Vorrats- und Mantel-GmbH: Gläubigerschutz durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften? [1 ed.] 9783428521883, 9783428121885

Katrin Hancke beschäftigt sich mit der Frage, ob bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften die Gründungsv

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Vorrats- und Mantel-GmbH: Gläubigerschutz durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften? [1 ed.]
 9783428521883, 9783428121885

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 11

Vorrats- und Mantel-GmbH Gläubigerschutz durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften?

Von

Katrin Hancke

Duncker & Humblot · Berlin

KATRIN HANCKE

Vorrats- und Mantel-GmbH

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 11

Vorrats- und Mantel-GmbH Gläubigerschutz durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften?

Von

Katrin Hancke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-12188-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Juli 2006 berücksichtigt werden. Mein erster und besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., für die wertvolle Unterstützung und engagierte Betreuung bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit. Ferner danke ich auch Herrn Prof. Dr. Uwe Blaurock für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herzlich danken möchte ich zudem meinen lieben Freunden Dr. Hendrik Thies, Dorothea und Dr. Jens-Martin Zeppernick, Alexander Ruddies sowie meiner Schwester Stefanie Honold und meinem Schwager Marcus Honold für ihre wertvollen Anregungen sowie ihre Unterstützung beim Korrekturlesen der Arbeit. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Mann Söhnke Hancke für seine Geduld und Hilfe. Schließlich danke ich ganz besonders meinen Eltern Hansjörg und Renate Daubmann, die mich während meiner gesamten juristischen Ausbildung in jeder Hinsicht unterstützt und großzügig gefördert haben. Meinen Eltern und insbesondere meinem Vater, der die Veröffentlichung leider nicht mehr miterleben durfte, widme ich diese Arbeit. Mannheim, im Oktober 2006

Katrin Hancke

Inhaltsübersicht Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Kapitel

I.

Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

22

Die Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . .

22

II. Der Begriff der „Vorratsgründung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

III. Der Begriff der „Mantelverwendung“ und des „Mantelkaufs“ . . . . . . . . . . . . .

27

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

V. Vorteile, Nachteile und praktische Relevanz von Vorrats- und Mantelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Kapitel Rechtliche Zulässigkeit der Vorratsgründung und der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften I.

40

Vorrats- und Mantel-GmbHs als nicht vollwertige Kapitalgesellschaften?

40

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

III. Einwände gegen die Zulässigkeit der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

3. Kapitel

I.

Zur Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften

69

Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

II. Direkte Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . .

70

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

6

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung unter dem Einfluss der deutschen und europäischen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen

I.

130

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH durch die Verwendung einer ausländischen Mantel- oder Vorratsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Kapitel Lösung der Gläubigerschutzproblematik über die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung? I.

179

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

II. Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften als Problem der materiellen Unterkapitalisierung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Die Lehre von der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung. . . . . . . . . 182 IV. Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6. Kapitel Eigenes Lösungskonzept I.

204

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Vorschläge zur Reform des deutschen GmbH-Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Kapitel Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

22

Die Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“ . . . . . . . . . . . 1. Definition der Mantelgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Definition der Vorratsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 23 24

II. Der Begriff der „Vorratsgründung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die offene Vorratsgründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verdeckte Vorratsgründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 27

I.

III. Der Begriff der „Mantelverwendung“ und des „Mantelkaufs“ . . . . . . . . .

27

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Motive in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuerlicher Verlustvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung einer Einmann-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umgehung der durch die GmbH-Novelle verschärften Mindestkapitalvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aktuelle Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umgehung des langwierigen Gründungsverfahrens und der damit verbundenen Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnutzen des „good will“ der erworbenen Firma . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 30 32

V. Vorteile, Nachteile und praktische Relevanz von Vorrats- und Mantelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorteile und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktische Relevanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35 35 36 36 37 37 38

8

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Rechtliche Zulässigkeit der Vorratsgründung und der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften

40

Vorrats- und Mantel-GmbHs als nicht vollwertige Kapitalgesellschaften? 1. Der Einwand des fehlenden Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Einwand des fehlenden Geschäftsbetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 40 42 42

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwände gegen die offene Vorratsgründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die ursprüngliche Ansicht von der Nichtigkeit der Vorratsgründung . . b) Differenzierung zwischen offener und verdeckter Vorratsgründung. . . 2. Einwände gegen die verdeckte Vorratsgründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtigkeit wegen Vorliegens eines Scheingeschäftes gemäß § 117 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angabe eines fiktiven Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . bb) Angabe eines nicht in absehbarer Zeit zu verwirklichenden Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtigkeit wegen Gesetzesumgehung gemäß § 134 BGB . . . . . . . . . . aa) Umgehung der Gründungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG . . (1) Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsfolgen des Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 43 43 45 47

I.

48 48 51 53 54 54 56 57 60

III. Einwände gegen die Zulässigkeit der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Nichtigkeit gemäß § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Kapitel Zur Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften I.

69

Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

II. Direkte Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften. . . . . . . . . . . . . . 69 III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . 70 1. Die verschiedenen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur bis zu den Urteilen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Für eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf Vorrats- und Mantelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Inhaltsverzeichnis

9

aa) Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umgehung der Gründungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gläubigerschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften nach der bisher herrschenden Meinung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kapitalaufbringungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzliches Mindeststammkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Statutarisches Stammkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Registergerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unterbilanz- und Handelndenhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegen eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften . . . . . . . . aa) Kritik am Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . bb) Der Umgehungsgedanke als Normanwendungsproblem . . . . . . . . cc) Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gläubigerschutz – Mantelgesellschaften als Teilproblem mangelnder Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung des BGH vom 09.12.2002 zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf Vorratsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Argumente des BGH für eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwendung einer Vorratsgesellschaft als wirtschaftliche Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefahr der Umgehung der Gründungsvorschriften und Gläubigerschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entscheidung des BGH vom 07.07.2003 zur Übertragung der Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auf Mantelgesellschaften . . . . . . a) Argumente des BGH für eine Übertragung der zur Vorratsgesellschaft entwickelten Grundsätze auf gebrauchte Mantelgesellschaften aa) Wirtschaftliche Neugründung durch Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gläubigergefährdung und Umgehungsschutzgedanke . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . bb) Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . cc) Unterbilanz- und Handelndenhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 74 75 76 76 77 77 78 79 80 81 82 84 84 85 87 88 88 88 89 89 90 91 91 92 92 93 93 94 95

10

Inhaltsverzeichnis (1) Die Unterbilanzhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterbilanz- und Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Bedenken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umgehung durch die Verwendung ausländischer Vorrats- und Mantelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen für eine Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die analog anzuwendenden Vorschriften im Einzelnen. . . . . . . . . . . . . . aa) Die Kapitalaufbringungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatbestandsähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Untauglichkeit des Arguments der „wirtschaftlichen Neugründung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfehltheit des Umgehungsschutzgedankens . . . . . . . . . . (c) Der Gläubigerschutzgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Abgrenzungsprobleme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anmeldeversicherung und registergerichtliche Kontrolle . . . . . . . (1) Die Prüfungspflicht des Registergerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesetzlicher Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erweiterung durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übertragung auf die Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anlass der Anmeldeversicherung und der registergerichtlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kritik an dieser Rechtsschöpfung des BGH . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unterbilanz- und Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Unterbilanzhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 95 96 96 97 97 98 99 100 100 102 102 103 104 106 108 109 112 113 114 115 115 116 118 120 120 120 124 124 124 125

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Inhaltsverzeichnis

11

4. Kapitel Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung unter dem Einfluss der deutschen und europäischen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen I.

130

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die aktuellen Entwicklungen zum Gesellschaftsrecht in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Position des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Position der EU-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deregulierungstendenzen in den kontinentaleuropäischen Mitgliedsstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Informationsorientierte Rechnungslegung nach der IAS-Verordnung . 3. Schwächen des Kapitalschutzmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlender Schutz vor geschäftsbedingtem Verlust des Mindeststammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlender betriebswirtschaftlicher Bezug des Mindeststammkapitals c) Kontraproduktive Wirkung oder Seriositätsschwelle?. . . . . . . . . . . . . . . d) Mindeststammkapital ohne Wirkung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . e) Mangelnde Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das angloamerikanische Informations- bzw. Publizitätsmodell . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Publizitäts- bzw. Informationsmodell im Einzelnen . . . . . . . . . . . . 5. Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit des Konzepts der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH durch die Verwendung einer ausländischen Mantel- oder Vorratsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die rechtliche Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit . . . . . . . bb) Die unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Ansätze zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts – Sitz- und Gründungstheorie . . b) Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Daily Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Centros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überseering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Inspire Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 131 132 133 133 134 135 137 137 137 138 139 139 140 140 142 146 148 148 148 148 149 153 153 155 157 160 160

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Inhaltsverzeichnis (2) Die Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Würdigung der EuGH-Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktisches Vorkommen und rechtliche Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften in Frankreich und England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorrats- und Mantelgesellschaften im französischen Recht . . . . . . . . . . aa) Grundlagen des Rechts der SARL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die „société en sommeil“ als Gegenstück zur deutschen Mantelgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorrats- und Mantelgesellschaften im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen des Rechts der private limited company . . . . . . . . . . . bb) Die „off the shelf company“ als Gegenstück zur Vorratsgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Off the shelf company und société en sommeil als Alternativen zur deutschen Vorrats- oder Mantelgesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . a) Praktische Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine analoge Anwendung der deutschen Gründungsvorschriften auf im Ausland gegründete Vorrats- und Mantelgesellschaften. . . . . . . c) Umgehungsmöglichkeit durch die Gründung ausländischer Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162 164 166 167 167 168 168 169 171 171 171 173 174 174 175 177

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Kapitel Lösung der Gläubigerschutzproblematik über die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung? I.

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Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

II. Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften als Problem der materiellen Unterkapitalisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Beschränkung auf Missbrauchsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Effektiver Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Die Lehre von der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Durchgriffslehre in der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung zum Haftungsdurchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 182 183 186 187

IV. Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Die Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff. . . . . . 187 a) Haftung im qualifiziert faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis

13

b) Bremer Vulkan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) KBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Die materielle Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Missachtung der Rechtsform der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlen einer Pflicht zur Aufbringung eines „angemessenen“ Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nichtvorliegen eines existenzvernichtenden Eingriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wettbewerbsnachteil für das deutsche GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unanwendbarkeit auf EU-Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 194 195 196 197 199 201 202 203

6. Kapitel Eigenes Lösungskonzept I.

204

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung der Insolvenzverschleppungshaftung auf EU-Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeit von Sonderanknüpfungen nach der Entscheidung in der Rechtssache Inspire Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Missbräuchliche und betrügerische Berufung auf die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kollisionsrechtliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sachrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Ansatz Altmeppens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderanknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deliktsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Insolvenzrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsvergleichende Bewertung der Insolvenzverschleppungshaftung . . . a) Nachteile der Insolvenzverschleppungshaftung nach geltendem Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die wrongful-trading-Haftung im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . .

204 204 207 207 209 210 213 214 216 221 221 222 223 226 227 227 227 230

14

Inhaltsverzeichnis aa) Grundlagen und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Company in insolvent liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) No reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation . . . (3) Director of the company. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausschluss der Einwendung gemäß sec. 214 (3) IA 1986. . . cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Praktische Relevanz und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die action en comblement du passif im französischen Recht . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Faute de gestion“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Dirigeants de droit ou de fait“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Andere Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsvergleichende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungseintritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Adressaten der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entwicklung eines europäischen Modells der Insolvenzschleppungshaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230 232 232 233 234 235 236 237 240 240 241 241 241 242 243 243 244 245 247 247 249

III. Vorschläge zur Reform des deutschen GmbH-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausbau der Insolvenzschleppungshaftung im deutschen Recht . . . . . . . . . 2. Ausbau und Ergänzung der Publizitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deregulierung und Beschleunigung des Gründungsverfahrens . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250 251 252 254 254

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Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Abkürzungsverzeichnis A.A./a. A. AblEG Abs. AC AcP a. F. AG AG AktG Anh. Anm. AO Art. art. AT Aufl. BayObLG BayObLGZ BB BCC BCLC Bd. Begr. BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BSG BT Bull. civ. BV BVerfGE bzw.

anderer Ansicht Amtsblatt der europäischen Gemeinschaft Absatz Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Amtsgericht Aktiengesetz Anhang Anmerkung Abgabenordnung Artikel article Allgemeiner Teil Auflage Bayrisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayrischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Betriebsberater British Company Law Cases Butterworths Company Law Cases Band Begründung Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundessozialgericht Bundestag Bulletin civile (Entscheidungssammlung des Cour de Cassation) Besloten Venootschap Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise

16 CA CA Cass. com. CC Ch. DAV DB DDR ders./dies. d.h. DNotZ Dr. soc. DStR DZWiR EBOR ECFR EG EGBGB EGV Einl. ERJuKoG EStG EU EuGH EuInsVO EuZW EWiR f. FAZ ff. FGG Fn. FS Gaz. Pal. gem. GG GmbH GmbHG GmbHR Hdb. HGB

Abkürzungsverzeichnis Companies Act Cour d’appel Cour de Cassation, chambre commercial Code Civil Law Reports, Chancery Division Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe/dieselben das heißt Deutsche Notarzeitschrift Droit des société Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Insolvenzverordnung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum deutschen Wirtschaftsrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Festschrift Gazette du Palais gemäß Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Handbuch Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis h. M. HRefG Hrsg. Hs. IA IAS IFRS Inc. InsO IPR IPrax i. S. d. i. V. m. JCP jew. JFG J.O. JW JZ KG KStG KTS L. LG LIE LMCLQ LöschG Ltd. m. MDR MLR MüKo m. w. N. NJW No. NotBZ Nr. NZG OJLS OLG

17

herrschende Meinung Handelsrechtsreformgesetz Herausgeber Halbsatz Insolvency Act International Accounting Standards International Financial Reporting Standards Incorporation Insolvenzordnung Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne des in Verbindung mit Juri-Classeur Periodique jeweils Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Grundbuchsachen Journal Officiel Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Körperschaftsteuergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Loi Landgericht Loi pour l’initative économique Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quaterly Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften Limited mit Monatsschrift für deutsches Recht Modern Law Review Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neue juristische Wochenschrift Numero Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oxford Journal of Legal Studies Oberlandesgericht

18 p. plc. RabelsZ Rdnr. RegE Rev. RFH RFHE RG RGZ RIW RPfleger Rs. S. s. SARL Slg. sog. StAnpG TCL UmwG USA v v. Vgl./vgl. WFBV WM WPg z. B. ZGR ZHR ZIP ZPO ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis page public limited company Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer Regierungsentwurf Revue/Review Reichsfinanzhof Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts Recht der internationalen Wirtschaft Der Rechtspfleger Rechtssache Seite/Satz siehe Société à responsabilité limitée Sammlung so genannte/so genannter Steueranpassungsgesetz The Company Lawyer Umwandlungsgesetz United States of America versus vom Vergleiche Wet op de formeel buitenlandse venootschappen (Niederländisches Gesetz über formal ausländische Gesellschaften) Wertpapiermitteilungen Die Wirtschaftsprüfung zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für vergleichende Rechwissenschaft

Einleitung Gibt man die Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“ in eine Internet-Suchmaschine ein, so findet man eine Vielzahl von professionellen Anbietern, die bereits gegründete, im Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaften zum Verkauf anbieten1. Die Anbieter preisen auf ihren Internetseiten die Vorteile einer bereits eingetragenen Gesellschaft, wie etwa die schnelle Verfügbarkeit ohne langwieriges Gründungsverfahren und das Fehlen von Haftungsrisiken, an. Hieran zeigt sich, dass Mantel- und Vorratsgesellschaften in den schnelllebigen Märkten unserer Zeit von großer Bedeutung sind. Viele Unternehmensgründer sind darauf angewiesen, zur Verwirklichung eines Projektes auf schnellstem Wege eine Kapitalgesellschaft, insbesondere eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), zur Verfügung zu haben. Das langwierige gesetzliche Verfahren zur Gründung einer deutschen GmbH steht diesem Ansinnen häufig im Wege. Bis zu einem Jahr kann vergehen, bis eine GmbH tatsächlich ins Handelsregister eingetragen wird. Der Unternehmensgründer wird dann vor die Wahl gestellt, ob er die Geschäftstätigkeit dennoch sofort aufnimmt und sich damit dem Haftungsrisiko in der Vor-GmbH aussetzt oder ob er bis zur Eintragung abwartet und damit Gefahr läuft, dass seine Geschäftsidee bereits durch andere Anbieter verwirklicht wird. Aus diesem Dilemma hilft häufig nur der Kauf einer bereits gegründeten und eingetragenen Gesellschaft. Die Zulässigkeit der Gründung und der Verwendung sowie die rechtliche Behandlung derartiger Gesellschaften sind jedoch in Rechtsprechung und Lehre seit langem heftig umstritten. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergingen Entscheidungen des Reichsgerichts zu dieser Thematik. Die Bedenken gegen die Praxis der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften beruhen insbesondere darauf, dass in diesen Fällen die Gründung eines neuen Unternehmens nicht mit der Gründung einer neuen Gesellschaft einhergeht. Diesem Vorgang wohnt eine gewisse Missbrauchsgefahr inne, da die Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbHG grundsätzlich nur bei der Neugründung einer Gesellschaft Anwendung finden und deshalb die Gefahr besteht, dass die verwendete Gesellschaft nicht mit ausreichend Ei1 Vgl. nur „www.vorrats-gesellschaften.de“, „www.sofort-gesellschaften.de“; „www. vorratsgesellschaften-deutschland.de“; „www.vorratsgmbh-preiswert.de“.

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Einleitung

genkapital ausgestattet oder sogar völlig überschuldet ist und damit den Gläubigern kein ausreichendes Haftungskapital zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung steht. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil aus dem Jahr 1992 die Vorratsgründung ausdrücklich für zulässig erklärt und in zwei weiteren Beschlüssen aus den Jahren 20022 und 20033 entschieden hatte, dass die Gläubigerschutzproblematik bei der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften zu lösen sei, schien es zunächst, als sei die langjährige Diskussion um Mantel- und Vorratsgesellschaften zu einem klärenden Abschluss gebracht. Tatsächlich aber haben die Entscheidungen dazu geführt, dass sich die Literatur erneut kritisch mit dieser Thematik auseinandersetzt4. Diese Diskussion ist auch nicht rein akademischer Natur. Die neue Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften5 und die mit den europarechtlichen Entwicklungen einhergehende zunehmende Kritik am deutschen Kapitalschutzmodell haben neue Brisanz in die Problematik gebracht und ziehen daneben erhebliche praktische Auswirkungen nach sich. Angesichts des erheblichen Einflusses, den das Zusammenwachsen der europäischen Märkte auch auf das Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten hat, können diese Entwicklungen bei der Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH nicht unberücksichtigt bleiben. Die Beschlüsse des BGH stellen demnach keinen Schlusspunkt der nunmehr über ein Jahrhundert andauernden Diskussion um Mantel- und Vorratsgesellschaften dar, sondern sind die Grundlage für eine erneute Beleuchtung der Problematik, auch und insbesondere im europäischen Kontext. Ziel dieser Arbeit ist es, die rechtliche Behandlung von Vorrats- und Mantelgesellschaften auf Grundlage der bisher gefundenen Lösungsansätze zu untersuchen und im Hinblick auf die neuen Herausforderungen durch die 2

BGHZ 153, 158. BGHZ 155, 318. 4 Altmeppen, DB 2003, 2050; Bärwaldt/Balda, GmbHR 2004, 50; Bohrer, DNotZ 2003, 888; V. Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032; Emde, GmbHR 2003, 1034; Goette, DStR 2004, 461; Gronstedt, BB 2003, 2082; Heidenhain, NZG 2003, 1051; Heidinger, ZNotP 2003, 82; ders., ZGR 2005, 101; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129; Herchen, DB 2003, 2211; Jacobs, DZWiR 2004, 309; Kallmeyer, DB 2003, 2583; Kesseler, ZIP 2003, 1790; Krafka, ZGR 2003, 577; Nolting, ZIP 2003, 651; Peetz, GmbHR 2004, 1429; Peus, NZG 2003, 610; Priester, ZHR 168 (2004), 248; Schaub, NJW 2003, 2125; K. Schmidt, NJW 2004, 1345; Schumacher, DStR 2003, 1484; Schütz, NZG 2004, 746; Thaeter, DB 2003, 2112; Wilhelmi, DZWiR 2004, 177. 5 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 81, 93; EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. 3

Einleitung

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Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit einer konsequenten Lösung zuzuführen. Die Ausführungen sollen sich auf die Rechtsform der GmbH beschränken, da sie in der Praxis von besonderer Bedeutung ist. Die Argumentation bei der Aktiengesellschaft (AG) läuft jedoch weitgehend parallel, so dass auch die Regelungen des Aktienrechts herangezogen werden, soweit diese von Bedeutung sind. Zunächst werden die verwendeten Begriffe voneinander abgegrenzt und die Motive für die Verwendung derartiger Gesellschaften und ihre praktische Relevanz dargestellt (1. Kapitel). Im 2. Kapitel erfolgt dann eine Untersuchung der rechtlichen Zulässigkeit der Vorratsgründung und der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften. Daran anschließend wird das Konzept der herrschenden Meinung zur analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf Mantel- und Vorratsgesellschaften dargestellt und einer kritischen Prüfung unterzogen (3. Kapitel), bevor im 4. Kapitel das Konzept der herrschenden Meinung im Hinblick auf die neueren gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen in Deutschland und Europa beleuchten werden soll. Hierbei sind zum einen die generelle Kritik am deutschen Kapitalschutzmodell und ihr Einfluss auf das Konzept der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften zu erörtern, zum anderen werden die Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit ausländischer Gesellschaften auf diese Lösung aufgezeigt. Im 5. Kapitel wird dann ein alternatives Konzept zur Lösung der Gläubigerschutzproblematik bei Mantel- und Vorratsgesellschaften, das von einigen Vertretern der Lehre vorgeschlagen wird, dargestellt und diskutiert. Im vorletzten Kapitel erfolgt schließlich die Begründung eines eigenen Lösungsansatzes, bevor im 6. Kapitel die gefundenen Ergebnisse nochmals kurz zusammengefasst werden.

1. Kapitel

Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz Die Begriffe „Vorratsgesellschaft“ und „Mantelgesellschaft“ werden in Literatur und Rechtsprechung häufig nicht einheitlich verwendet. Es ist weit verbreitet, den Begriff der „Mantelgesellschaft“ sowohl für die durch Vorratsgründung entstandenen, als auch für gebrauchte, unternehmenslos gewordene Gesellschaften zu verwenden1. Aus diesem Grund werden hier zunächst die verschiedenen gebräuchlichen Begriffe definiert, bevor ihre Verwendung in dieser Arbeit geklärt wird. Anschließend werden die Motive der Unternehmensgründer für die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften und die praktische Relevanz derartiger Gesellschaften im Wirtschaftsleben erörtert.

I. Die Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“ Die Behandlung von Vorrats- und Mantelgesellschaften ist im Gesetz nicht geregelt, weshalb es auch an einer gesetzlichen Definition dieser in der Praxis verwendeten Begriffe fehlt. Seit dem ersten Auftauchen derartiger Gesellschaften zu Ende des 19. Jahrhunderts hat sich der Begriff des „Mantels“ zu einer anerkannten Bezeichnung in Literatur und Rechtsprechung entwickelt, die wie selbstverständlich in Leitsätzen von Urteilen und Titeln von Aufsätzen verwendet wird. Dies mag daran liegen, dass dieser Begriff sehr anschaulich ist und bis zu einem gewissen Grad selbsterklärenden Charakter hat. Ein Mantel ist ein Kleidungsstück, in das sich eine Person einhüllen und das sie sich anziehen kann. Dem Begriff des Mantels im Gesellschaftsrecht liegt ein ähnliches Verständnis zugrunde. Er ist gewissermaßen das „Rechtskleid“2, das sich das Unternehmen überstreift3. Auch die 1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. a); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 17; Lutter/Hommelhoff, § 3 Rdnr. 7, 14; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 4 f. m. w. N. 2 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000, § 3 Rdnr. 8.

I. Die Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“

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vom Kammergericht verwendete Umschreibung der leeren „Hülse“4 ist vor diesem Hintergrund leicht verständlich. Sie geht von dem Bild der „leeren“ juristischen Person ohne greifbaren Verbandszweck aus. 1. Definition der Mantelgesellschaft Unter dem Mantel einer Kapitalgesellschaft versteht man nach der berühmten Definition des Kammergerichts5, die auch heute noch häufig in Literatur und Rechtsprechung verwendet wird6, eine Gesellschaft, die ihren bisherigen Geschäftsbetrieb eingestellt hat und über kein wirtschaftlich relevantes Gesellschaftsvermögen mehr verfügt. Ob das Kriterium der Vermögenslosigkeit tatsächlich als notwendiger Bestandteil der Definition anzusehen ist, ist jedoch umstritten. Vielfach wird stattdessen die Formulierung, dass die Gesellschaft „in der Regel über kein nennenswertes Gesellschaftsvermögen mehr verfügt“ verwendet7. Durch diese einschränkende Fassung soll deutlich gemacht werden, dass „unternehmenslose“ Gesellschaftsmäntel zwar häufig über kein relevantes Vermögen mehr verfügen, dies aber nicht zwingend der Fall sein muss. Die Vermögenslosigkeit wird nach dieser Ansicht als bloßes Indiz für das Vorliegen eines Mantels, nicht aber als Bestandteil der Definition angesehen. Dieser Einordnung des Kriteriums der Vermögenslosigkeit ist zuzustimmen. Die Einstellung des Geschäftsbetriebes wird zwar häufig damit einhergehen, dass die Gesellschaft über kein relevantes Vermögen mehr verfügt. Dies ist jedoch indes nicht zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Mantels8. Auch der BGH behandelt in seiner neuesten Rechtsprechung die Vermögenslosigkeit nur noch als Indiz für das Vorliegen einer Mantelverwendung in Abgrenzung 3 Vgl. K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1345, der das anschauliche Bild des Mantels als Kleidungsstück noch weiter führt und von der Mantelgesellschaft als „SecondHand-Wear“ und von der Vorratsgesellschaft als „Konfektionskleidung“ spricht. 4 KG, JW 1924, 1535, 1537. 5 KG, JFG 10, 152, 154 ff. 6 KG, JW 1925, 635, 637; BFHE 73, 754, 760; OLG Koblenz, ZIP 1989, 165, 166; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Priester, DB 1983, 2291; Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. a). Teilweise werden auch andere Kriterien, wie das Fehlen eines Tätigkeitskreises, das Nichtausüben des Gesellschaftszwecks oder des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes, herangezogen. 7 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 17. 8 So auch Herchen, DB 2003, 2211, 2212; Rasner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 60 Rdnr. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 11; anders noch OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501 und OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 610.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens und stellt alleine auf das Kriterium der Unternehmenslosigkeit im Sinne des Fehlens eines Geschäftsbetriebes ab9. Heerma lehnt den Begriff „Mantelgesellschaft“ dagegen grundsätzlich ab. Er hält stattdessen die Bezeichnung „inaktive Gesellschaft“ für vorzugswürdig, da der Begriff „Mantelgesellschaft“ den Eindruck erwecke, als handele es sich hierbei um eine unvollständige, nicht vollwertige Gesellschaft10. Dies aber sei gerade nicht der Fall. Vielmehr sei der einzige Unterschied, dass eine Mantelgesellschaft kein Unternehmen betreibe. Tatsächlich aber suggeriert der Begriff des Mantels meines Erachtens nicht per se die rechtliche Unvollständigkeit der Gesellschaft. Vielmehr wird hierdurch nur klargestellt, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie für eine gewisse Zeit kein Unternehmen betreibt. Heerma stört sich in Wahrheit nicht an dem Begriff des „Mantels“, sondern an der Vorstellung der Unvollständigkeit der juristischen Person, die die herrschende Meinung diesem Begriff zuordnet. Der Begriff des „Mantels“ bringt nämlich nicht zum Ausdruck, dass die Gesellschaft nicht vollwertig ist. Teilweise wird auch behauptet dem Begriff des „Gesellschaftsmantels“ hafte eine negative Wertung an, da der Verwendung eines Mantels das Motiv des Verdeckens und Verbergens innewohne11. Dies erwecke den Eindruck eines Missbrauchs der Kapitalgesellschaft zu unlauteren Zwecken. Betrachtet man jedoch das Kleidungsstück als hinter dem Begriff „Mantelgesellschaft“ stehendes Bild, so ist dem keine negative Wertung zu entnehmen. Vielmehr stellt dies eine anschauliche Bezeichnung derartiger Gesellschaften dar. Der Begriff Mantel-GmbH wird daher auch in dieser Arbeit als Umschreibung für gebrauchte, unternehmenslos gewordene GmbH verwendet. 2. Definition der Vorratsgesellschaft Als Vorratsgesellschaft wird demgegenüber eine Gesellschaft bezeichnet, die zunächst ohne die Absicht zur Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit, aber mit dem Zweck gegründet wird, die „fertige“ Gesellschaft später unter Änderung des Unternehmensgegenstandes zu verwenden12. Wie be9 BGHZ 155, 318, 322; anders noch OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501 und OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 610, die maßgeblich auf die Vermögenslosigkeit des Mantels abstellten. 10 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungsvorschriften, S. 29 ff. 11 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungsvorschriften, S. 29 unter Verweis auf KG, JW 1924, 1535, 1537. 12 Vgl. Hachenburg/Ulmer, § 3 Rdnr. 33; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus,

I. Die Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“

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reits erwähnt, wird auch die Vorratsgesellschaft in Rechtsprechung und Literatur häufig als Mantelgesellschaft bezeichnet, da auch sie zunächst unternehmenslos ist und erst mit ihrer Verwendung für einen konkreten Zweck aktiv am Wirtschaftsleben teilnimmt. Häufig wird dann zur Unterscheidung der beiden Arten von Mänteln eine GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat, als „leerer“13 oder „gebrauchter“ Mantel14 bezeichnet, da sie unternehmenslos ist und zumeist auch nicht mehr über wirtschaftlich relevantes Vermögen verfügt. Für die durch Vorratsgründung entstandene GmbH wird dagegen der Begriff „sauberer“ Mantel15 verwendet, da sie üblicherweise noch nicht am Rechtsverkehr teilgenommen hat und daher in der Regel nicht mit Verbindlichkeiten belastet ist. Aus Gründen der begrifflichen Klarheit ist aber an den unterschiedlichen Bezeichnungen „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“ festzuhalten16. Trotz der Gemeinsamkeiten, die Vorrats- und Mantelgesellschaften im Hinblick auf ihre mangelnde Teilnahme am Wirtschaftsleben und die erst später erfolgende Aktivierung aufweisen, handelt es sich um unterschiedliche Erscheinungsformen. Die Mantelgesellschaft hat vor ihrer Verwendung bereits ein Unternehmen betrieben. Ihr Stammkapital wird in den meisten Fällen nicht mehr oder zumindest nicht mehr vollständig vorhanden sein, und häufig werden noch Gesellschaftsschulden bestehen. Die Vorratsgesellschaft dagegen war vor ihrer Verwendung noch nicht unternehmerisch tätig. Sie wurde gerade in der Absicht gegründet, sie später mit einem neuen Gesellschaftszweck auszustatten. Bis zu diesem Zeitpunkt führt sie ein „Schubladendasein“17, so dass in den meisten Fällen ihr Stammkapital nur um die Gründungskosten und angefallene Steuern vermindert ist18. GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 7. 13 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. a). 14 Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 17; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346 verwendet zudem den Begriff „befleckter“ Mantel. 15 Priester, DB 1983, 2291, 2291; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346. 16 So auch Heidinger, ZGR 2005, 101, 103; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1129; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1005; Göz/Gehlich, ZIP 1999, Schaub, NJW 2003, 2126; einschränkend K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346, der nur bei der Entstehung zwischen Vorratsgründung und Mantelkauf unterschieden will, nicht aber bei der späteren Verwendung der Vorrats- bzw. Mantelgesellschaft; in beiden Fällen handele es sich um eine Mantelverwendung. 17 So ähnlich auch Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1130, nach denen die Vorrats-GmbH zunächst für „die Schublade“ gegründet wird. 18 So auch BGHZ 153, 158, 163.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

Neben diesen eher faktisch einzuordnenden Unterschieden19 bestehen jedoch auch rechtliche Verschiedenheiten zwischen Mantel- und Vorratsgesellschaften. So entsteht die Mantelgesellschaft aus einer Gesellschaft, die ehemals mit dem Ziel gegründet wurde, einen Geschäftsbetrieb aufzunehmen, während die Vorgesellschaft aus einer sog. Vorratsgründung20 hervorgeht, deren rechtliche Zulässigkeit umstritten ist. Diesen Unterschieden ist durch eine genaue Differenzierung der Begriffe „Mantelgesellschaft“ und „Vorratsgesellschaft“ Rechnung zu tragen. Dass beide Formen bei ihrer Weiterverwendung auch vom BGH gleichermaßen als Fälle der wirtschaftlichen Neugründung behandelt werden21, ändert nichts daran, dass es sich um unterschiedliche Rechtsfiguren handelt22.

II. Der Begriff der „Vorratsgründung“ Die Vorratsgesellschaft entsteht durch die sog. Vorratsgründung. Unter der Vorratsgründung, die wiederum ungenau auch Mantelgründung23 genannt wird und früher auch als Fassongründung24 bezeichnet wurde, versteht man die Schaffung einer juristischen Person, die zunächst keinen Unternehmensgegenstand erhalten und erst später am Wirtschaftsleben teilnehmen soll.25 Bei der Vorratsgründung unterscheidet man aber – je nachdem, ob der Unternehmensgegenstand wahrheitsgemäß angegeben wird oder nicht – zwischen zwei Erscheinungsformen: der offenen und der verdeckten Vorratsgründung. 1. Die offene Vorratsgründung Bei der offenen Vorratsgründung lässt der im Handelsregister eingetragene Unternehmensgegenstand den „Vorrats-Charakter“ erkennen26. Als Gegenstand der Gesellschaft wird in diesen Fällen die „Verwaltung eigenen 19

K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346. Überwiegend wird heute der Begriff „Vorratsgründung“ verwendet, so auch: Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; der Begriff erscheint jedoch bereits in einer Entscheidung des Kammergerichts, KG, JFG 3, 193. 21 BGHZ 155, 318. 22 So ausdrücklich Goette, DStR 2004, 461, 461. 23 Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 19; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/ Niehus, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 7; Priester, DB 1983, 2291, 2291. 24 KG, JFG 1, 200, 201. 25 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13. 20

III. Begriff der „Mantelverwendung“ und des „Mantelkaufs“

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Vermögens“ oder „Verwaltung der Einlagen“27 bezeichnet28. Es wird demnach nicht der Unternehmensgegenstand angegeben, der später irgendwann einmal verwirklicht werden soll, denn dann wäre nicht erkennbar, dass die Gesellschaft diese Tätigkeit noch gar nicht ausübt und nur auf Vorrat gehalten wird. Vielmehr würde ein Blick ins Handelsregister den Schein erwecken, als übe die Gesellschaft den angegebenen Unternehmensgegenstand bereits aus oder werde dies innerhalb eines angemessenen Zeitraums tun, obwohl die Gesellschaft bis zu ihrer Aktivierung lediglich ihr eigenes Vermögen verwaltet. 2. Die verdeckte Vorratsgründung Bei der verdeckten Vorratsgründung wird dagegen in der Satzung die Vorratshaltung nicht offen gelegt. Es wird entweder ein rein fiktiver Unternehmensgegenstand angegeben oder aber einer, der nicht innerhalb absehbarer Zeit ausgeübt werden soll29. Häufig verwenden die Gründer eine sehr weite Umschreibung des Unternehmensgegenstandes, unter die auch die später geplante Tätigkeit gefasst werden kann.

III. Der Begriff der „Mantelverwendung“ und des „Mantelkaufs“ Unter dem Begriff der „Mantelverwendung“ versteht man nach herrschender Ansicht die Ausstattung eines unternehmenslosen Rechtsträgers mit einem Unternehmen30. Der BGH bezeichnet diesen Vorgang auch als wirtschaftliche Neugründung einer Gesellschaft31 und knüpft hieran be26 BGHZ 117, 323, 330 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2. b) bb); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 33; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 19; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 7. 27 Zur Zulässigkeit der zweiten Formulierung: Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 13. 28 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 33; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20. 29 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2. b) bb); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 32; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 19; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 7. 30 BGHZ 155, 318, 322; In diesem Sinne auch Priester, DB 1983, 2291, 2291; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 31 BGHZ 155, 318, 322 für die Mantelgesellschaft; BGHZ 153, 158, 162 für die Vorratsgesellschaft; so auch schon Priester, DB 1983, 2291, 2291.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

stimmte Rechtsfolgen, die später noch näher zu erläutern sind. Die Mantelverwendung ist allerdings von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens abzugrenzen. Diese Abgrenzung bereitet in der Rechtspraxis erhebliche Schwierigkeiten. Der BGH stellt hierbei entscheidend darauf ab, ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betrieben hat, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes anknüpft, oder ob die Gesellschaft im Zeitpunkt der Aktivierung tatsächlich unternehmenslos gewesen ist32. Typischerweise gehen mit der Mantelverwendung Änderungen des Gesellschaftsvertrages, wie Änderungen des Unternehmensgegenstandes bzw. der Firma, Sitzverlegung, Bestellung neuer Geschäftsführer und die Veräußerung der Geschäftsanteile einher. Diese Umstände sind aber lediglich Indizien für eine Mantelverwendung, sie sind weder begriffsnotwendig noch hinreichend33. Teilweise wird dieses Vorgehen auch als „Mantelverwertung“ bezeichnet34. Priester hält jedoch den Begriff „Mantelverwendung“ für vorzugswürdig, da dieser neutral und nicht wie der Ausdruck „Verwertung“ negativ besetzt sei35. Nach K. Schmidt ist die Bezeichnung „Mantelverwendung“ auch sachlich richtig, da der Mantel nicht verwertet und damit verbraucht werde, sondern als Unternehmensträger weiter bestehe36. Dem ist mit den genannten Argumenten zuzustimmen. Der Mantel bleibt als Rechtsträger bestehen und wird für den Betrieb eines neuen Unternehmens weiterverwendet, jedoch nicht verwertet. Von einem „Mantelkauf“ wird dagegen gesprochen, wenn Dritte die Geschäftsanteile des GmbH-Mantels mit dem Zweck erwerben, diesen weiter zu verwenden37. Unter diesem Begriff wird jedoch nicht, wie man wegen des Wortlauts vermuten könnte, allein der Kaufvertrag über die Anteile verstanden, sondern der gesamte Vorgang der Mantelverwendung und alle damit einhergehenden Rechtsgeschäfte, wie die Übertragung der Anteile und die anschließenden Satzungsänderungen. Die Begriffe „Mantelkauf“ und „Mantelverwendung“ werden wiederum ungenau sowohl für die Aktivierung von Mantelgesellschaften als auch von 32

BGHZ 155, 318, 324. BGHZ 155, 318, 325; Priester, DB 1983, 2291, 2298; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 35. 34 KG, JFG 10, 152, 157. 35 Priester, DB 1983, 2291, 2291, Fn. 1. 36 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III Fn. 43; so auch Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 3. 37 Priester, DB 1983, 2291, 2291; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. a); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 21; Lutter/Hommelhoff, 15. Auflage 2000, GmbHG, § 3 Rdnr. 8. 33

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung

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Vorratsgesellschaften gebraucht. Wegen der bereits angesprochenen erheblichen Unterschiede sollte aber auch hier zwischen Mantelverwendung und Verwendung einer Vorratsgesellschaft und zwischen Mantelkauf und Kauf einer Vorratsgesellschaft differenziert werden38. In dieser Arbeit werden daher die Begriffe „Mantelkauf“ und „Mantelverwendung“ nur in den Fällen der Benutzung einer gebrauchten Gesellschaft verwendet, nicht aber bei Aktivierung einer durch Vorratsgründung entstandenen Gesellschaft.

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung Warum aber bedienen sich die Gründer eines Unternehmens eines Gesellschaftsmantels oder einer Vorratsgesellschaft, anstatt eine ihren Bedürfnissen entsprechende neue Gesellschaft zu gründen? Immerhin nehmen die Unternehmer bei der Verwendung einer Mantelgesellschaft das Risiko in Kauf, dass beträchtliche Altschulden bestehen, und bei der Vorratsgesellschaft ist die Weiterverwendung mit dem Aufwand einer Satzungsänderung verbunden. Tatsächlich aber hat die Unternehmensgründung unter Zuhilfenahme „fertiger“ Gesellschaften zahlreiche Vorteile, die bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer weiten Verbreitung von Mantel- und Vorratsgesellschaften geführt haben. Zwar haben sich die Motive für die Verwendung derartiger Gesellschaften im Laufe der Zeit stark gewandelt. Dieser Wandel hat jedoch nicht zu einem Bedeutungsverlust geführt. Vielmehr sind Mantel- und Vorratsgesellschaften wegen ihrer hohen Flexibilität auch und gerade aus dem heutigen schnelllebigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. 1. Motive in der Vergangenheit Zunächst sind die Beweggründe zu erörtern, die die Unternehmer früher dazu bewogen haben, sich bei der Unternehmensgründung einer bereits existenten juristischen Person zu bedienen. Einige Motive, die in der Vergangenheit für die Nutzung von Mantel- und Vorratsgesellschaften entscheidend waren, sind heute wegen zwischenzeitlich durchgeführter gesellschafts- oder steuerrechtlicher Gesetzesnovellen nicht mehr aktuell.

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Anders ausdrücklich K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

a) Steuerlicher Verlustvortrag Lange Zeit spielten bei der Verwendung von Mantelgesellschaften vor allem steuerliche Motive eine große Rolle39. Zahlreiche Unternehmer versuchten durch die Nutzung gebrauchter, mittlerweile „leer“ gewordener Gesellschaften, den Verlustvortrag nach § 15 Nr. 1 i. V. m. § 10d EStG auszunutzen. Die Gewinne des neuen Unternehmens sollten durch Abzug der bestehenden Verluste der alten Gesellschaft minimiert werden und so zu einer geringeren Steuerlast führen. Nach dem Wortlaut der bis 1990 geltenden Fassung des § 10d EStG war auch in den Fällen des Mantelkaufs ein Verlustvortrag möglich. Dieser konnte von dem Steuerpflichtigen geltend gemacht werden, der den Verlust erlitten hatte. Bei einer GmbH besteht eine solche Identität des Steuerpflichtigen grundsätzlich auch nach Verkauf der Anteile an einen Dritten und Änderung des Gesellschaftszweckes. Der Mantelkauf hat keinen Einfluss auf die juristische Person und damit auf den Steuerpflichtigen. Trotz dieses eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Vorschriften machte der Mantelkauf als Steuersparmodell jedoch eine wechselvolle Entwicklung durch. Der Bundesfinanzhof (BFH) versagte dem Verlustabzug im Falle des Mantelkaufs lange Zeit die steuerliche Anerkennung40. Zur Begründung berief er sich zunächst darauf, dass der Verlustvortrag beim Mantelkauf einen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts darstelle und ihm deshalb gemäß § 6 StAnpG41 die steuerliche Anerkennung prinzipiell versagt werden müsse42. Wenn die Anteile an einer bestehenden Gesellschaft nur gekauft würden, um die bestehenden Schulden bei dem neuen Unternehmen im Rahmen des steuerlichen Verlustvortrages gewinnmindernd in Ansatz zu bringen, handele es sich nicht mehr um eine von der Rechtsordnung gebilligte Steuerersparnis, sondern um eine unerlaubte Steuerumgehung. In zwei späteren Entscheidungen43 lehnte der BFH den Verlustvortrag nur noch dann ab, wenn die Gesellschaft und damit der Steuerpflichtige nach dem Mantelkauf nicht mehr wirtschaftlich identisch mit der vorher 39 Heidinger, ZGR 2005, 101, 104; Priester, DB 1983, 2291, 2291; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 29; Scholz/ Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 19; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; vgl. auch Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 13 ff., der die Ausnutzung des steuerlichen Verlustvortrages noch als aktuelles Motiv ansieht, da trotz der Versagung der rechtlichen Anerkennung Vollzugsdefizite seitens der Finanzämter bestünden, die den Verlustvortrag weiter möglich machten. 40 BFHE 66, 250; BFHE 73, 755. 41 § 6 StAnpG entspricht dem heutigen § 42 AO. 42 BFHE 66, 250, 257; BFHE 73, 755, 759.

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung

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bestehenden Gesellschaft war. Zur Begründung dieser Entscheidung verwies der BFH darauf, dass für die Personengleichheit des Steuerpflichtigen, die von § 10d EStG gefordert werde, nicht eine zivilrechtliche Personengleichheit ausreiche, sondern vielmehr eine wirtschaftliche Identität vorliegen müsse. Der Verlustabzug gehöre bei einer Kapitalgesellschaft nicht der juristischen Person als solcher, sondern dem dahinter stehenden Unternehmen. Dies ergebe eine Auslegung des § 10d EStG, der auf natürliche Personen zugeschnitten sei und damit auf Körperschaften nur dann Anwendung finde, wenn ein vergleichbarer Fall vorliege. Insofern sei ein Verlustvortrag dann ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft durch die neuen Gesellschafter völlig neu gestaltet werde und somit keine wirtschaftliche Identität mehr vorliege. Im Jahr 1986 erklärte der BFH den steuerlichen Verlustabzug in Abkehr von seiner langjährigen Rechtsprechung jedoch in zwei Urteilen44 für zulässig und führte damit in der Folgezeit einen wahren Boom von Mantelkäufen herbei. Der Erwerb einer Mantelgesellschaft bot nunmehr nicht nur den Ausschluss von Haftungsrisiken in der Gründungsphase, sondern stellte auch ein gewinnbringendes Steuersparmodell dar. Der BFH bediente sich in diesen Urteilen nicht mehr der bisherigen wertenden Betrachtungsweise, sondern orientierte sich streng am Wortlaut des § 10d EStG. Bei Auslegung des § 10d EStG ergebe sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift, dass für den Verlustabzug neben der zivilrechtlichen auch eine wirtschaftliche Identität der Gesellschaft vor und nach dem Anteilskauf erforderlich sei. Vielmehr sei für die Identität des Steuerpflichtigen im Fall des Mantelkaufs allein § 1 Nr. 1 KStG entscheidend, wonach es für die Körperschaftssteuersubjektfähigkeit einer Kapitalgesellschaft auf ihre Zivilrechtsfähigkeit ankomme. Ein Verlustabzug scheide demnach nur dann aus, wenn die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht oder ihre Nichtigkeit rechtskräftig festgestellt werde. Dieser Entwicklung steuerte der Gesetzgeber jedoch mit dem Steuerreformgesetz von 199045 entgegen, indem er eine Vorschrift zum Verlustabzug bei Mantelkäufen in das Gesetz einfügte. Gemäß § 8 Abs. 4 KStG ist der Verlustabzug nach § 10d EstG seither nur noch bei rechtlicher und wirtschaftlicher Identität der Gesellschaften vor und nach der Anteilsübertragung möglich, wobei Satz 2 des Absatzes 4 klarstellt, dass eine wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vorliegt, wenn mehr als drei Viertel 43 BFHE 85, 217; BFHE 86, 369. Die gegen die beiden Urteile erhobenen Verfassungsbeschwerden wurden durch BVerfGE 25, 309 zurückgewiesen. 44 BFHE 148, 152; BFHE 148, 160; vgl. die ausführlichen Besprechungen von Ihrig, BB 1988, 1197 und Feddersen, BB 1987, 1783. 45 Art. 2 Nr. 3, 12 SteuerreformG 1990, BGBl. I 1988, 1093.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

der Anteile einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform46 wurde diese Regelung dann dahingehend weiter verschärft, dass eine wirtschaftliche Identität schon dann ausgeschlossen ist, wenn mehr als die Hälfte der Anteile übertragen wird. Laut der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber dadurch den Verkauf von Verlustvorträgen verhindern47. Nach dieser Gesetzesänderung ließ die Flut von Mantel- und Vorratsgründungen deutlich nach. Im Hinblick auf Steuersparmöglichkeiten dürfte die Mantelverwendung damit nur noch für Altgesellschafter interessant sein, die selbst den alten Mantel wiederbeleben48. Beim Mantelkauf dagegen ist die Möglichkeit einer steuerlichen Verlustübertragung dagegen weitgehend ausgeschlossen49. b) Gründung einer Einmann-GmbH Bis 1980 wurden Mantelgesellschaften auch dazu benutzt, Einpersonengesellschaften zu gründen50. Die Gründung einer Einmann-GmbH war bis zur GmbH-Novelle von 198051 vom Gesetz nicht zugelassen, da nach den §§ 2, 3 GmbHG die Gründung einer GmbH durch einen Gesellschaftsvertrag zu erfolgen hat. Dieser wurde als Vertrag im eigentlichen Sinne angesehen und auch als solcher behandelt. Da für den Abschluss eines Vertrages jedoch mindestens zwei Personen erforderlich sind, die zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgeben, galt die Gründung einer GmbH durch eine einzelne Person als unzulässig. Um dennoch eine Einpersonen-GmbH zu realisieren, mussten sämtliche Geschäftsanteile einer bereits gegründeten 46

Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1997, BStBl. I 1997, 928. 47 Vgl. die amtliche Begründung zu § 8 Abs. 4 KStG a. F., BT-Drucksache XI/2157, S. 171. 48 Heidinger, ZGR 2005, 101, 104. 49 Heidinger, ZGR 2005, 101, 104; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 29; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 19; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; a. A. Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 15 f. 50 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. b); Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungsvorschriften, S. 20 f.; der auf eine Einmanngründung hinauslaufende Kauf einer Mantelgesellschaft durch eine Einzelperson lag auch zwei Entscheidungen des Kammergerichts zugrunde (KG, JW 1924, 1535, 1537; KG, JW 1925, 635, 637 f.), das aus dieser Tatsache die Sittenwidrigkeit des Mantelkaufs ableitete. 51 BGBl. I 80, 836.

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung

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GmbH in der Hand eines Gesellschafters zusammenfallen52. Dies erfolgte entweder durch eine Strohmanngründung oder durch Verwendung einer Mantel- oder Vorrats-GmbH53. Bei der Strohmanngründung bediente sich der Alleinunternehmer eines Treuhänders als Gründungshelfer, der mit ihm die GmbH gründete und ihm nach der Eintragung sämtliche Geschäftsanteile abtrat54. Auch beim Kauf einer Mantel- oder Vorrats-GmbH erwirbt der Unternehmer alle Geschäftsanteile und wird dadurch zum Alleingesellschafter. Seit der Reform des GmbHG sind derartige Umwege nicht mehr notwendig55, da nunmehr die Gründung einer Einmann-GmbH vom Gesetz anerkannt wird. Nach dem neu gefassten § 1 GmbHG kann eine GmbH entweder durch eine oder durch mehrere Personen gegründet werden. Die Einmanngründung ist damit ausdrücklich zugelassen. Zwar ist auch nach der Reform die missverständliche Terminologie des Gesetzes der §§ 2, 3 GmbHG, in denen immer noch von einem Gesellschaftsvertrag die Rede ist, erhalten geblieben. Der „Gesellschaftsvertrag“ der §§ 2, 3 GmbHG wird aber mittlerweile nicht mehr als Vertrag im eigentlichen Sinne verstanden, sondern als einseitiges Errichtungsgeschäft des Gründers und damit als einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung56. Dem bei Mehrpersonengründungen erforderlichen Organisationsvertrag entspricht bei der Einmanngründung somit ein Organisationsakt57. Ziel der gesetzlichen Regelung von Einpersonengründungen war es, die schon früher für zulässig erachtete Hilfskonstruktion der Strohmanngründung überflüssig zu machen. Nach der Reform ist aber auch ein Motiv für die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften weggefallen, da dieser Umweg jetzt ebenfalls nicht mehr notwendig ist.

52

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 II 1. a). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 II 1. b), c); Schwaiger, in: Beck’sches Hdb. der GmbH, § 2 Rdnr. 147. 54 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 III 1. b). 55 Bei der AG ist die Einmanngründung erst seit 1994 möglich, § 42 AktG. 56 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 2 Rdnr. 4; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 2 Rdnr. 7; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 2 Rdnr. 6; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 1 Rdnr. 30; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 II 2. a). 57 Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 2 Rdnr. 7. 53

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

c) Umgehung der durch die GmbH-Novelle verschärften Mindestkapitalvorschriften Einige Fälle der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft stehen in Zusammenhang mit der GmbH-Novelle von 1980, durch die die Gründungs- und Kapitalaufbringungsvorschriften verschärft wurden. Im Zuge der GmbH-Reform wurde das Mindeststammkapital gemäß § 5 GmbHG von 20.000 DM auf 50.000 DM heraufgesetzt. Dieses erhöhte Mindestkapital mussten nicht nur die Gesellschafter bei Neugründung einer Gesellschaft aufbringen, sondern auch Altgesellschaften mussten ihr Stammkapital innerhalb einer fünfjährigen Übergangsfrist anpassen58. Einige Unternehmensgründer versuchten in der Zeit nach der Reform, die Aufbringung des neuen, erhöhten Mindeststammkapitals durch Verwendung einer vor dem 01.01.1981 gegründeten Vorrats- oder Mantelgesellschaft zu vermeiden59. Die gleiche Gesetzeslage entstand dann erneut im Jahre 1990 im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung. Mit In-Kraft-Treten des bundesdeutschen GmbHG in der ehemaligen DDR am 01.07.1990 wurde den in der ehemaligen DDR gegründeten GmbHs ebenfalls eine fünfjährige Übergangsfrist zur Anpassung ihres Stammkapitals gewährt60. Auch hier bot sich zunächst der Kauf einer Mantel- oder Vorrats-GmbH als Umgehungsmöglichkeit an. Ein solches Vorgehen konnte jedoch in beiden Fällen nur einen Aufschub für die Zeit der Übergangsfrist bewirken, nicht aber eine generelle Umgehung der neuen Vorschriften. Mit Ablauf der fünfjährigen Frist am 31.12.1985 bzw. am 01.07.1995 hat dieses Motiv demnach seine Bedeutung verloren. Eine Rolle spielt dieser Beweggrund jedoch insofern auch heute noch, als die Unternehmensgründer teilweise versuchen, die Aufbringung des Mindeststammkapitals durch die Mantelverwendung generell zu vermeiden61.

58

Art. 12 § 1 Abs. 1des GmbH-Novellierungsgesetzes v. 04.07.1980 (BGBl. I S. 836). 59 Priester, DB 1983, 2291, 2292, der zumindest für einen kurzen Zeitraum von einer gesteigerten Nachfrage nach Vorrats- und Mantelgesellschaften ausgeht; vgl. auch Bommert, GmbHR 1983, 209, 209. Ein solches Vorgehen lag auch einer Entscheidung des OLG Hamburg aus dem Jahr 1983 (BB 1983, 1116) zugrunde, in der das Gericht entgegen der ganz herrschenden Meinung die Nichtigkeit des Mantelkaufs als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB feststellte; hierzu ausführlich Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Näheres dazu unter 2. Kapitel III. 3. 60 Einigungsvertrag Anlage II, Sachgebiet D Nr. 7. 61 Dazu ausführlich unter 2. c) und im 3. Kapitel.

IV. Motive für Vorratsgründung und Mantelverwendung

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2. Aktuelle Motive a) Umgehung des langwierigen Gründungsverfahrens und der damit verbundenen Haftungsrisiken Heutzutage steht hinter der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft in den meisten Fällen der Beweggrund, das langwierige Gründungsverfahren zu umgehen. Die Unternehmensgründer wollen bei Bedarf ohne Verzögerung einen Haftungsträger zur Verfügung haben, mit dem sie den Geschäftsbetrieb sofort aufnehmen können, ohne sich den in der Gründungsphase bestehenden erheblichen Haftungsrisiken auszusetzen62. Das betrifft sowohl private Existenzgründer als auch große Konzerngesellschaften, die bei größeren M & A Transaktionen fertige Kapitalgesellschaften als Akquisitionsvehikel benötigen63. Das Verfahren zur Neugründung einer GmbH ist sehr langwierig. Üblicherweise dauert es zwischen ein und drei Monaten, es kann sich aber in Ausnahmefällen auch bis zu einem Jahr oder sogar noch länger hinziehen64. Die Dauer des Gründungsvorgangs kann von den Gesellschaftern nach der Anmeldung zur Eintragung beim Registergericht kaum noch beeinflusst werden, da das registergerichtliche Prüfungsverfahren insbesondere bei Sachgründungen sehr lange dauert. Dieses langwierige Verfahren steht im Widerspruch zu den Interessen der Unternehmensgründer, die häufig darauf angewiesen sind, ihre Geschäfte ohne diese erhebliche Wartezeit aufnehmen zu können, wenn die wirtschaftliche Situation und die Geschäftsidee eine schnelle Positionierung am Markt erforderlich machen. Nehmen die Gesellschafter den Geschäftsbetrieb schon vor der Eintragung im Handelsregister auf, so greifen die Haftungsgrundsätze in der VorGmbH. Die Gesellschafter trifft die persönliche und unbeschränkte Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung65, die Geschäftsführer die Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG. Als Alternative bleibt dann nur die 62 Priester, DB 1983, 229, 229; Hachenburg/Ulmer § 3 Rdnr. 28; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. b); Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; Priester, DB 1983, 229, 229; Mayer, NJW 2000, 175, 176; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1005; Heidinger, ZHR 2005, 101, 103; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1129; Schaub, NJW 2003, 2125, 2125; U. Stein, FS Lutter, 2000, S. 749. 63 Schaub, NJW 2003, 2125, 2125; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1129; Wicke, NZG 2005, 409, 410. 64 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 68; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 12. 65 Die Ausgestaltung dieser Haftungsgrundsätze im Einzelnen ist umstritten; insbesondere ist fraglich, ob es sich um eine Außenhaftung der Gesellschafter handelt oder nur um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft; der BGH befürwortet seit einiger Zeit das Innenhaftungskonzept.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

Verwendung einer bereits eingetragenen Mantel- oder Vorratsgesellschaft. Auch und besonders im Rahmen größerer Unternehmensfusionen oder -übernahmen wird häufig eine rechtlich bereits existente Gesellschaft benötigt, über die die Übertragung der Gesellschaftsanteile abgewickelt wird. b) Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften Teilweise versuchen die Unternehmensgründer durch die Verwendung einer bereits bestehenden Gesellschaft auch, die Gründungsvorschriften, insbesondere die Vorschriften zur Aufbringung des Mindeststammkapitals, zu umgehen66. Dies betrifft jedoch nur den Mantelkauf, da in diesen Fällen das gesetzliche Stammkapital zumeist nicht mehr vorhanden ist und die Unternehmensgründer dieses beim Kauf der Gesellschaft auch nicht mitbezahlen müssen. Beim Erwerb einer Vorratsgesellschaft spielt dieses Motiv dagegen keine Rolle, da die Unternehmer das von den Gründern eingebrachte und in aller Regel noch vorhandene Stammkapital mit dem Kaufpreis zu ersetzen haben. Die Umgehung der Mindeststammkapitalvorschriften ist der Grund dafür, dass die Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist. Die Gesellschafter kommen auf diesem Wege in den Genuss der Haftungsbeschränkung, ohne im Ausgleich dafür das gesetzliche Mindeststammkapital aufbringen zu müssen67. Um ein solches Vorgehen zu unterbinden, befürwortet die herrschende Meinung in der Rechtsprechung eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf Mantel- und auch auf Vorratsgesellschaften, was im 3. Kapitel dieser Arbeit noch ausführlich zu diskutieren sein wird. c) Ausnutzen des „good will“ der erworbenen Firma Die Absicht, durch einen Mantelkauf den an einer angesehenen und bekannten Firma hängenden „good will“ auszunutzen68 oder, wie Priester es ausdrückt, eine „schöne“ Firma zu erlangen69, wird dagegen nur im Einzelfall von Bedeutung sein, da dies nur dann möglich ist, wenn der bisherige Unternehmensgegenstand in irgendeiner Weise, wenn auch in stark ver66 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 28; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 18; Mayer, NJW 2000, 175, 176; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 345. 67 Vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 28; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 345. 68 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 29. 69 Priester, DB 1983, 229, 229.

V. Vorteile und Nachteile von Vorrats- und Mantelgesellschaften

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änderter Form, fortgeführt werden kann70. Dies wird in der Regel auch bei der Mantelverwendung gerade nicht der Fall sein, da hier zumeist eine beliebige Gesellschaft erworben wird, die dann mit einem völlig neuen Unternehmensgegenstand ausgestattet wird. Nur wenn im Einzelfall gezielt eine Gesellschaft mit angesehener Firma erworben wird, um den guten Ruf für ein neues Unternehmen mit ähnlichem Gegenstand auszunutzen, kann dies ein Motiv für einen Mantelkauf sein. Bei der Vorratsgründung spielt dies ohnehin keine Rolle, da diese Gesellschaften noch nicht am Rechtsverkehr teilgenommen und damit auch noch keinen guten Ruf erworben haben.

V. Vorteile, Nachteile und praktische Relevanz von Vorrats- und Mantelgesellschaften 1. Vorteile und Nachteile Der größte Vorteil gegenüber der Neugründung einer GmbH besteht darin, dass die Unternehmensgründer durch die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften auf wesentlich schnellerem Wege einen haftungsbeschränkten Rechtsträger zur Verfügung haben und so den Haftungsgefahren in der Vor-GmbH aus dem Wege gehen. Die Verwendung einer Vorratsgesellschaft ist allerdings der eines gebrauchten Mantels vorzuziehen, da eine Vorrats-GmbH vor ihrer Aktivierung noch keine Geschäftstätigkeit ausgeübt hat, daher auch nicht durch eventuelle Altschulden belastet ist und das Stammkapital in aller Regel bis auf den Abzug der Gründungskosten noch unangetastet vorhanden ist71. Hierher rührt auch der häufig verwendete Begriff des „sauberen“ Mantels. Bei Verwendung einer Mantel-GmbH tragen die Unternehmensgründer dagegen das unkalkulierbare Risiko, dass die erworbene Gesellschaft vor ihrer Stilllegung verlustreiche Geschäfte getätigt hat und aus dieser Zeit mit erheblichen Verbindlichkeiten belastet ist, die nach der erneuten Aktivierung das neue Unternehmen zu tragen hat. Vorteilhaft war die Mantelverwendung gegenüber der Benutzung einer Vorrats-GmbH allenfalls deshalb, weil sie die Möglichkeit der Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften bot. Dieser Vorteil ist jedoch mit der neuesten Rechtsprechung des BGH nunmehr weggefallen. Die Gründungsvorschriften sind nunmehr auch in den Fällen der Aktivierung einer Mantel-GmbH anzuwenden72, so dass sich die 70 Priester, DB 1983, 229, 229; anders aber Pape, BB 1955, 1099, 1110, der dieses als entscheidendes Motiv für die Mantelverwendung ansieht. 71 Priester, DB 1983, 229, 229. 72 Näher dazu 3. Kapitel III.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen, Motive und praktische Relevanz

Aufbringung des Stammkapitals auch durch die Verwendung einer MantelGmbH nicht mehr vermeiden lässt. Die Vorteile der Vorrats-GmbH gegenüber der Mantel-GmbH spiegeln sich auch beim praktischen Vorkommen der beiden Gesellschaftstypen wider. Der Erwerb einer Vorratsgesellschaft kommt weitaus häufiger vor als der Mantelkauf. 2. Praktische Relevanz Die praktische Relevanz von Vorrats- und Mantelgesellschaften ist angesichts der immensen Zeitersparnis gegenüber der Neugründung auch heute noch als sehr hoch anzusehen. Große Konzerne verfügen häufig über eine Vielzahl auf Vorrat gegründeter Gesellschaften, um auf Marktsituationen und notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen flexibel reagieren zu können. Aber auch Existenzgründer, die ein kleineres Unternehmen aufbauen wollen, bedienen sich der Vorratsgesellschaften. Dass hier ein großer Markt besteht, zeigt sich – wie in der Einleitung bereits erwähnt – schon daran, dass es viele Anbieter gibt, die sich auf die kommerzielle Gründung und Weiterveräußerung derartiger Gesellschaften, vor allem aber von Vorratsgesellschaften, spezialisiert haben. Auch größere Rechtsanwaltskanzleien beteiligen sich an diesem Geschäft und halten stets eine gewisse Anzahl von eingetragenen Vorratsgesellschaften „in der Schublade“ für Mandanten bereit. Zudem werden in den großen Tageszeitungen regelmäßig GmbHMäntel zum Kauf angeboten. Genaue Zahlen über die Verbreitung von Vorrats- und Mantelgesellschaften existieren jedoch nicht. Meilicke schätzt, dass ca. 95 Prozent der Gesellschaften mbH, die in den letzten 20 Jahren eingetragen wurden, als Vorratsgesellschaften gegründet wurden. Auch wenn diese Zahl etwas zu hoch gegriffen erscheint, steht fest, dass eine erhebliche Nachfrage nach Vorratsgesellschaften besteht und sie deshalb einen festen Bestandteil des Wirtschaftslebens darstellen. Wie dieser Markt langfristig auf die neueste BGH-Rechtsprechung zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften reagieren wird, bleibt abzuwarten. Die Praxis der Verwendung von Mantelgesellschaften scheint angesichts der damit seit neuestem verbundenen Haftungsgefahren für Altschulden bereits erheblich an Bedeutung verloren zu haben73. Gebrauchte GmbH-Mäntel werden sowohl im Internet als auch in den Tageszeitungen kaum mehr angeboten. Die Auswirkungen auf die Verbreitung von Vorratsgesellschaften sind dagegen als geringer einzuschätzen, da bei diesen das Stammkapital in aller 73 Vgl. K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346; Thaeter, DB 2003, 2112, 2115; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1134.

V. Vorteile und Nachteile von Vorrats- und Mantelgesellschaften

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Regel noch unversehrt vorhanden ist und insofern keine erheblichen Haftungsrisiken für die Gründer bestehen74. Durch die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften kommt es allerdings zu einer zeitlichen Verzögerung, da die Haftungsbegrenzung erst mit der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung bei der Anmeldung eingreift. Gegenüber einer rechtlichen Neugründung besteht aber auch weiterhin zumindest eine gewisse Zeitersparnis75.

74 Bärwaldt/Balda, GmbHR 2004, 50, 53; v. Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032, 1035. 75 So auch Kesseler, ZIP 2003, 1790, 1793.

2. Kapitel

Rechtliche Zulässigkeit der Vorratsgründung und der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften Die rechtliche Zulässigkeit der Vorratsgründung und der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften war in Rechtsprechung und Literatur lange Zeit umstritten. Seit dem vermehrten Vorkommen derartiger Gesellschaften in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme immer wieder kontrovers diskutiert und unterschiedlich gelöst. Die gegen die Vorratsgründung und Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften vorgebrachten Bedenken sollen im Folgenden dargestellt und kritisch erörtert werden. Zunächst wird hierbei auf die gegen die Vorratsgründung vorgebrachten Einwände einzugehen sein, bevor dann die Bedenken gegen die Verwendung von Mantelund Vorratsgesellschaften erörtert werden.

I. Vorrats- und Mantel-GmbHs als nicht vollwertige Kapitalgesellschaften? 1. Der Einwand des fehlenden Verbandszwecks Gegen die Gründung und den Bestand von Vorrats- und Mantelgesellschaften werden zum einen Bedenken vorgebracht, die sich auf den Verbandszwecks derartiger Gesellschaften beziehen. K. Schmidt1 ist der Auffassung, dass den Vorrats- und Mantelgesellschaften ein „greifbarer Verbandszweck“ fehle, da sie kein Unternehmen betrieben und sie deshalb als „juristische Personen an sich im Raum stünden“. Er bezeichnet sie sogar als „irregulär“, ohne jedoch hieraus ihre Nichtigkeit zu folgern. Zwar hält er ein „Modell der Mantelverhinderung“ für rechtspolitisch und dogmatisch sinnvoll. Er erkennt aber, dass dieses Modell mit dem geltenden Recht nicht vereinbar ist2. Auch Ulmer3 äußert „Unbehagen“ im Hinblick auf den angeblich 1 2 3

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2. a). Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 33.

I. Vorrats- und Mantel-GmbHs

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fehlenden konkreten Gesellschaftszweck von Vorratsgesellschaften. Er ist der Ansicht, dass die Gründung einer Vorratsgesellschaft zu einem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis führe, da die Gesellschaft nicht einem greifbaren Zweck diene, sondern erst später aus ihrem Schubladendasein heraustrete und eine Geschäftstätigkeit aufnehme. Dennoch spricht sich auch Ulmer gegen die Nichtigkeitsfolge aus, da diesen Bedenken bei der späteren Verwendung der Vorratsgesellschaft durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften Rechnung getragen werden könne. Ulmer und K. Schmidt ist insoweit Recht zu geben, als sie von ihren auf dem konstituierenden Verbandszweck beruhenden Bedenken nicht auf die Unzulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften schließen. Tatsächlich ist ein solches „Modell der Mantelverhinderung“ nicht mit der Rechtsordnung vereinbar, da es keine Vorschrift gibt, die ein Vorgehen gegen eingetragene Gesellschaften erlaubt, solange deren Satzung keine Mängel aufweist4. Nur die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft führt auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 2 Abs. 1 LöschG zur Löschung der GmbH. Ein automatisches Erlöschen ist aber auch für diesen Fall nicht gesetzlich geregelt5. Ist die Gesellschaft nicht vermögenslos, so erlischt sie grundsätzlich erst dann, wenn sie von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht wird. Das Registergericht kann demnach nichts gegen die Existenz von Mantel- und Vorratsgesellschaften unternehmen. Richtig ist auch, dass dem Verbandszweck auch bei Kapitalgesellschaften konstituierende Funktion zukommt, auch wenn das Gesetz keine Handhabe gegen die Gründung und den Bestand von funktionslosen Rechtsträgern zur Verfügung stellt6. Allerdings verfügen auch Mantel- und Vorratsgesellschaften über einen konkreten Verbandszweck. Sie werden gegründet und bestehen zum Zwecke der Bereithaltung für die spätere Aufnahme eines Geschäftsbetriebes. Zwar entspricht dies nicht dem üblichen Zweck einer Gesellschaft, die in aller Regel in der Absicht gegründet wird, ein Unternehmen zu betreiben. Dies bedeutet aber nicht, dass der Gesellschaftszweck nicht auch anderer Art sein kann. Im Gesetz findet sich keine Regelung, die einen bestimmten Verbandszweck festschreibt. Ausgeschlossen ist gemäß § 1 GmbHG alleine ein Gesellschaftszweck, der gegen die gesetzlichen Vorschriften verstößt. Aus der Tatsache, dass Vorrats- und Mantelgesellschaften zunächst nicht auf den Betrieb eines Unternehmens ausgerichtet sind, sondern ihr Zweck in der Vorratshaltung und späteren Aktivierung be4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2. a); so auch Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1006 ff.; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 36. 5 Vgl. Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1006 f.; hierzu ausführlich Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 38 ff. 6 A. A. Kraft, DStR 1993, 101, 102 f.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

steht, kann demnach nicht darauf geschlossen werden, dass Vorrats- und Mantelgesellschaften nicht über einen Verbandszweck verfügen7. Die Absicht der Bereitstellung einer fertigen Gesellschaft für eine spätere Aktivierung ist als zulässiger Verbandszweck anzusehen8. Im Hinblick auf den Verbandszweck bestehen demnach keine berechtigten Einwände gegen die Gründung und den Bestand von Vorrats- und Mantelgesellschaften. 2. Der Einwand des fehlenden Geschäftsbetriebes Bedenken gegen die Existenz von Mantel- und Vorratsgesellschaften werden teilweise auch aus dem Fehlen eines Geschäftsbetriebes abgeleitet. Manche sind der Ansicht, dass eine Mantelgesellschaft aufhört zu existieren, wenn sie den in ihrer Satzung beschriebenen Geschäftsbetrieb einstellt. Die Inaktivität soll demnach zum Erlöschen der Gesellschaft führen9. Eine solche Folge ist aber im Gesetz nicht vorgesehen. Es gibt keine Vorschrift, die das Erlöschen der Gesellschaft wegen Aufgabe der Geschäftstätigkeit vorschreibt. Auch eine ungeschriebene Norm, die das automatische Erlöschen der Gesellschaft bei Inaktivität vorsieht, existiert nicht. Die Einstellung der Geschäftstätigkeit wäre als Kriterium für das Erlöschen einer Gesellschaft aber auch viel zu unbestimmt und würde in der Folge zu erheblichen Unsicherheiten bei der Feststellung der Existenz einer Gesellschaft führen. Nach ganz herrschender Ansicht besteht deshalb eine Gesellschaft, solange sie im Handelsregister eingetragen ist und die Gesellschafter nicht ihre Auflösung betreiben, fort10. Bei der Vorratsgesellschaft besteht ohnehin kein Grund, die Inaktivität als Erlöschensgrund anzunehmen, da ihr Gesellschaftszweck gerade keine Tätigkeit vorsieht, sondern nur in der Verwaltung eigenen Vermögens besteht11. 3. Ergebnis Vorrats- und Mantelgesellschaften sind damit als rechtlich vollwertige Gesellschaften anzuerkennen. Solange ihre Satzung den gesetzlichen Erfordernissen entspricht und ihre Auflösung nicht betrieben wird, bestehen sie fort. 7 So auch Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 36 f.; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 77 f. 8 So auch Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 77 f.; Kraft, DStR 1993, 101, 102 f. 9 So z. B. das Klägervorbringen in OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220. 10 OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220; so auch Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1006; sehr ausführlich hierzu Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 33 ff. 11 Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1006.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung Gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung wird in erster Linie eingewendet, dass sie wegen unrichtiger Angabe des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag als nichtig anzusehen sei. Die Nichtigkeitsfolge wird dabei entweder aus dem Vorliegen eines Scheingeschäftes gemäß § 117 BGB oder eines Gesetzesverstoßes gemäß § 134 BGB begründet. Beide Einwände knüpfen aber gleichermaßen an die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG erforderliche Angabe des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag an. Die Nichtigkeit wird außerdem daraus gefolgert, dass durch die Vorratsgründung die gesetzlichen Gründungsvorschriften, insbesondere die Kapitalaufbringungsvorschriften, umgangen würden. Zur Begründung der Nichtigkeit wird dann wiederum § 134 BGB herangezogen. Diese bestehenden Einwände sollen im Folgenden dargestellt und genauer untersucht werden. 1. Einwände gegen die offene Vorratsgründung In der herrschenden Lehre wurde die Vorratsgründung lange Zeit als nichtig angesehen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine offene oder eine verdeckte Vorratsgründung handelte12. Das Kammergericht hatte in zwei Urteilen aus den zwanziger Jahren über die Zulässigkeit der verdeckten Vorratsgründung zu entscheiden und diese wegen Verstoßes gegen § 117 BGB als nichtig angesehen13. Aus diesen Entscheidungen ergab sich allerdings nicht, ob dies auch für die Fälle der offenen Vorratsgründung gilt. Heute wird die Unzulässigkeit der offenen Vorratsgründung zwar nicht mehr vertreten. Dennoch liefert die genaue Betrachtung dieser vormals herrschenden Ansicht wichtige Erkenntnisse über die aktuelle Behandlung von Vorratgesellschaften. a) Die ursprüngliche Ansicht von der Nichtigkeit der Vorratsgründung Die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur ging bis in die achtziger Jahre davon aus, dass der Unternehmensgegenstand, der gemäß § 3 Abs. 1 12

Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 7. Auflage 1975, § 3 Rdnr. 26; Scholz/Emmerich, GmbHG, 7. Auflage 1986, § 3 Rdnr. 19; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Auflage 1985, § 3 Rdnr. 13. 13 KG, JFG 1, 200; KG, JFG 3, 193.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

Nr. 2 GmbHG im Gesellschaftsvertrag offen gelegt werden muss, bei der Vorratsgründung unzutreffend angegeben wird, da die Gründer übereinstimmend nicht die Absicht hätten, den angegebenen Unternehmensgegenstand überhaupt oder zumindest in absehbarer Zeit auszuüben14. Die Angabe des Unternehmensgegenstands erfolge mithin nur zum Schein und sei damit nichtig gemäß § 117 BGB15. Ulmer war sogar der Ansicht, dass ein Unternehmensgegenstand bei der Vorratsgründung überhaupt nicht ersichtlich ist16. Eine Vorratsgründung müsse unzulässig sein, weil eine GmbH den Unternehmern nicht „um ihrer selbst Willen“ zur Verfügung gestellt werde, sondern eine konkrete Absicht zum Betrieb des Unternehmensgegenstandes erfordere. Als Unternehmensgegenstand genüge demnach auch nicht die Angabe „Verwaltung eigenen Vermögens“, da die Aufnahme der Geschäftstätigkeit erst im Rahmen der späteren Verwendung der Vorratsgesellschaft geplant sei. Hueck begründete demgegenüber einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, da der Unternehmensgegenstand mit der Formulierung „Verwaltung eigenen Vermögens“ nicht ausreichend individualisiert sei17. Wieder andere waren der Ansicht, dass sich die Nichtigkeit der Vorratsgründung aus einer unzulässigen Umgehung der Gründungsvorschriften, insbesondere der Kapitalaufbringungsvorschriften, ergebe. Bei den Rechtsfolgen der Nichtigkeit wegen Angabe eines unwahren Unternehmensgegenstandes wurde danach unterschieden, ob die Gesellschaft bereits eingetragen war oder noch nicht. Vor der Eintragung der Gesellschaft wurde aus der Nichtigkeit der Bestimmung ein Eintragungshindernis abgeleitet, so dass das Registergericht die GmbH von vorneherein nicht ins Handelsregister eintragen durfte18. Für den Fall, dass die Gesellschaft dennoch eingetragen wurde, ging die herrschende Ansicht davon aus, dass die Gesellschaft zunächst bestehen blieb und nur eine Nichtigkeitsklage gemäß § 75 GmbHG oder eine Amtslöschung gemäß § 144 Abs. 1 FGG die nachträgliche Auflösung herbeiführen könne19. Der zur Nichtigkeit führende 14 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 7. Auflage 1975, § 3 Rdnr. 26; Scholz/Emmerich, GmbHG, 7. Auflage 1986, § 3 Rdnr. 19; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Auflage 1985, § 3 Rdnr. 13; Roth, GmbHG, 1983, § 3 Nr. 2.3.3. 15 KG, JFG 1, 200, 202; KG, JFG 3, 193, 195; Scholz/Emmerich, GmbHG, 7. Auflage 1986, § 3 Rdnr. 19; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Auflage 1985, § 3 Rdnr. 13. 16 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 7. Auflage 1975, § 3 Rdnr. 26. 17 Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Auflage 1985, § 3 Rdnr. 13. 18 Scholz/Emmerich, GmbHG, 7. Auflage 1986, § 3 Rdnr. 19; Roth, GmbHG, 1983, § 3 Nr. 2.3.3. 19 Scholz/Emmerich, GmbHG, 7. Auflage 1986, § 3 Rdnr. 19; Roth, GmbHG, 1983, § 3 Nr. 2.3.3.; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Auflage 1985, § 3 Rdnr. 13.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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Mangel konnte dann aber auch gemäß § 76 GmbHG durch eine Satzungsänderung geheilt werden, indem entweder bereits im Vorratsstadium oder bei der späteren Aktivierung der Vorgesellschaft der zutreffende Unternehmensgegenstand angegeben wurde20. b) Differenzierung zwischen offener und verdeckter Vorratsgründung Ausgehend von einem Aufsatz von Priester aus dem Jahre 198321 wandelte sich diese Ansicht jedoch zunehmend dahingehend, bei der Frage nach der Zulässigkeit der Vorratsgründung zwischen der offenen und der verdeckten Vorratsgründung zu differenzieren. Nach Priester soll eine Nichtigkeit nur noch dann angenommen werden, wenn ein tatsächlich nicht beabsichtigter Gegenstand angegeben und damit die Gründung einer Vorratsgesellschaft verschleiert wird. Legen jedoch die Gründer die Vorratseigenschaft der Gesellschaft dadurch offen, dass sie als Unternehmensgegenstand „die Verwaltung eigenen Vermögens“ in der Satzung angeben, so soll es sich nicht um ein Scheingeschäft handeln. Die Verwaltung eigenen Vermögens sei nämlich der zutreffende und tatsächlich realisierte Gegenstand des Unternehmens22. Für die Ausübung dieses Gegenstandes genüge schon eine geringfügige Tätigkeit, wie die Verwaltung eines entsprechenden Festgeldkontos. Die Nichtigkeit der Satzung gemäß § 117 BGB scheide daher in den Fällen der offenen Vorratsgründung aus23. Auch den Einwand, der sich auf die angebliche Umgehung der Gründungsvorschriften stützt, weist Priester in diesem Aufsatz zurück24. Zur Begründung führt er an, dass die Einhaltung der Gründungsvorschriften auch bei der Vorratsgründung kontrolliert werde. Die Gründung einer Vorratsgesellschaft werde nicht anders behandelt als jede andere rechtliche Neugründung. Ein Problem trete deshalb erst auf, wenn die Vorratsgesellschaft aktiviert und weiterverwendet werde, da hier nach dem Gesetz gerade keine neue Gründungsprüfung zu erfolgen habe, da die Gesellschaft schon rechtlich existiere. Diesem Problem aber, das alleine bei der Verwendung der Vorratsgesellschaft und nicht schon bei deren Gründung auftrete, könne 20 Für die verdeckte Vorratsgründung vgl. Priester, DB 1983, 2291, 2299; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1665; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 41 f. 21 Priester, DB 1983, 2291, 2298 f. 22 Priester, DB 1983, 2291, 2299. 23 So bereits für die Aktiengesellschaft Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1970, § 23 Rdnr. 35. 24 Priester, DB 1983, 2291, 2299.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

durch eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften Rechnung getragen werden. Die Begründung einer generellen Unzulässigkeit der Vorratsgründung sei dagegen nicht gerechtfertigt, da hinter diesem Vorgehen ein wirtschaftlich anerkennenswertes Interesse der Unternehmer stehe, das langwierige Eintragungsverfahren und die damit einhergehenden Haftungsrisiken zu vermeiden. Auch die von Ulmer vorgebrachten Bedenken greifen nach der Ansicht Priesters nicht durch, da die Vorratsgesellschaft gerade nicht „um ihrer selbst willen“, sondern in der legitimen Absicht der Vermeidung von Haftungsrisiken gegründet werde. Dieser zwischen offener und verdeckter Vorratsgründung differenzierenden Ansicht hat sich dann auch der BGH in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit der Vorratsgründung bei der Aktiengesellschaft im Jahre 1992 angeschlossen25. Der BGH begründet die Zulässigkeit der offenen Vorratsgründung wie Priester damit, dass hierbei der Unternehmensgegenstand mit der Formulierung „Verwaltung des eigenen Vermögens“ der Wahrheit entsprechend angegeben werde und dies den Anforderungen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG26 genüge. Damit komme eine Nichtigkeit weder nach § 117 BGB noch nach § 134 BGB i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG in Betracht. Zudem führt der BGH für die Zulässigkeit der offenen Vorratsgründung an, dass die Bedenken gegen Mantel- und Vorratsgesellschaften, die aus der Gefahr der Umgehung der Gründungsvorschriften herrührten, ein präventives Verbot der Vorratsgründung nicht rechtfertigten27. Bei der Vorratsgründung sei der Einwand der Umgehung der Gründungsvorschriften gerade nicht gerechtfertigt, da die Vorratsgesellschaft wie jede andere Gesellschaft auch bei der Gründung die Gründungsvorschriften einzuhalten habe und hierbei auch der Kontrolle des Registergerichts unterliege. Insbesondere das als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung dienende Mindeststammkapital müsse auch bei der Vorratsgründung aufgebracht werden. Daher drohe bei der Vorratsgründung gerade keine Umgehung der Gründungsvorschriften. Dieser Einwand greife vielmehr erst bei der späteren Verwendung der Vorratsgesellschaft, da dann keine rechtliche, sondern nur eine wirtschaftliche Neugründung vorliege. Diesen Bedenken könne dann aber bei der Verwendung der Vorratsgesellschaft durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften Rechnung getragen werden28. 25 BGHZ 117, 323 (2. Leitsatz), im obiter dictum vertritt der BGH dies auch für die GmbH. 26 Diese Vorschrift entspricht § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Für eine noch deutlichere Formulierung bezüglich der Vorratseigenschaft spricht sich Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 189 f. aus. 27 BGHZ 117, 323, 330 f. 28 BGHZ 117, 323, 331.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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Die Ansicht von der generellen Unzulässigkeit von Vorratsgründungen sei auch deshalb abzulehnen, weil ein anerkennenswertes praktisches wirtschaftliches Bedürfnis hinter der Gründung von Vorratsgesellschaften stecke29. Die Absicht, das langwierige Gründungsverfahren abzukürzen und damit die in der Gründungsphase bestehenden erheblichen Haftungsrisiken zu vermeiden, sei nicht als missbräuchlich anzusehen, zumal die lange Dauer dieses Vorgangs zumeist dem Einfluss der Gesellschafter entzogen sei. Auch die ganz herrschende Ansicht in der Literatur nimmt eine Nichtigkeit heute nur noch bei der verdeckten Vorratsgründung an30. 2. Einwände gegen die verdeckte Vorratsgründung Die verdeckte Vorratsgründung wird von der ganz herrschenden Meinung für unzulässig gehalten, weil der in der Satzung angegebene nicht mit dem tatsächlichen Unternehmensgegenstand übereinstimmt31. Die Rechtsgrundlage für die Nichtigkeit ist allerdings umstritten. Ausgehend von einer Entscheidung des Kammergerichts aus den zwanziger Jahren32 berief sich die ältere Literatur und Rechtsprechung zur Begründung der Nichtigkeit der Vorratsgründung zumeist auf § 117 BGB. Heute wird die Nichtigkeit entweder kumulativ oder alternativ auf § 117 BGB, auf § 134 BGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG oder alleine auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG gestützt33. 29

BGHZ 117, 323, 332 f. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, § 3 Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 16; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rdnr. 16; nunmehr auch Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 33; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 65 f. 31 BGHZ 117, 323, 333 f.; Priester, DB 1983, 2291, 2298; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 32; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 19; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 50 ff.; Meyding, Die MantelGmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, S. 37 f.; eine Mindermeinung hält nicht nur die offene, sondern auch die verdeckte Vorratsgründung für rechtlich zulässig: Kraft, DStR 1993, 101; Löbenstein, Mantelgründung und Mantelverwendung, S. 14. 32 KG, JFG 1, 200, 202. 33 Für § 117 BGB: KG, JFG 1, 200; KG, JFG 3, 193; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 32; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Meyding, Die Mantel-GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, S. 37 f.; Priester, DB 1983, 2291, 2298; nur für die Mehrpersonengründung: J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663 f.; für § 134 BGB: Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 65 f.; Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 56; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; für § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bzw. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG: J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663 f.; 30

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

Umstritten ist allerdings, wann eine unzulässige verdeckte Vorratsgründung vorliegt. Der BGH und die herrschende Ansicht sehen nicht nur die Angabe eines völlig fiktiven Unternehmensgegenstandes als unzulässig an, sondern gehen auch dann von einer verdeckten Vorratsgründung aus, wenn der angegebene Unternehmensgegenstand nicht in absehbarer Zeit, sondern erst zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft verwirklicht werden soll34. Eine Mindermeinung lässt auch die Angabe des für die Zeit der Aktivierung geplanten Gegenstands genügen. Auch hiermit sei der Unternehmensgegenstand wahrheitsgemäß angegeben, da die Unternehmer keine Betriebspflicht treffe35. Bei der folgenden Untersuchung der verdeckten Vorratsgründung wird daher zwischen der Angabe eines rein fiktiven Gegenstandes und eines nicht in absehbarer Zeit zu verwirklichenden Unternehmensgegenstandes unterschieden. a) Nichtigkeit wegen Vorliegens eines Scheingeschäftes gemäß § 117 BGB aa) Angabe eines fiktiven Unternehmensgegenstandes Das Kammergericht stützte in seinen ersten beiden Entscheidungen zur Vorratsgesellschaft, in deren Satzung ein fiktiver Unternehmensgegenstand angegeben worden war, die Nichtigkeit der Vorratsgründung auf das Vorliegen eines Scheingeschäftes gemäß § 117 BGB36. Der Unternehmensgegenstand werde in derartigen Fällen nicht der Wahrheit entsprechend und damit nur zum Schein abgegeben. Auch der BGH zog in seinem Urteil aus dem Jahr 1992 zur Zulässigkeit der Vorratsgründung bei der Aktiengesellschaft § 117 BGB zur Begründung der Nichtigkeit heran37. Im Ergebnis ließ er allerdings offen, ob die Nichtigkeit auf § 117 BGB, auf § 134 BGB i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG38 oder unmittelbar auf § 23 Abs. 1 Nr. 2 beruht39. Die Vorratsgründung sei aber jedenfalls nichtig, da die wahrheitsgemäße Angabe des ernsthaft gewollten Unternehmensgegenstandes unabdingbare Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 56; Pentz, in: MüKo zum AktG, § 23 Rdnr. 91. 34 BGHZ 117, 323, 333 f.; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 32; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 13. 35 OLG Stuttgart, DB 1992, 133, 134 f.; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 82 f.; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 63 f. 36 KG, JFG 1, 200; KG, JFG 3, 193. 37 BGHZ 117, 323, 334. 38 Dieser entspricht sachlich § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbH. 39 BGHZ 117, 323, 334.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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Vorraussetzung für die Gründung einer Gesellschaft sei. Die Nichtigkeit des angegebenen Unternehmensgegenstandes als Teil der Satzung habe im Ergebnis die Nichtigkeit der ganzen Satzung und damit auch der Gründung zur Folge. Eine Mindermeinung verneint auch bei der Angabe eines rein fiktiven Unternehmensgegenstandes das Vorliegen eines Scheingeschäfts40. Sie argumentiert, dass der mit der Angabe des Unternehmensgegenstandes objektiv erklärte Zweck alleine in der Gründung einer Gesellschaft mit dem angegebenen Gegenstand bestehe. Der Rechtsfolgewille der Gründer gehe über die Gründung der Gesellschaft mit dem genannten Gegenstand nicht hinaus und erfasse daher auch nicht die Aufnahme einer entsprechenden Geschäftstätigkeit. Übereinstimmend nicht gewollt sei nur die tatsächliche Ausübung des angegebenen Geschäftsbetriebes. Eine rechtliche Verpflichtung zur Aufnahme des angegebenen Unternehmensgegenstandes im Sinne einer Betriebspflicht gebe es nach dem Gesetz aber gerade nicht41. Zudem bestehe der Zweck der gesetzlichen Pflicht zur Offenlegung des Unternehmensgegenstandes alleine darin, dem Registergericht die Überprüfung der Zulässigkeit des Gegenstandes zu ermöglichen und die Gesellschafter vor einer Ausweitung der Geschäftstätigkeit zu schützen42. Aus diesem Zweck könne aber keine Verpflichtung zur tatsächlichen Aufnahme des angegebenen Geschäftsbetriebs abgeleitet werden. Nach dieser Ansicht ist damit auch die verdeckte Vorratsgründung unter Angabe eines rein fiktiven Unternehmensgegenstandes als zulässig anzusehen. Um diese Streitfrage zu klären, ist zunächst festzustellen, wann nach der gesetzlichen Regelung des § 117 BGB ein Scheingeschäft vorliegt und des Weiteren, welche Bedeutung der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG erforderlichen Angabe des Unternehmensgegenstandes zukommt. Voraussetzung für das Vorliegen eines Scheingeschäfts gemäß § 117 BGB ist, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass das objektiv Erklärte nicht gelten soll und ihr wirklicher Wille dahin geht, die mit der Erklärung einhergehenden Rechtsfolgen nicht eintreten zu lassen43. Entscheidend ist deshalb, welchen objektiven Erklärungswert die Angaben der Gründer zum Unternehmensgegenstand haben und ob dieser mit ihrem inneren Willen übereinstimmt, oder ob sie die Rechtsfolgen der Erklärung nicht eintreten lassen wollen. 40 Kraft, DStR 1993, 101, 103; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 42 ff. 41 Kraft, DStR 1993, 101, 103; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 42 ff. 42 Kraft, DStR 1993, 101, 103. 43 Kramer, in: MüKo zum BGB, § 117 Rdnr. 1.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

Der Unternehmensgegenstand ist nicht gleichbedeutend mit dem Gesellschaftszweck. Zwar können die beiden inhaltlich übereinstimmen, der Begriff des Unternehmensgegenstandes ist jedoch grundsätzlich enger. Er bezeichnet den Bereich und die Art der Betätigung der Gesellschaft44. Ein wichtiger Zweck der Regelung ist es, den Kernbereich der Geschäftstätigkeit offen zu legen und diesen für den Wirtschaftsverkehr erkennbar zu machen45. Zudem soll dem Registergericht eine Prüfung der Erlaubtheit der Tätigkeit ermöglicht werden46 und die Gesellschafter sollen vor willkürlichen Änderungen des Unternehmensgegenstandes geschützt werden47. Dass die Pflicht zur Angabe des Unternehmensgegenstandes nicht von geringer Bedeutung ist, zeigt sich daran, dass seine Eintragung ins Handelregister erforderlich ist und ein Fehlen der Angabe zur Ablehnung der Eintragung und damit zum Scheitern der Gründung führt. Bei der Angabe des Unternehmensgegenstandes handelt es sich nicht um eine bloße unverbindliche Absichtserklärung der Gründer, sondern um eine Festlegung auf eine bestimmte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Eine Abweichung von der angegebenen Tätigkeit ist ohne Änderung der Satzung nicht mehr möglich48. Eine Betriebspflicht, also eine Verpflichtung der Gesellschafter zur Aufnahme des angegebenen Geschäftsbetriebes lässt sich aus dieser Bestimmung nach herrschender Meinung allerdings nicht folgern49. Die Unzulässigkeit der Angabe eines fiktiven Unternehmensgegenstandes folgt indes nicht aus einer angeblichen Betriebspflicht der Gesellschaft, sondern aus Sinn, Zweck und Bedeutung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG im Gründungsverfahren. Die mit der Festlegung eines bestimmten Unternehmensgegenstandes einhergehende Beschränkung auf die angegebene Tätigkeit und eine dahingehende Information des betroffenen Wirtschaftsverkehrs ist nur sinnvoll, wenn der Unternehmensgegenstand wahrheitsgemäß angegeben wird. 44 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 9; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rdnr. 10. 45 BGH, DB 1981, 466; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 9; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 73 ff.; nur eingeschränkt Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rdnr. 12. 46 Wallner, JZ 1986, 721, 722; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 43. 47 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 9; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 80 ff.; a. A. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rdnr. 12. 48 BGHZ 82, 121, 130; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 12; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rdnr. 16; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663. 49 Priester, DB 1983, 2291, 2298; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663; Kraft, DStR 1993, 101, 103; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 42 f.; Barz, in: Großkommentar zum AktG, § 23 Anm. 13; Hachenburg/Schilling, GmbHG, 6. Auflage 1956, § 3 Anm. 12a.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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Dass hiermit keine Pflicht zur tatsächlichen Ausübung des Gegenstandes verbunden ist, kann dabei keine Rolle spielen50. Eine andere Betrachtungsweise verkennt den Normzweck des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und stuft ihn zu einer beliebigen Absichtserklärung herab, die keinerlei Auswirkungen auf das Gründungsverfahren hat. Der wirkliche Wille der Gründer geht dahin, eine Vorrats-GmbH zu gründen, die in absehbarer Zeit nur ihr eigenes Vermögen verwaltet und gerade nicht den angegebenen Gegenstand betreibt51. Daraus ergibt sich, dass die Gründer das objektiv Erklärte und die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht wollen. Der erklärte Wille der Gründer bei Angabe des Unternehmensgegenstandes umfasst auch die tatsächliche Ausübung des Geschäftsbetriebes und nicht nur die Gründung einer beliebigen Gesellschaft. Dieser objektiv zum Ausdruck kommende Wille deckt sich nicht mit dem inneren Willen der Gründer, der auf eine Vorratsgründung abzielt. Nimmt man die Angabe des Unternehmensgegenstandes als Voraussetzung für die Gründung ernst, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass in der Angabe eines fiktiven Unternehmensgegenstandes eine Scheinerklärung liegt, die gemäß § 117 BGB als nichtig anzusehen ist. bb) Angabe eines nicht in absehbarer Zeit zu verwirklichenden Unternehmensgegenstandes Zu klären bleibt, ob auch die Angabe eines Unternehmensgegenstandes, der zwar nicht in absehbarer Zeit, aber zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft verwirklicht werden soll, als Scheingeschäft gemäß § 117 BGB nichtig ist. Eine Mindermeinung in Literatur52 und Rechtsprechung53 lehnt eine Nichtigkeit der Vorratsgründung gemäß § 117 BGB in den Fällen ab, in denen die Gründer den für die Zukunft geplanten Unternehmensgegenstand, dessen Realisierung für die Zeit nach der Vorratshaltung tatsächlich angestrebt wird, nennen. Begründet wird dies damit, dass die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG erforderliche Angabe des Unternehmensgegenstandes keine Aussage darüber enthalte, zu welchem Zeitpunkt dieser verwirklicht werde. Der angegebene Unternehmensgegenstand gebe nur Aufschluss über die Grenzen der zulässigen Tätigkeit der Gesellschaft, er besage nicht, dass die 50 Vgl. auch Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 183 f. 51 J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1664. 52 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 81 ff. 53 OLG Stuttgart, DB 1992, 133, 134 f.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

Gesellschaft diese Tätigkeit in absehbarer Zeit aufnehme. Es bestehe auch keine Pflicht, den Geschäftsbetrieb sofort zu verwirklichen, da die Gesellschaften schon generell keine Betriebspflicht treffe. Der Angabe der Gründer zum Unternehmensgegenstand könne demnach nur entnommen werden, dass sie eine Gesellschaft mit dem genannten Gegenstand verwirklichen wollen, nicht aber, wann dies geschehen solle54. Demnach stimme der erklärte Wille mit dem wirklichen Willen der Gründer überein, so dass kein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB vorliege. Der BGH55 und die herrschende Lehre56 sehen dagegen auch hierin einen Fall der verdeckten Vorratsgründung, der als Scheingeschäft zu behandeln ist. Allerdings sollen nach dieser Ansicht bei Feststellung der zeitnahen Aufnahme des Geschäftsbetriebes die üblichen Vorlauf- und Anlaufzeiten berücksichtigt werden. Zur Begründung ihrer Auffassung führt die herrschende Lehre an, dass auch dann eine unwahre Angabe des Unternehmensgegenstands und damit ein Scheingeschäft vorliege, wenn die Aufnahme eines entsprechenden Geschäftsbetriebs für die Zukunft tatsächlich geplant ist. Auch eine Gesellschaft, die erst zu einem späteren ungewissen Zeitpunkt den angegebenen Unternehmensgegenstand aufnehmen soll und zunächst stillliegt, sei auf Vorrat gegründet und nicht zum Betriebe eines konkreten Geschäfts57. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG enthält, wie von der Gegenansicht vorgebracht58, keine Pflicht zur Nennung des Zeitpunkts der Aufnahme des Geschäftsbetriebes. Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, dass in den Fällen der Vorratsgründung der für einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft geplante Gegenstand genannt werden kann. Vielmehr ist auch hier eine Offenlegung des zunächst realisierten Vorratszwecks erforderlich, da nur dadurch die betroffenen Wirtschaftskreise wahrheitsgemäß über den Gegenstand des Unternehmens aufgeklärt werden und somit der Bedeutung dieser Angabe Rechnung getragen wird. Die allein zutreffende Angabe des Unternehmensgegenstands bei Gründung einer Vorratsgesellschaft ist die Verwaltung eigenen Vermögens, da nur dieser Gegenstand vorerst ausgeübt wird 54

Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 82 f. BGHZ 117, 323, 334 f.; so auch schon KG, JFG 3, 193; a. A. noch OLG Stuttgart, DB 1992, 133, 134 f. 56 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 20; Pentz, in: MüKo zum AktG, § 23 Rdnr. 91; Herchen, ZIP 2000, 345, 346; § 117 BGB ablehnend, aber § 134 BGB bejahend: Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 63 ff.; a. A. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 82 ff. 57 Vgl. BGHZ, 117, 323, 334; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1666 f. 58 Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 82 f. 55

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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und nicht die für die Zukunft geplante Tätigkeit. Die Tatsache, dass die Vorratsgesellschaft später einmal aus dieser „Reservestellung“ heraustreten und den angegebenen Unternehmensgegenstand aufnehmen soll, nimmt der Gründung nicht den Vorratscharakter. Die Gleichstellung mit dem Fall der Angabe eines rein fiktiven Unternehmensgegenstandes ist zudem aus Gründen der Praktikabilität erforderlich, da ansonsten ein taugliches Abgrenzungskriterium für die Registergerichte fehlt. Die Behauptung der Gründer, die Gesellschaft werde später einmal den, zumeist sehr weit gefassten, angegebenen Geschäftsbetrieb aufnehmen, lässt sich durch das Gericht nur in den wenigsten Fällen mit der für die Ablehnung der Eintragung erforderlichen Sicherheit widerlegen59. Dieser Fall unterscheidet sich mithin nicht von dem der Angabe eines rein fiktiven Gegenstandes. Der wahre Wille der Gründer entspricht in beiden Fällen nicht dem aus ihrer Erklärung objektiv hervortretenden Willen. Auch bei Angabe eines zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft zu verwirklichenden Unternehmensgegenstandes ist demnach von einer verdeckten Vorratsgründung auszugehen, die als Scheingeschäft und damit gemäß § 117 BGB als nichtig anzusehen ist. Allerdings ist der Gegenansicht darin Recht zu geben, dass die durch die Gleichbehandlung vermiedenen Abgrenzungsprobleme an anderer Stelle wieder auftauchen60. Entschieden werden muss nämlich dann, ob die Grenze der üblichen An- und Vorlaufzeiten überschritten und eine Aufnahme der angegebenen Tätigkeit nicht in absehbarer Zeit erfolgen soll. Ausschlaggebendes Kriterium für die Grenzziehung ist die ernsthafte Absicht der Gründer, den Unternehmensgegenstand in absehbarer Zeit aufzunehmen61. Wollen die Gründer den angegebenen Betrieb tatsächlich sofort nach Gründung aufnehmen, so genügt es, wenn sie zunächst nur Vorbereitungshandlungen hierfür treffen. Geht ihr Wille jedoch dahin, die Tätigkeit erst später aufzunehmen, keine für die Realisierung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Gesellschaft zunächst nur ihr Vermögen verwalten zu lassen, liegt eine verdeckte Vorratsgründung und damit ein Scheingeschäft vor, das gemäß § 117 BGB zur Nichtigkeit führt. b) Nichtigkeit wegen Gesetzesumgehung gemäß § 134 BGB Zur Begründung der Nichtigkeit der verdeckten Vorratsgründung wird teilweise auch § 134 BGB herangezogen, und zwar sowohl bei Angabe eines rein fiktiven Unternehmensgegenstandes als auch bei Angabe eines 59 60 61

BGHZ 117, 323, 334. Vgl. Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 83 f. J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1667.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

nicht in absehbarer Zeit zu verwirklichenden Unternehmensgegenstandes. Die Anwendung des § 134 BGB wird jedoch auf unterschiedliche Gründe gestützt. aa) Umgehung der Gründungsvorschriften Hueck begründete die Nichtigkeit gemäß § 134 damit, dass durch die verdeckte Vorratsgründung die gesetzlichen Gründungsvorschriften umgangen würden62. Diese Ansicht wird heute jedoch zu Recht nicht mehr vertreten. Die gesetzlichen Gründungsvorschriften werden auch im Falle der verdeckten Vorratsgründung nicht umgangen, da die gesetzlichen Vorschriften wie bei jeder anderen Gründung erfüllt sein müssen und ihre Erfüllung vom Registergericht geprüft wird63. Eine Umgehung der Gründungsvorschriften kommt allenfalls im Rahmen der späteren Verwendung der Vorratsgesellschaft zur Aufnahme eines Geschäftsbetriebes in Betracht. bb) Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG Möglich erscheint jedoch auch eine andere Begründung für die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. So wird teilweise in der unrichtigen Angabe des Unternehmensgegenstandes bei der verdeckten Vorratsgründung ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG gesehen, der gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit führt64. Andere folgern die Nichtigkeit der Angabe des Unternehmensgegenstandes bei der verdeckten Vorratsgründung dagegen direkt aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, ohne eine spezielle BGB-Nichtigkeitsvorschrift heranzuziehen65. Sie stellen die Angabe eines unwahren Unternehmensgegenstandes dem gänzlichen Fehlen einer solchen erforderlichen Satzungsbestimmung mit der Begründung gleich, dass der Zweck und die Herkunft der Vorschrift eine solche Gleichbehandlung erfordere66. Mangele es aber an einer Angabe zum Unternehmensgegenstand, so sei eine zwingende Gründungsvorausset62 Hueck, in: Baumbach/Hueck, AktG, 13. Auflage, § 23 Rdnr. 5; anders jedoch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13. 63 BGHZ 117, 323, 330 ff.; Priester, DB 2003, 2291, 2299. 64 Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 65 f.; Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 56; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 20. 65 J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1664 f.; für den entsprechenden § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 56; Pentz, in: MüKo zum AktG, § 23 Rdnr. 91. Auch der BGH erwähnt in seiner Entscheidung BGHZ, 117, 323, 334 diese Möglichkeit, ohne sich jedoch hierauf festzulegen. 66 J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1665 f.; für § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG Pentz, in: MüKo zum AktG, § 23 Rdnr. 91 f.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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zung nicht erfüllt, mit der Folge, dass eine gleichwohl erfolgte Eintragung zur nachträglichen Vernichtbarkeit der Gesellschaft gemäß § 75 Abs. 1 GmbHG und § 144 Abs. 1 FGG führe. Vielfach wird diesen alternativen Ansätzen zur Begründung der Nichtigkeit der verdeckten Vorratsgründung jedoch keine Aufmerksamkeit geschenkt. Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur leitet die Nichtigkeit aus § 117 BGB ab und hält es daher nicht für notwendig, genauer auf mögliche Verstöße gegen § 134 BGB oder § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG als Nichtigkeitsgründe einzugehen67. Verkannt wird hierbei aber, dass § 117 BGB das Vorliegen einer empfangsbedürftigen Willenserklärung sowie das Einverständnis über den bloßen Scheincharakter der Erklärung und damit das Vorliegen eines Zwei-Personen-Verhältnisses voraussetzt68, an dem es in den Fällen der nach der GmbH-Novelle zulässigen Einmanngründung gerade fehlt. Zur Einmanngründung genügt eine einseitige Willenserklärung des Gründers, die gegenüber dem Handelsregister abzugeben ist69. Auf derartige Willenserklärungen gegenüber einer Behörde ist § 117 BGB seinem Sinn und Zweck nach aber nicht anwendbar, da es in diesen Fällen an einem Einverständnis des Erklärungsempfängers fehlt70. Entscheidend ist daher in den Fällen der verdeckten Einpersonen-Vorratsgründung, ob die Nichtigkeit auch aus anderen Vorschriften gefolgert werden kann. Auch der BGH erwähnt in seiner Entscheidung zur Aktiengesellschaft zur Begründung der Nichtigkeit der verdeckten Vorratsgründung die Norm des § 134 BGB, lässt im Ergebnis jedoch offen, ob § 117 BGB oder § 134 BGB einschlägig ist oder ob die Nichtigkeit sogar unmittelbar aus der Verletzung der Pflicht zur Angabe des Unternehmensgegenstandes folgt. Festgestellt hat das Gericht in diesem Zusammenhang aber jedenfalls, dass § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, der § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG entspricht, keine reine Ordnungsvorschrift darstellt71. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob sich die Nichtigkeit auch auf § 134 BGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG oder unmittelbar auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG stützen lässt. Voraussetzung für beide Begründungsansätze ist zunächst einmal das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Die Anwendung des § 134 BGB setzt zudem voraus, dass § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ein Verbotsgesetz darstellt und dass das Gesetz für den Fall eines Verstoßes die Nichtigkeitssanktion vorsieht. 67

So ausdrücklich Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75, 80. Palandt/Heinrichs, BGB, § 117 Rdnr. 2; Kramer, in: MüKo zum BGB, § 117 Rdnr. 2. 69 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 1 Rdnr. 31; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 2 Rdnr. 4. 70 Kramer, in: MüKo zum BGB, § 117 Rdnr. 7. 71 BGHZ 117, 323, 334. 68

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

(1) Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG Für die Frage, ob die Angabe eines nicht oder nicht in absehbarer Zeit zu realisierenden Unternehmensgegenstandes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG verstößt, ist wiederum, wie auch schon bei der Prüfung des Vorliegens eines Scheingeschäfts, die Bedeutung dieser Regelung im Rahmen des Gründungsvorgangs entscheidend. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG verlangt zwar seinem Wortlaut nach nur die Angabe des Unternehmensgegenstandes in der Satzung. Ob hierfür die Angabe irgendeines, auch eines fiktiven oder eines nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes zu verwirklichenden Gegenstandes ausreicht, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Die herrschende Meinung versteht darunter zu Recht aber auch die Pflicht, nicht irgendeinen, sondern den wahren Unternehmensgegenstand zu nennen72. Dieser „Grundsatz der Gegenstandswahrheit“73 ist die logische und zwingende Folge einer sinnvollen Auslegung des Gesetzes. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine solche Pflicht regelt, ohne eine wahrheitsgemäße Angabe zu verlangen. Welche Bedeutung hätte die Normierung einer solchen Pflicht, wenn dieser durch Angabe eines Gegenstandes, dessen Verwirklichung gar nicht oder nicht in absehbarer Zeit geplant ist, genügt werden könnte? Eine solche rein am Wortlaut orientierte Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift gänzlich widersprechen. Zum einen könnte das Registergericht bei einer unwahren Angabe des Unternehmensgegenstandes nicht überprüfen, ob die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Zum anderen würde der durch § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bezweckten Information des Wirtschaftsverkehrs über den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft durch eine falsche Angabe des Unternehmensgegenstandes nicht genügt. Vielmehr würde der Rechtsverkehr sogar bewusst in die Irre geführt74. Es ist deshalb davon auszugehen, dass § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG eine Wahrheitspflicht bezüglich des Unternehmensgegenstandes enthält. Wird ein unwahrer Gegenstand genannt, liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG vor. Dies gilt auch dann, wenn ein Gegenstand angegeben wird, der erst zu einem zukünftigen ungewissen Zeitpunkt verwirklicht werden soll, da auch dieser nicht der Wahrheit entspricht und somit zu einer Fehlinformation des betroffenen Geschäftsverkehrs führt75. 72 BGHZ 117, 323, 334; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1664; Wallner, JZ 1986, 721, 727 ff.; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 118 ff.; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 50; a. A. Kraft, DStZ 1993, 101, 103. 73 Wallner, JZ 1986, 721, 727. 74 Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 118 ff. 75 Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 183 f.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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(2) Rechtsfolgen des Verstoßes Fraglich ist jedoch, welche Rechtsfolgen sich aus diesem Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ergeben. Das Gesetz regelt in § 75 Abs. 1 GmbHG nur, dass eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann, wenn die Angabe zum Gegenstand des Unternehmens in der Satzung nichtig ist. Eine Regelung darüber, wann eine Nichtigkeit des Unternehmensgegenstands gegeben ist, findet sich hingegen nicht. Hieraus schließt die überwiegende Ansicht, dass zur Klärung der Frage, wann eine Nichtigkeit vorliegt, die BGB-Vorschriften und damit auch § 134 BGB ergänzend heranzuziehen sind76. J. Meyer leitet dagegen die Nichtigkeit direkt aus einem Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG her, ohne auf die Nichtigkeitsvorschriften des BGB zurückzugreifen. Er ist der Auffassung, dass die Angabe eines fiktiven Gegenstands dem Fehlen des tatsächlichen Gegenstandes gleichzustellen ist77. Die Notwendigkeit dieser Gleichstellung ergebe sich aus einer am historischen und gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund der Vorschrift orientierten Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Die bis 1969 geltende Vorläufervorschrift zur heutigen Nichtigkeitsregelung habe sich noch auf alle Fälle bezogen, in denen der Gegenstand „nicht oder nicht dem Gesetz entsprechend“ angegeben worden sei. Durch die Umsetzung der 1968 erlassenen Publizitätsrichtlinie seien diese Vorschriften jedoch stark verändert worden. Die Publizitätsrichtlinie, die in Art. 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b und c eine Reihe von Nichtigkeitsgründen aufzähle, unter anderem auch das Fehlen der Angabe zum Unternehmensgegenstand, nicht aber die unrichtige Angabe desselben, stehe einer Gleichstellung jedoch nicht entgegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass mit dieser Bestimmung das Fehlen des tatsächlichen Gegenstandes gemeint und damit die Angabe eines unwahren Gegenstandes nicht anders zu behandeln sei als der Fall der fehlenden Angabe. Nur dieses Ergebnis sei vor dem Hintergrund der durch § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bezweckten Information des Rechtsverkehrs über den Unternehmensgegenstand und der registergerichtlichen Kontrolle sinnvoll. Eine dahingehende Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG sei daher nicht nur richtlinienkonform, sondern orientiere sich am Zweck der Richtlinie, dem Publizitätsprinzip und dem damit verbunden Schutz der Gläubiger. Eines Rückgriffs auf die BGB-Vorschriften bedürfe es daher nicht. 76 Zumeist wird ohne nähere Begründung auf § 134 BGB zurückgegriffen; so z. B. Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 48 ff.; mit ausführlicher Begründung aber Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 230 f. 77 J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1665.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

Auch nach der Ansicht, die § 134 BGB zur Begründung der Nichtigkeit heranzieht, steht Art. 11 der Publizitätsrichtlinie der Nichtigkeitsfolge bei unrichtiger Angabe des Unternehmensgegenstandes nicht entgegen78. Eine andere Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c würde dem Zweck der Vorschrift widersprechen, der gerade darin bestehe, die Publizität der wichtigsten Unternehmensdaten zu gewährleisten. Hieraus wird jedoch nicht geschlossen, dass die Heranziehung der BGB-Nichtigkeitsvorschriften unterbleiben kann. Vielmehr wird die Nichtigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmung mit der Begründung auf § 134 BGB gestützt, dass § 75 GmbHG keine Angaben über die Voraussetzungen der Nichtigkeit enthalte. Dem ist zuzustimmen. Tatsächlich fehlt es an einer spezialgesetzlichen Regelung der Folgen der unrichtigen Angabe des Unternehmensgegenstandes. Für die Frage nach der Nichtigkeit der Angabe sind deshalb die Vorschriften des BGB heranzuziehen. Der Unternehmensgegenstand wird, wenn auch nicht wahrheitsgemäß, in der Satzung genannt, so dass eine Gleichstellung mit der gänzlich fehlenden Angabe nicht in Betracht kommt. Auch Art. 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b und c der Publizitätsrichtlinie führen nicht zu einem anderen Ergebnis, da dem Zweck dieser Richtlinie auch durch die Nichtigkeit der Satzungsbestimmung gemäß § 134 BGB genügt wird. Da sich die Nichtigkeit nicht schon aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG selbst ergibt, sind die weiteren Voraussetzungen des § 134 BGB zu prüfen. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG müsste als Verbotgesetz i. S. d. § 134 BGB anzusehen sein. Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB ist eine Norm, die ein Rechtsgeschäft, das nach der Rechtsordnung grundsätzlich möglich ist, wegen seines Inhalts oder wegen der Umstände seines Zustandekommens untersagt79. Aus der Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG müsste sich demnach ergeben, dass diese Vorschrift die Angabe eines Unternehmensgegenstandes, der nicht oder nicht in absehbarer Zeit realisiert werden soll, verbietet. Dies ist mit den oben genannten Argumenten zur Wahrheitspflicht der Gründer zu bejahen. Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führt allerdings nicht automatisch zur Nichtigkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts. Vielmehr ist zusätzlich durch Auslegung zu ermitteln, ob das Gesetz eine Nichtigkeit verlangt, wenn nicht die Verbotsnorm ausdrücklich die Nichtigkeit bestimmt. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG trifft keine Aussage über die Rechtsfolge eines Verstoßes. Ob eine unwahre Angabe des Unternehmensgegenstandes als nichtig anzusehen ist, ist daher durch Auslegung zu ermitteln. Grundsätzlich spricht 78 Vgl. hierzu Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 60 f.; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 248 ff.; Röhricht, in: Großkommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 128; a. A. Hüffer, in: Geßler/ Hefermehl, AktG, § 275 Rdnr. 23; Kraft, DStR 1993, 101, 104 f. 79 Palandt/Heinrichs, BGB, § 134 Rdnr. 1.

II. Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorratsgründung

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aber eine gesetzliche Vermutung für die Nichtigkeit, wenn ein Verstoß gegen eine Verbotsnorm vorliegt80. Um die Nichtigkeitsfolge abzulehnen, müsste deshalb § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG dahingehend ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen diese Norm gerade nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen soll. Eine solche Auslegung ist jedoch mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Dies ergibt sich schon aus der Informationsfunktion des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG für den betroffenen Rechtsverkehr. Dieser kann nur durch eine wahrheitsgemäße Angabe genügt werden, da die Gläubiger sonst über die Tätigkeit der Gesellschaft in die Irre geführt würden81. Nur wenn die Satzungsbestimmung über den Unternehmensgegenstand nichtig ist, kann durch eine Nichtigkeitsklage gemäß § 75 Abs. 1 GmbHG und eine anschließende Amtslöschung gemäß § 144 Abs. 1 FGG eine Auflösung der Gesellschaft erreicht werden. Die Nichtigkeitsfolge ist auch erforderlich, um die unrichtige Angabe des wahren Gegenstands bei der verdeckten Vorratsgründung wirksam zu sanktionieren. Die Möglichkeit der Zurückweisung der Anmeldung durch das Registergericht, für die schon der Gesetzesverstoß als solcher genügt, ist als Sanktion nicht ausreichend, da gerade verdeckte Vorratsgründungen für das Registergericht nur schwer erkennbar sind. Hätte man nachträglich keine Möglichkeit, gegen die bereits eingetragenen Gesellschaften einzuschreiten, so würde man der verdeckten Vorratsgründung noch Vorschub leisten und ein solches Vorgehen unterstützen. Dies kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, der mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG keine bloße Ordnungsvorschrift normieren wollte. Deshalb ergibt sich auch aus der Auslegung der Norm die Nichtigkeit als gewollte Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht die Publizitätsrichtlinie, da alleine die Anwendung der Nichtigkeitsfolge auch auf diese Fälle dem Zweck der Richtlinie entspricht. Es ist mit der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass der Schutz des Rechtsverkehrs eine Sanktionierung der Falschangabe erfordert, die auch von der Publizitätsrichtlinie gewollt ist82. Die Angabe eines unrichtigen Unternehmensgegenstandes führt demnach auch gemäß § 134 BGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zur Nichtigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmung und damit zur Auflösbarkeit der Gesellschaft. 80 Palandt/Heinrichs, BGB, § 134 Rdnr. 7; Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S. 15; Mayer-Maly, in: MüKo zum BGB; a. A. Flume, Rechtsgeschäft, S. 341; BGHZ 45, 326. 81 So auch BGHZ 117, 323, 334 für § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG. 82 Hierzu eingehend Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 248 ff.; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 60 f.; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1665 f.; a. A. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 275 Rdnr. 23.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

3. Ergebnis Die Fälle der offenen Vorratsgründung, in denen der Unternehmensgegenstand wahrheitsgemäß mit der Verwaltung eigenen Vermögens angegeben wird, sind weder im Hinblick auf § 117 BGB, noch auf § 134 BGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zu beanstanden. Es besteht weder ein Eintragungshindernis, noch kann die Gesellschaft nachträglich für nichtig erklärt und aufgelöst werden. Die Angabe eines fiktiven oder eines nicht in absehbarer Zeit zu verwirklichenden Unternehmensgegenstandes ist dagegen sowohl nach § 117 BGB, als auch nach § 134 BGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG als nichtig anzusehen, wobei bei verdeckten Vorratsgründungen durch Einzelpersonen nur die §§ 134 BGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einschlägig sind83. Der Vorratszweck muss demnach in jedem Fall offen gelegt werden, um die Nichtigkeitssanktion zu vermeiden. Eine verdeckte Vorratsgründung ist nicht zulässig. Die Nichtigkeit der Satzungsbestimmung bei der verdeckten Vorratsgründung zieht dann auch die Nichtigkeit der gesamten Satzung nach sich, da die Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes einen notwendigen Bestandteil der Satzung darstellt. Erkennt das Registergericht die Unrichtigkeit des angegebenen Unternehmensgegenstandes, so kann es die Eintragung ablehnen und dadurch schon die Entstehung der Gesellschaft verhindern. Wird die GmbH dennoch eingetragen, kann sie durch die Nichtigkeitsklage gemäß § 75 Abs. 1 GmbHG und die nachfolgende Amtslöschung gemäß § 144 Abs. 1 FGG aufgelöst werden. Sie erlischt demnach nicht automatisch, sondern erst nach Durchführung des Amtslöschungsverfahrens. Der Mangel der Satzung kann aber durch eine Satzungsänderung gemäß § 76 GmbHG geheilt werden. Vor der Aktivierung der Vorratsgesellschaft wird die Satzung durch die Offenlegung der Vorratseigenschaft mithin durch die Angabe „Verwaltung eigenen Vermögens“ als Unternehmensgegenstand geheilt. Wird die Vorrats-GmbH aktiviert und weiter verwendet, so ist bei der erforderlichen Satzungsänderung der Unternehmensgegenstand entsprechend der nach der Aktivierung beabsichtigten Tätigkeit anzugeben, um eine Heilung herbeizuführen.

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J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1665 f.

III. Einwände gegen die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften 61

III. Einwände gegen die Zulässigkeit der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften Auch die rechtliche Zulässigkeit der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften ist bereits seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts umstritten. Wurde die Mantelverwendung zunächst in der Rechtsprechung nicht beanstandet84, so wertete das Kammergericht bereits im Jahr 1924 den Mantelkauf in zwei Entscheidungen als Verstoß gegen die guten Sitten, und damit als nichtig gemäß § 138 BGB85. Die heftige Kritik der herrschenden Literatur86 und eine abweichende Entscheidung des OLG Dresden, das den Mantelkauf nicht in jedem Fall, sondern nur unter besonderen Umständen für nichtig hielt87, führten jedoch dazu, dass das Kammergericht in den folgenden Entscheidungen die Nichtigkeit aus § 134 BGB herleitete und die Frage, ob auch § 138 BGB einschlägig ist, dahinstehen ließ88. In einer weiteren Entscheidung schränkte das Kammergericht diese Rechtsprechung dahingehend ein, dass ein als nichtig anzusehender Mantelkauf nicht vorliege, wenn das bestehende Unternehmen fortgeführt werde89. Für die Fälle der Mantelverwendung sollte es jedoch bei der Nichtigkeitsfolge bleiben. Das Reichsgericht ließ im Gegensatz zum Kammergericht die Frage nach der Zulässigkeit der Verwendung von Mantel- und Vorratgesellschaften offen und betonte nur, dass den Notar eine Pflicht zur Belehrung der Parteien über die vom Kammergericht erhobenen Einwände gegen ein derartiges Vorgehen und die daraus resultierenden Risiken für die Käufer der Gesellschaft treffe90. Nach diesem Urteil des Reichsgerichts riss die Rechtsprechung zur Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften für einige Jahrzehnte vollständig ab. Erst in den sechziger und siebziger Jahren ergingen wieder vereinzelt Entscheidungen zu dieser Problematik. In Abkehr von der zuvor herrschenden Rechtsprechung wurde jedoch der Mantelkauf nunmehr durchweg für zulässig erklärt91. Völlig überraschend und entgegen der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur wertete das OLG Ham84

So der RFH im „Mitropafall“, RFHE 1, 126. KG, JW 1924, 1535; KG, JW 1925, 635. Die beiden Entscheidungen betrafen allerdings den gleichen Fall. 86 Byk, Anm. zu KG, JW 1924, 1535; Hachenburg, Anm. zu KG, JW 1924, 1536; Breit, Anm. zu KG, JW 1925, 635. 87 OLG Dresden, JFG, 8, 157, 161 ff. 88 KG, JFG 10, 152, 155. 89 KG, JW 1934, 988, 989. 90 RG, JW 1934, 27. 91 LG Ravenburg, NJW 1964, 597; OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219. 85

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

burg in einer Entscheidung aus dem Jahr 1983 die Verwendung einer auf Vorrat gegründeten Gesellschaft wegen Umgehung der Gründungsvorschriften wiederum als nichtig gemäß § 134 BGB92. Zwar blieb dieses Urteil ein in der Folgezeit heftig kritisierter Einzelfall. Es führte jedoch eine erneute intensive Diskussion der Problematik in der Lehre herbei. In der Literatur hielten sich zunächst ablehnende und befürwortende Stimmen die Waage. Bereits in den achtziger Jahren wurde die Zulässigkeit jedoch überwiegend bejaht93. Heute ist die Zulässigkeit der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften nahezu unumstritten94. 1. Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB Die vom Kammergericht zunächst vertretene Ansicht, dass die Mantelverwendung sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig ist, weil durch dieses Vorgehen gesetzliche Vorschriften umgangen werden können95, ist als verfehlt anzusehen und wurde daher zu Recht auch später vom Kammergericht selbst nicht aufrechterhalten96. Das Kammergericht hatte sein Sittenwidrigkeitsurteil vor allem damit begründet, dass der Käufer des Gesellschaftsmantels eine Einzelperson war und mit der Mantelverwendung deshalb eine – damals vom Gesetz nicht zugelassene – Einmanngründung ermöglicht werden sollte. Ein solches Vorgehen stellte nach Ansicht des Gerichts einen Missbrauch einer vom Gesetz zu anderen Zwecken zur Verfügung gestellten Rechtsform dar, da hierdurch ein rechtlicher und wirtschaftlicher Erfolg herbeigeführt werde, der nicht im Gesetz vorgesehen sei. Ein Rechtsgeschäft, das darauf abzielt, einen solchen Missbrauch zu ermöglichen, sei aber als Verstoß gegen die guten Sitten und damit als nichtig gemäß § 138 BGB anzusehen97. Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht und wird deshalb auch von der ganz herrschenden Ansicht abgelehnt98. Zum einen sind die vom Kammer92

OLG Hamburg, ZIP 1983, 570. Vgl. zum ganzen Priester, DB 1983, 229, 229 f. m. w. N. 94 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 38; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000, § 3 Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 95 KG, JW 1924, 1535; KG, JW 1925, 635. 96 KG, JFG 10, 152, 155. 97 KG, JW 1924, 1535, 1537; KG, JW 1925, 635, 637 f. 98 Mit eingehender Begründung Priester, DB 1983, 2991, 2994; Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 74 ff.; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 130 ff.; Bär93

III. Einwände gegen die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften 63

gericht für das Vorliegen eines Missbrauchs der Rechtsform der GmbH vorgebrachten Argumente seit der GmbH-Novelle von 1980 als überholt anzusehen, da die Einpersonengründung nunmehr ausdrücklich vom Gesetz zugelassen wird99. Zum anderen ist das Sittenwidrigkeitsurteil auch aus dogmatischen Gründen nicht haltbar. Die Nichtigkeit wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften könnte allenfalls auf § 134 BGB gestützt werden, nicht aber auf § 138 BGB. Der bloße Gesetzesverstoß als solcher genügt für die Begründung der Nichtigkeit gemäß § 138 BGB nicht, da die Vorschrift des § 134 BGB sonst völlig leer liefe. § 138 BGB ist nur neben § 134 BGB anwendbar, wenn besondere Umstände hinzutreten, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen100. Solche besonderen Umstände, die ein Sittenwidrigkeitsurteil stützen könnten, liegen bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften grundsätzlich nicht vor. Insbesondere ergibt sich die Sittenwidrigkeit nicht aus einer Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften, da das Vorliegen eines unerlaubten Umgehungsgeschäfts allenfalls einen Gesetzesverstoß begründen könnte. Auch wenn man in der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften eine Umgehung der Gründungsvorschriften sieht, könnte sich ihre Nichtigkeit allenfalls aus § 134 BGB ergeben. Teilweise wird auch erwogen, die Sittenwidrigkeit dadurch zu begründen, dass der Unternehmer durch die Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft das Risiko einer verlustreichen Geschäftstätigkeit auf die Gläubiger abwälze, wenn er der Gesellschaft nicht ausreichend Haftungsmasse zur Verfügung stelle101. Eine derartige Argumentation klingt auch in den Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Hamburgs zu § 134 BGB an, da in diesen Urteilen die Unzulässigkeit der Umgehung der Gründungsvorschriften auch mit einer Gefährdung der Gläubiger begründet wird102. Diese Gefahr besteht jedoch nur dann, wenn der Unternehmer der GmbH nach Erwerb der Mantel- oder Vorratsgesellschaft tatsächlich nicht genug Kapital zuführt, also erst beim späteren Betrieb, nicht aber bereits bei Aktivierung der Gesellschaft. Diese potentielle Gläubigergefährdung ist aber keinesfalls geeignet, einen Verstoß gegen die Sitten zu begründen. Die waldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008; J. Mayer, NJW 2000, 175, 177; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 38. 99 Ebenso Priester, DB 1983, 2291, 2293; Bommert, GmbHR 1983, 209, 210; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 131, 100 Mayer-Maly, in: MüKo zum BGB, § 138 Rdnr. 4; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rdnr. 146; Soergel/Hefermehl, BGB, § 138 Rdnr. 63. 101 Diese Frage aufwerfend aber mit ausführlicher Begründung verneinend Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 74 ff.; ebenso Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008. 102 OLG Hamburg, BB 1983, 1116, 1117; KG, JFG 10, 152.

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

Verwendung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften und die damit typischerweise einhergehenden Rechtsgeschäfte wie der Kauf und die Übertragung der Anteile und die Änderungen der Satzung sind als solche nicht gefährlich für den Rechtsverkehr103. Wird tatsächlich eine unterkapitalisierte GmbH betrieben, so ist dies kein spezifisches Problem derartiger Gesellschaften. Dieses Risiko besteht bei jeder auf „normalem“ Wege gegründeten Gesellschaft auch und rechtfertigt deshalb nicht die Nichtigkeit der Verwendung von Mantel- und Vorratgesellschaften wegen Sittenwidrigkeit. Die auf § 138 BGB gestützte Nichtigkeit der Verwendung von Mantelund Vorratsgesellschaften ist daher mit der ganz herrschenden Meinung abzulehnen. 2. Nichtigkeit gemäß § 134 BGB Zu klären bleibt aber, ob die Nichtigkeit auf § 134 BGB gestützt werden kann. Das Kammergericht hielt § 134 BGB für einschlägig, da „die Mantelverwertung gegen den Zweck wichtiger Gesetzesvorschriften und gegen das daraus zu entnehmende Verbot ihrer Umgehung verstößt“104. Das Gericht betonte in der Entscheidung, dass es Sinn und Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften sei, einen Ausgleich für den Ausschluss der Haftung der Gesellschafter in der Kapitalgesellschaft zu schaffen. Das Mindeststammkapital diene dem Schutz der Gläubiger, die die Gesellschafter wegen des gesetzlichen Haftungsausschlusses nicht persönlich in Anspruch nehmen könnten. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Vorschriften „durch Einkleidung eines beliebigen Unternehmens in den bis dahin wirtschaftlich inhaltslosen Mantel einer nur der äußeren Form nach bestehenden Gesellschaft umgangen werden könnten“105. Es sei deshalb nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine solche Umgehung zulassen wollte. Das OLG Hamburg nahm in seiner überraschenden Entscheidung aus dem Jahr 1983106 mit ähnlichen Argumenten wie das Kammergericht die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB an. Nach Ansicht des OLG Hamburgs muss die Umgehung der gesetzlichen Kapitalaufbringungsvorschriften die Nichtigkeit der Verwendung einer Mantelgesellschaft nach sich ziehen, da nur auf diese Weise den Gründungsanforderungen wirksam Geltung verschafft werden könne. 103 So auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. a); J. Meyer, NJW 2000, 175, 177; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 38. 104 KG, JFG 10, 152, 155. 105 KG, JFG 10, 152, 156. 106 OLG Hamburg, ZIP 1983, 570; vgl. hierzu die Besprechung von Ulmer, BB 1983, 1123.

III. Einwände gegen die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften 65

Dieser Entscheidung lag jedoch eine besondere Fallgestaltung zugrunde, die ihre grundsätzliche Bedeutung für die rechtliche Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaft relativiert. Der Sachverhalt der Entscheidung stellte sich wie folgt dar: Im Jahr 1982 erteilte der Beklagte der Klägerin Aufträge im Namen einer nicht im Handelsregister eingetragenen, noch in Gründung befindlichen GmbH, ohne die Rechnungen für die durchgeführten Arbeiten zu bezahlen. Anschließend erwarb der Beklagte in Vertretung einer anderen GmbH die Anteile einer dritten, im Jahre 1978 gegründeten GmbH, die über ein satzungsmäßiges Stammkapital von 20.000 DM verfügte, auf das bereits 5.000 DM eingezahlt waren. Er änderte Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand der Gesellschaft und bestellte sich selbst zum neuen Geschäftsführer. Anschließend zahlte er den noch ausstehenden Betrag des Stammkapitals in Höhe von 15.000 DM ein und setzte später das Stammkapital auf 100.000 DM herauf. Diese Vertragsänderungen wurden jedoch nicht mehr ins Handelsregister eingetragen, da in der Zwischenzeit ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt worden war. Die Klägerin machte nun einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn geltend. Das Gericht gab der Klage statt.

Das Gericht führte zur Begründung dieser Entscheidung aus, dass sich eine Haftung des Beklagten aus § 11 Abs. 2 GmbHG ergebe, da er im Namen der in Gründung befindlichen GmbH gehandelt habe. Diese Haftung des Beklagten sei auch nicht durch die Eintragung der GmbH ins Handelsregister weggefallen, da die Gründung der GmbH wegen der Verwendung eines GmbH-Mantels als nichtig gemäß § 134 BGB anzusehen sei. Das Gericht war der Ansicht, dass sich die Umgründung der GmbH als Umgehungsgeschäft darstellt, da hierdurch die Vorschriften zur Mindestkapitalausstattung und die registerrechtliche Kontrolle umgangen werden sollten107. Der dem Urteil des OLG Hamburg zugrunde liegende Sachverhalt weist gegenüber dem „Normalfall“ der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft zwei Besonderheiten auf108. Zum einen ist der vorliegende Fall deshalb außergewöhnlich, weil bereits im Namen einer noch in Gründung befindlichen GmbH gehandelt wurde, bevor der Erwerb eines Mantels erfolgte. Üblicherweise vollziehen die Gründer zuerst den Mantelkauf, bevor sie ihre Geschäftstätigkeit aufnehmen, da in den meisten Fällen die Vermeidung von Haftungsrisiken im Gründungsstadium gerade Sinn und Zweck der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft ist. Zum anderen wollten die Gründer durch den Kauf einer vor 1980 gegründeten GmbH die Aufbringung des durch die GmbH-Novelle erhöhten Mindeststammkapitals vermeiden. Dieses Motiv für die Verwendung von Mantel- und Vorrats107

OLG Hamburg, BB 1983, 1116, 1117. Vgl. Priester, DB 1983, 2291, 2292; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 133 f. 108

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

gesellschaften stellt aber ein zeitlich begrenztes Übergangsproblem dar, das heute nicht mehr von Relevanz ist. Trotz des Vorliegens dieser Besonderheiten traf das OLG Hamburg auch allgemeine Aussagen zur rechtlichen Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften, die in der Folgezeit in der Literatur eingehend diskutiert wurden. Zwar hielt das OLG den Erwerb einer Mantelgesellschaft und dessen Weitverwendung mit der herrschenden Meinung grundsätzlich für zulässig. Nach Ansicht des Gerichts ergeben sich aber Besonderheiten, wenn hierdurch die Vorschriften zur Mindestkapitalausstattung umgangen werden. Dieser Umgehung könne auch nicht durch eine analoge Anwendung der entsprechenden Vorschriften Rechnung getragen werden. Stattdessen bedürfe es der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB, um diesen zwingenden Vorschriften die notwendige Geltung zu verschaffen, da diese sonst „nicht ernst genommen würden“109. Die Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Hamburg sehen sich jedoch mehreren Kritikpunkten ausgesetzt. Zunächst ist festzustellen, dass die Behandlung von Umgehungsgeschäften nach der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur ein Problem der Normanwendung, nicht aber ein eigenes Rechtsinstitut darstellt, das automatisch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich zieht110. Nach dieser zu befürwortenden Ansicht liegt ein Umgehungsgeschäft dann vor, wenn statt eines verbotenen Rechtsgeschäfts ein anderes vorgenommen wird, auf das die Verbotsvorschrift nicht anwendbar ist und durch das derselbe wirtschaftliche Erfolg erzielt wird wie mit dem verbotenen Geschäft. Nichtig gemäß § 134 BGB ist dieses Umgehungsgeschäft aber nur dann, wenn das Verbotsgesetz nach seinem Sinn und Zweck gerade den beabsichtigten wirtschaftlichen Erfolg verhindern soll. Erforderlich für das Vorliegen eines nichtigen Umgehungsgeschäfts ist deshalb zum einen, dass sich aus einer Auslegung der umgangenen Vorschrift ergibt, dass sie auch das Umgehungsgeschäft erfassen soll. Zum anderen muss es sich bei der umgangenen Vorschrift um ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB handeln, das bei Verstößen die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts verlangt. Die Verwendung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften ist demnach darauf zu untersuchen, ob sie ein Rechtsgeschäft enthält, durch das ein Verbotsgesetz umgangen wird. 109

OLG Hamburg, BB 1983, 1116, 1117. Soergel/Hefermehl, BGB, § 134 Rdnr. 37; Medicus, AT, Rdnr. 660 f.; Flume, AT II, § 17 Rdnr. 5; a. A. Mayer-Maly/Armbrüster, in: MüKo zum BGB, § 134 Rdnr. 11; Priester, 1983, 2291, 2294; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 71, 91 ff. 110

III. Einwände gegen die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften 67

Der Kauf einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft setzt sich aus mehreren Rechtsgeschäften zusammen. Es wird ein Kaufvertrag über die Geschäftsanteile geschlossen, es findet eine Übertragung der Geschäftsanteile statt, und es erfolgt anschließend eine Satzungsänderung. Fraglich ist demnach, ob sich ein einzelnes dieser Rechtsgeschäfte oder aber die Verwendung als gesamter Vorgang als Umgehungsgeschäft darstellt. Das Kammergericht war der Ansicht, dass die Übertragung der Anteile als Umgehungsgeschäft zu qualifizieren sei111. Das OLG Hamburg hat dagegen im „Kauf des Mantels und der Umgründung“ ein solches Geschäft gesehen112. Aus dieser Formulierung wird aber nicht deutlich, welches der mit der Verwendung einer Mantelgesellschaft typischerweise einhergehenden Rechtsgeschäfte im Hinblick auf eine Umgehung zu beanstanden ist. Betrachtet man alle diese Rechtgeschäfte einzeln, so ist festzustellen, dass jedes für sich genommen rechtlich neutral ist. Es ist weder verboten, Geschäftsanteile einer GmbH zu verkaufen und zu übertragen, noch ist es verboten, Satzungsänderungen durchzuführen. Zudem besteht keine gesetzliche Regelung, die den wirtschaftlichen Erfolg der Mantelverwendung insgesamt verbietet113. Ein Verbot der Mantelverwendung ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Gründungsvorschriften. Die Gründungsvorschriften des GmbHG beschränken sich vielmehr darauf, die Entstehung einer GmbH von der Einhaltung gewisser Voraussetzungen abhängig zu machen114. Bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften wird aber nur eine bereits bestehende Gesellschaft wieder aktiviert und mit einem neuen Unternehmen ausgestattet115. Die Gründungsvorschriften enthalten aber kein Verbot der Gründung eines Unternehmens auf andere Weise als im Wege der Neugründung einer Gesellschaft. Zudem führt selbst bei Neugründung einer Gesellschaft die Nichteinhaltung der Gründungsvorschriften nicht zur Nichtigkeit. Wird eine GmbH trotz Nichtbeachtung der Gründungsvorschriften ins Handelsregister eingetragen, so ist die Gesellschaft dennoch entstanden. Die Einhaltung der Gründungsvorschriften und dabei insbesondere der Kapitalaufbringungspflichten wird stattdessen durch Sanktionen gegen die Gesellschafter und Geschäftsführer erreicht116. So haften die Gesellschafter persönlich gemäß §§ 9 und 9a sowie § 24 111

KG, JFG 10, 152. OLG Hamburg, BB 1983, 1116, 1117. 113 So auch Priester, DB 1983, 2291, 2294 f.; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1105, 1007; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 72; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 135; Meyding, Die Mantel-GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, S. 59; Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 14. 114 Vgl. Priester, DB 1983, 2291, 2294; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125. 115 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 72. 112

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2. Kap.: Rechtliche Zulässigkeit von Mantel- und Vorratsgesellschaften

GmbHG, wenn das Mindeststammkapital nicht aufgebracht wird. Zudem droht ihnen gemäß § 82 GmbHG eine Strafverfolgung. Damit liegt mangels Vorliegens eines Verbotsgesetzes in der Verwendung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften auch kein Umgehungsgeschäft, das zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB führen könnte117. Daneben ist die Nichtigkeit der Mantelverwendung aber auch aus rechtspraktischer Sicht abzulehnen. Sie stellt eine viel zu drastische Reaktion auf die grundsätzlich vom legitimen Interesse der Gründer an der Abkürzung des Gründungsverfahrens getragene Mantelverwendung dar. Ulmer formuliert insoweit anschaulich, dass die Nichtigkeit ein „zu grobes Geschütz“ mit „überschießender Tendenz118 sei. Ein wirksamer Schutz der Gläubiger könne auch auf anderem Wege erreicht werden. Die herrschende Ansicht119 will der Umgehungsproblematik bei der Mantelverwendung durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften Rechnung tragen120. Ob die analoge Anwendung dieser Vorschriften zur Sicherung der Gläubiger vor einem Missbrauch derartiger Gesellschaften notwendig und hinreichend ist, wird im Folgenden noch zu untersuchen sein. Jedenfalls aber ist die Ansicht von der Nichtigkeit der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften mit der herrschenden Meinung abzulehnen121.

116

Vgl. Priester, DB 1983, 2291, 2294; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 136 f.; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 72 f. 117 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 38 f.; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1007; Priester, DB 1983, 2291, 2294; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125; vgl. im Ergebnis auch: Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 21; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000, § 3 Rdnr. 8; mit anderer Begründung: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. a). 118 Ulmer, BB 1983, 1123, 1125. 119 BGHZ 153, 158; BGHZ 155, 318; Ulmer, BB 1983, 1125 f.; Priester, DB 1983, 2291, 2295; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. 120 Ausführlich dazu im 3. Kapitel. 121 Priester, DB 1983, 2291, 2294 f.; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125; Bärwaldt/ Schabacker, GmbHR 1998, 1105, 1007; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 72; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 135; Meyding, Die Mantel-GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, S. 59.

3. Kapitel

Zur Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften I. Problemaufriss Nach der mittlerweile vorherrschenden Ansicht erfordert die potentielle Gefährdung der Gläubiger durch die Verwendung von unterkapitalisierten Mantel- und Vorratsgesellschaften eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften1. Dieser Auffassung hat sich auch der BGH in zwei neuen Entscheidungen zur Vorrats- und zur Mantelgesellschaft ausdrücklich angeschlossen2. Die Umgehung der Gründungsvorschriften soll nach dieser Ansicht also nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur analogen Anwendung der umgangenen Vorschriften führen. Ob sich hinter der möglichen Gefährdung der Gläubiger durch Gesellschaften mit unzureichender Kapitalausstattung aber tatsächlich ein Sonderproblem der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften verbirgt und ob die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften eine tragfähige und rechtlich zulässige Lösung dieser Problematik darstellt, ist in diesem Kapitel zu untersuchen.

II. Direkte Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften Zunächst ist festzustellen, dass die Gründungsvorschriften des GmbHG auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften nicht direkt anwendbar sind. Der erste Abschnitt des GmbHG regelt alleine die Anforderungen an eine rechtliche Neugründung einer GmbH. Das Gesetz knüpft die Entstehung einer neuen Gesellschaft und damit auch das erstmalige Eingreifen der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 3 GmbHG an die Aufbringung des Stammkapitals und die Kontrolle des Registergerichts. Die Gründungsvorschriften des GmbHG sind demnach nur dann direkt anwendbar, wenn die GmbH durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages rechtlich neu 1 2

s. hierzu 3. Kapitel III. 1. a), Fn. 10. BGHZ 153, 158; BGHZ 155, 318.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

gegründet wird und damit eine neue juristische Person entsteht3. Bei der Verwendung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft besteht dagegen bereits eine wirksam gegründete GmbH, die nur mit neuem Leben gefüllt wird. Zwar wird dieser mit der Verwendung einer Mantel- oder Vorratgesellschaft einhergehende Vorgang der erstmaligen oder erneuten Aufnahme eines Geschäftsbetrieb und der darauf folgenden aktiven Teilnahme am Wirtschaftsverkehr von den Befürwortern der analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften als wirtschaftliche Neugründung einer Gesellschaft bezeichnet. Unabhängig davon, ob man dieser Ansicht zustimmen möchte oder nicht, liegt darin aber jedenfalls keine rechtliche Neugründung im Sinne des GmbHG, die eine direkte Anwendung der Gründungsvorschriften nach sich ziehen würde. Die erstmalige oder erneute Aktivierung der Vorrats- oder Mantelgesellschaft ändert nichts an ihrer bereits vorhandenen rechtlichen Existenz. Die Gründungsvorschriften lassen sich demnach auch nicht im Wege der Auslegung auf die Fälle der Aktivierung von Mantelund Vorratsgesellschaften erstrecken4. In Betracht kommt deshalb nur eine analoge Anwendung der entsprechenden Vorschriften.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften 1. Die verschiedenen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur bis zu den Urteilen des BGH a) Für eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf Vorrats- und Mantelgesellschaften Bereits vor den beiden neuen Entscheidungen des BGH5 hat sich der überwiegende Teil von Rechtsprechung6 und Literatur7 für eine analoge 3

Priester, DB 1983, 2291, 2295. Priester, DB 1983, 2291, 2295. 5 BGHZ 153, 158; BGHZ 155, 318. 6 OLG Brandenburg, NJW-RR 2002002, 971; OLG Celle, FGPrax 2002, 183; OLG Schleswig-Holstein, GmbHR 2002, 1135; LG Dresden, GmbHR 2000, 1151; LG Dresden, GmbHR 2000, 731; OLG Frankfurt a. M. GmbHR 1999, 32; LG Frankfurt Oder, DB 2001, 692; a. A. BayObLGZ 1999, 87; OLG Frankfurt a. M., GmbHR 1992, 456. 7 Für eine analoge Anwendung: Ulmer, BB 1983, 1125 f.; Priester, DB 1983, 2291, 2295; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3.; für eine analoge Anwendung auf die Verwendung von Mantelgesellschaften, nicht aber von Vorratsgesellschaften: Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 33; gegen eine analoge Anwendung in beiden Fällen: Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008; U. Mayer, NJW 2000, 4

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Mantelverwendung und zumeist auch auf die Aktivierung einer Vorratsgesellschaft ausgesprochen. Als Begründung hierfür wurde zumeist nur schlagwortartig angeführt, dass in diesen Fällen ein neues Unternehmen erstmals eine haftungsbeschränkte Tätigkeit aufnehme und deshalb eine wirtschaftliche Neugründung vorliege. Durch dieses Vorgehen würden die nur bei der rechtlichen Neugründung einschlägigen Kapitalaufbringungsvorschriften umgangen. Die Vorschriften zur Aufbringung und Kontrolle des Stammkapitals seien aber der Preis für die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter, der auch bei der wirtschaftlichen Neugründung zum Schutze der Gläubiger zu zahlen sei8. Eine eingehende, dogmatischen Anforderungen genügende Begründung für das Vorliegen einer Gesetzesumgehung und vor allem für die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen erfolgte dagegen zumeist nicht. aa) Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung Als entscheidendes Argument für eine Analogie zu den Gründungsvorschriften führte die herrschende Meinung an, dass in der Verwendung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft zwar keine rechtliche, aber die wirtschaftliche Neugründung eines Unternehmens liege9. Die aktive Gesellschaft sei nur formal identisch mit der verwendeten Gesellschaft, nicht aber wirtschaftlich, da bei der Aktivierung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften ein neues Unternehmen erstmals die Vorteile der Haftungsbeschränkung erlange. Bei einem derartigen Vorgehen seien daher die grundsätzlich nur für die rechtliche Neugründung geltenden Gründungsvorschriften analog anzuwenden. Wann eine solche wirtschaftliche Neugründung, die zur analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften führen soll, vorliegt, ist allerdings umstritten. Die wirtschaftliche Neugründung ist in den Fällen der Verwendung eines Gesellschaftsmantels von der bloßen Umorganisation eines noch aktiven Unternehmens abzugrenzen, bei der eine analoge Anwendung von Gründungsvorschriften auch nach herrschender Ansicht nicht in Betracht kommt10. Bei Verwendung einer Vorratsgesellschaft bereitet diese Abgren175, 178; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 347 ff.; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 8 ff. 8 Vgl. z. B. Ulmer, BB 1983, 1123, 1125; Priester, DB 1983, 2291, 2295; teilweise wird diese auch als „faktische“ Neugründung bezeichnet, so z. B. LG Hamburg, NJW 1985, 2426, 2427. 9 BGHZ 117, 323, 331; LG Hamburg, NJW 1985, 2426; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Ulmer, BB 1983, 1123; Priester, DB 1983, 2291; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

zung zumeist keine Schwierigkeiten, da hier die Vorratseigenschaft bereits aus dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand ersichtlich wird, es sei denn, es handelt sich um eine unzulässige verdeckte Vorratsgründung. Erhebliche Abgrenzungsprobleme ergeben sich jedoch regelmäßig bei der Verwendung einer Mantelgesellschaft, da bei diesen Gesellschaften die Manteleigenschaft nicht aus der Satzung hervorgeht. Zur Unterscheidung zwischen Mantelverwendung und bloßer Umorganisation eines Unternehmens wurden in Literatur und Rechtsprechung verschiedene Kriterien angeführt. Genannt wurden – teils kumulativ, teils alternativ – folgende Gesichtpunkte, die für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung sprechen sollen: der Gesellschafterwechsel11, die Firmenänderung12, der Austausch der Geschäftsführer13, der Branchenwechsel14 sowie die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft15. Diese Umstände werden allerdings zumeist nicht als maßgebliche Kriterien, sondern vielmehr als Indizien für die wirtschaftliche Neugründung angesehen16. Das Kammergericht17 hielt eine Mantelverwendung dann für gegeben, wenn die benutzte Gesellschaft keinerlei wirtschaftliche Bedeutung mehr hatte und sich der Betrieb des neuen Unternehmens in keiner Weise als Fortsetzung des alten Unternehmens darstellte. Eine Einstellung der Geschäftstätigkeit vor der Weiterverwendung der Gesellschaft sollte dagegen nicht für einen Mantelkauf sprechen, wenn es sich um eine nur vorübergehende Unterbrechung handelte und eine wirtschaftliche Fortsetzung des alten Unternehmens von den Erwerbern gewollt war. 10 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 35; Priester, DB 1983, 2291. 11 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); Priester, DB 1983, 2291; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 12 Priester, DB 1983, 2291; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus; GmbHG, § 3 Rdnr. 16; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 13 Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 14 Priester, DB 1983, 2291; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus; GmbHG, § 3 Rdnr. 16; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 15 Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 27. 16 Priester, DB 1983, 2291, 2298; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); a. A. Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 33 ff., die zumindest den Gesellschafterwechsel als unverzichtbares Merkmal ansieht. 17 KG, JW 1934, 988, 989.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Ein Teil der Literatur schloss sich dieser Ansicht an und ging demgemäß von einer bloßen Umorganisation eines Unternehmens aus, wenn trotz zwischenzeitlicher Auflösung das alte Unternehmen die Basis für die Fortführung des Neuen bilde18. Die „wirtschaftliche Identität“ der GmbH müsse erhalten bleiben, um von der Umorganisation eines Unternehmens sprechen zu können19. Eine Mantelverwendung sollte im Gegensatz dazu nur dann vorliegen, wenn die alte GmbH den Erwerbern nur als Haftungsträger für eine neue Geschäftstätigkeit diene. Die aufgeführten übrigen Kriterien gingen zwar typischerweise mit der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft einher, sie seien aber nur als Indizien für das Vorliegen einer wirtschaftliche Neugründung anzusehen, nicht aber als begriffsnotwendig. Sie könnten lediglich als Anhaltspunkte für das Registergericht dienen, die Unternehmenslosigkeit der verwendeten Gesellschaft zu überprüfen. Nach der Gegenansicht war dagegen allein die vorübergehende Unternehmenslosigkeit der Gesellschaft und die anschließende Verwendung dieses Rechtsträgers für eine andere Tätigkeit erforderlich und hinreichend für das Vorliegen einer Mantelverwendung20. Eine bloße Umstrukturierung oder Neuorganisation des Unternehmens lag nach dieser Ansicht dann vor, wenn die Gesellschaft noch ein Unternehmen betrieben hatte, auf dessen Grundlage das neue Unternehmen nach Anpassung des Gegenstandes und ohne auch nur vorübergehende Einstellung der Geschäftstätigkeit fortgeführt wurde21. Ob die Gesellschaft noch über relevantes Vermögen verfügte oder nicht, sollte entgegen einiger Stimmen in der Literatur22 für die Feststellung der wirtschaftlichen Neugründung nicht relevant sein23. Umstritten ist schließlich auch, wann eine Gesellschaft entsprechend dieser Definition als unternehmenslos anzusehen ist. Priester24 will zur Feststellung der Unternehmenslosigkeit auf die zu § 22 HGB entwickelten Grundsätze zurückgreifen, da im Rahmen des § 22 HGB der vergleichbare Fall zu entscheiden sei, ob ein Handelsgewerbe fortgeführt werde oder nicht. Zwar kenne das Handelsrecht keinen einheitlichen Unternehmensbegriff, auf den für die Abgrenzung zurückgegriffen werden könne. Aber 18

Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 35; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 22. 19 Ulmer, BB 1983, 1123, 1126. 20 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); vgl. Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 16; Priester, DB 1983, 2291, 2297 f. 21 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 35; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b). 22 Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 14; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 27. 23 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b). 24 Priester, DB 1983, 2291, 2298.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

aus den handelsrechtlichen Voraussetzungen für den Bestand eines Handelsgewerbes könnten allgemeine Grundsätze auch für den Bestand von Unternehmen entwickelt werden. Priester schlägt deshalb in Anlehnung an die handelsrechtlichen Bestandsvoraussetzungen vor, den Unternehmensbegriff wie folgt zu definieren: „Unternehmen ist ein Zusammenschluss, der ein Mindestmaß an organisierter Einheit aufweist und über ein Mindestmaß an sachlichen und persönlichen Mitteln verfügt, die bei generell-abstrakter Betrachtungsweise geeignet sind, den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand zu verwirklichen“25. Das Kammergericht hatte dagegen in seiner letzten Entscheidung zur Mantelverwendung für den Fall, dass ein Unternehmen nur noch aus einer eingeführten Warenbezeichnung und dem Geschäftsführer bestand, die Ansicht vertreten, dass noch ein Unternehmen bestehe und sich infolgedessen die Fortführung dieses Unternehmens nur als Umorganisation, nicht aber als Mantelverwendung darstelle26. Bei Anwendung des strengeren von Priester vorgeschlagenen Unternehmensbegriffs wäre in diesem Fall von der Unternehmenslosigkeit der Gesellschaft auszugehen gewesen, da das Unternehmen nicht mehr über ein Mindestmaß an sachlichen und persönlichen Mitteln verfügte. Wieder andere stellen darauf ab, ob das Unternehmen wiederbelebt werden könnte oder nicht27. bb) Umgehung der Gründungsvorschriften Durch diese wirtschaftliche Neugründung werden, so die herrschende Ansicht, die Gründungsvorschriften umgangen, da durch die Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft ein neues Unternehmen erstmals eine haftungsbeschränkte Tätigkeit aufnehme, ohne dass die der Sicherung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften zur Anwendung gelangen28. Sinn und Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften sei aber, durch die Pflicht zur Aufbringung des Mindeststammkapitals und die registerrechtliche Kontrolle einen Ausgleich für den Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter zu schaffen und die Gesellschafter zumindest teilweise für das Risiko der ausgeübten Geschäftstätigkeit einstehen zu lassen. Das Mindeststammkapital wird quasi als Preis für die beschränkte Haftung der Gesellschafter angesehen29. Durch die Verwendung einer Mantel25

Priester, DB 1983, 2291, 2298 Fn. 117. KG, JW 1934, 998. 27 Gürtner, MDR 1954, 76, 78. 28 Eingehend hierzu Priester, DB 1983, 2291, 2291, 2294 f.; vgl. auch Scholz/ Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 13; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 23. 29 Priester, DB 1983, 2291, 2295; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125. 26

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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oder Vorratsgesellschaft werde diese Funktion der Kapitalaufbringungsvorschriften jedoch vereitelt, da die Gesellschafter in diesen Fällen ohne Aufbringung des Mindeststammkapitals in den Genuss der Haftungsbeschränkung kämen. Die wirtschaftliche Neugründung stelle sich demnach als eine Umgehung gesetzlicher Vorschriften dar und rechtfertige im Ergebnis eine analoge Anwendung der umgangenen Normen30. Das Umgehungsargument der herrschenden Meinung ist indes nicht neu, sondern findet sich bereits in einem Urteil des Kammergerichts31. Allein die aus der Umgehung abgeleiteten Rechtsfolgen stimmen nicht überein. Während das Kammergericht der Ansicht war, dass die Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften zur Nichtigkeit der Mantelverwendung gemäß § 134 BGB führt, folgert die herrschende Meinung hieraus nur eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften. cc) Gläubigerschutz Eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften ist nach herrschender Meinung aber auch insbesondere deshalb angezeigt, weil hiermit dem durch diese Vorschriften bezweckten Gläubigerschutz Rechnung getragen werde32. Da die Gründungsvoraussetzungen unsolide Gründungen verhinderten und dafür sorgten, dass die Gesellschaft über eine ausreichende Kapitalausstattung verfüge, dienten sie vorrangig dem Schutz der Gläubiger, die als Ausgleich für den Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter auf den Haftungsfonds der Gesellschaft zugreifen können33. Dieser Schutzzweck greife auch bei der wirtschaftlichen Neugründung ein, durch die ein Unternehmen erstmals den Vorteil der Haftungsbeschränkung erlange. Es bestehe die Gefahr, dass die Gründer einen unterkapitalisierten Gesellschaftsmantel benutzten und damit nicht genügend Haftungsmasse für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehe. Dieser Missbrauchsgefahr sei durch eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften Rechnung zu tragen. Letztlich beruht die herrschende Ansicht also auf der Angst, dass Unternehmer eine unterkapitalisierte GmbH erwerben und betreiben und so den Ausgleich der Forderungen der Gläubiger gefährden könnten. Diese Gläubigerschutzproblematik ist auch der eigentliche Ausgangspunkt für die eingehende Diskussion der Zulässigkeit der Grün30 Priester, DB 1983, 2291, 2293; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4 III 3. d); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39. 31 KG, JFG 10, 152, 155 f. 32 Priester, DB 1983, 2291, 2293; Ulmer, BB 1983, 1123, 1125, 1126; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 25. 33 Priester, DB 1983, 2291, 2295.

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dung und Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften in Rechtsprechung und Literatur, da sie das vorherrschende negative Bild von derartigen Gesellschaften entscheidend geprägt hat. b) Die Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften nach der bisher herrschenden Meinung Fraglich ist zunächst, welche Vorschriften des GmbHG im Einzelnen auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften anzuwenden sein sollen. Häufig wird nur pauschal auf eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften verwiesen, ohne näher darauf einzugehen, welche Normen damit eigentlich gemeint sind34. Der Begriff „Gründungsvorschriften“ wird im Text des GmbHG jedoch an keiner Stelle erwähnt und dennoch verwendet die herrschende Ansicht diesen, als lasse er keinen Zweifel daran, welche Vorschriften er umfasst. Zu klären ist demnach, welche Normen des GmbHG nach herrschender Ansicht auf die Fälle der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften entsprechend anzuwenden sind. Nach Priester sollen die Vorschriften des GmbHG anwendbar sein, die „ein Mindestmaß an Kapitalausstattung und Leistungspflicht am Beginn eines haftungsbeschränkten Unternehmens verlangen“35. aa) Kapitalaufbringungspflicht Weitgehend einig waren sich die Vertreter der herrschenden Meinung darüber, dass die Vorschriften über Mindeststammkapital und Mindeststammeinlagen, also die §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 u. 3 GmbHG36 auf die wirtschaftliche Neugründung entsprechend anzuwenden seien37. Das Stammkapital der verwendeten Vorrats- oder Mantelgesellschaft musste deshalb mindestens 50.000 DM betragen und war gegebenenfalls von den Gründern erneut aufzubringen, wenn es bereits verbraucht worden war. Streit herrschte jedoch darüber, ob die Gründer die Gesellschaft nur mit dem Mindeststammkapital auszustatten haben oder ob sie auch ein eventuell höheres satzungsmäßiges Stammkapital der verwendeten Gesellschaft aufbringen müssen. 34

BGHZ 117, 323, 331; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15. 35 Priester, DB 1983, 2291, 2295. 36 Diese entsprechen den §§ 7, 36a AktG. 37 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3 d); Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdnr. 15; Priester, DB 1983, 2291, 2295; Soergel/Huber, BGB, vor § 433, Rdnr. 213; Ihrig, BB 1988, 1197, 1203; Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 71 f.

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(1) Gesetzliches Mindeststammkapital Nach herrschender Ansicht in der Literatur sollten die Gesellschafter bei Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft nur dazu verpflichtet sein, das vorhandene Stammkapital entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung bis zur Höhe des gesetzlichen Mindeststammkapitals aufzufüllen38. Eine Pflicht der Unternehmensgründer zur Bereitstellung des satzungsmäßigen Stammkapitals lehnten sie dagegen ab, da der Schutz vor einer Umgehung des Gesetzes nur eine Aufbringung des Mindeststammkapitals erfordere, da auch bei der rechtlichen Neugründung nur die Mindestkapitalvorschriften zu beachten seien. Eine völlige Gleichstellung von wirtschaftlicher und rechtlicher Neugründung dergestalt, dass die Verwender einer Manteloder Vorratsgesellschaft so zu stellen seien, als hätten sie die verwendete Gesellschaft gerade neu errichtet, sei nicht gerechtfertigt39. Nach K. Schmidt sollen die Gesellschafter so behandelt werden, als hätten sie „eine – nicht diese konkrete – GmbH gegründet“40. Auch aus Gründen des Gläubigerschutzes sei keine andere Auffassung geboten, da der Rechtsverkehr nicht darauf vertrauen könne, dass das satzungsmäßige Stammkapital bei einer wirtschaftlichen Neugründung noch vorhanden sei. Das Gesetz garantiere nur, dass es im Zeitpunkt der Entstehung und damit der rechtlichen Gründung der GmbH vorhanden sei41. (2) Statutarisches Stammkapital Die sich für die Verpflichtung der Gesellschafter zur Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals aussprechende Gegenansicht will sich dagegen konsequent an die Gleichbehandlung von wirtschaftlicher und rechtlicher Neugründung halten42. Nach dieser Ansicht lasse das GmbHG die Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals nur dann ausreichen, wenn die Gesellschafter nicht im Gesellschaftsvertrag ein höheres Kapital festlegten. Dieser Grundsatz müsse auch bei der Mantelverwendung gelten, wenn die Satzung ein höheres Stammkapital vorsehe, da in diesen Fällen eine bestimmte Gesellschaft mit einer bestimmten Stammkapitalziffer und nicht irgendeine hypothetische Gesellschaft mit gesetzlichem Stammkapital 38 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3 d; Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Priester, DB 1983, 2291, 2295. 39 Priester, DB 1983, 2291, 2295. 40 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. d). 41 Priester, DB 1983, 2291, 2295; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. d). 42 Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 72 f.; Soergel/Huber, BGB, § 433 Rdnr. 62; Ihrig, BB 1988, 1197, 1203.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

verwendet werde43. Auf diese konkrete in der Satzung statuierte Stammkapitalziffer beziehe sich auch das zu schützende Vertrauen des Rechtsverkehrs44. Die Gesellschafter seien demnach so zu stellen, als hätten sie die verwendete Gesellschaft neu errichtet, so dass sie auch das in der Satzung der Gesellschaft angegebene Stammkapital aufbringen müssten. Hierbei soll den einzelnen Gesellschafter die Pflicht zur Leistung einer Einlage in Höhe des Nennbetrages des Geschäftsanteils, den er im Zuge des Mantelkaufs erworben hat, treffen, wobei die vorhandenen Vermögenswerte der Gesellschaft die Einlageverpflichtung der Gesellschafter entsprechend ihrer Anteile reduzieren45. bb) Sachgründung Uneinigkeit bestand auch darüber, inwieweit die Sachgründungsvorschriften des GmbHG auf Mantel- und Vorratsgesellschaften entsprechend anzuwenden sind. Einige sprachen sich für eine umfassende Anwendung der Vorschriften über Sachgründungen aus, da nur so der Rechtsverkehr vor den Gefahren der Sacheinlagen geschützt werden könnte46. Ausreichend sei daher nicht, wenn die Gründer entsprechend § 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG die erforderlichen Unterlagen beim Handelsregister einreichten, sondern es sei zudem eine Satzungsänderung gemäß § 5 Abs. 4 GmbHG und deren Veröffentlichung unerlässlich. Andere hielten es dagegen nicht für erforderlich, sämtliche Sachgründungvorschriften anzuwenden, da diese auf die rechtliche Neugründung zugeschnitten seien47. Bei der wirtschaftlichen Neugründung genüge es, eine gewisse „Hemmschwelle“ einzubauen, die unseriöse Sachgründungen verhindere48. Zum Teil wurde daher lediglich die Aufstellung eines Sachgründungsberichts analog § 5 Abs. 4 S. 2 GmbHG gefordert49. Andere sprachen sich dagegen für die Erbringung eines Wertnachweises anhand eines Sachverständigengutachtens und für eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aus, da so einerseits eine handelsregisterrechtliche Publizität und andererseits eine Überprüfung des Werts der Sacheinlagen durch das 43 Vgl. zu dieser Argumentation Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 73. 44 Schick, GmbHR 1997, 982, 984. 45 Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 73 f. 46 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Schick, GmbHR 1997, 982, 985. 47 AG Erfurt, GmbHR 1997, 74; Priester, DB 1983, 2291, 2296. 48 Priester, DB 1983, 2291, 2296. 49 AG Erfurt, GmbHR 1997, 74.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Registergericht erreicht werde. Die Anwendung des § 5 Abs. 4 GmbHG sei daneben entbehrlich50. cc) Registergerichtliche Kontrolle Innerhalb der herrschenden Meinung war außerdem umstritten, ob eine Kontrolle der Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals – bzw. nach der Gegenansicht des statutarischen Stammkapitals – durch das Registergericht zu erfolgen hat. Der überwiegende Teil der Literatur befürwortete eine registergerichtliche Kontrolle, da nur so sichergestellt werden könne, dass das Stammkapital im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung auch tatsächlich vorhanden sei51. Priester sprach in diesem Zusammenhang davon, dass „die Sicherung des Mindestvermögensstandards durch die handelsregisterliche Kontrolle verfahrensmäßig flankiert“ werden müsse52. Ein Großteil von Rechtsprechung und Lehre ging davon aus, dass das Registergericht im Rahmen der mit der Verwendung der Mantel- oder Vorratsgesellschaft einhergehenden und von den Unternehmensgründern zur Anmeldung zu bringenden Satzungsänderungen, wie z. B. der Austausch der Geschäftsführer oder die Auswechslung des Unternehmensgegenstandes, zu prüfen habe, ob es sich um einen Fall der wirtschaftlichen Neugründung oder um eine bloße Umorganisation eines Unternehmens handele53. Wenn das Registergericht feststelle, dass tatsächlich eine wirtschaftliche Neugründung vorgenommen werden solle, so dürfe es die angemeldeten Satzungsänderungen nur eintragen, wenn der Gesellschaft analog §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 GmbHG das gesetzliche Mindeststammkapital und die Mindeststammeinlagen zur Verfügung stehen und die Geschäftsführer hierüber in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 GmbHG eine Versicherung abgegeben haben. Eine unrichtige Angabe der Gründer sollte dann die Haftung der Geschäftsführer analog § 9a GmbHG nach sich ziehen. Dem Registergericht kam hierbei nach herrschender Ansicht genau wie bei der rechtlichen Neugründung in analoger Anwendung des § 9c GmbHG ein materielles Prüfungsrecht bezüglich der Angaben der Gründer zu, so dass es sich nicht auf die Prüfung der Zulässigkeit der beantragten Satzungsänderungen beschränken durfte, sondern eine umfassende Kontrolle der Angaben der Gründer, und zwar vor 50

Priester, DB 1983, 2291, 2296. Priester, DB 1983, 2291, 2296; Ulmer, BB 1983, 1123, 1124; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 23. 52 Priester, DB 1983, 2291, 2296. 53 OLG Hamburg, BB 1987, 505; Priester, DB 1983, 2291, 2296; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 39; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rdnr. 22; Michalski, GmbHG, § 3 Rdnr. 25; Ihrig, BB 1988, 1197, 1203. 51

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allem im Bereich der Sachgründungen, anhand der vorgelegten Nachweise durchzuführen hatte. Eine Mindermeinung sprach sich stattdessen gegen eine registergerichtliche Gründungsprüfung aus mit dem Argument, dass es sich bei der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft eben gerade nicht um eine „echte“ Neugründung handele, sondern eine bereits bestehende Gesellschaft benutzt werde, so dass eine registergerichtliche Prüfung nicht angezeigt sei54. Außerdem sei eine analoge Anwendung des § 9c GmbHG deshalb abzulehnen, weil die Unterscheidung zwischen dem Vorgang der Mantelverwendung und der bloßen Umorganisation eines Unternehmens erhebliche praktischen Schwierigkeiten beinhalte, da die Erkenntnismöglichkeiten des Registergerichts im Hinblick auf diese Abgrenzung regelmäßig gering seien55. dd) Unterbilanz- und Handelndenhaftung Ein weiterer Streitpunkt innerhalb der herrschenden Meinung von der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften bestand bei der Frage, ob eine persönliche Inanspruchnahme der Gesellschafter nach den Grundsätzen der vom BGH entwickelten Unterbilanzhaftung und eine Haftung der Handelnden analog § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht kommt. Teilweise wurde eine Anwendung der Unterbilanzhaftung mit dem Argument bejaht, dass die registergerichtliche Präventivkontrolle zur Sicherung der Kapitalaufbringung durch eine persönliche Haftung der Gesellschafter ergänzt werden müsse56. Die überwiegende Ansicht sprach sich jedoch gegen eine Haftung der Gesellschafter für eine Unterbilanz der verwendeten Vorrats- oder Mantelgesellschaft aus, da diese Grundsätze nur bei Neuentstehung einer GmbH eingriffen, nicht aber bei der Aktivierung einer schon bestehenden Mantel- oder Vorrats-GmbH57. Die herrschende Meinung hielt auch eine analoge Anwendung der Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG für nicht gerechtfertigt58. Zu54 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 85 ff., 102. 55 Dieses Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten wird auch von der Ansicht verwendet, die sich generell gegen eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften ausspricht; so etwa BayObLGZ 1999, 87, 90; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011; Bommert, GmbHR 1983, 209, 212. 56 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 40; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Ihrig, BB 1988, 1197, 1202. 57 Priester, DB 1983, 2291, 2296; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 121 ff., 130.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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meist wurde sie mit dem Argument abgelehnt, dass die Handelndenhaftung nach ihrem Sinn und Zweck nur bei noch nicht erfolgter Eintragung der GmbH gelten könne und somit nicht auf den vorliegenden Fall einer bereits bestehenden Gesellschaft anwendbar sei59. Zudem sei die Handelndenhaftung in ihrer Funktion ohnehin auch im Rahmen der rechtlichen Neugründung umstritten, so dass eine Ausdehnung des Geltungsbereichs der Vorschrift durch eine analoge Anwendung auf andere, vom Gesetz nicht direkt erfasste Fälle nicht gerechtfertigt sei60. Eine Mindermeinung61 befürwortete dagegen auch eine analoge Anwendung der Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG bis zur Eintragung der mit der Verwendung der Manteloder Vorratsgesellschaft einhergehenden Satzungsänderungen, da die mit § 11 Abs. 2 GmbHG verfolgte Druck- und Sicherungsfunktion zur Herbeiführung der Handelsregistereintragung auch in diesem Falle zur Geltung kommen müsse. Die wirtschaftliche Neugründung sei auch in dieser Hinsicht wie eine rechtliche Neugründung zu behandeln62. c) Gegen eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften Eine bedeutende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung hielt dagegen eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften grundsätzlich für nicht gerechtfertigt und übte erhebliche Kritik an der herrschenden Ansicht63. 58

OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220; OLG Brandenburg, ZIP 1998, 2095; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 113 ff.; Heerma, Mantelverwertung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 142; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000; § 11 Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rdnr. 102; Bommert, GmbHR 1983, 209, 211; Priester, DB 1983, 2297; Gummert, DStR 1997, 1011; Ahrens, DB 1998, 1069, 1073; Heerma, GmbHR 1999, 640, 645; ders., Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 140 ff.; Werner, NZG 1999, 146, 148. 59 OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220; OLG Brandenburg, ZIP 1998, 2095; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); Heerma, Mantelverwertung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 142; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rdnr. 102; Bommert, GmbHR 1983, 209, 211 f.; Priester, DB 1983, 2297; Gummert, DStR 1997, 1011; Heerma, GmbHR 1999, 640, 643 ff.; ders., Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 144; Werner, NZG 1999, 146, 148. 60 Mit dieser oder ähnlicher Begründung Priester, DB 1983, 2291, 2296 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. c); OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220. 61 OLG Hamburg, BB 1983, 1116; KG, GmbHR 1998, 789; LG Hamburg, NJW 1985, 2426; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11 Rdnr. 46; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 103; Ulmer, BB 1983, 1126; nunmehr auch BGHZ 155, 318. 62 Vgl. zur Begründung Ulmer, BB 1983, 1123, 1124.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

aa) Kritik am Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung Die Kritik der Gegenansicht an der herrschenden Meinung greift zumeist an dem von Rechtsprechung und Lehre kreierten Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung an. Nach dieser Ansicht kann schon deshalb nicht von einer Neugründung gesprochen werden, weil eine wirksam gegründete Kapitalgesellschaft nicht aufgrund der Unternehmenslosigkeit aufhöre zu existieren und insofern auch ihre Haftungsbeschränkung weiter bestehe64. So kritisierte Heerma, dass dem Rechtsgedanken der wirtschaftlichen Neugründung das Bild des Mantels als unvollkommener Gesellschaft zugrunde liege65. Nur wenn man davon ausgehe, dass die Mantel- oder Vorrats-GmbH bis zu ihrer Verwendung gar nicht existiere, könne man zu dem Schluss kommen, dass es sich bei ihrer Aktivierung um eine der rechtlichen Gründung gleich zu stellende wirtschaftliche Neugründung handele. Dieses Bild sei jedoch nicht zutreffend, da kein Grund ersichtlich sei, der Mantelgesellschaft die Existenz abzusprechen, insbesondere komme es nicht zu einem Erlöschen der Gesellschaft durch Inaktivität, Vermögenslosigkeit oder Substratwegfall und die Gesellschaft sei auch ansonsten in keiner Weise unvollständig. Zudem interpretiere die Ansicht von der analogen Anwendung den der Mantelverwendung zugrunde liegenden Sachverhalt entsprechend diesem falschen Bild neu, indem sie davon ausgehe, dass der wahre Wille der Gesellschafter dahingehend auszulegen sei, dass eigentlich eine Neugründung gewollt sei. Hieraus werde dann wiederum die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften gefolgert, so dass die herrschende Ansicht im Ergebnis keine Auslegung des anzuwendenden Gesetzes vornehme, sondern des Sachverhalts, der sodann unter die entsprechende Norm subsumiert werde66. Eine solche Sachverhaltsinterpretation sei aber mit der geltenden Methodenlehre nicht zu vereinbaren67. Einige Vertreter der Gegenansicht argumentierten zudem, dass eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften nur dann angenommen werden 63 BayObLGZ 1999, 87, 90; OLG Frankfurt a. M., GmbHR 1992, 456; Rasner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 60 Rdnr. 6; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008; U. Mayer, NJW 2000, 175, 178; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 347 ff.; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 8 ff.; so jetzt auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1350 f. in ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Ansicht in K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. d). 64 Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348. 65 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 30 ff.; so auch Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008. 66 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 98 f. 67 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 105 ff.

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könne, wenn das Gesetz tatsächlich einen Grundsatz enthalte, nach dem ein Unternehmen beim erstmaligen Erwerb der Haftungsbeschränkung mit dem gesetzlichen Mindestkapital auszustatten sei. Tatsächlich aber knüpfe das Gesetz nur das Entstehen der juristischen Person, also der Kapitalgesellschaft als Rechtsträger, an die Einhaltung der Gründungsvorschriften, nicht aber die Neugründung des unter dieser juristischen Person betriebenen Unternehmens68. Die Entstehung der Gesellschaft gehe zwar in den weit überwiegenden Fällen mit der Gründung des Unternehmens einher. Dies sei jedoch nicht zwingende Voraussetzung für den Abschluss des Gründungsverfahrens der GmbH. Die Gründungsvorschriften befassten sich alleine mit der Neugründung von juristischen Personen, nicht aber von Unternehmen. Das Unternehmen könne alleine und unabhängig von der juristischen Person keine Haftungsbeschränkung erlangen, da es keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze. Die Gesellschaft sei nicht von der Existenz eines Unternehmens abhängig und nur sie selbst, nicht aber das Unternehmen, erlange die Haftungsbeschränkung mit der Eintragung. Gegen den von der herrschenden Meinung aufgestellten Grundsatz, dass das Gesetz die Leistung des Mindeststammkapitals fordere, wenn ein Unternehmen erstmals in den Genuss der Haftungsbeschränkung komme, spricht nach der Gegenansicht zudem, dass in einigen Fällen der Aufbau eines Unternehmens auch nach bereits erfolgter Eintragung der Gesellschaft rechtlich anerkannt werde – auch wenn das Unternehmen dadurch erstmals den Vorteil der Haftungsbeschränkung erlange – ohne dass hieran die Anwendung der Gründungsvorschriften geknüpft werde69. Dies gelte zum Beispiel für eine Gesellschaft in Liquidation, die die Fortsetzung beschließe, um anschließend ein neues Unternehmen zu betreiben, und für die Einbringung eines neuen Unternehmens in eine bestehende Gesellschaft im Wege der Sacheinlage. In beiden Fällen fordere das Gesetz weder eine erneute Kapitalaufbringung noch eine Kapitalaufbringungskontrolle. Dies zeige, dass das Gesetz die Mindestkapitalausstattung nicht für Änderungen des Unternehmens vorsehe, sondern nur für die Entstehung der Gesellschaft als Rechtsträger. Die Kapitalgesellschaft wird daher auch als flexibles „Allzweckmöbel“ bezeichnet70. Welches Unternehmen die juristische Person betreiben solle, bestimmten alleine die Gesellschafter, und diese unternehmerische Entscheidung könne nicht zur Geltung von Kapitalaufbringungspflichten führen71.

68 69 70 71

Banerjea, GmbHR, 1998, 814 ff.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348. Banerjea, GmbHR, 1998, 814, 816; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 347. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000, § 1 Rdnr. 4. Banerjea, GmbHR, 1998, 814, 816.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

bb) Der Umgehungsgedanke als Normanwendungsproblem Kritik wurde von der Gegenansicht auch im Hinblick auf den von der herrschenden Meinung vorgebrachten Umgehungsgedanken geäußert72. Dieser Gedanke könne nicht pauschal für die Begründung einer analogen Anwendung herangezogen werden, da es sich bei der Umgehung nicht um ein eigenständiges Rechtsinstitut, sondern vielmehr um ein Problem der Norminterpretation handele. Eine Vorschrift könne nur dann analog angewendet werden, wenn sich durch Auslegung ergebe, dass die umgangene Norm ihrem Sinn und Zweck nach auch die Anwendung auf den vorliegenden Fall fordere. Eine Heranziehung der Gründungsvorschriften des GmbHG käme demgemäß nur dann in Betracht, wenn sich aus den Gründungsvorschriften der Grundsatz ergebe, dass sich die Gründer eines neuen Unternehmens nicht eines schon bestehenden Rechtsträgers zum Betrieb ihres Unternehmens bedienen dürften, sondern eine neue Gesellschaft zu gründen hätten. Ein solcher Grundsatz sei dem Kapitalgesellschaftsrecht indes fremd, da das Gesetz nicht zwischen formaler und wirtschaftlicher Identität der Gesellschaft unterscheide73. cc) Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung Die Ablehnung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf Mantel- und Vorratsgesellschaften wird außerdem mit Abgrenzungsschwierigkeiten begründet74. Es fehle an eindeutigen Kriterien für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von der ohne Einhaltung der Gründungsvorschriften zulässigen Umorganisation eines bestehenden Unternehmens. So sei unklar, ob eine Mantelverwendung nur dann gegeben sei, wenn eine Übertragung der Gesellschaftsanteile auf neue Gesellschafter vorgenommen werde, oder ob auch bei grundlegender Veränderung des Unternehmensgegenstandes durch die Altgesellschafter eine wirtschaftliche Neugründung in Betracht komme. Stelle man dagegen auf die zwischenzeitliche Unternehmenslosigkeit der GmbH als entscheidendes Kriterium ab, so sei zum einen fraglich, wann davon auszugehen sei, dass die Gesellschaft nicht mehr über ein Unternehmen verfüge, und zum anderen, wie lange diese Unternehmenslosigkeit andauern müsse, damit man nicht mehr 72 Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1009; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 91 ff. 73 Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 347. 74 BayObLGZ 1999, 87, 90; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011; Bommert, GmbHR 1983, 209, 212; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 349; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 125 ff.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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von der Umorganisation eines bestehenden Unternehmens sprechen könne. Durch diese Abgrenzungsschwierigkeiten werde aber das Registergericht, dem es in der Praxis obliege, die wirtschaftliche Neugründung festzustellen und die Eintragung der Satzungsänderungen von der Einhaltung der Gründungsvorschriften abhängig zu machen, erheblich belastet. Dem Registergericht bleibe nur die Möglichkeit, anhand der Satzungsänderungen darauf zu schließen, dass eine Mantelverwendung vorliege. In vielen Fällen sei aber eine Satzungsänderung gar nicht notwendig, nämlich dann, wenn sich die Unternehmensgründer einer Gesellschaft bedienten, die den gleichen Unternehmensgegenstand aufweist wie der geplante Geschäftsbetrieb. In solchen Fällen seien dem Registergericht von vorneherein die Hände gebunden. Aber auch dann, wenn sich erhebliche Indizien für eine Mantelverwendung ergäben, sei den Registergerichten, die nur über sehr begrenzte Erkenntnismöglichkeiten verfügten, die Prüfung, ob tatsächlich eine zumindest vorübergehende Unternehmenslosigkeit vorliege, nicht zuzumuten75. Zudem würde durch eine registergerichtliche Kontrolle der durch die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften verfolgte legitime Zweck der Vermeidung des langwierigen Gründungsverfahrens vollständig vereitelt76. dd) Gläubigerschutz – Mantelgesellschaften als Teilproblem mangelnder Kapitalausstattung Nach der Gegenansicht kann die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auch nicht durch Gläubigerschutzgesichtspunkte gerechtfertigt werden77. Die Gründungsvorschriften sicherten nur die Kapitalausstattung bei Entstehung der Gesellschaft, gäben aber keine Garantie dafür, dass die bei der Eintragung gebotene Mindestkapitalausstattung später noch vorhanden sei. Dies gelte sowohl für das satzungsmäßige Stammkapital als auch für das gesetzliche Mindestkapital. Wenn das Stammkapital der verwendeten Vorrats- oder Mantelgesellschaft im Zeitpunkt der Aktivierung bereits verbraucht sei, so habe sich die vom Gesetz geforderte Risikobeteiligung der Gesellschafter verwirklicht78. Dem Zweck der Gründungsvorschriften 75

Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 125 ff.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348 f.; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011 f.; grundsätzlich für eine analoge Anwendung, aber gegen eine registergerichtliche Kontrolle Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 85 ff., 102. 76 Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 349; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008. 77 Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348; BayObLGZ 1999, 87, 90. 78 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 152.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

sei damit Genüge getan, auch wenn der leere Mantel später wieder verwendet werde. Nach dieser Ansicht ist zudem die Gefährdung der Gläubiger durch den Betrieb einer unterkapitalisierten Gesellschaft nicht spezifisch für die Fälle der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften79. Vielmehr bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass Kapitalgesellschaften mit unzureichender Kapitalausstattung riskante Unternehmen betreiben. Im Hinblick hierauf sei auch das von der herrschenden Ansicht verwendete Abgrenzungskriterium der vorübergehenden Unternehmenslosigkeit völlig ungeeignet. Für die Gläubiger komme es nicht darauf an, ob die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb für kurze Zeit vollständig eingestellt habe und nunmehr ein neues Unternehmen mit unzureichender Kapitalausstattung betreibe oder ob dies ohne vorherige Einstellung der Geschäftstätigkeit erfolge. Vielmehr könne es auch dann zu einer Gläubigergefährdung durch den Betrieb einer unzureichend kapitalisierten Gesellschaft kommen, wenn überhaupt keine Änderung des Unternehmensgegenstandes vorliege. Das eigentliche Gläubigerschutzproblem resultiere alleine aus der Unterkapitalisierung von Kapitalgesellschaften80. Ob es sich hierbei um eine ehemalige Mantel- oder Vorratgesellschaft handele oder um eine Gesellschaft, die gleichzeitig mit der Gründung ihren Geschäftsbetrieb aufnehme, sei deshalb unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung nicht erheblich. Zur Gewährleistung eines lückenlosen und effektiven Gläubigerschutzes sei es deshalb erforderlich, alle diese Fälle zu erfassen und einer einheitlichen Lösung zuzuführen. Die Vertreter der Gegenansicht befürworten in diesem Zusammenhang zumeist die Anwendung der Grundsätze zur materiellen Unterkapitalisierung, da hierdurch eine Erfassung aller aus Gläubigerschutzgesichtspunkten problematischen Fallgestaltungen ermöglicht werde, ohne die Vorrats- und Mantelgesellschaften bei ihrer Aktivierung einer präventiven Kontrolle auszusetzen, die aus den oben genannten Gründen nicht gerechtfertigt sei81. Den Interessen der Gläubiger werde auch durch die erst bei tatsächlichem 79 Altmeppen, NZG 2003, 145, 148 f.; ders., DB 2003, 2050, 2054; Bärwaldt/ Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011; Banerjea, GmbHR 1998, 814, 815 ff.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 150 ff. 80 Altmeppen, NZG 2003, 145, 148; ders., DB 2003, 2050, 2054; Bärwaldt/ Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 150–152. 81 Altmeppen, NZG 2003, 145, 148 f.; ders., DB 2003, 2050, 2054; Bärwaldt/ Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011; Banerjea, GmbHR 1998, 814, 816 f.; U. Meyer, NJW 2000, 175, 178 f.; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350; Peetz, Anm. zur Entscheidung des BGH vom 07.07.2003, GmbHR 2003, 1128, 1130; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 147 ff.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Vorliegen einer Unterkapitalisierung eingreifende Sanktion der persönlichen Haftung genügt, weshalb diese vorzuziehen sei. Nach dieser Ansicht ergeben sich demnach bei der Verwendung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften keine Besonderheiten gegenüber „normalen“ Gesellschaften. Dagegen lehnen andere Vertreter der Gegenansicht jegliche besondere Reaktion der Rechtsprechung auf die Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften ab82. Nach dieser Auffassung verbietet das geltende Recht die Verwendung von bereits bestehenden Vorrats- und Mantelgesellschaften nicht und sehe hierfür auch keine besondere Sanktion vor, da die Gründungsvorschriften des GmbHG auf diese Fallgestaltungen nicht anwendbar seien. Im Ergebnis sei deshalb die Praxis der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften als solche hinzunehmen. 2. Die Entscheidung des BGH vom 09.12.2002 zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf Vorratsgesellschaften83 Der BGH hatte schließlich im Jahr 2002 über die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf eine Vorratsgesellschaft zu entscheiden. Hintergrund hierfür war eine Divergenzvorlage des OLG Celle84, das von vorangegangenen Entscheidungen des BayObLG85 und des OLG Frankfurt a. M.86 abweichen wollte, in denen eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf Vorratsgesellschaften abgelehnt worden war. Das OLG Celle befürwortete demgegenüber eine analoge Anwendung und legte die Sache deshalb dem BGH zur Entscheidung vor. Der BGH stellte sich in seinem Beschluss vom 09.12.2002 auf die Seite des vorlegenden Gerichts und entschied, dass auf die Verwendung einer Vorrats-GmbH „die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbHG einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden“87 seien. Die Frage, ob dies auch bei Verwendung einer Mantelgesellschaft gilt, hatte der BGH im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, und er ging auf diese Problematik auch nicht ein. 82 OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219 f.; Rittner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 17; Rasner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 60 Rdnr. 7; Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rdnr. 60; Bommert, GmbHR 1983, 209, 213; Kallmeyer, DB 2003, 2583. 83 BGHZ 153, 158. 84 OLG Celle, FGPrax 2002, 183. 85 BayObLGZ 1999, 87. 86 OLG Frankfurt a. M., GmbHR 1992, 456. 87 BGHZ 153, 158 (2. Leitsatz).

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

a) Die Argumente des BGH für eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften Der BGH knüpft mit diesem Urteil ausdrücklich an eine Entscheidung zur Vorratsgründung einer Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1992 an, in der er in einem obiter dictum bereits festgestellt hatte, dass die Gefahr der Umgehung der Gründungsvorschriften zwar kein präventives Verbot der Vorratsgründung rechtfertige, dass dieser aber bei der späteren Verwendung der Vorratsgesellschaft durch eine sinngemäße Anwendung der Gründungsvorschriften Rechnung zu tragen sei, um einen wirksamen Gläubigerschutz zu gewährleisten88. Dieses obiter dictum ging jedoch im Jubel um die Zulassung der Vorratsgründung unter und wurde in seiner Konsequenz von der Literatur wohl vielfach nicht „ernst genommen“89. Auch die Einzelheiten der rechtlichen Ausgestaltung der Analogie hatte der BGH in dieser Entscheidung offen gelassen90. Das Urteil vom 09.12.2002 bringt im Hinblick auf die Begründung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften wenig Neues. Im Großen und Ganzen zieht der BGH die gleichen Argumente heran, die auch die herrschende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung bisher vorgebracht hatte. aa) Verwendung einer Vorratsgesellschaft als wirtschaftliche Neugründung Auch der BGH ist der Ansicht, dass die Verwendung einer auf Vorrat gegründeten GmbH eine wirtschaftliche Neugründung darstellt, auf welche die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbHG analog anzuwenden sind. Eine wirtschaftliche Neugründung liegt nach Auffassung des BGH immer dann vor, wenn eine Vorratsgesellschaft mit einem Unternehmen ausgestattet wird und erstmals einen Geschäftsbetrieb aufnimmt91. bb) Gefahr der Umgehung der Gründungsvorschriften und Gläubigerschutz Der BGH beruft sich zur Begründung der analogen Anwendung wie die herrschende Lehre darauf, dass durch die Verwendung einer Vorratsgesell88

BGHZ 117, 323, 331; dem folgend auch OLG Hamburg, DStZ 2005, 54. So der treffende Hinweis von Meilicke, BB 2003, 857, 858; hierzu auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1347. 90 BGHZ 117, 323, 336. 91 BGHZ 153, 158, 160. 89

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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schaft die Gründungsvorschriften umgangen würden mit der Folge, dass die gesetzliche und satzungsmäßige Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht sichergestellt sei92. Zweck der Gründungsvorschriften sei es, die Kapitalaufbringung der Gesellschaft im Zeitpunkt ihres Entstehens zu gewährleisten, da dies Voraussetzung für die Haftungsbeschränkung sei93. Ein wirksamer Gläubigerschutz gebiete es, diesem Zweck durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften bei der wirtschaftlichen Neugründung Rechnung zu tragen. Zwar sei bei Verwendung einer Vorrats-GmbH in aller Regel das Stammkapital nur um Steuern und Verwaltungskosten reduziert und ansonsten noch unversehrt vorhanden. Aber auch in diesen Fällen sei nicht auszuschließen, dass die Gesellschaft schon vorzeitig den Geschäftsbetrieb aufgenommen und dadurch Verluste erlitten habe94. cc) Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung Die von der Gegenansicht vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens und der insoweit begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Registergerichts stehen der registerrechtlichen Kontrolle nach Ansicht des BGH nicht entgegen, da die Gründungsprüfung bei Verwendung der Vorratsgesellschaft grundsätzlich nicht schwieriger sei als bei einer rechtlichen Neugründung95. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung ergäben sich für das Registergericht durch die in diesem Zusammenhang regelmäßig notwendigen Satzungsänderungen, wie z. B. die Firmenänderung, die Verlegung des Gesellschaftssitzes oder die Neubestimmung der Geschäftsführer. Die bei der Verwendung von Mantelgesellschaften auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten stellten sich deshalb bei der Verwendung einer Vorratsgesellschaft grundsätzlich nicht, wenn die Vorratseigenschaft durch die Bestimmung „Verwaltung eigenen Vermögens“ als Unternehmensgegenstand offengelegt werde. b) Die Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften Bezüglich der Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Fälle der Verwendung von Vorratsgesellschaften hat der 92 93 94 95

BGHZ BGHZ BGHZ BGHZ

153, 153, 153, 153,

158, 158, 158, 158,

161. 161 unter Verweis auf BGHZ 117, 323, 331. 163 f. 163.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

BGH entschieden, dass eine Gründungsprüfung durch das Registergericht in entsprechender Anwendung des § 9c GmbHG stattzufinden hat, die sich jedenfalls auf die Aufbringung der Mindeststammeinlagen und die Werthaltigkeit von Sacheinlagen zu beziehen hat. Der Geschäftsführer hat analog § 8 Abs. 2 GmbHG die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind, sich endgültig in seiner freien Verfügung befinden und nicht bereits durch Verluste ganz oder teilweise aufgezehrt sind96. Wenn sich berechtigte Anhaltspunkte ergeben, dass die Versicherung nicht der Wahrheit entsprechend abgegeben wurde, hat das Registergericht auch das Bestehen einer Unterbilanz im Zeitpunkt der Anmeldung zu überprüfen97. Nach Ansicht des BGH wird durch die Gründungsprüfung auch nicht der mit der Verwendung von Vorratsgesellschaften verfolgte anerkennenswerte Zweck der Vermeidung des langwierigen Gründungsverfahrens verbunden mit der Ermöglichung der sofortigen Aufnahme eines haftungsbeschränkten Geschäftsbetriebs vereitelt. Die Abgabe der Anmeldeversicherung analog § 8 Abs. 2 GmbHG stelle sich in aller Regel als reine Formsache dar, da das Stammkapital bei der Vorratgesellschaft typischerweise allenfalls um Gründungskosten reduziert und ansonsten noch unangetastet vorhanden sei98. 3. Die Entscheidung des BGH vom 07.07.2003 zur Übertragung der Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auf Mantelgesellschaften99 Nach der klarstellenden Entscheidung zur Vorratsgesellschaft konzentrierte sich der Streit in Lehre und Rechtsprechung in der Folgezeit darauf, ob die vom BGH allein für die Vorrats-GmbH aufgestellten Grundsätze auch auf die Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels zu übertragen seien100. Schon ein halbes Jahr später hatte der BGH jedoch auch einen Fall der Mantelverwendung zu entscheiden und setzte der Diskussion damit vorerst ein Ende. Wie schon dem Beschluss vom 09.12.2002 ging auch dieser Entscheidung ein Vorlagebeschluss – diesmal des OLG Brandenburg101 – voraus. Der BGH stellte in seinem neuen Beschluss fest, dass die zur Vor96

BGHZ 153, 158, 162. BGHZ 153, 158, 162 unter Verweis auf BGHZ 80, 129, 143. 98 BGHZ 153, 158, 164. 99 BGHZ 155, 318. 100 Altmeppen, NZG 2003, 145, 146 ff.; v. Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032, 1035 ff.; Schaub, NJW 2003, 2125, 2127 f.; Meilicke, BB 2003, 857, 858; Krafka, ZGR 2003, 577, 587. 101 OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 971. 97

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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ratsgesellschaft entwickelten Grundsätze auch für die Verwendung einer Mantelgesellschaft gelten müssten, so dass auch in diesen Fällen die Gründungsvorschriften analog anzuwenden seien. Die Entscheidung ging jedoch insoweit erheblich über den Beschluss zur Vorratsgesellschaft hinaus, als der BGH sich nicht auf die Übertragung der aufgestellten Grundsätze auf die Mantelgesellschaft beschränkte, sondern zusätzlich viele Einzelfragen zur konkreten Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf Mantel- und Vorratsgesellschaften klärte, die er im vorangegangenen Beschluss bewusst offen gelassen hatte.

a) Argumente des BGH für eine Übertragung der zur Vorratsgesellschaft entwickelten Grundsätze auf gebrauchte Mantelgesellschaften Die Entscheidung des BGH zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Aktivierung einer Mantel-GmbH stellt sich als konsequente Fortführung des Beschlusses zur Vorrats-GmbH dar und beschränkt sich insofern darauf, die Übertragung der dort aufgestellten Grundsätze auf die Verwendung einer Mantelgesellschaft zu begründen. Zur dogmatischen Herleitung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Fälle der wirtschaftlichen Neugründung finden sich daher keine Ausführungen mehr. aa) Wirtschaftliche Neugründung durch Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels Der BGH begründet seine Entscheidung zum einen damit, dass sich auch die Verwendung eines „alten, leer gewordenen“ GmbH-Mantels als wirtschaftliche Neugründung darstelle. Eine wirtschaftliche Neugründung liege immer dann vor, „wenn die in einer GmbH verkörperte juristische Person als unternehmensloser Rechtsträger („Mantel“) besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird“102. Bei wertender Betrachtungsweise könne es keinen Unterschied machen, ob die Unternehmenslosigkeit, also das Fehlen eines Geschäftsbetriebs, wie bei der Vorratsgesellschaft von Anfang an geplant gewesen sei und die Gesellschaft dann erstmals einen Geschäftsbetrieb aufnehme oder ob wie bei der Mantelgesellschaft die Geschäftstätigkeit eines bestehenden Unternehmens eingestellt oder endgültig aufgegeben worden sei und „der gleichsam als inhaltsloser Hülle fortbestehenden juristische Person ein neues Unternehmen implantiert“103 werde. 102 103

BGHZ 155, 318, 322. BGHZ 155, 318, 322.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

bb) Gläubigergefährdung und Umgehungsschutzgedanke Auch im Hinblick auf den Schutz der Gläubiger ist, so der BGH, eine Übertragung der zur Vorratsgesellschaft entwickelten Grundsätze auf die Fälle der Verwendung einer gebrauchten Mantelgesellschaft dringend geboten, da auch hier die Gefahr der Umgehung der Gründungsvorschriften und damit das Risiko, dass die dem Gläubigerschutz dienende gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gewährleistet sei, bestehe104. Bei Verwendung eines vormals aktiven nunmehr stillgelegten Mantels seien die Gläubiger sogar noch erheblich stärker gefährdet als bei Verwendung einer Vorratsgesellschaft, die noch nie zuvor aktiv am Wirtschaftleben teilgenommen habe. Während bei Vorratsgesellschaften üblicherweise das aufgebrachte Stammkapital im Zeitpunkt der Aufnahme des Geschäftsbetriebes lediglich um Gründungskosten und Steuern reduziert, ansonsten aber noch vollständig vorhanden sei, sei bei zuvor schon aktiven, alten GmbH-Mänteln das Stammkapital in aller Regel zumindest teilweise, oft aber auch gänzlich verbraucht. Die von den Gründungsvorschriften vornehmlich bezweckte Gewährleistung der gesetzlich angeordneten Kapitalausstattung im Zeitpunkt der Entstehung der Gesellschaft als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft gebiete daher bei der Mantelverwendung erst recht eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften. cc) Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens Das Argument der Gegenansicht, dass eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Verwendung gebrauchter GmbH-Mäntel schon deshalb abzulehnen sei, weil sie aufgrund der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Registergerichts zu erheblichen, in der Praxis nicht zu bewältigenden Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens führe, hält der BGH – wie schon in Bezug auf die Vorratsgesellschaft – nicht für durchgreifend105. Der BGH räumt zwar ein, dass eine Abgrenzung im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten könne. Er stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass diese praktischen Probleme nicht dazu führen dürften, dass auf den durch die Kapitalaufbringungsvorschriften gewährleisteten Ausgleich für die Haftungsbeschränkung und den daraus resultierenden Schutz der Gläubiger verzich104 105

BGHZ 155, 318, 322 f. BGHZ 155, 318, 324.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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tet werde. Das Auftreten derartiger Abgrenzungsschwierigkeiten sei ein häufig anzutreffendes Problem der Rechtsanwendung, das sich jedoch durch die Festlegung eindeutiger Abgrenzungskriterien regelmäßig zufriedenstellend lösen lasse106. Für die Unterscheidung der wirtschaftlichen Neugründung von der Umorganisation eines Unternehmens kommt es nach Ansicht des BGH ausschließlich darauf an, „ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betrieb, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebietes – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpft oder ob es sich tatsächlich um einen leer gewordenen Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb handelt, der seinen – neuen oder alten – Gesellschaftern nur dazu dient, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung einer die beschränkte Haftung gewährleistenden Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit – gegebenenfalls wieder – aufzunehmen“107. Anhand dieser Differenzierung seien eine eindeutige Feststellung des Tatbestands der Mantelverwendung und eine Aussonderung der Fälle der bloßen Umorganisation eines Unternehmens möglich. Der BGH schließt sich damit der bisher herrschenden Ansicht an, die die Unternehmenslosigkeit als allein entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer Mantelgesellschaft ansieht108. b) Die Ausgestaltung der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften aa) Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals Der BGH beendet mit seiner neuen Entscheidung auch den Streit um die Frage, ob die Gesellschafter bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften nur das gesetzliche Mindeststammkapital oder auch ein in der Satzung festgelegtes höheres Stammkapital aufzubringen haben. Der Senat stellt sich in seinem Beschluss zur Mantelgesellschaft entgegen der herrschenden Ansicht auf den Standpunkt, dass die Kapitalaufbringung nicht auf das gesetzliche Mindeststammkapital von 25.000 Euro begrenzt sei, sondern dass sich sowohl die erforderliche Versicherung der Gesellschafter als auch die Kontrolle des Registergerichts am satzungsmäßigen Stammkapital zu orientieren habe109. Nach Ansicht des BGH ist es erforderlich, dass die unter Zuhilfenahme eines gebrauchten Mantels wirtschaftlich neu gegründete Ge106

BGHZ 155, 318, 324. BGHZ 155, 318, 324. 108 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. b); vgl. Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, S. 135; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 35; Priester, DB 1983, 2291, 2297 f. 109 BGHZ 155, 318, 325. 107

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

sellschaft im Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung noch über ein Vermögen in Höhe des in der Satzung der wieder verwendeten GmbH festgeschriebenen Stammkapitals verfüge, von dem ein Viertel, mindestens aber 12.500 Euro, zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen müsse. Dieser Grundsatz der Orientierung der Versicherung am satzungsmäßigen Stammkapital gelte, so der BGH, ebenso für Vorratsgesellschaften, auch wenn deren satzungsmäßiges Stammkapital zumeist nur dem gesetzlichen Mindeststammkapital entspreche. Das Gericht begründet die Ausrichtung an der statutarischen Stammkapitalziffer damit, dass eine konsequente analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften die Beschränkung auf das gesetzliche Mindeststammkapital nicht zulasse. Wenn das Gesetz bei der rechtlichen Neugründung die Gewährleistung der Aufbringung der statutarischen Stammkapitalziffer verlange, so müsse dies auch für die wirtschaftliche Neugründung gelten, da diese der rechtlichen Neugründung gleichzustellen sei. Die Gesellschafter verwenden nach Ansicht des BGH nicht „irgendeinen am gesetzlichen Mindeststammkapital orientierten hypothetischen, sondern den konkreten Gesellschaftsmantel mit dem konkreten – ggf. höheren – satzungsmäßigen Stammkapital“110. Darauf basiere auch das schutzwürdige Vertrauen der Gläubiger, da sich dieses auf die im Handelsregister eingetragene statutarische Stammkapitalziffer der verwendeten Gesellschaft beziehe. Der Auffassung von K. Schmidt111, der gerade dieses Argument für die Orientierung am gesetzlichen Stammkapital vorgebracht hat, erteilt der BGH demnach eine klare Absage. bb) Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung Den befürchteten praktischen Schwierigkeiten des Registergerichts, die Fälle der Mantelverwendung zu identifizieren und das Vorhandensein des Stammkapitals zu überprüfen, will das Gericht durch die Einführung einer Verpflichtung der Geschäftsführer zur Offenlegung der Mantelverwendung gegenüber dem Registergericht Rechnung tragen. Diese obligatorische Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung sei notwendig, aber auch ausreichend, um dem Registergericht die notwendige Kontrolle der Einhaltung der Kapitalaufbringungsvorschriften zu ermöglichen112. Nur so kann nach Auffassung des Senats sichergestellt werden, dass das Registergericht mit seinen eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht nur die offenkundi110

BGHZ 155, 318, 326. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. d). 112 BGHZ 155, 318, 325; ähnlich bereits die Forderungen v. Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032, 1036 und Peetz, GmbHR 2003, 229, 231. 111

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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gen, mit den typischen Satzungsänderungen einhergehenden Fälle der Mantelverwendung erkenne, sondern auch weniger eindeutige Fallgestaltungen der wirtschaftlichen Neugründung. Die Pflicht zur Offenlegung gegenüber dem Registergericht soll die Gesellschafter nach der Entscheidung des BGH immer dann treffen, wenn nach den oben genannten Kriterien die Wiederverwendung eines alten GmbH-Mantels vorliegt. cc) Unterbilanz- und Handelndenhaftung Der Beschluss des BGH enthält zudem zwei obiter dicta zu umstrittenen Fragen der materiellrechtlichen Haftungsebene. (1) Die Unterbilanzhaftung Der BGH ist der Auffassung, dass zur Sicherung der tatsächlichen Kapitalaufbringung die präventive Kontrolle durch das Registergericht alleine nicht ausreichend ist, sondern vielmehr sowohl bei der Mantelverwendung als auch bei der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft auf materiell-rechtlicher Ebene durch eine entsprechende Anwendung der Grundsätze zur Unterbilanzhaftung der Gründer ergänzt werden muss113. Entscheidender Zeitpunkt für die Feststellung des Vorliegens einer Unterbilanz sei bei der wirtschaftlichen Neugründung jedoch der Moment der Offenlegung derselben gegenüber dem Registergericht. Über diesen Zeitpunkt hinaus erfolge keine Sicherung mehr, da eine wie im Rahmen der rechtlichen Neugründung erforderliche konstitutive Eintragung bei der wirtschaftlichen Neugründung nicht für die Existenz der Gesellschaft erforderlich sei. Die Grundsätze der Unterbilanzhaftung greifen deshalb bei der Verwendung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften stets dann ein, wenn bei der mit der Anmeldung der Satzungsänderungen zu verbindenden Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung das satzungsmäßige Stammkapital nicht mehr vollständig vorhanden ist. (2) Die Handelndenhaftung Zudem soll nach Auffassung des BGH entgegen der herrschenden Ansicht in der Literatur auch eine Haftung der Geschäftsführer nach den Grundsätzen der Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht kommen, wenn diese den Geschäftsbetrieb schon vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung ohne Zustimmung aller Gesellschafter 113 BGHZ 155, 318, 326 unter Verweis auf BGHZ 80, 129, 140; BGHZ 105, 300, 303; BGHZ 134, 333.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

beginnen114. Nähere Ausführungen zu dieser Frage machte der BGH in diesem Beschluss allerdings nicht. 4. Stellungnahme der Literatur Die Beschlüsse des BGH zur Mantel- und Vorrats-GmbH haben in der Literatur kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Die herrschende Lehre begrüßte die klarstellenden Entscheidungen des BGH im Grundsatz und übt zumeist nur Kritik an Einzelfragen der Ausgestaltung der analogen Anwendung115. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung der Entscheidungen und des nunmehr geltenden einheitlichen Lösungskonzepts beschränken sich auch einige Gegner der analogen Anwendung darauf, die Auswirkungen der Beschlüsse in der Praxis aufzuzeigen und eventuell auftretende praktische Probleme zu kritisieren116. Andere üben jedoch weiterhin scharfe Kritik sowohl am Gesamtkonzept der wirtschaftlichen Neugründung als auch an der spezifischen Ausgestaltung durch den BGH117. Teilweise haben sogar ehemalige Vertreter der herrschenden Ansicht ihre Meinung geändert und sprechen sich nunmehr gegen die analoge Anwendung aus118. a) Zustimmung Überwiegende Zustimmung hat insbesondere die Gleichbehandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften erfahren, da sie als konsequente Fortführung der ersten Entscheidung des BGH angesehen wird119. Begrüßt wurde auch die umfassende Klärung der entscheidenden Fragen durch die zweite Entscheidung, da hierdurch nunmehr eindeutige Vorgaben für die Praxis ge114

BGHZ 155, 318, 327 unter Hinweis auf BGHZ 134, 333, 338. Heidinger, ZGR 2005, 101; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129; Krafka, ZGR 2003, 577; v. Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032; Peetz, Anm. zu BGH v. 07.07.2003, GmbHR 2003, 1125; Schumacher, DStR 2003, 1884; Priester, ZHR 168 (2004), 248; Kesseler, ZIP 2003, 1790. 116 Bärwaldt/Balda GmbHR 2004, 50. 117 Altmeppen, NZG 2003, 145; ders., NZG 2003, 2050; Meilicke, BB 2003, 857; Thaeter/Meyer, DB 2003, 539; Schaub, NJW 2003, 2125; Herchen, DB 2003, 2211; Kallmeyer, GmHR 2003, 322; Heidenhain, NZG 2003, 1051. 118 So ausdrücklich unter Aufgabe seiner bisherigen Ansicht und mit eingehender Begründung K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1350. Dieser hatte sich noch in K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III für das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung ausgesprochen. 119 Die Gleichstellung befürwortend, aber das Konzept der herrschenden Meinung insgesamt ablehnend Altmeppen, NZG 2003, 145, 147 ff.; ders., DB 2003, 2050, 2053; ebenso K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346; a. A. ausdrücklich Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1054. 115

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schaffen wurden120. Die vormals bestehenden Rechtsunsicherheiten bei der Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften seien damit grundsätzlich beseitigt, so dass sich auch die anwaltliche Beratungspraxis hierauf einstellen könne. b) Kritik Die Kritik der Literatur am Beschluss des BGH vom 09.12.2002 beschränkt sich im Wesentlichen auf die Argumente, die bereits vor dieser Entscheidung gegen das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung vorgebracht wurden121. Dies liegt daran, dass der BGH in seinem Beschluss alleine die grundsätzliche Frage der analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf die Verwendung einer Vorratsgesellschaft beantwortet hat. Die übrigen, auch innerhalb der herrschenden Ansicht höchst umstrittenen Fragen, wie z. B., ob diese Grundsätze auch auf Mantelgesellschaften übertragbar sind, ob sich die erforderliche Anmeldeversicherung am gesetzlichen oder am satzungsmäßigen Stammkapital orientiert, welches der entscheidende Zeitpunkt für die Abgabe der Versicherung ist und ob auch eine Anwendung der Unterbilanz- und der Handelndenhaftung in Betracht kommt, hat er zunächst nicht geklärt. Insofern bezieht sich die sachlich neue Kritik der Literatur im Wesentlichen auf den Beschluss vom 07.07.2003, da in dieser Entscheidung gerade diese noch offenen Fragen einer Lösung zugeführt wurden. aa) Unterbilanz- und Handelndenhaftung Kritisiert wird diese Entscheidung auch deshalb, weil der BGH in zwei obiter dicta die Unterbilanz- und die Handelndenhaftung für anwendbar erklärt hat und als maßgeblichen Stichtag für die Feststellung der Unterbilanz und das Erlöschen der Handelndenhaftung den Zeitpunkt der Erfüllung der im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Verpflichtung zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung annimmt122. Als besonders problematisch werden hierbei die mit dieser Rechtsprechung verbundenen strengen Haftungsfolgen angesehen, die dadurch entstünden, dass die Haftung nur durch 120 Die umfassende Klärung begrüßend, aber in Einzelpunkten kritisch Peetz, Anm. zu BGH v. 07.07.2003, GmbHR 2003, 1125. 121 Altemeppen, NZG 2003, 145; Schaub, NJW 2003, 2125; Herchen, DB 2003, 2211; Kallmeyer, GmHR 2003, 322. 122 Die Anwendung der Unterbilanzhaftung gänzlich ablehnend Priester, ZHR 168 (2004), 248, 263; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1133; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348 f.

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die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung begrenzt werden könne, was dazu führe, dass bei einem Unterbleiben der Offenlegung die persönliche Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer auf unbestimmte Zeit fortdauere123. Dies habe zur Folge, dass in den nicht seltenen Fällen, in welchen mit der Verwendung der Mantel- oder Vorratsgesellschaften keinerlei Satzungsänderung erforderlich werde und die Gesellschafter deshalb gar keinen Anlass sähen, die Mantelverwendung offen zu legen, die Gesellschafter auch dann noch persönlich und unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haften würden, wenn die Gesellschaft nach Jahren oder gar Jahrzehnten in die Insolvenz falle124. Die strenge Haftungsfolge greife selbst dann ein, wenn die Insolvenz mit der Verwendung der Vorrats- oder Mantelgesellschaft in keinerlei Zusammenhang stehe und die Gesellschaft bei ihrer Aktivierung über das gesamte satzungsmäßige Stammkapital verfügt habe. Die unbegrenzte persönliche Haftung sei zudem in Altfällen als unzumutbar anzusehen125. In der Regel bestehe in diesen Fällen nämlich gerade kein Anlass, einen Rechtsrat einzuholen, so dass die Unternehmer nicht über die Folgen eines Unterbleibens der Offenlegung informiert würden. Diese Ergebnisse des Urteils seien nicht tragbar und wohl in dieser Form auch vom BGH nicht gewollt, so dass jedenfalls in diesem Bereich durch Übergangsregelungen für Altfälle und die Eröffnung einer Möglichkeit zur nachträglichen Exkulpation für die Fälle, in denen der Mantel ohne Satzungsänderungen verwendet wurde, nachgebessert werden müsse126. bb) Verfassungsrechtliche Bedenken Neben den Forderungen nach einer Begrenzung der persönlichen Haftung der Gesellschafter und der Geschäftsführer werden auch Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des BGH-Beschlusses vorgebracht127. Das vom BGH in den beiden Beschlüssen entwickelte Konzept der wirtschaftlichen Neugründung überschreitet nach der Ansicht Altmeppens die Grenzen der zulässigen höchstrichterlichen Rechtsfortbildung, da es insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der Unterbilanz- und der Han123

Altmeppen, DB 2003, 2050, 2051; Bohrer, DNotZ 2003, 888, 907. Kritisch insoweit Altmeppen, DB 2003, 2050, 2051; ebenso Heidinger, ZGR 2005, 101, 125 f. 125 Altmeppen, DB 2003, 2050, 2051; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1053 f.; für eine gesonderte Regelung von Altfällen, aber sonst kaum kritisch, sondern auf praktische Hinweise beschränkt Bärwaldt/Balda GmbHR 2004, 50, 53; Keine Probleme bei der Behandlung von Altfällen sehen dagegen Meilicke, BB 2003, 857, 859 und Kesseler, ZIP 2003, 1790, 1791 f. 126 Die Kritik Altmeppens aufnehmend Goette, DStR 2004, 461, 465. 127 Altmeppen, DB 2003, 2050, 2052. 124

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delndenhaftung mit der Grundkonzeption des GmbHG nicht vereinbar sei128. Das Gesetz regele in § 13 Abs. 2 GmbHG die beschränkte Haftung der Gesellschafter als einen wesentlichen Teil des Kapitalgesellschaftsrechts. Eine diesem Grundsatz entgegenstehende unbeschränkte persönliche Haftung von Gründern und Handelnden könne nicht alleine damit begründet werden, dass die vom BGH in dem Beschluss neu geschaffene Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung nicht erfüllt worden sei. Eine solche Haftung für die bloße Nichtbeachtung von Gerichtsbeschlüssen verstoße als unzulässige Rechtsfortbildung gegen Art. 20 Abs. 3 GG, so dass aus verfassungsrechtlichen Gründen zumindest eine sinnvolle Beschränkung der Haftung notwendig sei. cc) Umgehung durch die Verwendung ausländischer Vorratsund Mantelgesellschaften Immer häufiger weisen die Kritiker des BGH auch darauf hin, dass die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung durch die Verwendung ausländischer Gesellschaften umgangen werden könne und deshalb gerade keinen wirksamen Gläubigerschutz gewährleiste129. So wirft K. Schmidt dem BGH-Konzept im Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften mangelnde rechtspolitische Effektivität vor130. Der EuGH hat in der Entscheidung in der Rechtssache Überseering131 klargestellt, dass im Ausland gegründete Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlagern dort als solche anzuerkennen sind. In der Entscheidung Inspire Art132 ging der EuGH dann noch einen Schritt weiter und entschied, dass die Anwendung inländischer Mindestkapitalvorschriften auf im Ausland gegründete Gesellschaften einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt. Damit sind die deutschen Mindestkapitalvorschriften auch dann nicht auf ausländische Gesellschaften anwendbar, wenn diese ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen. Somit würde natürlich erst recht ihre analoge Anwendung auf ausländische Mantel- und Vorratsgesellschaften ausscheiden, so dass sich deutsche Unternehmer ausländischer Gesellschaften bedienen könnten, um die Rechtsprechung des BGH zu umgehen. Kritisiert wird insoweit auch, dass die ana128

Altmeppen, DB 2003, 2050, 2052. Schaub, NJW 2003, 2125, 2130; Meilicke, BB 2003, 857, 860; Peetz, Anm. zu BGH v. 07.07.2003, GmbHR 2003, 1125; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 323; Schumacher, DStR 2003, 1884, 1886 f. 130 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352. 131 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering. 132 EuGH v. 30.09.2002, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. 129

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

loge Anwendung der Gründungsvorschriften auf Mantel- und Vorratsgesellschaften einen weiteren Nachteil für das deutsche GmbH-Recht im durch den EuGH vorangetriebenen europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte bedeute133. Eine zunehmende Verwendung im europäischen Ausland gegründeter Kapitalgesellschaften in Deutschland und eine Zurückdrängung der deutschen GmbH sei die unausweichliche Folge134. 5. Eigene Stellungnahme Nach den Grundsatzentscheidungen des BGH zur Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften sind die Vorgaben für die rechtliche Behandlung dieser Fälle eindeutig geklärt. Auch wenn sich erst in den kommenden Jahren zeigen wird, wie die Beschlüsse in die gesellschaftsrechtliche Praxis umgesetzt werden, so hat der BGH jedenfalls den Streit um die Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften einer Lösung zugeführt, die in Zukunft bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften unbedingt zu beachten sein wird. Die Kritik eines beachtlichen Teils der Literatur und Rechtsprechung an der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften wurde in diesem Kapitel bereits ausführlich dargestellt. Es scheint, als habe sie nach den Entscheidungen des BGH ihre praktische Relevanz verloren. Dennoch ist es angebracht, die Entscheidungen des BGH kritisch zu beleuchten und zu klären, ob die aufgestellten Grundsätze tatsächlich eine tragfähige Lösung der Gläubigerschutzproblematik bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften bieten. Dies muss auch und vor allem im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit gelten. Zunächst werden hier die dogmatischen Voraussetzungen für die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften kritisch überprüft, bevor die praktischen Probleme bei der Umsetzung diskutiert werden. a) Voraussetzungen für eine Analogie Das Modell der wirtschaftlichen Neugründung ist mit geltendem Recht nur dann vereinbar, wenn die von Lehre und Rechtsprechung herausgebildeten und anerkannten Voraussetzungen für eine analoge Anwendung vorliegen. Die Vorgehensweise des BGH und seiner Anhänger, die pauschal von 133

Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1054; Hirte, NJW 2003, 1154, 1155. Schumacher, DStR 2003, 1884, 1887; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Schaub, NJW 2003, 2125, 2130; ebenso Meilicke, BB 2003, 857, 860, der von einem „Delaware-Effekt“ auf europäischer Ebene und einer nahezu vollständigen Verdrängung der deutschen GmbH in der Praxis ausgeht. 134

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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einer Analogie zu den Gründungsvorschriften sprechen ist indes abzulehnen, da alleine anhand der einzelnen Rechtsvorschrift festgestellt werden kann, ob eine analoge Anwendung der jeweiligen Norm des Gründungsrechts der GmbH in Betracht kommt135. Unklar ist nämlich bereits, welche Normen des GmbHG unter die Bezeichnung „Gründungsvorschriften“ fallen sollen. Im Gesetz selbst taucht dieser Begriff an keiner Stelle auf, und auch innerhalb der herrschenden Ansicht ist umstritten, welche Normen im Einzelnen angewendet werden sollen. Übereinstimmung herrscht allein darüber, dass die Kapitalaufbringungsvorschriften analog anzuwenden sind, aber schon die Fragen, ob sich die Versicherung auf das gesetzliche Mindeststammkapital oder das satzungsmäßige Stammkapital beziehen muss und ob eine registergerichtliche Kontrolle stattzufinden hat, werden uneinheitlich beantwortet. Des Weiteren ist stark umstritten, ob auch die materiell-rechtlichen Haftungstatbestände der Unterbilanz- und der Handelndenhaftung anzuwenden sind. Für die Entscheidung der Frage, ob eine Analogie gerechtfertigt ist, ist aber eine Auslegung der jeweiligen Vorschrift, deren Anwendung im einzelnen Fall in Betracht kommt, und damit eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Normen erforderlich. Voraussetzung für eine Analogie ist zum einen das Vorliegen einer Regelungslücke des Gesetzes136. Eine Lücke im Gesetz liegt nicht schon dann vor, wenn das Gesetz für einen konkreten Fall keine Regelung trifft, sondern nur bei einer „planwidrigen Unvollständigkeit“ des Gesetzes137. Ob das Gesetz als unvollständig anzusehen ist, richtet sich nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Zum anderen ist für die analoge Anwendung einer Norm erforderlich, dass der gesetzlich nicht geregelte Tatbestand demjenigen Tatbestand ähnlich ist, für den das Gesetz eine Regelung trifft, und deshalb beide Tatbestände gleich zu bewerten sind138. Das Kriterium der Tatbestandsähnlichkeit ist dann erfüllt, wenn die in der anzuwendenden Norm zum Ausdruck kommende Wertung auch auf den nicht geregelten Sachverhalt zutrifft139. Dabei ist die entsprechend anzuwendende Norm unter Berücksichtigung des Regelungszwecks auslegen und festzustellen, ob dieser auch für den nicht geregelten Tatbestand Geltung beanspruchen muss. 135 So auch Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 108; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1009. 136 Larenz, Methodenlehre, S. 354 ff.; 365. 137 Larenz, Methodenlehre, S. 358; BGHZ 65, 302; Palandt/Heinrichs, BGB, Einl. Rdnr. 47. 138 Larenz, Methodenlehre, S. 365. 139 Larenz, Methodenlehre, S. 366.

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b) Die analog anzuwendenden Vorschriften im Einzelnen aa) Die Kapitalaufbringungspflicht Die herrschende Meinung in der Literatur und der BGH wollen zum einen die § 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2, 3 GmbHG auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften anwenden. Während die überwiegende Ansicht in der Lehre davon ausgeht, dass die Gründungsgesellschafter bei der wirtschaftlichen Neugründung eine Pflicht zur Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals trifft, hat der BGH nunmehr entschieden, dass auch ein eventuell höheres satzungsmäßiges Stammkapital vorhanden sein bzw. durch die Gesellschafter aufgefüllt werden muss. Hierzu ist zunächst einmal festzustellen, dass den §§ 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2, 3 GmbHG jedenfalls für die rechtliche Neugründung einer Gesellschaft tatsächlich eine Kapitalaufbringungspflicht der Gesellschafter zu entnehmen ist. Die Auffassung Heermas140, wonach es sich bei der Kapitalaufbringungspflicht nur um eine gesellschaftsrechtliche, nicht aber um eine aus den § 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2, 3 GmbHG zu entnehmende gesetzliche Pflicht handelt, so dass eine Analogie schon mangels Vorhandenseins einer analogiefähigen Norm ausgeschlossen ist, ist abzulehnen. Nach der Ansicht Heermas ist Voraussetzung für die Gründung nur die Festsetzung einer Pflicht zur Kapitalaufbringung in der Satzung, nicht aber die Kapitalaufbringung als solche. Bei § 5 GmbHG handele es sich um eine unvollkommene Norm, da sie keine Rechtsfolge enthalte. Die Rechtsfolge ergebe sich vielmehr allein aus § 9c GmbHG, wonach die Gesellschaft nur eingetragen werde, wenn der Gesellschaftsvertrag den Vorgaben des § 5 GmbHG entspreche. Dem ist im Hinblick auf den Zweck der Mindeststammkapitalvorschriften nicht zuzustimmen. Die Kapitalaufbringung soll die Gläubiger durch die Bereithaltung eines Haftungskapitals als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung vor dem Ausfall ihrer Forderungen schützen. Eine vertragliche Natur der Kapitalaufbringungspflicht würde diesem Zweck nicht genügen, da sie damit zur Disposition der Gesellschafter gestellt würde. Vielmehr ist den genannten Vorschriften eine gesetzliche Pflicht zur Kapitalaufbringung zu entnehmen, die eine Gründungsvoraussetzung darstellt141. Die Bestimmung des 140 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 111 ff.; dieser Ansicht haben sich auch Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011 angeschlossen, ohne hierfür jedoch neue Argumente zu liefern. 141 Ebenso und mit ähnlicher Argumentation Banerjea, GmbHR 1998, 814, 815; eine gesetzliche Pflicht zur Kapitalaufbringung aus den zwingenden Regelungen des § 19 GmbHG ableitend Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 73.

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Stammkapitals im Gesellschaftsvertrag stellt eine Ergänzung dieser Pflicht dar, sie tritt aber nicht an deren Stelle. Die Analogie scheitert damit nicht schon am Fehlen einer entsprechend anzuwenden Norm. Zu prüfen ist demnach, ob die den Grundsatz der Mindestkapitalaufbringung regelnden § 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2, 3 GmbHG auf die Fälle der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften entsprechend angewendet werden können. Erforderlich für die analoge Anwendung sind, wie oben dargestellt, das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke und die Tatbestandsähnlichkeit.

(1) Planwidrige Regelungslücke Zu bezweifeln ist bereits, ob die Vorschriften, welche die Gesellschaftsgründer zur Aufbringung des Stammkapitals bei der rechtlichen Neugründung verpflichten, eine planwidrige Regelungslücke enthalten. Zwar bestimmen die §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2, 3 GmbHG eine Verpflichtung zur Aufbringung des Stammkapitals nur für den Fall, dass eine neue juristische Person gegründet wird. Wie oben bereits geklärt, liegt jedoch in der Aktivierung von bereits eingetragenen Mantel- und Vorratsgesellschaften keine rechtliche Neugründung, und es ist auch keine andere Norm ersichtlich, die für diese Fälle eine Verpflichtung zur Aufbringung des Stammkapitals vorsieht. Hiermit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob sich diese Lücke als planwidrig und sich das Gesetz insoweit als unvollständig darstellt. Eine solche planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, die durch eine analoge Anwendung zu schließen wäre, wäre im vorliegenden Fall nur dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber die Fälle der wirtschaftlichen Neugründung entweder übersehen und sie nur deshalb keiner gesetzlichen Regelung zugeführt hat oder aber, wenn er die Regelungslücke zwar erkannt, aber ihre Ausfüllung bewusst der Rechtsprechung und Literatur überlassen hätte. Bei der Aktivierung einer Vorrats- oder Mantel-GmbH wird eine bereits bestehende Kapitalgesellschaft mit einem neuen Unternehmen ausgestattet. Die Befürworter der analogen Anwendung sehen das Fehlen einer gesetzliche Reglung für die Fälle der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften als planwidrigen Lücke des Gesetzes an, weil der Gesetzgeber bei der Regelung des Kapitalaufbringungsgrundsatzes für die Neugründung einer GmbH nur den Normalfall, dass die Entstehung der juristischen Person mit Aufnahme des Geschäftsbetriebes durch die Gesellschafter einhergehe, vor Augen gehabt habe, nicht aber den Fall, dass ein aus wirtschaftlicher Sicht neues Unternehmen in eine bereits bestehende Kapitalgesellschaft ein-

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

gebracht werde. Zu klären ist aber, ob das GmbHG nicht doch Regelungen für einen solchen Fall enthält, da es gegen die Planwidrigkeit und damit auch gegen das Vorliegen einer Regelungslücke sprechen würde, wenn der Gesetzgeber für derartige Fälle an anderer Stelle spezielle Regelungen getroffen hätte. Im Gesetz findet sich keine Sonderregelung, die sich mit der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften befasst. Allerdings sind einige Fälle des Aufbaus eines neuen Unternehmens unter Verwendung einer bereits existierenden Kapitalgesellschaft rechtlich anerkannt142. So kann eine in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft unter Aufbau eines neuen Unternehmens fortgeführt werden, ohne dass hierbei erneut das Stammkapital aufgebracht werden müsste. Ebenso wird der Fall der Einbringung eines neuen Unternehmens in eine bestehende Gesellschaft im Wege der Sacheinlage allgemein für zulässig gehalten, auch wenn hierdurch ein Unternehmen erstmals in den Genuss einer Haftungsbeschränkung kommt143. Und auch dann, wenn ein Unternehmen mit einer Kapitalgesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz verschmolzen wird und so die Haftungsbeschränkung erlangt, verlangt das Gesetz keine erneute Kapitalaufbringung. Angesichts dieser rechtlich zulässigen Fälle des Aufbaus eines neuen Unternehmens unter Verwendung einer bestehenden Kapitalgesellschaft, ist die Planwidrigkeit der Regelungslücke zumindest zu bezweifeln144. (2) Tatbestandsähnlichkeit Bejaht man jedoch trotz der genannten Gegenargumente das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, weil der Fall der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften als solcher im Gesetz nicht gesondert geregelt ist, so bleibt zu klären, ob die für die Bejahung einer Analogie erforderliche Ähnlichkeit zwischen dem in der Norm geregelten Fall der rechtlichen Neugründung und der wirtschaftlichen Neugründung tatsächlich vorliegt. Dies richtet sich grundsätzlich danach, ob die Kapitalaufbringungspflicht ihrem Sinn und Zweck nach auch für die Fälle der Verwendung einer Vorratsoder Mantelgesellschaft gelten muss. Mit der herrschenden Ansicht ist davon auszugehen, dass es Sinn und Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften ist, das Mindeststammkapital 142

Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 347. Banerjea, GmbHR 1998, 814, 816; dies stellt auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. a) fest, ohne hieraus jedoch die notwendigen Schlüsse für die Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften zu ziehen. 144 Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 347. 143

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als Haftungsfonds zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft zu sichern, um einen Ausgleich für die Haftungsbeschränkung zu schaffen145. Zudem soll ein Hindernis aufgestellt werden, das völlig unseriöse GmbHGründungen, bei denen die Gesellschafter nicht einmal ein Stammkapital von 25.000 Euro aufbringen können oder wollen, von vorneherein verhindert. Diese Funktion des Mindeststammkapitals wird deshalb auch als „Seriositätsschwelle“ bezeichnet146. Der Gläubigerschutz steht damit eindeutig im Mittelpunkt der Vorschriften zum Mindeststammkapital und zur Kapitalaufbringung147. Die beschränkte Haftung, die als Privileg der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft anzusehen ist, verlagert das Risiko des Geschäftsbetriebes auf die Gläubiger. Im Gegenzug soll ein Teil des Risikos zurückverlagert werden, indem den Gläubigern der Haftungsfonds in Form des gesetzlichen Stammkapitals zur Verfügung gestellt wird. Würde das Geschäftsrisiko vollständig auf die Gläubiger abgewälzt, so wäre auch den Gesellschaftern nicht gedient, da sich der Rechtsverkehr dann kaum mehr auf Geschäfte mit einer Kapitalgesellschaft einlassen würde aus Angst davor, für die eigenen Forderungen keine Befriedigung zu erlangen. Ohne ein Mindeststammkapital wäre die Gesellschaft demnach wirtschaftlich nicht handlungsfähig148. Fraglich ist nun aber, ob dieser Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften auch im Rahmen der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften eingreift. Hierfür ist entscheidend, ob die Gewährleistung des Gläubigerschutzes trotz des zwischen der Neugründung einer Gesellschaft und der Aktivierung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft bestehenden Unterschieds – des Fehlens der rechtlichen Neuentstehung einer Gesellschaft – eine rechtliche Gleichbehandlung dieser Fälle notwendig macht. Dies ist jedoch aus einer Vielzahl von Gründen, die im Folgenden erläutert werden, abzulehnen.

145

BGHZ 155, 318, 326; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 IV 1. c), § 22 II 2. b); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 5 Rdnr. 6; Goette, DStR 2004, 461, 461; Priester, DB 1983, 2291, 2295. 146 Bachmann, ZGR 2001, 351, 352; Fleischer, DStR 2000, 1020; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695, 721; vgl. den Bericht der High Level Group, S. 88, Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe vom 04.11.2002, abrufbar unter „http://europa. eu.int/comm/internal_market/en/company/company/modern/consult/report_de.pdf“; Stellungnahme der Group of German Experts zum Konsultationsdokument der High Level Group, ZIP 2002, 1310, 1318; Stellungnahme der Group of German Experts zum Bericht der High Level Group, ZIP 2003, 863, 872. 147 Michalski, GmbHG, § 5 Rdnr. 2. 148 Michalski, GmbHG, § 5 Rdnr. 1.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

(a) Untauglichkeit des Arguments der „wirtschaftlichen Neugründung“ Die Kapitalaufbringungspflicht soll im Zusammenspiel mit der registergerichtlichen Kontrolle die Aufbringung der gesetzlichen Kapitalausstattung der Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Entstehung als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung gewährleisten149. Ihr Zweck ist es nicht, dafür Gewähr zu leisten, dass die Kapitalausstattung auch zu einem späteren Zeitpunkt noch vorhanden ist150. Hierzu dienen allein die Vorschriften zur Kapitalerhaltung. Bei der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft entsteht aber gerade kein neuer, beschränkter Haftungsträger, sondern es wird nur eine bereits existierende juristische Person mit einem neuen Unternehmen ausgestattet. Dem Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften wurde in diesen Fällen bereits genügt, da Vorrats- und Mantelgesellschaften das Gründungsverfahren bereits durchlaufen haben und somit auch ihre Kapitalausstattung vor Eintragung kontrolliert wurde. Ist das Stammkapital der verwendeten Gesellschaft verbraucht, so hat sich die Risikobeteiligung der Gesellschafter schon verwirklicht151. Für die Begründung einer erneuten Kapitalaufbringungspflicht besteht kein Raum. Auch das Argument der herrschenden Meinung, dass in der Verwendung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft eine der rechtlichen Neugründung gleichzustellende wirtschaftliche Neugründung liege, kann die Analogie nicht begründen. Sie basiert auf der fälschlichen Annahme, dass für die Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften die Gründung eines Unternehmens und nicht die Gründung der Gesellschaft als juristischer Person entscheidend ist152. Nach dieser Auffassung besteht nur dann eine gesetzestypische Kapitalgesellschaft, wenn diese auch mit einem Unternehmen ausgestattet wird153. Dieses Bild von einer typischen Kapitalgesellschaft entspricht zwar dem allgemeinen Rechtsgefühl, und auch der Gesetzgeber wird dieses wohl im Blick gehabt haben. Dennoch ist eine Gleichstellung von Unternehmensgründung und Gesellschaftsgründung im Rahmen der Anwendung der Gründungsvorschriften mit den Regelungen des GmbHG nicht vereinbar. 149

So auch BGHZ 153, 158, 161 unter Verweis auf BGHZ 117, 323, 331. BayObLGZ 1999, 87, 90; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 324; Wicke, GmbHR 2005, 409, 411. 151 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 152; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348. 152 So eindeutig Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 54 ff., 60 ff.; hierzu kritisch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1350; ebenso kritisch Keller, DZWIR 2005, 134, 136, 137. 153 Goette, DStR 2004, 461, 462. 150

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Im Gesetz ist alleine die Gründung einer Gesellschaft geregelt, nicht aber die eines Unternehmens154. Diese Anknüpfung durchzieht das gesamte GmbH-Recht. So befasst sich das Gesetz mit der Errichtung und Entstehung (§§ 2 ff. GmbHG), mit der Auflösung und Liquidation (§§ 60 ff. GmbHG) sowie mit der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG) und Spaltung (§§ 123 ff. UmwG) der GmbH als Rechtsträger. Regelungen zur Gründung, Liquidation und Übertragung von Unternehmen finden sich dagegen nicht155. Ob die Gesellschaftsgründung mit der Gründung eines Unternehmens einhergeht oder ob die Ausstattung mit einem Geschäftsbetrieb erst später erfolgt, ist für die Anwendung der Gründungsvorschriften nicht relevant. Auch das Umwandlungsrecht des GmbHG regelt nur die Umstrukturierung der Gesellschaft und nicht des Unternehmens156, und ebenso verhält es sich bei den Vorschriften zur Auflösung und Liquidation157. Zwar basiert die Umstrukturierung der Gesellschaft wirtschaftlich betrachtet auf der Umstrukturierung des Unternehmens, und die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft folgt grundsätzlich der Auflösung des Unternehmens. Aber auch, wenn es nicht dem Rechtsempfinden der Allgemeinheit entspricht, dass Kapitalgesellschaften unabhängig von einem Geschäftsbetrieb existieren können, ist der Anknüpfungspunkt der Vorschriften des GmbHG doch die Gründung, Umwandlung und Liquidation der juristische Person und nicht des Unternehmens. Deshalb entspricht auch das Bild der herrschenden Meinung, dass der Gründungsvorgang erst mit „der Verwendung der Gesellschaft für einen operativen Zweck“ als beendet anzusehen ist158, nicht den gesetzlichen Vorgaben. Mit der Eintragung der GmbH ist der Gründungsakt abgeschlossen, ob die Gesellschaft mit einem Geschäftsbetrieb ausgestattet ist oder nicht. Dies ist Ausdruck des geltenden Systems der Normativbestimmungen, das alleine die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung einer GmbH verlangt. Aus § 1 GmbHG ergibt sich, dass eine GmbH zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden kann und nicht nur zur Ausübung eines Unternehmens. Demnach können auch Kapitalgesellschaften gegründet werden und existieren, die keinen Geschäftsbetrieb aufweisen, wie dies gerade bei den Vorratsgesellschaften der Fall ist. Das Gesetz kennt keine zwingende Verknüpfung zwischen Unternehmen und der dahin154 Banerjea, GmbHR, 1998, 814, 815, 816; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1350 f. 155 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1350. 156 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351; ders., ZGR 1990, 580; ähnlich auch Herchen, DB 2003, 2211, 2213 f. 157 Scholz/K. Schmidt, § 60 Rdnr. 72; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351. 158 Goette, DStR 2004, 461, 462; ders., DStR 2003, 300, 301; Krafka, ZGR 2003, 577, 590.

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ter stehenden juristischen Person159. Auch eine unternehmenslose Gesellschaft ist eine richtige Kapitalgesellschaft, da sich das Unternehmen nicht als notwendiges Substrat einer Kapitalgesellschaft darstellt160. Der BGH erkennt dies im Rahmen seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Vorratsgründung zwar auch an, stellt aber nicht fest, dass dieser Grundsatz bei konsequenter Fortführung auch eine analoge Anwendung der „Gründungsvorschriften“ ausschließen muss. Auch die Haftungsbeschränkung knüpft nicht an das Unternehmen an, sondern alleine an die juristische Person als Rechtsträger. Ein Unternehmen kann nicht unabhängig von der Gesellschaft eine Haftungsbeschränkung erwerben, da es nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt161. Die Gesellschaft erlangt die Haftungsbeschränkung mit der Eintragung ins Handelsregister und diese geht auch nicht durch die Einstellung des Unternehmens wieder verloren. Insofern kann nicht davon gesprochen werden, dass durch die Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft ein Unternehmen erstmals in den Genuss der beschränkten Haftung kommt. (b) Verfehltheit des Umgehungsschutzgedankens Auch der Umgehungsschutzgedanke, der von der herrschenden Meinung als maßgebliches Argument für die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften ins Feld geführt wird, trägt nicht. Nach ganz herrschender Ansicht ist die Umgehung kein eigenes Rechtsinstitut, aus der eigenständige Rechtsfolgen abzuleiten wären, sondern ein Problem der Normanwendung162. Zu prüfen ist deshalb auch in diesen Fällen nur, ob ein nicht geregelter Sachverhalt vom Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift erfasst wird und deshalb im Wege der Analogie auch auf diesen anzuwenden ist. Das Umgehungsargument der herrschenden Meinung beruht auf der Annahme, dass die Unternehmensgründung immer auch die Gründung einer neuen Gesellschaft erfordere. Es findet sich im geltenden Recht aber kein Grundsatz, der Unternehmern vorschreibt, dass sie eine neue Gesellschaft gründen müssen und sich nicht einer bereits bestehenden Gesellschaft be159 Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1009; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 324. 160 Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 57; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1009; ähnlich auch Bommert, GmbHR 1983, 209, 212; Kraft, DStR 1993, 101, 102. 161 Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348. 162 Teichmann, Die Gesetzesumgehung, S. 67 ff.; Benecke, Gesetzesumgehung im Zivilrecht, §§ 10 I, 11; so auch für die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaft K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351; ausführlich hierzu auch Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten. S. 91 ff.

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dienen können, um einen neuen Geschäftsbetrieb aufzunehmen163. Gerade diese Schlussfolgerung müsste aber die herrschende Meinung ziehen, wenn sie sich auf den Umgehungsschutzgedanken beruft. Eine Analogie käme nur dann in Betracht, wenn es Sinn und Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbHG wäre, die Kapitalausstattung bei Gründung eines Unternehmens zu sichern. Da das Gesetz aber, wie oben geklärt, allein auf die Gründung der Gesellschaft abstellt, ist dies zu verneinen. (c) Der Gläubigerschutzgedanke Das entscheidende Argument des BGH und der herrschenden Lehre für die Begründung der analogen Anwendung ist die angeblich in diesem Fall bestehende besondere Gefährdung der Gläubiger. Das Risiko für die Gläubiger von Mantel- und Vorratsgesellschaften wird von der herrschenden Meinung zur Begründung des Tatbestandes der wirtschaftlichen Neugründung immer wieder betont und lässt sie über sämtliche gegen dieses Konzept bestehenden dogmatischen Bedenken hinweggehen. Deshalb bleibt zu untersuchen, ob in diesen Fällen tatsächlich eine besondere Gläubigergefährdung besteht und wenn ja, ob die Gläubiger durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften geschützt werden können. Zunächst ist schon zu bezweifeln, ob durch die Verwendung von Mantelund Vorratsgesellschaften überhaupt eine besondere Gefährdung des Wirtschaftsverkehrs verursacht wird, die über die der Haftungsbeschränkung von Kapitalgesellschaften ohnehin immanente Gefahr für die Gläubiger hinausgeht. Das Risiko für die Gläubiger einer GmbH besteht grundsätzlich darin, dass sie zur Befriedigung ihrer Forderungen nicht persönlich auf die Gesellschafter zugreifen können, auch wenn das Haftungskapital der Gesellschaft schon vollständig verbraucht ist. Die Gefahr, dass das Stammkapital zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr ausreichend für den Betrieb des Unternehmens ist, existiert jedoch grundsätzlich bei jeder Kapitalgesellschaft164. Wie dies auch von einigen Gegnern der analogen Anwendung vorgebracht wird, macht es keinen Unterschied, ob eine unterkapitalisierte „normale“, eine durch die Aktivierung einer Vorrats- oder Mantel-GmbH entstandene oder eine bestehende, aber völlig umorganisierte Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt. Eine Gläubigergefährdung durch eine unzureichende Kapitalausstattung der Gesellschaft kann in allen drei Fällen eintreten. Insofern kann 163 Altmeppen, NZG 2003, 145, 148; Herchen, DB 2003, 2211, 2213; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351. 164 Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011; Banerjea, GmbHR 1998, 814, 815 ff.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 150 ff.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

auch nicht entscheidend sein, ob und wie lange die verwendete Gesellschaft unternehmenslos war, bevor sie weiterverwendet wurde. Hieran zeigt sich auch, dass das Kriterium der herrschenden Meinung zur Bestimmung der Fälle der Mantelverwendung nicht nur zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt, sondern darüber hinaus gar keine sinnvolle Eingrenzung dieses Tatbestandes im Hinblick auf eine bestehende Gläubigergefährdung gewährleistet. Eine Gefährdung der Gläubiger kann auch dann entstehen, wenn der Unternehmensgegenstand ohne Unterbrechung der Geschäftstätigkeit verändert wird. Allgemein gesprochen, bergen Gesellschaften, die eine haftungsbeschränkte Tätigkeit ausüben und nicht über eine ausreichende Kapitalausstattung für den jeweiligen Betrieb verfügen, stets eine große Gefahr für die Gläubiger165. Das Risiko, dass im Laufe der Zeit kein ausreichendes Haftungskapital mehr vorhanden ist, besteht bei der GmbH also immer und unabhängig davon, ob ein Unternehmen „wirtschaftlich neu gegründet“ oder bloß umorganisiert oder ob überhaupt irgendeine Veränderung des Unternehmens vorgenommen wird, weil das Stammkapital nur im Zeitpunkt der Entstehung der Gesellschaft, nicht aber nochmals zu einem späteren Zeitpunkt kontrolliert wird. Die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften stellt demnach kein Sonderproblem dar und bedarf damit auch keiner besonderen Lösung durch die Anwendung der Gründungsvorschriften166. Es zeigt sich vielmehr, dass das deutsche Kapitalschutzkonzept im Hinblick auf die Gefährdung des Rechtsverkehrs durch den Betrieb von unzureichend kapitalisierten GmbHs entscheidende Schutzlücken aufweist, die der BGH nun für den speziellen Fall der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaft durch eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften zu schließen versucht167. Dies führt aber nicht zu einer sinnvollen Lösung der Gesamtproblematik, sondern nur zu einer unzureichenden und dogmatisch nicht gerechtfertigten Einzellösung für einen nur schwer abgrenzbaren Teilbereich168. Eine sinnvolle und tragfähige Lösung der Gläubigerschutzproblematik sollte demnach sämtliche Fälle des Betriebes einer nicht ausreichend mit Haftungskapital ausgestatteten Gesellschaft erfassen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Falle der Aktivierung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft das Risiko einer unzureichenden Kapitalaus165 Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 150–152. 166 Vgl. Altmeppen, DB 2003, 2050, 2053; ders., NZG 2003, 145, 148. 167 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352. 168 Dass durch den Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung nur ein Teilbereich einer größeren Problematik erfasst wird, erkennt auch Goette, DStR 2004, 461, 465. Er hält eine übergreifende Lösung aber nicht für geboten.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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stattung gegenüber dem fortdauernden Betrieb eines Unternehmens erhöht ist, bleibt zu fragen, ob die erneute Anwendung der Gründungsvorschriften das Insolvenzrisiko der Gesellschaft minimiert und damit den Schutz der Gläubiger vor dem Ausfall ihrer Forderungen zu gewährleisten vermag. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das auf strengen Kapitalaufbringungsund Kapitalerhaltungsvorschriften beruhende deutsche Gläubigerschutzmodell in der letzten Zeit vermehrt in die Kritik geraten ist169. Die Diskussion um das deutsche Kapitalschutzmodell steht in Zusammenhang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit, die den europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen eröffnet und den Reformdruck in Deutschland erheblich erhöht hat. Sowohl die Effektivität als auch die Effizienz des in Kontinentaleuropa vorherrschenden Kapitalschutzmodells wird insbesondere im Hinblick auf das angloamerikanische Publizitäts- und Informationsmodell bezweifelt. Das entscheidende Problem des Konzepts der wirtschaftlichen Neugründung steht ebenfalls im Kontext der neuesten Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit170. Neben die oben bereits ausführlich dargestellten dogmatischen Bedenken und die grundsätzliche Kritik am Kapitalschutzmodell tritt der Einwand der Unanwendbarkeit der Rechtsprechung auf im Ausland gegründete Mantel- und Vorratsgesellschaften mit Sitz in Deutschland nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit171. Die Kapitalaufbringungsvorschriften sind Rechtsnormen, die dem Gründungsrecht der GmbH zuzuordnen sind. Nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Überseering und Inspire Art sind ausländische Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz im Inland nehmen auch als solche anzuerkennen und rechtlich nach ihrem Gründungsstatut zu behandeln. Sehr fraglich ist demnach, ob das deutsche Kapitalschutzprinzip überhaupt gegenüber ausländischen Gesellschaften durchgesetzt werden kann. Wäre eine solche Durchsetzung nicht möglich, so bestünde die Möglichkeit, mit Hilfe im Ausland gegründeter Vorrats- und Mantelgesellschaften die Rechtsprechung des BGH zur analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften zu umgehen. Eine Lösung, die die Gläubiger zwar vor dem Missbrauch deutscher unterkapitalisierter Mantel- und Vorratsgesellschaften schützt, nicht aber vor der missbräuchlichen Verwendung im Ausland gegründeter Gesellschaften, wäre nicht sinnvoll. 169

Siehe hierzu ausführlich 4. Kapitel II. Vgl. hierzu 4. Kapitel III. 171 Nicht in dieser Deutlichkeit, aber das Problem zumindest aufzeigend Altmeppen, NJW 2004, 97, 103; Schumacher, DStR 2003, 1884, 1886 f.; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Peetz, Anm. zur Entscheidung des BGH v. 07.07.2003, GmbHR 2003, 1128, 1130; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 323; Meilicke, BB 2003, 857, 860; einschränkend Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1134. 170

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

Das Gläubigerschutzargument, auf dem die herrschende Meinung basiert und das sie über sämtliche dogmatischen Bedenken hinweggehen lässt, wäre dann als hinfällig anzusehen172. Bestünde tatsächlich eine solche Umgehungsmöglichkeit, wäre es unumgänglich, eine andere Lösung zu suchen, die auf in- und ausländische Kapitalgesellschaften gleichermaßen anwendbar ist und den Gläubigerinteressen Rechnung trägt. Sowohl die Frage nach der Effektivität des Kapitalschutzmodells als auch die Frage, ob die Rechtsprechung des BGH durch die Verwendung von ausländischen Mantel- und Vorratsgesellschaften umgangen werden kann, sind von entscheidender Bedeutung für die Rechtfertigung der Gläubigerschutzargumentation der herrschenden Meinung und damit für das gesamte Konzept der wirtschaftlichen Neugründung. Sie werden deshalb im 4. Kapital eingehend erörtert. (d) Abgrenzungsprobleme Auch die vielfach kritisierte Unklarheit des sachlichen Anwendungsbereichs der wirtschaftlichen Neugründung spricht gegen die analoge Anwendung. Die herrschende Meinung hat erhebliche Schwierigkeiten, den Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung zu definieren. Die herrschende Meinung hat offenbar einen typischen Fall der Mantelverwendung vor Augen, der jedoch in der Praxis in dieser Form häufig gerade nicht vorliegt173. Nach der Definition des BGH ist das entscheidende Kriterium für die wirtschaftliche Neugründung die zumindest vorübergehende Unternehmenslosigkeit der Gesellschaft. Fraglich ist aber, wann ein Unternehmen zu existieren beginnt und damit, was den Begriff des „Unternehmens“ überhaupt ausmacht. Ist eine Gesellschaft unternehmenslos, wenn sie gar keinen oder nur noch einen unbeachtlichen Geschäftsbetrieb ausübt? Wann kann von einer Einstellung des Geschäftsbetriebes ausgegangen werden, und welche Art der verbleibenden Tätigkeit ist dabei unbeachtlich?174. Genügt es, wenn die Gesellschaft über keinerlei Vermögen mehr verfügt, oder spielt dieses Kriterium gar keine Rolle? Wie lange muss die Gesellschaft unternehmenslos gewesen sein? Liegt eine Unternehmenslosigkeit auch dann vor, wenn das ursprüngliche Unternehmen eingestellt und sofort ein neues Unternehmen begonnen wird, das Unternehmen also ohne zeitliche Unterbrechung 172

Ähnlich K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352. K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351; Keller, DZWIR 2005, 134, 137. 174 Vgl. hierzu die Entscheidung des LG Berlin, DB 2003, 1378, wonach von einer „leeren Hülle“ einer Gesellschaft nicht gesprochen werden könne, solange die Gesellschaft noch Umsatzerlöse erzielt. 173

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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ausgetauscht wird?175. Die Liste der aufkommenden Fragen ließe sich beliebig erweitern, und auch die neue Entscheidung des BGH schafft hierbei keine Klarheit. Letztlich ersetzt der BGH nur den unbestimmten Rechtsbegriff der „wirtschaftlichen Neugründung“ durch den ebenfalls unbestimmten Rechtsbegriff der „Unternehmenslosigkeit“176. Über diese Probleme hilft auch nicht hinweg, wenn man wie Goette177 die wirtschaftliche Neugründung nicht als Tatbestand begreift, sondern als bloßes „Bild, das das Verständnis dafür erleichtern soll, warum abermals die registergerichtlichen Präventivbestimmungen angewendet werden sollen“. Es kann nicht darum gehen, eine derart gravierende Folge wie das Eingreifen der Gründungsvorschriften alleine durch Gläubigerschutzerwägungen zu rechtfertigen und mit einem „Bild“ von der „wirtschaftlichen Neugründung“ Verständnis hierfür zu schaffen. Der Begriff der wirtschaftlichen Neugründung ist konturen- und uferlos, da unter ihn noch viele andere Fallkonstellationen subsumiert werden können als nur die Fälle der „klassischen“ Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften, die der BGH mit seiner Rechtsprechung im Blick hatte. Meiner Ansicht nach zeigen diese Definitionsschwierigkeiten vielmehr die Ungeeignetheit dieses alleine auf Gläubigerschutzerwägungen beruhenden Tatbestandes, der dogmatisch nicht zu rechtfertigen und zur Lösung der im Zusammenhang mit der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften auftretenden Probleme auch nicht geeignet ist. Zwar ist dem BGH178 darin Recht zu geben, dass Abgrenzungsschwierigkeiten ein häufig anzutreffendes Problem der Rechtsanwendung darstellen und nicht gegen eine analoge Anwendung sprechen können, wenn diese nach Sinn und Zweck des Gesetzes tatsächlich angezeigt wäre. Dass dies aber gerade nicht der Fall ist, wurde soeben gezeigt. (e) Zwischenergebnis Eine analoge Anwendung der sich aus § 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2, 3 GmbHG ergebenden Kapitalaufbringungspflicht auf Mantel- und Vorratsgesellschaften ist daher grundsätzlich abzulehnen. Damit erübrigt sich an sich auch die Erörterung der Frage, ob die Gesellschafter nur das gesetzliche Mindeststammkapital oder aber – wie der BGH nunmehr entschieden hat179 – das statutarische Stammkapital aufzubringen haben. Bei konsequen175 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351; Altmeppen, DB 2003, 2050, 2053; Peetz, GmbHR 2003, 229, 231. 176 Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1131. 177 Goette, DStR 2004, 461, 462. 178 BGHZ 155, 318, 324.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

ter Gleichbehandlung der rechtlichen und der wirtschaftlichen Neugründung kommt jedoch nur die Orientierung am satzungsmäßigen Stammkapital in Betracht. Die Gegenansicht, die die Kapitalaufbringung auf das Mindeststammkapital beschränken möchte, erscheint in ihrer Begründung inkonsequent und nicht schlüssig, da sie versucht, von der kurz zuvor mühsam hergeleiteten Analogie Ausnahmen zu machen und hierbei gerade darauf abstellt, dass es sich eben nur um eine wirtschaftliche, nicht aber um eine rechtliche Neugründung handele180. Hieran zeigt sich aber erneut, dass das Konzept von der analogen Anwendung der „Gründungsvorschriften“ nur dazu dient, die Missbrauchsgefahr bei der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften zu verhindern, ohne eine dogmatisch saubere Begründung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften zu liefern. Von diesem Konzept sollen dann wiederum Ausnahmen gemacht werden, wenn die Analogie allzu hart erscheint. Eine solche Lösung, die alleine auf Billigkeitserwägungen basiert, ist aber als verfehlt anzusehen. bb) Anmeldeversicherung und registergerichtliche Kontrolle Angesichts der bereits erörterten Kritik an der herrschenden Lehre ist auch die analoge Anwendung der nach § 8 Abs. 2 GmbHG abzugebenden Anmeldeversicherung über die Unversehrtheit des Stammkapitals und der diesbezüglichen registergerichtlichen Kontrolle gemäß § 9c GmbHG i. V. m. § 12 FGG auf die Aktivierung von Vorrats- und Mantelgesellschaften abzulehnen. Im Hinblick auf den Regelungszweck und den Anknüpfungspunkt der Vorschriften ergeben sich keine Besonderheiten, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Die Anmeldeversicherung und die registergerichtliche Kontrolle dienen der Durchsetzung der Kapitalaufbringungspflicht. Ihr Hauptzweck ist es demnach, die Aufbringung des Stammkapitals als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung zu sichern und somit einen effektiven Gläubigerschutz zu gewährleisten. Die gegen eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften angeführten Argumente lassen sich demnach vollständig auf die Anmeldeversicherung und die darauf basierende registergerichtliche Kontrolle übertragen, so dass auf eine erneute Darstellung dieser Gründe verzichtet werden kann. Es sprechen jedoch weitere Argumente gegen eine Anwendung des § 8 Abs. 2 GmbHG und des § 9c GmbHG i. V. m. § 12 FGG auf die Fälle der Verwendung von Mantelund Vorratsgesellschaften, die sich speziell auf die analoge Anwendung der genannten Vorschriften und ihre praktische Umsetzung beziehen. Diese werden im Folgenden aufgezeigt. 179 180

BGHZ 155, 318, 325, 326. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. d) und e).

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Hierzu ist zunächst zu klären, was – bezogen auf den Fall der rechtlichen Neugründung einer Gesellschaft – Inhalt von Anmeldeversicherung und Kontrollpflicht ist und auf welchen Zeitpunkt sie abstellen. Anschließend ist zu fragen, ob eine Übertragung auf die Fälle der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften überhaupt möglich ist. (1) Die Prüfungspflicht des Registergerichts Die registergerichtliche Kontrollpflicht ergibt sich aus § 9c GmbHG i. V. m. § 12 FGG. Sie bezieht sich auf die gemäß §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG bei der Anmeldung der Eintragung von den Geschäftsführern abzugebende Versicherung, dass die Einlagen geleistet wurden und zur freien Verfügung der Gesellschafter stehen. Die Anmeldeversicherung dient als Mittel der Glaubhaftmachung der Kapitalausstattung der Gesellschaft. Ihren Beweiswert erhält die Versicherung dadurch, dass in § 82 GmbHG eine Strafe für den Fall der falschen Versicherung angedroht wird. Bei der Errichtung einer GmbH kommt dem Registergericht grundsätzlich nur eine eingeschränkte materielle Prüfungsbefugnis zu (§ 9c Abs. 2 GmbHG). Zu überprüfen ist aber jedenfalls die inhaltliche Richtigkeit der von den Gesellschaftern abgegebenen Versicherung über die Aufbringung des Mindeststammkapitals. Eine genauere Prüfung hat aber nur dann zu erfolgen, wenn ein Anlass besteht, an der Richtigkeit zu zweifeln181. (a) Gesetzlicher Prüfungsgegenstand Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist Gegenstand der Anmeldeversicherung, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG genannten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt wurden und zur freien Verfügung der Gesellschafter stehen. Die Versicherung und die darauf beruhende Prüfungsbefugnis des Registergerichts beziehen sich demnach grundsätzlich nur darauf, dass diese Leistung erbracht wurde, also auf den eigentlichen Akt der Aufbringung des Kapitals182. Diese Versicherung aber können jedenfalls die Mantelgründer gar nicht erbringen, da sie die Gesellschaft nicht gegründet haben und daher auch keine Aussagen darüber treffen können, dass diese Leistungen erbracht wurden. Vielmehr geht es dem BGH wohl darum, dass das Stammkapital im Zeitpunkt der Anmeldung der wirtschaftlichen Neugründung noch durch das Vermögen gedeckt ist183. Dem Wortlaut des Gesetzes ist aber keine Überprü181 BGHZ 113, 335, 351; siehe auch Böhringer, RPfleger 2002, 551; Keidel/ Krafka/Willer, Registerrecht, Rdnr. 160, 980 f. 182 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

fung der Kapitalausstattung, also der Deckung von Stammkapital und tatsächlichem Vermögen der Gesellschaft zu entnehmen. Der BGH fordert im Rahmen der analogen Anwendung von Anmeldeversicherung und registergerichtlicher Prüfungspflicht aber eine Prüfung mit eben diesem Inhalt. Um die Grundsätze der §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG sowie des § 9c GmbHG sinnvoll auf die Aktivierung von Vorratsund Mantelgesellschaften übertragen zu können, müsste sich diesen Normen demnach ein Grundsatz entnehmen lassen, der eine Versicherung und Überprüfung der Deckung des Stammkapitals ermöglicht. (b) Erweiterung durch den BGH Tatsächlich hat der BGH bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1980 den Inhalt der Anmeldeversicherung und der damit verbundenen Kontrollpflicht des Registergerichts über den Wortlaut der entsprechenden Vorschriften auf die Frage erweitert, ob und inwieweit die Gesellschaft bereits mit Verbindlichkeiten belastet ist, die die Mindesteinlagen vollständig oder teilweise aufzehren, und deshalb bereits vor Eintragung der Gesellschaft eine Unterbilanz besteht184. Hintergrund der Ausdehnung der Prüfungspflicht auf das Vorliegen einer Unterbilanz war, dass der BGH in der gleichen Entscheidung das jahrzehntelang heftig umstrittene Vorbelastungsverbot aufgegeben hat185. Das Vorbelastungsverbot sollte verhindern, dass eine GmbH bereits im Zeitpunkt ihrer Entstehung mit Verbindlichkeiten belastet ist, die nicht aus den gründungsnotwendigen Geschäften resultieren, so dass der Bestand des Stammkapitals als Haftungsgrundlage der Gesellschaft bei Eintragung gesichert und damit dem Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften, einen Ausgleich für die Haftungsbeschränkung zu schaffen, genügt wird186. Dies sollte gewährleistet werden, indem der Vorgesellschaft, abgesehen von gründungsnotwendigen Geschäften, jegliche Eingehung von Verbindlichkeiten untersagt wurde. Um den Gesellschaften eine Teilnahme am Rechtsverkehr bereits vor Eintragung zu ermöglichen und dennoch einen ausreichenden Schutz der Gläubiger zu erreichen, wurde dieses jahrzehntelang heftig umstrittene rigide Vorbelastungsverbot schließlich durch die Unterbilanzhaftung ersetzt. Die Unversehrtheit des Stammkapitals im Zeitpunkt der Eintragung soll nun dadurch erreicht werden, dass die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft für die auf bestehenden Vorbelas183 So auch OLG Thüringen, GmbHR 2004, 1468, 1470; Heidinger, ZGR 2005, 101, 107; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1132. 184 BGHZ 80, 129, 130 (4. Leitsatz). 185 BGHZ 80, 129, 130 (2. Leitsatz). 186 BGHZ 65, 378, 383; BGHZ 80, 129, 137.

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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tungen beruhende Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Wert des tatsächlichen Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung haften. Zur Herleitung dieser Haftung beruft sich der BGH auf den Rechtsgedanken der in § 9 GmbHG geregelten Differenzhaftung des Sacheinlegers. Nach allgemeiner Ansicht in der Literatur handelt es sich jedoch um einen auf höchstrichterlicher Rechtsfortbildung beruhenden selbständigen Haftungsgrund187. Die Erweiterung der Anmeldeversicherung und der damit verbundenen Kontrollpflicht auf die Frage, ob die Gesellschaft bereits vor ihrer Eintragung durch Verbindlichkeiten vorbelastet ist, stellt sich demnach als Konsequenz der Ersetzung des Vorbelastungsverbots durch die Grundsätze der Unterbilanzhaftung dar. Das Registergericht soll auch das Vorliegen einer Unterbilanz überprüfen, um die Eintragung einer Gesellschaft mit unzureichender Kapitalausstattung möglichst zu vermeiden188. Dieser erweiterte Inhalt der Kontrollpflicht ergibt sich demnach nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern beruht ebenfalls auf der oben dargestellten Rechtsfortbildung durch den BGH189. Diese vom BGH entwickelte Erweiterung der Prüfungspflicht des Registergerichts, die ihrerseits – wie gezeigt – auf der Einführung der Unterbilanzhaftung beruht, müsste nunmehr wiederum im Wege einer Analogie auf die Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften ausgedehnt werden, um eine Prüfungspflicht des Registergerichts auch auf diese Fälle übertragen zu können190. Eine Analogie zu einer durch höchstrichterliche Rechtsprechung erweiterten Norm ist zwar grundsätzlich möglich. Sie kann aber nur dann eingreifen, wenn sich der der Erweiterung des Inhalts der Anmeldeversicherung und der Prüfungspflicht des Registergerichts zugrunde liegende Gedanke der Vermeidung einer Unterbilanz seinem Sinn und Zweck nach auch auf die Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften übertragen lässt191.

187 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 84; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 124; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11 Rdnr. 57; Michalski, GmbHG, § 11 Rdnr. 133. 188 BGHZ 80, 129, 143. 189 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348. 190 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348, spricht insoweit sehr anschaulich von „einer Fortbildung fortgebildeten Gründungsrechts“; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1018, halten es für „dogmatische fernliegend nicht nur das Richterrecht, sondern auch dessen gedankliche Basis analog anzuwenden“. 191 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

(2) Übertragung auf die Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften Grundlage der durch den BGH im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Unterbilanzhaftung ist der Unversehrtheitsgrundsatz, der vormals auch zur Begründung des Vorbelastungsverbots herangezogen wurde. Der Unversehrtheitsgrundsatz, der nach richtiger Ansicht auch nach der Aufgabe des Vorbelastungsverbots grundsätzlich noch Bestand hat192, besagt, dass die Kapitalausstattung einer GmbH im Zeitpunkt ihrer Entstehung zu sichern ist193. Es soll keine GmbH ins Leben treten, deren Stammkapital teilweise oder sogar vollständig verbraucht ist. Dieser Gedanke ist aber nicht auf die Aktivierung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften übertragbar, da diese bereits bestehende vollwertige Gesellschaften sind, deren Stammkapital bei ihrer Eintragung kontrolliert wurde und für die bereits die Regeln des GmbHG zur Kapitalerhaltung gelten194. Es entsteht in diesen Fällen keine neue juristische Person195. Anknüpfungspunkt für den Unversehrtheitsgrundsatz und damit auch für die Rechtsfortbildung des BGH im Hinblick auf die Erweiterung von Anmeldeversicherung und registergerichtlicher Prüfungspflicht ist aber gerade die Entstehung eines neuen Rechtsträgers, nicht hingegen die Ausstattung einer bereits existierenden juristischen Person mit einem neuen Unternehmen. Es besteht kein Grund, diese Kontrolle nochmals vorzunehmen, da es nicht Sinn und Zweck des Unversehrtheitsgrundsatzes ist, die Kapitalausstattung der Gesellschaft nach ihrer Eintragung erneut zu kontrollieren. Auch der überwiegende Teil derjenigen, die grundsätzlich eine Analogie zu den Gründungsvorschriften befürworten, lehnt im Gegensatz zum BGH eine Anwendung der Grundsätze zur Unterbilanzhaftung auf die Aktivie192

Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 37. BGHZ 80, 129, 143; BGHZ 105, 300, 302. 194 So auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345,1348 f.; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 139 f., der diese Argumente jedoch nur zur Ablehnung der Unterbilanzhaftung verwendet. Die Ablehnung der Anwendung von Anmeldeversicherung und registergerichtlicher Kontrolle stützt er dagegen darauf, dass weder im AktG noch im GmbHG eine umfassende Kontrolle des Eigenkapitals vorgesehen sei (vgl. S. 120 ff.). 195 Dies erkennt auch Goette, DStR 2004, 463, 464 (Prof. Dr. Wulf Goette ist Mitglied des II. Zivilsenats des BGH, der die Entscheidung v. 07.07.2003 getroffen hat). Allerdings hält er die bereits erfolgte Eintragung inkonsequenterweise nur bei der Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG für problematisch und schlägt stattdessen eine Haftung der Geschäftsführer gemäß § 179 Abs. 1 BGB vor. In Wahrheit aber durchzieht der sich bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften aus der bereits erfolgten Eintragung ergebende Widerspruch zum Regelungszweck der für anwendbar gehaltenen Vorschriften und Rechtsgrundsätze das gesamte Konzept der wirtschaftlichen Neugründung. 193

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rung von Mantel- und Vorratsgesellschaften im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Unversehrtheitsgrundsatzes ab196. Nichts anderes kann dann aber für die auf das Bestehen einer Unterbilanz bezogene registergerichtliche Kontrolle bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften gelten. Die Begründung einer registergerichtlichen Kontrolle in den Fällen der Aktivierung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft begegnet zudem erheblichen praktischen Bedenken. Zu beachten ist, dass gemäß § 12 FGG einem Prüfungsrecht des Registergerichts stets auch eine Prüfungspflicht entspricht197. Die Arbeitsbelastung der Registergerichte wird durch eine solche Kontrollpflicht erheblich erhöht, da insbesondere bei der Aktivierung einer Mantelgesellschaft der Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung wegen der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Registergerichts und der Unsicherheiten in Bezug auf die Abgrenzung von der bloßen Umorganisation eines Unternehmens nur schwer zu identifizieren ist198. Auch wenn der BGH in seiner neuesten Entscheidung klarstellt, welches Kriterium für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung entscheidend ist, so bestehen doch weiterhin erhebliche Unsicherheiten, wann das Kriterium der Unternehmenslosigkeit tatsächlich erfüllt ist199. Zudem fehlt es an einer exakten gesetzlichen Vorgabe bezüglich des Inhalts und des Umfangs des registergerichtlichen Prüfungsrechts200. Diese Unsicherheiten ziehen in der Konsequenz eine weitere Verzögerung des ohnehin langwierigen Eintragungsverfahrens nach sich, die insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen nicht wünschenswert ist201. Die Unternehmensgründer haben ein legitimes Interesse daran, dass die Gründung eines Haftungsträgers innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgen kann, damit sie ihre Geschäftstätigkeit ohne Verzögerung, und ohne Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein, aufnehmen können. Dies setzt aber insbesondere ein effektives Registerverfahren voraus, das nicht noch durch zusätzliche ausufernde und unklare Prüfungspflichten des Registergerichts verlängert wird. Eine weitere zeitliche Verzögerung des Eintragungsverfahrens läuft auch dem Willen des Gesetzgebers zur Beschleunigung des Registerverfahrens 196 Priester, DB 1983, 2291, 2296; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 121 ff., 130. 197 Krafka, ZGR 2003, 577, 583. 198 Hierzu ausführlich Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht, Rdnr. 162; Krafka, ZGR 2003, 577, 582 f. 199 Vgl. BayObLGZ 1999, 87; Ammon, DStR 1999, 1039; so auch Kesseler, ZIP 2003, 1790, 1792. 200 Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht, Rdnr. 162. 201 Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1131 f.; so auch Wicke, NZG 2005, 409, 411.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

und zur Angleichung an den europäischen Standard zuwider, der bereits im Handelsrechtsreformgesetz (HRefG)202 und im Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation (ERJuKoG)203, mit dem ein elektronisches Register eingeführt wurde, Ausdruck gefunden hat204. (3) Anlass der Anmeldeversicherung und der registergerichtlichen Kontrolle (a) Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung Als Kritikpunkt an der analogen Anwendung der Anmeldeversicherung und der registergerichtlichen Kontrolle wurde in der Literatur häufig auch die Unklarheit über den Anlass und damit auch den Zeitpunkt der Vornahme der erforderlichen Anmeldeversicherung und der darauf bezogenen Prüfung des Registergerichts vorgebracht. Als problematisch erschien dies insbesondere in den Fällen, in denen die Mantelverwendung nicht mit einer Satzungsänderung einherging und sich damit auch kein Anhaltspunkt für das Registergericht im Hinblick auf das Vorliegen einer Mantelverwendung und die damit nach der Rechtsprechung des BGH erneut erforderliche Kontrolle des Stammkapitals ergab. Der BGH hat in seiner neuesten Entscheidung zur Mantelverwendung dieser Kritik Rechnung getragen und im Wege eines „rechtsschöpferischen Akts“205 eine Pflicht der Unternehmensgründer zur Offenlegung der Tatsache, dass es sich um eine Vorrats- oder Mantelgesellschaft handelt, gegenüber dem Registergericht geschaffen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt der Offenlegung hätten dann auch die Anmeldeversicherung und die Prüfung des Registergerichts stattzufinden. (b) Kritik an dieser Rechtsschöpfung des BGH Um eine sinnvolle Überprüfung des Stammkapitals durch das Registergericht auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen sich das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung nicht schon aus den notwendigen Satzungsänderungen ergibt, namentlich also in den Fällen, in denen ein „passender“ Mantel erworben wird und keine Änderung des Unternehmensgegenstandes erforderlich ist, hat der BGH also im Wege der Rechtsfortbildung aus dem 202

Gesetz v. 22.06.1998, BGBl. I, S. 1474. Gesetz v. 10.12.2001, BGBl. I, S. 3422. 204 Heidinger, ZNotP 2003, 82, 85 ff.; Willer/Krafka, RPfleger 2002, 411; Ries/ Melchior, NotBZ 2003, 205; Krafka, ZGR 2003, 577, 583. 205 Goette, DStR 2004, 461, 463; diese Formulierung wählt auch Kesseler, ZIP 2003, 1790, 1792. 203

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in den Gründungsvorschriften enthaltenen Haftungskonzept eine Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung abgeleitet. Geklärt ist demnach zumindest, auf welchen Zeitpunkt sich die Anmeldeversicherung und die Prüfung des Registergerichts zu beziehen haben, so dass dieser Kritikpunkt nach der neuesten Rechtsprechung des BGH nicht mehr greift. Aber auch nach dieser Klarstellung seitens des BGH treten immer noch erhebliche Schwierigkeiten bei Behandlung der Fälle der Aktivierung von Mantelgesellschaften auf, in denen zur Aufnahme des neuen Unternehmens keine Satzungsänderungen notwendig werden. Die Schaffung einer solchen Offenlegungspflicht ist deshalb höchst problematisch, weil der BGH an diesen Zeitpunkt der Offenlegung auch die Feststellung des Vorliegens einer Unterbilanz und das Ende der Handelndenhaftung der Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 GmbHG knüpft. Dies bedeutet, dass die Käufer einer Mantelgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand genau mit dem der zukünftigen Gesellschaft übereinstimmt, so dass bei ihrer Aktivierung keinerlei Satzungsänderungen notwendig werden, über Jahre und Jahrzehnte hinweg unbeschränkt persönlich für die Gesellschaftsschulden haften, wenn sie nicht über die BGH-Rechtsprechung informiert sind und das Vorliegen der Mantelverwendung nicht gegenüber dem Registergericht offen legen. Dieses Haftungsrisiko besteht selbst dann, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer erneuten Aktivierung noch über das statutarische Stammkapital verfügte, über lange Zeit hinweg ordentlich gewirtschaftet hat und zu einem viel späteren Zeitpunkt und gänzlich unabhängig von dem ursprünglichen Akt der Mantelverwendung zahlungsunfähig wird. Selbst wenn im Rahmen der Mantelverwendung eintragungspflichtige Satzungsänderungen notwendig werden, das Registergericht das Vorliegen einer Mantelgesellschaft aber nicht erkennt und die Gesellschafter deshalb auch nicht auf die Notwendigkeit der Offenlegung hinweist, kommt es zu dieser strengen Haftungsfolge für die Gesellschafter und Geschäftsführer. Problematisch sind unter diesem Aspekt auch Altfälle der Mantelverwendung, bei denen die Gesellschafter keinerlei Grund sehen, sich rechtlicher Beratung zu unterziehen und deshalb auch die Offenlegung unterbleibt206. Auch Goette hat die Problematik in diesen Fällen eingeräumt und ist der Ansicht, dass die Rechtsprechung in 206 Altmeppen, DB 2003, 2050, 2051; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1053 f.; Kesseler, ZIP 2003, 1790, 1791; Schütz, NZG 2004, 746; Schumacher, DStR 2003, 1884, 1886; einschränkend Heidinger, ZGR 2005, 101, 110 f., der nur die Altfälle vor der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1992 für vertrauensschutzwürdig hält, da der BGH bereits in diesem Urteil die analoge Anwendung der Gründungvorschriften angelegt habe. In diesem Sinne auch die Entscheidung des OLG Thüringen, GmbHR 2004, 1468, 1470, wonach die Erklärung nach §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 GmbHG analog erst nach dem Urteil des BGH vom 07.07.2003 verlangt werden kann, das Vorhandsein des Mindeststammkapitals aber schon vor 2003. Kein Problem in Altfällen sieht dagegen Meilicke, BB 2003, 857, 859.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

diesem Bereich nachzubessern hat207. Diese Bedenken ließen sich allerdings im Hinblick auf die angesprochenen Altfälle durch eine Ausnahmeregelung und in Bezug auf sonstige Fälle, in denen die Gesellschafter keinen Rechtsrat suchen, dadurch auflösen, dass die Haftung durch den Nachweis, dass das statutarische Stammkapital im Zeitpunkt der Aktivierung der Mantelgesellschaft gedeckt war, ausgeschlossen wird208. Auch das OLG Jena, das über einen Altfall der Mantelverwendung zu entscheiden hatte, hat diese Problematik erkannt und entschieden, dass die Unterbilanzhaftung auf Altfälle vor Geltung der Rechtsprechung des BGH aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht anzuwenden sei. Der Vertrauensschutz sei jedoch insoweit beschränkt, als die Gesellschafter bei einer Mantelverwendung auch in Altfällen für eine Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem nominalen Stammkapital haften müssten209. Es bleibt abzuwarten, wie der BGH, bei dem die Revision in diesem Fall nunmehr anhängig ist210, hierüber entscheiden wird. Entscheidend ist aber, dass hier offenbar erhebliche Probleme auftauchen, die der BGH in seiner Grundlagenentscheidung zur Mantelverwendung nicht bedacht hat. Zudem ist der BGH mit Schaffung dieser Offenlegungspflicht einen weiteren Schritt in Richtung einer unzulässigen Rechtsfortbildung gegangen. Zu diesem Ergebnis muss man kommen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der BGH zunächst die Pflicht zur Anmeldeversicherung und die Prüfungspflicht des Registergerichts in Anwendung des Unversehrtheitsgrundsatzes ihrem Inhalt nach auf das Bestehen einer Unterbilanz erweiterte, diese Rechtsfortbildung dann auf Mantel- und Vorratsgesellschaften entsprechend anwendet, um dann im Wege der Rechtsschöpfung eine Pflicht zur Offenlegung des – ebenfalls selbst gestalteten – Tatbestandes der wirtschaftlichen Neugründung zu schaffen. Ein solches Vorgehen widerspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Alleine der Gesetzgeber kann neues Recht schaffen, nicht aber die Rechtsprechung. Sie hat sich auf die vorsichtige Ausgestaltung und Fortbildung des durch den Gesetzgeber geschaffenen Rechts zu beschränken. Das dargestellte Vorgehen des BGH bei der Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften geht weit über dieses zulässige Maß hinaus und ist durch nichts zu rechtfertigen211, zumal der BGH im Rahmen dieser Rechtsschöpfung grundlegende Regeln des Kapitalgesellschaftsrechts verletzt. 207

Goette, DStR 2004, 461, 465. Für einen „haftungsbefreienden Entlastungsbeweis“ auch Altmeppen, DB 2003, 2050, 2052 und Goette, DStR 2004, 461, 465. 209 OLG Jena, NZG 2004, 1114. 210 BGH: II ZR 220/04. 211 Im Ergebnis auch Kallmeyer, DB 2003, 2583; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1051 Fn. 1. 208

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Kritisch zu betrachten ist die Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung aber auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das registergerichtliche Verfahren. Der BGH verfolgte mit ihrer Einführung das Ziel, die Erkenntnismöglichkeiten des Registergerichts über das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung und insbesondere des schwer abgrenzbaren Mantelkaufs zu verbessern212. Gerade aber in den Fällen, in denen die Feststellung der wirtschaftlichen Neugründung erhebliche Schwierigkeiten für das Registergericht bereitet, werden sich auch die Geschäftsführer selbst nicht darüber im Klaren sein, ob nun eine Mantelverwendung im Sinne der Rechtsprechung des BGH vorliegt oder eine bloße Umorganisation des Unternehmens. So ist insbesondere unklar, was genau Gegenstand der geforderten Offenlegung sein soll. Ist alleine das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung offenzulegen, oder hat der Geschäftsführer der betreffenden GmbH, der eine Mantelverwendung nicht für gegeben hält, im Zweifelsfall eine Versicherung bezüglich des Nichtvorliegens einer wirtschaftlichen Neugründung abzugeben?213 Zudem ist fraglich, ob nur die Tatsache der Mantelverwendung als solche zu offenbaren ist, oder ob zusätzliche Angaben zum Sachverhalt zu machen sind, die dem Registergericht eine Überprüfung der Offenlegung ermöglichen. Zusätzliche Probleme entstehen, wenn der Geschäftsführer die Abgabe einer Versicherung verweigert, weil er vom Nichtvorliegen einer Mantelverwendung ausgeht, das Registergericht aber eine solche zur Eintragung verlangt. Der Geschäftsführer kann dann entweder die zu unrecht verlangte Offenlegung vornehmen mit der Folge, dass er dann auch die Versicherung analog § 8 Abs. 2 GmbHG abzugeben hat, oder aber den Nachweis des Nichtvorliegens einer wirtschaftlichen Neugründung führen, um die Eintragung herbeizuführen. Letzteres würde zu einer erheblichen Verzögerung des Eintragungsverfahrens führen und die Registergerichte durch ein umfangreiches Nachweisverfahren zusätzlich belasten214. Eine Erleichterung für die Registergerichte ergibt sich durch die Offenlegung demnach nur in den ohnehin unproblematischen Fällen, in denen eine Mantelverwendung klar erkennbar ist. In Zweifelsfällen verlagern sich die Schwierigkeiten des Registergerichts nur von der anfänglichen Feststellung der wirtschaftlichen Neugründung auf die nachträgliche Überprüfung der Offenlegung bzw. deren Unterbleiben. Die zusätzliche Verzögerung des Registerverfahrens widerspricht nicht nur der Intention des Gesetzgebers zur Beschleunigung des Eintragungsverfahrens215, sondern läuft auch den Inte212 213

BGHZ 155, 318, 324 f. Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1133; so auch Wicke, NZG 2005, 409,

411. 214

Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1132 f.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

ressen des Wirtschaftsverkehrs zuwider. Damit gerät das deutsche GmbHRecht im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte noch zusätzlich unter Druck und verliert weiter an Boden gegenüber den anderen europäischen Rechtsformen des Kapitalgesellschaftsrechts, die das Gründungsverfahren zunehmend vereinfachen und verkürzen und damit für Unternehmensgründer immer attraktiver werden216. (4) Ergebnis Die analoge Anwendung der §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG sowie des § 9c GmbHG auf Mantel- und Vorratsgesellschaften ist damit ebenso abzulehnen wie die Anwendung der Kapitalaufbringungspflicht. cc) Unterbilanz- und Handelndenhaftung Auch die Unterbilanz- und die Handelndenhaftung sind grundsätzlich nicht auf Mantel- und Vorratsgesellschaften anwendbar. Weder die Unterbilanzhaftung noch die Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG können für bereits eingetragene Gesellschaften Geltung beanspruchen. Aus dem ihnen zukommenden Zweck ergibt sich, dass sie alleine im Stadium der Vorgesellschaft eingreifen. (1) Die Unterbilanzhaftung Die Unterbilanzhaftung ist – wie oben bereits gezeigt – Ausfluss des Unversehrtheitsgrundsatzes, der die Kapitalausstattung der Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Entstehung durch Eintragung sichern soll, nicht aber die einer bereits eingetragenen Gesellschaft über diesen Zeitpunkt hinaus217. Sie ist an die Stelle des lange Zeit geltenden Vorbelastungsverbots getreten und soll verhindern, dass eine Gesellschaft ins Leben tritt, deren Garantiekapital nicht gedeckt ist. Für die Unterbilanzhaftung gilt demnach das gleiche wie für die auf eine Unterbilanz bezogene registergerichtliche Kontrolle. Auch ihr Normzweck ist nicht auf bereits eingetragene Gesellschaften übertragbar, so dass ihre analoge Anwendung zu Recht von vielen Vertretern der herrschenden Ansicht abgelehnt wird218. 215

Vgl. hierzu 3. Kapitel III. 5. b) bb) (2). So wurde sowohl in Frankreich als auch in Spanien eine sog. „Blitz-GmbH“ eingeführt; vgl. für Frankreich: Wachter, GmbHR 2003, R 377 und Becker, GmbHR 2003, 1120; für Spanien: Vietz, GmbHR 2003, 26 und Melchior/Schulte, GmbHR 2003, R 1. 217 Vgl. hierzu ausführlich: 3. Kapitel III. 5. b) bb) (1) (b). 216

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

125

Die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Mantelgesellschaft ist auch mit dem Gesetz nicht vereinbar. Die Regelung des § 13 Abs. 2 GmbHG, die die auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung der Gesellschafter festschreibt, ist die zentrale Norm des GmbHG. Die Grundsätze der Unterbilanzhaftung, die einen Rückgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter ermöglicht, können dagegen nur dann gelten, wenn die Gesellschaft mangels Eintragung im Handelsregister noch gar nicht existiert und ihr deshalb die Haftungsbeschränkung noch nicht voll zugute kommen soll. Deshalb widerspricht die Anwendung dieser Grundsätze auf GmbHs, die bereits eingetragen sind und damit als vollwertige Gesellschaften existieren, der Grundkonzeption des Kapitalgesellschaftsrechts. (2) Die Handelndenhaftung § 11 Abs. 2 GmbHG begründet eine persönliche Haftung derjenigen, die vor Eintragung der Gesellschaft in deren Namen gehandelt haben. Die Regelung der Handelndenhaftung wird auch im Rahmen der Neugründung einer Gesellschaft seit langem heftig kritisiert. Umstritten ist insbesondere der Zweck der Haftung. Mit dem Übergang vom Konzessionssystem zum System der gesetzlichen Normativbestimmungen hat die Handelndenhaftung einen erheblichen Funktionswandel durchgemacht. Während der Geltung des Konzessionssystems versuchte man, die Aufnahme des Geschäftsbetriebes vor Eintragung der Gesellschaft zu verhindern219. Die mit der vorzeitigen Geschäftsaufnahme durch die Vorgesellschaft verbundenen Probleme sollten nicht gelöst, sondern ihre Entstehung von vorneherein vermieden werden220. Dementsprechend kamen der Handelndenhaftung Funktionen zu, die nach dem Wechsel zum System der Normativbestimmungen nicht mehr gelten können. Unter der Geltung des Konzessionssystems wies man der Handelndenhaftung zunächst eine Straffunktion zu221. Die Gründer sollten durch die persönliche Haftung des § 11 Abs. 2 GmbHG davon abgehalten werden, die Geschäfte vor Entstehung der GmbH als juristische Person, also vor ihrer Eintragung aufzunehmen. Zusätzlich sollte der Handelndenhaftung eine Sicherungsfunktion für den Fall zukommen, dass der Geschäftsbetrieb den218 Priester, DB 1983, 2291, 2296; ders., ZHR 168 (2004), 248, 264; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); ders., NJW 2004, 1345, 1349; Gronstedt, BB 2003, 860, 861; Schaub, NJW 2003, 2125, 2129; Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, S. 121 ff., 130; a. A. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 3 Rdnr. 40; Ulmer, BB 1983, 1123, 1126; Ihrig, BB 1988, 1197, 1202. 219 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 96. 220 BGHZ 80, 129, 134; Bergmann GmbHR 2003, 563, 564. 221 RGZ 47, 1, 2; RGZ 55, 302, 304; RGZ 70, 296, 301; Riedel BB 1974, 1459.

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

noch schon vorher ausgeübt wurde. Diese Funktion beruhte darauf, dass die Vorgesellschaft in dieser Zeit nicht als Trägerin von Rechten und Pflichten anerkannt wurde und daher auch eine Haftung der Vorgesellschaft für in ihrem Namen eingegangene Verbindlichkeiten abgelehnt wurde222. Anstelle der juristischen Person sollten den Gläubigern deshalb zumindest die Handelnden als Schuldner zur Verfügung gestellt werden223. Dieser Funktion entsprach auch die weite Auslegung des Handelndenbegriffes in dieser Zeit. Sämtliche Gründer, die der vorzeitigen Geschäftsaufnahme zugestimmt hatten, sollten für die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten einstehen müssen, um so eine ausreichende Befriedigung der Vertragspartner sicherzustellen224. Der Straffunktion wurde bereits durch die Rechtsprechung des RG225 die Anerkennung versagt, da man zunehmend erkannte, dass die vollständige Unterbindung der Geschäftstätigkeit im Gründungsstadium der GmbH nicht den wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprach226. Spätestens aber mit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots wurde die Straffunktion der Handelndenhaftung obsolet, da nunmehr anerkannt ist, dass die Vorgesellschaft schon vor Eintragung Verbindlichkeiten eingehen kann227. Eine Verhinderung oder Sanktionierung der vorzeitigen Geschäftsaufnahme durch die Handelndenhaftung ist daher nicht mehr erforderlich. Aber auch der Sicherungsfunktion kommt heute, wenn überhaupt, nur noch stark eingeschränkte Bedeutung zu228. Teilweise wird sie auch vollständig verneint229. Entscheidend für den Bedeutungsverlust der Sicherungsfunktion ist zum einen die Aufgabe des Vorbelastungsverbotes230. Den Gläubigern steht seither die Vorgesellschaft als Schuldnerin zur Verfügung, so dass es keiner zusätzlichen Handelndenhaftung bedarf231. Deshalb wird seit der Aufgabe des Vorbelastungsverbotes auch der Begriff des Handelnden nicht mehr auf die Gründer ausgedehnt. Zudem hat der BGH in einer 222

RGZ 55, 302, 303 f.; RGZ 70, 296, 298. BGHZ 47, 25, 29 f.; BGHZ 53, 210, 214; BGHZ 65, 378, 380 f.; BGHZ 66, 359, 360; BGHZ 69, 95, 103; BGHZ 76, 320, 323; OLG Brandenburg ZIP 1998, 2095. 224 RGZ 55, 302, 303 f.; RGZ 70, 296, 298; Bergmann GmbHR 2003, 563, 565. 225 RGZ 159, 33, 43. 226 RGZ 159, 33, 43. 227 BGHZ 47, 25, 29. 228 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 98; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 92. 229 Weimar, GmbHR 1988, 298. 230 BGHZ 80, 129, 130 (2. Leitsatz). 231 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 98; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 92; Werner, NZG 1999, 146, 147. 223

III. Analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

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Grundsatzentscheidung232 auch die persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft anerkannt hat, so dass den Gläubigern nunmehr ausreichend Schuldner zur Verfügung stehen. Ob die Ausgestaltung dieser Verlustdeckungshaftung als Innenhaftung die zusätzliche Haftung des Handelnden rechtfertigen kann, erscheint angesichts der vom BGH vorgesehenen Ausnahmen von der Innenhaftung zweifelhaft233. Eigenständige Bedeutung hat die Sicherungsfunktion nach herrschender Meinung noch heute in den Fällen, in denen die Vorgesellschaft mangels Vertretungsmacht der Geschäftsführer nicht verpflichtet wird234. Nach herrschender Meinung kommt der Handelndenhaftung heute im Wesentlichen eine Ausgleichsfunktion zu235. Nach der Rechtsprechung des BGH soll die Handelndenhaftung den Gläubigern einen Ausgleich dafür schaffen, dass das Kapital der Vorgesellschaft noch nicht durch das Registergericht kontrolliert wurde und seine Erhaltung nicht, wie bei einer eingetragenen GmbH, durch die Geltung der Kapitalerhaltungsvorschriften gesichert ist. Zudem soll die Handelndenhaftung die fehlende Registerpublizität der Vorgesellschaft ausgleichen236. Umstritten ist, ob der Handelndenhaftung daneben auch eine Druckfunktion zukommt. Nach einer Ansicht soll die Handelndenhaftung zusätzlich den Zweck haben, die Gesellschafter zu einer beschleunigten Durchführung des Eintragungsverfahrens zu bewegen237. Diese Funktion ist, wenn überhaupt, nur von geringer Bedeutung238, da die Gesellschafter regelmäßig nur wenig Einfluss auf die Dauer des Eintragungsverfahrens nehmen können. Die Dauer ist regelmäßig von der Arbeitsbelastung der Registergerichte und davon abhängig, ob es sich um eine Bar- oder Sachgründung handelt. Aus der Sphäre der Gesellschafter stammen alleine der Eintragungsantrag und die Reaktion auf Zwischenverfügungen. Die herrschende Ansicht spricht sich deshalb zu Recht dafür aus, dem Funktionswandel der Handelndenhaftung im Rahmen der Anwendung der Norm durch eine enge Auslegung Rechnung zu tragen und eine analoge 232

BGHZ 143, 333. Dagegen: Bergmann GmbHR 2003, 563, 568. 234 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11 Rdnr. 41; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 57. 235 BGHZ 80, 129, 133; BGHZ 80, 182, 184; BGHZ 91, 148, 152; zustimmend auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 93; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 11 Rdnr. 41. 236 Beuthien ZIP 1996, 305, 312; ders., ZIP 1996, 360, 367; Bergmann GmbHR 2003, 563, 570. 237 BGHZ 47, 25, 29; K. Schmidt, GmbHR 1973, 146, 152; Gummert, in: Münch. Hdb. III, § 16 Rdnr. 68; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 93. 238 BGHZ 69, 95, 103; Hachenburg/Ulmer Rdnr. 98; Fleck, GmbHR 1983, 5, 13. 233

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3. Kap.: Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften

Anwendung der Vorschrift außerhalb der Vorgesellschaft möglichst zu vermeiden239. Bei der Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften müssten demnach besondere Umstände vorliegen, die eine analoge Anwendung der Handelndenhaftung ausnahmsweise erforderlich machen. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, da der eingeschränkte Zweck der Handelndenhaftung nicht auf die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften übertragbar ist. In diesen Fällen greift weder die Ausgleichs-, noch die Druckfunktion ein, da Vorrats- und Mantelgesellschaften eingetragene Gesellschaften sind, deren Kapitalausstattung bei ihrer Gründung kontrolliert wurde. Sie stehen den Gläubigern deshalb als vollwertige Schuldner gegenüber, so dass für eine zusätzliche Haftung der Handelnden daneben kein Raum besteht240. Auch der überwiegende Teil derjenigen, die grundsätzlich das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung befürworten, lehnt daher die entsprechende Anwendung der Handelndenhaftung auf Vorrats- und Mantelgesellschaften zu Recht ab241.

IV. Ergebnis Die Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf die Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften ist schon aus dogmatischen Gründen abzulehnen. Dies gilt auch für die Grundsätze der Unterbilanzhaftung und die Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG. Die Entscheidungen des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung vom 09.12.2002 und vom 07.07.2003 sind deshalb abzulehnen. Auch wenn die Praxis in Zukunft die in den beiden Urteilen aufgestellten Anforderungen an die Verwendung von 239 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 99; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rdnr. 107; Priester, ZIP 1982, 1152; Fleck, GmbHR 1983, 13 f. 240 So auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1349 f.; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 144; Keller, DZWIR 2005, 134, 138. 241 So auch die bisher herrschende Ansicht OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220; OLG Brandenburg, ZIP 1998, 2095; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3. e); Peters, Der GmbH-Mantel, S. 113 ff.; Heerma, Mantelverwertung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 142; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage 2000, § 11 Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rdnr. 102; Bommert, GmbHR 1983, 211 f.; Priester, DB 1983, 2297; ders., ZHR 2004 (168), 248, 264; Gummert, DStR 1997, 1011; Ahrens, DB 1998, 1073; Heerma, GmbHR 1999, 640; Gronstedt, BB 2003, 860, 861; Schaub, NJW 2003, 2125, 2128; Kesseler, ZIP 2003, 1790, 1792; Werner, NZG 1999, 146, 148; a. A. OLG Hamburg, BB 1983, 1116; KG, GmbHR 1998, 789; LG Hamburg, NJW 1985, 2426; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck § 11 Rdnr. 46; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 11 Rdnr. 103; Ulmer, BB 1983, 1126; nunmehr auch BGHZ 155, 318.

IV. Ergebnis

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Mantel- und Vorratsgesellschaften beachten muss, ist die Diskussion und kritische Würdigung der beiden Urteile dennoch von praktischer Relevanz. Von Bedeutung für die Praxis sind nämlich insbesondere die Bedenken im Hinblick auf die rechtspolitische Schlagkraft des Konzepts der wirtschaftlichen Neugründung. Führt die analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften nicht zu einem effektiven Schutz der Gläubiger, so sollte der BGH seine Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung überdenken. In den folgenden Kapiteln ist deshalb zu klären, ob das in den beiden Urteilen entwickelte Modell zur Behandlung von Vorrats- und Mantelgesellschaften auch in der wirtschaftlichen Realität und unter Berücksichtigung der durch die gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen in Europa gestellten Anforderungen zu einer tragfähigen und zukunftsorientierten Lösung der Gläubigerschutzproblematik führt.

4. Kapitel

Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung unter dem Einfluss der deutschen und europäischen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen I. Einleitung Das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht befindet sich derzeit angesichts der Entwicklungen im europäischen internationalen Gesellschaftsrechts in einer entscheidenden Umbruchphase. Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Scheinauslandsgesellschaften1 hat dem Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen im vereinten Europa den Weg bereitet und eröffnet den Unternehmern die Möglichkeit, aus den verschiedenen zur Verfügung stehenden Rechtsformen der Mitgliedstaaten die Passende auszuwählen. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland vermehrt ausländische Gesellschaften am Rechtsverkehr teilnehmen und die Frage nach ihrer rechtlichen Behandlung aufwerfen. Von zentraler Bedeutung für das nationale Gesellschaftsrecht sind in diesem Zusammenhang die Fragen nach der Anwendbarkeit inländischer Gläubigerschutzvorschriften auf Scheinauslandsgesellschaften und ihrer Vereinbarkeit mit der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit. Mit dieser Entwicklung gehen neue Herausforderungen für die Gesellschaftsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten einher, die den Reformdruck in Deutschland und insbesondere auch den Druck zur Harmonisierung der Gesellschaftsrechtsordnungen auf europäischer Ebene erhöhen. Die Diskussion beschränkt sich aber mittlerweile nicht mehr auf die Frage nach der Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften und dabei insbesondere nach der Geltung von inländischen Gläubigerschutzvorschriften, sondern erfasst auch die generelle Bedeutung und Effektivität des deutschen Kapitalschutzmodells2. 1 Als „Scheinauslandsgesellschaften“ oder auch „Pseudo-foreign-corporations“ werden Gesellschaften bezeichnet, die außer ihrer Rechtsform und ihrer Inkorporation keine Beziehung zum ausländischen Gründungsstaat haben, Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 219. 2 Ulmer, NJW 2004, 1201, 1202.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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Diese europarechtlichen Entwicklungen sind auch für die Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften von großer Bedeutung, da den deutschen Unternehmensgründern nach der EuGH-Rechtsprechung auch die Verwendung von im EU-Ausland gegründeten Mantel- und Vorratsgesellschaften offen steht. Zu klären ist, wie diese ausländischen Mantel- und Vorratsgesellschaften rechtlich zu behandeln sind, insbesondere ob ein Schutz der inländischen Gläubiger über das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung zu erreichen ist oder ob andere Lösungen der Gläubigerschutzproblematik möglich und erforderlich sind.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik 1. Der Meinungsstand Das kontinentaleuropäische Kapitalschutzmodell, dem auch das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht folgt, ist in den letzten Jahren in der Literatur vermehrt in Kritik geraten. Die Wirksamkeit der strengen Kapitalaufbringungsund Kapitalerhaltungsvorschriften im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven Gläubigerschutzes wird zunehmend in Frage gestellt3. Hauptkritikpunkt ist die mangelnde Effizienz des Kapitalschutzmodells, das gerade in Deutschland zu einer enormen Regelungsdichte geführt habe, aber dennoch den Eintritt von Unternehmensinsolvenzen in vielen Fällen nicht zu verhindern vermöge. Viele Autoren favorisieren dewegen das auf Mindestkapitalvorschriften vollständig verzichtende angloamerikanische Gläubigerschutzmodell, weil dies dem Wirtschaftsverkehr mehr Freiheiten gewähre und dem Schutz der Gläubiger durch Publizität und Information über die Kapitalausstattung der Gesellschaft Rechnung trage4. Entgegen dieser Kritik sehen die Rechtsprechung und ein bedeutender Teil der Lehre das Kapitalschutzprinzip auch heute noch als einzig wirksames Gläubigerschutzkonzept an. Sie warnen demgemäß vor dem Verfall des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts durch eine mögliche Aufgabe die3

Kübler, ZHR 159 (1995), 550; ders., AG 1998, 345; ders., ZGR 2000, 550; ders., in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets and Company Law, 2003, S. 95; Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer – Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, S. 331 ff.; Meilicke, GmbHR 2003, 799, 807 f.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695 ff.; Schön, Der Konzern 2004, 162; Escher/Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001, S. 119 ff.; Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitagesellschaftsrecht. 4 Kübler, in: Hopt/Wymersch (Hrsg.), Capital Markets and Company Law, 2003, S. 95.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

ses Prinzips5. Der BGH6 selbst hat in mehreren Entscheidungen die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung als „Kernstück des GmbHRechts“ bezeichnet, die „keine Aushöhlung“ vertragen, „gleichviel in welcher Form“7. Dass das Mindeststammkapital von 25.000 Euro das Risiko der Geschäftstätigkeit in vielen Fällen nicht aufwiege, könne nicht dazu führen, die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht oder weniger streng anzuwenden, sondern müsse vielmehr zu einer besonders konsequenten Anwendung der Kapitalschutzvorschriften führen8. Die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG rechtfertige sich alleine deshalb, weil den Gläubigern als Ausgleich ein kontrollierter Haftungsfonds zur Verfügung gestellt werde, so dass die Vorschriften zu Kapitalaufbringung und -erhaltung unverzichtbarer Bestandteil des Regelungskonzeptes des GmbHG seien. Betont wird hierbei vor allem die Funktion des gesetzlichen Mindeststammkapitals als „Risikopuffer“, der die Verluste der Gesellschaft auffange und somit die Gesellschaft vor dem Eintritt der Insolvenz schütze9. Zudem bilde das gesetzliche Garantiekapital eine „Seriositätsschwelle“, die völlig unseriöse Unternehmensgründungen im Vorhinein verhindere10. 2. Die aktuellen Entwicklungen zum Gesellschaftsrecht in der Europäischen Union Das Kapitalschutzmodell gerät aber nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene immer mehr unter Druck11. Zwar bedient sich der überwiegende Teil der Gesellschaftsrechtsordnungen Kontinentaleuropas wie das deutsche Recht des Kapitalschutzmodells zur Verwirklichung eines effektiven Gläubigerschutzes. Konkurrenz erhält dieses Konzept jedoch durch das im angloamerikanischen Rechtsraum und somit auch in Großbritannien geltende Publizitäts- und Informationsmodell. Die jüngsten gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen auf europäischer Ebene lassen eine zunehmende Skepsis gegenüber dem Kapitalschutzmodell und eine Hinwendung zum Publizitätskonzept erkennen. 5 6 7 8 9

Altmeppen, NJW 2004, 97, 103 f. BGHZ 28, 77; BGHZ 51, 157, 162. Zustimmend Goette, DStR 2004, 461, 461. Goette, DStR 2004, 461, 461. Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695,

718. 10 Bachmann, ZGR 2001, 351, 362; Stellungnahme der Group of German Experts zum Konsultationsdokument der High Level Group, ZIP 2002, 1310, 1318; Stellungnahme der Group of German Experts zum Bericht der High Level Group, ZIP 2003, 863, 872; Bericht der High Level Group, S. 88. 11 Merkt, ZGR 2004, 305, 306.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

133

a) Die Position des EuGH So äußert zum einen der EuGH Bedenken gegen den tradierten Kapitalschutz in Europa. Aus der Inspire-Art-Entscheidung geht hervor, dass der Gerichtshof dem kontinentaleuropäischen Modell des gesetzlichen Kapitalschutzes grundsätzlich kritisch gegenüber steht und das angloamerikanische Publizitäts- bzw. Informationskonzept diesem vorzieht12. Auch wenn das Gericht keine Aussage dazu getroffen hat, welches der Modelle zur Verwirklichung des notwendigen Gläubigerschutzes geeigneter ist, hat es doch deutlich klargestellt, dass das Publizitätsmodell nach seiner Ansicht einen ausreichenden Schutz der Gläubiger gewährleistet. Die Gläubiger der Inspire Art Ltd. seien durch das Auftreten als englische private limited company darüber informiert, dass es sich um eine dem englischen Recht unterworfene Gesellschaft handele, die nicht den strengen niederländischen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften unterliege13. Der EuGH geht demnach davon aus, dass der Rechtsverkehr in der Lage ist, sich über die Ausgestaltung ausländischer Gesellschaftsstatute zu unterrichten und gegebenenfalls vom Vertragabschluss Abstand zu nehmen oder aber sich zusätzlich vertragliche Sicherheiten einräumen zu lassen. Auf die Situation der gesetzlichen Gläubiger, insbesondere der Deliktsgläubiger, von ausländischen Gesellschaften, die sich ihren Schuldner gerade nicht aussuchen können, ist der Gerichtshof in diesem Urteil allerdings nicht eingegangen. b) Die Position der EU-Kommission Aber nicht nur der EuGH favorisiert das Publizitäts- bzw. Informationsmodell. Durch die eindeutigen Stellungnahmen wichtiger europäischer Institutionen und Expertengruppen erhöht sich der Druck auf das auf dem gesetzlichen Kapitalschutz basierende deutsche Gesellschaftsrecht zusätzlich. 12 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 135. Auch wenn der EuGH diese Kritik nicht ausdrücklich formuliert, so geht sie jedoch aus den Umständen eindeutig hervor. So hat der frühere Generalanwalt La Pergola, der nunmehr Richter am EuGH ist und als solcher auch bereits an der ÜberseeringEntscheidung mitgewirkt hatte, bereits im Verfahren Centros die Wirksamkeit des Kapitalschutzmodells ausdrücklich in Zweifel gezogen (Slg. 1999, I-1461, Rdnr. 21. Eindeutige Vorbehalte gegenüber diesem Modell lassen sich zudem den Schlussanträgen des Generalanwaltes im Verfahren Inspire Art Albers entnehmen (NZG 2003, 273, Rdnr. 141 ff.); dieser Interpretation des Urteils folgend: Merkt, RIW Heft 12/2003, die erste Seite; Schemmann, NJW-Editorial Heft 52/2003; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 953 f.; Bayer, BB 2003, 2357, 2364. 13 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 135.

134

4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

So geht zum einen aus dem Bericht der High Level Group of Company Law Experts14, die von der EU-Kommission zur Erarbeitung einer Empfehlung eines modernen Grundgerüstes für das europäische Gesellschaftsrecht eingesetzt wurde, hervor, dass die europäischen Gesellschaftsrechtsexperten den Mindestkapitalvorschriften nur insoweit gläubigerschützende Wirkung zusprechen, als diese Regelungen völlig unseriöse Gründungen zu vermeiden vermögen15. Darüber hinaus seien sie aber ein schlechter Gradmesser für die hinreichende Kapitalausstattung eines Unternehmens. Zum anderen ergibt sich aus einem in der Folgezeit von der EU-Kommission vorgelegten „Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ vom 21.05.200316, dass auch diese dem Konzept des gesetzlichen Kapitalschutzes kritisch gegenüber steht. c) Deregulierungstendenzen in den kontinentaleuropäischen Mitgliedsstaaten Dem gestiegenen Druck durch den Wettbewerb der Gesellschaftsrechte und die eindeutige Favorisierung des Informationsmodells seitens des EuGH und der EU-Kommission haben bereits einige dem Kapitalschutzmodell folgende Rechtsordnungen durch eine Deregulierung ihres nationalen Gesellschaftsrechtes nachgegeben. So hat der spanische Gesetzgeber eine „Blitz-GmbH“ für kleinere Unternehmen geschaffen, die „Sociedad Limitada Nueva Empresa (SLNE), deren Gründung innerhalb von 48 Stunden und zudem mit einem deutlich reduzierten gesetzlichen Mindestkapital von nur noch 3.012 Euro möglich ist17. Zuletzt hat für viele überraschend Frankreich in der „Loi pour l’Initiative Economique“18 das Mindeststammkapitalerfordernis von vormals 7.500 Euro ersatzlos aufgegeben, so dass die 14 Die High Level Group wird häufig auch als „Winter-Gruppe“ bezeichnet, da sie unter dem Vorsitz von Jaap Winter, einem niederländischen Gesellschaftsrechtsexperten, steht. 15 Bericht der High Level Group S. 13 ff., S. 88 ff. 16 Aktionsplan mit dem Titel „Modernising Company Law and Enhancing Corporate Governance in the European Union – A Plan to Move Forward“; Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament (KOM [2003] 284 endg.) S. 19; abgedruckt in NZG 2003, Heft 13, Sonderbeilage; vgl. zu diesem Aktionsplan etwa Habersack, NZG 2004, 1; Maul/Lanfermann/Eggenhofer, BB 2003, 1289; P. Wiesner, ZIP 2003, 977. 17 Gesetz Nr. 7/2003 v. 01.04.2003, in Kraft seit 02.06.2003, veröffentlicht im spanischen Staatsanzeiger, BOE (Boletin Oficial del Estado) Nr. 79/6586, S. 12979 ff.; s. hierzu Fröhlingsdorf, RIW 2003, 584; Vietz, GmbHR 2003, 523; Melchior/Schulte, GmbHR 2003, R 1; Lutter, GmbHR 2005, 1, 2 f. 18 L. No. 2003-721 v. 01.08.2003.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

135

Gründung einer, der deutschen GmbH entsprechenden SARL19 mit einem auf einen Euro herabgesetzten Stammkapital zugelassen ist. Nachdem in der französischen gesellschaftsrechtlichen Literatur jahrzehntelang eine Heraufsetzung des gesetzlichen Mindeststammkapitals gefordert worden war, klagte man plötzlich über die übertriebene Höhe des Mindeststammkapitals und forderte seine Abschaffung, die der Gesetzgeber dann auch unter ausdrücklicher Berufung auf das angloamerikanische Regelungsmodell verwirklichte20. Durch diese gesellschaftsrechtlichen Deregulierungstendenzen in Europa gerät indes das deutsche Recht noch mehr in Bedrängnis21, weshalb die Rufe nach einer umfassenden Gesellschaftsrechtsreform auch in Deutschland immer lauter werden22. Einem reformierten, flexibilisierten und die Interessen der Unternehmer stärker berücksichtigenden GmbH-Recht werden dann auch im Rahmen der Entwicklung einer einheitlichen europäischen Grundkonzeption des Kapitalgesellschaftsrechts größere Chancen eingeräumt23. d) Informationsorientierte Rechnungslegung nach der IAS-Verordnung Gefahr droht dem kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodell auch durch die aktuelle europäische Entwicklung auf dem Gebiet der Rechnungslegung24. Das deutsche Bilanzrecht war bislang vom „Vorsichtsprinzip“25 und damit von einer an der Kapitalerhaltung orientierten Ermittlung des Gewinnes geprägt. Mit dem Erlass der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS-Verordnung) im Jahre 200226 hat sich die Europäischen Union 19

Société à responsabilité limitée. Le Cannu, Revue des Sociétés 2003, 409, 410 f.; Wachter, GmbHR 2003, R 377; Becker, GmbHR 2003, 1120 f. 21 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 152. 22 Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 186; Hirte, GmbHR 2003, R 421; Konkrete Vorschläge für eine Reform unterbreitend: Kallmeyer, GmbHR 2004, 377; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Meilicke, GmbHR 2003, 1271, 1273; Merkt, RIW 2003, Heft 12, die erste Seite; Maul/C. Schmidt BB 2003, 2297, 2298; Noack, FAZ v. 26.11.2003, S. 25; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 671; Triebel, BB 2003, Heft 36, die erste Seite; a. A. Altmeppen, NJW 2004, 97, 103 f., der das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht für vorbildlich hält und deshalb vor einer überstürzten Reform warnt. 23 Bayer, BB 2003, 2357, 2366. 24 Merkt, ZGR 2004, 305, 307 f.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 152; Schön, Der Konzern 2004, 162, 164; ders., ZGR 2000, 705 ff., 713 ff. 25 Dieses Prinzip ist verankert in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. 26 Verordnung v. 12.07.2002, ABl. EG v. 11.09.2002, L 243/1 ff. 20

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

jedoch einer informationsorientierten Rechnungslegung zugewendet und zumindest für die Konzernrechnungslegung eine Pflicht zur Bilanzierung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) eingeführt. Auch wenn der deutsche Gesetzgeber nach dem Entwurf eines Bilanzrechtsreformgesetzes27 die Rechnungslegung nach IFRS nur für Konzernabschlüsse, nicht aber auf der Ebene der Einzelgesellschaften ermöglichen will, führt auf lange Sicht kein Weg an einem einheitlichen, informationsorientierten System der Rechnungslegung vorbei. Auch kleine und mittelständische Unternehmen werden in Zukunft ein erhebliches Interesse an der informationsorientierten Rechnungslegung nach IFRS haben. Hauptgrund hierfür ist, dass die nach IFRS erstellte Bilanz die Vermögenssituation des Unternehmens grundsätzlich wesentlich positiver zeigt als die HGB-Bilanz, da in der IFRS-Bilanz mehr Aktiva zu höheren Werten angesetzt und gleichzeitig die Passiva vermindert werden können28. Hierdurch erhöht sich die Kreditwürdigkeit der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen29. Zudem macht die informationsorientierte Bilanzierung nach IFRS auch mittelständische Unternehmen attraktiv für internationale Investoren30. Merkt spricht deshalb von einer „Sogwirkung“ der europäischen Rechnungslegungsreform31. Durch die Abkehr von der auf Kapitalerhaltung basierenden Bilanzierung hin zu einer informationsorientierten Rechnungslegung wird auch den auf den bilanziellen Gewinn bezogenen Kapitalerhaltungsvorschriften die Grundlage entzogen32. Das Bilanzrecht verfügt über eine enorme Breitenwirkung und könnte die entscheidenden Weichen im Hinblick auf eine umfassende Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts stellen33.

27 Referentenentwurf – Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (BilanzrechtsreformG) v. 15.12.2003, Der Konzern, 2004, 52 ff. 28 Hierzu detailliert Euler, BB 2002, 875, 877 ff. 29 Merkt, ZGR 2004, 305, 308 unter Berufung auf Winkeljohann, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse, Financial Times Deutschland v. 21.10.2002, S. 20, der für drei Viertel der Unternehmen von einer Steigerung der Kreditwürdigkeit ausgeht. 30 Merkt, ZGR 2004, 305, 308 f. 31 Merkt, ZGR 2004, 305, 308 f. 32 Merkt, ZGR 2004, 305, 307; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 152; Schön, Der Konzern 2004, 162, 164. 33 So auch Schön, Der Konzern 2004, 162, 164.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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3. Schwächen des Kapitalschutzmodells a) Fehlender Schutz vor geschäftsbedingtem Verlust des Mindeststammkapitals Tatsächlich weist das in Kontinentaleuropa noch vorherrschende auf Kapitalaufbringung und -erhaltung basierende Gläubigerschutzmodell große Schwächen auf. Die deutsche GmbH hat ihren Status als „Exportschlager“34 verloren und wird nicht nur im Ausland, sondern auch in deutschen Unternehmerkreisen als „überreguliert“ kritisiert35. Die Effektivität des Kapitalschutzmodells, welches das Vorhandensein des Mindeststammkapitals nur im Zeitpunkt der Eintragung gewährleistet und nicht die Reduzierung des Stammkapitals durch Verluste verhindert, wird von den Kritikern zu Recht bezweifelt. Das deutsche GmbH-Recht weist zwar ein strenges und komplexes gesetzliches Regelwerk sowie eine ergänzende umfassende Rechtsprechung zur Kapitalaufbringung und -erhaltung auf. Die Kontrolle der vollständigen Aufbringung des Stammkapitals im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung macht aber wenig Sinn, wenn die Geschäftsführer sogleich nach der Eintragung risikoreiche Geschäfte tätigen können, die zur vollständigen Aufzehrung des aufgebrachten Stammkapitals führen, ohne hierin durch gesetzliche Vorschriften eingeschränkt zu werden36. Die der Kapitalerhaltung dienenden Normen des GmbHG verhindern nur, dass das einbezahlte Stammkapital an die Gesellschafter ausgezahlt wird, nicht aber das Entstehen von Verlusten durch wirtschaftliche Tätigkeit37. b) Fehlender betriebswirtschaftlicher Bezug des Mindeststammkapitals Eine weitere Schwäche des Kapitalschutzmodells besteht darin, dass sich das gesetzliche Mindeststammkapital nicht am zu erwartenden Risiko der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und damit am betriebswirtschaftlichen Bedarf orientiert, sondern unabhängig von der Ausgestaltung des geplanten Unternehmens immer in gleicher Höhe aufzubringen ist38. Das Mindest34

Lutter, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 49, 76. Bayer, BB 2003, 2357, 2366. 36 Dies gestehen auch Befürworter des deutschen Kapitalschutzmodells ein, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV 1. a). 37 Sandrock, BB 2004, 897, 899; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154 f.; Schön, Der Konzern 2004, 162, 165; Stellungnahme der Group of German Experts zum Konsultationsdokument der High Level Group, ZIP 2002, 1310, 1316, die sich dennoch für eine Beibehaltung der Mindestkapitalvorschriften ausspricht, da diese zumindest eine Seriositätsschwelle bildeten (vgl. ZIP 2002, 1310, 1318). 35

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

stammkapital ist deshalb häufig, insbesondere für Unternehmen mit besonders risikoreicher Tätigkeit, nicht annähernd ausreichend39. Eine Gesellschaft kann mit einem Stammkapital von 25.000 Euro gegründet werden, und zwar unabhängig von ihrem tatsächlichen Kapitalbedarf. So kann beispielsweise eine GmbH, die eine Fluggesellschaft betreiben möchte, ebenso mit einem Stammkapital von 25.000 Euro gegründet werden wie ein kleiner Handwerksbetrieb, auch wenn das Risiko der Geschäftstätigkeit um einen Vielfaches höher liegt und 25.000 Euro dieses keinesfalls abzusichern vermögen. c) Kontraproduktive Wirkung oder Seriositätsschwelle? Teilweise wird den Mindestkapitalvorschriften sogar eine kontraproduktive Wirkung im Hinblick auf den Gläubigerschutz vorgeworfen40. Das Mindestkapitalerfordernis führe in vielen Fällen dazu, dass die Gesellschafter eine am tatsächlichen Bedarf des einzelnen Unternehmens ausgerichtete Kapitalausstattung unterließen und der Gesellschaft stattdessen nur das gesetzliche Mindeststammkapital zuführten, das in vielen Fällen aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerade nicht ausreiche, um das mit dem Geschäftsbetrieb verbundene Risiko abzusichern. Die Mindestkapitalvorschriften verleiten die Gesellschaftsgründer nach dieser Ansicht gerade dazu, das den Gläubigern zur Verfügung stehende Garantiekapital auf die gesetzliche Mindestsumme zu begrenzen, auch wenn das Unternehmen mehr Kapital erfordere. Verlange das Gesetz dagegen kein Mindeststammkapital zur Gesellschaftsgründung, so führe dies häufig dazu, dass die Unternehmer das satzungsmäßige Stammkapital am tatsächlichen Bedarf des Unternehmens ausrichteten41. Ob die Vorschriften zur Mindestkapitalausstattung tatsächlich kontraproduktiv wirken, ist indes jedoch praktisch kaum feststellbar und darf bezweifelt werden. Seriöse und vernünftige Unternehmensgründer werden in aller Regel durch die Regelung eines Mindeststammkapitals nicht daran gehindert, ihr Unternehmen mit einem in betriebswirtschaftlicher Hinsicht ange38

Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154 f.; Schön, Der Konzern 2004, 162, 165; Stellungnahme der Group of German Experts zum Bericht der High Level Group, ZIP 2003, 863, 872; dies gesteht auch Goette, DStR 2004, 461,461 ein, der hieraus jedoch die Notwendigkeit einer besonders strengen Anwendung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften folgert. 39 So auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 5 Rdnr. 7, ohne jedoch hieraus die Konsequenz der Ablehnung der Analogie auf Mantel- und Vorratsgesellschaften zu ziehen. 40 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 18; Frank/Wachter GmbHR 2002, 17, 18. 41 Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 172.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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messenen Stammkapital auszustatten, zumal dies in ihrem eigenen Interesse liegt. Dass die Aufgabe des Mindeststammkapitalerfordernisses dazu führe, dass die Gründer eher dazu bereit seien, ihrem Unternehmen eine ausreichende Kapitaldecke zur Verfügung zu stellen, ist vor allem im Hinblick auf unerfahrene und über wenig Kapital verfügende Kleinunternehmer zu bezweifeln. Zumindest die Seriositätsfunktion der Mindestkapitalvorschriften ist anzuerkennen42 und ein kontraproduktiver Effekt insofern zu verneinen. d) Mindeststammkapital ohne Wirkung in der Insolvenz Ein weiterer berechtigter Kritikpunkt am Kapitalschutzmodell besteht darin, dass die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften alleine dazu dienen, Insolvenzen im Vorhinein zu verhindern, indem sie die Kapitalausstattung der Gesellschaft sichern. Das Mindeststammkapital wirkt also nur als präventiver Risikopuffer, der die Insolvenz der Gesellschaft hinauszögert43. Kommt es dennoch zur Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, bieten die Kapitalschutzvorschriften den Gläubigern keinerlei Schutz mehr, da in diesen Fällen das Haftungskapital bereits verbraucht ist. Das Mindestkapital führt demnach nicht dazu, dass den Gläubigern im Falle der eingetretenen Insolvenz ein größeres Vermögen zur Verfügung steht, aus dem sie sich befriedigen können. e) Mangelnde Effizienz Trotz der strengen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften, die gerade die Insolvenz der GmbH verhindern sollen, besteht eine sehr hohe Insolvenzanfälligkeit der GmbH, vor allem in den ersten Jahren nach ihrer Gründung. Bereits ein Blick in die Insolvenzstatistik zeigt, dass das deutsche Kapitalschutzkonzept einen Großteil der Insolvenzen nicht zu verhindern vermag. Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland an der Spitze, was die Zahlen der Unternehmensinsolvenzen gerade bei der GmbH anbelangt44. Dagegen treten in den Ländern, wie vor allem Großbritannien, aus 42 Bachmann, ZGR 2001, 351, 362; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695, 721; Stellungnahme der Group of German Experts zum Konsultationsdokument der High Level Group, ZIP 2002, 1310, 1318; Stellungnahme der Group of German Experts zum Bericht der High Level Group, ZIP 2003, 863, 872; Bericht der High Level Group, S. 88. 43 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 154. 44 Laut Creditreform, FAZ v. 04.02.2004 gab es im Jahr 2003 39.320 Unternehmensinsolvenzen; für das Jahr 2004 wird ein weiterer Anstieg um ca. 5 % erwartet; s. auch „So viele Unternehmensinsolvenzen wie noch nie“ in FAZ v. 19.03.2004; Sandrock, BB 2004, 897, 898.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

denen die von den Befürwortern des Kapitalschutzsystems gefürchteten „Billig-GmbHs“45 kommen, keine besonders hohen Zahlen von Unternehmensinsolvenzen auf. Trotz eines strengen und umfassenden Regelwerkes, das Gesellschaftsgründer in ihrer wirtschaftlichen Freiheit erheblich einschränkt, bietet das deutsche GmbH-Recht offenbar keinen effektiveren Gläubigerschutz als das liberalere angloamerikanische Modell. Auch wenn keine detaillierten Kosten-Nutzen-Analysen des Kapitalschutzmodells vorliegen, so wird die Effizienz des deutschen GmbH-Rechts deshalb überwiegend nicht sehr hoch eingeschätzt46. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die durch das Kapitalschutzmodell verursachten hohen Transaktions- und Opportunitätskosten47. Deshalb wird von vielen zu Recht eine Reform gefordert, durch die das deutsche Gesellschaftsrecht im internationalen und vor allem im europäischen Vergleich wieder wettbewerbsfähig wird. Hierbei sollte sich der deutsche Gesetzgeber auch den in anderen Rechtsordnungen existierenden Gläubigerschutzmechanismen öffnen, statt den Verfall des deutschen Kapitalschutzkonzepts zu beklagen. Die Berufung auf die Bedeutung des Mindeststammkapitals als „Kulturleistung ersten Ranges“48 hilft angesichts des zunehmenden Drucks auf das deutsche Kapitalschutzmodell nicht weiter49. 4. Das angloamerikanische Informations- bzw. Publizitätsmodell a) Grundlagen Diejenigen, die eine Abschaffung oder zumindest eine Abschwächung der deutschen Kapitalaufbringungsregeln fordern, verweisen insbesondere darauf, dass das im angloamerikanischen Rechtsraum geltende Gläubigerschutzkonzept, das gänzlich auf das Erfordernis der Aufbringung eines Mindeststammkapitals verzichtet50 und stattdessen vor allem auf Publizitätsregeln und die Eigenverantwortung der Gläubiger setzt, nicht zu einer höhe45

Altmeppen, NJW 2004, 97, 97. Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 161; Meilicke, GmbHR 2003, 799, 807 f.; Kübler, ZHR 159, 550 ff.; Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 136 f., 319 ff. 47 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 153. 48 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, 1980, S. 558. 49 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 152. 50 Für England vgl.: Davies, AG 1998, 346, 346 f.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 278; in den USA gilt dies für die große Mehrzahl der Bundesstaaten, vgl.: Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 279 f.; einzelne Staaten verlangen ein sehr geringes Mindeststammkapital, vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 375. 46

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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ren Insolvenzquote und damit auch nicht zu einem Außerachtlassen der Interessen der Gläubiger führe51. Hieraus wird der Schluss gezogen, dass dieses Modell einen mindestens ebenso effektiven Gläubigerschutz wie das deutsche Recht biete, ohne dabei auf restriktive Kapitalschutzvorschriften zurückgreifen zu müssen, die die Unternehmer stark belasten. Das wichtigste Element des Transparenz- bzw. Publizitätsmodells ist die Offenlegung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft. Zwingende Publizitätsregeln sollen eine möglichst umfassende Information des Rechtsverkehrs über die Vermögenssituation der Gesellschaft gewährleisten. Jeder potentielle Vertragspartner soll sich vor der Eingehung von Rechtsbeziehungen mit der Kapitalgesellschaft über ihre aktuelle wirtschaftliche Lage informieren können, um dann zu entscheiden, ob er das Risiko, das für ihn durch die beschränkte Haftung entsteht, in dem konkreten Fall eingehen möchte oder nicht bzw. ob er sich zusätzliche Sicherheiten bestellen lässt52. Verfügt die Gesellschaft über ausreichende Mittel zur Befriedigung von Forderungen, so wird sich der Rechtsverkehr im Gegenzug auch auf die beschränkte Haftung einlassen und Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft abschließen. Deshalb hat auch die betroffene Gesellschaft ein Interesse daran, es erst gar nicht zu einer Situation der Unterkapitalisierung kommen zu lassen, da sie dann nur noch schwer Vertragspartner finden und ihr dadurch die Möglichkeit genommen würde, Gewinne zu erwirtschaften. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das angloamerikanische Gesellschaftsrecht im Gegensatz zum deutschen Kapitalschutzmodell den Schutz der Gläubiger nicht als Primärziel des Gesellschaftsrechts ansieht und deshalb die Eigenverantwortlichkeit der Gläubiger stärker betont53. Das Gesellschaftsrecht dient vorrangig den Unternehmern, denen geeignete Instrumente zur Verwirklichung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden sollen54. Auf gläubigerschützende Regelungen wird im Gesellschaftsrecht der angloamerikanischen Rechtssysteme daher überwiegend verzichtet55. Die daneben tretenden speziellen Vorschriften im englischen Recht, die dem Gläubigerschutz dienen, sind darauf ausgerichtet, die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Gläubiger möglichst groß zu halten, während im deutschen Kapitalschutzsystem die Vermeidung der Insolvenz im Vordergrund steht56. 51 52 53 54 55 56

Sandrock, BB 2004, 897, 898. Davies, AG 1998, 346, 348. Schön, Der Konzern 2004, 162, 162. Schön, Der Konzern 2004, 162, 162. Ausführlich hierzu Merkt, ZGR 2004, 305, 313. Mülbert, der Konzern 2004, 151, 155.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

Die Wettbewerbsvorteile des angloamerikanischen Publizitätsmodells werden insbesondere in den gegenüber dem Kapitalschutzmodell geringeren Belastungen für die Unternehmer durch ein wesentlich einfacheres Gründungsverfahren und durch den Verzicht auf unflexible Kapitalaufbringungsvorschriften gesehen57. Dies habe eine Erleichterung der Unternehmensgründung und damit auch eine Belebung der Wirtschaft zur Folge. Trotz dieser eindeutigen Vorteile auf Seiten der Unternehmensgründer werde auch ein zufriedenstellendes Gläubigerschutzniveau erreicht, das keinesfalls unter dem des Kapitalschutzmodells liege. Das Publizitätsmodell sei damit gegenüber dem System des gesetzlichen Kapitalschutzes als deutlich effizienter anzusehen. b) Das Publizitäts- bzw. Informationsmodell im Einzelnen Die Information des Rechtsverkehrs über die Vermögenssituation der Gesellschaft erfolgt durch eine jährlich zu wiederholende Offenlegung des vorhandenen Kapitals und der bestehenden Belastungen des Gesellschaftsvermögens gegenüber dem Gesellschaftsregister und die Erstellung eines Jahresabschlussberichts gemäß sec. 241 Companies Act 198558. Das englische Recht geht grundsätzlich davon aus, dass sich die Gläubiger mit Hilfe dieser Informationen durch spezielle vertragliche Vereinbarungen selbst vor dem Ausfall ihrer Forderungen schützen können und sollen59. So können einerseits die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen im Vertrag vollständig aufgehoben werden oder aber, was weitaus häufiger vorkommt, besondere Sicherungsrechte zwischen den Vertragspartner vereinbart werden60. Insbesondere die Banken sind als Kreditgeber in der Position, von den Gesellschaften als Kreditnehmern regelmäßige Informationen über die Kapitaldecke der Gesellschaft sowie zusätzliche Sicherheiten verlangen zu können und die Kreditvergabe hiervon abhängig zu machen. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei den dinglichen Sicherungsrechten an den Vermögenswerten der Gesellschaft zu61, aber auch die Vereinbarung von Bürgschaften ist durchaus verbreitet62. 57 Triebel, BB 2003, Heft 36, die erste Seite; Hirte, GmbHR 2003, R 421; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 161; Meilicke, GmbHR 2003, 799, 807 f.; Kübler, ZHR 159, 550 ff.; Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 136 f., 319 ff. 58 Im Folgenden CA 1985. 59 Davies, Introduction to Company Law, S. 70 ff.; ders., AG 1998, 346, 349 f.; Shearman, GmbHR 1992, 149, 152; H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 77. 60 H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 77 ff.; Davies, AG 1998, 346, 349 f. 61 Bei den dinglichen Sicherheiten unterscheidet man zwischen „fixed charges“ und „floating charges“. Die fixed charges sind feste Sicherungsrechte an bestimmten

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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Insbesondere in den USA, aber teilweise auch in Großbritannien, ist zudem die vertragliche Vereinbarung von sog. „financial covenants“ üblich, die gesetzlich auferlegten Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungspflichten ähnlich sind und die Gesellschaft zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Kapitalausstattung verpflichten63. Vereinbart beispielsweise eine kreditgebende Bank financial covenants mit der Gesellschaft und werden diese eingehalten, profitieren hiervon sämtliche anderen und somit auch kleinere Gläubiger, die nicht über eine entsprechende Marktmacht verfügen, sowie Deliktsgläubiger. Wenn die großen Gläubiger jedoch in der Unternehmenskrise vor Eintritt der Insolvenz die Befriedigung ihrer Forderungen erreichen, so besteht kein Schutz mehr für Klein- und Deliktsgläubiger64. Da sich grundsätzlich nur vertragliche Gläubiger mit entsprechender Marktmacht selbst zu schützen vermögen, nicht aber vertragliche Kleingläubiger und deliktische Gläubiger65, werden die Publizitätspflichten im angloamerikanischen Recht durch zusätzliche Regelungen flankiert. Allerdings sind die Gläubigerschutztatbestände in England im Unterschied zum deutschen Recht im Insolvenzrecht und nicht im Gesellschaftsrecht normiert. Vermögenswerten, wie z. B. die Grundschuld oder die Hypothek. Weitaus üblicher und praktikabler ist dagegen die floating charge, ein Sicherungsrecht, das eine Gruppe von ständig wechselnden Vermögensgegenständen der Gesellschaft, wie z. B. ein Warenlager oder die zu verarbeitenden Rohstoffe, erfasst. Die Sicherung bezieht sich jeweils auf die gerade tatsächlich in dem Warenbestand vorhandenen Gegenstände. Erst wenn die Gesellschaft ihren Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr nachkommt und der Kreditgeber einen Zwangsverwalter zur Vollstreckung einsetzt oder aber wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wird, entsteht eine dingliche Sicherheit an den einzelnen Gegenständen, die sich in diesem Moment in dem gesicherten Warenbestand befinden. Die floating charge hat gegenüber der fixed charge den Vorteil, dass der Sicherungsgeber bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Sicherungsrecht an bestimmten Gegenständen festsetzt, frei über die im gesicherten Warenbestand befindlichen Gegenstände verfügen kann. Er kann sie kaufen, verkaufen, ersetzen und wird damit in der Unternehmensführung zunächst nicht eingeschränkt (vgl. hierzu Charlesworth/ Morse, S. 663 ff.; H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 78 f.). Die floating charge enspricht damit dem deutschen Raumsicherungsübereignungsvertrag. 62 Davies, AG 1998, 346, 350. 63 Armour, MLR 63 (2000), 355, 374 f.; Alberth, WPg 1997, 744; Merkt, ZGR 2004, 305, 313; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 156; Kästle, Rechtsfragen der Verwendung von Covenants in Kreditverträgen, S. 62 ff. Aus dieser Tatsache wird in der deutschen Literatur teilweise eine Rechtfertigung für das Kapitalschutzmodell abgeleitet, so z. B. Schön, ZHR 166 (2002) 1, 4; ders., WPg-Sonderheft 2001, 74, 78. 64 Merkt, ZGR 2004, 305, 314. 65 Davies, AG 1998, 346, 350 f.; Eidenmüller, JZ 2004, 24, 27 f.; H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 79 f., der diese als „involuntary creditors“ bezeichnet; Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 156; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 954; dies., RIW 2004. 7, 14.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

Eine entscheidende Rolle bei Verwirklichung des Schutzes der Kleinund Deliktsgläubiger kommt der Haftung der Geschäftsleiter („directors“) und damit dem Tatbestand des wrongful trading zu66. Die in sec. 214 Insolvency Act 198667 normierte Haftung wegen wrongful trading68 ist der Insolvenzverschleppungshaftung des deutschen Rechtes (§ 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB) nicht unähnlich. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch darin, dass die Haftung wegen wrongful trading nicht erst bei Eintritt der Insolvenz eingreift, sondern bereits im Vorfeld bei Auftreten einer Unternehmenskrise, also dann wenn die Insolvenz für die Geschäftsleiter bereits absehbar ist69. Von weitaus geringerer Bedeutung ist wegen ihrer strengen Voraussetzungen die Haftung der Geschäftsleiter wegen fraudulent trading nach sec. 213 IA 1986. Dieser Tatbestand, der schon 1928 eingeführt wurde, ist nur dann erfüllt, wenn der Geschäftsleiter trotz bevorstehender Insolvenz die Geschäfte in der Absicht der Täuschung der Gläubiger oder anderer Personen oder in sonstiger betrügerischer Absicht fortführt. Häufig bereitet es den Gläubigern jedoch erhebliche Schwierigkeiten, den subjektiven Tatbestand des betrügerischen Zweckes nachzuweisen, da die Gerichte hieran strenge Anforderungen stellen70. Das englische Gläubigerschutzmodell wird außerdem durch eine Staatsaufsicht ergänzt71. Nach den sec. 431 ff. Companies Act 1985 hat der „Secretary of State“ die Befugnis, „company investigations“ einzuleiten und durchzuführen. So kann er unabhängige „inspectors“ einsetzen, wenn die Gesellschafter bzw. die Gesellschaft dies beantragen72 oder wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Gesellschaft die Geschäfte in betrügerischer Weise zum Nachteil der Gläubiger oder in gesetzeswidriger Weise führt73. Außerdem kann sich der Secretary of State die Bücher und andere Gesellschaftsunterlagen vorlegen lassen. Er kann den von den inspectors vorgelegten Abschlussbericht den Gesellschaftern oder den durch die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft betroffenen Personen vorlegen74 sowie die 66

Davies, AG 1998, 346, 350 f.; H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 79. Im Folgenden IA 1986. 68 Ausführliche Darstellungen des Tatbestandes des wrongful trading finden sich bei H. C. Hirt, ECFR 2004, 71 und bei Habersack/Verse ZHR 168 (2004), 174. 69 Diesen Vorteil der Haftung wegen wrongful trading betont auch die High Level Group in ihrem Bericht vom 04.11.2002, S. 73; a. A. aber Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 175. 70 Habersack/Verse ZHR 168 (2004), 174, 177. 71 Vgl. zur Staatsaufsicht in Großbritannien ausführlich Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 290 f. 72 Sec. 431 CA 1985. 73 Sec. 432 CA 1985. 67

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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Veröffentlichung des Berichts anordnen75. Diese Regeln zur staatlichen Aufsicht ermöglichen eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der Geschäftsleiter und spielen als Ergänzung des Publizitäts- und Informationsmodells im englischen Recht eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der Gläubiger von Kapitalgesellschaften. Ein Rückgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter im Sinne einer Durchgriffshaftung ist im englischen Recht dagegen nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich76. Die Gerichte betonen vielmehr die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft als juristische Person und das Prinzip der beschränkten Haftung77, so dass ein Durchgriff auf die Gesellschafter auch aus Gläubigerschutzgründen zumeist abgelehnt wird78. In den USA spielt die Durchgriffshaftung dagegen eine große Rolle79. In einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen ist ein Durchgriff auf die hinter der „corporation“ stehenden Gesellschafter zugelassen worden80. Zur Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit des Haftungsdurchgriffs benutzt die Rechtsprechung zahlreiche Metaphern. So soll ein „piercing the corporate veil“ dann möglich sein, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft in derart manipulativer Art und Weise benutzen, dass sie sich als „a mere puppet or tool for the manipulator“ oder als bloßes „alter ego“ des Gesellschafters darstellt81. Erfasst werden demnach die Fälle, in denen das Haftungsprivileg der Gesellschaft von den Gesellschaftern missbraucht wird. In der Rechtsprechung haben sich im Wesentlichen drei Fallgruppen herausgebildet, in denen ein „disregard of the legal entity“ angezeigt ist: die Vermögensvermischung und der Vermögensentzug, die Unterkapitalisierung und das Erwecken des Anscheins persönlicher Haftung82. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Gerichte bei der Bejahung eines Haftungsdurchgriffs bei Ansprüchen deliktischer Gläubiger großzügiger sind als bei denen vertraglicher Gläubiger, da 74

Sec. 437(3) CA 1985. Sec. 437(3)(c) CA 1985. 76 s. zu den Voraussetzungen Gower, Principles of Modern Company Law, S. 132 ff. 77 Vgl. die Grundsatzentscheidung Salomon v. Salomon [1892] AC 22; s. hierzu Gower, Principles of Modern Company Law, S. 124 f. 78 Gower, Principles of Modern Company Law, S. 124 f. 79 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 313; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 334 ff. 80 Dieser Haftungsdurchgriff wird bezeichnet als „disregard of the legal entity“ oder „piercing the corporate veil“. 81 Eine umfassende Übersicht über die gängigen Metaphern findet sich bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 316. 82 Vgl. hierzu ausführlich Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 320; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 334 ff. 75

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

diese grundsätzlich in der Lage sind, sich durch vertragliche Vereinbarungen selbst zu schützen83. 5. Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit des Konzepts der wirtschaftlichen Neugründung Die ordnungspolitische Bedeutung der Pflicht zur Offenlegung von Informationen über die Verhältnisse der Gesellschaft wird auch von der High Level Group in ihrem Abschlussbericht betont84. Die Frage, welches System nun tatsächlich den effektivsten und effizientesten Schutz der Gläubiger vor dem Missbrauch von Kapitalgesellschaften bietet, ist aber noch ungeklärt und wird auch angesichts der Komplexität der beiden unterschiedlichen Systeme mit ihren verschiedenen Einzelfaktoren kaum feststellbar sein85. Eine Reform des deutschen Gesellschaftsrechts erscheint aber angesichts der neuesten gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen innerhalb der EU unausweichlich. Ob sich hierbei aber tatsächlich das offenbar vom EuGH favorisierte Publizitätsmodell durchsetzten wird oder ob nicht eine Kombination der wirkungsvollsten Regelungen aus beiden Konzepten zur Gewährleistung eines effektiven und effizienten Gläubigerschutzes herausbilden wird, bleibt abzuwarten86. Diese grundlegende Frage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend erörtert und entschieden werden. Eine Entscheidung dieser Problematik ist aber auch für die hier in Frage stehende analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf Mantel- und Vorratsgesellschaften nicht erforderlich. Von Bedeutung für die Beurteilung der BGH-Rechtsprechung ist allein, dass das Kapitalschutzmodell nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten kontinentaleuropäischen Rechtsraum auf dem Prüfstand steht und sich die Kritik hieran insbesondere auf die Mindestkapitalvorschriften bezieht. Statt den Anwendungsbereich der ohnehin kaum mehr haltbaren Mindestkapitalvorschriften weiter auszudehnen, sollten sich die Rechtsprechung und vor allem auch der Gesetzgeber der durch die Literatur angestoßenen Reformdiskussion öffnen und alternative Möglichkeiten des Gläubigerschutzes prüfen, die auch die Interessen des Wirtschaftsverkehrs ausreichend berücksichtigen und somit auch das Modell der deutschen GmbH für Unternehmensgründer wieder interessant werden lassen. Die aus der BGH-Rechtsprechung resultierenden, zusätzlichen Belastungen für Unternehmer, die auf 83 84 85 86

Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 324. Abschlussbericht der High Level Group, S. 34 f., 45–50, 95 f. Merkt, ZGR 2004, 305, 322. Merkt, RIW 2003, Heft 12, die erste Seite.

II. Das Kapitalschutzmodell in der Kritik

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die Verwendung einer bereits bestehenden Vorrats- oder Mantel-GmbH angewiesen sind, sind angesichts der bereits ausführlich dargestellten eingeschränkten Wirksamkeit der Mindestkapitalvorschriften für den Gläubigerschutz keinesfalls gerechtfertigt. Tatsächlich stellt sich die Problematik der wirtschaftlichen Neugründung gar nicht mehr, wenn der Gläubigerschutz nicht auf Mindestkapitalvorschriften basiert87. Für die Wirksamkeit des Gläubigerschutzes ist in den Staaten, in denen das Publizitätsmodell gilt, nicht entscheidend, ob die Unternehmer eine neue Gesellschaft gründen oder eine bereits bestehende weiterverwenden. Der Gläubigerschutz nach dem Publizitätsmodell ist unabhängig vom Vorgang der Gründung und greift somit auch bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften ein. Die Optionen, die andere europäische Rechtsordnungen und insbesondere das englische Recht für die Gewährleistung eines effektiven Gläubigerschutz bieten, sollten auch in Deutschland bei der notwendigen Weiterentwicklung des GmbH-Rechts berücksichtigt werden, damit das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht zukunftsfähig bleibt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das deutsche Recht nunmehr uneingeschränkt das englische Publizitätsmodell übernehmen sollte. Vielmehr ist eine kritische Würdigung der Vor- und Nachteile der beiden Systeme vorzunehmen, um dann entscheiden zu können, welche Elemente einen besonders wirksamen und effizienten Gläubigerschutz gewährleisten. Eine Synthese von verschiedenen Maßnahmen aus beiden Modellen erscheint hierbei durchaus sinnvoll88. Die gesellschaftsrechtliche Entwicklung in Europa bietet damit auch neue Chancen zur Entwicklung von Alternativkonzepten für die Behandlung der Gläubigerschutzproblematik im Zusammenhang mit Mantel- und Vorratsgesellschaften in Deutschland. Eine analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf die Fälle der wirtschaftlichen Neugründung unter Betonung ihrer essentiellen Bedeutung für das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht erscheint angesichts der neuesten Entwicklung in Deutschland und in der gesamten europäischen Union und der bekannten Schwächen des Kapitalschutzmodells als verfehlt89.

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Vgl. hierzu ausführlich 4. Kapitel, II. 3. Merkt, RIW 2003, die erste Seite. 89 So auch Meilicke, BB 2003, 857, 860, der den Beschluss des BGH v. 09.12.2002 angesichts der neuen Rechtsprechung des EuGH als „Schritt in die falsche Richtung“ wertet. 88

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH durch die Verwendung einer ausländischen Manteloder Vorratsgesellschaft 1. Die rechtliche Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit a) Grundlagen aa) Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit Die europarechtliche Niederlassungsfreiheit ist in den Art. 43 und 48 EGV geregelt. Als eine der Grundfreiheiten des EGV kommt ihr eine zentrale Bedeutung im Gemeinschaftsrecht zu90. Gemäß Art. 43 EGV haben grundsätzlich alle Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten das Recht, sich auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates niederzulassen und dort einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen. Art. 48 EGV erstreckt die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auch auf Gesellschaften. Die Niederlassungsfreiheit soll den Kapitalgesellschaften der Mitgliedstaaten eine möglichst schrankenlose Bewegungsfreiheit auf dem Gebiete der EU verschaffen91. Sie enthält ebenso wie die übrigen Grundfreiheiten des EGV nicht nur ein reines Diskriminierungsverbot, sondern auch ein umfassendes Beschränkungsverbot92. Somit sind wesentliche Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit auch dann als europarechtswidrig anzusehen, wenn sie Inlandsgesellschaften und Auslandsgesellschaften gleichermaßen treffen93. Der Schutzbereich der Art. 43 und 48 EGV erfasst sowohl die primäre als auch die sekundäre Niederlassungsfreiheit. Geschützt wird damit neben dem Recht der Gesellschaft, ihren Hauptsitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen (primäre Niederlassungsfreiheit)94, auch die Freiheit, in einem anderen Mitgliedstaat Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen (sekundäre Niederlassungsfreiheit)95. Eingriffe in den Schutzbereich der Grundfreiheiten und damit auch Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind nach ständiger Rechtspre90 So schon EuGH v. 10.07.1986, Rs. 79/85, Slg. 1986, 2375, 2387, Rdnr. 12 – Segers. 91 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 162. 92 Vgl. z. B. EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165, I-4197 f., Rdnr. 37 – Gebhard; EuGH v. 31.03.1993, Rs. C-19/92, Slg 1993, I-1697, Rdnr. 32 – Kraus. 93 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 162; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667. 94 Art. 43 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 48 EGV. 95 Art. 43 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 48 EGV.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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chung des EuGH nur dann gerechtfertigt, wenn einer der praktisch wenig relevanten Rechtfertigungsgründe des Art. 46 EGV gegeben ist oder wenn die Voraussetzungen des „Vier-Kondiktionen-Tests“ erfüllt sind. Nach dem Vier-Konditktionen-Test ist ein Eingriff in den Schutzbereich dann zulässig, wenn er in nicht diskriminierender Weise erfolgt, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet und erforderlich ist96. Dieses Grundverständnis von der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit hat der EuGH mit seiner Rechtsprechung von Daily Mail bis Inspire Art näher ausgestaltet. bb) Die unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Ansätze zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts – Sitz- und Gründungstheorie Die Urteile des EuGH in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art haben die Niederlassungsfreiheit von Scheinauslandsgesellschaften zum Gegenstand. In allen drei Fällen hatte der Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob für Scheinauslandsgesellschaften das inländische Gesellschaftsstatut maßgebend ist. Grundsätzlich regelt das Internationale Gesellschaftsrecht die Frage, welches Recht auf eine in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft, die ihren Sitz ins Inland verlegt hat, anwendbar ist97. Das Gesellschaftsstatut richtet sich damit in erster Linie nach den nationalen Kollisionsregeln. In Deutschland findet sich indes keine Regelung zum Internationalen Gesellschaftsrecht98. Traditionell folgten Rechtsprechung und herrschende Lehre in Deutschland der sog. Sitztheorie und bestimmten das Gesellschaftsstatut nach dem effektiven Verwaltungssitz der Gesellschaft99. Nach der Sitztheorie gilt grundsätzlich das Recht des Staates, von dem aus die Gesellschaft geleitet wird und damit in erster Linie das Recht des tatsächlichen Sitzes der Verwaltung100. Seine Grundlage hat dieser kollisionsrecht96 Vgl. z. B. EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165, I-4197 f., Rdnr. 37 – Gebhard; EuGH v. 31.03.1993, Rs. C-19/92, Slg 1993, I-1697, Rdnr. 32 – Kraus. 97 Horn, NJW 2004, 893, 984. 98 In anderen Staaten finden sich dagegen ausdrückliche Regelungen zur Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts, wie z. B. in der Schweiz, Art. 154 IPRG; ein Überblick über die kollisionsrechtlichen Konzepte findet sich bei Zimmer, RabelsZ 2003, 298. 99 BGHZ 97, 269, 271; BGH, NJW 1997, 657; BGH, ZIP 2000, 967; BayObLG, RIW 1998, 966; OLG Hamm, RIW 1997, 874; OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 38 ff.; Kindler, in: MüKo zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 258 ff., jeweils m. w. N.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

liche Ansatz in der im deutschen Internationalen Privatrecht vorherrschenden, einem Lehrsatz von Kegel/Schurig folgenden Auffassung, dass eine Kapitalgesellschaft als juristische Person „keine Heimat, sondern einen Sitz habe“ und deshalb an diesen anzuknüpfen sei101. Die Sitztheorie war bisher aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in einigen anderen Staaten Kontinentaleuropas, wie z. B. in Frankreich, Spanien und Österreich vorherrschend102. Im Gegensatz hierzu knüpft die vor allem in den Ländern des „common law“ verbreitete und – innerhalb Europas – in Großbritannien, in der Schweiz, in Dänemark und den Niederlanden vorherrschende Gründungstheorie zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts an den Satzungssitz der Gesellschaft an103. Den Vertretern der Gründungstheorie zufolge sind Gesellschaften grundsätzlich nach dem Recht zu behandeln, das am Ort ihrer Registrierung und damit am formellen Sitz der Gesellschaft gilt104. Nicht entscheidend ist dagegen der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft. In den Fällen, in denen mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland auch eine Verlagerung des Satzungssitzes einhergeht, weisen die beiden Theorien im Ergebnis keine Unterschiede auf. Verlegt die Gesellschaft jedoch nur ihren Verwaltungssitz, so bestimmt nach der Gründungstheorie weiter der Satzungssitz das maßgebliche Gesellschaftsstatut. Die Gesellschaftsgründer können damit ohne weiteres eine Auslandsgesellschaft gründen, auch wenn das Unternehmen vom Inland aus geführt werden soll. Die Gesellschaft ist auch nach der Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes weiter nach ihrem Gründungsrecht zu behandeln. Die Unternehmensgründer können damit selbst und frei darüber entscheiden, welchem Gesellschaftsrecht die von ihnen errichtete Kapitalgesellschaft folgen soll. Nach der Sitztheorie führt dagegen bereits die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland zu einem Wechsel des maßgeblichen Gesellschaftsstatuts105. Die Gesellschaft ist dann grundsätzlich nach dem Recht des Staates zu behandeln, in dem sich der effektive Verwaltungssitz der Gesellschaft 100

BGHZ 97, 269, 272. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Auflage 2000, S. 501 f. 102 Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 153 m. w. N. 103 Hierzu ausführlich Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 20 ff.; Kindler, in: MüKo zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 258 ff. 104 Ein guter Überblick findet sich bei Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 ff.; ausführlich hierzu auch Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 22, 31 ff.; Kindler, in: MüKo zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 265 ff. 105 BGH, BB 2002, 2031; Kindler, NJW 2003, 1073, 1074; Ebke, JZ 2003, 927, 928. 101

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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befindet. Dies hatte zur Folge, dass der Gesellschaft in den der Sitztheorie folgenden Staaten bislang vollständig die rechtliche Anerkennung versagt wurde, da sie nicht nach nationalem Recht gegründet wurde. Auch die bis vor kurzem herrschende Ansicht von Rechtsprechung und Literatur in Deutschland lehnte deshalb die Rechts- und Parteifähigkeit von im Ausland gegründeten Gesellschaften nach der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland grundsätzlich ab106. So wurden weder die Gesellschaften, die nur im Ausland gegründet wurden und sofort danach ihren effektiven Verwaltungssitz im Inland nahmen (sog. originäre Scheinauslandsgesellschaften)107 noch die Gesellschaften, die nach der Gründung im Ausland zunächst nur dort tätig wurden und erst später ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegten (sog. inländische Auslandsgesellschaften)108, in Deutschland anerkannt. Durch die Negierung der rechtlichen Existenz von Gesellschaften, deren Verwaltungssitz vom Satzungssitz abweicht, versuchten die Vertreter der Sitztheorie, inländische Unternehmen von der Gründung ausländischer Gesellschaften abzuhalten bzw. den Betrieb eines inländischen Unternehmens durch eine Auslandsgesellschaft zu verhindern109. Begründet wurde dieses Vorgehen mit Schutzinteressen des inländischen Rechtsverkehrs110. Die Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit überwiegend im Inland ausübten, sollten daran gehindert werden, die im Sitzstaat geltenden Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern und Gläubigern durch die Gründung einer Scheinauslandsgesellschaft zu umgehen. Die Schwäche der Gründungstheorie wurde von den Vertretern der Sitztheorie deshalb auch in der Möglichkeit zur Umgehung inländischer Schutzvorschriften gesehen. Demgegenüber kritisierten die Anhänger der Gründungtheorie den negativen Sanktionscharakter der Sitztheorie111, die sich als „reine Nichtanerkennungstheorie“ darstelle112. Problematisch erschien ihnen 106

BGH, BB 2002, 1106; BGHZ 97, 269, 271; BGHZ 53, 181, 183; OLG München, NJW 1986, 2197; OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 58 ff.; Kindler, in: MüKo zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 328 ff.; a. A. Behrens, ZGR 1994, 1, 9 ff.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 334 f. 107 So schon RGZ 83, 367, 369. 108 Zur Differenzierung in der Terminologie vgl. Bayer, BB 2003, 2357, 2358; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925; die beiden Fallgestaltungen unterscheidend, ohne hierfür jedoch verschiedene Begriffe zu benutzen Behrens, IPrax 2003, 193, 194. 109 Hierzu ausführlich Kindler, in: MüKo zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 269, 344 ff.; Behrens, IPrax 2003, 193, 194. 110 BGH, BB 2000, 1106; W. H. Roth, ZGR 2000, 311, 331 ff.; Kindler, NJW 2003, 1073, 1074; Kindler, in: MüKo zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 312 ff.; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 41 ff. 111 Behrens, IPrax 2003, 193, 194; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 427 ff.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

insbesondere die Behinderung der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften durch die Verweigerung ihrer Anerkennung im Inland113. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Konflikt der Sitztheorie mit der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften evident. Lange Zeit verteidigte jedoch die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum in Deutschland die Sitztheorie gegen die aus der Niederlassungsfreiheit resultierenden Einwände. Das Hauptargument der herrschenden Meinung stützte sich auf die Behauptung, dass die gesellschaftsrechtlichen Kollisionsnormen nicht am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu messen, die Grundfreiheiten vielmehr irrelevant für das nationale Kollisionsrecht seien114. Insofern könne eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht aus einer Kollisionsnorm folgen115. Angesichts der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art kann jedoch an der Bedeutung der Niederlassungsfreiheit für das nationale Kollisionsrecht nicht mehr gezweifelt werden. Der Einfluss dieser Entscheidungen auf den Theorienstreit ist noch nicht abschließend geklärt. Die ganz überwiegende Ansicht sieht jedoch die Sitztheorie mittlerweile als überholt an: Bereits aus dem Centros-Urteil ergab sich, dass eine Negierung der Existenz von ausländischen Gesellschaften mit Sitz im Inland nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Dennoch versuchte der II. Senat des BGH noch im Jahr 2002 die Sitztheorie zu retten, indem er einer ausländischen Kapitalgesellschaft nicht völlig die Anerkennung versagte, sondern diese in eine rechts- und parteifähige deutsche Personengesellschaft umqualifizierte und sich damit der in der Literatur zuvor vertretenen116 modifizierten Sitztheorie117 anschloss118. Diesem Rettungsversuch119 des BGH wurde jedoch durch die Überseering-Entscheidung des EuGH eine klare Absage erteilt. Nunmehr steht fest, 112

Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 341. Bayer, BB 2003, 2357, 2358. 114 Flessner, ZEuP 2000, 1, 4; a. A. Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 13 ff.; vgl. die ausführliche Darstellung der Diskussion um die Relevanz der Niederlassungsfreiheit für das nationale Kollisionsrecht von Behrens, IPrax 2003, 193, 197 ff. 115 Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 925. 116 Roth, ZIP 2000, 1597, 1599 ff.; Zimmer, BB 2000, 1361, 1363 f.; ders., ZHR 164 (2000), 23, 25; Kindler, RIW 2000, 649, 650 f.; K. Schmidt, ZGR 1999, 20, 22 ff.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 1997, 89 ff.; H.-F. Müller, ZIP 1997, 1049; Kösters, NZG 1998, 241, 245 ff. 117 Diese wird auch als „neue Sitztheorie“ bezeichnet, vgl. etwa Behrens, IPrax 2004, 20, 21. 118 BGHZ 151, 204. 119 Heidenhain, NZG 2002, 1142. 113

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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dass die Mitgliedstaaten die Rechtsfähigkeit, die eine in einem anderen Mitgliedsstaat gegründete Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaates besitzt, zu achten haben120. Dies läuft im Ergebnis auf eine Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts nach der Gründungstheorie hinaus. Dieser Ansicht hat sich auch der VII. Senat des BGH in seiner abschließenden Entscheidung in der Sache Überseering angeschlossen121. Zudem hat das Gericht im Gegensatz zum EuGH, der sich zu dieser Frage nicht explizit äußerte, die modifizierte Sitztheorie ausdrücklich abgelehnt. Entsprechendes hat der BGH mittlerweile auch für in den USA gegründete Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt haben, entschieden122. Nach Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954123 sind nunmehr auch nach dem Recht der USBundesstaaten gegründete Kapitalgesellschaften in Deutschland nach dem Gründungsstatut zu behandeln und damit als solche anzuerkennen. b) Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften Wie zuvor bereits erwähnt, hat der EuGH vier wichtige Urteile erlassen, die sich mit der Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften befassen. Zunächst werden die wesentlichen Aussagen dieser Entscheidungen dargestellt und sodann die Auswirkungen auf das Internationale Gesellschaftsrecht und auf die rechtliche Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften erörtert. aa) Daily Mail Die erste Entscheidung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften erging in der Rechtssache Daily Mail124, in der der EuGH über die 120

EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. I-2002, 9919, Rdnr. 95 – Übersee-

ring. 121

BGH, NJW 2003, 1461 = RIW 2003, 474 m. Besprechungsaufsatz Merkt, RIW 2003, 458; zustimmend Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925 ff.; Forsthoff, DB 2003, 979 ff.; Wertenbruch, NZG 2003, 618 ff.; Schulz, NJW 2003, 2707 ff. 122 BGH, BB 2002, 1227; BGH, BB 2003, 810 mit kritischer Anm. von Kindler; kritisch auch Mankowski, EWiR 2003, 661; zustimmend dagegen Bungert, DB 2003, 1043.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 30, 36; dies., AG 2003, 661, 663 Fn. 48; diese Entscheidungen bestätigend BGH, RIW 2004, 787 mit kritischem Besprechungsaufsatz von Ebke, RIW 2004, 740. 123 BGBl. II 1956, 487. 124 EuGH v. 27.09.1988, Rs. 81/87, Slg. 1988, 5483 = NJW 1989, 2186 – Daily Mail.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit einer steuerrechtlichen Wegzugsbeschränkung zu entscheiden hatte. Die Daily Mail and General Trust Plc., eine in England gegründete Kapitalgesellschaft, beabsichtigte aus steuerrechtlichen Gründen, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Niederlande zu verlegen, wurde aber durch die nach englischem Steuerrecht hierfür erforderliche und durch die englischen Finanzbehörden abgelehnte Genehmigung hieran gehindert. Der „High Court of Justice“ legte dem EuGH die Frage vor, ob die Verweigerung der Wegzugsgenehmigung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Der Gerichtshof vertrat in seinem Urteil die Ansicht, dass eine Beschränkung der tatsächlichen Sitzverlegung durch den Wegzugsstaat nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Die Art. 43 und 48 EGV gewährten „beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts den Gesellschaft nationalen Rechts kein Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaft des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen“125. Zusätzlich traf der Gerichtshof in einem obiter dictum eine Aussage über das Verhältnis der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit zum Internationalen Gesellschaftsrecht, die zu großen Missverständnissen führte. Der EuGH stellte diesbezüglich fest, dass die Bestimmungen zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nicht die durch die unterschiedliche Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts durch die Mitgliedstaaten auftretenden Probleme löse. Hiefür bedürfe es vielmehr einer „Lösung im Wege der Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses“. Vielfach wurde dieses obiter dictum dahingehend interpretiert, dass es eine allgemeine Aussage darüber enthalte, dass die Kollisionsnormen des Internationalen Gesellschaftsrechts grundsätzlich nicht an der Niederlassungsfreiheit zu messen seien. Der überwiegende Teil von Rechtsprechung126 und Literatur127 in Deutschland fühlte sich deshalb durch die Entscheidung in der Ansicht bestärkt, dass die Sitztheorie nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße und damit auch gegenüber den in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gegründeten Gesellschaften anzuwenden sei. In Wahrheit aber hatte der Gerichtshof zur Frage der Vereinbarkeit von Sitztheorie und europarechtlicher Niederlassungsfreiheit keinerlei Aussage getroffen, da er nur über den Fall des Wegzuges einer Gesellschaft aus dem Gründungsstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu entscheiden hatte und darüber hinaus sowohl der Zuzugs- als auch der Wegzugsstaat der Gründungs125 EuGH v. 27.09.1988, Rs. 81/87, Slg. 1988, 5483 = NJW 1989, 2186 – Daily Mail, Rdnr. 25. 126 BayObLG, AG 1986, 45; OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; OLG München, NJW 1986, 2197. 127 Ebke, ZGR 1987, 245, 249 ff.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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theorie folgten128. Aus heutiger Sicht wurde die Daily Mail-Entscheidung innerhalb der herrschenden Meinung offensichtlich überinterpretiert129. Die aufgetretenen Missverständnisse wurden aber erst mit der Überseering-Entscheidung endgültig beseitigt, auch wenn der EuGH bereits in Centros die Weichen neu stellte. bb) Centros Die elf Jahre später ergangene Centros-Entscheidung130 schien das völlige Gegenteil von Daily Mail zu besagen, ohne diesen Widerspruch auch nur zu erwähnen. Aus heutiger Sicht stellt sie sich als erster entscheidender Schritt zur konsequenten Durchsetzung der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften durch den EuGH dar131. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die dänische Zentralverwaltung für Handel und Gesellschaften verweigerte die Eintragung der Zweigniederlassung einer nach englischem Recht wirksam gegründeten private limited company mit dem Argument, dass diese ihre Geschäftstätigkeit alleine in Dänemark und nicht in England ausübe und deshalb nicht die Errichtung einer Zweig-, sondern einer Hauptniederlassung in Dänemark beabsichtige. Deshalb seien auf diese die dänischen Mindestkapitalvorschriften anzuwenden, die die Gesellschaft im konkreten Fall jedoch nicht erfüllt habe. Auf Vorlage des in letzter Instanz entscheidenden „Hojesteret“ wertete der EuGH die Verweigerung der Eintragung als Verstoß gegen die europarechtliche Niederlassungsfreiheit. Die Eintragung einer im europäischen Ausland wirksam gegründeten Gesellschaft könne nicht unter Verweis darauf verweigert werden, dass die Auslandsgründung den Zweck gehabt habe, die gesetzlichen Gründungsanforderungen im Inland zu umgehen und sei deshalb auch dann vorzunehmen, wenn die Gesellschaft ihre geschäftlichen Aktivitäten nicht im Gründungsstaat, sondern alleine im Staat der Zweigniederlassung ausübe132. In der beabsichtigten Umgehung der strengeren inländischen Gründungsvorschriften sei auch kein Missbrauch zu sehen, der eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertige. Zudem stellte der Gerichtshof klar, dass auch eine Rechtfertigung aus Gründen des Gläubigerschutzes in diesem Fall nicht eingreife. Zwar sei grundsätzlich 128

Bayer, BB 2003, 2357, 2360; Behrens, IPrax 2003, 193, 201. Bayer, BB 2003, 2357, 2360. 130 EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros. 131 Bayer, BB 2003, 2357, 2357, 2360; Behrens, IPrax 2003, 193, 193; ders., IPrax 2004, 20, 21 f.; Ebke, JZ 2003, 927, 927. 132 EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 23 ff. 129

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig. Vorliegend greife dieser Rechtsfertigungsgrund aber deshalb nicht ein, weil die Gesellschaft als Gesellschaft englischen und nicht dänischen Rechts auftrete, sodass für die Gläubiger erkennbar sei, dass sie nicht den dänischen Gründungsvorschriften unterliege133. Zusätzlich könnten sich die Gläubiger auf bestimmte Schutzvorschriften des Gemeinschaftsrechts berufen134. Bereits im Centros-Urteil war demnach eine deutliche Vorliebe des Gerichtshofs für das Publizitätsmodell und eine gewisse Skepsis gegenüber dem Kapitalschutzmodell erkennbar135. Die Interpretationen der Centros-Entscheidung in der Literatur hätten unterschiedlicher kaum ausfallen können, sodass „man mitunter daran zweifeln konnte, dass die Verfasser ein- und dasselbe Urteil besprachen“136. Probleme bei der Deutung des Urteils bereitete insbesondere die Tatsache, dass der EuGH sich nicht mit der in Daily Mail getroffenen Entscheidung auseinandersetzte. Manche Autoren hielten Centros im Hinblick auf die Frage nach dem Verhältnis des nationalen Kollisionsrechts zur Niederlassungsfreiheit für nur eingeschränkt bedeutsam, da es in dem Urteil alleine um die Zulässigkeit der Errichtung einer Zweigniederlassung, also um die sekundäre Niederlassungsfreiheit gegangen sei. Damit löse sich auch der vermeintliche Widerspruch zu den in Daily Mail getroffenen Feststellungen auf, da die Daily Mail-Entscheidung die Verlegung des steuerrelevanten Geschäftssitzes und damit die primäre Niederlassungsfreiheit zum Gegenstand gehabt habe. Das Centros-Urteil stehe damit der Sitztheorie nicht entgegen, da diese die kollisionsrechtliche Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts an den effektiven Verwaltungssitz und nicht an die Zweigniederlassung vorsehe. Andere wiederum meinten, es habe sich nur formal um eine Zweigniederlassung gehandelt, tatsächlich aber sei diese die einzige und damit in Wahrheit die Hauptniederlassung gewesen, sodass in der Konsequenz auch die Verlagerung oder erstmalige Begründung des Satzungssitzes nicht zur Verweigerung der Anerkennung der Gesellschaft führen könne137. Einige 133 EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 36. 134 EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 32 ff.; der Gerichtshof bezog sich hierbei ausdrücklich auf die Bilanzrichtlinie (Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 25.07.1978, ABlEG Nr. L 222 vom 14.08.1978, S. 11) und die Zweigniederlassungsrichtlinie (Siebente gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 13.06.1983, ABlEG Nr. L 193 vom 18.07.1983, S. 1). 135 Merkt, RIW 2004, 1, 6. 136 Zimmer, BB 2003, 1, 1; zustimmend auch Bayer, BB 2003, 2357, 2360. 137 Behrens, IPrax 1999, 323, 325 ff.; Bungert, DB 1999, 1841, 1843; Freitag, EuZW 1999, 267, 269; Kieninger, ZGR 1999, 724, 746.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Autoren waren sogar der Ansicht, dass der EuGH mit dieser Entscheidung der Sitztheorie „den Garaus“ gemacht138 und sich zur Gründungstheorie hingewendet habe139. Andere vertraten dagegen die Auffassung, dass Deutschland und die übrigen der Sitztheorie folgenden Staaten überhaupt nicht von dem Urteil des EuGH betroffen seien140. Der EuGH habe die Verweigerung der Eintragung nur deshalb beanstandet, weil sich aus dem dänischen Kollisionsrecht, das der Gründungstheorie folge, keine Einwände gegen die Eintragung der Gesellschaft ergäben. In den der Sitztheorie folgenden Ländern wäre eine Eintragung dagegen bereits daran gescheitert, dass die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nicht im Gründungsstaat habe und damit Satzungs- und Verwaltungssitz auseinander fielen. Eine Klärung dieser strittigen Fragen brachte erst das Überseering-Urteil im Jahre 2002. cc) Überseering Die mit Spannung erwartete Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Überseering141 bestätigte die mit Centros eingeschlagene Richtung. Dem Gerichtshof bot sich nunmehr die Möglichkeit, die in Zusammenhang mit den beiden vorangegangenen Urteilen aufgetretenen Missverständnisse und Zweifelsfragen zum Verhältnis von Niederlassungsfreiheit und nationalem Kollisionsrecht auszuräumen. In der aufgrund eines Vorlagebeschlusses des BGH142 ergangenen Entscheidung ging es um die Frage, ob eine in den Niederlanden in der Rechtsform der „Besloten Vennootschap“ (BV) gegründete Gesellschaft nach der Verlegung ihres effektiven Verwaltungssitzes nach Deutschland als rechts- und parteifähig anzuerkennen ist. Die deutschen Gerichte, vor denen die Überseering BV einen Gewährleistungsanspruch gegen einen Werkunternehmer geltend machte, hielten der Gesellschaft den Einwand fehlender Rechts- und Parteifähigkeit entgegen und wiesen ihre Klage ab. Dies wurde damit begründet, dass die Überseering BV nach Verlagerung des tatsächlichen Verwaltungssitzes entsprechend der Sitztheorie nach deutschem Recht zu beurteilen sei und ihr damit mangels Erfüllung der deutschen Gründungsvorschriften die rechtliche Anerkennung zu versagen sei. Dieser Auffassung schloss sich auch der BGH in seinem 138

Meilicke, DB 1999, 627. G. H. Roth, ZIP 1999, 861, 867; Sedemund/Hausmann, BB 1999, 810; Neye, EwiR 1999, 259 f. 140 Kindler, NJW 1999, 1993, 1997; Lange, DnotZ 1999, 599, 606 f.; Mülbert/ Schmolke, ZVglRWiss 100 (2001), 233, 262; W. H. Roth, ZGR 2000, 311 ff.; Sonnenberger/Richter, RIW 1999, 721, 726 f. 141 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering. 142 BGH, BB 2000, 1106 = ZIP 2000, 967. 139

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

Vorlagebeschluss an und führte hierzu aus, dass die Sitztheorie der Gründungstheorie in jeder Hinsicht weit überlegen sei143. Der EuGH wertete die Versagung der rechtlichen Anerkennung jedoch als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Die Ansicht des BGH, dass eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft nach der Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland nicht als rechts- und parteifähig anzusehen sei, sondern erst nach deutschem Recht neu gegründet werden müsse, um rechtliche Existenz zu erlangen, komme „einer Negierung der Niederlassungsfreiheit gleich“144. Für dieses Vorgehen könne es auch bei Vorliegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls keine Rechtfertigung geben. Andere, weniger weitgehende Beschränkungen, die auf der Anwendung einzelner inländischer Vorschriften des Gesellschaftsrechts beruhten, seien dagegen grundsätzlich einer Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zugänglich145. Der EuGH führte hierzu weiter aus, dass z. B. der Schutz der Interessen der Gläubiger, Minderheitsgesellschafter, Arbeitnehmer oder auch des Fiskus, unter gewissen Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzung eine Beschränkung rechtfertigen könnten. Mit der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage des BGH erteilte der EuGH auch der modifizierten Sitztheorie eine klare Absage. Der Gerichtshof stellte klar, dass es den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit nicht genüge, wenn der Zuzugsstaat die ausländische Gesellschaft in eine rechtsund parteifähige deutsche Personengesellschaft umqualifiziere. Die Mitgliedstaaten seien vielmehr verpflichtet, die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaften nach dem Recht ihres Gründungsstaates anzuerkennen146. In dieser Entscheidung klärte der EuGH schließlich auch die angeblichen Widersprüche zur Daily Mail-Entscheidung auf. Er führte aus, dass es in Daily Mail allein um die Vereinbarkeit einer Wegzugsbeschränkung mit den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit gegangen sei und dass die ergangene Entscheidung in solchen Wegzugsfällen nach wie vor Geltung beanspruche147. 143

BGH, BB 2000, 1106, 1107 f. EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 81, 93. 145 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 92. 146 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 95; dieser Ansicht schloss sich dann auch der BGH in seiner den Fall Überseering abschließenden Entscheidung an, NJW 2003, 1461 = RIW 2003, 474 mit Besprechungsaufsatz von Merkt, RIW 2003, 458; zustimmend Leible/ Hoffmann, ZIP 2003, 925; Forsthoff, DB 2003, 979; Wertenbruch, NZG 2003, 618; Schulz, NJW 2003, 2707. 147 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 61 ff., 70 ff. 144

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Alleine der Gründungsstaat habe über die Existenz oder Nichtexistenz einer Gesellschaft zu entscheiden. Keinesfalls aber komme den Mitgliedstaaten die Befugnis zu, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit von der Erfüllung inländischer Gründungsvorschriften abhängig zu machen. Aber auch das Urteil in der Sache Überseering ließ wiederum wichtige Fragen offen. So traf der EuGH keine ausdrückliche Entscheidung für oder gegen die Sitztheorie. Kontrovers diskutiert wurde außerdem die Frage, ob nach der Rechtsprechung des EuGH alleine die Verweigerung der rechtlichen Anerkennung der in einem anderen EU-Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstelle oder ob dies generell für die Anwendung inländischen Gesellschaftsrechts gelte. Einzelne Autoren stellten sich auf den Standpunkt, dass der EuGH nur die Anknüpfung der Frage nach der Rechtsfähigkeit an den inländischen Verwaltungssitz verbiete, nicht aber der übrigen gesellschaftsrechtlichen Fragen148. Die Sitztheorie beanspruche damit auch weiterhin Geltung für die Bestimmung des Gesellschaftsstatus. Der überwiegende Teil der Literatur war jedoch der Ansicht, dass eine gesonderte Anknüpfung der Rechtsfähigkeit kollisionsrechtlich nicht möglich sei, da dies dem Prinzip der Einheit des Gesellschaftsstatuts widerspreche149. Nach der Lehre vom einheitlichen Gesellschaftsstatut regelt das Gesellschaftsstatut sämtliche gesellschaftsrechtlich einzuordnenden Fragen und zwar unabhängig davon, ob man der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt150. In der Folge des Überseering-Urteils entbrannte außerdem in der Literatur eine heftige Diskussion darüber, ob bei grundsätzlicher Anerkennung der Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften bestimmte Normen des deutschen Gesellschaftsrechts und hierbei vor allem die dem Gläubigerschutz dienenden Vorschriften im Wege einer Sonderanknüpfung an das Sitzrecht oder aber im Wege einer Überlagerung des Gründungsrechts151 auch auf diese angewendet werden können. Von entscheidender Bedeutung hierfür war die Frage, wie die Aussagen des Gerichtshofs zur Rechtfer148

Großfeld, RIW 2002, Heft 12, die erste Seite. Behrens, IPrax 2003, 193, 204; Weller, DStR 2003, 1800, 1803; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925, 929. 150 Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, 1998, Rdnr. 16, 255. 151 Die Überlagerungstheorie wurde von Sandrock entwickelt, der grundsätzlich von einer Geltung der Gründungtheorie ausgeht, aber in der zunächst vertretenen Fassung seiner Überlagerungstheorie eine Überlagerung des Gründungsrechts durch das Sitzrecht annahm, wenn sich die Personen, die durch die Normen des Sitzrechts geschützt werden sollten, hierauf beriefen (Sandrock, RabelsZ 42 (1978), 227; ders., RIW 1989, 249; ders., RIW 1989, 505; diese Theorie hat Sandrock aber unter dem Einfluss der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit mittlerweile stark eingeschränkt (Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447). 149

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

tigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch zwingende Gründe des Gemeinwohls zu verstehen sind. Die überwiegende Ansicht hielt es bei grundsätzlicher Anknüpfung an das Gründungsrecht der Gesellschaft durchaus für möglich, das grundsätzlich geltende ausländische Gesellschaftsstatut zumindest im Einzelfall zu durchbrechen, um nationale Interessen, insbesondere solche des Gläubigerschutzes, durchzusetzen152. Es herrschte jedoch erhebliche Uneinigkeit darüber, in welchem Maße deutsche Vorschriften auch in Zukunft auf EU-Auslandsgesellschaften Anwendung finden können. Diskutiert wurde insbesondere die Geltung der deutschen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften, denen von vielen Autoren eine erhebliche Bedeutung im Hinblick auf die Gewährleistung des Gläubigerschutzes beigemessen wird. dd) Inspire Art153 In der Sache Inspire Art bot sich dem EuGH erneut die Möglichkeit, die Vorgaben der Niederlassungsfreiheit an das nationale Kollisionsrecht klarzustellen und damit auch die Frage nach dem Umfang des maßgeblichen Gesellschaftsstatuts und die Möglichkeit von Sonderanknüpfungen bzw. Überlagerungen zu beantworten. In dieser Entscheidung schränkte der EuGH die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, unter Durchbrechung des Gesellschaftsstatuts inländische Rechtsvorschriften auf im Inland domizilierende Auslandsgesellschaften zur Anwendung zu bringen, stark ein und folgte damit im Wesentlichen der Sicht, die Generalanwalt Albers in seinen Schlussanträgen vertreten hatte. (1) Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage Im dem vorgelegten Fall ging es um eine nach englischem Recht gegründete private limited company, die Inspire Art, die eine Zweigniederlassung in Amsterdam errichtete und ausschließlich über diese ihre Geschäftstätigkeit ausübte. Eine solche Gesellschaft, die keinerlei Bindung zu ihrem Gründungsstaat besitzt und ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausübt, stellt nach niederländischem Recht eine „formal ausländische Gesellschaft“ dar, die unter das niederländische Gesetz über formal ausländische Gesellschaften (WFBV)154 fällt155. Dieses 152 Lutter, BB 2003, 7, 10; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925, 930; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2242; Zur Entwicklung eines „Sonderanknüpfungsmodells“ Neye, EWiR 2002, 1003, 1004. 153 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. 154 „Wet op de formeel buitenlandse venootschappen“ vom 17.12.1997, Staatsblad 1997, Nr. 697.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Gesetz unterwirft Auslandsgesellschaften, die ausschließlich vom Inland aus tätig werden, zum Schutz des Rechtsverkehrs besonderen Pflichten. So haben die unter das WFBV fallenden Gesellschaften den Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ zu führen (Art. 3 WFBV) und sind als solche auch ins Handelsregister einzutragen (Art. 2 WFBV). Zudem sind sie gemäß Art. 4 WFBV verpflichtet, das nach niederländischem Recht für die Gründung einer BV erforderliche Mindeststammkapital aufzubringen. Sanktioniert wird die Nichterfüllung dieser Pflichten mit einer persönlichen Haftung der Gesellschafter (Art. 4 IV WFBV). Die Inspire Art Ltd. war ohne den erforderlichen Zusatz ins Handelsregister eingetragen, weshalb die Handelskammer Amsterdam die Inspire Art Ltd. zur Ergänzung der Eintragung durch den entsprechenden Zusatz aufforderte. Das „Kantongerecht Amsterdam“, das über die Anordnung der Eintragung des Zusatzes zu entscheiden hatte, bezweifelte jedoch die Europarechtskonformität der Vorschriften des WFBV. Es legte deshalb mit Beschluss vom 05.02.2001 dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob das WFBV mit der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit der Art. 43 und 48 EGV vereinbar ist. Die Handelskammer Amsterdam und die Regierungen der Niederlande, Deutschlands und einiger anderer Mitgliedstaaten stellten sich in ihren Stellungnahmen auf den Standpunkt, dass in der Regelung kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu sehen sei, da der Gesellschaft weder die rechtliche Anerkennung versagt noch die Eintragung der Zweigniederlassung verweigert werde156. Zudem seien die Regelungen nicht diskriminierend und aus Verbraucher- und Gläubigerschutzgründen gerechtfertigt, da das WFBV die missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit durch die Umgehung des inländischen Rechts verhindern solle157. Die Inspire Art Ltd. und die Regierung Großbritanniens waren dagegen der Meinung, dass die Vorschriften des WFBV einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit begründeten, weil sie die Vorteile der Auslandsgründung durch die Anwendung niederländischen Gründungsrechts zunichte machten158. Auf die Niederlassungsfreiheit könnten sich auch solche Gesellschaften berufen, die nur in einem anderen Mitgliedstaat gegründet worden seien, um die inländischen Vorschriften zu umgehen. Hierin liege keine 155

Art. 1 WFBV. EuGH v. 30.09.2002, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 73–88. 157 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 108–117. 158 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 90–94. 156

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

missbräuchliche Ausnutzung der Art. 43 und 48 EGV. Eine Rechtfertigung der Beschränkung aus Gründen des Gläubigerschutzes komme nicht in Betracht, da die niederländischen Mindestkapitalvorschriften gar nicht geeignet seien, einen solchen Schutz zu gewährleisten159. (2) Die Entscheidung des EuGH Der Gerichtshof unterteilte die Entscheidung der vorgelegten Fragen zunächst nach den unterschiedlichen Regelungen des WFBV. Die Vorschriften des WFBV, die die Publizität von Zweigniederlassungen betreffen und damit in den Anwendungsbereich der Elften Richtlinie160 fallen, hat der EuGH anders als Generalanwalt Alber nicht am Maßstab der Niederlassungsfreiheit gemessen, sondern alleine ihre Vereinbarkeit mit dem Sekundärrecht der Richtlinie geprüft. So hat er die Offenlegungsvorschriften des WFBV, die über die in der Zweigniederlassungsrichtlinie geregelten Pflichten hinausgehen, als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet, ohne auf ihre Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit überhaupt einzugehen. Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt die Elfte Richtlinie keine Mindestschutznorm, sondern eine abschließende Regelung dar161, die durch die im WFBV geregelten besonderen Offenlegungspflichten für formal ausländische Gesellschaften, wie die Firmierung und Eintragung mit einem den Status als formal ausländische Gesellschaft klarstellenden Zusatz, verletzt wird162. Nur die Vorschriften des WFBV, die nicht in den Anwendungsbereich der Zweigniederlassungsrichtlinie fallen, wie die Bestimmungen über das Mindeststammkapital und die Geschäftsführerhaftung, hat der EuGH schließlich auf Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit untersucht. Nach Ansicht des EuGH bewirken die Regelungen zu Mindestkapital und Geschäftsführerhaftung eine Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit. Zunächst stellte der Gerichtshof fest, dass der Anwendungsbereich der Art. 43 und 48 EGV nicht dadurch eingeschränkt sei, dass die Inspire Art Ltd. nur zu dem Zweck, die niederländischen Gründungsvorschriften zu umgehen, in einem anderen Mitgliedstaat gegründet 159 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 123–127. 160 Elfte Richtlinie des Rates vom 22.12.1989 (89/666/EWG) über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl. L 1989, 395/36. 161 Dies entspricht der schon bisher herrschenden Meinung; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 119; Seibert, GmbHR 1992, 738. 162 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 69–72.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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worden sei. Ein solches Vorgehen stellt nach Ansicht des EuGH keinen Missbrauch der durch das Gemeinschaftsrecht geschaffenen Möglichkeiten dar und zwar auch dann nicht, wenn die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich oder überwiegend im Inland ausübe163. Zudem betonte der EuGH, dass ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht schon deshalb ausgeschlossen sei, weil die Gesellschaft in den Niederlanden rechtlich anerkannt und ihre Eintragung nicht verweigert werde. Eine Beschränkung ergebe sich vielmehr schon aus der Anwendung der Mindestkapital- und Haftungsvorschriften des Niederlassungsstaates164. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch das WFBV ist nach Ansicht des EuGH auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Ein Eingriff in die Grundfreiheiten ist nach der Rechtsprechung des EuGH stets nur dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des Vier-Kondiktionen-Tests erfüllt sind165. Zwar stellt der Schutz der Interessen der Gläubiger nach ständiger Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich einen zwingenden Grund des Gemeinwohls dar, der unter bestimmten Voraussetzungen zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit führen kann166. Allerdings werde ein ausreichender Gläubigerschutz bereits dadurch verwirklicht, dass die Inspire Art als englische und nicht als niederländische Gesellschaft auftrete, sodass die Gläubiger ausreichend darüber informiert seien, dass diese nicht den strengen niederländischen Haftungs- und Kapitalaufbringungsregeln unterliege167. Der EuGH geht demnach grundsätzlich davon aus, dass die „mündigen Gläubiger“ in der Lage sind, das Risiko des Vertragsschlusses mit einer Kapitalgesellschaft abzuschätzen, wenn sie durch die Erfüllung der Publizitätserfordernisse ausreichend über die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft informiert sind168. Zudem könnten sich die Gläubiger auf die Schutzvorschriften in der Vierten und Elften Richtlinie berufen. Offen lässt der EuGH deshalb 163 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 95–98. 164 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 99–101. 165 EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 – Gebhard, Rdnr. 37; EuGH v. 31.03.1993, Rs. C-19/92, Slg 1993, I-1697 – Kraus, Rdnr. 32; EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 34; EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 133. 166 EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, 34 ff.; EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 92; EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 123. 167 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 135. 168 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

auch, ob die Mindestkapitalvorschriften überhaupt zur Gewährung eines wirksamen Gläubigerschutzes geeignet sind. Deutlich wird aber, wie bereits in den beiden vorherigen Entscheidungen, dass der EuGH das Publizitätsmodell dem Kapitalschutzkonzept vorzieht169. Der EuGH setzt mit diesem Urteil seine durch die Vorentscheidungen eingeleitete Rechtsprechungslinie konsequent fort und schränkt die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Überlagerung des Gesellschaftsstatuts durch die Anwendung inländischer Vorschriften aus Gründen des Verkehrsschutzes weiter ein. Der Gerichtshof betont zwar, dass eine Durchbrechung des Gründungsstatuts durch die Anwendung inländischen Rechts nicht generell ausgeschlossen sei, sondern vielmehr in den Fällen der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit im Einzelfall weiterhin in Betracht komme170. Allerdings stellt er klar, dass die Gesellschaftsgründung in einem Mitgliedstaat, dessen Gesellschaftsrecht den Gründern die wenigsten Einschränkungen auferlegt und die anschließende Errichtung einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, von dem aus die gesamte Geschäftstätigkeit ausgeübt wird, für sich alleine genommen keinen Missbrauchsfall begründe, sondern sich vielmehr als legitime Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit darstelle171. (3) Würdigung der EuGH-Rechtsprechung Das deutsche Meinungsbild zur rechtlichen Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften hat sich durch die Rechtsprechung des EuGH grundlegend gewandelt. Die Entscheidung Inspire Art wird von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung als endgültige Absage an die Sitztheorie und als Hinwendung zur Gründungstheorie zumindest für Zuzugsfälle von innerhalb der EG gegründeten Gesellschaften interpretiert172. 169 Dieser Interpretation des Urteils folgend: Merkt, RIW Heft 12/2003, die erste Seite; Schemmann, NJW-Editorial Heft 52/2003; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 953 f.; Bayer, BB 2003, 2357, 2364. Auch wenn der EuGH diese Kritik nicht ausdrücklich formuliert, so geht sie jedoch aus den Umständen eindeutig hervor. So hat der frühere Generalanwalt La Pergola, der nunmehr Richter am EuGH ist und als solcher auch bereits an der Überseering-Entscheidung mitgewirkt hatte, bereits im Verfahren Centros die Wirksamkeit des Kapitalschutzmodells ausdrücklich in Zweifel gezogen (EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 21). Eindeutige Vorbehalte gegenüber diesem Modell lassen sich zudem den Schlussanträgen des Generalanwaltes Albers im Verfahren Inspire Art entnehmen (NZG 2003, 273, Rdnr. 141 ff.). 170 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 136. 171 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 137–139.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Unterschiedlich beurteilt wird allerdings weiterhin die kollisionsrechtliche Bedeutung der Niederlassungsfreiheit. Einige Autoren sind der Ansicht, dass es sich bei Art. 43 und 48 EGV um europarechtliche Kollisionsnormen handelt, die die Geltung der Gründungstheorie für die Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts vorsehen173. Andere verneinen einen spezifischen kollisionsrechtlichen Inhalt der Art. 43 und 48 EGV und sehen die Niederlassungsfreiheit alleine als gemeinschaftsrechtliche Schranke für das nationale Kollisionsrecht174. Eine Mindermeinung, die insbesondere von Altmeppen vertreten wird, geht im Gegensatz zur herrschenden Meinung davon aus, dass die Sitztheorie auch nach der neuen Rechtsprechung des EuGH noch Geltung beansprucht. Altmeppen ist der Ansicht, dass die europarechtliche Niederlassungsfreiheit vom Zuzugstaat alleine die rechtliche Anerkennung einer nach ausländischem Recht wirksam gegründeten Gesellschaft als solcher verlange. Im Übrigen richte sich aber die rechtliche Behandlung der Auslandsgesellschaft alleine nach dem Gesellschaftsstatut des Staates des effektiven Verwaltungssitzes175. Auch, wenn die Ansicht Altmeppens nur wenige Anhänger gefunden hat, so wird auch innerhalb der herrschenden Meinung weiterhin kontrovers diskutiert, ob und inwieweit nach der Inspire Art-Entscheidung insbesondere aus Gläubigerschutzgründen eine Überlagerung des Gesellschaftsstatuts durch nationale Vorschriften des Sitzstaates möglich ist. Hierzu lassen sich zwei unterschiedliche Positionen ausmachen. Die eine Ansicht versucht mit unterschiedlichen Ansätzen, Sonderanknüpfungen an das deutsche Recht zu begründen, um einen Mindestschutz des inländischen Rechtsverkehrs vor Scheinauslandsgesellschaften zu erreichen176. Die andere Ansicht begrüßt 172 „Die Sitztheorie ist tot.“ formuliert Sandrock, BB 2004, 897, 901; vgl. auch Bayer, BB 2003, 2357, 2363; Behrens, IPrax 2003, 193, 206; ders., IPrax 2004, 20, 25; Weller, IPrax 2003, 520, 520; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 8; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1201. 173 So ausdrücklich Behrens, IPrax 2004, 20, 25; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 677; dies., bereits in RIW 2002, 925, 930 f. 174 Vgl. hierzu ausführlich Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 665, die die Ansicht vertreten, der EuGH habe nicht in den Alternativen Sitztheorie v Gründungstheorie entschieden, sondern alleine die Vorgaben der Niederlassungsfreiheit und damit des Europarechts für das nationale Kollisionsrecht festgestellt; so stellen auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 165 f. fest, dass der EuGH alleine „vom Europarecht her“ judiziere und keine Kollisionsnormen vorgebe. Vgl. in Ansätzen auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1205; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 8. 175 Altmeppen, DB 2004, 1083, 1086. 176 Weller, IPrax 2003, 207; ders., IPrax 2003, 520, 522 ff.; ders., DStR 2003, 1800, 1804; Bayer, BB 2003, 2357, 2364 ff.; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 ff.; Horn, NJW 2004, 893, 899; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9; dies. RIW 2004, 949, 951 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 665 ff.; Altmeppen, NJW 2004, 97, 98 ff.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

dagegen ausdrücklich den durch die Rechtsprechung des EuGH erreichten Wettbewerb der Gesellschaftsrechte innerhalb der europäischen Union und befürwortet deshalb eine Deregulierung des deutschen GmbH-Rechts177. Mit der herrschenden Ansicht ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass der EuGH mit dem Urteil in Inspire Art den Spielraum für Sonderanknüpfungen an das nationale Recht stark eingeschränkt hat178. c) Fazit Bereits seit der Entscheidung in der Rechtssache Überseering ist das deutsche Kapitalgesellschaftsrechts der Konkurrenz durch andere europäische Gesellschaftsrechtssysteme ausgesetzt und mit dem Urteil Inspire Art hat der EuGH dem Wettbewerb der Gesellschaftsrechte um „Kapital und Unternehmergeist“179 in Europa endgültig Tür und Tor geöffnet180. Durch die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit hat auch die Kritik am Kapitalschutzmodell weiter zugenommen. Die überwiegende Ansicht in der Literatur interpretiert dieses Urteil dahingehend, dass jedenfalls die Anwendung sämtlicher inländischer Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften auf im Ausland gegründete Gesellschaften ausgeschlossen ist181. Manch einer sieht hierin schon das drohende Ende der deutschen GmbH182 und bezeichnet das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht provokant als „Wirtschaftsrechtsgeschichte des letzten Jahrhunderts“183. Andere begrüßen den durch das Urteil entstandenen Anstoß zum Aufbrechen der „verkrusteten Strukturen“ im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht184. 177 Behrens, IPrax 2003, 193, 207; Merkt, RIW 2004, 1, 6 f.; ders., RabelsZ 59 (1995), 545; Sandrock, BB 2003, 2588, 2589; Meilicke, GmbHR 2003, 1271, 1273. 178 Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1918; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 683; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3592; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 955; a. A. Altmeppen, NJW 2004, 97, 98 ff.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1084. 179 Bayer, BB 2003, 2357, 2357. 180 Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1916, 1920; Bayer, BB 2003, 2357; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Ebke, JZ 2003, 927, 930 f., 933; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 949, 955. 181 Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 181; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 954; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208 f.; a. A. Altmeppen, NJW 2004, 97 ff., der das nicht an das Gründungsrecht anknüpfende Gläubigerschutzrecht für anwendbar hält. Inwieweit im Einzelfall ausnahmsweise dem Gläubigerschutz dienende inländische Rechtsinstitute zur Schließung von Schutzlücken des Gründungsrechtes anwendbar sind, wird kontrovers diskutiert (vgl. hierzu Ulmer, NJW 2004, 1201, 1202). 182 Hirte, FAZ v. 22.01.2003, S. 19 „Der Anfang vom Ende der GmbH droht“. 183 Hirte, GmbHR 2003, R 421.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Eine Mindermeinung wendet sich demgegenüber gegen die „Hysterie um die Niederlassungsfreiheit der Scheinauslandsgesellschaften“185 und spricht sich für eine Beibehaltung des „vorbildlichen“ deutschen Kapitalschutzmodells aus186. 2. Praktisches Vorkommen und rechtliche Behandlung von Mantelund Vorratsgesellschaften in Frankreich und England a) Einleitung Nach den aktuellen Entscheidungen des EuGH ist zu erwarten, dass sich deutsche Unternehmensgründer nunmehr ausländischer Kapitalgesellschaften bedienen werden, um die Vorteile von Vorrats- und Mantelgesellschaften zu nutzen und die neue Rechtsprechung des BGH zu umgehen187. Es ist daher im Folgenden zu untersuchen, ob sich in anderen europäischen Gesellschaftsrechtsordnungen den Vorrats- und Mantelgesellschaften vergleichbare Gesellschaftsformen finden. Hierbei erscheint es sinnvoll, einen Blick auf die französische und die englische Rechtsordnung als die beiden anderen „großen Rechtsordnungen“ in Europa zu werfen. Das französische GmbH-Recht bietet sich zum einen deshalb für einen Vergleich an, weil die französische „Société à responsabilité limité“ (SARL) aus dem deutschen Recht übernommen wurde und deshalb der GmbH sehr ähnlich ist188. Zum anderen ist ein Blick nach Frankreich aber auch deshalb interessant, weil das Recht der SARL wie das deutsche GmbH-Recht den Schutz der Gläubiger bisher über das in Kontinentaleuropa vorherrschende Kapitalschutzmodell zu gewährleisten suchte, mittlerweile jedoch das Mindeststammkapital ersatzlos gestrichen wurde. Damit wird die SARL als Rechtsform auch für deutsche Unternehmensgründer besonders attraktiv. Das englische Gesellschaftsrecht, das mit der private limited company eine der deutschen GmbH vergleichbare Rechtsform zur Verfügung stellt, soll hier insbesondere deswegen untersucht werden, weil es im Gegensatz zum deutschen und französischen Recht nicht am Kapitalschutzmodell orientiert ist, sondern zur Verwirklichung des notwendigen Gläubigerschutzes auf das Publizitäts- oder Transparenzmodell setzt. Das Recht der private limited company enthält im Unterschied zum deutschen Recht weder Mindest184 185 186 187 188

Sandrock, BB 2003, 2588, 2589. Altmeppen, DB 2004, 1083, 1083. Altmeppen, NJW 2004, 97, 103 f. Vgl. hierzu 4. Kapitel III. 3. a). Maul, RIW 1997, 911, 911.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

stammkapitalvorschriften noch andere strenge Gründungsvorschriften, sodass die Neugründung einer private limited company innerhalb kürzester Zeit möglich ist. Die englische private limited company wird neben der französischen SARL deshalb als größte Konkurrenz für die deutsche GmbH im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen angesehen189. Sowohl das französische Recht als auch das englische Recht bieten damit attraktive Alternativmodelle zur deutschen GmbH. Deshalb kommt aber auch der Erwerb einer bereits bestehenden englischen oder französischen Vorrats- oder Mantelgesellschaft für deutsche Unternehmensgründer in Betracht, um die Rechtsprechung des BGH zu umgehen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Frage, ob solche Gesellschaften in Frankreich und England anerkannt werden und wenn ja, wie sie rechtlich behandelt werden. b) Vorrats- und Mantelgesellschaften im französischen Recht aa) Grundlagen des Rechts der SARL Die SARL wurde im Jahr 1925 als Rechtsform in Frankreich eingeführt und hat sich seither zu einer der beliebtesten Gesellschaftsformen im französischen Recht entwickelt190. Bis Ende des Jahres 2003 war zur Gründung einer SARL ein Mindeststammkapital in Höhe von 7.500 Euro aufzubringen191. Mit dem zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Wirtschaft192 wurde jedoch das gesetzliche Mindeststammkapitalerfordernis bei Gründung einer SARL aufgehoben193 und gleichzeitig das Gründungsverfahren vereinfacht194. Eine SARL kann nunmehr wie eine englische private limited company mit einem Stammkapital von nur einem 189

Ulmer, NJW 2004, 1201, 1202; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Wachter, GmbHR 2004, 88, 91. 190 Laut amtlicher Statistik macht die SARL 52 % der eingetragenen Gesellschaften in Frankreich aus, vgl. Merle, Droit commercial, Sociétés commerciales, Rdnr. 2; J. Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346, 347; Maul, RIW 1997, 911, 911; Vidal, Droit des sociétés, Rdnr. 849. 191 Art. L. 223-2 Code de Commerce (CC). 192 Loi 2003-721 du 01.08.2003 pour l’initative économique (LIE), J.O. no. 179 du 05.08.2003, p. 13449; umgangssprachlich wird dieses Reformgesetz auch „Loi Dutreil“ genannt; s. hierzu ausführlich Becker, GmbHR 2003, 1120. 193 Vgl. Art. 1 LIE. 194 Das Gründungsverfahren wurde durch die Einführung einer vorläufigen gerichtlichen Bescheinigung vereinfacht, die den späteren Nachweis über die Handelsregistereintragung ersetzen kann, vgl. Art. 2 LIE, der art. L. 123-9-1 CC abändert; vgl. zu den Änderungen die ausführlichen Darstellungen von Becker, GmbHR 2003, 1120 und Wachter, GmbHR 2003, R 377.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Euro gegründet werden und soll nach dem Willen des Gesetzgebers den Unternehmern innerhalb von 24 Stunden zur Verfügung stehen195. bb) Die „société en sommeil“ als Gegenstück zur deutschen Mantelgesellschaft In Frankreich existiert mit der société en sommeil ein Gegenstück zur deutschen Mantelgesellschaft, das in der französischen gesellschaftsrechtlichen Praxis weit verbreitet ist. Dennoch ist die société en sommeil bisher nicht gesetzlich geregelt und es finden sich auch nur sehr wenige Entscheidungen zu ihrer rechtlichen Behandlung196. Eine société en sommeil entsteht dann, wenn die Gesellschafter die Gesellschaftstätigkeit für eine gewisse Zeit einstellen, ohne die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben197. Die Einstellung des Geschäftsbetriebes ist innerhalb eines Monats im Handelsregister einzutragen198. Die Gesellschaft behält während dieser Zeit ihre rechtliche Existenz und bleibt im Handelsregister eingetragen, weshalb sie aber auch ihren gesetzlichen Verpflichtungen in dieser Zeit weiter nachkommen muss. So hat sie insbesondere jedes Jahr eine Gesellschafterversammlung abzuhalten, in welcher der Jahresabschluss zu genehmigen ist199. Die société en sommeil kann jederzeit ihren ursprünglichen oder einen anderen Geschäftsbetrieb (wieder) aufnehmen oder aber aufgelöst werden200. Die Eintragung im Handelsregister ist dann jeweils entsprechend abzuändern. Die Gesellschaft muss grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren wieder aktiviert werden, da sie nach Ablauf dieser Zeit von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht werden kann. Nach französischer Rechtsprechung ist eine vorübergehende Einstellung der Geschäftstätigkeit zulässig und stellt keinen ausreichenden Grund für eine Auflösung der Gesellschaft durch das Gericht dar201. Die rechtliche 195 Vgl. CES, Création et pérennisation de l’entreprise de petite taille, Rapport Annuel 2001. 196 Cass. com., 17.01.1977, D. 1977, I.R. 311, m. Anm. Bouloc; Gaz. Pal. 1978.2.519, m. Anm. Guyénot. 197 Information der Industrie- und Handelskammer Paris, abrufbar unter www.ccip75.ccip.fr. 198 Art. 22, 23 al. 1 décret nr. 84-106 du 30.05.1984. 199 Vgl. art. 56 al. 1 L 1966; Cass. com., 17.01.1977, D. 1977, I.R. 311 m. Anm. Bouloc. 200 Cass. com., 17.01.1977, D. 1977, I.R. 311, m. Anm. Bouloc; Gaz. Pal. 1978.2.519, m. Anm. Guyénot; Merle, Droit commercial, no. 106. 201 Vgl. hierzu ausdrücklich die Entscheidung Cass. com., 17.01.1977, D. 1977, I.R. 311 m. Anm. Bouloc; Gaz. Pal. 1978.2.519, m. Anm. Guyénot; Cass. com., 05.01.1953, Bull. Civ. III, no. 4; Notte, JCP 1981, I 3022, no. 23, 25, 14.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

Behandlung der Verwendung einer solchen Gesellschaft wird in Frankreich dagegen in keiner Weise problematisiert. Eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften wird deshalb weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre diskutiert. Der Erwerb einer société en sommeil hat für die Unternehmensgründer den großen Vorteil, dass sie hierdurch die in der Gründungsphase einer SARL auftretenden Haftungsrisiken vermeiden können. Die Handelndenhaftung des art. 5 al. 2 L 1966 findet nach herrschender Ansicht nur im Gründungsstadium einer Gesellschaft Anwendung, nicht aber auf eine bereits eingetragene Gesellschaft wie die société en sommeil. Allerdings ist zu vermuten, dass die société en sommeil in Frankreich an praktischer Bedeutung verlieren wird, wenn die durch das Gesetz zur Förderung der Wirtschaft bezweckte Beschleunigung des Eintragungsverfahrens tatsächlich im angestrebten Maße eintritt und die Gründung einer SARL innerhalb von 24 Stunden möglich wird. Die mit der Neugründung einer SARL verbundenen Haftungsrisiken für die Gesellschafter beschränken sich dann auf einen sehr kurzen Zeitraum und spielen damit kaum mehr eine Rolle als Motiv für den Erwerb einer Mantelgesellschaft. Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaftsorgane die gesetzlichen Verpflichtungen auch nach der Stilllegung der Gesellschaft weiter zu erfüllen haben, ist die Aufrechterhaltung der SARL als société en sommeil nur noch dann sinnvoll, wenn die Gesellschafter tatsächlich eine spätere Fortsetzung des Geschäftsbetriebes beabsichtigen. Andere Unternehmer aber werden die Neugründung dem Erwerb einer société en sommeil in aller Regel vorziehen, da die Mantelgesellschaft stets das Risiko einer Belastung mit Altverbindlichkeiten birgt. Eine der deutschen Vorratsgesellschaft vergleichbare Rechtsform existiert in Frankreich dagegen nicht. Die Gründung einer SARL auf Vorrat ist mit dem französischen Recht nicht zu vereinbaren. Grund hierfür ist, dass im französischen Recht das Vorliegen der sog. affectio societas Voraussetzung für das Bestehen einer Gesellschaft ist202. Die Gesellschafter müssen grundsätzlich die Absicht zu einer aktiven und partnerschaftlichen Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse zum Ausdruck bringen203. Diese affectio societas liegt bei der Vorratsgründung von Gesellschaften grundsätzlich nicht vor. Deshalb kann im französischen Recht eine einzelne Person auch nicht, wie bei der Vorratsgründung üblich, eine Vielzahl von Gesellschaften gründen.

202 203

Notte, JCP 1981, I 3022, 25. Art. 1832 CC.

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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c) Vorrats- und Mantelgesellschaften im englischen Recht aa) Grundlagen des Rechts der private limited company Die private limited company ist die im englischen Rechtsleben bei weitem am häufigsten vorkommende Gesellschaftsform204. Das Verfahren zur Gründung einer private limited company ist wesentlich weniger streng geregelt als das zur Gründung einer GmbH. So ist eine notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages, die Voraussetzung für die Gründung einer deutschen GmbH ist und als sehr belastend empfunden wird205, im englischen Recht nicht notwendig. Die Schriftform genügt zur Errichtung einer private limited company206. Zudem wird die Gründung einer private limited company durch das Fehlen von Mindeststammkapitalvorschriften erleichtert. Dementsprechend ist auch die Aufbringung des gezeichneten Kapitals, das dem Stammkapital bei der GmbH entspricht und dem keine Gläubigerschutzfunktion zukommt, keinen strengen Vorschriften unterworfen207. So wird weder die Werthaltigkeit von Sacheinlagen überprüft, noch haben die Gesellschafter eine Anmeldeversicherung abzugeben. Auch eine registergerichtliche Prüfungspflicht besteht im englischen Recht nicht. Die Gründung einer private limited company nimmt deshalb regelmäßig nicht mehr als eine Woche in Anspruch. Die Haftungsbeschränkung tritt aber wie im deutschen GmbH-Recht erst mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ein. Bis zur Eintragung greift die Handelndenhaftung gemäß Sec. 36C Abs. 1 CA ein, die sowohl Vertreter als auch Organe der Gesellschaft trifft. Eine Unterbilanzhaftung wie im deutschen Recht existiert dagegen nicht. bb) Die „off the shelf company“ als Gegenstück zur Vorratsgesellschaft Im englischen Recht findet sich mit der off the shelf company ein der Vorratsgesellschaft vergleichbares Rechtsinstitut208. Häufig werden diese Gesellschaften auch als „shelf companies“ oder „readymade companies“ bezeichnet209. Die off the shelf company wird wie die deutsche Vorratsgesellschaft alleine mit dem Zweck gegründet, sie auf Vorrat zu halten und sie erst später mit einem Geschäftsbetrieb auszustatten bzw. an Unternehmens204 205 206 207 208 209

Shearman, GmbHR 1992, 149, 150. Koegel, GmbHR 2003, 1225, 1226. Triebel, BB 2003, Heft 36, die erste Seite. Fleischer, DStR 2000, 1015, 1016; Kallmeyer, DB 2004, 636, 637. Shearman, GmbHR 1992, 149, 150. Mayson/French/Ryan, On Company Law, S. 26.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

gründer zu veräußern210. Regelmäßig werden solche off the shelf companies von sog. „company formation agents“211 oder von Rechtsanwälten für ihre Klienten vorgegründet und bis zur Aktivierung in der Schublade vorgehalten212. Die off the shelf companies werden unter Angabe von erstem director213, secretary214, Firmensitz, Stammkapital und Satzung im Handelsregister eingetragen215. In aller Regel sind sie nur mit dem minimalen Stammkapital von einem Pfund ausgestattet. Nach dem Erwerb der off the shelf company können die eingetragenen Einzelheiten, insbesondere der Gesellschaftsname und der Gesellschaftszweck den Bedürfnissen der Erwerber entsprechend geändert werden216. Die Gründung und Verwendung von Vorratgesellschaften ist im englischen Recht unumstritten zulässig. Grund hierfür ist, dass in England keine gesetzlichen Vorschriften zu Mindeststammkapital und registergerichtlicher Prüfung bestehen, die durch Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften umgangen werden könnten. Da die Gründung einer private limited company ohnehin mit nur einem Pfund Stammkapital erfolgen kann, besteht aus Gläubigerschutzgesichtspunkten kein Unterschied zwischen der Neugründung einer private limited company und der Verwendung einer Vorratsgesellschaft. Die Gläubiger einer englischen private limited company werden nicht durch ein Garantiekapital, sondern durch Publizitätsvorschriften geschützt. Diese greifen auch bei Vorratsgesellschaften ein, so dass die Verwendung von off the shelf companies kein Gläubigerschutzproblem aufwirft. Das englische Recht verlangt auch nicht das Vorliegen einer affectio societas als Voraussetzung für das Bestehen einer Gesellschaft, weshalb ein einzelner eine Vielzahl von Gesellschaften gründen und weiterveräußern 210

Mayson/French/Ryan, On Company Law, S. 26. Vgl. Mayson/French/Ryan, On Company Law, S. 26; Gower, Principles of Modern Company Law, S. 277. Hierunter versteht man professionelle Vermittler von eingetragenen Vorratsgesellschaften, die diese zumeist auch im Internet anbieten. 212 Von diesem üblichen Vorgehen rührt auch der Name „off the shelf company“ her. Im Internet finden sich zahlreiche Agenturen, die englische Vorratsgesellschaften auch für den deutschen Markt anbieten: „http://got-limited.de/Preise/Preise_ und_AGB.shtml“; „www.insolution.at“; „www.ukincorp.co.uk/s-1-ge“. 213 Dieser entspricht dem Geschäftsführer im deutschen GmbH-Recht. 214 Der secretary ist neben dem director ein Pflichtorgan der englischen limited, der die rechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft wahrnimmt. So ist er z. B. dafür verantwortlich, die Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden und für einen geordneten Ablauf der Gesellschafterversammlungen zu sorgen (Shearman, GmbHR 1992, 149, 154; Happ/Holler, DStR 2004, 730, 735). Im deutschen Recht findet sich kein entsprechendes Organ. 215 Mayson/French/Ryan, On Company Law, S. 26; Shearman, GmbHR 1992, 149, 150. 216 Vgl. Hilpert, Die Gründerhaftung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Deutschland, Frankreich und England, S. 240 f. 211

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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kann217. Deshalb verwundert es auch nicht, dass das Phänomen der off the shelf company kaum Diskussionsgegenstand in der englischen Rechtsprechung und Literatur ist. Die Verwendung bereits gegründeter off the shelf companies hat in den letzten Jahren in der englischen Rechtspraxis immer mehr zugenommen218. Der entscheidende Grund hierfür besteht regelmäßig in der damit erreichten Zeitersparnis gegenüber einer Neugründung. Die Unternehmensgründer müssen nur den Kaufpreis an die Agentur zahlen und sich die Unternehmensanteile übertragen lassen219. Allerdings haben sie anschließend noch die notwendigen Änderungen der Firma und des Unternehmensgegenstandes vorzunehmen und registrieren zu lassen220. Da in England auch bei einer Neugründung grundsätzlich die kurzfristige Verfügbarkeit eines Haftungsträgers gewährleistet wird, da das Gründungsverfahren wesentlich weniger Zeit in Anspruch nimmt, ist der Erwerb einer Vorratsgesellschaft in England nur dann erforderlich, wenn die Unternehmer sofort eine eingetragene private limited company benötigen. Durch die Verwendung einer off the shelf company kann insbesondere die in sec. 36C Abs. 1 CA geregelte Haftung der Handelnden umgangen werden. Sec. 36C Abs. 1 CA ist nur auf Gesellschaften anwendbar, die sich im Gründungsstadium befinden, nicht aber auf bereits eingetragene und damit existente Gesellschaften221. Die Vertragspartner einer off the shelf company bedürfen des durch sec. 36C Abs. 1 CA gewährleisteten Schutzes nicht, da ihnen eine eingetragene Gesellschaft, die durch die Handelnden wirksam vertreten wird, als Haftungsgegner zur Verfügung steht. d) Off the shelf company und société en sommeil als Alternativen zur deutschen Vorrats- oder Mantelgesellschaft? Mit der off the shelf company und der société en sommeil bestehen damit grundsätzlich zwei Alternativmodelle zu den deutschen Mantel- und Vorratsgesellschaften, deren sich die Unternehmensgründer bedienen können, um die Rechtsprechung des BGH zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften zu umgehen und weiterhin in den Genuss der schnellen Verfügbarkeit eines Haftungsträgers zu kommen. Die société en sommeil 217

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 76. Vgl. Gower, Principles of Modern Company Law, S. 277. 219 Vgl. Gower, Principles of Modern Company Law, S. 277 f.; nach Mayson/ French/Ryan, On Company Law, S. 27 ist der Erwerb einer off the shelf company eine Sache von Minuten. 220 Mayson/French/Ryan, On Company Law, S. 27. 221 Oshkosh B’ Gosh Inc. v Dan Marbel Inc. Ltd. [1989] BCLC 507. 218

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

weist als Mantelgesellschaft allerdings das Risiko der Belastung mit Altverbindlichkeiten auf und ist deshalb für Unternehmensgründer regelmäßig weniger attraktiv als eine Vorratsgesellschaft. Die off the shelf company dagegen erweist sich als sinnvolle Alternative zu den deutschen Mantel- und Vorratsgesellschaften. Als Vorratsgesellschaft hat sie noch nicht am Rechtsverkehr teilgenommen, so dass regelmäßig keine Altverbindlichkeiten bestehen. Ein entscheidender Vorteil der off the shelf company besteht außerdem darin, dass ihre Zulässigkeit und rechtliche Behandlung im englischen Recht völlig unumstritten ist und die Unternehmensgründer deshalb innerhalb kürzester Zeit über einen eingetragenen Haftungsträger verfügen, der nach dem Recht des Gründungsstaates keinerlei Unterschiede zu einer neu gegründeten Gesellschaft aufweist222. Zudem bietet sich für deutsche Unternehmer, die nicht sofort einen Haftungsträger benötigen, auch die Neugründung einer SARL oder private limited company als Alternative zur Verwendung einer deutschen Vorrats- oder Mantelgesellschaft an, da die Gründung solcher Gesellschaften in England und Frankreich nur wenige Tage dauert223. Auch auf diesem Wege können deutsche Unternehmensgründer damit innerhalb kürzester Zeit an eine eingetragene Gesellschaft gelangen und die bei einer vorzeitigen Geschäftsaufnahme auftretenden Haftungsrisiken vermeiden. 3. Konsequenzen für das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung a) Praktische Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung Die Gründungszahlen ausländischer Gesellschaften, insbesondere der private limited company, sind in Deutschland bereits nach dem ÜberseeringUrteil des EuGH sprunghaft angestiegen. Nach der Entscheidung Inspire Art hat sich dieser Trend noch verstärkt, da nunmehr klar ist, dass sich das Gesellschaftsstatut der Auslandsgesellschaften grundsätzlich nach dem zumeist weniger strengen Gründungsrecht richtet und somit den Gesellschaften die Vorteile der Auslandsgründung auch bei einer Sitzverlegung ins Inland erhalten bleiben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden derzeit monatlich 1000 neue private limited companies in Deutschland registriert224. Insbesondere entsteht aber in Zusammenhang mit der neuesten Rechtsprechung des EuGH und den Urteilen des BGH zur wirtschaftlichen 222

In diesem Sinne auch Wachter, GmbHR 2004, 88, 91. Die Internet-Anbieter offerieren die Neugründung einer private limited company innerhalb von 10 Tagen, so z. B. unter „www.go-limited.de“. 224 Diesen stehen 3000 neu gegründeten GmbH pro Monat gegenüber (Angaben nach Handelsblatt Online v. 07.09.2004). 223

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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Neugründung in Deutschland auch ein neuer Markt für ausländische Mantel- und Vorratsgesellschaften. Vermehrt werden für deutsche Unternehmer, die innerhalb kürzester Zeit eine Gesellschaft als Unternehmensträger benötigen, englische Vorratsgesellschaften über das Internet angeboten225. Es drängt sich deshalb die Annahme auf, dass deutsche Unternehmensgründer, die kurzfristig einen Haftungsträger benötigen, in Zukunft statt eine deutsche Vorrats- oder Mantel-GmbH zu benutzen, auf englische (Vorrats-)Gesellschaften zurückgreifen werden, um die Rechtsprechung des BGH zu umgehen. Der Markt für Vorrats- und Mantelgesellschaften, den der BGH durch seine Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung ausräumen wollte, verlagert sich demnach offensichtlich nur226. Von großer Bedeutung ist deshalb die Frage, ob das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung auch auf ausländische Gesellschaften anwendbar ist. b) Keine analoge Anwendung der deutschen Gründungsvorschriften auf im Ausland gegründete Vorrats- und Mantelgesellschaften Der EuGH hat bereits in der Überseering-Entscheidung klargestellt, dass in einem anderen europäischen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaften, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlegen, dort als solche anzuerkennen sind227. Damit können deutsche Unternehmensgründer in jedem beliebigen Mitgliedstaat der EU Gesellschaften gründen und die Geschäftstätigkeit von Deutschland aus führen, ohne dass hierzu eine Neugründung nach deutschem Recht erforderlich würde. Dies schließt selbstverständlich auch die Möglichkeit ein, den Verwaltungssitz einer bereits bestehenden ausländischen Mantel- oder Vorratsgesellschaft nach Deutschland zu verlegen und diese zur Ausübung der Geschäftstätigkeit in Deutschland zu verwenden. Aber auch die nachfolgende Entscheidung des EuGH in der Sache Inspire Art hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung. Nach dieser Entscheidung steht fest, dass auch die Anwendung der nationalen Vorschriften zur Mindestkapitalausstat225 Häufig wird mit einer Bereitstellung innerhalb von 24 Stunden geworben, so z. B. unter „www.limited24.de“. 226 So auch die Einschätzung von K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 323; Meilicke, BB 2003, 857, 860. Diese Einschätzung teilt auch Altmeppen, NZG 2003, 145, 149, der eine Ablösung der „unmodernen“ deutschen GmbH-Mäntel durch Kapitalgesellschaften aus anderen Ländern befürchtet, in denen es „praktisch überhaupt keinen effektiven Gläubigerschutz gibt“ und hiermit gleichzeitig eine völlige Fehleinschätzung der Wirksamkeit des Gläubigerschutzes nach dem Publizitätsmodell offenbart. 227 EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering; vgl. 4. Kapitel III. 1. b) cc).

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

tung und zur persönlichen Haftung der Geschäftsführer für den Fall der Verletzung des Kapitalaufbringungsgebots auf Scheinauslandsgesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar ist228. Damit ist aber erst Recht eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Fälle der Verwendung von im Ausland gegründeten Mantel- und Vorratsgesellschaften ausgeschlossen. Der EuGH hat in Inspire Art unmissverständlich klargestellt, dass die Auslandsgründung mit dem alleinigen Zweck, hierdurch in den Genuss eines weniger strengen Gesellschaftsrechts zu gelangen, nicht als missbräuchlich anzusehen ist229, sodass auch die Verwendung einer ausländischen Mantel- oder Vorratsgesellschaft zum Zwecke der Umgehung der BGH-Rechtsprechung keinen Missbrauch darstellt, der einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnte. Der EuGH erklärt mit dieser Rechtsprechung ausdrücklich die Umgehung der Mindestkapitalvorschriften, die der BGH mit der Schaffung des Tatbestandes der wirtschaftlichen Neugründung gerade verhindern wollte, zu einem legitimen Zweck, der nicht zum Verlust der Niederlassungsfreiheit führt. Auch das vom BGH zur Begründung der Anwendung der Gründungsvorschriften auf Mantel- und Vorratsgesellschaften angeführte Gläubigerschutzargument führt nach der eindeutigen Stellungnahme des EuGH in Inspire Art nicht zu einer Rechtfertigung der Anwendung nationaler Mindestkapitalvorschriften auf Auslandsgesellschaften. Der EuGH hält es für ausreichend, dass die Gläubiger der im Ausland gegründeten Gesellschaften aufgrund ihres Auftretens als ausländische Gesellschaft darüber informiert sind, dass diese nicht den strengen deutschen Gründungsvorschriften unterliegen230. Dies ist uneingeschränkt auch auf in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Mantelund Vorratsgesellschaften übertragbar. Auch wenn der Gerichtshof die Möglichkeit zur Anwendung nationalen Rechts in Missbrauchsfällen und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, zu denen auch der Gläubigerschutz gehört, ausdrücklich offen lässt, wird aus der Entscheidung hinreichend deutlich, dass eine generelle präventive Anwendung von nationalen Kapitalaufbringungsvorschriften auf ausländische Mantel- und Vorratsgesellschaften, wie sie das Konzept des BGH für die inländischen Fälle der wirtschaftlichen Neugründung vorsieht, nicht in Betracht kommt231. Eine Über228

EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 95–98, 137–139. 230 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 135. 231 Altmeppen, NJW 2004, 97, 103; so im Ergebnis, aber ohne Begründung, auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Peetz, Anm. zur Entscheidung des BGH vom 07.07.2003, GmbHR 2003, 1128, 1130; noch vorsichtig Schumacher, DStR 2003, 1884, 1886 f. 229

III. Umgehung der Rechtsprechung des BGH

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lagerung des Gründungsrechts ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur noch dann möglich, wenn im Einzelfall besondere Umstände einen Missbrauch begründen oder wenn diese aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist232. c) Umgehungsmöglichkeit durch die Gründung ausländischer Gesellschaften Das Konzept des BGH zur Gewährleistung eines ausreichenden Gläubigerschutzes bei der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften versagt demnach in den Fällen der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften, die im europäischen Ausland gegründet wurden und ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt haben. Die Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung kann somit durch die Verwendung einer im europäischen Ausland gegründeten Vorrats- oder Mantelgesellschaft umgangen werden233. Diejenigen Unternehmensgründer, die innerhalb kurzer Zeit einen Haftungsträger benötigen, werden vermehrt auf ausländische Gesellschaften zurückgreifen, um sich so der Anwendung der deutschen Gründungsvorschriften zu entziehen234. Das Gläubigerschutzproblem, das der BGH durch die analoge Anwendung der Mindestkapitalvorschriften lösen wollte, stellt sich demnach weiterhin. Eine Lösung, die nur auf deutsche Gesellschaften anwendbar ist, ist wegen der gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen auf europäischer Ebene nicht sinnvoll, sondern wird vielmehr zu einer weiteren Zunahme von Auslandsgründungen führen235. Den inländischen Gläubigern und dem deutschen Gesellschaftsrecht kann damit nicht gedient sein. Die Rechtsprechung des BGH zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften ist somit nicht nur aus dogmatischen, sondern auch aus rechtspraktischen Gründen als Lösungsansatz abzulehnen236. 232 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 136. 233 Auf die Umgehungsmöglichkeit hinweisend auch Schumacher, DStR 2003, 1884, 1886 f.; deutlich K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Peetz, Anm. zur Entscheidung des BGH vom 07.07.2003, GmbHR 2003, 1128, 1130; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 323, der schon vor Inspire Art die Umgehungsmöglichkeit anspricht; so auch Meilicke, BB 2003, 857, 860; einschränkend Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1134; dieses Problem völlig übergehend dagegen Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff. 234 Dieses Umgehungsproblem gesteht wohl auch Goette, DStR 2004, 461, 466, ein. Er belässt es jedoch bei dem lapidaren Hinweis, dass eine solche „Flucht“ in eine englische Limited nicht anzuraten sei, da hiermit erhebliche Folgekosten verbunden seien. 235 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Meilicke, BB 2003, 857, 860; ders., Anm. zum EuGH-Urteil Inspire Art, GmbHR 2003, 1271, 1273; Schaub, NJW 2125, 2130; Hirte, NJW 2003, 1154, 1155.

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4. Kap.: Das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung

IV. Ergebnis Es wurde gezeigt, dass der Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung nicht nur unüberwindbare dogmatische Hindernisse entgegenstehen, sondern dass die Lösung auch aus rechtspraktischer und rechtspolitischer Sicht nicht überzeugt237. Das meiner Ansicht nach entscheidende Argument gegen die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften stellt ihre bereits dargestellte Unvereinbarkeit mit der aktuellen Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts dar. Die Tatsache, dass die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften nach Ansicht der Rechtsprechung und auch der überwiegenden Literatur ein besonderes Gläubigerschutzproblem nach sich zieht, zeigt gerade, dass das in Deutschland geltende Kapitalschutzmodell problembehaftet ist. Die Rechtsprechung des BGH kann nicht darüber hinweg täuschen, dass das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht in Wahrheit unzureichende Vorschriften zur Haftung für Insolvenzverursachung enthält und keinen ausreichenden Schutz vor dem Betrieb unterkapitalisierter Gesellschaften bietet238. Auf diese Probleme mit einer weiteren Ausdehnung der Kapitalschutzvorschriften zu reagieren, ist indes nicht sinnvoll. Wenn die verantwortlichen Entscheidungsträger in Rechtsprechung und Politik in Deutschland weiterhin nur die Vorzüge des deutschen GmbH-Rechts preisen und die Angst vor ausländischen „Billig-GmbH“ schüren, statt die notwendigen Reformen anzustoßen, wird alleine der europäische Wettbewerb die Entwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts bestimmen239. Es ist deshalb dringend erforderlich, ein alternatives Konzept zum Schutz der Gläubiger zu entwickeln, das nicht auf den Sonderfall der Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft abstellt, sondern das allgemeine Problem der Insolvenzanfälligkeit von GmbHs und die damit verbundene Schädigung der Gläubiger in den Blick nimmt. Eine Lösungskonzeption kann nur unter konsequenter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben der Niederlassungsfreiheit und der Stärken und Schwächen der Gesellschaftsrechtssysteme der anderen Mitgliedstaaten, insbesondere des am common law orientierten englischen Kapitalgesellschaftsrechts entwickelt werden.

236

So ausdrücklich auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352. In diesem Sinne auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352. 238 Zuletzt K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2053 f.; Herchen, DB 2003, 2211, 2216; so schon Bärwaldt/ Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 150 ff. 239 So auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 186. 237

5. Kapitel

Lösung der Gläubigerschutzproblematik über die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung? I. Einleitung In der neueren Literatur tritt ein Alternativkonzept zur Lösung der Gläubigerschutzproblematik bei Mantel- und Vorratsgesellschaften hervor, das insbesondere von Altmeppen vertreten wird und dem sich mittlerweile einige Autoren angeschlossen haben1. Die Vertreter dieser Ansicht betrachten das bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften auftretende Gläubigerschutzproblem zutreffend als allgemeines, beim Betrieb von unzureichend kapitalisierten Gesellschaften generell auftretendes Problem. Sie sprechen sich deshalb für die Anwendung der von der Literatur bereits in den sechziger und siebziger Jahren verstärkt diskutierten Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung aus. Einige Autoren befürworten zudem die Einordnung der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung unter die vom BGH in den Entscheidungen Bremer Vulkan und KBV geschaffene Existenzvernichtungshaftung2. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst die Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung und die Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung dargestellt. Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob dieses Konzept eine tragfähige Lösung der Gläubigerschutzproblematik, insbesondere auch im Hinblick auf die neuen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen in der EU bietet. 1

Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2054; zustimmend K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Herchen, DB 2003, 2211, 2216; Peetz, Anm. zur Entscheidung des BGH vom 07.07.2003, GmbHR 2003, 1128, 1130; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 154 ff.; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013 f.; Banerjea, GmbHR 1998, 814, 817; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350; Thaeter, DB 2003, 2112, 2115. 2 Eingehend Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2054; zustimmend K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Herchen, DB 2003, 2211, 2216; Peetz, Anm. zur Entscheidung des BGH vom 07.07.2003, GmbHR 2003, 1128, 1130.

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

II. Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften als Problem der materiellen Unterkapitalisierung? Wie bereits im Rahmen der Kritik an der Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung ausführlich erörtert wurde, stellt die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften aus Gläubigerschutzgesichtspunkten keinen Sonderfall dar3. Dieses Argument macht sich auch die Ansicht zu Eigen, die statt der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung befürwortet. Nach dieser Auffassung lässt sich das generell bei Kapitalgesellschaften auftretende Gläubigerschutzproblem unzureichender Kapitalausstattung nur über eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung befriedigend lösen. Hierfür werden teils kumulativ, teils alternativ die folgenden Argumente angeführt. 1. Beschränkung auf Missbrauchsfälle Nach Meinung ihrer Befürworter ist die Lösung über die Durchgriffshaftung gegenüber dem Konzept der wirtschaftlichen Neugründung insbesondere deshalb vorzugswürdig, weil sie nur dann eingreift, wenn tatsächlich ein gläubigerschädigendes Verhalten seitens der Unternehmer vorliege. Die Durchgriffshaftung stelle aber keine besondere Sanktion für die Fälle der Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften dar, sondern vielmehr eine Reaktion auf die grundsätzlich bestehenden, bereits ausführlich erörterten Schwächen des deutschen Kapitalschutzmodells4. Die „Wurzel des Übels“ ist nach dieser Ansicht nicht die Verwendung von Mantel- oder Vorratsgesellschaften, sondern der Betrieb von Gesellschaften mbH mit evident unzureichender Kapitalausstattung5. Auf diese Ursache der Gläubigergefährdung könne allein über die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung reagiert werden. 3

Siehe oben 3. Kapitel III. 5. b) aa) (2) (c). K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 152 f., der sich jedoch der Ansicht Wilhelms anschließt und von einer reinen Innenhaftung der Gesellschafter in den Fällen der materiellen Unterkapitalisierung ausgeht. Auf die Existenzvernichtungshaftung geht Heerma dagegen nicht ein, da diese zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entwickelt war. Allerdings klingen bei diesem bereits Ansätze für eine Existenzvernichtungshaftung an, die er jedoch an eine Pflichtverletzung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft anknüpft. Die Haftung nach den Grundsätzen des qualifiziert faktischen Konzerns lehnt er zur Lösung der Gläubigerschutzproblematik in diesen Fällen ausdrücklich als unzureichend ab (S. 153 f.). 5 Altmeppen, NZG 2003, 145, 148; ders., DB 2003, 2050, 2054. 4

II. Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften

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Die Anwendung der Durchgriffshaftung führe zudem zu wesentlich geringeren Beeinträchtigungen der Interessen der Unternehmensgründer als das Konzept der wirtschaftlichen Neugründung6. Dieses Haftungsmodell unterwerfe nicht alle Fälle der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften präventiv und ausnahmslos einer erneuten registergerichtlichen Kontrolle, sondern sanktioniere nur die Fälle, in denen tatsächlich eine Gefährdung der Gläubiger eintrete. Hierdurch würden auch die Unstimmigkeiten der Abgrenzung zwischen der Mantelverwendung und der bloßen Umorganisation eines Unternehmens im Hinblick auf eine potentielle Gefährdung der Gläubiger vermieden7. Im Rahmen der Anwendung der Durchgriffshaftung komme es auf das Vorliegen einer Mantelverwendung gerade nicht an, da diese Haftung weder bei allen Mantelgesellschaften eingreife, noch auf das Vorliegen einer Mantelverwendung als Vorraussetzung abstelle8. Die Lösung des Gläubigerschutzproblems über die Durchgriffshaftung vermeide zudem die zusätzliche Belastung der Registergerichte, die mit der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften und den damit verbundenen Abgrenzungsproblemen einhergehe9. 2. Effektiver Gläubigerschutz Als Argument für eine Anwendung der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung auf Vorrats- und Mantelgesellschaften wird zudem vorgebracht, dass hierdurch ein effektiverer Gläubigerschutzes für alle Fälle des Betriebes einer unterkapitalisierten Kapitalgesellschaft gewährleistet werde10. Ein entscheidender Vorteil der Durchgriffshaftung gegenüber der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften bestehe darin, dass erstere auf alle Kapitalgesellschaften anwendbar sei, deren Gesellschafter ihnen das zur Ausübung des konkreten Geschäftsbetriebes erforderliche Eigenkapital nicht zuführen oder aber nachträglich durch risikoreiche Geschäfte entziehen und dadurch ihre Fähigkeit zur Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten erheblich beeinträchtigen. Da die potentielle Gefährdung der 6

Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350. Altmeppen, NZG 2003, 145, 148; ders., DB 2003, 2050, 2053; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013 f. 8 Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013 f. 9 Altmeppen, DB 2003, 2050, 2054; ders., NZG 2003, 145, 149; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 125 ff.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 348 f.; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1011 f.; Herchen, DB 2003, 2211, 2213. 10 So auch Herchen, DB 2003, 2211, 2216; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350; Altmeppen, NZG 2003, 145, 148; ders., DB 2003, 2050, 2053. 7

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

Gläubiger bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften gerade darin bestehe, dass die aktivierte Gesellschaft nicht ausreichend kapitalisiert sei, sei die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung das richtige Instrument zur Gewährleistung eines hinreichenden Gläubigerschutzes11. Das Konzept des BGH dagegen helfe in diesen Fällen gerade nicht, da die Mindestkapitalvorschriften nicht vor dem späteren Verbrauch des Stammkapitals und damit auch nicht vor einer nachträglich eintretenden materiellen Unterkapitalisierung schützten12. Durch die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung könne aber gerade auf diese Schwächen des deutschen Kapitalschutzmodells reagiert werden13. Insgesamt biete deshalb die Durchgriffshaftung einen effektiveren Gläubigerschutz gegenüber dem Konzept der wirtschaftlichen Neugründung bei gleichzeitig geringerer Belastung der Unternehmensgründer.

III. Die Lehre von der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung 1. Meinungsstand Das Rechtsinstitut der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ist in Rechtsprechung und Lehre stark umstritten. In der Literatur wird eine solche Haftung überwiegend anerkannt, über ihre rechtliche Einordnung und die Haftungsvoraussetzungen besteht jedoch Uneinigkeit14. Die Rechtsprechung steht der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung dagegen durchweg skeptisch gegenüber und betont die Bedeutung der Rechtsfigur der juristischen Person, über die nur unter sehr strengen Voraussetzungen hinweggegangen werden dürfe15. Die Gerichte erkennen eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung deshalb grundsätzlich nur in den Fällen an, in denen gleichzeitig eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Gläubiger gemäß § 826 BGB vorliegt16. 11

Altmeppen, NZG 2003, 145, 148. Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350. 13 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352 f. 14 s. hierzu Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 35 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rdnr. 6 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 13 Rdnr. 137; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rdnr. 81 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rdnr. 29 ff. 15 BGHZ 61, 380. 16 Grundlegend BGHZ 68, 312 – Fertighausfall; BGH, LM § 13 GmbHG, Nr. 11 v. 30.11.1978; BGH, NJW 1979, 2104; BGH, DB 1988, 1848; BGH, NJW-RR 1991, 1312; m. w. N. Goette, Die GmbH, § 9 Rdnr. 45, der die Heranziehung des 12

III. Die Lehre von der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung

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a) Die Durchgriffslehre in der Literatur Die Lehre von der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung basiert im Wesentlichen auf dem Gedanken, dass die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Gläubiger als Ausgleich auf das Garantiekapital der Gesellschaft zugreifen können. Seine Ausgleichsfunktion könne das Stammkapital aber nur dann erfüllen, wenn es dem Gesellschaftszweck entsprechend ausreichend bemessen sei17. Der Tatbestand der Unterkapitalisierung betrifft die „Fähigkeit der Gesellschaft zu angemessenem Wirtschaften“18. Nach der grundlegenden Definition von Ulmer19 ist eine Gesellschaft dann als unterkapitalisiert anzusehen, wenn „das Eigenkapital nicht ausreicht, um den nach Art und Umfang der angestrebten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit unter Berücksichtigung der Finanzierungsmethoden bestehenden, nicht durch Kredite Dritter zu deckenden mittel- oder langfristigen Finanzbedarf zu befriedigen“. Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur ist jedoch nur die sog. qualifizierte Unterkapitalisierung, also die offensichtlich oder eindeutig unzureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft als haftungsbegründend anzusehen20. Eine sog. anfängliche Unterkapitalisierung liegt dann vor, wenn das zur Geschäftsaufnahme erforderliche Eigenkapital von Anfang an nicht vorhanden ist. Dagegen spricht man von einer nachträglichen Unterkapitalisierung, wenn die unzureichende Kapitalausstattung erst später infolge von Verlusten eintritt21. Von der materiellen ist die nominelle Unterkapitalisierung zu unterscheiden22, die die Deckung des Finanzbedarfs der Gesell§ 826 BGB als sachgerechte Lösung der Problematik der materiellen Unterkapitalisierung ansieht. 17 Vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 52; Blaurock, FS Stimpel, 1985, S. 553, 559. 18 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4. a). 19 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 16. 20 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 50 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rdnr. 7 f.; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rdnr. 6; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 342; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 31–33; Lutter, ZGR 1982, 244, 249 f.; a. A. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 400 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I (1980), § 4 III 1. b) und § 10 IV 3.; Winkler, BB 1969, 1202, 1205 ff., die auch eine einfache Unterkapitalisierung im Sinne einer Nichtausstattung mit einem dem Geschäftszweck und -umfang entsprechenden Eigenkapital für ausreichend halten. 21 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rdnr. 82. 22 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4. a); ders., ZIP 1990, 78; Ulmer, FS Duden, 1977, S. 669; Winkler, BB 1969, 1205.

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

schaft durch Fremdkapital betrifft und die durch die Kapitalerhaltungsregeln des GmbHG verhindert werden soll. Von materieller Unterkapitalisierung spricht man dagegen nur dann, wenn die erforderliche Kapitalzufuhr vollständig unterbleibt. Streit herrscht unter den Vertretern dieser Lehre darüber, ob die materielle Unterkapitalisierung einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter begründet oder ob sie nur zu einer Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Kapitalgesellschaft führt23. Nach der überwiegenden Ansicht zieht die materielle Unterkapitalisierung eine unmittelbare Außenhaftung der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft nach sich24. Die Begründungen für diesen Haftungsdurchgriff differieren jedoch. Grundsätzlich wird im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht wie im angloamerikanischen Rechtskreis das Bild des „lifting the corporate veil“, also des Aufdeckens des Schleiers der Kapitalgesellschaft verwendet, um einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter herzuleiten25. Es existieren zwei Spielarten der Durchgriffslehre. Nach der von Serick begründeten Missbrauchslehre26 soll die Durchbrechung des Schleiers der Gesellschaft, also ein Durchgriff auf die hinter ihr stehenden Gesellschafter, stets dann geboten sein, wenn die Gesellschafter die juristische Person zweckentfremdet und missbräuchlich zur Umgehung des Gesetzes oder der Verletzung der Rechte Dritter einsetzen. In diesen Fällen sei die Gesellschaft als nicht existent zu betrachten und deshalb die Gesellschafter selbst als Unternehmensträger zu behandeln. Die Normzwecklehre27 sieht den Haftungsdurchgriff dagegen als Problem der Normanwendung und lehnt demgemäß eine prinzipielle Aufhebung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft ab. Entscheidend für die Anerkennung des Durchgriffs sei vielmehr, ob die anzuwendende Norm ihrem Sinn und Zweck nach die Trennung zwischen der juristischen Person und der hinter ihr stehenden Personen gebiete oder ausnahmsweise gerade nicht gestatte. 23 Eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Ansichten findet sich in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 36 ff. 24 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30, Rdnr. 51 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 4 III 1. b), § 10 IV 3. b); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 403, 416; Ulmer in FS für Duden, 1977, S. 676 ff.; ders., GmbHR 1984, 262; so auch ein Teil der Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, NJW 1984, 2117; BSG, NJW-RR 1995, 730; BSG, NJW-RR 1997, 94, 95. 25 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 I; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 4 III 2. 26 Serick, Rechtsform und Realität der juristischen Person. 27 Müller-Freienfels, AcP 156, 522 ff.; eingehend zu dieser Lehre und zum Meinungsstand Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 8 ff.; Hachenburg/Mertens, GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 30.

III. Die Lehre von der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung

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Im Hinblick auf die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung kommen beide Theorien jedoch zu vergleichbaren Ergebnissen. Auch die Vertreter der Normzwecklehre befürworten einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter in den Fällen, in denen die Gesellschafter die juristische Person als bloße Haftungsbeschränkung missbrauchen und den Grundsatz der Kapitalsicherung als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung nicht beachten. Die Normzwecklehre beruft sich zur Begründung des Haftungsausschlusses allerdings nicht auf den Missbrauch, sondern auf eine teleologische Reduktion der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG28. Eine andere Ansicht befürwortet im Gegensatz dazu statt einer Durchgriffshaftung eine Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, wobei sich auch hier wieder die Begründungen im Detail unterscheiden29. Die Schadensersatzverpflichtung der Gesellschafter ergibt sich dieser Ansicht zufolge aus einer Verletzung der Verpflichtung zur Achtung der Selbständigkeit der juristischen Person30. Eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern sei aber deshalb abzulehnen, weil die Gesellschafter nur zur Gesellschaft, nicht jedoch zu den Gläubigern in einem Sonderrechtsverhältnis stünden, das zur Begründung einer Haftung erforderlich sei. Allerdings lehnt eine verbreitete Meinung im Schrifttum eine Haftung der Gesellschafter für eine anfängliche oder nachträgliche materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft gänzlich ab31. Zur Begründung wird angeführt, dass das GmbHG in § 5 alleine die Aufbringung des Mindestkapitals im Zeitpunkt der Gründung verlange32. Im Übrigen müsse daher eine Haftung der Gesellschafter für die Angemessenheit der Kapitalausstattung ausscheiden. Die Begründung einer solchen Pflicht begegne zudem Bedenken, weil keine betriebwirtschaftlichen Maßstäbe existierten, die festlegten in welcher Höhe das Stammkapital für die Ausübung der konkreten Tätigkeit vorhanden sein müsse33. 28 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 51 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. 29 Grundlegend Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 330 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4. c); ders., ZIP 1994, 843; Flume, Juristische Peson, § 3 III 1.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1846; Priester, ZGR 1993, 521 ff.; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 154 ff. 30 Wilhelm geht von der Verletzung einer Pflicht gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG aus, während die übrigen Autoren überwiegend eine Treuepflichtverletzung der Gesellschafter annehmen. 31 Hueck in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rdnr. 6; Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 69; Hoffmann, NJW 1966, 1941; Kahler, BB 1985, 1429; Sonnenberger, NJW 1969, 2033; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 129, 143 ff. 32 Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 242; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 129, 144; Hoffmann, NJW 1966, 1941, 1945; Sonnenberger, NJW 1969, 2033, 2034.

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

b) Die Rechtsprechung zum Haftungsdurchgriff Das Reichsgericht hat einen Durchgriff auf die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dann angenommen, wenn die „wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen es dem Richter gebieten, die juristische Konstruktion (der Trennung von juristischer Person und den dahinter stehenden Gesellschaftern) hintanzusetzen“34. Gestützt hat es den Haftungsdurchgriff hierbei explizit auch auf den Grundsatz von Treu und Glauben und die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger35. Der BGH hat diese Rechtsprechung des Reichsgerichts zunächst formal fortgeführt36. Im Laufe der Zeit hat er jedoch eine Durchgriffshaftung grundsätzlich nur noch in den Fällen der Vermögensvermischung für zulässig befunden37. Grundlage des Haftungsdurchgriffs wegen Vermögensvermischung ist die Verletzung der Pflicht zur Gewährleistung der Trennung der Vermögensmasse der juristischen Person von der der Gesellschafter. Hierdurch werde die Kontrolle der Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften, die den notwendigen Ausgleich für das Haftungsprivileg darstellten, unmöglich gemacht. Für den Fall der materiellen Unterkapitalisierung hat der BGH in dem insoweit grundlegenden „Fertighaus-Fall“38 einen Haftungsdurchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Gesellschafter ausdrücklich abgelehnt. Im Leitsatz des Urteils führt er hierzu aus, dass die Tatsache, dass eine GmbH, deren Alleingesellschafterin ebenfalls eine juristische Person ist, über eine unzureichende Kapitalausstattung verfügt, weder alleine noch in Verbindung mit dem Umstand, dass die GmbH finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die Gesellschaft, die als Alleingesellschafterin fungiert, eingegliedert ist, einen Haftungsdurchgriff auf diese begründen könne39. Das Gesetz sehe gerade keine Ausstattung der Gesellschaft mit einem angemessenen, sondern nur mit dem Mindeststammkapital vor40. 33 Zu den Schwierigkeiten der Festlegung des angemessenen Stammkapitals vgl. die ausführliche Darstellung bei Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 18 ff., 25 f.; kritisch insoweit auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4. c), der deshalb ein subjektives Element für die Durchgriffshaftung fordert. 34 RGZ 129, 50, 54. 35 Vgl. hierzu auch RGZ 156, 271, 277. 36 BGHZ 22, 226 (Leitsatz); BGHZ 20, 4, 14; vgl hierzu Altmeppen, ZIP 2002, 1553, 1556. 37 Vgl. zur Vermögensvermischung z. B. BGHZ 22, 226, 230; BGHZ 125, 366; Altmeppen, DZWiR 1994, 378 m. w. N.; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rdnr. 86 m. w. N. 38 BGHZ 68, 312. 39 BGHZ 68, 312. 40 BGHZ 68, 312, 319.

IV. Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs

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Diese Rechtsprechung hat der BGH auch in den Folgejahren fortgesetzt und eine Haftung der Gesellschafter nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 826 BGB angenommen. Nach Ansicht des BGH darf „über die Rechtsfigur der juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden“41. 2. Ergebnis Es ist festzustellen, dass sich die in der Literatur von der herrschenden Ansicht befürwortete Durchgriffshaftung wegen evidenter materieller Unterkapitalisierung in der Praxis der Rechtsprechung bisher nicht durchsetzen konnte. Die Gerichte betonen weiterhin den grundsätzlichen Ausnahmecharakter einer Durchgriffshaftung im Hinblick auf die Selbständigkeit der juristischen Person.

IV. Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs In der neueren Literatur wird von einigen Autoren die Einordnung der umstrittenen Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung in das vom BGH in der Entscheidung Bremer Vulkan42 entwickelte und im KBV-Urteil43 näher ausgestaltete Konzept der Existenzvernichtungshaftung befürwortet44. Ob die Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff auch die Weichen für eine Haftung wegen unzureichender Kapitalausstattung neu gestellt hat, ist im Folgenden zu untersuchen. 1. Die Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff a) Haftung im qualifiziert faktischen Konzern Der BGH hatte zunächst das Rechtsinstitut des qualifiziert faktischen Konzerns geschaffen, um die Gläubiger einer GmbH vor Kapitalentzug zu schützen. Im Autokran-Urteil45 begründete der BGH eine Außenhaftung ei41

BGHZ 61, 380. BGHZ 149, 10. 43 BGHZ 151, 181. 44 Grundlegend Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2054; zustimmend Herchen, DB 2003, 2211, 2216; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352 f.; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 295; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026; Bitter, WM 2001, 2133, 2139 f.; ausführlich auch Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 327 ff.; a. A. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588; Weller, IPrax 2003, 520, 524. 45 BGHZ 95, 330. 42

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

nes herrschenden Konzernunternehmens für die Verbindlichkeiten einer abhängigen GmbH. Der die Haftung auslösende Tatbestand des qualifiziert faktischen Konzerns sollte immer dann vorliegen, wenn ein Unternehmen in dem Sinne herrschend ist, dass es die Leitungsmacht über die abhängige GmbH uneingeschränkt und vollständig ausübt. Diese Rechtsprechung beruhte auf dem Gedanken, dass die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG bei Vorliegen eines derartigen Abhängigkeitsverhältnisses nicht mehr eingreifen kann und demnach die Haftungsrisiken der abhängigen GmbH vollständig vom herrschenden Unternehmen zu tragen sind46. In den heftig kritisierten Urteilen Tiefbau47 und Video48 dehnte der BGH die verschuldensunabhängige Haftung des herrschenden Unternehmens weiter aus. In der TBB-Entscheidung stellte der BGH jedoch in Korrektur der vorangegangenen Urteile fest, dass der Unternehmensgesellschafter einer GmbH analog der §§ 302, 303 AktG haftet, wenn er bei der Leitung eines Konzerns keine Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen GmbH nimmt und der ihr insgesamt zugefügte Nachteil nicht durch Einzelmaßnahmen ausgeglichen wird49. Entscheidend für die Haftung war demnach nicht mehr das Vorliegen eines qualifiziert faktischen Konzerns, sondern die fehlerhafte Ausübung der Konzernleitungsmacht. Damit offenbarte sich bereits in diesem Urteil eine Abkehr des BGH vom zuvor vertretenen Konzernhaftungskonzept50, die in der Literatur größtenteils jedoch kaum wahrgenommen wurde. b) Bremer Vulkan In der grundlegenden Entscheidung Bremer Vulkan51 aus dem Jahr 2001 gab der BGH schließlich die an das aktienrechtliche Konzernrecht angelehnte Haftung des herrschenden Gesellschafters gegenüber der abhängigen GmbH ausdrücklich und vollständig auf52. Die Abkehr vom Institut des qualifiziert faktischen Konzerns hatte sich bereits in einem Festschriftbei46

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III 3. BGHZ 107, 7. 48 BGHZ 115, 187. 49 BGHZ 122, 123 – TBB. 50 Zur Interpretation der TBB-Entscheidung in diesem Sinne eingehend Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2022 f., der darauf hinweist, dass der BGH bereits in TBB den Tatbestand der Haftung im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern aufgegeben habe, indem er ausgeführt habe der „Haftungstatbestand sei nicht die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft, sondern die Beeinträchtigung ihrer Interessen.“ (BGHZ 122, 123, 131). So auch Altmeppen, DB 1994, 1912; ders., ZIP 2001, 1873; ders., ZIP 2002, 1553, 1553. 51 BGHZ 149, 10. 52 BGHZ 149, 10, 10 (1. Leitsatz). 47

IV. Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs

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trag des Vorsitzenden des II. Zivilsenats des BGH Röhricht aus dem Jahr 2000 angekündigt, in dem dieser bereits Gründzüge einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs entwickelte53. In einem zum Leitsatz erhobenen obiter dictum des Urteils heißt es: „Der Schutz der abhängigen GmbH gegen Eingriffe ihres Alleingesellschafters folgt nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des Aktienrechts (§§ 291 ff.; 311 ff. AktG), sondern ist auf die Erhaltung ihres Stammkapitals und die Gewährleistung ihres Bestandsschutzes beschränkt, der eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH erfordert. An einer solchen Rücksichtnahme fehlt es, wenn die GmbH infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann.“ Mit dem Bremer-Vulkan-Urteil hat der BGH neue Grundsätze für den Gläubigerschutz in der GmbH aufgestellt, indem er die konzernrechtlichen Elemente des zuvor vertretenen Haftungskonzeptes aufgab und die sog. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs entwickelte, die nicht auf konzernrechtliche Fallgestaltungen begrenzt ist, sondern auch gläubigerschädigende Eingriffe in konzernfreien Gesellschaften erfasst. Allerdings unterließ es der BGH, dieser Haftung eine Anspruchsgrundlage zuzuweisen und ihre Voraussetzungen sowie ihren Inhalt zu bestimmen54. Dies führte dazu, dass das Urteil in der Lehre unterschiedliche Interpretationen erfuhr. Einige Autoren, insbesondere K. Schmidt und Ulmer sahen den Haftungsgrund in einer Treuepflichtverletzung der Gesellschafter gegenüber der GmbH und befürworteten deshalb eine bloße Innenhaftung der Gesellschafter55. Altmeppen wiederum sprach sich für eine Haftung der Gesellschafter für fremdnütziges Handeln gegenüber der GmbH in Anlehnung an die Haftung der Geschäftsführer gemäß § 43 GmbHG aus56. Einer anderen Ansicht zufolge sollte es sich bei der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs dagegen um einen Durchgriffstatbestand handeln57. Auch in einer darauf folgenden Entscheidung aus dem Februar 200258 beschränkte sich 53

Röhricht, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83 ff. Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1841; zustimmend Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2024; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 273; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 404. 55 Eingehend Ulmer, ZIP 2001, 2021; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3579 f.; Burgard, ZIP 2002, 827; Henze, NZG 2003, 649, 654 f. jew. m. w. N. 56 Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1842 ff., Bezug nehmend auf die von Wilhelm entwickelte Lehre von der Sorgfaltshaftung des beherrschenden Gesellschafters als Quasi-Fremdgeschäftsführer analog § 43 GmbHG; ders., NJW 2002, 321, 322 ff.; ders., NJW 2002, 961, 966; ders., ZIP 2002, 1553, 1562 ff. 57 Bitter, WM 2001, 2133, 2139 ff.; Hoffmann, NZG 2002, 68, 71; Kesseler, GmbHR 2001, 1095, 1100; in diesem Sinne auch OLG Thüringen, ZIP 2002, 631 = GmbHR 2002, 112, 115. 58 BGHZ 150, 61. 54

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

der BGH darauf, das Bestehen der Existenzvernichtung zu betonen, ohne eine nähere Ausgestaltung dieses Haftungsinstituts vorzunehmen. c) KBV In der kurze Zeit später ergangenen KBV-Entscheidung59 stellte der BGH das neue Haftungskonzept schließlich auch dogmatisch auf eine eindeutige Grundlage und konkretisierte die Voraussetzungen und den Inhalt der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe. Im 1. Leitsatz des Urteils stellte der BGH klar, dass die Trennung der Vermögensmasse der Gesellschaft vom Privatvermögen der Gesellschafter und die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger die grundlegenden Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Haftungsprivilegs durch die Gesellschafter sind. Diese Grundsätze der Vermögenstrennung und Vermögensbindung bestünden während der gesamten Lebensdauer der GmbH. Missachten die Gesellschafter die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens und entziehen sie der Gesellschaft Vermögenswerte, die diese zur Befriedigung ihrer Gläubiger benötigt, so liegt hierin nach Ansicht des BGH ein „Missbrauch der Rechtsform der GmbH“, der zum Verlust des Haftungsprivilegs nach § 13 Abs. 2 GmbHG führen muss, es sei denn die Beeinträchtigung auf Seiten der GmbH wird schon durch die §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen60. Mit seinen Ausführungen zum Missbrauch der juristischen Person greift der BGH demnach die Argumentation der oben dargestellten Durchgriffslehre wieder auf. Zudem begründet der BGH die Existenzvernichtungshaftung damit, dass die Beendigung einer GmbH grundsätzlich nur in einem geordneten Liquidationsverfahren erfolgen darf, da dieses sicherstellt, dass zunächst die Forderungen der Gläubiger befriedigt werden, bevor eine Verteilung der übrigen Vermögenswerte unter den Gesellschaftern erfolgt61. Eine sog. „kalte“62, „stille“63 oder auch „wilde“64 Liquidation der GmbH außerhalb des gesetzlichen Insolvenzverfahrens ist den Gesellschaftern damit nicht erlaubt. Im 2. Leitsatz der Entscheidung führt der BGH dann aus, dass es sich bei der Existenzvernichtungshaftung um eine unmittelbare und persönliche Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der GmbH und 59 60 61 62 63 64

BGHZ 151, 181, 181. BGHZ 151, 181, 181. BGHZ 151, 181, 186 f. Haas, WM 2003, 1929, 1934. Haas, WM 2003, 1929, 1934. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 282.

IV. Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs

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damit um einen Durchgriffstatbestand handelt65 und klärt damit eine weitere nach der Bremer Vulkan Entscheidung offen gebliebene Frage zur Existenzvernichtungshaftung. Die Gläubiger, die von der GmbH keine Befriedigung erlangen, können damit ihre Forderungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens direkt gegen die Gesellschafter geltend machen. Der BGH konkretisiert demnach den Tatbestand und die Rechtsfolge der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe dahingehend, dass die mangelnde Rücksichtnahme der Gesellschafter auf die im Kapitalgesellschaftsrecht unabdingbaren Prinzipien der Vermögenstrennung und Vermögensbindung die persönliche, unmittelbare Haftung sämtlicher Gesellschafter auslöst, die ihr Einverständnis zu dem unberechtigten Vermögensabzug gegeben haben66. 2. Die materielle Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung? Insbesondere Altmeppen hat bereits mehrfach die Einordnung der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung als Unterfall der von der Rechtsprechung entwickelten Existenzvernichtungshaftung gefordert67. Die Anerkennung und Präzisierung dieser Haftung sei zur Gewährleistung eines ausreichenden Gläubigerschutzes vor dem Betrieb unterkapitalisierter Gesellschaften, der durch die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht verhindert werden könne, dringend geboten. Altmeppen fordert dies auch und vor allem im Hinblick auf die Problematik der Verwendung von unterkapitalisierten Mantel- und Vorratsgesellschaften, die durch eine solche Haftung zufriedenstellender gelöst werde als durch die analoge Anwendung der Grün65

BGHZ 151, 181, 181. BGHZ 151, 181, 188 unter Berufung auf das Urteil des 2. Senats v. 25.02.2002, BGHZ 150, 61. 67 Altmeppen, ZIP 2001, 145, 149; ders., ZIP 2002, 1553, 1561; ders., NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2054; ebenso, Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rdnr. 11; eingehend hierzu auch Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 327 ff.; noch weiter gehend Bitter, WM 2001, 2133, 2136 f., 2139 ff., der nicht die Existenzvernichtung, sondern die Unterkapitalisierung als das eigentliche Gläubigerschutzproblem ansieht und die Begrifflichkeit des BGH deshalb ablehnt. Tatsächlich bestehe nämlich kein schützenswertes Interesse der Gläubiger an der Existenz der Gesellschaft. Verhindert werden müsse vielmehr die einseitige Risikoüberwälzung von den Unternehmern auf die Gläubiger, da eine angemessene Risikobeteiligung der Gesellschafter Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme des Haftungsprivilegs sei. Zur Begründung der Durchgriffshaftung in den Fällen der materiellen Unterkapitalisierung greift Bitter auf die Normzwecklehre zurück und befürwortet demgemäß eine teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG, wenn die Gesellschafter auf Kosten der Gläubiger spekulieren. Entscheidendes Kriterium für das Eingreifen der Haftung sei die Insolvenzwahrscheinlichkeit. 66

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

dungsvorschriften68. Dieser Auffassung haben sich mittlerweile auch andere Autoren ausdrücklich angeschlossen69. Zuletzt hat sich auch K. Schmidt ausdrücklich für eine Anerkennung der materiellen Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung ausgesprochen und dieser Lösung insbesondere auch für die Fälle der wirtschaftlichen Neugründung den Vorrang einräumt70. Durch die Behandlung der materiellen Unterkapitalisierung als Unterfall des existenzvernichtenden Eingriffs sollen die Bedenken, die die Rechtsprechung gegen den Haftungsdurchgriff vorbringt, ausgeräumt werden. So versucht Altmeppen, der als einer der ersten einen Zusammenhang zwischen der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung und der Existenzvernichtungshaftung hergestellt hat71, dem Einwand der Rechtsprechung bezüglich der Unbestimmtheit des haftungsbegründenden Tatbestands dadurch zu begegnen, dass er als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für den Durchgriff wegen materieller Unterkapitalisierung nicht das Unterlassen einer bestimmten Kapitalausstattung ansieht, sondern vielmehr das grob schuldhafte und gläubigerschädigende Verhalten der Gesellschafter, die die Fortführung der Gesellschaft trotz des Bestehens einer evidenten Unterkapitalisierung anordnen und hierdurch das Gesellschaftsvermögen ruinieren72. Ein die Haftung der Gesellschafter auslösender existenzvernichtender Eingriff ist nach dieser Ansicht auch dann gegeben, wenn der Gesellschafter grob schuldhaft die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit anordnet, obwohl offensichtlich ist, dass das vorhandene Gesellschaftsvermögen im Interesse der Gläubiger nur erhalten werden kann, wenn Eigenkapital zugeführt oder aber der Betrieb eingestellt oder beschränkt wird73. In diesem Verhalten spiegele sich ebenso eine mangelnde Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Befriedigung der Verbindlichkeiten der Gläubiger wider wie bei der als Existenzvernichtung bereits anerkannten Entziehung von Vermögenswerten. K. Schmidt sieht die materielle Unterkapitalisierung dagegen als Dauerund Unterlassungstatbestand, der von der auf Eingriffe der Gesellschafter abstellenden Existenzvernichtungsrechtsprechung des BGH bisher nicht erfasst wird74. K. Schmidt fordert demgemäß eine Ausdehnung der Rechtsprechung auf die Fälle der evident unzureichenden Kapitalausstattung. 68

Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2054. So ausdrücklich Herchen, DB 2003, 2211, 2216. 70 K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352 f. 71 Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1846. 72 Altmeppen, NZG 2003, 145, 149. 73 Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 5. 69

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung

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Die Gegenansicht75 ist demgegenüber der Meinung, dass die Fallgruppe der materiellen Unterkapitalisierung nicht vom Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung erfasst werden könne. Schön argumentiert, dass dies bereits deshalb ausscheide, weil, wie § 707 BGB ausdrücklich festschreibe, eine Nachschusspflicht der Gesellschafter nicht bestehe. Zudem liege in den Fällen der materiellen Unterkapitalisierung kein Verstoß gegen das Prinzip der Vermögenstrennung vor, da ein gläubigerschädigender Abzug von Gesellschaftsvermögen gerade nicht stattfinde. Vielmehr hielten sich die Gesellschafter besonders streng an diesen Grundsatz. Auch Zimmer und Weller gehen davon aus, dass die Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung einen bestandsvernichtenden Abzug von Vermögenswerten verlangt und angesichts ihres Ausnahmecharakters nicht auf von vorneherein unterkapitalisierte Gesellschaften angewendet werden kann76. Die Existenzvernichtungshaftung erfasse damit gerade nicht die Fälle der materiellen Unterkapitalisierung von Gesellschaften, in denen es an einem Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft fehle.

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung Zuzugeben ist den Befürwortern des Konzepts der Durchgriffshaftung, dass die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung einen wirksameren Gläubigerschutz als das Modell der wirtschaftlichen Neugründung gewährleistet, da sie sämtliche Fälle des Betriebes einer unzureichend kapitalisierten Gesellschaft erfasst und nicht auf die Verwendung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft beschränkt ist. Diese Ansicht geht zu Recht davon aus, dass die Gläubigerschutzproblematik bei der Aktivierung von Mantel- und Vorratsgesellschaften nur symptomatisch für die Unzulänglichkeiten des deutschen Kapitalschutzmodells ist. Auf den ersten Blick erscheint eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung, die auch aus dem angloamerikanischen Rechtskreis bekannt ist, durchaus geeignet die bereits ausführlich erläuterten Schutzdefizite des deutschen GmbH-Rechts auszugleichen. Tatsächlich aber stehen einer solchen Durchgriffshaftung erhebliche dogmatische und rechtspolitische Bedenken entgegen, die letztlich zu einer Ablehnung dieses Konzepts führen müssen.

74

K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352. Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588; Weller, IPrax 2003, 520, 524; ablehnend zumindest für die anfängliche materielle Unterkapitalisierung auch Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290. 76 Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588; Weller, IPrax 2003, 520, 524. 75

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

1. Missachtung der Rechtsform der GmbH Grundsätzlich ist festzustellen, dass das deutsche GmbHG in § 13 Abs. 2 das Prinzip der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung der GmbH regelt und damit den Unternehmern durch die Gründung einer GmbH die Aufnahme einer haftungsbeschränkten Tätigkeit ermöglicht. Das GmbH-Recht ist damit bestimmt vom Grundsatz der Trennung zwischen der juristischen Person und den dahinter stehenden Gesellschaftern, die vor einem Zugriff der Gläubiger generell geschützt sind. Hieraus lässt sich ableiten, dass ein Durchgriff auf die Gesellschafter der GmbH nur im Ausnahmefall und unter strengen Voraussetzungen zulässig ist. Auch der BGH betont zu Recht die erheblichen Anforderungen, die an einen Durchgriff zu stellen sind und lehnt eine persönliche Haftung der Gesellschafter in den Fällen der materiellen Unterkapitalisierung mit dem zutreffenden Hinweis ab, dass „über die Rechtsfigur der juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden“ dürfe77. Alleine die Tatsache, dass eine Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Existenz nicht über eine ausreichende Kapitalausstattung zum Betrieb des geplanten oder ausgeübten Unternehmens verfügt, genügt nicht, um entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 2 GmbHG einen Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Gesellschafter zu begründen, zumal erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf den haftungsbegründenden Tatbestand eines solchen Durchgriffs bestehen. Die Anerkennung eines Haftungsdurchgriffs in diesen Fällen würde deshalb zu einer Missachtung der Rechtsform der GmbH als solcher führen. Einige Autoren sehen daher zu Recht in der Anerkennung einer solchen Haftung das „Ende der Haftungsbeschränkung“ in der GmbH78. Die Durchgriffshaftung ist nicht, wie von ihren Befürwortern dargestellt, ein mildes Rechtsinstrument, das nur in Einzelfällen des Missbrauchs der juristischen Person eingreift, sondern ein „scharfes Schwert“, das jeden Fall der eindeutig unzureichenden Kapitalausstattung einer GmbH durch eine persönliche Haftung der Gesellschafter sanktioniert und damit erhebliche Folgen für diese nach sich zieht. So bezeichnet auch Goette die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung anschaulich als „Folterwerkzeuge“, deren Anwendung im 77

Speziell für den Fall der materiellen Unterkapitalisierung BGHZ 61, 380, 383; allgemein zu den strengen Voraussetzungen an die Zulässigkeit eines Durchgriffs unter Betonung der Selbständigkeit der juristischen Person, vgl. BGHZ 20, 4, 11; BGHZ 26, 31, 37; BGHZ 54, 222; BGHZ 61, 380, 383; BVerfGE 13, 331, 340; BVerfGE 18, 224, 235. 78 Vgl. etwa H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 288 ff.

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung

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Falle der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften nicht erforderlich sei79. Die Rechtsform der GmbH wird den Unternehmern gerade deshalb zur Verfügung gestellt, um sie weitgehend von dem wirtschaftlichen Risiko, das mit der Ausübung eines Unternehmens grundsätzlich verbunden ist, freizustellen und nur ihre Gesellschaftsbeteiligung einem Verlustrisiko auszusetzen80. Hierdurch soll die Bereitschaft zur Durchführung risikoreicher Unternehmungen und damit letztendlich der Wirtschaftsstandort Deutschland auf nationaler wie internationaler Ebene gefördert werden. Dieser Gesellschafterschutzfunktion des GmbHG, die in § 13 Abs. 2 GmbHG deutlich zum Ausdruck kommt, liefe es völlig zuwider, wenn den Gesellschaftsgläubigern die Möglichkeit eröffnet würde, bei jeder Unterkapitalisierung der Gesellschaft auf das Privatvermögen der Gesellschafter zuzugreifen. Die Rechtsform der GmbH würde insgesamt für Unternehmensgründer unattraktiv, wenn diese beim Betrieb risikobehafteter Geschäfte stets der Gefahr der persönlichen Haftung ausgesetzt wären. Dies hätte eine enorme Verschlechterung des Wirtschaftsklimas für Unternehmensgründungen in Deutschland zur Folge. Die Anerkennung einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung auch und gerade in den Fällen der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften gewährleistet damit zwar einen effektiven Gläubigerschutz. Dieser wird jedoch durch nicht zu rechtfertigende enorme Belastungen für die Gesellschafter erkauft. 2. Fehlen einer Pflicht zur Aufbringung eines „angemessenen“ Stammkapitals Zu Recht weisen die Kritiker der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung darauf hin, dass das GmbHG über das in § 5 GmbHG geregelte Mindeststammkapital hinaus keine Pflicht zur Aufbringung einer der wirtschaftlichen Tätigkeit angemessenen Kapitalausstattung enthält und eine solche aus dem Gesetz auch nicht ableitbar ist81. Das deutsche Kapitalschutzmodell basiert auf der Sicherung eines feststehenden Mindeststammkapitals, das unabhängig vom tatsächlichen Bedarf des Unternehmens ist. Aus der Tatsache, dass dieses Kapital in aller Regel nicht mehr als eine Seriositätsschwelle darstellt und die Gläubiger nicht hinreichend schützt, 79 Goette, DStR 2004, 461, 465; und nochmals in diesem Sinne Goette, DStR 2005, 197, 198. 80 Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 67. 81 BGHZ 68, 312, 319; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 242; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 129, 144; Hoffmann, NJW 1966, 1941, 1945; Sonnenberger, NJW 1969, 2033, 2034.

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Gesellschafter die GmbH mit einem angemessenen Stammkapital auszustatten haben. Fremd ist dem GmbH-Recht, wie sich aus § 707 BGB ausdrücklich ergibt, auch eine Nachschusspflicht der Gesellschafter für den Fall, dass das Stammkapital durch verlustreiche Geschäfte verbraucht wurde82. Deshalb ist weder eine Haftung wegen anfänglicher, noch wegen nachträglicher materieller Unterkapitalisierung aus dem GmbHG ableitbar. 3. Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers Der Rechtsfortbildung zur Einführung einer allgemeinen Haftung wegen evidenter materieller Unterkapitalisierung steht zudem der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegen83. Aus den Gesetzesmaterialien zum heutigen § 32a GmbHG ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber ausdrücklich von einer Regelung zur Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung Abstand genommen hat, obwohl er das Risiko der unzureichenden Kapitalausstattung gesehen hat84. Entscheidend hierfür waren insbesondere die mit der Feststellung der angemessenen Kapitalisierung einhergehenden Schwierigkeiten. Diese Erwägungen hat der Gesetzgeber bei Einführung des sog. Sanierungsprivilegs im Rahmen des § 32a GmbHG sogar noch dahingehend konkretisiert, dass „eine verschiedentlich vorgeschlagene Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung [. . .] nicht gewollt“ ist85. Auch wenn der Gesetzgeber eine Haftung der Gesellschafter ausdrücklich aus Rechtssicherheitsbedenken ablehnt, so ergibt sich hieraus jedoch auch, dass das Gericht in einer solchen Haftung einen erheblichen Eingriff in die Interessen der Gesellschafter sieht, der nicht alleine durch die Unangemessenheit der Kapitalausstattung der Gesellschaft gerechtfertigt werden kann. Auch die in der Lehre vorgenommenen Präzisierungsversuche im Hinblick auf den haftungsbegründenden Tatbestand86 können diese Bedenken nicht zerstreuen. Der Gesetzgeber hält dieses Haftungskonzept ganz offensichtlich für mit dem geltenden GmbH-Recht nicht vereinbar und damit auch nicht für einen gangbaren Weg, um die Gläubigerschutzlücken des deutschen Ka82

Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290. So auch Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 283 ff.; Keil, EWiR 1999, 604; stark einschränkend dagegen Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 166 ff., 246, der nur eine Durchgriffshaftung für ausgeschlossen hält. 84 Begr. RegE 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 38 f.; vgl. auch Begr. RegE 1971/73, BT-Drucksache 6/3088, S. 110. 85 Begr. RegE, BT-Drucksache 13/7141, S. 12; vgl. hierzu auch Seibert, GmbHR 1998, 309, der die Diskussion um eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung für gefährlich hält; ders., DStR 1997, 35. 86 Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; ders., DB 2003, 2050, 2054. 83

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung

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pitalschutzmodells zu schließen. Aus diesen Erwägungen heraus verbietet sich jedoch nicht nur, wie in der Literatur teilweise vertreten, ein direkter Durchgriff auf die Gesellschafter87, sondern jegliche Haftung, die auf das Fehlen einer angemessenen Kapitalausstattung der GmbH abstellt. 4. Nichtvorliegen eines existenzvernichtenden Eingriffs Eine Anerkennung der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung muss angesichts des Ausnahmecharakters dieses Haftungskonzepts ausscheiden. Gegen eine solche Einordnung sprechen zunächst einmal die vom BGH in den Urteilen verwendeten Formulierungen zum haftungsbegründenden Tatbestand. In der Entscheidung Bremer Vulkan hat der BGH den Begriff des „ existenzvernichtenden Eingriffs“ gewählt. Nach der ursprünglichen Definition des BGH sollte dieser Begriff des „Eingriffs“ nicht nur die Entziehung von Vermögenswerten, sondern auch das Eingehen von Risiken erfassen, die außer Verhältnis zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft stehen und deshalb im Verwirklichungsfall die Gläubiger treffen müssen88. In den beiden Folgeurteilen schränkte der BGH die Haftungsvoraussetzungen jedoch deutlich ein, indem er nicht mehr auf das Vorliegen eines Eingriffs, sondern auf einen „Vermögensabzug“89 bzw. „Vermögensentzug“90 abstellte. Versteht man diese vom BGH verwendeten Formulierungen wörtlich, so ist es nicht möglich, die Fälle der anfänglichen oder nachträglichen materiellen Unterkapitalisierung unter den Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung zu subsumieren. In diesen Fällen fehlt es nicht nur an einem Vermögensabzug oder -entzug, sondern bereits an einer konkreten schädigenden Handlung seitens der Gesellschafter, die unter den weiteren Begriff des „Eingriffs“ gefasst werden könnte. Einige Vertreter der Lehre gehen jedoch davon aus, dass der BGH diese Formulierung nicht wörtlich verstanden wissen will91. Andernfalls wäre nämlich in den bisher vom Institut des qualifiziert faktischen Konzerns erfassten Fällen der dauerhaften schädlichen Einwirkung auf die Gesellschaft eine Haftung nicht mehr begründbar. Lutter/Banerjea schlagen deshalb vor, auf den Begriff des „Eingriffs“ zu verzichten und wie im qualifiziert faktischen Konzern alleine auf die Zufügung eines „Nachteils“ abzustellen92. Dementsprechend seien auch die in den 87 88 89 90 91 92

Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 166 ff., 246. BGH, ZIP 2000, 494. BGHZ 150, 61. BGHZ 151, 181. So ausdrücklich Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 414. Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 414.

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

beiden Folgeurteilen gewählten noch spezielleren Begriffe des „Vermögensabzugs“ bzw. „Vermögensentzugs“ nicht auf ihren Wortlaut zu beschränken. Vielmehr seien sie als besondere Fallbeispiele der Existenzvernichtung anzusehen, die aber keinesfalls den Tatbestand einschränkten, da auch andere gläubigerschädigende Handlungen einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH darstellen könnten93. Dieser Ansicht ist darin zuzustimmen, dass der BGH durch die gewählten Formulierungen in den beiden letzten Urteilen zur Existenzvernichtungshaftung wohl nicht die Anwendung der Durchgriffshaftung bei existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen, die keinen Vermögensabzug oder -entzug darstellen, ausschließen wollte. Allerdings kommt in der Verwendung dieser engen Begriffe deutlich zum Ausdruck, dass der BGH den Durchgriff nur im Ausnahmefall und unter sehr engen Voraussetzungen zulassen will94. Keinesfalls soll über die Haftungsbeschränkung in der GmbH leichtfertig hinweggegangen werden. Man wird deshalb die Rechtsprechung des BGH nur so verstehen können, dass zumindest ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen erforderlich ist, der eine Missachtung der Grundsätze der Vermögenstrennung und Vermögensbindung erkennen lässt und sich deshalb als Missbrauch der Rechtsform der GmbH darstellt95. Das bloße Unterlassen einer hinreichenden Kapitalausstattung der Gesellschaft genügt diesen Anforderungen keinesfalls96. Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch dann nicht, wenn man mit Altmeppen das vorwerfbare Verhalten der Gesellschafter nicht in einem Unterlassen, sondern in der Fortführung des Betriebes trotz unzureichender Kapitalausstattung sieht97. Dies stellt nur eine Umformulierung des haftungsbegründenden Tatbestandes dar, die nichts daran zu ändern vermag, dass im Betrieb einer unterkapitalisierten Gesellschaft kein existenzvernichtender Eingriff im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu sehen ist. Das haftungsbegründende Verhalten der Gesellschafter besteht dann zwar nicht in einem Unterlassen, sondern in einem positiven Tun, stellt aber dennoch keinen Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft dar, der als Missbrauch der Rechtsform der GmbH anzusehen wäre. Versteht man Altmeppen jedoch dahingehend, dass die Haftung der Gesellschafter an die unterbleibende Durchführung eines notwendigen Insolvenzverfahrens anknüpfen soll, so ist festzustellen, dass hierfür nicht die 93

Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 415. In diesem Sinne auch Weller, IPrax 2003, 520, 524. 95 Ähnlich auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588. 96 So auch Weller, IPrax 2003, 520, 524; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588. 97 Altmeppen, NZG 2003, 145, 149; so auch Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 327 ff. 94

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung

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Existenzvernichtungshaftung, sondern die Insolvenzverschleppungshaftung der Geschäftsführer das geeignete Haftungsinstitut darstellt. Auf den Eintritt einer wie auch immer gearteten materiellen Unterkapitalisierung kann es dann für die Begründung der Haftung gar nicht mehr ankommen. An diesen Versuchen, den haftungsbegründenden Tatbestand der Unterkapitalisierungshaftung durch eine andere Umschreibung des vorwerfbaren Verhaltens auf eine sicherere Grundlage zu stellen, zeigt sich aber auch, dass das Bestehen einer unzureichenden Kapitalausstattung kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Gesellschafter sein kann. Im Unterlassen einer unzureichenden Kapitalausstattung einer Gesellschaft liegt auch kein Verstoß gegen die Grundsätze der Vermögenstrennung und Vermögensbindung, die nach dem BGH aber gerade den Missbrauch der Rechtsform der GmbH begründen. Vielmehr halten sich die Gesellschafter, die das Kapital der Gesellschaft nicht aus ihrem Privatvermögen auffüllen, besonders streng an die Trennung der Vermögensmassen98. Einer derart weiten Auslegung der Existenzvernichtungshaftung steht auch die bisherige ausdrückliche Ablehnung einer Durchgriffshaftung für die Fälle der materiellen Unterkapitalisierung und die zunehmende Verschärfung der Voraussetzungen des existenzvernichtenden Eingriffs durch den BGH entgegen. Zudem kennt das deutsche GmbH-Recht keine Nachschusspflicht der Gesellschafter, deren Verletzung einen Missbrauch begründen könnte99. Eine Erstreckung der Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung auf die Fälle der materiellen Unterkapitalisierung ist damit abzulehnen. 5. Gläubigerschutz Zu bezweifeln ist außerdem, dass die Gläubiger einer GmbH eines derart umfassenden Schutzes, wie ihn die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung bietet, überhaupt bedürfen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht jedes Restrisiko, das mit der Beteiligung am Wirtschaftsverkehr verbunden ist, abfangen kann. Vielmehr trifft die Gläubiger ein gewisses Maß an Eigenverantwortung. Das auf der Privatautonomie basierende Prinzip des „caveat creditor“, wonach die am Rechtsverkehr teilnehmenden Personen sich vor dem vom Gesetzgeber offen gelassenen Restrisiko des Forderungsausfalls selbstverantwortlich zu schützen haben100, gilt zumindest für die Gruppe der vertraglichen Gläubiger. Erfor98

Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 290; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 416. 100 Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH insbesondere im Fall der Unterkapitalisierung, S. 87; Hoffmann, NJW 1966, 1941, 1944 ff.; Kahler, BB 1985, 1429, 99

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

derlich ist in diesem Zusammenhang allerdings eine ausreichende Information des Rechtsverkehrs über die finanzielle Situation der Gesellschaft, die durch die Einführung bzw. den Ausbau von Publizitätspflichten gewährleistet werden kann. Potentielle vertragliche Gläubiger können sich beim Vertragsabschluss mit einer GmbH zusätzliche Sicherheiten bestellen lassen oder aber von einem Vertrag mit der Gesellschaft gänzlich Abstand nehmen, wenn sie die Kapitalausstattung der Gesellschaft für unzureichend halten. Dies gilt insbesondere für die mit einer entsprechenden Machtposition und den notwendigen Informationen ausgestatteten professionellen Kreditgeber und Großlieferanten. Aus der Gruppe der vertraglichen Gläubiger könnten allenfalls die Kleingläubiger, die nicht über eine entsprechende Marktmacht verfügen, um sich zusätzlich abzusichern, einen besonderen Schutz durch das Gesellschaftsrecht benötigen. Allerdings werden auch diese Gläubiger mittelbar durch die von den kreditgebenden Großgläubigern vereinbarten Kontrollinstrumente geschützt. Die Kontrolle, welche die großen Gläubiger über die Gesellschaft ausüben, kommt häufig auch den kleinen Gläubigern zugute. Zudem bleibt auch ihnen, wenn auch nur in eingeschränktem Maße, die Möglichkeit, vom Vertrag Abstand zu nehmen. Bei den deliktischen Gläubigern läuft das Publizitätsargument dagegen leer, da diese unfreiwillig mit der Gesellschaft in Kontakt treten und sich ihren Schuldner deshalb gerade nicht aussuchen können. Angesichts dieser nur eingeschränkten Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs erscheint die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung mit ihren weit reichenden Folgen für die Gesellschafter und die Rechtsform der GmbH im Allgemeinen, umso weniger gerechtfertigt. Die verbleibenden Schutzlücken im Hinblick auf Kleinund Deliktsgläubiger können durch andere Schutzinstrumente, wie den Ausbau der Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB101, geschlossen werden, die nicht derart einschneidende Folgen für die Gesellschafter haben. In Betracht kommt hierbei z. B. auch die Einführung einer Pflichtversicherung für besonders risikoreiche Unternehmungen102. 1433; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, S. 151; zur Geltung dieses Prinzips vgl. auch die ausführliche Darstellung von Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 159 ff.; a. A. Goette, DStR 2005, 197, 198, der befürchtet, dass bei uneingeschränkter Geltung dieses Prinzips die kleinen Gesellschaftsgläubiger auf der Strecke bleiben. 101 Zur Verwirklichung des Gläubigerschutzes vor Unterkapitalisierung durch die Insolvenzverschleppungshaftung bereits BAG, ZIP 1999, 24, 26; hierzu kritisch Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1155; s. hierzu ausführlich Kapitel 6. 102 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 157; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695, 725.

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung

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Kritisch zu betrachten ist die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung auch deshalb, weil sie wiederum auf dem kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodell basiert103. Die Befürworter der Durchgriffslehre betonen genau wie die Verfechter der Mindestkapitalvorschriften die Bedeutung der Sicherung des Garantiekapitals der Gesellschaft als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung. Die Ausgleichsfunktion des Mindeststammkapitals verfehle ihren Zweck, wenn die Kapitalausstattung der Gesellschaft so gering sei, dass sie den Gläubigern in der Unternehmenskrise keine hinreichende Sicherheit biete104. Die Schwächen des Kapitalschutzmodells wurden bereits ausführlich dargestellt, so dass eine erneute Erörterung hier unterbleiben kann. Festzustellen ist aber, dass durch die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung eine über die Vorschriften zum Mindeststammkapital hinausgehende Verpflichtung zur Aufbringung und Erhaltung eines der angestrebten Geschäftstätigkeit angemessenen Garantiekapitals eingeführt werden würde, die im Ergebnis den Forderungen nach einem auf Publizität und Eigenverantwortung beruhenden Gläubigerschutzmodell völlig zuwider läuft. 6. Wettbewerbsnachteil für das deutsche GmbH-Recht Die Anerkennung eines Haftungsdurchgriffs wegen materieller Unterkapitalisierung würde zudem einen weiteren Nachteil für das deutsche GmbHRecht im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen mit sich bringen. Das deutsche GmbH-Recht gilt wegen seiner strengen Regeln zu Kapitalaufbringung und -erhaltung im europäischen Vergleich ohnehin als überreguliert. Würde nun zusätzlich von der Rechtsprechung oder gar im Wege einer gesetzlichen Regelung105 eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung eingeführt, so wären die GmbH-Gesellschafter auch noch der Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme durch die Gläubiger ausgesetzt. Die Rechtsform der GmbH würde damit sowohl für deutsche als auch für ausländische Unternehmensgründer noch unattraktiver. Die Anzahl der in Deutschland ansässigen EU-Auslandsgesellschaften würde weiter ansteigen. Insbesondere die englische private limited company würde aus der Sicht deutscher Unternehmer weiter an Attraktivität gewinnen, da das englische Recht nicht nur keine Mindeststammkapitalvorschriften enthält, sondern auch der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung unter Betonung der rechtlichen Selbständigkeit der juristischen Person grundsätzlich kritisch gegenüber steht. 103

Goette, DStR 2005, 197, 200. Vgl. statt vieler Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30, Rdnr. 52. 105 Eine gesetzliche Regelung der Durchgriffshaftung fordert ausdrücklich und mit konkretem Formulierungsvorschlag Herchen, DB 2003, 2211, 2216. 104

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5. Kap.: Lösung der Gläubigerschutzproblematik

7. Unanwendbarkeit auf EU-Auslandsgesellschaften Gegen die Einführung einer Haftung wegen evident unzureichender Kapitalausstattung spricht auch, dass eine solche Durchgriffshaftung nicht auf im EU-Ausland gegründete Gesellschaften mit effektivem Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar wäre106. Die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ist eindeutig gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren107. Sie basiert wesentlich auf der Sicherstellung eines Haftungsfonds für die Gläubiger als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung und damit auf dem kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodell. In Inspire Art aber hat der EuGH entschieden, dass nationale Mindestkapitalvorschriften nicht gegenüber in anderen Mitgliedstaaten der EU gegründeten Gesellschaften durchgesetzt werden können. Das muss aber erst Recht für einen Haftungsdurchgriff gelten, der die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Aufbringung eines der Geschäftstätigkeit angemessenen Stammkapitals sanktioniert. Englische oder französische Gesellschaften können nach dem Recht ihres Gründungsstaates ohne Aufbringung eines Mindeststammkapitals gegründet werden. Sie sind damit nicht als unterkapitalisiert anzusehen, wenn sie nicht über eine höhere Kapitalausstattung verfügen108. Die Anwendung der Durchgriffshaftung auf EU-Auslandgesellschaften stellt damit nach der Rechtsprechung des EuGH einen eindeutigen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar, da sich das Gesellschaftsstatut grundsätzlich nach dem Recht des Gründungsstaates richtet. Keinesfalls kann die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung als ein vom Gesellschaftsstatut unabhängiger, die einzelnen GmbH-Rechtsordnungen übergreifender Rechtsgrundsatz109 angesehen werden110. So ist man – wie bereits erläutert – in England sehr zurückhaltend bei der Anerkennung eines Haftungsdurchgriffs111. Die Gerichte betonen vielmehr die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft als juristische Person und das Prinzip der beschränkten Haftung112. Und auch in Deutschland konnte sich, wie gezeigt, eine Haf106 So auch Weller, IPrax 2003, 520, 523 f.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 11; a. A. Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589, der eine deliktsrechtliche oder insolvenzrechtliche Qualifikation der Durchgriffstatbestände für möglich hält; ähnlich auch Bayer, BB 2003, 2357, 2364. 107 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669. 108 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669. 109 So die Ansicht des LG Stuttgart, NJW-RR 2002, 463, 466. 110 Vgl. Weller, IPrax 2003, 520, 521. 111 Gower, Principles of Modern Company Law, S. 124 ff.; vgl. hierzu 4. Kapitel II. 4. b). 112 Vgl. die Grundsatzentscheidung Salomon v. Salomon [1892] AC 22.

V. Bewertung des Konzepts der Durchgriffshaftung

203

tung wegen materieller Unterkapitalisierung in der Rechtsprechung nicht durchsetzen113. 8. Ergebnis Die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung ist angesichts der ihr entgegenstehenden dogmatischen und rechtspolitischen Bedenken nicht nur als Lösung für die Gläubigerschutzproblematik bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften, sondern auch generell als Haftungskonzept abzulehnen. Besonders schwer wiegt die mit einer solchen Durchgriffshaftung verbundene, weitgehende Aufhebung der Haftungsbeschränkung in der GmbH, die mit den Grundsätzen des GmbHRechts nicht vereinbar ist und die Rechtsform der GmbH vollends ins Abseits des europäischen Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte stellen würde. Eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung führt zu einer Überbetonung des ohnehin bereits stark ausgeprägten Gläubigerschutzgedankens im deutschen GmbH-Recht und ist mit den Interessen der Unternehmer, denen die GmbH vorrangig zu dienen bestimmt ist, nicht vereinbar. Statt die Schwächen des deutschen Kapitalschutzmodells durch das „Folterinstrument“ der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung zu bekämpfen, sollte das deutsche GmbH-Recht so reformiert werden, dass die unterschiedlichen Interessen von Gläubigern und Unternehmern in Einklang gebracht werden. Dass eine stärkere Berücksichtigung der Unternehmerinteressen nicht notwendigerweise mit einem niedrigen Gläubigerschutzniveau verbunden ist, zeigt der Blick auf das englische Publizitätsmodell, an dem sich die notwendige Reform des deutschen GmbHG orientieren sollte.

113

Vgl. 5. Kapitel III. 1. b).

6. Kapitel

Eigenes Lösungskonzept I. Einleitung Zu klären bleibt, ob nicht andere anerkannte Haftungsinstitute des deutschen Rechts, die sowohl auf „normale“ Gesellschaften als auch auf Vorrats- und Mantelgesellschaften anwendbar sind, – gegebenenfalls nach Ausbau und Verbesserung – einen effektiven Gläubigerschutz vor dem Betrieb von Gesellschaften mit unzureichender Kapitalausstattung bieten. Da die Gläubigerschutzproblematik der Unterkapitalisierung wie gezeigt aus den Schwächen des kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodells resultiert, ist die Lösung außerhalb der Vorschriften zu Kapitalaufbringung und -erhaltung zu suchen. In Betracht kommt hierbei das Insolvenzrecht, das mit der Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB eine Regelung zum Schutz der Gläubiger enthält, die dann eingreift, wenn die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften die Insolvenzreife der Gesellschaft nicht verhindern konnten. Ihr Eingreifen hängt auch nicht davon ab, ob es sich um eine Mantel- oder Vorratsgesellschaft oder um eine neu gegründete Gesellschaft handelt. Ob die Insolvenzverschleppungshaftung nach geltendem Recht einen wirksamen Gläubigerschutz auch im Hinblick auf EU-Auslandsgesellschaften zu gewährleisten vermag oder ob nicht eine Ausdehnung der Haftung notwendig ist, ist im Folgenden zu untersuchen. Sinnvoll erscheint es hierbei wiederum, einen Blick auf das angloamerikanische Publizitätsmodell und seine Gläubigerschutzmechanismen zu werfen. Sowohl in England als auch in den USA wurden der gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutz abgebaut und auftretende Schutzlücken durch eine insolvenzrechtliche Haftung geschlossen.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht 1. Grundsätze der Insolvenzverschleppungshaftung Die Insolvenzverschleppungshaftung stellt eine umfassende Sanktion für die schuldhafte Verschleppung des Insolvenzverfahrens dar. § 64 Abs. 1 GmbHG normiert die Pflicht des Geschäftsführers einer GmbH, im Falle

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Wochen die Insolvenz anzumelden. Tatsächlich aber ist diese Pflicht nicht als Gebot zu verstehen, um jeden Preis den Insolvenzantrag zu stellen, sondern vielmehr als ein Verbot, das Unternehmen nach Eintritt der Insolvenz weiterzuführen und hierdurch eine Schädigung der Gläubiger herbeizuführen1. Deshalb können die Geschäftsführer die Gesellschaft auch sanieren, statt Insolvenz anzumelden, ohne dass hierin ein Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG zu sehen wäre2. § 64 Abs. 1 GmbHG bezweckt nach herrschender Meinung sowohl den Schutz der Altgläubiger vor einem weiteren Vermögensverfall der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife als auch den Schutz der Neugläubiger und damit des gesamten Rechtsverkehrs vor einem Kontakt mit einer insolventen Gesellschaft. Diese Pflicht der Geschäftsführer würde jedoch weitgehend leer laufen, wenn ihre Verletzung nicht sanktioniert würde. § 64 Abs. 1 GmbHG ist deshalb als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB mittlerweile allgemein anerkannt3. Der Geschäftsführer einer GmbH hat demnach gemäß § 64 Abs. 1 i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB bei einer schuldhaften Verletzung der Insolvenzantragspflicht den Gläubigern der GmbH Schadensersatz zu leisten. Nach den vom BGH zur Insolvenzverschleppungshaftung entwickelten Grundsätzen erhalten die Altgläubiger der Gesellschaft, d.h. diejenigen Gläubiger, deren Forderungen schon vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden waren, vom Geschäftsführer den sog. Quotenschaden ersetzt. Dieser besteht in der Differenz zwischen der tatsächlich im verspätet eingeleiteten Insolvenzverfahren erzielten Quote und der hypothetischen Insolvenzquote, die bei rechtzeitiger Antragstellung zu realisieren gewesen wäre. Die Neugläubiger haben nach der neueren Rechtsprechung des BGH dagegen nicht nur einen Anspruch auf den Quotenschaden, sondern auf den gesamten Schaden, der ihnen durch die Insolvenzverschleppung entstanden ist, also auf das negative Interesse4. Vertragliche Neugläubiger sind damit so zu stellen, als hätten sie keinerlei Rechtsbeziehungen zu der insolventen Gesellschaft aufgenommen. 1

Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 13. K. Schmidt, ZIP 1980, 329; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 13. 3 BGHZ 29, 100, 102 ff.; BGHZ 75, 96, 107; BGHZ 126, 181, 190; BGH, ZIP 1993, 763, 764; BGH, NJW 1995, 398, 399; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdnr. 2; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdnr. 1, 82; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 41. 4 BGH, ZIP 1993, 763; BGH, ZIP 1993, 1543; BGHZ 126, 181, 194; Altmeppen, ZIP 1997, 1173, 1178; Kübler, ZGR 1995, 481, 505; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 44 m. w. N. 2

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Zur Begründung der Haftung des Geschäftsführers gemäß § 823 Abs. 2 BGB genügt schon ein fahrlässiger Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG5. Ein solcher ist bereits dann gegeben, wenn der Geschäftsführer die Finanzlage der Gesellschaft nicht ausreichend kontrolliert, Anhaltspunkte für eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verkennt und trotz ersichtlicher Insolvenzreife der Gesellschaft die Stellung eines Insolvenzantrages unterlässt6. Allerdings ist das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Insolvenzverschleppungshaftung grundsätzlich von den Gläubigern zu beweisen7. Hierzu gehört insbesondere das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in dem für die Haftung maßgeblichen Zeitpunkt8. Der Nachweis eines Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht in dem für die Haftung maßgeblichen Zeitpunkt bereitet den Gläubigern regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten, da sie keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft haben. Zudem obliegt den Gläubigern auch der Nachweis des konkreten Schadens9. Eine Beweiserleichterung zugunsten der Gläubiger besteht nur in Bezug auf das Verschulden der Geschäftsführer. Steht die objektive Pflichtverletzung fest, so besteht eine widerlegliche Vermutung für das Verschulden10. De lege lata greift die Insolvenzverschleppungshaftung nach deutschem Recht aber erst dann ein, wenn die Insolvenz bereits eingetreten ist. Im Vorfeld der Insolvenz dagegen, wenn deren Eintritt für die Geschäftsführer bereits absehbar ist, weil sich das Unternehmen in einer existentiellen Krise befindet, besteht noch keine Haftung. Zudem haften grundsätzlich alleine die Geschäftsführer der Gesellschaft für die aus einer verspäteten Antragstellung resultierenden Schäden gemäß § 823 Abs. 2 BGB, da die Insolvenzantragspflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG nur die Geschäftsführer trifft. Eine Mithaftung von Gesellschaftern oder Dritten kommt nur unter den strengen Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB in Betracht11. Den Gläu5 BGHZ 75, 111; OLG Celle, NZG 2002, 730, 732; OLG Thüringen, GmbHR 2002, 112; Haas, DStR 2003, 423, 426 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 30; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 44; a. A. Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rdnr. 87, wonach Vorsatz bezüglich der Zahlungsunfähigkeit, bzw. Überschuldung erforderlich ist. 6 Roth, GmbHG, § 64 Rdnr. 5. 7 BGHZ 126, 181, 200; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 50; Haas, NZG 1999, 379. 8 BGHZ 126, 181, 200. 9 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 50. 10 BGHZ 126, 181, 200; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 50; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdnr. 58; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdnr. 12; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 44.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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bigern stehen deshalb regelmäßig keine Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschafter der GmbH zu. Zu unterscheiden von der auf § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB beruhenden Insolvenzverschleppungshaftung (Außenhaftung) ist die in § 64 Abs. 2 GmbHG geregelte Innenhaftung der Geschäftsführer für Masseschmälerungen gegenüber der Gesellschaft, die in der Zeit von Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung bis zur Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen werden. Die Geschäftsführer sind demnach zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden. Ziel der Haftung ist die Sicherung einer gleichmäßigen und ranggerechten Gläubigerbefriedung12. Der Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG wird vom BGH als „Ersatzanspruch eigener Art“ bezeichnet13 und setzt den Eintritt eines Schadens nicht voraus. Zudem ist er auf Zahlung in das Gesellschaftsvermögen gerichtet und vom Insolvenzverwalter geltend zu machen14. Gemäß § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG ist die Haftung dann ausgeschlossen, wenn die Zahlungen bzw. sonstigen Masseschmälerungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. 2. Anwendung der Insolvenzverschleppungshaftung auf EU-Auslandsgesellschaften Fraglich ist, ob die Insolvenzverschleppungshaftung auch auf in anderen EU-Mitgliedstaaten gegründete Kapitalgesellschaften anwendbar ist oder ob auch sie mit der Niederlassungsfreiheit in Konflikt gerät. Hiervon hängt maßgeblich ihre Gläubigerschutzeffektivität ab. a) Möglichkeit von Sonderanknüpfungen nach der Entscheidung in der Rechtssache Inspire Art Der EuGH hatte in der Rechtssache Inspire Art konkret nur die Anwendung nationaler Kapitalaufbringungsvorschriften auf im Ausland gegründete Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet. Die Interpretationen des Urteils in der Literatur 11

BGHZ 75, 96, 107; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 54. BGHZ 143, 184, 186; BGH, ZIP 2003, 1005, 1006; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 58; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdnr. 70. 13 BGH, NJW 1974, 1089. 14 BGH, GmbHR 2000, 1149, 1150; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rdnr. 58; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Rdnr. 70; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdnr. 38. 12

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

gehen jedoch weit über diese konkrete Aussage hinaus. Die ganz herrschende Meinung wertet das Urteil als Entscheidung zugunsten der Gründungstheorie und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass nunmehr grundsätzlich sämtliche gesellschaftsrechtlichen Fragen nach dem Gründungsstatut zu beurteilen seien15. Ob und inwieweit dennoch eine Anwendung nationaler Vorschriften auf EU-Auslandsgesellschaften auch nach der Inspire-Art-Entscheidung des EuGH in Betracht kommt, ist heftig umstritten. Die Diskussion in der deutschen Literatur wird hierbei insbesondere von der Frage nach der Durchsetzung deutscher Gläubigerschutzvorschriften gegen im Ausland domizilierende Kapitalgesellschaften dominiert. Da der Gerichtshof eine Anwendung der nationalen Kapitalaufbringungsvorschriften, auf denen der Gläubigerschutz im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht im Wesentlichen basiert, ausgeschlossen hat, versucht ein Großteil der Vertreter der Lehre, Wege zu finden, um zumindest den übrigen gläubigerschützenden Vorschriften des deutschen Rechts Geltung zu verschaffen und damit ein Mindestschutzniveau in Bezug auf Auslandsgesellschaften aufrecht zu erhalten. Ein möglicher Weg zur Durchsetzung inländischer Gläubigerschutzvorschriften, der in der Literatur vielfach diskutiert wird, knüpft an die Ausführungen des EuGH zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit an. Zwar hat der Gerichtshof im konkreten Fall entschieden, dass der Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit durch die Mindestkapitalvorschriften nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist. Allerdings hat er die Möglichkeit der Rechtfertigung von Eingriffen auch aus Gründen des Gläubigerschutzes, wenn auch nur unter sehr strengen Voraussetzungen, ausdrücklich anerkannt. Zudem hält der EuGH weiterhin den Einwand der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit für zulässig, auch wenn er in der mit der Absicht der Umgehung inländischer Gründungsvorschriften erfolgten Auslandsgründung gerade keinen Missbrauch sieht. Ein weiterer, häufig erörterter Ansatz zur Sicherung des Gläubigerschutzes stellt darauf ab, dass sich die Entscheidung des EuGH nur auf gesellschaftsrechtliche Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit bezieht und versucht deshalb, die gläubigerschützenden Haftungs- bzw. Durchgriffstatbestände deliktsrechtlich oder insolvenzrechtlich einzuordnen. Zunächst werden in einem ersten Schritt die in der Literatur vertretenen unterschiedlichen Ansätze zur Sonderanknüpfung der deutschen Gläubigerschutzvorschriften erörtert, bevor dann in einem zweiten Schritt die An15 Sandrock, BB 2004, 897, 901; Bayer, BB 2003, 2357, 2363; Behrens, IPrax 2003, 193, 206; ders., IPrax 2004, 20, 25; Weller, IPrax 2003, 520, 520; Spindler/ Berner, RIW 2004, 7, 8; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1201.

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wendbarkeit der Insolvenzverschleppungshaftung auf EU-Auslandsgesellschaften mit effektivem Verwaltungssitz in Deutschland geprüft wird. aa) Missbräuchliche und betrügerische Berufung auf die Niederlassungsfreiheit Wie bereits erwähnt, hat der EuGH die Möglichkeit der Erhebung eines Missbrauchseinwands in der Inspire-Art-Entscheidung ausdrücklich offen gehalten. Nach Auffassung des EuGH sind die Mitgliedstaaten berechtigt, die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um die Umgehung des nationalen Rechts unter missbräuchlicher Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit zu verhindern16. Eine missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf das Gemeinschaftsrecht könne nicht den Schutz des Gemeinschaftsrechts beanspruchen. Ob der EuGH darin eine Einschränkung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit sieht, oder aber einen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe, wird weder in Centros noch in Inspire Art klar, da der Gerichtshof den Rechtsmissbrauch in beiden Urteilen sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtfertigungsebene prüft17. Diese Frage ist aber auch rein dogmatischer Natur und kann dahinstehen, da in beiden Fällen die Anwendung inländischen Rechts auf EU-Auslandsgesellschaften ausnahmsweise zulässig ist18. Dem Missbrauchseinwand kommt jedoch nur sehr eingeschränkte Bedeutung zu, da der EuGH diesen nur unter sehr strengen Voraussetzungen tatsächlich für zulässig hält. Ein den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit rechtfertigender Missbrauch liegt nach Ansicht des EuGH nämlich nicht schon dann vor, wenn ausländische Gesellschaften dazu benutzt werden, die als strenger empfundenen inländischen Gründungsvorschriften zu umgehen19. Dies stelle sich vielmehr als legitime Ausnutzung der durch den EGVertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit dar20. Eine Anwendung na16

EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 98, 136 unter Verweis auf EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 26. 17 EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 17 f., 26 ff.; EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 95 ff., 136 ff. Zudem unterscheidet der EuGH nicht sauber zwischen Missbrauch und Betrug und auch deren Voraussetzungen sind nicht eindeutig geklärt, vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 178; Fleischer, JZ 2003, 865, 869 f. 18 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 8 f. 19 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 96 ff., 137 ff. unter Verweis auf EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 18, 26.

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tionaler Vorschriften auf im EU-Ausland gegründete Gesellschaften unter Berufung auf das Vorliegen einer missbräuchlichen oder betrügerischen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit kommt demnach nur noch in eng begrenzten Einzelfällen und lediglich dann in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die einen Missbrauchsfall begründen21. Die Wahl des am vorteilhaftesten erscheinenden Gesellschaftsrechts genügt für die Begründung eines Missbrauchs alleine nicht. Der Missbrauchseinwand ist stets alleine aus europarechtlicher Sicht zu betrachten und greift deshalb nur dann ein, wenn die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit missbraucht wird, nicht aber dann, wenn nur ein Missbrauch der Rechtsform der juristischen Person vorliegt22. Praktisch relevant wird der Missbrauchseinwand damit allenfalls noch dann, wenn durch die Gründung von EU-Auslandsgesellschaften inländische Tätigkeitsverbote23 umgangen werden sollen oder die Auslandsgründung alleine zu Betrugszwecken24 erfolgt. Für die Frage nach der generellen Möglichkeit von Sonderanknüpfungen spielt der Missbrauchseinwand dagegen keine Rolle. bb) Kollisionsrechtliche Ansätze Ein Teil der Lehre versucht, den inländischen Haftungsinstituten kollisionsrechtlich im Wege der Sonderanknüpfung gegenüber Scheinauslandsgesellschaften Geltung zu verschaffen25. Der notwendige Schutz des inländischen Rechtsverkehrs soll bei grundsätzlicher Anerkennung des ausländischen Gesellschaftsstatuts über eine delikts- oder insolvenzrechtliche Sonderanknüpfung von Haftungsfiguren gewährleistet werden. Die Vertreter dieser Ansicht stellen darauf ab, dass sich die Inspire-Art-Entscheidung nur 20 Der Grundsatz, dass ein Missbrauch des Gemeinschaftsrechts nicht schon dann vorliegt, wenn jemand die vom Gemeinschaftsrecht gebotenen Freiheiten nutzt, hat der EuGH schon in Segers aufgestellt, EuGH v. 10.07.1986, Rs. 79/85, Slg. 1986, 2375, 2387, Rdnr. 16. 21 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 179; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1203; Weller, DStR 2003, 1800, 1803; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 681. 22 Vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 180; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1203. 23 Vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 180, der auf eine mögliche Verletzung der Tätigkeitsverbote gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG oder § 76 Abs. 3 S. 3 und 4 AktG abstellt. 24 Vgl. hierzu das Beispiel bei Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 180; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9. 25 Weller, IPrax 2003, 207; ders., IPrax 2003, 520, 524; ders., DStR 2003, 1800, 1804; Bayer, BB 2003, 2357, 2365. Einen kollisionsrechtlichen Ansatz wählen auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 ff. und Horn, NJW 2004, 893, 899; Beide verlangen aber zusätzlich eine europarechtliche Rechtfertigung.

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auf die Anwendbarkeit gesellschaftsrechtlicher Normen beziehe26. Hieraus wird der Schluss gezogen, dass diese Rechtsprechung auf deliktsrechtlich oder insolvenzrechtlich zu qualifizierende inländischen Haftungsfiguren nicht anzuwenden sei. Bei denjenigen Gläubigerschutzinstrumenten, die nicht dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen seien, entscheide alleine das Kollisionsrecht darüber, welches Recht zur Anwendung gelange27. Die Niederlassungsfreiheit habe hierauf keinerlei Auswirkungen. Das am Ort des effektiven Verwaltungssitzes geltende Recht wäre damit immer dann auf im Ausland gegründete Gesellschaften anwendbar, wenn kollisionsrechtlich an diesen anzuknüpfen ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Ort der Ausübung der Geschäftstätigkeit als Anknüpfungspunkt gilt. Da Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht des Staates für anwendbar erklärt, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat, wären die deliktsrechtlich einzuordnenden Haftungsinstrumente des Sitzstaates regelmäßig auch auf Scheinauslandsgesellschaften anwendbar, da die ersatzpflichtigen Handlungen regelmäßig in dem Staat vorgenommen werden, in dem die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz hat. Aber auch eine insolvenzrechtliche Qualifikation von Haftungsinstituten führt in aller Regel zur Anwendung des am effektiven Verwaltungssitz der Gesellschaft geltenden Sachrechts. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 der EG-Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO)28 sind für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieser wird bei Gesellschaften und juristischen Personen zwar grundsätzlich am Ort ihres Satzungssitzes vermutet (Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO). Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar. Eine im Ausland gegründete Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat und ihre Geschäftstätigkeit nahezu ausschließlich von dort ausübt, hat auch ihren Interessenmittelpunkt in aller Regel im Inland29. Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer in Deutschland domizilierenden Scheinauslandsgesellschaft sind demnach regelmäßig deutsche Insolvenzgerichte zuständig30. In diesen 26 Weller, DStR 2003, 1800, 1804 unter Verweis auf EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, 2. Leitsatz, der seinem Wortlaut nach alleine auf die „gesellschaftsrechtlichen Gründungsvorschriften“ abhebe. 27 Weller, IPrax 2003, 520, 524. 28 Verordnung des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren, ABlEG Nr. L 160 v. 30.06.2000, S. 1 ff. 29 Weller, IPrax 2003, 520, 521; Huber, EuZW 2002, 490, 492. 30 So hat z. B. das AG Hamburg, NJW 2003, 2835, seine Zuständigkeit für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nach der EuInsVO begründet und dementsprechend deutsches Insolvenzrecht angewendet.

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Fällen gelangt aber auch stets deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung. Das Insolvenzverfahren richtet sich gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO nämlich nach dem Insolvenzrecht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nach der sog. lex fori concursus. Nach dem kollisionsrechtlichen Ansatz gelten demnach die inländischen Gläubigerschutzinstrumente des Delikts- und des Insolvenzrechts grundsätzlich auch für im Ausland gegründete Gesellschaften mit effektivem Verwaltungssitz in Deutschland. Hieraus folgt bei Scheinauslandsgesellschaften das grundsätzliche Auseinanderfallen von Gesellschaftsstatut einerseits und Delikts- bzw. Insolvenzstatut andererseits. So einfach diese Lösung angesichts der klaren Regelungen des EGBGB und der EuInsVO auch zu sein scheint, so wirft sie doch erhebliche Probleme auf. Zwar bereitet die Bestimmung des auf Scheinauslandsgesellschaften anzuwendenden Rechts keine größeren Schwierigkeiten, wenn die betreffenden Rechtsinstitute deliktsrechtlich oder aber insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind. Gerade aber die Zuordnung der deutschen Haftungsinstitute zum Gesellschaftsrecht einerseits und zum Deliktsrecht oder Insolvenzrecht andererseits ist häufig nicht eindeutig zu treffen. So ist insbesondere die Qualifikation der vielfach zur Gewährleistung eines ausreichenden Gläubigerschutzes gegenüber im EU-Ausland domizilierenden Scheinauslandsgesellschaften ins Feld geführte Existenzvernichtungshaftung heftig umstritten. Sie weist sowohl Bezüge zum Gesellschaftsrecht, als auch zum Delikts- und Insolvenzrecht auf. Ebenso verhält es sich bei der auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG beruhenden Insolvenzverschleppungshaftung. Die Vertreter des kollisionsrechtlichen Ansatzes versuchen dementsprechend, inländische, dem Gläubigerschutz dienende Haftungsinstitute, wie die Existenzvernichtungshaftung oder die Insolvenzverschleppungshaftung trotz ihres Bezuges zum Gesellschaftsrecht kollisionsrechtlich dem Deliktsrecht oder dem Insolvenzrecht zuzuordnen, um sie auf diesem Wege unabhängig vom anwendbaren Gesellschaftsstatut auch gegenüber Scheinauslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland durchsetzen zu können31. Eine Mindermeinung wählt demgegenüber einen anderen, ebenfalls auf Kollisionsrecht basierenden Ansatz. Sie zieht zur Begründung eine Sonderanknüpfung von inländischen Haftungsfiguren den in Art. 6 EGBGB normierten ordre public heran32. Hiergegen wendet sich jedoch die ganz herrschende Meinung in der Literatur33. Weller begründet die Ablehnung einer 31 Weller, IPrax 2003, 520, 524; ders., DStR 2003, 1800, 1804; Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 ff.; Horn, NJW 2004, 893, 899. 32 In diesem Sinne LG Stuttgart, NJW-RR 2002, 463.

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Sonderanknüpfung über Art. 6 EGBGB damit, dass der Gesetzgeber mit seiner Formulierung des Art. 6 EGBGB den ordre public auf seine negative Funktion begrenzt habe34. Der ordre public könne demnach nur eine Verdrängung ausländischen Rechts begründen. Nur die hierdurch entstandenen Lücken seien dann durch die Anwendung deutschen Rechts zu füllen. Sandrock stellt demgegenüber darauf ab, dass eine Anwendung deutschen Rechts über Art. 6 EGBGB in der Konsequenz dazu führe, dass sämtliche anderen europäischen Gläubigerschutzrechte, wie z. B. das englische oder das französische, als ordre-public-widrig anzusehen wären. Eine solche Schlussfolgerung aber sei mit der EU als „Wertegemeinschaft“ nicht vereinbar35. cc) Sachrechtlicher Ansatz Eine andere Ansicht in der Literatur lehnt eine allein auf die kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung von Haftungsinstituten bezogene Lösung grundsätzlich ab36. Nach der Auffassung von Spindler/Berner kann das Kollisionsrecht nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer nur im Zusammenhang mit dem anzuwendenden Sachrecht. Entscheidend für die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit seien nicht die dogmatische Einordnung der Rechtsinstitute, sondern stets ihre tatsächlichen Auswirkungen im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit37. Die Behandlung von im Ausland gegründeten Gesellschaften nach nationalem Recht müsse unabhängig von der kollisionsrechtlichen Qualifizierung stets auch mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen. Spindler/Berner unterscheiden bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit zwischen den „quasigesellschaftsakzessorischen“ Pflichten, die an die Struktur der Gesellschaften anknüpfen, und den „jedermann“ treffenden Vorschriften38. Für die gesellschaftsakzessorischen Pflichten gelte die Rechtsprechung des EuGH 33

So ausdrücklich Weller, DStR 2003, 1800, 1804; Sandrock, BB 2004, 897,

898. 34 Weller, DStR 2003, 1800, 1804 unter Verweis auf Sonnenberger, in: MüKo BGB, IPR, Art. 6 Rdnr. 5 und Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public 1989, S. 28 ff.; so auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 6 I S. 516 ff., allerdings mit dem Hinweis, dass eine strikte Trennung von positivem und negativem ordre public nicht möglich sei, da beide Funktionen in Abhängigkeit voneinander stünden. Die Ablehnung der Anwendung einer ausländischen Norm beruhe immer auch auf positiven Regelungen des eigenen Rechts. Das nationale Recht diene deshalb nicht nur als Lückenfüller. 35 Sandrock, BB 2004, 897, 898; ders., AG 2004, 57, 62. 36 So ausdrücklich Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9; im Ergebnis wohl auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 665. 37 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9. 38 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 10.

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zur Niederlassungsfreiheit und damit grundsätzlich das Recht des Gründungsstaates. Regelungen, die diesen Bereich beträfen, seien daher grundsätzlich als Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit anzusehen. Die allgemeinen, „jedermann“ treffenden Vorschriften stellten dagegen grundsätzlich keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Eine ganz ähnliche Differenzierung nehmen auch Schanze/Jüttner vor, die zwischen Eingriffen in die „Subjekteigenschaft der Gesellschaft“ und Regelungen des „allgemeinen Verkehrsrechts“39 unterscheiden. Beide Autorenpaare begründen die Einschränkung des Schutzbereichs der Art. 43 und 48 EGV mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Keck, in der der Gerichtshof faktisch neutrale Regelungen, die in- und ausländische Erzeugnisse gleichermaßen betreffen, als bloße Verkaufsmodalitäten aus dem Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit ausgeschlossen hatte, soweit sie nicht zu einer wesentlichen Behinderung des Marktzuganges führen40. Aber auch die Anwendung nationaler Vorschriften, die in die Struktur bzw. die Subjekteigenschaft der Gesellschaft eingreifen, ist nach diesem sachrechtlichen Ansatz nicht grundsätzlich unzulässig, da ein solcher Eingriff in die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt sein kann41. Die Rechtfertigung eines Eingriffs in eine Grundfreiheit erfordert jedoch nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH die Erfüllung von vier Voraussetzungen. Nach dem sog. Vier-Kondiktionen-Test sind grundsätzlich solche Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit zulässig, die „in nicht-diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und zur Erreichung des Zieles geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist“42. dd) Der Ansatz Altmeppens Einen völlig anderen Ansatz zur Durchsetzung des Gesellschaftsrechts des Sitzstaates, der in der Literatur jedoch ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen ist, verfolgt Altmeppen43. Er ist der Auffassung, dass die 39 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 666 ff.; ähnlich auch Borges, ZIP 2004, 733, 740, der zwischen den auf die Gesellschaftsverfassung bezogenen und den die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr regelnden Pflichten differenziert. 40 EuGH v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097 und I-6129 – Keck, Rdnr. 14 ff. 41 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 13; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667. 42 EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 133. 43 Altmeppen, NJW 2004, 97; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083.

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Rechtsprechung des EuGH in der Literatur bei weitem überinterpretiert werde. Der EuGH habe lediglich entschieden, dass auf eine im europäischen Ausland wirksam gegründete Gesellschaft bei Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat nicht das strengere Gründungsrecht dieses Staates angewendet werden dürfe, sondern vielmehr die Auslandsgründung auch im Inland anzuerkennen sei. Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass nunmehr für die Auslandsgesellschaft insgesamt das Recht des Gründungsstaates gelte. Tatsächlich sei auf im EU-Ausland gegründete Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegten, weiterhin deutsches Kapitalgesellschaftsrecht und dabei insbesondere auch das nicht an den Gründungsvorgang anknüpfende Gläubigerschutzrecht anwendbar44. Das Recht des Gründungsstaates sei nur für solche Fragen entscheidend, die „auf das Engste mit der Gründung der Kapitalgesellschaft im Sinne ihrer Entstehung und ihres Bestands“ zusammenhingen. So sei insbesondere das Erlöschen der Gesellschaft, ihre Umwandlung oder Satzungsänderungen trotz Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes ins Ausland nach dem Recht zu beurteilen, nach dem die Gesellschaft gegründet worden sei. Im Übrigen aber richte sich die Behandlung der Scheinauslandsgesellschaft nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz habe. Altmeppen begründet diese These insbesondere mit rechtspraktischen Erwägungen. Die herrschende Interpretation der EuGH-Rechtsprechung führe zu einer Überforderung deutscher Gerichte, die neben dem deutschen Gesellschaftsrecht nunmehr alle anderen Gesellschaftsrechte der 24 EU-Mitgliedstaaten kennen müssten45. Dieses Ergebnis ist nach der Formulierung Altmeppens „der bare Unsinn“46. Aber selbst, wenn man davon ausgehe, dass deutsche Gerichte stets das Recht des Gründungsstaates anzuwenden hätten, so entstünden hierdurch erhebliche und nicht hinnehmbare Schutzlücken, da die Schutzinstrumente des Auslandsrechts mit territorialem Bezug, wie die englische Staatsaufsicht, im Ausland nicht eingreifen könnten47. Altmeppen hält deshalb sowohl die deutschen Kapitalerhaltungsvorschriften als auch die Insolvenzverschleppungs- und die Existenzvernichtungshaftung nach deutschem Recht auf im EU-Ausland gegründete Gesellschaften für uneingeschränkt anwendbar.

44

Altmeppen, NJW 2004, 97, 98 f. Insoweit zustimmend Ulmer, NJW 2004, 1201, 1202. 46 Altmeppen, NJW 2004, 97, 98. 47 Altmeppen, NJW 2004, 97, 99; zustimmend auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1202. 45

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

ee) Stellungnahme Der Ansatz Altmeppens von der auf das Gründungsrecht beschränkten Bedeutung der Niederlassungsfreiheit verkennt die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und geht von einer unzutreffenden Interpretation der EuGHRechtsprechung aus. Altmeppen versucht durch seinen Ansatz zumindest Teile des deutschen Gläubigerschutzmodells zu retten. Die von ihm aufgestellte These ist mit der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit indes nicht vereinbar. Der EuGH stellt in der Inspire-Art-Entscheidung ausdrücklich fest, dass nicht nur die Gründungsvorschriften, sondern auch die Normen, die die Einhaltung des Mindeststammkapitals während des Bestehens der Gesellschaft sichern, nicht auf EU-Auslandsgesellschaften angewendet werden dürfen48. Mit der ganz herrschenden Ansicht ist das Urteil des EuGH in der Sache Inspire Art dahingehend zu interpretieren, dass sich das Gesellschaftsstatut grundsätzlich nach dem Recht beurteilt, in dem die Gesellschaft gegründet wurde49. Nach der Lehre von der Einheit des Gesellschaftsstatuts ist eine Aufspaltung des Gesellschaftsstatuts unzulässig, so dass sich grundsätzlich sämtliche gesellschaftsrechtlichen Fragen nach dem maßgebenden Gesellschaftsstatut richten50. Es verbietet sich deshalb, nur die Gründung der Gesellschaft nach dem Recht des Satzungssitzes zu behandeln und im Übrigen auf das Recht des effektiven Verwaltungssitzes der Gesellschaft abzustellen. Die Anwendung inländischen Gesellschaftsrechts auf im EU-Ausland gegründete Gesellschaften greift unabhängig davon, ob es sich um Gründungsrecht handelt oder nicht, in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ein. Die Niederlassungsfreiheit fordert nicht nur die Anerkennung der Existenz der Auslandsgesellschaft. Vielmehr sind die im Ausland gegründeten Gesellschaften auch im Übrigen entsprechend ihrer Eigenschaft als Auslandsgesellschaften und damit nach dem Recht ihres Gründungsstaats zu behandeln51. 48

EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 104; vgl. hierzu auch Behrens, IPrax 2004, 20, 24; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12. 49 Sandrock, BB 2004, 897, 901; vgl. auch Bayer, BB 2003, 2357, 2363; Behrens, IPrax 2003, 193, 206; ders., IPrax 2004, 20, 25; Weller, IPrax 2003, 520, 520; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 8; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1201. 50 Zur Lehre von der Einheit des Gesellschaftsstatuts Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, 1998, Rdnr. 16, 255; hierauf verweisen auch Behrens, IPrax 2003, 193, 204; Weller, DStR 2003, 1800, 1803; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925, 929. 51 So auch Schön, ZHR 168 (2004) 268, 291; in diesem Sinne auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 666, die die Entscheidung Inspire Art dahingehend interpretieren, dass nicht nur die rechtliche Existenz der Gesellschaft, sondern auch ihre organisationsrechtlichen Eigenschaften, die sog. „Subjekteigenschaften“, anzuerkennen seien.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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Auch das Argument Altmeppens, dass die Anwendung der verschiedenen Gesellschaftsrechte aller 25 Mitgliedstaaten praktisch nahezu unmöglich sei und zu einer völligen Überforderung deutscher Gerichte führe, greift nicht durch. Hiergegen ist zum einen einzuwenden, dass die Anwendung ausländischen Rechts im Internationalen Privatrecht keine Seltenheit darstellt und auch für deutsche Gerichte an der Tagesordnung steht52. Insbesondere im Familienrecht sind Fälle mit Auslandsbezug häufig anzutreffen, die von den Richtern nach ausländischem Recht zu beurteilen sind. Die Richter haben dann aber nicht nur das Recht der 25 Mitgliedstaaten der EU anzuwenden, sondern auch Vorschriften aus anderen Staaten, mit denen sie in keiner Weise vertraut sind. Zwar ist Altmeppen darin zuzustimmen, dass deutsche Richter nicht sämtliche Gesellschaftsrechte aller EU-Staaten studieren können. Sie müssen dies aber auch gar nicht. Auch die Familienrichter kennen nicht alle Familienrechte, die sie anwenden müssen, sondern sie behelfen sich mit der Einholung von Sachverständigengutachten über das jeweilige ausländische Recht. Diese Möglichkeit haben auch die mit dem Gesellschaftsrecht anderer EU-Mitgliedstaaten befassten Gerichte53. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass sich die Fälle häufen werden, in denen deutsche Unternehmer beispielsweise Gesellschaften nach lettischem oder tschechischem Recht gründen. Vielmehr ist zu erwarten, dass deutsche Unternehmensgründer neben der deutschen GmbH vordringlich auf englische, französische und spanische Gesellschaften zurückgreifen werden54. Zur Gründung und Führung einer ausländischen Gesellschaft bedarf es nämlich auch der Kenntnis des jeweiligen Rechts, bzw. sachkundiger Beratung hierüber, die für die unbekannteren Rechte der neuen Mitgliedstaaten der EU in Deutschland kaum zu erlangen sein wird. Auf die Anwendung des englischen, französischen oder spanischen Gesellschaftsrechts aber werden sich Gerichte und Rechtsberatung sicherlich bald einstellen. Insbesondere die Anwälte großer Kanzleien, die mit der Beratung international tätiger Konzerne betraut sind, verfügen bereits über sehr gute Kenntnisse der großen europäischen Gesellschaftsrechtsordnungen55. Aber auch über einen alleine am Kollisionsrecht orientierten Ansatz erhält man keine gemeinschaftsrechtskonforme Lösung zum Problem der 52

So auch Sandrock, BB 2004, 897, 900. Vgl. § 293 S. 2 Hs. 2 ZPO. 54 So auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1202; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; ähnlich auch Wachter, GmbHR 2004, 88, 91, der sogar davon ausgeht, dass sich der Markt nahezu ausschließlich auf das englische Gesellschaftsrecht als Konkurrenzmodell zur deutschen GmbH konzentrieren werde, da viele Großkonzerne mit dem englischen Rechtssystem bereits vertraut und die Sprachbarrieren wegen der weiten Verbreitung der englischen Sprache nicht so hoch seien. 55 In diesem Sinne auch Sandrock, BB 2004, 897, 900. 53

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Durchsetzung nationaler Gläubigerschutzinstrumente gegenüber Scheinauslandsgesellschaften. Zum einen kann zur Begründung einer Sonderanknüpfung nationaler Haftungsfiguren keinesfalls auf den ordre public abgestellt werden. Unabhängig davon, ob man Art. 6 EGBGB alleine auf seine negative Funktion begrenzt und deshalb das nationale Recht in diesem Zusammenhang als reinen Lückenfüller betrachtet, so steht jedenfalls fest, dass der Vorbehalt des Art. 6 EGBGB nur dann eingreift, wenn die anzuwendenden ausländischen Rechtsnormen „zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist“. Dies bedeutet, dass die Anwendung des Art. 6 EGBGB einen Verstoß gegen die grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien des deutschen Rechts voraussetzt56. Ein solcher Verstoß ist aber bei der in Rede stehenden Anwendung von gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften aus den anderen EU-Mitgliedstaaten keinesfalls begründbar. Auch die anderen europäischen Gesellschaftsrechtsordnungen stellen Instrumente zur Verwirklichung eines gewissen Gläubigerschutzniveaus zur Verfügung. Alleine die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten hierbei auf Publizitätsvorschriften statt auf Mindestkapitalvorschriften setzen, führt nicht zu einem Verstoß gegen den ordre public. Zumal nicht einmal geklärt ist, ob die ausländischen Vorschriften nicht einen ähnlich oder sogar besser wirksamen Gläubigerschutz bieten. Zudem ist Sandrock darin zuzustimmen, dass die EU auch eine Wertegemeinschaft darstellt57 und deshalb die Regelung des Art. 6 EGBGB gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten abzumildern ist58. Die Anwendung der deutschen Gläubigerschutzvorschriften auf im EU-Ausland gegründete Gesellschaften kann deshalb nicht mit dem Vorbehalt des ordre public begründet werden. Zum anderen wird aber auch die Ansicht, die einzelnen Haftungsfiguren des nationalen Rechts alleine über eine deliktsrechtliche oder insolvenzrechtliche Sonderanknüpfung Geltung verschaffen will, der Bedeutung der Niederlassungsfreiheit nicht gerecht. Bei der Frage nach der Anwendung nationalen Gläubigerschutzrechts auf Scheinauslandsgesellschaften nur auf das Kollisionsrecht abzustellen, greift zu kurz59. Eine solche Lösung würde dazu 56

Kegel/Schurig, IPR, § 6 III. Sandrock, BB 2004, 897, 898; ders., AG 2004, 57, 62. 58 So schon die Schlussanträge des Generalanwalts Reischl in der Entscheidung des EuGH v. 24.10.1978, Rs. 15/78, Slg. 1978, 1971; Sonnenberger, in: MüKo BGB, Bd. VII, Einl. Rdnr. 188, 189; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, S. 142; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, S. 142f. 59 So auch Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9; sehr deutlich auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 665, die betonen, dass die Art. 43 und 48 EGVals Regelungen des Europarechts und nicht des Kollisionsrechts anzusehen seien. Deswegen sei entscheidend, welche Gläubigerschutzvorschriften kollisionsrechtlich und sachrechtlich 57

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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führen, dass die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten über die Ausgestaltung ihres Kollisionsrechts selbst die Reichweite der Niederlassungsfreiheit bestimmen könnten60. Im Wege einer kollisionsrechtlichen Umqualifizierung bislang gesellschaftsrechtlich eingeordneter nationaler Haftungsinstitute könnte der Grundsatz von der Geltung des Gründungsstatuts ausgehöhlt und die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit umgangen werden. Tatsächlich aber richtet sich das Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht alleine danach, wie eine nationale Vorschrift kollisionsrechtlich eingeordnet wird, sondern auch danach, ob die Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hierdurch „behindert oder zumindest weniger attraktiv“61 gemacht wird62. Die insolvenz- oder deliktsrechtliche Einordnung von inländischen Haftungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten hat keinerlei Auswirkungen auf den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Eine nur am Kollisionsrecht orientierte Sonderanknüpfung hält damit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht stand. Allerdings darf die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit und die hierauf bezogene Rechtsprechung des EuGH auch nicht überbewertet werden. Auch wenn EU-Auslandsgesellschaften grundsätzlich nach dem Gesellschaftsstatut des Gründungstaates zu behandeln sind, haben sie dennoch die Rechtsordnung des Staates zu beachten, an dem sie ihren effektiven Verwaltungssitz haben63. Nicht jede Regelung des Staates des effektiven Verwaltungssitzes, die im EU-Ausland gegründete Gesellschaften beschwert, stellt einen zu rechtfertigenden Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar. Vielmehr ist mit Schanze/Jüttner davon auszugehen, dass die dem allgemeinen Verkehrsrecht zuzuordnenden inländischen Vorschriften, die rechtlich wie faktisch neutral wirken und sowohl inländische wie ausländische Gesellschaften gleichermaßen treffen, keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit begründen64. Dies ergibt sich aus der Keck-Rechtsprechung65 des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit, die auf die Niederlassungsfreiheit entsprechend anzuwenden ist66. Regelungen des allgemeinen Verkehrsrechts begründen mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar seien; im Ansatz auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1205. 60 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9; zweifelnd auch Westermann, ZIP 2005, 1849, 1853. 61 So die Definition der Beschränkung durch den EuGH, vgl. hierzu beispielhaft EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 – Gebhard. 62 So auch Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 10. 63 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667. 64 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667; so auch Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 10, die allerdings eine andere Terminologie verwenden und von „jedermann“ treffende Vorschriften sprechen. 65 EuGH v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097 und I-6129 – Keck, Rdnr. 14 ff.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

demnach nur dann einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, wenn sie den Marktzugang von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten ausnahmsweise erheblich beeinträchtigen. Dieser Lösungsansatz stellt nicht alleine auf die kollisionsrechtliche Qualifizierung von Haftungsinstituten ab, sondern berücksichtigt auch die europarechtlichen Vorgaben der Niederlassungsfreiheit. Es ist davon auszugehen, dass auch der EuGH die Anwendung inländischer Normen, die nicht an die Struktur der Gesellschaft anknüpfen, sondern als Regelungen des allgemeinen Verkehrsrechts anzusehen sind, nicht beanstanden wird. Aus dem oben Gesagten ergibt sich für die Anwendbarkeit von inländischen Haftungsinstituten auf in anderen EU-Mitgliedstaaten gegründete Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegen, folgendes Konzept: Regelungen, die dem allgemeinen Verkehrsrecht zuzurechnen sind, können grundsätzlich auch auf EU-Auslandsgesellschaften angewendet werden. Nur wenn mit ihrer Anwendung eine wesentliche Behinderung des Marktzugangs verbunden ist, ist zu prüfen, ob der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt ist. Diejenigen Vorschriften, welche in die Subjekteigenschaften der Gesellschaft eingreifen, stellen grundsätzlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Auch diese sind jedoch einer Rechtfertigung nach dem Vier-Kondiktionen-Test zugänglich. An eine solche Rechtfertigung stellt der EuGH jedoch, wie in der Inspire-Art-Entscheidung deutlich wird, sehr hohe Anforderungen. Zwar erkennt der EuGH den Gläubigerschutz in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich als zwingenden Grund des Gemeinwohls an67. Allerdings stellt er in Inspire Art klar, dass ein ausreichender Schutz der Gläubigerinteressen bereits durch die Regelungen zu Publizität und Transparenz gewährleistet werde. Diese Argumentation gilt zumindest für vertragliche Gläubiger, die über die Möglichkeit verfügen sich selbst zu schützen68. Hierdurch wird aber auch klar, dass der EuGH die Anwendung nationalen Rechts nur insoweit zulässt, als ein gleichwertiger Schutz der Interessen der Gläubiger nicht durch die Anwendung des Rechts des Gründungsstaates erfolgen kann. Nur dann, wenn sich Schutzlücken ergeben, die durch die Anwendung des primär berufenen Gesellschaftsrechts nicht geschlossen werden können, kommt ausnahmsweise die Anwendung nationalen Rechts in Betracht69. Solche Schutzlücken treten 66

Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 10; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667 f. EuGH v. 09.03.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1484 = NJW 1999, 2027 – Centros, Rdnr. 34 ff.; EuGH v. 05.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-09919 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Rdnr. 92; EuGH v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, Rdnr. 123. 68 Vgl. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 13. 69 Vgl. Merkt, ZGR 2004, 305, 323; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 14; Behrens, IPrax 2004, 20. 67

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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insbesondere dann auf, wenn der Schutz der Gläubiger nach dem Recht des Gründungsstaates nicht durch gesellschaftsrechtliche, sondern durch deliktsrechtliche oder insolvenzrechtliche Haftungsinstitute verwirklicht wird. Dies ist deshalb der Fall, weil zum einen die im Gesellschaftsrecht angesiedelten inländischen Gläubigerschutzvorschriften wegen der zwingenden Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts an das Gründungsrecht nicht anwendbar sind, und zum anderen aber auch die gläubigerschützenden delikts- oder insolvenzrechtlichen Haftungsinstitute des Rechts des Gründungsstaates wegen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Delikts- und Insolvenzrecht an den Handlungsort regelmäßig keine Anwendung finden. b) Sonderanknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung Zunächst ist zu klären, ob die Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 64 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen ist und ihre Anwendung auf ausländische Gesellschaften damit nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellt. Die Insolvenzverschleppungshaftung steht an der Schnittstelle zwischen Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht und allgemeinem Deliktsrecht. Dementsprechend werden für die Insolvenzverschleppungshaftung drei verschiedene qualifikationsrechtliche Einordnungen vertreten. Eine Ansicht versucht die Anwendung der Insolvenzverschleppungshaftung durch eine deliktsrechtliche70 oder eine insolvenzrechtliche Anknüpfung71 auch gegenüber EU-Auslandsgesellschaften zur Anwendung zu bringen. Nach anderer Auffassung ist die Insolvenzverschleppungshaftung jedoch dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen und damit nach Gründungsrecht zu beurteilen72. aa) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation Für eine gesellschaftsrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung könnte sprechen, dass die Insolvenzantragspflichten im deutschen Recht nicht in der Insolvenzordnung, sondern in den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen, insbesondere in § 64 Abs. 1 GmbHG und § 92 Abs. 1 AktG normiert sind73. Das deutsche Insolvenzrecht beschränkt sich darauf, 70 Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Kindler, NZG 2003, 1086, 1090; Merkt, ZGR 2004, 305, 323; Schanze/Jüttner, AG 2003, 665, 670; unentschieden Zimmer, NJW 2003, 3585, 3590. 71 Borges, RIW 2000, 167, 178; ders., ZIP 2004, 733, 737 f.; Müller, NZG 2003, 414, 416; Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348; Weller, IPrax 2003, 520, 522. 72 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12; Altmeppen, NJW 2004, 97, 100 f.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

die Insolvenzeröffnungsgründe zu regeln. Regelungen zu den Antragspflichten finden sich dagegen im jeweiligen Organisationsrecht. Die Befürworter der gesellschaftsrechtlichen Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung sehen darin einen Gleichlauf zur Umschreibung des Insolvenzstatuts in Art. 4 Abs. 2 S. 1 EuInsVO, das nur die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasse und damit auf die Eröffnungsgründe beschränkt sei. Hierfür spreche auch, dass weder Antragspflichten noch haftungsrechtliche Vorschriften in der Aufzählung des Art. 4 Abs. 2 S. 2 EuInsVO erwähnt werden74. Eine insolvenzrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung sei deshalb nicht möglich. Stattdessen weist die Insolvenzverschleppungshaftung nach dieser Ansicht einen starken Bezug zum Gesellschaftsrecht auf, da sie an die Pflichten des Geschäftsführers zur Antragsstellung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG und damit an seine Stellung als Gesellschaftsorgan anknüpfe75. Damit scheide aber auch eine deliktsrechtliche Qualifikation aus, da die Verpflichtung zur Antragstellung gerade nur die Geschäftsführer und nicht „jedermann“ im Sinne einer Regelung des allgemeinen Verkehrsrechts treffe. Nach dieser Ansicht begründet deshalb auch die Anwendung der Insolvenzverschleppungshaftung auf EUAuslandsgesellschaften eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die nur unter den strengen Voraussetzungen des Vier-Kondiktionen-Tests einer Rechtfertigung zugänglich ist. bb) Deliktsrechtliche Qualifikation Qualifiziert man die Insolvenzverschleppungshaftung dagegen deliktsrechtlich, so kommt man regelmäßig zur Anwendung deutschen Rechts auf EU-Auslandsgesellschaften, da gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB im Deliktsrecht das Tatortprinzip als Anknüpfungspunkt gilt. Eine deliktsrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung wird deshalb in Betracht gezogen, weil die Haftung auf der Verletzung einer Schutzpflicht im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB beruht. Nach Ansicht der Befürworter einer deliktsrechtlichen Einordnung ist alleine die Antragspflicht der Geschäftsführer dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen, nicht aber die Haftung für eine Verletzung der Antragspflicht. Die Insolvenzverschleppungshaftung diene dem Schutz des durch die verspätete Antragstellung betroffenen Rechtsverkehrs und sei deshalb dem allgemeinen Verkehrsrecht zuzuordnen76. Als 73 In diesem Sinne Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829, 830. 74 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207. 75 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207 f. 76 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 670.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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allgemein deliktische Regelung stelle die Insolvenzverschleppungshaftung damit keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar und bedürfe deshalb auch keiner Rechtfertigung77. cc) Insolvenzrechtliche Qualifikation In Betracht zu ziehen ist aber auch eine insolvenzrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung. Wie bereits ausführlich dargestellt, sind nach der EG-Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO)78 für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer in Deutschland domizilierenden Scheinauslandsgesellschaft regelmäßig deutsche Insolvenzgerichte zuständig. Da sich das Insolvenzverfahren gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO nach dem Insolvenzrecht des Staates richtet, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gelangt in diesen Fällen stets auch deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung. Damit ist aber noch nichts über die Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung auf EU-Auslandsgesellschaften gesagt. Fraglich ist nämlich, welche Vorschriften nach der Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO zum Insolvenzrecht des Staates des effektiven Verwaltungssitzes zählen. Das Insolvenzstatut nach § 4 EuInsVO ist weit ausgestaltet und umfasst nach Art. 4 Abs. 2 EuInsVO die Voraussetzungen, die Durchführung und die Beendigung des Insolvenzverfahrens79. Damit sind sowohl die Insolvenzfähigkeit der Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland als auch die Insolvenzgründe nach deutschem Recht zu beurteilen. Der Katalog der in Art. 4 Abs. 2 EuInsVO aufgeführten konkreten Beispiele ist allerdings nicht als abschließend anzusehen80. Zu klären ist deshalb, ob auch die Insolvenzverschleppungshaftung dem Insolvenzstatut im Sinne des Art. 4 EuInsVO zuzuordnen ist. Obwohl die Insolvenzantragspflicht, auf deren Verletzung die Insolvenzverschleppungshaftung beruht, nicht in der Insolvenzordnung, sondern in § 64 Abs. 1 GmbHG und damit im Gesellschaftsrecht geregelt ist, ist eine insolvenzrechtliche Qualifikation dennoch vorzugswürdig. Alleine aus der 77

Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 670; Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Kindler, NZG 2003, 1086, 1090; Merkt, ZGR 2004, 305, 323; auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3590, hält eine deliktsrechtliche Einordnung für möglich, lässt die Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung aber im Ergebnis offen. 78 Verordnung des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren, ABlEG Nr. L 160 v. 30.06.2000, S. 1 ff. 79 Borges, ZIP 2004, 733, 737; Lehr, KTS 2000, 577, 579; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 549; Paulus, ZIP 2002, 729, 734 f.; Wimmer, NJW 2002, 2427, 2428 f. 80 H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 415; a. A. wohl Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Einordnung der Antragspflichten in den gesellschaftsrechtlichen Einzelgesetzen durch den Gesetzgeber kann nicht der Schluss gezogen werden, dass diese auch sachlich dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen sind. Entscheidend ist nicht der Regelungsort, sondern der materielle Gehalt der Norm81. Die Antragspflichten weisen einen engen sachlichen Bezug zum Insolvenzrecht auf, und da sie eine rechtzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens bezwecken, dienen sie insbesondere dem Schutz des Rechtsverkehrs vor insolventen Gesellschaften82, der seit jeher einen Bestandteil des Regelungszwecks des Insolvenzrechts darstellt83. Die Antragspflichten stehen zudem in engem Zusammenhang mit den in der Insolvenzordnung geregelten Eröffnungsgründen und der Antragsberechtigung, die zu den Eröffnungsvoraussetzungen für das Insolvenzverfahren zählen84. Die Pflicht zur Antragstellung kann aber nur denjenigen treffen, der auch ein Recht zur Antragstellung hat85. Die Insolvenzantragspflichten ergänzen damit das Insolvenzeröffnungsverfahren und sind dementsprechend dem Insolvenzrecht zuzuordnen. Keinesfalls auf die Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften übertragbar ist allerdings der Straftatbestand des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG für die Verletzung der Antragspflichten86. Dieser bezieht sich alleine auf die Geschäftsführer und ist damit direkt nur auf die Rechtsform der deutschen GmbH anwendbar. Die Bildung einer Analogie zu strafrechtlichen Vorschriften ist aber wegen des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG) grundsätzlich ausgeschlossen. Nichts anderes ergibt sich aber für die Insolvenzverschleppungshaftung. Wenn schon die Antragspflichten insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind, dann muss dies auch für die Haftung wegen Verletzung der Antragspflichten gelten. Die Insolvenzantragspflicht und ihre Sanktion müssen rechtlich aufeinander angestimmt werden und können daher nur einheitlich geregelt werden. Aus diesem Grund scheidet sowohl die gesellschaftsrechtliche als auch die deliktsrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung aus. Hierfür spricht auch, dass der EuGH87 die action en comblement du passif des französischen Rechts, die sich als funktionales Äquivalent der 81

H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 416; Borges, ZIP 2004, 733, 739; Goette, DStR 2005, 197, 200; Röhricht, ZIP 2005, 505, 507. 82 BGHZ 126, 181, 197. 83 Borges, ZIP 2004, 733, 739; Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620. 84 H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 416; Borges, ZIP 2004, 733, 739; M. Fischer, ZIP 2004, 1477, 1481; Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348. 85 H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 416. 86 Zimmer, NJW 2003, 3585, 3590; Weller, IPrax 2003, 207, 208 f.; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256. 87 EuGH v. 02.02.1979, Rs. 133/78, Slg. 1979, I-733 = RIW 1979, 273 – Gourdain/Nadler, Rdnr. 3 ff.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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deutschen Insolvenzverschleppungshaftung darstellt, ausdrücklich dem Insolvenzrecht zugeordnet hat88. Zwar ist im Gegensatz zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung die action en comblement du passif im französischen Recht ebenso wie die Haftung wegen wrongful trading im englischen Recht im Insolvenzrecht geregelt89. Für die Reichweite des Art. 4 EuInsVO kann es aber nicht entscheidend sein, in welchem Gesetz die jeweiligen Staaten die Insolvenzverschleppungshaftung geregelt haben90. Zweck der Regelung der internationalen Zuständigkeit in der EuInsVO ist es, das Insolvenzverfahren in dem Staat durchzuführen, in dem der Schuldner vorwiegend seiner geschäftlichen Tätigkeit nachgegangen ist und in dem damit auch der Rechtsverkehr von der Insolvenz am stärksten betroffen ist. Diesem Staat obliegt dann auch die Abwicklung des gesamten Insolvenzverfahrens nach inländischem Insolvenzrecht. Hierzu gehört aber auch die Sanktionierung einer verspäteten Antragstellung durch die Anwendung der Insolvenzverschleppungshaftung. Somit ist festzustellen, dass auch die Insolvenzverschleppungshaftung dem Insolvenzstatut im Sinne des Art. 4 Abs. 1 EuInsVO zuzuordnen ist. Im Insolvenzverfahren gegen eine EU-Auslandsgesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz in Deutschland gelangt damit grundsätzlich auch das deutsche Institut der Insolvenzverschleppungshaftung zur Anwendung. Allerdings schließt die insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung nicht aus, dass in ihrer Anwendung auf Auslandsgesellschaften ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt91. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Anwendung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung auf im Inland domizilierende EU-Auslandsgesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. 88 H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 416; Borges, ZIP 2004, 733, 739; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3590; Weller, IPrax 2004, 412, 414; Röhricht, ZIP 2005, 505, 507; a. A. Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207, Fn. 61, der aus der insolvenzrechtlichen Einordnung der action en comblement du passif keine Rückschlüsse auf die Qualifikation der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung im Rahmen des Art. 4 EuInsVO ziehen will, da die Entscheidung auf den Besonderheiten des Verfahrens nach französischem Recht und der unabhängigen Auslegung des EuGVÜ beruhe. 89 Die action en comblement du passif war zunächst in Art. 180 des Insolvenzgesetzes von 1985 geregelt, seit dem Jahr 2000 findet sie sich jedoch im insolvenzrechtlichen Teil des neuen code de commerce (Art. L 624-3 CC). Die Haftung wegen wrongful trading ist in Sec. 214 IA 1986 geregelt. 90 Riedemann, GmbHR 2004, 345, 349; Paulus, ZIP 2002, 729, 734. 91 Grundlegend zum Verhältnis von Kollisionsrecht und Niederlassungsfreiheit: Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9 und Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 665; Borges, ZIP 2004, 733, 740; H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 417; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3590; a. A. Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207, Fn. 57, der davon ausgeht, dass sich die Verweisung des Art. 4 EuInsVO auf die lex fori concursus angesichts ihrer integrationsfördernden Zielsetzung kollisionsfrei in das System der Grundfreiheiten einfügt.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

dd) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit Für die Frage nach der Vereinbarkeit der Insolvenzverschleppungshaftung mit der Niederlassungsfreiheit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Haftung in die Subjekteigenschaften der Gesellschaft eingreift und damit eine Beschränkung begründet, die der Rechtfertigung bedarf, oder ob sie sich als Regelung des allgemeinen Verkehrsrechts darstellt, die nach der Keck-Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich zulässig ist. Für die Einordnung als Regelung des allgemeinen Verkehrsrechts spricht, dass die Insolvenzverschleppungshaftung dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor der verzögerten Einleitung eines Insolvenzverfahrens dient. Sie soll damit den betroffenen Rechtsverkehr vor einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers schützen. Dies ist aber gerade der typische Fall einer verkehrsschützenden Regelung und stellt keinen Eingriff in die Subjekteigenschaft der Gesellschaft dar92. Alleine die konkrete Antragspflicht des Geschäftsführers betrifft das Organisationsrecht der Gesellschaft, nicht aber die Haftung für eine Verletzung der Verkehrspflicht. Es muss den Mitgliedstaaten erlaubt sein, den inländischen Rechtsverkehr dadurch zu schützen, dass insolvente Kapitalgesellschaften wirksam aus dem Verkehr gezogen werden können93. Da es sich demnach bei der Insolvenzverschleppungshaftung um eine dem allgemeinen Verkehrsrecht zuzuordnende Regelung handelt, liegt bei entsprechender Anwendung der Keck-Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit nur dann ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vor, wenn sie den Marktzugang von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten ausnahmsweise erheblich beeinträchtigt. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, da die Insolvenzverschleppungshaftung als Teil des deutschen Insolvenzrechts faktisch wie rechtlich neutral wirkt und auf inländische wie ausländische Gesellschaften gleichermaßen anwendbar ist. Die ausländische Gesellschaft hat, wie jede deutsche GmbH, die dem Verkehrsschutz dienenden inländischen Vorschriften zu beachten. Ihre Niederlassungsfreiheit wird hierdurch nicht beeinträchtigt. In diesem Sinne und mit der gleichen Begründung hat auch das Landgericht Köln in der ersten, noch unveröffentlichten landgerichtlichen Entscheidung zu dieser Frage die Haftung des Geschäftsführers einer englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nach den Grundsätzen der Insolvenzverschleppungshaftung bejaht94. 92 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 670; Borges, ZIP 2004, 733, 740; a. A. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12, die wegen der Anknüpfung der Haftung an die Antragspflichten des Geschäftsführers einen Eingriff in die Subjekteigenschaft der Gesellschaft bejahen. 93 Vgl. Borges, ZIP 2004, 733, 740; so auch H.-F. Müller, NZG 2003, 414, 417, der dies jedoch als Argument für eine Rechtfertigung benutzt und einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich bejaht.

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c) Ergebnis Die Anwendbarkeit der Insolvenzverschleppungshaftung als verkehrsrechtlicher Regelung auf EU-Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland steht damit in Einklang mit der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit95. Eine gesellschaftsrechtliche Sonderanknüpfung, die nach der Rechtsprechung des EuGH sehr strengen Voraussetzungen unterliegt, ist wegen ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung gerade nicht notwendig. Der Gläubigerschutz im Hinblick auf EU-Auslandsgesellschaften kann damit zumindest über allgemein verkehrsrechtliche Regelungen gewährleistet werden, ohne dass hierdurch ein Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit entstünde. 3. Rechtsvergleichende Bewertung der Insolvenzverschleppungshaftung a) Nachteile der Insolvenzverschleppungshaftung nach geltendem Recht Der durch die Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB gewährleistete Gläubigerschutz wird in der deutschen Literatur jedoch teilweise als unzureichend kritisiert. Beanstandet wird insbesondere, dass die Haftung erst mit dem tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und damit zu spät eingreife96. Zu diesem Zeitpunkt bestünden kaum noch Chancen für eine Sanierung der Gesellschaft und eine damit verbundene Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger. Diese Kritik beruht auf einem Vergleich mit der in Großbritannien geltenden wrongful-trading-Haftung und der in Frankreich und Belgien anerkannten action en comblement du passif, die als funktionale Äquivalente der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung gelten. Der Vorteil dieser Haftungstatbestände gegenüber dem deutschen Modell der Insolvenzverschleppungshaftung liegt nach dieser Ansicht vor allem darin, dass die Haftung der Geschäftsleiter nicht erst mit Eintritt der Insolvenz, sondern bereits im Vorfeld, nämlich dann eingreift, wenn trotz bestehender Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft für den Geschäftsleiter die insolvenzbe94

LG Köln, Az.: 10 S 44/05; vgl. FAZ v. 18.05.2006. LG Köln, Az.: 10 S 44/05; vgl. FAZ v. 18.05.2006; Borges, ZIP 2004, 733, 740; so auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 670 und Merkt, ZGR 2004, 305, 323, die jedoch in Bezug auf das Kollisionsrecht eine deliktsrechtliche Einordnung vornehmen; a. A. AmtsG Bad Segeberg, GmbHR 2005, 884, 885 f. 96 Bericht der High Level Group, S. 73; so schon Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 754 f. 95

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

dingte Liquidation bereits absehbar ist97. Schon zu diesem Zeitpunkt wird eine Entscheidung der Geschäftsleiter darüber verlangt, ob sie das Unternehmen sanieren oder aber das Liquidationsverfahren einleiten wollen. Führen die Geschäftsleiter den Unternehmensbetrieb allerdings unverändert fort, so haben sie für die Schäden der Gläubiger im Insolvenzverfahren persönlich einzustehen. Durch die Vorverlagerung des Haftungseintritts sollen die Chancen für eine Sanierung des Unternehmens deutlich verbessert werden98. Die wrongful-trading-Haftung wie auch die action en comblement du passif gelten deshalb als wesentlich strenger als das deutsche Institut der Insolvenzverschleppungshaftung. Die Strenge der insolvenzrechtlichen Haftung im englischen Recht rührt insbesondere daher, dass der Gläubigerschutz im angloamerikanischen Rechtskreis grundsätzlich nicht als Regelungsmaterie des Gesellschaftsrechts gilt, sondern über das Insolvenzrecht verwirklicht wird. Nach deutschem Recht aber bestand bislang kein Bedarf für einen verschärften insolvenzrechtlichen Haftungstatbestand, da der Schutz der Gesellschaftsgläubiger nach dem in Deutschland geltenden Kapitalschutzmodell umfassend im Gesellschaftsrecht verankert ist. Durch die schlagartige Liberalisierung des europäischen Gesellschaftskollisionsrechts drohen jedoch erhebliche Lücken im Gläubigerschutz. Solche Lücken entstehen immer dann, wenn der Schutz der Gläubiger nach dem Recht des Gründungsstaates nicht durch dem Gesellschaftsrecht zugeordnete, sondern durch deliktische oder insolvenzrechtliche Instrumente gewährleistet wird, die wegen ihrer kollisionsrechtlichen Anknüpfung an das Recht des Staates des effektiven Verwaltungssitzes regelmäßig nicht zur Anwendung gelangen99. Zur Schließung dieser Schutzlücken kann nach der Rechtsprechung des EuGH aber gerade nicht auf gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzinstitute des Sitzstaates zurückgegriffen werden. Als Lösung dieser Problematik bietet sich deshalb die Entwicklung einer wirksamen insolvenzrechtlichen Haftung an100. Hierfür bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: In Betracht käme zum einen die Einführung einer gemeinsamen europäischen Regelung zur Insolvenzverschleppungshaftung. Die Ausarbeitung einer solchen europaweit geltenden Lösung hat bereits die EU-Kommission in ihrem „Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrecht und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ auf ausdrückliche Empfehlung der High Level Group101 zu einem Reformziel erklärt, das es zumindest mittelfristig zu ver97 Bericht der High Level Group, S. 73; so schon Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 754 f. 98 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 755. 99 Merkt, ZGR 2004, 305, 323. 100 Merkt, ZGR 2004, 305, 323.

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wirklichen gilt102. Die High Level Group empfiehlt in ihrem Bericht, die insolvenzrechtliche Haftung nach dem Vorbild der Haftung für wrongful trading und der action en comblement du passif auszugestalten103. Zum anderen ist aber auch erwägenswert, die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht nach englischem bzw. französischem Vorbild auszubauen und zu verbessern104. Im deutschen Schrifttum ist der Vorschlag der EU-Kommission und der High Level Group zur europaweiten Harmonisierung der Insolvenzverschleppungshaftung überwiegend auf Zustimmung gestoßen105. Uneinheitlich wird allerdings die Vorbildfunktion der wrongful-trading-Haftung bzw. der action en comblement du passif für die Ausgestaltung der Haftung bewertet. Eine Ansicht stimmt dem Vorschlag von EU-Kommission und High Level Group uneingeschränkt zu106. Andere Autoren lehnen dagegen eine Ausrichtung der Haftung am englischen und französischen Recht grundsätzlich ab. Kritisiert wird insbesondere, dass eine Vorverlagerung der Insolvenzverschleppungshaftung nach englischem Vorbild zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde, da die haftungsbegründenden Voraussetzungen nicht ausreichend bestimmt seien107. Hierbei wird auch bezweifelt, dass mit der Anknüpfung an das englische Recht, was den Zeitpunkt des Eintritts der Haftung angeht, überhaupt die beabsichtigte Vorverlagerung der Insolvenzverschleppungshaftung erreicht werden kann. Zudem wird aus deutscher Sicht die Preisgabe der Insolvenzantragspflicht und der hieran anknüpfenden Haftung befürchtet, was einen vollständigen Systemwechsel zur Folge hätte108. Eine dritte Auffassung geht demgegenüber davon aus, dass die Einführung der wrongful-trading-Haftung als europäisches Modell der Insolvenzverschleppungshaftung nur geringe praktische Auswirkungen auf das deutsche Recht hätte, da sich beide Haftungsinstitute im Ergebnis nicht wesentlich unterschieden109. 101

Bericht der High Level Group, S. 12, 73 f. Vgl. Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, S. 19. 103 Bericht der High Level Group, S. 73; ähnlich bereits zuvor Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 752 ff. 104 Merkt, ZGR 2004, 305, 323; so auch Borges, ZIP 2004, 733, 743. 105 Vgl. etwa die Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht (Group of German Experts on Corporate Law), ZIP 2003, 863, 870; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2003, 1008, 1012; Bayer, BB 2004, 1, 7. 106 So insbesondere die Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 870. 107 P. Wiesner, BB 2003, 213, 215; ders., ZIP 2003, 977, 980. 108 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 214 f. 109 Bayer, BB 2004, 1, 7; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2003, 1008, 1012. 102

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Angesichts dieser erheblichen Kritik, die an den Plänen zur europaweiten Einführung einer nach englischem oder französischem Vorbild ausgestalteten Insolvenzverschleppungshaftung geübt wird, ist auch fraglich, ob sich das deutsche Recht bei Verbesserung der nationalen Regelungen zur Insolvenzverschleppungshaftung an der wrongful-trading-Haftung bzw. der action en comblement du passif orientieren kann und sollte. Im Folgenden sind deshalb zunächst die Voraussetzungen, die Rechtsfolgen und die praktische Relevanz der wrongful-trading-Haftung im englischen Recht und der action en comblement du passif im französischen Recht in der gebotenen Kürze darzustellen und zu bewerten, bevor ein Vergleich dieser Haftungsinstitute mit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung angestellt wird und schließlich die damit verbundenen Konsequenzen für die Entwicklung eines Insolvenzhaftungstatbestands auf nationaler wie europäischer Ebene erörtert werden können.

b) Die wrongful-trading-Haftung im englischen Recht aa) Grundlagen und Entstehungsgeschichte Im englischen Recht findet sich keine dem § 64 Abs. 1 GmbHG entsprechende Regelung, die eine Pflicht der Geschäftsleiter zur Stellung eines Insolvenzantrages im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft normiert. Allerdings greift der in sec. 213 IA 1986 geregelte Haftungstatbestand des fraudulent trading ein, wenn die Geschäftsleiter den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft in der Absicht fortführen, die Gläubiger oder andere Personen über ihre Zahlungsfähigkeit zu täuschen. Da die Haftung wegen fraudulent trading aber wegen der besonderen Beweisschwierigkeiten, die wegen der hohen Anforderungen der Gerichte an den subjektiven Tatbestand110 mit dem Nachweis des Vorliegens einer betrügerischen Absicht verbunden sind111, weithin als unzureichend zum Schutz der Gläubiger vor Insolvenzverschleppung empfunden wurde112, hat der englische Gesetzgeber schließlich im Jahr 1986 die wrongful-trading-Haftung in 110 Siehe etwa die bekannte Entscheidung Re Patrick and Lyon Ltd. (1933) Ch. 786, 790, wonach der subjektive Tatbestand „actual dishonesty, involving real moral blame“ voraussetzt. 111 Ausführlich hierzu Fletcher, The Law of Insolvency, Rdnr. 27-014 ff.; Fleischer, AG 1999, 350, 355 f.; ders., DStR 2000, 1015, 1018. 112 Vgl. hierzu bereits den Bericht des Jenkins Committee, Report of the Company Law Committee, 1962, Rdnr. 503 (b); und den Bericht des Cork Committee, Insolvency Law and Practice, Report of the Review Committee, 1982, Rdnr. 1775 ff.; Oditah, Wrongful trading, LMCLQ 1990, S. 205, 206.

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sec. 214 IA 1986113 als wirksame Ergänzung des Gläubigerschutzes eingeführt. Diese ist vom Vorliegen einer betrügerischen Absicht der Geschäftsleiter unabhängig. Der ursprüngliche Vorschlag des zur Überarbeitung des englischen Insolvenzrechts eingesetzten Cork Committee ging dahin, die Haftung wegen wrongful trading daran anzuknüpfen, dass die Geschäftsleiter trotz bestehender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung weitere Verbindlichkeiten für die Gesellschaft begründen, obwohl absehbar ist, dass sie diese nicht erfüllen können114. Damit würde die Haftung wegen wrongful trading wie die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung erst mit dem Zeitpunkt des Insolvenzeintritts und nicht schon vorher eingreifen. Der Vorschlag des Cork Committee wurde jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht 113

Der vollständige Wortlaut der Vorschrift lautet: Sec. 214: Wrongful trading (1) Subject to subsection (3) below, if in the course of the winding up of a company it appears that subsection (2) of this section applies in relation to a person who is or has been a director of the company, the court, on the application of the liquidator, may declare that that person is to be liable to make such contribution (if any) to the company’s assets as the court thinks proper. (2) This section applies in relation to a person if – (a) the company has gone into insolvent liquidation, (b) at some time before the commencement of the winding up of the company, that person knew or ought to have concluded that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation, (c) and that person was a director of the company at that time; but the court shall not make a declaration under this section in any case where the time mentioned in paragraph (b) above was before 28th April 1986. (3) The court shall not make a declaration under this section with respect to any person if it is satisfied that after the condition specified in subsection (2)(b) was first satisfied in relation to him that person took every step with a view to minimising the potential loss to the company’s creditors as (assuming him to have known that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation) he ought to have taken. (4) For the purpose of subsections (2) and (3), the facts which a director of a company ought to know or ascertain, the conclusions which he ought to reach and the steps which he ought to take are those which would be known or ascertained, or reached or taken, by a reasonably diligent person having both – (a) the general knowledge, skill and experience that that director has. (5) The reference in subsection (4) to the functions carried out in relation to a company by a director of the company includes any functions which he does not carry out but which have been entrusted to him. (6) For the purposes of this section a company goes into insolvent liquidation if it goes into liquidation at a time when its assets are insufficient for the payment of its debts and other liabilities and the expenses of the winding up. (7) In this section „director“ includes a shadow director. (8) This section is without prejudice to section 213. 114 Cork Report, S. 399, Rdnr. 1780, S. 400, Rdnr. 1784.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

in dieser Form realisiert. Stattdessen wurde der Tatbestand der Haftung wegen wrongful-trading in seiner endgültigen Fassung, die in sec. 214 IA 1986 geregelt ist, gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf erheblich verschärft, indem der Eintrittszeitpunkt der Haftung zur Gewährleistung eines effektiven Gläubigerschutzes gegen Insolvenzverschleppung vorverlagert wurde, so dass die Geschäftsleiter bereits dann haften, wenn die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft absehbar ist. Sec. 214 IA 1986 wird in der englischen Literatur allgemein als in erster Linie kompensatorisch wirkende Vorschrift mit Strafcharakter angesehen115. Sie dient insbesondere dem Schutz der Kleingläubiger der Gesellschaft, die nicht über die Marktmacht verfügen, sich selbst durch die Vereinbarung von vertraglichen Sicherheiten vor dem Ausfall ihrer Forderungen zu schützen116. Die wrongful-trading-Haftung stellt damit eine Ergänzung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips dar. bb) Haftungsvoraussetzungen (1) Company in insolvent liquidation Voraussetzung für eine Haftung wegen wrongful trading ist zunächst, dass die Gesellschaft insolvenzbedingt liquidiert wird (sec. 214 (2) (a) IA 1986). Sie muss sich im Verfahren des „winding up“ befinden117. Hierunter versteht man ein auf Abwicklung und Beendigung der Gesellschaft gerichtetes Insolvenzverfahren118. Zudem muss die Liquidation auf der Insolvenz der Gesellschaft beruhen. Entscheidend für den Eintritt der Insolvenz ist gemäß sec. 214 (6) IA 1986 alleine die Überschuldung der Gesellschaft, die durch einen sog. „balance-sheet-test“119 festgestellt wird, nicht aber die auf „cash-flow-Problemen“ basierende Zahlungsunfähigkeit120. Insolvent ist eine Gesellschaft somit dann, wenn ihr Vermögen nicht ausreicht, um ihre Verbindlichkeiten und die Kosten des Insolvenzverfahrens auszugleichen121. Grund für die Beschränkung auf den Fall der Überschuldung ist, dass die Haftung nur dann eingreifen soll, wenn die Gläubiger tatsächlich geschädigt 115

Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 653; Pentrice, OJLS 1990, 265, 270. Davies, AG 1998, 346, 350. 117 Vgl. sec. 214 (1) IA 1986. 118 Vgl. Part IV IA 1986. 119 Vgl. sec. 123 (2) IA 1986. 120 Bailey/Groves/Smith, Corporate Insolvency, Rdnr. 16.20; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 464; Snaith, The Law of Corporate Insolvency, Rdnr. 21.11. 121 Hanson/Wilkinson, in Sorensen: Director’s Liabilities in Case of Insolvency – England and Wales, S. 192. 116

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werden, weil das Vermögen der Gesellschaft nicht zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen genügt122. (2) No reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation Des Weiteren setzt die Haftung wegen wrongful trading voraus, dass die Geschäftsleiter bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erkannt haben oder hätten erkennen müssen, dass unter vernünftigen Erwägungen die insolvenzbedingte Liquidation nicht mehr vermeidbar war (sec. 214 (2) (b) IA 1986). Die Feststellung dieser Voraussetzung, des sog. „moment of truth“123, bereitet in den auf die wrongful-trading-Haftung gestützten Prozessen üblicherweise die meisten Probleme124. In der Literatur wird insbesondere der Begriff des „reasonable prospects“ als zu unbestimmt kritisiert125. Im Gesetz finden sich nur wenige Hinweise darauf, was in diesem Zusammenhang von den Geschäftsleitern verlangt wird und wann die Unvermeidbarkeit der Insolvenz für diese als erkennbar anzusehen ist. In sec. 214 (4) IA 1986 ist jedoch zumindest geregelt, an welchem Sorgfaltsmaßstab sich die Geschäftsleiter der Gesellschaft messen lassen müssen. Grundsätzlich ist bei der Prüfung der Frage, ob die Insolvenz für den Geschäftsleiter erkennbar war, auf das Wissen und die allgemeinen Fähigkeiten eines verantwortungsbewussten directors abzustellen126. Es gilt demnach ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab, der die Mindestanforderungen an die Geschäftsleiter regelt127. Zu berücksichtigen ist aber zusätzlich auch ein etwaiges Sonderwissen des einzelnen Geschäftsleiters (sec. 214 (4) (b) IA 1986). Von entscheidender Bedeutung für die Definition der objektiven Anforderungen, die an die Geschäftsleiter gestellt werden, sind nach der Rechtsprechung der englischen Gerichte die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. So richtet sich die vom Geschäftsleiter aufzubringende Sorgfalt insbesondere nach der Größe der Gesellschaft, nach Art und Umfang des ausgeübten Geschäftsbetriebes sowie nach dem Umfang des Aufgabenbereichs des Geschäftsleiters. An den Geschäftsleiter eines großen Unternehmens werden in 122 Bailey/Groves/Smith, Corporate Insolvency, Rdnr. 16.20; Snaith, The Law of Corporate Insolvency, Rdnr. 21.11. 123 So Fletcher, The Law of Insolvency, Rdnr. 27-018. 124 Milman/Durrant, Corporate Insolvency: Law and Practice, Rdnr. 12–39; so auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 184; H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 91. 125 Campbell/Underdown, Corporate Insolvency in Practice, S. 5. 126 Re Produce Marketing Consortium Limited (No. 2) (1989) BCLC 520, 550. In dieser Entscheidung wurden einige wichtige Grundregeln der wrongful-tradingHaftung nach sec. 214 IA 1986 aufgestellt, vgl. hierzu ausführlich H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 86 f. 127 Doyle, TCL 1992, 96, 97.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

aller Regel größere Anforderungen gestellt, als an den Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die einen kleinen Handwerksbetrieb ausübt128. Jedenfalls aber haben die directors die Mindestanforderungen von sec. 214 IA zu erfüllen. Deshalb kann auch von den Geschäftsleitern kleinerer Gesellschaften nicht eingewandt werden, dass sie aufgrund einer verspäteten Erstellung der Bilanz nicht über die finanzielle Lage der Gesellschaft informiert gewesen seien129. Die mit der Feststellung des moment of truth verbundenen Unsicherheiten haben sich auch in der Rechtsprechung niedergeschlagen. Die englischen Gerichte neigen in ihrer Spruchpraxis bisher dazu, den Zeitpunkt, in dem keine Aussicht mehr auf Abwendung der insolvenzbedingten Liquidation der Gesellschaft besteht, relativ weit nach hinten zu verlagern. So wurde in einigen Entscheidungen der moment of truth erst dann angenommen, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig war130. Auch der Eintritt der Überschuldung wird von den Gerichten häufig nicht als entscheidend für das Eingreifen der Haftung angesehen. Vielmehr wird das Hinzutreten weiterer Umstände gefordert, die auf eine offensichtlich negative Fortführungsprognose schließen lassen131. (3) Director of the company Die Haftung wegen wrongful trading trifft gemäß sec. 214 (2) (c) IA 1986 denjenigen, der zu dem Zeitpunkt, in dem die Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Liquidation der Gesellschaft erkennbar war, director (Geschäftsleiter) der Gesellschaft war. Neben den Geschäftsleitern, die dem „board of directors“ angehören, sind aber gemäß sec. 214 (7) IA 1986 ausdrücklich auch die sog. „shadow directors“ erfasst132. Diese sind nicht oder 128 Re Produce Marketing Consortium Limited (No. 2) (1989) BCLC 520, 550; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 470 f. 129 Re Produce Marketing Consortium Limited (No. 2) (1989) BCLC 520, 550. 130 Re DKG Contractors Ltd. (1990) BCC 903, 904; Re Purpoint Limited (1991) BCLC 491, 498. 131 Vgl. z. B. Re Produce Marketing Consortium Ltd. (No. 2) (1989) BCLC 520, 550; Re Brian D. Pierson (Contractors) Limited (1999) BCC 26, 52 f.; Official Receiver v Doshi (2001) 2 BCLC 235, 279 ff. 132 Nach allgemeiner Auffassung werden den wirksam bestellten directors auch die sog. „de facto directors“ gleichgestellt, die im Gegensatz zu den shadow directors nicht nur intern Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen, sondern auch nach Außen als directors auftreten. Entscheidend für die Stellung als de facto director ist zum einen, dass nach Außen hin der Eindruck erweckt wird, dass die betreffende Person Geschäftsleiter der Gesellschaft ist, und zum anderen, dass ihr erheblicher Einfluss auf die Geschäftsführung zukommt; vgl. hierzu ausführlich Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 192 f. und die Entscheidung Re Kaytech International plc. (1999) 2 BCLC 351, 423 f.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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nicht wirksam zu Geschäftsleitern bestellt worden, üben jedoch einen vergleichbaren Einfluss auf die Geschäftsführung aus. Nach der Definition des Gesetzes in sec. 251 IA 1986 versteht man unter der Rechtsfigur des shadow directors diejenigen Personen133, mit deren Vorgaben und Anweisungen das Handeln der Geschäftsleiter der Gesellschaft gewöhnlich in Einklang steht. Ausdrücklich ausgenommen sind aber professionelle Berater der Gesellschaft. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob und unter welchen Umständen Banken und Muttergesellschaften als shadow directors einer Gesellschaft verantwortlich gemacht werden können134. Ursprünglich wurde der Rechtsfigur des shadow directors in der Rechtsprechung nur ein enger Anwendungsbereich zugeordnet. Gefordert wurde, dass sich die wirksam bestellten Geschäftsleiter als „Marionetten“ in der Hand der shadow directors darstellten, die nur nach deren Anweisungen handelten und keine eigenen Entscheidungen mehr trafen135. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1999 hat jedoch der Court of Appeal weitaus geringere Anforderungen an den Grad der Einflussnahme gestellt und das Bild des shadow directors als „Marionettenspieler“ ausdrücklich aufgegeben136. Nach Ansicht des Gerichts ist es nicht notwendig, dass die Geschäftsleiter jegliche Entscheidungsmacht an die shadow directors abgeben, sondern es soll genügen, dass sich die eigentlichen directors in wichtigen Geschäftsbereichen alleine an deren Anweisungen halten. Damit wurde der Anwendungsbereich von sec. 214 (7) IA 1986 insbesondere im Hinblick auf Muttergesellschaften deutlich erweitert137. (4) Ausschluss der Einwendung gemäß sec. 214 (3) IA 1986 Gemäß sec. 214 (3) IA 1986 tritt eine Haftung wegen wrongful trading trotz Vorliegens der bereits erörterten Tatbestandsvoraussetzungen dann nicht ein, wenn der Geschäftsleiter nachweist, dass er bei Eintritt des moment of truth sämtliche Maßnahmen zur Minimierung des Verlusts der 133 Nach ganz herrschender Ansicht fallen neben den natürlichen Personen auch juristische Personen unter den Begriff des shadow directors, da auch juristische Personen zum Geschäftsleiter einer Gesellschaft bestellt werden können, vgl. Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 446. 134 Vgl. Gower, Principles of Modern Company Law, S. 113 f. 135 So ausdrücklich die Entscheidung Re Unisoft Group Limited (No. 3) (1994) 1 BCLC 609, 620, in der das Bild des „puppet-master“, des Marionettenspielers, verwendet wird. 136 Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell (2000) 2 BCLC 133. 137 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung von Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 188 ff.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Gesellschaftsgläubiger vorgenommen hat, die von einem vernünftigen Geschäftsleiter in dieser Situation zu erwarten gewesen wären. Zwar ist in sec. 214 (3) IA 1986 wörtlich von „took every step“ die Rede und damit grundsätzlich keine Einschränkung auf vernünftige Maßnahmen erkennbar. Allerdings ergibt sich eine Beschränkung auf die von einem vernünftigen Geschäftsleiter erwarteten Schritte aus der Regelung in sec. 214 (4) IA 1986. Auch im Rahmen der Exkulpation gilt damit – wie bei der Erkennbarkeit des moment of truth – der bereits ausführlich erörterte Sorgfaltsmaßstab des „reasonable diligent director“138, so dass von den Geschäftsleitern jedenfalls die Erfüllung des objektiven Mindestsorgfaltsmaßstabs gefordert wird. Welche konkreten Maßnahmen der director bei Eintritt der Gesellschaftskrise zu ergreifen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Grundsätzlich darf und sollte der Geschäftsleiter einen professionellen Berater mit dem Krisenmanagement beauftragen und die empfohlenen Maßnahmen möglichst im Einvernehmen mit den betroffenen Gläubigern durchführen139. Nicht immer sind hierbei die Einstellung der Geschäftstätigkeit und die Einleitung des Liquidationsverfahrens als die geeigneten Schritte zur Minimierung der Verluste anzusehen. In vielen Fällen wird es vielmehr gerade notwendig sein, den Geschäftsbetrieb fortzusetzen, um bestehende Gewinnchancen auszunutzen und so das verwertbare Gesellschaftsvermögen zu erhöhen140. cc) Rechtsfolgen Sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, so kann das Gericht die Geschäftsleiter unter Ausübung billigen Ermessens zur Leistung eines angemessenen Geldbetrages in das Gesellschaftsvermögen verurteilen. Den Anspruch gegen die Geschäftsleiter aus wrongful trading kann nur der Insolvenzverwalter geltend machen, nicht aber die einzelnen Gläubiger. Die hierdurch erreichten Ausgleichszahlungen werden nach mittlerweile überwiegender Auffassung nicht durch eine eventuell bestehende floating charge erfasst, so dass gerade ungesicherte Kleingläubiger durch die Haftung geschützt werden141. Bei Ermittlung einer angemessenen Ausgleichszahlung 138

Vgl. Hicks, 14 (1993) TCL, 16, 55, 57. Hicks, 14 (1993) TCL, 16, 55, 58; Goode, Principles of Corporate Insolvency, S. 473.; Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 75 Fn. 46; Oditah, (1990) LMCLQ 205, 214. 140 Goode, Principles of Corporate Insolvency, S. 465, 472 f.; Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 75. 141 Vgl. hierzu die neueren Entscheidungen Re Oasis Merchandising (1997) 1 BCLC 689, 690, 703 und Re Flour Fourteen Ltd. (2001) 2 BCLC 392, 404; in die139

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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ist zu berücksichtigen, dass die wrongful-trading-Haftung in erster Linie der Kompensation des eingetretenen Schadens und nicht der Bestrafung der directors dient142. Deshalb bezieht das Gericht bei Festsetzung des zu leistenden Betrages nicht nur die Leistungsfähigkeit des Geschäftsleiters und das Maß seines Verschuldens ein, sondern vorrangig den Umfang des eingetretenen Schadens. Grundsätzlich haben die Geschäftsleiter deshalb den Betrag als Ausgleich zu leisten, um den sich das Gesellschaftsvermögen durch die verspätete Einleitung des Insolvenzverfahrens verringert hat143. Dies ist dem Ersatz des Quotenschadens bei der Insolvenzverschleppungshaftung nach deutschem Recht vergleichbar144. Der zu leistende Betrag kann jedoch bei einem nur geringen Verschulden des Geschäftsleiters gekürzt werden145. Flankiert wird der Anspruch auf Leistung von Schadensersatz ins Gesellschaftsvermögen durch die Möglichkeit der Disqualifikation eines directors der Gesellschaft, der sich eines wrongful trading schuldig gemacht hat146. Der Ausschluss eines directors von seiner Position kann für bis zu 15 Jahre erfolgen. Dieser kann von dem mit der Schadensersatzforderung befassten Gericht angeordnet (sec. 10 CDDA 1986) oder mit einem selbständigen Antrag verfolgt werden (sec. 6 CDDA 1986). dd) Praktische Relevanz und Bewertung Bei ihrer Einführung wurde die Haftung wegen wrongful trading ganz überwiegend als herausragende Neuentwicklung des englischen Gesellschaftsrechts gefeiert147. Diese Einschätzung basierte insbesondere darauf, dass man sich von der Einführung von sec. 214 IA 1986 eine erhebliche Verbesserung des Schutzes insbesondere der kleinen Gläubiger von private limited companies versprach. Die Bedeutung dieses Tatbestandes, in den das britische Schrifttum so hohe Erwartungen setzte, ist jedoch in der Praxis bis heute gering geblieben und die Begeisterung über den neu geschaffenen Tatbestand schnell verflogen. Nur in geringem Umfang wurden seit seiner Einführung vor fast 20 Jahren Klagen auf sec. 214 IA 1986 gestützt sem Sinne auch Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 81 f.; anders noch Re Produce Marketing Consortium Ltd. (No. 2) (1989) BCLC 520, 554. 142 Re Produce Marketing Consortium Limited (No. 2) (1989) BCLC 520, 553. 143 Re Produce Marketing Consortium Limited (No. 2) (1989) BCLC 520, 553; Re Continental Assurance Co. (2001) BPIR 733, 821. 144 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197. 145 Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 83 f. 146 Vgl. sec. 6 and sec. 10 Company Directors Disqualification Act 1986; H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 81. 147 Vgl. Prentice, 10 (1990) OJLS 265, 277; Oditah, (1990) LMCLQ 205.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

und nur ein kleiner Teil der geführten Prozesse war tatsächlich erfolgreich148. Hieraus wurde in der englischen Literatur vielfach der Schluss gezogen, dass die Haftung wegen wrongful trading den mit ihrer Einführung angestrebten Zweck nicht erfüllt und deshalb als gescheitert anzusehen ist149. Für die geringe praktische Relevanz der wrongful-trading-Haftung lassen sich verschiedene Gründe anführen. Teilweise wird sie darauf zurückgeführt, dass bis heute Unsicherheiten über die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung bestehen, die das Prozessrisiko für den Insolvenzverwalter schwer einschätzbar machen. Schwierigkeiten treten insbesondere bei der Feststellung des moment of truth auf, also dem Zeitpunkt in dem die Insolvenz nach vernünftigen Erwägungen nicht mehr vermeidbar war150. Zudem wird eine auf sec. 214 IA 1986 gestützte Klage insbesondere bei kleinen Unternehmen häufig deshalb nicht erhoben, weil die Durchsetzung eines Anspruches gegen die Geschäftsleiter dann nicht Erfolg versprechend erscheint, wenn diese nach dem Scheitern des Unternehmens auch privat überschuldet sind151. Dieses Argument trifft insbesondere auf kleinere Gesellschaften zu, bei denen die Geschäftsleiter in vielen Fällen persönliche Garantien oder Sicherheiten gewähren müssen, um an Kredite von Banken zu gelangen. In erster Linie wird die geringe Relevanz von sec. 214 IA 1986 in der Rechtswirklichkeit allerdings auf die Behandlung der dem Insolvenzverwalter in Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung entstehenden Prozesskosten im englischen Recht zurückgeführt152. Lange Zeit waren die Kosten einer auf den Tatbestand des wrongful trading gestützten Klage nämlich nicht als Massekosten anerkannt153. Der Insolvenzverwalter konnte deshalb bei Verlust des Prozesses die entstandenen Verfahrenskosten auch dann nicht mit Vorrang aus der Masse ersetzt verlangen, wenn bei Erhebung der Klage begründete Erfolgsaussichten bestanden. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Insolvenzverwalter bisher in vielen Fällen auch von der Erhebung Erfolg versprechender 148 Vgl. zur Bedeutung des Tatbestandes H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 102 f., der von 20 veröffentlichten, auf sec. 214 IA 1986 gestützten Verfahren bis 01.12.2003 ausgeht. 149 So z. B. Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 96, der von der wrongful-trading-Haftung als einem „Papiertiger“ spricht. 150 Hierzu ausführlich unter II. 3. b) bb) (2). 151 Hicks, 14 (1993) TCL 16, 16; so auch H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 104 und Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 180 f. 152 Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 84 ff.; so auch H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 107 ff.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 181. 153 Re MC Bacon Ltd. (No. 2) (1990) BCLC 607 ff.; Re Floor Fourteen Ltd. (Lewis v Inland Revenue Commissioner) (2001) 2 BCLC 392 ff.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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Klagen abgesehen haben, um das damit verbundene erhebliche Kostenrisiko zu vermeiden. Es ist jedoch zu erwarten, dass die praktische Bedeutung der wrongfultrading-Haftung aufgrund der am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Reform der Insolvency Rules 1986154 in Zukunft erheblich zunehmen wird155. Nach der neuen Fassung von Rule 4.218(1)(a) kommt dem Insolvenzverwalter nunmehr auch dann ein vorrangiger Anspruch auf Ersatz der aus einem auf wrongful trading gestützten Prozess entstandenen Kosten aus der Insolvenzmasse zu, wenn die Klage trotz vorheriger Erfolgsaussichten scheitert. Durch die Minimierung des Prozesskostenrisikos des Insolvenzverwalters scheint ein wesentliches Hindernis für die Geltendmachung der wrongfultrading-Haftung beseitigt. Ob die Praxis hierauf tatsächlich in der gewünschten Art und Weise reagieren wird, bleibt abzuwarten und lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen. Der erheblichen, zum Teil auch berechtigten Kritik am Tatbestand des wrongful trading lässt sich jedoch auch entgegenhalten, dass alleine aus der relativ geringen Anzahl der hierauf gestützten Gerichtsverfahren nicht auf die Ineffektivität von sec. 214 IA 1986 geschlossen werden kann. Vielmehr ist auch die präventive Wirkung der wrongful-trading-Haftung zu berücksichtigen156. Dies gilt zum einen im Hinblick auf das Verhalten der Geschäftsleiter bei drohender Insolvenz. Die Geschäftsleiter werden durch die Regelung in sec. 214 IA 1986 nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sie in der Unternehmenskrise besondere Verpflichtungen treffen und sie die Interessen der Gesellschaftsgläubiger in besonderem Maße zu berücksichtigen haben157. Zum anderen beeinflusst die Existenz der wrongfultrading-Haftung auch das Verhalten der Banken, die zunehmend von Wirtschaftsprüfern erstellte Bescheinigungen verlangen, um sicherzustellen, dass die Fortführung des Geschäftsbetriebes einer in der Krise befindlichen Gesellschaft kein wrongful trading darstellt158. Hierdurch wird auch eine verstärkte Kontrolle der Geschäftsleiter der Gesellschaft durch professionelle Berater gewährleistet.

154

Insolvency (Amendment) (No. 2) Rules 2002 (SI 2002/2712). Tolmie, (2003) Insolvency Lawyer, 153, 155; Walters, (2003) Company Lawyer 84, 85; diese Einschätzung teilt auch H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 112 f.; vorsichtiger Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 181. 156 H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 103; so auch Schall, ZIP 2005, 965, 967. 157 H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 103. 158 Ziegel/Sealy, Current Developments in International and Comparative Corporate Insolvency Law, S. 485, 498; vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 181 f. 155

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

c) Die action en comblement du passif im französischen Recht159 aa) Grundlagen Im französischen Recht existiert ebenso wie im deutschen Recht eine Insolvenzantragspflicht des Geschäftsleiters („dirigeant“) einer SARL160. Allerdings knüpft diese Pflicht im Gegensatz zum deutschen Recht alleine an den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft an, nicht aber an das Vorliegen einer Überschuldung. Verletzen die Geschäftsführer die Insolvenzantragspflicht, so greift der Haftungstatbestand der in art. L 624-3 code de commerce161 geregelten action en comblement du passif ein. Die Insolvenzantragspflicht ist aber im französischen Recht von wesentlich geringerer Bedeutung als die Pflicht des Geschäftsleiters einer deutschen GmbH gemäß Art. 64 Abs. 1 GmbHG, da die Haftungstatbestände im französischen Recht nicht alleine auf die Verletzung der Insolvenzantragspflicht abstellen, sondern auch viele andere Pflichtverstöße sanktionieren162. So setzt insbesondere die action en comblement du passif keinen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht voraus, sondern nur einen Fehler in der Geschäftsleitung („faute de gestion“), der nicht einmal in Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz der Gesellschaft begangen worden sein muss. Die Insolvenzverschleppung ist damit nur eine von vielen möglichen Arten von Geschäftsleitungsfehlern, die durch die action en comblement du passif geahndet werden163. Zudem erfasst die action en comblement du passif sowohl das sorgfaltswidrige Verhalten der Geschäftsleiter vor Eintritt einer Unternehmenskrise als auch währenddessen. Aus rechtsdogmatischer Sicht stellt sie sich deshalb als Kombination aus einer insolvenzrechtlich geprägten Organhaftung und einer zeitlich nachgeordneten Krisenverschleppungshaftung dar und geht damit auch über die Regelung im englischen Recht hinaus164. Im Übrigen ähnelt die action en comblement du passif jedoch sehr stark der Haftung wegen wrongful trading.

159 Im belgischen Recht existiert mit Art. 530 code de société eine entsprechende Regelung, auf die hier jedoch nicht gesondert eingegangen wird. 160 Vgl. Art. L. 621-1 CC. 161 Bis zum Jahr 2000 war die action en comblement du passif identisch in Art. 180 L. 85 geregelt. 162 Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan in der kleinen Kapitalgesellschaft im deutschen, französischen und englischen Recht, S. 147. 163 Cass. com. 14.05.1991, Bull. Civ. IV, No. 164; Cass com. 01.12.1992 und 19.01.1993, Dr. soc. 1993, Nr. 53; Cass. com. 19.03.1996, Rev. soc. 1996, 840; Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1372 ff. 164 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 757.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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bb) Haftungsvoraussetzungen (1) „Faute de gestion“ Wie bereits erwähnt, ist Voraussetzung für das Eingreifen der action en comblement du passif, dass dem Geschäftsleiter ein schuldhafter Fehler in der Geschäftsleitung vorgeworfen werden kann. Dieser Geschäftsleitungsfehler muss außerdem dazu geführt haben, dass das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft nicht ausreicht, um die bestehenden Forderungen der Insolvenzgläubiger zu befriedigen165. In den Fällen der Insolvenzverschleppung begründet unbestritten die Verletzung der Insolvenzantragspflicht einen solchen Geschäftsleitungsfehler. Führen die Geschäftsleiter den Geschäftsbetrieb trotz Eintritt der Zahlungsunfähigkeit fort, so haften sie nach den Grundsätzen der action en comblement du passif166. Da jedoch nach französischem Recht eine Insolvenzverschleppung gerade nicht Voraussetzung für das Eingreifen der action en comblement du passif ist, haften die Geschäftsleiter auch unabhängig von einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Erforderlich ist alleine ein Verstoß gegen die allgemeinen Leitungspflichten eines gewissenhaften Geschäftsführers. Ein solcher kann auch dann vorliegen, wenn die Gesellschaft noch nicht zahlungsunfähig ist, sich aber bereits in einer einschneidenden wirtschaftlichen Krise befindet und die Geschäftsleiter die Gläubiger schädigen, indem sie den Geschäftsbetrieb unverändert fortführen. Alleine aus dem Eintritt der wirtschaftlichen Krise resultieren jedoch noch keine verschärften Geschäftsleiterpflichten167. Auch die französische action en comblement du passif greift damit zeitlich früher ein als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung und sanktioniert das pflichtwidrige Verhalten der Geschäftsleiter bereits in der Gesellschaftskrise168. (2) „Dirigeants de droit ou de fait“ Der Adressatenkreis der action en comblement du passif entspricht im Wesentlichen dem der wrongful-trading-Haftung im englischen Recht. Die action en comblement du passif trifft nach der ausdrücklichen gesetzlichen 165

Vgl. Art. L. 621-1 CC. Vgl. Cass. com. 08.10.1996, Bull. Civ. IV, No. 226; Mestre, Droit commercial, Rdnr. 1126; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 199 f. 167 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 757. 168 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 757; Bericht der High Level Group, S. 73 f.; a. A. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 203. 166

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Regelung neben denjenigen, die wirksam zu Geschäftsleitern bestellt wurden, den sog. dirigeants de droit, auch die dirigeants de fait. Hierunter versteht man diejenigen natürlichen oder juristischen Personen169, die ohne ordentlich zum Geschäftsleiter bestellt worden zu sein, regelmäßig und aktiv erheblichen Einfluss auf die Geschäftsleitung nehmen170. Entscheidend für die Stellung des dirigeant de fait ist deshalb die Wahrnehmung von Geschäftsleitungsfunktionen in unabhängiger Stellung neben oder anstelle der eigentlichen Geschäftsleiter171. Als dirigeant de fait kommt insbesondere eine Muttergesellschaft in Betracht, die Einfluss auf eine Konzerntochter ausübt. Ausreichend ist hierbei allerdings nicht die bloße Stellung der Mutter als Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin, sondern erforderlich ist, dass die Muttergesellschaft die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft in einer Intensität beeinflusst, die den eigentlichen Geschäftsleitern im Wesentlichen nur noch die Ausführung der Weisungen überlässt172. Sachlich unterscheidet sich die Rechtsfigur des dirigeant de fait damit kaum von der des shadow directors im englischen Recht173. bb) Rechtsfolgen Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen der action en comblement du passif besteht weitgehende Übereinstimmung mit der wrongful-trading-Haftung des englischen Rechts. Auch die action en comblement du passif begründet keinen direkten Schadensersatzanspruch der Gläubiger. Vielmehr haften die Geschäftsleiter alleine im Innenverhältnis auf Leistung der Ausgleichszahlung in das Gesellschaftsvermögen174. Dieser Anspruch ist vom Insolvenzverwalter geltend zu machen. Die Gläubiger sind dagegen nicht antragsbefugt175. Daneben kann das Insolvenzgericht das Verfahren von Amts wegen einleiten176. 169

So ausdrücklich art. L. 624-2 CC. Pérochon/Bonhomme, Entreprises en difficulté, Rdnr. 428. 171 Cass. com. 25.10.1977, Rev. soc. 1978, 294 m. Anm. Randoux; CA Paris 11.06.1987, Rev. soc. 1987, 629; Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1389. 172 Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1389; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 538. 173 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 204; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 759; Ehrike, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 537 f., 555. 174 Vgl. art. L. 624-3. 175 Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1378; vgl. auch Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 758; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 205. 176 Vgl. art. L. 624-6 Code de commerce; Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1378. 170

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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Die Festsetzung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes steht weitgehend im Ermessen des Gerichts177. Grundsätzlich hat es sich hierbei am eingetretenen Schaden und am Grad des Verschuldens des Geschäftsleiters zu orientieren178. cc) Andere Haftungstatbestände In art. 624-5 No. 4 code de commerce findet sich ein weiterer Haftungstatbestand, der die Insolvenzverschleppung durch die Geschäftsleiter sanktioniert. Dieser greift dann ein, wenn die Geschäftsleiter missbräuchlich und zur Ausnutzung persönlicher Interessen den Geschäftsbetrieb fortsetzen, obwohl die Gesellschaft zahlungsunfähig ist oder dies unvermeidbar erscheint. Liegen diese strengen Voraussetzungen tatsächlich vor, so trifft die Geschäftsleiter auch eine einschneidende Rechtsfolge: Das zuständige Gericht eröffnet ein selbständiges Insolvenzverfahren gegen den Geschäftsleiter und ermöglicht damit einen Zugriff auf dessen Privatvermögen179. Die daneben in Betracht kommenden allgemein zivilrechtlichen Haftungstatbestände werden durch die speziellere action en comblement du passif jedoch grundsätzlich verdrängt180. d) Rechtsvergleichende Bewertung Zu klären ist nunmehr, wie die französische action en comblement du passif und insbesondere die englische wrongful-trading-Haftung im Vergleich zum deutschen Konzept der Insolvenzverschleppungshaftung zu bewerten sind und ob eine am englischen und französischen Recht orientierte Verbesserung der deutschen Konzeption angezeigt ist. Diese Bewertung hat in erster Linie die Effektivität des gewährleisteten Gläubigerschutzes in der Insolvenz zu berücksichtigen.

177

Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1381; auch Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 758; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 205. 178 Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1381; Mestre, Droit Commercial, Rdnr. 1126; vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 205. 179 Vgl. hierzu ausführlich Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1404; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 89 ff.; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz bei Kapitalgesellschaften in Frankreich, S. 156 ff. 180 Vgl. Cass. Com. 20.06.1995, D. 1995, 448; Guyon, Droit des affaires, Bd. 2, Rdnr. 1394.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

aa) Haftungseintritt Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Gläubigerschutzeffektivität ist insbesondere der Zeitpunkt, in dem die Insolvenzverschleppungshaftung eingreift. Fraglich ist, ob mit einer Reform der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung nach dem Vorbild der wrongful-trading-Haftung tatsächlich eine Vorverlagerung des Haftungseintritts und damit auch erhöhte Chancen für eine Sanierung der Gesellschaft verbunden sind, wie dies von den Befürwortern dieser Lösung geltend gemacht wird. Betrachtet man zunächst alleine die rechtliche Ausgestaltung der wrongful-tradingHaftung, so ist festzustellen, dass der Tatbestand tatsächlich bereits bei Eintritt einer Unternehmenskrise eingreift, wenn die Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Liquidation zu diesem Zeitpunkt schon absehbar ist181. Grundsätzlich ist weder die Überschuldung noch die Zahlungsunfähigkeit Haftungsvoraussetzung, so dass die Geschäftsleiter nach englischem Recht bereits vor Eintritt einer Insolvenzlage, die für das Eingreifen der Insolvenzverschleppungshaftung nach deutschem Recht entscheidend ist, zur Verantwortung gezogen werden können. Damit ist jedenfalls nach der theoretischen Konzeption des Gesetzes mit dem Tatbestand des wrongful trading eine Vorverlagerung der Haftung verbunden182. Das von den Gegnern der Einführung einer am wrongful trading orientierten Insolvenzverschleppungshaftung vorgebrachte Argument, dass die praktische Relevanz der wrongful-trading-Haftung weit hinter dieser theoretischen Konzeption zurückbleibe und damit im Ergebnis nicht zu einer Vorverlagerung der Haftung gegenüber dem deutschen Modell führe183, greift nicht durch. Zwar hat der Tatbestand des wrongful trading in der englischen Rechtspraxis tatsächlich nicht die Erwartungen des Gesetzgebers und der Literatur erfüllt. Allerdings ist zu erwarten, dass sich dies in Zukunft wegen der bereits dargestellten Verbesserungen im Verfahrens- und Kostenrecht ändern wird184. Auch die in Bezug auf den objektiven Tat181 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 754; Bericht der High Level Group, S. 73; dies gestehen auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 213 trotz grundsätzlicher Ablehnung der wrongful-trading-Haftung als Vorbild für eine europäische Insolvenzverschleppungshaftung ein. 182 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 754 f.; Bericht der High Level Group, S. 73 f.; Wiesner, BB 2003, 213, 216. 183 So insbesondere Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 213 f., die davon ausgehen, dass die wrongful-trading-Haftung in der gerichtlichen Praxis bestenfalls zum gleichen Zeitpunkt eingreift wie die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung, keinesfalls aber früher; ähnlich auch Bachner, EBOR 5 (2004), 293, 309, der nach einer Rechtsprechungsanalyse zu dem Ergebnis kommt, dass die wrongful-tradingHaftung nur selten früher, in den überwiegenden Fällen aber später eingreift als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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bestand bestehenden Unsicherheiten werden in Zukunft weiter abnehmen, wenn die Gerichte durch eine Zunahme der auf sec. 214 IA 1986 gestützten Klagen die Möglichkeit erhalten, die Haftungsvoraussetzungen und hierbei insbesondere die Anforderungen an den moment of truth zu präzisieren. Zudem kann alleine aus der Tatsache, dass die wrongful-trading-Haftung derzeit noch keine herausragende Bedeutung in der englischen Rechtspraxis erlangt hat, nicht geschlossen werden, dass sie keinen effektiven Gläubigerschutz gewährleistet. Vielmehr führt die Vorverlagerung des Haftungseintritts in das Stadium der Unternehmenskrise unter mehreren Gesichtspunkten zu einer deutlichen Verbesserung der Situation der Gesellschaftsgläubiger. Zum einen wird hierdurch von den Geschäftsleitern die Entscheidung bezüglich einer Sanierung oder Liquidierung der Gesellschaft erheblich früher verlangt, wodurch die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung wesentlich verbessert werden bzw. das vorhandene Gesellschaftsvermögen durch eine vorzeitige Liquidationsentscheidung zur Befriedigung der Gläubiger erhalten bleibt185. Eine solche Verschärfung der Haftung hat damit eine nicht zu unterschätzende präventive Wirkung, indem sie das Verantwortungsbewusstsein der Geschäftsleiter gegenüber den Interessen der Gläubiger bereits in der Unternehmenskrise stärkt186. Zur Gewährleistung eines effektiven Gläubigerschutzes kann deshalb eine Vorverlagerung des Haftungseintritts nach englischem bzw. französischem Vorbild nur befürwortet werden. bb) Adressaten der Haftung Eine eindeutige Verschärfung gegenüber der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung beinhalten die Tatbestände des wrongful trading bzw. der action en comblement du passif auch bezüglich des Adressatenkreises der Haftung. Während nach deutschem Recht grundsätzlich nur der Geschäftsführer den Insolvenzantragspflichten und damit auch der Insolvenzverschleppungshaftung unterliegt, haften nach englischem und französischem Recht neben den Geschäftsleitern auch diejenigen Personen, die erheblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben, insbesondere Muttergesellschaften im Konzernverbund. Ein Auftreten nach außen ist hierfür gerade nicht erforderlich. Im deutschen Recht werden die dominierenden Gesellschafter nur ausnahmsweise in die Haftung einbezogen, wenn sie selbst aktiv an der Geschäftsführung teilnehmen und im Au184

H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 115. Vgl. Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 755; Bericht der High Level Group, S. 73 f. 186 H. C. Hirt, ECFR 2004, 71, 103; Schall, ZIP 2005, 965, 970. 185

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

ßen- und Innenverhältnis für die Gesellschaft handeln187. Außerdem erfasst die Figur des sog. „faktischen Geschäftsführers“ nur natürliche, nicht aber juristische Personen188. Durch die Einbeziehung der Rechtsfiguren des shadow directors bzw. des dirigeant de fait, die nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen erfassen, erlangen die Haftungstatbestände im englischen und französischen Recht eine Konzerndimensionalität, die die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht nicht beinhaltet189. Insbesondere der wrongful-tradingHaftung kommt eine wesentlich weitergehende Funktion zu als der Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht. Die Haftung wegen wrongful trading bezweckt eine umfassende Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos der Fortführung eines in der Krise befindlichen Unternehmens auf diejenigen, die maßgeblich die Geschäftsführung der Gesellschaft beeinflussen. Sie stellt sich damit zumindest auch als allgemeiner Konzernhaftungstatbestand dar190. Ob die wrongful-trading-Haftung und die action en comblement du passif auch in dieser Hinsicht als vorbildhaft für eine Ausweitung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung bzw. für die Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Modells anzusehen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Ausdrücklich befürwortet wurde die Einbeziehung von Konzernsachverhalten insbesondere vom Forum Europaeum Konzernrecht191 und von der High Level Group192, die sich hiervon eine erhebliche Verbesserung des Gläubigerschutzes versprechen. Einige Autoren lehnen dagegen eine solche Ausweitung ab. Sie sind der Ansicht, dass das deutsche Recht selbst wirksame Sanktionen für einen effektiven Gläubigerschutz in der Unternehmenskrise bereithalte, die der englischen wrongful-trading-Haftung deutlich überlegen seien193. So bewirkten die Insolvenzverschleppungshaftung, die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs, die Haftung wegen Treuepflichtverletzung und das Kapitalersatzrecht in ihrem Zusammenspiel eine gerechte Verteilung der Haftungsrisiken. Allenfalls sei die deutsche Insol187 BGHZ 150, 61, 69; BGHZ 104, 44, 48; vgl. hierzu Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdnr. 12 m. w. N.; ausführlich auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 208 f.; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 759. 188 BGHZ 150, 61, 68; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 209; a. A. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 229 f. 189 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 756 f., 758 f. 190 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 209; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 756 f.; Schuberth, Konzernrelevante Regelungen im britischen Recht, S. 192 ff.; Fleischer, AG 1999, 350, 357 f.; 360 f. 191 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 759, 771. 192 Bericht der High Level Group, S. 73 f. 193 Fleischer, AG 1999, 3502, 360; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 210.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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venzverschleppungshaftung durch systemimmanente Korrekturen, wie die Einführung einer Haftung für materielle Unterkapitalisierung zu verbessern194. Angesichts der Schwierigkeiten, denen eine Anwendung der deutschen gesellschaftsrechtlichen Haftungsregelungen auf EU-Auslandsgesellschaften ausgesetzt ist, erscheint aber auch eine Erweiterung des Adressatenkreises der Insolvenzverschleppungshaftung auf die dominierenden Gesellschafter durchaus sinnvoll. cc) Beweislast Verschieden sind die Haftungstatbestände auch im Hinblick auf die Verteilung der Beweislast. Im englischen Recht finden sich im Gegensatz zum deutschen Recht erhebliche Beweiserleichterungen zugunsten des Insolvenzverwalters. Dieser hat nur die objektiven Voraussetzungen des „moment of truth“ zu beweisen. In subjektiver Hinsicht hat der Geschäftsleiter den Nachweis zu führen, dass er die Unvermeidbarkeit der Insolvenz nicht vorhergesehen hat oder vorhersehen konnte. Zudem ist anders als bei der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung der Nachweis des eingetretenen Schadens nicht erforderlich. Im deutschen Recht findet sich nur eine Beweiserleichterung bezüglich des Verschuldens. Auch bezüglich der Beweislastverteilung stellt sich die englische wrongful-trading-Haftung damit für die Geschäftsführer strenger dar als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung. dd) Rechtsfolgen Unterschiede ergeben sich außerdem bezüglich der Rechtsfolgen von wrongful trading und Insolvenzverschleppungshaftung195. Dies gilt zum einen hinsichtlich des Umfangs der Haftung. Während nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Neugläubiger einen Anspruch auf Ersatz ihres gesamten Schadens haben196, werden nach englischer Rechtsprechung Altund Neugläubiger grundsätzlich gleichbehandelt und können grundsätzlich nur den Quotenschaden geltend machen197. Damit wären Neugläubiger nach der wrongful-trading-Haftung schlechter gestellt als im deutschen Recht198. In der gesetzlichen Konzeption findet sich eine solche Einschrän194

Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 210. Vgl. hierzu ausführlich Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 210 ff. 196 BGHZ 126, 181. 197 Re Produce Marketing Consortium Ltd. (No. 2) (1989) BCLC 520, 553; ausführlich hierzu Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197 f., 210 f. und Bachner, EBOR 5 (2004), 293, 310 ff. 195

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

kung der wrongful-trading-Haftung allerdings nicht, da gemäß sec. 214 (1) IA 1986 die Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes im billigen Ermessen des Gerichts steht199. Insofern ergibt sich die unterschiedliche Behandlung der Neugläubiger alleine daraus, dass die englische Rechtsprechung einen anderen Weg geht als der BGH, der jedoch keinesfalls zwingend aus dem Gesetz folgt. Die Ausgestaltung der Haftungstatbestände hängt damit auch insoweit maßgeblich von der Interpretation durch die Gerichte ab. Dieser Umstand sollte bei einer am englischen wrongful trading orientierten Reform berücksichtigt werden, er schließt jedoch keinesfalls die Vorbildfunktion dieser Haftung aus. Zum anderen bestehen hinsichtlich des Anspruchsinhabers und der Geltendmachung der Haftung Abweichungen200. Während die englische wrongful-trading-Haftung ebenso wie die französische action en comblement du passif als reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet ist, die ausschließlich durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann, gibt die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung nach ganz herrschender Ansicht den Gläubigern einen eigenen und direkten Anspruch gegen die Geschäftsführer der Gesellschaft gemäß § 823 Abs. 2 BGB201. Allerdings sind die praktischen Auswirkungen dieses Unterschieds nur sehr gering, da auch im deutschen Recht der Gesamtschaden der Gläubiger gemäß § 92 InsO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist202. Etwas anderes gilt nur für Neugläubiger, für die § 92 InsO nach der Rechtsprechung des BGH nicht gilt203 und ausnahmsweise für Altgläubiger, wenn ein Fall der masselosen Insolvenz vorliegt, in der § 92 InsO mangels Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anwendbar ist204. Nur in diesen Konstellationen können die Gläubiger damit ihren Anspruch direkt gegen die Gesellschafter geltend machen. Auf den Umfang des Anspruchs hat dieser Unterschied indes keinen Einfluss.

198

In diesem Sinne, aber in der Schlussfolgerung zu weitgehend Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174, 211; Bachner, EBOR 5 (2004), 293, 310 ff. 199 So auch Bachner, EBOR 5 (2004), 293, 310. 200 Hierzu ausführlich, aber im Ergebnis wiederum zu weitgehend Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174, 211 f. 201 BGHZ 126, 81, 190 ff.; BGHZ 138, 211, 214 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 49; alleine die in § 64 Abs. 2 GmbHG geregelte Haftung für nach der Insolvenzreife getätigte Zahlungen ist als reine Binnenhaftung ausgestaltet. 202 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 42 m. w. N. 203 BGHZ 138, 211, 214 ff. 204 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdnr. 44.

II. Die Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht

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e) Konsequenzen Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Tatbestand des wrongful trading und die action en comblement du passif in wesentlichen Punkten weit über die Insolvenzverschleppungshaftung nach deutschem Recht hinausgehen und deshalb einen effektiveren Gläubigerschutz gewährleisten. Dies betrifft insbesondere die Vorverlagerung des Haftungseintritts auf den Zeitpunkt der Unternehmenskrise und die Einbeziehung der shadow directors bzw. der dirigeants de fait in den Adressatenkreis der Haftung. Die wrongful-trading-Haftung bzw. die action en comblement du passif werden von den Expertengruppen deshalb zu Recht als Vorbilder für die Ausgestaltung einer europäischen Regelung der Insolvenzverschleppungshaftung bzw. für eine Verbesserung der Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht angesehen. Allerdings sollten die angesprochenen praktischen Probleme dieser Tatbestände bzw. die Teilbereiche, in denen die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung ausnahmsweise weitergeht als das englische und das französische Vorbild, berücksichtigt werden. Gegebenenfalls ist in Einzelpunkten eine Modifizierung des wrongful-trading-Tatbestandes vorzunehmen, um zu einer praxistauglichen Regelung zu gelangen und somit einen größtmögliche Gläubigerschutz zu erreichen. Von einer kritiklosen vollständigen Übernahme der wrongful-trading-Regelung ist dagegen abzuraten. 4. Entwicklung eines europäischen Modells der Insolvenzschleppungshaftung Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs der europäischen Gesellschaftsrechte erscheint auf lange Sicht die Herbeiführung eines gewissen Maßes an Harmonisierung der gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten unausweichlich, um Schutzlücken zu vermeiden205. Zu befürworten ist deshalb auch der Plan der EU-Kommission zur Ausarbeitung einer europäischen Regelung der Insolvenzverschleppungshaftung206. Die europaweite Vereinheitlichung der Insolvenzverschleppungshaftung würde dazu beitragen, dass innerhalb der Mitgliedstaaten ein vergleichbares Gläubigerschutzniveau erreicht würde207. Durch die Einführung eines europäischen, nach dem Vorbild des Tatbestands des 205 Hierzu ausführlich Merkt, RIW 2004, 1; Bayer, BB 2003, 2357,2365 f.; Ebke, JZ 2003, 927, 931; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 185 ff.; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 955; Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1920; a. A. Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 670. 206 Vgl. Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, S. 19. 207 Vgl. den Bericht der High Level Group, S. 73; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 754 f.; zustimmend auch die Arbeitsgruppe Europäisches Ge-

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

wrongful-trading entwickelten Modells der Insolvenzverschleppungshaftung würde ein effektiver Gläubigerschutz gewährleistet. Das Auftreten von Schutzlücken bei grenzüberschreitender Sitzverlagerung würde durch eine solche Rechtsangleichung von vorneherein verhindert und ein Konflikt mit der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit vermieden. Die Fortentwicklung der Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiete der Europäischen Union ist sicherlich der wirksamste Weg, um den Schutz des Rechtsverkehrs angemessen sicherzustellen. Allerdings ist sie auch mit einem langwierigen und schwierigen Gesetzgebungsprozess verbunden, in dem die verschiedenen mitgliedstaatlichen Interessen aufeinander treffen und in Einklang gebracht werden müssen. Bis zum In-Kraft-Treten einer europäischen Richtlinie zur Insolvenzverschleppungshaftung werden sicher noch einige Jahre vergehen, währenddessen die Gläubigerschutzprobleme weiter ungelöst bestehen bleiben.

III. Vorschläge zur Reform des deutschen GmbH-Rechts In dieser Zeit sollten die dringend notwendigen gesellschaftsrechtlichen Reformen auf nationaler Ebene in Gang gebracht werden, um die deutsche GmbH im Wettbewerb der europäischen Gesellschaftsrechte wieder attraktiv zu machen. Diese Notwendigkeit hat mittlerweile auch der Gesetzgeber erkannt. Bereits der Altbundeskanzler hatte in einer Regierungserklärung im März 2005 zwanzig Maßnahmen zur Fortführung der Agenda 2010 angekündigt, mit denen Bürokratie abgebaut und die Gründung einer GmbH erheblich erleichtert werden sollte. In einem ersten Schritt wurde deshalb bereits im April 2005 ein Referentenentwurf zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG) vorgelegt, der die Herabsetzung des Mindeststammkapitals von 25.000 auf 10.000 Euro vorsah. Dieser Entwurf wurde jedoch wegen der vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr umgesetzt. Die neue Regierung veröffentlichte am 29.05.2006 ihrerseits einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Monderniesierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)208. Dieser Entwurf enthält grundlegende Änderungen des GmbHG und soll die Rechtsform der GmbH modernisieren und für den internationalen Wettbewerb wappnen. Eckpunkte sind – wie auch im vorherigen Referentenentwurf – insbesondere eine Herabsenkung des Mindeststammkapitals von 25.000 auf 10.000 Euro. Daneben soll die Registereintragung bei GmbH-Gründungen beschleunigt wersellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 870; ebenso Bayer, BB 2004, 1, 7; ders., BB 2003, 2357, 2365 f. 208 Der Referentenentwurf ist abrufbar unter „www.bmj.bund.de/media/archive/ 1236.pdf“.

III. Vorschläge zur Reform des deutschen GmbH-Rechts

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den. Schließlich soll das Gesetz einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH durch die Einführung verschiedener Maßnahmen bekämpft werden. Möglichkeiten für Reformen des deutschen GmbH-Rechts wurden bereits an einigen Stellen dieser Arbeit angesprochen. Im Folgenden sollen nunmehr einige konkrete Reformvorschläge erörtert werden, die insbesondere im Hinblick auf die europäischen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen sinnvoll oder sogar erforderlich erscheinen. Die Reform sollte die Interessen der Unternehmen mit dem Schutz der Gläubiger in Einklang bringen und so die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts steigern. Zudem sind die Anforderungen der Niederlassungsfreiheit zu beachten. 1. Ausbau der Insolvenzschleppungshaftung im deutschen Recht In Betracht kommt zum einen eine Reform der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung209. Durch die Ausgestaltung einer verbesserten Regelung auf nationaler Ebene könnte schneller und flexibler auf die neuen Anforderungen in Bezug auf den Gläubigerschutz reagiert werden. Insbesondere könnten die auftretenden Schutzlücken kurzfristig geschlossen werden, ohne dass der langwierige Prozess zur Einführung einer EU-weiten Regelung abgewartet werden müsste. Auch im Rahmen des Ausbaus und der Verbesserung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB ist eine Orientierung an den Haftungsinstituten des wrongful trading bzw. der action en comblement du passif empfehlenswert210. Als wichtigster Reformansatz ist hierbei die Vorverlagerung der Insolvenzverschleppungshaftung auf den Zeitpunkt des Eintritts einer Unternehmenskrise entsprechend dem Vorbild der englischen Regelung anzusehen. Für die Umsetzung bieten sich indes verschiedene Regelungsmöglichkeiten an. Zu denken ist zum einen an eine zeitlich früher eingreifende Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB nach sich zieht. Zum anderen wäre aber auch an eine Ausweitung der Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG zu denken, so dass auch in der Unternehmenskrise getätigte Zahlungen erfasst würden211. Von einer gänzlichen Abschaffung der Insolvenzantragspflichten sollte dagegen abgesehen werden, da diese zumindest ab dem Zeitpunkt der Insolvenzreife durch das Nebeneinander von zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verantwortlichkeit einen wirksamen Gläubigerschutz gewährleisten. 209 210 211

Merkt, ZGR 2004, 305, 323; Borges, ZIP 2004, 733, 743 f. Merkt, ZGR 2004, 305, 323; Borges, ZIP 2004, 733, 743 f. In diesem Sinne Wachter, GmbHR 2004, 88, 101.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Jedenfalls aber sollten die Voraussetzungen für die Haftung klar formuliert werden, da die Feststellung der Unternehmenskrise wie im englischen Recht erhebliche praktische Probleme nach sich ziehen kann. Zu warnen ist deshalb auch vor einer zu starken Vorverlagerung des § 64 Abs. 1 GmbHG, welche die Feststellung des Haftungseintritts und damit die praktische Handhabung der Haftung erschweren würde. Eine nähere Ausgestaltung der Haftungsvoraussetzungen würde aber sicherlich auch die deutsche Rechtsprechung gewährleisten. Zudem sollte die Durchsetzung der Ansprüche durch eine Beweislastumkehr zu Lasten der Geschäftsführer nach englischem Vorbild erleichtert werden212. Zusätzlich erscheint aber auch eine Einbeziehung der Gesellschafter in den Anwendungsbereich des § 64 GmbHG sinnvoll. Zu denken wäre hierbei einerseits an die Begründung einer speziellen Verantwortlichkeit von Konzernmuttergesellschaften in der Unternehmenskrise213. Andererseits könnte aber auch die Insolvenzantragspflicht in bestimmten Fällen auf alle Gesellschafter ausgedehnt werden214. Dies ist insbesondere für die Fälle in Betracht zu ziehen, in denen die Geschäftsführer der Gesellschaft nicht erreichbar sind. Durch die Begründung einer solchen Ersatzzuständigkeit der Gesellschafter kann die Gefahr der Umgehung der Insolvenzantragspflicht durch die Geschäftsführer vermieden werden. Durch eine solche Verschärfung der Insolvenzverschleppungshaftung im deutschen Recht würde der Gläubigerschutz in der Krise und Insolvenz von Gesellschaften erheblich verbessert und Schutzlücken in Bezug auf ausländische Gesellschaften geschlossen. Die Verlagerung des Gläubigerschutzes ins Insolvenzrecht ermöglicht es im Gegenzug die gläubigerschützenden Vorschriften im Gesellschaftsrecht, die insbesondere das Gründungsverfahren betreffen und Unternehmer erheblich belasten, abzubauen und somit die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen GmbH-Rechts zu stärken. 2. Ausbau und Ergänzung der Publizitätsvorschriften Flankiert werden sollte die Einführung einer strengeren Insolvenzverschleppungshaftung durch eine Ergänzung der Publizitätsvorschriften. Verbessert werden sollte hierbei insbesondere die Information des Rechtsverkehrs über die Kapitalausstattung der Gesellschaft. Dies könnte beispielsweise durch die Schaffung einer Pflicht zur Offenlegung des satzungsmäßigen Stammkapitals der Gesellschaft auf Geschäftsbriefen erreicht werden, 212 213 214

Merkt, ZGR 2004, 305, 323. Fleischer, AG 1999, 350, 360 f. So auch Wachter, GmbHR 2004, 88, 101.

III. Vorschläge zur Reform des deutschen GmbH-Rechts

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wodurch potentielle Vertragspartner zumindest über das ursprünglich eingezahlte Kapital informiert würden. Zur wirkungsvollen Durchsetzung der Publizitätspflichten sollten zudem weitergehende Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße geschaffen werden. Erforderlich ist daneben die Einführung eines europaweit abrufbaren online-Handelsregisters wie dies bereits in England215 und Frankreich216 vorbildhaft verwirklicht wurde217. Die Pflicht zur Einführung von elektronischen Handelsregistern in den einzelnen Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2007 ist bereits Gegenstand der geänderten Publizitätsrichtlinie218. Diese Richtlinie ist in Deutschland bislang noch nicht umgesetzt worden. Im April 2005 hat jedoch das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf eines Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet219. Spätestens ab dem 1. Januar 2007 sollen dann sämtliche im Handelsregister geführten Daten eines Unternehmens zentral über das Internet abgerufen werden können220. Das Handelsregister soll nach diesem Gesetzesentwurf dann zu einem Unternehmensregister ausgebaut werden, das sämtliche veröffentlichungspflichtige Daten über registrierte Unternehmen online zur Verfügung stellt221. Dieses Vorhaben ist ausdrücklich zu begrüßen, da hierdurch die Informationsgewinnung für den Rechtsverkehr erheblich einfacher und die Kapitalausstattung der Unternehmen transparenter wird222. Durch solche Publizitätsvorschriften, die vor allem aus dem englischen Gesellschaftsrecht bekannt sind, wird die Eigenverantwortung der Gläubiger gestärkt, die nunmehr selbst abwägen können und müssen, mit welchen Gesellschaften sie vertragliche Beziehungen eingehen wollen, bzw. ob sie zusätzliche Sicherheiten für ihre Forderungen verlangen. Mit der Einführung von zusätzlichen Publizitätsvorschriften würde die Effektivität des Gläubigerschutzes erheblich verbessert, ohne dass hiermit eine besondere zusätzliche Belastung der Unternehmer verbunden wäre. 215 „Registre National du Commerce et Société (EURIDILE)“, abrufbar unter „www.euridile.inpi.fr/weur2/init.ow?WRNCSRV2=0410573311219397“. 216 „Companies House“, abrufbar unter „www.companieshouse.gov.uk“. 217 Bericht der High Level Group, S. 41 ff.; so auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 671; Holzborn/Israel, NJW 2003, 3014. 218 Richtlinie 2003/58 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.07.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. Nr. L 221/13 v. 04.09.2003. 219 Der Entwurf ist abrufbar unter „www.bmj.de/media/archive/890.pdf“. 220 Vgl. Vorblatt des Referentenentwurfes zum EHUG. 221 Vgl. Vorblatt des Referentenentwurfes zum EHUG. 222 So auch S. 84 des Referentenentwurfes zum EHUG.

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6. Kap.: Eigenes Lösungskonzept

Der entscheidende Vorteil des elektronischen Registers liegt jedoch in der damit verbundenen Entlastung der Verwaltung, die eine Beschleunigung des Eintragungsverfahrens bewirken und somit auch die GmbH als Rechtsform attraktiver machen soll223. 3. Deregulierung und Beschleunigung des Gründungsverfahrens Dringend notwendig erscheint es außerdem, die Deregulierung und Beschleunigung des Gründungsverfahrens voranzutreiben224. Wie bereits in jüngster Zeit im französischen und spanischen Recht geschehen, sollte auch in Deutschland das Gründungsverfahren vereinfacht werden, um die Gründung einer GmbH innerhalb wesentlich kürzerer Zeit als bisher zu ermöglichen. Dies hätte zur Folge, dass auch diejenigen Unternehmensgründer, die kurzfristig eine haftungsbeschränkte Tätigkeit aufnehmen wollen, weder auf eine bereits eingetragene Vorrats- oder Mantelgesellschaft, noch auf eine schneller zu gründende ausländische Gesellschaft zurückgreifen müssen, um das deutsche Gründungsverfahren zu umgehen. Dies würde in erheblichem Maße zur Steigerung der Attraktivität der deutschen GmbH beitragen und die Praxis der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften eindämmen. 4. Fazit Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das deutsche GmbH-Recht dringend der Durchführung maßvoller Reformen bedarf, um auf die rasante europäische gesellschaftsrechtliche Entwicklung zu reagieren. Allerdings ist eine vollständige Aufgabe des deutschen Kapitalschutzmodells zugunsten des Transparenzmodells nicht angezeigt. Vielmehr sollte die Reform einen Mittelweg zwischen beiden Konzepten einschlagen225. Hierdurch kann ein effektiver Gläubigerschutz gewährleistet und gleichzeitig den Interessen des Wirtschaftsverkehrs Rechnung getragen werden. Letzteres erscheint angesichts der neuesten Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine unumgängliche Notwendigkeit, um das wirtschaftliche Klima zu verbessern. Durch die aufgezeigten Reformvorschläge lässt sich außerdem die Gläubigerschutzproblematik bei Mantel- und Vorratsgesellschaften lösen, ohne dass es hierzu einer Sonderreglung bedürfte. Schlussendlich würde durch eine weitgehende Verlagerung des Gläubigerschutzes ins Insolvenzrecht die Anwendbarkeit auf im EU-Ausland gegründete Gesellschaften sichergestellt. 223 224 225

Vgl. S. 75 des Referentenentwurfes zum EHUG. So auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 671. Vgl. Merkt, RIW 2003, Heft 12, die erste Seite.

Zusammenfassung der Ergebnisse Die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften ist und bleibt ein legitimer Weg, um das langwierige Gründungsverfahren und die damit verbundenen Haftungsrisiken zu umgehen. Die Gründung einer Vorratsgesellschaft ist, wenn sie offen gelegt wird, indem der Unternehmensgegenstand wahrheitsgemäß mit der „Verwaltung eigenen Vermögens“ angegeben wird, als zulässig anzusehen. Dies gilt auch für die spätere Verwendung einer Vorratsgesellschaft oder aber eines gebrauchten GmbH-Mantels. Eine Nichtigkeit ergibt sich weder aus § 134 BGB noch aus § 138 BGB und auch gegen die Existenz einer solchen „unternehmenslosen Gesellschaft“ ergeben sich keine Bedenken, da eine Gesellschaft auch ohne einen Geschäftsbetrieb rechtlich existent bleibt. Das „Modell der Mantelverhinderung“ ist deshalb mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Das Konzept des BGH und der herrschenden Meinung zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften ist als verfehlt anzusehen. Eine Analogie muss schon deshalb ausscheiden, weil der Gedanke der „wirtschaftlichen Neugründung“, der in der herrschenden Meinung zumeist eine exakte rechtliche Begründung ersetzt, nicht eingreift. Das deutsche GmbH-Recht knüpft die Gründungsvorschriften allein an die Entstehung der Gesellschaft als juristische Person und nicht an die Gründung des Unternehmens. Das Gründungsverfahren ist bereits mit der Eintragung der Gesellschaft abgeschlossen und fordert nicht die Aufnahme eines Geschäftsbetriebes. Auch die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG ist alleine an die Gesellschaft als Rechtsträger geknüpft. Das Unternehmen kann daneben keine eigene Haftungsbeschränkung erlangen. In der Verwendung einer Mantel- oder Vorrats-GmbH liegt auch keine Umgehung der Gründungsvorschriften. Zum einen ist die Umgehung von gesetzlichen Vorschriften nicht als eigenes Rechtsinstitut anzusehen. Vielmehr handelt es sich um ein Normanwendungsproblem, das im Wege der Auslegung bzw. Analogie zu lösen ist. Zum anderen liegt aber in der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften auch keine Umgehung der Gründungsvorschriften, da das GmbH-Recht keinen Grundsatz kennt, wonach ein Unternehmen nur nach rechtlicher Neugründung einer Gesellschaft betrieben werden darf. Genau diese Schlussfolgerung müsste aber die herrschende Meinung ziehen, wenn sie das Umgehungsargument anführt.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

Gegen eine analoge Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften spricht außerdem, dass die in diesem Zusammenhang auftretende Gläubigerschutzproblematik kein Sonderproblem darstellt, das der analogen Anwendung von Gründungsvorschriften bedürfte. Vielmehr resultiert die Gefährdung der Gläubiger beim Betrieb von Mantel- und Vorratsgesellschaften alleine aus einer eventuell auftretenden Unterkapitalisierung. Die Gefahr einer Unterkapitalisierung besteht jedoch auch bei jeder neu gegründeten Gesellschaft und ist damit nicht spezifisch für die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften. Hierin offenbart sich vielmehr ein dem im deutschen Gesellschaftsrecht geltenden Kapitalschutzmodell generell anhaftendes Problem. Das Garantiekapital, auf dem das deutsche Gläubigerschutzmodell basiert, bietet keinen nennenswerten Schutz vor dem Betrieb von Kapitalgesellschaften mit unzureichender Kapitalausstattung, da es nicht risikoorientiert ist und nur im Zeitpunkt der Eintragung kontrolliert wird. Auch die Kapitalerhaltungsvorschriften schützen nicht vor dem Verbrauch des Stammkapitals durch risikoreiche Geschäfte. Eine Ausweitung der Gründungsvorschriften auf Vorrats- und Mantelgesellschaften ist aber auch angesichts der neuesten gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene nicht sinnvoll. Zum einen ist das Kapitalschutzmodell angesichts seiner beschränkten Wirkungen in der deutschen Literatur in die Kritik geraten. Aber auch die europäischen Institutionen stehen dem Kapitalschutz offenbar sehr skeptisch gegenüber und favorisieren stattdessen das angloamerikanische Publizitätsmodell. Mit diesen Entwicklungen ist eine weitere Ausdehnung des Kapitalschutzes durch die analoge Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften auf Vorrats- und Mantelgesellschaften nicht vereinbar. Hierdurch verstärken sich die Nachteile des deutschen GmbH-Rechts im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte noch zusätzlich mit der Folge, dass die deutsche GmbH immer mehr zum „Ladenhüter“ und durch die englische private limited company zunehmend verdrängt wird. Dem Konzept des BGH fehlt aber auch die rechtspolitische Schlagkraft, da es durch die Verwendung von im EU-Ausland gegründeten Vorrats- und Mantelgesellschaften umgangen werden kann. Nach der Inspire-Art-Entscheidung des EuGH ist gerade die Anwendung nationaler Kapitalaufbringungsvorschriften auf Scheinauslandsgesellschaften als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit anzusehen. Auch die Lösung über eine Durchgriffshaftung wegen evidenter materieller Unterkapitalisierung ist abzulehnen. Das Konzept der Durchgriffshaftung begegnet zum einen erheblichen dogmatischen Bedenken, da über die Rechtsform der juristischen Person nicht leichtfertig hinweggegangen wer-

Zusammenfassung der Ergebnisse

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den kann. Allein der Betrieb einer unterkapitalisierten Gesellschaft kann einen Durchgriff deshalb keinesfalls rechtfertigen. Zum anderen ist dieses Konzept auch aus rechtspolitischer Sicht abzulehnen. Die Haftungsbeschränkung im Recht der GmbH dient dazu, das wirtschaftliche Risiko für Unternehmer möglichst gering zu halten und so Unternehmensgründungen zu fördern. Die Anerkennung eines Durchgriffs auf die Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung würde das Wirtschaftsklima in Deutschland weiter verschlechtern und ebenso wie die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften die weitere Zunahme von Auslandsgründungen verstärken. Zudem ist auch die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung nicht auf EU-Auslandsgesellschaften anwendbar, da sie eindeutig gesellschaftsrechtlich einzuordnen ist, so dass auch sie keinen Schutz vor unterkapitalisierten ausländischen Kapitalgesellschaften gewährleisten kann. Das deutsche Gesellschaftsrecht muss auf die Kritik am kontinentaleuropäischen Kapitalschutzmodell und die aktuellen europarechtlichen Entwicklungen reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierbei sollte sich der Gesetzgeber am angloamerikanischen Transparenz- und Publizitätskonzept orientieren, ohne dieses jedoch kritiklos und vollständig zu übernehmen. Grundsätzlich sollte der Gläubigerschutz vom Gesellschaftsrecht ins Insolvenzrecht verlagert werden, um die bei der Verwendung ausländischer Gesellschaften auftretenden Schutzlücken zu schließen. Die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung sollte ausgebaut oder aber eine europaweite Insolvenzverschleppungshaftung geschaffen werden, wobei in beiden Fällen die englische wrongful-trading-Haftung mit ihrer Vorverlagerung des Haftungseintritts auf den Zeitpunkt der Unternehmenskrise als Vorbild dienen muss. Hierdurch ließe sich ein ausreichender Gläubigerschutz vor dem Betrieb unterkapitalisierter Kapitalgesellschaften auch bei der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften gewährleisten, ohne dass eine rechtliche Sonderbehandlung notwendig würde. Durch eine Beschleunigung des handelsregisterlichen Verfahrens zur GmbH-Gründung könnte zudem die Praxis der Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften eingedämmt und die Neugründung einer GmbH wieder attraktiver gemacht werden.

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Stichwortverzeichnis action en comblement du passif 224 ff., 240 ff., 251 Anmeldeversicherung 90, 97, 114 ff., 171 Bremer Vulkan 179, 187 ff., 197 Centros 149, 152, 155 ff., 209 Daily Mail 153 ff. deliktsrechtliche Qualifikation 222 Durchgriff 257 Durchgriffshaftung 256 Einmann-GmbH 32 Einmanngründung 33, 55, 62 existenzvernichtender Eingriff 192, 198 Existenzvernichtungshaftung 194, 197 ff., 212, 215 gesellschaftsrechtliche Qualifikation 221 Gesetzesumgehung 53, 71, 108 Gläubigerschutzgedanke 109 ff., 203 Gründungstheorie 149 ff., 157 ff., 164 f., 208 Gründungsverfahren 19, 35, 47, 50 f., 68, 83, 85, 90, 106, 124, 168, 173, 252, 254 f. – analoge Anwendung 70 ff., 100 f., 175 ff., 255 – Umgehung 54 ff. Haftungsdurchgriff 145, 184 ff., 192, 194, 201 ff.

Handelndenhaftung 35, 80 f., 95, 97, 101, 121, 124 ff., 170 f. Informationsmodell 111, 132 ff., 142, 145 insolvenzrechtliche Qualifikation 211, 223, 225 Insolvenzverschleppungshaftung – Anwendung auf Auslandsgesellschaften 207 ff. – deutsches Recht 204 ff. – europäisches Modell 249 – Nachteile 227 ff. – Sonderanknüpfung 221 ff. Inspire Art 99, 111, 133, 149, 152, 160 ff., 174 ff., 202, 207 ff., 216, 220, 256 Kapitalaufbringungsvorschriften – analoge Anwendung 70 ff., 102 ff. – direkte Anwendung 69 – Umgehung 36, 54, 74 KBV 179, 187, 190 kollisionsrechtliche Anknüpfung 156, 221, 228 kollisionsrechtlicher Ansatz 149, 210 ff. Mantelgesellschaft – ausländische 99, 117, 131, 148 ff., 175 f. – Begriff 22 f. – Definition 23 – gebrauchte 22, 24 f., 30, 37, 90 f., 255 – Motive 29 ff.

Stichwortverzeichnis

275

– Nachteile 37 – Vorteile 37 Mantelkauf 27 ff., 61, 65, 72, 78, 123 Mantelverwendung – Abgrenzung 84 ff., 89, 92

statutarisches Stammkapital 77, 79, 94, 113, 121 f. steuerlicher Verlustvortrag 30 f.

Niederlassungsfreiheit – Grundsätze 148 – Rechtsprechung des EuGH 153 ff.

Überseering 99, 111, 133, 149, 152 ff., 174 f. Umgehungsschutzgedanke 92, 108 f. Umorganisation 24, 28, 71 ff., 79 f., 84, 99 f., 119, 181 Unterbilanzhaftung 35, 80, 95, 116 ff., 128, 171 Unterkapitalisierung 86 f., 141, 145, 179 ff., 204, 247, 256 f. Unternehmensgegenstand 24, 26 ff., 43 ff., 110, 120, 173, 255 – fiktiver 48 ff. – nicht in absehbarer Zeit zu verwirklichender 51 ff.

off the shelf company 171 ff. Offenlegungspflicht 121 f., 162 Publizitätsmodell, Publizitätskonzept 111, 132 f., 140 ff., 156, 164, 167, 203 f., 256 f. qualifiziert faktischer Konzern 187 f., 197 Rechnungslegung 135 f. Regelungslücke 101, 103 f. registergerichtliche Kontrolle 57, 79 f., 85, 87, 101, 106, 113, 123 f., 181 Sachgründung 35, 78, 80, 127 sachrechtlicher Ansatz 213 f. satzungsmäßiges Stammkapital 65, 72, 76 f., 85, 93 ff., 102, 114, 138, 252 Scheinauslandsgesellschaft 130, 148 ff., 164 ff., 176, 210 ff., 218, 223, 256 Seriositätsschwelle 105, 132, 137 f., 195 Sitztheorie 149 ff. société en sommeil 169 f., 173 Sonderanknüpfung 159, 165 f., 207 f., 210, 212 f., 218 f., 221, 227

Tatbestandsähnlichkeit 101, 103 f.

Verbandszweck 23, 40 ff. Vorratsgesellschaft – Begriff 24 f. – Definition 24 f. – Motive 29 ff. – Nachteile 37 f. – Vorteile 37 f. Vorratsgründung – offene 26, 43 ff., 60 – Nichtigkeit 48 ff., 53 ff. – verdeckte 26 f., 43 ff., 72 – Zulässigkeit 43 ff. wirtschaftliche Neugründung 70 ff. wrongful trading 144, 225, 227 ff., 250 ff., 257