin begründet sein, dass charismatische Führung in Deutschland – laut der Experten – keine Tradition habe und deutsche Stakeholder auch solchen Führungspersonen großen Respekt entgegenbringen, die keine nennenswerten Stärken in der Charisma-Dimension haben. Obwohl die Bedeutung von Charisma als „Hilfseigenschaft“ von den Experten durchaus anerkannt wird, stehen deutsche Stakeholder charismatischen Eigenschaften scheinbar inhärent skeptisch gegenüber. Stärken in der Charisma-Dimension werden tendenziell mit Schwächen in der Fachkompetenz-Dimension assoziiert. Einem charismatischen CEO wird schnell unterstellt, dass er durch sein charismatisches Auftreten fachliche Schwächen verstecken möchte. Daher kann vermutet werden, dass Stakeholder, die einen CEO als charismatisch wahrnehmen, seine kompetenzbezogenen Eigenschaften einer kritischen Überprüfung unterziehen werden. Die persönlichen Merkmale werden von vielen Experten als inhärent irrationaler Faktor der Genese von CEO-Images begriffen. Mehrere Experten betonen, dass die persönlichen Merkmale bei der Wahrnehmung und Bewertung von CEOs bewusst ausgeblendet werden – es sei denn, die Stakeholder sehen einen direkten Zusammenhang der persönlichen Merkmale zur Fähigkeit des CEOs, die Anforderungen an die CEO-Rolle zu erfüllen (vgl. Abschnitt 4.4.5.). Die Experten sehen hier ein hohes Manipulationsrisiko, da persönliche Merkmale von den CEOs bewusst zu Inszenierungszwecken eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere für Stakeholder, die als öffentliche Personen selbst Erfahrung mit der Inszenierung von persönlichen Merkmalen in der Selbst- und Fremddarstellung gemacht haben. Aber auch bei anderen Stakeholdern scheint eine grundlegende Skepsis gegenüber den persönlichen Merkmalen zu bestehen. Aus diesem Grund unterziehen Stakeholder die persönlichen Merkmale einem kritischen Authentizitäts-Check. Nur wenn die persönlichen Merkmale als authentisch wahrgenommenen werden, können sie eine positive Wirkung im Prozess der Imagegenese entfalten. Andernfalls wird dem

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CEO Authentizität abgesprochen, was sich in einer negativen Bewertung auf der Integritäts-Dimension niederschlägt. Aus den Expertenaussagen wird außerdem ersichtlich, dass Stakeholder den persönlichen Merkmalen tendenziell erst dann genauere Aufmerksamkeit schenken, wenn sie sichtlich von gesellschaftlich anerkannten Merkmalen, die der stereotypen Vorstellung von einem CEO entsprechen, abweichen. Im Gegensatz zu den übrigen Eigenschaftsdimensionen scheinen die persönlichen Merkmale den Prozess der Genese von CEO-Images also eher indirekt zu beeinflussen. Ihre Bedeutung entfalten die persönlichen Merkmale dabei im Rahmen von impliziten Persönlichkeitstheorien (vgl. Abschnitt 2.3.2.). In den Expertengesprächen wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass die Stakeholder von den persönlichen Merkmalen auf andere Eigenschaften schließen, die in den impliziten Persönlichkeitstheorien der Stakeholder mit den wahrnehmbaren persönlichen Merkmalen verknüpft sind (vgl. Abschnitt 4.4.5.). Die persönlichen Merkmale sind als inhärent deskriptive Kategorien (vgl. Krech et al. 2008: 73) für die Stakeholder leichter wahrnehmbar als die rollennahen und auch die hybriden Eigenschaftsdimensionen. Die Stakeholder schließen also in einem Zuschreibungsprozess von wahrnehmbaren persönlichen Merkmalen auf nicht oder nur schwer wahrnehmbare Eigenschaften anderer Imagedimensionen (vgl. Abschnitt 2.3.2.) (vgl. Szyszka 1992: 105f., Fiske und Taylor 1984). So sind beispielsweise bestimmte Merkmalsausprägungen des „Lebensstils“ mit der Integritäts-Dimension verknüpft. Ein CEO, dessen Lebensstil signifikant von den gesellschaftlich anerkannten Normen abweicht (z.B. Drogenkonsum), wird von dem betreffenden Stakeholder demnach auch auf der Integritäts-Dimension negativ bewertet werden. In diesem Zusammenhang wird außerdem deutlich, dass die persönlichen Merkmale tendenziell zu Anfang einer Beziehung und bei großer Distanz zwischen einem Stakeholder und einem CEO eine Bedeutung haben. Stakeholder, die nie oder nur selten die Gelegenheit haben, Primärerfahrungen mit dem CEO zu machen und den CEO überwiegend medial wahrnehmen, werden sich bei der Bewertung des CEOs langfristig an den persönlichen Merkmalen orientieren. Stakeholder, die Gelegenheiten haben, den CEO persönlich zu treffen, werden die persönlichen Merkmale tendenziell eher zu Beginn der „Beziehung“ zu Referenzzwecken verwenden. Die Existenz von impliziten Persönlichkeitstheorien wird in den Expertengesprächen jedoch nicht nur im Zusammenhang mit den persönlichen Merkmalen deutlich. Auch zwischen den übrigen Eigenschaftsdimensionen scheinen teilweise enge Interdependenzen zu bestehen. So wird unter anderem von charismatischen Eigenschaften auf die Fachkompetenz zurückgeschlossen, und von der Fachkompetenz und dem Charisma auf die Führungsstärke eines CEOs. Dennoch haben die

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persönlichen Merkmale im Rahmen von impliziten Persönlichkeitstheorien in jedem Fall einen Sonderstatus, weil sie von den Stakeholdern leichter beobachtet werden können als die übrigen Eigenschaftsdimensionen. Inwieweit zusätzlich auch Halo-Effekte (vgl. Abschnitt 2.3.2.) im Zusammenhang mit den impliziten Persönlichkeitstheorien der Stakeholder von Bedeutung sind, kann auf Basis der Experteninterviews nicht genau festgestellt werden. Dennoch ist angesichts der identifizierten Interdependenzen vorstellbar, dass sich die Stakeholder bei ihrer Gesamtbewertung von einer subjektiv als besonders wichtig erachteten Eigenschaft leiten lassen (vgl. Fischer und Wiswede 2009: 232, Bierhoff 1986: 4) und die Gesamtwahrnehmung des CEOs somit zur Einheitlichkeit neigt. Welche Eigenschaften dies im Einzelnen sind, ist höchstwahrscheinlich sehr individuell und konnte im Rahmen dieser qualitativen Studie nicht sinnvoll erhoben werden. Dennoch ist anzunehmen, dass stakeholdergruppenübergreifend die wahrgenommene Glaubwürdigkeit eine solche „leitende“ Wirkung im Prozess der Imagegenese entfaltet. Glaubwürdigkeit stellt schließlich eine Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen dar und wurde von den befragten Experten klar als eine der wichtigsten Eigenschaften im Prozess der Imagegenese identifiziert (vgl. Abschnitt 8.2.1.). Nur wenn die Stakeholder einen CEO als glaubwürdig wahrnehmen, sind sie in der Lage, darauf zu vertrauen, dass ihre Wahrnehmung der übrigen CEO-Eigenschaften, die sie teilweise nur schwer einschätzen können, auch zutrifft (vgl. Abschnitt 3.2.1.). Die spezielle Bedeutung von persönlichen Merkmalen kann daher möglicherweise auch damit erklärt werden, dass die Stakeholder diese einer kritischen Authentizitäts-Prüfung unterziehen, um einen Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, ob der CEO grundsätzlich glaubwürdig in seinem Kommunikationsverhalten und seiner Selbstdarstellung ist. Die wahrgenommene Authentizität im Hinblick auf die persönlichen Merkmale wäre damit eine Voraussetzung dafür, dass die Stakeholder den CEO als glaubwürdig einschätzen. Die Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension spiegeln weitestgehend die bisherigen empirischen Erkenntnisse zur Zusammensetzung von CEO-Images wider (vgl. Abschnitt 4.2.). Zwar gestaltet sich die Gewichtung der einzelnen Eigenschaftsdimensionen im Prozess der Imagegenese teilweise individuell, doch konnten verschiedene Tendenzen und Muster im Hinblick auf die Bedeutung der einzelnen Dimensionen identifiziert werden. In Bezug auf die einzelnen Eigenschaftsdimensionen hat sich dabei gezeigt, dass rollennahe und hybride Eigenschaftsdimensionen den größten Einfluss auf die CEO-Wahrnehmung zu haben scheinen. Sowohl Fachkompetenz und Leadership als auch Integrität werden von den Experten als

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Erfolgsfaktoren für die Erfüllung der CEO-Rolle identifiziert. Rollenferne Eigenschaften stellen für sich genommen in den Augen der Stakeholder dagegen scheinbar keine Erfolgsfaktoren dar. Dennoch wurde in den Expertengesprächen sehr deutlich, dass den beiden rollenfernen Eigenschaftsdimensionen eine große Bedeutung zukommt, weil sie jeweils in die rollennahen und hybriden Eigenschaftsdimensionen „einzahlen“ und über diese Einwirkung auf die Wahrnehmung des CEOs in anderen Imagedimensionen einen starken Einfluss entfalten können. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass diese Bedeutung von Charisma und von persönlichen Merkmalen in einer quantitativen Erhebung nicht hätte bestimmt werden können. Erst in einer qualitativen Erhebung konnte die latente Bedeutung der persönlichen Merkmale, ebenso wie die Bedeutung von Charisma als Hilfseigenschaft für die Leadership-Dimension, im Rahmen von impliziten Persönlichkeitstheorien herausgearbeitet werden. In einer quantitativen Untersuchung wäre insbesondere die latente Bedeutung von persönlichen Merkmalen vermutlich unentdeckt geblieben, weil die Experten diese als inhärent irrationalen Faktor bei der CEO-Wahrnehmung betrachten und teilweise versuchen, diese Eigenschaften bei der Bewertung bewusst auszublenden. Dies mag auch erklären, warum die persönlichen Merkmale in bisherigen Studien noch nicht thematisiert worden sind (vgl. Abschnitt 4.2.). Im Hinblick auf die zweite Dimension des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung bleibt schlussendlich Folgendes festzuhalten: Die Experten schreiben allen Eigenschaften, die im Modell dargestellt sind, zumindest eine gewisse Relevanz für die CEO-Wahrnehmung durch ihre jeweilige Stakeholdergruppe zu. Allerdings identifizieren sie verschiedene zusätzliche Eigenschaften, die für die Wahrnehmung von CEOs durch Medienvertreter, Investoren, politische Akteure und Mitarbeiter von Bedeutung und daher in der zweiten Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung zu ergänzen sind. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass zwischen den Eigenschaftsdimensionen Interdependenzen bestehen. Die strikte Zuteilung der Eigenschaften in einzelne Eigenschaftsdimensionen ohne eine Kenntlichmachung der Wechselbeziehungen ist daher nicht zielführend. Abbildung 15 fasst auf Basis dieser Erkenntnisse die überarbeitete zweite Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung zusammen. Sie berücksichtigt die zusätzlichen Eigenschaften und trägt auch den Interdependenzen zwischen den Eigenschaftsdimensionen Rechnung.

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9. Zusammenfassung und Diskussion

• • • • • • • •

Durchsetzungskraft Entscheidungsfreude Organisationstalent Überzeugungskraft Kompromissfähigkeit Dialogorientierung Selfawareness Teamfähigkeit

• • • • • • •

Vision Kommunikationstalent Innnovationsfähigkeit Mut Risikobereitschaft Anpassungsfähigkeit Integrationsfähigkeit

Leadership • • • • • • • •

• • • • • • • • • • •

Kaufmännischer Sachverstand Industriespezifischer Sachverstand Erfahrung Intelligenz Analytik Digitalisierungskompetenz Track-Record Allgemeinwissen

Fachkompetenz

CEO

Integrität

Persönliche Merkmale • • • • • • • • • •

Abbildung 15:

Aussehen Alter Biographie / Werdegang Lebensstil Hobbies Familie / Familienleben Gesundheitszustand Nationalität / kultureller Hintergrund Geschlecht Sexuelle Orientierung

Authentizität Glaubwürdigkeit Geradlinigkeit Vertrauenswürdigkeit Fairness Verantwortungsbewusstsein Ehrlichkeit Verlässlichkeit Demut Bodenständigkeit Respekt

Charisma • • • • • • •

Inspirationskraft Kommunikationstalent Ausstrahlung Selbstbewusstsein Einfühlungsvermögen Rhetorisches Talent Nahbarkeit

Überarbeitetes CEO-Imageprofil

Quelle: Eigene Darstellung

Die dritte und letzte Forschungsfrage zielt darauf ab, mögliche Unterschiede in der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images in Abhängigkeit von der Stakeholdergruppe oder unternehmensspezifischen Merkmalen zu identifizieren. Wie lassen sich Unterschiede in der Wahrnehmung erklären? Die Frage bezieht sich

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sowohl auf die Ergebnisse zur ersten, als auch auf die Ergebnisse zur zweiten Personalisierungsdimension und besteht ebenfalls aus zwei Unterfragen. Welche Einflüsse auf die Wahrnehmung von CEOs gibt es in Abhängigkeit von stakeholderbezogenen Merkmalen? Welche Einflüsse auf die Wahrnehmung von CEOs gibt es in Abhängigkeit von unternehmensbezogenen Merkmalen? Auf Basis der personalisierungstreibenden Faktoren, die in der Personalisierungsforschung ermittelt wurden (vgl. Abschnitt 3.3.1.), konnten in den Experteninterviews verschiedene unternehmensspezifische Merkmale identifiziert werden, die einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung zu haben scheinen. Dabei sticht stakeholdergruppenübergreifend für beide Personalisierungsthesen die Unternehmenssituation als wichtiger Einflussfaktor hervor (vgl. Abschnitt 7.2.3.3.). Im Hinblick auf die erste Personalisierungsdimension steigen sowohl die Bedeutung personenbezogener Verantwortungszuschreibung als auch die Bedeutung von Personenvertrauen in Krisensituationen. Personenbezogene Verantwortungszuschreibung kann dabei auf zwei Ebenen erfolgen: der Verantwortung für die Krise, sowie der Verantwortung für das Management der Krise. Beide Ebenen der Verantwortungszuschreibung wurden in der Personalisierungsforschung bereits thematisiert (vgl. u.a. Eisenegger 2010: 23, Nagel 2013: 199, Hoffmann und Raupp 2006: 463, Eisenegger und Schranz: 2013: 356). Die Verantwortung für das Management der Krise wird dem CEO unabhängig davon zugeschrieben, wer für die Krise verantwortlich ist. Diese Ebene spielt dabei auch in anderen Sondersituationen wie zum Beispiel Transaktionen oder Veränderungssituationen eine Rolle (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Wenn sich in Sondersituationen in einem Unternehmen wichtige Rahmenbedingungen verändern, muss der CEO das Kommando übernehmen, strategische Entscheidungen treffen und vor allem Entschlossenheit demonstrieren. Hier erfolgt also auch eine personenbezogene Verantwortungszuschreibung. Gleichzeitig steigt in jeder Sondersituation die Bedeutung von Personenvertrauen. Mit zunehmender Umweltunsicherheit tendieren Investoren, Medienvertreter, politische Akteure und Mitarbeiter dazu, abstraktes Systemvertrauen in personenbezogenes Vertrauen umzuwandeln. Sofern die Stakeholder ein positives Image vom CEO haben und ihm die Fähigkeiten zuschreiben, die zum Management der Lage erforderlich sind, wird der CEO so zum „Hoffnungsträger“ (Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010: 124) (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Als Hoffnungsträger ist der CEO jedoch mit einer gesteigerten Erwartungshaltung konfrontiert. Die Stakeholder erwarten von ihm, dass er jetzt schneller Ergebnisse liefert als in einer Wachstums- oder Stabilitätsphase. Liefert er nicht, entziehen sie ihm ihr Vertrauen. Hier wird der inhärent instabile Charakter

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der charismatischen Herrschaft nach Weber (1980) deutlich. Der Status des Hoffnungsträgers kann nur solange aufrechterhalten werden, wie die Stakeholder an die überlegenen Fähigkeiten des CEOs glauben (vgl. Abschnitt 4.1.2.). Darüber hinaus rücken in der Stakeholderwahrnehmung bestimmte Eigenschaften des CEOs verstärkt in den Fokus (vgl. Abschnitt 8.5.). Unabhängig von der Art der Krisensituation suchen die Stakeholder gezielt nach vertrauensbildenden Anzeichen. Aus diesem Grund stehen einerseits die integritätsbezogenen und andererseits die persönlichen Merkmale, die wiederum mit zentralen integritätsbezogenen Merkmalen verknüpft sind, unter besonderer Beobachtung. Daraus kann geschlossen werden, dass in Krisensituationen der soziale Personalisierungsmodus an Bedeutung gewinnt (vgl. Eisenegger 2010: 19) (vgl. Abschnitt 4.1.2.). Diese Erkenntnis korrespondiert mit Eiseneggers (2010: 21) Einschätzung, wonach der soziale Personalisierungsmodus im Zusammenhang mit Normverstößen sowie Vertrauenskrisen an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig spielen die Leadership-Eigenschaften eines CEOs in Krisenund Veränderungssituationen eine besondere Rolle. Abhängig von der Art der Krisensituation liegt der Fokus jedoch entweder stärker auf den transaktionalen oder auf den transformationellen Führungs- und den charismatischen Eigenschaften. In einer akuten Krisensituation, in der nicht selten die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht, stehen die transaktionalen Führungseigenschaften, wie zum Beispiel das Durchsetzungsvermögen, im Vordergrund, weil aktives und schnelles Krisenmanagement gefordert ist. Motivationale und identifikationsanregende Eigenschaften im Sinne eines transformationellen Führungsverständnisses haben demgegenüber immer dann eine Bedeutung, wenn aktives Stakeholdermanagement gefordert ist. In diesen Fällen weist die Stakeholderwahrnehmung damit nicht nur Merkmale des normativen, sondern auch Merkmale des expressivcharismatischen Personalisierungsmodus auf (vgl. Eisenegger 2010: 19) (vgl. Abschnitt 4.1.2.). Neben der Unternehmenssituation konnten in den Experteninterviews weitere unternehmensspezifische Merkmale identifiziert werden, die einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension haben. Die Unternehmensgröße kann sich dabei scheinbar in zwei Richtungen personalisierungstreibend auf die Stakeholderwahrnehmung auswirken (vgl. Abschnitt 7.2.3.1.). Einerseits generieren CEOs größerer Unternehmen mehr mediale Aufmerksamkeit, und sind damit für externe Stakeholdergruppen stärker wahrnehmbar. Auf der anderen Seite betonen mehrere Experten, dass die Lebensläufe der Vorstände in kleineren Unternehmen häufig enger mit dem Unternehmen verknüpft seien als in Großkonzernen. Aus diesem Grund nehmen Stakeholder bei

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kleineren Unternehmen scheinbar häufig eine stärkere Kongruenz zwischen dem CEO und dem Unternehmen wahr, was sich ebenfalls personalisierungstreibend auswirken kann. Eine eindeutige Richtung des Zusammenhangs zwischen der Unternehmensgröße und dem Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung kann daher nicht bestimmt werden. Eindeutiger ist der Einfluss des Unternehmensalters auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung (vgl. Abschnitt 7.2.3.1.). Jüngere Unternehmen werden stärker über ihre CEOs wahrgenommen als etablierte Unternehmen. Wenn die Unternehmen noch von ihren Gründern geführt werden, nehmen die Stakeholder hier einerseits eine stärkere Kongruenz zwischen dem CEO und dem Unternehmen wahr. Andererseits haben sich die Unternehmensimages noch nicht vollständig stabilisiert, und der Einfluss des CEO-Images kann daher größer sein. Darüber hinaus besteht in der Anfangsphase der Unternehmensentwicklung häufig große Unsicherheit. Je größer die Unsicherheit ist, desto größer wird die Bedeutung von Personenvertrauen. Auch hier liegt also eine mögliche Erklärung für den höheren Personalisierungsgrad bei jungen Unternehmen. Für Medienvertreter und politische Akteure haben darüber hinaus auch die Branche, das Kundensegment und die Produktbeschaffenheit Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung (vgl. Abschnitt 7.2.3.2.). Es finden sich dagegen keine Indizien für einen entsprechenden Einfluss bei Investoren und bei Mitarbeitern. Sowohl Medienvertreter als auch politische Akteure spiegeln in diesem Zusammenhang weitestgehend die Wahrnehmungsmuster der allgemeinen Öffentlichkeit wider. Für die politischen Akteure stellt die allgemeine Öffentlichkeit die Wahlbevölkerung dar. Für die Medien ist die allgemeine Öffentlichkeit die Zielgruppe der Berichterstattung. Ähnlich wie schon im Zusammenhang mit der Handlungsentscheidung wird hier deutlich, dass der Rahmen der Beziehungen der Medienvertreter und der politischen Akteure zu den Unternehmen und CEOs nicht so sehr das eigene Interesse darstellt, sondern vielmehr die Orientierung an den Interessen der allgemeinen Öffentlichkeit, denen die beiden Gruppen aus jeweils unterschiedlichen Gründen „dienen“. Die Produktbeschaffenheit kann sich auf zwei Arten, die bereits in der Personalisierungsforschung thematisiert worden sind, personalisierungstreibend auswirken (vgl. Abschnitt 3.3.1.). Bei emotionalen und haptischen Konsumentenprodukten, die über ein starkes Produktimage verfügen, kann eine produktnahe Personalisierung in der Stakeholderwahrnehmung stattfinden. Hier wird der CEO mit dem Produkt identifiziert (vgl. Talanow 2015: 221, Brettschneider und Vollbracht 2010: 151). Die produktnahe Personalisierung findet

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sich laut der Experten häufig bei B2C-Unternehmen, die emotionale Konsumentenprodukte herstellen, wie zum Beispiel die Automobilhersteller. Darüber hinaus hat der CEO für die Wahrnehmung von Unternehmen, die wenig haptische Produkte herstellen, eine besondere Bedeutung, weil er das Produktimage als Identifikationsträger ersetzen muss (vgl. Talanow 2015: 251, 308, 316). Dies gilt beispielsweise für B2B-Unternehmen, die wenig emotionale Industrieprodukte herstellen. Einflüsse der Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung werden von den befragten Experten weitestgehend verneint. Dennoch wird der gesamtgesellschaftlichen Relevanz eines Unternehmens ein großer Einfluss auf den Personalisierungsgrad nachgesagt, weil diese Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel präsenter seien und ein großer Teil der Bevölkerung mit ihnen im täglichen Leben in Berührung komme. Aus diesem Grund werden die Unternehmen aus Branchen, die eine gesamtgesellschaftliche Relevanz aufweisen, in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Auch hier findet sich ein Zusammenhang mit dem Kundensegment. So werden B2C-Unternehmen, die Konsumentenprodukte herstellen, mit denen ein großer Teil der allgemeinen Öffentlichkeit im täglichen Leben in Berührung kommt, von den Medien und der Politik stärker wahrgenommen. Der Einfluss von unternehmensspezifischen Merkmalen auf die Bedeutung von CEO-Eigenschaften im Prozess der Imagegenese konnte im Rahmen dieses Forschungsprojektes nur für das Merkmal Unternehmenssituation angerissen werden. Aussagen zur Bedeutung der übrigen unternehmensspezifischen Merkmale für die Zusammensetzung von CEO-Images konnten auf Basis der erhobenen Daten nicht sinnvoll getroffen werden. Diese Zusammenhänge detailliert zu untersuchen, bleibt daher zukünftiger Forschung überlassen. Im Hinblick auf das theoretische Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung bleibt Folgendes festzuhalten: Auch wenn die unternehmensspezifischen Merkmale bereits im Theorieteil dieser Arbeit diskutiert wurden, sind sie in der grafischen Aufbereitung des theoretischen Modells bislang nicht repräsentiert gewesen. Aufgrund der hohen Bedeutung der unternehmensspezifischen Merkmale, die sich im Laufe der verschiedenen Interviews herauskristallisiert hat, ist es sinnvoll, die unternehmensspezifischen Merkmale in das theoretische Modell aufzunehmen. Neben den unternehmensspezifischen Merkmalen wurden für die erste Personalisierungsdimension zwei bedeutende CEO-spezifische Merkmale identifiziert, die einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholder haben (vgl. Abschnitt 7.2.2.). Die Nähe des CEOs zum Unternehmen und das Kommunikations-

9. Zusammenfassung und Diskussion

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verhalten des CEOs. Beide Merkmale sind dabei zurückzuführen auf die persönlichen Eigenschaften des CEOs. Die Nähe des CEOs zum Unternehmen schlägt sich letztendlich in seinem persönlichen und beruflichen Werdegang nieder, der als Teil der „Biographie“ des CEOs Eingang in das überarbeite Teilmodell zur zweiten Personalisierungsdimension gefunden hat (vgl. Abbildung 15). Das „Kommunikationsverhalten“ findet seinen Ursprung wiederum in verschiedenen CEOEigenschaften, wie beispielsweise dem Kommunikationstalent, und weiteren Eigenschaften der Leadership- und Charisma-Dimension. Daher kann festgehalten werden, dass die Wahrnehmung des CEOs auf den verschiedenen Imagedimensionen einen direkten Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension hat. Somit spielen die wahrgenommenen CEO-Eigenschaften nicht nur eine Rolle im Rahmen der wechselseitigen Imagetransfers zwischen CEO- und Unternehmensimage, sondern auch als CEO-spezifische Determinante des Personalisierungsgrades der Stakeholderwahrnehmung. Im theoretischen Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung wurde davon ausgegangen, dass zwischen der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images von Mitgliedern derselben Stakeholdergruppe große Ähnlichkeiten bestehen, während sich die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images von Mitgliedern verschiedener Stakeholdergruppen unterscheidet. Die Ergebnisse aus den Experteninterviews haben jedoch gezeigt, dass die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images scheinbar nur graduell von der Zugehörigkeit zu einer Stakeholdergruppe abhängt. Mitarbeiter weisen – in Abhängigkeit von Hierarchieebenen – zwar insgesamt den geringsten Personalisierungsgrad der CEO-Wahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsthese auf (vgl. Abschnitt 7.2.1.2.). Unter Bedingungen von Unsicherheit gewinnt Personenvertrauen aber auch für ihre Unternehmenswahrnehmung an Bedeutung (vgl. Abschnitt 7.2.3.3.). Darüber hinaus ergeben sich im Hinblick auf den handlungsleitenden Einfluss von CEO-Images einige Unterschiede zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen. Während die Investoren die CEO-Images explizit und bewusst in die Handlungsentscheidung einbeziehen, versuchen politische Akteure und Medienvertreter, die einer normativen und am Gemeinwohl orientierten Handlungslogik folgen, CEO-Images bei der Festlegung der Handlungsentscheidung bewusst auszublenden; eine personenbezogene Bewertung von Unternehmen begreifen sie als inhärent subjektiv. Auch treffen nicht alle unternehmensspezifischen Merkmale, die als Personalisierungstreiber identifiziert wurden, in gleicher Weise auf die verschiedenen Stakeholdergruppen zu, weil sich der

300

9. Zusammenfassung und Diskussion

Rahmen der Stakeholderbeziehungen für die verschiedenen Anspruchsgruppen unterscheidet. Im Hinblick auf die Bedeutung der verschiedenen Eigenschaftsdimensionen konnten insbesondere für die Gruppe der politischen Akteure verschiedene stakeholderspezifische Eigenschaften identifiziert werden, die für andere Stakeholdergruppen keine Rolle zu spielen scheinen. Dies sind innerhalb der persönlichen Merkmale beispielsweise die Diversity-Merkmale. Aber auch die Integrationsfähigkeit – im Hinblick auf die Integration unterschiedlicher Sichtweisen und Erfahrungshorizonte – fällt darunter. Und für die Investoren scheint die Performance des Unternehmens für die CEO-Wahrnehmung – zumindest langfristig – insgesamt von noch größerer Bedeutung zu sein als für die übrigen Stakeholdergruppen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Unterschiede in der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images zwischen Mitgliedern derselben Stakeholdergruppe bestehen, die auf unterschiedliche Vorprägungen als einer wichtigen Quelle von CEO-Images zurückzuführen sind. In den Experteninterviews konnten verschiedene Faktoren identifiziert werden, die diese Unterschiede begründen. So haben bei den Medienvertretern die Publikationsform (Magazin, Tageszeitung, Boulevard) und die thematische Ausrichtung des Mediums (Fachmedium, General Interest-Medium), bei den Investoren die Anlageform (aktiv/passiv), bei politischen Akteuren die politische Ebene (Kommunal-, Landesoder Bundesebene) und bei Mitarbeitern die Hierarchieebene beziehungsweise der Qualifikationsgrad Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Unternehmenswahrnehmung. Für die Bedeutung von CEO-Images scheint die Nähe beziehungsweise Distanz zum CEO einen größeren Einfluss zu haben als die Zugehörigkeit des Imagesubjektes zu einer spezifischen Stakeholdergruppe (vgl. Abschnitt 7.2.1.1.). Aus den Aussagen der Experten ergibt sich für den Prozess der Imagegenese, dass die Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension durch Primärerfahrungen ansteigt. Einerseits wird allgemein die Wahrnehmbarkeit des CEOs durch Primärerfahrungen gesteigert; der CEO wird in der Stakeholderwahrnehmung durch Primärerfahrungen präsenter. Andererseits stellen insbesondere persönliche Primärerfahrungen eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Personenvertrauen dar, weil die wahrgenommene Glaubwürdigkeit eines CEOs – als wichtige Determinante bei der Entstehung von Personenvertrauen – von den Stakeholdern nur durch persönlichen Kontakt bestimmt werden kann. Nicht jedes persönliche Treffen mit dem CEO hat aber die gleiche Wirkung. Aus den Experteninterviews wurden zwei Faktoren herausgefiltert, die über die Qualität des persönlichen Treffens und seinen Einfluss auf den Prozess der

9. Zusammenfassung und Diskussion

301

Imagegenese mitbestimmen: der Grad der Exklusivität des Treffens sowie der Grad der Kontrolle der Kommunikationssituation. Je höher die Exklusivität und je weniger Personen außer dem CEO und dem Stakeholder an dem Treffen beteiligt sind, und je geringer die Kontrolle der Kommunikationssituation, desto größer ist die personalisierungstreibende Wirkung der Primärerfahrung. Die Ursache liegt laut Aussagen der Experten darin, dass sowohl der Grad der Exklusivität, als auch der Grad der Kontrolle der Kommunikationssituation beeinflussen, inwieweit ein Stakeholder bei dem persönlichen Treffen einen authentischen Eindruck vom CEO gewinnen kann. Die Bedeutung von persönlichem Kontakt für die CEOWahrnehmung wurde auch in der bisherigen Personalisierungsforschung bereits betont. So identifizieren die von Sandhu und Zielmann (2010: 226) befragten Kommunikationsverantwortlichen „die persönliche Beziehung beziehungsweise den persönlichen Kontakt zu Analysten und zu Journalisten als wichtigstes Kommunikationsinstrument“. Für Stakeholder niedrigerer Hierarchieebenen oder auch kritisch eingestellte Stakeholder sind Primärerfahrungen – insbesondere persönliche Primärerfahrungen – nur schwer zu erreichen. Weil Primärerfahrungen – insbesondere persönliche Primärerfahrungen – für hochrangige Stakeholder sehr viel häufiger möglich sind, kann daraus geschlossen werden, dass die Unternehmenswahrnehmung von hochrangigen Vertretern der verschiedenen Stakeholdergruppen tendenziell stärker personalisiert ist als der Personalisierungsgrad der Unternehmenswahrnehmung von Stakeholdern, die niedrigeren Hierarchieebenen zuzuordnen sind. Der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung sinkt also mit steigender Asymmetrie der Stakeholderbeziehung. Anders gestaltet es sich für die zweite Personalisierungsdimension. Weil Stakeholder niedrigerer Hierarchieebenen seltener die Gelegenheit zu (persönlichen) Primärerfahrungen mit dem CEO haben, ist anzunehmen, dass sie den CEO verstärkt über solche Merkmale wahrnehmen, die aus größerer Distanz leichter erkennbar sind. Dies gilt insbesondere für die persönlichen Merkmale, die als deskriptive Kategorien (vgl. Krech et al. 2008: 73) in der Stakeholderwahrnehmung mit Eigenschaften aus allen übrigen Dimensionen verknüpft sind. Weil die persönlichen Merkmale auch im Vergleich zu den integritätsbezogenen und den charismatischen Eigenschaften sogar im Rahmen von medialisierten Sekundärerfahrungen einfach wahrnehmbar sind, kommt ihnen insbesondere im Prozess der Genese von CEO-Images von Stakeholdern niedrigerer Hierarchieebenen vermutlich eine größere Rolle zu. Demnach kann angenommen werden, dass die Wahrnehmung von Stakeholdern niedrigerer Hierarchieebenen im Hinblick auf die zweite Personalisierungsdimension stärker personalisiert ist. Der Personalisierungs-

302

9. Zusammenfassung und Diskussion

niedrig

Asymmetrie der Stakeholderbeziehung

hoch

grad im Sinne der zweiten Personalisierungsthese steigt mit steigender Asymmetrie der Stakeholderbeziehung. Abbildung 16 verdeutlicht diesen Zusammenhang.

niedrig

Abbildung 16:

Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung

hoch

Personalisierungsgrad in Abhängigkeit von der Asymmetrie der Stakeholderbeziehung

Quelle: Eigene Darstellung

Auch wenn sich das theoretische Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung über weite Strecken als anwendbar erwiesen hat, wurde im Rahmen der vorangegangenen Analyse an verschiedenen Stellen Verbesserungspotential identifiziert. So wurde einerseits für die erste Personalisierungsdi-

9. Zusammenfassung und Diskussion

303

mension deutlich, dass alle drei Merkmale (personenbezogene Verantwortungszuschreibung, Personenvertrauen, wechselseitige Imagetransfereffekte) von hoher Relevanz für die Beschreibung personalisierter Stakeholderwahrnehmung sind und entsprechend im Modell repräsentiert sein müssen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Unterschiede in der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images weniger stark mit der Zugehörigkeit zu einer Stakeholdergruppe zusammenzuhängen scheinen als ursprünglich angenommen wurde. Auch bilden neben den stakeholderspezifischen Merkmalen unternehmens- und CEO-spezifische Merkmale wichtige Einflussfaktoren für die Stakeholderwahrnehmung, die im Modell ebenfalls repräsentiert sein müssen. Außerdem haben sich Änderungen in Bezug auf die Struktur und Inhalte der zweiten Teildimension des theoretischen Modells ergeben, die bereits weiter oben dargestellt wurden (vgl. Abbildung 15). Abbildung 17 fasst auf Basis dieser Erkenntnisse das überarbeitete theoretische Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung abschließend zusammen.

Abbildung 17:

Quelle: Eigene Darstellung

Merkmale

Einflussfaktoren

• • •

Primärerfahrungen Sekundärerfahrungen Vorprägungen

Stakeholderspezifische Faktoren

Personenbezogene Bewertung von Unternehmen

Personenbezogene CEO als „systemAdressierung von verantwortlicher“ Akteur Unternehmen

• • • • • •

Personenvertrauen in den CEO

Unternehmenssituation Unternehmensalter Unternehmensgröße Branche Kundensegment Produktbeschaffenheit

• • • • •

Persönliche Merkmale

Charisma

Integrität

Fachkompetenz Leadership Integrität Charisma Persönliche Merkmale

CEO-spezifische Faktoren

CEO

Leadership

2. Personalisierungsdimension

Fachkompetenz

Unternehmensspezifische Faktoren

Wechselseitige Imagetransfers CEO UN

1. Personalisierungsdimension

304 9. Zusammenfassung und Diskussion

Überarbeitetes Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung

10. Fazit Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildete eine signifikante Forschungslücke (vgl. Abschnitt 1.1.3.). Während in den vergangenen Jahren zahlreiche theoretisch fundierte Ansätze einen Grundstock empirisch gesicherten Wissens für die Ebenen personalisierter Wirtschaftsberichterstattung und personalisierter Unternehmenskommunikation im deutschen Raum generiert haben, steckt die Forschung zur Ebene personalisierter Stakeholderwahrnehmung noch in den Kinderschuhen (vgl. Abschnitt 1.1.3.). Dieser Zustand ist insbesondere deshalb unbefriedigend, weil sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der praxisorientierten Literatur weitgehend als gegeben vorausgesetzt wird, dass die Stakeholderwahrnehmung den Personalisierungsmustern ebenfalls folgt. An dieser Stelle hat die vorliegende Arbeit angesetzt und sich die Frage gestellt, ob die Wahrnehmung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen tatsächlich durch einschlägige Personalisierungsmerkmale gekennzeichnet ist. Unter Rückgriff auf die beiden Personalisierungsthesen, die Brettschneider (2002) ursprünglich für die Personalisierung des Wählerverhaltens formuliert hat, wurden in den insgesamt 30 Interviews mit hochrangigen Experten für die vier zentralen generischen Stakeholdergruppen Medienvertreter, Investoren, politische Akteure und Mitarbeiter insbesondere zwei Aspekte untersucht: Die Bedeutung von CEO-Images für die Unternehmenswahrnehmung, sowie die Zusammensetzung von CEO-Images. Die Auswertung der Ergebnisse aus den 30 Experteninterviews unter Rückgriff auf das eigenständige Modell zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung, das im theoretischen Teil dieser Dissertation entwickelt wurde, hat gezeigt: Die Unternehmenswahrnehmung von Medienvertretern, Investoren, politischen Akteuren und Mitarbeitern weist zentrale Personalisierungsmerkmale auf. Die Ergebnisse werden im Einzelnen in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Die Bedeutung von CEOs für die Wahrnehmung und Bewertung deutscher börsennotierter Unternehmen durch Medienvertreter, Investoren, politische Akteure und Mitarbeiter manifestiert sich sowohl in einer personenbezogenen Adressierung als auch einer personenbezogenen Bewertung von Unternehmen. Die Unternehmenswahrnehmung der vier Stakeholdergruppen weist damit zentrale Personalisierungsmerkmale im Sinne der ersten Personalisierungsthese auf. Die Bedeutung des CEOs für die Stakeholderwahrnehmung zeigt sich zunächst darin, dass der CEO als „systemverantwortlicher“ Repräsentant des Unternehmens wahr© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1_10

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10. Fazit

genommen und adressiert wird. Als Akteur mit dem größten Entscheidungsspielraum schreiben die Stakeholder dem CEO auch die Verantwortung für alle systemrelevanten Entscheidungen zu, die nicht eindeutig in das Fachressort eines anderen Vorstandsmitglieds fallen. Darüber hinaus verlagern die Stakeholder abstraktes Systemvertrauen auf konkretes, von der Wahrnehmung des CEOs auf den verschiedenen Imagedimensionen abgeleitetes, Personenvertrauen. Das „Vertrauen“ in den CEO gewinnt insbesondere für die Festlegung der Handlungsentscheidung der Stakeholder eine zentrale Bedeutung. In den Expertengesprächen wurde deutlich, dass Personenvertrauen für das Verhalten eines Stakeholders bisweilen von größerer Bedeutung sein kann als abstraktes Organisationsvertrauen. Die Bedeutung von Personenvertrauen für die Festlegung der Handlungsentscheidung steigt dabei mit der Unsicherheit der Entscheidungssituation. Die personenbezogene Bewertung von Unternehmen findet ihren Ausdruck in der wechselseitigen Zuschreibung von Eigenschaften im Rahmen von Imagetransfereffekten zwischen den beiden Imagegrößen „CEO“ und „Unternehmen“ in der Stakeholderwahrnehmung. Das Unternehmensimage als langfristig stabilere Imagegröße stellt dabei den Rahmen dar, in dem CEO-Eigenschaften dem Unternehmen zugeschrieben werden. Im Zuge der wechselseitigen Zuschreibungen entsteht eine Kongruenz zwischen den beiden Imagegrößen; CEO und Unternehmen sind mit ähnlichen Eigenschaften in den Köpfen der Stakeholder repräsentiert. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich Personalisierung auf der Ebene der Stakeholderwahrnehmung nicht nur über den CEO, sondern auch über weitere Unternehmensrepräsentanten manifestiert. Eine besondere Bedeutung für die drei „externen“ Stakeholdergruppen der Medienvertreter, Investoren und politischen Akteure hat dabei der Aufsichtsratsvorsitzende. Während externe Stakeholder den CEO als systemverantwortlichen Repräsentanten „adressieren“, wenn es um systemrelevante Themen geht, und Fachvorstände adressieren, wenn es um fachliche Themen geht, wird der Aufsichtsratsvorsitzende scheinbar immer dann von externen Stakeholdern adressiert, wenn sein ultimativer Verantwortungsbereich durch das (Fehl-)Verhalten des CEOs berührt wird. Für die interne Anspruchsgruppe der Mitarbeiter scheint der Aufsichtsratsvorsitzende dagegen keine Rolle zu spielen. Grundsätzlich scheinen sich die CEO-Images von Medienvertretern, Investoren, politischen Akteuren und Mitarbeitern aus allen fünf Imagedimensionen zusammenzusetzen, die im theoretischen Teil der Dissertation abgeleitet wurden. Dabei bestehen aber zentrale Unterschiede hinsichtlich der Wirkweise von Fach-

10. Fazit

307

kompetenz, Leadership, Integrität, Charisma und persönlichen Merkmalen im Prozess der Imagegenese. Zwar gestaltet sich die Gewichtung der einzelnen Eigenschaftsdimensionen im Prozess der Imagegenese teilweise individuell, dennoch konnten verschiedene Tendenzen und Muster im Hinblick auf die Bedeutung der einzelnen Dimensionen identifiziert werden. So unterscheiden die Experten zwischen Erfolgsfaktoren und Hilfseigenschaften. Dabei hat sich gezeigt, dass die rollennahen Dimensionen Fachkompetenz und Leadership, sowie die hybride Eigenschaftsdimension Integrität, den größten Einfluss auf die CEO-Wahrnehmung zu haben scheinen. Sowohl Fachkompetenz und Leadership als auch Integrität werden von den Experten als Erfolgsfaktoren identifiziert, die eine Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung der CEO-Rolle darstellen. Interessanterweise wird die Fachkompetenz-Dimension – als rollennächste Kategorie – von den Experten zwar als zentraler Erfolgsfaktor wahrgenommen, jedoch nur in den seltensten Fällen einer Überprüfung unterzogen. Fachkompetenz wird dem CEO vielmehr automatisch zugeschrieben und nur dann näher betrachtet, wenn signifikante Schwächen in der Fachkompetenz-Dimension festgestellt werden. Rollenferne Eigenschaften stellen in den Augen der Stakeholder dagegen scheinbar keine eigenständigen Erfolgsfaktoren dar. Dennoch wurde in den Expertengesprächen sehr deutlich, dass den beiden rollenfernen Eigenschaftsdimensionen eine große Bedeutung zukommt, weil sie jeweils auf rollennahe und hybride Eigenschaftsdimensionen „einzahlen“ und somit auf die Wahrnehmung des CEOs in anderen Imagedimensionen wiederum einen starken Einfluss entfalten können. Als Hilfseigenschaften können sie die Wahrnehmung von rollennahen und hybriden Eigenschaftsdimensionen im Prozess der Imagegenese unterstreichen – aber auch konterkarieren. Die charismatischen Eigenschaften haben einen starken motivationalen und identifikationsanregenden Charakter; sie zahlen im Hinblick auf ein transformationelles Führungsverständnis auf die wahrgenommenen Führungsqualitäten des CEOs ein. Dennoch stehen deutsche Medienvertreter, Investoren, politische Akteure und Mitarbeiter Charisma teilweise inhärent skeptisch gegenüber. So führt die Wahrnehmung von charismatischen Eigenschaften zu einer kritischen Überprüfung der Fachkompetenz-Dimension, weil in den Köpfen der Stakeholder Stärken in der Charisma-Dimension tendenziell mit Schwächen in der IntegritätsDimension verknüpft sind. Charismatische Eigenschaften können daher nur dann eine positive Wirkung im Prozess der Imagegenese entfalten, wenn sie mit Eigenschaften der rollennahen Dimensionen Fachkompetenz und Leadership „unterfüttert“ sind. Die persönlichen Merkmale entfalten ihre Wirkung ebenfalls durch ihre Verknüpfung mit anderen Eigenschaften in den impliziten Persönlichkeitstheorien

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10. Fazit

der Stakeholder. Als inhärent deskriptive Kategorien sind die persönlichen Merkmale für die Stakeholder leichter wahrnehmbar als die rollennahen – aber auch als die hybriden – Eigenschaftsdimensionen. In einem Zuschreibungsprozess schließen die Stakeholder von den wahrnehmbaren persönlichen Merkmalen auf Eigenschaften anderer Imagedimensionen, die sie nicht oder nur unter Aufbringung eines hohen Inputs wahrnehmen und bewerten können. Dabei bestehen scheinbar außergewöhnlich enge Verknüpfungen zwischen einzelnen persönlichen Merkmalen und integritätsbezogenen Eigenschaften. Auch wenn die rollennahen Eigenschaftsdimensionen bei der Bewertung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen scheinbar stärker gewichtet werden, konnte dennoch gezeigt werden, dass rollenferne Eigenschaften für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen. Das vorläufige CEO-Persönlichkeitsprofil als Element der zweiten Teildimension des Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung wurde im Rahmen der Experteninterviews einer kritischen Überprüfung unterzogen. Obwohl sich die fünf Imagedimensionen grundsätzlich als brauchbar für die Beschreibung und Analyse der Zusammensetzung von CEO-Images erwiesen haben, wurden in den Expertengesprächen zahlreiche zusätzliche Eigenschaften als Elemente der einzelnen Dimensionen identifiziert, die für die CEOWahrnehmung von Bedeutung zu sein scheinen und die im aktualisierten CEOImageprofil (vgl. Kapitel 9) berücksichtigt wurden. Ob und in welchem Umfang die Bedeutung des CEOs für die Unternehmenswahrnehmung der vier Stakeholdergruppen zum Tragen kommt, hängt auch von unternehmensspezifischen und stakeholderspezifischen Merkmalen ab. Neben der Unternehmensgröße und dem Unternehmensalter, sowie der Branche, dem Kundensegment und der Produktbeschaffenheit, hat sich insbesondere die Unternehmenssituation als relevanter Einflussfaktor auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung erwiesen. So wirken sich Sondersituationen wie zum Beispiel Krisen oder Restrukturierungssituationen ebenso wie große Transaktionen personalisierungstreibend auf die Stakeholderwahrnehmung aus, weil unter steigender Umweltunsicherheit sowohl die Bedeutung von Personenvertrauen als auch personenbezogener Verantwortungszuschreibung für die Unternehmenswahrnehmung steigt. Als oberster Verantwortungsträger rückt der CEO stärker in den Blick, weil die Stakeholder einen „Hoffnungsträger“ benötigen, dem sie das erfolgreiche Management der Sondersituation zutrauen. In Abhängigkeit von der Art der Sondersituation – zum Beispiel in einer Krisensituation – erfolgt die Verantwortungszu-

10. Fazit

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schreibung aber nicht nur auf der Ebene der Verantwortung für das „Management“ der Sondersituation, sondern auch für das „Herbeiführen“ der Sondersituation. Der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung ist somit auch für ein- und dasselbe Unternehmen kein Fixum, sondern kann sich in Abhängigkeit von der Unternehmenssituation im Zeitverlauf dynamisch verändern. Darüber hinaus scheint der Personalisierungsgrad von verschiedenen stakeholderspezifischen Merkmalen abhängig zu sein. Anders als auf Basis des Literaturstudiums zunächst erwartet, ist hier aber weniger die Zugehörigkeit zu einer Stakeholdergruppe von Bedeutung. Es konnten lediglich graduelle stakeholdergruppenspezifische Besonderheiten der CEO-Wahrnehmung ermittelt werden. Ein anderes stakeholderspezifisches Merkmal scheint dagegen einen viel größeren Einfluss auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images zu entfalten. Der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension steigt mit der Möglichkeit an, dem CEO in exklusiven und wenig kontrollierten Kommunikationssituationen persönlich zu begegnen. Weil hochrangige Stakeholder sehr viel häufiger die Möglichkeit zu solchen Primärerfahrungen haben, kann daraus geschlossen werden, dass die Unternehmenswahrnehmung von hochrangigen Vertretern der verschiedenen Stakeholdergruppen tendenziell stärker personalisiert ist als der Personalisierungsgrad der Unternehmenswahrnehmung von Stakeholdern, die niedrigeren Hierarchieebenen zuzuordnen sind. Der Personalisierungsgrad im Sinne der ersten Personalisierungsthese ist in asymmetrischen Stakeholderbeziehungen niedriger als in symmetrischen. Anders gestaltet sich der Zusammenhang für die zweite Personalisierungsdimension. Weil Stakeholder niedrigerer Hierarchieebenen tendenziell seltener die Gelegenheit haben, den CEO persönlich zu treffen, ist anzunehmen, dass sie den CEO verstärkt über solche Merkmale bewerten, die aus größerer Distanz leichter wahrnehmbar sind. Dies gilt insbesondere für die persönlichen Merkmale, die als deskriptive Kategorien in der Stakeholderwahrnehmung mit Eigenschaften aus allen übrigen Dimensionen verknüpft sind. Weil die persönlichen Merkmale auch im Vergleich zu den hybriden, integritätsbezogenen Eigenschaften und den charismatischen Eigenschaften sogar im Rahmen von medialisierten Sekundärerfahrungen wahrnehmbar sind, kommt ihnen insbesondere im Prozess der Genese von CEO-Images von Stakeholdern niedrigerer Hierarchieebenen vermutlich eine größere Rolle zu. Demnach kann angenommen werden, dass die Wahrnehmung von Stakeholdern niedrigerer Hierarchieebenen im Hinblick auf die zweite Personalisierungsdimension stärker personalisiert ist als die Wahrnehmung von Stakeholdern höherer Hierarchieebenen, die mehr Gelegenheit haben, die schwerer wahrnehmbaren rollennahen Dimensionen

310

10. Fazit

direkt zu evaluieren. Der Personalisierungsgrad im Sinne der zweiten Personalisierungsdimension ist in asymmetrischen Stakeholderbeziehungen somit höher als in symmetrischen. Die Personalisierungsforschung hat sich für die deutsche Wirtschaft bislang weitestgehend auf die Ebene der Wirtschaftsberichterstattung (u.a. Brettschneider und Vollbracht 2010, Mast 2012a, Talanow 2015, Eisenegger und Konieczny-Wössner 2010) und die Ebene der Unternehmenskommunikation (u.a. Talanow 2015, Freda 2014, Nagel 2013, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Egon Zehnder International 2010) konzentriert. Die Ebene personalisierter Stakeholderwahrnehmung wurde dagegen nur am Rande in wissenschaftlichen Studien aufgegriffen, die auf der Ebene der Unternehmenskommunikation angesetzt und die Perspektive von Kommunikationsverantwortlichen auf das Personalisierungsphänomen eingefangen haben (u.a. Sandhu und Zielmann 2010, Egon Zehnder International 2010, FU Berlin 2005, Nagel 2013, Institut für Demoskopie Allensbach 2005). Nur vereinzelt haben praxisorientierte Ansätze die Perspektive der Stakeholder aufgegriffen. Diese wenigen Studien setzen sich allesamt quantitativ mit der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images auseinander. Für die erste Personalisierungsdimension wurden bislang ausschließlich grobe prozentuale Schätzungen des Anteils des CEO-Images am Unternehmensimage bestimmt (u.a. Burson-Marsteller 1997, 2001, Weber Shandwick 2012b, 2015, Hill und Knowlton 2008, FTI Consulting 2012). Auf qualitative Aspekte der Bedeutung von CEOs für die Unternehmenswahrnehmung ist bislang noch nicht eingegangen worden. Für die zweite Personalisierungsdimension ist die Forschungslücke ähnlich gravierend. Imagemessungen anhand amtierender CEOs zeigen zwar einen Ist-Zustand realer CEO-Images, deren Veränderung im Zeitablauf verglichen werden kann (u.a. Burson-Marsteller 1997, 2001, Hill und Knowlton 2008, Weber Shandwick 2015, FTI Consulting 2012, Trummer 2006, Institut für Demoskopie Allensbach 2005, Gesellschaft für Wirtschaftsforschung Dr. Doeblin 2014, Schwalbach 2014, Zerfaß et al. 2013). Jedoch ermöglicht es keiner dieser Ansätze, einen Vergleich zu einem Soll-Zustand herzustellen (vgl. Voeth et al. 2014). Über die Bedeutung einzelner Eigenschaften und Eigenschaftsdimensionen für die Wahrnehmung und Bewertung von CEOs deutscher börsennotierter Unternehmen durch die Stakeholder ist daher bislang fast nichts bekannt. Die vorliegende Arbeit ist der erste bekannte Versuch, die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images qualitativ aus der Perspektive der Stakeholder zu untersuchen. Sie ist ein notwendiger erster Schritt, um ein grundlegendes Verständ-

10. Fazit

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nis der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images unter den Rahmenbedingungen zunehmender Personalisierung zu generieren. Das Forschungsdefizit für die Ebene personalisierter Stakeholderwahrnehmung ist im Rahmen dieser Arbeit adressiert und somit abgemildert worden. Von einem theoretischen Standpunkt aus ist diese Arbeit deshalb von hoher Relevanz, weil sie die beiden Personalisierungsthesen von Brettschneider (2002) systematisch von der Politik auf die Wirtschaft übertragen und somit einen theoretischen Rahmen definiert hat, in dem personalisierte Stakeholderwahrnehmung beschrieben und analysiert werden kann. Durch den Rückbezug zu den anderen beiden Personalisierungsebenen und die Verknüpfung der beiden Personalisierungsdimension mit verschiedenen anderen Konzepten, die im Rahmen der Personalisierungsforschung aufgegriffen beziehungsweise entwickelt wurden (u.a. Lass 1999, Eisenegger 2010), ist außerdem die Anschlussfähigkeit an die wissenschaftliche Forschung gewährleistet worden (vgl. Talanow 2015). Mit der personenbezogenen Adressierung und der personenbezogenen Bewertung (vgl. Szyszka 2010) wurden darüber hinaus zwei zentrale Elemente personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Sinne der ersten Personalisierungsdimension definiert, die sich, auf drei Merkmale heruntergebrochen (personenbezogene Verantwortungszuschreibung, Personenvertrauen, Imagetransfereffekte), für die Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung als anwendbar erwiesen haben. Im Hinblick auf die zweite Personalisierungsdimension konnte ein CEOImageprofil abgeleitet werden, welches die CEO-Wahrnehmung von deutschen Medienvertretern, Investoren, politischen Akteuren und Mitarbeitern widerspiegelt. Die Durchführung einer qualitativen Vorstudie ist beispielsweise in der Reputationsforschung ein zentraler Schritt bei der Entwicklung von formativen Reputationsindices. In qualitativen Vorstudien wird zunächst die gesamte Bandbreite an möglichen Einzeleigenschaften, die zur Bewertung des Imageobjektes herangezogen werden, erhoben, bevor der finale Reputationsindex durch Faktoranalysen aus den Indikatoren der Vorstudien abgeleitet wird (vgl. u.a. Helm 2005). In diesem Sinne kann die vorliegende Dissertation als qualitative Vorstudie für zukünftige quantitative Forschungen zur Zusammensetzung von CEO-Images dienen. Zukünftige Studien können das überarbeitete CEO-Imageprofil (vgl. Kapitel 9) nun quantitativ überprüfen und zu einem theoretisch fundierten Instrument für die Messung von CEO-Images weiterentwickeln. Im Hinblick auf die vorherrschende Kritik an den bisherigen praxisorientierten Ansätzen, die ein theoretisches Fundament weitgehend vermissen lassen und die Ableitung von Imagedimensionen eher auf Basis von

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10. Fazit

Erfahrungen aus der Beratungspraxis vornehmen, hat die vorliegende Studie damit einen zentralen kritischen Punkt der bisherigen Forschung zur Zusammensetzung von CEO-Images adressiert. Darüber hinaus hat die vorliegende Studie durch ihren Rückgriff auf die Erkenntnisse der Wahlforschung zur Zusammensetzung von Kandidatenimages, die als Grundlage für die Ableitung der fünf Imagedimensionen im theoretischen Teil herangezogen wurden, die Forderung von Eisenegger und Schranz (2013: 357) nach einer größeren „Umweltoffenheit (...) für benachbarte Disziplinen“ erfüllt. So konnte erneut gezeigt werden, dass die Erkenntnisse der Forschung zu Kandidatenimages auch für die Erforschung von CEO-Images nutzbringend eingesetzt werden können. Von einem praktischen Standpunkt aus betrachtet sind die Ergebnisse dieser Arbeit für die Unternehmenskommunikation von großer Relevanz. Die vorliegende Studie kann Kommunikationsverantwortlichen erste Anhaltspunkte zum Wahrnehmungsverhalten von Medienvertretern, Investoren, politischen Akteuren und Mitarbeitern als zentralen internen und externen Zielgruppen der CEOKommunikation bieten. So können beispielsweise die Erkenntnisse zur positiven Wirkung von Primärerfahrungen mit dem CEO bei der Planung von Kommunikationsmaßnahmen Berücksichtigung finden. Ebenso können sich die Erkenntnisse zu den Unterschieden im Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung in Abhängigkeit von unternehmensspezifischen Merkmalen als hilfreich für das Kommunikationsmanagement erweisen. Insbesondere kann jedoch das gesammelte Wissen um die Bedeutung und Wirkweise einzelner Imagedimensionen eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche CEO-Kommunikation bilden. Für eine gezielte Selbstdarstellung des CEOs in der Kommunikation mit verschiedenen Anspruchsgruppen ist eine genaue Kenntnis der Wirkung verschiedener Imagedimensionen unerlässlich. Zukünftige Forschung kann daher die CEO-Kommunikation verschiedener Unternehmen im Hinblick auf die Ergebnisse dieser Dissertation analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen formulieren. Wie bei jedem Forschungsprojekt ist jedoch die Aussagekraft auch dieser Studie begrenzt. Die Ergebnisse besitzen vor allem Gültigkeit für diejenigen Stakeholdergruppen, die in der Studie betrachtet worden sind. Generalisierungen auf andere Stakeholdergruppen können nicht ohne weiteres vorgenommen werden. Sie sind vor allem für solche Stakeholdergruppen möglich, die den untersuchten Stakeholdergruppen beziehungsweise deren Kontexten sehr ähnlich sind (vgl. Talanow 2015: 329) (vgl. Abschnitt 6.1.2.). Beispielsweise kann angenommen werden, dass die identifizierten Einflüsse der Nähe/Distanz-Dimension auch auf andere Stake-

10. Fazit

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holdergruppen übertragbar sind. Durch ihren qualitativen Charakter konnte die vorliegende Studie außerdem keine statistisch repräsentativen Ergebnisse generieren (vgl. u.a. Brosius et al. 2008). Einerseits wurden insgesamt nur 30 Fälle untersucht; andererseits war die Fallauswahl nicht repräsentativ im Sinne der Grundgesamtheit. Aussagen über Häufigkeitsverteilungen von Merkmalen innerhalb einer Stakeholdergruppe oder stakeholdergruppenübergreifend konnten daher nicht getroffen werden (vgl. Meyen et al. 2011: 44). Wenn die vorliegende Studie im Sinne einer qualitativen Vorstudie verstanden wird, können zukünftige Forschungsprojekte die Erkenntnisse dieser Arbeit als Basis für eine quantitative Untersuchung der Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images nutzen. Eine quantitative Studie würde es im Rahmen von Faktoranalysen darüber hinaus erlauben, die Zugehörigkeit der einzelnen Eigenschaften zu den Eigenschaftsdimensionen zu untersuchen. Gleiches gilt für die Interdependenzen zwischen einzelnen Eigenschaften und Eigenschaftsdimensionen im Zusammenhang mit impliziten Persönlichkeitstheorien der Stakeholder im Rahmen von Faktoranalysen, wie dies im Zusammenhang mit Reputationsindices für die Unternehmensreputation bereits praktiziert wird (vgl. u.a. Helm 2005). Darüber hinaus können in quantitativen Studien Rückschlüsse auf die Verteilung von Merkmalen in den verschiedenen Grundgesamtheiten gezogen werden. Als erste qualitative Studie hat diese Arbeit eine große Anzahl verschiedener Aspekte im Zusammenhang mit personalisierter Stakeholderwahrnehmung untersucht. Dadurch ist die detaillierte Betrachtung einzelner Aspekte teilweise zu kurz gekommen. Beispielsweise war es nicht möglich, den Einfluss von unternehmensspezifischen Merkmalen auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Detail zu analysieren. Die Ergebnisse in Bezug auf die unternehmensspezifischen Einflussfaktoren auf den Personalisierungsgrad können demnach lediglich als vorläufige Indizien betrachtet werden. Ein detaillierter Blick auf die unternehmensspezifischen Merkmale kann einen lohnenswerten Ansatzpunkt für eine zukünftige Studie darstellen. Eine entsprechende Untersuchung kann beispielsweise in Form von Fallstudien vorgenommen werden, bei denen die CEOWahrnehmung von Stakeholdern einer kleinen Anzahl von Unternehmen mit unterschiedlichen Merkmalen kontrastierend analysiert würde. Außerdem wurde in den Experteninterviews an verschiedenen Stellen deutlich, dass die Stakeholderwahrnehmung nicht nur über den CEO personalisiert sein kann, sondern auch über andere Akteure im Unternehmen. Dieser Zusammenhang ist bereits in früheren Ansätzen der Personalisierungsforschung thematisiert worden (vgl. u.a. Talanow 2015, Brettschneider und Vollbracht 2010, Mast 2012a). Im Rahmen dieses For-

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10. Fazit

schungsprojekts konnte dieser Teilaspekt nicht detailliert betrachtet werden. Personalisierung über weitere Akteure im Unternehmen bietet aber einen spannenden Ansatzpunkt für ein zukünftiges Forschungsprojekt. Zukünftige Forschung könnte beispielsweise die Anwendbarkeit des theoretischen Modells zur Beschreibung und Analyse personalisierter Stakeholderwahrnehmung auf die Wahrnehmung weiterer zentraler Akteure im Unternehmen, wie zum Beispiel dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder verschiedener Fachvorstände, überprüfen und das Modell somit auf weitere zentrale Akteure im Unternehmen übertragen. Außerdem wäre eine vergleichende Analyse personalisierter Wahrnehmung verschiedener Akteure denkbar. Auf diese Weise könnte die Frage geklärt werden, ob die im Rahmen dieser Arbeit identifizierten Merkmale personalisierter Stakeholderwahrnehmung CEOspezifisch oder auch auf personalisierte Wahrnehmung weiterer Akteure anwendbar sind. In diesem Zusammenhang wäre es besonders lohnenswert, einen genaueren Blick auf das Verhältnis zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem CEO in der Stakeholderwahrnehmung zu werfen. Die von den Experten identifizierte Bedeutungssteigerung des Aufsichtsratsvorsitzenden kann – zumindest längerfristig – einen Einfluss auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images nehmen, je dominanter der Aufsichtsratsvorsitzende in der CEO-Wahrnehmung wird. Ein lohnender Ansatzpunkt für ein zukünftiges Forschungsprojekt wäre beispielsweise, der Frage nachzugehen, inwieweit der CEO noch als „systemverantwortlicher“ Akteur wahrgenommen wird, wenn die Bedeutung des Aufsichtsratsvorsitzenden, der die Verantwortung für das (Fehl-)Verhalten des CEOs trägt, in der Stakeholderwahrnehmung steigt. Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Ansätze für Querschnittanalysen denkbar. Dies gilt beispielsweise für eine detailliertere Analyse stakeholderspezifischer Unterschiede. Hier sind sogar zwei Perspektiven denkbar. Einerseits erscheint ein detaillierter Blick auf diejenigen Faktoren lohnenswert, die Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung von CEOs zwischen Mitgliedern derselben Stakeholdergruppe bedingen. Ein Ziel zukünftiger Forschungsprojekte kann es daher sein, alle in diesem Zusammenhang relevanten Merkmale zu identifizieren. Im Rahmen dieser Dissertation konnten diese Merkmale im Rahmen der Vorprägungen als eine der drei Quellen von CEO-Images lediglich am Rande thematisiert, nicht aber erschöpfend untersucht werden. Andererseits können zukünftige Forschungsprojekte weitere Stakeholdergruppen hinsichtlich ihres Wahrnehmungsverhaltens untersuchen. Dies kann im Rahmen einer weiteren qualitativen Studie erfolgen, bei der die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images anderer Stakeholdergruppen, wie beispielsweise Kunden oder Geschäftspartner, unter Rückgriff auf das

10. Fazit

315

dieser Arbeit zugrundeliegende theoretische Modell untersucht wird. Auf diese Weise könnte das Modell gegebenenfalls weiter ausdifferenziert werden, um die Anwendbarkeit für die Beschreibung und Analyse weiterer Stakeholdergruppen zu gewährleisten. Auch wurde in der vorliegenden Studie nur nach der Wahrnehmung von CEOs börsennotierter deutscher Unternehmen gefragt. Ein interessantes Feld für die zukünftige Forschung ist daher die Wahrnehmung von CEOs nicht-börsennotierter Unternehmen. Auch eine vergleichende Analyse der Wahrnehmung von CEOs börsennotierter und nicht-börsennotierter Unternehmen ist denkbar. In ähnlicher Form kann eine vergleichende Analyse zwischen der Wahrnehmung von „angestellten Managern“ und „Gründern“ beziehungsweise „Unternehmern“ aus der Stakeholderperspektive durchgeführt werden; schließlich wurde in der vorliegenden Studie von den Experten an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass sich die Wahrnehmung von CEOs managergeführter und „gründergeführter“ Unternehmen stark unterscheidet. Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Querschnittanalyse ist eine länderübergreifende Vergleichsstudie zur Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images. Auf diese Weise könnte beispielsweise ermittelt werden, ob kulturelle Faktoren einen Einfluss auf den Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung im Sinne der beiden Personalisierungsthesen haben. Im Hinblick auf die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation wäre es beispielsweise interessant zu erfahren, ob auch in anderen Kulturkreisen eine ähnlich kritische Haltung gegenüber charismatischer Führung besteht, oder ob die inhärente Skepsis gegenüber charismatischen Eigenschaften eine deutsche Besonderheit ist. Besonders interessant wäre in diesem Zusammenhang ein Vergleich zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, wo charismatische Führung – auch in der Politik – eine lange Tradition hat. Langfristig bietet eine Längsschnittanalyse, die sich mit der Entwicklung personalisierter Stakeholderwahrnehmung im Zeitverlauf auseinandersetzt, einen weiteren lohnenswerten Forschungsansatz. Auf diese Weise können beispielsweise „wiederkehrende Muster der Personalisierungsdynamik und ihrer Effekte“ (Eisenegger und Schranz 2013: 358) analysiert werden. Entsprechende Studien wurden für Kandidatenimages bereits durchgeführt (vgl. u.a. Brettschneider 2002). Für den gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft gestaltet sich eine solche Studie aufgrund der Datenlage allerdings schwieriger. Anders als in der Wahlforschung stehen die benötigten historischen Daten nicht ohne weiteres zur Verfügung. Vielmehr müsste eine entsprechende Studie diese Daten im Zeitverlauf selbst generieren. Ein

316

10. Fazit

solcher Ansatz wäre entsprechend zeitaufwendig und würde sich möglicherweise über viele Jahre erstrecken.

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Anhang I. Interviewleitfaden X. Hauptaspekt • Hauptfrage [!] o Unterfrage 1 o Unterfrage 2; [!] = besonders wichtiger Punkt (falls Zeitnot auftritt) 1. Wahrnehmung des Personalisierungsphänomens • Sind Sie mit dem Begriff der Personalisierung vertraut? [!] o Was verstehen Sie unter Personalisierung? [!] (Ziel: Gemeinsames Verständnis von Personalisierung als Basis des Interviews erlangen) • Nehmen Sie eine Tendenz zur Personalisierung der Wahrnehmung von ..........wahr? [!] (Ziel: Verständnis überprüfen und erste Einschätzung zur Personalisierung der Stakeholderwahrnehmung erheben) 2. Stakeholderspezifische Einflüsse auf den Personalisierungsgrad • Wie würden Sie die Funktion eines CEOs in Ihren eigenen Worten beschreiben? [!] (Nur bei Vertretern der Anspruchsgruppe, nicht bei Kommunikationsexperten, erheben) • Was erwarten ............ von einem CEO? [!] (Ziel: Erwartungen an den CEO erheben und Personalisierungsgrad einschätzen) o Richten ............ heute andere Erwartungen an CEOs, als noch vor 10 Jahren? (Ziel: Entwicklung des Personalisierungsgrades erheben) o Welche Kanäle bevorzugen .......... für die Kommunikation mit dem CEO? [!] (Ziel: Bedeutung von Primär- gegenüber. Sekundärerfahrungen erheben) o Welche Bedeutung haben verschiedene mediale Formate für .......... als Informationsquelle über den CEO?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Caspers, Vorstandsvorsitzende aus der Sicht ihrer Stakeholder, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26177-1

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Anhang

o Welche Bedeutung hat Bewegtbild (Video) als Informationsquelle über den CEO für ..........? o Welche Rolle spielen Dritte (welche Akteure?) als Informationsquelle über den CEO? o Welche Bedeutung hat der persönliche Kontakt mit CEOs für ............? [!] 3. Bedeutung von CEOs für die Wahrnehmung und das Verhalten der Stakeholder • In der letzten Zeit wird verstärkt diskutiert, dass der CEO einen zunehmenden Einfluss auf das Ansehen seines Unternehmens hat. Was glauben Sie, welche Bedeutung hat der CEO speziell für die Wahrnehmung des Unternehmens durch ............? [!] • Wie sieht es mit dem umgekehrten Zusammenhang aus: Welche Bedeutung hat das Unternehmen für die Wahrnehmung des CEOs durch ............? [!] (Ziel: Wechselwirkungen zwischen den Images verstehen) • Was glauben Sie: Was hat größeren Einfluss auf das Verhalten von ............ gegenüber dem Unternehmen, das CEO-Image oder das Unternehmensimage? [!] o Unter welchen Umständen hat die Wahrnehmung des CEOs einen besonderen Einfluss auf das Stakeholderverhalten? o Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen gerät in eine Krisensituation: Denken Sie, es ist wahrscheinlicher, dass ............ dem Unternehmen einen Vertrauensvorschuss gewähren, wenn sie ein positives Bild vom Vorstandsvorsitzenden haben? • Was glauben Sie: Für welche Anspruchsgruppe eines Unternehmens ist der CEO am bedeutsamsten und woran liegt das? [!] (Ziel: Einschätzung der stakeholderspezifischen Unterschiede erheben sowie Selbst- und Fremdeinschätzungen vergleichen) 4. Zusammensetzung von CEO-Images • Als Vertreter der ............ / als Experte für ............: Was, glauben Sie, sind die wichtigsten Eigenschaften eines CEOs? [!] (Ziel: Eigenschaften des CEO-Prototypen erheben) o Existiert für ............ so etwas wie eine Idealvorstellung von einem CEO? o Gibt es einen CEO, der diesem Ideal (annähernd) entspricht?

I. Interviewleitfaden

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o Wenn Sie an die deutschen börsennotierten Unternehmen denken: Welche CEOs sind unter ............ besonders angesehen und woran liegt das? o Was gefällt den ............ an ............? o Wenn Sie an die deutschen börsennotierten Unternehmen denken: Welche CEOs sind unter ............ besonders schlecht angesehen und woran liegt das? o Was gefällt den ............ nicht an ............? o Wenn Sie an ............ denken: Welche Eigenschaften kommen Ihnen spontan in den Sinn? Übersicht zur zweiten Personalisierungsthese zeigen und erklären • Wenn Sie sich das vorliegende Modell ansehen: Was fällt Ihnen an Inhalt und Struktur auf? [!] (Ziel: Modellüberprüfung) o Wenn Sie sich die Gruppierung von Eigenschaften zu übergeordneten Eigenschaftsdimensionen in dem vorliegenden Modell ansehen: Finden Sie die Anordnung gelungen oder würden Sie Änderungen vornehmen? [!] o Fehlen Eigenschaften beziehungsweise Eigenschaftsdimensionen, die eine Bedeutung für die Wahrnehmung des CEOs durch ............ haben? [!] o Sind Eigenschaften beziehungsweise Eigenschaftsdimensionen aufgeführt, die Ihrer Meinung nach keine Bedeutung für die Wahrnehmung des CEOs durch ............ haben? [!] o Wenn Sie jetzt wieder an die Stakeholdergruppe der ............ denken: Welche Eigenschaftsdimensionen und/oder Einzeleigenschaften sind für Ihre Wahrnehmung des CEOs besonders wichtig, welche weniger wichtig? Können Sie eine entsprechende Priorisierung vornehmen? [!] (Ziel: Gewichtung von Eigenschaftsdimensionen bei der Zusammensetzung von CEO-Images erheben) o In den Interviews wurde häufiger die Bedeutung der Leistung eines CEOs für seine Bewertung durch verschiedene Stakeholder betont. Was glauben Sie, welche Bedeutung hat die Leistung eines CEOs für seine Wahrnehmung durch ............ ? [!] o Wie lässt sich die Leistung eines CEOs messen?

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Anhang

5. Bedeutung von rollenfernen Eigenschaften • Welche Bedeutung hat Fachkompetenz für die Wahrnehmung eines CEOs durch ............? • Welche Bedeutung hat Leadership für die Wahrnehmung eines CEOs durch ............? (Nur erheben, wenn nicht vorher schon Aussagen zu den rollennahen Eigenschaften gemacht wurden) • Welche Bedeutung haben persönliche Merkmale für die Wahrnehmung eines CEOs durch ............? [!] o Was halten ............ von CEOs, die persönliche Merkmale für die mediale Inszenierung nutzen? o Was halten ............ von CEOs, die häufig in den Boulevardmedien auftauchen? • Welche Bedeutung hat Charisma für die Wahrnehmung eines CEOs durch ............? [!] • Welche Bedeutung hat Integrität für die Wahrnehmung eines CEOs durch ............? [!] o Welche Bedeutung haben Authentizität und Glaubwürdigkeit für die Wahrnehmung eines CEOs durch ............? o Wie kann ein CEO den ............ beweisen, dass er authentisch und glaubwürdig ist? 6. Unternehmensspezifische Einflüsse auf den Personalisierungsgrad • Existieren Unterschiede im Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung zwischen verschiedenen Unternehmen? [!] o Ist der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung abhängig von der Situation, in der sich das Unternehmen befindet? Wenn ja, worin liegen die Unterschiede begründet? [!] o Welches Persönlichkeitsprofil sollte ein CEO mitbringen, der ein Unternehmen führt, das gerade in einer Krise/Restrukturierung/Sondersituation steckt? o Ist der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung abhängig von Branchen oder auch Kundensegmenten (B2B/B2C)? Wenn ja, worin liegen die Unterschiede begründet? [!] o Welches Persönlichkeitsprofil sollte ein CEO mitbringen, der ein B2B/B2C-Unternehmen/ein Unternehmen der Branche XY führt?

I. Interviewleitfaden

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o Ist der Personalisierungsgrad der Stakeholderwahrnehmung abhängig von der jeweiligen CEO-Persönlichkeit? 7. Einschätzung zur zukünftigen Entwicklung des Personalisierungsphänomens • Wird die Wahrnehmung des Unternehmens durch ............ in Zukunft (noch) stärker durch den CEO geprägt werden? [!] o Wird rollenfernen Eigenschaften (Charisma, Integrität, persönliche Merkmale) bei der Bewertung des CEOs durch ............ in Zukunft größere Bedeutung zukommen? o Werden sich die Anforderungen an die CEO-Persönlichkeit in Zukunft ändern? o Welche neuen Herausforderungen kommen Ihrer Meinung nach in Zukunft auf CEOs zu? 8. Schluss • Wir sind mit dem Interview hier am Ende. Möchten Sie ansonsten noch etwas zu diesem Thema erzählen, dass Ihnen wichtig ist und bisher noch nicht angesprochen wurde? [!]

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Anhang

II. Regelsystem zur Transkription Layout: Zeilenabstand: 1, Schriftart: Times New Roman, Schriftgröße: 10, Seitenränder: oben, links, rechts – 2,5 cm; unten – 2 cm, Kopfzeile siehe Beispiel Regeln für die Transkription: Bei der Transkription der Experteninterviews wird dem „Plädoyer für normales Schriftdeutsch“ gefolgt. • Bitte vollständig und wörtlich transkribieren, nicht jedoch lautsprachlich. • Phasen parasprachlicher Äußerungen werden zu normalem Schriftdeutsch gekürzt. • Wortwiederholungen werden gestrichen, Versprecher korrigiert und unvollständige Wörter beziehungsweise Sätze ergänzt, sofern der Fortgang des Wortes/Satzes eindeutig erkennbar ist. Andere Unvollständigkeiten, die nicht eindeutig aus dem Sinnzusammenhang ergänzt werden können, werden belassen. • Der Inhalt steht im Vordergrund; „äh“ und andere Fülllaute können weggelassen werden, es sei denn, sie sind zum Verständnis des Inhaltes notwendig (Beispiel: „mmhh (zustimmend)“) • Dialektfärbungen werden eingedeutscht (zerscht = zuerst; miaßn = müssen). Echte Dialektausdrücke jedoch bleiben erhalten und werden nach Gehör geschrieben. • Bloße Rezeptions- und Verständnissignale des jeweils nicht sprechenden Interviewpartners werden nicht transkribiert. • Pausen oder Stockungen (> 2 Sekunden) werden bei der Transkription des Gespräches ge-kennzeichnet: (6’ Pause) 6 Sekunden Pause. Wenn der Grund der Pause ersichtlich ist (überlegt, zögert), bitte in Klammern angeben. • Zeitpunkte in der Aufnahme werden in allen Fällen, die eine Kennzeichnung einer bestimmten Stelle erforderlich machen, folgendermaßen angegeben: (23:20’) 23 Minuten und 20 Sekunden • Unverständliche Passagen werden unter Angabe des Zeitpunktes in der Aufnahme mit einem Fragezeichen gekennzeichnet (? 23:14’), sodass der Interviewer das nachtragen kann. • Alle emotionalen oder nonverbalen Merkmale, die zum inhaltlichen Verständnis wichtig sind, werden kursiv in Klammern gesetzt: (lacht), (zögert), (Telefon klingelt), (holt tief Luft), (atmet hörbar aus)

II. Regelsystem zur Transkription

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• Besonders betonte Worte werden bei der Verschriftlichung gefettet. • Unterbrechungen der Aufnahme werden unter Angabe des Zeitpunktes in der Aufnahme als solche gekennzeichnet: (Unterbrechung 23:14’) • Interviewteile, über die im Gespräch mit dem Experten explizit Vertraulichkeit vereinbart wird, sind als solche zu kennzeichnen (vertraulich!). • Angaben, die Rückschlüsse auf die befragte Person zulassen (Namensnennung oder Nennung des Arbeitgebers), werden in der Transkription anonymisiert. • Wenn der Interviewer fragt beziehungsweise redet, das Symbol „JC“ für Julia Caspers ganz an den Rand, danach Doppelpunkt und ein Leerzeichen. Wenn der Interviewte spricht, das Symbol „IP“ für Interviewpartner verwenden.

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Anhang

III. Kodierleitfaden Kategorie

Definition/Kodierregeln

K1: Bedeutung von CEO für das Unternehmensimage

Variante 1: Beeinflussung der Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens (organisationales Image) durch seinen CEO (personelles Image). Dieser Einfluss kann sich unterschiedlich zeigen: • • • • • •

Imagetransfer: positiver/negativer Transfer von CEO-Images auf das Unternehmensimage (Begrifflichkeiten: Image, Reputation, Marke) Personale Adressierung von UN: Verantwortlichkeiten werden den handelnden Personen zugeschrieben, Erwartungen werden an den CEO gerichtet Personale Bewertung: Rollenhandeln von CEOs wird als individueller Umgang des CEOs in Erfüllung seiner Rollenerwartung eingestuft. CEO übernimmt mit seinen Persönlichkeitsmerkmalen Stellvertreterfunktion für die von ihm vertretene Organisationspersönlichkeit. Personenvertrauen Überformung des organisationalen Images durch das personale Image

Variante 2: Beeinflussung der Wahrnehmung und Bewertung eines CEOs (personelles Image) durch das Unternehmen (organisationales Image), welches er repräsentiert. •

K2: Handlungsleitender Einfluss von Images

Imagetransfer: positiver/negativer Transfer von UN-Image auf CEO-Image (Begrifflichkeiten: Image, Reputation, Marke) • Organisationale Adressierung von Unternehmen: Verantwortlichkeiten werden der Organisation zugeschrieben • Organisationale Bewertung: Rollenhandeln von CEOs wird als charakteristisch für die Organisation betrachtet, die sie repräsentieren. • Abstraktes Systemvertrauen • Überformung des personellen Images durch das organisationale Image Variante 3: Es werden Tendenzen beider Varianten gleichzeitig festgestellt Variante 1: Die Wahrnehmung des CEOs hat bewusst und/oder unbewusst Einfluss auf das Verhalten eines Stakeholders gegenüber einem Unternehmen. Die Wahrnehmung des CEOs wird bewusst und/oder unbewusst als Einflussfaktor der Handlungsentscheidungen wahrgenommen. Daher werden sowohl direkte Hinweise (dem Befragten/der Befragten ist der Einfluss des CEOs auf das Stakeholderverhalten bewusst und er/sie kann ihn verbalisieren), als auch indirekte Hinweise (der Einfluss des CEOs auf das Stakeholderverhalten ergibt sich aus anderen Aussagen des Stakeholders) aufgenommen. Variante 2: Die Wahrnehmung des Unternehmens hat bewusst und/oder unbewusst Einfluss auf das Stakeholderverhalten. Die Wahrnehmung des Unternehmens wird bewusst und/oder unbewusst als Einflussfaktor der Handlungsentscheidungen wahrgenommen. Daher werden sowohl direkte Hinweise (dem Befragten/der Befragten ist der Einfluss des Unternehmens auf das Stakeholderverhalten bewusst und er/sie kann ihn verbalisieren), als

III. Kodierleitfaden

K3: Prototyp Eigenschaften K4: Gewichtung von PrototypEigenschaften

K5: Prototyp Exemplar

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auch indirekte Hinweise (der Einfluss des Unternehmens auf das Stakeholderverhalten ergibt sich aus anderen Aussagen des Stakeholders) aufgenommen. Variante 3: Es werden Tendenzen beider Varianten gleichzeitig festgestellt Merkmalskombination/Eigenschaften, die im Zusammenhang mit einer fiktiven oder realen Idealvorstellung (Prototyp) von einem CEO genannt werden. Die Idealvorstellung eines Stakeholders von einem CEO enthält eine bestimmte Merkmalskombination (verschiedene Eigenschaften). Die einzelnen Eigenschaften der Merkmalskombination werden von den Stakeholdern unterschiedlich stark gewichtet. Ihnen wird unterschiedliche Bedeutung zugesprochen. Der CEO-Prototyp ist mit einem realen Vertreter (= aktueller bzw. ehemaliger CEO) im kognitiven System des Stakeholders repräsentiert. Der Befragte/die Befragte nennt einen aktuellen oder ehemaligen in einem der nachfolgend genannten Zusammenhänge: • • •

K6: Modellstruktur

CEO, der seiner/ihrer Idealvorstellung nahekommt CEO, der vom Befragten/von der Befragten persönlich beziehungsweise in der von ihm repräsentierten Stakeholdergruppe besonders angesehen ist CEO, der als positives Beispiel in einem bestimmten Zusammenhang genannt wird

Einschätzung des Befragten/der Befragten zur Modellstruktur. Aussagen zur Modellstruktur können unter anderem folgende Aspekte umfassen: • • •

Zuordnung von Einzeleigenschaften zu übergeordneten Eigenschaftsdimensionen Auswahl beziehungsweise Benennung übergeordneter Eigenschaftsdimensionen Beziehung zwischen den Einzeleigenschaften und Eigenschaftsdimensionen

K7: Fehlende Eigenschaften K8: Überflüssige Eigenschaften

Einschätzung des/der Befragten, ob im Modell Eigenschaften fehlen, die für die Wahrnehmung eines CEOs durch die Stakeholder eine Rolle spielen. Einschätzung des/der Befragten, ob Eigenschaften, die für die Wahrnehmung eines CEOs durch die Stakeholder keine Rolle spielen, im Modell repräsentiert sind.

K9: Bedeutung Fachkompetenz

Einschätzungen zur Bedeutung von Eigenschaften, die sich der Fachkompetenz-Dimension zuordnen lassen. Unter diese Einschätzungen fallen sowohl direkte als auch indirekte Relevanzzuschreibungen. Der/die Befragte kann dabei sowohl direkten Bezug auf die Dimension im Modell nehmen oder die Bedeutung von Eigenschaften, die unter die Fachkompetenz-Dimension fallen, einschätzen. Zur Fachkompetenz-Dimension gehören Eigenschaften, die CEOs zur Lösung von Sachproblemen befähigen. Dies können sowohl Sachprobleme sein, die unternehmensübergreifend (betriebswirtschaftlicher Sachverstand, Intelligenz, Erfahrung, Analytik etc.) relevant sind, als auch unternehmensbeziehungsweise branchenspezifisch (zum Beispiel branchenspezifische Erfahrung oder Sachverstand) etc.

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K10: Bedeutung Leadership

K11: Bedeutung Integrität

K12: Bedeutung Charisma

K13: Bedeutung Persönliche Merkmale

Anhang

Einschätzungen zur Bedeutung von Eigenschaften, die sich der LeadershipDimension zuordnen lassen. Unter diese Einschätzungen fallen sowohl direkte als auch indirekte Relevanzzuschreibungen. Der/die Befragte kann dabei sowohl direkten Bezug auf die Leadership-Dimension im Modell nehmen oder die Bedeutung von Eigenschaften, die sich unter die LeadershipDimension fassen lassen, einschätzen. Zur Leadership-Dimension gehören Eigenschaften, die CEOs zur Durchsetzung von Strategien oder Standpunkten befähigen. Das Fehlen von Leadership Eigenschaften würde zur Folge haben, dass der CEO seine Ideen für das Unternehmen während seiner Amtszeit nicht umsetzen kann. LeadershipEigenschaften umfassen dabei sowohl Top-down-orientierte Eigenschaften wie Durchsetzungskraft und Entscheidungsfreude als auch Bottom-uporientierte Eigenschaften wie Überzeugungskraft und Kompromissfähigkeit. Einschätzungen zur Bedeutung von Eigenschaften, die sich der IntegritätsDimension zuordnen lassen. Unter diese Einschätzungen fallen sowohl direkte als auch indirekte Relevanzzuschreibungen. Der Befragte kann dabei sowohl direkten Bezug auf die Integritäts-Dimension im Modell nehmen oder die Bedeutung von Eigenschaften, die sich unter die Integritäts-Dimension fassen lassen, einschätzen. Zur Integritäts-Dimension gehören Eigenschaften, die auf das Moral- und Wertesystem eines CEOs schließen lassen, wie beispielsweise Vertrauenswürdigkeit, Authentizität, Glaubwürdigkeit, Geradlinigkeit, Verantwortungsbewusstsein etc. Eigenschaften, die sich dieser Dimension zuordnen lassen, spielen eine besonders große Rolle bei asymmetrisch verteilten Informationen und generell im Fernbereich. Eigenschaften der Integritäts-Dimension wirken sich direkt vertrauensfördernd aus. Einschätzungen zur Bedeutung von Eigenschaften, die sich der CharismaDimension zuordnen lassen. Unter diese Einschätzungen fallen sowohl direkte als auch indirekte Relevanzzuschreibungen. Der/die Befragte kann dabei sowohl direkten Bezug auf die Charisma-Dimension im Modell nehmen oder die Bedeutung von Eigenschaften, die sich unter die CharismaDimension fassen lassen, einschätzen. Zur Charisma-Dimension gehören Eigenschaften, die den CEO befähigen, andere Menschen zu beeinflussen und ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Charismatische Eigenschaften beziehen sich auf die Wirkung, die ein CEO auf Stakeholder hat. Sie erleichtern die Identifikation mit dem CEO. Unter Charisma fallen Eigenschaften wie Inspirationskraft, Ausstrahlung, Selbstbewusstsein, Einfühlungsvermögen und Kommunikationstalent. Einschätzungen zur Bedeutung von Eigenschaften, die sich den persönlichen Merkmalen zuordnen lassen. Unter diese Einschätzungen fallen sowohl direkte, als auch indirekte Relevanzzuschreibungen. Der Befragte kann dabei sowohl direkten Bezug auf die persönlichen Merkmale im Modell nehmen oder die Bedeutung von Eigenschaften, die sich unter die persönlichen Merkmale fassen lassen, einschätzen. Persönliche Merkmale umfassen Eigenschaften, die mit der Ausübung der CEO-Rolle im engeren Sinn nicht in Verbindung stehen, wie Alter, Aussehen, Gesundheitszustand, Familienleben, Lebensstil, Hobbies etc.

III. Kodierleitfaden

K14: Primärerfahrungen

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Einschätzungen der Befragten zur Bedeutung von direkten Erfahrungen mit dem CEO. Direkte Erfahrungen sind vom CEO direkt vermittelte Erfahrungen und umfassen unter anderem: • • •

K15: Sekundärerfahrungen

Die Einschätzungen des/der Befragten nehmen im Sinne einer Selbsteinschätzung Bezug auf die eigene Stakeholdergruppe. Einschätzungen der Befragten zur Bedeutung von indirekten Erfahrungen mit dem CEO. Indirekte Erfahrungen sind von einem dritten Akteur vermittelte Erfahrungen und umfassen unter anderem: • • •

K16: Vorprägungen

K18: Unternehmenssituation

Aussagen von Medien, Analysten, NGOs etc. über den CEO Aussagen von Meinungsführern über den CEO Aussagen von Freunden, Bekannten, Kollegen oder ähnliches über den CEO

Die Einschätzungen des/der Befragten nehmen im Sinne einer Selbsteinschätzung Bezug auf die eigene Stakeholdergruppe. Einschätzungen der Befragten zu Inhalt und Bedeutung von Vorprägungen der einzelnen Stakeholdergruppen. Vorprägungen umfassen unter anderem: • • • •

K17: CEO-Images anderer Stakeholder

Exklusiver persönlicher Kontakt mit dem CEO (z.B. persönliche Treffen in kleinem Kreis) Persönlicher Kontakt im großen Rahmen (Großveranstaltungen, auf denen der CEO auftritt) Medialisierter Kontakt mit dem CEO (E-Mail, Social Media, Telefonat etc.)

Persönlichkeitseigenschaften Werte und Voreinstellungen Motivationale und Emotionale Zustände Erwartungshaltung gegenüber dem CEO

Die Einschätzungen des/der Befragten nehmen im Sinne einer Selbsteinschätzung Bezug auf die eigene Stakeholdergruppe. Einschätzungen des/der Befragten hinsichtlich der Bedeutung und/oder Zusammensetzung von CEO-Images einer Stakeholdergruppe, der er/sie selber nicht angehört beziehungsweise für die er/sie selbst nicht als Experte/Expertin befragt wird. Diese Einschätzungen können sowohl für Stakeholdergruppen vorgenommen werden, die in der Studie repräsentiert sind, als auch für solche, die kein Teil der Studie sind. Außerdem fallen unter diese Kategorie explizite Einschätzungen des/der Befragten hinsichtlich (möglicher) Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen. Der/die Befragte vergleicht CEO-Images verschiedener Stakeholdergruppen, grenzt sie voneinander ab, kontrastiert oder zeigt Parallelen auf. Diese Einschätzungen können sowohl zwischen der Stakeholdergruppe, die er/sie als Befragter repräsentiert, und einer weiteren Stakeholdergruppe vorgenommen werden, oder zwischen zwei oder mehr Stakeholdergruppen, für die er/sie nicht als Experte/Expertin befragt wird Einschätzung des/der Befragten hinsichtlich des Einflusses der Situation, in der sich ein Unternehmen befindet (Veränderungssituation, Krise, Wachstum, Stabilität etc.) auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images.

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K19: Branchen

Anhang

Einschätzung des/der Befragten hinsichtlich des Einflusses der Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images. K20: Kundensegmente Einschätzung des/der Befragten hinsichtlich des Einflusses der Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem Kundensegment (B2B vs. B2C) auf die Bedeutung und Zusammensetzung von CEO-Images. K21: Zukünftige Der/die Befragte gibt eine Einschätzung zur zukünftigen Bedeutung eines Bedeutung von CEOs CEOs für die Wahrnehmung eines Unternehmens durch die Stakeholdergruppe, die er/sie repräsentiert, ab. K22: Zukünftige Der/die Befragte gibt eine Einschätzung zur zukünftigen Bedeutung von Bedeutung von rollen- rollenfernen Eigenschaften (Integrität, Charisma, persönliche Merkmale) für fernen Eigenschaften die Wahrnehmung eines CEOs durch die Stakeholdergruppe, die er/sie repräsentiert, ab. K23: Zukünftige Der/die Befragte gibt eine Einschätzung zur zukünftigen Bedeutung von Bedeutung von rollen- rollennahen Eigenschaften (Fachkompetenz, Leadership) für die Wahrnehnahen Eigenschaften mung eines CEOs durch due Stakeholdergruppe, die er repräsentiert, ab.