Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG? [1 ed.] 9783428543533, 9783428143535

Im Jahre 2009 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die parlamentarische Kontrolle im nachrichtendienstlichen Tätigkeit

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Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG? [1 ed.]
 9783428543533, 9783428143535

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1268

Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG? Von

Marcel Hempel

Duncker & Humblot · Berlin

MARCEL HEMPEL

Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1268

Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG?

Von

Marcel Hempel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit im Wintersemester 2013/2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14353-5 (Print) ISBN 978-3-428-54353-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84353-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013  /  2014 von der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Oktober 2013 berücksichtigt werden. Vereinzelt wurden Anpassungen noch im Mai 2014 vorgenommen. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Profes­ sor Dr. Volker Epping, der die Anregung zu diesem Thema gab und durch seine konstruktiven Anmerkungen und die jederzeitige Gesprächsbereitschaft zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Veith Mehde für die freundliche Übernahme der Zweitbegutachtung. Beiden Gutachtern danke ich ausdrück­ lich für die sehr zügige Erstellung der Voten. Nicht zuletzt habe ich meinen Eltern für die mehrjährige ideelle und ­finanzielle Unterstützung zu danken. Hannover, im Mai 2014

Marcel Hempel

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Das Bundesamt für Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Der Bundesnachrichtendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Das Amt für den militärischen Abschirmdienst  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz . . . . 29 I. Zur historischen Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Das PVMG und die Reformbemühungen in den 1960er Jahren . . . . 29 2. Die Reformdiskussionen in den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Die Begründung der Parlamentarischen Kontrollkommission im Jah­ re 1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Weitere wesentliche Entwicklungen bis zum Jahr 2009 . . . . . . . . . . 44 II. Das Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG und zum PKGrG n. F. . . 49 D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Konkretisierung des Kontrollbegriffes in Art. 45d GG unter Abgren­ zung zu anderen Kontrollarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Art. 45d GG als konstitutive Ermächtigung zu parlamentarischer Kon­ trolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Herleitung aus dem „allgemeinen“ Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . 60 2. Herleitung aus den Prinzipien der Volkssouveränität und der Gewal­ tenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Herleitung aus dem Verantwortlichkeitsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Folgerungen und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Adressat der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Parlamentarische Verantwortlichkeit von Bundeskanzler und Bun­ desministern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Parlamentarische Verantwortlichkeit des Bundeskabinetts . . . . . . . . . 73 IV. Erhöhte Legitimität der Kontrolle durch Art. 45d GG?  . . . . . . . . . . . . 77 1. Zulässige Delegation von Kontrollbefugnissen auf ein Hilfsorgan des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Zulässigkeit der Delegation auf das PKGr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Legitimation und Legitimität der Kontrolle durch das PKGr . . . . . . 88 V. Zur Veränderung des verfassungsrechtlichen Kontroll- und Befugnisrah­ mens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Zum verfassungsrechtlichen Rahmen parlamentarischer Kontrolle bezogen auf das PKGr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

10 Inhaltsverzeichnis 2. Kontroll- und Befugnisrahmenerweiterung durch Art. 45d GG . . . . . 96 a) „Mitwirkende Kontrolle“ durch das PKGr konstitutiv aufgrund Art. 45d GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Zulässigkeit „mitwirkender Kontrolle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) „Mitwirkende Kontrolle“ durch das PKGr . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Zur konstitutiven Bedeutung von Art. 45d GG für die Gewäh­ rung von Selbstinformationsrechten im PKGrG n. F. . . . . . . . . . . 105 aa) Die verfassungsrechtliche Verortung des Fremdinformations­ rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Die Kompetenz-Kompensation als Grundlage des Selbst­ informationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (1) Das Vorliegen einer Kompensationslage . . . . . . . . . . . . . 111 (2) Das Selbstinformationsrecht als geeignetes Kompensa­ tionsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (3) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Kompetenz-Kom­ pensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (4) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Verdrängung der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle durch Art. 45d GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ nach Art. 45d GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“ und dessen Konsequen­ zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Zur Abgrenzung exekutivischen von nachrichtendienstlichem Verfas­ sungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Unterschiedliche Aufgaben von Polizei und Nachrichtendiensten als Unterscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Unterschiedliche Arbeitsweisen von Polizei und Nachrichten­ diensten als Unterscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Unterschiedliche Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiens­ ten als Unterscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Beachtlichkeit der Unterschiede für den Kontrollauftrag nach Art. 45d GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Zulässige Selbstbeschränkung des PKGrG n. F. bezüglich des Kon­ troll­gegenstandes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Zur inhaltlichen Bedeutung des Trennungsgebotes . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Die befugnisrechtliche Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Die organisatorische Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Die funktionale Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 d) Die informationelle Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Inhaltsverzeichnis11 2. Das Trennungsgebot und die neuere Sicherheitsgesetzgebung des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Art. 45d GG bedingte Auswirkungen auf das Trennungsgebot . . . . . 155 F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung . . . . . . . . . . . 159 I. Gremium statt Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr . . . . . . . . 162 1. Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 70, 324 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Zur neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 165 a) Zur Errichtung eines relativ kleinen und geheim tagenden Gre­ miums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) „Spiegelbildliche“ Besetzung versus Mehrheitsprinzip  . . . . . . . . 170 c) Zur vorliegenden Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsat­ zes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Übertragung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben auf das heutige PKGr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Das PKGr als relativ kleines und geheim tagendes Gremium . . . . . 174 a) Zur Geheimhaltung im Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Die Größe des Gremiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Die Besetzung des PKGr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Die Nichtberücksichtigung eines Abgeordneten im PKGr . . . . . . . . . 188 4. Konstitutive Auswirkungen des Art. 45d GG auf die Besetzung des PKGr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG . . . . . . . . 194 I. Bestätigung der Regelungskompetenz für den einfachen Gesetzgeber . . 194 1. Zum Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . 197 II. Konstitutive Schaffung eines Klagerechts vor dem Bundesverfassungs­ gericht durch Art. 45d GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ . . . . . . . . . 208 I. Die „wehrhafte Demokratie“ und deren Bedeutung für die Besetzung des PKGr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine „wehrhafte Demokratie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Zur „Sperrwirkung“ des Art. 21 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Art. 45d GG als Bestandteil des Prinzips der „wehrhaften Demokra­ tie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

A. Einführung Am 17. Dezember 2009 sollten die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) durch das Plenum des Deutschen Bundestages für die Dauer der 17. Legislaturperiode gewählt werden. Hierzu hatten sämtliche Fraktionen Wahlvorschläge unterbreitet.1 Mit Ausnahme des Wahlvorschlags der Fraktion DIE LINKE, die den Abgeordneten Wolfgang Nešković nominiert hatte, fanden sämtliche Wahlvorschläge der anderen Fraktionen im Plenum die erforderliche Mehrheit.2 Die Tatsache, dass nicht sämtliche Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, die erforderliche Mehrheit auf sich vereinigen konnten, ist banal und sollte in einem demokratischen System nicht weiter beunruhigen. Die besondere Relevanz dieses Vorgangs liegt nun darin begründet, dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium durch § 1 Abs. 1 PKGrG n. F.3 die regelmäßige Kontrolle der Bundesregierung im Bereich der Nachrichten­ dienste überantwortet worden ist. In dieser Funktion übernimmt das Gremi­ um eine originär parlamentarische Aufgabe, die sonst dem Plenum und den Ausschüssen des Bundestages vorbehalten bleibt.4 Für die Ausschüsse ist seit jeher höchstrichterlich anerkannt, dass diese als verkleinertes Abbild des Plenums dessen Zusammensetzung zwingend widerspiegeln (Grundsatz der „Spiegelbildlichkeit“) müssen, was den im Bundestag vertretenen Frak­ tionen, ihrem Gewicht im Plenum entsprechend, einen Anspruch auf Teilha­ be am parlamentarischen Geschehen sichert.5 Dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut im PKGrG n. F. lässt sich indes entnehmen, dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium gerade keine gewöhnliche Ausschussqualität zukommen soll.6 Hinter der Wortwahl steckt keine sprachliche Entgleisung, sondern eine bewusste und klare ge­ 1  BT-Drs.

17 / 209, S.  1. Ber. BT 17 / 12, 17.12.2009, S. 915 (A); der Abgeordnete Nešković erhielt 294 von 312 erforderlichen Stimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass lediglich 54 der 76 Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE an der Wahl teilgenommen haben, siehe Sten. Ber. BT 17 / 12, 17.12.2009, Anlage 7, S. 1068 (D) – 1069 (A). 3  Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumsgesetz – PKGrG) vom 29.07.2009, BGBl. I, S. 2346. 4  Hansalek, Die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung, S. 271. 5  BVerfGE 80, 188 (222); 84, 304 (323 f.); 96, 264 (282). 6  BT-Drs. 16 / 12412, S.  5. 2  Sten.

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setzgeberische Intention.7 Dies ist auch der Grund, weshalb das Gesetz keine Entsendung durch die Fraktionen, sondern eine Wahl der Gremiums­ mitglieder durch den Bundestag vorsieht. Nur aus diesem Grunde war es überhaupt möglich, dass der Abgeordnete Nešković den Einzug in das Parlamentarische Kontrollgremium seinerzeit verfehlen konnte.8 Die hier kurz skizzierten Besonderheiten warfen seit jeher Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der zu Grunde liegenden einfachgesetzlichen Rege­ lungen auf, die im Laufe der Untersuchung zur Sprache kommen werden. Im Mittelpunkt des Diskurses ging und geht es um die Frage, wie es einem relativ kleinen und geheim tagenden Gremium erlaubt sein kann, spezifisch parlamentarische Kontrollaufgaben mit hoher rechtlicher und politischer Relevanz regelmäßig wahrzunehmen, wenn durch dessen konkrete Zusam­ mensetzung nicht stets sichergestellt werden kann, dass das gesamte Parla­ ment, wie es aus den Wahlen hervorgegangen ist, im erforderlichen Maße repräsentiert wird. Als Neuerung im System der parlamentarischen Kontrolle der Bundesre­ gierung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich gilt es nunmehr, das Inkrafttreten des neu geschaffenen Art. 45d GG in das Zentrum der wissen­ schaftlichen Betrachtung zu rücken.9 Durch diese Grundgesetzänderung wurden die bislang lediglich einfach­ gesetzlich normierten Regelungen auch verfassungsrechtlich implementiert. Angesichts des knappen Wortlauts der Vorschrift und des Umstands, dass Art. 45d Abs. 2 GG nahezu die gesamte nähere Ausgestaltung des Kontroll­ gremiums auch weiterhin dem einfachen Gesetzgeber überlässt, stellt sich die Frage nach der Bedeutung dieses Artikels. Die Zweifel an der rechtlichen Bedeutung der neuen Verfassungsnorm fanden bereits in der Sachverständigenanhörung im Gesetzgebungsverfahren Ausdruck, als der neu geschaffenen Norm entweder eine die Kontrollbezie­ hung zwischen Bundestag und Bundesregierung verfassungsrechtlich relati­ vierende Negativwirkung beigemessen oder ihr bestenfalls als „symbolisches Verfassungsrecht“ „Überflüssigkeit“ attestiert wurde.10 Ziel dieser Untersuchung soll es daher sein zu klären, inwieweit Art. 45d GG imstande ist, das Verhältnis des Bundestages zu den Nachrichtendiens­ ten des Bundes neu zu bestimmen. 7  „Ausschuss

sui generis“, Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23417 (D). Abgeordnete Nešković wurde schließlich am 19.01.2010 in das PKGr für die Dauer der 17. Legislaturperiode wiedergewählt, Sten. Ber. BT 17 / 14, 19.01.2010, S. 1145 (C). 9  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45d) vom 17.07.2009, BGBl. I, S. 1977. 10  BT-A(usschuss)-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2. 8  Der



A. Einführung15

Um den Regelungsgehalt von Art. 45d GG für die parlamentarische Kon­ trolle der Nachrichtendienste beurteilen zu können, soll die verfassungsmä­ ßige Rechtslage vor und nach Inkrafttreten von Art. 45d GG untersucht werden, um sodann feststellen zu können, ob durch die Einfügung dieser Norm entweder etwaige verfassungsrechtliche Probleme beseitigt werden konnten, oder ob die Neuregelung wiederum selbst verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen hat. Ebenso denkbar ist die Feststellung, wonach Art. 45d GG das kontrollspezifische Verhältnis von Bundestag und Nach­ richtendiensten in Teilbereichen nicht zu ändern vermochte. An dieser Stelle darf der klarstellende Hinweis nicht fehlen, wonach es sich freilich nicht um eine unmittelbare Kontrollbeziehung des Parlaments zu den Nachrichtendiensten selbst handelt, vielmehr um das verfassungs­ rechtliche Kontrollverhältnis des Bundestages gegenüber der Bundesregie­ rung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich auf Bundesebene. In einem ersten Schritt (Kapitel B. und C.) wird es nach einer kurzen Vorstellung der drei Nachrichtendienste des Bundes darum gehen, den ver­ fassungshistorischen Hintergrund, der zur Einfügung des neuen Artikels in das Grundgesetz geführt hat, zu beleuchten. Schließlich gab es nicht nur einen gescheiterten Versuch, die Nachrichtendienstkontrolle grundgesetz­ lich zu verankern. So verabschiedete man 1978 schließlich ein einfaches Kontrollgesetz, wenngleich die Stimmen, die hierfür fortan eine verfas­ sungsrechtliche Unterlegung als erforderlich erachteten, nie ganz ver­ stummten. Es gilt daher, den damaligen Prozess aufzubereiten und die aufgeworfe­ nen widerstreitenden Argumente, die schließlich zur Nichtaufnahme der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle in das Grundgesetz führten, darzustellen. Anhand dieser Ausführungen lässt sich illustrieren, inwieweit sich zwischenzeitlich die politischen und rechtlichen Gegebenheiten ver­ ändert haben. Derartige Erkenntnisse sollen zum Hintergrundverständnis bezüglich der nunmehrigen Einfügung von Art. 45d GG beitragen, auch um die Motivlage des heutigen Gesetzgebers besser nachvollziehen zu können. Im sich anschließenden Kapitel D. wird der von Art. 45d GG nicht näher eingegrenzte Kontrollbegriff und dessen verfassungsrechtliche Verankerung konkretisiert werden müssen. Dabei fragt sich zudem, wer letztlich Adressat der Kontrolle nach Art. 45d GG ist. Der Normtext jedenfalls lässt offen, wer konkret dieser Kontrolle unterliegen soll. Es wird weiter der Frage nachzugehen sein, inwieweit Art. 45d GG das Ziel des verfassungsändernden Gesetzgebers, die „Legitimation“ des PKGr beziehungsweise (bzw.) der von ihm ausgeübten Kontrolltätigkeit zu

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A. Einführung

erhöhen,11 tatsächlich erreichen kann. Insofern wird die gelegentlich be­ hauptete Erforderlichkeit der Grundgesetzänderung zu eruieren sein. Ferner gilt es, den von Art. 45d GG vorgezeichneten Kontrollrahmen zu definieren. Mittelpunkt der Untersuchungen sind nicht so sehr die einzelnen Kompetenzen auf einfachgesetzlicher Ebene. Vielmehr geht es einmal da­ rum festzustellen, ob das im PKGrG n. F. angelegte Prinzip einer „mitwir­ kenden Kontrolle“ konstitutiv auf Art. 45d GG beruht, und ob andererseits die Selbstinformationsrechte, die durch das neu gefasste PKGrG ausgebaut worden sind, einer verfassungsrechtlichen Absicherung tatsächlich bedurf­ ten. Und schließlich soll der gerade erwähnten Ansicht nachgegangen werden, wonach die Abkehr von der bislang angeblich vorherrschenden „Hierarchi­ sierung“ der Auskunfts- und Kontrollansprüche des Plenums und dessen Ausschüsse einerseits und des PKGr andererseits die insoweit existierende „exklusive“ Stellung der Plenar- und Ausschusskontrolle verdrängt bzw. relativiert und damit faktisch geschwächt haben könnte. Der Untersuchungsweg wird sich in Kapitel E. zuvörderst mit der Frage beschäftigen, wie die „nachrichtendienstliche Tätigkeit“ im Sinne des Art. 45d GG auszulegen ist. Die Verwendung dieses unbestimmten Begriffes überrascht deshalb, weil § 1 Abs. 1 PKGrG n. F., wie auch die Vorgänger­ fassungen, eine Zuständigkeit nur bezüglich der drei klassischen Nachrich­ tendienste vorsieht. Schon diese sprachliche Diskrepanz des einfachen Ge­ setzes gegenüber der Verfassungsnorm ließe es nicht zu, den gewählten Terminus in Art. 45d Abs. 1 GG lediglich mit der aus den drei Nachrichten­ diensten des Bundes bestehenden nachrichtendienstlichen VerfassungsschutzAdministration „übersetzen“ zu wollen. Zur Bestimmung der Reichweite des grundgesetzlichen Kontrollauftrages wird es daher erforderlich sein, die materielle Abgrenzung zum exekutivischen Verfassungsschutz vorzunehmen. Erst ein insoweit angestellter Vergleich kann, orientiert am Sinn und Zweck der Gremiumskontrolle, die Reichweite des verfassungsrechtlichen Kontrol­ lauftrages erhellen. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob das heutige PKGrG dem grundgesetzlich definierten Kontrollauftrag im Hinblick auf dessen Zuständigkeitsrahmen vollends gerecht wird. Vorstehende Überlegungen geben zudem Anlass, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit Art. 45d GG dazu geeignet ist, das in der Bundesrepublik Deutschland geltende „Trennungsgebot“ aufzuweichen. Die Relevanz einer derartigen Feststellung ist nicht zu unterschätzen, da die Betonung eines ausgeprägten Trennungsprinzips häufig als Gegenpol zum unvermeidlichen 11  BT-Drs.

16 / 12412, S.  4.



A. Einführung17

Kontrolldefizit im Nachrichtendienstbereich angesehen wird,12 so dass ein Schwinden dieser Sicherung wiederum einen legitimatorischen Ausgleich auf der Kontrollseite erforderlich machen würde. Nach einer kurzen Vorstel­ lung der neueren „trennungsrelevanten“ Sicherheitsgesetzgebung des Bun­ des kann beurteilt werden, inwieweit Art. 45d GG auch diesbezüglich eine „relativierende Rolle“ einzunehmen vermag. In Kapitel F. ist zu klären, wie der Begriff „Gremium“ nach Art. 45d GG zu verstehen ist. Hierzu wird das PKGr von den parlamentarischen Aus­ schüssen abzugrenzen sein. Darauf aufbauend soll auf Grundlage des „her­ gebrachten“ Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Haushaltsgremium aus dem Jahre 198613 und unter Berücksichtigung der neueren einschlägigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Stabilisierungsmechanismus­ gesetz14 dargestellt werden, nach welchen Vorgaben relativ kleine und ge­ heim tagende Kontrollgremien des Bundestages errichtet werden dürfen. Dabei gilt es zu prüfen, inwiefern das PKGrG n. F. den gegenwärtigen verfassungsgerichtlichen Anforderungen bezüglich Errichtung und Beset­ zung eines derartigen Gremiums gerecht wird. Um schließlich bilanzieren zu können, ob Art. 45d GG insoweit eine das Kontrollverhältnis neubestimmende Wirkung beigemessen werden kann, wird beantwortet werden müssen, ob und inwieweit Art. 45d GG das Recht zur parlamentarischen Gremiumsbesetzung konstitutiv „gestaltet“ oder zu­ mindest in relevanter Weise beeinflusst hat. Die Untersuchung wird auch zu zeigen haben, in welche Richtung Art. 45d GG den formellen Status des PKGr verändert haben könnte (siehe G.). Hierher gehört zum einen der Komplex, ob es dem Gesetzgeber zusteht, das PKGr durch einfaches Gesetz einzurichten. Zentraler Streitpunkt ist insoweit die Reichweite der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages und die sich daraus ergebende konstitutive Bedeutung von Art. 45d Abs. 2 GG. Zum anderen ist die Parteifähigkeit des PKGr in einem Organstreitverfah­ ren vor dem Bundesverfassungsgricht nicht abschließend geklärt. Will man die rechtliche Dimension von Art. 45d GG vollständig erfassen, bedarf es auch insoweit einer vertiefenden Darstellung. Im letzten Kapitel (siehe H.) soll Art. 45d GG im Gesamtgefüge des Grundgesetzes als Bestandteil des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ 12  Statt Vieler: Hassemer, Datenschutz und Datenverarbeitung heute, S.  46; Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 101. 13  BVerfGE 70, 324 ff. 14  BVerfGE 130, 318.

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A. Einführung

betrachtet werden. Dabei ist insbesondere die Gremiumsbesetzung in den Fokus des Interesses zu rücken. Die sich stellenden Fragen wird man nicht ohne nähere Betrachtung von Art. 21 Abs. 2 GG und das dort im Raume stehende, nicht unumstrittene Thema der Reichweite der davon ausgehenden „Sperrwirkung“ beantworten können. Es geht im Kern darum, ob es dem Bundestag ausnahmsweise erlaubt ist, Abgeordneten, die einer nicht verbo­ tenen aber verfassungsfeindlichen oder extremistischen Partei angehören, den Zugang zum PKGr zu verwehren oder diesen zumindest einzuschrän­ ken. Daher gilt es, die rechtliche Wirkung des Art. 45d GG auch in diesem Zusammenhang festzustellen. Erst diese umfängliche Bewertung der Norm anhand der soeben darge­ stellten Kriterien wird es ermöglichen zu beantworten, welche Rolle Art. 45d GG im verfassungsrechtlichen Verhältnis von Bundestag und Nachrichten­ diensten übernommen hat und inwiefern Art. 45d GG deren Verhältnis zu­ einander neu zu bestimmen imstande ist.

B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste Die Trias der Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland be­ steht aus den Verfassungsschutzbehörden des Bundes (Bundesamt für Ver­ fassungsschutz (BfV)) und der Länder, dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD).1 Der Terminus „Nachrichtendienste“ impliziert eine Beschränkung auf den Vorgang der Informationsbeschaffung, deren Analyse und Weiterleitung.2 Gerade der Umstand, dass Nachrichtendienste indes keine aktive Beeinflussung des „Gegners“ im In- und Ausland betreiben dürfen, grenzt sie von den „Ge­ heimdiensten“ ab, deren Aufgabenfeld auch darin besteht, als Folge einer Informationsanalyse geeignete aktive Maßnahmen zur Beeinträchtigung des jeweiligen Gegners unter grundsätzlicher Wahrung eines Höchstmaßes an Geheimhaltung zu ergreifen, wozu auch politische Morde oder Entführun­ gen gehören können.3 Als wesentliche Struktur verbindende Merkmale der deutschen Nachrich­ tendienste können zum einen das organisatorische Angliederungsverbot an eine Polizeidienststelle sowie das Verbot der Ausübung polizeilicher Befug­ nisse identifiziert werden.4 In beiden Fällen handelt es sich um Ausflüsse des Trennungsgebotes.5 1  Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 27; Gröpl, Die Nachrichten­ dienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung, S. 208; Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, S. 15. 2  Baier, Die parlamentarische Kontrolle, S. 5 Fn. 10; Droste, S. 27 Fn. 79; Gröpl, S. 37; Rose-Stahl, S. 18. 3  Baier, S. 5 Fn. 10; Droste, S. 27 Fn. 79; Gröpl, S.  36 f.; Rose-Stahl, S. 18; Schwagerl, Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, S. 118 f. Die He­ ranziehung des Unterscheidungskriteriums „Störung des politischen Gegners durch aktive Handlungen“ wird aber auch in Zweifel gezogen, siehe Voelsen, in: Dörr / Zim­ mermann, S. 93 (95 f.). 4  Borgs, in: Borgs / Ebert, Das Recht der Geheimdienste, S. 105 ff.; Droste, S. 27. Aus diesem Grunde sind den Nachrichtendiensten klassische, ausschließlich polizeili­ che Befugnisse wie Festnahmen, Verhöre, Hausdurchsuchungen oder Beschlagnah­ men nicht gestattet. Auch dürfen sie die Polizei nicht im Wege der Amtshilfe um deren Vornahme ersuchen, vgl. §§ 2 Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 3 BVerfSchG, §§ 1 Abs. 1 S. 2, 2 Abs. 3 BNDG, §§ 1 Abs. 4, 4 Abs. 2 MADG. Die Annahme, Nachrichtendienste ver­ fügten über keine Exekutivbefugnisse, ist indes unzutreffend (beispielsweise (bspw.)

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B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste

In der Binnendifferenzierung der drei Nachrichtendienste auf Bundesebe­ ne wird man allgemein feststellen können, dass der BND Informationen über das Ausland, die wiederum von anderen Staaten geheim gehalten wer­ den, zu beschaffen und auszuwerten hat, sofern und soweit deren Bedeutung und Tragweite das außen- und sicherheitspolitische Interesse der Bundesre­ publik Deutschland zu tangieren imstande sind, weshalb dem BND die Funktion eines Auslandsnachrichtendienstes zukommt.6 5

Dem gegenüber nehmen das BfV und der MAD Informationen zu Aus­ wertungszwecken auf, die vornehmlich inlandsbezogen sind und die es er­ möglichen, Entwicklungen zum Vorschein treten zu lassen, denen ein die verfassungsmäßige Ordnung und den Bestand des Staates gefährdendes Potential innewohnt, so dass diese Behörden als Inlandsnachrichtendienste des Bundes fungieren.7 Die Tätigkeit des MAD bezieht sich im Verhältnis zum BfV indes nur auf solche geheimdienstlichen und sicherheitsgefährden­ den Tätigkeiten bzw. verfassungsfeindlichen Bestrebungen, die sich explizit gegen die Bundeswehr oder deren Angehörige richten oder von Angehörigen der Bundeswehr selbst ausgehen, vgl. § 1 MADG. Die daneben bestehenden Landesbehörden für den Verfassungsschutz nehmen zusätzlich die Aufgaben des inlandsnachrichtendienstlichen Verfas­ sungsschutzes (zumindest) für das jeweilige Landesgebiet wahr, wobei die Strukturen der Behörden sowie ihr konkreter Aufgabenzuschnitt samt Ver­ fahrensweise dem originären Landesrecht unterfallen und sich damit einer bundeseinheitlichen Regelung entziehen.8

I. Das Bundesamt für Verfassungsschutz Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 BVerf­ SchG eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern (BMI), dem es auch folgerichtig dienst- und fachaufsichtsrecht­ lich untersteht, vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG. Die Fachaufsicht wird dort Observationsbefugnis), siehe Hansen, Neue deutsche Sicherheitsarchitektur, S. 66 Fn. 240. 5  Näheres dazu unter Kapitel E. II. 6  Droste, S. 28 f. Dies bedeutet freilich nicht, dass sich die Tätigkeit des BND nicht auch auf das deutsche Inland erstrecken darf, siehe Droste, S. 29; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 182 Rn. 18. 7  Droste, S. 29; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 59 Rn. 13. Auch diese grund­ sätzliche Funktionszuschreibung enthält kein Verbot, im Ausland tätig werden zu dürfen, siehe Droste, S. 29, 162 ff. 8  Droste, S. 35, 45  ff. Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 104 Rnrn. 118 f. Das Verhältnis der Landesbehörden für Verfassungsschutz zum BfV ist gleich- und nicht untergeordnet, siehe Hansen, S. 68.



I. Das Bundesamt für Verfassungsschutz21

von der Abteilung „Öffentliche Sicherheit“, dort wiederum von der Unter­ abteilung „Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“ ausgeübt, die wieder­ um aus vier Referaten besteht.9 Die Beschreibung des BfV als Bundesoberbehörde ist indes nicht er­ schöpfend, da das Amt zugleich als „Zentralstelle“ zur Informationssamm­ lung für Verfassungsschutzzwecke gemäß Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG fungiert, wobei der einfachgesetzliche Auftrag in § 2 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG, die konkrete Zusammenarbeit mit den Ländern in Angelegenheiten des Verfas­ sungsschutzes, die bloße Zentralstellenfunktion bewusst teleologisch über­ steigt.10 Insoweit hat der Gesetzgeber von seiner ausschließlichen Gesetzgebungs­ kompetenz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b, c GG derart Gebrauch gemacht, dass er die dem Bund insofern aufgetragene Koordinierungsfunktion zu­ gleich dazu nutzte, dem BfV neben der Zentralstellenfunktion eine eigene Zuständigkeit im Rahmen des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes zu übertragen, um die aktive Aufgabenwahrnehmung in diesem Bereich nicht ausschließlich den Gliedstaaten überlassen zu müssen.11 Das BfV, mit Sitz in Köln und einer Dienststelle in Berlin, verfügte im Jahr 2012 über 2.757 Bedienstete und erhielt einen Zuschuss aus dem Bun­ deshaushalt in Höhe von ca. 209,7 Millionen Euro.12 Geleitet wird die Behörde von einem Präsidenten, dem ein Stellvertreter (Vizepräsident) beigegeben ist.13 Neben der Zentralabteilung verfügt das BfV über sieben weitere Fachabteilungen: Abt. IT: Informations- und Sondertechnik; Abt. 1: Grundsatz; Abt. 2: Rechtsextremismus / -terrorismus; Abt. 3: Zentrale Fach­ unterstützung; Abt. 4: Spionageabwehr, Geheim-, Sabotage- und Wirt­ schaftsschutz; Abt. 5: Ausländer- und Linksextremismus; Abt. 6: Islamismus und islamistischer Terrorismus.14 Die Aufgaben des BfV werden in § 3 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BVerfSchG enumerativ benannt, wobei die im ersten Absatz bezeichneten Kompetenzen originärer Natur sind, die unter Abs. 2 S. 1 fallenden hingegen lediglich Mitwirkungsaufgaben zuweisen, die vom 9  Droste, S. 37; Gröpl, S. 209; Organisationsplan des Bundesministeriums des Innern, Stand vom 01.03.2014 – Az.: Z I 2 – 12012 / 2. 10  Droste, S. 36; Hansalek, S.  23 f. 11  Droste, S. 36; Rose-Stahl, S.  37 f. 12  Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 13. Im Ver­ gleich dazu verfügte das BfV Ende 1991 noch über 2.486 Mitarbeiter und einen Etat in Höhe von ca. 215 Millionen DM, siehe Gröpl, S. 209. 13  Präsident ist seit August 2012 Hans-Georg Maaßen; Vizepräsident ist seit Au­ gust 2013 Thomas Haldenwang. 14  Abrufbar unter http: /  / www.verfassungsschutz.de / de / das-bfv / aufgaben / die-or ganisation-des-amtes-ist-kein-geheimnis; zuletzt abgerufen am 24.05.2014.

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B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste

BfV lediglich auf Veranlassung anderer Behörden oder Privatrechtssubjekte wahrzunehmen sind.15 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dem BfV zum einen die Extremismusbeobachtung gemäß § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 BVerfSchG obliegt, indem es Informationen über inländische terroristische und extre­ mistische Bestrebungen und solche ausländischen Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten hat, die, von deutschem Boden ausgehend, unter Anwen­ dung von Gewalt gegen die jeweiligen Herkunftsländer bzw. darauf gerich­ tete Vorbereitungshandlungen imstande sind, die außenpolitischen Interessen und das internationale Ansehen Deutschlands zu beeinträchtigen oder zu gefährden.16 Zum anderen obliegt dem BfV die repressive wie präventive Spionageab­ wehr. Repressiv insoweit, als durch entsprechende Informationsbeschaffung und -bewertung über „gegnerische“ nachrichtendienstliche Strukturen Agen­ ten fremder, mithin ausländischer Dienste aufgedeckt und „neutralisiert“ werden können, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG. Eine gefahrenabwehrende und damit präventive Rolle übernimmt das BfV dann, wenn es gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG seine Erkenntnisse für konkrete Fälle fruchtbar zu machen vermag und insoweit auch fallbezogene Ermittlungen anstellt, um schließlich im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen personellen wie ma­ teriellen Geheimschutz sowie (personellen) Sabotageschutz sicherstellen zu können.17 Die soeben kurz dargestellten Aufgaben des BfV, die in dieser Form im Wesentlichen seit der „Totalrevision“ des Verfassungsschutzrechts durch das im Jahr 1990 in Kraft getretene BVerfSchG Bestand haben, sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zuständigkeits- und Kompetenzrah­ men des BfV in unmittelbarer Folge auf die Ereignisse des 11. September 2001 maßgeblich verbreitert worden ist.18 Insbesondere das Terrorismusbe­ kämpfungsgesetz (TBG), das zu Beginn des Jahres 2002 in Kraft trat, das Gemeinsame-Dateien-Gesetz von 2006 sowie das im Jahr 2007 in Kraft getretene Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) bilden die ent­ scheidenden Grundlagen für jene Neuerungen im Bereich des nachrichten­ dienstlichen Verfassungsschutzes.19 15  Gröpl,

S.  214 f. S. 92; Hansalek, S. 25; Hirsch, S. 30; Rose-Stahl, S.  42 ff. 17  Droste, S.  142 ff.; Gröpl, S.  214 f. 18  Baldus, Nachrichtendienste – Beobachtung völkerverständigungswidriger Be­ strebungen, ZRP 2002, 400 (400); Droste, S. 22, 24 f.; Hansen, S. 87; Rose-Stahl, S. 75. 19  Bezüglich TBG: Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 09.01.2002, BGBl. I, S. 361, 3142; bezüglich Gemeinsame-Dateien-Gesetz: Gesetz 16  Droste,



I. Das Bundesamt für Verfassungsschutz23

Ein Hauptanliegen des TBG war es, dem BfV neue Auskunftsrechte ge­ genüber Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, Finanz- und Luftfahrt­ unternehmen, aber auch Post-, Telekommunikations- sowie Teledienstleistern zu gewähren, so dass im Rahmen von Vorfeldaufklärungen durch die ver­ besserte Nachvollziehbarkeit des Verlaufs von Geldströmen sowie von Fi­ nanz- und Reisebewegungen eine verbesserte Terrorismusprävention ermög­ licht werden konnte, da eine präzise und damit effektive Post- und Telekom­ munikationsüberwachung als eigentliche „G-10-Maßnahme“ häufig eine gezielte Kenntnis des Stamm- und Verkehrsdatenbestandes der vorerwähnten Unternehmen bedingt.20 In Ergänzung dazu wurde dem BfV als weitere Form der Datenerhebung erlaubt, sog. IMSI-Catcher zwecks Standortermitt­ lung aktiv geschalteter Mobilfunkendgeräte samt Feststellung der Kartenund Gerätenummern zu verwenden, vgl. § 9 Abs. 4 BVerfSchG. Daneben erhielt das BfV mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG auch die Befugnis, Infor­ mationen über Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, namentlich gegen das friedliche Zu­ sammenleben der Völker, gerichtet sind.21 Vorstehende Neuerungen wurden durch das TBEG bestätigt und in Teilen geändert, was im Ergebnis sogar zu einer weiteren Verschärfung der Geset­ zeslage geführt hat.22 So wurden beispielsweise die neuerlichen Auskunfts­ zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder vom 22.12.2006, BGBl. I, S. 3409; bezüglich TBEG: Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 05.01.2007, BGBl. I, S. 2. 20  Fromm, in: Schreckenberger, S. 41 (48); Hansen, S. 67, 90; Kretschmer, BKA, BND und BfV – was ist das und was dürfen die?, JURA 2006, 336 (339 f.); Neumann, in: Dörr / Zimmermann, S. 13 (25 ff.); Rose-Stahl, S.  75 ff. 21  In Teilen wird dem Bund für diese Norm die Gesetzgebungskompetenz abge­ sprochen, da diese Regelung Gruppen der nachrichtendienstlichen Beobachtung un­ terstellt, die weder gegen die bundesrepublikanische Verfassungsordnung kämpfen noch durch Gewalt bzw. darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Be­ lange Deutschlands gefährden, so jedenfalls Baldus, 400 (400 Fn. 9 m. w. N., 401 f.). 22  Hansen, S. 91. Zum Teil wird auch von einer behutsamen und praxisgerechten Absenkung der Anordnungsvoraussetzungen gesprochen, siehe Fromm, in: Schre­ ckenberger, S. 41 (49). Vor Erlass des TBEG wurde das TBG, wie gesetzlich vorge­ schrieben, evaluiert. Dabei kam zu Tage, dass die neu etablierten Auskunftsrechte von BfV, BND und MAD innerhalb von drei Jahren lediglich 99 Mal in Anspruch genommen worden sind; einzelne Befugnisse wurden überhaupt nicht genutzt, siehe Hansen, S. 90; Roggan / Bergemann, Die „neue Sicherheitsarchitektur“, NJW 2007, 876 (879). Eine Folge der Evaluation ist nunmehr, dass die Befugnisse zum Abruf von Bestandsdaten zu Postdienstleistungen sowie zur Einholung von Auskünften zu den Umständen des Postverkehrs (§ 8a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BVerfSchG a. F.) durch das Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 07.12.2011, BGBl. I, S. 2576, mangels Anwendungsrelevanz aufgehoben wurden, siehe auch BT-Drs. 17 / 6925, S. 12 f.

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B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste

rechte nunmehr unter den Bedingungen des § 8a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG auch auf die inländischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG erstreckt.23 Auch wurden die Anforderungen für eine Verkehrsdatenabfrage gemäß § 8a Abs. 2 S. 1 BVerfSchG gesenkt, da nunmehr Tatsachen die Annahme24 für schwerwiegende Gefahren für die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG aufgeführten Schutzgüter rechtfertigen müssen und nicht mehr wie zuvor Anhaltspunkte für staatsschutzrelevante Katalogstraf­ taten gemäß § 3 Abs. 1 Artikel-10-Gesetz gefordert werden. Schließlich ist hervorzuheben, dass die ursprünglich nur auszugsweise Übertragung der neuen Befugnisse nach dem TBG auf MAD und BND nun­ mehr durch das TBEG, bei Statuierung spezifischer Voraussetzungen, auf sämtliche Nachrichtendienste des Bundes ausgedehnt worden ist.25 Die paral­ lel dazu durch das Gemeinsame-Dateien-Gesetz implementierte Anti-TerrorDatei (ATD) als gemeinsame Datenbank von Nachrichtendiensten und Poli­ zeien bewirkte eine partielle Zusammenführung der Informationen der Sicher­ heitsbehörden, um gezielter Netzwerkstrukturen und Täterbeziehungen identi­ fizieren zu können.26 Die insoweit erlassenen Regelungen sollten helfen, das 2004 eingeweihte „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“ (GTAZ) und das 2007 eingerichtete „Gemeinsame Internetzentrum“ (GIZ), beides Plattfor­ men der Sicherheitsbehörden, um Informationen in „Echtzeit“ austauschen und aktuelle Gefährdungshinweise zeitnah und abgestimmt analysieren zu können, in ihrer Arbeit weiter zu unterstützen.27 Weitere insoweit einschlägige Einrichtungen sind das seit 2011 bestehende „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus / -terrorismus“ (GAR) sowie das seit 2012 eröffnete „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ). 23  Die in § 8a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG normierte Beschränkung auf Bestrebungen volksverhetzender oder militanter Art kann als verfehlt angesehen werden, da es ihr an der erforderlichen Normenklarheit mangelt, siehe Roggan / Bergemann, 876 (879 f.). 24  Die ursprünglichen Anforderungen des TBEG, wonach schon „tatsächliche An­ haltspunkte“ genügten, wurden zwischenzeitlich zum Zwecke der „rechtsstaatlichen Absicherung“ der Auskunftsbefugnisse angehoben, siehe BT-Drs. 17 / 6925, S. 13. 25  Neumann, in: Dörr  /  Zimmermann, S. 13 (28). Siehe § 2a BNDG und § 4a MADG. 26  Fromm, in: Schreckenberger, S. 41 (50); Hansen, S.  97 ff.; Roggan / Bergemann, 876 (877 ff.). Die Frage, ob und inwieweit dadurch das Trennungsgebot sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden sind, siehe weiterfüh­ rend BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07. 27  Fromm, in: Schreckenberger, S. 41 (50); Hansen, S.  95 ff.; Rose-Stahl, S.  127 f. An das System der ATD voll angebunden sind unter anderem (u. a.) das BKA, die Bundespolizeidirektionen, BfV, MAD, BND, Zollkriminalamt (ZKA), die 16 Lan­ deskriminalämter sowie die 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz, siehe Hansen, S.  98 f.



II. Der Bundesnachrichtendienst25

II. Der Bundesnachrichtendienst Der Bundesnachrichtendienst ist gemäß § 1 Abs. 1 BNDG eine Bundesober­ behörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Seine Dienstsitze be­ finden sich gegenwärtig in Berlin und Pullach bei München, wobei ab ca. 2014 der Gesamtumzug nach Berlin vorgesehen ist.28 Daneben existieren zahl­ reiche Außendienststellen im In- und Ausland, deren Verortung aber geheim ist.29 Die Fach- und Dienstaufsicht obliegt dem Chef des Bundeskanzleramtes, wobei sie intern von Abteilung 6 „Bundesnachrichtendienst, Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes“ ausgeübt wird.30 Der BND verfügt über etwa 6.500 hauptamtliche Mitarbeiter31 und erhielt im Jahr 2012 einen Zu­ schuss (Soll) aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 504,77 Millionen Euro.32 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Angelegenheiten des BND entspringt, mangels anderweitiger ausdrücklicher Erwähnung im Grundgesetz, Artt. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG;33 die Verwaltungskompetenz des Bundes wird Art. 87 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG entnommen.34 Der BND wird von einem Präsidenten ge­ leitet, dem drei Vizepräsidenten unterstehen.35 Die Behörde besteht aus 13 Abteilungen: Abt. GL: Gesamtlage, Füh­ rungs- und Informationszentrum; Abt. UF: Unterstützende Fachdienste; Abt. EA: Einsatzgebiete / Auslandsbeziehungen; Abt. TA: Technische Aufklärung; 28  Hansen, S. 70. Die technische Fernmeldeaufklärung mit ca. 1.500 Mitarbeitern soll in Pullach verbleiben, siehe Carstens, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 155 vom 08.07.2010, S. 10; Hansen, S. 73. 29  Gröpl, S. 220; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 181 Rn. 15. 30  Gröpl, S. 218. 31  Gröpl, S. 221, der von 6.000 bis 7.000 Mitarbeitern spricht; Rose-Stahl, S. 139; Schwagerl, S. 212. 32  Abrufbar unter http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / bundeshaushalt2012 /  pdf / epl04.pdf, S. 21; zuletzt abgerufen am 24.05.2014. Im Jahr 2010 betrug der Zuschuss noch 470,919 Millionen Euro. 33  So jedenfalls Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands, S. 66. Andere Auf­ fassungen stellen entweder auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG oder auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG ab, siehe Spitzer, S.  19 Fn.  44 f. m. w. N. 34  Gröpl, S. 69 ff., 76; Haedge, Das neue Nachrichtendienstrecht, S. 212 f.; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 181 Rn. 14; Rose-Stahl, S. 139. Nach anderer Ansicht kommt nur Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG als Errichtungskompetenznorm in Betracht, da der BND weder dem Verteidigungs- noch dem Außenressort zugerechnet werden kann, was jedoch nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG vorausgesetzt werde, so jedenfalls Gusy, Der Bundesnachrichtendienst, Die Verwaltung 1984, 273 (275 ff.). 35  Präsident ist seit 2012 Gerhard Schindler; bisheriger Vizepräsident (Vertreter des Präsidenten) war seit 2010 Géza Andreas von Geyr; Vizepräsident für militäri­ sche Angelegenheiten ist seit 2010 Norbert Stier; Vizepräsident für Zentrale Aufga­ ben und Modernisierung ist seit 2013 Guido Müller.

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B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste

Abt. LA: Länder Region A; Abt. LB: Länder Region B; Abt. TE: Terroris­ mus; Abt. TW: Proliferation, ABC-Waffen; Abt. SI: Eigensicherung; Abt. IT: Informationstechnik; Abt. ZY: Zentralabteilung; Abt. ID: Innerer Dienst; Abt. UM: Umzug.36 Die vornehmliche Tätigkeit des BND besteht zum einen aus der nachrich­ tendienstlichen Auslandsaufklärung, indem Informationen von außenpoliti­ scher, wirtschaftlicher, militärischer oder rüstungstechnischer Relevanz be­ schafft und ausgewertet werden, zweitens aus der offensiven Aufklärung gegnerischer Nachrichtendienste (Gegenspionage) und zum Dritten aus einer defensiven, dem Schutzbedürfnis des eigenen Dienstes gerecht werdenden, eigensichernden Spionageabwehr, sofern der Chef des Bundeskanzleramtes im Einzelfall keine andere Entscheidung getroffen hat (Eigensicherung).37 Daneben hat der BND besondere nachrichtendienstliche Aufträge der Bundesregierung und des Bundeskanzlers im Ausland zu erledigen (Sonder­ aufträge), was als Auffangtatbestand zu verstehen ist.38 Insgesamt weist der BND eine stark interdisziplinäre Aufgabenwahrnehmung auf, da die von ihm zu berücksichtigenden Aspekte sowohl außen- als auch innenpolitischer und militärischer Natur sind – dies nicht zuletzt deshalb, weil er zum einen Kooperationen mit inländischen Sicherheitsbehörden pflegt, zum anderen im In- und Ausland39 militärische und zivile Erkenntnisse über das Ausland erlangt und analysiert.40

III. Das Amt für den militärischen Abschirmdienst Das Amt für den militärischen Abschirmdienst ist als Teil der Streitkräfte zugleich Bestandteil des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg); truppendienstlich gehört es zur Streitkräftebasis.41 Organisatorisch untersteht das Amt als Dienststelle dem Kommando Streit­ kräftebasis, das wiederum vom Inspekteur der Streitkräftebasis geleitet wird. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich des MAD ist Art. 73 Abs. 1 Nrn. 1, 10 lit. b GG zu entnehmen; seine Errichtungs- und 36  Abrufbar unter http: /  / www.bnd.bund.de / DE / Einblicke / Aufbauorganisation / auf bauorganisation_node.html; zuletzt abgerufen am 24.05.2014. Der Präsident und die Vizepräsidenten werden von einem Leitungsstab unterstützt. 37  Gröpl, S.  222 ff.; Hansen, S. 71. Der Aufgabenbereich ist der Dienstanweisung für den BND vom 04.12.1968 entnommen, siehe BT-Drs. 7 / 3246, S. 47 f. 38  Gröpl, S. 222, 224 f. 39  Sofern der BND Informationen im Inland erhebt, unterliegen Erhebung, Verar­ beitung und Nutzung spezifischen Beschränkungen, vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG. 40  Gujer, Kampf an neuen Fronten, S. 237; Hansen, S. 71; Rose-Stahl, S.  141 ff. 41  Alff, in: Schreckenberger, S. 99 (111); Hansen, S. 74.



III. Das Amt für den militärischen Abschirmdienst27

Organisationskompetenz bezüglich des Amtes ergibt sich aufgrund dessen Zugehörigkeit zu den Streitkräften aus Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG.42 Der MAD verfügte im Jahr 2012 über 1.135 Bedienstete und erhielt einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt in Höhe von ca. 71,97 Millionen Euro.43 Das Amt für den Militärischen Abschirmdienst wird von einem Amtschef bzw. Präsi­ denten geleitet, dem ein ständiger Vertreter unterstellt ist.44 Das Amt besteht aus fünf Abteilungen: Abt. ZAufg: Zentrale Aufgaben; Abt. I: Grundsatz, Recht, Nachrichtendienstliche Mittel; Abt. II: Extremis­ mus- / Terrorismus- / Spionage- und Sabotageabwehr; Abt. III: Einsatzabschir­ mung und Abt. IV: Personeller / Materieller Geheim- und Sabotageschutz.45 Das Aufgabenspektrum des MAD lässt sich in groben Zügen in drei Teilbe­ reiche aufgliedern. Zum einen obliegt dem MAD ein Abschirmauftrag (vgl. § 1 Abs. 1 MADG), wonach dieser Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Spionagetätigkeiten fremder Mächte zu sammeln und aus­ zuwerten hat, sofern sich die Aktivitäten gegen den Geschäftsbereich des BMVg richten oder von Personen ausgehen, die diesem Geschäftsbereich an­ gehören bzw. in ihm tätig sind. Zum anderen besteht gemäß § 1 Abs. 2 MA­ DG die Pflicht zur Beurteilung der Abschirmlage, indem der MAD unter An­ fertigung eines Lagebildes die Sicherheitslage von Einrichtungen und Dienst­ stellen im Geschäftsbereich des BMVg und, bei Vorlage entsprechender inter­ nationaler Vereinbarungen, auch die ausländischer militärischer Stellen zu beurteilen hat.46 Schließlich hat der MAD auch Mitwirkungsaufgaben im Rahmen des personellen wie materiellen Geheimschutzes sowie (personellen) Sabotageschutzes, die weitestgehend denen des BfV, bezogen auf den Ge­ schäftsbereich des BMVg, entsprechen, vgl. § 1 Abs. 3 MADG. Die institutionelle Nähe von MAD und BfV und die damit einhergehende Aufgabenüberschneidung erfordert ein hohes Maß an Zusammenarbeit; folglich ist es in Einzelfällen den Diensten gestattet, jeweils im anderen Geschäftsbereich tätig werden zu dürfen.47 Im Rahmen von Auslandseinsät­ 42  Droste, S. 648; Gröpl, S. 230; Haedge, S.  178 f.; Hömig, in: Hömig, GG, Rn. 8 zu Art. 87 GG; Rose-Stahl, S. 132. 43  Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 13. Im Ver­ gleich dazu verfügte der MAD 2010 noch über 1.180 Mitarbeiter und einen Etat in Höhe von ca. 70,4 Millionen Euro, siehe ebenda. 44  Der MAD wird seit 2012 von Ulrich Birkenheier geleitet. Ständiger Vertreter ist seit 2010 Wolfgang Hein. 45  Abrufbar unter http: /  / www.kommando.streitkraeftebasis.de / portal / a / kdoskb /  !ut / p / c4 / 04_SB8K8xLLM9-MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK94uyk-OyUfL3y1MySlOK S4hK93MQUvZT88ryc_MQU_YJsR0UA2lBoRg!!  /  ; zuletzt abgerufen am 24.05. 2014. 46  Droste, S. 650; Gröpl, S.  233 f.; Rose-Stahl, S. 135. 47  Siehe hierzu § 3 Abs. 3 MADG bzw. §§ 2 und 3 Abs. 2 MADG.

28

B. Struktur und Aufgaben der Nachrichtendienste

zen kommt zudem eine Überschneidung mit dem BND in Betracht, da der MAD grundsätzlich nur innerhalb der Liegenschaften der Streitkräfte tätig wird, so dass die präventive Anschlagsabwehr auf Einrichtungen der Bun­ deswehr primär dem BND obliegt.48

48  Hansen,

S. 75; Rose-Stahl, S. 138. Siehe auch § 14 Abs. 1, 2 und 6 MADG.

C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz Will man feststellen, weshalb die parlamentarische Nachrichtendienstkon­ trolle erst im Jahre 2009 durch Art. 45d GG in das Grundgesetz Einzug gefunden hat, wird man die verfassungshistorische Entwicklung zu dieser Norm betrachten müssen.

I. Zur historischen Ausgangslage 1. Das PVMG und die Reformbemühungen in den 1960er Jahren Ausgangspunkt dieser nunmehrigen verfassungsrechtlichen Implementie­ rung war ein schlicht exekutiver Errichtungsakt, ohne gesetzgeberische Legitimation im engeren Sinne, des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer zur Errichtung eines „Parlamentarischen Vertrauensmännergremi­ ums“ (PVMG) im Jahre 1956.1 Dieses Gremium, dessen Mitglieder durch die Fraktionen entsandt worden sind, wurde ursprünglich ohne festes Reg­ lement durch den Bundeskanzler einberufen, der zugleich auch den Vorsitz führte.2 Gegenstand und Zweck dieses neu eingerichteten Instrumentariums war es, der Bundesregierung die Möglichkeit zu bieten, den Bundestag über nachrichtendienstliche Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes vertrau­ lich zu unterrichten, was sonst im Plenum oder den regulären Ausschüssen nicht möglich gewesen wäre.3 1  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S.  87 (99); Hansalek, S.  33 f.; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 171 f. Rn. 3. 2  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S.  87 (99  f.); Haedge, S. 311. Erst später, ab 1973, gelang es den Fraktionen durchzusetzen, dass der Vor­ sitz im turnusmäßigen Wechsel zwischen den Fraktionen den Bundestagsabgeordne­ ten überantwortet worden ist, wobei dem Einberufungsverlangen einer jeden Frak­ tion nachgekommen werden musste, siehe Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (100). Zuvor bestand keine Möglichkeit, den Bundeskanzler zur Einberufung des Gremiums zu zwingen, vgl. BT-Drs. 7 / 5924, S. 61. 3  Hansalek, S. 35. Erst im Jahre 1964 wurden zwei Affären, die sog. „PätschAffäre“ und die „Telefon-Affäre“ von Seiten des Parlaments zum Anlass genommen, den Zuständigkeitsbereich des PVMG auch auf den Militärischen Abschirmdienst

30

C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Soll die Arbeit dieses Gremiums im Hinblick auf dessen rechtlichen und politischen Rückhalt im parlamentarischen Milieu rückblickend zusammen­ fassend beurteilt werden, wird man konstatieren müssen, dass die Einrich­ tung, obwohl parlamentarisch besetzt, dennoch zu stark in Abhängigkeit von Einflüssen des Bundesregierung stand, der es zunehmend gelang, das PVMG für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.4 Grund für diese Annahme ist zum einen der Umstand, dass sowohl Themensetzung als auch Beratungstie­ fe von der Bundesregierung nahezu ausschließlich bestimmt werden konnten und wurden, da es dem PVMG nicht zustand, selbst investigativ tätig zu werden oder auch nur den Bundeskanzler zur konkreten Auskunfterteilung in rechtlich durchsetzbarer Weise, also auch gegen dessen Willen, zu bewe­ gen.5 Zum anderen, bedingt durch die fehlende gesetzgeberische bzw. ge­ schäftsordnungsmäßige Untermauerung des PVMG und die bloße Entsen­ dung seiner Mitglieder durch die Fraktionen, mangelte es dem Gremium an einer hinreichenden parlamentarischen Legitimation, was sich im parlamen­ tarischen Kontrollalltag zusätzlich als Schwachstelle gegenüber der voll le­ gitimierten Stellung der Bundesregierung darstellte.6 Dieser unbefriedigende Zustand der strukturell schwachen parlamentari­ schen Nachrichtendienstkontrolle durch das PVMG mündete schließlich in dem Umstand, dass das Gremium seit 1976, daher mit Beginn der 8. Legisla­ turperiode des Bundestages, mangels Einberufung nicht mehr zusammenge­ treten war und damit diese in ihrer Effektivität schwach ausgeprägte Form der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle seitdem vollends ausfiel.7 Allerdings gab es nicht erst zu diesem Zeitpunkt Anlass und Anstoß, dieses System der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle auf neue Füße zu stellen. Den Ausgangspunkt dieser auf Veränderung gerichteten und auf das Bundesamt für Verfassungsschutz auszudehnen, siehe Brenner, Bundes­ nachrichtendienst im Rechtsstaat, S. 57; Hansalek, S. 37. 4  Hansalek, S. 35 Fn. 118 m. w. N. 5  Hansalek, S. 36; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 171 f. Rn. 3. 6  Haedge, S. 311; Hansalek, S. 36; BT-Drs. 8  / 1599, S. 5. Diese rechtliche wie faktische Schwäche des PVMG gegenüber der Bundesregierung manifestierte sich durch den Umstand, dass zu Beginn einer jeden Legislaturperiode die Einrichtung des Gremiums neu abgesprochen werden musste und damit sinnbildlich vom Wohl­ wollen des Bundeskanzlers abhing; nicht zuletzt deshalb dürfte die Feststellung, wonach das PVMG „eine Einrichtung von Gnaden des Bundeskanzlers“ war, zutref­ fend sein, siehe Borgs-Maciejewski, Zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrich­ tendienste, ZRP 1997, 361 (361). 7  Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, Parlament, B 6  / 1977, 12 (14 f.); Hömig, Zur parlamentarischen Kontrolle, Parlament, B 42  /  1977, 15 (20 f.); Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 171 f. Rn. 3. Als möglichen Grund nennt Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (100), die zunehmende Polarisierung der Parteien im Bundestag.



I. Zur historischen Ausgangslage31

Überlegungen im Parlament bot der sog. „Hirsch-Ausschuss“8, der zweite Untersuchungsausschuss in der 5. Wahlperiode, in dessen Abschlussbericht im Jahre 1969.9 Dieser Ausschuss kam zu dem Schluss, dass das auf die unerzwingbare Einladung des Bundeskanzlers angewiesene Gremium drin­ gend einer klaren Rechtsstellung bedurfte.10 Dabei unterstrich der Ausschuss die schon seit Jahren bestehende Notwendigkeit für eine entsprechende Reformierung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste und verknüpfte dies mit der Forderung nach Etablierung eines regulären Aus­ schusses des Deutschen Bundestages für Angelegenheiten der Nachrichten­ dienste, wobei dessen Schaffung als so prioritär eingestuft wurde, dass der Ausschuss sämtlichen Fraktionen des Bundestages empfahl, noch in der laufenden Legislaturperiode das Grundgesetz um einen Art. 45a GG zu er­ gänzen.11 Inhalt dieses Artikels sollte sein: „(1) Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, ei­ nen Ausschuß für Verteidigung und einen aus fünf Abgeordneten bestehenden Ausschuß für Angelegenheiten der Nachrichtendienste. Diese Ausschüsse werden auch zwischen zwei Wahlperioden tätig. (2) … (3)  Der Ausschuß für Angelegenheiten der Nachrichtendienste übt die parlamen­ tarische Kontrolle über die Nachrichtendienste aus und nimmt auf diesem Gebie­ te die Rechte eines Untersuchungsausschusses ausschließlich wahr. Auf Antrag von zweien seiner Mitglieder des Bundestages hat er eine Angelegenheit zum Gegenstand seiner Untersuchung zu machen.“

Dieser Aufforderung folgten sämtliche Fraktionen des Bundestages, als sie durch einen Gesetzentwurf vom 24. Juni 1969 den vorerwähnten For­ mulierungsvorschlag aufgriffen und in das parlamentarische Gesetzgebungs­ verfahren einbrachten.12 Trotz der Einmütigkeit im Rahmen der Gesetzeseinbringung scheiterte das Vorhaben schon im Bundestag an den fehlenden Stimmen der CDU /  8  Benannt nach dem Vorsitzenden, dem ehemaligen Richter des Bundesverfas­ sungsgerichts Martin Hirsch (geboren am 06.01.1913, verstorben am 12.04.1992). 9  BT-Drs. V  / 4208. Grund für die Einrichtung dieses Untersuchungsausschusses war ein Antrag der SPD (BT-Drs. V / 3442), der nach diversen Spionagefällen und „Selbstmorden“ um hochgestellte Persönlichkeiten wie den damaligen Vizepräsiden­ ten des BND Wendland und den Flotillenadmiral Lüdke unter anderem das Ziel hatte herausarbeiten zu lassen, ob die für den Staatsschutz und die Spionageabwehr zuständigen nachrichtendienstlichen Stellen aufgrund ihrer damaligen Organisation, Kompetenzverteilung bzw. Ausstattung in der Lage waren, ihren Aufgaben gerecht zu werden, vgl. BT-Drs. V / 4208, S. 1. 10  BT-Drs. V / 4208, S.  8. 11  BT-Drs. V / 4208, S.  8. 12  BT-Drs. V / 4445.

32

C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

CSU.13 Diese Entwicklung, die es kurz nachzuzeichnen gilt, konnte indes nicht als vorhersehbar bezeichnet werden: In der schon am 25. Juni 1969 abgehaltenen Sitzung des Rechtsausschus­ ses des Bundestages berieten die Abgeordneten über den Gesetzentwurf, wobei auch die CDU / CSU-Fraktion schon zu Beginn der Beratungen erklä­ ren ließ, dass auch sie sich zur Verabschiedung von Art. 45a GG-E(ntwurf) ausgesprochen habe.14 Lediglich auf Seiten der Bundesregierung kamen gegen die Pläne dahin gehend Bedenken auf, ob nicht durch die anvisierten Institutionalisierungsbe­ strebungen das Grundgesetz überfrachtet werden könnte; es wurde die Frage gestellt, ob „… ein solches kleines Gremium im Parlamentsrecht institutiona­ lisiert werden solle …“.15 Besondere Beachtung wurde diesen Bedenken so­ weit ersichtlich nicht geschenkt, da der Rechtsausschuss in seinem Schriftli­ chen Bericht die vorgelegte Änderung des Grundgesetzes, bis auf wenige redaktionelle Änderungen, übernahm und entsprechende Beschließung emp­ fahl, wobei er sich den Ausführungen zur Notwendigkeit einer Grundgesetz­ änderung im Bericht des „Hirsch-Ausschusses“ ausdrücklich anschloss.16 Erst in der entscheidenden Sitzung zur zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfes gab die CDU / CSU-Fraktion bekannt, die Einfügung von Art. 45a GG-E nicht mit zu beschließen, ohne damit, wie hervorgehoben wurde, eine endgültige Stellungnahme in der Sache abgeben zu wollen.17 Die Fraktion der CDU  /  CSU hielt den Gesetzentwurf lediglich für nicht genügend ausdiskutiert, so die offizielle Erklärung für ihren plötzlichen Meinungswandel.18 Entscheidend ist an dieser Stelle, nach den tatsächlichen Gründen für die damalige Stimmenversagung zu suchen. Als erster Hauptgrund kann 13  Sten.

Ber. BT 5 / 246, 02.07.1969, S. 13731 (C). Rechtsausschuss BT 5 / 124, 25.06.1969, S. 15. Insofern besteht eine klare Linie zum Verhalten im Plenum, da die Feststellung des Abgeordneten Hirsch (SPD) in der Sitzung vom 26.06.1969, in der dieser die Kontrolltätigkeit des PVMG als nicht genügend oder nicht wirksam bezeichnete und deshalb um eine baldige Verfassungsänderung warb, ohne Gegenrede blieb und mit allgemeinem Beifall beendet wurde, siehe Sten. Ber. BT 5 / 243, 26.06.1969, S. 13592 (A, B). 15  Kurzprotokoll Rechtsausschuss BT 5 / 124, 25.06.1969, S. 17. Kurz problemati­ siert wurde lediglich die Frage, warum die genaue Größe des Ausschusses im Grundgesetz festgelegt werden sollte. Insoweit wurde von dem Abgeordneten Hirsch (SPD) darauf hingewiesen, dass man dadurch einen auf einfache Mehrheit gestützten Änderungsbeschluss des Plenums ausschließen möchte, siehe Kurzprotokoll Rechts­ ausschuss BT 5 / 124, 25.06.1969, S. 17, 19. 16  BT-Drs. V / 4514, S.  3 f. 17  Sten. Ber. BT 5 / 246, 02.07.1969, S. 13729 (B). 18  Sten. Ber. BT 5 / 246, 02.07.1969, S. 13730 (C). 14  Kurzprotokoll



I. Zur historischen Ausgangslage33

das nicht unerhebliche Beharrungsvermögen der Bundesregierung bzw. von Teilen der sie tragenden Regierungsfraktionen angesehen werden, de­ nen eine grundgesetzliche Implementierung zu stark in die Handlungsfä­ higkeit der Bundesregierung einzugreifen schien.19 Als zweiter Hauptgrund trat die Sorge vor einem möglichen Einzug radikaler Parteien (vornehm­ lich NPD) in den Bundestag im Rahmen der Bundestagswahlen im Jahre 1969 und die damit einhergehende Notwendigkeit zur entsprechenden Be­ teiligung dieser Parteien im Rahmen des neu zu schaffenden Ausschusses hinzu.20 2. Die Reformdiskussionen in den 1970er Jahren Dass die Diskussion um eine Implementierung der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle in das Grundgesetz dadurch nicht beendet war, beweisen die im Jahr 1973 beginnenden Beratungen der „Enquête-Kommis­ sion für Fragen der Verfassungsreform“.21 Im Gegensatz zum Ergebnis des „Hirsch-Ausschusses“ hielt die Kommission am bisherigen System fest, indem sie feststellte, dass die Verankerung eines besonderen Ausschusses in der Verfassung nicht erforderlich sei, sofern der Vorsitz im PVMG von ei­ nem Mitglied des Deutschen Bundestages ausgeübt werde.22 Als maßgebli­ che Erwägung für diese Entscheidung gab die Kommission das Ziel an, die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung und die Effektivi­ tät der Nachrichtendienste nicht tangieren zu wollen.23 19  Hansalek, S. 42. Dass nicht nur die Fraktion der CDU / CSU, sondern auch die Bundesregierung im Hintergrund skeptisch auf die angestrebte Grundgesetzänderung reagierten, kann zum einen der Einlassung der Bundesregierung im Rechtsausschuss zur angeblichen Überfrachtung des Grundgesetzes in der Sitzung 5 / 124, 25.06.1969, S. 17, entnommen werden, zum anderen den Ausführungen des Abgeordneten Hirsch (SPD), als dieser vorträgt Kenntnis davon zu haben, dass auch das Kabinett aus­ drücklich Bedenken geäußert hatte, siehe Sten. Ber. BT 5 / 246, 02.07.1969, S. 13730 (B). 20  Baier, S. 68 Fn. 230; Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (100); Haedge, S. 312. Dass die Zustimmungsversagung kein Produkt des Zufalls war, wird durch den Umstand belegt, dass vergleichbare Vorhaben in den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen in den Jahren 1973 bzw. 1976 je­ weils von den CDU-Landtagsfraktionen abgelehnt worden waren (in Niedersachsen auch abgelehnt durch die FDP-Fraktion), siehe Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, 12 (25). 21  BT-Drs. 7 / 214 (neu). Ziel und Auftrag dieser Kommission war es zu prüfen, inwieweit das Grundgesetz unter Wahrung seiner Struktur gebenden Prinzipien an­ zupassen war, um den gegenwärtigen und zukünftigen politischen und rechtlichen Erfordernissen hinreichend gerecht werden zu können. 22  BT-Drs. 7 / 5924, S.  60. 23  BT-Drs. 7 / 5924, S.  60.

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Dieser vorweggenommenen Ergebnisdarstellung fügte die Kommission diverse widerstreitende Argumente an, die für und gegen die problematisier­ te Ausschusslösung sprechen sollten.24 Die Ausführungen der Kommission lassen sich insoweit zusammenfassen,25 dass ein im Grundgesetz aufgenommener Ausschuss auf eine normmäßige Verankerung und ein festes Prozedere verweisen könne, dessen Mitglieder sich dann als ordentliche Ausschussmitglieder ihrer Arbeit mit voller Kraft widmen könnten. Eine Manifestation im Grundgesetz könnte aus Sicht der Kommission zudem dazu beitragen, dass die Bundesregierung ihrer Unter­ richtungsverpflichtung gegenüber dem Ausschuss vollständiger und bereit­ williger nachkommt, da ansonsten zu befürchten steht, dass der Ausschuss von seinen rechtlich abgesicherten Durchsetzungsrechten Gebrauch machen könnte. Für die Beibehaltung des PVMG sollten die allmählichen Formalisie­ rungstendenzen eben dieses Gremiums in der Vergangenheit26, die weniger stark ausgeprägte Gefahr einer parteipolitischen Ausschlachtung der Gremi­ umsarbeit gegenüber der Öffentlichkeit sowie die Vermeidung einer unnö­ tigen Kontrollkonkurrenz mit dem Innen- und Verteidigungsausschuss be­ züglich des Bundesamtes für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst sprechen. Als ebenso relevant erachtete die Kommission den Umstand, wonach das als „Gesprächspartner“27 fungierende PVMG, nicht nur der überschaubareren Größe wegen, besser geeignet sei, die Ge­ heimhaltung zu gewährleisten als ein Ausschuss mit der Konsequenz einer erhöhten freiwilligen Auskunftsfreude28 der Regierung, sowie die in einem Gremium weniger vorhandene Gefahr einer möglichen Unterwanderung durch radikale Parteien, da eine Pflicht zur proportionalen Beteiligung der im Bundestag vertretenen Parteien in einem Gremium nicht zwingend vor­ 24  BT-Drs. 7  / 5924, S. 61 ff. Ein vollständiger wörtlicher Auszug findet sich bei Hansalek, S.  44 ff. 25  Eine prägnante, zusammenfassende Darstellung bietet Achterberg, Parlaments­ reform – Themen und Thesen, DÖV 1975, 833 (848) auf Grundlage des Zwischen­ berichts der Kommission (BT-Drs. VI / 3829, S. 25 f.), der sich insoweit vom Ab­ schlussbericht nicht unterscheidet. 26  So zum Beispiel der zwischen den Fraktionen turnusmäßig wechselnde Vorsitz sowie das Einberufungsrecht jeder im Gremium vertretenen Fraktion. 27  So wörtlich in BT-Drs. VI / 3829, S. 24. 28  Die gesteigerte Auskunftsfreude der Regierung wird an anderer Stelle zudem mit der hinreichenden Vertrauensbasis gegenüber den Mitgliedern des PVMG be­ gründet und der Vermutung, dass sich die Regierung bei einer zunehmenden Anzahl substantiierter Auskunftsverlangen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen könnte, was kontraproduktiv sei, da auch ein Ausschuss letztlich keine wirksamen Mittel zur Durchsetzung seines Auskunftsanspruches einsetzen kann, siehe BT-Drs. 7 / 5924, S.  62.



I. Zur historischen Ausgangslage35

gegeben sei.29 Schließlich, so die Kommission, fehle es den Mitgliedern eines Ausschusses wegen der Restriktionen bezüglich des Informationsaus­ tausches an der erforderlichen Rückbindung zum Parlament. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Kommission dieser Thematik auch unter dem Gesichtspunkt annahm, ob ein Ausschuss in Nachrichtendienstangelegenheiten als Integrationsfaktor zwischen den Diensten und der Bevölkerung dienen könnte.30 Die Kommission folgte jedoch auch diesem Ansatz nicht, da sie sich von einer Aufnahme eines Ausschusses in das Grundgesetz keine besondere Beachtung in der Öffent­ lichkeit versprach, jedenfalls keine positiv konotierte. Vielmehr zeigte man sich davon überzeugt, dass eine Einfügung in die Verfassung der Öffentlich­ keit die Notwendigkeit einer Nachrichtendienstkontrolle vor Augen führen könnte mit der Folge des Schürens weiteren Misstrauens gegenüber den Diensten.31 Die Kommission beschäftigte sich in diesem Zusammenhang schließlich auch mit der Frage, ob dem Ausschuss für Angelegenheiten der Nachrich­ tendienste zugleich auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses zuste­ hen sollten. Immerhin, so die Befürworter einer Ausschusslösung im Grund­ gesetz, verfüge ein ständig mit der Materie befasster Ausschuss über fachlich gut informierte Mitglieder, die sich nicht vollständig neu einarbeiten müss­ ten, zumal die Besetzung von ad-hoc-Untersuchungsausschüssen aufgrund der oftmals gespannten und emotionsgeladenen Atmosphäre nicht unerheb­ liche personelle Sicherheitsrisiken berge bzw. die Besetzung nicht nach sachgerechten Kriterien erfolge.32 Die Gefahr einer Unterlaufung durch verfassungsfeindliche Parteien, so die Befürworter, könnte man dadurch begegnen, indem man den Kontrollausschuss personell klein halte.33 Diese Vorzüge anerkennend, sprach sich die Kommission letztlich den­ noch gegen die Ausschusslösung aus, da die erforderliche Aufklärungsleis­ tung auch im bestehenden System gesichert sei und im Übrigen nur ad-hocUntersuchungsausschüsse dem Minderheitenrecht die volle Geltung ver­ 29  Die Kommission sah die Gewährleistung der Geheimhaltung auch bei einem zahlenmäßig überschaubaren Ausschuss als problematisch an, da schließlich die für den Ausschuss tätigen Beamten und Angestellten Zugang zu den Sitzungen und Unterlagen hätten, siehe BT-Drs. 7 / 5924, S. 62. 30  Bemerkenswerterweise äußert sich der Schlussbericht hierzu nicht mehr. Le­ diglich der Zwischenbericht enthält hierzu immerhin eine eigene Teilüberschrift, siehe BT-Drs. VI / 3829, S.  27. 31  BT-Drs. VI / 3829, S.  27. 32  BT-Drs. 7 / 5924, S.  63. 33  BT-Drs. 7  / 5924, S. 63. Die Kommission stellte hierzu unwidersprochen fest, dass Fraktionen mit weniger als 100 Abgeordneten in einem aus fünf Mitgliedern bestehenden Ausschuss keinen Anspruch auf Vertretung haben.

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

schaffen könnten; insofern dürfe die Druck begründende Macht der Öffent­ lichkeit in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden.34 Letztlich gab die Kommission auch zu bedenken, dass Abgeordnete des Ausschusses in einen Interessenkonflikt geraten würden, sollte sich der Ausschuss in seiner Funktion als Untersuchungsausschuss mit beanstandeten Regierungs­ entscheidungen befassen, weil sich so die Untersuchung mittelbar gegen die Ausschussmitglieder selbst richten würde.35 Die aufgezeigte Form der argumentativen Auseinandersetzung blieb frei­ lich nicht ohne Widerspruch. Diese äußerte sich auch „intern“, als der Be­ richterstatter Arndt die unbefriedigende Kontrollsituation durch das PVMG in einem Sondervotum beklagte und vorschlug, auf Verfassungsebene keinen Ausschuss, sondern ein „Verfassungsorgan eigener Art“ zu etablieren, um so das für Ausschüsse geltende Prinzip der Spiegelbildlichkeit ausschließen zu können, damit nicht verbotene aber verfassungsfeindliche Parteien von einer Beteiligung an der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle erfolgreich ausgeschlossen werden könnten.36 Schließlich könnte ein solches Organ, so Arndt, das ausschließlich mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu besetzen wäre, zukünftig einer­ seits die Entscheidung darüber treffen, ob die Regierung gegenüber Unter­ suchungsausschüssen zutreffend Aussagegenehmigungen und Aktenvorlagen mit Hinweis auf Geheimhaltungsbelange verweigert habe, und andererseits ausschließlich das Recht erhalten, auf dem Gebiet der Nachrichtendienste zugleich auch als Untersuchungsausschuss zu fungieren.37 Aber auch außerhalb der Kommission formierte sich Kritik am Abwä­ gungs- und Entscheidungsprozess. Gegen die Beibehaltung des PVMG sprach die Tatsache, dass es sich bei der im Raum stehenden Kontrolle um rechtliche Kontrolle handelte, so dass das maßgebliche Kontrollorgan auch rechtsnormmäßig verankert sein müsse, um auf eine hinreichende Legitima­ tionsbasis verweisen zu können.38 So wurde die Schlagkraft und Tragweite 34  BT-Drs. 7  / 5924, S. 63. Auch insoweit vermutete die Kommission wiederum, dass die Regierung einen Ausschuss, der sich potentiell in einen Untersuchungsaus­ schuss umwandeln könnte, weniger gut informieren würde. 35  BT-Drs. 7 / 5924, S.  63. 36  BT-Drs. 7 / 5924, S.  77. 37  BT-Drs. 7 / 5924, S. 77 f. Dem Vorwurf, wonach in einer solchen Konstellation die Minderheitenrechte zu schwach ausgeprägt seien, begegnete der Abgeordnete Arndt, indem er zwei Mitgliedern dieses Organs oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages die Kompetenz zuweisen wollte, eine Angelegenheit zum Gegen­ stand einer Untersuchung zu machen. Der Ausschusslösung Arndts schloss sich dem Grunde nach auch der Abgeordnete Lenz an, siehe BT- Drs. 7 / 5924, S. 78. 38  Achterberg, Parlamentsreform – Themen und Thesen, 833 (848); Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, 12 (26), der eine Absicherung auf



I. Zur historischen Ausgangslage37

der einzelnen Argumente zum Teil angezweifelt; auch das Verständnis der Kommissionsmehrheit von parlamentarischer Kontrolle wurde infrage ge­ stellt.39 Die Prämisse, wonach Ausschussmitglieder ihre volle Kraft dieser Tätigkeit widmen könnten, sei illusorisch, da sich die Tätigkeit eines Abge­ ordneten nicht in einer Ausschussmitgliedschaft erschöpfe, weshalb auch die Vermutung nicht gelten könne, wonach die Rückbindung dieser Abgeordne­ ten an das Parlament zu schwach ausgeprägt sei.40 Als ebenso wenig über­ zeugend wurde das vermutete Sicherheitsrisiko wegen des zu schaffenden Ausschusssekretariats gesehen, zumal auch das PVMG über eine beamtete Geschäftsführung verfügte.41 Dagegen wurde der vorgebrachte Hinweis auf Art. 43 Abs. 2 GG und das damit einhergehende unbeschränkte Zutrittsrecht für Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung nebst deren Beauftragten zu Sitzun­ gen der Parlamentsausschüsse als mögliches Sicherheits- oder Diskretions­ risiko für durchgreifend erachtet.42 Auch die in den Kommissionsberatun­ gen angesprochene Möglichkeit einer andauernden Suche nach etwaigen Missständen im Nachrichtendienstbereich könnte in einem Ausschuss tatsächlich stärker ausgeprägt sein, was sich auf die Tätigkeit der Nach­ ­ richtendienste nachhaltig negativ oder lähmend auswirken würde.43 Die problematisierte Gefahr des möglichen Einzugs nicht verbotener, aber ver­ fassungsfeindlicher Parteien in einen Nachrichtendienstkontrollausschuss wurde zwar ebenfalls anerkannt, wenngleich dieser Gefahr durch eine ent­ sprechende Verkleinerung des Ausschusses begegnet werden sollte, wobei an dieser Stelle entscheidend sei, so der Tenor, dass bei diesen institutio­ nellen Entscheidungen stets eine Güterabwägung zwischen Sicherheits- und Verfassungsebene für unabdingbar hält, um den Anforderungen des Rechtsstaates genügen zu können. 39  Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, 12 (26), der die gegen einen Ausschuss vorgebrachten Argumente für austauschbar und widersprüchlich hält; Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 243; Schwagerl, S. 292. 40  Achterberg, Parlamentarische Kontrollrechte, DÖV 1977, 548 (553). An dieser Stelle weist Achterberg auch darauf hin, dass die besonders erwähnte Kompetenz­ überschneidung mit dem Verteidigungsausschuss allenfalls im Rahmen der Kontrol­ le des MAD vorkommen könne. Soweit die Kommission die a priori weniger ver­ trauenswürdige personelle Zusammensetzung eines Ausschusses aufgreift, wird zu Bedenken gegeben, dass es weiterhin in der Hand der Fraktionen liegen würde, den Ausschuss wie schon bisher das PVMG personell zu beschicken, siehe Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, 12 (26). 41  Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, Parlament, 12 (26). 42  Arndt, in: Schneider  / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rn. 9; Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (98). 43  Angesprochen von Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, 12 (26).

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Geheimhaltungsbedürfnis einerseits und den Transparenz- und Kontroller­ fordernissen andererseits stattfinde.44 Grundlegend argumentierten indes die „externen“ Anhänger der Kommis­ sionsentscheidung mit verfassungsrechtlichen Bedenken, wonach durch die Schaffung eines parlamentarischen Kontrollgremiums, das über umfassende Auskunfts- und Zugangsrechte verfügen würde, das Prinzip der Gewalten­ teilung, wie es zwischen Parlament und Regierung herrscht, verletzt werden könnte, so dass die Verantwortlichkeiten der zuständigen Minister verwischt werden würden.45 Diese Stimmen betonten nicht verkannt zu haben, dass das Gewaltenteilungsprinzip im Grundgesetz nicht vollends verwirklicht sei. Die verfassungsrechtliche Institutionalisierung von Aktenvorlage-, Zugangsund Auskunftsrechten des Parlaments gegenüber der Regierung dürfe den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung dennoch nicht tangieren, da derartige Befugnisse vielmehr eng begrenzte Ausnahmen bleiben müssten.46 Es sollte dem einzelnen Regierungsmitglied in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens überlassen bleiben, wie es dem Interpellationsrecht nachkommt, da nur so die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung gewahrt werden könne.47 Auch hiergegen wurde schon damals vorgetragen, dass im System eines Gewalten teilenden Staates die Verwebung legislativer und exekutiver Macht durchaus ausformbar und damit kein „staatstheoretisches Apriori“ sei.48 Vielmehr wurde herausgestellt, dass der Sinn des Gewaltenteilungsprinzips nicht in der strikten Trennung der Gewalten bestehe, vielmehr soll durch dieses Institut staatliche Macht wechselseitig kontrolliert und begrenzt wer­ den, um letztlich die individuelle Freiheit der Bürgerinnen und Bürger ge­ 44  Achterberg, Parlamentarische Kontrollrechte, 548 (553), Edinger, S. 243; Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (98); Schwagerl, S. 292. Achterberg weist an anderer Stelle jedoch auch darauf hin, dass der Ausschluss nicht verbotener, verfassungsfeindlicher Parteien nicht dem demokratischen und rechts­ staatlichen Verständnis des Grundgesetzes entspreche; vielmehr politischer Überzeu­ gungskampf und als ultima ratio der Gang zum Bundesverfassungsgericht, siehe Achterberg, Parlamentsreform – Themen und Thesen, 833 (848). 45  BT-Drs. 7  / 5924, S. 60. So auch Hömig, Zur parlamentarischen Kontrolle, 15 (30). Hömig relativierte seine verfassungsrechtlichen Bedenken zu verfassungspoli­ tischen, siehe Hömig, ebenda, 15 (31). 46  Hömig, Zur parlamentarischen Kontrolle, 15 (30) mit Verweis auf die aus­ nahmsweise erweiterten Rechte der Untersuchungsausschüsse und des Petitionsaus­ schusses. 47  Hömig, Zur parlamentarischen Kontrolle, 15 (30 f.), der gleichwohl anmerkt, dass der Regierung trotz Normierung diverser Zwangsbefugnisse letztlich doch ein Letztverweigerungsrecht, verfassungsrechtlich garantiert, verbleiben würde. 48  Achterberg, Parlamentarische Kontrollrechte, 548 (552).



I. Zur historischen Ausgangslage39

währleisten zu können.49 Die durch die zunehmende Gewaltenverschränkung bewirkte etwaige Verwischung der Ministerverantwortlichkeit rechtfertige indes keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, allenfalls verfassungspolitische, sofern die allgemein anerkannten Grenzen parlamen­ tarischer Regierungskontrolle beachtet werden.50 Die Grenze wäre nur dort zu ziehen, wo eine Gewalt ein nicht in der Verfassung vorgesehenes Über­ gewicht über eine andere Gewalt erhalten würde mit dem Ergebnis, dass die dominierte Kraft ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeiten beraubt werden würde.51 Eine solche Situation sahen die Kritiker der Kommissionsentschei­ dung im hiesigen Zusammenhang jedoch nicht. Ungeachtet der vorstehenden Kritik an dem Votum der Kommission folgte der Bundestag ihrem Ergebnis und sah erneut von einer Reform des nachrich­ tendienstlichen Kontrollwesens ab. Die geringfügigen Anpassungen bezüg­ lich Struktur und Arbeitsweise des PVMG vermochten eine Verbesserung des vielerorts beklagten Kontrollmissstandes jedoch nicht zu beseitigen.52 3. Die Begründung der Parlamentarischen Kontrollkommission im Jahre 1978 Das Unbehagen über das nicht effektiv arbeitende Kontrollgremium kul­ minierte schließlich 1978, als die Bundesregierung selbst rückblickend die parlamentarische Kontrolle in der bis dahin stattfindenden Form als unge­ nügend bezeichnete.53 Das Ergebnis dieser Entwicklung war schließlich die einfachgesetzliche Schaffung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK). 49  BVerfGE 22, 106 (111); Evers, in: Bonner Kommentar (BK), GG, Rn. 75 zu Art. 73 Nr. 10 GG; Goltz, Mitwirkung parlamentarischer Ausschüsse beim Haus­ haltsvollzug, DÖV 1965, 605 (608); Schwagerl, S.  291 f.; Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, S. 165. 50  So im Ergebnis Borgs-Maciejewski, Die Nachrichtendienste im Spannungs­ feld, Parlament, B 42 / 1977, 33 (35); Evers, in: BK, GG, Rn. 75 zu Art. 73 Nr. 10 GG. 51  Goltz, 605 (608). 52  So auch Hansalek, S.  47 f.; Schwagerl, S. 292. 53  Der damalige Bundesminister des Innern Maihofer sagte: „Wenn der Gesetz­ geber nun aus den durch Erfahrung erhärteten Zweifeln an der Effektivität der bis­ herigen Parlamentskontrolle durch das sogenannte Vertrauensmännergremium die Konsequenz zieht und die Kontrolle der Regierung hinsichtlich der ihr unterstehen­ den drei Dienste des Bundes jetzt durch ein besonderes Organ des Parlaments ge­ setzlich festzulegen und zu regeln versucht, so kann die Bundesregierung das nur begrüßen. Sie tut dies trotz der Schwierigkeiten, die hier in der Natur der Sache liegen.“, siehe Sten. Ber. BT 8 / 78, 09.03.1978, S. 6103 (B, C).

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Ziel der zu schaffenden PKK war eine von etwaigen Vereinbarungen unabhängige und damit rechtlich begründete Regelung, die eine stetige Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes dauerhaft sichern sollte.54 Dabei entschied man sich gezielt gegen eine Ausschusslösung, um die An­ wendbarkeit des Art. 43 Abs. 2 GG ausschließen zu können, da befürchtet wurde, dass eine dadurch bewirkte Vergrößerung des Teilnehmerkreises unter Vertraulichkeitsgesichtspunkten eine wirksame Nachrichtendienstkont­ rolle erschweren könnte.55 Auch waren die Beratungen von der erneut aufgegriffenen Problematik der Gewaltenteilung geprägt. Es sollte vermieden werden, dass durch eine ständige mitlaufende Kontrolle von Exekutiventscheidungen das Recht der Regierung auf Entscheidung vom Parlament und seinen Untergliederungen übernommen wird.56 Die insoweit geäußerten Bedenken konnten jedoch am Ende des Gesetzgebungsverfahrens ausgeräumt werden, da es dem Gesetz­ entwurf nach der Bundesregierung überlassen blieb, Zeitpunkt und Umfang der Unterrichtung der Kontrollkommission zu bestimmen, so dass insoweit nicht von einer Verschiebung der Ressortverantwortlichkeiten zugunsten des Parlamentes gesprochen werden konnte.57 Schließlich aber wurde die ein­ fachgesetzliche Vorgehensweise mit der Anmerkung infrage gestellt, ob es tatsächlich zulässig sei, einem Gremium sui generis auf einfachgesetzlicher Ebene Befugnisse zu übertragen, die originär parlamentarischer Natur sind. Schließlich blieben die Befugnisse des Parlaments durch eine solche Dele­ gation, schon im Hinblick auf die geheimhaltungsbedingte Exklusionswir­ kung, faktisch nicht unberührt.58 Der Rechtsausschuss hielt nach ausführlicher Beratung eine Änderung des Grundgesetzes für entbehrlich, da die Kontrollrechte der Kommission nicht exklusiv seien, sondern vielmehr die Kontrollrechte des Parlaments vervollständigten und dabei das Recht des Plenums auf eigenständige Kon­ trolle de jure unangetastet bleibe.59 Dieser Ansicht wurde zum einen entge­ 54  BT-Drs.

8 / 1140, S.  3. 8  /  1140, S. 3. Dabei wurde die nicht verkannte Möglichkeit einer entsprechenden Änderung von Art. 43 Abs. 2 GG, wohl wegen der nicht ausreichen­ den Mehrheitsverhältnisse, nicht weiter verfolgt. 56  So die Bedenken der CDU / CSU-Fraktion in der 1. Lesung zum PKKG, siehe Sten. Ber. BT 8 / 55, 10.11.1977, S. 4279 (C). 57  Protokoll Rechtsausschuss BT 8  /  36, 08.03.1978, S. 56 und Sten. Ber. BT 8 / 78, 09.03.1978, S. 6103 (C). Dem wurde von Seiten der CDU / CSU auch zuge­ stimmt, siehe Protokoll Rechtsausschuss BT 8 / 36, 08.03.1978, S. 57. 58  So wiederum die CDU  / CSU-Fraktion, siehe Sten. Ber. BT 8 / 55, 10.11.1977, S. 4280 (D). 59  BT-Drs. 8 / 1599, S. 6. Dabei verkannte der Ausschuss an gleicher Stelle nicht, dass der Gesetzeszweck des PKKG gerade darin besteht, die parlamentarische Kon­ trolle im Nachrichtendienstbereich auf die Kontrollkommission zu fokussieren. 55  BT-Drs,



I. Zur historischen Ausgangslage41

gen gehalten, dass ein Hilfsorgan des Bundestages, ausgestattet mit Kompe­ tenzen, die dem Plenum in dieser Form selbst nicht zustehen, einer grund­ gesetzlichen Absicherung bedürfe, wobei auf die vergleichbare Situation beim Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages und beim Petitionsaus­ schuss Bezug genommen wurde, die, auch aus diesem Grunde, jeweils verfassungsrechtlich institutionalisiert worden seien.60 Zudem müsse bedacht werden, dass die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste nicht nur de facto regelmäßige Aufgabe der Kontrollkommission werden würde, sondern auch de jure, da gerade darin der Sinn und Zweck des Gesetzes bestehe – in diesem Umstand müsse eine juristische Dimension zu erblicken sein und gerade kein bloßer Rechtsreflex.61 Ungeachtet dieser im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken setz­ ten sich die einbringenden Fraktionen im Bundestag durch und verabschie­ deten das (einfache) Gesetz mit großer Mehrheit.62 Die Resonanz auf dieses Gesetz war in der einschlägigen Literatur sehr gespalten. Bei der Bewertung des PKKG wurde weiterhin geltend gemacht, dass eine Kontrolle der Bundesregierung aufgrund ihrer verfassungsrechtli­ chen Stellung nur durch einen ausdrücklichen Verfassungsrechtssatz erfol­ gen könne.63 Die erforderliche Verortung in der Verfassung könnte allenfalls dann anerkannt werden, wenn das Gesetz das dem Parlament durch Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG überantwortete Recht auf Selbstorganisation aufgreifen und ausfüllen würde; letzteres aber wurde gerade abgelehnt, da es schließlich ein ausgewiesenes Ziel des Gesetzes gewesen sei, ein Gremium zu schaffen, das explizit nicht den herkömmlichen Kontrollmechanismen des Parlamen­ tes unterliegen sollte.64 In diesem Zusammenhang erfolgte einmal der 60  Protokoll

Rechtsausschuss BT 8 / 36, 08.03.1978, S. 57. vornehmlich der Abgeordnete und Berichterstatter Klein (CDU / CSU), sie­ he Sten. Ber. BT 8 / 78, 09.03.1978, S. 6101 (A, B). 62  Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKKG), vom 11.04.1978, BGBl. I, S. 453. 63  Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 178 Rn. 4, 179 Rn. 6. 64  Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 178 Rn. 5. Als maßgebliche Gründe für diesen Befund sind zu nennen: die Exklusivität der Beratungen gegenüber anderen Abgeordneten, Mitgliedern des Bundesrates und der Bundesregierung sowie das Tätigsein der Kommission über die laufende Wahlperiode hinaus (Ausnahme vom Grundsatz der Diskontinuität), siehe Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 178 Rn. 5, 179 Rn. 6, 206 f. Rn. 2, 208 Rn. 9. Zum Teil wurde die PKK auch als „selbständige Institution“ oder als „unabhängiges Staatsorgan“ klassifiziert, die schon aufgrund dieser Einordnung nicht dem allgemeinen Organisationsrahmen des Bundestages unterworfen werden könne; von parlamentarischer Kontrolle könne man allenfalls nur aufgrund der Namenswahl „Parlamentarische Kontrollkommission“ und der Zu­ sammensetzung mit vom Parlament gewählten Abgeordneten sprechen, siehe Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (102 f.). 61  So

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Vergleich mit den besonderen Hilfsorganen des Bundestages65, deren not­ wendige Erwähnung in der Verfassung damals nahezu unbestritten war, und zweitens der verfassungsrechtliche Hinweis darauf, dass nunmehr durch einfaches Bundesrecht ein Hilfsorgan des Bundestages geschaffen worden sei, das auch über eine Wahlperiode hinaus ermächtigt bleibt, gegenüber der Bundesregierung parlamentarische Kontrollaufgaben mit dem Anspruch auf Auskunft wahrzunehmen, wobei die im Gesetz statuierten Auskunftspflich­ ten der Regierung die über Art. 43 Abs. 1 GG gerechtfertigten deutlich überschritten.66 Freilich wurde auch gesehen, dass dem Gesetz zufolge die Tätigkeit der Kommission auf eine nachfolgende Kontrolle beschränkt blieb, so dass eine mitlaufende Ausübung exekutiver Befugnisse nicht zu befürchten stand, zumal durch die Festschreibung des strikten Geheimschutzes die Gefahr einer externen parteipolitischen Einflussnahme, freilich unter Inkaufnahme einer relativen Folgenlosigkeit der Kommissionskontrolle, stark vermindert worden war.67 Wohl auch deshalb wurde teilweise betont, dass gegen das PKKG Bedenken wegen eines etwaigen Verstoßes gegen das Gewaltentei­ lungsprinzip nicht bestünden.68 Hauptstreitpunkt des neuen PKKG blieb indes die Frage, wie der Passus des § 1 Abs. 2 PKKG69 verfassungsrechtlich einzuordnen war. Insofern wurde durchaus der Standpunkt vertreten, wonach diese „Unberührtheits­ klausel“ die gegen das Gesetz insgesamt gehegten systemstrukturellen Be­ denken entschärfen vermochte, da wegen des rein deklaratorischen Charak­ ters das Gesetz insoweit zutreffend selbst davon ausging, rechtlich die Kontrolle nur neben Plenum und Ausschüssen wahrzunehmen und dies vorangestellt auch betonte.70 65  Genannt wurden: Petitionsausschuss, Wehrbeauftragter des Bundestages, Gre­ mium und Kommission nach dem Gesetz zu Art. 10 GG, Verteidigungsausschuss und Ausschuss für Auswärtiges, siehe Evers, Parlamentarische Kontrolle der Nach­ richtendienste, NJW 1978, 1144 (1145). 66  Evers, 1144 (1145); Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, VVDStRL 37 (1979), S. 53 (92), Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 179 Rn. 6. 67  Evers, 1144 (1145). Evers betonte an dieser Stelle auch, dass die Kontrolltä­ tigkeit der Kommission die Rechtswirksamkeit der Regierungsentscheidungen, an­ ders als im Rahmen des Art. 10-Gesetzes (G 10), unberührt lasse. 68  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (106 f.); Klein, Ver­ fassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (91). 69  „Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt.“ 70  Arndt, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rn. 12; eher fragend Evers, 1144 (1145); Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechts­ staat, S. 87 (103), der zumindest die Parallelzuständigkeit anerkannte; Penner, in: Bundesamt für Verfassungsschutz, S. 101 (109); Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 189 Rn. 41. Eine auf politische oder faktische Maßstäbe ausgerichtete Argu­



I. Zur historischen Ausgangslage43

Dem allerdings wurde der Telos des Gesetzes entgegen gehalten, wonach die Kommission schwerpunktmäßig die regelmäßige Kontrolle der Bundes­ regierung im Nachrichtendienstbereich übernehmen sollte, so dass sich die in § 1 Abs. 2 PKKG niedergelegte Parallelzuständigkeit als „falsa demonst­ ratio“ erweisen würde.71 Aus diesem Grunde hielten nicht wenige Stimmen daran fest, für die Einführung des PKKG eine vorherige Grundgesetzände­ rung zu fordern, da letztlich von einer wirklichen parallelen Kontrolle nur ansatzweise die Rede sein konnte; vielmehr sei eine erschöpfende Delega­ tion von Kontrollbefugnissen des Parlaments auf die PKK vorgenommen worden.72 In der zusammenfassenden Würdigung stand die Einschätzung, wonach das Gesetz, das ein Mittelweg zwischen allen bis dahin vorgebrachten Al­ ternativen73 war, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens viel an Präzision verloren habe, gerade weil die politische Absicht bestand, das Gesetz mit breiter Mehrheit und damit auch unter Einbindung der CDU / CSU-Bundes­ tagsfraktion zu verabschieden.74 Zugespitzt wurde die Ansicht vertreten, wonach dem neuen PKKG recht­ lich allenfalls eine Alibi-Funktion im Rahmen der parlamentarischen Nach­ richtendienstkontrolle zuerkannt werden könne.75 Insoweit wurde der Zuge­ winn an rechtlicher Kontrollkompetenz für das Parlament stark bezweifelt – zum Teil war die Rede von einem rechtsförmlich institutionalisierten Ver­ trauensmännergremium.76

mentation räumt ein vom Recht begründetes Ergebnis nicht aus, so Arndt, Gesetz­ liche Neuregelungen auf dem Gebiete der Nachrichtendienste, DVBl. 1978, 385 (386). 71  Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (92). 72  Edinger, S. 250; Evers, 1144 (1145); Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (107), der seine Entscheidung nicht davon abhängig macht, ob der Kommission die Kontrolle vollständig oder nur im Regelfall übertragen worden ist; Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (92). 73  Auf der einen Seite stand das ursprüngliche PVMG, sodann die von der En­ quête-Kommission vorgeschlagene modifizierte Form des PVMG; auf der anderen Seite ein in der Verfassung niedergelegtes Gremium „sui generis“ (Vorschlag der Abgeordneten Arndt / Lenz) und schließlich der „vollwertige“ Bundestagsausschuss im Grundgesetz, siehe Penner, S. 101 (107); Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 176 Rn. 7. 74  Arndt, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rn. 11; Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (101); Hansalek, S. 51 Fn. 173. 75  Edinger, S. 251. 76  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (105).

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

4. Weitere wesentliche Entwicklungen bis zum Jahr 2009 Nach einer rund 13-jährigen „Evaluationsphase“ des PKKG kamen ab 1990 / 91 vermehrt Stimmen auf, die eine Änderung bzw. Erweiterung des PKKG in der Fassung von 1978 forderten, was schließlich 1992 in einer Ge­ setzesänderung mündete.77 Dabei ging es um die Art und Reichweite der Kon­ trollmöglichkeiten der Kommission gegenüber der Bundesregierung, die als zunehmend unzureichend angesehen wurden.78 Hauptkritikpunkte der damali­ gen Zeit waren die mangelhafte Durchsetzbarkeit des Unterrichtungsanspru­ ches gegenüber der Bundesregierung, zum anderen die zu weitgehende Mög­ lichkeit der Bundesregierung, die inhaltliche Ausgestaltung der Unterrichtung zu bestimmen, so dass letztlich eine echte Pflicht der Regierung faktisch nicht bestand.79 Die daraufhin ergriffenen Maßnahmen umfassten neben einer posi­ tiv-rechtlichen Änderung des PKKG die Abgabe einer „Ehrenerklärung“ durch die Bundesregierung.80 Inhaltlich bezog sich diese Erklärung auf: •• Akteneinsichtsrecht bei den Diensten •• Anhörungsrecht gegenüber bestimmten Personen •• Angehörige der Dienste sollten ohne Furcht vor dienstlicher Benachteili­ gung bzw. Maßregelung das Recht erhalten, sich zum Zwecke der Aufga­ benverbesserung der Nachrichtendienste mit Hinweisen an die Kommis­ sion wenden dürfen.81 Allerdings behielt sich die Bundesregierung auch insoweit ein Verweige­ rungsrecht vor, wenn dies aus zwingenden Sicherheitsgründen notwendig 77  Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nach­ richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes und zur Änderung des Gesetzes zur Be­ schränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 27.05.1992, BGBl. I, S. 997. 78  Geiger, Datenschutz bei den Verfassungsschutzbehörden, DVBl. 1990, 748 (749, 752), der von einem Scheitern der PKK spricht, da sie sich zum einen in der Praxis nicht bewährt habe, zum anderen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand halte, da die Kommission im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit zu stark in Abhängigkeit der Bundesregierung steht, was mit wesentlichen Verfassungsprinzipi­ en unvereinbar sei. 79  Hansalek, S. 56 f. Der Abgeordnete Penner (SPD) gab dazu folgende Erklä­ rung ab: „Aus heutiger Sicht ist die gesetzliche Regelung von damals ein Produkt eines eher bänglichen und seine Konrollrechte und -pflichten eher skeptisch sehen­ den Parlaments“, siehe Sten. Ber. BT 12 / 82, 12.03.1992, S. 6803 (D). 80  BT-Drs. 12 / 1643, S. 1, 4. 81  BT-Drs. 12 / 1643, S. 4. Die Erklärung wurde am Ende der 2. Lesung von der Bundesregierung auch tatsächlich abgegeben, siehe Sten. Ber. BT 12 / 82, 12.03.1992, S. 6807 (B). Die Erklärung musste jeweils zu Beginn einer jeden Legislaturperiode neu abgegeben werden.



I. Zur historischen Ausgangslage45

sein sollte, wobei die Regierung jedoch insoweit einer Begründungspflicht unterlag.82 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorgehensweise zum einen erreichen, dass in Anlehnung an die bereits positiv-rechtlichen Regelungen im Bereich des Petitionsausschusses und des Wehrbeauftragten weitere Informations­ quellen für die Kontrollkommission eröffnet werden konnten. Zum anderen wollte er dem Einwand der Bundesregierung entsprechen, die auf die fehlen­ de verfassungsrechtliche Verankerung der PKK und damit einhergehend, wie schon 1978, auf eine Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips hinwies.83 Schließlich, so die damalige Argumentation, würden der Kommission im Fal­ le einer förmlichen Verabschiedung ohne Verfassungsrechtssatz Rechte zufal­ len, die dem Parlament selbst nicht zustünden.84 An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Bundesregierung bereits den Gesetzentwurf zur Änderung des PKKG mit dem Hinweis kommentierte, dass es nicht ihrem (politischen) Interesse entspreche, eine Kommission einzurichten, die mit Rechten eines Untersuchungsausschusses ausgestattet ist.85 Kam der Selbstverpflichtungserklärung der Bundesregierung als politische Willenserklärung unmittelbar keine rechtliche Bindungswirkung zu, so wur­ de dadurch dennoch nahezu der Rechtszustand erreicht, der 1969 mit der Schaffung eines besonderen Ausschusses nach Art. 45a GG verfolgt worden war.86 Dies lag nicht zuletzt daran, dass sämtliche Beteiligte der Regie­ rungserklärung eine verbindliche und damit gesetzesgleiche Wirkung beima­ ßen, so dass die Kontrollkompetenzen der PKK auf diesem Wege qualitativ erweitert werden konnten.87 Den vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung bildete die umfassende Gesetzesänderung im Jahre 1999,88 mit der unter anderem die bislang frei­ 82  Sten.

Ber. BT 12 / 82, 12.03.1992, S. 6807 (B). S. 329; Hansalek, S. 59 f. Man zog es auf Seiten des Bundestages vor, diesen Weg zu bestreiten, um einer langen, verfassungsrechtlichen Diskussion aus dem Weg zu gehen, so ausdrücklich Hirsch (FDP), Sten. Ber. BT 12  /  62, 29.11.1991, S. 5322 (D). 84  So zum PKGrG i. d. F. von 1999, siehe Penner, S. 101 (108). 85  BT-Drs. 12 / 2203, S.  6. 86  Haedge, S. 325  f. Wohl auch deshalb machte der federführende Innenaus­ schuss des Bundestages seine Zustimmung zum Gesetzentwurf von der Regierungs­ erklärung abhängig, indem er sie „integraler Bestandteil dieses Gesetzes“ nannte, siehe BT-Drs. 12 / 2203, S. 6. 87  Haedge, S. 325. Fraglich ist allerdings, ob es der Bundesregierung tatsächlich verfassungsrechtlich zustand, über den nach ihrer Einschätzung verletzten Kern ex­ ekutiver Eigenverantwortung durch Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung wirksam zu disponieren. 88  Gesetz zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17.06.1999, BGBl. I, S. 1334. 83  Haedge,

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

willig durch Erklärung der Bundesregierung gewährten Kontrollkompeten­ zen nunmehr dem umbenannten Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) per Gesetz überantwortet wurden, wobei (angebliche) Friktionen mit dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht erneut zur Sprache kamen.89 Insgesamt wurden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von 1999 Fragen nach einer notwendigen Verfassungsänderung nicht mehr gestellt.90 Im Gegenteil: Regierungs- und Oppositionspolitiker betonten die einfachgesetzliche Absi­ cherung der Kontrollkompetenzen und die damit einhergehende Steigerung der Legitimation des PKGr sowie die zunehmende Unabhängigkeit vom Wohlwollen der Bundesregierung übereinstimmend.91 Doch auch nach diesem Schritt wurden die Rufe nach einer weiteren Reformierung der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle von allen Seiten wieder lauter, besonders nach dem 11. September 2001, in dessen Folge die Befugnisse der Sicherheitsbehörden mit dem Gesetz zur Be­ kämpfung des internationalen Terrorismus92, dem Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder93 und dem Gesetz zur Ergänzung des Terrorismus­ bekämpfungsgesetzes94 substantiell erweitert worden waren ohne damit einhergehend die Zuständigkeiten und Befugnisse des PKGr entsprechend anzupassen.95 Vergegenwärtigt man sich zudem, dass Sach- und Personalausgaben der Nachrichtendienste seit 2001 massiv gesteigert worden waren,96 wird das da­ 89  Hansalek, S. 131; Sten. Ber. BT 14 / 30, 25.03.1999, S. 2537 (D) – 2538 (A). Hinzu kam u. a. die Möglichkeit, einen externen Sachverständigen zur gezielten Durchführung von Untersuchungen bei den Nachrichtendiensten bestellen zu kön­ nen, siehe BT-Drs. 14 / 539, S. 1. 90  Hansalek, S. 32 Fn. 104. 91  Hansalek, S. 131; Sten. Ber. BT 14 / 27, 18.03.1999, S. 2253 (D) – 2254 (A), 2256 (C). 92  Siehe unter Fn. 19 in Kapitel B. I. 93  Siehe unter Fn. 19 in Kapitel B. I. 94  Siehe unter Fn. 19 in Kapitel B. I. 95  Baier, S.  112 ff.; Geiger, in: Smidt / Poppe / Krieger / Müller-Enbergs, S.  33 (43), der insbesondere die segmentierte Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit kritisiert und damit die Effizienz dieser Kontrolle hinterfragt; Michaelis, Aufgaben, Befugnisse und Kontrolle der Ämter für Verfassungsschutz, KrVjschr 2002, 188 (203 f.). Als maßgebliche Neuerungen im nachrichtendienstlichen Befugnisrahmen sind die erweiterten Auskunftsrechte gegenüber Luftfahrtunternehmen, Kreditinstitu­ ten sowie Post- und Telekommunikations- bzw. Teledienstleistungsunternehmen zu nennen, aber auch die Möglichkeit, den Standort aktiv geschalteter Mobiltelefone lokalisieren zu dürfen einschließlich Erfassung der Karten- und Gerätenummern; dem standen vornehmlich redaktionelle Änderungen des PKGrG im Jahre 2001 ge­ genüber, siehe Baier, S.  113 f. 96  Baier, S. 114 Fn. 361; BT-Drs. 16 / 12411, S. 7; BT-Drs. 16 / 12412, S. 4.



I. Zur historischen Ausgangslage47

malige Verlangen nach besserer Ausbalancierung des bestehenden informati­ onellen Ungleichgewichts zwischen effizienter parlamentarischer Kontrolle einerseits und erfolgreich arbeitenden Nachrichtendiensten andererseits be­ sonders nachvollziehbar.97 Freilich bestand unter den politischen Akteuren Uneinigkeit darüber, wie dieses Gleichgewicht konkret wiederhergestellt werden sollte. So versuchten die Oppositionsparteien im 16. Deutschen Bun­ destag durch Vorlage von Gesetzentwürfen und Beschließungsanträgen, eine einfachgesetzliche Änderung des PKGrG herbeizuführen, um den Verände­ rungen auf Seiten der Nachrichtendienste adäquat begegnen zu können.98 Diese Sichtweise einer eher punktuellen, behutsamen Anpassung im Rahmen des bestehenden Systems ohne unnötige Brüche fand auch im Lager der Re­ gierungsfraktionen Zustimmung, wenn auch partiell unter „Behutsamkeit“ jeweils etwas anderes verstanden wurde.99 Dabei ging es im Kern um die wieder aufflammende „alte“ Frage, ob es dem PKGr zukünftig erlaubt sein sollte, sich in bestimmten Angelegenheiten in einen Untersuchungsausschuss umwandeln zu dürfen mit der damit inbegriffenen Kompetenz, unter Rück­ griff auf die Vorschriften der StPO Beteiligte vorladen und Akten anfordern zu können.100 Insbesondere die fehlende Möglichkeit des Gremiums, die ihm durch Gesetz bereits zugestandenen Akteneinsichts-, Anhörungs- und Be­ suchsrechte rechtlich durchsetzen und eine fehlerhaft gehandhabte Unterrich­ tung seitens der Bundesregierung auch in Form selbst durchgeführter ver­ bindlicher Nachforschungen sanktionieren zu können, ließ es den befürwor­ tenden Ansichten nunmehr zwingend erscheinen, dem Gremium im Wege einer Grundgesetzänderung diese Umwandlungskompetenz zu gewähren.101 97  So auch Baier, S. 114 f.; andeutend Geiger, in: Röttgen / Wolff, S. 65 (67); Gusy, Parlamentarische Kontrolle im Rechtsstaat, ZRP 2 / 2008, 36 (39); Stadler, in: Rött­ gen / Wolff, S. 85 (85); Sten. Ber. BT 16 / 148, 06.03.2008, S. 15696 (A), 15697 (B, C). 98  Gesetzentwurf der FDP-Fraktion unter BT-Drs. 16  / 1163; Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis90 / Die Grünen unter BT-Drs. 16 / 12189 (zuvor Beschließungsan­ trag unter BT-Drs. 16 / 843); Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE unter BT-Drs. 16 / 12374 (zuvor Beschließungsantrag unter BT-Drs. 16 / 5455), wobei DIE LINKE vordringlich und ursprünglich mit einer Gesetzesänderung das Ziel verfolgte, die verfassungsschutzbehördliche Überwachung einzelner Abgeordneter ihrer Fraktion zu unterbinden oder zumindest zu erschweren. 99  Röttgen, in: Röttgen / Wolff, S. 89 (90); Scholz, in: Röttgen / Wolff, S. 87 (88). 100  Scholz, in: Röttgen / Wolff, S. 87 (88), der dies unter Verweis auf Art. 45a GG als ersten Punkt einer „behutsame(n) Weiterentwicklung“ benennt. 101  Smidt, in: Röttgen  / Wolff, S. 45 (58 f.), der die vergleichbare Interessenlage mit dem Verteidigungsausschuss betont und herausstellt, dass nur auf diesem Wege das Fachwissen der Gremiumsmitglieder, deren Sensibilität für die Materie und die notwendige Geheimhaltung gewahrt werden könnten und zugleich die politische Bedeutung des PKGr eine Aufwertung und Würdigung erfahren würde, so dass be­ dingt durch dieses Druckpotential weniger Minderinformationen durch die Bundes­ regierung bestünden.

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Die insoweit eher skeptische CDU / CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag räumte immerhin seit Beginn dieses Reformierungsprozesses eine offene Prüfung der Frage ein, ob nicht eine sinngemäße Anwendung der Regeln der StPO die Rechte des Gremiums stärken könnte, so dass man sich im Ergebnis in der Konstruktion des PKGr eher einem Untersuchungsausschuss als einem regulären Ausschuss des Bundestages annähern würde.102 Dem Vorschlag ei­ ner im Grundgesetz verankerten Möglichkeit zur Umwandlung in einen Un­ tersuchungsausschuss hielt man die ebenfalls bekannten Argumente entge­ gen, wonach dann die Gefahr einer parteipolitischen Instrumentalisierung und Skandalisierung bestünde, was dem Ziel der Vertrauensschaffung nur abträglich wäre.103 Aber auch der Umstand der fehlenden spiegelbildlichen Besetzung des PKGr und die damit einhergehende Schwächung der Minder­ heitenrechte wurden aus verfassungsrechtlicher Sicht vorgebracht mit der Be­ tonung eines einzuhaltenden „Abstandsgebotes“ zwischen den beiden Institu­ tionen, die zueinander schließlich in einem „aliud“-Verhältnis stünden.104 Diese Ansicht der CDU  /  CSU fand ihren Fortgang, als unter dem 10.04.2008 deren Mitglieder im PKGr einen „Gesetzentwurf zur Fortent­ wicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste“ (nachfol­ gend: CDU / CSU-Entwurf PKGrG) veröffentlichten.105 Gegenstand dieses Entwurfs war es unter anderem auch, die Befugnisse des PKGr adäquat zum Befugnis- und Ressourcenanstieg der Nachrichtendienste anzupassen, indem § 2a Abs. 2 CDU / CSU-Entwurf PKGrG das Recht des Gremiums festschrei­ ben sollte, von Angehörigen der Nachrichtendienste eidesstattliche Versiche­ rungen zu Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihnen abgegebenen Auskünfte verlangen zu dürfen.106 Dieser Vorstoß versinnbildlicht geradezu den Gedanken, dem Gremium, das bereits über weitreichende Befugnisse verfügte,107 nunmehr eine fakti­ sche Rechtsstellung zu verleihen, die einem Untersuchungsausschuss sehr 102  So der Abgeordnete Binninger (CDU / CSU) in der 1. Lesung zum FDP-Gesetz­ entwurf BT-Drs. 16 / 1163, siehe Sten. Ber. BT 16 / 37, 01.06.2006, S. 3327 (A–C). Später auch Röttgen, in: Röttgen / Wolff, S. 89 (91), der die erweiterten Befugnisse einem stän­ digen Beauftragten, der selbst „Erfüllungsgehilfe“ des PKGr sein soll, übertragen will. 103  Röttgen, in: Röttgen / Wolff, S. 89 (90). 104  Röttgen, in: Röttgen  / Wolff, S. 89 (90). Auch Baier, S. 206 f., lehnte diesen Vorschlag ab mit dem Hinweis, dass ansonsten die bisher gewollte Trennung zwi­ schen allgemeiner Kontrolle durch Plenum und Untersuchungsausschüsse einerseits sowie besonderer Kontrolle durch das PKGr andererseits verwischt werden würde. 105  Abrufbar unter http: /  / www.norbert-roettgen.de / images / stories / docs / pkgr_re form_gesetzentwurf_cducsu.pdf; zuletzt abgerufen am 24.05.2014. 106  CDU / CSU-Entwurf PKGrG, S.  1 f. 107  Schmid, in: Smidt / Poppe / Krieger / Müller-Enbergs, S. 68 (70), die bereits vor der Reform das Niveau der Eingriffsrechte und Informationsbefugnisse des PKGr mit einem Untersuchungsausschuss verglich.



II. Das Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG 49

nahe kommt, ohne jedoch diesen Status durch eine Verfassungsänderung ausdrücklich anzuerkennen und bestätigen zu müssen.108 Bei dieser bloß faktischen Gleichstellung besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Untersuchungen im Nachrichtendienstbereich auf das PKGr fokus­ sieren, so dass letztlich das Plenum, dessen Rechte schließlich durch die Existenz des PKGr nicht berührt werden dürfen, von der Einsetzung eines gesonderten Untersuchungsausschusses mangels erwartbaren Erkenntniszu­ wachses zukünftig vermehrt absehen könnte und auf diese Weise Art. 44 GG mit seinen besonderen Besetzungsregeln und Minderheiten schützenden Quoren Gefahr läuft umgangen zu werden, zumindest aber ein Verstoß ge­ gen das Missbrauchsverbot zu konstatieren wäre.109 In dieser Konsequenz müsste die rechtliche wie faktische Gleichstellung des PKGr mit einem Untersuchungsausschuss dazu führen, will man verfassungsrechtliche Frik­ tionen mit Art. 44 GG vermeiden, dass im PKGr dem Minderheitenschutz in Form der Anwendung des sonst üblichen Spiegelbildlichkeitsprinzips und des Minderheitenquorums vollends Rechnung getragen wird; mithin das PKGr in einen „gewöhnlichen“ Ausschuss des Bundestages umgewandelt bzw. einem solchen angeglichen werden müsste.110

II. Das Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG  und zum PKGrG n. F. Schließlich entschlossen sich die Bundestagsfraktionen von CDU / CSU, SPD und FDP dazu, gemeinsam zwei Gesetzentwürfe zur Reformierung der bestehenden parlamentarischen Kontrolle durch das PKGr in den Bundestag einzubringen.111 Die Entwürfe beinhalteten zum einen eine konstitutive Neufassung des PKGrG in Form eines Ablösungsgesetzes als neues Stamm­ gesetz auf einfachgesetzlicher Ebene,112 zum anderen eine erstmalige Imple­ mentierung der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle auf verfas­ sungsrechtlicher Ebene durch Einfügung von Art. 45d in das Grundgesetz. Ein erstes Ziel der Grundgesetzänderung sollte die Stärkung des parla­ mentarischen Rechts auf Kontrolle der Bundesregierung im Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes sein, das durch die Ermächti­ 108  Baier,

S. 179. S. 180, 206, der die Bedenken von Röttgen, in: Röttgen / Wolff, S. 89 (90) aufgreift, sie aber auch in dessen Vorschlag bzw. im Vorschlag der CDU / CSU als gegeben ansieht. 110  So auch Baier, S.  207 f.; Hirsch, S. 287; in diesem Sinne auch Röttgen, in: Röttgen / Wolff, S.  89 (90). 111  BT-Drs. 16 / 12411; BT-Drs. 16 / 12412. 112  BT-Drs. 16 / 12411, S.  2. 109  Baier,

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

gungsnorm in Art. 45d Abs. 2 GG nun auch ausdrücklich durch das Regle­ ment des PKGrG n. F. eine verfahrensmäßige Absicherung finden sollte.113 Zum Zweiten sollte durch die ausdrückliche Verankerung in der Verfassung der in der Vergangenheit gelegentlich zu beobachtenden Tendenz der Bun­ desregierung, die aktiv bestehenden Unterrichtungsverpflichtungen gegen­ über dem Kontrollgremium eher zurückhaltend wahrzunehmen, Einhalt ge­ boten werden.114 Drittens sollte der weitere, einfachgesetzliche Ausbau der Selbstinforma­ tionsrechte des PKGr im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip grund­ gesetzlich abgesichert werden.115 An dieser Stelle ist bemerkenswert, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber insoweit auf die damalige Argumen­ tationslage zur Reichweite der legislativen Kontrollbefugnisse zur Zeit der Implementierung des Petitionsausschusses vor ungefähr 40 Jahren verweist, dann aber verdeutlicht, dass der hiesigen Aufnahme in das Grundgesetz lediglich eine „klarstellende“ Wirkung beizumessen sei.116 Eine derartige Klarstellung sei dennoch geboten, so die Gesetzesbegründung, weil das PKGr zukünftig mit Selbstinformationsrechten ausgestattet sein werde, die über die des Gesamtparlaments hinausgingen, so dass der Bereich exekuti­ ver Verantwortung tangiert sei mit der daraus folgenden Konsequenz einer notwendigen Betonung der nunmehr erweiterten Kontrollgewalt des Parla­ ments gegenüber der Exekutive.117 Ein viertes Ziel der verfassungsrechtlichen Erwähnung war die Verschaf­ fung eigener Rechte zugunsten des PKGr, so dass es nunmehr unstreitig in den Stand versetzt werden sollte, im Rahmen eines Organstreitverfahrens gegen­ über der Bundesregierung deren Einhaltung und Wahrung vor dem Bundesver­ fassungsgericht überprüfen und notfalls durchsetzen lassen zu können.118 Daneben war es dem Gesetzgeber wichtig, dem Ressourcen-, Befugnisund Aufgabenzuwachs auf Seiten der Nachrichtendienste seit 2001 eine adäquate Veränderung auf Seiten der parlamentarischen Kontrolle entgegen­ 113  Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, VBlBW 2010, 99 (101, Fn. 31); BT-Drs. 16 / 12412, S. 1; BT-Drs. 16 / 13220, S. 2. 114  BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 4 f. 115  BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 4 f. 116  BT-Drs. 16 / 12412, S. 4. Siehe auch BT-Drs. V / 4514, S. 4, wonach der dama­ lige Rechtsausschuss die selbstständigen Kontrollrechte des Petitionsausschusses, die u. a. auch unmittelbare Auskunftsrechte gegenüber der Verwaltung sowie Inspek­ tions- und Aktenvorlagerechte einschließlich der Kompetenz zur Geltendmachung von Rechts- und Amtshilfe umfassten, von einer vorherigen Grundgesetzänderung abhängig machte. 117  BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. In diesem Sinne auch Oppermann (SPD), siehe Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23414 (D). 118  BT-Drs. 16 / 12412, S.  1.



II. Das Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG 51

zusetzen, wozu seiner Meinung nach die Einfügung von Art. 45d in das Grundgesetz gehöre.119 Bei dieser Gelegenheit wollte der Gesetzgeber zu­ gleich den gestiegenen Bedeutungszuwachs der parlamentarischen Kontrolle im Nachrichtendienstbereich anerkennen, indem durch die Manifestierung des PKGr in den „Rang eines Pflichtgremiums“120 zugleich dessen Legiti­ mation erhöht werden sollte.121 Daneben hob der Gesetzgeber hervor, durch die Grundgesetzänderung den bestehenden Zustand bezüglich Wahl, Zusam­ mensetzung und Arbeitsweise des PKGr unter Verweis auf BVerfGE 70, 324 ff. aufrechterhalten und bestätigen zu wollen.122 Dem entgegnete die Fraktion DIE LINKE im Gesetzgebungsverfahren mit einem Änderungsan­ trag, wonach in Art. 45d GG der Bundestag einen Ausschuss zur Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten bestellen solle, damit fortan das Prinzip der Spiegelbildlichkeit bei der Besetzung Anwendung finden könne, was jedoch keine Mehrheit im Plenum fand.123 In der zusammenfassenden Wertung versprach sich der Gesetzgeber von einer Grundgesetzänderung allgemein eine Aufwertung und Stärkung des Parlaments im Rahmen der Nachrichtendienstkontrolle bei gleichzeitiger Stärkung der Nachrichtendienste selbst.124 Die noch im Gesetzentwurf und in der 1. Beratung im Deutschen Bun­ destag von Seiten der einbringenden Fraktionen nahezu unwidersprochen vorgetragenen Argumente zur Notwendigkeit einer entsprechenden Einfü­ gung von Art. 45d in das Grundgesetz begegneten schon bald darauf im Rahmen der Sachverständigenanhörung im federführenden Innenausschuss125 des Bundestages zum Teil nicht unerheblichen Bedenken: 119  BT-Drs.

16 / 12412, S.  4. grundgesetzliche Festlegung auf ein Pflichtgremium gemäß Art. 45d GG negiert zugleich die in der Vergangenheit bis dahin diskutierten Varianten eines „Ge­ heimdienstbeauftragten“ bzw. einer eigenständigen Kontrollbehörde. Der Bundestag, so der Gesetzgeber, begebe sich ansonsten seiner ursprünglichen Aufgaben, zumal das bestehende, ausgewogene System ohne deutlichen Effizienzzuwachs dadurch aufgegeben werden müsste, siehe BT-Drs. 16 / 12411, S. 2; Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23410 (D). 121  BT-Drs. 16  / 12412, S. 4 f.; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24897 (B), 24905 (C). So wird auch im Rahmen der Beratungen die Verankerung von Art. 45d im Grundgesetz als „demonstrativ“ bezeichnet, siehe Sten. Ber. BT 16  /  215, 27.03.2009, S. 23418 (C). 122  BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. Die Bestätigung dieses Zustandes wurde vornehmlich dadurch erreicht, indem bewusst nicht von einem „Ausschuss“ gesprochen wurde, sondern ausdrücklich der Begriff des „Gremiums“ Verwendung fand, in diesem Sin­ ne Sten. Ber. BT, 16 / 225, 29.05.2009, S. 24905 (B, C). 123  BT-Drs. 16 / 13234, S. 1 f.; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24907 (C). 124  So jedenfalls der Abgeordnete Röttgen (CDU  /  CSU), siehe Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23411 (B). 120  Die

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

Einer Ansicht zufolge bestehe für eine ergänzende Änderung des Grund­ gesetzes keine zwingende rechtliche Notwendigkeit;126 dieser Maßnahme könne allerdings eine die Bedeutung des Gremiums untermalende, deklara­ torisch-anerkennende Rolle127 zukommen, vor allen Dingen dann, wenn sich die Bundesregierung zukünftig auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit ein­ zelner einfachgesetzlicher Rechtsänderungen im Streitfalle berufen sollte.128 Auch wurde in der zu schaffenden Norm des Art. 45d GG allgemein eine „sinnvolle Grundlage“ zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste erblickt, die das verfassungsrechtlich begründete Kontrollrecht des Plenums und die Möglichkeit zur Einsetzung von Unter­ suchungsausschüssen – zumindest de jure – unberührt lasse.129 Als negative verfassungspolitische Folgewirkungen einer unnötigen Aufnahme in das Grundgesetz verblieben indes die fortschreitende Überfrachtung der Verfas­ sung mit Einzelfragen und die verfassungsrechtliche Zementierung des be­ schrittenen Weges, so dass anderweitige Lösungen dauerhaft nicht oder nur sehr schwer realisiert werden könnten.130 125

Einer kritischeren Ansicht nach wird in der Grundgesetzänderung eine verfassungsrechtliche Relativierung der gegenwärtigen Kontrollrelation zwi­ schen Bundesregierung und Bundestag erblickt mit der Konsequenz einer faktischen Verschlechterung der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste durch Plenum und Ausschüsse.131 Hintergrund die­ ses faktischen Kontrolldefizits sei die durch Art. 45d GG bewirkte normati­ ve Gleichsetzung der bislang hierarchisch aufgebauten Auskunftsansprüche von Bundestag und Ausschüssen bzw. Fraktionen und Abgeordneten einer­ seits und dem einfachgesetzlichen PKGr andererseits mit der Wirkung, dass die gesetzlich vorgegebene Unterrichtungs- und Auskunftspflicht der Bun­ desregierung beispielsweise gegenüber dem Plenum und dessen Ausschüs­ 125  Überweisungsbeschluss siehe Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23418 (D) – 23419 (A). 126  BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S. 8, der dabei auf BVerfGE 70, 324 ff. und die damit einhergehende Verstummung der Rufe nach einer Grundgesetz­ änderung verwies, zumal die im einfachen Recht vorgesehenen Änderungen wegen ihrer systemimmanenten Ausprägungen die bisherige Rechtslage nicht maßgeblich verändern würden. 127  Zum Teil wird in diesem Zusammenhang mangels normativen Gehalts von Art. 45d GG auch von „symbolischem Verfassungsrecht“ gesprochen, siehe BT-ADrs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2. 128  BT-A-Drs. 16(4)614 A, Stellungnahme Funke, S. 1; BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S.  8 f. 129  BT-A-Drs. 16(4)614 B, Stellungnahme Gusy, S. 2. 130  Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 51; BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S. 8. 131  BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2.



II. Das Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG 53

sen fortan zumindest leichter durch Verweisung auf eine entsprechende Unterrichtung des PKGr kompensiert werden könnte, so dass die „Grund­ form“ der öffentlichen parlamentarischen Kontrolle im Plenum hierunter zukünftig leiden werde.132 Problematisch an dieser Situation sei, dass eine mit dieser Begründung ausschließlich an das PKGr gegebene Information nicht die demokratische Legitimation stiftende Folgewirkung werde auslö­ sen können, wie eine solche dem Plenum übermittelte, da faktisch nur in letzterem Fall das dabei übliche Spiel von Frage und Antwort zwischen Bundesregierung und Bundestag, dort zuvörderst durch die voll repräsen­ tierte parlamentarische Opposition befördert, den öffentlich vermittelten politischen Prozess anzureichern vermöge, was Kern der parlamentarischen Kontrolle sei und fortan auch bleiben solle.133 Teilweise wurde auch die offene Formulierung von Art. 45d GG kritisch angemerkt, die nicht einmal ansatzweise Zusammensetzung und Befugnisse des Gremiums konkretisiere; auch die Festlegung auf ein „Gremium“ anstatt eines anteilig nach der Stärke der Bundestagsfraktionen zu besetzenden Aus­ schusses und die fehlende Annäherung der Minderheitenrechte an die eines Untersuchungsausschusses wurden beanstandet, zumal dieser Zustand durch die grundgesetzliche Verankerung eine weitere Verfestigung erfahre.134 Im Rahmen der sich daran anschließenden Schlussberatungen im feder­ führenden Innenausschuss und im Rahmen der 2. und 3. Beratung im Ple­ num des Deutschen Bundestages fanden die zum Teil skeptischen Äuße­ rungen der Sachverständigen zur Notwendigkeit einer Grundgesetzände­ rung insoweit Resonanz, als diverse Redner verschiedener Fraktionen nun unumwunden ein zwingendes, rechtliches Erfordernis zur Einfügung von Art. 45d GG ebenfalls negierten135 oder gar die dort angesprochene Nega­ 132  Innenausschuss Wortprotokoll, 16  /  97, 25.05.2009, S. 13 f., 50.; BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2 f. 133  Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 13 f.; BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2 f. 134  Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 12; BT-A-Drs. 16(4)614 C neu, Stellungnahme Kutscha, S. 1 f. Kutscha betonte die zu schwach ausgeprägten Minderheitenrechte im Koalitionsentwurf mit der Folge einer weniger wirksamen Kontrolle, wobei er dezidiert die im Gesetzentwurf herangezogene Entscheidung BVerfGE 70, 324 ff. als verfassungsrechtlich weniger überzeugend einstufte, siehe auch Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 29; BT-A-Drs. 16(4)614 C neu, Stellungnahme Kutscha, S. 2, 4. 135  Der Abgeordnete Max Stadler (FDP) betonte, dass eine Grundgesetzänderung dem Wunsch diene, die parlamentarische Nachrichtendienstkontrolle hervorzuheben – zwingend erforderlich sei sie jedoch nicht, wenngleich mit dieser Implementierung keine Schmälerung der Rechte einzelner Abgeordneter oder Ausschüsse einhergehe, siehe Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages (PA-DBT), Innenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 26; Sten. Ber. BT, 16 / 225, 29.05.2009, S. 24898

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C. Zur Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 45d im Grundgesetz

tivwirkung aufgriffen und aufgrund dieser Konsequenz den Gesetzentwurf ablehnten.136 Die Fraktion von Bündnis90 / Die Grünen verwies bei ihrer ablehnenden Haltung zur Grundgesetzänderung zugleich auf den zu kritisierenden Um­ stand, dass polizeiliches und nachrichtendienstliches Handeln zunehmend miteinander verschmelze. Schließlich spreche Art. 45d Abs. 1 GG umfas­ send von der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes“, dazu gehörten mittlerweile auch die Tätigkeiten des Bundeskriminalamtes und des Zollkri­ minalamtes, die somit als Polizeibehörden dem Wortlaut des neuen Artikels folgend in die reguläre Kontrollzuständigkeit des PKGr mit aufgenommen werden könnten.137 Die Fraktion DIE LINKE äußerte grundsätzlich Verständnis für eine grundgesetzliche Normierung, da eine solche Entscheidung zugleich als normative Ablehnung der sonst existierenden Vorschläge auf Einführung eines „Geheimdienstbeauftragten“ anzusehen sei und dies grundgesetzlich absichere; allerdings bestehe keine Zustimmungsfähigkeit, weil Art. 45d GG die Kontrollarbeit ausdrücklich nicht einem Ausschuss zuweise.138 Die Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes und zur Neufas­ sung des PKGrG fanden in der Sitzung des Bundestages vom 29. Mai 2009 gegen den Willen der Bundesregierung139 die erforderliche Zustim­ (C, D). Der Abgeordnete Michael Hartmann (SPD) sah dies ähnlich, wenngleich er die in der Vergangenheit zu beobachtenden Kontrolldefizite weniger mit einer Grundgesetzänderung, sondern vielmehr durch eine optimalere Besetzung des Gre­ miums in personeller und struktureller Hinsicht abzustellen beabsichtige, siehe PADBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16  /  98, 27.05.2009, S. 27. Der Abgeordnete Hans-Peter Uhl (CDU / CSU) stellte klar, dass mit der Grundgesetzänderung im Kern die Kontrollunterworfenheit sämtlicher exekutiver Gewalten und damit auch der Nachrichtendienste hervorgehoben werden sollte, siehe Sten. Ber. BT 16  /  225, 29.05.2009, S. 24896 (D). 136  Der Abgeordnete Wolfgang Wieland (Bündnis90 / Die Grünen) lehnte für seine Fraktion die Grundgesetzänderung ab, da er die Gefahr sah, dass eine durch die Aufnahme in das Grundgesetz bewirkte rechtliche „Heraufstufung“ des PKGr zu­ gleich andere Organe, wie Innen- und Rechtsausschuss, im Rahmen ihrer Kontroll­ tätigkeit herabstufen und damit zunehmend von einer Berichterstattung durch die Bundesregierung ausschließen werde, siehe PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S.  30. 137  BT-Drs. 16  /  13220, S. 10; PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16  /  98, 27.05.2009, S. 30; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24901 (C, D), 24902 (B, C). 138  BT-Drs. 16  /  13220, S. 10; PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16  /  98, 27.05.2009, S. 29, zugleich verweisend auf den eigenen Änderungsantrag unter BTDrs. 16 / 13234. 139  Bei den Schlussberatungen im Innenausschuss finden sich Hinweise, wonach das gesamte Vorhaben von Seiten der Bundesregierung auf wenig Resonanz gesto­ ßen ist, siehe PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 26 f.



II. Das Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG 55

mung.140 Dem folgend stimmte der Bundesrat in seiner Sitzung vom 10. Juli 2009 ebenfalls beiden Gesetzentwürfen ohne besondere Ausspra­ che zu.141

140  Die Einfügung von Art. 45d GG wurde bei 528 abgegebenen Stimmen mit 445 Ja-Stimmen, 54 Nein-Stimmen und 29 Enthaltungen beschlossen; die Neufas­ sung des PKGrG wurde mit den Stimmen von CDU / CSU, SPD und FDP gegen Bündnis90 / Die Grünen und DIE LINKE verabschiedet, siehe Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24907 (D), 24910 (B, C). 141  Die Einfügung von Art. 45d GG wurde bei Enthaltung des Freistaats Bayern und der Stadtstaaten Hamburg und Bremen beschlossen, Sten. Ber. BR 860, 10.07.2009, S. 279 (B, C). Bezüglich der Neufassung des PKGrG hatte der feder­ führende Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates die Anrufung des Vermittlungsausschusses zwecks grundlegender Überarbeitung bzw. Aufhebung empfohlen, dem die Mehrheit des Bundesrates jedoch nicht folgte, siehe BR-Drs. 576 / 1 / 09, S. 1 f.; Sten. Ber. BR 860, 10.07.2009, S. 279 (C).

D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG I. Konkretisierung des Kontrollbegriffes  in Art. 45d GG unter Abgrenzung zu anderen Kontrollarten Indem Art. 45d GG von „Kontrolle“ spricht, fragt sich unmittelbar in diesem Zusammenhang, wie dieser Begriff näher bestimmt werden kann. Eine nähere Eingrenzung ist geboten, da sich Zielsetzung, Kontrollreichwei­ te und die zur Verfügung stehenden Kontrollmittel danach bestimmen, welche Art der Kontrolle von Art. 45d GG angesprochen wird. Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle ist die Überprüfung der Re­ gierung und der an ihre Weisungen gebundene Verwaltung mit dem Ziel festzustellen, ob sich die exekutiven Organe an die für sie maßgebenden rechtlichen Vorgaben halten.1 Dabei darf sich parlamentarische Kontrolle nicht auf das bloße Überprüfen und Beobachten nebst anschließender Kri­ tikverlautbarung beschränken; vielmehr kommt dem Akt der Kontrolle auch eine unmittelbare oder mittelbare Sanktionskomponente zu, die es dem Parlament etwa ermöglicht, Informationen durch geeignete Instrumente selbst zu beschaffen, unzureichende Gesetze zu ändern oder nicht koopera­ tive Regierungen in letzter Konsequenz abzuwählen.2 Auch wegen dieses spezifischen Sanktionszusammenhanges und dem Umstand, dass neben ei­ ner reinen Rechtmäßigkeitsüberprüfung auch Fragen der Zweckmäßigkeit und die damit einhergehende Beurteilung politisch gesetzter Schwerpunkte eine Rolle spielen, stellt parlamentarische Kontrolle zugleich politische Kontrolle dar.3 1  Christopeit / Wolff, Die Reformgesetze zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, ZG 2010, 77 (85); Magiera, in: Sachs, GG, Rnrn. 35 f. zu Art. 38 GG; Steffani, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49 Rnrn. 11, 140. 2  Christopeit / Wolff, 77 (85  f.); Di Fabio, Parlament und Parlamentsrecht, Der Staat 29 (1990), 599 (610); Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 36 zu Art. 38 GG; Steffani, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49 Rnrn. 7, 11. 3  BVerfGE 67, 100 (140); Klein, Handbuch des Staatsrechts (HdBStR), Band III, 3. Auflage, § 50 Rn. 36; Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 19 zu Art. 45d GG; Penner, S. 101 (103); Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, JZ 4 / 2010, 173 (175).



I. Konkretisierung des Kontrollbegriffes 57

Die besondere politische Berührung parlamentarischer Kontrolle kenn­ zeichnet den Unterschied zur Administrativkontrolle bzw. Aufsicht, die auf umfängliche und lückenlose Kontrolle ausgerichtet ist.4 Administrative Kontrolle in Form einer Rechtskontrolle vollzieht sich anhand objektiver Maßstäbe, begründet von bestehenden Rechtsnormen, die es dem Kontrol­ leur erlauben sollen, eine Aussage über die Rechtmäßigkeit der kontrol­ lierten Tätigkeit treffen zu können.5 Primäre Zielsetzung politischer Kont­ rolle ist indes eine von Regierung und Verwaltung zu bewirkende Leis­ tungsoptimierung, die es im Rahmen des Kontrollprozesses anhand poli­ tisch definierter Maßstäbe und Kriterien voranzutreiben und zu überprüfen gilt.6 Die unterschiedlichen Zielsetzungen geben dem Grunde nach zugleich Auskunft über die unterschiedlichen Reichweiten beider Kontrollarten. Po­ litische Kontrolle erfasst gegenständlich mehr als die administrative Rechts­ kontrolle, da erstere auch Sphären berücksichtigen kann und muss, die sich nicht in rechtlichen Dimensionen beschreiben und bewerten lassen. Zwar greift parlamentarische Kontrolle dort zu kurz, wo dem Anschein nach we­ niger öffentlichkeitsrelevante Aspekte von Bedeutung sein könnten, da es dem Wesen politischer Kontrolle entspricht, eher anlass- und zufallsbezogen und partiell zu sein, doch ist es gerade der erhebliche Öffentlichkeitsbezug, der einer „Verselbstständigung“ der Exekutive, und dort vornehmlich der Nachrichtendienste, am besten Einhalt gebieten kann.7 Administrativer Fachkontrolle, der neben einer Rechtskontrolle auch Zweckmäßigkeitserwägungen unterfallen, kommt eine die Kontrollreichwei­ te erweiternde Bedeutung zu. Dennoch lässt auch diese eine Abhängigkeit von der Öffentlichkeitsrelevanz vermissen, was im nachrichtendienstlichen Zusammenhang und im Lichte der historischen Erfahrungen in Deutschland mit von dem allgemeinen politischen Willen des Volkes abgekoppelten Ge­ heimdiensten weiterhin eine herausragende Rolle spielen dürfte.8 Eng mit dem Öffentlichkeitsargument verwoben ist zudem die Tatsache, dass die auf Herstellung von Öffentlichkeit gerichtete parlamentarische Kontrolle zuvör­ derst die Rückbindung zum Volk als Souverän sucht und dabei unverstellt 4  BVerfGE 67, 100 (140); Christopeit / Wolff, 77 (90); Lennartz / Kiefer, Parla­ mentarische Anfragen im Spannungsfeld von Regierungskontrolle und Geheimhal­ tungsinteressen, DÖV 2006, 185 (192). 5  Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (388 f.). 6  Peitsch / Polzin, 387 (389); Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 254 f. 7  Christopeit / Wolff, 77 (90); Klein, HdBStR, Band III, 3. Auflage, § 50 Rn. 36; Peitsch / Polzin, 387 (389). 8  Arndt, in: Schneider  / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rn. 1; Peitsch / Polzin, 387 (389); Penner, S. 101 (102).

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

die demokratische Legitimation der Verwaltung ermöglichen bzw. garantie­ ren soll und kann.9 Dem Einwand, wonach die originäre Gesetzmäßigkeitskontrolle von Handlungen, die der Sphäre der Exekutive zuzurechnen sind, vornehmlich im Aufgabenbereich der Judikative und damit der richterlichen Kontrolle liegt, müssen die Besonderheiten der Kontrolle im nachrichtendienstlichen Zusammenhang entgegen gehalten werden.10 Gerichtlicher Rechtsschutz setzt voraus, dass der von einem belastenden Verwaltungsakt Betroffene Kenntnis davon erlangt; gerade dies ist bei den geheim arbeitenden Nach­ richtendiensten zumeist nicht sichergestellt, so dass an dieser Stelle eine Rechtskontrolle faktisch nicht stattfindet, weil individuelle Klagerechte mangels subjektiver Kenntnis nicht wahrgenommen werden können.11 Zwar kann parlamentarische Kontrolle defizitäre gerichtliche Kontrolle grundsätzlich nicht ersetzen12, aber wegen ihrer auch einzelfallbezogenen „Methode objektiven Rechtsschutzes“13 dem Bürger als Garant individuel­ ler Grundrechtswahrung zumindest als Ausgleich zur Verfügung stehen und damit legitimationskompensierende Wirkung entfalten.14 Sowohl das PKGrG in seiner heutigen Fassung als auch die Vorgänger­ gesetze, auch in Gestalt des PKKG, sahen in § 1 Abs. 1 jeweils vor, dass die Bundesregierung bezüglich der drei Nachrichtendienste des Bundes der Kontrolle durch die „Parlamentarische Kontrollkommission“ bzw. durch das „Parlamentarische Kontrollgremium“ unterliegt. Schon dieser sprachliche Bezug verdeutlicht, dass Kommission und Gremium jeweils parlamentari­ sche Kontrolle auszuüben hatten, indem originäre Kontrollbefugnisse des Bundestages auf jene besonderen Gremien übertragen worden sind.15 9  Christopeit / Wolff, 77 (90); Gusy, in: Röttgen  / Wolff, S. 13 (20 f.); Teuber, Par­ lamentarische Informationsrechte, S. 46 f.; BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S. 2. 10  Gusy, Parlamentarische Kontrolle im Rechtsstaat, 36 (38); Mehde, in: Ep­ ping / Hillgruber, GG, Rn. 20 zu Art. 45d GG. 11  Gusy, Parlamentarische Kontrolle im Rechtsstaat, 36(38); Klein, in: Maunz / Dü­ rig, GG, Rn. 28 zu Art. 45d GG; Penner, S. 101 (102 f.); in diesem Sinne auch Riegel, Die Kontrolle von Überwachungsmaßnahmen, DÖV 1985, 314 (314 f.). 12  Ausnahmsweise wird die G10-Kommission als Kontrollorgan eigener Art als Ersatz für den fehlenden gerichtlichen Rechtsschutz im Rahmen der Brief-, Postund Fernmeldekontrolle angesehen, siehe BVerfGE 30, 1 (23); 67, 157 (171). 13  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (99). 14  Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste, 12 (22  ff.); Gusy, in: Röttgen / Wolff, S.  13 (21); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 28 zu Art. 45d GG; Penner, S. 101 (103); Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parla­ mentarischen Kontrolle, S.  56 f. 15  Arndt, Gesetzliche Neuregelungen auf dem Gebiete der Nachrichtendienste, 385 (385 f.); Droste, S. 624; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 171 Rn. 1, 189



I. Konkretisierung des Kontrollbegriffes 59

Zwar ergibt sich aus dem Normtext des Art. 45d GG nicht unmittelbar ein Hinweis darauf, dass das zu bestellende Gremium parlamentarische Kontrolle auszuüben hat, jedoch lässt sich dieser Zusammenhang der amtlichen Über­ schrift „Parlamentarisches Kontrollgremium“ des neuen Artikels entnehmen, was insofern besonderer Erwähnung bedarf, als das Grundgesetz im Übrigen keine amtlichen Überschriften, die den Regelungsgehalt der betreffenden Norm zusammenfassen und konkretisieren könnten, enthält.16 Dieses Ergebnis findet auch aus systematischen Erwägungen Zuspruch. Zum einen befindet sich die Norm im dritten Abschnitt des Grundgesetzes (Artt. 38–48 GG), der sich ausschließlich mit dem Gesamtkomplex der Funktions- und Aufgabenbe­ schreibung des Bundestages und seinen Hilfsorganen beschäftigt, so dass sich eine sachgedankliche Verknüpfung von Kontrolle, die vom Parlament und des­ sen „kontrollkompetenten Hilfsorganen“17 wahrzunehmen ist, anbietet. Die Verortung der Norm in unmittelbarer Nähe zu Art. 45b GG, der die parlamentarische Kontrolle des Bundestages ausdrücklich erwähnt, vermag das vorstehende systematische Argument zu belegen. Zum anderen stellt die Begründung des verfassungsändernden Gesetzgebers eine Verknüpfung zum einfachgesetzlichen PKGrG der aktuellen Fassung her, wonach einfaches Recht freilich nicht in den Verfassungsrang erhoben werden kann und den­ noch Rückschlüsse eröffnet, welche Art Gremium dem verfassungsändern­ den Gesetzgeber bei Statuierung von Art. 45d GG vor Augen stand.18 Durch die systematische Einbeziehung von § 1 Abs. 1 PKGrG n. F. wird das Kontrollgremium zudem als parlamentarisches gekennzeichnet. Schließlich finden sich auch unmittelbar in der Gesetzesbegründung zu Art. 45d GG wiederholt Hinweise, wonach es dem dezidierten Willen des Gesetzgebers entspricht, die parlamentarische Kontrolle der nachrichten­ dienstlichen Tätigkeiten durch das nun in der Verfassung zu verankernde Gremium stärken und besser legitimieren zu wollen.19 Aus der sich so darstellenden Gesamtschau lässt sich der Schluss ziehen, dass der Bezeichnung „Kontrolle“ in Art. 45d GG ein sachlicher Unterschied zur bisherigen Rechtslage nicht entnommen werden kann, so dass dem Gremium wie bislang auch die parlamentarische Kontrolle der nachrichten­ dienstlichen Tätigkeit des Bundes obliegen soll.20 Rn. 41; Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S. 112 f.; BT-Drs. 8 / 1599, S. 6. 16  Ebenso überrascht Christopeit / Wolff, 77 (83). 17  BT-Drs. 16 / 12412, S.  5. 18  BT-Drs. 16 / 12412, S. 4 f. So auch Christopeit / Wolff, 77 (84). 19  BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 4 und 5. 20  So im Ergebnis auch Christopeit / Wolff, 77 (85). Andere Ansicht Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 45d GG.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

II. Art. 45d GG als konstitutive Ermächtigung  zu parlamentarischer Kontrolle? Legt man den Normtext des Art. 45d GG zu Grunde, so impliziert dieser ein parlamentarisches Kontrollrecht des Bundestages gegenüber der Exeku­ tive im Nachrichtendienstbereich, da der Bundestag in diesem Zusammen­ hang nur dann ein Gremium mit eben dieser Funktion wird bestellen können, sofern ihm originäre, ableitbare Kontrollbefugnisse selbst zustehen. Unklar bleibt jedoch, ob dieser Norm mit primär organisationsrechtlichem Charakter zugleich auch ein die Kontrollbefugnis konstitutiv begründendes Element zugeschrieben werden kann, oder ob sich eine entsprechende Kon­ trollbefugnis des Parlaments bereits anderweitig der Verfassungsordnung entnehmen lässt; schließlich thematisieren die Artikel des Grundgesetzes ansonsten die Kontrollaufgabe des Parlaments nur am Rande und zwar im Rahmen der Art. 45b S. 1 und Art. 13 Abs. 6 GG.21 1. Herleitung aus dem „allgemeinen“ Demokratieprinzip Begreift man parlamentarische Kontrolle der Exekutive als integrales Element des Grundgesetzes, das dem Grunde nach darin „verwoben“ ist, bietet es sich an, derartige verfassungsimmanente Kontrollelemente dem in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegten demokratischen Prinzip als „Grundgrund­ prinzip“22 dieses Grundgesetzes zu entnehmen.23 Das Demokratieprinzip als umfassende Dimension findet wiederum in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG und dem darin enthaltenen Prinzip der Volkssouveränität eine maßgebliche Konkreti­ sierung dahin, dass die gesamte staatliche Gewalt auf den Volkswillen zu­ rückgeführt werden können muss.24 Eine entscheidende Frage an dieser Stelle ist, wie sich dieser Prozess der volkswillensmäßigen Rückbindung dem Gedanken des Grundgesetzes ent­ sprechend zu vollziehen hat. Die konkrete Antwort auf diese Frage hängt wiederum davon ab, wie man das im Grundgesetz niedergelegte Demokra­ tieprinzip verstanden wissen möchte. Sieht man dieses Prinzip kontextual 21  Christopeit / Wolff, 77 (87); Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 179; Teuber, S. 46. Art. 45b GG thematisiert parlamentarische Kontrolle nur bezüglich der Aufgaben des Wehrbeauftragten des Bundestages; Art. 13 Abs. 6 GG bezieht sich nur auf ein vom Bundestag zu wählendes Gremium. 22  Meyn, S. 184. 23  Meyn, S.  183 ff.; Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parla­ mentarischen Kontrolle, S. 30; Stein / Frank, Staatsrecht, S. 57. 24  BVerfGE 47, 253 (275); 83, 60 (71 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Anm. II Rn. 61 zu Art. 20 GG; Meyn, S. 185.



II. Art. 45d GG als konstitutive Ermächtigung 61

eingebunden in das Gesamtsystem der grundgesetzlichen Verfassungsord­ nung, so wird der Rückbindungsgedanke unweigerlich auch das in Art. 20 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz GG aufgenommene Gewaltenteilungsprinzip einzu­ beziehen haben.25 Dem steht die Ansicht gegenüber, wonach der Gehalt des spezifisch Demokratischen isoliert analysiert werden muss, um daran an­ schließend Aussagen über Inhalt und Ausgestaltung des Demokratieprinzips, so wie es sich im Grundgesetz als zusammenhängender Verfassungsordnung wiederfindet, treffen zu können.26 Als ein Hauptvertreter letzterer Ansicht identifiziert Meyn als Idealfall der Demokratie allgemein und im Rahmen des Grundgesetzes im besonde­ ren die Selbstherrschaft des Volkes im Sinne einer unmittelbaren oder di­ rekten Demokratie, so dass jedwede Form der Übertragung von staatlicher Gewalt auf gewählte Organe, so wie es in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG angelegt ist, allenfalls als ein notwendiges Zugeständnis an eine effiziente Entschei­ dungsstruktur im modernen Massen- und Flächenstaat zu bewerten ist, in der Sache jedoch eine bloße Minderform demokratischer Willensbildung darstellt und somit diese Form der demokratischen Rückbindung stets einen lediglich surrogatären Charakter einnehmen kann.27 Auf dieser Prämisse bauend stellt Meyn den Doppelcharakter von Wahlen heraus, indem diese nicht nur in entscheidender Weise die personelle Zu­ sammensetzung der Staatsorgane beeinflussen, sondern durch das der Wahl auch immanente Kontrollelement einen demokratischen Legitimationszu­ sammenhang zwischen dem Volk und seinen Repräsentanten als Ersatz für das lediglich idealistische Bild der Selbstentscheidung des Volkes herzustel­ len vermögen.28 Dieses demokratiesurrogierende Kontrollverhältnis be­ schränkt sich indes nicht auf das Volk und dessen gewählte Repräsentanten, sondern setzt sich fort in allen weiteren durch Machtdelegation begründeten Ableitungen hin zum Verhältnis zwischen Parlament und Regierung.29 Letztlich kommt dem Parlament ein surrogatär zu deutendes Kontrollrecht 25  Hansalek, S. 179; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 58  f.; Kriele, Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29 (1971), S. 46 (47); Stern, Staatsrecht, Band I, S. 600; Teuber, S. 46. 26  Meyn, S.  188 f. 27  Krause, HdBStR, Band II, 2. Auflage, § 39 Rn. 3, der vom „Traum von Herr­ schaftslosigkeit“ spricht; Leibholz, Die Repräsentation in der Demokratie, S. 118 f.; Meyn, S.  198 f., 200 f.; Zippelius, in: GS für René Marcic, S. 921 (924 f.). So spie­ geln lediglich Art. 28 Abs. 1 S. 4 GG und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, soweit dieser von Abstimmungen des Volkes spricht, die reine Form der Demokratie wider, siehe Meyn, S. 199. 28  BVerfGE 5, 85 (199); 20, 56 (98); Badura, Über Wahlen, AöR 97 (1972), 1 (2); Loewenstein, Verfassungslehre, S. 287; Meyn, S.  200 f. 29  Meyn, S. 201.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

gegenüber der Exekutive deshalb zu, weil ihm, bedingt durch die Gewalten­ verteilung aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, eine umfängliche Ausübung seiner („eigentlichen“) Allkompetenz, die es aus dem umfänglichen „Delegations­ akt“ der Wahl erlangt hat, tatsächlich verwehrt bleibt.30 Beleuchtet man hingegen den Gehalt des Demokratieprinzips im Lichte seiner konkreten Ausformungen, wie sie im Grundgesetz ihren Niederschlag gefunden haben, wird man konstatieren können, dass Volkssouveränität und die damit einher gehende Rückbindung zum Volkswillen stets durch Akte der unmittelbaren oder direkten Demokratie verwirklicht werden können; diese Art der Legitimationsbegründung jedoch nicht ausschließlich ist.31 Der von der Gegenseite aufgebaute Widerspruch zwischen Volkssouveräni­ tät einerseits und repräsentativer Demokratie andererseits findet im Grund­ gesetz, nicht zuletzt durch die ausdrückliche Zulassung mittelbarer Gewalt­ ausübung durch mit Repräsentanten besetzte Organe gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, keinen Rückhalt.32 Beide Gesetzgebungen, parlamentarische und Volksgesetzgebung, stehen, was die demokratische Legitimation betrifft, gleichwertig und gleichrangig nebeneinander.33 Keine dieser Gesetzgebungsformen kann, was Bindungs­ kraft und -wirkung anbelangt, eine Höherrangigkeit für sich beanspruchen, wenngleich dem System der parlamentarischen Demokratie unter der Ägide des Grundgesetzes ein gewisser Vorrang, eine gewisse Prävalenz in Gestalt eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses durchaus entnommen werden kann.34 30  Hansalek,

S.  175 f.; Meyn, S. 201. Zum Verhältnis von Gesetzgebung und Verwaltung, VerwArch 1979, 249 (250); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Anm. II Rn. 62 zu Art. 20 GG; Hansalek, S. 179; Meyer, in: Symposion für Hasso Hofmann, S. 99 (100 ff.); Stern, Staatsrecht, Band I, S. 600. 32  Böckenförde, HdBStR, Band III, 3. Auflage, § 34 Rnrn. 3, 4 ff., 12 ff.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Anm. II Rnrn. 62 f. zu Art. 20 GG; Hansalek, S.  180 f.; Scheuner, in: FS Gebhard Müller, S. 379 (380). 33  Borowski, Parlamentsgesetzliche Änderungen volksbeschlossener Gesetze, DÖV 2000, 481 (489); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Anm. II Rn. 62 zu Art. 20 GG; Huber, Parlamentarische und plebiszitäre Gesetzgebung im Widerstreit, ZG 24 (2009), 311 (314 f.); Isensee, Volksgesetzgebung, DVBl. 2001, 1161 (1166); Jacobsen, Zur Verbindlichkeit der Volksgesetzgebung, DÖV 2007, 949 (954); Rossi / Lenski, Treue­ pflichten im Nebeneinander von plebiszitärer und repräsentativer Demokratie, DVBl. 2008, 416 (417, 418 Fn. 16 ff.). 34  Huber, 311 (314); Isensee, 1161 (1166); Rossi / Lenski, 416 (416, 418); Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S. 30; Wittreck, Direkte Demokratie, JöR 53 (2005), 111 (178 f.). Ansätze, die aus der tat­ sächlichen oder vermeintlichen „Vorrangstellung“ der repräsentativen Demokratie unter dem Grundgesetz deren Charakter als „eigentliche“ Form der Demokratie abzu­ leiten suchen, siehe Böckenförde, in: FS Eichenberger, S. 301 (301 ff.), werden von der ganz herrschenden Meinung indes nicht mehr verfolgt, siehe stellvertretend Bu31  Erichsen,



II. Art. 45d GG als konstitutive Ermächtigung 63

Ebenso wenig kann von der Zahl der potenziellen Anwendungsfälle von Volksgesetzgebung im gegenwärtigen politischen System auf den normati­ ven Rang bzw. vom rechtlichen Rang eines Gesetzes auf den demokrati­ schen Rang oder „Mehrwert“, letzteres besonders in Zeiten der Weimarer Staatsrechtslehre, beider Gesetzgebungen geschlossen werden.35 In dieser Konsequenz kann die Folgerung, wonach das Volk oberstes, das Parlament hingegen lediglich abgeleitetes Staatsorgan sei, dem dann auch nur surroga­ täre und damit niederrangige Geltung seiner Gesetzgebungsakte gegenüber den plebiszitär erlassenen Gesetzen zuerkannt werden könne36, zumindest unter dem Grundgesetz keinen Fortbestand haben.37 Selbst wenn man mit Meyn nicht auf die konkrete Ausgestaltung des grundgesetzlichen Demokra­ tiekonzepts, sondern auf ein vermeintlich ideales vorkonstitutionelles De­ mokratieverständnis des verfassungsgebenden Gesetzgebers abstellt, das die Verwirklichung einer unmittelbaren Demokratie stillschweigend zur perma­ nenten Aufgabe des verfassungsändernden Gesetzgebers in Gestalt eines übergeordneten Zieles erhebt, wird man beantworten müssen, warum die verfassungsgebende Gewalt mithilfe der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG auch die mittelbare Ausübung von Staatsgewalt durch Wahlen samt Gewaltenteilung zum änderungsfesten Kernbestand der Verfassungs­ ordnung deklariert hat und damit, wie Meyn unterstellt, eine Idealkonstruk­ tion propagieren würde, die dergestalt auf Grundlage des Grundgesetzes jedenfalls nie vollends wird umgesetzt werden dürfen.38 Auch kann die Grundannahme eines aus dem Demokratieprinzip ableit­ baren Gewaltenmonismus der Legislative mit der Folge eines umfassenden Parlamentsvorbehalts mit der sich ausdrücklich dagegen aussprechenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie weiten Teilen der Literatur keinen Bestand mehr haben.39 Wenngleich allein die Mitglieder des Bundes­ giel, Volkswille und repräsentative Entscheidung, S. 109 ff.; Maurer, Plebiszitäre Elemente in der repräsentativen Demokratie, S. 20 f.; Wittreck, 111 (179). 35  Sächsischer VerfGH, NVwZ 2003, 472 (473); Jacobsen, 949 (954). 36  Nachweise bei Peine, Volksbeschlossene Gesetze, Der Staat 18 (1979), 375 (380 Fn. 24 m. w. N., 381). 37  Rossi / Lenski, 416 (418); Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S. 30. Allerdings war die Konstruktion eines Or­ ganrangverhältnisses bereits unter der Weimarer Reichsverfassung umstritten, siehe Schmitt, Verfassungslehre, S. 98, der klarstellt, dass Art. 73 WRV dem Volk keine höheren Befugnisse als dem Reichstag zugestand. 38  Hansalek, S. 182 f., der zugleich darauf hinweist, dass ein solches Struktur­ prinzip kein taugliches Konzept für einen überlebensfähigen Staat bietet und damit dieses Ideal ständig in Widerspruch zur Realität stünde, siehe Hansalek, S.  181 ff. mit weiteren Argumenten. 39  BVerfGE 49, 89 (124 f.); 68, 1 (86 f.); 70, 324 (356); Memminger, Parlamen­ tarische Kontrolle der Regierung durch Untersuchungsausschüsse, DÖV 1986, 15

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

tages unmittelbar vom Volk gewählt werden, vermag diesem Umstand keine kompetenzverschiebende Wirkung beigemessen werden, da durch Art. 20 Abs. 2 GG allen drei Gewalten gleichrangig originäre Kompetenzbereiche zugewiesen werden sollen, so dass sich eine unterstellte „Organsouveräni­ tät“ des Bundestages verbietet.40 2. Herleitung aus den Prinzipien der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung Verfolgt man daher den Ansatz weiter, die Kontrollbefugnisse des Bun­ destages dem Demokratieprinzip, so wie es im Grundgesetz konkret nie­ dergelegt ist, zu entnehmen, wird man den Leitgedanken und das bestim­ mende Element des grundgesetzlichen Demokratiekonstrukts, das in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG formulierte Prinzip der Volkssouveränität, zu Grunde zu legen haben.41 Das auf diese Weise in der Verfassung proklamierte Prinzip, wonach in jedem Falle die Errichtung und Organisation der politischen Herrschaftsgewalt auf das Volk als Inhaber des „pouvoir constituant“ zu­ rückgeführt werden können muss, erlangt eine maßgebliche inhaltliche Er­ weiterung dadurch, dass die mit Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG vorgenommene Festlegung der Art und Weise von konkreter Machtausübung zugleich eine Verknüpfung von Demokratie als Staats- und Regierungsform stattgefunden hat.42 So gewährleistet Volkssouveränität in diesem erweiterten Sinne dem Vol­ ke nicht nur die Inhaberschaft von Herrschaftsgewalt; vielmehr gewährt sie ihm das permanent sicher zu stellende Primat aktiver Selbstausübung dieser Macht, wobei Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG die Aufgabe zukommt zu konkretisie­ ren, auf welche Weise das Volk die von ihm herrührende Staatsgewalt ausgeübt wissen möchte.43 (17); Ossenbühl, HdBStR, Band III, 2. Auflage, § 62 Rn. 18; Sachs, in: Sachs, GG, Rn. 88 zu Art. 20 GG. Für eine Allzuständigkeit des Gesetzgebers weiter ausspre­ chend, siehe Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Anm. V Rn. 79 zu Art. 20 GG. 40  Hansalek, S.  187 ff.; Klein, HdBStR, Band II, 2. Auflage, § 40 Rn. 2; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 43. 41  Böckenförde, HdBStR, Band II, 3.  Auflage, § 24 Rn. 2; Hansalek, S. 191; Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S. 30; Teuber, S. 46. 42  BVerfGE 83, 60 (71 f.); 89, 155 (182); Badura, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 25 Rnrn. 27 ff., 34 ff.; Böckenförde, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 24 Rnrn. 5, 8; Hansalek, S.  191 f.; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 23, Wegge, Zur normativen Be­ deutung des Demokratieprinzips, S. 102. 43  Böckenförde, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 24 Rn. 8; Schmidt, Die demokrati­ sche Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S.  29 f.; Wegge, S. 104.



II. Art. 45d GG als konstitutive Ermächtigung 65

Die Rückführbarkeit der staatlichen Befugnisausübung auf den Volkswil­ len erfordert neben einer ununterbrochenen Legitimationskette zwischen Staatsvolk und seinen Repräsentanten auch die Wahrung eines bestimmten Legitimationsniveaus, das Gewähr für einen hinreichend effektiven Gehalt an demokraktischer Legitimation bieten soll.44 Während das Volk durch die regelmäßig stattfindenden Wahlen das erforderliche Legitimationsniveau der Volksvertretungen unmittelbar sicherstellt, stellen dies die mit der tatsächli­ chen Machtausübung betrauten Gewalten gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG für das Volk dadurch sicher, indem sie sich gegenseitig dahin kontrollieren, ob die jeweils andere Gewalt entsprechend um im Rahmen der Vorgaben und Grenzen des Souveräns, mithin des Volkes, agiert und damit hinreichend legitimiert ist.45 Freilich nimmt dabei das Parlament und die von ihm wahr­ genommene Kontrolle der Regierung in einer parlamentarischen Demokratie einen besonderen Platz ein, da es als unmittelbar legitimierter Repräsentant des Souveräns am besten geeignet ist, eine legitimatorische Rückbindung zum Volkswillen herzustellen.46 Das Prinzip der Volkssouveränität als Grundlage parlamentarischer Kon­ trolle gegenüber der Bundesregierung findet, wie bereits angedeutet, eine notwendige Ergänzung durch das Gewaltenteilungsprinzip, wie es in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG angelegt ist, wobei das Prinzip der Gewaltenteilung dem Prinzip der Volkssouveränität nicht eigenständig gegenüber tritt; vielmehr modifiziert es dessen spezifischen Gehalt, indem durch die Aufteilung staat­ licher Macht darin angelegte Kontroll-, Hemmungs- und Mäßigungsmecha­ nismen wirken können, die idealerweise imstande sind, die widerstreitenden Kräfte auszugleichen sowie Machtkonzentration und -missbrauch zu verhin­ dern, wobei eine Gewaltenteilung in „Reinform“ hierzu weder erforderlich noch unter dem Grundgesetz realisiert worden ist.47

44  BVerfGE

47, 253 (275); 83, 60 (72); 89, 155 (182). Allgemeine Staatslehre, S. 317; Gusy, Privatisierung und par­ lamentarische Kontrolle, ZRP 1998, 265 (265); Hansalek, S.  193 ff.; Meyn, S. 195, der den im Grundgesetz stillschweigend angelegten Zusammenhang von Volkssou­ veränität und Kontrolle der vom Volk gewählten Organe durch das Volk herausstellt. 46  Bodenheim, Kollision parlamentarischer Kontrollrechte, S. 103; Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S. 30; Teuber, S. 46. 47  BVerfGE 3, 225 (247); 22, 106 (111); 34, 52 (59); 95, 1 (15, 17); Baier, S.  16 f.; Böckenförde, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 24 Rnrn. 87 f.; Hansalek, S. 197; Memminger, 15 (17); Meyn, S.  215 f.; Schmidt-Aßmann, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 26 Rn. 49; Stein / Frank, S. 110. Gegen einen allgemeinen Kontrollin­ halt des „isolierten“ Gewaltenteilungsprinzips, siehe Meyn, S. 216 ff., 222 – dagegen wiederum ausdrücklich Hansalek, S.  198 ff. 45  Fleiner-Gerster,

66

D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

3. Herleitung aus dem Verantwortlichkeitsansatz Als weitere Grundlage des parlamentarischen Kontrollrechts unter dem Grundgesetz kann das parlamentarische Regierungssystem als zentrale Or­ ganisationsform der deutschen Demokratie herangezogen werden.48 Das besondere Verhältnis von Parlament und Regierung lässt sich durch die beiden tragenden Elemente „Verantwortlichkeit“ und „Vertrauen“ beschrei­ ben.49 Der grundgesetzliche Vertrauens- und Verantwortlichkeitszusammen­ hang besteht darin, dass die Regierung vom Vertrauen des Bundestages abhängig ist. Solange der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen nicht durch ein konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67 GG) entzogen hat, besteht das grundsätzlich angelegte Vertrauen fort; kommt dagegen ein derartiges Misstrauensvotum zustande, liegt darin zugleich der Entzug des parlamentarischen Vertrauens begründet.50 Der so zu Tage tretende „äuße­ re“ Vollzug nicht (mehr) vorhandenen Vertrauens51 resultiert wiederum aus der Qualität der zu Grunde liegenden Verantwortlichkeitsbeziehung beider Verfassungsorgane, da die Regierung dem Parlament zur Rechenschaft ver­ pflichtet ist – will und soll das Parlament die Verantwortlichkeit der Re­ gierung gegenüber geltend machen, setzt dies jedoch hinreichende Kennt­ nis des Regierungshandelns auf Seiten des Parlaments voraus, die mög­ lichst „ungesteuert“ und damit aussagekräftig nur durch eine entsprechende parlamentarische Kontrollbefugnis zu gewährleisten ist, weshalb es ohne diese Verantwortlichkeit der Regierung keine parlamentarische Kontrolle geben kann.52 Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob parlamentari­ sche ­Kontrollrechte originär dem im parlamentarischen Regierungssystem in­ ­ newohnenden Verantwortlichkeitsansatz zu entnehmen sind, oder ob sich ­ diese Rechte nur im Zusammenhang mit anderen Grundlagen des 48  BVerfGE 49, 70 (85  f.); 67, 100 (130); 77, 1 (43); Hansalek, S. 203, 205; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 91 zu Art. 65 GG; Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 35 zu Art. 38 GG; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 973. 49  Badura, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 25 Rn. 12; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Rn. 1 zu Art. 65 GG; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 956, 973 f., 988. 50  Badura, HdBStR, Band II, 3. Auflage, § 25 Rn. 13; Hansalek, S. 204. Spie­ gelbildlich zu Art. 67 GG kommt dem Bundeskanzler nach Art. 68 GG das Recht zu, die Vertrauensfrage zu stellen, um die Spannungslage zwischen bestehender Verantwortlichkeit und fehlendem Vertrauen selbst auflösen zu können. 51  Siehe Stern, Staatsrecht, Band I, S. 991, der das konstruktive Misstrauensvo­ tum als „ultima ratio parlamentarischer Kontrolle“ bezeichnet. 52  BVerfGE 9, 268 (281); 27, 44 (56); 67, 100 (130); Baier, S.  19 f.; Gehrig, Parlament-Regierung-Opposition, S. 26, 51; Hansalek, S.  204 f.; Klein, HdBStR, Band III, 3. Auflage, § 50 Rn. 33; Meyn, S.  201 f.; Scheuner, in: FS Gebhard Müller, S. 379 (379, 382); Teuber, S. 47.



II. Art. 45d GG als konstitutive Ermächtigung 67

­Grund­gesetzes, wie dem Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip, denken ­lassen.53 4. Folgerungen und Zwischenergebnis Ein konstitutives parlamentarisches Kontrollrecht des Bundestages im Nachrichtendienstbereich muss Art. 45d GG nicht entnommen werden, da das Grundgesetz mit Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und den darin enthaltenen Prinzipien das verfassungstheoretische und änderungsfeste Fundament hier­ für legt, wenngleich durchaus umstritten bleibt, welche Prinzipien konkret heranzuziehen sind.54 Freilich kann durch diese Feststellung noch nicht ausgeschlossen werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber diesem Artikel gleichwohl eine für das parlamentarische Kontrollrecht konstitutive Wirkung beigeben wollte, obschon Art. 45b S. 1 GG und Art. 13 Abs. 6 GG jeweils auch nur auf das bereits bestehende Kontrollrecht des Parla­ ments aufbauen und damit selbst keine konstitutive Wirkung entfalten konnten.55 Auch die Materialien zu Art. 45d GG und zum PKGrG der aktuellen Fassung betonen die Erkenntnis, wonach die parlamentarische Kontrolle der gesamten Exekutive eine Grundlage des demokratischen Rechtsstaats ist, wobei durch die ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung der Kon­ trolle hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes diese Erkenntnis besonders hervorgehoben, weiter gestärkt und verfahrensmäßig abgesichert werden sollte.56 Das Motiv des verfassungsändernden Gesetz­ gebers bestand daher insbesondere darin, der zunehmenden faktischen Be­ 53  Meyn, S. 202, ist der Ansicht, dass der Surrogatgedanke seines Demokratiebe­ griffes verfassungstheoretisch wie -dogmatisch die notwendige Ergänzung für die Annahme parlamentarischer Kontrollrechte liefert. 54  Vereinzelt wird auch vertreten, dass das Recht zur parlamentarischen Kontrol­ le der Regierung als Ausfluss des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips anzusehen ist, siehe Kissler, Der Deutsche Bundestag, JöR 26 (1977), 39 (64). Dagegen Hansalek, S.  200 f.; Meyn, S.  202 ff. 55  Art. 45b GG wurde als Sonderregelung zur Ausübung der parlamentarischen Kontrolle eingefügt; hierdurch sollte sie gegenüber dem starken Machtfaktor Bun­ deswehr in ihrer Bedeutung verstärkt werden, siehe Achterberg / Schulte, in: v. Man­ goldt / Klein / Starck, GG, Rn. 2 zu Art. 45b GG; BT-Drs. 2 / 2150, S. 2 f. Auch bei der Einführung von Art. 13 Abs. 6 S. 2 GG wurde von einer bereits bestehenden „allge­ meinen politischen Kontrollfunktion des Parlaments“ ausgegangen, siehe BT-Drs. 13 / 8650, S. 5. Ebenso im Gesetzgebungsverfahren zum PKKG (1978) bestand Klar­ heit über ein bereits bestehendes parlamentarisches Kontrollrecht gegenüber der Bundesregierung im Nachrichtendienstbereich, vgl. BT-Drs. 8 / 1599, S. 5. 56  BT-Drs. 16  /  12411, S. 7; BT-Drs. 16  /  12412, S. 1; BT-Drs. 16  /  13220, S. 2; Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23411 (B).

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

deutung der parlamentarischen Kontrolle im Nachrichtendienstbereich durch die Aufnahme einer konkreten Verfassungsnorm in das Grundgesetz eine symbolische Anerkennung zu verschaffen, die die Legitimation des PKGr erhöhen und die Arbeit von Parlament und Regierung auf gleiche „Augen­ höhe“ heben sollte.57 Durch die klarstellende Hervorhebung mithilfe des Art. 45d GG sollte, wohl auch an die Adresse der Bundesregierung gerichtet,58 zugleich verdeutlicht werden, dass sich keine exekutive Gewalt außerhalb der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle stellen kann, so dass zwar die mit der Grundgesetzänderung einher gehende in die Zukunft ge­ richtete Botschaft als „großer verfassungspolitischer Fortschritt“ gewertet werden kann, dennoch ein Bewusstsein auf Seiten des Gesetzgebers für ein insoweit fehlendes zwingendes Erfordernis für diese Grundgesetzänderung vorhanden war.59 Somit kann auch dem Telos des Art. 45d GG ein die Kontrollbefugnis des Bundestages konstitutiv begründendes Element letzt­ lich nicht entnommen werden. Schließlich ist im Hinblick auf die Reichweite allgemeiner parlamentari­ scher Kontrolle zu konstatieren, dass hiervon nicht nur die Regierung, sondern das gesamte Verwaltungshandeln des Staates und somit auch die Tätigkeit der geheim arbeitenden Nachrichtendienste, für die die jeweilige Regierung verantwortlich zeichnet, erfasst wird, so dass Art. 45d GG auch insoweit keine konstitutive Bedeutung zukommen kann.60 Art. 45d GG übernimmt im Rahmen der Begründung einer parlamentari­ schen Kontrolle der Regierung im Nachrichtendienstbereich damit keine eigenständige konstitutive Funktion.

III. Adressat der Kontrolle Wenngleich die bisherigen Ausführungen davon gesprochen haben, dass sich die parlamentarische Kontrolle im Nachrichtendienstbereich auf die (Bundes-)regierung als Kontrolladressat bezieht, durfte dies angesichts des 57  BT-Drs.

16 / 12412, S. 4 f.; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24899 (A). Abgeordnete Uhl (CDU / CSU) bemerkte, dass die Bundesregierung mit den Gesetzgebungsvorhaben nicht besonders einverstanden sei, siehe PA-DBT, In­ nenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 26. 59  PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16  /  98, 27.05.2009, S. 26  f.; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24896 (D), 24899 (A), 24905 (C). 60  BVerfGE 124, 161 (190); VerfG Brandenburg, NVwZ-RR 2005, 299 (300); Achterberg, Parlamentsrecht, S. 509; Arndt, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rnrn. 1 f.; Brenner, S. 56; Gusy, Parlamentarische Kontrolle im Rechtsstaat, 36 (38); Hirsch, S.  59 ff.; Penner, S. 101 (104); Wolff, Der nachrich­ tendienstliche Geheimnisschutz, 173 (174 f.); BT-Drs. 8  /  1599, S. 5; BT-Drs. 16  /  12412, S. 4. 58  Der



III. Adressat der Kontrolle69

offenen Wortlauts von Art. 45d GG, der hierzu schließlich keine näheren Angaben macht, nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. An dieser Stelle bedarf es daher der Konkretisierung, was genau unter Bundesregierung in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Zwar findet sich in Art. 62 GG eine Legaldefinition, wonach die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern besteht. Allerdings ergeben sich daraus drei verschiedene mögliche Kontrolladressaten, die es im Ein­ zelfall zu unterscheiden gilt: zum einen die Bundesregierung als Kollegial­ organ (Bundeskabinett), zum anderen der Bundeskanzler und jeder einzelne Bundesminister, mithin drei (Teil-)organe.61 Dem Gesetzentwurf zur Vorgängerfassung des heutigen PKGrG, dem PKKG aus dem Jahre 1978, war in § 1 PKKG-E zu entnehmen, dass die Nachrichtendienste des Bundes selbst der Kontrolle durch die Parlamentari­ sche Kontrollkommission unterliegen sollten – die politische Verantwortung der nach Art. 65 GG zuständigen Bundesminister sowie des Chefs des Bun­ deskanzleramtes sollten gemäß § 4 Abs. 1 PKKG-E unberührt bleiben.62 Im Laufe der Beratungen wurde sodann die Frage problematisiert, ob nicht die Bundesregierung unter Wahrung der Ressortverantwortlichkeiten Adressat der parlamentarischen Kontrolle sein müsse, da schließlich, unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gewaltengliederung, auch an deren Tun oder Unterlassen angeknüpft werde.63 Am Ende der Beratungen setzte sich die bis heute gültige Erkenntnis durch, dass nur die Bundesregierung aufgrund ihrer politischen Eigenverant­ wortlichkeit, des Prinzips der Gewaltenteilung und der Verantwortlichkeiten der jeweiligen Bundesminister als Ressortchefs Kontrolladressat im Nach­ richtendienstbereich des Bundes sein kann.64 In dieser Konsequenz wurde in § 1 PKKG-E klargestellt, dass „… die Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfas­ sungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrich­ tendienstes der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommissi­ on …“ unterliegt, wobei „… die politische Verantwortung der Bundesregie­ rung für die in § 1 genannten Behörden …“ davon nicht berührt wird, § 4 PKKG-E.65 In dieser Fassung haben sich die beiden Regelungen, von redak­ 61  Epping, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 5 zu Art. 62 GG; Hermes, in: Dreier, GG, Rnrn. 10 f. zu Art. 62 GG; Pieroth, in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 62 GG; Rausch, Parlament und Regierung, S. 190. 62  BT-Drs. 8 / 1140, S.  2. 63  Sten. Ber. BT 8 / 55, 10.11.1977, S. 4279 (A-C), 4281 (B). 64  Peitsch / Polzin, 387 (391); Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 179 Rn. 8; BTDrs. 8 / 1599, S. 6 f.; Sten. Ber. BT 8 / 78, 09.03.1978, S. 6100 (A), 6103 (C). 65  BT-Drs. 8 / 1599, S.  3 f.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

tionellen Änderungen abgesehen, bis in das heutige PKGrG erhalten kön­ nen, siehe nunmehr § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 PKGrG. Dabei stießen die gefundenen Formulierungen von Beginn an auf Deu­ tungsschwierigkeiten, weil dem Wortlaut nicht entnommen werden konnte, ob die Bundesregierung als Kollegialorgan angesprochen war oder unmittel­ bar die jeweils zuständigen Mitglieder der Regierung.66 Wegen der im Ge­ setzgebungsverfahren stets betonten Ressortverantwortlichkeit der Bundes­ minister gemäß Art. 65 S. 2 GG und dem Umstand, dass die große Zahl der nachrichtendienstlichen Angelegenheiten ohnehin keine Kabinettsachen waren, wurde die Deutung im Sinne einer Verantwortung der Bundesregie­ rung als Kollegialorgan kaum weiter verfolgt.67 Diese Auslegung weicht allerdings von der mittlerweile herrschenden Auffassung ab, wonach bei der Verwendung des Begriffs „Bundesregierung“ im Grundgesetz vom Kollegialorgan, auszugehen ist.68 Diese Auffassung wiederum findet ihre Ergänzung in der ebenfalls bestehenden Vermutung, wonach das „Gesamtorgan“ Bundesregierung immer dann angesprochen sein soll, wenn im Grundgesetz das Verhältnis der obersten Verfassungsor­ gane, namentlich wie hier von Bundesregierung und Bundestag, zum Ge­ genstand einer Regelung gemacht wird; welches der drei Teilorgane (Kabi­ nett, Bundeskanzler, Bundesminister) sonach für die „Bundesregierung“ handelt, soll sich aus der inneren Organisationsstruktur der Bundesregierung gemäß Art. 65 GG ergeben, so dass nach dieser Lesart zumindest regelmä­ ßig der ressortzuständige Bundesminister die Pflichten eines Kontrolladres­ saten gegenüber dem Parlament wahrzunehmen hat.69 66  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rn. 33 zu Art. 45d GG; Roewer, Nachrichten­ dienstrecht, S. 179 Rn. 8. 67  Haedge, S. 323; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 30 f. Rn. 20, 179 Rn. 8, 201 Rnrn. 3 f. Diese Auslegung knüpft, zumindest im Ergebnis, an die Staatspraxis nach 1949 an, die eine Übung der Weimarer Zeit fortführte, wonach unter „Reichsregie­ rung“ der einzelne Reichsminister verstanden worden ist, siehe Schäfer, Die bundes­ eigene Verwaltung, DÖV 1958, 241 (243 m. w. N.). An dieser Auslegung (schon da­ mals) zweifelnd Rieger, Nachrichtendienst und Rechtsstaat, ZRP 1985, 3 (11). 68  BVerfGE 26, 338 (395  f.); 100, 249 (259); 115, 118 (149); Detterbeck, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 10 zu § 66; Epping, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 6 zu Art. 62 GG; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 6 zu Art. 62 GG m. w. N.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 62 GG. 69  Grundlegend Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regie­ rung, S. 138 Fn. 40, 179 ff. An dieser Konstruktion zweifelnd: Kröger, Die Minister­ verantwortlichkeit, S. 34 Fn. 18; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 139 ff. Freilich soll diese Vermutung dann nicht greifen, wenn der Wortlaut der Norm dieser Annahme widerspricht, siehe bspw. Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG. Dieser Norm ist zu entnehmen, dass unter „Bundesregierung“ ausschließlich das Kollegial­ organ zu verstehen ist, da das noch in Betracht kommende Teilorgan Bundesminister explizit als weiterer Ermächtigungsadressat aufgeführt worden ist, siehe Böckenför-



III. Adressat der Kontrolle71

1. Parlamentarische Verantwortlichkeit von Bundeskanzler und Bundesministern Soweit im hiesigen Zusammenhang der zuständige Bundesminister letzt­ lich als Kontrolladressat identifiziert wird, umgeht man zugleich die Frage, ob das Bundeskabinett als Kollegialorgan überhaupt imstande ist, gegenüber dem Bundestag als Kontrolladressat verantwortlich zu sein, während die unmittelbare parlamentarische Verantwortlichkeit der zuständigen Bundes­ minister als „… Gegenstück zu der selbständigen Handlungsvollmacht …“70, die ihnen zukommt, nach ganz überwiegender Meinung mittlerweile aner­ kannt ist.71 Die parlamentarische Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers kann unstreitig dem Wortlaut des Art. 65 S. 1 GG entnommen werden. In­ soweit streitig ist lediglich die Frage, ob der Chef des Bundeskanzleramtes oder der Bundeskanzler selbst für den Bundesnachrichtendienst die parla­ mentarische Verantwortung zu übernehmen haben. Die Frage kommt auf, da der Bundesnachrichtendienst gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG im Geschäftsbe­ reich des Bundeskanzleramtes „ressortiert“. Geleitet wird das Bundeskanz­ leramt durch den Chef des Bundeskanzleramtes, der als beamteter Staatsse­ kretär zugleich gemäß § 7 Abs. 1 GO-BReg. die Geschäfte eines Staatsse­ kretärs der Bundesregierung ausübt.72 Dabei ist die Staatspraxis zwischen­ de, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 138 Fn. 42. Dieser Grund­ systematik folgend Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 11 zu Art. 62 GG; Hoffmann, Rechtsfragen der Währungsparität, S. 146. Oldiges, in: Sachs, GG, Rn. 11a zu Art. 62 GG, geht ausdrücklich von einer Vermutung zugunsten des Kabinetts aus, lässt Ressortzuständigkeit bei begründeter Auslegung jedoch zu. 70  Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister, ZParl. 11 (1980), 573 (574), der indes eine parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesminister im „vollen und umfassenden Sinn“ nicht sieht, siehe Badura, ebenda, 573 (576 f.). 71  Für eine unmittelbare Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament: Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 145 f.; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu  /  Hofmann  /  Hopfauf, GG, Rn. 42 zu Art. 65 GG, der diese Verantwortung als „abgeschwächt“ bezeichnet; Dreier, Hierarchische Verwal­ tung, S.  132 f.; Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 40 zu Art. 65 GG; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 66 zu Art. 65 GG, der von abgestufter parlamentarischer Verantwortung spricht; Kröger, S.  5 ff.; Mehde, Die Ministerverantwortlichkeit, DVBl. 2001, 13 (13); Oldiges, S. 448; Schneider, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz (AK-GG), Rn. 8 zu Art. 65 GG; Schröder, HdBStR, Band III, 3. Auf­ lage, Rn. 54 zu § 65; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 310; Wengst, Ministerverant­ wortlichkeit in der parlamentarischen Praxis, ZParl. 15 (1984), 539 (539 f.). Gegen eine unmittelbare Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament: Eschenburg, Die Richtlinien der Politik im Verfassungsrecht und in der Verfassungswirklichkeit, DÖV 1954, 193 (199); Karehnke, Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, DVBl. 1974, 101 (103); Püttner / Kretschmer, Die Staatsorganisation, S. 185. 72  In dieser Konstellation übernimmt der Bundeskanzler die parlamentarische Verantwortung für den Bundesnachrichtendienst, da Staatssekretäre nicht Mitglieder

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

zeitlich dazu übergegangen, den Chef des Bundeskanzleramtes überdies in den Rang eines Bundesministers „für besondere Aufgaben“ zu erheben.73 Der Chef des Bundeskanzleramtes ist als Staatssekretär ein behördenleiten­ der und gegenüber dem Bundeskanzler weisungsunterworfener Beamter, während ihm in seiner Stellung als Bundesminister für besondere Aufgaben das Recht auf eigenverantwortliche Ressortleitung aus Art. 65 S. 2 GG zu­ steht und Vorgaben des Bundeskanzlers nur im Rahmen der ihm zufallenden Richtlinienkompetenz nach Art. 65 S. 1 GG Beachtung finden müssen.74 Der sich so darstellende Rechte- und Pflichtenkonflikt wird nach wohl über­ wiegender Ansicht unter Hinweis auf Art. 66 GG dergestalt gelöst, indem es dem Chef des Bundeskanzleramtes schlicht wegen bestehender Unverein­ barkeit der beiden Ämter untersagt ist, das Amt als Staatssekretär weiter auszuüben, so dass er letztlich insgesamt als Bundesminister fungiert und damit auch dem Parlament gegenüber für den Bundesnachrichtendienst als „Ressortminister“ verantwortlich ist.75 Dem ließe sich wiederum entgegenhalten, dass der Chef des Bundeskanz­ leramtes in dieser Funktion dem Bundeskanzler gegenüber weisungsunter­ worfen ist; mithin der Ministerstellung kein Ressort zugeordnet ist, was schließlich auch der offiziellen Bezeichnung als Bundesminister „für beson­ dere Aufgaben“ entsprechen würde.76 Eine solche Betrachtung birgt indes der Bundesregierung sein können (Art. 62 GG) und damit auch nicht verantwortlich gegenüber dem Parlament sind, siehe Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Be­ reich der Regierung, S. 181; Busse, Regierungsbildung aus organisatorischer Sicht, DÖV 1999, 313 (316); Oldiges, in: Sachs, GG, Rn. 40a zu Art. 62 GG, der den Sachbereich des Bundesnachrichtendienstes zu den Führungsaufgaben des Bundes­ kanzlers zählt. Dagegen: Brauneck, Die rechtliche Stellung des Bundeskanzleramtes, S. 115. 73  Detterbeck, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 62 zu § 66; Hermes, in: Drei­ er, GG, Rn. 18 zu Art. 62 GG; Oldiges, in: Sachs, GG, Rn. 39a zu Art. 62 GG; Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 26 zu Art. 62 GG. Seit 28.10.2009 ist Ronald Pofalla Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben. 74  Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S.  242; Brauneck, S. 30 ff., 47, 114; Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 18 zu Art. 62 GG; Oldiges, in: Sachs, GG, Rn. 39a zu Art. 62 GG. 75  Brauneck, S. 53, der auf die Unvereinbarkeit beider Ämter nach Art. 66 GG ebenfalls hinweist – jedoch nicht diese Konsequenzen zieht; Busse, Regierungsbil­ dung aus organisatorischer Sicht, 313 (314 Fn. 11); Detterbeck, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 62 zu § 66; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 28 zu Art. 62 GG; Püttner / Kretschmer, S. 183; Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 26 zu Art. 62 GG. 76  Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S.  242 Fn. 39; Schreiber, Inkongruenz von parlamentarischer Kanzler- und parlamentari­ scher Ministerverantwortlichkeit im Bereich der Nachrichtendienste?, DVBl. 1986,



III. Adressat der Kontrolle73

die Gefahr in sich, dass sämtliche Ressorts von Bundesministern für beson­ dere Aufgaben geführt werden, so dass bei entsprechender Aufteilung der ministeriellen Doppelfunktionen die Verantwortlichkeit der Bundesminister mangels Ressortzuordnung gegenüber dem Parlament umgangen werden könnte – allein der Bundeskanzler bliebe als verantwortlicher Adressat, was jedoch nicht der grundgesetzlichen Konstruktion von parlamentarischer Verantwortlichkeit, wie von Art. 65 GG vorausgesetzt, entspricht.77 2. Parlamentarische Verantwortlichkeit des Bundeskabinetts Die Frage, ob neben dem Bundeskanzler und den Bundesministern auch das Bundeskabinett als verantwortliches Kollegialorgan in Betracht kommt, wird zum Teil mit der Begründung verneint, dass Art. 65 GG im Wesentli­ chen eine individuelle Rechenschafts- und Einstandspflicht gegenüber den Mitgliedern der Bundesregierung postuliert, die sich mit dem Gedanken an eine kollektive Verantwortlichkeit des Regierungskollegiums nicht vereinba­ ren ließe.78 Daneben wird die dem Kabinett nach Art. 65 S. 3 GG zukom­ mende Funktion lediglich als eine die Meinungsverschiedenheiten und Überschneidungen ausgleichende beschrieben, die der herausgehobenen Stellung des Bundeskanzlers gegenüber untergeordnet ist und daneben nicht imstande wäre, die Sachentscheidungskompetenz samt Verantwortlichkeit des sachlich „federführenden“ Ministers zu beseitigen, selbst wenn das Kollegium in Ausübung seiner anerkannten Kompetenzen in einer Materie durch Erlass einer Rechtsverordnung entschieden hat.79 Eine in dieselbe Richtung weisende Meinung wertet die Handlungen und Rechtsakte des Bundeskabinetts als besondere Akte der Gesamtleitungskompetenz des Bun­ deskanzlers, wofür dieser allein gegenüber dem Parlament die Verantwor­ tung zu übernehmen habe.80 Diese Auffassungen, die zum Teil stark auf den Wortlaut von Art. 65 S. 3 GG rekurrieren, der den Begriff „Verantwortung“ vermissen lässt, übersehen indes, dass Art. 65 GG insgesamt nicht konstitutiv eine Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag begründet, vielmehr eine solche sachgedanklich voraussetzt und damit deklaratorisch lediglich die 974 (978). Die Bezeichnung „Kanzleramtsminister“ ist eben gerade juristisch nicht zutreffend, sondern nur umgangssprachlich verbreitet. 77  Auf diesen Zusammenhang weist auch Brauneck, S. 98, hin. 78  Kröger, S. 7; Oldiges, in: Sachs, GG, Rn. 35 zu Art. 65 GG. 79  Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 172, 180 Fn. 43; Oldiges, S. 141, 449, 452. Allgemein ablehnend: Wuttke, Die Verantwortlich­ keit von Regierungsmitgliedern, S. 46. 80  Kröger, S.  54 f.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

beiden wichtigsten Verantwortungsbereiche – die Richtlinien- und die Res­ sortkompetenz – hervorhebt.81 Zudem darf der Gedanke an eine individuel­ le Verantwortlichkeit der Mitglieder der Bundesregierung nicht mit einer persönlichen, auf die persönliche Schuld des Verursachers abstellende, gleichgesetzt werden.82 Dann nämlich stellen kollegiale Verantwortlichkeit und individuelle Zuordnung gegenüber allen Mitgliedern der Bundesregie­ rung keinen Gegensatz dar.83 Auch kann die angeführte „durchschlagende“ Verweisung von Verant­ wortlichkeiten an den zuständigen Bundesminister oder den Bundeskanzler deshalb nicht überzeugen, weil auf diese Weise das Prinzip der Einheit von Entscheidungsbefugnis und Entscheidungsverantwortung aufgehoben wer­ den würde.84 Schließlich bestimmt Art. 114 Abs. 1 GG die Entlastung der Bundesregierung als solcher, die in ihrer kollektiven Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament dafür einzustehen hat, dass dessen Budgetrecht im Rahmen des gesamten Haushaltsverfahrens stets die volle Beachtung findet; daneben begründen die an die Bundesregierung gerichteten Interpel­ lationen (§§ 100 ff. GO-BT) weitere Anhaltspunkte für eine mögliche parla­ mentarische Verantwortlichkeit des Kollegialorgans „Bundesregierung“ unter dem Grundgesetz.85 Die Frage, ob auch aus Sicht des Art. 45d GG die Bundesregierung als Kollegialorgan parlamentarisch verantwortlich sein kann, ist aus folgenden Überlegungen zu bejahen: Ein Ziel des ursprünglichen Gesetzentwurfs zum PKGrG von 2009 war die Vermeidung von Kontrolllücken bzw. deren Schließung, so dass ursprünglich 81  Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu  / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 43 zu Art. 65 GG; Hermes, in: Dreier, GG, Rnrn. 38, 41 zu Art. 65 GG; Kunig, Politische Kont­ rolle der Bundesregierung durch das Parlament, JURA 1993, 220 (220); Schröder, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 56 zu § 65. 82  Hermes, in: Dreier, GG, Rnrn. 39, 41 zu Art. 65 GG; Mehde, Die Minister­ verantwortlichkeit, 13 (15 ff.); Schröder, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 57 zu § 65. 83  Stern, Staatsrecht, Band II, S. 312, 319. Für eine parlamentarische Verantwort­ lichkeit des Bundeskabinetts auch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 85 zu Art. 62 GG; Kölble, Ist Artikel 65 GG überholt?, DÖV 1973, 1 (6); Rausch, S. 289. 84  BVerfGE 9, 268 (281 f.); 45, 1 (48); Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann  /  Hopfauf, GG, Rn. 43 zu Art. 65 GG; Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 41 zu Art. 65 GG; Schröder, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 55 zu § 65, der jedoch von einer schwächeren Ausprägung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Bun­ desregierung als Kollegialorgan gegenüber den beiden anderen Teilorganen ausgeht; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 319. 85  BVerfGE 45, 1 (38, 48); Kunig, Politische Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament, 220 (220); Schröder, HdBStR, Band III, 3. Auflage, Rn. 55 zu § 65; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 312 f.



III. Adressat der Kontrolle75

vorgesehen war, den Kontrollauftrag des Gremiums unter bestimmten Bedin­ gungen ausdrücklich auch auf das Bundeskriminalamt und das Zollkriminal­ amt zu erstrecken (§ 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F.), um der gesetzgeberischen Ent­ wicklung seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gerecht werden zu können, die zu einer beständigen Annäherung der Kompetenzen von Polizei­ behörden und Nachrichtendiensten geführt hatte, so dass bei „Mischsachver­ halten“ eine klare Grenzziehung von Zuständigkeitsbereichen der verschiede­ nen involvierten Sicherheitsbehörden zunehmend schwieriger geworden ist.86 Insoweit sah der einfache Gesetzgeber die Gefahr einer sich weiter öffnenden Kontrolllücke, sollten die für die Polizeibehörden „originär“ zuständigen Fachausschüsse des Deutschen Bundestages mit Hinweis auf den starken Nachrichtendienstbezug und den nicht hinreichend gewährleisteten Geheim­ schutz keine Informationen mehr erhalten. Aus diesem Grunde favorisierte man in diesen Fällen eine subsidiäre Kontrollzuständigkeit des PKGr auch gegenüber diesen beiden Nicht-Nachrichtendiensten.87 Zwar wurde § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. nicht Gesetz, der bewusst offene Wortlaut von Art. 45d Abs. 1 GG, der gerade keine Aussage über die maß­ geblichen Ressorts bzw. Nachrichtendienste trifft, blieb jedoch erhalten.88 Ebenso erhalten blieb das Motiv des verfassungsändernden Gesetzgebers89 für eine möglichst entwicklungsoffene Formulierung von Art. 45d Abs. 1 GG, da durch den Verweis auf die jüngere Vergangenheit seit 2001 deutlich gemacht wurde, dass der Gesetzgeber zukünftige Entwicklungen im nach­ richtendienstlichen Bereich nicht voll absehen kann, so dass zumindest auf Verfassungsebene Einschränkungen bezüglich des Kontrolladressaten, die sich nur schwerlich wieder ändern lassen, vermieden werden sollten. Damit muss auch die Erkenntnis einher gehen, dass die zunehmende Zahl von „Mischsachverhalten“ zukünftig einen höheren Abstimmungsbedarf auf Seiten der Exekutive erfordern wird, zumal dann, wenn verschiedene Res­ sorts90 betroffen sind. Gerade in solchen Fällen erhöhter Abstimmungser­ 86  BT-Drs. 87  BT-Drs.

16 / 12411, S. 7 ff.; BT-Drs. 16 / 12412, S. 4. 16 / 12411, S. 9; Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23411 (D) –

23412 (A). 88  Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24901 (C, D), S. 24902 (C). Die Grund­ gesetzänderung will nur die fundamentalen Fragen in diesem Zusammenhang regeln, so BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. 89  Die teleologischen Überlegungen und systematischen Zusammenhänge des einfachen Gesetzgebers bzw. des einfachen Gesetzes in BT-Drs. 16 / 12411 macht sich der verfassungsändernde Gesetzgeber durch eine Verweisung zu eigen, indem er die gegenseitige Ergänzungsfunktion beider Gesetzentwürfe bekräftigt, BT-Drs. 16 / 12412, S.  4 f. 90  Das Zollkriminalamt untersteht dem Bundesministerium der Finanzen, das ansonsten keinen nachrichtendienstlichen Bezug vorweisen kann und somit stets ressortübergreifende Abstimmungen notwendig sein werden.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

fordernisse wird die Gefahr von Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Ressorts steigen, die dann auf Grundlage von Art. 65 S. 3 GG und § 15 Abs. 1 lit. f GO-BReg. durch das Bundeskabinett zu entscheiden und damit auch zu verantworten sind. In diesen regelmäßig wiederkehren­ den Fällen wäre es daher nicht sachgerecht, die parlamentarische Verant­ wortlichkeit ausschließlich dem Bundeskanzler oder dem eventuell in der Abstimmung am Kabinettstisch unterlegenen Bundesminister anzulasten, dem der (hauptsächlich) beteiligte Nachrichtendienst unterstellt ist. Dieses Ergebnis findet auch aus systematischen und sprachlichen Erwä­ gungen im einfachen Recht eine Bestätigung. Während die bisherigen Fas­ sungen des PKKG bzw. des PKGrG stets nur von der „Bundesregierung“ sprachen, wurde in der aktuellen Fassung in § 5 Abs. 2 S. 1 PKGrG die Formulierung „Mitglieder der Bundesregierung“ eingeführt.91 Diese Be­ grifflichkeit findet sich in den Artt. 43 GG und 53 GG wieder. Unter Be­ zugnahme auf die Legaldefinition aus Art. 62 GG werden somit nur der Bundeskanzler und die Bundesminister persönlich als Teilorgane der Bun­ desregierung angesprochen.92 Dieser Systematik folgend, kann das Herbei­ rufungsrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG auch gegenüber ressortunzuständigen Bundesministern ausgeübt werden,93 da die Norm gerade nicht das Kolle­ gialorgan „Bundesregierung“ ansprechen will, das ansonsten unter Berück­ sichtigung seiner internen Aufgabenverteilung über die „Entsendung“ des zuständigen Bundesministers entscheiden könnte. Ginge zudem das PKGrG n. F. davon aus, dass unter „Bundesregierung“ nur der Bundeskanzler und die Bundesminister als Teilorgane zu fassen sind, käme der Begrifflichkeit „Mitglieder der Bundesregierung“ keine eigenständige inhaltlich abgrenzen­ de Bedeutung zu. Auf diese Weise greift das PKGrG n. F. die umfassende Lesart des Begriffs „Bundesregierung“ aus Art. 45d GG, wonach eben auch das Bundeskabinett als Kollegialorgan gegenüber dem Parlament verant­ wortlich sein kann, einfachgesetzlich auf.

91  Dieser Terminus ist nicht zufällig, da ebenfalls in § 5 Abs. 2 S. 1 PKGrG n. F. nur von „Bundesregierung“ die Rede ist. 92  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 60 zu Art. 43 GG; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 1 zu Art. 53 GG. 93  Brocker, in: Epping  /  Hillgruber, GG, Rn.  3 zu Art.  43 GG; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 61 zu Art. 43 GG m. w. N.; Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 4 zu Art. 43 GG; Meier, Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssys­ tem, S. 128, der auf eine Missbrauchsgrenze hinweist; ebenso Pieroth, in: Ja­ rass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 43 GG. Dagegen: Versteyl, in: von Münch / Kunig, GG, Rn. 27 zu Art. 43 GG.



IV. Erhöhte Legitimität der Kontrolle durch Art. 45d GG? 77

IV. Erhöhte Legitimität der Kontrolle durch Art. 45d GG? Ein Ziel des verfassungsändernden Gesetzgebers war es, durch Art. 45d GG die Legitimation parlamentarischer Kontrolle durch das PKGr im nach­ richtendienstlichen Tätigkeitsbereich des Bundes zu erhöhen.94 Der Begriff „Legitimation“ beschreibt nach verbreiteter Ansicht einen prozesshaften Vorgang, der nach erfolgreichem Verlauf am Ende Legitimität bewirken bzw. vermitteln kann.95 Entspricht das Legitimationsverfahren der gelten­ den gesetzten Rechtsordnung, so bewirkt dies Legalität der Herrschaftsge­ walt, was wiederum im demokratischen Verfassungsstaat zwingende Voraus­ setzung für Legitimität derselben ist.96 Legitimität beschreibt somit den Zustand, in dem Herrschaftsgewalt gerechtfertigt ist.97 Dieser Begriffsklä­ rung folgend, wird man daher zu prüfen haben, ob durch die Grundgesetz­ änderung aus rechtswissenschaftlicher Sicht eine Legitimitätserhöhung für die Kontrolltätigkeit des PKGr stattgefunden hat.98 Wie sich den obigen Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des Art. 45d GG entnehmen lässt, wurde in frühen Zeiten des PKKG eine parallele ver­ fassungsrechtliche Implementierung dieses Gremiums in nicht unbeachtli­ chen Teilen der Literatur für notwendig erachtet, während die Materialien zu Art. 45d GG und zum PKGrG der aktuellen Fassung überwiegend der Meinung den Vorzug geben, wonach die Einfügung von Art. 45d GG jeden­ falls nicht zwingend erforderlich sei.99 1. Zulässige Delegation von Kontrollbefugnissen auf ein Hilfsorgan des Bundestages Um sich der Frage nach der Erforderlichkeit einer Grundgesetzänderung dogmatisch annähern zu können, lassen sich die Erkenntnisse zur Delegati­ on im öffentlichen Recht fruchtbar machen.100 Ausgangspunkt der Überle­ gungen sind die Ausführungen von Triepel, wonach unter einer echten De­ 94  BT-Drs.

16 / 12412, S.  4. Vieler Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 150 f. m. w. N. 96  Statt Vieler Schliesky, S.  170 m. w. N. 97  Statt Vieler Schliesky, S.  150 m. w. N. 98  Den Begriff „Legitimität“ verwendend, siehe Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24897 (B). Dabei soll an dieser Stelle noch nicht problematisiert werden, ob und inwieweit sich die Grundgesetzänderung auf den Kontroll- und Befugnisrahmen des PKGr auswirkt. 99  Siehe unter Kapitel C. 100  Der Gesetzgeber spricht in BT-Drs. 16 / 12411, S. 11 f. selbst von einer Dele­ gation an das PKGr. 95  Statt

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

legation jede Ab- und Zuschiebung einer Kompetenz verstanden wird, wo­ durch die durch das objektive Recht festgesetzte Zuständigkeitsordnung eine Änderung erfährt.101 In Abgrenzung dazu werden verschiedene Arten unech­ ter Delegation beschrieben, die in Form einer konservierenden Delegation beinhalten, dass sich der Delegant im Rahmen des Delegationsaktes aus­ drücklich oder stillschweigend die Kompetenz vorbehält, von der zu dele­ gierenden Kompetenz weiterhin nach Belieben Gebrauch machen zu kön­ nen.102 Auf diese Weise begibt sich der Delegant nicht seiner Kompetenz vollends, lediglich der Ausschließlichkeit, diese nur selbst ausüben zu können.103 Bezogen auf das PKGrG n. F. ist zu konstatieren, dass sich das Parlament ausdrücklich durch § 1 Abs. 2 PKGrG n. F. darauf beschränkt hat, dem PKGr Kontrollrechte im nachrichtendienstlichen Bereich nur konser­ vierend zu delegieren, indem die Kontrollrechte des Plenums, der Ausschüs­ se und des Gremiums nach dem Art. 10-Gesetz unberührt bleiben sollten.104 Während der einfache Gesetzgeber bei der Suche nach einer verfassungs­ rechtlichen Delegationsermächtigung zur Übertragung von Rechtsverord­ nungsbefugnissen auf die Exekutive auf Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG, der eine unechte Delegation normiert,105 zurückgreifen kann, finden sich derartige positiv-rechtliche Regelungen zur Delegation von Kontrollkompetenzen im Grundgesetz nicht. Ein nahe liegender Umkehrschluss, wonach im Übrigen Delegationen nicht statthaft sind,106 verbietet sich schon deshalb, weil Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG auf Bundesebene die horizontale Delegation betrifft, mithin die Kompetenzübertragung von der Legislative zur Exekutive, wäh­ rend im fraglichen Zusammenhang „lediglich“ innerhalb des Parlaments und 101  Triepel,

Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 29, 83. S. 53. Reinhardt, Delegation und Mandat, S. 22, 26, behandelt devol­ vierende und konservierende Delegationen als (echte) Delegationen. 103  Triepel, S. 119; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit, S. 29. 104  BVerfGE 124, 161 (190) erkennt ausdrücklich an, dass durch § 1 Abs. 2 PK­ GrG a. F. nur ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle geschaffen worden ist, wodurch die anderen parlamentarischen Informationsrechte keine Ver­ drängung erfahren. Ebenso schon zum PKKG: BT-Drs. 8 / 1599, S. 6. Die unechte Delegation bei Art. 45d GG bestätigend Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 27 Fn. 69 zu Art. 45d GG. Auf die die Zulässigkeit begründende Bedeutung eines Vorbehalts bei der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse hinweisend, sie­ he Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 139 f. 105  V. Danwitz, S. 29. 106  Den Ausschüssen soll nur die Funktion der „äußerlich technischen Vorberei­ tung“ zukommen, so Schmitt, S. 316, der sich wiederum auf Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht, S. 484 ff., beruft, da dieser in Abgrenzung zum ständischen Prinzip he­ rausstellt, dass die repräsentative Verfassung in der Regel nur die Versammlung des repräsentativen Körpers selbst kennt, um die Regierung durch Ausschüsse „weder hemmen noch bedienen laszen“ zu können. 102  Triepel,



IV. Erhöhte Legitimität der Kontrolle durch Art. 45d GG? 79

somit vertikal auf ein Hilfsorgan107 delegiert werden soll.108 In Fällen hori­ zontaler Delegation ist eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächti­ gung deshalb erforderlich, weil auf diese Weise zum einen das im Grund­ gesetz angelegte gut ausbalancierte Kompetenzgleichgewicht der Gewalten nicht unerheblich tangiert wird und zum anderen die Verknüpfung von Entscheidungsgewalt und Verantwortung bei Kompetenzübertragungen auf einen dem Deleganten gegenüber nicht weisungsunterworfenen externen Delegatar in verfassungswidriger Weise aufgebrochen werden kann.109 Aus der Tatsache, dass sich das Grundgesetz zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit parlamentsinterner Delegation nicht äußert, kann somit ge­ schlossen werden, dass sie grundsätzlich zulässig ist, sofern sich nicht im Einzelfall durch Auslegung ihre Unzulässigkeit ergibt.110 Allgemein werden danach von den Kontrollrechten diejenigen als unüber­ tragbar angesehen, bei denen das Grundgesetz aufgrund der besonderen politischen Bedeutsamkeit bzw. „Wesentlichkeit“ der Materie sachgedank­ lich voraussetzt, dass sie nur vom Plenum „höchstpersönlich“ wahrgenom­ men werden können, wie das Misstrauens- und Vertrauensvotum nach Artt. 67, 68 GG sowie die Wahlen zur Besetzung der (Kontroll-)Hilfsorgane des Bundestages.111 Zusammenfassend kann in diesem Zusammenhang auch von „staatsleitenden Befugnissen“ gesprochen werden.112 Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung muss zudem berücksichtigt wer­ den, dass zwischen Plenum und Ausschüssen elementare Unterschiede be­ stehen; insbesondere im Hinblick auf die Zusammensetzung und Funktion, 107  Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat in BT-Drs. 16 / 12412, S. 5, klarge­ stellt, dass dem PKGr weiterhin die Eigenschaft eines Hilfsorgans des Bundestages und damit nicht die eines Verfassungsorgans zukommt. Anders noch Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (102 f., 107). 108  So auch Kewenig, Staatsrechtliche Probleme, S. 44, 46; Kisker, Zulässigkeit und Konsequenzen einer Mitwirkung des Parlaments beim Erlaß von Rechtsverord­ nungen, in: Schule im Rechtsstaat, S. 9 (35). 109  BVerfGE 9, 268 (280 ff.); Kewenig, S. 44. 110  Kewenig, S.  45 ff.; Kisker, S. 9 (36), die beide auf delegationsfeindliche Ma­ terien hinweisen: nämlich dann, wenn die Befugnisausübung an die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gekoppelt ist. Triepel, S. 110  f., 116, schließt eine echte Delegation der parlamentarischen Kontrolle der Regierung auf einen Ausschuss ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung per se aus. 111  Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (26, 34); Kisker, S. 9 (37); Triepel, S. 114. Hingegen lässt Jekewitz, Das Abgeordnetenmandat, DÖV 1968, 537 (541), im Rahmen von Art. 41 Abs. 1 S. 2 GG eine Delegation auf ein Unterorgan schon dann zu, wenn der Fall unstrittig ist. 112  So Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 30 zu Art. 45c Abs. 1 GG.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

aber auch bezüglich der Verfahrensweise und der Wirkungen der Ausschuss­ arbeit.113 Hingegen kommt der Unterscheidung in Ausschuss und Gremium im Rahmen dieser Prüfung keine maßgebliche Bedeutung zu, da die formal bei der Ausschussbesetzung zu beachtende „Spiegelbildlichkeit“ schon immer dann zu Verschiebungen führt, wenn dem Ausschuss wenige Mitglieder angehören sollen. In diesen Fällen können sich die Mehrheitsverhältnisse schon dadurch verlagern, indem kleinere Fraktionen über- oder unterpropor­ tional Berücksichtigung finden, so dass auch bei der Ausschussbesetzung dem Repräsentationsgedanken nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann, zumal Mitglieder in Ausschüssen und Gremien nicht vorrangig unter dem Blickwinkel einer möglichst breiten Repräsentanz des Plenums ausge­ wählt werden, sondern (häufig) einseitig im Hinblick auf ihre fachliche Eignung, wodurch sich das Abstimmungsverhalten dort ohnehin stärker fach- oder interessengeleitet darstellen dürfte als im Plenum.114 Die Differenzierung in Plenar- und Ausschusszuständigkeit wird diese im­ manenten Unterschiede aufzugreifen haben, so dass sich die Frage einer et­ waigen Delegationszulässigkeit danach ausrichten wird, ob und in welcher Intensität durch die Ausschusstätigkeit eine Bindungswirkung für das Plenum begründet werden kann.115 Diese Beurteilung wird einerseits davon abhän­ gen, inwiefern die Ausschussarbeit imstande ist, gegenüber der Exekutive und dem Bürger eine Außenwirkung zu entfalten und andererseits, ob der vorrangige Zweck des betreffenden Hilfsorgans daran ausgerichtet ist, die eigenen Entscheidungen lediglich als Grundlage der Entscheidungen des Or­ gans zu begreifen, dem es sich seinem Selbstverständnis nach untergeordnet hat.116 Nach anderer Ansicht soll maßgeblich sein, ob eine Delegation sach­ 113  Ausführlich Berg, 21 (27 ff.); Partsch, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), S. 74 (79). 114  Berg, 21 (27 f.); Kreuzer, Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichter­ wahlen, Der Staat 7 (1968), 183 (196 f. m. w. N.), der jedoch wegen dieser Unter­ schiede eine Delegation auf Ausschüsse gänzlich ablehnt, siehe ebenda, 183 (185 f., 198). Die nachfolgenden Betrachtungen unterstellen daher eine Gleichsetzung des PKGr mit einem Ausschuss – die Voraussetzungen, unter denen verfassungsrechtlich ein Gremium anstatt eines Ausschusses tätig werden darf, werden später erörtert, siehe unter Kapitel F. II. 115  Berg, 21 (30), der eine Skala aufzeigt, die von der Übertragung lediglich vorbereitender Maßnahmen bis zur ausschließlichen Entscheidungszuständigkeit mit Sanktionsbefugnis reicht, siehe ebenda, 21 (33). Triepel, S. 119, lässt bei unechten Delegationen den Hinweis auf ein bestehendes Entlastungsinteresse des Plenums genügen, was allein genommen jedoch nicht ausreichend sein dürfte. 116  Siehe BVerfGE 44, 308 (319), wonach eine „Vorverlagerung“ der Entschei­ dungen in die Ausschüsse unbedenklich ist, „solange der Entscheidungsprozeß ins­ titutionell in den Bereich des Parlaments eingefügt bleibt“; Berg, 21 (33 f.); Kewenig,



IV. Erhöhte Legitimität der Kontrolle durch Art. 45d GG? 81

gerecht ist; sie ist es dann, wenn das Plenum selbst nicht imstande wäre, die gegenständliche Aufgabe ordnungsgemäß wahrzunehmen und auf der ande­ ren Seite die Nichtvornahme der Delegation zu einer Positionsschwächung des Gesamtparlamentes gegenüber der Exekutive führen würde.117 Nach diesen Prämissen erscheint daher ein Hilfsorgan, das als vorberei­ tendes Beschluss- oder Kontrollorgan dem Plenum zuarbeitet und in dieser Funktion keine oder kaum Außenwirkung entfaltet, am besten für eine De­ legation geeignet, sofern die wahrgenommenen Aufgaben vom Plenum nicht ebenso wirksam bzw. effizient erledigt werden können.118 Werden Kontrollund Entscheidungskompetenzen, letztere mit Ausnahme von Rechtsset­ zungsbefugnissen, auf Ausschüsse delegiert, genügt als Delegationsakt ein einfaches formelles Gesetz119 dann, wenn die Mitglieder des jeweiligen Ausschusses vom Plenum gewählt werden,120 wobei wiederum nur Mitglie­ der des Bundestages wählbar sind.121 2. Zulässigkeit der Delegation auf das PKGr Übertragen auf das PKGr lassen sich aus vorstehenden Prämissen folgen­ de Schlüsse ziehen: Das PKGr dient in erster Linie dazu, durch ständige Kontrolle der Bun­ desregierung im nachrichtendienstlichen Bereich das insoweit ebenfalls zu­ ständige Plenum sowie die Fach- und etwaigen Untersuchungsausschüsse, siehe § 1 Abs. 2 PKGrG n. F., in die Lage zu versetzen, eigene gezielte S. 47; Kisker, S. 9 (36 f.), der Delegationen von nach außen gerichteten Entschei­ dungskompetenzen für Ausschüsse als verfassungswidrig qualifiziert, „wenn der Mitwirkungsvorbehalt ‚wesentliche‘ Fragen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zum Gesetzesvorbehalt betrifft“; Partsch, S. 74 (79 f.); Schäfer, Der Bundes­ tag, S. 227; Triepel, S.  113 f. 117  Kewenig, S. 55. Das eine Delegation stützende Kriterium der Sachgerechtig­ keit erkennt grundsätzlich auch Steiger, S. 139, an, wenngleich es nicht allein maß­ geblich sein kann. 118  Ausschüsse als vorbereitende Beschlussorgane, siehe BVerfGE 1, 144 (152). Ebenso § 62 Abs. 1 S. 2 GO-BT. Zur Übertragbarkeit vorbereitender Kontrollmaß­ nahmen: Berg, 21 (32). 119  Eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse allein auf­ grund der Geschäftsordnung kommt dann in Betracht, wenn nur der Vollzug bereits bestehender Plenarentscheidungen Gegenstand der Übertragung ist, so Kretschmer, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 9 Rn. 106. 120  Kretschmer, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 9 Rn. 106. 121  BVerfGE 77, 1 (40 f.) stellt, bezogen auf den Untersuchungsausschuss, ent­ scheidend darauf ab, dass sämtliche Mitglieder Abgeordnete des Deutschen Bundes­ tages sind.

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Kontrollen durchzuführen und, bezogen auf das Plenum, bei entsprechenden Missständen politische Konsequenzen gegenüber der verantwortlichen Bun­ desregierung zu ziehen.122 Nicht zuletzt deshalb erstattet das PKGr dem Deutschen Bundestag regel­ mäßig einen Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 PKGrG n. F., wobei nunmehr gezielt die Möglichkeiten geschaffen worden sind, zum ei­ nen anlassbezogene Bedarfsberichte zu erstatten, zum anderen ausdrücklich darüber Stellung zu beziehen, ob und inwieweit die Bundesregierung ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber dem Gremium nachgekommen ist, wobei der indirekte Sanktionscharakter dieser Regelung in den Materialien beson­ ders hervorgehoben wird.123 Die lediglich vorbereitende Kontrollfunktion wird auch dadurch deutlich, dass dem Gremium eigene direkte Sanktions­ möglichkeiten bei festgestellten Defiziten nicht gegeben sind. Auch die Entscheidungsbefugnisse, die dem Gremium zustehen, ordnen sich dem Zweck der Herstellung einer wirksamen Kontrolle unter.124 Soweit § 5 PKGrG n. F. dem Gremium nunmehr gestattet, auch Original­ akten heraus zu verlangen, ein Zutrittsrecht zu sämtlichen Dienststellen der Nachrichtendienste des Bundes eröffnet, das Befragungsrecht auf einen größeren Personenkreis erweitert und das Recht auf Amts- und Rechtshilfe stärkt, wird man zum einen zu berücksichtigen haben, dass sämtliche Maß­ nahmen nur im verfassungsrechtlich vorgegebenen parlamentarischen Kon­ trollrahmen, der dem Gewaltenteilungsprinzip vollends Rechnung trägt, und nur durch das Gremium auf Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses ergriffen werden können. Dem möglichen Einwand, wonach dennoch auf diese Weise dem PKGr Kompetenzen zugewiesen werden, die dem Plenum selbst in dieser Form nicht zukommen, muss die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Beweiserhebungsrecht von Untersuchungsausschüssen entgegen gehal­ ten werden, wonach die starke Stellung der Bundesregierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin gebietet, eine wirksame parlamentarische Kontrol­ le sicher zu stellen, so dass es erforderlich ist, die Kontroll-Hilfsorgane des Bundestages mit den Befugnissen auszustatten, die für eine wirksame Kon­ trolltätigkeit benötigt werden.125 Die Heranziehung dieser auf Untersu­ diesem Sinne auch BVerfGE 124, 161 (190 f.); Hirsch, S. 153. 16 / 12411, S. 8, 12. 124  Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, S. 112, sah bereits das PKGr nach altem Recht wegen der „Reihe von Zustimmungsrechten“ in den Stand eines „Entscheidungsorgans“ versetzt. 125  BVerfGE 67, 100 (130); 77, 1 (48); 110, 199 (215). Das Bundesverfassungs­ gericht bezieht sich insoweit nicht ausschließlich auf Untersuchungsausschüsse; es bezieht „… gerade auch …“ diese mit ein. 122  In

123  BT-Drs.



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chungsausschüsse bezogenen Entscheidung ist deshalb geboten, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich auf die „Lückenschließungsfunktion“126 des PKGr hinweist, durch die es erst möglich wird, etwaige Untersuchungsausschussverfahren anzustoßen.127 Eine solche Feststellung impliziert ein gewisses Maß an Aufklärungskom­ petenzen128 für das PKGr, da es sonst dem Plenum gar nicht möglich wäre, einen klar umrissenen Untersuchungsauftrag zu formulieren. Im Übrigen entnimmt das Bundesverfassungsgericht dem Grundgesetz unmittelbar das Wirksamkeitsprinzip parlamentarischer Kontrolle; die erwähnten Artt. 45a, 45b, 45c und 53a GG verleihen diesem Prinzip nur mehr Nachdruck, sie begründen es jedoch nicht konstitutiv.129 An dieser Stelle muss außerdem betont werden, dass die Befugnisse des PKGr nach den §§ 5 und 7 PKGrG n. F. weit hinter dem zurückbleiben, was einem Untersuchungsausschuss unter Anwendung seines strafprozessualen Beweiserhebungsrechts nach Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG zur Verfügung steht, vgl. nur § 21 PUAG.130 Dies gilt auch für die stark begrenzte Außenwirk­ samkeit der PKGr-Maßnahmen, die den relativ engen Kreis der nachrichten­ dienstlich involvierten Dritten (fast) nicht verlassen und aufgrund der feh­ lenden unmittelbaren Sanktionsgewalt nur eine relativ geringe Belastungs­ intensität aufweisen. An anderer Stelle betont das Bundesverfassungsgericht indes, dass die Wahrnehmung hoheitlicher Beweiserhebungsbefugnisse, die dem Plenum selbst nicht zukommen, nur dann als unbedenklich angesehen werden kann, wenn das betreffende Gremium Hilfsorgan des Bundestages ist.131 Es spricht damit die auch für die Delegation erforderliche institutionelle Einfügung des PKGr in den originär Legitimation spendenden Bereich des Parlaments an. Dass dem PKGr Hilfsorgan-Eigenschaft zukommt, betont nicht nur der Gesetzgeber, vielmehr lässt sich diese auch dem Gesetzeswortlaut entneh­ men. So bestimmt § 2 Abs. 1 a. E. PKGrG n. F. zum einen, dass nur Abge­ 126  BVerfGE

124, 161 (190 f.). S. 153. 128  Die bisher dem PKGr zustehenden Aufklärungskompetenzen wurden durch das PKGrG n. F. „behutsam“, „systemkonform“ und „moderat“ ergänzt, BT-Drs. 16 / 12411, S.  2, 7. 129  BVerfGE 67, 100 (130). 130  Nach § 5 Abs. 2 S. 2 PKGrG n. F. müssen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht werden. Der Gesetzgeber weist im Hinblick auf die Konsequen­ zen bei Falschaussagen auf die Verwirklichung eines Dienstvergehens hin, BT-Drs. 16 / 12411, S. 10. Es soll an dieser Stelle der kurze Hinweis genügen, dass die Ver­ folgung eines solchen Dienstvergehens dem Dienstherrn, namentlich der Bundesre­ gierung, obliegen würde. 131  BVerfGE 77, 1 (40 f.). 127  Hirsch,

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ordnete des Deutschen Bundestages Mitglieder des PKGr werden können, zum anderen werden diese nicht entsandt, sondern mit „Kanzlermehrheit“ vom Plenum gewählt, siehe § 2 Abs. 3 PKGrG n. F. Daneben gewährt zwar § 3 Abs. 1 S. 2 PKGrG n. F. dem PKGr das Recht, sich eine eigene Ge­ schäftsordnung zu geben. Jedoch findet sich in § 2 Abs. 2 PKGrG n. F. hierzu eine Einschränkung, da dem Plenum nicht nur gestattet ist, die Mit­ gliederzahl und Zusammensetzung des PKGr festzulegen, sondern auch die Arbeitsweise des Gremiums zu bestimmen, was im Ergebnis dazu führt, dass sich die Geschäftsordnung nach den etwaigen Vorgaben des jeweiligen Plenums auszurichten hat.132 Allerdings kennt das Gesetz auch § 3 Abs. 3 PKGrG n. F., der dem PKGr über das Ende einer Wahlperiode hinaus das Recht einräumt, die Kontroll­ tätigkeit bis zur Einsetzung eines „neuen“ PKGr durch den aktuellen Bun­ destag fortzusetzen. Auf den ersten Blick könnte dadurch der Grundsatz der formellen Diskontinuität durchbrochen worden sein, was wiederum den Schluss begründen könnte, dass sich das Gremium gerade nicht institutio­ nell in den parlamentarischen Bereich einfügt und damit materiell auch nicht als Hilfsorgan des Bundestages angesehen werden kann. Hier gilt es zu unterscheiden: Formelle Diskontinuität133 steht oberbe­ grifflich zum einen für personelle Diskontinuität, wonach die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Beendigung der Wahlperiode, für die sie gewählt worden sind, zugleich ihr Mandat verlieren, zum anderen für den Umstand der institutionellen Diskontinuität, wonach das Ende der Legisla­ turperiode zugleich auch das Ende der Amtszeit des Plenums, der Gremien des Bundestages sowie das der Amtsträger bewirkt.134 Die so beschriebene Verlustwirkung tritt bei allen Ausschüssen und Gremien ein, also auch bei denen, die aufgrund verfassungs- oder einfachgesetzlicher Regelungen ver­ pflichtend vom Bundestag einzusetzen sind.135 Danach begründet § 3 Abs. 3 PKGrG n. F. somit keinen Ausschluss vom verfassungsrechtlich verankerten 132  Siehe schon zum wortgleichen § 4 Abs. 2 PKKG: Roewer, Nachrichtendienst­ recht, S. 204 Rn. 9. 133  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 208 ff.; Brocker, in: Epping  / Hillgruber, GG, Rn. 4 zu Art. 39 GG; Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität, JöR 27 (1978) 75 (81 f.); Leinemann, Die parlamentarische Diskontinuität, JZ 1973, 618 (619 f.). 134  Brocker, in: Epping  / Hillgruber, GG, Rn. 4 zu Art. 39 GG; Kretschmer, in: BK, GG, Rnrn. 181 ff., 193 ff. zu Art. 39 GG; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann / Hopfauf, GG, Rn. 6 zu Art. 39 GG. 135  BVerfGE 49, 70 (86); 105, 197 (234); Achterberg, Parlamentsrecht, S. 210, 213; Brocker, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 4 zu Art. 39 GG; Kremer, in: Parla­ mentsauflösung, S. 33 (34); Kretschmer, in: BK, GG, Rnrn. 185, 194 zu Art. 39 GG; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu  /  Hofmann  /  Hopfauf, GG, Rn. 6 zu Art. 39 GG.



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Prinzip der formellen Diskontinuität;136 vielmehr statuiert die Vorschrift eine Ausnahme von dieser auch insoweit geltenden Regel, die mit § 2 Abs. 1 und 2 PKGrG n. F. im Gesetz ihre Bestätigung gefunden hat.137 Dabei ist wohl unbestritten, dass es dem einfachen Gesetzgeber gestattet ist, von derartigen, dem Diskontinuitätsprinzip inne wohnenden, Ausnahmen positivrechtlich Gebrauch zu machen, wenngleich die Voraussetzungen und der mögliche Umfang dessen nicht feststehen.138 Zur Beantwortung dieser Fragen wird man zu konstatieren haben, welche konkreten Aufgaben das PKGr zu übernehmen hat und was es für die Stel­ lung des Bundestages gegenüber der Exekutive bedeuten würde, falls diese Aufgaben in einer Übergangsphase nicht wahrgenommen werden könnten.139 Das PKGr dient im Laufe einer Wahlperiode dazu, die Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Bereich zu kontrollieren. In besonders geheimen Be­ langen ist das PKGr, bedingt durch seine Größe und die damit einher gehen­ den erhöhte Geheimhaltungsgewähr, faktisch das einzige Gremium des Bun­ destages, das überhaupt eine parlamentarische Kontrolle der Exekutive si­ cherstellen kann. Fällt es – auch nur für eine Übergangszeit – aus, kann wirk­ same Kontrolle, wie sie vom Bundesverfassungsgericht verlangt wird, in besonders geheimschutzrelevanten Teilbereichen nicht mehr stattfinden. Die Gewährleistung einer permanenten Kontrolle in diesem Zusammen­ hang ist daher nicht nur sachgerecht und wichtig, sondern entspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken einer gewährleisteten Aufgaben- und Funkti­ onskontinuität in Bereichen, in denen einzelne Gremien, wie das PKGr, mit ihrer Tätigkeit gegenüber dem Bundestag und seinen Ausschüssen eine 136  Das „Prinzip der sich periodisch erneuernden Repräsentation“ gemäß Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 und 39 Abs. 1 GG wird als positiv-rechtliche Regelung im Grund­ gesetz herangezogen, um den Verfassungsrang des formellen Diskontinuitätsprinzips zu belegen, siehe Achterberg, Parlamentsrecht, S. 209 m. w. N.; Jekewitz, Der Grund­ satz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht, S. 330 f., 335, 337; all­ gemein anerkennend Leinemann, 618 (620). 137  Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität, 75 (134), der die betreffenden Re­ geln als „rechtliche Vorsorge für eine Übergangszeit bis zur Neubestellung“ qualifi­ ziert; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 19 zu Art. 45d GG; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 73 f., der § 5 Abs. 4 PKGrG a. F. als „Regelung für die Konsequenzen des Mandatsverlusts“ beschreibt; Waechter, Geheimdienstkontrol­ le, JURA 1991, 520 (523), der die Geltung des Diskontinuitätsgrundsatzes argumen­ tativ unterstellt. Anders Droste, S. 638; Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 16 zu Art. 45d GG und Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamenta­ rischen Kontrolle, S. 112, die das PKGr wegen der abweichenden gesetzlichen Rege­ lung nicht der Diskontinuitätsregel unterworfen sehen bzw. in § 5 Abs. 4 PKGrG a. F. / § 3 Abs. 3 PKGrG n. F. eine „Abweichung“ von der Diskontinuität erblicken. 138  Kretschmer, in: BK, GG, Rn. 186 zu Art. 39 GG; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 73; Waechter, 520 (523). 139  So auch Kremer, in: Parlamentsauflösung, S. 47 (53).

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Lückenschließungsfunktion übernehmen, um so „den Primat des Parlaments über die Exekutive“ bewahren zu können.140 Somit stellt § 3 Abs. 3 PKGrG n. F. eine zulässige Ausnahme vom auch insoweit geltenden Grundsatz der institutionellen Diskontinuität dar. Die Ausnahme ist nicht unverhältnismä­ ßig, da dem Parlament durch § 2 Abs. 1 PKGrG n. F. zugleich die Pflicht auferlegt wird, über eine Neubestellung des Gremiums „zu Beginn“ einer jeden Wahlperiode zu entscheiden. Man wird jedoch in Fällen, bei denen die Amtszeit nicht wiedergewählter Abgeordneter über § 3 Abs. 3 PKGrG n. F. verlängert wird, durch Auslegung stärker eingrenzen müssen, wann spätestens eine Neubestellung von Gremi­ umsmitgliedern stattzufinden hat. Ein insoweit bestehendes Befürfnis zur Restriktion ergibt sich aus dem Umstand, dass das PKGr, jedenfalls im Rahmen der Neubestellung, zwingend nur aus mandatierten Abgeordneten zusammengesetzt werden kann (§ 2 Abs. 1 a. E. PKGrG n. F.), da gerade daraus die positiv festzustellende Hilfsorgan-Eigenschaft des Gremiums mitbegründet wird.141 An dieser Stelle ist auch ein Blick auf Art. 69 Abs. 3 GG hilfreich, wonach auf Ersuchen des Bundespräsidenten der bisherige Bundeskanzler verpflichtet werden kann, die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers fortzuführen, da dessen Amt mit der Konstituierung des neu gewählten Bundestages ebenfalls dem Diskontinuitätsgrundsatz anheim­ fällt und beendet wird, vgl. Art. 69 Abs. 2 GG. Ziel des Art. 69 Abs. 3 GG ist es, eine „Existenzgefährdung“ des Staates wegen einer fehlenden funk­ tionsfähigen Regierung zu vermeiden.142 Freilich weist eine solche Ge­ schäftsregierung keine parlamentarische Legitimation auf; gleichwohl ist sie dem Parlament gegenüber verantwortlich und unterliegt seiner uneinge­ schränkten Kontrolle.143 Zugespitzter formuliert, wird man davon ausgehen 140  BVerfGE 124, 161 (190 f.); Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht, S. 261; Kremer, in: Parlamentsauflösung, S. 47 (52); Kretschmer, in: BK, GG, Rn. 186 zu Art. 39 GG. 141  Im Unterschied dazu ist bspw. der Richterwahlausschuss nach Art. 95 Abs. 2 GG kein Parlamentsausschuss, sondern ein selbstständiges Gremium außerhalb des Parlaments, siehe Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, Rn. 4 zu Vorbemer­ kung Richterwahlgesetz. Die Mitglieder kraft Wahl werden zwar vom Bundestag gemäß § 4 Richterwahlgesetz (RiWG) gewählt, müssen ihm jedoch nicht angehören. Somit kann § 5 Abs. 4, 5 RiWG, der ein Ende der Mitgliedschaft für die Mitglieder kraft Wahl erst mit Neuwahl durch den neu gewählten Bundestag vorsieht, mit den §§ 3 Abs. 3 und 2 Abs. 1 PKGrG n. F. inhaltlich nicht gleichgesetzt werden. 142  Statt Vieler Lutz, Die Geschäftsregierung nach dem Grundgesetz, S. 35. In diesem Sinne auch Stern, Staatsrecht, Band II, S. 297, der von Vakanz der Staatslei­ tung spricht. 143  Lutz, S. 66 ff., 70, der die Rolle der Geschäftsregierung als „keine parlamen­ tarisch legitimierte, aber eine parlamentarisch kontrollierte“ charakterisiert; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 297.



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können, dass eine geschäftsführende Regierung, die nicht vom Vertrauen des Parlaments getragen wird, aus Kompensationsgesichtspunkten heraus in besonderer Weise der parlamentarischen Kontrolle unterliegen sollte.144 Zwar kann parlamentarische Kontrolle unmittelbar nach Konstituierung des neu gewählten Bundestages von diesem auch gegenüber einer Ge­ schäftsregierung ausgeübt werden. Im nachrichtendienstlichen Bereich kommt der allgemeinen Plenar- und Ausschusskontrolle jedoch aus den schon mehrfach benannten Gründen eine geringere Bedeutung zu, die es, schon wegen des erwähnten Kompensationsbedürfnisses, auch in einer Übergangsphase auszugleichen gilt.145 Die Konstruktion über „geschäftsfüh­ rende“ Abgeordnete scheint in diesem Zusammenhang daher angemessen zu sein. Das Institut der Geschäftsregierung gemäß Art. 69 Abs. 3 GG vermag daher zum einen, eine Ermächtigung zur einfachgesetzlichen Amtszeitver­ längerung von Nicht-Abgeordneten in kontrollkompetenten Hilfsorganen, wie dem PKGr, zu begründen, begrenzt diese Möglichkeit jedoch auch auf den Zeitraum geschäftsführender Regierungstätigkeit, da auch dem grund­ sätzlichen Willen des Grundgesetzes, das keine parlamentslose Zeit mehr kennt,146 Geltung verschafft werden muss.147 Aus diesem Grunde muss § 2 Abs. 1 PKGrG n. F., soweit dieser vom Beginn der Wahlperiode spricht, verfassungskonform derart eingeschränkt ausgelegt werden, dass Mitglieder des PKGr, die nicht wieder in den Bundestag gewählt worden sind, spätes­ tens mit dem Ende einer Geschäftsregierung nach Art. 69 Abs. 3 GG durch Neuwahl ersetzt werden müssen.148 Es lässt sich somit feststellen, dass dem PKGr Hilfsorgan-Eigenschaft gegenüber dem Bundestag zukommt, da es sich in die maßgebenden Struk­ turprinzipien des parlamentarischen Bereichs einzupassen vermag. 144  Herzog,

in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 62 zu Art. 69 GG; Waechter, 520 (523). Ergebnis auch Waechter, 520 (523). 146  Statt Vieler Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn.  9 zu Art.  39 GG m. w. N. 147  Im extremen Fall besteht das PKGr mit Zusammentritt des neu gewählten Bundestages ausschließlich aus ehemaligen Abgeordneten, die nicht wieder in den Deutschen Bundestag gewählt worden sind. In diesem Fall liegt die wirksame Nachrichtendienstkontrolle de facto in der Hand eines „außerparlamentarischen“ Gremiums. Dieser „parlamentslose“ Zeitraum muss so kurz wie möglich gehalten werden. 148  Diese Beschränkung hat durchaus realpolitische Relevanz. So wurden die Abgeordneten Bernd Schmidbauer (CDU) und Joachim Stünker (SPD) nicht wieder in den 17. Deutschen Bundestag gewählt. Im PKGr ersetzt wurden sie jedoch erst durch die Neuwahl am 17.12.2009, siehe Sten. Ber. BT 17 / 12, 17.12.2009, S. 914 (D) – 915 (A), obwohl die neue Bundesregierung bereits am 28.10.2009 ernannt und vereidigt worden war, siehe Sten. Ber. BT 17 / 2, 28.10.2009, S. 19 (A)–23 (A). 145  Im

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Aus diesem Grunde sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die vorlie­ gend gegen die Bejahung einer konservierenden Delegation der Kontrollbe­ fugnisse auf das PKGr allein auf Grundlage des PKGrG n. F. sprechen könnten. Art. 45d GG kann in diesem Zusammenhang daher nur eine dekla­ ratorisch-bestätigende Funktion zugeschrieben werden. Das Bundesverfassungsgericht lässt zwar auch in seiner neuesten Recht­ sprechung die Frage unbeantwortet, ob der Bundestag durch Gesetz Ent­ scheidungsbefugnisse auf von ihm errichtete Gremien übertragen darf.149 Das Gericht deutet jedoch an, dass es mit der Mehrheit im Schrifttum je­ denfalls davon ausgeht, eine Delegationskompetenz bei staatsleitenden oder anderen wesentlichen Entscheidungen nicht bejahen zu können.150 Damit verdeutlicht das Gericht den maßgeblichen Problemkreis, der jedoch für die hier einschlägigen Kontrollbefugnisse keine besondere Relevanz aufweist. Im Zusammenhang mit der Delegation von Informations- und Kontrollrech­ ten hebt es lediglich hervor, dass es dem Plenum grundsätzlich möglich sein müsse, die „Entscheidung“ wieder an sich ziehen zu können.151 Dem inso­ weit angesprochenen „Rückholrecht“152 steht schon aus rechtlicher Sicht kein Hindernis entgegen, da das Kontrollrecht des Bundestages ungeschmä­ lert bestehen bleibt und die spezifischen Selbstinformationsrechte des PK­ Gr153, ohnehin nur konservierend delegiert, von Plenum selbst nicht ausge­ übt werden können. Durch die Möglichkeit bzw. Verpflichtung des PKGr, öffentlich zu berichten (§§ 7 Abs. 2, 13 PKGrG n. F.) bzw. Bewertungen abzugeben (§ 10 Abs. 2 PKGrG n. F.), erhält das Plenum in den Grenzen der erforderlichen Geheimhaltung auch „zusätzlich“ die Gelegenheit, weiterge­ hend (kontrollierend) tätig zu werden. Diese neuerliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht daher dem soeben festgestellten Ergebnis nicht entgegen. 3. Legitimation und Legitimität der Kontrolle durch das PKGr Diesen Feststellungen folgend, kann es nicht maßgebend sein, ob das einfachgesetzliche PKGr ein Verfassungsorgan, nämlich die Bundesregie­ rung, zu kontrollieren hat. Das Kontrollrecht des PKGr ist das des Plenums, ebenso die damit einher gehenden Befugnisse, die das Gremium lediglich 149  BVerfGE

130, 318 (351). 130, 318 (351). 151  BVerfGE 130, 318 (355 f.). 152  Kretschmer, in: BK, GG, Rn. 212 zu Art. 45 GG. 153  Siehe unter Kapitel D. V. 2. b). 150  BVerfGE



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für das Plenum ausübt. Diese parlamentarischen Kontrollrechte sind Gegen­ stand des rechtlich zulässigen Delegationsaktes. Die Ermächtigung zur vertikalen Delegation entspringt unmittelbar dem Grundgesetz; von dieser Ermächtigung hat der Bundestag durch Erlass eines formellen Gesetzes, dem PKGrG n. F., in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht. Eine rechtlich begründete „Minderwertigkeit“ oder „Niederrangigkeit“ dieses vermittelten Kontrollrechts liegt ebenfalls nicht vor.154 Zwar eröffnet Art. 80 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber die Möglichkeit, be­ stimmte Exekutivorgane zum Erlass von Rechtsverordnungen zu ermächti­ gen. Insoweit handelt es sich auch nur um die Macht, Rechtsakte von ma­ terieller, nicht aber von formeller Gesetzeskraft zu setzen.155 Diese Wirkung entspricht dem Willen des Grundgesetzes, das dem Gesetzgeber ausdrücklich nicht gestatten wollte, durch einfaches Gesetz seine Gesetzgebungszustän­ digkeit, auch nur für einen Regelungsbereich, zugunsten des Verordnungs­ gebers selbst auszuschließen oder zu schmälern. So soll es weiter im Belie­ ben des Gesetzgebers stehen, Verordnungen durch Gesetz ganz oder teilwei­ se durch widersprechende Normen zu ersetzen, nur aufzuheben oder die Verordnungsbefugnis wieder zu entziehen.156 Diese spezifische Zuerkennung einer eigenständigen Rechtssetzungskate­ gorie zugunsten der Exekutive im Rang unterhalb eines formellen Gesetzes kann auf das parlamentarische Kontrollrecht ohne ausdrückliche Regelung im Grundgesetz indes nicht übertragen werden. So erfährt zum einen das Zuständigkeitsgefüge von Legislative und Exekutive durch eine Delegation der Kontrollkompetenzen auf ein Hilfsorgan des Parlaments keine relevante Veränderung, zum anderen unterscheiden sich die rechtlichen Kontrollvor­ aussetzungen und der -rahmen für beide Organe nicht157 und schließlich ist die Sicherung des vollen Handlungsspielraums des Deleganten, der nur konservierend delegieren möchte, schon dadurch wirksam gewährleistet, indem sich dieser die Kompetenzen, selbst auch zu kontrollieren und Kon­ sequenzen aus dem Kontrollergebnis zu ziehen, vorbehält.158 Schon aus 154  Diesen Gedanken greift wohl der verfassungsändernde Gesetzgeber auf, wenn er davon spricht, dass es dem PKGr erst durch die Grundgesetzänderung ermöglicht wird, sich der Kontrolle mit Nachdruck zu widmen, siehe BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. Diese Aussage hat allenfalls rechtspolitische Bedeutung. 155  Maunz, in: Maunz  / Dürig, GG, Rn. 7 zu Art. 80 GG bekräftigt, dass Rechts­ verordnungen aufgrund des Art. 80 GG keinen gesetzesvertretenden Charakter haben können; Triepel, S. 58; v. Danwitz, S. 31. 156  Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 23 zu Art. 80 GG; v. Danwitz, S. 29. 157  Zur Verschiedenheit von Zuständigkeiten und Voraussetzungen bei Rechtsset­ zung durch Gesetz und Rechtsverordnung, siehe BVerfGE 24, 184 (199). 158  Das Bundesverfassungsgericht erkennt unter Rückgriff auf § 1 Abs. 2 PKGrG a. F. ausdrücklich an, dass das PKGr ein zusätzliches Instrument parlamentarischer

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diesen Gründen scheidet eine Hierarchisierung parlamentarischer Kontroll­ rechte des Plenums einerseits und des PKGr als kontrollkompetentem Hilfs­ organ andererseits aus. Schließlich bekräftigt der verfassungsändernde Gesetzgeber seine Über­ zeugung, wonach Art. 45d GG dem PKGr die verfassungsrechtlich fundier­ te Sonderstellung eines Pflichtgremiums verliehen hat, wodurch eine durch­ gehende parlamentarisch begleitete Kontrolle im Nachrichtendienstbereich sichergestellt wird.159 Die insoweit angesprochene (Hilfs-)Organ-Kontinuität existierte aber auch schon vor Inkrafttreten von Art. 45d GG, nur war sie mit § 1 Abs. 1 PKGrG a. F. lediglich einfachgesetzlich verankert.160 Die verfassungsrechtliche Implementierung dieser Einsetzungspflicht mag rechtspolitische Wirkungen entfalten. Eine gesteigerte rechtliche Bindungs­ wirkung in Form einer höheren Beachtenspflicht gegenüber dem Parlament kann ihr nicht entnommen werden, so dass eine durchgehende parlamenta­ risch begleitete Kontrolle insoweit auch vor der Grundgesetzänderung si­ chergestellt war. Die mit Blick auf Art. 79 Abs. 2 GG erschwerte Abänder­ barkeit der Einsetzungspflicht mag dem Ziel „stabiler Verhältnisse“ im Bereich der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle entgegenkommen. Dieser Errungenschaft wird man indes die dadurch bewirkte Perpetuierung des jetzigen Rechtszustandes entgegenhalten müssen, der zukünftigen ein­ fachgesetzlichen Strukturanpassungsbestrebungen engere Grenzen ziehen wird. Es bleibt daher festzuhalten, dass das PKGrG der aktuellen Fassung einer verfassungsrechtlichen Absicherung bzw. Anerkennung bezogen auf das grundsätzliche Recht des PKGr auf parlamentarische Kontrolle durch Art. 45d GG rechtlich nicht bedurfte.161 Vermittelt schon das verfassungs­ konforme Gesetzgebungsverfahren zum PKGrG n. F. Legalität und damit, zumindest vorliegend,162 Legitimität für die Kontrolltätigkeit des PKGr, Kontrolle ist, das andere parlamentarische Kontrollrechte, wozu auch die des Ple­ nums gehören, nicht verdrängt, siehe unter Fn. 104 in Kapitel D. IV. 1. 159  BT-Drs. 16 / 12412, S.  5. 160  Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staats­ recht, S. 21; Klein, in: Maunz /  Dürig, GG, Rn. 22 zu Art. 45d GG betont die obli­ gatorische Einrichtung des PKGr als „nunmehr von Verfassungs wegen“ gesichert; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 10 zu Art. 45d GG. 161  Davon geht der verfassungsändernde Gesetzgeber wohl auch selbst aus, wenn er Art. 45d GG nur eine „klarstellende“ Bedeutung beimisst, siehe BT-Drs. 16 / 12412, S. 4. 162  BVerfGE 62, 1 (43), wonach unter dem Grundgesetz verfassungsmäßige Le­ galität zugleich demokratische Legitimität bedeutet. Zum Teil wird eine solche Gleichsetzung von Legalität und Legitimität abgelehnt – neben Legalität müssten überpositive Werte wie Gerechtigkeit, Richtigkeit und Wahrheit hinzutreten, um



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens91

kann ein weiterer Legitimationsstrang, namentlich das Gesetzgebungsver­ fahren zur Einfügung von Art. 45d GG, keine Legitimität bewirken, sondern bestehende allenfalls absichern. Soweit sich der verfassungsändernde Ge­ setzgeber von Art. 45d GG somit eine „erhöhte Legitimation“ verspricht, kann dieser Erwartung nur insofern gefolgt werden, als durch die Einfügung von Art. 45d GG das Fundament, auf dem die Legitimität der parlamentari­ schen Kontrolle durch das PKGr fußt, mithilfe dieses zweiten Legitimati­ onsstranges „quantitativ“ verbreitert worden ist. Soweit der verfassungsändernde Gesetzgeber auch eine qualitative Erhö­ hung der Legitimität sieht, stellt er auf den mit der Legitimität eng verbun­ denen Begriff der „Akzeptanz“ ab, dessen Relevanz für den rechtswissen­ schaftlichen Legitimitätsbegriff jedoch aufgrund seiner fehlenden rechtsnor­ mativen Anknüpfung entweder ganz verneint wird oder lediglich als „out­ put-Gesichtspunkt“ für eine Maßstabsbildung zur sachlich-inhaltlichen Legitimitätsbestimmung von Herrschaftsgewalt Berücksichtigung finden kann.163 Das aus soziologischer bzw. politikwissenschaftlicher Sicht durchaus zu bejahende Bedürfnis des Gesetzgebers, eine höhere „Akzeptanz“ gegenüber der Bundesregierung durch eine Grundgesetzänderung zu generieren, tan­ giert die Legitimität aus rechtswissenschaftlicher Sicht jedoch nicht konsti­ tutiv, so dass insoweit eine qualitative Legitimitätserhöhung durch Art. 45d GG für die parlamentarische Kontrolle durch das PKGr im nachrichten­ dienstlichen Tätigkeitsbereich des Bundes nicht festgestellt werden kann.164

V. Zur Veränderung des verfassungsrechtlichen Kontroll- und Befugnisrahmens 1. Zum verfassungsrechtlichen Rahmen parlamentarischer Kontrolle bezogen auf das PKGr Die verfassungsrechtlichen Grenzen parlamentarischer Kontrolle unter dem Grundgesetz werden zum einen durch den Grundsatz der Gewaltentei­ lung bestimmt, wonach den einzelnen Staatsgewalten zwar einerseits eine Legitimität zu erzeugen; zum (ethisch-)normativen Legitimitätsbegriff in der Rechts­ wissenschaft, siehe Schliesky, S. 168 ff. m. w. N. Das Vorliegen dieser überpositiven Werte dürfte vorliegend ohnehin nicht fraglich sein. 163  So Schliesky, S. 180. „Akzeptanz“ dient danach der Optimierung des Legiti­ mationsverfahrens, in das sie als materielles Kriterium zu integrieren ist, wobei schon die Messung der „Akzeptanz“ Probleme aufwirft, siehe Schliesky, S.  180 f. 164  Das politische Regelungsbedürfnis des Gesetzgebers im Rahmen von Art. 45d GG betonend, siehe Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 2.1 zu Art. 45d GG.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

gewisse Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung eines eigenen, aufgabenspe­ zifisch ausgeformten Kompetenzbereiches gewährt werden muss, zum ande­ ren die Freiheit der Bürger dadurch geschützt wird, indem jede Gewalt durch die anderen Gewalten in ihrer ungezügelten Funktionswahrnehmung zugleich gehemmt und gemäßigt wird.165 Die insoweit vom Grundgesetz angelegte Gewaltenverschränkung darf jedoch die grundsätzlich angelegte Gewaltengewichtung nicht im Kern verschieben. Keine Gewalt darf ein Übergewicht über eine andere Gewalt derart erlangen, wodurch letztere die ihr verfassungsmäßig zugewiesenen typischen Aufgaben nicht mehr wahr­ nehmen kann und damit letztlich einer originären Zuständigkeit beraubt wird.166 Übertragen auf das Kontrollverhältnis von Bundestag und Bundesregie­ rung lässt sich somit konstatieren, dass parlamentarische Kontrolle dort enden muss, wo der „Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung“ durch die parlamentarische Kontrolltätigkeit verletzt wird.167 Das Bundes­ verfassungsgericht erfasst daneben auch einen grundsätzlich nicht ausforsch­ baren „Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich“, der selbst einem par­ lamentarischen Untersuchungsausschuss gegenüber verschlossen bleibt.168 Aus diesem Grunde lassen sich im Rahmen von Untersuchungsausschuss­ verfahren grundsätzlich sämtliche Willensbildungsprozesse, die sich inner­ halb des Kabinetts oder im Rahmen vorgelagerter interner oder ressortüber­ greifender Vorbereitungs- und Abstimmungsprozesse vollziehen, aus dem Kontrollrahmen ausscheiden, sofern diese Prozesse noch nicht abgeschlossen sind, da ansonsten die zu vermeidende Gefahr einer „Mitregierung“ des Parlaments zu groß ist.169 Abgeschlossen sind die Prozesse erst dann, wenn 165  BVerfGE 3, 225 (247); 7, 183 (188); 9, 268 (279 f.); 12, 180 (186); 22, 106 (111); Busch, Parlamentarische Kontrolle, S. 9; Goltz, 605 (608); Gusy, Parlamenta­ rische Kontrolle, JA 2005, 395 (396). 166  BVerfGE 9, 268 (279 f.); 22, 106 (111); 34, 52 (59); Goltz, 605 (608); Memminger, 15 (17); Stern, Staatsrecht, Band II, S. 535 f., 539 ff. 167  BVerfGE 67, 100 (139); 110, 199 (214); 124, 78 (120 f.); Busse, Der Kernbe­ reich exekutiver Eigenverantwortung im Spannungsfeld der staatlichen Gewalten, DÖV 1989, 45 (46); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 36 zu Art. 45d GG; Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rnrn. 10 f. zu Art. 45d GG; Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), 564 (598). Kritisch zur „Kernbereichslehre“ Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), S.  135 (147 ff.). 168  BVerfGE 67, 100 (139); 110, 199 (214); 124, 78 (120). Dies anerkennend Beck / Schlikker, Zur Kontrolle der Geheimdienste, NVwZ 2006, 912 (913); Busse, Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung im Spannungsfeld der staatlichen Gewalten, 45 (46); Lennartz / Kiefer, 185 (191); Memminger, 15 (22); Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (176). 169  BVerfGE 67, 100 (139); 110, 199 (214); 124, 78 (120 f.). Böckenförde, Parla­ mentarische Untersuchungsausschüsse und kommunale Selbstverwaltung, AöR 103



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens93

die betreffenden Angelegenheiten eine „verantwortungsfähige Entschei­ dungsreife“ erlangt haben.170 Sie müssen mithin das Stadium ausschließlich interner Willensbildung überschritten haben und Außenwirkung erzeugen.171 Einer ausdrücklichen oder konkludenten Entscheidung bedarf es indes nicht, da auch solche Angelegenheiten einbezogen werden sollen, die als nicht behandlungsbedürftig eingestuft schlicht einer Entscheidung nie zugeführt worden sind.172 Aber selbst wenn die betreffende Angelegenheit abgeschlossen ist, kön­ nen sich Grenzen des nachträglichen Zugriffs auf die „Vorbereitungsphase“ ergeben, da die Erwartung eines durchsetzbaren parlamentarischen Informa­ tionsanspruches unmittelbar nach Abschluss des Entscheidungsprozesses ebenfalls geeignet erscheint, den ungestörten Erkenntnis- und Diskussions­ prozess innerhalb der Regierung aufgrund der dadurch bewirkten „einengen­ den Vorwirkung“ zu beeinträchtigen.173 Freilich läuft eine solche pauschale Negierung des nachträglichen Zugriffs faktisch auf eine dauerhafte Kont­ rollbeschränkung hinaus, die Rückschlüsse auf die interne Willensbildung der Regierung nahezu ausschließen würde; dies aber widerspricht dem Postulat des Bundesverfassungsgerichts, das festgestellt hat, dass parlamen­ tarische Kontrolle wirksam sein muss.174 Ob im betreffenden Fall daher parlamentarische Informationsrechte beste­ hen, kann nur im Rahmen einer Abwägung festgestellt werden, die beant­ worten muss, inwieweit das parlamentarische Informationsbegehren in den innersten Kern exekutiver Willensbildung eindringt und welches Informati­ onsinteresse von Seiten des Parlaments mit der jeweiligen Auskunft befrie­ digt werden soll.175 Ein besonders hohes parlamentarisches Informationsin­ teresse wird stets dann anzunehmen sein, wenn die Aufdeckung etwaiger Rechtsverstöße oder vergleichbarer Missstände innerhalb der Bundesregie­ rung Anlass des Auskunftsersuchens ist.176 (1978), 1 (17); Goltz, 605 (611); Lennartz / Kiefer, 185 (191). Andere Ansicht: Hirsch, S.  56 ff.; Peitsch / Polzin, 387 (389). 170  Lennartz / Kiefer, 185 (191). 171  Arloth, Grundlagen und Grenzen des Untersuchungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, NJW 1987, 808 (811). 172  Hansalek, S. 246. 173  BVerfGE 67, 100 (139); 110, 199 (215 f.); 124, 78 (121); Busse, Der Kernbe­ reich exekutiver Eigenverantwortung im Spannungsfeld der staatlichen Gewalten, 45 (51). 174  BVerfGE 67, 100 (130); 110, 199 (218 f.); 124, 78 (121 f.). 175  BVerfGE 77, 1 (59); 110, 199 (219); Busse, Der Kernbereich exekutiver Ei­ genverantwortung im Spannungsfeld der staatlichen Gewalten, 45 (51); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 36 zu Art. 45d GG; Lennartz / Kiefer, 185 (191). 176  BVerfGE 110, 199 (222); 124, 78 (122 f.).

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

Bezogen auf das PKGr wird der verfassungsrechtliche Kernbereichsschutz voll gewährt, wie § 6 Abs. 2 S. 1 PKGrG n. F. im Wortlaut klarstellend zeigt. Insoweit verweist das einfache Gesetz auf den vom Bundesverfas­ sungsgericht geprägten Terminus „Kernbereich exekutiver Eigenverantwor­ tung“, um auf diese Weise die dazu ergangene Rechtsprechung in den Norminhalt ausdrücklich mit einbeziehen zu können.177 Neben dem Gewaltenteilungsgrundsatz können zum anderen auch Staats­ wohlbelange des Bundes und der Länder eine Rolle spielen, um die zuläs­ sige Reichweite parlamentarischer Informationsansprüche beurteilen zu können. Derartige Belange werden insbesondere dann berührt, wenn ge­ heimhaltungsbedürftige Informationen Gegenstand des Interesses sind.178 Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Gewährleistung des Staatswohls nicht ausschließlich der Bundesregierung obliegt, sondern Bundestag und Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist.179 Es widerspricht dem grund­ gesetzlichen Gesamtgefüge, wollte man den Bundestag und seine Ausschüs­ se als Außenstehende betrachten, denen gegenüber besondergeheimschutzre­ levante Tatsachen nicht offenbart werden können.180 Vielmehr wird die Berufung auf das Staatswohl gegenüber dem Bundestag und dessen Hilfs­ organen immer dann ausscheiden, wenn allseitig hinreichende Vorkehrungen getroffen worden sind, um die Geheimniswahrung sicherstellen zu kön­ nen.181 Nur dann, wenn es dem Parlament aufgrund seiner spezifischen Eigenheiten nicht möglich ist oder es nicht willens ist, den erforderlichen Geheimnisschutz zu gewährleisten, wird man ein Informationsverweige­ rungsrecht auf Seiten der Bundesregierung bejahen können.182 Bezogen auf das PKGr ist festzustellen, dass sämtliche Beratungen des Gremiums geheim stattfinden und sämtliche Sitzungsteilnehmer zur Ge­ heimhaltung der dort behandelten Angelegenheiten verpflichtet sind, § 10 Abs. 1 PKGrG n. F. Die Möglichkeit, öffentliche Bewertungen und Sonder­ voten zu bestimmten Vorgängen gemäß § 10 PKGrG n. F. abgeben zu kön­ nen, setzt zum einen ein Quorum von zwei Dritteln der Mitglieder voraus183 177  Gerade diese Formulierung der Norm wird von Möllers kritisiert, da es einen Bestimmtheitsunterschied zwischen Gesetzgebung und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung geben muss, siehe BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 4. 178  BVerfGE 67, 100 (134 ff.). 179  BVerfGE 67, 100 (136); 124, 78 (123 f.); Magiera, in: Schneider / Zeh, Parla­ mentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 66. 180  BVerfGE 67, 100 (135). 181  BVerfGE 67, 100 (136). 182  BVerfGE 67, 100 (137, 139). 183  Liegt das Quorum zur öffentlichen Bewertung durch das Gremium vor, bedarf die Veröffentlichung eines Sondervotums keiner weiteren Genehmigung oder Prü­



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens95

und ist zum anderen, soweit es um die Sachverhaltsdarstellung geht, an die Geheimschutzwahrung gebunden, siehe § 10 Abs. 1, 4 PKGrG n. F. Diesel­ ben Restriktionen finden bei der in § 7 Abs. 2 PKGrG n. F. geschaffenen Möglichkeit, einen schriftlichen Bericht über die Untersuchungstätigkeit des Sachverständigen gegenüber dem Bundestag zu erstatten, Anwendung. Das Gesetz gewährleistet die Geheimhaltung faktisch auch dadurch, indem die Mitgliederzahl entsprechend gering gehalten wird. Die geringfügige Öff­ nung gemäß § 11 PKGrG n. F., wonach die Mitglieder des PKGr Mitarbeiter ihrer Fraktion zur Unterstützung benennen dürfen, ist in sehr engen Grenzen gehalten und aufgrund der starken Inanspruchnahme der Mitglieder gerecht­ fertigt.184 Die darüber hinaus gehende Beiziehungsmöglichkeit von Personal der Bundestagsverwaltung gemäß § 12 PKGrG n. F. wird dem Interesse des Gremiums an einer wirksamen Kontrolltätigkeit gerecht und stärkt dessen Tätigkeit nachhaltig.185 Aufgrund der im PKGrG n. F. enthaltenen Geheim­ haltungsregeln, die im Gesetz maßvolle und sinnvolle Einschränkungen er­ fahren haben,186 wird eine rechtliche Geheimniswahrung sichergestellt, die es der Bundesregierung bis auf wenige Ausnahmen verwehrt,187 Informati­ onsverlangen des Gremiums unter Verweis auf das Staatswohl nicht zu entsprechen.188 Bezogen auf Untersuchungsausschüsse hat das Bundesverfassungsgericht zudem festgestellt, dass parlamentarische Untersuchungen dort zu enden haben, wo in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte betroffener Rechtssubjekte, namentlich in das informelle Selbstbestimmungsrecht, ein­ gegriffen wird.189 Bezogen auf das PKGr kommen Grundrechtsverletzungen besonders dann in Betracht, wenn im Rahmen öffentlicher Sachverhaltsdar­ fung durch das Gremium, siehe BT-Drs. 16 / 13220, S. 9; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24898 (B, C); BT-A-Drs. 16(4)614 A, Stellungnahme Funke, S. 3. 184  BT-Drs. 16  / 12411, S. 11. Das mögliche Recht der Fraktionsmitarbeiter auf Sitzungsteilnahme wird von Christopeit / Wolff, 77 (95) kritisiert. 185  So auch BT-Drs. 16 / 12411, S. 12. 186  Christopeit / Wolff, 77 (94). 187  Mehde, in: Epping  / Hillgruber, GG, Rn. 22 zu Art. 45d GG; Peitsch / Polzin, 387 (391). In § 6 Abs. 2 S. 1 PKGrG n. F. wird unter den „zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs“ ein Informationsverweigerungsgrund ausdrücklich aufgeführt. Ob Absprachen mit ausländischen Nachrichtendiensten aus verfassungsrechtlicher Sicht imstande sind, die parlamentarische Kontrolle durch das PKGr einzuschrän­ ken, wird teilweise bezweifelt, siehe BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 4. 188  Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (180). Dabei ist gleichgültig, dass auch die Beachtung entsprechender Geheimschutzregeln das Be­ kanntwerden von Geheimnissen nicht vollends verhindern kann, so BVerfGE 67, 100 (136). 189  BVerfGE 67, 100 (142); 76, 363 (387); 77, 1 (46).

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stellungen oder bei Amts- und Rechtshilfeersuchen personenbezogene Daten veröffentlicht oder übermittelt werden sollen. Diesen Anforderungen ent­ spricht das PKGrG n. F. durch die §§ 5 Abs. 4 S. 2, 6 Abs. 2 S. 1 und 7 Abs. 3 PKGrG n. F., indem durch die Gewährleistung des grundrechtlichen Datenschutzes die Bundesregierung im Einzelfall zur Informationsverweige­ rung berechtigt wird oder aber entsprechende Veröffentlichungsvorhaben von vornherein begrenzt werden. Wie beim parlamentarischen Untersu­ chungsausschuss, dessen Beweiserhebungsrecht durch Art. 44 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GG sogar Verfassungsrang genießt, bedarf es auch beim PKGr einer Güterabwägung zur Feststellung eines „überwiegenden Interesses des Allgemeinheit“190 an der jeweiligen Information, wobei die Gefahr des Be­ kanntwerdens personenbezogener Daten im Rahmen einer „bloßen“ Gremi­ umsunterrichtung aufgrund der strikten Geheimhaltung wiederum kaum ins Gewicht fallen dürfte.191 2. Kontroll- und Befugnisrahmenerweiterung durch Art. 45d GG a) „Mitwirkende Kontrolle“ durch das PKGr konstitutiv aufgrund Art. 45d GG? Soweit den bisherigen Ausführungen entnommen werden konnte, dass sich das PKGrG n. F. an den begrenzenden Vorgaben des Bundesverfas­ sungsgerichts zur Kontrolltätigkeit von Untersuchungsausschüssen ausge­ richtet hat, trifft das den Kern des Streits um den Kontroll- und Befugnis­ rahmen, der vom PKGrG n. F. einzuhalten ist, nicht. Vielmehr finden sich in der Literatur auch gegenwärtig Einschätzungen, wonach das PKGr durch die vorgreifliche bzw. begleitende oder kurz „mitwirkende Kontrolle“ und die umfangreichen Kontrollbefugnisse in den Stand eines „permanenten Untersuchungsausschusses“ versetzt wird, was verfassungsrechtlich unzuläs­ sig wäre und damit einfachgesetzlich nicht geregelt werden könne.192

190  BVerfGE

65, 1 (44); 67, 100 (143); 77, 1 (46 f.); 124, 78 (125). besondere „Gefahr“ und „Bedeutung“ des Öffentlichkeitsprinzips im Rah­ men vom Missstandsenquêten hervorhebend, siehe BVerfGE 67, 100 (144); 124, 78 (125 f.). Trotz Wahrung der Geheimhaltung und der Verhältnismäßigkeit kann das Recht auf Aktenherausgabe dann begrenzt sein, sofern Informationen betroffen sind, „deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist“, siehe BVerfGE 65, 1 (46); 67, 100 (144). 192  Stellvertretend Droste, S. 627. 191  Die



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aa) Zulässigkeit „mitwirkender Kontrolle“ Eine solche Einschätzung kann durchaus auf die Ursprungsfassung des PKKG verweisen, wonach § 3 Abs. 2 PKKG der Bundesregierung das Recht zugestand „… Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Kontrollkommis­ sion …“ unter Beachtung der ihr zukommenden politischen Verantwortung zu bestimmen. Die Vorschrift sollte den Grundsatz einer nachträglichen Kon­ trolle durch die Kommission sicher- und klarstellen; eine „präventive“ oder „mitlaufende“ Kontrolle sollte nicht stattfinden, jedenfalls sollte der Kom­ mission hierauf kein Recht eingeräumt werden.193 Ergänzend fand sich in § 4 PKKG der Hinweis auf die politische Verantwortung der Bundesregierung für die Nachrichtendienste, wodurch der Kontrollkommission zugleich eine Mitwirkung an den Exekutiventscheidungen versagt bleiben sollte, selbst wenn diese sich im Einzelfall dazu entschloss, die Kontrollkommission vor Durchführung einer Maßnahme „freiwillig“ zu unterrichten.194 Will man diese Aussagen auf das heutige PKGrG übertragen, könnten die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Kontrolltätigkeit von Un­ tersuchungsausschüssen diesen Standpunkt stützen, beschränkt das Gericht in seiner Entscheidung doch die Kontrolltätigkeit – zumindest grundsätz­ lich – auf abgeschlossene Vorgänge, so dass präventiver bzw. mitlaufender Kontrolle der Boden entzogen scheint.195 Betrachtet man jedoch § 4 Abs. 1 PKGrG n. F., der das Fremdinformati­ onsrecht des Gremiums regelt, wird der Bundesregierung eine umfassende Unterrichtungs- und Berichtspflicht auferlegt. Ein Recht zur Bestimmung des Zeitpunkts der Unterrichtung durch die Bundesregierung findet sich nicht mehr. Soweit § 4 Abs. 2 PKGrG n. F. weiterhin die politische Verant­ wortung der Bundesregierung für die Nachrichtendienste betont, stellt der Gesetzgeber erläuternd klar, dass dem Kontrollgremium weiterhin ein Mit­ wirkungsrecht an den Entscheidungen der Exekutive nicht zusteht. Eine präventive oder mitlaufende Kontrolle des Gremiums wird in den Materia­ lien jedoch nicht mehr ausdrücklich ausgeschlossen oder zum Ausnahmefall erklärt.196 193  BT-Drs. 8 / 1599, S. 6. Der Bundesregierung wurde es jedoch freigestellt, eine frühzeitige Unterrichtung vorzunehmen, so auch Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 198 Rn. 8. 194  BT-Drs. 8 / 1599, S.  7. 195  Schröder, Das Aktenvorlagerecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, ZParl. 15 (1984), 473 (476), sieht indes in der Entscheidung keine abschließende Stellungnahme zur „mitwirkenden Kontrolle“ – sie beziehe sich ohnehin nur auf Untersuchungsausschüsse. 196  BT-Drs. 16  / 12411, S. 9, worin zwar ausdrücklich auf BT-Drs. 8 / 1599, S. 7, jedoch nicht auf BT-Drs. 8 / 1599, S. 6, verwiesen wird. Dadurch wird der ausdrück­

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

Da der Verfassungsgesetzgeber Art. 45d GG im Hinblick auf den Grund­ satz der Gewaltenteilung nur eine klarstellende Wirkung beimisst,197 kann der verbreiterte Kontrollrahmen, wie er durch die Statuierung mitwirkender Kontrolle der Bundesregierung durch das PKGr im PKGrG n. F. ermöglicht wird, aus Sicht des Gesetzgebers jedenfalls nicht konstitutiv auf Art. 45d GG beruhen. Die Grundlage hierfür ist anderweitig zu suchen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das herkömmliche Bild parlamenta­ rischer Kontrolle: „Wer kontrolliert, handelt nicht selbst, sondern bewertet das, was ein anderer getan hat, macht Verantwortung geltend.“198 Indem der Kontrolleur, namentlich das Parlament, exekutive Maßnahmen ausschließ­ lich aus ex-post Sicht beurteilt, kann so verstandene parlamentarische Kon­ trolle nur für die Zukunft korrigierend wirken, vorausgesetzt, eine solche Korrektur kann nachträglich noch wirksam sein.199 Anders gesprochen: Wurden im nachrichtendienstlichen Bereich durch die Bundesregierung konkrete operative Maßnahmen ergriffen und durchgeführt, so kann eine nachträgliche Überprüfung hieran nichts ändern und eine in die Zukunft gerichtete korrigierende Wirkung könnte zumeist an der fehlenden Öffent­ lichkeit und der bestehenden Einzelfallbezogenheit der Materie scheitern; eine derartige Kontrolle, die sich jedoch in der nachträglichen Prüfung und Kritik des Regierungshandelns ohne Öffentlichkeitsbezug erschöpfen würde, kann nicht wirksam sein.200 Genau an dieser Stelle setzt mitwirkende Kontrolle im Sinne einer „wech­ selseitigen Einwirkung“ ein, die sich nicht auf eine nachträgliche kritische Überprüfung fremder Amtsführung beschränkt, sondern sich antizipatorisch schon vor einer Regierungsentscheidung im laufenden Prozess der Mach­ tentstehung und -ausübung um Einflussnahme bemüht.201 Eine mitlaufende Kontrolle ist im Grundgesetz durchaus unmittelbar angelegt, da sich Inter­ liche Zusammenhang zwischen frühzeitiger Unterrichtung und fehlender rechtlicher Verpflichtung seitens der Bundesregierung hierzu aufgegeben. 197  BT-Drs. 16 / 12412, S.  4. 198  Kewenig, S. 29. Kontrolle ist gerade nicht „Aufsicht“, siehe Dobiey, Die po­ litische Planung als verfassungsrechtliches Problem zwischen Bundesregierung und Bundestag, S. 102; Ellwein / Görlitz, Parlament und Verwaltung, S. 265. 199  Dobiey, Die politische Planung als verfassungsrechtliches Problem zwischen Bundesregierung und Bundestag, S. 103; Kewenig, S. 29; Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 50. 200  Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 36 zu Art. 38 GG. 201  Hirsch, S. 57, 59; Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, DÖV 1969, 405 (409); Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 266; Peitsch / Polzin, 387 (389 f.); Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 51; Schröder, Das parlamentarische Regierungssystem, JURA 1982, 449 (452); Wolff, Der nachrichtendienstliche Ge­ heimnisschutz, 173 (180).



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens99

pellationen auch auf noch nicht abgeschlossene Vorgänge beziehen können, so dass insoweit ebenfalls eine Kontrolle der laufenden Regierungstätigkeit stattfinden kann.202 Von entscheidender Bedeutung ist jedoch die Frage, wie die konkrete Einflussnahme beschaffen sein muss. Letztlich ist Kontrolle Geltendma­ chung von Verantwortung. Dies setzt voraus, dass die kontrollierte Regie­ rung weiterhin die volle Verantwortung für ihre Entscheidungen behält, denn ein Parlament, das selbst „Mitträger“ der Regierungsentscheidung geworden ist, kann die ihm obliegende Kontrollkompetenz jedenfalls nicht glaubwürdig ausüben, so dass die Legitimation spendende Wirkung parla­ mentarischer Kontrolle dadurch leiden oder gar zu entfallen droht.203 Mit­ wirkung bei nicht abgeschlossenen exekutiven Vorgängen im hier verstan­ denen Sinn ist somit nicht regelnde (Mit-)Entscheidung durch das Parla­ ment.204 Eine solche Handhabung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig.205 Ziel der Kontrolle muss es vielmehr sein, den Informationsvorsprung der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag und seinen Gremien zum einen dadurch auszugleichen, indem das Parlament über den Stand politischer Planung unterrichtet wird zu einem Zeitpunkt, in dem das betreffende Vor­ haben und seine Lösungsmöglichkeiten noch überschaubar sind und die Regierung noch nicht damit begonnen hat, durch vollziehende Einzelakte nicht oder nur schwer revidierbare Tatsachen zu schaffen.206 Zum anderen muss dem Bundestag die Gelegenheit eröffnet sein, die eigenen Vorstellun­ gen durch Anregung, Kritik und Empfehlung zum Planungsvorhaben mit einzubringen.207 202  Hirsch, S.  56 f.; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 77 zu Art. 43 GG m. w. N. Unter „Interpellationen“ werden hier Große und Kleine Anfragen, Einzelfragen so­ wie Fragestunde bzw. Aktuelle Stunde verstanden. 203  Dobiey, Die politische Planung als verfassungsrechtliches Problem zwischen Bundesregierung und Bundestag, S. 129; Magiera, S. 266; Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 51. 204  Ebenso Busch, S. 15; Meyn, S. 378. 205  BVerfGE 67, 100 (139); Dobiey, Die politische Planung als verfassungs­ rechtliches Problem zwischen Bundesregierung und Bundestag, S. 130; Hirsch, S. 57. Regelnde Mitwirkung kann im Einzelfall zulässig sein, bspw. bei der An­ bringung qualifizierter Sperrvermerke durch den Haushaltsausschuss oder die Zu­ stimmung des Verteidigungsausschusses zu geplanten Beschaffungsvorhaben, siehe Busch, S. 13. 206  Busch, S. 15; Dobiey, Die politische Planung als verfassungsrechtliches Prob­ lem zwischen Bundesregierung und Bundestag, S. 87, 104 f.; Ellwein / Görlitz, S. 250; Magiera, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 52. 207  „Mitwirkung durch Kenntnisnahme“, siehe Achterberg, Parlamentsrecht, S. 440; Dobiey, Die politische Planung als verfassungsrechtliches Problem zwischen

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Darf sich parlamentarische Kontrolle einerseits nicht in parlamentarische „Mitregierung“ auswachsen, darf sie sich andererseits aber auch nicht als „negative Regierung“ präsentieren, deren Mitwirkung ausschließlich darin besteht, die Planungen der Regierung negativ zu kritisieren.208 Eine derarti­ ge Negativkontrolle könnte letztlich auch dazu führen, dass entsprechende Vorhaben der Regierung in Erwartung einer entsprechenden öffentlichen Negativ-Resonanz vorauseilend unterbleiben; gerade dann aber ist der Initi­ ativ- und Handlungsbereich, der im Bereich der Exekutive verbleiben soll, in Gefahr.209 Soll die Regierung auch weiterhin die uneingeschränkte Möglichkeit ha­ ben, kritikwürdige Entscheidungen treffen und vollziehen zu können, muss sichergestellt sein, dass mitwirkende parlamentarische Kontrolle rechtlich und faktisch sanktionslos ist, mithin in den Entscheidungsprozess weder lenkend eingegriffen noch die Handlungs- und Verhandlungsfähigkeit der Regierung geschwächt wird.210 Jedenfalls muss das Beziehungsgeflecht, in dem diese Kontrolle stattfindet, darauf grundsätzlich angelegt sein. Gerade die normativ angelegte Wahrung eingeschränkter Öffentlichkeit sichert die Handlungs- und Verhandlungsfähigkeit der Bundesregierung insoweit am besten. Dann wiederum muss man infrage stellen dürfen, weshalb sich die Regierung um eine zureichende informatorische Beteiligung des Parlaments bemühen sollte, wenn sie doch bei Missachtung dieser Verpflichtung zu­ nächst mit keinerlei Sanktionen zu rechnen hat. Die Antwort hierauf lautet: gegenseitiges Vertrauen.211 Das Prinzip der mitwirkenden Kontrolle im hier beschriebenen Sinne funktioniert nur dann, wenn sich das Parlament auf eine rechtzeitige und vollständige Information seitens der Bundesregierung verlassen kann und die Bundesregierung wiederum weiß, dass etwaige Sanktionen erst dann zu befürchten stehen, wenn der betreffende Vorgang abgeschlossen ist. Dieses Bundesregierung und Bundestag, S. 130; Hirsch, S. 57; Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 51. 208  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (98  f.); Hirsch, S.  58 f.; Magiera, S. 266. 209  Hirsch, S. 58; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informati­ onsrecht der Presse, S. 143; Müller, Exekutivischer Geheimnisschutz und parlamen­ tarische Kontrolle, S. 102; Thieme, Das Verhältnis der parlamentarischen Untersu­ chungsausschüsse zur Exekutive, S. 106 ff. 210  Busch, S. 16; Hirsch, S. 58 ff., der Konsequenzen erst im Rahmen nachträgli­ cher Kontrolle zulässt. Jerschke, S. 143 und Thieme, S. 106, benennen als maßgeb­ liche Gefahr für einen ungestörten Entscheidungsvorgang die „zu weite Öffnung gegenüber dem Interessenpluralismus“. 211  Dem PKGrG n. F. liegt ein beiderseitiger Vertrauensvorschuss zu Grunde, der ein „offenes Wort in Klausur“ möglich machen soll, siehe auch Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn.  6 zu Art.  45d GG.



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens101

auf Vertrauen basierende Zusammenwirken der ersten und zweiten Gewalt wird daher zutreffend auch als „kooperative Kontrolle“ bezeichnet.212 bb) „Mitwirkende Kontrolle“ durch das PKGr Übertragen auf das PKGr lässt sich feststellen: Das PKGr stellt im Rah­ men der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung im nachrichten­ dienstlichen Bereich das oftmals einzig wirksame Kontrollinstrument dar, da die allgemeine Plenar- und Ausschusskontrolle wie auch die gerichtliche Kontrolle an sachbedingte Grenzen stoßen.213 Eine „gewöhnliche“ parla­ mentarische Kontrolle ist regelmäßig nicht möglich, da die Bundesregierung eine Informationsweitergabe häufig zurecht mit Hinweis auf die Geheim­ schutzwahrung verweigern kann. Würde sich das PKGr auf eine nachträgli­ che Kontrolle der Bundesregierung beschränken, stünde ein fast vollständi­ ger Wirksamkeitsverlust dieser Kontrolle zu befürchten. Schließlich lebt parlamentarische Kontrolle vom Öffentlichkeitsbezug; häufig nur diese Kombination vermag die Regierung dazu anzuhalten, Folgerungen aus dem festgestellten beanstandeten Verhalten zu ziehen und künftig entsprechend anders vorzugehen.214 Entfällt der Öffentlichkeitsbezug wie beim geheim arbeitenden PKGr weitestgehend, müssen die Mittel parlamentarischen Ein­ flussnahme angepasst werden, um zureichende Wirksamkeit zu generieren. Eine mitwirkende Kontrolle im nachrichtendienstlichen Bereich kann die fehlende Öffentlichkeit zwar nicht ersetzen, dennoch kann dadurch ein Kon­ trollniveau erreicht werden, das im Ergebnis noch als wirksam bezeichnet werden kann. Indem nämlich die Regierung ihre Vorhaben vor Durchfüh­ rung gegenüber dem PKGr erläutert, ist die Rechtfertigung des eigenen Handelns zugleich mit eingeschlossen, da das Gremium in den Stand ver­ setzt wird, durch Gespräche mit der Ministerialbürokratie argumentativ Einfluss zu nehmen zu einem Zeitpunkt, in dem es der Regierung ohne „Gesichtsverlust“ auch noch möglich ist, das eigene Vorhaben zu ändern.215 Soll aber § 4 PKGrG n. F. eine derartige mitwirkende Kontrolle sicherstel­ 212  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (105  f.); Hirsch, S. 61; Kewenig, S. 30 f. Ebenso Leisner, 405 (409), der die Kontrolle als „gleichar­ tige, gleichgewichtete Zusammenarbeit verschiedener Organe“ qualifiziert. 213  Arndt, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rn. 1; Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (88 ff.); Hansalek, S. 152; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 28 zu Art. 45d GG; Rieger, Der Bundesnachrich­ tendienst im demokratischen Rechtsstaat, S. 95. 214  Busch, S. 16; Hansalek, S.  152 ff.; Wartenberg, Parlamentarische Verantwor­ tung und Kontrolle, S. 76; BT-Drs. 7 / 5924, S. 76. 215  Friesenhahn, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 87 (106). Das PKGr ist mit Blick auf § 10 Abs. 2 PKGrG n. F. nicht auf die bloße Entgegennahme der

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

len, müssen indes die Voraussetzungen einer „kooperativen Kontrolle“, na­ mentlich die Statuierung gegenseitigen Vertrauens, im PKGrG n. F. normativ angelegt sein. Es bereitet keine Schwierigkeiten festzustellen, dass das PKGr nicht be­ fugt ist, der Bundesregierung Weisungen zu erteilen oder aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, so dass unmittelbare rechtliche Sanktionen aus­ scheiden. Es geht in § 4 Abs. 1 PKGrG n. F. vielmehr „nur“ darum, einen etwaigen Informationsnachteil des Gremiums im Wege der verpflichtenden Fremdinformation durch die Bundesregierung wirksam auszugleichen, so dass sich das PKGr darauf verlassen können soll, über sämtliche relevante Vorhaben rechtzeitig informiert zu werden.216 Gegenüber der Bundesregierung wirken dabei folgende Faktoren beson­ ders vertrauensstiftend: Das Gremium ist zahlenmäßig relativ klein und agiert geheim, so dass die Gefahr einer Geheimschutzverletzung überschaubar und kalkulierbar bleibt; die Mitglieder werden gemäß § 2 Abs. 3 PKGrG n. F. mit „Kanzlermehr­ heit“ gewählt, so dass Abgeordnete, die nicht das Vertrauen der Bundestags­ mehrheit genießen, nicht Gremiumsmitglied werden können. Dadurch, dass sämtliche Gremiumsmitglieder zugleich Mitglieder des Bundestages sein müssen, bleibt auch „kooperative Kontrolle“ in ein System der vollen „Ver­ antwortungsübernahme“ gegenüber dem Souverän, dem Volk, eingebun­ den.217 Schließlich handelt es sich beim PKGr um ein Instrument, das die sachgerechte Aufgabenerledigung des Bundestages im Bereich der parla­ mentarischen Nachrichtendienstkontrolle sicherstellen soll.218 Indem sich der Bundestag dieses Gremiums bedient, stellt er nicht nur das durchaus vertrauensstiftende Ziel einer „ernsthaften“ Befassung mit dieser Materie unter Beweis, er folgt mit dieser Strukturentscheidung, wesentliche Kontrol­ laufgaben auch außerhalb des Plenums wahrnehmen zu lassen, auch einer hergebrachten parlamentarischen Tradition.219 Das insoweit systemkonforme Vorgehen, aus Gründen des Geheimschut­ zes ein relativ kleines und geheim tagendes Gremium zu „installieren“, findet auch aus Sicht der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Informationen beschränkt, vielmehr ist eine Meinungsäußerung die Regel, so Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 45d GG. 216  In BT-Drs. 16 / 12411, S. 8, wird hervorgehoben, dass die Informationspflich­ ten im PKGrG n. F. „echte Rechtspflichten“ sind, die es unverzüglich zu erfüllen gilt. Die Einfügung von Art. 45d GG verfolgt das Ziel, das Recht des PKGr auf frühzeitige und umfassende Information zu stärken, siehe BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 4. 217  Hirsch, S. 60. 218  BVerfGE 130, 318 (348, 350). 219  In diesem Sinne auch BVerfGE 130, 318 (351).



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens103

seinen Ursprung im damaligen Haushaltsgremium zur Beratung der Wirt­ schaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes, das vornehmlich dem Zweck diente, das operative Handeln der Nachrichtendienste und die inso­ weit involvierten Menschen vor einschlägigen Gefahren zu schützen.220 Auch in dieser Hinsicht unterstreicht das Parlament durch Errichtung des PKGr gegenüber der Bundesregierung seine Vertrauenswürdigkeit, indem es primäre Schutzaufgaben der Exekutive zu realisieren hilft und damit zu­ gleich etwaige Forderungen, die das Parlament in dieser Beziehung nicht „in der Pflicht sehen“, zurückweist. Allerdings weisen die grundsätzlich sehr strikten Geheimhaltungsvorschrif­ ten im PKGrG n. F. drei relevante Ausnahmen auf, denen eine mittelbare Sanktionseigenschaft zugewiesen werden kann: Zum einen § 13 PKGrG n. F., der es dem Gremium auch gestattet öffentlich zu beurteilen, inwieweit die Bundesregierung ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen ist. Eine solche Berichterstattung richtet sich gezielt an die Öffentlichkeit. Dieser Möglichkeit ist Sanktionscharakter zuzuschreiben,221 allerdings handelt es sich insoweit um eine nachträgliche Sanktionierung, da das Gremium zurückblickend über die unterjährige Handhabung seitens der Bundesregierung informiert. Eine solche Maßnahme ist gezielt darauf gerichtet, das zukünftige Verhalten der Bundesregierung in diesem Zusammenhang zu beeinflussen, hingegen ist eine unmittelbare Steuerung laufender Vorgänge ersichtlich nicht bezweckt. Zum anderen § 7 Abs. 2 PKGrG n. F., der es dem Gremium erlaubt, dem Bundestag einen schriftlichen Bericht zu den Untersuchungen des eingesetz­ ten Sachverständigen vorzulegen. Aber auch insoweit handelt es sich um eine rückblickende und damit nachträgliche Information der Öffentlichkeit, da der Bericht ausdrücklich auch zu den Ergebnissen der Untersuchungen Stellung nehmen soll. Ein öffentlicher Zwischenbericht im noch laufenden Untersuchungsverfahren soll somit nicht erstattet werden. Schwerer wiegt schon die Möglichkeit nach § 10 Abs. 2 PKGrG n. F., wonach öffentliche Bewertungen zu bestimmten Vorgängen abgegeben wer­ den können, wodurch letztlich auch das Ziel verfolgt werden kann, laufende Vorgänge abbrechen oder ändern zu lassen.222 An dieser Stelle gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass selbst die Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts zu den Befugnissen von Untersuchungsausschüssen klargestellt hat, dass eine Untersuchungstätigkeit bezüglich nicht abgeschlossener Vorgänge nur grundsätzlich unzulässig ist.223 Es kann daher Fälle geben, bei denen eine derartige sanktionierende Einflussnahme verfassungsrechtlich möglich 220  BVerfGE

130, 318 (359). auch BT-Drs. 16 / 12411, S. 8. 222  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 45d GG. 223  BVerfGE 67, 100 (139). 221  So

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

ist. Damit verglichen ist eine bloße öffentliche Bewertung auf Grundlage von Fremdinformationen als Mindermaßnahme zu qualifizieren. Außerdem ist das Bedürfnis, „bestimmte Vorgänge“ öffentlich zu bewerten, von dessen Bedeutung für die Öffentlichkeit abhängig zu machen, da allein die Aktua­ lität eines Vorgangs nicht entscheidend sein kann.224 Die Beurteilung und Feststellung dieses Bedürfnisses obliegt einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Gremiums, wobei dieses sehr hohe Quorum, das eine zustimmende Beteiligung der „regierungsnahen“ Mitglieder erforderlich macht, gewährleistet, dass an ein Veröffentlichungsbedürfnis keine zu gerin­ geren Anforderungen gestellt werden, weswegen im Ergebnis Veröffentli­ chungen nur ausnahmsweise realisiert werden dürften.225 Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage ist § 10 Abs. 2 PKGrG n. F. verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da das Sanktionspotenzial dieser Vorschrift in sehr engen rechtlichen und faktischen Grenzen gehalten wird und damit als Ausnahme­ vorschrift den Charakter des PKGrG n. F. als im Grunde sanktionsloses Kontrollinstrument unterstreicht. Es ist festzustellen, dass § 4 Abs. 1 PKGrG n. F. eine mitwirkende Kont­ rolle der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Bereich durch das PKGr ermöglicht.226 Das hierfür erforderliche gegenseitige Vertrauensver­ hältnis zwischen dem PKGr und der Bundesregierung wird durch das PK­ GrG n. F. normativ vorausgesetzt und gewährleistet. Diese Feststellung wird durch § 5 PKGrG n. F. bzw. § 7 Abs. 1 PKGrG n. F. nicht infrage gestellt. Diese Vorschriften gewähren dem Gremium zwar Mittel zur Selbstinformation, im Unterschied zum Untersuchungsausschuss­ verfahren weisen diese Befugnisse jedoch keinen gezielten Öffentlichkeits­ bezug auf, so dass die außenwirksame Handlungs- und Verhandlungsfähig­ keit der Bundesregierung nicht bzw. nicht in relevanter Intensität geschwächt werden kann, zumal der Einsatz der Befugnisse und die damit einher ge­ hende Frage des Einsatzzeitpunktes wiederum nicht als Minderheitenrecht ausgestaltet sind.227 224  BT-Drs.

16 / 12411, S.  11. Abs. 2 PKGrG n. F. ist, anders als bei Einsetzung eines Untersuchungs­ ausschusses, somit nicht als Minderheitenrecht ausgestaltet. 226  Eine mitwirkende oder dirigierende Kontrollbefugnis des PKGr unter Hinweis auf die umfassende Informationsverpflichtung der Bundesregierung im Ergebnis bestätigend, siehe Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rnrn. 34 f. zu Art. 45d GG. 227  Gerade die Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses ist nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG grundsätzlich öffentlich durchzuführen; zur Bedeutung siehe auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rnrn. 107, 173 zu Art. 44 GG. Dem gegenüber hat das PKGr auch im Rahmen der Sachaufklärung den strengen Geheimnisschutz nach § 10 Abs. 1 PKGrG n. F. zu wahren, so auch BT-Drs. 16 / 12411, S. 8. Siehe insoweit auch § 7 Abs. 1 S. 2 PKGrG n. F., der ausdrücklich auf § 10 Abs. 1 PKGrG n. F. verweist. 225  § 10



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens105

Die Selbstinformationsrechte in der hier beschriebenen Form unterschei­ den sich von solchen der Untersuchungsausschüsse auch dadurch, dass erstere nicht als „Mittel der ersten Wahl“ angelegt sind. Vielmehr besteht zwischen den §§ 4 und 5 PKGrG n. F. ein Stufenverhältnis. Nur dann und nur soweit die Bundesregierung ihrer Pflicht zur Fremdinformation nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist oder ein begründeter Verdacht hierzu besteht, kommen als „ultima ratio“ die Selbstinformationsrechte des Gremi­ ums zur Anwendung.228 Das Gesetz gibt daher der Bundesregierung die Möglichkeit, durch eine rechtzeitige und hinreichende Erfüllung der Infor­ mationspflichten den Einsatz der Selbstinformationsbefugnisse abzuwen­ den.229 Auf diese Weise wird das grundsätzliche Vertrauen des Gremiums in die Unterrichtungspraxis der Bundesregierung wiederum normativ bestätigt. Es ist somit festzustellen, dass eine einfachgesetzliche Implementierung mitwirkender Kontrolle der Bundesregierung durch das PKGrG n. F. auch ohne eine explizite grundgesetzliche Ermächtigungsnorm verfassungsrecht­ lich zulässig gewesen wäre. Eine mitwirkende Kontrolle durch das PKGr beruht somit nicht konstitutiv auf Art. 45d GG. b) Zur konstitutiven Bedeutung von Art. 45d GG für die Gewährung von Selbstinformationsrechten im PKGrG n. F. Weiter klärungsbedürftig ist die Frage, ob zumindest die Gewährung von Selbstinformationsrechten für das PKGr, wie sie im PKGrG n. F. vorgesehen sind,230 durch Art. 45d GG konstitutiv abgesichert werden musste. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Beziehun­ gen von Bundestag und Bundesregierung als obersten Bundesorganen einem 228  Christopeit / Wolff, 77 (92). Nach Klein, in: Maunz  /  Dürig, GG, Rn. 45 zu Art. 45d GG handelt es sich bei den Selbstinformationsrechten um „akzessorische“ Rechte – erlischt der Anspruch auf Fremdinformation durch Erfüllung, entfällt so­ gleich auch das Selbstinformationsrecht. Andere Ansicht: Shirvani, Reform der par­ lamentarischen Kontrolle, 99 (102), der die beschriebene Abhängigkeit des § 5 Abs. 1 PKGrG n. F. nicht zu erkennen vermag. 229  Christopeit / Wolff, 77 (92). 230  Nach § 5 Abs. 1 und 2 PKGrG n. F. erhält das PKGr ein Aktenherausgabeund Datenübermittlungsrecht, ein Zutrittsrecht bei den Nachrichtendiensten sowie die Möglichkeit, Angehörige der Nachrichtendienste und Beschäftigte anderer Bun­ desbehörden sowie Mitglieder und Mitarbeiter der Bundesregierung zu befragen. Daneben wird in § 5 Abs. 4 PKGrG n. F. ein Recht auf Rechts- und Amtshilfe ge­ genüber Behörden und Gerichten festgeschrieben. Zudem besteht weiter gemäß § 7 Abs. 1 PKGrG n. F. die Befugnis zur Einsetzung eines Sachverständigen, der mit den Befugnissen nach § 5 PKGrG n. F. Untersuchungen durchführen kann.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

ausdrücklichen Verfassungsvorbehalt unterliegen, wenngleich es genügen soll, dass die Verfassung dem einfachen Gesetzgeber das Regelungsziel und die Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigt, die konkrete Ausgestaltung diesem aber überlassen bleibt.231 Dabei gilt es jedoch auch zu beachten, dass das Grundgesetz nur eine Grund- und Rahmenordnung bietet, die einer detail­ lierten Wiedergabe sämtlicher staatsorganisatorischen Einzelfragen nicht zugänglich ist, so dass ausdrückliche verfassungsrechtliche Einzelermächti­ gungen nicht stets zur Voraussetzung für eine einfachgesetzliche Regelung gemacht werden können.232 Vielmehr müssen die Rechte und Pflichten zwischen Parlament und Bundesregierung, finden sich keine besonderen Regelungen im Grundgesetz, aus dem verfassungsrechtlichen Gesamtzusam­ menhang abgeleitet werden. So lebt das Kontrollverhältnis von Bundestag und Bundesregierung im Grundgesetz davon, dass die Regierung ihren In­ formationsvorsprung dadurch ausgleicht, indem sie dem Parlament diejeni­ gen Informationen zur Verfügung stellt, die es zur wirksamen und sachver­ ständigen Kompetenzwahrnehmung, vorliegend zur wirksamen Wahrneh­ mung des parlamentarischen Kontrollrechts, benötigt.233 Danach stellt Fremdinformation durch die Bundesregierung den Regelfall dar, wenngleich ausnahmsweise auch die Möglichkeit zur Selbstinformation gegeben sein muss, sofern eine intensivere Kontrolle der Exekutive unent­ behrlich erscheint.234 Gehört somit das Selbstinformationsrecht zum allge­ meinen parlamentarischen Kontrollrecht als dessen besondere Ausprägung, bedarf es einer besonderen verfassungsrechtlichen Regelung insoweit nicht.235 Statuiert die als notwendig anerkannte Möglichkeit zur Selbstinfor­ 231  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 118 zu Art. 43 GG, Rnrn. 77 f. zu Art. 45c GG; Schröder, Das Aktenvorlagerecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, 473 (474, 476); Vetter, Zur Frage der Aktenvorlagepflicht der Exekutive gegenüber Parlamentsausschüssen, DÖV 1986, 590 (592). 232  Magiera, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rnrn. 39 ff.; Peitsch / Polzin, 387 (390); Stern, Staatsrecht, Band I, S. 83 ff. 233  BVerfGE 67, 100 (130); 70, 324 (355); Dobiey, Zur Frage eines unmittelbaren Zugangs des Parlaments zu Datenbanken der Regierung, ZParl. 5 (1974), 316 (318 ff.); Magiera, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rnrn. 43 ff., 52, 55 f. m. w. N.; Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 18 zu Art. 45d GG. 234  Magiera, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rnrn. 58 f. 235  Das BVerfG hatte in BVerfGE 67, 100 (129) entschieden: „… Das Recht auf Vorlage von Akten der dem Bundestag verantwortlichen Regierung ist demgegen­ über Bestandteil des parlamentarischen Kontrollrechts …“. An dieser Stelle darf man jedoch nicht übersehen, dass diese Aussage in einem klaren Kontext zum Be­ weiserhebungsrecht von Untersuchungsausschüssen getätigt worden ist, die schließ­ lich erst durch Art. 44 GG ihre notwendige grundgesetzliche Anerkennung finden, siehe auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 118 zu Art. 43 GG; Vetter, Zur Frage der Aktenvorlagepflicht der Exekutive gegenüber Parlamentsausschüssen, 590 (597).



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens107

mation indes nur eine Ausnahme des Prinzips parlamentarischer Fremdkon­ trolle, muss sie als solche auf der Ebene des Verfassungsrechts ausdrücklich zugelassen sein, um eine verfassungsgemäße einfachgesetzliche Ausgestal­ tung erfahren zu können.236 Der sich insoweit darstellende Streit um das notwendige Vorliegen eines ausdrücklichen Verfassungsvorbehaltes wird dann unerheblich sein, wenn das Grundgesetz eine ausdrückliche Ermächti­ gungsgrundlage für die Gewährung von Selbstinformationsrechten im PK­ GrG n. F. bereithält. aa) Die verfassungsrechtliche Verortung des Fremdinformationsrechts Als Ausgangspunkt der Überlegungen steht daher die Frage, wo die dem PKGr delegierten Fremdinformationsrechte gegenüber der Bundesregierung im Grundgesetz normativ verankert sind. Die Auffassung, die hierfür Art. 43 Abs. 1 GG heranziehen möchte,237 muss begründen können, warum Gremi­ en wie das PKGr, die ursprünglich dem Prinzip der „spiegelbildlichen“ Besetzung bewusst nicht unterfallen sollten, gleichwohl in den Anwen­ dungsbereich dieser Norm kommen. Eine in diese Richtung gehende Argu­ mentation wird letztlich daran scheitern, dass der Gesetzgeber in den Mate­ rialien ausdrücklich hervorgehoben hat, dass die für Ausschüsse geltenden allgemeinen Regeln keine Anwendung finden sollen.238 Die in Art. 43 GG niedergelegten Zitier- und Zutrittsrechte gehören indes zum klassischen Gepräge der im Grundgesetz bestehenden Regelungen zur Rechtsposition von Ausschüssen, so dass eine Heranziehung dieser Norm zur Begründung eines Selbstinformationsrechtes des PKGr keinen überzeu­ genden Rückhalt hat. Die ebenso anzutreffende Ansicht, wonach die „Ko­ operation“ mit der Bundesregierung als Amts- oder Rechtshilfe zu qualifi­ zieren und damit bei Art. 35 Abs. 1 GG zu verorten ist,239 verdient ebenfalls 236  Magiera, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 59 m. w. N., der auf die Ausnahmen in Artt. 44, 45a, 45b und 45c GG verweist; Schneider, Opposition und Information, AöR 99 (1974), 628 (638 f.); Teuber, S. 123. 237  Busse, Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung im Spannungsfeld der staatlichen Gewalten, 45 (47 f.); zur „älteren Lehre“, siehe Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 79 zu Art. 43 GG m. w. N.; Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfas­ sung, S. 53 (92). Schon damals ablehnend Schröer, Die Akteneinsicht durch Parla­ mentsausschüsse, DÖV 1986, 85 (89 f.). 238  BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. Danach finden sämtliche Vorschriften zu Ausschüssen gemäß Kapitel VII der GO-BT auf das PKGr keine Anwendung. Diese Festlegung umfasst auch § 68 GO-BT, worin das Herbeirufungsrecht ausdrücklich erwähnt wird, wobei die Norm freilich nur eine Konkretisierung zu Art. 43 Abs. 1 GG darstellt. 239  Schneider, 628 (642 f.) leitet den Requisitionsanspruch von Untersuchungsaus­ schüssen als Konkretisierung der allgemeinen Pflicht der staatlichen Organe zur

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

keinen Zuspruch, da es dem PKGr offensichtlich an der vorausgesetzten Behördeneigenschaft mangelt.240 Auch handelt es sich bei dem PKGr nicht um einen vorrangig oder ausschließlich der politischen Kontrolle der Ver­ waltung dienenden Ausschuss; Schwerpunkt der Gremiumsarbeit ist viel­ mehr die vorgeordnete Regierungskontrolle; freilich erfasst dies, jedoch nachgeordnet, auch die Aktivitäten der nachrichtendienstlichen Verwaltung. In Übereinstimmung mit der vorherrschenden Lehre und Rechtsprechung wird man daher auch beim PKGr davon ausgehen können, dass das parla­ mentarische Fremdinformationsrecht (Fragerecht) auf den verfassungsrecht­ lichen Status der Abgeordneten des Deutschen Bundestages zurückzuführen ist und folglich in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG seine positiv-rechtliche Verwur­ zelung findet.241 Diesem Recht steht eine grundsätzliche Pflicht zur umfas­ senden und zutreffenden Beantwortung seitens der Bundesregierung gegen­ über.242 Das Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG steht jedem Abgeordneten zu, obgleich dieses Recht, da als Mitgliedschaftsrecht ausgestaltet, zur Sicherstellung einer sachgerechten Aufgabenwahrnehmung durch das Parlament notwendige Einschränkungen erfahren kann.243 Die Einschränkungen können dabei vorsehen, dass bestimmte Interpellati­ onen nur „kollektiv“ wahrgenommen werden können, indem das jeweilige Fragrecht einer Fraktion oder Gruppe vorbehalten bleibt oder vom Zustande­ kommen eines bestimmten Quorums abhängig gemacht wird.244 Nach § 76 Abs. 1 GO-BT können Vorlagen, wozu auch Kleine und Große Anfragen ge­ Rechts- und Amtshilfe aus Art. 35 Abs. 1 GG her, wobei eine Erstreckung auf die anderen Parlamentsausschüsse vor allen Dingen dann gelten soll, wenn diese vor­ nehmlich der politischen Kontrolle der Verwaltung dienen. 240  Auf die fehlende Behördeneigenschaft von Ausschüssen hinweisend, siehe Schröer, 85 (90); Vetter, Zur Frage der Aktenvorlagepflicht der Exekutive gegenüber Parlamentsausschüssen, 590 (596). Zudem leitet das Bundesverfassungsgericht ein Beweiserhebungsrecht von Untersuchungsausschüssen unmittelbar aus Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG her, da das Recht auf Aktenvorlage eben nicht lediglich als Teil des Amts­ hilferechts gedeutet werden kann, siehe BVerfGE 67, 100 (128, 133). 241  BVerfGE 13, 123 (125); 57, 1 (5); 67, 100 (129); 70, 324 (355); 80, 188 (218); 92, 130 (137); 105, 252 (270); 105, 279 (306); Hölscheidt, Frage und Antwort im Parlament, S. 18 f.; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rnrn. 82 ff. zu Art. 43 GG m. w. N.; Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, S. 108 f.; Magiera, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 53. Andere Ansicht: Teuber, S. 158 ff., 167 ff., der auch die verbleibende „Kompetenz­ these“ ablehnt, siehe ebenda, S. 163 f., 169 ff. 242  BVerfGE 70, 324 (355); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rnrn. 82 ff. zu Art. 43 GG; Magiera, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 55; Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 41 zu Art. 38 GG m. w. N. 243  BVerfGE 80, 188 (219); 84, 304 (321 f.); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 88 zu Art. 43 GG. 244  BVerfGE 84, 304 (321).



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens109

hören, grundsätzlich nur eingebracht werden, sofern eine Fraktion des Bun­ destages oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages diese unter­ zeichnet haben. Eine solche Beschränkung wird als zulässig angesehen, da sie erforderlich und verhältnismäßig ist und weiter sichergestellt bleibt, dass nicht sämtliche Fragerechte der Abgeordneten eine derartige Einschränkung erfahren; mithin das grundsätzliche Mitwirkungsrecht nicht infrage steht.245 Im Hinblick auf das PKGrG n. F. lässt sich zum einen feststellen, dass ausschließlich Mitglieder des Bundestages dem Gremium angehören, so dass die Rückführung des Kontrollrechts auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ein gangbarer Weg ist. Die formale Ausgestaltung als Minderheitenrecht bleibt gewahrt, da die erforderliche Mehrheit des Gremiums im Vergleich zum Gesamtparlament nur die Zustimmung eines verhältnismäßig kleinen Abge­ ordnetenkreises verlangt. Freilich hilft eine solche Betrachtungsweise nicht darüber hinweg, dass im Gremium die „regierungstragende“ Mehrheit zu­ stimmen muss. Die sachliche Rechtfertigung für die im Gesetz zum Teil hoch angesetz­ ten Quoren wurde bereits im Zusammenhang mit der normativ zu gewähr­ leistenden Vertrauensbildung gegenüber der Bundesregierung dargelegt. Die faktische Verkehrung des Fragerechts als Minderheitenrecht in ein Majori­ tätenrecht lässt sich aber auch unter dem Blickpunkt rechtfertigen, dass den Abgeordneten auf diesem Wege das allgemeine Fragerecht aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht beschnitten wird. Das „kollektive Fragerecht“, wie es das PKGrG n. F. gewährt, ergänzt lediglich die bestehenden Befugnisse der Abgeordneten, die zugleich Mitglieder des Gremiums sind, in einen Bereich hinein, der dem Fragerecht der Abgeordneten im Ergebnis sonst nicht eröff­ net wäre.246 Der Frage, ob die so bevorrechtigte Stellung der Gremiumsmit­ glieder die Rechtswahrnehmungsgleichheit der Abgeordneten untereinander in unzulässiger Weise tangiert, soll an dieser Stelle indes nicht nachgegan­ gen werden.247 Als unproblematisch erweist sich vorliegend auch die Tatsache, dass die Beschränkungen des Fragerechts nicht durch die Geschäftsordnung des Bundestages erfolgt sind, sondern durch einfaches Gesetz, das PKGrG n. F.248 Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass parla­ 245  BVerfGE 80, 188 (219); 84, 304 (321 f.); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 88 zu Art. 43 GG; Magiera, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 61; Schröder, Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Parlaments, JURA 1987, 469 (471 f.). 246  So auch Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 26 zu Art. 45d GG. 247  Siehe unter Kapitel F. 248  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 76 zu Art. 43 GG; zum Streit: ebenda, Rnrn. 77 ff. zu Art. 40 GG.

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mentsgesetzliche Regelungen zulässig sind, sofern hiervon eine unzulässige Einwirkung der Bundesregierung oder des Bundesrates auf die Autonomie des Parlaments, wie vorliegend, nicht zu befürchten steht, zumal § 54 Abs. 2 GO-BT die Einsetzung von Ausschüssen durch Gesetz voraussetzt bzw. gestattet.249 Gerade die im PKGrG n. F. enthaltenen Selbstinformationsrech­ te verlangen nach einer Rechtsgrundlage, die geeignet ist, die Bundesregie­ rung als „externe Gewalt“ rechtlich verbindlich in Anspruch nehmen zu können; das auf die Regelung parlamentsinterner Angelegenheiten zuge­ schnittene Geschäftsordnungsrecht vermag diese Bindungswirkung nicht zu generieren.250 Im Übrigen ist die Gesetzesform geeignet, parlamentarische Befugnisse, die das Verhältnis der beiden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesre­ gierung unmittelbar und tiefgreifend tangieren, der einseitigen parlamenta­ rischen „Verfügungs- und Interpretationsgewalt“, namentlich der §§ 126 bzw. 127 GO-BT zu entziehen, um diese Beziehung auf eine berechenbare­ re Basis stellen zu können.251 Kann sonach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als ausdrückliche verfassungsrecht­ liche Ermächtigungsgrundlage für das Fremdinformationsrecht des PKGr herangezogen werden, bleibt die Frage weiter unbeantwortet, wie dieses Zwischenergebnis für die Begründung eines Selbstinformationsrechtes fruchtbar gemacht werden soll. bb) Die Kompetenz-Kompensation als Grundlage des Selbstinformationsrechts An dieser Stelle soll als Denk- und Argumentationsfigur der Kompensa­ tionsgedanke im Verfassungsrecht252 eingeführt werden. Der Rechtsgedanke der Kompetenz-Kompensation beschreibt einen Ausgleichsmechanismus bei faktisch eintretenden kompetenziellen Wanderungsbewegungen im verfas­ sungsrechtlichen Gefüge, bei dem faktische Abwachsungen von Kompeten­ zen durch entsprechende Kompetenzanwachsungen ausgeglichen werden 249  BVerfGE 70, 324 (361 f.); Magiera, in: Schneider  / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 52 Rn. 63. Nähere Ausführungen zur Zulässigkeit der Gesetzes­ form des PKGrG n. F. unter Kapitel G. I. 250  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 687; Peitsch / Polzin, 387 (390 Fn. 42); Tomuschat, in: Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, S. 21 (36); Vetter, Zur Fra­ ge der Aktenvorlagepflicht der Exekutive gegenüber Parlamentsausschüssen, 590 (591). 251  Siehe auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 80 zu Art. 40 GG. 252  Zum Teil auch als „Kompensationstheorie“ bezeichnet, siehe v. Danwitz, S. 126.



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens111

sollen.253 Ergeben sich somit durch Verschiebungen im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes faktische Kompetenzdefizite des Parlaments gegenüber der Exekutive, können diese im Wege der Kompetenz-Kompensation ausge­ glichen werden, so dass die in der Verfassung dem Grunde nach vorgesehe­ ne ausgewogene Verknüpfung und Verschränkung der beiden Gewalten wieder hergestellt werden kann.254 Der Kompetenz-Kompensation kommt gegenüber dem Kompetenzverlust und -zugewinn dann eine rechtfertigende Wirkung zu, sofern die zum Zwecke der Kompensation ergriffenen Maß­ nahmen zulässig sind.255 Kompetenz-Kompensation hat daher zwei Perspek­ tiven: zum einen stellt sich die Frage, ob Kompetenzverlagerungen gerecht­ fertigt werden können, was zum anderen entscheidend voraussetzt, dass überhaupt eine Kompensation des Defizits zulässig ist.256 (1) Das Vorliegen einer Kompensationslage Um überhaupt im Wege der Kompetenz-Kompensation vorgehen zu kön­ nen, bedarf es der Feststellung einer Kompensationsbedürftigkeit bzw. einer Kompensationslage.257 Hierunter versteht man jenen faktisch defizitären Zu­ stand, den es auszugleichen gilt.258 Wie bereits erwähnt, lebt parlamentari­ sche Kontrolle von Öffentlichkeit. Nur durch das Öffentlichkeitsprinzip kann parlamentarische Kontrolle wirksam sein, da nur dieses Prinzip imstande ist, aus dem Kontrollergebnis politische Konsequenzen erwachsen zu lassen.259 In einem ersten Schritt hat parlamentarische Kontrolle das Ziel, die Recht- und Zweckmäßigkeit von Regierungshandeln zu überprüfen; daran anschließend sollen die eingeschlagene Politikrichtung und die ergriffenen Schwerpunkte positiv oder negativ kritisiert werden können; zuletzt soll 253  Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 190 (238 f.); Rabe, Der Rechtsgedanke der Kompensation, S.  57 f.; Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 31. 254  Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 31, 40. 255  Burmeister, 190 (239); Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, DVBl. 1981, 661 (661 f.); Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 50. Gegen eine rechtfertigende Kraft der Kompetenz-Kompensation: Knöll, Integrationsbedingte Rechtsprobleme der Kompetenzkompensation, S. 76. 256  Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (661 f.); Scholz, Wirt­ schaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 107 ff., 156 ff.; Scholz, Pari­ tätische Mitbestimmung und Grundgesetz, S. 110 f. 257  Meißner, Die Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, S. 168; Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 49. 258  Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (661); Rabe, S. 86. 259  Zur Bedeutung der Öffentlichkeit, siehe Gusy, Parlamentarische Kontrolle im Rechtsstaat, 36 (38).

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

politische Kontrolle Missstände aufzeigen, so dass sich vor allen Dingen die Oppositionsparteien als neue Regierung empfehlen kann, indem sie Abhilfe und alternatives Vorgehen anbietet.260 Je nach Relevanz des Kontrollthemas für die Öffentlichkeit und je nach Schwere eines Missstands kann der durch die Öffentlichkeit erzeugte politische Druck derart erstarken, dass politische Konsequenzen zeitnah ergriffen werden müssen; etwa durch Entlassung einzelner Bundesminister, durch Rücktritt der gesamten Bundesregierung oder durch die Anberaumung von Neuwahlen zum Deutschen Bundestag noch vor Ablauf der jeweiligen Legislaturperiode. Das Öffentlichkeitsprin­ zip ist somit von „ungeheurer Wichtigkeit“, da nur so die durch die parla­ mentarische Kontrolle der Regierung bezweckte legitimatorische Rückkopp­ lung zum Volk, dem Souverän, realisiert werden kann.261 Im Bereich der nachrichtendienstlichen Kontrolle existiert dieses Maß an Öffentlichkeit nicht. Der einzelne Betroffene weiß im Zweifel nicht, dass gegen ihn eine nachrichtendienstliche Maßnahme ergriffen worden ist, so dass eine durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erzeugte Öffentlichkeit nicht existieren kann.262 Den Ausschüssen des Bundestages, auch Untersuchungsausschüssen, gegenüber kann sich die Bundesregierung „unter ganz besonderen Umständen“ berechtigt sehen, Informationen und Akten unter Berufung auf das Staatswohl zurück zu behalten, selbst wenn die Ausschüsse, soweit möglich, die höchste Geheimhaltungsstufe einhal­ ten.263 Aus diesem Grunde ist auch dieser Weg parlamentsöffentlicher Kon­ trolle im nachrichtendienstlichen Bereich häufig versperrt. Das kontrollkompetente PKGr wird Informationen in der Regel erhalten, ist dabei jedoch auf die vollständige und richtige Auskunfterteilung durch die Bundesregierung angewiesen. Bestehen auf Seiten des PKGr Anhalts­ punkte, die auf eine nicht ordnungsgemäße Auskunfterteilung regierungs­ seits schließen lassen, ist die darin vertretene Opposition faktisch daran gehindert, entsprechend öffentlichkeitswirksam hierauf hinzuweisen, da sämtliche Mitglieder an eine strenge Geheimhaltungspflicht gebunden sind, die nur wenige Ausnahmen kennt, und entsprechende öffentliche Bewer­ 260  Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 43; Wolff, Der nachrichtendienst­ liche Geheimnisschutz, 173 (175). 261  Peitsch / Polzin, 387 (389); Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (175). 262  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 28 zu Art. 45d GG; Mehde, in: Epping / Hill­ gruber, GG, Rn. 20 zu Art. 45d GG. 263  BVerfGE 67, 100 (139); 124, 78 (124); Wolff, Der nachrichtendienstliche Ge­ heimnisschutz, 173 (179) benennt beispielhaft als „ganz besondere Umstände“: konkrete und individuelle Gefährdung von Menschenleben sowie Gefahr der unmit­ telbaren und lang andauernden Funktionslosigkeit der Nachrichtendienste oder Tei­ len davon bei Bekanntwerden der Sachverhalte.



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens113

tungsmöglichkeiten an die Zustimmung der Majorität im Gremium geknüpft werden. Durch diesen Zusammenhang besteht die Gefahr, dass sich die Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich einer wirksa­ men Kontrolle in politisch brisanten Fällen entziehen kann ohne einen fol­ genreichen Reputationsverlust in der Öffentlichkeit befürchten zu müssen. Dieser Zustand ist mit Blick auf das Öffentlichkeitsprinzip parlamentarischer Kontrolle defizitär und begründet eine Kompensationslage. (2) Das Selbstinformationsrecht als geeignetes Kompensationsmittel Um dieses Defizit auszugleichen, gewährt das PKGrG n. F. dem PKGr auch diverse Selbstinformationsrechte gegenüber der Bundesregierung als Kompensationsmittel.264 Auf diese Weise sollen im nachrichtendienstlichen Bereich jene Kontrollkompetenzen ersetzt oder zumindest nachgebildet wer­ den, die im Rahmen der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle durch eine existente Öffentlichkeit bzw. Parlamentsöffentlichkeit üblicherweise ergriffen werden können. Sieht sich der Bürger einer hoheitlichen Maßnah­ me ausgesetzt, so kann er unter anderem von seinem Petitionsrecht Ge­ brauch machen. In diesem Falle kann der Petitionsausschuss gegenüber Regierung und Verwaltung kontrollierend tätig werden, indem er Aktenein­ sicht oder Zutritt zu Dienststellen verlangt, mithin von Selbstinformations­ rechten Gebrauch macht.265 Ergeben sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrolltätigkeit Anhaltspunkte für einen aufklärungsbedürftigen Sachver­ halt, sieht sich sonst die Parlamentsminderheit in die Lage versetzt, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen zu können, dem weitreichende Selbstinformationsrechte gegenüber der Bundesregierung zu Aufklärungszwecken zur Verfügung stehen. Diesen nur angerissenen Vorgehensweisen gemein ist das Erfordernis der grundsätzlichen Informiertheit des initiierenden Gremiums. Wer nicht weiß, wonach er fragen und suchen soll, weil ihm genauere Anhaltspunkte fehlen, kann nicht wirksam kontrollieren. Es ist daher auch sachgerecht, dem PKGr die Selbstinformationsrechte zu gewähren, da dieses Gremium in geheim­ schutzrelevanten Bereichen noch am ehesten weiß, welche Zielrichtung mit den selbstinformatorischen Instrumenten eingeschlagen werden soll. 264  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 28 zu Art. 45d GG, wonach der „… vermin­ derte Wirkungsgrad parlamentarischer Kontrolle …“ nur durch „… erweiterte parla­ mentarische Kontrollbefugnisse …“ kompensiert werden kann. 265  Nicht zufällig entsprechen die Informationsvorschriften des PKGrG n. F. den Regelungen im „Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses“, siehe auch Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 23 zu Art. 45d GG. Ebenso der Hinweis „zum ähnlich gelagerten Fall des Petitionsausschusses“ in BTDrs. 16 / 12412, S. 4. Siehe auch § 109 Abs. 1 S. 2 GO-BT.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

(3) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Kompetenz-Kompensation Entscheidend ist nunmehr, ob die durch das PKGrG n.  F. etablierte Kompetenz-Kompensation verfassungsrechtlich zulässig ist. Diese Prüfung wird sich mit drei Teilaspekten zu beschäftigen haben: Ist der dargestellte faktische Kompetenzverlust auf Seiten des Parlaments zulässig? Ist eine kompensatorische Kompetenzgewährung im dargestellten Verhältnis von Bundestag und Bundesregierung grundsätzlich zulässig? Ist die konkrete Kompetenzgewährung der beschriebenen Art zulässig? Die bereits beschriebene Sachlage, wonach die Bundesregierung zur Wah­ rung des Geheimschutzes gegenüber dem Parlament und seinen Ausschüssen die Auskunft und damit auch eine selbstinformatorische Beweiserhebung verweigern darf, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das daraus resultierende Kontrolldefizit auf Seiten des Parlaments im soeben beschrie­ benen Rahmen ist daher verfassungsrechtlich zulässig. Ob hingegen die kompensatorische Kompetenzgewährung zugunsten des PKGr von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes im dargestellten Zu­ sammenhang grundsätzlich vorgesehen ist, richtet sich nach dem normativen Bezugspunkt der vorliegenden KompetenzKompensation.266 Dass eine Kom­ petenz-Kompensation unter dem Grundgesetz überhaupt rechtlich zulässig ist, lässt sich zum einen dem Ausgleichscharakter des Grundgesetzes entneh­ men, das als Gesamtsystem darauf bedacht ist, die staatlichen Gewalten in einen Zustand größtmöglicher Balance zu bringen und auch dort zu halten.267 Dies kann andererseits dem grundgesetzlichen Gesamtgefüge jedoch nur dann gelingen, wenn es sich in den Grenzen des Art. 79 GG als flexible Ordnung erweist, die imstande ist, rechtlichen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen ausreichend Rechnung zu tragen.268 Insofern verwundert es nicht, dass die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung seit geraumer Zeit den Rechtsgedanken der Kompensation als allgemeines Rechtsprinzip sach­ gedanklich voraus zu setzen scheint.269 Gegenstand und Grundlage dieses Ausgleichs ist das Kontrollverhältnis von Parlament und Regierung und damit das grundgesetzlich verankerte 266  Klein,

Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (665). Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (663); Klein, Die ver­ fassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 176 f.; Rabe, S. 68; Scheuner, Verfassungsgerichtsbarkeit, DÖV 1980, 473 (479 f.). 268  Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (663). 269  Beispielhaft: BVerfGE 11, 50 (59 f.); 12, 151 (167 f.); 15, 328 (333); 18, 97 (108 f.); 23, 327 (343); 29, 221 (237); 32, 260 (269 f.); 33, 303 (330 f.); 40, 109 (117 f.); Rabe, S. 76 f. Die Einordnung der Kompensation als Rechtsbegriff ableh­ nend: Frowein, in: Vierzig Jahre Bundesrat, S. 285 (295); Knöll, S. 75. 267  Klein,



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens115

Prinzip der Gewaltenteilung.270 Gerade das hier einschlägige Gewaltentei­ lungsprinzip ist auf Kompetenz-Kompensation angelegt, denn die „… ge­ meinsame Verantwortung für die rechtsstaatlich-demokratische Einheit des Staates verpflichtet sämtliche Staatsgewalten zur gegenseitigen Anpassung, wechselseitigen Kompensation sowie zum prinzipiellen Offensein für Wand­ lungen bei der jeweils anderen Staatsgewalt“.271 Verknüpft man dieses Prinzip mit dem parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes, dient es in erster Linie dazu, als aufhellendes bzw. verklarendes Instrument Verantwortlichkeiten aufzuzeigen und zu aktualisieren.272 Diesem Gedanken wird die Kompetenz-Kompensation zugunsten des PKGr gerecht, da sie die Verantwortlichkeiten der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Tätig­ keitsbereich durch eine wirksame Wahrnehmung des parlamentarischen Kontrollrechts erhellt und damit eine eindeutige Zuweisung von Verantwort­ lichkeiten ermöglichen hilft. Eine verantwortliche Regierung muss wirksam kontrolliert werden. Dazu gehört es, dass Verantwortung auch gegen den Willen des Verantwortlichen geltend gemacht werden kann, indem Mittel der Fremd- und Selbstinformation effizient ergriffen werden können, wenn es notwendig werden sollte; dabei muss es nicht vorrangig um die Auf­ deckung von Fehlern gehen, sondern um die annähernde Gewährleistung eines informatorischen Gleichgewichts gegenüber der Exekutive.273 Da, wo dies nicht der Fall ist, ist parlamentarische Kontrolle nicht wirksam und damit verfassungswidrig. Indem das PKGrG n. F. diesem Gedanken auf einfachgesetzlicher Ebene durch Gewährung effektiver Selbstinformations­ rechte Geltung verschafft, kann es sich mittelbar, mediatisiert durch das sich 270  Tomuschat, in: Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, S. 21 (37  ff.), der herausstellt, dass das Institut der Kompensation für sich allein betrachtet keine tragfähige Ermächtigungsgrundlage darstellt, da Art. 79 Abs. 1 GG eher dafür spricht, normative Veränderungen im Grundgesetz aus Anlass sich wandelnder Rea­ litäten im Rahmen einer formellen Verfassungsänderung vorzunehmen. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, einfachgesetzliche Kompetenz-Kompensationen wieder­ um verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, so auch Meißner, S. 171. 271  Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (160); Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 40. 272  Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (665); Klein, Die ver­ fassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 174 f. m. w. N. In dieser Konsequenz kann es nicht verwundern, dass die Gewährung von Zustim­ mungs- und Kassationsbefugnissen für die Legislative beim Erlass von Rechtsver­ ordnungen als Kompensationsmaßnahme kritisch gesehen wird, verwischt gerade diese regelnde Mitwirkung des Parlaments die grundgesetzlich angelegten Verant­ wortlichkeiten der Exekutive in diesem Bereich, siehe Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (662, 665). 273  In diesem Sinne Dobiey, Zur Frage eines unmittelbaren Zugangs des Parla­ ments zu Datenbanken der Regierung, 316 (322); Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 45.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

unmittelbar darauf stützende Institut der Kompetenz-Kompensation, auf das verfassungsrechtlich verbürgte Prinzip der Gewaltenteilung berufen. Es bietet sich sogar an, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als ausdrückliche Rechts­ grundlage für eine Kompetenz-Kompensation im hier behandelten Zusam­ menhang heranzuziehen. Leitet das Bundesverfassungsgericht ein Fremdin­ formationsrecht des Parlaments aus der verfassungsrechtlichen Stellung der Abgeordneten ab, so steht diese auslegungsoffene Norm als Rechtsgrundla­ ge für eine Kompetenz-Kompensation durch Zuweisung eines Selbstinfor­ mationsrechts an das PKGr als weitere Ausprägung des grundgesetzlichen Abgeordnetenstatus ebenfalls zur Verfügung. Sinn und Zweck dieser Norm ist es schließlich auch, den Abgeordneten diejenigen umfassenden Informa­ tionen zukommen zu lassen, die diesen eine „sachverständige“ Beurteilung der im Bundestag oder in seinen Ausschüssen und Gremien verhandelten Gegenstände ermöglichen.274 Sind, wie vorliegend, Fremdinformationen nichts stets ausreichend, um eine „sachverständige“ Beurteilung der Sachla­ ge zu gewährleisten, impliziert ein solches Erfordernis geradezu die Mög­ lichkeit zur mitunter effektiveren Selbstinformation. Nur so ist es möglich, wie die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung betont, die durch den weitgehenden Ausschluss der Parlamentsöffentlichkeit bewirkte Belas­ tungsintensität im Rahmen der Ungleichbehandlung der Abgeordneten zu reduzieren,275 zumal im Falle des PKGr die Möglichkeit zur erforderlichen Unterrichtung der „ausgeschlossenen“ Abgeordneten ohnehin stark einge­ schränkt und deshalb wiederum kompensationsbedürftig ist. Die Gewährleistung eines umfassenden Informationsflusses setzt eine wirksame parlamentarische Kontrolle voraus; dieser Maxime verlieh das Grundgesetz unter anderem dadurch Ausdruck, indem es Petitions- und Untersuchungsausschüssen ausdrücklich das Recht einräumte, mithilfe von Selbstinformationsrechten zu kontrollieren bzw. zu untersuchen.276 Können die vorgesehenen Institute aus Artt. 44, 45a Abs. 2, 45b und 45c GG dieser Wirksamkeitsmaxime im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich tatsäch­ lich jedoch nicht voll gerecht werden, wird man auf Grundlage anderer Institute, wie der Kompetenz-Kompensation, den Normauftrag des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als „Grundpfeiler des Parlamentarismus“277 zu realisieren haben. Dabei zeigt Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG das Regelungsziel, die Herstel­ lung einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle, auf, wobei die soeben erwähnten „Referenznormen“ des Grundgesetzes in Verbindung mit ihren 274  BVerfGE 70, 324 (355); 80, 188 (218); 130, 318 (355); Butzer, in: Ep­ ping / Hillgruber, GG, Rn. 102 zu Art. 38 GG. 275  BVerfGE 130, 318 (355 f.). 276  BVerfGE 67, 100 (130). 277  Butzer, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 77 zu Art. 38 GG.



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens117

jeweiligen Ausführungsgesetzen die Umsetzungsmöglichkeiten für eine Kompetenz-Kompensation vorstellen; insoweit entfalten sie auch eine be­ grenzende Funktion im Hinblick auf das Ausmaß der aufgrund einer Kom­ pensation zu gewährenden Kompetenzen. Ob die Kompetenzgewährung zugunsten des PKGr in der beschriebenen Art rechtlich zulässig ist, setzt zum einen voraus, dass die konkrete Kom­ pensationsmaßnahme rechtlich zulässig ist, mithin weder gegen grundge­ setzliche Regelungen verstößt, noch eine Störung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung bewirkt.278 Offensichtlich bestehen keine verfassungs­ rechtlichen Normen, die es dem Gesetzgeber verbieten, dem PKGr als Hilfsorgan des Bundestages Selbstinformationsrechte gegenüber der Bun­ desregierung zu gewähren. Vielmehr dienen diese Rechte dazu, das parla­ mentarische Kontrollrecht wirksam auszugestalten. Dies entspricht geradezu der grundgesetzlichen Kompetenzordnung. Andererseits wird zu beantworten sein, ob zwischen dem festgestellten Defizit und den Kompensationsmaßnahmen im PKGrG n. F. ein Funktions­ zusammenhang im Sinne einer Äquivalenz besteht.279 Bei einer rein formalen Betrachtung ist zu konstatieren, dass auf Seiten des Parlaments Defizite bei der Wahrnehmung parlamentarischer Selbstin­ formationsrechte durch Gewährung derartiger Rechte zugunsten des PKGr ausgeglichen werden sollen. Es handelt sich insoweit auch nicht um einen Gewalten übergreifenden Ausgleich, da das PKGr wie auch Untersuchungsund Petitionsausschüsse dem Bundestag als Hilfsorgane zugeordnet sind; in allen Fällen ist das Plenum Träger des Untersuchungs- bzw. Kontroll­ rechts.280 Vielmehr handelt es sich um einen innerorganschaftlichen Kom­ petenzausgleichsprozess zugunsten des PKGr. Kurzum: Der faktische, nicht rechtliche, Kompetenzverlust auf der einen Seite ist formal äquivalent zum Kompetenzgewinn auf der anderen Seite desselben Organs. Darüber hinaus sind die Selbstinformationsrechte durch einfache Bundesgesetze jeweils ranggleich rechtlich abgesichert.281 278  Meißner,

S. 180. Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), 1 (24, 29 f.); Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (663), wonach eine materielle Äquivalenz per se ausscheidet, sofern legislative Funktionen bzw. Kompetenzen durch solche der Regierung ersetzt werden sollen; Meißner, S. 181; Rabe, S. 61, 87 ff.; Schröder, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der eu­ ropäischen Integration, JöR 35 (1986), 83 (99); Voßkuhle, Das Kompensationsprin­ zip, S. 50. 280  BVerfGE 105, 197 (220); 113, 113 (121 f.); Brocker, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 1 zu Art. 44 GG; Kompetenzgewinner und -verlierer müssen identisch sein, siehe Meißner, S. 181, 191. 279  Hesse,

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

Die Frage, ob diese Ausgleichung auch materiell gleichgewichtig ist, kann nur dann bejaht werden, wenn die dabei aufeinanderprallenden Inter­ essenpositionen im Sinne „praktischer Konkordanz“ in einen gerechten Ausgleich gebracht werden können.282 Im hier maßgeblichen Kontrollver­ hältnis zwischen Parlament und Bundesregierung ist von Bedeutung, inwie­ weit sich die Selbstinformationsrechte des PKGr in ihrer Wirkung gegenüber der Bundesregierung von denen der Petitions- und Untersuchungsausschüsse unterscheiden und wie den jeweiligen Unterschieden Rechnung getragen worden ist. 281

Den Gremien gemäß Artt. 44 GG, 45c GG und 45a Abs. 2 GG ist gemein, dass sie als Ausschüsse nach dem Prinzip der „Spiegelbildlichkeit“ besetzt werden. Dem PKGr, das größenbedingt mitunter keine „spiegelbildliche“ Besetzung aufweist, wird man daher im Einzelfall den Vorwurf der einsei­ tigen oder zumindest nicht voll repräsentativen Besetzung machen können, wodurch sich zumindest auf verfassungspolitischer Ebene eine legitimatori­ sche Minderwertigkeit ableiten ließe. Die Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss erfolgt grundsätzlich in öffentlicher Verhandlung. Die bestehende Öffentlichkeit schützt auch die Bundesregierung, indem durch die Gewährleistung eines öffentlichen Dis­ kurses die Gefahr einer politisch überzogenen oder nicht angebrachten Wahrnehmung der Selbstinformationsrechte der Boden entzogen wird; zum Teil kann Öffentlichkeit dazu führen, dass die Einsetzung eines Untersu­ chungsausschusses ganz unterbleibt, um sich nicht dem Vorwurf der „popu­ listischen Ausschlachtung“ aussetzen zu müssen. Öffentlichkeit kann im Rahmen einer Mehrheitsenquete auch dazu benutzt werden, die von dieser Mehrheit getragene Bundesregierung öffentlichkeitswirksam von etwaigen Vorwürfen zu entlasten. Die Untersuchungsausschüsse bestehen nur anlassbezogen bezüglich ei­ nes bestimmten Untersuchungsgegenstandes; dem Petitionsausschuss fehlt es am eigenen Initiativrecht und er ist bei seiner Tätigkeit auf den Gegen­ stand der Petition beschränkt. Auf diese Weise sieht sich die Bundesregie­ rung nicht einer Kontrolle durch „permanente Untersuchungsausschüsse“ ausgesetzt. Um die Gefahr einer politisch überzogenen Ausübung der Selbstinforma­ tionsrechte durch das PKGr zu minimieren, wurden dem Gremium nicht annähernd die Rechte eines Untersuchungsausschusses übertragen. So ver­ 281  Entweder durch das PUAG, das Gesetz zur Regelung des Rechts der Unter­ suchungsausschüsse des Deutschen Bundestages vom 19.06.2001, BGBl. I, S. 1142, oder das PKGrG n. F. 282  Hoffmann-Riem, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 162; Rabe, S. 88.



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens119

fügt das PKGr über kein Beweiserhebungsrecht im Sinne der Strafprozess­ ordnung. Vor allen Dingen stehen dem PKGr Zwangsbefugnisse zur Durch­ setzung seines Selbstinformationsrechtes nicht zu. Außerdem sind die Selbstinformationsrechte nicht Mittel der ersten Wahl, sondern stehen in einem Stufenverhältnis zur Fremdinformation, die den Regelfall begründet. Schließlich ist die Ergreifung entsprechender Selbstinformationsbefugnisse, wie bereits oben ausgeführt, kein Minderheitenrecht im Gremium. Zugleich stellt das Wahlverfahren zum PKGr sicher, dass sich die regierungstragende Mehrheit im Parlament auch im PKGr wiederfinden wird, so dass repräsen­ tative Unzulänglichkeiten des PKGr jedenfalls nicht die Bundesregierung negativ tangieren werden. Die Gefahr einer überzogenen und umfassenden Permanentkontrolle mithilfe der Selbstinformationsrechte ist somit aufgrund der politischen Realitäten im Gremium neutralisiert. Auch ergibt sich eine Notwendigkeit zur Selbstinformation weit weniger häufig als im Rahmen der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle, da das PKGrG n. F., wie be­ reits ausgeführt, schon systematisch eine mitwirkende Kontrolle, die auf Vertrauen basiert, fördert, so dass die Neigung der Bundesregierung zu umfassender Fremdinformation im PKGr höher sein dürfte als in anderen parlamentarischen Gremien. Aus diesem Blickwinkel trägt die fehlende Öffentlichkeit sogar dazu bei, die „Fallzahl“ von selbstinformatorischen Maßnahmen generell zu senken, was aus Sicht der Bundesregierung wiede­ rum interessengerecht sein dürfte. Die nicht zu übersehende Gefahr, durch diese Relativierungen des Kontrollrechts wiederum zu stark vom Gutwillen der Bundesregierung abhängig zu werden, wurde durch Festschreibung ei­ nes eigenen Klagerechts des PKGr zum Bundesverfassungsgericht in § 14 PKGrG n. F. ausdrücklich gebannt. Der missbräuchlichen Ausübung dieses Rechts wurde wiederum durch Festlegung eines hohen Entschlussquorums begegnet. Der kompetenzielle Ausgleichsprozess innerhalb der Legislative entfaltet somit zwar negative Rechtswirkungen gegenüber der Bundesregierung als Kontrollobjekt. Jene Wirkungen werden jedoch durch eine Kombination rechtlicher Kompetenzbeschränkung einerseits und einer faktisch erhöhten Kompetenzwahrnehmungsschwelle zugunsten der Bundesregierung anderer­ seits nahezu optimal ausgeglichen, so dass auch eine materielle Äquivalenz zwischen dem festgestellten Kontrolldefizit und den ergriffenen Kompensa­ tionsmaßnahmen im PKGrG n. F. festzustellen ist.283 Damit ist die Kompetenzgewährung zugunsten des PKGr auch in der beschriebenen Art rechtlich zulässig. 283  Äquivalenz im hier dargestellten Zusammenhang darf nicht als „vollständige Ausgleichung“ missverstanden werden; es genügt eine Entsprechung im Wesentli­ chen, siehe auch Rabe, S.  88 f.; Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 50.

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D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

(4) Zwischenfazit Im Ergebnis ist die Kompetenz-Kompensation im PKGrG n. F. durch Gewährung von Selbstinformationsrechten zugunsten des PKGr verfas­ sungsrechtlich zulässig.284 Das Institut der Kompetenz-Kompensation sei­ nerseits kann sich vorliegend nicht nur auf das allgemeine Verfassungsprin­ zip der Gewaltenteilung, sondern auch konkret auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als zielprägende Norm stützen, so dass auf eine ausdrückliche verfassungs­ rechtliche Rechtsgrundlage verwiesen werden kann, weswegen der oben kurz dargestellte Streit zur Erforderlichkeit eines ausdrücklichen Verfas­ sungsvorbehaltes vorliegend keiner Entscheidung bedarf. Die Gewährung von Selbstinformationsrechten im PKGrG n. F. zugunsten des PKGr beruht somit nicht konstitutiv auf Art. 45d GG.285 Der verfas­ sungsändernde Gesetzgeber hat Recht, wenn er, bezogen auf das Gewalten­ teilungsprinzip, nur von einer klarstellenden Wirkung der neuen Grundge­ setznorm spricht, die das bisherige System bestätigend beibehält.286 Art. 45d GG wird jedoch für zukünftige Befugniserweiterungen dann eine Rolle spielen, wenn das sehr auf Ausgleich bedachte Kontrollsystem zwi­ schen PKGr und Bundesregierung im PKGrG n. F. zugunsten einer stärkeren Betonung der kontrollierenden Seite aus- oder umgebaut werden sollte, so dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Kompetenz-Kompensation dann nicht mehr gegeben sein könnten. Insgesamt entlastet Art. 45d GG aber auch schon heute den einfachen Gesetzgeber von dem Begründungsaufwand, der mit dem Konstrukt einer Kompetenz-Kompensation einhergeht, zumal die Prüfungsstruktur, das ist auch ihr Schwachpunkt, viel Raum für wertende Betrachtungen lässt,287 woraus sich Rechtsunsicherheiten zur möglichen Kompetenzreichweite er­ geben, die im spannungsreichen Verhältnis von Parlament und Bundesregie­ rung destabilisierend wirken können und damit kontraproduktiv sind, da sie das erforderliche gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen Bundesregie­ rung und Parlament unnötig belasten.288 284  Die Zuerkennung von Selbstinformationsrechten an das PKGr ist daher nicht lediglich verfassungspolitisch gerechtfertigt, so aber Peitsch / Polzin, 387 (390). 285  So aber Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 29 zu Art. 45d GG. 286  BT-Drs. 16 / 12412, S.  4 f. 287  Zur Schwierigkeit, die erforderliche inhaltliche Äquivalenz entzogener und zugesprochener Kompetenzen im Einzelfall festzustellen, siehe Burmeister, S. 190 (239 f.); Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, 661 (663); Meißner, S. 182; Rabe, S. 88. 288  Häufig findet sich in diesem Zusammenhang die Einschätzung, wonach Kom­ pensation nur eine „Notkompetenz“ generieren kann, deren vordringliches Ziel es sein müsse, sich selbst entbehrlich zu machen, siehe Rabe, S. 78; Schlaich, Die



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens121

3. Verdrängung der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle durch Art. 45d GG? Die Implementierung von Art. 45d GG in das Grundgesetz wurde zum Teil auch abgelehnt, da zu befürchten stand, dass die allgemeine parlamen­ tarische Kontrolle durch Plenum und Ausschüsse verdrängt oder zumindest zurückgedrängt werden könnte.289 Dabei wurde der rechtlich relevante Be­ deutungsverlust aus der verfassungsrechtlichen Einebnung des bisherigen Hierarchieverhältnisses zwischen PKGr einerseits und den „klassischen“ Kontrollorganen des Grundgesetzes andererseits hergeleitet.290 An dieser Stelle ist zu unterscheiden: Durch Art. 45d GG wird das PKGr als Institut in das Grundgesetz aufgenommen und damit ausdrücklich im Wortlaut der Verfassung anerkannt. Diese positiv-rechtliche Anerkennung des Gremiums nivelliert das Verhältnis zum Bundestag und einem Teil sei­ ner Ausschüsse (Artt. 44, 45a und 45c GG) dahin gehend, dass sämtliche der erwähnten Hilfsorgane nunmehr ausdrücklich Verfassungsrang genießen. Der Innenausschuss des Bundestages, der sich auch mit der Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu beschäftigen hat, kann auf einen unmittelbaren Verfassungsrang indes nicht verweisen; insoweit wird ein Hierarchieverhältnis in diesem Sinne sogar neu begründet. Hingegen kann eine verfassungsrechtliche „Heraufstufung des Frage­ rechts“ des PKGr zu einem solchen mit Verfassungsrang durch Art. 45d GG nicht angenommen werden. Wie bereits festgestellt, resultiert das parlamen­ tarische Kontrollrecht des PKGr gegenüber der Bundesregierung aus einem rechtlich zulässigen Delegationsakt in Gestalt des PKGrG n. F., wodurch dem Gremium die originären parlamentarischen Kontrollrechte des Bundes­ tages übertragen worden sind, wozu auch die auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG fußenden Fremd- und Selbstinformationsrechte gehören. Diese normative Gleichstufigkeit der Kontrollrechte behinderte auch nicht die Intention der einfachen Gesetzgeber zum PKKG oder PKGrG a. F., die die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse unberührt wissen woll­ Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S.  99 (116 f.); Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 41. Diese Aussage steht je­ doch im Kontext einer Gewalten übergreifenden Kompensation, wenn nämlich par­ lamentarische Funktionen durch nicht-parlamentarische Organe wahrgenommen werden sollen. Gerade dieser Zusammenhang besteht vorliegend nicht, so dass Art. 45d GG nicht als Beitrag zur Beendigung bzw. Vermeidung einer „Notkompe­ tenz“ des PKGr qualifiziert werden kann. 289  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rn. 55 zu Art. 45d GG; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, 99 (101); BT-Drs. 16 / 13220, S. 10; BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2. 290  Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 50.

122

D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

ten.291 Dieses Ziel wurde vielmehr dadurch erreicht, indem die Befugnisse auf das PKGr nicht exklusiv im Sinne einer echten Delegation, sondern lediglich konservierend, also unter Wahrung bis dahin bestehender Kontroll­ kompetenzen und -zuständigkeiten, übertragen worden sind; deshalb war eine Grundgesetzänderung insoweit auch nicht notwendig.292 Die Befürchtungen, die aus der Aufnahme des PKGr in das Grundgesetz resultieren, gehen dahin, dass die zu kontrollierende Bundesregierung fortan stärker geneigt sein könnte, die Beantwortung parlamentarischer Fragen aus dem Plenum und den Ausschüssen bezüglich des nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereiches pauschal mit Hinweis auf die erfolgte oder zu erfolgen­ de Beantwortung im PKGr zu kanalisieren, wodurch das allgemeine parla­ mentarische Fragerecht leer zu laufen droht.293 Durch die ausdrückliche Anerkennung des Gremiums im Grundgesetz könnte regierungsseits argu­ mentiert werden, dass sämtliche Formen parlamentarischer Kontrolle nun­ mehr normativ mindestens gleichwertig sind, weshalb die Erfüllung der Antwortpflicht im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich „schuldbefrei­ end“ durch die Informierung des PKGr als eine Art Substitut für etwaige Antwortverpflichtungen gegenüber Plenum, Fach- und Untersuchungsaus­ schüssen sowie gegenüber den einzelnen Abgeordneten und Fraktionen an­ zusehen wäre.294 Die befürchtete Gleichsetzung der Institute verträgt sich jedoch nicht mit der unterstützenden Stellung des Gremiums als „kontrollkompetentes Hilfsorgan“ des Bundestages, das „lediglich“ der Stärkung und verfahrens­ mäßigen Absicherung des parlamentarischen Kontrollrechts des Parlaments dienen soll.295 Die Einfügung von Art. 45d GG lässt gerade kein eigen­ ständiges Verfassungsorgan entstehen, was auch die systematische Einbet­ tung des Gremiums in die Vorschriften des Grundgesetzes beweist, die sich mit den Hilfsorganen des Bundestages befassen.296 Im Gegensatz zu Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG oder Art. 45c Abs. 1 GG, die, zumindest teilwei­ 291  BT-Drs.

8 / 1599, S.  6. unter Kapitel D. IV. Möllers führt die Unberührtheit der Plenar- und Ausschusskontrolle auf die normative Niederrangigkeit des Kontrollrechts des PKGr zurück, siehe BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 2 f. 293  Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 14; PA-DBT, Innenaus­ schuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 30. 294  In diesem Sinne: Innenausschuss Wortprotokoll, 16  / 97, 25.05.2009, S. 13 f.; PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 30. 295  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rn. 24 zu Art. 45d GG; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, 99 (101); BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 5. 296  Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 44 GG, Rn. 2 zu Art. 45a GG, Rn. 3 zu Art. 45b GG, Rn. 2 zu Art. 45c GG; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, 99 (101); BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. 292  Siehe



V. Zur Veränderung des Kontroll- und Befugnisrahmens123

se,297 eine ausschließliche Kompetenz der jeweiligen Hilfsorgane begrün­ den und damit eine rechtlich beachtliche hervorgehobene Stellung dieser Hilfsorgane bewirken, geht Art. 45d GG erkennbar davon aus, in jeglicher Hinsicht nur ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle zur Verfügung zu stellen, was wiederum durch § 1 Abs. 2 PKGrG n. F. dekla­ ratorisch hervorgehoben wird.298 Die „Kanalisierungstendenz“ der Bundesregierung bestand zudem schon vor Einfügung von Art. 45d GG in das Grundgesetz.299 Das Bundesverfas­ sungsgericht stellte noch vor der Grundgesetzänderung klar, dass die Kont­ roll- und Informationsrechte des PKGr neben denen des Bundestages stehen und damit keine verdrängende Wirkung entfalten.300 Dass Art. 45d GG an dieser Rechtsprechung etwas ändern könnte, ist aus folgenden Erwägungen zu negieren: Die Beantwortung parlamentarischer Fragen gegenüber dem PKGr kann kein Surrogat für eine Plenar- bzw. Ausschussunterrichtung darstellen, da die strukturellen und funktionellen Unterschiede hierfür zu evident sind. Dem Abgeordneten, der von seinem Fragerecht Gebrauch macht, hilft eine Beantwortung im PKGr nicht weiter, wenn er dort nicht zugleich Mitglied ist; eine mittelbare Unterrichtung durch Abgeordnete seiner Fraktion schei­ det aus rechtlicher Sicht aus, da das Gremium geheim tagt und damit zu­ gleich eine fraktionsinterne Unterrichtung ausgeschlossen ist.301 Zum ande­ ren gewährleistet das PKGr, wie bereits ausgeführt, keine Öffentlichkeit; die entscheidende öffentliche Diskussion findet somit nicht statt.302 Das Bun­ desverfassungsgericht stellte außerdem klar, dass parlamentarische Frage­ rechte nicht durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verdrängt werden können, weil die Informationsinteressen des Fragenden nicht mit denen eines Untersuchungsausschusses übereinstimmen müssen.303 Lehnt 297  Dem Petitionsausschuss obliegt zumindest die Durchführung des Petitionsver­ fahrens (grundsätzlich) in ausschließlicher Zuständigkeit, siehe Klein, in: Maunz / Dü­ rig, GG, Rn. 22 zu Art. 45c GG, der Ausnahmen insoweit nicht anerkennt; Magiera, in: Sachs, GG, Rn. 7 zu Art. 45c GG. 298  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rnrn. 54 f. zu Art. 45d GG; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, 99 (101). 299  Siehe BVerfGE 124, 161 (192 ff.). 300  BVerfGE 124, 161 (190 f.). 301  Zu einem vergleichbaren Fall, siehe Hölscheidt, S.  36 f.; Kühne, in: FS VerfGH NRW, S. 355 (363). 302  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rn. 112 zu Art. 43 GG; Kühne, S. 355 (363). Die grundsätzlich nicht öffentlich beratenden Fachausschüsse können zumindest ausnahmsweise die Öffentlichkeit zulassen, § 69 Abs. 1 S. 2 GO-BT. 303  BVerfGE 124, 161 (192). Grundlage war die Entscheidung des Verfassungs­ gerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen, wonach die dortige Landesregie­

124

D. Wandlungen im Kontrollbegriff durch Art. 45d GG

das Gericht eine Verdrängungswirkung beim Untersuchungsausschuss, ei­ nem durchweg „spiegelbildlich“ besetzten Gremium, das zumindest im Rahmen der Beweisaufnahme öffentlich tagt und über Art. 44 GG Verfas­ sungsrang genießt, ab, so wird man dem argumentum a maiori ad minus entsprechend beim PKGr trotz Art. 45d GG eine verdrängende Wirkung de iure ebenfalls nicht feststellen können.304 Die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammen­ hang werden die Neigung der Bundesregierung zur Kanalisierung über das PKGr auch de facto verebben lassen, so dass auch aus verfassungspoliti­ scher Sicht eine Verdrängungswirkung allgemeiner parlamentarischer Kon­ trolle durch Art. 45d GG kein größeres Gewicht zukommen wird.305 Dass die allgemeine parlamentarische Kontrolle im nachrichtendienstlichen Tä­ tigkeitsbereich grundsätzlich defizitär ist, bleibt davon unabhängig zutref­ fend.

rung parlamentarische Fragen dann nicht beantworten muss, wenn ein laufendes oder unmittelbar anstehendes Untersuchungsverfahren Klärung verspricht; in diesem Fall genügt es, wenn die Landesregierung auf eine Beantwortung im Rahmen des Untersuchungsverfahrens verweist, siehe VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (51 f.). 304  Im Ergebnis ebenso: Christopeit / Wolff, 77 (86); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 55 zu Art. 45d GG; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 14 zu Art. 45d GG; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, 99 (101); BT-A-Drs. 16(4)614 B, Stellungnahme Gusy, S. 2. 305  Eine verstärkte „Kanalisierungsneigung“ anerkennend, siehe Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 55 zu Art. 45d GG. Die „Gefahr des Einflussverlustes“ ge­ genüber den anderen Kontrollorganen bestätigend, siehe Christopeit / Wolff, 77 (88).

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ nach Art. 45d GG I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“ und dessen Konsequenzen Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“ in Art. 45d GG verschließt sich einer eindeutigen und klaren inhaltlichen Bestimmung – zumindest auf den ersten und zweiten Blick. Eine Gleichsetzung dieser Begrifflichkeit mit der Tätigkeit der deutschen Nachrichtendienste auf Bundesebene, mithin des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes, verbietet das allgemeine Sprachverständnis. Schließlich ist nicht von der „(nachrichtendienstlichen) Tätigkeit der Nach­ richtendienste“ die Rede. Vielmehr wird die der Kontrolle unterliegende Tätigkeit als „nachrichtendienstlich“ beschrieben. Der Gebrauch dieses Adjektivs stand schon bei Verabschiedung des da­ maligen PKKG zur Diskussion. Im Laufe des damaligen Gesetzgebungsver­ fahrens gab es den Vorschlag, das Gesetz wie folgt zu formulieren: „Die Bundesregierung unterliegt hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ihrer Behörden der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommis­ sion“.1 Ziel dieses Vorschlages war es, eine parlamentarische Kontrolle der nach­ richtendienstlichen Tätigkeit des Bundes nicht von der bestehenden organi­ satorischen Aufteilung in die drei bekannten Nachrichtendienste abhängig zu machen, um der Gefahr einer etwaigen Umgehung durch die Bundesre­ gierung im Wege einer Umorganisation zu begegnen. Der Gefahr wurde in den Beratungen indes keine maßgebliche Relevanz beigemessen, zumal, hierauf wurde ebenfalls hingewiesen, „nachrichtendienstliche Tätigkeiten“ nur einen Teil der Tätigkeiten der Nachrichtendienste darstellen, was dem Ziel einer möglichst umfassenden Kontrolle in diesem Bereich entgegen­ stand.2 Die namentliche Benennung der drei Nachrichtendienste im Ge­ setz, für die man sich schließlich entschied, wurde später nicht wieder in­ 1  Protokoll

Rechtsausschuss BT 8 / 28, 23.11.1977, S. 60. Rechtsausschuss BT 8  /  28, 23.11.1977, S. 60. Aus diesem Grunde wurde der ursprünglich gewählte Begriff der „Nachrichtendienste“ in § 1 PKKG-E 2  Protokoll

126

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

frage gestellt und blieb bis in die heutige Fassung des PKGrG erhalten. Die sprachliche Abkehr von dieser Linie durch den verfassungsändernden Ge­ setzgeber gibt somit zu erkennen, dass dieser eine Kontrollzuständigkeit des Gremiums nicht von der konkreten administrativen Sicherheitsarchitektur im nachrichtendienstlichen Bereich abhängig machen wollte, was im Hin­ blick auf die erschwerte Abänderbarkeit dieser Norm verständlich ist.3 Die Gesetzesbegründung zu Art. 45d GG ist indes unergiebig zu der Fra­ ge, was konkret unter „nachrichtendienstlicher Tätigkeit“ zu verstehen ist. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Gesetzgeber, dem allgemeinen Sprachverständnis zuwider, vordergründig eine Gleichsetzung von „nach­ richtendienstlicher Tätigkeit“ und dem Handeln der Nachrichtendienste vornimmt.4 Der verfassungsändernde Gesetzgeber benennt dabei die drei Nachrichtendienste des Bundes in den Materialien und verweist auf ihre verfassungsrechtliche Verortung als „Institute der wehrhaften Demokratie“ in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b, c und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG.5 Die Zitierung der Artikel kann keine vollständige Wiedergabe der Gesetz­ gebungs- und Verwaltungskompetenzen des Bundes im nachrichtendienstli­ chen Bereich sein.6 Vielmehr verweist der Gesetzgeber dadurch auf den materiell-rechtlichen Gehalt dieser Normenkette für den „nachrichtendienst­ lichen Verfassungsschutz“, der gerade durch diese beiden Artikel seine Absicherung als Institution im Verfassungsgefüge erfahren hat.7 Es greift allerdings zu kurz, wollte man den „nachrichtendienstlichen Verfassungs­ schutz“ statisch nur in Verkörperung der drei Nachrichtendienste im Bund und der entsprechenden Ämter für Verfassungsschutz auf Landesebene be­ greifen. Man wird vielmehr eine materielle Abgrenzung vornehmen müssen, um die inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu dem aufzeigen zu können, was „nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz“ von „exekuti­ ebenfalls bewusst vermieden, weil dadurch das Tätigkeitsfeld der drei Bundesbehör­ den nicht umfassend abgedeckt wird, siehe BT-Drs. 8 / 1599, S. 6. 3  So auch Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 23 zu Art. 45d GG. 4  BT-Drs. 16  / 12412, S. 5: „… Ihr übergeordnetes Ziel ist es, die Stellung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gegenüber der Bundesregierung für den Be­ reich der parlamentarischen Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes signifikant zu verbessern“; „… Die Einrichtung des Kontrollgremiums als Pflichtgremium ermöglicht es dem Bundestag, sich der Kontrolle der nachrichten­ dienstlichen Tätigkeit des Bundes mit Nachdruck zu widmen. Das Handeln der Nachrichtendienste wird somit durchgehend parlamentarisch begleitet“. 5  BT-Drs. 16 / 12412, S.  4. 6  Bspw. folgt die Verwaltungskompetenz für den MAD wohl unstreitig aus Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG. 7  Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kri­ minalität, S. 76; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 223, der allerdings hierfür den Begriff „administrativen Verfassungsschutz“ gebraucht.



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“127

vischem Verfassungsschutz“ unterscheidet, um darauf aufbauend Konse­ quenzen für das Verfassungsschutz-Verständnis des Art. 45d GG ziehen zu können.8 Eine derartige Betrachtungsweise entspricht auch der soeben dargestellten Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers, der die Kontrollzustän­ digkeit des Gremiums nach Art. 45d GG offensichtlich nicht von dem ab­ hängig machen wollte, was der einfache Gesetzgeber ausdrücklich als nachrichtendienstliche Verfassungsschutz-Administration deklariert hat oder deklarieren wird. 1. Zur Abgrenzung exekutivischen von nachrichtendienstlichem Verfassungsschutz Administrativer Verfassungsschutz ist keine exklusive Aufgabe der Verfas­ sungsschutzbehörden im engeren Sinne (BfV, MAD und BND9), da diese Aufgabe allen Behörden, „… die kraft ausdrücklicher Zuweisung die Aufga­ be haben, die Verfassung zu schützen“, obliegt.10 Es ist daher auch folgerich­ tig, die in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG enthaltene Legaldefinition zum Be­ griff „Verfassungsschutz“ nicht ausschließlich auf dieses enge Behördenver­ ständnis zu reduzieren, da bspw. auch die Polizeien der Länder, die Streit­ kräfte und die Staatsanwaltschaften dazu berufen sind, für den Schutz der Verfassung im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG tätig zu werden.11 Der augenfälligste Unterschied zwischen den Verfassungsschutzbehörden im engeren Sinne und den zuletzt genannten Behörden ist allerdings die Tatsache, dass nur letzteren kraft Gesetzes grundsätzlich gestattet ist, klas­ sische polizeiliche Zwangsmaßnahmen zum Zwecke der Aufgabenerfüllung einzusetzen; dies ist der (Haupt-)Grund für die Verwendung des Terminus „exekutivischer Verfassungsschutz“ für diesen Behördenstrang.12 Der hier interessierende Teil des exekutivischen Verfassungsschutzes ist der polizei­ 8  Siehe auch Spitzer, S. 66, der sich gegen eine strikte Kategorisierung beim Verfassungsschutz-Verständnis ausspricht. 9  Teilweise wird der BND nicht dem administrativen Verfassungsschutz zuge­ ordnet, sondern als „Instrument der auswärtigen Sicherheitspolitik“ behandelt, siehe Rödder, Verfassungsschutz im föderalen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland, S.  12 m. w. N. 10  Denninger, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, in: VVDStRL 37 (1979), S. 7 (36); Gröpl, S. 56; Schafranek, Die Kompetenzverteilung, S. 14; Spitzer, S. 18. 11  Bull, in: FS Volkmar Götz, S. 341 (347 f.); Gröpl, S. 56; Gusy, Das gesetz­liche Trennungsgebot, Die Verwaltung 1991, 467 (471); Schafranek, S.  14 f.; Spitzer, S. 19. 12  Gröpl, S. 56; Schafranek, S. 15; Spitzer, S.  18 f.

128

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

liche Verfassungsschutz, da aufgrund der Zuständigkeitsverteilung und des Aktionsradius relativ häufig Kompetenzabgrenzungen zu den engeren Ver­ fassungsschutzbehörden angestellt werden müssen.13 Dabei verbietet sich eine ausschließliche Einordnung des polizeilichen Verfassungsschutzes in den Staatsschutz, nur weil dieser auch von der Po­ lizei wahrgenommen wird. So fasst man nach heutiger Vorstellung unter den Begriff „Staatsschutz“ alle Maßnahmen, um den tatsächlichen und rechtli­ chen Bestand und die Sicherheit des Staates schlechthin gegen Angriffe von innen und außen zu schützen.14 Dem gegenüber erfasst die Legaldefinition von „Verfassungsschutz“ in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG neben dem über­ kommenen Schutzgut der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ seit 1972 auch den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Lan­ des, wodurch zwar nicht der Bestand des Staates schlechthin geschützt wird, sondern nur dessen spezifische verfassungsmäßige Ausgestaltung, gleich­ wohl bleibt unverkennbar, dass der verfassungsrechtliche Verfassungsschutz­ begriff seit 1972 auch einen wesentlichen Staatsschutzanteil beinhaltet.15 Die zu schützenden Rechtsgüter sind somit nahezu identisch, was eine zu­ ständigkeitsbezogene Abgrenzung zwischen Staatsschutz und polizeilichem Verfassungsschutz aufgrund der weitgehenden Kongruenz einerseits äußerst schwierig gestaltet.16 Andererseits wird gerade dadurch deutlich, dass Ver­ fassungsschutz im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG nicht lediglich den Verfassungsschutzbehörden im engeren Sinne vorbehalten ist, sondern die „klassischen Staatsschutzbehörden“ und deren hergebrachtes Tätigkeits­ feld tatbestandlich weitestgehend mit erfasst.17 Kurzum: Polizeilicher Ver­ fassungsschutz ist (auch) Verfassungsschutz im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG. Somit verbliebe als Unterschied beider Formen administrativen Verfas­ sungsschutzes die lediglich einfachgesetzliche Zuweisung oder Nicht-Zu­ weisung polizeilicher Zwangsbefugnisse, was konstitutiv darüber entschei­ den würde, ob eine Behörde auf dem Gebiet des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes tätig wird oder als Polizei exekutivischen Verfassungs­ schutz betreibt. Eine solche vereinfachte Betrachtung verstößt indes gegen den hier verfolgten materiellen Ansatz, der nicht auf einen Ausschnitt der einfachgesetzlichen Befugnisseite reduziert werden kann. auch Schafranek, S. 56. S. 303; Schafranek, S. 15; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 181 f. m. w. N. 15  Denninger, in: Handbuch des Verfassungsrechts, §  16 Rn.  41; Rödder, S.  103 f.; Schafranek, S. 15. 16  Brenner, S.  18 ff.; Gröpl, S.  303 f.; Schafranek, S.  15 f.; Spitzer, S.  16 f. 17  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (469 f.); Schafranek, S.  15 f.; Spitzer, S. 19, 86 f. 13  So

14  Gröpl,



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“129

a) Unterschiedliche Aufgaben von Polizei und Nachrichtendiensten als Unterscheidungskriterium Das klassische Aufgabenfeld der Nachrichtendienste beginnt im „Vorfeld“ konkreter Gefahren oder eines Tatverdachtes für die zu schützenden Rechts­ güter, wobei deren Arbeit nicht endet, wenn die Schwelle zur konkreten Gefahr oder zum Anfangsverdacht erreicht wird. Ebenso stellen sie ihre Arbeit nicht zwangsläufig deshalb ein, weil sich das Nichtvorliegen einer polizeirechtlichen Gefahr oder einer Straftat bestätigt, da sich eine nachrich­ tendienstliche Relevanz auch aus legalen und ungefährlichen Handlungen ergeben kann.18 Dem gegenüber war die klassische polizeiliche Ermittlungstätigkeit dar­ auf beschränkt, repressive Strafverfolgung zu betreiben sowie konkrete Gefahren festzustellen und abzuwehren, so dass im so genannten „Vorfeld“ kaum Aufgabenüberschneidungen mit den Nachrichtendiensten bestanden.19 Das neuere Polizeirecht hat indes dazu geführt, der Polizei, insbesondere im Feld der Informationserhebung und -verarbeitung, auch Gefahrenvorsor­ geaufgaben zuzuweisen, wodurch es ihr nunmehr auch erlaubt ist, im bis dahin überschneidungsfreien „Vorfeld“ der Nachrichtendienste tätig werden zu können, wodurch die ursprünglich „exklusive Vorfeldkompetenz“ der Nachrichtendienste als allgemeines aufgabenbezogenes Unterscheidungs­ merkmal mittlerweile ausscheidet.20 Zum Teil wird vertreten, dass sich die Aufgabenbereiche von Poli­ zei und Nachrichtendiensten noch danach unterscheiden, ob die relevan­ ten Handlungen oder Zustände rechtmäßig oder rechtswidrig sind, da sich das Tätigkeitsfeld der Polizei grundsätzlich auf den Bereich des Rechts­ widrigen beziehe.21 Dieses Argument ist jedoch dann nicht mehr überzeu­ gend, je weiter die Polizei im „Vorfeld“ konkreter Gefahren und Tatver­ dachte vorsorgend tätig wird. In diesem Stadium sind die Ermittlungsund Datenverarbeitungsgegenstände potentiell oder auch nur eventuell rechtswidrig. Das Unterscheidungsmerkmal der (potentiellen) Rechtswid­ 18  Gröpl, S. 308; Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (472  ff.); Kornblum, S. 52; Möstl, Verfassungsrechtliche Vorgaben, DVBl. 1999, 1394 (1399); Rödder, S. 105. 19  Gröpl, S.  305 f. Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (472 ff.); Rödder, S. 104. 20  Bull, in: FS Volkmar Götz, S. 341 (350); Gröpl, S.  308 f.; Gusy, Das gesetz­ liche Trennungsgebot, 467 (474, 476); Kornblum, S.  54 ff.; Riegel, Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden, S. 112; Schafranek, S.  150 f.; Singer, S. 292, 295. 21  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (476 f.), der einschränkend klar­ stellt, dass im Bereich polizeilicher Datenverarbeitung nur von potentiellen Beein­ trächtigungen der Rechtsordnung gesprochen werden könne.

130

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

rigkeit verliert in diesem überschneidungsstarken Aktionsraum stark an Relevanz.22 Ebenso angenähert hat sich die Art der interessierenden Informationen: War polizeilicher Verfassungsschutz ursprünglich stark einzelfallbezogen und auf Individuen konzentriert,23 lässt sich heute zunehmend die Tendenz erkennen, wonach auch im Rahmen der polizeilichen Verfolgungsvorsorge verhäuft organisationsbezogene Betrachtungen und Ermittlungen angestellt werden, um die Zusammensetzung von kollektiven Strukturen sowie orga­ nisationsübergreifende Verbindungen aufklären zu können, wodurch auch dieser Strang des Verfassungsschutzes einen zunehmend „übergreifenden“ Rechtsgüterschutz betreibt, wobei umgekehrt die Nachrichtendienste ver­ stärkt gesetzliche Beobachtungsaufträge erhalten haben, die zuvor allein den Polizeien und Staatsanwaltschaften vorbehalten waren, so wie im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.24 Freilich existieren aber auch noch gegenwärtig aufgabenbezogene Unter­ schiede zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten: Zum einen geht der von der Polizei zu bearbeitende Kriminalitätsbereich inhaltlich weit über den verfassungsschutzrelevanten Zuständigkeitsradius der Nachrichtendienste hinaus.25 Zwar zeigt dieser Unterschied, dass Nachrichten­ dienste und Polizeien keinen deckungsgleichen Aufgabenrahmen haben. So­ weit jedoch eine gemeinsame Schnittmenge besteht, kommt diesem Kriterium kein entscheidender Aussagewert zu. Zum anderen besteht eine maßgebliche, unterschiedliche Zwecksetzung bzw. Aufgabenrichtung beider Verfassungs­ schutzstränge im Rahmen der von ihnen konkret zu erfüllenden Aufgaben.26 22  Auch Evers, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 65 (66) hebt hervor, dass Nachrichtendienste nicht voraussetzungslos agieren dürfen, sondern Verhaltens­ weisen zu beobachten haben, die zumindest potentiell nachrichtendienstliche Schutz­ güter negativ tangieren können. Verhalten, das nicht einmal potentiell schutzgutrele­ vant ist, darf demnach auch nicht Tätigkeitsgegenstand der Nachrichtendienste sein. 23  Evers, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 65 (71); Singer, S.  289 f. 24  Gusy, in: Röttgen  /  Wolff, S. 13 (15 f.); Kornblum, S. 53; Rödder, S.  108 f.; Schafranek, S. 73, 151, 163 f.; Singer, S. 289 f., 295. Zur „Verpolizeilichung“ von Nachrichtendiensten durch (erweiterte) Aufgabenübertragungen im Bereich der Or­ ganisierten Kriminalität und im Bereich der „strategischen Kontrolle“, siehe auch Schafranek, S.  153 ff. 25  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (477 f.); Schafranek, S. 152. 26  Die unterschiedliche Zielrichtung der Nachrichtendienste gegenüber anderen Behörden im Rahmen der Informationsbeschaffung als das entscheidende Abgren­ zungskriterium betonend, siehe Gusy, Die Rechtsstellung der Nachrichtendienste, JURA 1986, 296 (297); Hirsch, S. 38; Riegel, Die Tätigkeit der Nachrichtendienste und ihre Zusammenarbeit mit der Polizei, NJW 1979, 952 (953); Riegel, Daten­ schutz bei den Sicherheitsbehörden, S. 111 f.; Schelter, in: Verfassungsschutz, S. 146 (177); Singer, S. 295.



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“131

Während die Polizei die im Rahmen der Verfolgungsvorsorge erlangten Er­ kenntnisse planmäßig dazu einsetzt, um eigene exekutive Maßnahmen zwecks Abwehr von Gefahren oder Verfolgung von Straftaten durchzuführen, geht es den Nachrichtendiensten darum, die gesammelten und ausgewerteten Informa­ tionen an die Bundesregierung und an andere Behörden zu übermitteln, damit diese entsprechende Maßnahmen ergreifen können; die maßgebliche Zielrich­ tung nachrichtendienstlichen Tätigseins ist also die Vorbereitung bzw. Ermög­ lichung fremden exekutiven Handelns, während die Polizei eigenes vorzube­ reiten oder zu ermöglichen sucht.27 In diesem Zusammenhang ist es folgerich­ tig zu konstatieren, dass die Informationssammlung und -bewertung für die Polizei nur einen Teil der Gesamttätigkeit darstellt. Letztlich handelt es sich insoweit nur um einen „Annex“ zur eigenen Hauptaufgabe der Gefahrenab­ wehr und Strafverfolgung, während den Nachrichtendiensten „lediglich“ eine originäre, verselbstständigte Informationsfunktion zukommt.28 b) Unterschiedliche Arbeitsweisen von Polizei und Nachrichtendiensten als Unterscheidungskriterium Bei einer typisierenden Beschreibung der Arbeitsweise von Polizeibehör­ den und Nachrichtendiensten lässt sich feststellen, dass das auf Gefahrenab­ wehr ausgerichtete Polizeirecht vom Opportunitätsprinzip beherrscht wird.29 Ob die Polizei bei Vorliegen einer konkreten Gefahr zum Einschreiten ver­ pflichtet ist, unterfällt ihrer pflichtgemäßen Ermessensbeurteilung, wenn­ gleich es freilich Fälle gibt, bei denen das Einschreiteermessen „auf Null“ reduziert ist, so dass faktisch eine Pflicht zum abwehrenden Handeln be­ steht.30 Wird die Polizei allerdings im Bereich der Strafverfolgung tätig, so obliegt ihr bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte auf eine Straftat grund­ sätzlich auch die Pflicht, eine strafrechtliche Verfolgung in Gang zu bringen, da insoweit das Legalitätsprinzip Anwendung findet.31 Dem gegenüber kann eine derartige Unterscheidung im Feld der Nach­ richtendienste nicht vorgenommen werden. Originäres Aufgabenfeld der Nachrichtendienste ist die Sammlung und Bewertung von Informationen.32 Stoßen die Dienste bei ihrer Arbeit auf konkrete Gefahren oder Straftaten, 27  Krüger, in: Verfassungsschutz in der Demokratie, S. 143 (147); Schafranek, S.  152 f.; Singer, S. 56 f., 290 f., 295. 28  In diesem Sinne: Bull, in: FS Volkmar Götz, S. 341 (347); Evers, in: Verfas­ sungsschutz und Rechtsstaat, S. 65 (71); Singer, S.  290 f. 29  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (480); Schafranek, S. 92. 30  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (480). 31  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (480 f.); Schafranek, S. 92. Frei­ lich existieren auch insoweit Ausnahmen, siehe §§ 153 ff. StPO. 32  Insoweit besteht eine Pflicht zum Handeln, siehe Schafranek, S.  93 f.

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

so wird sich für sie fast immer die Frage stellen, ob sie die zuständigen Stellen der Abwehr und Verfolgung benachrichtigen sollten, oder ob sie vielmehr ihre Beobachtung zur fortgesetzten Informationsbeschaffung fort­ setzen.33 Die fortgesetzte Beobachtung ermöglicht es den Diensten, eine breitere oder tiefere Einsicht in die betreffenden Strukturen zu erhalten, so dass Folgeaufklärungen ermöglicht werden, wobei die Dienste auf diese Weise zugleich ihre „ungestörte“ Zuständigkeit im jeweiligen Einzelfall bewahren können. Es verwundert daher nicht, dass die Opportunitätsent­ scheidung der Nachrichtendienste tendenziell der fortgesetzten Aufklärung den Vorzug gibt.34 Während somit im Rahmen der Strafverfolgung (außerhalb verdeckter Ermittlungen) ein ausgeprägtes entgegengesetztes „Zugriffsverhalten“ von Polizei und Nachrichtendiensten auf den Tatverdächtigten festgestellt wer­ den kann, wird im Rahmen der Gefahrenabwehr eine typisierende Abgren­ zung in dieser Klarheit nicht mehr gelingen.35 Dies auch deshalb, weil die Polizeien auf die informationelle Benachrichtigung durch die Nachrichten­ dienste mittlerweile deutlich weniger angewiesen sind, seit sie im Rahmen der Gefahrerforschung weit im Vorfeld konkreter Gefahren selbst beobach­ tend tätig werden können. Auf diese Weise sinkt auch die Notwendigkeit zur Informierung der Polizei aus Sicht der Nachrichtendienste, wodurch die typisch arbeitsteilige Arbeitsweise im Sinne eines zeitlichen Ineinandergrei­ fens beider Behördenstränge einem weitgehenden Dualismus im Feld der Beobachtung und Auswertung gewichen ist.36 Eine starke Annäherung der polizeilichen Arbeitsweise an die der Nach­ richtendienste sogar im Bereich der Strafverfolgung ist mittlerweile dann festzustellen, wenn verdeckte Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden; in derartigen Fällen soll es auch der Polizei gestattet sein, strafrechtliche Ermitt­ lungen aus übergeordneten taktischen Erwägungen zurückzustellen, was ei­ ner zeitweiligen Suspendierung des Legalitätsprinzips entspräche.37 In diesen Fällen stellen Nachrichtendienste und Polizeien auch im Rahmen der Straf­ verfolgung vergleichbare Überlegungen bezüglich ihrer Arbeitsweise an. 33  Gröpl, S. 307; Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (481 f.); Schafranek, S. 94. 34  Borgs, in: Borgs  / Ebert, Das Recht der Geheimdienste, S. 64 Rn. 38, der dar­ auf hinweist, dass der bestehende Ermessensspielraum ebenfalls „auf Null“ sinken kann (bspw. bei Observation von „hochrangigen“ Terroristen, die bereits mit Haft­ befehl gesucht werden; bei Straftaten nach § 138 StGB); Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (481 f.). 35  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (482). 36  In diesem Sinne Gröpl, S.  307 f. 37  Die Sachlage greift vor allen Dingen beim Einsatz verdeckter Ermittler, siehe Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (481); Schafranek, S.  165 f.



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“133

c) Unterschiedliche Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiensten als Unterscheidungskriterium Die Nachrichtendienste „stillen“ ihren Informationsbedarf über verschie­ dene Kanäle: Zum einen beziehen sie ihre Erkenntnisse aus offenen Quellen, die jedermann zugänglich sind, zum anderen erhalten sie Auskunft von öf­ fentlichen Stellen oder Privaten. Insofern unterscheiden sich die Informati­ onskanäle von Polizei und Nachrichtendiensten nicht.38 Ein dritter Weg eröffnet die Informationsbeschaffung durch Mittel der „Heimlichkeit und Täuschung“, wobei man in diesem Zusammenhang dann von nachrichten­ dienstlichen Mitteln spricht.39 Was genau hierunter inhaltlich zu verstehen ist, entzieht sich nach Ansicht des Gesetzgebers jedoch einer abschließenden Definition, um den Einsatzerfolg dieser Mittel nicht zu schwächen.40 Hingegen finden sich verschiedende allgemeine Definitionen des nach­ richtendienstlichen Mittels, teilweise sehr unspezifischer Natur, die jedoch darin übereinstimmen, dass sie keine Unterscheidung danach vornehmen, welche Behörde konkret tätig wird:41 Der Gesetzgeber definierte die nachrichtendienstlichen Mittel als „… Mit­ tel und Methoden, die der geheimen, das heißt der vom Betroffenen und von Außenstehenden nicht wahrnehmbaren Beschaffung von Informationen die­ nen …“.42 Nach anderer Meinung sind nachrichtendienstliche Mittel, „… die ohne äußeren Zwang möglichen Eingriffe in den Teil der Privatsphäre, der weder als Kernbereich unantastbar (Art. 19 Abs. 2 GG), noch als gesteigerter Schutzbereich besonders gesichert ist, der vielmehr lediglich den allgemeinen Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genießt“.43 Evers wiederum versteht hierunter „… Mittel, die auf die unbemerkte Erlangung von Informationen aus der Pri­ vatsphäre gerichtet sind, insbesondere die heimliche Beobachtung und Über­ wachung, auch unter Einsatz von technischen Mitteln und von V-Leuten“.44 38  Gusy,

Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (478 f.). Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (479). 40  BT-Drs. 8 / 1599, S. 6; BT-Drs. 10 / 4737, S. 52. 41  Es gibt sehr vereinzelte Stimmen, die eine Definition des nachrichtendienstli­ chen Mittels an eine Ausübung durch die Nachrichtendienste knüpfen, siehe Borgs, in: Borgs / Ebert, Das Recht der Geheimdienste, S. 111 Rn. 145; Schimpff, Die recht­ liche Stellung der Nachrichtendienste, S. 71, wonach nachrichtendienstliche Mittel zumindest regelmäßig den Nachrichtendiensten vorbehalten sind. 42  BT-Drs. 10 / 4737, S. 52. Ähnlich Gröpl, S. 310; Gusy, Die Rechtsstellung der Nachrichtendienste, JURA 1986, 296 (299). 43  Herzog, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 1 (13 f.) unter Verweis auf Evers. 44  Evers, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 65 (69). Auch wenn die De­ finition keine Aussage über die befugten Behörden trifft, geht Evers davon aus, dass 39  Gusy,

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

Die weitestgehende Definition bietet Schlink, der der Auffassung ist, unter nachrichtendienstliche Mittel „… die Mittel der Erkenntnisgewinnung zu ver­ stehen, denen ein Bürger, wenn ein anderer Bürger sie ihm gegenüber einset­ zen würde, sich tatsächlich entziehen, deren er sich aber rechtlich nicht er­ wehren könnte“.45 Schließlich existieren auch Definitionen, die ausdrücklich dem Umstand Rechnung tragen, dass nicht nur Nachrichtendienste befugt sind, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen. So definiert Hirsch diese als „… Mittel zur vom Beobachteten unbemerkten Informationsgewinnung in Er­ füllung der den observierenden Behörden eingeräumten Aufgabe“.46 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die große Mehrheit der Literaturstimmen Definitionsvorschläge für das nachrichtendienstliche Mit­ tel entwickelt hat, die den Nachrichtendiensten kein rechtliches Monopol darauf zugestehen. Vielmehr können auch Polizeibehörden dazu befugt sein, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden.47 Der Aspekt der „Heimlichkeit“ der Informationsbeschaffung kann sonach nicht mehr als entscheidendes Unterscheidungskriterium herangezogen werden.48 Aber selbst wenn man die heimlichen Informationsbeschaffungsmaßnahmen der Polizei als „poli­ zeiliche Mittel“ qualifizieren würde, käme dieser Zuordnung nur eine for­ male Bedeutung zu, da sich beide Formen heimlicher Datenbeschaffung qualitativ so weit angenähert hätten, dass eine materielle Unterscheidung anhand dieser lediglich formal-sprachlichen Kategorisierung nicht mehr möglich erscheint.49 Gusy fasst daher prägnant zusammen: „Der Verfassungsschutz hat nicht andere, er hat weniger Befugnisse als die Polizei“ und bezieht sich damit auf die klassischen Zugriffsmittel der Polizei (bspw. Durchsuchung, Verneh­ sich die Definition nicht auf die Polizei bezieht; er stellt jedoch fest, dass die Poli­ zei vergleichbare Informationsbefugnisse hat und sich auch der Mittel bemächtigen darf, die als „nachrichtendienstliche Mittel“ bezeichnet werden, siehe Evers, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 65 (70). 45  Schlink, Das nachrichtendienstliche Mittel, NJW 1980, 552 (554). Grundsätz­ lich kritisierend, siehe Schwabe, Hoheitlicher Verfassungsschutz mit Jedermannsbe­ fugnissen?, NJW 1980, 2396 (2396 f.). 46  Hirsch, S. 38. 47  Gröpl, S. 313; Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (479); Riegel, Die Tätigkeit der Nachrichtendienste und ihre Zusammenarbeit mit der Polizei, 952 (953); Rose-Stahl, S. 122. 48  Riegel, Die Tätigkeit der Nachrichtendienste und ihre Zusammenarbeit mit der Polizei, 952 (953); Riegel, Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden, S. 111 f. 49  Eine Parallele zwischen den polizeilichen Mitteln zur verdeckten Datenerhe­ bung und den nachrichtendienstlichen Mitteln hervorhebend, siehe Riegel, Die Tä­ tigkeit der Nachrichtendienste und ihre Zusammenarbeit mit der Polizei, 952 (953); Rödder, S. 107; Schafranek, S.  158 m. w. N.



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“135

mung, Festnahme), die den Nachrichtendiensten unstreitig nicht zustehen und daher den quantitativen Unterschied begründen.50 Aber auch trotz des Umstandes, dass Polizeibehörden und Nachrichten­ dienste nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz bringen dürfen, lassen sich dennoch spezifische Unterschiede feststellen. So werden die Mittel mit einer jeweils anderen Zielrichtung und Ausprägung verwendet. Die Nach­ richtendienste sind im Gegensatz zu den Polizeien im Rahmen des Einsatzes von V-Leuten regelmäßig daran interessiert, langfristige Verbindungen auf­ zubauen, die es auf lange Sicht erlauben, der „eingeschleusten“ Person eine Position im Organisationsgefüge zu verschaffen, durch die ein stetiger und tiefgehender Informationsfluss generiert werden kann. Observationen der Nachrichtendienste beziehen sich auch häufig nicht auf eine bestimmte „Zielperson“, gegen die Beweise gesammelt werden sollen, vielmehr geht es vordringlich um die Feststellung von Kontaktverbindungen der Zielper­ son zu Dritten oder um die Stellung dieser Person, die es gegebenenfalls erst zu identifizieren gilt, in einer Struktur.51 Zum Zweiten findet sich ein entgegengesetztes Regel-Ausnahme-Prinzip beim Einsatz nachrichtendienst­ licher Mittel. Dies resultiert daraus, dass die Polizei dem Grundsatz nach dazu verpflichtet ist, dem Bürger mit „offenem Visier“52 gegenüberzutreten, so dass der systematische und lang andauernde Einsatz nachrichtendienstli­ cher Mittel gehäuft und regelmäßig bei den Nachrichtendiensten anzutreffen ist oder zumindest dort anzutreffen sein sollte, während die Polizei derarti­ ge Mittel nur ausnahmsweise und zeitlich kürzer anwenden wird.53 Dabei entspricht es zumindest dem formellen Regelungsansatz der einfachen Ge­ setzgeber in Bund und Ländern, der Polizei und den Staatsanwaltschaften die Anwendung der heimlichen Datenerhebungsmaßnahmen nur bei Verdacht auf Begehung von „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ oder bei Vorlie­ gen schwerwiegender Gefahren zu erlauben.54 Die tatsächliche Anwendung der einzelnen Vorschriften vermag diesen Vorgaben häufig nicht zu folgen, da die gesetzlichen Begriffsklärungen entweder sehr weitgehend sind oder 50  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (479); Gusy, in: Röttgen / Wolff, S.  13 (17 f.). 51  Rose-Stahl, S.  122 f.; Rödder, S. 105. 52  Bull, in: FS Volkmar Götz, S. 341 (352 m. w. N.). 53  BVerfGE 30, 1 (26), wonach es (ausnahmsweise) geboten sein kann, den be­ troffenen Bürger von der Durchführung polizeilicher Maßnahmen (Abhören des privaten Funkverkehrs) nicht zu unterrichten; Bull, in: FS Volkmar Götz, S. 341 (352 f.) weist darauf hin, dass das „Staatsideal“ der grundsätzlich offenen Ermitt­ lungspraxis der Polizei nicht durchhaltbar ist und auch in der Vergangenheit insoweit nichts anderes galt; Evers, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 65 (70); Gröpl, S. 315; Singer, S.  291 f. 54  Schafranek, S. 158, 163.

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

allgemeine Klauseln verwendet werden, die aufgrund ihrer inhaltlichen Un­ schärfe nicht dazu geeignet sind, unterschiedliche Befugnisvoraussetzungen zu generieren.55 Rechtstatsächlich kommt das umgekehrte Regel-Ausnah­ me-Prinzip daher häufig nur unzureichend zum Tragen. Im Hinblick auf die Befugnisanwendung generell, also unabhängig von dem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, können für Nachrichtendienste und Polizeibehörden grundsätzlich unterschiedliche Eintrittsschwellen gel­ ten, die sich aufgrund der Verschiedenheit der verfolgten Zwecke ergeben.56 Das Bundesverfassungsgericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass für die strategische Telekommunikationsüberwachung durch den BND ver­ fassungsrechtlich nicht dieselben Befugnisvoraussetzungen Anwendung finden müssen, wie im Polizei- und Strafprozessrecht.57 Ist daher der verfolgte Zweck hinreichend gewichtig und die ergriffene Maßnahme verhältnismäßig, so kommen Informationseingriffsbefugnisse der Nachrichtendienste in Betracht, deren Eintrittsschwelle sogar im Bereich der Verdachtslosigkeit liegen kann.58 Nähern sich die Aufgaben und Zwe­ cke polizeilicher und nachrichendienstlicher Tätigkeit jedoch einander an, ebnen sich auch die Unterschiede der jeweiligen Eintrittsschwellen ein, wie am Beispiel des heimlichen Zugriffs auf ein informationstechnisches System zu sehen ist.59 Das Bundesverfassungsgericht stellte bei dieser Entschei­ dung klar, dass eine behördenbezogene Differenzierung bezüglich der Ein­ griffsvoraussetzungen nicht immer zulässig ist. Sind die Eingriffe besonders grundrechtsintensiv, kann es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforder­ lich sein, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Eingriffsanlass entsprechend zu erhöhen, wobei eine behördenspezifische Unterscheidung aufgrund der gleichmäßigen schweren Betroffenheit der Grundrechtsträger ausscheidet.60 Ein besonders intensiver Eingriff in diesem Sinne liegt vor, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die eine weitgehende staatliche Auspä­ hung der Persönlichkeit des Betroffenen ermöglichen.61 Diese Rechtsprechung wird dazu beitragen, die unterschiedlichen Ein­ trittsschwellen von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten bei voran­ schreitender Aufgabenparallelität weiter zu egalisieren, so dass ein weiteres Abgrenzungskriterium unschärfer oder ganz verschwinden wird. Schafranek, S.  158 ff. m. w. N. 100, 313 (383); 120, 274 (330); Kornblum, S. 55; Möstl, Verfas­ sungsrechtliche Vorgaben, 1394 (1398). 57  BVerfGE 100, 313 (383); 120, 274 (330). 58  Kornblum, S. 55; Möstl, Verfassungsrechtliche Vorgaben, 1394 (1398, 1402). 59  BVerfGE 120, 274 ff.; Kornblum, S. 55. 60  BVerfGE 120, 274 (329 ff.). 61  BVerfGE 120, 274 (331). 55  Ausführlich 56  BVerfGE



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“137

d) Zwischenfazit Die Behörden des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes unter­ scheiden sich von den Behörden des exekutivischen Verfassungsschutzes, namentlich den Polizeibehörden, in mehreren Punkten, wenn auch in (stark) abnehmender Tendenz, so dass sich eine materielle Gleichsetzung beider Behördenstränge gegenwärtig verbietet.62 Insbesondere die unter­ schiedliche aufgabenbezogene Zweckrichtung sowie der abweichende Ein­ satz von Befugnissen im Hinblick auf Voraussetzungen, Zielrichtung und Ausprägung ermöglichen noch eine materielle Abgrenzung beider Formen administrativen Verfassungsschutzes. Der auffälligste Unterschied, die Zu­ weisung der klassischen Zwangsbefugnisse an die Behörden des exekutivi­ schen Verfassungsschutzes, taugt insoweit jedoch nicht als konstitutives Tatbestandsmerkmal, mehr als (einfachgesetzliche) Rechtsfolge einer unab­ hängig davon durchzuführenden Einordnung, zumal derartige Zwangsbe­ fugnisse im überschneidungsintensiven „Vorfeld“ mit Blick auf den Ver­ hältnismäßigkeitsgrundsatz ohnehin regelmäßig keine Rolle spielen kön­ nen, so dass deren Einbeziehung als konstitutives Abgrenzungskriterium nur als formaler Punkt auf der „Haben- bzw. Soll-Seite“ verbucht werden kann.63 2. Beachtlichkeit der Unterschiede für den Kontrollauftrag nach Art. 45d GG Das besondere parlamentarische Kontrollbedürfnis gegenüber den Nach­ richtendiensten beruht aus Sicht des verfassungsändernden Gesetzgebers auf dem Umstand, dass durch eine verdeckte Sammlung von Informationen, gegebenenfalls unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, ein erheblicher Grundrechtseingriff gegenüber den betroffenen Bürgern bewirkt werden kann.64 Vergegenwärtigt man sich nun, dass auch Behörden des polizeili­ chen Verfassungsschutzes unter Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel verdeckt Informationen zum Zwecke des Verfassungsschutzes sammeln können, verbleibt die Frage, warum die Gesetzesbegründung an dieser Stel­ le nur von „Nachrichtendiensten“ spricht. Entscheidet sich zudem die Poli­ zei im Rahmen einer Opportunitätsentscheidung gegen einen „Zugriff“, so greifen die üblichen Kontrollmechanismen, insbesondere die Einschaltung gerichtlichen Rechtsschutzes oder die Einbindung der Presse, mangels Kenntnis des Betroffenen ebenfalls nicht. im Ergebnis auch Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, S. 127. diesem Sinne Rödder, S. 114. 64  BT-Drs. 16 / 12412, S.  4. 62  So 63  In

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

Außerdem versagt regelmäßig die allgemeine parlamentarische Kontrolle, da die Bundesregierung, soweit Polizeibehörden des Bundes tätig geworden sind, in diesen Fällen ebenso wie bei den Nachrichtendiensten wegen der erhöhten Geheimschutzanforderungen in Angelegenheiten des Verfassungs­ schutzes die Auskunft verweigern wird. Darüber hinaus stehen die Aktivitä­ ten des polizeilichen Verfassungsschutzes aufgrund des weitgehenden Auf­ gabendualismus häufig im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Nachrich­ tendienste, so dass sich allein daraus eine beschränkte Auskunftsverpflich­ tung ergeben kann. Diese Überlegungen lassen es nicht zwingend erscheinen, unter „nach­ richtendienstlicher Tätigkeit“ nur die Tätigkeit der Behörden des nachrich­ tendienstlichen Verfassungsschutzes zu subsumieren. Der einfache Gesetzgeber erkannte an dieser Stelle ausdrücklich an, dass durch eine zunehmende Aufgaben- und Kompetenzannäherung bzw. -vermi­ schung zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten das Erfordernis einer materiellen Geheimschutzgewährung auch auf die Polizeibehörden erstreckt werden muss, woraus sich systembedingte Kontrolllücken im Be­ reich der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung im polizeilichen Tätigkeitsbereich ergeben können.65 Der einfache Gesetzgeber zog daraus die Konsequenz, indem er in § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. formulierte: „Die Kontrolle erstreckt sich auch auf die Tätigkeit des Bundeskriminalamtes und des Zollkriminalamtes, soweit ein Vorgang seinen Schwerpunkt im Bereich der Nachrichtendienste hat und die Bundesregierung deshalb in den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages zu diesem Vorgang die Aus­ kunft berechtigt verweigert.“66 Die Notwendigkeit einer Einbeziehung von Polizeibehörden in die Kon­ trolle durch das PKGr erkannte man schon vor einigen Jahren. In einem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag aus dem Jahre 1998 wurde der Vorschlag unterbreitet, die Kontrolle der nachrich­ tendienstlichen Tätigkeit im Bereich des Außenhandels und der Kriegswaf­ fenkontrolle durch das Zollkriminalamt jedenfalls im Hinblick auf die Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrsbeschränkungen gemäß §§ 39 bis 43 des damaligen Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) bei der Parlamentarischen Kontrollkommission zu konzentrieren.67 Dieser Vorschlag war eine Reakti­ on auf die Gesetzesänderung aus dem Jahre 1992,68 wonach es dem Zoll­ 65  BT-Drs. 16  /  12411, S. 9. Siehe auch Sten. Ber. BT 16  /  215, 27.03.2009, S. 23411 (D). 66  BT-Drs. 16 / 12411, S.  4. 67  BT-Drs. 13 / 10029, S. 1, 3, 5. 68  Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 08.02.1992, BGBl. I, S. 372.



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“139

kriminalamt gestattet wurde, im Vorfeld von Straftatbeständen des AWG oder des Kriegswaffenkontrollgesetzes klassische nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, so dass an dieser Stelle erstmals eine Polizeibehörde des Bundes, ausgestattet mit den üblichen polizeilichen Zwangsbefugnis­ sen, die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erhielt, zum Schutze höchster Verfassungsgüter originär nachrichtendienstliche Tätigkeiten zu verrichten.69 Hirsch folgerte aus dieser Grenzverwischung polizeilicher und nachrich­ tendienstlicher Tätigkeit kurze Zeit später das Bedürfnis nach einer wir­ kungsvollen parlamentarischen Kontrolle sämtlicher Behörden, die nach­ richtendienstliche Mittel einzusetzen berechtigt sind, da ansonsten Umge­ hungsmöglichkeiten bestünden, die das gesamte Kontrollsystem in diesem Bereich konterkarieren würden.70 Eine vergleichbare, wenn auch jüngere Entwicklung ist beim BKA zu beobachten. Mit Beginn des Jahres 200971 ist das BKA nun erstmals befugt, polizeiliche Befugnisse wahrzunehmen, mithin auf dem Gebiet des internationalen Terrorismus (§ 4a Abs. 1 BKAG) Aufgaben der Gefahrenabwehr zu übernehmen, wobei ihm insoweit weitrei­ chende (Informationseingriffs-)Befugnisse, wozu auch heimliche Maßnah­ men gehören, zur Verfügung gestellt worden sind.72 Gerade die Kompetenz, im Vorfeld konkreter Gefahren mithilfe nachrich­ tendienstlicher Mittel im Bereich der Terrorismusbekämpfung zu operieren, ließ im Gesetzgebungsverfahren den Hinweis auf den damit einher gehen­ den Dualismus mit der Tätigkeit der Nachrichtendienste ertönen, verbunden mit der Forderung, dieser Sonderstellung des BKA durch eine besondere parlamentarische Kontrolle gerecht zu werden.73 Die vorgeschlagene Vorschrift § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F., die die materi­ elle Annäherung von Polizeien und Nachrichtendiensten auf Bundesebene aufgriff, wurde dennoch nicht beschlossen, weil sich im Laufe der Beratun­ gen die politische Überzeugung durchsetzte, wonach die Neigung der Bun­ desregierung zur ausschließlichen Auskunftserteilung im geheim tagenden PKGr auch im Tätigkeitsbereich dieser beiden Polizeibehörden zunehmen 69  Hirsch,

S.  34 f. S.  35 f. 71  Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008, BGBl. I, S. 3083. 72  Wolff, Die Grenzverschiebung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, DÖV 2009, 597 (597  f.). Zu den Befugnissen, siehe §§ 20a bis 20x BKAG. 73  BT-A-Drs. 16(4)460 H, Stellungnahme Geiger, S. 1. Eine (wirksame) parla­ mentarische Kontrolle als Kompensation für heimliche Maßnahmen, siehe BT-ADrs. 16(4)460 J, Stellungnahme Poscher, S. 20 f. 70  Hirsch,

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

könnte, so dass letztlich die Kompetenzen der einschlägigen Fachausschüs­ se faktisch beschnitten werden könnten.74 Vereinzelt wurde sogar vorgetra­ gen, dass § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. eine gewisse Gleichsetzung von Nach­ richtendienst- und Polizeibehörden bewirke, wodurch das Trennungsgebot weiter relativiert werde.75 An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass die materielle Annäherung von ZKA und BKA an die Nachrichtendienste, wie oben gezeigt, nicht durch diese Vorschrift bewirkt, sondern lediglich als Faktum aufgegriffen und konsequent auf die parlamentarische Kontrolle übertragen werden sollte. Unabhängig von der Streichung des § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. im Gesetz­ gebungsverfahren wurde Art. 45d Abs. 1 GG in der ursprünglichen Fassung verabschiedet. Da die Grundgesetznorm im Zusammenhang mit dem PK­ GrG n. F. entstanden ist, liegt es sehr nahe, den Begriff der „nachrichten­ dienstlichen Tätigkeiten“ in Art. 45d GG zumindest so auszulegen, dass auch die Kontrollkompetenzen des PKGr für die beiden ursprünglich vorge­ sehenen Polizeibehörden erfasst werden.76 Es führt jedoch zu weit, aus der Einbeziehung der Polizeibehörden in den Kompetenzrahmen zugleich eine verfassungsrechtliche Gleichsetzung beider Stränge administrativen Verfas­ sungsschutzes schließen zu wollen. Vielmehr steht die gefundene Formulierung in Art. 45d Abs. 1 GG für den Versuch des verfassungsändernden Gesetzgebers, einen Oberbegriff für das zu finden, was BfV, BND, MAD, BKA und ZKA verbindet, nämlich die jeweilige Wahrnehmung ursprünglich nachrichtendienstlicher Funktio­ nen, wobei dahin stehen kann, ob diese ausschließlich oder neben anderen wahrgenommen werden. Danach sind nachrichtendienstliche Aufgaben bei typisierender Betrachtung dadurch gekennzeichnet, dass schon im Vorfeld konkreter Gefahren im Verborgenen Informationssammlungen stattfinden, die dazu dienen sollen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu schützen.77 74  BT-Drs. 16 / 13220, S. 9 f. begründet die Streichung des Absatzes, weil „… an­ dere parlamentarische Gremien in ihrer Ressortkontrolle nicht einzuschränken …“ sind; BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S. 4 f. 75  Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 24. 76  Christopeit / Wolff, 77 (85), wonach die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes nur „im Kern“ von den Verfassungsschutzbehörden im engeren Sinn ausge­ führt wird; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 40 zu Art. 45d GG; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 7 zu Art. 45d GG, der die nachrich­ tendienstliche Tätigkeit „grundsätzlich“ den Nachrichtendiensten zuweist; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24901 (C, D), 24902 (B, C). 77  Christopeit / Wolff, 77 (85); Mehde, in: Epping  /  Hillgruber, GG, Rn. 23 zu Art. 45d GG.



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“141

Dennoch wird zu überlegen sein, weshalb Art. 45d Abs. 1 GG einen auf Gemeinsamkeiten hinweisenden Oberbegriff gewählt hat, der nicht an der Formulierung des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ausgerichtet ist: Zum einen macht sich die Norm dadurch unabhängig vom konkreten Behördenzuschnitt und damit letztlich auch vom Einflussbereich des einfa­ chen Gesetzgebers.78 Auf diese Weise wird dem Umstand der erschwerten Abänderbarkeit dieser Verfassungsnorm Rechnung getragen und der Gefahr einer etwaigen Unterminierung vorgebeugt. Zum Zweiten bewirkt ein weiter und relativ unbestimmter Oberbegriff als „Auffangtatbestand“ einen breiten Anwendungsbereich. Diese Rechtsfolge ist bei Art. 45d Abs. 1 GG bezweckt, da die Norm nur subsidiären Charak­ ter hat und der „Lückenschließung“ dient. Wie auch bei den Verfassungs­ schutzbehörden im engeren Sinn obliegt nämlich die parlamentarische Kontrolle zuvörderst dem Bundestag, seinen Ausschüssen und Abgeordne­ ten. Die Kontrolle durch das PKGr erlangt nur dann Bedeutung, wenn die „allgemeine“ parlamentarische Kontrolle nicht wirksam ausgeübt werden kann. Dann erfüllt das Gremium eine Lückenschließungsfunktion, wodurch verhindert werden soll, dass parlamentarische Kontrolle vollständig ausfällt. Art. 45d Abs. 1 GG bewirkt durch seinen breiten Anwendungsbereich somit, dass auch Behörden des polizeilichen Verfassungsschutzes des Bundes der Kontrolle durch das PKGr unterfallen, sofern und soweit sie originär nach­ richtendienstliche Funktionen und Befugnisse wahrzunehmen bzw. einzuset­ zen haben, kurz einen nachrichtendienstlichen Bezug aufweisen, und aus diesem Grunde die „allgemeine“ parlamentarische Kontrolle letztlich aus­ scheidet.79 Eine solche Betrachtungsweise wird dem subsidiären Charakter des PKGr gerecht und befriedigt zugleich das umfassende Bedürfnis nach Kontrolllückenschließung. Schließlich erlaubt die Herausstellung eines einigenden Oberbegriffes die Statuierung einer gleichen Rechtsfolge, ohne eine „Rechtfertigung“ für die Gleichbehandlung von Ungleichem abgeben zu müssen. Eine solche Vorge­ hensweise scheidet jedoch dann aus, wenn der einigende Oberbegriff will­ kürlich gewählt worden ist. Dies wäre dann der Fall, wenn die „darunter“ befindliche Vergleichsebene für die parlamentarische Kontrolle von Rele­ vanz wäre. Die unteren Vergleichsebenen sind durch die oben bereits dar­ gestellten Unterschiede im Bereich der Aufgaben- und Zweckrichtung und der Handhabung der einschlägigen Befugnisse gekennzeichnet. Diese Krite­ rien entscheiden konstitutiv über die Zuordnung zu einem der beiden Be­ 78  Mehde,

in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 23 zu Art. 45d GG. diesem Sinne auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 40 zu Art. 45d GG. Andere Ansicht: Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 25 zu Art. 45d GG, der Polizeibehör­ den vom Anwendungsbereich des Art. 45d GG nicht erfasst sieht. 79  In

142

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

hördenstränge. Diese Zuordnung kann für die parlamentarische Kontrolle nichtmaßgeblich sein, da diese handlungs- bzw. rechtsfolgenbezogen agiert. Das nachrichtendienstliche Handeln der Polizeibehörden und die daraus resultierenden Kontrolldefizite lösen auf Seiten des Parlaments vergleichba­ re oder sogar dieselben Kontrollbedürfnisse aus wie bei entsprechenden Handlungen der Nachrichtendienste selbst. Das insoweit deckungsgleiche Kontrollbedürfnis des Parlaments wird nicht zuletzt aus einer vergleichbaren Lage der Betroffenheit der von den nachrichtendienstlichen Maßnahmen tangierten Grundrechtsträger gespeist, denen in nicht unerheblichen Fällen der Individualrechtsschutz faktisch verschlossen ist, wodurch der Kontrolle durch das PKGr auch diesbezüglich eine notwendige kompensatorische Wirkung zukommt.80 An dieser Stelle kann zumindest auch der Rechtsgedanke der Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts zur heimlichen Infiltration eines in­ formationstechnischen Systems durch Polizeibehörden und Nachrichten­ dienste herangezogen werden, soweit das Gericht davon ausgeht, dass be­ sonders grundrechtsintensive Eingriffe erhöhten Anforderungen unterliegen, die nicht behördenabhängig differenziert ausgestaltet werden können, da die betroffenen Bürger jeweils gleich davon beeinträchtigt werden.81 Übertragen auf die parlamentarische Kontrolle lässt sich daraus entnehmen, dass Nach­ richtendienste und Polizeibehörden, soweit sie nachrichtendienstlich tätig werden und insoweit eine vergleichbar intensive Betroffenheit der Bürger bewirken, vergleichbaren Kontrollinstituten zu unterwerfen sind. Art. 45d Abs. 1 GG entscheidet sich durch die Verwendung des einigen­ den Oberbegriffes dafür, die parlamentarische Kontrolle durch das PKGr auch auf die Polizeibehörden zu erstrecken, wobei freilich dadurch keine Aussage getroffen wird, ob jegliches Handeln von Polizei und Nachrichten­ diensten im Einzelfall eine vergleichbare Betroffenheit der Bürger begrün­ det. Ist dies nicht der Fall, ergeben sich zwangsläufig anderweitige Aufklä­ rungsmöglichkeiten durch Wahrnehmung des Individualrechtsschutzes oder im Wege der „allgemeinen“ parlamentarischen Kontrolle. Art. 45d Abs. 1 GG begründet somit faktisch (nicht rechtlich) einerseits eine „Regelkontrol­ le“ der Bundesregierung im Bereich Nachrichtendienste durch das PKGr, andererseits eine rechtliche wie faktische Reservekontrolle hinsichtlich der nachrichtendienstlich tätig werdenden Polizeibehörden des Bundes. Die Verwendung des Oberbegriffes erweist sich somit als begründetes und äußerst flexibles Instrument im Umgang mit dem Beziehungsgeflecht von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden, das zunehmend engmaschi­ 80  Singer,

S. 295. 120, 274 (330 f.).

81  BVerfGE



I. Der Begriff „nachrichtendienstliche Tätigkeit“143

ger wird. Diesem Gesamtzusammenhang folgend, muss Art. 45d Abs. 1 GG in der Weise ausgelegt werden, dass neben den Nachrichtendiensten sämtli­ che Polizeibehörden des Bundes von der verfassungsrechtlichen Kontrollzu­ ständigkeit des PKGr erfasst werden, sofern diese im Hinblick auf Zustän­ digkeit und Befugnisrahmen mit dem BKA oder ZKA vergleichbar sind. 3. Zulässige Selbstbeschränkung des PKGrG n. F. bezüglich des Kontrollgegenstandes? Der in Kraft getretene Art. 45d Abs. 1 GG begründet eine Einsetzungsund Errichtungspflicht des Bundestages, die wiederum der einfache Gesetz­ geber im Hinblick auf Art. 45d Abs. 2 GG durch ein Ausführungsgesetz zu erfüllen hat, woraus sich für ihn wiederum unschwer eine konkrete Rege­ lungsverpflichtung ergibt.82 Die zu erlassende Regelung muss es dem Gremium ermöglichen, dem verfassungsmäßigen Auftrag entsprechend tätig werden zu können, wobei die durch Art. 45d Abs. 1 GG vorausgesetzte Funktion des Gremiums nicht einmal teilweise unmöglich gemacht werden darf.83 Während die Grundgesetznorm dem einfachen Gesetzgeber kaum organisatorische Vorgaben macht und damit die Entwicklungsoffenheit des zu schaffenden Gesetzes betont, wird der Zuständigkeitsbereich durch die Verwendung des Terminus „nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes“ vorbestimmt.84 Wie gerade festgestellt, soll sich die Zuständigkeit des PK­ Gr nicht auf die Nachrichtendienste im „klassischen“ Verständnis beschrän­ ken. Die Fassung von Art. 45d Abs. 1 GG war nicht zufällig gewählt, sollte sie doch die zunehmende Kompetenzvermischung zwischen Nachrichten­ diensten und Polizeibehörden aufgreifen und durch eine erhöhte Kontroll­ dichte die aufgeworfenen Lücken im System der parlamentarischen Kont­ rolle schließen.85 Durch die Streichung von § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. im Gesetzgebungs­ verfahren wurde die konstatierte Kontrollunzuständigkeit des PKGr gegen­ über den insoweit maßgeblichen Polizeibehörden des Bundes, namentlich BKA und ZKA, beibehalten, um der Bundesregierung, so die Begründung, keine weitere „Ausrede“ für ständige Auskunftsverweigerungen im Plenum 82  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rnrn. 22 f. zu Art. 45d GG, der das PKGr mit den Pflichtausschüssen nach Artt. 45, 45a und 45c GG vergleicht; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn.  12 zu Art.  45d GG. 83  Christopeit / Wolff, 77 (86); Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rn. 23 zu Art. 45d GG. 84  Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 13 zu Art. 45d GG. 85  BT-Drs. 16  /  12411, S. 9; Sten. Ber. BT 16  /  215, 27.03.2009, S. 23411 (D), 23412 (A).

144

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

und in den zuständigen Ausschüssen zu bieten, da man ansonsten die Ge­ fahr sah, dass diese parlamentarischen Kontrollgremien, denen schließlich vorrangig die Kontrolle der Polizeien obliegt, in ihrer Ressortkontrolle be­ schränkt werden könnten.86 Diese in den Beratungen vorgebrachte Argu­ mentation ist indes politischer Natur, da dem PKGr unstreitig keine aus­ schließliche Kontrollkompetenz zukommt und alle anderen Zuständigkeiten durch dessen Existenz ausdrücklich nicht berührt werden. Die Einwendun­ gen machen außerdem deutlich, dass der einfache Gesetzgeber die Einbe­ ziehung der Polizeibehörden nicht dem Grunde nach ablehnte, allenfalls die möglichen Folgewirkungen scheute. Während die Beratungen zum PKGrG n. F. die Streichung des § 1 Abs. 2 ausdrücklich thematisieren und begründen, wurden sprachliche Eingrenzun­ gen in Art. 45d Abs. 1 GG nicht vorgenommen. Die so entstandene Inhalts­ diskrepanz zwischen Art. 45d Abs. 1 GG einerseits und dem PKGrG n. F. andererseits wird man nicht durch Auslegung des einfachen Gesetzes aus­ gleichen können, da sich der einfache Gesetzgeber im Laufe der Beratungen dafür zu entschieden gegen eine etwaige Einbeziehung von Polizeibehörden des Bundes in die Kontrollzuständigkeit des PKGr ausgesprochen hat. Auch bietet der abschließende und eindeutige Wortlaut von § 1 Abs. 1 PKGrG n. F. keine Möglichkeit zur verfassungskonformen Auslegung. Es verbliebe daher nur die Annahme einer aufgeteilten Einrichtungsverpflichtung durch eine entsprechend einschränkende Auslegung des Art. 45d Abs. 1 GG. Da­ nach erfasst Art. 45d Abs. 1 GG Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Anwendungsbereich, statuiert eine Einrichtungsverpflichtung jedoch nur bezüglich der drei Nachrichtendienste des Bundes, im Übrigen lediglich ein Einrichtungsrecht des einfachen Gesetzgebers. Das Beratungsverfahren lie­ fert für eine solche Aufspaltung jedoch keine Anhaltspunkte. Einschränken­ de Überlegungen zur inhaltlichen Reichweite des Art. 45d Abs. 1 GG wur­ den nicht ernsthaft erörtert.87 Aus diesem Grunde verständigte man sich in den Ausschussberatungen auch nicht auf eine klarstellende Erklärung zur Gesetzesbegründung zu Art. 45d GG, durch die eine dem Wortlaut nicht voll entsprechende Auslegung hätte vorgegeben werden können. Die ohne­ 86  BT-Drs. 16  /  13220, S. 9  f.; PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16  /  98, 27.05.2009, S. 26. 87  Dies galt bis zum Schluss der Beratungen. Als der Abgeordnete Ströbele (Bündnis 90 / Die Grünen) in der 2. Lesung den weitreichenden Begriff der „nach­ richtendienstlichen Tätigkeit“ in Art. 45d GG beanstandete, entgegnete ihm der Abgeordnete Stadler (FDP), ob nicht die Streichung des § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. und der nunmehrige § 1 Abs. 2 PKGrG n. F. ausreichend seien, um die begründeten Bedenken fallen lassen zu können, siehe Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24902 (A). Die Versteifung auf eine Anpassung nur des einfachen Gesetzes kann daher nicht als „Versehen“ angesehen werden, da die Problematik ausdrücklich angespro­ chen worden ist.



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot145

hin ungewöhnliche, weil stark begründungsbedürftige Auslegungsvariante kommt sonach nicht in Betracht. Es bleibt festzustellen, dass der einfache Gesetzgeber seiner Regelungs­ verpflichtung bislang nicht vollumfänglich nachgekommen ist. Die aus­ nahmslose Beschränkung der Kontrollzuständigkeit auf die drei Nachrich­ tendienste im PKGrG n. F. ist verfassungsrechtlich nicht ausreichend. Soweit man an der konkreten Formulierung des § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. monierte, sie lade die Bundesregierung im Bereich des BKA und ZKA zu Auskunftsverweigerungen in den regulären Ausschüssen des Bundestages geradezu ein, verbliebe nunmehr die Möglichkeit, den in Art. 45d Abs. 1 GG verwendeten Wortlaut in § 1 Abs. 1 PKGrG n. F. ebenso wenig plakativ zu integrieren. Der Absatz könnte daher lauten: „Die Bundesregierung un­ terliegt hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes, insbe­ sondere die des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Ab­ schirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes, der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium.“

II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot 1. Zur inhaltlichen Bedeutung des Trennungsgebotes Soweit die zunehmende Kompetenz- und Befugnisannäherung von Nach­ richtendiensten und Polizeibehörden thematisiert wird, lässt sich ein Hin­ weis auf das bestehende Trennungsgebot kaum vermeiden. Das Trennungs­ gebot ist eine „Hinterlassenschaft“ aus vorkonstitutioneller Zeit, genauer aus der Zeit unmittelbar vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949.88 In dieser Zeit übergaben die westalliierten Militärgouverneure den Vertre­ tern des Parlamentarischen Rates den sogenannten „Polizeibrief“ vom 14. April 1949, der die Bundesregierung auch ermächtigen sollte, „… eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Tätigkeit der Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurich­ ten …“, jedoch sollte eine derartige Stelle über „… keine Polizeibefugnis­ se …“ verfügen dürfen.89 Unter Beachtung dieses Schreibens wurde sodann das Grundgesetz verabschiedet und von den westalliierten Militärgouver­ neuren unter nochmaliger Bezugnahme auf den „Polizeibrief“ genehmigt, wenngleich das Grundgesetz die angeordnete befugnisrechtliche Trennung 88  Lang,

Das Antiterrordateigesetz, S. 102. S.  102 ff.; Nehm, Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot, NJW 2004, 3289 (3289 f.). 89  Lang,

146

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

nie ausdrücklich sprachlich wiedergegeben hat.90 Die Vorgaben finden sich lediglich im einfachen Nachrichtendienstrecht wieder, indem einerseits ein Angliederungsverbot an Polizeidienststellen angeordnet wird, zum anderen polizeiliche Befugnisse, Weisungsbefugnisse und Amtshilferechte bezüglich nicht selbst zustehender Kompetenzen als nicht existent erklärt werden.91 Diesen einfachgesetzlichen Vorgaben folgend, entwickelten sich konkrete Vorstellungen über die inhaltliche Ausgestaltung des Trennungsgebotes: a) Die befugnisrechtliche Komponente Unstreitig beinhaltet das Trennungsgebot eine befugnisrechtliche Kompo­ nente, die es den Nachrichtendiensten verbietet, klassische polizeiliche Zwangsbefugnisse wie Beschlagnahme, Durchsuchung, Verhaftung und Vernehmung selbst vorzunehmen; sie dürfen freilich auch keine Weisungen zur Durchführung derartiger Zwangsmaßnahmen erteilen oder andere Be­ hörden im Wege der Amtshilfe darum ersuchen.92 In konsequenter Fortfüh­ rung dieser Sachlage streiten nicht wenige Stimmen in der Literatur dafür, das befugnisrechtliche Trennungsgebot auch in umgekehrte Richtung anzu­ wenden; mithin der Polizei zumindest grundsätzlich die Verwendung der Informationsbefugnisse, die den originären Nachrichtendienstkompetenzen zuzuordnen sind, zu versagen.93 Sinn und Zweck der befugnisrechtlichen Trennung ist die Verhinderung einer Machtkonzentration in einer Behörde nach den Vorbildern von Gesta­ po im Dritten Reich und Stasi in der ehemaligen DDR. Die insoweit beste­ hende Gefahr einer Machtkumulation in einer staatlichen Stelle kann deshalb nicht nur aus einer „Verpolizeilichung der Nachrichtendienste“, sondern auch aus einer „Vernachrichtendienstlichung der Polizeien“ resultieren.94 90  Haedge,

S. 131; Lang, S. 104, 141. Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 3 BVerfSchG; §§ 1 Abs. 1 S. 2, 2 Abs. 3 BNDG; §§ 1 Abs. 4, 4 Abs. 2 MADG. 92  Albert, Das „Trennungsgebot“, ZRP 1995, 105 (105); Lang, S.  110 f.; Nehm, 3289 (3289 f., 3292); Wolff / Scheffczyk, Verfassungsrechtliche Fragen der gemeinsa­ men Antiterrordatei, JA 2008, 81 (83). 93  Albert, 105 (106); Baumann, Vernetzte Terrorismusbekämpfung, DVBl. 2005, 798 (800); Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (471); Lang, S.  111 ff.; Lisken, Neue polizeiliche Ermittlungsmethoden, DRiZ 1987, 184 (188); Rose-Stahl, S. 123. Andere Ansicht: Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit, S. 229; Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (485); Nehm, 3289 (3293); Zweifelnd: Paeffgen / Gärditz, Die föderale Seite des „Trennungsgebotes“, KrVjschr 2000, 65 (65). 94  Albert, 105 (106); Baumann, 798 (800); Bäumler, Datenschutz beim Verfas­ sungsschutz, AöR 110 (1985), 30 (51); Lang, S. 113; Schafranek, S. 177. 91  §§ 2



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot147

b) Die organisatorische Komponente Darüber hinaus entnimmt man dem Trennungsgebot eine organisations­ rechtliche Vorgabe, die es verbietet, Nachrichtendienst- und Polizeibehörden zusammen zu legen.95 Dieser Grundsatz ist ein Ausfluss der befugnisrechtli­ chen Trennung, die nur dann realisiert werden kann, wenn die betroffenen Stellen auch organisatorisch verschieden sind.96 Das Gebot der organisatori­ schen Trennung schließt natürlich punktuelle Kooperationen nicht aus, solan­ ge die Zuständigkeiten gewahrt bleiben und auch nicht durch personelle „Vermischungen“ unterlaufen werden.97 Ebenfalls unzulässig ist es, Nach­ richtendienste einer Polizeidienststelle anzugliedern, wie auch umgekehrt, Polizeidienststellen einem Nachrichtendienst unterzuordnen.98 c) Die funktionale Komponente Problematischer99 ist die Anerkennung einer funktionalen Trennung100, mithin die Annahme unterschiedlicher exklusiver Aufgabenbereiche im Sinne einer klassisch-typisierenden Aufteilung: Der Polizei obliegt die Aufklärung von Straftaten auf Grundlage eines Anfangsverdachts sowie die Gefahrenab­ wehr bei konkreter Gefahr, die Nachrichtendienste hingegen agieren im „Ge­ fahrenvorfeld“ im Hinblick auf den verfassungsschutzrelevanten Rechtsgü­ terschutz.101 Ein funktionales Trennungsgebot im beschriebenen Sinn ist je­ doch gesetzlich nicht geregelt.102 Das Trennungsbedürfnis könnte insoweit 95  BVerfGE 97, 198 (217); 100, 313 (369 f.); Sächsischer VerfGH, NVwZ 2005, 1310 (1311); Albert, 105 (105); Baumann, 798 (800); Gusy, Das verfassungsrechtli­ che Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten, ZRP 1987, 45 (48 f.); Lang, S.  113 f.; Roggan / Bergemann, 876 (876); Wolff / Scheffczyk, 81 (83). 96  Lang, S. 114. 97  Baumann, 798 (804); Lang, S. 114. 98  Baumann, 798 (800); Gröpl, S. 301; Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (483 f.); Lang, S.  113 ff. 99  Eine aufgabenbezogene Komponente verneinend: Nehm, 3289 (3293). 100  Roewer, Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörden, DVBl. 1986, 205 (207), der lediglich von einer deutlichen Unterscheidbarkeit spricht, die indes enge Berührungspunkte bei der Aufgabenwahrnehmung nicht ausschließt. 101  Droste, S.  292 f.; Lang, S. 116; beschreibend Wolff, Die Grenzverschiebung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, 597 (601 m. w. N.). Differenzierend: Albers, S.  228 f. 102  Dennoch auf die Unvollständigkeit des Trennungsgebotes bei Verneinung ei­ ner aufgabenbezogenen Komponente hinweisend, siehe Sächsischer VerfGH, NVwZ 2005, 1310 (1311 f.). Ebenso Albert, 105 (106); Gusy, Das verfassungsrechtliche Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten, 45 (49); Kutscha, Neue Grenzmarken des Polizeiverfassungsrechts, NVwZ 2005, 1231 (1234); Roggan / Bergemann, 876 (876); Rose-Stahl, S. 123.

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

letztlich aus dem anerkannten „Verbot der Doppelzuständigkeit“ folgen,103 das im funktionalen Trennungsgebot lediglich seine nachrichtendienstlichpolizeiliche Konkretisierung gefunden haben könnte. Eine Behördentrennung kann danach nur dann in Betracht kommen, wenn die betroffenen Behörden nicht nur über unterschiedliche Befugnisse verfügen, sondern auch unter­ schiedliche Aufgaben wahrnehmen.104 Ansonsten verstieße die organisatori­ sche Trennung selbst gegen das „Verbot der Doppelzuständigkeit“. Die oben bereits beschriebenen Aufgabenannäherungen von Polizei und Nachrichtendiensten seit den 1970er Jahren deuten indes gegen die Annah­ me eines Gebots zur Schaffung streng-exklusiver Aufgabenbereiche im Grenzbereich nachrichtendienstlichen und polizeilichen Handelns hin. Je­ denfalls im Hinblick auf die Übertragung polizeilicher Aufgaben auf den Bundesnachrichtendienst im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gefolgert, dass derartige Einbeziehun­ gen der Nachrichtendienste in klassische polizeiliche Aufgabenbereiche wie die Verhütung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten als solche von der Kompetenznorm grundsätzlich nicht erfasst werden.105 Dies wiederum schließt Überlagerungen bei der konkreten Aufgabenwahrnehmung nicht aus, solange die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung eine klare Abgrenzung der Kompetenzbereiche vorsieht, so dass sich gegenstandsbezogene Über­ schneidungen bei der konkreten Aufgabenwahrnehmung dennoch dem auf Informationsgewinnung aus Gründen des Verfassungsschutzes zielenden Primärzweck der Nachrichtendienste zuordnen lassen.106 Will man mit die­ ser Entscheidung zugleich eine Konkretisierung des funktionalen Tren­ nungsgebotes annehmen,107 wird man zugestehen müssen, dass eine derar­ tige Trennung nur dem Grunde nach existiert und eine überlagernde Aufga­ benwahrnehmung im Grenzbereich nur sehr eingeschränkt zu verhindern vermag.108 Die beschriebene Aufgabentrennung müsste freilich auch umge­ kehrt gelten, will man eine Vermischung der Aufgabengebiete effektiv ver­ 103  Diesen Aspekt ansprechend, siehe Mehde, Terrorismusbekämpfung durch Or­ ganisationsrecht, JZ 2005, 815 (817 f., 819) unter Verweis auf BVerfGE 104, 249 (266 f.). 104  Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (471), der entweder unterschied­ liche Aufgaben oder unterschiedliche (Befugnis-)Mittel verlangt. 105  BVerfGE 100, 313 (370 f.). 106  BVerfGE 100, 313 (370 f.); Sächsischer VerfGH, NVwZ 2005, 1310 (1312); Möstl, Verfassungsrechtliche Vorgaben, 1394 (1400). 107  Lang, S. 119. 108  Für diese vermittelnde Ansicht: Spitzer, S. 26 f. Nach Hirsch, S. 95 verbietet das Trennungsgebot, den Aufgabenbereich der Polizei so auszuweiten, dass der Be­ reich der Nachrichtendienste mit erfasst wird.



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot149

hindern, wobei dann polizeiliches Handeln im „Vorfeld“ einen hinreichend deutlichen Bezug zum Primärzweck der Gefahrenabwehr aufweisen muss.109 d) Die informationelle Komponente Der umstrittenste Bereich bei der Diskussion um die inhaltliche Reich­ weite des Trennungsgebotes ist die Annahme einer informationellen Kom­ ponente.110 Gegenstand der Auseinandersetzung ist kein Totalverbot, sondern die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Datenaustausch zwischen den nachrichtendienstlichen und polizeilichen Sicherheitsbehörden unter Berück­ sichtigung des Trennungsgebotes im Einzelfall zugelassen werden kann.111 Mit Blick auf das allgemein anerkannte befugnisrechtliche Trennungsgebot wird zum Teil gefordert, dass Informationen der Polizei, die mithilfe ihrer klassischen Zwangsmaßnahmen (rechtmäßig) entstanden sind, den Nachrich­ tendiensten grundsätzlich nicht übermittelt werden dürften, da letzteren derar­ tige Zwangsbefugnisse nicht zustehen.112 Im Ergebnis sollen danach grund­ sätzlich nur die Informationen übermittelt werden dürfen, die der jeweilige Empfänger innerhalb des ihm eingeräumten Zuständigkeitsbereiches selbst hätte erheben dürfen, wobei die jeweilige Information wiederum mit Mitteln beschafft werden muss, die auch dem jeweiligen Empfänger zur Verfügung stehen.113 Vergleichbares soll auch umgekehrt gelten, sofern Nachrichtendiens­ te Informationen mithilfe originärer Nachrichtendienstbefugnisse generieren, die in dieser Ausprägung den Polizeibehörden nicht zur Verfügung stehen.114 109  Lang,

S.  122 f. dagegen: Gröpl, S.  315 f.; Gujer, in: Smidt / Poppe / Krieger / Mül­ ler-Enbergs, S. 74 (75 f.); Hirsch, S. 98; Nehm, 3289 (3294); Paeffgen / Gärditz, 65 (68); Trute, in: GS B. Jeand’Heur, S. 403 (426); Wolff / Scheffczyk, 81 (84). 111  Albers, S. 228; Bäumler, 30 (51); Denninger, Die Trennung von Verfassungs­ schutz und Polizei, ZRP 1981, 231 (233); Droste, S.  296 f.; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 36 (37), der durch einen zu intensiven Datenfluss das Trennungsgebot infrage gestellt sieht; Kutscha, Die Aktualität des Trennungsge­ bots für Polizei und Verfassungsschutz, ZRP 1986, 194 (197); Lang, S.  125 f.; Roggan / Bergemann, 876 (876 f.). 112  Bull, Datenschutz contra Amtshilfe, DÖV 1979, 689 (695), wonach allenfalls für „Zufallsfunde“ etwas anderes gelten kann; Lang, S.  127 ff.; Lisken, 184 (188); Zöller, Der Rechtsrahmen der Nachrichtendienste, JZ 2007, 763 (770). Andere An­ sicht: Götz, HdBStR, Band III, 2. Auflage, Rn. 43 zu § 79; BT-A-Drs. 16(4)131 A, Stellungnahme Möstl, S.  4 f. 113  Baumann, 798 (801), der sich für einen „doppelten Vorbehalt“ ausspricht; Lang, S. 136. Gusy, Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (488 f.) verlangt lediglich, dass die Polizei die zu übertragenden Informationen rechtmäßig gewonnen hat. 114  Lang, S. 132 f. Andere Ansicht: BT-A-Drs. 16(4)131 A, Stellungnahme Möstl, S.  3 f. 110  Grundsätzlich

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E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

Letztlich gilt es sicherzustellen, dass die anerkannten Teile des Tren­ nungsgebotes nicht durch eine entsprechend umfängliche Informationshil­ feregelung geschwächt oder gar unterlaufen werden.115 Die Gefahr einer Instrumentalisierung der Polizeibehörden durch die Nachrichtendienste be­ steht, so wird vertreten, jedoch dann nicht mehr, wenn die Zwangsmittel der Polizei im Zeitpunkt der Informationsübermittlung zum Zwecke der ausschließlich eigenen Aufgabenverfolgung bereits (rechtmäßig) zur An­ wendung kamen. In einem solchen Fall kommt es mithin auch nicht zu ungewollten „indirekten Befugniserweiterungen“ auf Seiten der Nachrich­ tendienste, so dass weitergehende Informationsbeschränkungen auf Grund­ lage eines (selbstständigen) informationellen Trennungsgebotes nicht herge­ leitet werden können.116 Aufgrund der weiterhin bestehenden Unterschiedlichkeit von Polizeibe­ hörden und Nachrichtendiensten geht das Bundesverfassungsgericht in sei­ ner aktuellen Rechtsprechung indes von der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines gegenseitigen Datenaustausches aus.117 Danach resultiert aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein informationelles Trennungsprinzip, das nur ausnahmsweise durchbrochen werden darf, wobei Ausnahmen zum Zwecke der operativen Aufgabenwahrnehmung als beson­ ders schwere Eingriffe in das Grundrecht zu qualifizieren sind.118 Eine Rechtfertigung für einen derartigen Eingriff kommt nur dann in Betracht, sofern der Datenaustausch grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen Interesse dient, wobei die „normenklare“ gesetzliche Ermächtigungsgrund­ lage hinreichend konkrete und qualifizierte Eingriffsschwellen vorsehen muss.119 Das Gericht betont an dieser Stelle auch den Grundsatz der Ver­ hältnismäßigkeit, der im Rahmen der Speicherung und Nutzung der perso­ nenbezogenen Daten unter anderem eine wirksame aufsichtliche Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten bedingt.120

115  Schafranek,

S.  173 f. Das gesetzliche Trennungsgebot, 467 (488 f.); Hirsch, S. 98, leitet ent­ sprechende Informationsbeschränkungen aus „… dem Prinzip der eigenen Exekutiv­ verantwortung jeder Behörde im Zusammenspiel mit dem grundrechtlich gewährten Recht auf informationelle Selbstbestimmung …“ her; Klee, Neue Instrumente der Zusammenarbeit, S. 134; Lang, S.  230 f.; Schafranek, S. 175. 117  BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07, Abs. 123. 118  BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07, Abs. 123. 119  BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07, Abs. 123. 120  BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07, Abs. 204 ff., 207, 214 ff. 116  Gusy,



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot151

2. Das Trennungsgebot und die neuere Sicherheitsgesetzgebung des Bundes Die Sicherheitsgesetzgebung des Bundes der letzten Jahre ist geprägt von dem Gedanken, eine lückenlose Sicherheitsarchitektur zu konzipieren, die möglichst alle relevanten Sicherheitsbehörden optimal aufeinander abstimmt und miteinander verknüpft, um durch diesen „ganzheitlichen Bekämpfungs­ ansatz“121 größtmögliche Sicherheit herstellen zu können. Dass ein solcher Ansatz im Grenzbereich polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht ohne Auswirkungen auf das Trennungsgebot realisiert werden kann, versteht sich von selbst. Der an dieser Stelle zu verzeichnende „Paradigmenwechsel“ nach dem 11. September 2001 fand seinen Ursprung in der Einrichtung des Gemein­ samen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ), das die Aufgabe hat, extremis­ tische und terroristische Bedrohungslagen frühestmöglich zu erkennen und daran anschließende Operativmaßnahmen der beteiligten Sicherheitsbehör­ den bundesweit abzustimmen und zu koordinieren.122 Die Erreichung dieses Aufgabenziels macht es erforderlich, aktuelle nachrichtendienstliche und polizeiliche Erkenntnisse in täglichen Lagebesprechungen auszutauschen. Dieses Konstrukt wahrt zwar formal die jeweilige Zuständigkeit, indem zwei Informations- und Analysestellen, einmal für den polizeilichen und einmal für den nachrichtendienstlichen Bereich installiert worden sind.123 Dennoch begründete die Einrichtung des GTAZ, das am 14. Dezember 2004 seine Arbeit aufgenommen hatte, einen ersten Meilenstein zur Schaffung eines informationellen Verbundes zwischen Nachrichtendienst- und Polizei­ behörden, wodurch freilich die Existenz eines informationellen Trennungs­ gebotes nicht ausdrücklich infrage gestellt wurde, wohl aber dieser Kompo­ nente des Trennungsgebotes nur noch „formale“ Beachtung geschenkt worden ist.124 Diese Entwicklung fortsetzend wurde zum Zwecke der Intensivierung der nachrichtendienstlich-polizeilichen Informationszusammenarbeit am 31. Dezember 2006 das Gemeinsame-Dateien-Gesetz125 in Kraft gesetzt. Den inhaltlichen Kern des neuen Gesetzes bildet das Antiterrordateigesetz (ATDG), das auch eine standardisierte zentrale Datei schafft, die beim BKA geführt wird, und den beteiligten polizeilichen und nachrichtendienst­ 121  Saurer, Die Ausweitung sicherheitsrechtlicher Regelungsansprüche, NVwZ 2005, 275 (276). 122  Lang, S. 97; Zöller, 763 (767). 123  Lang, S. 98; Zöller, 763 (768). 124  Zöller, 763 (768). 125  Siehe unter Fn. 19 in Kapitel B. I.

152

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

lichen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder eine bessere Auf­ gabenerfüllung im Kampf um Aufklärung oder Bekämpfung des internati­ onalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland ermögli­ chen soll, siehe § 1 Abs. 1 ATDG. Im Hinblick auf das informationelle Trennungsgebot wird die Zugriffsmöglichkeit auf die Daten der Antiterror­ datei gemäß § 5 ATDG kritisiert, da die Vorschrift keine Unterscheidung danach vornimmt, auf welche Weise die Informationen erlangt worden sind, insbesondere ob Polizeibehörden klassische Exekutivbefugnisse ge­ zielt zur Anwendung bringen mussten, so dass nicht sichergestellt werden kann, dass die abrufende Behörde die zu erlangenden Informationen mit­ hilfe der tatsächlich verwendeten Befugnisse auch selbst hätte rechtmäßig erheben dürfen.126 Gleiches gilt bezüglich der existierenden ausschließli­ chen Aufgabenbereiche, da die beteiligten Behörden auch insoweit Infor­ mationen erhalten können, die im jeweils eigenen gesetzlichen Zuständig­ keitsrahmen nicht zu erlangen gewesen wären.127 Es zeigt sich, dass die mit dem GTAZ aufgetretenen „Aufweichungstendenzen“ um das informa­ tionelle Trennungsgebot durch das ATDG nicht beseitigt, sondern eher ver­ stärkt worden sind.128 Eine besonders deutliche Infragestellung des informationellen und befug­ nisrechtlichen Trennungsgebotes wird in der Möglichkeit der Nachrichten­ dienste (§ 17 Abs. 3 BVerfSchG) gesehen, im Schengener Informationssys­ tem der zweiten Generation (SIS II), ein polizeiliches Fahndungssystem, das in Deutschland von der Bundespolizei mit grenzpolizeilich erlangten Infor­ mationen gespeist wird, zur eigenen Aufgabenerfüllung Ausschreibungen zur Erlangung bestimmter Informationen über Personen und bestimmte Sa­ chen einzustellen, die wiederum gezielt mit grenzpolizeilichen Mitteln (Durchsuchung), die den Nachrichtendiensten nicht zur Verfügung stehen, beschafft werden können.129 126  Kutscha, in: Roggan / Kutscha, S. 81; Lang, S.  230 f.; Stubenrauch, Gemeinsa­ me Verbunddateien, S.  59 ff.; Zöller, 763 (770). Andere Ansicht: Wolff / Scheffczyk, 81 (84), wonach die Argumentation zwar schlüssig ist, wegen fehlender normativer Anknüpfungspunkte für ein informationelles Trennungsgebot im Grundgesetz jedoch im Ergebnis abzulehnen sei. 127  Lang, S.  233 ff.; Roggan / Bergemann, 876 (876 f.); Zöller, 763 (770). 128  Roggan / Bergemann, 876 (877); in diesem Sinne auch Stubenrauch, S. 219; Volkmann, Polizeirecht als Sozialtechnologie, NVwZ 2009, 216 (218), der in der informationellen Vernetzung eine Unterhöhlung des Trennungsgebotes erblickt; Zöller, 763 (770), spricht von einer Ignorierung des Trennungsgebotes durch das ATDG. Diese Einschätzung wird durch BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07, grundsätzlich bestätigt, soweit festgestellt wird, dass das ATDG den verfassungs­ rechtlichen Anforderungen nicht vollends genügt. 129  Roggan / Bergemann, 876 (880).



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot153

Eine weitere Gesetzesänderung betrifft das Zollfahndungsdienstgesetz (ZFdG)130 aus dem Jahre 2002, wodurch es dem Zollkriminalamt gestattet wurde, durch präventive Post- und Fernmeldekontrollen gemäß der §§ 23a bis 23e und 23g ZFdG bestimmte Verletzungen im Bereich des Kriegswaf­ fenkontroll- und Außenwirtschaftsrechts zu verhüten. Diese Polizeibehörde des Bundes, der es mit Mitteln der heimlichen Überwachung zu arbeiten erlaubt ist, weist insoweit eine deutliche Aufgaben- und Befugnisparallelität zum BND auf, dem es nach § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 Artikel-10-Gesetz eben­ falls gestattet ist, in diesem Metier entsprechende strategische Beschränkun­ gen im Schutzbereich des Art. 10 GG zu veranlassen.131 In diesem Zusammenhang ist auch zu konstatieren, dass die voranschrei­ tende Übertragung von strategischen Überwachungskompetenzen im Bereich der Organisierten Kriminalität auf Seiten des BND im Inland eine faktische Aufgabenkonkurrenz mit dem insoweit ebenfalls beobachtenden BKA zur Folge hat.132 Eine vergleichbare Sachlage ist im Rahmen der präventiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus (§ 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Artikel10-Gesetz) mit Blick auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG festzustellen.133 An dieser Stelle nicht zu vernachlässigen sind die Änderungen im Staats­ schutzstrafrecht, wodurch Straftatbestände wie bspw. § 89a StGB zuneh­ mend an das Tatvorfeld anknüpfen; die Schaffung derartiger Vorbereitungs­ delikte greift einen „präventionsorientierten“ strafrechtlichen Ansatz auf, der ebenfalls dazu beitragen wird, nicht nur die repressive Tätigkeit der Polizei im Vorfeldbereich zu verstärken.134 Die bedeutendste Neuausrichtung im Bereich der Sicherheitsgesetzgebung des Bundes wird indes durch die Einfügung von Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG im Jahre 2006 im Rahmen der Föderalismusreform135 und durch die Ände­ rung des BKAG zum 1. Januar 2009136 durch Schaffung von § 4a Abs. 1 begründet. Der grundgesetzliche Kompetenztitel ermächtigt den Bund zur 130  Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter vom 16.08.2002, BGBl. I, S. 3202. 131  Kornblum, S. 106. 132  Hansen, S. 71. 133  Zur schwierigen Abgrenzung der Kompetenzen und Zuständigkeiten in diesem Bereich, siehe Bäcker, Das G 10 und die Kompetenzordnung, DÖV 2011, 840 (847). 134  Sieber, Legitimation und Grenzen von Gefährdungsdelikten, NStZ 2009, 353 (356, 363); Wolff, Die Grenzverschiebung von polizeilicher und nachrichtendienstli­ cher Sicherheitsgewährleistung, 597 (600). 135  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28.08.2006, BGBl. I, S. 2034. 136  Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008, BGBl. I, S. 3083.

154

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

präventiv-polizeilichen Aufgabenübertragung im Bereich des internationalen Terrorismus an das BKA, wobei es dem Bund zugleich auch gestattet ist, der Behörde die zur Aufgabenerfüllung dienlichen präventiven Eingriffsbe­ fugnisse zu gewähren.137 Durch diese Norm gewährt das Grundgesetz dem BKA erstmals das subsidiäre Recht zur polizeilichen Gefahrenabwehr, wenngleich der zugewiesene Aufgabenbereich, die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, sehr begrenzt ist.138 Die Zuweisung präven­ tiv-polizeilicher Befugnisse ist im vorliegenden Zusammenhang deshalb so beachtlich, weil diese Befugnisse zu den bereits bestehenden Ermittlungsund Zwangsbefugnissen des BKA im repressiven Bereich hinzutreten.139 War das BKA bislang im Rahmen der repressiven Terrorismusbekämpfung im Vorfeld eines Verbrechens tätig, war dies der bereits angesprochenen Pönalisierung von Vorbereitungshandlungen in diesem Strafbereich (§§ 129a, 129b StGB) geschuldet. Insofern bestand bereits ein Überschneidungsbe­ reich mit den Tätigkeitsfeldern der Nachrichtendienste, allerdings konnte stets die verschiedenartige Zweckrichtung betont werden; zum einen die ausschließlich präventiv angelegte Tätigkeit der Nachrichtendienste und andererseits die repressive Arbeit des BKA.140 Werden nunmehr Nachrichtendienste und das BKA im Vorfeldbereich tätig141 und verfolgen sie im Hinblick auf den Kampf gegen den interna­ tionalen Terrorismus denselben Rechtsgüterschutz, kann die Feststellung einer „Vernachrichtendienstlichung der Polizei“ insoweit nicht mehr negiert werden.142 Komplettiert wird dieser Befund bei Durchsicht der gewährten Befugnis­ se im geänderten BKAG. Der umfängliche Befugniskatalog der §§ 20a bis 20x BKAG gewährt dem BKA im Bereich der Abwehr von Gefahren des 137  Bäcker, Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt, S. 30 f.; Uhle, Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Abwehr von Gefahren des internatio­ nalen Terrorismus, DÖV 2010, 989 (993). 138  Wolff, Die Grenzverschiebung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, 597 (597 f.). Die Zuständigkeit des BKA setzt zudem das Vorliegen von drei alternativen Konstellationen voraus: Bestehen einer länderüber­ greifenden Gefahr, Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde ist nicht erkennbar oder eine oberste Landesbehörde ersucht um Übernahme. 139  Bäcker, Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt, S. 44 ff. 140  Bäcker, Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt, S. 48 f. 141  Das BKA erhält nach § 4a Abs. 1 S. 2 BKAG auch eine Zuständigkeit bei der Verhütung terroristischer Straftaten. Der Gefahrenbegriff des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG ist weit zu verstehen und umfasst auch die Straftatenverhütung im Vorfeld kon­ kreter Gefahren, siehe Bäcker, Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt, S. 36; Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 214 zu Art. 73 GG m. w. N. 142  Wolff, Die Grenzverschiebung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, 597 (599).



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot155

internationalen Terrorismus geheime Ermittlungsbefugnisse, wie OnlineDurchsuchungen oder die optische Wohnraumdurchsuchung, die den Nach­ richtendiensten in dieser Form bislang nicht zugewiesen worden sind. Auch dadurch zeichnet sich im Bund ein Paradigmenwechsel ab, der zunehmend darauf hinausläuft, vorrangig die Polizei und nicht die Nachrichtendienste mit neuartigen geheimen Ermittlungsbefugnissen auszustatten.143 An dieser Stelle verdeutlicht sich die Argumentation, die im Rahmen des befugnis­ rechtlichen Trennungsgebotes vor einer Befugniskumulation auch bei den Polizeibehörden warnt und daraus befugnisrechtliche Restriktionen auch auf deren Seite fordert. Die einfach- und grundgesetzlich legitimierte Zuwei­ sung echter Polizeikompetenzen an das BKA verschaffte dieser Bundesbe­ hörde eine neue Rolle im deutschen Sicherheitsgefüge.144 Während beide Gesetze die originäre Kompetenz der Länder im Feld der Gefahrenabwehr ausdrücklich aufgreifen und unberührt lassen,145 blieben hingegen die zu­ gleich bewirkte „horizontale“ Überlagerung mit der Tätigkeit der Nachrich­ tendienste auf dem Gebiet der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die damit einher gehenden Konsequenzen gesetzgeberisch zunächst (bewusst) unberücksichtigt.146 Durch die neuere Sicherheitsgesetzgebung des Bundes hat die Relativie­ rung des Trennungsgebotes weiter an Fahrt gewonnen, wobei die Gesetzge­ bungsverfahren zur neuen Polizeikompetenz des BKA nicht nur den bishe­ rigen Schlussstein, sondern auch den Höhepunkt bilden. 3. Art. 45d GG bedingte Auswirkungen auf das Trennungsgebot Die Anordnung einer einheitlichen subsidiären Kontrollzuständigkeit des PKGr offenbart die vorangeschrittene materielle Annäherung von Polizeiund Nachrichtendienstbehörden sowie die damit einhergehenden Kontrollde­ fizite im Polizeibereich, die von Art. 45d GG und dem PKGrG n. F. nunmehr aufgegriffen werden. Dieser Zusammenhang zeigt sich besonders deutlich im Hinblick auf die Änderungen des BKAG, die mit Beginn des Jahres 2009 in Kraft getreten sind. Im Laufe jenes Gesetzgebungsverfahrens wurde von sachverständiger Stelle mehrfach die Forderung erhoben, schwindende rechtsstaatliche Siche­ 143  Kritisch zur inhaltlichen „Fülle“ der Maßnahmen, siehe Schmidt-Jortzig, Er­ mittlungskompetenzen des BKA, S. 147; Wolff, Die Grenzverschiebung von polizei­ licher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, 597 (600). 144  Hansen, S. 45. 145  Uhle, 989 (995 ff.). 146  Auf diesen Umstand hinweisend, siehe BT-A-Drs. 16(4)460 H, Stellungnahme Geiger, S. 1; BT-A-Drs. 16(4)460 J, Stellungnahme Poscher, S.  19 ff.

156

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

rungen, die aus einer inhaltlichen Zurückdrängung des Trennungsgebotes resultieren, adäquat zu kompensieren; will heißen: auch insoweit eine wirk­ same parlamentarische Kontrolle zu installieren.147 Indem Art. 45d GG diese Forderungen aufgreift, sollen in erster Linie freilich „schädigende“ Wirkungen auf das Trennungsgebot aufgefangen und neutralisiert werden; zugleich werden jedoch die in der Vergangenheit vorgenommenen Relativie­ rungen des Trennungsgebotes verfassungsrechtlich „bestätigt“, so dass die­ ses Vorgehen mittelbar auch eine inhaltlich beschränkende Wirkung auf das institutionalisierte Trennungsgebot entfaltet.148 Eine derartige Einschätzung deckt sich mit der Gesetzesbegründung zu Art. 45d GG, die in diesem Zusammenhang auf „Mischsachverhalte“ hin­ weist, die dazu führen können, dass Polizei- und Nachrichtendienstbehörden parallel tätig werden können.149 Auf diese Weise wird deutlich, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht von einer (strengen) Exklusivität der Aufgabenbereiche beider Behördenstränge ausgeht, sondern grundsätzlich eine Parallelisierung hinnimmt. Die ebenfalls zur Erwähnung gebrachte Kompetenzannäherung gibt Anlass zu der Annahme, dass eine strenge Be­ fugnisabgrenzung von Polizei und Nachrichtendiensten, wie sie zum Teil in Rede steht, von Seiten des verfassungsändernden Gesetzgebers ebenfalls nicht verlangt wird.150 Der Gesetzgeber des Art. 45d GG macht damit deut­ lich, den „extremen“ Ansichten um das Trennungsgebot nicht Folge leisten 147  BT-A-Drs. 16(4)460 H, Stellungnahme Geiger, S. 1; BT-A-Drs. 16(4)460 J, Stellungnahme Poscher, S. 21. So greift § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. eine „aktuelle Entwicklung im System des Sicherheitsrechts“ auf, siehe BT-Drs. 16 / 12411, S. 9. Auf den Zusammenhang hinweisend, siehe Wolff, Die Grenzverschiebung von poli­ zeilicher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, 597 (598 f.). 148  Es kann folglich an dieser Stelle dahin stehen, ob das Trennungsgebot ein­ fachgesetzlicher oder verfassungsrechtlicher Natur ist, da Art. 45d GG als Grundge­ setznorm grundsätzlich imstande ist, auch ungeschriebenes Verfassungsrecht einzu­ schränken. Da das Bundesverfassungsgericht ein informationelles Trennungsprinzip dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entnimmt, ist es folglich auch insoweit verfassungsrechtlicher Natur, siehe BVerfG, Urteil vom 24.04.2013, 1 BvR 1215 / 07, Abs. 123. Im Übrigen zum Meinungsstreit statt Vieler: Für einen Verfassungsrang des Trennungsgebotes Gusy, Das verfassungsrechtliche Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten, 45 (48); Lang, S. 157; Schafranek, S. 176 f.; zurückhaltend bejahend Wolff, Die Grenzverschiebung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Sicherheitsgewährleistung, 597 (601). Gegen einen Ver­ fassungsrang Baumann, 798 (803); Hirsch, S.  91 f.; Roewer, Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörden, 205 (207); Spitzer, S. 24. Ausdrücklich offen las­ send BVerfGE 97, 198 (217); 100, 313 (369 f.); im Ergebnis wohl auch Dorn, Das Trennungsgebot, S.  191 f. 149  BT-Drs. 16 / 12411, S.  9. 150  BT-Drs. 16 / 12411, S. 9. Es finden sich jedoch keine Hinweise in den Materi­ alien, wonach das befugnisrechtliche Trennungsgebot gegenüber den Nachrichten­ diensten bezüglich der klassischen exekutiven Zwangsmittel relativiert werden soll.



II. Art. 45d GG und das Trennungsgebot157

zu wollen, sondern dass er eine Ansicht einzunehmen beabsichtigt, die die unstreitigen Komponenten des Trennungsgebotes grundsätzlich anerkennt, im Übrigen dem einfachen Gesetzgeber zukünftig einen weitgehenden Ent­ scheidungsspielraum zuerkennen möchte. Es ist folgerichtig, dass der auf die Polizeibehörden anzuwendende mate­ rielle Geheimschutz, der auch aus der ausnahmsweisen Zuweisung von originär nachrichtendienstlichen Aufgaben und Befugnissen resultiert, eben­ so ausnahmsweise sein Pendant im parlamentarischen Kontrollrecht findet. Denn jede Relativierung des Trennungsgebots muss durch eine verstärkte wirksame parlamentarische Kontrolle so weit wie möglich ausgeglichen werden.151 Diese Sichtweise wird auch durch die Motivlage des Gesetzge­ bers im Hinblick auf § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. bestätigt.152 Im Gesetzgebungsverfahren wurde aber auch deutlich, dass dem Gesetzge­ ber die Erhaltung der regulären Ressortkontrolle durch die Fachausschüsse bezüglich BKA und ZKA überaus wichtig war. Die „allgemeinen“ Parla­ mentsgremien sollten auch mit Blick auf das Trennungsgebot nicht entwertet werden.153 Als Beweggrund dieser Aussage kann die Befürchtung herangezo­ gen werden, wonach die Eröffnung einer subsidiären Kontrollzuständigkeit des PKGr auch gegenüber BKA und ZKA dem voranschreitenden Prozess der materiellen Annäherung von Polizei und Nachrichtendiensten als „Fei­ genblatt“ dienen und damit eigenständig beschleunigen könnte. Auf diese Weise würde sich Art. 45d GG als Norm erweisen, die das Trennungsgebot unmittelbar dadurch schwächt, indem sie der konstatierten „Vernachrichten­ dienstlichung der Polizei“ einen verfassungsrechtlich abgesicherten Aus­ gleich auf der Kontrollseite verschafft und damit zu weiteren einfachgesetz­ lichen Relativierungen animiert. Dadurch nähme die Vorschrift den Kritikern dieser Entwicklung ein auf Begrenzung hinwirkendes Argument für die Zukunft aus der Hand. Diese Wirkungen werden von Art. 45d GG zwar ­ ­ausdrücklich nicht verfolgt, der Zusammenhang kann indes nicht geleugnet werden. Nach alledem bleibt festzustellen, dass der Gesetzgeber die Kontrollkom­ petenz des PKGr nach Art. 45d GG gegenüber den Behörden des polizeili­ chen Verfassungsschutzes als besonderen Ausnahmetatbestand verstanden wissen wollte. Da der Wortlaut des Art. 45d GG dieses Regel-AusnahmePrinzip nicht wiedergibt, sah sich der einfache Gesetzgeber bereits veran­ lasst, den in § 1 Abs. 2 PKGrG-E n. F. konkretisierten Ausnahmetatbestand 151  Auf die Wechselbeziehung von wirksamer parlamentarischer Kontrolle und Trennungsgebot hinweisend, siehe Hassemer, S. 46; Hirsch, S. 101. 152  In diesem Sinne BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S.  4 f. 153  BT-Drs. 16  /  13220, S. 9 f.; PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16  /  98, 27.05.2009, S. 26, 27, 30.

158

E. Die Bedeutung der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“

ersatzlos zu streichen.154 Dadurch bleibt das einfache Gesetz, wie bereits festgestellt, nicht nur hinter dem Kontrollauftrag des Art. 45d GG zurück, es verweigert zugleich den erforderlichen Kontrollausgleich, der besteht, weil sich Art. 45d GG auf Verfassungsebene gleichzeitig zu einem weniger strikten Trennungsgebot im Sinne einer zunehmenden „Vernachrichten­ dienstlichung der Polizei“ nach Maßgabe der Sicherheitsgesetzgebung des Bundes der letzten Jahre bekennt. Soll es Art. 45d GG gelingen, die bestehende materielle Annäherung von Polizei und Nachrichtendiensten als Faktum anzuerkennen und den ohnehin bestehenden subsidiären Charakter der Kontrolle für den Polizeibereich als besondere Ausnahme hervorzuheben, um Auslegungen, die der zukünftigen Relativierung des Trennungsgebotes weiter Vorschub leisten würden, vorzu­ beugen, bedarf es einer ausdrücklichen Manifestierung im Wortlaut des Art. 45d GG.

154  Der Wortlaut der Norm wurde auch deshalb kritisiert, weil dieser die Tätigkeit der Nachrichtendienste generell als geheimhaltungsbedürftig qualifizierte, siehe BTA-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Möllers, S. 3.

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung I. Gremium statt Ausschuss Soweit Art. 45d Abs. 1 GG ausdrücklich die Bestellung eines Gremiums anordnet, handelt es sich nicht um eine terminologische Ungenauigkeit, vielmehr um eine gezielte Abgrenzung zu den Gremien des Deutschen Bun­ destages, die als „Ausschüsse“ bezeichnet werden.1 Das Grundgesetz selbst setzt die Existenz von Ausschüssen in Art. 43 Abs. 1 GG voraus. Daneben finden sich diverse Artikel im Grundgesetz, die die Einsetzung bestimmter Ausschüsse explizit vorschreiben.2 Die nähere rechtliche Aus­ gestaltung der Ausschussarbeit wird in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) auf Grundlage des Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG geregelt. Diese sieht in § 54 Abs. 2 GO-BT vor, dass sich Einsetzung und Verfahrens­ weise von Ausschüssen, die nach den Vorschriften des Grundgesetzes oder des einfachen Bundesrechts vorgesehen oder zugelassen sind, nach ihren Bestimmungen richtet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Während die Plenarsitzungen des Bundestages grundsätzlich öffentlich sind (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG), finden die Ausschussberatungen grundsätz­ lich nicht öffentlich statt, § 69 Abs. 1 GO-BT.3 Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG macht hiervon insoweit eine Ausnahme, als Untersuchungsausschüsse die Beweiserhebung grundsätzlich in öffentlicher Sitzung vorzunehmen haben. Daneben sieht die Geschäftsordnung in § 69 Abs. 2 GO-BT ebenfalls im Grundsatz vor, dass Mitglieder des Bundestages, die selbst nicht in den jeweiligen Ausschuss entsandt worden sind, auch den nicht öffentlichen Sitzungen als Zuhörer beiwohnen dürfen, sofern es sich nicht um „geschlos­ sene“ Ausschüsse handelt.4 1  Neben dem Gremium nach Art. 45d GG existieren im Grundgesetz noch das Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG und das als „Stabilitätsrat“ bezeichnete Gremium gemäß Art. 109a GG. 2  Bspw. die Artt. 44, 45, 45a, 45c, 53a, 95 Abs. 2 GG. 3  Allerdings sollen die Schlussberatungen grundsätzlich als öffentliche Ausspra­ chen ausgestaltet werden, § 69a GO-BT. Außerdem können bspw. Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung befragt werden, § 70 GO-BT. 4  Zu den Einschränkungen in der 17. Wahlperiode des Bundestages, siehe BTDrs. 17 / 17, S.  2.

160

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Die Größe und Zusammensetzung der Ausschüsse ist in den §§ 12, 57 GO-BT geregelt. Danach obliegt es dem jeweiligen Bundestag über die Größe der einzelnen Ausschüsse zu entscheiden. Die Zuteilung der Aus­ schusssitze und die Verteilung der Ausschussvorsitze haben sich sodann am jeweiligen Stärkeverhältnis der Fraktionen zueinander auszurichten, so dass die Ausschüsse, jedenfalls im Hinblick auf das politische Kräfteverhältnis, als verkleinerte Abbilder des Plenums anzusehen sind („Prinzip der Spiegelbildlichkeit“).5 Die Festlegung des Berechnungsverfahrens erfolgt durch den jeweiligen Bundestag.6 Die Fraktionen benennen sodann die in­ tern aufgestellten Fraktionsmitglieder nebst Stellvertreter und entsenden diese in die Ausschüsse; fraktionslose Abgeordnete werden vom Bundes­ tagspräsidenten als beratende Mitglieder auf die Ausschüsse verteilt, § 57 Abs. 2 GO-BT. Soweit nunmehr Art. 45d Abs. 1 GG den Terminus „Gremium“ verwen­ det, muss dies nicht zwingend zur Unanwendbarkeit der Vorschriften des Grundgesetzes und der Geschäftsordnung des Bundestages, die sich dezi­ diert auf Ausschüsse beziehen, führen, da es nicht auf die Bezeichnung, sondern vielmehr auf die inhaltliche Ausgestaltung des jeweiligen Gremiums und die Zweckrichtung seiner Errichtung ankommt. Und selbst dann steht es dem Bundestag frei, die für Ausschüsse geltenden Vorschriften vollstän­ dig oder teilweise zur Anwendung zu bringen.7 Der verfassungsändernde Gesetzgeber betont indes in der Begründung, dass die Verwendung des Begriffes „Gremium“ konkret darauf abzielt, ge­ rade nicht die Vorschriften des Kapitels VII („Ausschüsse“) der Geschäfts­ ordnung des Bundestages auf das PKGr zur Anwendung bringen zu lassen.8 Mit Hinweis auf das besondere Geheimhaltungsbedürfnis bezüglich des Kontrollgegenstandes soll der Bundestag in die Lage versetzt werden, auch besondere Regelungen zur Arbeitsweise und Zusammensetzung sowie zu Zahl und Wahl der Gremiumsmitglieder durch Gesetz zu erlassen.9 Diese Zielsetzung des verfassungsändernden Gesetzgebers greift das PK­ GrG n. F. auf, indem es in § 2 Abs. 2 festlegt, dass die Zahl der Mitglieder des Gremiums sowie seine Zusammensetzung und Arbeitsweise vom Deut­ 5  BVerfGE 80, 188 (222); Stern, Staatsrecht, Band II, S. 102; Zeh, in: Schneider /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 15. 6  Der 17. Bundestag hat sich vorrangig für das Verfahren der mathematischen Proportion (St. Laguë / Schepers) und nachrangig für die Verteilung nach d’Hondt entschieden, siehe BT-Drs. 17 / 4, S. 1. 7  Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 12.2 zu Art. 45d GG. 8  BT-Drs. 16  / 12412, S. 5. Dies gilt wohl auch für die Vorschriften des Grund­ gesetzes, die sich auf Ausschüsse beziehen. 9  BT-Drs. 16 / 12412, S.  5.



I. Gremium statt Ausschuss161

schen Bundestag zu Beginn der jeweiligen Wahlperiode gesondert festgelegt wird.10 Die Mitglieder des Gremiums werden dabei nicht von den jeweili­ gen Fraktionen entsandt, sondern mit der Mehrheit der Stimmen der Mit­ glieder des Bundestages zu Beginn der Wahlperiode gewählt, § 2 Abs. 1, 3 PKGrG n. F. Dabei ordnen weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung insoweit eine spiegelbildliche Besetzung des Gremiums an.11 Die innere Organisation regelt das Gremium unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 S. 2 PKGrG n. F. durch eine eigene Geschäftsordnung. Die Beratungen des Gremiums sind nicht nur grundsätzlich nicht öffent­ lich, sondern stets geheim, § 10 Abs. 1 PKGrG n. F.12 Zur Wahrung der Geheimhaltung wurden die Zutrittsrechte restriktiv geregelt. So erhalten etwa Mitglieder und Mitarbeiter der Bundesregierung nur dann Zutritt zu den Sitzungen, soweit sie durch das Gremium zu bestimmten Sachverhalten befragt werden sollen, § 5 Abs. 2 S. 1 PKGrG n. F. Nicht gewählte Mitglie­ der des Bundestages erhalten ebenfalls keinen Zutritt zu Sitzungen. Ausnah­ men bestehen nur im Rahmen der Mitberatung durch Mitglieder des Ver­ trauensgremiums nach § 10a der Bundeshaushaltsordnung, siehe § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 PKGrG n. F. Darüber hinaus sieht das Gesetz in § 11 Abs. 2 S. 3 PKGrG n. F. die Möglichkeit vor, dass bestimmte Mitarbeiter der Frak­ tionen im Einzelfall zur Unterstützung der fraktionszugehörigen Gremiums­ mitglieder das Zutrittsrecht zu den Gremiumssitzungen erhalten können.13 Die inhaltliche Ausgestaltung des PKGrG n. F. sowie der verfassungs­ rechtliche Errichtungszweck des PKGr stimmen darin überein, ein Kontroll­ gremium eigener Art zu errichten, das explizit nicht als „Ausschuss“ im Sinne des Grundgesetzes und der GO-BT verstanden werden soll.14 Mit Art. 45d GG sucht der verfassungsändernde Gesetzgeber daher den bisheri­ 10  In der 17. Wahlperiode des Bundestages wurde das PKGr mit elf Mitgliedern eingerichtet, siehe BT-Drs. 17 / 208, S. 1. Durch interfraktionellen Antrag wurden Mitglieder der fünf bestehenden Fraktionen namentlich zur Wahl vorgeschlagen (CDU  /  CSU: 4 Mitglieder, SPD: 3 Mitglieder, FDP: 2 Mitglieder, DIE LINKE: 1 Mitglied, Bündnis90 / Die Grünen: 1 Mitglied), siehe BT-Drs. 17 / 209, S. 1. Bestim­ mungen zur Arbeitsweise des Gremiums wurden nicht getroffen. 11  Siehe BT-A-Drs. 16(4)614 D, Stellungnahme Kutscha, S. 2, der diesen Befund jedoch inhaltlich ablehnt. 12  Es besteht lediglich die Möglichkeit zur öffentlichen Bewertung bestimmter Vorgänge, siehe § 10 Abs. 2, 3 PKGrG n. F., wobei auch dann die Geheimschutzbe­ lange zu wahren sind. 13  Diese Ausnahmevorschrift wird teilweise als strukturfremd bezeichnet, da der jeweilige Fraktionsmitarbeiter dadurch mehr Informationen erhält, als die nicht ge­ wählten Abgeordneten auch „seiner“ Fraktion, siehe Christopeit / Wolff, 77 (95). 14  Christopeit / Wolff, 77 (83); Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 17 zu Art. 45d GG; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 24 zu Art. 45d GG; Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 12 zu Art. 45d GG; BT-A-Drs. 16(4)614 B, Stellungnahme Gusy, S. 3.

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

gen Rechtsstatus beim lediglich einfachgesetzlich geregelten Kontrollorgan zu übernehmen und verfassungsrechtlich abzusichern.15 Diesem Befund entspricht es auch, dass der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu Art. 45d GG, wonach explizit in Art. 45d Abs. 1 GG anstatt eines Gremiums ein „Ausschuss“ bestellt werden sollte, um damit insbesondere die anteilige Besetzung des Kontrollorgans nach der Fraktionsstärke sicher zu stellen, mehrheitliche Ablehnung fand.16

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr Die vom verfassungsändernden Gesetzgeber bezweckte Erhaltung des status quo bezüglich der organisatorischen Ausgestaltung des PKGr als „Nicht-Ausschuss“ findet seinen eigentlichen Sinn darin, Strukturen etablie­ ren zu können, die sich gerade nicht am bestehenden „Regelungskorsett“ für Ausschüsse des Bundestages zu orientieren haben.17 Das so gewonnene Maß an Gestaltungsfreiheit ist jedoch nicht unbegrenzt vorhanden, da kol­ legial besetzte Kontrollorgane des Bundestages im Hinblick auf ihre reprä­ sentative Zusammensetzung und den mit der parlamentarischen Kontrolle verfolgten Zweck nicht zur Disposition stehenden verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen unterliegen, die somit auch nicht durch eine „Umbe­ nennung“ eines Ausschusses zum Gremium unterlaufen werden können. Der verfassungsändernde Gesetzgeber griff diesen Umstand auf, indem er explizit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jah­ re 198618 verwies, in der sich das Gericht zu den Anforderungen an ein Gremium, das mit der Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichten­ dienste betraut werden sollte, äußerte und die verfassungsrechtlichen Gren­ zen der Ausgestaltung festlegte.19 1. Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 70, 324 ff. Grundlage der damaligen Entscheidung waren die Haushaltsgesetze des Bundes aus den Jahren 1984 und 1985, in denen jeweils in § 4 Abs. 9 be­ 15  Christopeit / Wolff, 77 (83 f. m. w. N.). Zur fehlenden Ausschusseigenschaft der PKK: Arndt, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 50 Rn. 18. In diesem Sinne ebenso Hansalek, S. 270. 16  BT-Drs. 16 / 13220, S. 8; BT-Drs. 16 / 13234, S. 1 f. 17  BT-Drs. 16 / 12412, S.  5. 18  Die Verweisung bezieht sich auf BVerfGE 70, 324 ff. 19  BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 4 f.



II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr163

stimmt war, dass die Wirtschaftspläne von BfV, BND und MAD von Mit­ gliedern des Haushaltsausschusses des Bundestages zu genehmigen sind, die vom Bundestag vorab in Anwendung von § 4 Abs. 2 und 3 PKKG hierfür gewählt worden waren.20 Dabei bestimmte § 4 Abs. 3 PKKG, dass gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundesta­ ges auf sich vereint. Bis zu einer Genehmigung der Wirtschaftspläne waren die Haushaltsansätze grundsätzlich bis zur Höhe von 75 % gesperrt.21 Der damalige Bundestag setzte die Mitgliederzahl dieses Gremiums auf fünf fest und wählte auf Vorschlag der damaligen Bundestagsfraktionen die entsprechende Anzahl Abgeordneter in das Gremium, wobei die damalige Fraktion DIE GRÜNEN, die auch einen Vorschlag unterbreitet hatten, man­ gels Stimmenmehrheit keine Berücksichtigung fanden und damit in diesem geheim tagenden Gremium nicht, auch nicht beratend, vertreten waren.22 Das hierauf angerufene Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Einrichtung eines geheim tagenden Gremiums verfassungsrechtlich dann hinzunehmen sei, soweit der vom Bundestag gewählte Beratungsmodus im Rahmen einer willkürfreien Beurteilung der hinreichenden Wahrung der Geheimschutzinte­ ressen zu dienen geeignet sei und dabei die Grundsätze der parlamentari­ schen Demokratie Beachtung fänden.23 Die Einsetzung eines kleines Gremi­ ums, dessen Mitglieder durch Persönlichkeitswahl bestimmt werden, wobei dabei die Oppositionsfraktionen nicht vollends unberücksichtigt bleiben dürf­ ten, widerspreche nach Ansicht des Gerichts diesen Vorgaben nicht, sofern diese Maßnahmen zur Wahrung der Geheimhaltung erforderlich waren.24 Dabei betonte das Bundesverfassungsgericht die besondere Wichtigkeit der öffentlichen Debatte im demokratischen Parlamentarismus, die es wie­ derum erforderlich mache, dass der jeweilige Abgeordnete unter Verweis auf seinen verfassungsrechtlichen Status aus Art. 38 Abs. 1 GG grundsätz­ lich einer umfassenden Information bedürfe, die eine sachverständige Beur­ teilung des Haushaltsplanes überhaupt erst ermögliche.25 Dieser Status der Abgeordneten könne jedoch nicht schrankenlos gewährt werden; vielmehr müsse das Parlament im Interesse seiner Arbeitsfähigkeit Vorkehrungen treffen können, die auch eine Behandlung geheimer Beratungsgegenstände sicherstellen würden.26 Das Bundesverfassungsgericht sah sich in diesem 20  Zusammenfassend Selmer, Parlamentarische Haushaltskontrolle der Nachrich­ tendienste, JuS 1987, 62 (62). 21  Selmer, 62 (62). 22  Selmer, 62 (62). 23  BVerfGE 70, 324 (358 f.). 24  BVerfGE 70, 324 (364 f.). 25  BVerfGE 70, 324 (355). 26  BVerfGE 70, 324 (359).

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Zusammenhang allerdings außerstande zu beurteilen, wie weit die Geheim­ schutzvorsorge konkret gehen dürfe.27 Der Hinweis auf die Behandlung besonders geheimhaltungsbedürftige Komplexe, die bei Bekanntwerden eine konkrete Gefahr für die beteiligten Personen begründen könnten, reichte dem Gericht damals aus, um der Einrichtung eines lediglich fünfköpfigen Gremiums als willkürfreie Entscheidung des Bundestages die verfassungs­ rechtliche Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Die Entscheidung hob sodann hervor, dass sämtliche Fraktionen ein glei­ ches Zugangsrecht zu den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und Gremien hätten, das aus Art. 38 Abs. 1 GG resultiere.28 Dieses werde grundsätzlich dadurch sichergestellt, indem nach den üblichen Regeln der Sitzverteilung die Repräsentation im Plenum in die Ausschüsse und Gremi­ en vorverlagert werde, sofern dort Sachentscheidungen fielen.29 Dabei müsse sichergestellt werden, so das Gericht, dass die jeweilige parlamenta­ rische Minderheit ihren Standpunkt im Willensbildungsprozess geltend ma­ chen könne, nicht jedoch, dass die Minderheit vor Sachentscheidungen der parlamentarischen Mehrheit geschützt werde.30 Das Gericht betonte, nicht die Heterogenität der parlamentarischen Min­ derheit zu verkennen, lehnte es aber ab, einen verfassungsrechtlichen An­ spruch jeder Oppositionsfraktion auf Berücksichtigung in den Gremien festzustellen, wenn dies voraussetze, dass das Gremium entweder entspre­ chend vergrößert werden müsste oder aber die Mehrheit als solche nicht mehr vorhanden wäre.31 Das vom Gesetz angeordnete Wahlverfahren, das gerade eine Entsendung der Gremiumsmitglieder durch die einzelnen Fraktionen unmöglich machte, wurde ebenfalls mit Hinweis auf das be­ sondere persönliche Vertrauensbedürfnis der Bundestagsmehrheit ange­ sichts der brisanten Beratungsgegenstände als zulässig eingestuft.32 Vor­ aussetzung hierfür sei allerdings, dass die Bundestagsmehrheit bei ihrer Besetzungsentscheidung nicht missbräuchlich verfahren dürfe, indem sie etwa bei der Wahl sachfremde Erwägungen anstellen oder aber die Min­ derheit vollends übergehen würde.33 Eine solche Vorgehensweise müsse dann auch der Missbrauchskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterfallen.34 27  BVerfGE 28  BVerfGE 29  BVerfGE 30  BVerfGE 31  BVerfGE 32  BVerfGE 33  BVerfGE 34  BVerfGE

70, 70, 70, 70, 70, 70, 70, 70,

324 324 324 324 324 324 324 324

(364). (363). (363). (363). (363 f.). (365). (365). (365) unter Bezugnahme auf BVerfGE 30, 1 (31).



II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr165

Im Ergebnis betonte die Entscheidung zum einen die besondere Bedeu­ tung des Mehrheitsprinzips gegenüber dem Prinzip der Spiegelbildlichkeit in den Ausschüssen und Gremien, in denen Sachentscheidungen fallen. In­ soweit unterschied sich allerdings das Haushaltsgremium schon damals von der Parlamentarischen Kontrollkommission und den späteren Kontrollgremi­ en, da es sich bei letzteren vorrangig um Kontrollorgane handelt, die nur als Annex Entscheidungen zu diesem Zwecke zu treffen hatten und haben. Zum anderen hob das Gericht die eingeschränkte Zuständigkeit des Haus­ haltsgremiums, das nur hinter den bereits festgelegten Haushaltsansätzen zurückbleiben konnte und allenfalls Erhöhungsvorschläge für das nächste Haushaltsjahr vornehmen durfte, hervor.35 Dieser Umstand und das beson­ dere Geheimschutzbedürfnis wurden als maßgebliche Gründe dafür heran­ gezogen, dass der Bundestag eine Gremiumsgröße wählen durfte, bei der nicht alle Fraktionen des Bundestages Berücksichtigung finden mussten.36 Im Hinblick auf die eingeschränkte Zuständigkeit besteht abermals ein Un­ terschied zum heutigen PKGr, da dieses Gremium jedenfalls faktisch die umfängliche parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung im nachrich­ tendienstlichen Bereich des Bundes sicherstellt und dabei über weitgehende Fremd- und Selbstinformationsrechte verfügt. Das heutige PKGr eröffnet dem Bundestag in Teilen erst eine wirksame parlamentarische Kontrolle im nachrichtendienstlichen Bereich, so dass dieser das Repräsentationsprinzip beschränkende Aspekt der damaligen Entscheidung beim gegenwärtigen PKGr keine oder keine maßgebliche Geltung beanspruchen kann. 2. Zur neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Den aktuellsten Anknüpfungspunkt für die verfassungsrechtliche Beurtei­ lung des gegenwärtigen PKGrG im Hinblick auf die erforderliche Ausge­ staltung dieses Gremiums bietet eine Entscheidung des Bundesverfassungs­ gerichts vom 28. Februar 2012.37 Gegenstand des Urteils ist das Stabilisierungsmechanismusgesetz (Stab­ MechG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 09. Oktober 2011, durch das der Bundesgesetzgeber nationale Regelungen für die finanziellen Beistandsleistungen der Bundesrepublik Deutschland an eine Zwecksgesell­ schaft, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), geschaffen hatte. Der auch zur Überprüfung gestellte § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Stab­ MechG a. F. hatte folgenden Wortlaut: „In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit 35  BVerfGE

70, 324 (363). 70, 324 (366). 37  BVerfGE 130, 318. 36  BVerfGE

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

oder Vertraulichkeit werden die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrech­ te des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen, die vom Deutschen Bundestag für eine Legislaturperiode gewählt werden. Die Anzahl der zu benennenden Mitglieder ist die kleinst­ mögliche, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden.“ a) Zur Errichtung eines relativ kleinen und geheim tagenden Gremiums Ausgangspunkt der Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts war die Feststellung, wonach die Repräsentationsfunktion des Bundestages als Gan­ zes gleiche Mitwirkungsbefugnisse der Abgeordneten auch im Bereich des Frage- und Informationsrechts voraussetze.38 Nur dann, wenn der Bundes­ tag die Erledigung der ihm von der Verfassung übertragenen Aufgaben im Sinne des Prinzips der Beteiligung aller gewährleiste, werde der Bundestag in die Lage versetzt werden, die vom Volk ausgehende Staatsgewalt als dessen unmittelbares Repräsentationsorgan auszuüben.39 Nur die Gewähr­ leistung gleicher Befugnisse und Zugangsrechte versetze die Abgeordneten in die Lage, zum Zwecke der Entscheidungsfindung in öffentlicher Debatte streitig zu argumentieren, um dabei nicht zuletzt die widerstreitenden Posi­ tionen in einen angemessenen Ausgleich bringen zu können.40 Dieses Prinzip von Freiheit und Gleichheit des Mandats der Abgeordne­ ten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG werde jedoch nicht schrankenlos gewährt.41 Es bestünden zumindest verfassungsimmanente Schranken, die man im Sinne einer „praktischen Konkordanz“ in einen gerechten Ausgleich zu bringen habe.42 Als widerstreitendes Verfassungsgut identifizierte das Bun­ desverfassungsgericht das Prinzip der Funktionsfähigkeit des Parlaments.43 Die dem Bundestag vom Grundgesetz verliehene Geschäftsordnungsautono­ mie aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG impliziere die Befugnis des Parlaments zur Selbstorganisation.44 Die Eigenschaft der einzelnen Abgeordnetenrechte als 38  BVerfGE 44, 308 (316); 56, 396 (405); 70, 324 (355); 80, 188 (218); 130, 318 (342). 39  BVerfGE 44, 308 (316); 80, 188 (218). 40  BVerfGE 40, 237 (249); 70, 324 (355); 130, 318 (344). Grundlage hierfür ist die „dialogische Struktur“ der Parlamentsöffentlichkeit, siehe Klein, in: Maunz / Dü­ rig, GG, Rn. 56 zu Art. 38 GG. 41  BVerfGE 130, 318 (348). 42  BVerfGE 130, 318 (348). 43  BVerfGE 80, 188 (219); 84, 304 (321); 94, 351 (369); 96, 264 (278 f.); 112, 118 (140); 118, 277 (324); 130, 318 (348). 44  BVerfGE 70, 324 (360); 130, 318 (348).



II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr167

Mitgliedschaftsrechte bedinge dabei Einschränkungen, die angesichts der ansteigenden Komplexität parlamentarischer Willensbildung durch eine ver­ stärkte Koordination der Abgeordnetenarbeit und ein arbeitsteiliges Zusam­ menwirken nicht zu vermeiden seien.45 Es begegne daher keinen Bedenken, so das Gericht, dass der Bundestag Untergremien bilde, die dazu dienen, die Plenumsbeschlüsse vorzubereiten oder einen wesentlichen Teil der Informa­ tions- und Kontrollaufgaben des Plenums auszuüben.46 Gleichwohl haben sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an einen verhältnismäßigen Ausgleich gestellt werden, im Laufe der Zeit seit 1986 maßgeblich im Sinne einer Erhöhung verändert. Die aktuelle verfas­ sungsgerichtliche Rechtsprechung zieht neben Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nun­ mehr auch den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit heran, wie er in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG niedergelegt ist.47 Damit kehrte das Gericht seiner Auffas­ sung, wonach diese Grundgesetznorm die Abgeordnetenstellung im Parla­ ment nicht tangiere und nur auf Wahlen Anwendung finden könne, endgül­ tig den Rücken. Unmittelbare Beurteilungsgrundlage bleibt zwar Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, allerdings müssen hier nunmehr sämtliche Anforderungen, die an eine Differenzierung im Bereich der Wahlrechtsgleichheit gestellt werden, ebenfalls erfüllt sein. Beide Gleichheitssätze, so das Gericht, stün­ den schließlich in einem wechselseitigen Zusammenhang, der nicht auflös­ bar sei.48 Durch diese Entscheidung bestätigte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung aus dem Jahre 2000, in der die Stellung der Abgeordneten im Parlament ausdrücklich auch unter Rückgriff auf Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG beurteilt wurde, jedenfalls soweit es sich um die Abgeordnetenentschädi­ gung handelte.49 Die Feststellung fand wiederum Bestätigung im Jahre 2004, indem das besondere Stufenverhältnis von Wahlrechts- und Abgeord­ netengleichheit betont wurde und die Bezugnahme auf die Abgeordnetenent­ schädigung entfiel.50 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur formalen Wahl­ rechtsgleichheit, die damit zusammenhängend auch das Recht der Parteien und Wählervereinigungen auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Artt. 21 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 GG einbezieht, geht davon aus, dass eng begrenzte Ausnahmen von diesen Gleichheitssätzen nur dann zulässig sein können, soweit sie zwingend erforderlich sind, um dem Wesen und Zweck 45  BVerfGE 46  BVerfGE 47  BVerfGE 48  BVerfGE 49  BVerfGE 50  BVerfGE

102, 224 (236); 130, 318 (348). 80, 188 (219); 130, 318 (350 f.). 130, 318 (352 f.). 102, 224 (237 ff.); 112, 118 (134); 130, 318 (352 f.). 102, 224 (238). 112, 118 (133 f.).

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

des Wahlverfahrens gerecht zu werden.51 Die ständige Rechtsprechung ver­ langt indes nicht, dass die Unterscheidungen von Verfassungs wegen ver­ langt oder als notwendig eingestuft werden, vielmehr genüge es, dass die „zwingenden Gründe“52 vom Grundgesetz legitimiert und von einem Ge­ wicht sind, „… das der Wahlrechtsgleichheit die Waage halten kann“.53 Als von der Verfassung legitimierte und hinreichend gewichtige Gründe können die Ziele gesehen werden, den Charakter einer Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes zu erhalten, aber auch die Funktionsfähigkeit des Parlaments sicher zu stellen.54 Ob das bestehende Ermessen des Regelungsgebers beim konkreten Aus­ gleich der widerstreitenden Rechte korrekt ausgeübt wurde, unterliege einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, dies nicht zuletzt, weil die die Wahlrechts- und Chancengleichheit berührenden Regelungen stets auch die politische Konkurrenz der handelnden Parlamentsmehrheit betreffen könnten, so dass es der erhöhten Wahrscheinlichkeit für sachfremde Erwä­ gungen in diesem Bereich wirksam zu begegnen gelte.55 Gegen das Prinzip der Wahlrechts- und Chancengleichheit werde nach diesen Prämissen stets verstoßen, sofern der Wahlgesetzgeber einen Zweck verfolgt, der nicht im Rahmen der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgt werden darf.56 Hierzu zähle auch die Absicht, möglichst diejenigen Parteien vom parlamentari­ schen Betätigungsfeld auszuschließen, die wegen ihrer extremistischen oder verfassungsfeindlichen Bestrebungen genügend Anlass dazu böten.57 Inso­ fern handele es sich jedoch um ein sachfremdes Motiv, das nicht im Wege des Wahlrechts, sondern ausschließlich im Rahmen des nach Art. 21 Abs. 2 und 3 GG vorgesehenen Verfahrens zu verfolgen sei.58 Die etwaigen Ge­ fahren, die von einer fortgesetzten Tätigkeit dieser Parteien bis zur Feststel­ lung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ausge­ hen können, müssen „im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Tole­ ranz“ hingenommen werden.59 51  BVerfGE 6, 84 (92); 51, 222 (236); 82, 322 (338); 95, 408 (417 f.); 99, 1 (10); 111, 54 (105); 120, 82 (106 f.); 121, 266 (297); 124, 1 (20); 129, 300 (320 f.). 52  Der „zwingende Grund“ als Fremdkörper in der Verfassungsdogmatik, siehe Morlok / Kühr, Wahlrechtliche Sperrklauseln, JuS 2012, 385 (388 f.). 53  BVerfGE 1, 208 (248); 6, 84 (92); 95, 408 (418); 120, 82 (107); 129, 300 (320); 130, 318 (350 f.). 54  BVerfGE 1, 208 (247 f.); 4, 31 (40); 6, 84 (92 ff.); 51, 222 (236); 82, 322 (338); 95, 408 (418); 120, 82 (107, 111); 129, 300 (320 f.). 55  BVerfGE 120, 82 (105, 113 f.); 129, 300 (322 f.). 56  BVerfGE 120, 82 (107); 129, 300 (321). 57  BVerfGE 107, 339 (362); 120, 82 (109). 58  BVerfGE 1, 208 (257); 107, 339 (362); 111, 382 (410); 120, 82 (107, 109). 59  BVerfGE 12, 296 (306); 47, 198 (228); 107, 339 (362).



II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr169

Ergreift der Gesetzgeber somit Regelungen, die sich auf die Einrichtung eines relativ kleinen und geheim tagenden Gremiums des Bundestages be­ ziehen, ist dies verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn diese Maßnah­ men von einem von der Verfassung legitimierten zwingenden Grund getra­ gen werden, der zugleich ein Gewicht aufweist, das der Wahlrechts- und Chancengleichheit zumindest gleichsteht. Als Ausprägung des Grundsatzes der Funktionsfähigkeit des Parlaments kommen insoweit die besondere Eil­ bedürftigkeit der Beratung und Beschlussfassung und die Belange des Ge­ heimschutzes in Betracht.60 Differenzierungen bezüglich der Wahlrechts- und Chancengleichheit we­ gen besonderer Eilbedürftigkeit setzen voraus, dass einem besonderen Gre­ mium deshalb Befugnisse übertragen werden, weil ansonsten ein kurzfristi­ ges Zusammentreten des Plenums oder eines anderen größeren Gremiums und eine sachgerechte Beratung im begrenzten Zeitkorridor samt Entschei­ dung nicht herbeigeführt werden könnten.61 Die besonderen Belange des Geheimschutzes können als zwingender Grund für eine Differenzierung dann herangezogen werden, wenn die von der Bun­ desregierung übermittelten Informationen in ihrer Gesamtbetrachtung Rück­ schlüsse auf einzelne Aktionen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zulassen würden und dieser Umstand geeignet wäre, involvierte Menschen zu gefährden.62 Eine besondere Geheimhaltung, die auch nicht durch die Geheim­ schutzordnung des Bundestages sichergestellt werden kann, ist vor allen Din­ gen dann vonnöten, wenn Umstände oder Maßnahmen zur Beratung anstehen, deren erfolgreicher Verlauf bzw. Durchführung bereits gefährdet wären, sofern nur die Tatsache, dass darüber beraten wird, öffentlich werden würden.63 Lassen sich nach diesen Vorgaben zwingende Gründe für die Bildung eines relativ kleinen und geheim tagenden Gremiums feststellen, dürfen die konkreten Regelungen keine Beschränkungen der Statusrechte der Abgeord­ neten vorsehen, die nicht unbedingt zur Zweckerreichung geeignet und er­ forderlich sind.64 Handelt es sich dabei um ein Gremium, das für das Plenum Informations- und Kontrollrechte wahrnimmt, sind so weit wie möglich Unterrichtungsmöglichkeiten der „ausgeschlossenen“ Abgeordneten vorzusehen, um einmal die Belastungsintensität der vom Informationsaus­ schluss betroffenen Abgeordneten abzusenken, andererseits um die öffentli­ che Befassung durch das Plenum nicht auszuschließen.65 60  BVerfGE 61  BVerfGE 62  BVerfGE 63  BVerfGE 64  BVerfGE 65  BVerfGE

130, 318 (358 f.). 130, 318 (359). 70, 324 (364); 130, 318 (359). 130, 318 (362). 94, 351 (369); 130, 318 (353, 355 f., 359 f.). 130, 318 (355 f.).

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

b) „Spiegelbildliche“ Besetzung versus Mehrheitsprinzip Die Frage nach dem, was noch als erforderliche Beschränkung angesehen werden kann, wird sich maßgeblich auch danach ausrichten, ob das vom Plenum eingerichtete Gremium Aufgaben zur „selbständigen und plenarer­ setzenden Wahrnehmung“ erhalten hat.66 In diesem Fall verengt sich das Ermessen im Hinblick auf die Gremiumsbesetzung so sehr, dass der Grund­ satz der Spiegelbildlichkeit in jedem Falle gewahrt werden muss, wobei dem Gesetzgeber die Wahl eines anerkannten und nicht modifizierten Be­ rechnungsverfahrens grundsätzlich vorbehalten bleibt.67 Das Bundesverfas­ sungsgericht hatte in seiner aktuellen Entscheidung im Hinblick auf Art. 45d GG unter anderem festgestellt, dass der Bundestag mit dieser Norm Befug­ nisse zur selbstständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung auf das PKGr, das oberbegrifflich in dieser Entscheidung als „Ausschuss“ bezeich­ net wird, im Sinne dieser Rechtsprechung übertragen hatte.68 Das Bundesverfassungsgericht lässt lediglich Einschränkungen des Prin­ zips der Spiegelbildlichkeit zu, sofern dies im Hinblick auf das zu wahren­ de Mehrheitsprinzip unbedingt erforderlich ist.69 Das Gericht zählt dabei das Mehrheitsprinzip zu den „tragenden Grundsätzen“ unserer freiheitlichen Demokratie unter dem Grundgesetz.70 Danach müsse es unter anderem möglich sein, dass sich die Mehrheit im Plenum auch in den verkleinerten Abbildungen desselben im Rahmen von Sachentscheidungen durchsetzen kann.71 Letztlich handele es sich auch insoweit um eine Form der Sicher­ stellung der Funktionsfähigkeit des Parlaments, die mit dem Grundsatz der Mehrheitsentscheidung aus Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG ihren grundgesetzlichen Niederschlag gefunden habe.72 Auf den ersten Blick besagt diese Grundgesetznorm allerdings nur, dass die Beschlüsse des Bundestages grundsätzlich nur mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden können. Da letztlich der formale Schlussakt des Entscheidungsverfahrens im Plenum des Bundestages voll­ zogen wird, müsste dies nicht zwangsläufig zu einer Einschränkung der proportionalen Repräsentation in den Untergremien des Parlaments führen. 66  BVerfGE

130, 318 (353). 96, 264 (283); 130, 318 (353 ff., 365). Als anerkannte Zählverfahren werden nicht abschließend benannt: St. Laguë  / Schepers, d’Hondt und Hare / Nie­ meyer. 68  BVerfGE 130, 318 (351). 69  BVerfGE 112, 118 (140); 130, 318 (355). 70  BVerfGE 1, 299 (315); 5, 85 (231 f.); 29, 154 (165); 112, 118 (140). 71  BVerfGE 112, 118 (141); 130, 318 (355). 72  BVerfGE 106, 253 (273); 112, 118 (140 f.); 120, 82 (111). 67  BVerfGE



II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr171

Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung entnimmt indes dem Prinzip der Mehrheitsentscheidung auch noch den Grundsatz, wonach sich eine stabile parlamentarische Mehrheit in Übereinstimmung mit den die Regie­ rung tragenden politischen Kräften befinden soll, da nur auf diese Weise sichergestellt werden könne, dass sich Parlament einerseits und Regierung andererseits produktiv ergänzen und verzahnen können.73 Im Lichte dieser Zielsetzung wäre es nicht nachvollziehbar, die kollektiven Hilfsorgane des Bundestages, denen schließlich nur eine vorbereitende Funktion gegenüber dem Plenum zukommt, unter Außerachtlassung des soeben beschriebenen Stabilitätsgedankens zu besetzen und damit vorbereitende Entscheidungen herbeiführen zu lassen, die im Hinblick auf den gewollten und im Regelfall auch bestehenden Dualismus von Regierung und „Regierungsmehrheit“ im Plenum keine nennenswerten politischen Chancen auf Zustimmung hätten. Das Bundesverfassungsgericht ließ in seinen bisherigen Entscheidungen indes offen, welches der widerstreitenden Prinzipien die prägendere verfas­ sungsrechtliche Kraft für sich in Anspruch nehmen kann.74 Das Prinzip der Spiegelbildlichkeit entfalte nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts seine volle Wirkungskraft jedoch insbesondere bei den Gremien, die einen wesentlichen Anteil am Informations-, Kontroll- und Untersuchungsreper­ toire des Bundestages übernommen haben.75 An dieser Stelle wird die Bedeutsamkeit des Unterschieds zwischen den Kontrollorganen einerseits zu den ausgewiesenen Entscheidungsgremien andererseits deutlich, da es bei letzteren im Rahmen des Rechtsgüteraus­ gleichs zu Einschränkungen des Spiegelbildlichkeitsprinzips schon wegen des beschriebenen „Synchronisationserfordernisses“ regelmäßig kommen wird. Es ist daher nur konsequent, wenn als Folge der verfassungsgerichtli­ chen Rechtsprechung die Neuregelung zum Entscheidungsgremium nach § 3 Abs. 3 S. 3 StabMechG n. F. nunmehr lautet: „Die Anzahl der Mitglieder und eine gleich große Anzahl von Stellvertretern ist die kleinstmögliche, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann, die Mehrheitsver­ hältnisse gewahrt werden und bei der die Zusammensetzung des Plenums widergespiegelt wird (Sondergremium).“76

73  BVerfGE

112, 118 (141); 120, 82 (111). 112, 118 (141). 75  BVerfGE 80, 188 (222); 84, 304 (323); 96, 264 (282); 112, 118 (136); 130, 318 (353 f.). 76  Die Neuregelung verdeutlicht, dass sowohl das Mehrheitsprinzip als auch das Prinzip der spiegelbildlichen Besetzung in diesem Entscheidungsgremium einander „gleichrangig“ sind. 74  BVerfGE

172

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

c) Zur vorliegenden Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Grundsätzlich gilt, dass im Bereich des Staatsorganisationsrechts der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, jedenfalls nach der Judikatur des Bun­ desverfassungsgerichts, wegen des nicht einschlägigen Staat-Bürger-Verhält­ nisses keine Anwendung findet.77 Diese nicht unumstrittene Rechtsprechung sieht sich zunehmender Kritik ausgesetzt, da eine derartige Ungleichbehand­ lung gegenüber dem grundrechtlichen Bereich wegen der auch insoweit gel­ tenden verfassungsrechtlichen Bindungswirkung, die aus den Artt. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG resultiere, keine Rechtfertigung beanspruchen könne.78 Genau genommen bezogen sich die ausdrücklichen Äußerungen des Bun­ desverfassungsgerichts zur Unzulässigkeit des Verhältnismäßigkeitsgrund­ satzes auch nur auf den Bereich des kompetenzrechtlichen Bund-LänderVerhältnisses sowie auf alle anderen Fragen, die Kompetenzabgrenzungen staatlicher Organe betreffen.79 Ansonsten, so das Bundesverfassungsgericht, sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „… eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips, dessen Geltung nicht auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkt ist.“80 Der soeben dargestellte Grundsatz zum Anwendungsbereich verträgt sich aufgrunddessen durchaus mit der Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts zum Stabilisierungsmechanismusgesetz, die sich in diesem Zusam­ menhang auch nicht mit Kompetenzabgrenzungen befasst, wenn es dort heißt: „Soweit Abgeordnete durch Übertragung von Entscheidungsbefugnis­ sen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parla­ mentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden sollen, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.“81 Weiter heißt es: „Damit unverhältnismäßige Beeinträchtigungen von Statusrechten der Abgeordneten vermieden werden, muss der Grundsatz der Spiegelbildlich­ keit gewahrt bleiben …“.82 Und schließlich stellt das Gericht fest: „Bei der Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwi­ schen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages einerseits sowie 77  Voßkuhle, Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundsatz der Verhältnis­ mäßigkeit, JuS 2007, 429 (430). 78  Hillgruber, Ohne rechtes Maß?, JZ 2011, 861 (863). 79  BVerfGE 81, 310 (338). 80  BVerfGE 43, 242 (288). 81  BVerfGE 130, 318 (350). 82  BVerfGE 130, 318 (353).



II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Errichtung des PKGr173

den damit kollidierenden Statusrechten der Abgeordneten andererseits sicherzustellen.“83 Soweit daher zum Zwecke der Errichtung des relativ kleinen und geheim tagenden PKGr die Statusrechte der Abgeordneten beschränkt werden, müs­ sen sich sämtliche Eingriffe am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Diese „parlamentsspezifische“ Rechtsprechung kann durchaus auf frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Beschränkung des Rederechts im Parlament und zur Ausübung des parlamentarischen Rü­ gerechts durch den Bundestagspräsidenten zurückblicken.84 Die Entschei­ dung zur Redezeitbegrenzung, die auch auf andere statusrechtliche Be­ schränkungsmöglichkeiten hinweist,85 spricht zwar nicht expressis verbis von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, verwendet jedoch Schlagwörter des „klassischen“ Prüfungsaufbaus, wie die des „legitimen Mittels“86 oder, ob die quotale Redezeitaufteilung „geeignet“ sei sicherzustellen, dass einige Fraktionen nicht „unverhältnismäßig“ kurz zu Wort kämen.87 Auch in der Entscheidung zum parlamentarischen Rügerecht spricht das Gericht vom „mildeste(n) Mittel“, das dem Bundestagspräsidenten bei lediglich geringfü­ gigen Ordnungsverstößen zur Verfügung stehe.88 Mit dieser doch „vorsichtigen“ Einbeziehung der Verhältnismäßigkeitsprü­ fung entsprach das Gericht dem hergebrachten Vorgehen einiger Literatur­ stimmen, die die Bestimmung dessen, was als zulässiger Eingriff in die grund­ gesetzlich verbrieften Abgeordnetenrechte angesehen werden konnte, stets ausdrücklich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit prüften.89 Es gehe im grundrechtlichen Bereich wie auch im parlamentarischen Innenbereich näm­ lich im Kern darum, widerstreitende verfassungsrechtliche Wertungen des Grundgesetzes miteinander zu harmonisieren.90 Dabei sei es nur zu verständ­ lich, dort, wo klar konturierte grundgesetzliche Kompetenzen bestehen, wie im Bereich der Gewaltenteilung, für Abwägungen keinen Raum vorzusehen.91 83  BVerfGE

130, 318 (359 f.). 10, 4 (13 f.); 60, 374 (381). 85  Genannt werden auch der vorübergehende Sitzungsausschluss, die Wortentzie­ hung nach dem dritten Ordnungsruf, die Festsetzung der Tagesordnung sowie die Sitzungsvertagung, siehe BVerfGE 10, 4 (13). 86  BVerfGE 10, 4 (13). 87  BVerfGE 10, 4 (14). 88  BVerfGE 60, 374 (381). 89  Bücker, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, §  34 Rn. 10; Heusch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Staatsorganisationsrecht, S. 230; Linck, Fraktionsstatus, DÖV 1975, 689 (694). 90  Bollmann, Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 89  f.; Schwerin, Der deutsche Bundestag, S. 199. 91  Bollmann, S. 90; Schwerin, S. 200. 84  BVerfGE

174

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Diese Einschränkung könne jedoch gerade nicht für den parlamentsinter­ nen Bereich gelten, der in kompetenzieller Sicht von einer derart ausle­ gungsbedürftigen und teilweise widersprüchlichen Lückenhaftigkeit geprägt sei, die es im Sinne eines Funktionserhalts des Parlaments geradezu erfor­ derlich mache, im Wege der verhältnismäßigen Abwägung vorzugehen.92 Es sei schließlich zulässig, auf Statusbeschränkungen bezüglich des Kont­ roll- und Informationsrechts der Abgeordneten den Verhältnismäßigkeits­ grundsatz anzuwenden, einmal, weil es sich um einen verfassungsunmittel­ bar geprägten Rechtskreis handele, der „norm- oder bereichsspezifische(n) Schranken-Schranken“ nicht unterliege und zum anderen eine Beschränkung derartiger Abgeordnetenrechte nicht grenzenlos erfolgen dürfe.93 Es ist daher festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Stabilisierungsmechanismusgesetz in Fortsetzung seiner bisher nur angedeuteten Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit Tei­ len der Literatur nunmehr davon ausgeht, dass parlamentsinterne Statusbe­ schränkungen der Abgeordneten, wie sie auch durch das PKGrG n. F. nor­ miert werden, ausdrücklich auf deren Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen sind.

III. Übertragung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben auf das heutige PKGr 1. Das PKGr als relativ kleines und geheim tagendes Gremium a) Zur Geheimhaltung im Gremium Das gegenwärtige PKGrG ordnet in § 10 Abs. 1 ausdrücklich an, dass die Beratungen des PKGr geheim sind und alle an den Sitzungen teilnehmenden Mitglieder zur Geheimhaltung bezüglich der im Rahmen ihrer Tätigkeit im PKGr bekannt gewordenen Erkenntnisse, auch nach ihrem Ausscheiden, verpflichtet werden. Auf diese Weise unterstreicht das Gesetz das Bedürfnis nach Geheimhaltung in diesem besonders sensiblen Bereich der deutschen Sicherheitsarchitektur. Dabei verfolgt das Gesetz neben der Geheimniswah­ rung einen weiteren Zweck. Durch die strikte Wahrung der Geheimhaltung, die auch durch einen sehr begrenzten Mitgliederstamm erreicht wird, sollen der Bundesregierung im Falle einer beabsichtigten Informationszurückhal­ tung grundsätzlich sämtliche Argumente abgeschnitten werden, die auf eine 92  Bollmann, 93  Heusch,

S.  90 f. m. w. N.; Schwerin, S. 200. S. 86 ff., 227, 231.



III. Übertragung auf das heutige PKGr175

besondere Vertraulichkeit der Materie abstellen.94 Auf diese Weise soll das Informations- und Kontrollrecht des PKGr bis an die verfassungsrechtlich geschützte Grenze des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung heran­ reichen können.95 Wegen der grundsätzlich strikten Wahrung der Geheimhaltung durch ei­ nen sehr begrenzten Mitglieder- bzw. Teilnehmerkreis wird jedoch die Öf­ fentlichkeit, auch die Parlamentsöffentlichkeit der übrigen Abgeordneten des Bundestages, ausgeschlossen. Neben dem Öffentlichkeitsprinzip werden dadurch die Statusrechte der Abgeordneten auf Freiheit und Gleichheit der Mandatsausübung aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, wozu implizit auch die Rech­ te auf Wahlrechts- und Chancengleichheit gehören, beschränkt. Derartige Eingriffe sind jedoch nur dann gerechtfertigt, sofern ein von der Verfassung legitimierter zwingender Grund festgestellt werden kann und die getroffenen Maßnahmen nicht über das unbedingt erforderliche Maß reichen.96 Als zwingender Grund kommen vorliegend die Belange des Geheim­ schutzes in Betracht. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts benennt das PKGr exemplarisch für diesen Anwendungsfall.97 In diesem Zusammenhang zieht das Gericht eine Parallele zum Haushaltsgre­ mium gemäß § 10a der Bundeshaushaltsordnung. Die Notwendigkeit zur Bildung eines geheim tagenden Gremiums wird insoweit gesehen, als aus der Vielzahl der Informationen konkrete Hinweise auf Geheimdienstopera­ tionen gefolgert werden könnten, die in ihrer Summe geeignet sind, konkre­ te Gefahren für Leib und Leben zu begründen.98 Reichen diese Umstände schon beim Haushaltsgremium aus, so hat dieses erst Recht für das PKGr zu gelten. Andere anerkannte zwingende Gründe lassen sich indes nicht erkennen. Die Festlegung auf ein relativ kleines Gremium mit gegenwärtig elf Abge­ ordneten kann insbesondere nicht auf die herausragende Eilbedürftigkeit bei Beratung und Beschlussfassung gestützt werden. Freilich sinkt der Verwal­ tungsaufwand zum Zwecke der Einberufung, je kleiner das jeweilige Gre­ mium ist. Das Bundesverfassungsgericht stellte indes fest, dass Ausschüsse mit 41 Mitgliedern einem kurzfristigen Zusammentritt ebenfalls zugänglich sind, zumal die Ausschüsse schon Beschlussfähigkeit besitzen, sobald die 94  Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (179  f.). Ausnahmen können bestehen bei Informationen aus dem „Kernbereich des Persönlichkeitsrechts“ eines Betroffenen oder wenn eine Informationsverbreitung eine mögliche Gefahr für die betroffene Person bedeuten würde, siehe Wolff, ebenda, 173 (180). 95  Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (180). 96  BVerfGE 129, 300 (320 f.); 130, 318 (352 f., 355 f., 359 f.). 97  BVerfGE 130, 318 (359). 98  BVerfGE 130, 318 (359).

176

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Mehrheit der Mitglieder anwesend ist (§ 67 S. 1 GO-BT), wobei im Falle der Verhinderung Stellvertreter einspringen können.99 Die Mitglieder im heutigen PKGr verfügen über keinen Stellvertreter, was im Hinblick auf eine drohende Beschlussunfähigkeit des Gremiums der Annahme einer be­ sonderen Eilbedürftigkeit ohnehin entgegenstehen dürfte. Zum anderen handelt es sich beim PKGr um ein Kontrollorgan, das freilich auch mitlau­ fend von der Bundesregierung unterrichtet wird, aber gerade keine eigene operative Entscheidungszuständigkeit besitzt. Die im Regelfall nachgelager­ te Betrachtung und Aufklärung des Regierungshandelns erfordert schon dem Grunde nach keine besondere Eilbedürftigkeit, die eine besonders kleine Gremiumsgröße von etwa elf Mitgliedern rechtfertigen könnte. Ob die im PKGrG n. F. angeordnete Geheimhaltung unbedingt erforder­ lich und damit verhältnismäßig ist, hängt davon ab, ob die kollidierenden Statusrechte der Abgeordneten und der Öffentlichkeitsgrundsatz hinrei­ chend gewahrt worden sind. Insoweit muss hinterfragt werden, weshalb das Gesetz nicht die Anwendung der Geheimschutzordnung des Bundesta­ ges vorsieht, wie es in § 1 Abs. 1 S. 2 der Geheimschutzordnung dem Grunde nach angelegt ist. Dieser Umstand dürfte vor allen Dingen darin begründet sein, dass die Geheimschutzordnung im Hinblick auf die Rege­ lungen zur Kenntnisnahme und Weitergabe von Verschlusssachen zu weit­ reichende Bestimmungen trifft.100 So ist es nach § 4 Abs. 2 der Geheim­ schutzordnung statthaft, dass Mitglieder des Bundestages, denen eine Ver­ schlusssache des Geheimhaltungsgrades „VERTRAULICH“, „GEHEIM“ oder „STRENG GEHEIM“ zum Zwecke der parlamentarischen Arbeit zu­ gänglich gemacht worden ist, andere Mitglieder des Bundestages inhaltlich darüber in Kenntnis setzen dürfen. Allein diese Regelung würde eine zah­ lenmäßige Mitgliederbegrenzung des PKGr aus Geheimschutzgründen ad absurdum führen. Gleichwohl erscheint aus Sicht des Bundestages in vie­ len anderen Fällen, bei denen auch militärische Geheimnisse oder andere staatsschutzrelevante Informationen geschützt werden müssen, eine Anwen­ dung der Geheimschutzordnung als ausreichend. Die Geheimschutzordnung ist jedoch dann in ihrer systematischen Anlegung nicht ausreichend, wenn nicht nur der Inhalt einer Beratung unter Verschluss bleiben muss, sondern auch die Tatsache, dass in einer Angelegenheit beraten und beschlossen worden ist.101 99  BVerfGE

130, 318 (360 f.). Geheimschutzordnung wird „in ihrem Kern als porös“ bewertet, so Jahn / Engels, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 20 Rn. 24; ebenfalls Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (179). 101  So auch bei Notmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Ankauf von Staats­ anleihen auf dem Sekundärmarkt durch das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 S. 3 StabMechG n. F., siehe BT-Drs. 17 / 9145, S. 5. 100  Die



III. Übertragung auf das heutige PKGr177

Dieses Erfordernis trifft regelmäßig auf nachrichtendienstliche und damit verwandte Angelegenheiten zu. Schließlich ist die Existenz der Nachrichten­ dienste sowie ihr Aufgaben- und Befugnisrahmen, zumindest in den rele­ vanten informierten Kreisen, bekannt. Wirklich unbekannt sind hingegen das aktuelle Beobachtungsthema und der konkrete Beobachtungsadressat. Schon der vage Hinweis, in welche Richtung sich nachrichtendienstliche Tätigkeiten (um-)orientieren, kann genügen, um eine Änderung in der Ver­ haltensweise des Beobachtungsadressaten zu bewirken, was den Erfolg des jeweiligen Vorhabens von vornherein unmöglich machen kann. Die diesbe­ züglich im PKGrG n. F. angelegte Regelvermutung ist daher gerechtfertigt, sofern zugleich ein wirksamer Mechanismus besteht, um das Eingreifen dieser Vermutung im Einzelfall überprüfen zu können. An dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass das PKGr ein Gremium ist, das die sonst üblichen Kontrollmechanismen, namentlich das Plenum sowie die Fach- und Untersuchungsausschüsse, rechtlich nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt.102 Beratungsgegenstände, die der Öffentlichkeit oder we­ nigstens dem Reglement der Geheimschutzordnung des Bundestages zuge­ führt werden sollen, können zusätzlich in den Ausschüssen, vor allen Dingen auch in einem Untersuchungsausschuss, behandelt werden. Die Bundesre­ gierung wird sodann im Einzelfall zu entscheiden haben, inwieweit sie ihrer Informationspflicht im Hinblick auf die erforderliche und gewährleistete Geheimhaltung nachkommen kann. Die Entscheidung unterliegt dabei einer vollen verfassungsrechtlichen Überprüfbarkeit durch das Bundesverfas­ sungsgericht. Die erforderliche Effektivität dieser rechtstheoretischen Betrachtung hängt aber insbesondere davon ab, inwieweit die parlamentarische Opposition in den Stand versetzt wird, den beschriebenen Überprüfungsmechanismus in Gang zu bringen.103 Informationsbegehren, die auf öffentlich gewordene Hinweise zurück zu führen sind, können von der parlamentarischen Oppo­ sition ohne weiteres aufgegriffen werden. Zur Veröffentlichung trägt dabei auch das PKGr selbst bei, soweit es nach § 13 PKGrG n. F. Tätigkeitsbe­ richte zu veröffentlichen hat, in denen auch das Informationsverhalten der Bundesregierung gegenüber dem PKGr zu thematisieren ist. Daneben kann das Gremium mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder gemäß 102  BVerfGE

124, 161 (190 f.). handelt es sich bei der parlamentarischen Kontrolle um eine Aufgabe des gesamten Parlaments und damit nicht um ein Minderheitenrecht, allerdings kon­ trolliert die Opposition „in erster Linie“, siehe dazu Sten. Ber. BT 16  /  215, 27.03.2009, S. 23410 (D), 23415 (B); Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24905 (C). Ebenso Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 53 zu Art. 38 GG; Steffani, in: Schnei­ der  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49 Rnrn. 8, 11; BT-A-Drs. 16(4)614 C neu, Stellungnahme Kutscha, S. 3. 103  Zwar

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

§ 7 Abs. 2 PKGrG n. F. beschließen, dass ein von ihm eingesetzter Sachver­ ständiger dem Bundestag einen schriftlichen Untersuchungsbericht erstattet. Im Übrigen kann das PKGr gemäß § 10 Abs. 2 und 3 PKGrG n. F. mit der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder entscheiden, zu be­ stimmten Vorgängen eine öffentliche Bewertung abzugeben, die auch Sach­ verhaltsangaben enthalten darf. Jedes Mitglied darf, freilich unter Wahrung der Belange des Geheimschutzes, hierzu ein Sondervotum abgeben, das keiner Genehmigung durch das PKGr unterliegt.104 Die beschriebenen Maß­ nahmen tragen dem Erfordernis nach einer angemessenen (Parlaments-)Öf­ fentlichkeit Rechnung, dennoch werden sie von der „regierungsnahen“ Mehrheit im Gremium inhaltlich, schon wegen der hohen Quoren in den beiden letzten Fällen, maßgeblich gesteuert. Eine von der jeweiligen Parlamentsopposition initiierte und gesteuerte (parlaments-)öffentliche Informierung wird hingegen über die der Oppositi­ on angehörenden Mitglieder im PKGr sichergestellt. Insoweit einschlägig ist auch § 3 Abs. 2 PKGrG n. F., wonach jedes Mitglied des Gremiums die Einberufung und Unterrichtung des PKGr verlangen kann.105 Dies setzt je­ doch eine am Prinzip der Spiegelbildlichkeit ausgerichtete Besetzung des Gremiums voraus, da nur so die volle Bandbreite der im Parlament vertre­ tenen politischen Kräfte im PKGr in ihrem Kräfteverhältnis abgebildet werden kann.106 Das PKGrG n. F. enthält jedenfalls keine Regelung, die sich gegen eine spiegelbildliche Besetzung ausspricht. Ein voll spiegelbildlich besetztes PKGr stellt grundsätzlich sicher, dass jede im Parlament vertretene Fraktion über „ihr“ Mitglied im PKGr in die Lage versetzt wird, die „richtigen“, weil relevanten Fragen öffentlich zu stellen. Die Thematisierung der relevanten Beratungsgegenstände im Ple­ num und in den Ausschüssen stellt wiederum das erforderliche Maß an öf­ fentlicher Rückbindung der Regierungskontrolle her. Durch diesen Mechanismus wird im Ergebnis gewährleistet, dass dem PKGr nur das zwingend erforderlich Maß an Information tatsächlich exklu­ siv seitens der Bundesregierung zur Kenntnis gebracht wird. Für diesen Bereich, der ansonsten einer parlamentarischen Kontrolle nicht zugänglich wäre, ist eine über das Niveau der Geheimschutzordnung des Bundestages 104  BT-Drs.

16 / 13220, S.  9. Ausgestaltung des Informationsrechts als Minderheitenrecht ist wesent­ lich, weil sich im parlamentarischen Regierungssystem auch das parlamentarische Untersuchungsrecht in maßgeblicher Weise zu einem Recht der Opposition auf Sachverhaltsaufklärung entwickelt hat, siehe dazu BVerfGE 49, 70 (85 f.); 105, 197 (222). 106  Die Frage, inwieweit das PKGr eine proportional repräsentative Besetzung gewährleistet, wird später zu thematisieren sein. 105  Die



III. Übertragung auf das heutige PKGr179

hinausgehende Geheimhaltung angemessen und damit verhältnismäßig. In den übrigen Fällen wird durch eine wirksame Beteiligung der parlamentari­ schen Opposition, die in der Systematik des PKGrG n. F. auch angelegt ist, eine abgestufte Öffentlichkeit her- und sichergestellt.107 b) Die Größe des Gremiums Ein wesentlicher Bestandteil der Geheimhaltungsentscheidung des Bun­ destages ist zudem die Frage, welche Größe das PKGr haben soll. Das PKGrG n. F. äußert sich hierzu ausdrücklich nicht. Vielmehr soll der jewei­ lige Bundestag diese Entscheidung zu Beginn der Wahlperiode im Rahmen der Gremiumseinsetzung treffen können. Die dabei zu Grunde gelegte An­ nahme, wonach die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationswei­ tergabe steigt, je größer die Mitgliederzahl im Gremium ist, ist nicht sach­ widrig und kommt dem Ziel nach Geheimniswahrung entgegen.108 Jedoch muss sich auch diese Entscheidung einer strengen Verhältnismäßig­ keitsprüfung stellen. Je kleiner das einzusetzende Gremium ausfällt, desto mehr Abgeordnete sehen sich nämlich daran gehindert, an der Nachrichten­ dienstkontrolle im PKGr mitzuwirken.109 Auf diese Weise verstärkt sich der Rechtfertigungsdruck, da das geforderte Repräsentationsprinzip in den Unter­ gremien des Bundestages auch bei formaler Geltung einer spiegelbildlichen Besetzung dadurch immer schlechter gewährleistet werden kann.110 In letzter Konsequenz kann die gewählte geringe Gremiumsgröße verfassungsrechtlich sogar per se unzulässig sein, sofern sie dem Grunde nach nicht geeignet ist, die erforderliche Repräsentationsfunktion zu generieren.111 Die angesprochenen widerstreitenden Verfassungsgüter geben dem Bun­ destag zugleich einen Rahmen für seine Besetzungsentscheidung vor. Ein zahlenmäßig zu großes Gremium liefe dem Ziel nach Geheimniswahrung zuwider.112 Eine dahin gehende Entscheidung würde dazu führen, dass die status- und öffentlichkeitsbeschränkenden Maßnahmen im PKGrG n. F. nicht mehr tragend mit dem zwingenden Grund der Geheimschutzwahrung ge­ rechtfertigt werden könnten, da das „zwingende“ Element des Rechtferti­ 107  Siehe auch Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, S. 131; Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz, 173 (175), die auf ein allgemeines System verschiedener Vertraulichkeitsstufen im Rahmen der parlamentarischen Behandlung bzw. auf ein „Prinzip der abgestuften Öffentlichkeit“ verweisen. 108  BVerfGE 70, 324 (364); Hansalek, S. 264. 109  BVerfGE 130, 318 (354). 110  BVerfGE 130, 318 (354). 111  BVerfGE 130, 318 (354). 112  In diesem Sinne Christopeit / Wolff, 77 (84 f.).

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

gungsgrundes mit Zulassung eines übergroßen Mitgliederkreises durch den Bundestag selbst infrage gestellt werden würde. Auf der anderen Seite wird die Mitgliederzahl durch die zu wahrende Re­ präsentationsfunktion nach unten begrenzt. Als absolute Untergrenze will das Bundesverfassungsgericht sichergestellt wissen, dass in dem betreffenden Gre­ mium nicht sämtliche Oppositionsfraktionen unberücksichtigt bleiben, so dass die zu wählende Gremiumsgröße unabhängig vom gewählten (zulässigen) Be­ rechnungsverfahren zumindest dieses Erfordernis zu gewährleisten hat.113 Die Mindestgröße eines Kontrollgremiums wird daneben auch noch dem Prinzip der „Wirksamkeit der Kontrolle“ hinreichend Rechnung tragen müs­ sen.114 Parlamentarische Kontrolle kann nicht verfassungsgemäß sein, wenn sie ineffektiv und damit unwirksam ist. Dem allgemeinen Effektivitätsprin­ zip staatlichen Handelns verlieh der verfassungsändernde Gesetzgeber im kontrollspezifischen Zusammenhang durch die Einfügung der Artt. 45a, 45b, 45c, 53a und zuletzt 45d GG zudem besonderen Nachdruck.115 Stellt der Gesetzgeber mit Art. 45d GG und dem PKGrG n. F. ein Regel­ werk zur Verfügung, das eine wirksame Kontrolle der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Bereich ausdrücklich einfordert und ermöglicht, müssen sich die organisatorischen Entscheidungen des Bundestages in die­ sem Geiste ausrichten. Die Gewährleistung der Repräsentationsfunktion und die Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle stehen dabei in einem engen Zusammenhang. Das PKGr kann seinem Kontrollauftrag nun dann voll gerecht werden, wenn es effektiv arbeiten kann. Ein wesentlicher Bestand­ teil hierfür ist eine auskömmliche personelle Ausstattung des Gremiums, um dem immensen Arbeitsanfall begegnen zu können.116 Die schlichte Bewältigung der Sacharbeit könnte freilich durch eine Ver­ größerung des Mitarbeiterstammes oder durch die Einführung von stellver­ tretenden Mitgliedschaften geleistet werden. Eine solche Handhabung würde jedoch die Augen vor dem Faktum verschließen, dass es sich bei der parla­ mentarischen Kontrolle durch das PKGr um politische Kontrolle handelt. Dabei liegt es auf der Hand, dass im parlamentarischen Regierungssystem wirksame parlamentarische Kontrolle hauptsächlich durch die parlamentari­ sche Opposition geleistet wird,117 während sich die die Regierung tragenden 113  BVerfGE

70, 324 (365 f.). 67, 100 (130). 115  BVerfGE 67, 100 (130) bezüglich Artt. 45a, 45b, 45c und 53a GG. 116  BT-Drs. 16 / 12411, S. 7; BT-Drs. 16 / 12412, S. 4. 117  BVerfGE 49, 70 (86); Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 18 zu Art. 45d GG; Birk, Gleichheit im Parlament, NJW 1988, 2521 (2522); Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht, S. 56 ff.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 774, 814. 114  BVerfGE



III. Übertragung auf das heutige PKGr181

Fraktionen zumeist auf eine „interne“ Verständigung mit „ihrer“ Regierung beschränken.118 Es wäre daher nicht richtig, den „Regierungsfraktionen“ jedwede Kontroll­ tätigkeit gegenüber der Bundesregierung absprechen zu wollen.119 Allerdings stellt nur die Oppositionskontrolle im Regelfall eine auf die Öffentlichkeit gerichtete kritische Kontrolle sicher, wodurch letztlich die notwendige legiti­ matorische Rückbindung zum Volk erreicht wird.120 Aus diesem Grunde kann ein effektiv arbeitendes Kontrollgremium zuvörderst durch eine entsprechend hohe Anzahl an Gremiumsmitgliedschaften verwirklicht werden, da sich nur auf diese Weise die Gelegenheit bietet, die die Minderheit bildenden Opposi­ tionsfraktionen in den parlamentarischen Kontrollvorgang entsprechend ihrer parlamentarischen Stärke vollständig einzubeziehen.121 Schon vor Implementierung von Art. 45d GG und dem heutigen PKGrG durften berechtigte Zweifel erhoben werden, ob ein Gremium aus etwa fünf Mitgliedern in der Lage war, die Bundesregierung im Bereich der Nachrich­ tendienste des Bundes wirksam zu kontrollieren. Man könnte dies freilich auch bei 15, 20 oder mehr Mitgliedern bezweifeln, wenn man sich die Aufgabenvielfalt der Nachrichtendienste einerseits und deren personelle und finanzielle Ausstattung andererseits bei Lichte betrachtet. Einzig der Zweck, die Belange des Geheimschutzes zu wahren, kann sich am Ende einer Ab­ wägung insoweit begrenzend auswirken. Dabei lässt sich aus rechtlicher Sicht nur schwer bestimmen, wo in absoluten Zahlen die Grenze gezogen werden muss. Aus Wirksamkeitsgesichtspunkten lässt sich zumindest fest­ stellen, dass dem PKGr zumindest die Mitgliederzahl zugewiesen sein muss, die notwendig ist, um jeder im Parlament vertretenen Fraktion den Einzug in das PKGr zu ermöglichen.122 118  BVerfGE 114, 121 (149  f.); angedeutet bei Gusy, Grundrechte und Verfas­ sungsschutz, S. 134 Fn. 43. 119  Die Kontrolle durch sämtliche Abgeordnete im Parlament entspricht dem klas­ sischen gesamtparlamentarischen Kontrollmechanismus, der allmählich durch eine zunehmende Stärkung der Oppositionsrolle in Richtung eines Dualismus von Bun­ desregierung samt „Regierungsmehrheit“ einerseits und oppositioneller Minderheit andererseits verschoben wurde, siehe Achterberg, Das Parlament im modernen Staat, DVBl. 1974, 693 (704); Stern, Staatsrecht, Band I, S. 824. 120  Kissler, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, §  36 Rn. 20; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 774. 121  Die Erhaltung des repräsentativen Charakters von Ausschüssen mache es zu­ dem erforderlich, dass jede im Parlament vertretene Fraktion auch in den kleineren Ausschüssen mit mindestens einem Abgeordneten vertreten sein müsse, in diesem Sinne Gusy, Demokratische Repräsentation, ZfP 1989, 264 (284). 122  In diesem Sinne auch Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, S. 133, wo­ nach grundsätzlich jeder Fraktion die Ausübung der parlamentarischen Kontrollfunk­ tion ermöglicht werden muss.

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Je nach Ausdifferenzierung des deutschen Parteienspektrums kommt man auf diese Weise auf eine mehr oder weniger auskömmliche Mitgliederzahl. Dem gegenüber kann das Bestreben, die Mitgliedschaft zumindest einer oder einiger Oppositionsfraktionen zu gewährleisten,123 lediglich als unan­ tastbare Grundvoraussetzung im Sinne einer „angemessenen Beteiligung der Opposition“ verstanden werden.124 Schließlich kann auch das Oppositions­ lager, obzwar in der Regel parlamentarische Minderheit, nicht als homogene Einheit angesehen werden, was sich wiederum bei Ausmaß und Intensität der parlamentarischen Kontrolltätigkeit widerspiegelt.125 Nur dann, wenn der Bundestag aus einer Vielzahl zu berücksichtigender Fraktionen bestehen sollte, wird es allerdings geboten sein, die absolute Zahl der Gremiumsmitglieder aus Geheimschutzgründen zu begrenzen.126 Die anzustellende strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung wird dabei auch zu berücksichtigen haben, dass der Gesetzgeber des heutigen PKGrG dem Geheimhaltungsbedürfnis eine gewisse Relativierung zukommen ließ, die im bisherigen PKGrG in dieser Form nicht bestand. Neben der Sach- und Personalausstattung durch die Bundestagsverwaltung (§ 12 PKGrG n. F.) ist fortan jedes Mitglied des PKGr gemäß § 11 PKGrG n. F. berechtigt, sich der Unterstützung eines Fraktionsmitarbeiters zu bedienen. Zwar wurde die ur­ sprüngliche Fassung der Vorschrift, wonach auch Abgeordnetenmitarbeiter herangezogen werden konnten, im Gesetzgebungsverfahren nicht weiter verfolgt; auch wurde die förmliche Bestellung der Mitarbeiter an die Zu­ stimmung des PKGr geknüpft, das vorab wiederum verpflichtet ist, die Bundesregierung dazu anzuhören. 123  BVerfGE 70, 324 (359) lässt dies genügen. Gusy fordert eine „wahrnehmbare Zahl von Oppositionsabgeordneten“ im Gremium, siehe BT-A-Drs. 16(4)614 B, Stellungnahme Gusy, S. 3. 124  BayVerfGH, NVwZ 2002, 1372 (1374); Mehde, in: Epping  / Hillgruber, GG, Rn. 14.3 zu Art. 45d GG. 125  Schneider, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 38 Rn. 28, der eine derartige Gleichsetzung auch auf einen problemtatischen Opposi­ tionsbegriff zurückführt. „Parlamentarische Opposition“ kann für Schneider nicht die „Gesamtheit aller Minderheitsfraktionen“ sein, vielmehr fasst er hierunter „… jede nicht an der Regierung beteiligte (d. h. sie weder tragende noch duldende), jedoch potentiell regierungsfähige und -willige Parlamentsfraktion …“, siehe Schneider, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 38 Rnrn. 31 ff. 126  Dabei darf nicht pauschal und ausschließlich auf eine bestimmte Maximalgrö­ ße des Gremiums abgestellt werden; vielmehr ist zu hinterfragen, inwieweit die von einem Ausschluss betroffenen Abgeordneten konkret als Gefahr für die Kontrolle der Nachrichtendienste in Betracht kommen, so dass im Einzelfall auch Mindermaßnah­ men zum Zwecke der Gefahrenabwehr ergriffen werden müssten, in diesem Sinne Di Fabio, 599 (615 Fn. 89).



III. Übertragung auf das heutige PKGr183

Jedoch sieht § 11 Abs. 2 S. 3 PKGrG n. F. nunmehr die Möglichkeit vor, Fraktionsmitarbeitern im Einzelfall sogar die Teilnahme an den Gremiums­ sitzungen zu gestatten, wenngleich hierfür zwei Drittel der Gremiumsmit­ glieder ihre Zustimmung geben müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Teilnahme an den geheimen Sitzungen als „Herzstück“ der Gremiumsar­ beit bezeichnet werden kann, hat sich der Gesetzgeber durch diese Festle­ gung im Zweifel für eine verstärkte Unterstützung zum Zwecke der Effek­ tivierung der Gremiumsarbeit und zu Lasten einer strikten Geheimschutz­ wahrung durch Beschränkung des Teilnehmerkreises entschieden.127 Diese gesetzgeberische Abwägungsentscheidung wird dazu führen, dass eine Mitgliederbeschränkung, die einzelne Fraktionen ausschließen würde, nur in besonderen politischen Ausnahmefällen zulässig sein kann.128 In jedem Fall wäre der Bundestag aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorab verpflich­ tet, die Zuziehung von Fraktionsmitarbeitern aufzugeben, bevor er sich an­ schickt, die originäre Mitgliederzahl zu beschränken. Die Gesetzgebungsverfahren zu Art. 45d GG und zum PKGrG n. F. wur­ den in der 16. Wahlperiode des Bundestages eingebracht, als das PKGr neun Mitglieder zählte. Eines der ausgewiesenen Ziele war es, das damalige System der parlamentarischen Kontrolle effektiver zu gestalten, um dem Personal-, Ressourcen- und Aufgabenanstieg seitens der Nachrichtendienste eine adäquate parlamentarische Kontrolle gegenüber stellen zu können.129 Angesichts der festgestellten Unzulänglichkeiten in diesem Bereich und der in diesem Zusammenhang eingeführten Möglichkeit zur Beiziehung von Fraktionsmitarbeitern gemäß § 11 PKGrG n. F. war es dann auch folgerich­ tig, dass der 17. Deutsche Bundestag die Mitgliederzahl des Gremiums auf elf festsetzte.130 Durch diese Festsetzung griff der Bundestag den gesetzge­ berisch festgestellten Handlungsbedarf auf und legte die Mitgliederzahl unter Ausübung seines bestehenden Ermessens und im Lichte des neu ge­ schaffenen Rechtsrahmens neu fest. Die Festsetzung gewährleistet, dass sämtliche Fraktionen des gegenwärtigen Bundestages im PKGr vertreten 127  Wolff sah in der ursprünglichen Fassung von § 11 PKGrG-E n. F. eine „mini­ male Geheimhaltungsrelativierung“, während er die Gesetzesfassung von § 11 PK­ GrG n. F., die eine Sitzungsteilnahme der Fraktionsmitarbeiter ermöglicht, in diesem Punkt als „systemfremd“ kritisiert, siehe Christopeit / Wolff, 77 (95); BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S. 6. 128  Teilweise wird vertreten, dass jede Parlamentsfraktion mit mindestens einem Abgeordneten im PKGr ohne Ausnahme vertreten sein muss, so Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 38 zu Art. 45d GG. Andere Ansicht: Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 14.1 zu Art. 45d GG, der einen verfassungsrechtlichen Grundmandatsanspruch einer jeden Fraktion im Gremium ablehnt. 129  BT-Drs. 16 / 12411, S. 7; BT-Drs. 16 / 12412, S. 4. 130  BT-Drs. 17 / 208, S.  1.

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

sein können. Diese Festlegung wurde in einer jüngeren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als grundsätzlich geeignet angesehen, um die Belange des Geheimschutzes angemessen zu wahren.131 Insofern begründet die Entscheidung des 17. Deutschen Bundestages zur Gremiumsgröße eine Bindungswirkung für zukünftige Bundestage. Es han­ delt sich eben nicht um eine Einschätzung der jeweiligen Parlamentsmehr­ heit, die willkürfrei eine gewisse Mindestbeteiligung der Opposition zu berücksichtigen hat, sondern um eine Konkretisierung bestehenden Ermes­ sens am Ende einer rechtlichen Abwägung von Verfassungsrechtsgütern durch das Verfassungsorgan Bundestag. Etwaige Anpassungen durch zu­ künftige Bundestage setzen eine wesentliche Änderung der maßgebenden rechtlichen und politischen Umstände voraus, was es im Einzelfall darzule­ gen gilt und einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung standhal­ ten muss.132 2. Die Besetzung des PKGr Hat der Bundestag die Mitgliederzahl festgelegt, sieht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst vor, dass sich die Besetzung des PKGr zwingend nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auszurichten hat, da dieses Gremium des Bundestages mit der „selbständigen und plenar­ ersetzenden Aufgabenwahrnehmung“ betraut worden ist.133 Zwar äußert sich das PKGrG n. F. dazu nicht, jedoch ist § 2 Abs. 1, 2 PKGrG n. F. einer verfassungskonformen Auslegung insoweit zugänglich. Auch gibt das Ge­ setz dem Bundestag kein festes Berechnungsverfahren vor, so dass er bei der Auswahl eines anerkannten und nicht modifizierten Zählverfahrens keinen besonderen Beschränkungen unterliegt.134 Ob sich im Einzelfall das Prinzip der Spiegelbildlichkeit voll durchsetzt, hängt indes davon ab, inwie­ weit sich das widerstreitende Mehrheitsprinzip im Rahmen des schonenden Ausgleichs behaupten kann.135 Abweichungen vom Spiegelbildlichkeitsprin­ 131  BVerfGE

130, 318 (359). 120, 82 (107 f.); 129, 300 (321 f.). 133  BVerfGE 130, 318 (351, 353). In diesem Sinne auch Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 18 zu Art. 45d GG; Hansalek, S. 271. Zwar nor­ miert Art. 45d Abs. 1 GG das Erfordernis einer spiegelbildlichen Besetzung des Gremiums nicht ausdrücklich, allerdings kann der „offene“ Wortlaut entsprechend der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ausgelegt werden, so Hermes, in: Drei­ er, GG, Rn. 38 zu Art. 45d GG. Schließlich sei „… Kontrolle ohne (oder ohne re­ präsentative) Beteiligung der Opposition ein Widerspruch in sich …“, so Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 37 zu Art. 45d GG. 134  BVerfGE 130, 318 (354 f., 365). 135  BVerfGE 112, 118 (140). 132  BVerfGE



III. Übertragung auf das heutige PKGr185

zip sollen nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts nur dann ge­ rechtfertigt sein, wenn „nur dadurch“ Sachentscheidungen im Untergremium gefällt werden können, die auch im Plenum eine realistische Chance darauf haben, von der „Regierungsmehrheit“ goutiert zu werden.136 Insofern unterscheidet sich das PKGr sowohl vom Haushaltsgremium nach § 10a Bundeshaushaltsordnung als auch vom Sondergremium nach § 3 Abs. 3 S. 1 StabMechG a. F., die entweder für den Bundestag oder für den Haushaltsausschuss im Schwerpunkt als (Vor-)Entscheidungsgremien tätig werden. Das PKGr war und ist in erster Linie ein Kontrollgremium, dem lediglich als Annex Wahl- und Entscheidungsbefugnisse zugewiesen worden sind. So hat das PKGr erstens nicht die Aufgabe, dem Plenum beschlussreife Entscheidungen vorzulegen.137 Zwar erstattet das Gremium dem Plenum Bericht. Die Frage, ob und inwieweit daraus Konsequenzen gezogen wer­ den, muss jedoch originär im Plenum entschieden und beschlossen werden. Das PKGr kann die Einleitung von Untersuchungsverfahren in den Berich­ ten sicherlich anregen oder auf gesetzgeberische Änderungen drängen. Eine entlastende Vorwegnahme des Entscheidungsprozesses, der auf eine endgül­ tige Sachentscheidung im Plenum ausgerichtet ist, kann darin allerdings nicht erblickt werden. Schon wegen der zu wahrenden strengen Geheimhal­ tung ist das PKGr häufig darauf beschränkt, mit mehr oder weniger vagen Andeutungen zu operieren, die das Plenum und die Fachausschüsse vor­ nehmlich dazu anhalten sollen, die „eigentlichen“ Maßnahmen zu ergreifen. Dieser bloß mittelbare Einfluss auf das Plenum erfordert nicht zwingend eine am Mehrheitsprinzip ausgerichtete Besetzung des PKGr. Die Entscheidungen des Gremiums können zweitens nicht als Sachent­ scheidungen qualifiziert werden. Sie ordnen sich vielmehr vollständig dem Kontrollauftrag des Gremiums unter und haben aus diesem Grunde einen bloß organisatorischen Charakter zum Zwecke der Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle. Aufgrund dessen ist es auch verfehlt, das PKGr als ein Gremium zu bezeichnen, das konstitutive Beschlüsse zu fassen hat, die wiederum eine bestimmte politische Mehrheit widerspiegeln. Um dieses letztlich bejahen zu können, müssten die Beschlusskompetenzen des PKGr ihrem Wesen nach viel weniger „verfahrenstechnisch“ ausgestaltet sein.138 136  BVerfGE

112, 118 (140 f.). auch beim Vermittlungsausschuss, siehe BVerfGE 112, 118 (144). 138  Das PKGr entscheidet etwa darüber, wie es von der Bundesregierung infor­ miert werden möchte, bspw. durch die Herausgabe von Akten oder durch die Über­ mittlung von Dateien. Auch kann es einen Sachverständigen zu Untersuchungszwe­ cken beauftragen und entscheiden, wer als „eigener Mitarbeiter“ der Gremiums­ mitglieder zugelassen werden soll. Das PKGr erstattet Berichte und kann zur 137  So

186

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Soweit das Gremium Entscheidungen erhöhter rechtlicher und wohl auch politischer Relevanz zu treffen hat, sieht das PKGrG n. F. qualifizierte Mehrheitsanforderungen vor,139 die letztlich dazu führen, dass eine zustim­ mende Beteiligung der im Plenum vorhandenen „Regierungsmehrheit“ re­ gelmäßig auch im PKGr erforderlich sein wird. Auf diese Weise hat sich das Gesetz für den alternativen Weg der Quorumsanhebung entschieden, der eine Abweichung vom Prinzip der Spiegelbildlichkeit auch insoweit ent­ behrlich macht. Daneben obliegt es dem PKGr aber auch, die Mitglieder der G-10-Kom­ mission gemäß § 15 Abs. 1 Artikel-10-Gesetz zu bestellen. Die Kommission hat neben ihrer Kontrollfunktion die Aufgabe, über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen nach dem Artikel-10-Gesetz zu entscheiden. Diese echte Sachentscheidungskompetenz der Kommission könnte es wiederum erforderlich machen, die Mitglieder von einem Gremi­ um bestellen zu lassen, das mehrheitlich aus Mitgliedern der „Regierungs­ fraktionen“ zusammengesetzt ist. Bei genauer Betrachtung der G-10-Kommission ist allerdings zu konsta­ tieren, dass auch dieses Gremium keine Vorentscheidungen für das Plenum trifft. Die Kommission übernimmt keine plenarersetzende Funktion, viel­ mehr ersetzt sie den nicht hinreichend vorhandenen Rechtsschutz in diesem Bereich und damit eine originär judikative Funktion.140 In dieser Rolle darf die Kommission nicht darauf angelegt sein, Entscheidungen im Sinne der Regierung oder der im Bundestag vertretenen Regierungsmehrheit zu tref­ fen. Wie ein Gericht ist sie darauf beschränkt, als Fachgremium unter rechtlicher Würdigung zu entscheiden.141 Dieser Anspruch wird normativ verwirklicht durch die Festlegung, wo­ nach zumindest der Vorsitzende über die Befähigung zum Richteramt ver­ fügen muss und alle Mitglieder, sämtlichst fest gewählt, in ihrer laufend ausgeübten Amtsführung unabhängig und keinen Weisungen unterworfen sind.142 Im Übrigen kommt eine proportional-repräsentative Besetzung schon wegen der geringen Größe von vier stimmberechtigten Mitgliedern nicht in Betracht, zumal bei Stimmengleichheit das Votum des Vorsitzenden den Ausschlag gibt, wodurch wiederum der Fachgremiumscharakter unter­ Durchsetzung der eigenen Rechte das Bundesverfassungsgericht anrufen. Die Art und Weise der Regierungstätigkeit im nachrichtendienstlichen Bereich wird dadurch unmittelbar nicht tangiert. 139  Dies gilt für die qualifizierten Zustimmungsvorbehalte in den §§ 7 Abs. 1 und 2, 10 Abs. 2 S. 1, 11 Abs. 2 S. 3 und 14 PKGrG n. F. 140  BVerfGE 30, 1 (23). 141  BVerfGE 30, 1 (23). 142  BVerfGE 30, 1 (23, 30 f.).



III. Übertragung auf das heutige PKGr187

strichen wird. Aus dem Erfordernis, ein Fachgremium aus Rechtsschutzzwe­ cken zu bestellen, das mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet ist, lässt sich daher auf Seiten des PKGr keine besondere Notwendigkeit zur Aus­ richtung am Mehrheitsprinzip ableiten. Auf diese Weise wird außerdem der Gefahr einer missbräuchlich einseitigen Besetzung der Kommission durch eine Parlamentsmehrheit vorgebeugt, worauf aus Sicht des Bundesverfas­ sungsgerichts ebenfalls stets zu achten ist.143 Funktion und Aufgaben des PKGr erfordern daher im Ergebnis keine zwingende Ausrichtung der Besetzung am Mehrheitsprinzip, da die vom Bundesverfassungsgericht geforderte „Vorentscheidungskonstellation“ hier nicht festgestellt werden kann. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist bei der Besetzung des PKGr daher ohne Abstriche umzusetzen. Sollen nach alledem die Mitglieder des PKGr gewählt werden, wird der Bundestag vorab die Mitgliederzahl sowie ein anerkanntes und nicht modi­ fiziertes Zählverfahren zur Bestimmung der Spiegelbildlichkeit festzulegen haben.144 Anschließend werden die auf die Fraktionen zu verteilenden Sitze berechnet. Anders als bei Ausschüssen steht den Fraktionen jedoch kein Entsendungsrecht zu. Sie haben lediglich das Recht, eine entsprechende Zahl an Abgeordneten zur Wahl vorzuschlagen. Angesichts der Tatsache, dass das Wahlerfordernis das Ziel verfolgt, nur Mitglieder zu bestellen, die das Vertrauen der Mehrheit des Bundestages genießen,145 spricht nichts dagegen, den Fraktionen aufzugeben, die zwei- oder dreifache Mitgliederan­ zahl ihres Kontingents vorzuschlagen, um dem Bundestag eine echte Aus­ wahlentscheidung zu ermöglichen. Der Bundestag wählt sodann die Abge­ ordneten mit der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages, § 2 Abs. 3 PKGrG n. F.146 Dieses Quorum, das mit dem des Art. 121 GG identisch ist, weicht indes von dem allgemeinen Mehrheitserfordernis aus Art. 42 Abs. 2 GG ab, wonach Beschlüsse grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen sind. Abweichungen können im Grund­ gesetz und, soweit es sich um Wahlen handelt, in der Geschäftsordnung des Bundestages vorgesehen werden. Indem Art. 45d Abs. 2 GG alle näheren Bestimmungen, wozu freilich auch die Regelungen zur Wahl des Gremiums gehören, dem einfachen Bundesgesetz überantwortet hat, scheiden rechtli­ 143  BVerfGE

30, 1 (31). 130, 318 (354 f., 365). 145  BVerfGE 70, 324 (365); Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 17 zu Art. 45d GG; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 31 zu Art. 45d GG. 146  Das Erfordernis der absoluten Stimmenmehrheit begegnet keinen verfassungs­ rechtlichen Bedenken, siehe BVerfGE 70, 324 (365); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rnrn. 30 f. zu Art. 45d GG; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Rn. 18 zu Art. 45d GG. 144  BVerfGE

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

che Bedenken gegen die Zulässigkeit des abweichenden Wahlmodus im PKGrG n. F. schon im Ansatz aus. Vor Implementierung von Art. 45d GG kam allerdings nur ein Rückgriff auf Art. 42 Abs. 2 S. 2 GG in Betracht, der expressis verbis Ausnahmen nur in der Regelungsform der Geschäftsord­ nung zulassen will. Diese Festlegung ist jedoch nicht abschließend, will sie doch nur verdeutlichen, dass Ausnahmen bei Wahlen, die im Grundgesetz nicht anderweitig eine Regelung erfahren haben, lediglich der „klassischen“ Regelungsform „Geschäftsordnung“ bedürfen.147 Diesem Zusammenhang folgend ist es daher rechtlich unproblematisch, wenn sich der Bundestag dafür entscheidet, die Wahlmodalitäten in einem normenhierarchisch über­ geordneten Bundesgesetz zu regeln.148 Art. 45d Abs. 2 GG entfaltet daher insoweit keine konstitutive Bedeutung. 3. Die Nichtberücksichtigung eines Abgeordneten im PKGr Will der Bundestag einen Abgeordneten bei der Wahl nicht berücksichti­ gen, weil er der Fraktion bzw. den von ihr vorgeschlagenen Abgeordneten ganz oder teilweise nicht vertraut, kann diese Abweichung vom Prinzip der Spiegelbildlichkeit nur mit dem Hinweis auf das Vorliegen eines eng be­ grenzten Ausnahmefalles begründet werden.149 Ein solcher Fall kann beim PKGr nur angenommen werden, wenn durch die Wahl der abgelehnten Abgeordneten die Existenzgrundlage des PKGr, nämlich das zwingende Bedürfnis nach Geheimhaltung, infrage gestellt werden würde.150 Eine et­ waige Geheimnisunfähigkeit oder -unwilligkeit eines Abgeordneten oder einer ganzen Fraktion muss konkret dargelegt und glaubhaft gemacht wer­ den.151 Die Schwere des vorgeworfenen Fehlverhaltens muss außerdem im Hinblick auf den besonders intensiven Eingriff in die Fraktions- und Abge­ ordnetenrechte verhältnismäßig sein, wobei eine solche Abwägungsentschei­ Hansalek, S.  265 f. Hansalek, S.  265 f. 149  BVerfGE 70, 324 (366). 150  Birk, 2521 (2524); wohl insbesondere den Fall der Geheimnisunwilligkeit von Abgeordneten vor Augen hat Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, S. 133; Hansalek, S. 273. 151  Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt  /  Klein  /  Starck, GG, Rn. 18 zu Art. 45d GG; Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 14.4 zu Art. 45d GG weist auf das Problem hin, dass die jeweilige Wahlentscheidung im Bundestag keiner Begrün­ dungspflicht unterliegt, wenngleich im Rahmen der späteren verfassungsgerichtli­ chen Überprüfung die für die Gefahrannahme zu Grunde gelegten Tatsachen glaub­ haft gemacht werden müssen. Hingegen lehnt Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 38 zu Art. 45d GG einen vollumfänglichen Ausschluss einer Fraktion von der Mitwirkung an der Kontrolltätigkeit des PKGr ab. 147  So 148  So



III. Übertragung auf das heutige PKGr189

dung zudem einer strengen Überprüfbarkeit durch das Bundesverfassungs­ gericht unterliegen würde.152 Es fragt sich dabei, wie mit dem Fall eines Abgeordneten zu verfahren ist, gegen den nachrichtendienstliche Beobachtungen betrieben werden. Diese Person wäre als Mitglied des PKGr sich selbst gegenüber geheimnis­ unfähig. Unmittelbarer Anknüpfungspunkt wäre an dieser Stelle freilich die nicht sicher zu stellende Geheimhaltung der nachrichtendienstlichen Aktivi­ täten, mittelbar aber die Aufnahme der Beobachtungstätigkeit durch den Nachrichtendienst. Letzteres scheidet indes als Anknüpfungspunkt aus, da es dem Gesetzgeber und auch dem Bundestag als Wahlorgan verwehrt ist, sachfremde Motive, wie die Bekämpfung extremistischer und verfassungs­ feindlicher Bestrebungen, im Rahmen des Wahlrechts zu verfolgen.153 Der unmittelbare Anknüpfungspunkt kann wiederum nicht als vorwerfbares Fehlverhalten des Abgeordneten qualifiziert werden, vielmehr ist dieser in der Natur der Sache begründet. Die fehlende Vorwerfbarkeit beseitigt zwar nicht das bestehende Geheim­ haltungsdefizit, erhöht jedoch den Rechtfertigungsdruck auf Seiten des Bundestages so stark, dass bis auf extreme Sachlagen eine Nichtberücksich­ tigung bei der Wahl verfassungsrechtlich unzulässig ist.154 Dies vor allen Dingen, weil die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten für sich genommen erhebliche Gefahren für deren Unabhängigkeit und den demokratischen Willensbildungsprozess in sich birgt, denen es vorzubeugen gilt, zumal eine Nichtberücksichtigung im Gremium direkt und grundlegend Auswirkungen auf die parlamentarische Arbeit des Abgeordneten und des­ sen Fraktion, wie oben ausgeführt, haben würde.155 Das PKGrG n. F. gibt zudem keine befriedigende Antwort darauf, wie mit geheimnisunfähigen oder -unwilligen Mitgliedern des PKGr umzugehen ist. 152  Hansalek,

S.  273 ff. 120, 82 (107, 109); Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, S. 133, erblickt schon in der „Beobachtung“ einer Fraktion oder Partei einen zwin­ genden, rechtlich anerkannten Grund, der auch zur Nichtberücksichtigung der zuge­ hörigen Abgeordneten im PKGr führen kann. 154  Mehde, in: Epping / Hillgruber, GG, Rn. 14.5 zu Art. 45d GG fordert, das kon­ krete Gefahrenpotential zu ermitteln, um etwaige Mindermaßnahmen zu ergreifen. 155  BVerfGE 124, 161 (195). Die Bundesregierung übernimmt an dieser Stelle die Rechtsansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus einem Gutach­ ten vom 08.05.2006, wonach die Beobachtung von Abgeordneten und der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen diese dann unzulässig ist, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit des Parlaments oder die innerparlamentarischen Statusrechte der Abgeordneten so beeinträchtigt werden, dass die parlamentarische Willensbildung und Tätigkeit der Abgeordneten unmittelbar oder mittelbar beeinflusst wäre, siehe BT-Drs. 16 / 3964, S.  4. 153  BVerfGE

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F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

Wurden die Abgeordneten für die gesamte Wahlperiode gewählt, gibt es anschließend nicht die Möglichkeit für die Fraktionen, die von ihnen vor­ geschlagenen Mitglieder abzuberufen, da sie schließlich nicht von den Fraktionen entsandt, sondern vom Bundestag gewählt worden sind. Die Mitgliedschaft im PKGr endet nach § 2 Abs. 4 S. 1 PKGrG n. F. erst, wenn der Abgeordnete auch aus dem Bundestag oder seiner Fraktion aus­ scheidet. Eine eigenständige Abwahlmöglichkeit aus dem PKGr sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor.156 Im Vorfeld der Gesetzesänderung zum heutigen PKGrG gab es daher Überlegungen, eine Abwahlmöglichkeit im Falle einer Verletzung der Geheimhaltungspflichten zu implementieren.157 Die Norm hätte dem Bundestag auch die Möglichkeit gegeben, zur Wah­ rung der Verhältnismäßigkeit entsprechende Mindermaßnahmen wie kompe­ tenzielle oder zeitliche Beschränkungen der Mitgliedschaftsrechte zu ergrei­ fen. Letztlich wurde das Ansinnen ausdrücklich nicht aufgegriffen, da man es, wohl nicht zuletzt wegen der bestehenden Missbrauchsgefahr, als „un­ zumutbar“ ansah.158 Eine solche Argumentation übersieht jedoch das Erfor­ dernis, dass auch in diesem Fall die Verletzung der Geheimhaltungspflicht vom Bundestag konkret darzulegen und zumindest glaubhaft zu machen ist. Die im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahmen unterlägen insoweit wieder­ um einer strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle durch das Bundesverfas­ sungsgericht. Es wäre nicht nur verfassungspolitisch stringent, eine Sanktionsmöglich­ keit für bereits gewählte Mitglieder im Gesetz vorzusehen, es ist auch verfas­ sungsrechtlich erforderlich. Zum einen könnte ein Geheimhaltungsdefizit bei nur einem Mitglied des PKGr dazu führen, dass die Bundesregierung mit Hinweis darauf ihre Informationstätigkeit einschränkt oder gar einstellt. Eine wirksame parlamentarische Kontrolle wäre nicht mehr möglich und das PK­ Gr dem Grunde nach infrage gestellt. Zum anderen relativiert die ausdrück­ liche Nichtregelung im Gesetz das Maß dessen, was unter Bezugnahme auf das Geheimhaltungserfordernis als Eingriff in die Statusrechte der Abgeord­ neten noch als verhältnismäßig angesehen werden kann. Ein Gesetz, das eine 156  So schon Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 205 Rn. 13. Somit thematisiert § 2 Abs. 4 S. 2 2. Halbsatz PKGrG n. F. das „freiwillige“ Ausscheiden nur aus dem PKGr. 157  So sollte in das Gesetz aufgenommen werden: „Der Deutsche Bundestag kann den Verlust der Mitgliedschaft eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremi­ ums beschließen, wenn dieser seine Geheimhaltungspflichten gem. § 5 Abs. 1 PK­ GrG verletzt.“, so der CDU / CSU-Entwurf PKGrG, S. 4. Dabei wurde zugleich an­ gemerkt, dass die parlamentarische Entscheidung nicht von einem ausdrücklichen Strengbeweis des Vorwurfes abhängt, vgl. CDU / CSU-Entwurf PKGrG, S. 4 Fn. 14, siehe auch unter Fn. 167. 158  Baier, S. 187; Sten. Ber. BT 16 / 215, 27.03.2009, S. 23411 (C).



III. Übertragung auf das heutige PKGr191

Vielzahl von Abgeordneten von der parlamentarischen Kontrolle der Nach­ richtendienste aus Geheimhaltungsgründen ausschließt, zugleich aber ge­ heimnisunfähige oder -unwillige Mitglieder des PKGr nicht aktiv auszu­ schließen sucht, zerstört den Rechtfertigungszusammenhang, der für die Existenz des Gremiums konstitutiv ist. Bei konsequenter Fortschreibung die­ ser Situation wäre es gleichheitswidrig, Abgeordnete nur vor der Wahl im Hinblick auf ein Geheimhaltungsdefizit abzulehnen, da ein sachlicher Grund für eine solche Differenzierung nicht erkennbar ist. So ergäbe sich ein „Wahl­ anspruch“ auch für die Fraktionen, denen aufgrund des Prinzips der Spiegel­ bildlichkeit Sitze im PKGr zustehen und die ausschließlich Abgeordnete vor­ schlagen, die offen vor der Wahl erklären, den Geheimschutz nicht wahren zu wollen. Der für die Bildung eines relativ kleinen und geheim tagenden Gre­ miums maßgebende zwingende Grund, die Wahrung des Geheimschutzes, könnte dann auch den übrigen Abgeordneten gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden, was schließlich zur verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit des PKGr in seiner jetzigen Gestalt führen würde. Der Gesetzgeber muss diese Regelungslücke im heutigen PKGrG daher umgehend schließen, um Friktionen der beschriebenen Art verhindern zu können. 4. Konstitutive Auswirkungen des Art. 45d GG auf die Besetzung des PKGr Der offene Wortlaut von Art. 45d GG und des heutigen PKGrG zu Wahl und Zusammensetzung des Kontrollgremiums erlaubt eine verfassungskon­ forme Auslegung nach Maßgabe der Vorgaben des Bundesverfassungsge­ richts. So ist § 2 Abs. 2 PKGrG n. F. so auszulegen, dass das Gremium ein verkleinertes Abbild des Plenums darstellen muss, das in seiner Zusammen­ setzung die Stärke der dort vertretenen Fraktionen widerspiegelt. Im Übri­ gen tariert das PKGrG n. F. die widerstreitenden Verfassungsgüter verhält­ nismäßig aus, so dass die statusrechtlichen Beschränkungen der nicht in das PKGr gewählten Abgeordneten aus Geheimschutzgründen gerechtfertigt werden können. Der Implementierung von Art. 45d GG kommt in diesem Zusammenhang daher auch keine verfassungsrechtlich konstitutive Bedeu­ tung zu. Sinn und Zweck von Art. 45d Abs. 1 GG ist es unter anderem, über den Terminus „Gremium“ zu verdeutlichen, dass dem Kontrollorgan aus­ drücklich keine Ausschussqualität im Sinne der Geschäftsordnung des Bun­ destages zukommt. Der verfassungsändernde Gesetzgeber verzichtete zudem bewusst darauf, konkrete Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung des Gremiums zu machen.159 Vielmehr ist es das ausgewiesene Ziel, dem ein­ 159  BT-Drs.

16 / 12412, S.  5.

192

F. Das „Gremium“ nach Art. 45d GG und dessen Bedeutung

fachen Gesetzgeber die Regelungshoheit bezüglich Zahl und Wahl der Mitglieder und zur Zusammensetzung und Arbeitsweise des PKGr ohne Rücksicht auf bestehende Regularien der Geschäftsordnung des Bundesta­ ges zu erhalten und zu bestätigen.160 Auf diese Weise erfährt der status quo bezüglich der Regelungskompetenz in diesem Zusammenhang durch Art. 45d GG keine inhaltliche Veränderung. Es fällt wiederum auf, dass die Materialien zu Art. 45d GG die Einrich­ tung des Kontrollgremiums mit der Wahrung der besonderen Geheimhaltung bzw. Vertraulichkeit begründen und dabei auf die Entscheidung des Bundes­ verfassungsgerichts aus dem Jahre 1986 abheben.161 Zum anderen formu­ lierte der Gesetzgeber des Art. 45d GG den zu bewahrenden status quo abstrakt, indem der „bestehende Zustand“ als Anknüpfungspunkt markiert wurde.162 Schließlich sollte durch die Einfügung von Art. 45d GG und die Neufassung des PKGrG kein inhaltlicher Systembruch herbeigeführt wer­ den, vielmehr sollten die Kontrollrechte „behutsam und systemkonform“ gestärkt werden.163 Durch diese Regelungstechnik übernahm der verfassungsändernde Ge­ setzgeber somit alle verfassungsrechtlichen Vorgaben, die vom einfachen Gesetzgeber unmittelbar vor Inkrafttreten von Art. 45d GG zu beachten waren. Dieser Regelungsansatz überlässt daher die Konkretisierung dessen, was verfassungsrechtliche Berücksichtigung zu finden hat, im Ergebnis be­ wusst der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zeitpunkt der Grundgesetzänderung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1986 fand freilich auch 2009 Anwendung, wenngleich der Prüfungsmaßstab bei Differenzierungen in Bezug auf den Abgeordnetenstatus zwischenzeitlich eine maßgebliche Veränderung erfahren hatte. War nach Ansicht des Bun­ desverfassungsgerichts 1986 nur Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG tangiert, musste spätestens seit 2004 auch der über Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Grundsatz der Wahlrechts- und Chancengleichheit Berücksichtigung finden. Einschränkungen im Abgeordnetenstatus mussten fortan, wie oben bereits ausgeführt, den strengen Anforderungen bei Differenzierungen im Rahmen der Wahlrechtsgleichheit genügen. Daneben konnte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Haushaltsgremium im Ergebnis ohnehin nie vollumfänglich auf das PKGr übertragen werden. Bevor das Gericht 1986 der Parlamentsmehrheit ein 160  BT-Drs.

16 / 12412, S.  5. 16 / 12411, S. 7; BT-Drs. 16 / 12412, S. 1, 4 f. 162  Christopeit / Wolff, 77 (83); BT-Drs. 16 / 12412, S. 5. 163  BT-Drs. 16 / 12411, S. 2, 7; BT-Drs. 16 / 13220, S. 2. 161  BT-Drs.



III. Übertragung auf das heutige PKGr193

gewisses Dispositionsrecht über das vermeintlich ausschließlich betroffene „autonome Parlamentsrecht“ bei Vorliegen eines zwingendes Grundes zuge­ stand, bemerkte es zuvor, dass die „eingeschränkte Zuständigkeit“ des Haushaltsgremiums, das selbst keine Vorschläge für eine Erhöhung der Ti­ telsummen unterbreiten, sondern nur dahinter zurückbleiben konnte, für die eigene verfassungsrechtliche Beurteilung Gewicht hatte.164 An dieser Stelle knüpft die aktuelle Gerichtsentscheidung aus dem Jahre 2012 an, indem sie für den „kompetenziellen Gegenpol“ zum damaligen Haushaltsgremium den Terminus des „Gremiums mit selbständiger und plenarersetzender Aufgabenwahrnehmung“ entwickelte und im Hinblick auf den strengeren Verhältnismäßigkeitsmaßstab erneut eine Güterabwägung für derartige Gremien vollzog. Die Tatsache, dass das PKGr alter wie neuer Prägung die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätig­ keit des Bundes jedenfalls faktisch für das Plenum übernommen hat, ist nicht neu, sie wird vom Gericht jetzt nur ausdrücklich aufgegriffen. In konsequenter Fortschreibung dieser Erkenntnis ist es geradezu zwin­ gend, nunmehr eine stringent spiegelbildliche Besetzung derart eminenter Gremien zu postulieren. Die in Betracht zu ziehenden Beschränkungen zur Wahrung des Mehrheitsprinzips konnten sich wegen der dominanten Kont­ rollkomponente und der hohen Quoren bei Entscheidungen des PKGr, wie oben bereits ausgeführt, im Rahmen eines Rechtsgüterausgleichs allerdings nicht durchsetzen. Der für die Beurteilung der Gremiumsbesetzung maßgebliche Rechtszu­ stand, wie er durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2012 erkannt wurde, weicht jedenfalls im Ergebnis von dem des Jahres 2009 nicht ab. Insbesondere vollzieht das Gericht keine Änderung seiner Rechtsprechung in diesem Bereich. Es griff lediglich auf seine Rechtsprechung aus dem Jahre 1986 zurück, arbeitete den zwischenzeitlichen Rechtsprechungswandel zum Differenzierungsmaßstab bei Eingriffen in den Abgeordnetenstatus ein und übertrug die hergebrachten Leitsätze auf das PKGr als ein Gremium, das selbstständig und plenarersetzend parlamentarische Kontrolle wahr­ nimmt und auch vor dem Jahre 2009 bereits wahrnahm. Damit übernahm Art. 45d GG im Jahre 2009 den Rechtszustand im Hin­ blick auf die Ausgestaltung der Besetzung des PKGr, wie er nunmehr durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2012 erkannt wurde. Insoweit ent­ faltet Art. 45d GG eine Perpetuierung der Rechtslage auf Verfassungsebene, die sich erst zukünftigen ergebnisrelevanten Rechtsprechungsänderungen entgegensetzen wird.

164  BVerfGE

70, 324 (363).

G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG I. Bestätigung der Regelungskompetenz für den einfachen Gesetzgeber 1. Zum Meinungsstand in der Literatur Indem Art. 45d Abs. 2 GG den einfachen Gesetzgeber dazu ermächtigt hat, durch Bundesgesetz alles Nähere zu regeln, kommen keine Zweifel über die Zulässigkeit darüber auf, ob Regelungen im PKGrG n. F., die die Zusammensetzung, die Wahl und den Geschäftsgang des Gremiums betref­ fen, dort jeweils richtig verortet sind.1 Es besteht Einigkeit, dass das Grundgesetz Geschäftsordnungsregeln für den Bundestag aufstellen darf, ob selbst oder indem es den einfachen Gesetzgeber hierzu ausdrücklich er­ mächtigt.2 Sofern es an einer solchen grundgesetzlichen Regelung man­ gelt, gehen die Ansichten zum freien Formenwahlrecht des Bundestages weit auseinander. Grundlage des Streits ist Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG, der dem Bundestag die Kompetenz zuweist, sich eine eigene Geschäftsordnung zu geben. Hieraus wird zum Teil gefolgert, dass Angelegenheiten des Verfah­ rens und der Organisation stets dem Bundestag kompetenziell ausschließlich in seiner Funktion als Geschäftsordnungsgeber zugewiesen sind, so dass einer Regelung durch Gesetz ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung ge­ nerell der Boden entzogen ist.3 Bemüht man indes die anerkannten Aus­ legungsmethoden, lassen sich eindeutige Hinweise für diese Sichtweise nicht herleiten.4 Zwar entspricht es dem Sinn und Zweck der Geschäftsordnungsautono­ mie, den Bundestag vor „Gängelungsversuchen“5 anderer Verfassungsorgane zu bewahren, jedoch lässt sich mit diesem Argument nicht begründen, wes­ 1  Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 56 zu Art. 45d GG; Mehde, in: Epping / Hillgru­ ber, GG, Rn. 25 zu Art. 45d GG. 2  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 75 zu Art. 40 GG. 3  Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parla­ mentsrecht, S.  121 ff.; Bollmann, S.  139 ff.; Schwerin, S.  46 ff. 4  Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt  / Klein / Starck, GG, Rn. 45 zu Art. 40 GG; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 79 zu Art. 40 GG. 5  BVerfGE 70, 324 (361); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 20 zu Art. 40 GG.



I. Bestätigung der Regelungskompetenz für den einfachen Gesetzgeber195

halb der Bundestag an einer Regelung durch Gesetz selbst dann gehindert sein sollte, wenn die Gefahr, nicht mehr „… Herr im Hause seiner Angele­ genheiten …“6 zu sein, nicht besteht und sogar wichtige Gründe dafür vorliegen, im Einzelfall die Regelungsform des Gesetzes zu erwählen.7 Unter Berücksichtigung dieses teleologischen Zusammenhanges wird es daher teilweise der autonomen Entscheidung des Bundestages überlassen, die jeweils richtige Regelungsebene zu finden.8 Die Frage, ob sich der Bundestag zur Regelung seiner inneren Angelegenheiten dem Geschäftsord­ nungsrecht bedient, wäre nach dieser Lesart wiederum der grundlegendste Ausdruck der dem Parlament zugewiesenen Autonomie.9 Ob der Bundestag als Gesetz- oder Geschäftsordnungsgeber zu befassen ist, kann nicht dahinstehen. Als Bundesgesetzgeber fungiert der Bundestag nicht allein.10 Im Bereich der Gesetzgebung stünde dem Bundesrat zumin­ dest ein Einspruchsrecht zu. Werden die in Art. 77 Abs. 4 GG vorgesehe­ nen Quoren zur Überstimmung im Bundestag nicht erreicht, führt dies letztlich zum Scheitern des gesamten Gesetzgebungsvorhabens.11 Dessen ungeachtet muss ein Bundesgesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden, was wiederum einem Gegenzeichungsvorbehalt der Bundesregie­ rung unterliegt. Die Verteilung des Gesetzgebungsprozesses auf verschiede­ ne Akteure impliziert zudem ein Gesetzesinitiativrecht von Bundesregie­ rung und Bundesrat, was im Falle des Gesetzgebungsnotstandes nach Art. 81 GG sogar dazu führen kann, dass Regelungen ohne Beteiligung des Bundestages erlassen werden könnten.12 Ein Gesetz unterliegt freilich auch nicht der Diskontinuität, so dass ein nachfolgender Bundestag an die Re­ gelungen gebunden ist.13 Gerade die beschriebene Beteiligung verschiedener Verfassungsorgane am Gesetzgebungsverfahren erschwert zudem eine schnelle Änderung der Re­ gelungen, was in der Parlamentspraxis zu Verzögerungen im parlamentari­ schen Ablauf führen kann. 6  BVerfGE

70, 366 (377). auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 79 zu Art. 40 GG. 8  Kretschmer, Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parla­ mentarischen Bereich, ZParl. 17 (1986), 334 (337 ff.). 9  In diesem Sinne Hansalek, S. 256. 10  Achterberg, Parlamentsrecht, S.  325  f., der die nachfolgenden Aspekte an­ spricht. 11  Pietzcker, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 14. 12  Achterberg, Parlamentsrecht, S.  326; Pietzcker, in: Schneider  /  Zeh, Parla­ mentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 14. 13  Pietzcker, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 14. 7  So

196

G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG

Dieselbe erschwerte Abänderbarkeit des Gesetzes begründet andererseits Beständigkeit und Verlässlichkeit des Regelungsgegenstandes, die besonders unter dem Aspekt des Minderheitenschutzes Beachtung verdienen. Dies unterstreichend gibt es für Gesetze weder ein „Auslegungsprivileg“ des Bundestagspräsidenten bzw. des Bundestages noch die Möglichkeit zur einzelfallbezogenen Abweichung.14 Durch die Wahl der Gesetzesform ist es außerdem möglich, die häufig schwer abgrenzbare „Gemengelage zwischen internen und externen Angelegenheiten“15 zugunsten eines einheitlichen Regelungsstandortes, der unbestritten auch Außenbindung zum nichtparlamentarischen Bereich her­ stellen kann, zu bewältigen.16 Das kurz skizzierte Für und Wider der beiden Regelungsformen verdeutlicht die Vielschichtigkeit dieser Fragestellung, weshalb einige Literaturstimmen dazu übergegangen sind, dem Bundestag ein limitiertes Entscheidungsrecht zu konzedieren.17 Die Vertreter dieser ver­ mittelnden Ansicht rekurrieren dabei auf die funktionelle Bedeutung des ma­ teriellen Geschäftsordnungsbegriffes, der das vorrangige Ziel hat, die Funk­ tions- und Leistungsfähigkeit des Parlaments zu sichern und zu stärken.18 Dabei kann es im Einzelfall durchaus erforderlich sein, Geschäftsord­ nungsregelungen durch ein Gesetz zu etablieren, um gerade die vorgenannten Ziele zu erreichen. Eine Abweichung von der grundsätzlich angelegten Ver­ pflichtung, Parlamentsinterna im Rahmen der Parlamentsgeschäftsordnung zu regeln, kann danach nur zulässig sein, sofern sich zwingende sachliche Gründe für die Wahl der Gesetzesform finden lassen.19 In diesem Zusammen­ hang wäre es auch zu kurz „gesprungen“, nur die Abgrenzungsschwierigkei­ ten zwischen internen Angelegenheiten des Parlaments einerseits und exter­ nen Angelegenheiten, wie die aus den §§ 4 und 5 PKGrG n. F. resultierenden, andererseits ins Feld zu führen.20 Letztlich kann auch das mit dem PKGrG dazu Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rnrn. 41 ff. zu Art. 40 GG. in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 15. 16  Bücker, Das Parlamentsrecht, ZParl. 17 (1986), 324 (329 ff.). 17  Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsord­ nungen, S.  50 f.; Pietzcker, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspra­ xis, § 10 Rnrn. 16 f.; Schmidt, Informationsanspruch des Abgeordneten, DÖV 1986, 236 (239); Schröder, Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Parlaments, 469 (473). Gegen eine Uminterpretation der Geschäftsordnungsautonomie zu einer „organisa­ tionsrechtlichen Wahlfreiheit“, siehe Scherer, Fraktionsgleichheit und Geschäftsord­ nungskompetenz des Bundestages, AöR 112 (1987), 189 (211 ff.). 18  Haug, S. 51. 19  So Pietzcker, in: Schneider  / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rnrn. 16 f. 20  In diesem Sinne auch Pietzcker, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Par­ lamentspraxis, § 10 Rn. 15. 14  Ausführlicher 15  Pietzcker,



I. Bestätigung der Regelungskompetenz für den einfachen Gesetzgeber197

n. F. realisierte allgemeine Ziel, Sachmaterien, wie die parlamentarische Kon­ trolle der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Bereich, kompakt und an einem „Standort“ zu regeln, nicht ausreichend sein.21 2. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Der vermittelnden Ansicht folgte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahre 1986 zum Haushaltsgremium, indem es die Gesetzesform jedenfalls dann für zulässig erachtete, wenn die Bundesregie­ rung dadurch keine ins Gewicht fallenden Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erhält, das Gesetz, auch dessen Auf­ hebung, nicht der Zustimmung des Bundesrates unterliegt, die Geschäfts­ ordnungsautonomie des Bundestages im Kern nicht berührt wird und schließlich gewichtige sachliche Gründe für die Gesetzesform konstatiert werden können.22 Die damals nur mehrheitlich gefasste Entscheidung wur­ de insoweit zwischenzeitlich in dem einstimmig ergangenen Urteil aus dem Jahre 2012 zum Stabilisierungsmechanismusgesetz wieder aufgegriffen und damit als fortbestehend bestätigt.23 Das PKGrG n. F. wurde aus der Mitte des Bundestages eingebracht, worauf in den Beratungen auch ausdrücklich hingewiesen worden ist.24 In gleicher Weise könnten Änderungen und die Aufhebung des Gesetzes auf den Weg gebracht werden. Zwar können auch Bundesregierung und Bundesrat entsprechende Initiativen ergreifen, aber letztlich obliegt es dem Parlament, über derartige Anträge zu entscheiden. Diese Feststellung wird auch nicht durch die im Grundgesetz angelegte Beteiligungsmöglichkeit des Bundesrates relativiert. Schließlich wurde das PKGrG n. F. ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses und ohne Ein­ spruch des Bundesrates beschlossen.25 Selbst wenn der Bundesrat bei zu­ 21  Nach Hansalek, S. 260 f. spricht der enge sachliche Zusammenhang von Sachund Organisationsfragen beim PKGr für deren einheitliche Verortung im Gesetz. 22  BVerfGE 70, 324 (361). Die Richter Mahrenholz (BVerfGE 70, 366 (376 ff.)) und Böckenförde (BVerfGE 70, 380 (386 ff.)) sprachen sich in ihren Minderheitsvo­ ten gegen die Gesetzesform vor allem deshalb aus, weil sie darin eine vom Grund­ gesetz nicht zugelassene Preisgabe der dem Parlament zu sichernden Geschäftsord­ nungsautonomie erblickten und zudem eine Gefahr für den Minderheitenschutz sa­ hen. Letzterem zustimmend Waechter, 520 (524 f.). 23  BVerfGE 130, 318 (349 f., 358). 24  Sten. Ber. BT 16  / 215, 27.03.2009, S. 23409 (D). Es wurde betont, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzesvorhaben nicht besonders einverstanden gewesen sei; es sogar gegen die Bundesregierung durchgesetzt werden musste, siehe PADBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 26 f. 25  Obwohl die Anrufung des Vermittlungsausschusses in der BR-Drs. 576  / 1 / 09, S. 1 empfohlen wurde, sah der Bundesrat mehrheitlich davon ab, siehe Sten. Ber. BR 860, 10.07.2009, S. 279 (C).

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G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG

künftigen Änderungen oder einer Aufhebung von diesen Rechten Gebrauch machen sollte, bleibt es dem Bundestag unbenommen, den Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht aufzugreifen und auch den mit einer ZweiDrittel-Mehrheit beschlossenen Einspruch des Bundesrates zu überstimmen. Das Organ Bundestag behält in jedem Falle die vom Bundesverfassungsge­ richt verlangte Rechtssetzungsautonomie.26 Unscharf ist die Entscheidung des Gerichts dort, wo vom Kernbereich der Geschäftsordnungsautonomie die Rede ist.27 Die Abgrenzung bezieht sich nicht auf die Gesetzgebungsmaterie selbst, da in beiden Entscheidungen des Gerichts von 1986 und von 2012 im Kern die Budgetrechte des Bundesta­ ges und damit das parlamentarische „Königsrecht“ Regelungsgegenstand waren. Indem das Gericht 1986 auf die im Verhältnis zum Gesamtetat sum­ menmäßig nicht stark ins Gewicht fallende Bedeutung des Haushaltsgremi­ ums abstellte,28 könnten somit eher quantitative Kriterien ausschlaggebend sein. Bezieht man diese Aussage auf die Entscheidung des Jahres 2012 zum Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG a. F. wird allerdings deutlich, dass die Bedeutsamkeit des jeweiligen Gremiums formell untergeordneter Natur sein muss, da sich der Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekun­ därmarkt jedenfalls nicht stets als quantitativ untergeordnete Ausübung des Budgetrechts qualifizieren lässt.29 Somit verbleiben als „formell-quantitative“ Kriterien solche, die sich auf die Größe des befassten Gremiums beziehen sowie der im Gesetz angeleg­ te begrenzte Zuständigkeitsumfang, der den besonderen Ausnahmecharakter des jeweiligen Gremiums belegen kann.30 Das PKGr ist aus der Natur der Sache heraus ein relativ kleines Gremium mit gegenwärtig elf Mitgliedern.31 Bezogen auf die umfassende Aufgabe des Parlaments, die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung zu gewährleisten, ist wiederum der Zustän­ digkeitsradius des PKGr auf den relativ engen Ausschnitt der nachrichten­ dienstlichen Tätigkeiten auf Bundesebene beschränkt. Gegen die Zugehörig­ keit zum Kernbereich parlamentarischer Geschäftsordnungstätigkeit spricht 26  In

GG.

diesem Sinne auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 79 Fn. 2 zu Art. 40

27  So Bollmann, S.  161 f.; Schröder, Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Parla­ ments, 469 (473). 28  BVerfGE 70, 324 (361 f.). 29  In BVerfGE 130, 318 (358) wird die Institutionalisierung des Sondergremiums durch Gesetz ausdrücklich nicht beanstandet, wobei als gewichtiger Grund der be­ sondere Gesetzesvorbehalt aus Art. 115 Abs. 1 GG herangezogen wird. 30  Sie auch Hansalek, S. 258  f., der auf die notwendige Unterscheidung von Sach- und Verfahrensfragen ausdrücklich hinweist. 31  BT-Drs. 17  / 208, S. 1. Das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG a. F. hatte neun Mitglieder, siehe BT-Drs. 17 / 9145, S. 1.



I. Bestätigung der Regelungskompetenz für den einfachen Gesetzgeber199

außerdem, dass sich das PKGr nach § 1 Abs. 2 PKGrG n. F. selbst nur als zusätzliches Kontrollinstrument versteht, das die originären Kompetenzen von Plenum und Ausschüssen, die nach dieser Systematik wegen ihrer „Re­ gelhaftigkeit“ als Kernbereiche zu qualifizieren wären, unberührt lässt. Verbleibt noch die Suche nach gewichtigen sachlichen Gründen, die für die Wahl der Gesetzesform streiten. So verfolgt § 3 Abs. 3 PKGrG n. F. das bereits oben beschriebene Ziel, die wirksame parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich ununter­ brochen über das Ende der jeweiligen Legislaturperiode bis zur Neuwahl der Mitglieder des Gremiums hinaus sicherzustellen.32 Ein solches Ziel ließe sich freilich unter Rückgriff auf die dem Diskontinuitätsgrundsatz unterfallende Geschäftsordnung des Bundestages rechtlich nicht garantie­ ren.33 Natürlich kann darauf verwiesen werden, dass der sich neu konstitu­ ierende Bundestag regelmäßig die Geschäftsordnung des vorangegangenen Bundestages übernimmt und damit eine faktische Kontinuität schafft.34 Und dennoch vermag es die Gesetzesform am besten, das angestrebte Ziel einer ununterbrochenen und berechenbaren Kontrolltätigkeit des PKGr als Pflicht­ gremium rechtlich fundiert und dauerhaft zu gewährleisten.35 Wollte man dessen ungeachtet zudem zwischen gesetzlichem Außenrecht im Verhältnis zur Bundesregierung einerseits und innerparlamentarischem Geschäftsordnungsrecht andererseits unterscheiden, wird zu berücksichtigen sein, dass die außenrechtlich begründeten Verpflichtungen zur Geheimhal­ tung der erhaltenen Informationen auch innerrechtlich erfüllt werden müs­ sen.36 Mangelt es an hinreichenden Schutzvorkehrungen im parlamentari­ schen Innenbereich, kann dies im Ergebnis zur Nichterfüllung der gegenüber Dritten bestehenden Geheimhaltungsverpflichtungen führen. Auf diese Weise entfaltet das isoliert betrachtete Innenrecht eine „mittelbare Außenwirkung“.37 Bezogen auf das PKGr könnte dies eine Informations­ zurückhaltung seitens der Bundesregierung in besonders geheimschutzrele­ vanten Bereichen bedeuten, so dass die Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle in diesen Metiers leiden oder gar ausfallen würde. An dieser Stelle tritt nun die bereits beschriebene Ungeeignetheit der durchaus „lü­ 32  Siehe

unter Kapitel D. IV. 2. 1, 144 (148); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 62 zu Art. 40 GG. 34  Klein, in: Maunz  / Dürig, GG, Rnrn. 63, 79 zu Art. 40 GG; Kretschmer, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 9 Rn. 125. 35  In diesem Sinne auch Hansalek, S. 259, 261. 36  Pietzcker, in: Schneider  /  Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 17. 37  So Pietzcker, in: Schneider  / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 17. Ebenso Bücker, 324 (331 ff.), der die Problematik allerdings als „Ubiquitäre ‚Drittwirkung‘ von Parlamentsrecht“ aufbereitet. 33  BVerfGE

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G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG

ckenhaften“ Geheimschutzordnung als Teil der Geschäftsordnung des Bun­ destages (§ 17 S. 1 GO-BT) deutlich zutage.38 Hinzu kommen weitere Umstände wie die unaufwändige Abänderbarkeit der Geschäftsordnung,39 die nach § 126 GO-BT gegebene Möglichkeit zur einzelfallbezogenen Ab­ weichung sowie die in § 127 GO-BT manifestierte Auslegungszuständigkeit des Parlaments, die allesamt ungeeignet sind, dem überragend wichtigen Geheimhaltungsbedürfnis der Gubernative eine verlässliche Grundlage zu bieten.40 Es sprechen somit überzeugende und gewichtige Gründe dafür, mit dem Bundesverfassungsgericht und weiten Teilen der Literatur von der Zulässig­ keit der Gesetzesform des PKGrG n. F. auszugehen. Soweit ein Recht des Parlaments zur Formenwahl gänzlich abgelehnt wird oder die dafür vorge­ sehenen Voraussetzungen im Ergebnis hier doch nicht gesehen werden, schafft Art. 45d Abs. 2 GG mit seiner Anordnung, näheres durch Bundesge­ setz regeln zu dürfen, die insoweit notwendige Rechtssicherheit.

II. Konstitutive Schaffung eines Klagerechts vor dem Bundesverfassungsgericht durch Art. 45d GG? Vor Implementierung des PKGrG n. F. gab es im Schrifttum Uneinigkeit darüber, ob es dem PKGr gestattet war, die Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht einzuklagen. Da die Vorgängerfassungen zum PKGrG n. F. eine einfachgesetzliche Zuständig­ keitsregelung, wie von Art. 93 Abs. 3 GG ausdrücklich vorgesehen, nicht kannten, verblieb nur der Weg über ein Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG, um die Zuständigkeit des Bun­ desverfassungsgerichts begründen zu können. Dabei sprach man schon der PKK mit unterschiedlichen Begründungen die Parteifähigkeit in einem sol­ chen Verfahren ab. So wurde der Parlamentarischen Kontrollkommission einmal die notwendige Organstellung nicht zuerkannt.41 Begründet wurde dies mit der von Beginn an bestehenden Regelung, wonach die Kontrollbe­ fugnisse der PKK zu den Rechten des Parlaments hinzutreten, diese aber 38  Dazu auch BVerfGE 1, 144 (149): „Die Bestimmungen einer Geschäftsord­ nung können Lücken enthalten und bewußt weit gefaßt sein“. 39  Die zügige Abänderbarkeit der Geschäftsordnung, die auch ohne Beteiligung anderer Verfassungsorgane vorgenommen werden kann, birgt die Gefahr „vorschnel­ len“ Handelns in sich, da die (berechtigten) Belange Dritter oder die parlamentari­ scher Minderheiten nicht oder nicht hinreichend zur Sprache kommen könnten. 40  Bücker, 324 (331). 41  Müller, S. 123; Roewer, Nachrichtendienstrecht, S. 197 Rn. 6.



II. Konstitutive Schaffung eines Klagerechts201

nicht beschneiden,42 weswegen eine Qualifizierung des Gremiums als Organ des Parlaments generell ausscheiden müsse.43 An anderer Stelle konzedierte man der PKK die Eigenschaft eines orga­ nisatorisch unabhängigen parlamentarischen Hilfsgremiums des Bundesta­ ges, wobei wiederum diese „Hilfsstellung“ nicht geeignet sei, die PKK als Antragstellerin in einem Organstreitverfahren zuzulassen.44 Schließlich lehnte man es ab, die PKK als Unterorgan des Bundestages zu qualifizieren, da die Kommission wegen der soeben beschriebenen Parallelzuständigkeit nicht imstande sei, Zuständigkeiten des Parlaments ausschließlich wahrzu­ nehmen und deswegen der erforderliche Organcharakter nicht vorliege.45 Wie bereits dargelegt, handelt es sich beim gegenwärtigen PKGr um ein Hilfsorgan des Bundestages, das sich auch institutionell in die maßgebenden Strukturprinzipien des Parlaments einzuordnen vermag.46 Ob diese Hilfs­ organstellung für eine Bejahung der Parteifähigkeit im Organstreitverfahren genügt, kann hingegen erst nach Klärung des verfassungsprozessualen Or­ ganbegriffs beantwortet werden. Organe im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG können nur „stets präsente, handlungsfähige Einheiten“ sein.47 Hinge­ gen kann dem Grundgesetz in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG der Begriff des Unterorgans bzw. des Organteils nicht entnommen werden. Die Norm spricht vielmehr von „… andere[n] Beteiligte[n], die durch dieses Grundge­ setz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind“.48 Das Bundesverfassungsgericht geht, soweit es sich dazu bislang geäußert hat, von einem eher restriktiven Begriffsverständnis aus.49 Danach sind Org­ anteile nur solche Teile des Bundestages, „… die von der Geschäftsordnung als ständige Gliederungen eingerichtet sind, um die parlamentarische Arbeit zu ermöglichen oder zu erleichtern“.50 Dass sich hierunter auch die Ausschüsse des Bundestages subsumieren lassen, bedarf keiner besonderen Erläuterung.51 42  BT-Drs.

8 / 1599, S.  6. Nachrichtendienstrecht, S. 189 Rn. 41, 197 Rn. 6. 44  Hirsch, S. 149. 45  Baier, S.  128 f.; Waechter, 520 (521 ff.). 46  Siehe unter Kapitel D. IV. 2. 47  BVerfGE 13, 54 (85); Grote, Der Verfassungsorganstreit, S. 99. 48  Eine Konkretisierung erfolgt indes durch § 63 BVerfGG, der die „… mit ei­ genen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe“ aufführt. 49  Grote, S. 107, der zugleich auf das „weniger zurückhaltende“ und bisweilen unsystematische Schrifttum verweist, siehe Grote, S.  108 ff. m. w. N. 50  BVerfGE 2, 143 (160); 90, 286 (343); 117, 359 (367). 51  BVerfGE 2, 143 (160), das sich jedoch nicht abschließend festlegte; Grote, S. 107. 43  Roewer,

202

G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG

Aber auch das PKGr dürfte diesen Kriterien unterfallen, vernachlässigt man vorerst den Umstand, dass nicht die Geschäftsordnung, sondern ein formelles Gesetz als Errichtungsgrundlage dient.52 Schließlich handelt es sich bei dem PKGr um ein normativ abgesichertes Pflichtgremium des Bundestages, das dazu dient, eine wirksame parlamentarische Kontrolle im nachrichtendienstli­ chen Tätigkeitsbereich der Bundesregierung zu ermöglichen. Ausgehend vom Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG wird deutlich, dass sich die „anderen Beteiligten“ dadurch auszeichnen, dass ihnen „eigene Rechte“ zugewiesen worden sind, während dies für „oberste Bundesorgane“ ausdrücklich nicht verlangt, sondern sachgedanklich vorausgesetzt wird.53 Bestandteil eines obersten Bundesorgans zu sein, kann sonach nicht ausrei­ chen, um der dargestellten Begrenzungsfunktion zu genügen. Vielmehr müssen die betreffenden Organteile über eigene Rechte verfügen, die bewir­ ken, dass diese Beteiligten im Hinblick auf „… Rang und Funktion den obersten Bundesorganen gleichstehen, insbesondere Rechte aus dem Verfas­ sungsrechtskreis besitzen …“.54 Nicht nur die Ausschüsse, sondern auch das PKGr sind Hilfsorgane des Bundestages und damit Bestandteile dieses obersten Bundesorgans.55 Dabei fragt sich, ob diese Teile auch über die für die Bejahung der Organqualität erforderlichen „eigenen Rechte“ verfügen, die derartig verselbstständigt sind, dass sie auch gegen den Willen des Bundestages geltend gemacht werden können.56 Der Bundestag setzt nach § 54 Abs. 1 S. 1 GO-BT Ausschüsse zur Vorbe­ reitung seiner Verhandlungen ein. Dadurch wird klar normativ verdeutlicht, dass sich die eigentliche Funktion dieser Gremien darin erschöpft, dem Bun­ destag organisierend, koordinierend und vorbereitend bei der Bewältigung seines Verfassungsauftrags zur Seite zu stehen.57 Insoweit besteht zwischen Parlament und Ausschuss ein Mandatsverhältnis, das es dem jeweiligen Aus­ schuss erlaubt, für und im Namen des Bundestages zu handeln, während die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten indes unangetastet beim Plenum 52  Sieht man mit der Rechtsprechung des Bundesverfasungsgerichts darin vorlie­ gend keinen Formenwahlverstoß, dürfte die gewählte Gesetzesform auch insoweit unproblematisch sein, siehe unter Kapitel G. I. 53  Grote, S. 110. 54  BVerfGE 13, 54 (95  f.); Geiger, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, Rn. 3 zu § 63; Grote, S. 110 Fn. 94 m. w. N. 55  Siehe dazu Baier, S. 129; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle, 99 (103); Waechter, 520 (523). Sie sehen in der PKK bzw. im PKGr autonome „Teile“ des Bundestages bzw. „andere Beteiligte“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ohne Organqualität. 56  Grote, S. 112. 57  So auch Grote, S.  111 f.; Steiger, S. 130.



II. Konstitutive Schaffung eines Klagerechts203

verbleiben.58 Der Ausschuss erhält nur die Kompetenz, partiell Rechte und Pflichten eines anderen wahrzunehmen,59 wobei der Ausschuss als Mandatar daraus schon dem Grunde nach kein Recht zum Handeln gegen den Willen des Mandanten, also des Bundestages, herleiten kann.60 Insofern unterscheidet sich das PKGr von den Ausschüssen grundlegend, da der Kompetenzübertragung eine Delegation zugrunde liegt,61 die sich in ihrer Wirkung von einer Mandatierung dadurch unterscheidet, dass dem Delegatar nicht lediglich eine Wahrnehmungszuständigkeit, sondern eine eigene Kompetenz zugewiesen wird, die er im eigenen Namen, und im Falle der hier vorliegenden konservierenden Delegation, neben dem originä­ ren Kompetenzträger und grundsätzlich auch gegen dessen Willen gerichtet geltend machen kann.62 Dass der Delegationsakt widerrufbar ist, ändert an diesem Befund nichts, zumal das Parlament als Delegant mit dem Bundes­ gesetzgeber nicht identisch, sondern nur ein Teil von diesem ist. Die inhaltliche Ausgestaltung des PKGrG n. F. greift die aus der Delega­ tion resultierende Befugnis zur „Verselbstständigung“ der Rechtspositionen des PKGr auf. Deutlich wird dies schon dadurch, dass das PKGr im Rah­ men seiner Kontrolltätigkeit nicht lediglich unterstützend für den Bundestag tätig wird, sondern mit § 1 Abs. 1 PKGrG n. F. ausdrücklich ein eigener Zuständigkeitsbereich normiert wurde. Soweit im PKGrG n. F. Entschei­ dungsbefugnisse des Gremiums zur Durchführung der Kontrolltätigkeit vorgesehen sind, kann darüber ohne Zustimmungsvorbehalt des Bundestages eigenständig durch das Gremium entschieden werden.63 Desweiteren be­ wirkt § 3 Abs. 3 PKGrG n. F. eine gewisse (systemimmanente) „Abkopp­ lung“ vom Bundestag, um eine durchgängige parlamentarische Kontrolltä­ 58  Reinhardt, S. 36; Steiger, S. 123, der darauf hinweist, dass die Zuständigkei­ ten der Ausschüsse für diese kein subjektives Recht dergestalt beinhalten, um daraus einen Anspruch gegen das Plenum auf abschließende oder weitergehende Behand­ lung herleiten zu können; Triepel, S. 38. 59  Man spricht auch von „Wahrnehmungszuständigkeit“, erläuternd Reinhardt, S.  38, 49 f. 60  Grote, S. 112; Triepel, S. 27. 61  BT-Drs. 16 / 12411, S.  11 f. 62  Reinhardt, S. 49; Triepel, S. 27, 54. Bezeugt wiederum der Delegant nicht nur seinen gegensätzlichen Willen, sondern macht ihn auch geltend, weicht die Kompe­ tenz des Delegatars, soweit der „Widerspruch“ reicht, wobei das Delegationsverhält­ nis selbst nicht, sondern lediglich dessen Ausübbarkeit, wohl im Sinne eines „An­ wendungsvorranges“, berührt wird, siehe dazu Triepel, S. 54 f. Andere Ansicht: Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 34 zu Art. 45d GG, der aus der Hilfsorgan-Eigenschaft des PKGr auf eine bloße Wahrnehmungszuständigkeit des Gremiums schließt. 63  Dies gilt auch für die zu beschließende Geschäftsordnung (§ 3 Abs. 1 S. 2 PKGrG n. F.), wenngleich der Bundestag Grundsätze zur Arbeitsweise (§ 2 Abs. 2 3. Alt. PKGrG n. F.) festlegen darf.

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G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG

tigkeit, wie sie vom Bundestag selbst nicht wahrgenommen werden würde, sicherstellen zu können.64 Die Eigenständigkeit des Gremiums gegenüber dem Bundestag wird überdies dadurch unterstrichen, indem § 12 Abs. 1 S. 1 und 2 PKGrG n. F. einmal eine Verpflichtung zur hinreichenden Sach- und Personalausstattung des Gremiums gegenüber der Bundestagsverwaltung postuliert, zum anderen den Bundestag selbst verpflichtet, die Mittel, die für eine Personal- und Sachausstattung des PKGr erforderlich sind, im Rahmen des Haushaltsplans, genauer im Einzelplan des Bundestages, gesondert aus­ zuweisen.65 Auf diese Weise kommt das Gremium auch haushaltsrechtlich als besonderer Teil des Bundestages zur Geltung. Schließlich können noch die besonderen Regelungen zur Berichtspflicht an das Plenum herangezogen werden, um den selbstständigen Charakter des PKGr zu belegen. Zum einen liegt es nach § 7 Abs. 2 PKGrG n. F. beim PKGr zu entscheiden, ob es dem Bundestag einen schriftlichen Bericht zu den Untersuchungen des vom Gre­ mium eingesetzten Sachverständigen erstatten möchte. Zum anderen hat das PKGr dem Bundestag nach § 13 S. 1 PKGrG n. F. regelmäßige Berichte abzugeben, wobei es sich auf die zwei gesetzlich geforderten je Wahlperio­ de beschränken kann. Zur Abgabe von Anlassberichten auf Anforderung des Bundestages ist das PKGr jedenfalls gesetzlich nicht verpflichtet. Die in § 13 S. 2 PKGrG n. F. gefundene Formulierung, wonach sich die Berichte auch zur Pflichtenerfüllung der Bundesregierung „… gegenüber dem Gre­ mium …“ zu äußern haben, belegt dabei nicht nur die manifeste organisa­ torische Verschiedenheit von Gremium und Plenum, vielmehr hebt der Ge­ setzgeber das umfassende Pflichtenverhältnis der Bundesregierung zum PKGr als ein nicht mit dem zum Bundestag identisches hervor. Im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung der Kontrollrechte gegen­ über der Bundesregierung kommen dem PKGr die Rechte „aus dem Verfas­ sungsrechtskreis“ zu, die auch dem Bundestag selbst zustehen. Dabei wird der Anspruch auf Fremdinformation noch ergänzt um die im PKGrG n. F. dargestellten Selbstinformationsrechte, über die der Bundestag selbst nicht verfügt.66 Eine Gleichstellung der Rechtspositionen des PKGr im Bereich der Regierungskontrolle im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich in Rang und Funktion mit denen des obersten Bundesorgans Bundestag ist somit ebenfalls gegeben. Soweit Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG wortgetreu ausgelegt werden, scheiden Organteile, die ihre Rechte aus einem formellen Gesetz auch Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 34 zu Art. 45d GG. ausreichende Sach- und Personalausstattung wurde schon für die G10Kommission in BVerfGE 100, 313 (401) angemahnt. Siehe auch die vergleichbare Regelung in § 15 Abs. 3 S. 1 G 10. 66  Siehe auch Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 34 zu Art. 45d GG. 64  Siehe 65  Eine



II. Konstitutive Schaffung eines Klagerechts205

herleiten, als nicht organstreitfähig aus.67 Löst man sich vom reinen Wort­ laut und fragt, weshalb die Normen ausdrücklich die Geschäftsordnung als unmittelbare Rechtsgrundlage genügen lassen, wird der Status der in Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Geschäftsordnungsauto­ nomie, die auch das autonome Organkreationsrecht der obersten Bundesor­ gane umfasst, deutlich.68 Die insoweit zum Ausdruck kommende Gleich­ wertigkeit des Selbstorganisationsrechts mit dem unmittelbaren Verfassungs­ recht lässt sich aus der unbestrittenen „verfassungsfesten“ Absicherung der Geschäftsordnungsautonomie herleiten, die auch vom Bundesverfassungsge­ richt als „… Kern der verfassungsrechtlich begründeten Parlamentsautono­ mie“ bezeichnet wird.69 Indem der Bundestag das ausschließlich mit Abge­ ordneten besetzte PKGr errichtet und mit Kompetenzen der beschriebenen Art versehen hat, kreierte er unter Rückbezug auf sein autonomes Selbstor­ ganisationsrecht einen kontrollkompetenten Organteil, dessen Grundlage, das PKGrG n. F., zwar nicht als formelles, wohl aber auch als materielles Geschäftsordnungsrecht zu qualifizieren ist.70 Die an dieser Stelle auftretende Frage betrifft den bereits behandelten Problemkreis, nämlich ob und inwieweit dem Bundestag bei Ausübung der ihm zufallenden Parlamentsautonomie ein Formenwahlrecht zu konzedieren ist.71 Bejaht man dieses im vorliegenden Zusammenhang, kann es im Rah­ men einer teleologischen Auslegung von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG für die Zuerkennung der Organstreitfähigkeit keinen Unterschied machen, ob der Errichtung ein formelles Gesetz oder die Geschäftsordnung zugrunde liegt.72 Im Ergebnis sind Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG so auszulegen, dass auch die Organteile, die zulässigerweise durch in formelles Gesetz gekleidetes materielles Geschäftsordnungsrecht errichtet und berechtigt werden, Parteifähigkeit im Organstreitverfahren besitzen. 67  Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, Rn.  27 zu §  63 BVerfGG; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, S. 210 Fn. 903; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Auflage, Rn. 6 zu Art. 93 GG; Schneider, in: AK-GG, Rn. 3 zu Art. 40 GG. 68  Bethge, in: Starck / Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 25. 69  BVerfGE 102, 224 (236); Bethge, in: Starck / Stern, S. 25. 70  Siehe auch Waechter, 520 (524 f.), der in den berechtigenden Regelungen des PKKG materielles Verfassungs- bzw. Geschäftsordnungsrecht erblickt, zugleich aber auch einen Verstoß gegen Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG feststellt. Baier, S. 129 f., sieht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den Regelungen des PKGrG a. F. indes keinen Formenwahlverstoß. 71  Siehe unter Kapitel G. I. 72  Siehe Baier, S. 131; Waechter, 520 (525), die wegen des Rechtsschutzgedan­ kens aus Art. 19 Abs. 4 GG im Ergebnis eine Organklagemöglichkeit durch eine geltungserhaltende Auslegung des § 63 BVerfGG eröffnen wollen.

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G. Stärkung der formal-rechtlichen Position durch Art. 45d GG

Danach ist das PKGr als Organteil des Bundestages parteifähig im Organ­ streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG. Die in § 14 PKGrG n. F. enthaltene Regelung ist, soweit sie den grundsätzlichen Zugang zum Bundesverfassungsgericht regelt, lediglich deklaratorischer Natur.73 Sie ist zudem nicht abschließend, da sich der Regelungsgegenstand ausschließlich auf das Verhältnis zwischen PKGr und Bundesregierung be­ zieht.74 Auch der Gesetzgeber sah von Anfang an die sich abzeichnenden Unsi­ cherheiten bezüglich der Parteifähigkeit des PKGr in einem Organstreitver­ fahren, wollte sich durch die Einfügung des § 14 PKGrG n. F. aber aus­ drücklich für eine Rechtsschutzmöglichkeit vor dem Bundesverfassungsge­ richt aussprechen.75 Durch die parallele Implementierung von Art. 45d GG sollte dieses Ziel schließlich abgesichert werden.76 Mit Art. 45d GG wird das PKGr unmittelbar durch das Grundgesetz mit eigenen Rechten ausge­ stattet, so dass Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG insoweit keiner (erweiternden) Auslegung mehr bedürfen. Mit § 14 PKGrG n. F. wird jedoch nunmehr der Zugang zum Bundesver­ fassungsgericht, soweit er vom PKGr ausgeht, gegenüber dem status quo an eine Zwei-Drittel-Mehrheit geknüpft. Diese verfassungsprozessuale Ein­ schränkung wird von Art. 94 Abs. 2 GG getragen, wonach der Bundesge­ setzgeber auch ermächtigt ist, die Zulässigkeit und Ausgestaltung der ein­ zelnen Verfahrensarten zu regeln.77 Die Neuregelung wurde allerdings im Hinblick auf das hohe Quorum als politisch untauglich kritisiert, auch weil die im Gremium dominierende „Regierungsmehrheit“ in der Regel wenig Veranlassung haben werde, die von ihr getragene Bundesregierung wegen etwaiger Informations- oder Mit­ 73  Auch Wolff zweifelt nicht am Sinn einer einfachgesetzlichen Klarstellung der bundesverfassungsgerichtlichen Zuständigkeit, lässt aber offen, ob die Norm dekla­ ratorischer oder konstitutiver Natur ist, siehe BT-A-Drs. 16(4)614 E, Stellungnahme Wolff, S.  3 f. 74  Darauf, dass das Verhältnis einzelner Abgeordneter zum PKGr bzw. des PKGr zum Bundestag von § 14 PKGrG n. F. unberührt bleibt, wird ausdrücklich hingewie­ sen, siehe BT-Drs. 16 / 13220, S. 9; PA-DBT, Innenausschuss Kurzprotokoll, 16 / 98, 27.05.2009, S. 26, 28. 75  BT-Drs. 16 / 12411, S. 2, 13. 76  BT-Drs. 16 / 12412, S. 1. Dass insoweit der Weg über ein Organstreitverfahren beschritten werden sollte, belegt schon der Umstand, dass für die Anwendung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 5 GG nur eine Zuständigkeitsregelung unmittelbar im Grundge­ setz in Betracht kommen kann. Eine solche sollte Art. 45d GG jedoch zu keinem Zeitpunkt enthalten. 77  Morgenthalter, in: Epping  / Hillgruber, GG, Rn. 8 zu Art. 94 GG. Diesem Re­ gelungsauftrag ist der Gesetzgeber auch durch die gleichzeitige Einfügung von § 66a S. 2 BVerfGG nachgekommen.



II. Konstitutive Schaffung eines Klagerechts207

wirkungsdefizite vor dem Bundesverfassungsgericht zu verklagen.78 Eine solche politische Argumentation lässt sich auch juristisch wenden, indem die Frage nach der Wirksamkeit dieses Kontrollmittels gestellt wird. Ein Lösungsweg könnte sich dadurch aufzeigen, indem bestimmte quali­ fizierte Minderheiten im PKGr als parteifähig anerkannt werden, um in Prozessstandschaft die Rechte des PKGr in einem Organstreitverfahren geltend zu machen.79 Diese Vorgehensweise scheitert bereits am Willen des Gesetzgebers, der für § 14 PKGrG n. F. ausdrücklich hervorgehoben hat, nur dem Gremium insgesamt, nicht aber dessen Mitgliedern oder Minderheiten die Möglichkeit zur Organklage gegen die Bundesregierung einräumen zu wollen.80 Hinzu kommt, dass das PKGrG n. F. bewusst nur wenige, explizit normierte Minderheitenrechte kennt, um das notwendige Vertrauensverhält­ nis zur Bundesregierung nicht unverhältnismäßig zu gefährden.81 Auf der anderen Seite ist es verfassungsgerichtlich anerkannt, dass auch Fraktionen die (Kontroll-)Rechte des Bundestages in einem Organstreitver­ fahren gegenüber der Bundesregierung als Prozessstandschafter wirksam geltend machen können.82 Letztlich würde dies auch den Sinn und Zweck der Berichtspflichtregelung in § 13 S. 2 PKGrG n. F. unterstreichen. Soweit es sich um Fremdinformationen handelt, die die Bundesregierung dem Ple­ num gegenüber unter Verweis auf die fehlende Geheimschutzwahrung ver­ weigern darf, könnte auch auf Erfüllung gegenüber dem PKGr als Organteil des Bundestages geklagt werden. Auf diese Weise wird dem parlamentari­ schen Minderheitenschutz hinreichend Rechnung getragen, so dass dem Quorum nach § 14 PKGrG n. F. im Ergebnis keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Im Hinblick auf die Geltendmachung der dem PKGr zugewiesenen Selbstinformationsrechte wird allerdings zu berück­ sichtigen sein, dass dem Bundestag selbst weder das Recht zur Beschluss­ fassung noch zur Ausübung derartiger Eingriffsbefugnisse zusteht. Allein der Umstand, dass das PKGr Hilfsorgan bzw. (verfassungsprozessualer) Organteil des Bundestages ist, kann die erforderliche Rechtsinhaberschaft des Gesamtorgans nicht bewirken. 78  Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 59 zu Art. 45d GG; Shirvani, Reform der parla­ mentarischen Kontrolle, 99 (104); Innenausschuss Wortprotokoll, 16 / 97, 25.05.2009, S. 15, 21; Sten. Ber. BT 16 / 225, 29.05.2009, S. 24900 (D). 79  Vorgeschlagen von Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 59 zu Art. 45d GG. 80  BT-Drs. 16 / 12411, S.  13. 81  In diesem Sinne auch Christopeit / Wolff, 77 (92). 82  Diesen Weg andeutend Hermes, in: Dreier, GG, Rn. 59 zu Art. 45d GG. Zur Zulässigkeit der Prozessstandschaft: BVerfGE 45, 1 (28); 67, 100 (125); 70, 324 (350 ff.); 103, 81 (86); 118, 244 (255); 121, 135 (150); 124, 78 (106 f.); 124, 161 (187).

H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ I. Die „wehrhafte Demokratie“ und deren Bedeutung für die Besetzung des PKGr Die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit ihren im Grundgesetz verbürgten Freiheiten eines jeden Bürgers gilt es im Interesse des Staates, vor allem aber im Interesse des Staatsvolkes, zu schützen.1 Der Schutzge­ danke des Grundgesetzes geht so weit, dass konkrete Mechanismen etabliert worden sind, die es verhindern sollen, dass antidemokratische Mehrheiten in die Lage versetzt werden können, die Verfassung faktisch und legal zu „vernichten“.2 Ein wichtiges Element dieser „wertgebundenen und streit­ baren Demokratie“ ist sicherlich die „Ewigkeitsklausel“ nach Art. 79 Abs. 3 GG, die auch demokratisch gewählten verfassungsändernden Mehrheiten eine inhaltliche Beschränkung ihrer Dispositionsmöglichkeiten auferlegt.3 Davon ausgehend dürfte eine Beteiligung von ausgewiesenen „Verfassungs­ feinden“ an der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung im nach­ richtendienstlichen Tätigkeitsbereich äußerst fragwürdig sein, soll doch verhindert werden, dass die zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorgesehenen Instrumente ad absurdum und damit in die Wirkungslosigkeit geführt werden würden.4 Wie bereits oben dargestellt, kommen allerdings Ausnahmen vom forma­ len Prinzip der Wahl- und Chancengleichheit der Parteien, Fraktionen und Abgeordneten aus Artt. 21 Abs. 1 bzw. 38 Abs. 1 S. 1 GG nur dann in Be­ tracht, soweit sie zwingend erforderlich sind, um dem Wesen und Zweck des Wahlverfahrens gerecht zu werden. Dabei stellt das Bundesverfassungs­ 1  Thiel,

in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 1 (1 f.). Streitbare Demokratie, AöR 128 (2003), 340 (343). Nach Art. 76 der Weimarer Reichsverfassung konnte die Verfassung ohne eine besondere gegenständliche Beschränkung bei Vorliegen einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden geändert werden. 3  Papier / Durner, 340 (347 f.). 4  Die Absicherung der verfassungsmäßigen Ordnung erfolgt eben nicht nur gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen von „unten“, sondern auch von „oben“, durch die staatlichen Organe selbst, wie die Artt. 61, 98 Abs. 2 und eben 79 Abs. 3 GG belegen, siehe Herzog, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 1 (4 f.); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel, S. 281 f. 2  Papier / Durner,



I. Die „wehrhafte Demokratie“209

gericht in ständiger Rechtsprechung fest, dass die extremistische oder ver­ fassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei als „sachfremdes Motiv“ keinen Anlass dazu bietet, diese im Rahmen wahlrechtlicher Vorschriften ungleich zu behandeln.5 Das bei der Besetzung des PKGr streng zu wahrende Prinzip der Spie­ gelbildlichkeit kann daher, lässt man Art. 45d GG vorerst außer Betracht, aus Gründen des Verfassungsschutzes nur dann durchbrochen werden, so­ fern dem Grundgesetz hierfür eine Ermächtigung entnommen werden kann. 1. Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine „wehrhafte Demokratie“ Das Bundesverfassungsgericht entnimmt dem Grundgesetz eine verfas­ sungsrechtliche „Grundentscheidung“6 für die „streitbare Demokratie“7, der durchaus auch eine eigenständige rechtliche Bedeutung zukommen soll, indem diese einerseits als Auslegungs-, Abwägungs- und Rechtfertigungs­ maxime8 grundrechtseinschränkende Wirkungen entfalte und andererseits als solche auch imstande sei, pflichtenbegründend gegenüber dem Bürger zu wirken.9 Vor allem die ältere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung entwickelte dabei den Terminus der „streitbaren Demokratie“ allmählich zu einer „… universell (…) einsetzbaren Grundentscheidung des Grundgesetzes“10, die dazu geeignet sei, um bspw. Verfolgten, die nach dem 23. Mai 1949 gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gekämpft hatten, den Entschädigungsanspruch nach dem Bundesentschädigungsgesetz aberken­ nen,11 um die Einfügung von Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG unter Rückgriff auf die vorbezeichnete Grundentscheidung auf eine weitere Legitimations­ grundlage stellen12 und um im Rahmen der Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG die „streitbare Demokratie“ zur Begründung einer beamtenrechtlichen 5  Siehe

unter Kapitel F. II. 2. a). in BVerfGE 30, 1 (19). 7  Erstmals im „KPD-Urteil“ in die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ein­ geführt, siehe BVerfGE 5, 85 (139). 8  Epping, Eine Alternative zum Parteiverbot, S. 52. 9  Siehe insoweit BVerfGE 25, 44 (58); 25, 88 (100); 28, 36 (48 f.); 28, 51 (55); 39, 334 (349, 368 f.); so zusammenfassend auch Sattler, Die rechtliche Bedeutung der Entscheidung für die streitbare Demokratie, S. 16; Thiel, in: Thiel, S. 1 (8); Zirn, Das Parteienverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG, S. 270. 10  Kritisch Denninger, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 7 (17); Thiel, in: Thiel, S. 1 (7). 11  BVerfGE 13, 46 (49 f.). 12  BVerfGE 30, 1 (19 ff.). 6  Ausdrücklich

210

H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

Treuepflicht unter Negierung des Art. 3 Abs. 3 GG heranziehen zu kön­ nen.13 Zwar greift die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung mittler­ weile weniger auf die „Grundentscheidung für eine streitbare Demokratie“ als Argumentationsfigur zurück, die Fachgerichte indessen, dem entgegen­ gesetzt, stilisieren das Prinzip auch gegenwärtig mitunter zum Maßstab zur Beurteilung des einfachen Rechts.14 Dem gegenüber zeigen sich in der Literatur Meinungsunterschiede zwi­ schen denen, die aufgrund und im Rahmen einer bestehenden Verfassungs­ norm der Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare bzw. wehr­ hafte Demokratie“ im Wege der Auslegung Geltung verschaffen wollen (positivistischer Ansatz) und anderen, die ohne Vorliegen einer auslegungs­ fähigen Norm, einem allgemeinen Prinzip grundrechtsbeschränkende Rechtsfolgen zu entnehmen suchen.15 Letzteres begegnet nicht nur deshalb Bedenken, weil ein derartiges Vorgehen manipulations- bzw. ideologieanfäl­ lig ist,16 sondern auch, weil die Rekurrierung auf ein allgemeines Prinzip nicht von der Pflicht entbindet, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer analogen Rechtsanwendung auch tat­ sächlich vorliegen.17 Das Ziel des Grundgesetzes, von der Wertneutralität der Weimarer Reichsverfassung abzukehren und stattdessen eine „wertgebundene bzw. streitbare oder eben wehrhafte“ Demokratie zu etablieren, findet im Wort­ laut des Grundgesetzes indessen keine Erwähnung, so dass der vom Bun­ desverfassungsgericht zugeschriebene Bedeutungsgehalt durchaus hinterfragt werden darf.18 Insoweit wird deshalb auch die Ansicht vertreten, wonach es sich bei dem Terminus der „wehrhaften Demokratie“ nur um eine Oberbzw. Sammelbegrifflichkeit handele, die programmtisch bzw. thematisch nur jene im Grundgesetz explizit geschaffenen Möglichkeiten des Staates zu­ sammenfassen solle und mit deren Hilfe dieser imstande sei, seine Existenz und Grundwerte zu schützen.19 Letztere Ansicht greift allerdings zu kurz, verkennt sie doch das im Grundgesetz anerkannte Interpretationsprinzip der 13  BVerfGE

39, 334 (349, 368 f.). 340 (366 ff. m. w. N.). 15  Papier / Durner, 340 (364 f.). 16  Dreier, in: GS Friedrich Klein, S. 86 (95). 17  Papier / Durner, 340 (365). 18  Thiel, in: Thiel, S. 1 (5 f.). 19  Nach Papier / Durner, 340 (348) ist streitbare Demokratie „in erster Linie ein Sammelbegriff“; Zirn, S. 318. Derartige Instrumente im Grundgesetz können bspw. sein: das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG, die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG oder auch das Notstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG. 14  Papier / Durner,



I. Die „wehrhafte Demokratie“211

Einheit der Verfassung.20 Wäre es nicht zulässig, im Wege der Verfassungs­ interpretation aus einem positiven Normengefüge auf eine zugrunde liegen­ de Verfassungsgrundentscheidung zu schließen,21 ließe man vorliegend den ausdrücklichen Willen des Verfassungsgebers,22 der einen umfassenden Schutz der jungen Demokratie unter dem Grundgesetz nach den verheeren­ den Erfahrungen im Nationalsozialismus jenseits konkreter Verfassungsnor­ men abgesichert wissen wollte, unberücksichtigt und müsste auch auf ande­ re gleich bedeutsame Verfassungsgrundentscheidungen, die ähnlichen me­ thodischen Ursprungs sind, wie das staatliche „Neutralitätsgebot“, das Konstrukt des „Kulturverfassungsrechts“ oder gar den „Grundsatz der frei­ heitlich-demokratischen Grundordnung“, verzichten.23 Es kann daher als gesichert gelten, dass das Konstrukt der „wehrhaften Demokratie“ mehr ist als nur eine deskriptive Erfassung des positiven Ver­ fassungsrechts, das dem Schutze der freiheitlich-demokratischen Grundord­ nung zu dienen bestimmt ist. Die Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare bzw. wehrhafte“ Verfassungskonzeption muss nicht erst den einschlägigen Normen wie Artt. 21 Abs. 2, 18 oder 9 Abs. 2 GG entnommen werden,24 vielmehr sind die „wehrhaften“ Normen des Grundgesetzes ein positiv-rechtlicher Ausdruck dieser mit eigener rechtlicher Relevanz ausge­ statteten Verfassungsgrundentscheidung.25 Begreift man daher die im Grundgesetz normierten Elemente „wehrhafter Demokratie“ nur als Ausschnitt eines den grundgesetzlichen Konkretisierun­ gen vorgelagerten Systems,26 könnte darauf aufbauend tatsächlich daran gedacht werden, dem Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ die Eigenschaft einer verfassungsrechtlichen Primärquelle zuzuschreiben, die unabhängig von einer konkreten auslegungs- und abwägungsfähigen Verfassungsnorm unmittelbar befugnisbegründende, oder anders gewendet, grundrechtsverkür­ 20  Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (68); Schmidt, Die Freiheit verfassungswidriger Parteien, S. 219; Stern, Staatsrecht, Band I, 2. Auflage, S.  131 ff.; Thiel, in: Thiel, S. 1 (11). 21  „Zur Theorie der verfassunggestaltenden Grundentscheidungen des Grund­ gesetzes“, siehe Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 108 ff. 22  Sattler, S. 38 f., der auf dieses Erfordernis ausdrücklich hinweist. 23  Thiel, in: Thiel, S. 1 (11 ff.). 24  Michael, Verbote von Religionsgemeinschaften, JZ 2002, 482 (485), der wie­ derum aus den Normen das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ herleitet. 25  Epping, S. 52; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 58; Papier / Durner, 340 (368), die aber zugleich darauf hinweisen, dass die erwähnten Normen wehrhafter bzw. streitbarer „Gefahrenabwehr“ abschließender Natur sind; Thiel, in: Thiel, S. 1 (20 f., 23 f.). 26  Gusy, Die „freiheitliche demokratische Grundordnung“, AöR 105 (1980), 279 (302).

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H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

zende Geltung beanspruchen könnte.27 Eine solche Sichtweise kontrastiert indes mit anderen Verfassungsgrundsätzen, wie dem Rechtsstaatsprinzip,28 das gerade davon ausgeht, dass sich der Staat selbst Grenzen setzt und das Streitbarkeitsprinzip nicht dazu missbraucht, um rechtsstaatliche Gewähr­ leistungen und Freiheiten unter Legitimitätsgesichtspunkten per se zurück­ treten zu lassen.29 Eine eigenständige rechtliche Bedeutung kommt der Grundentscheidung für die „wehrhafte Demokratie“ vielmehr dadurch zu, indem diese einmal zum Zwecke der Auslegung einschlägiger Verfassungsnormen heranzuzie­ hen ist und zum anderen als Rechtfertigungs- und Abwägungsgesichtspunkt bei der Ausgleichung widerstreitender Verfassungsgüter als weiterer Ge­ sichtspunkt bei der Herstellung „praktischer Konkordanz“ Berücksichtigung zu finden hat.30 Damit wird zugleich deutlich, dass das Prinzip der „wehr­ haften Demokratie“ originärer Bestandteil des Grundgesetzes ist, das nicht in Widerspruch zu diesem freiheitlichen System steht, sondern sicherstellen will, dass sämtliche freiheitsverbürgenden Normen nicht gegen den Fortbe­ stand dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet missbraucht werden dürfen.31 Die auf diese Weise zum Ausdruck kommende Zielbe­ stimmung bindet und verpflichtet alle Träger hoheitlicher Gewalt, nicht je­ doch den Bürger selbst,32 da dieser einer allgemeinen „Verfassungstreue­ pflicht“33 nicht unterliegt.34 27  Ablehnend: Häberle, Die Abhörentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 1971, 145 (147 ff.); Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (67 f.); Papier / Durner, 340 (365 ff.); Sattler, S. 59; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel, S. 284; Thiel, in: Thiel, S. 1 (21, 24). 28  Zum Rechtsstaatsprinzip als „allgemeiner Verfassungsgrundsatz“, siehe Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 85 ff. Zirn, S. 319 f., der schon in einer „Grundentschei­ dung für die streitbare Demokratie“ eine Friktion mit dem Rechtsstaatsprinzip er­ blickt. 29  Backes, Schutz des Staates, S. 52, der von „Verfassungsmilitanz“ spricht; Papier / Durner, 340 (367  f.); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel, S. 284; Stern, Staatsrecht, Band I, 2. Auflage, S. 133, wonach widerstreitende Ver­ fassungsrechtssätze sets „harmonisiert“ werden müssen; Thiel, in: Thiel, S. 1 (21, 24). 30  Dreier, GS für Friedrich Klein, S. 86 (95); Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (67 f.); Papier / Durner, 340 (364); Schmidt, Die Freiheit ver­ fassungswidriger Parteien, S. 219; Thiel, in: Thiel, S. 1 (21, 23 f.). 31  Papier / Durner, 340 (363), die in der „Abwehrbereitschaft keinen Fremdkör­ per“ sehen; Sattler, S. 96, 98 f.; Thiel, in: Thiel, S. 1 (23 f.). 32  Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S.  53 (67  f.); Sattler, S. 59, 61 f., 73, 91; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel, S. 284. 33  Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, S. 53 (80 f.). 34  So aber BVerfGE 28, 36 (48), wonach die Bundesrepublik Deutschland „… von ihren Bürgern eine Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet …“.



I. Die „wehrhafte Demokratie“213

2. Zur „Sperrwirkung“ des Art. 21 Abs. 2 GG Daran anknüpfend ist es ein durchaus gangbarer Weg, die Abgeordneten, die einer nicht verbotenen verfassungsfeindlichen Partei angehören, bei der Wahl zum PKGr auf Grundlage der Artt. 21 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. dem Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ im Wege der Auslegung auszuschließen oder zu beschränken.35 Bevor man jedoch in einen ernsthaften Auslegungs- und Abwägungspro­ zess eintreten kann, wird man die positiv-rechtlichen Ausformungen des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ im Grundgesetz zu berücksichtigen haben, die der hier angedachten Auslegung unabdingbare Grenzen setzen.36 Eine insoweit maßgebliche Konkretisierung des „Streitbarkeitsprinzips“ ist Art. 21 Abs. 2 GG, der eine Mindermaßnahme in zweifacher Hinsicht „sperren“ könnte: zum einen wegen des statuierten „Parteienprivilegs“, zum anderen wegen des Entscheidungsmonopols des Bundesverfassungsge­ richts.37 Danach liegt es ausschließlich in der Zuständigkeit des Gerichts zu entscheiden, ob eine Partei verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungs­ gericht zieht daraus die Konsequenz, dass bis dahin niemand die Verfas­ sungswidrigkeit einer politischen Partei „rechtlich geltend machen“ kann, um daraus rechtliche Nachteile oder Behinderungen herleiten bzw. begrün­ den zu können.38 Diese im Rahmen ihres Schutzbereichs geltende „Sperrwirkung“ lässt indes die Frage nach den Grenzen des Schutzbereichs unbeantwortet. Der Bestand der Partei, der sie bspw. rechtlich befähigt, Mitglieder aufzuneh­ men und Eigentumsrechte wahrzunehmen, genießt unstreitig absoluten Schutz.39 35  Zur Versagung der Wahlzulassung (allgemein) als Mindermaßnahme, siehe Linck, Staatliche Leistungen an Verfassungsfeinde, DÖV 2006, 939 (946); Maurer, Das Verbot politischer Parteien, AöR 96 (1971), 203 (223 m. w. N.). 36  Im Hinblick auf Art. 21 Abs. 2 GG, siehe Thiel, in: Thiel, Wehrhafte Demo­ kratie, S. 173 (185 f.). 37  Klein, in: Maunz  /  Dürig, GG, Rn. 571 zu Art. 21 GG; Maurer, Das Verbot politischer Parteien, 203 (230); Thiel, in: Thiel, S. 173 (204). 38  BVerfGE 12, 296 (304 f.); 13, 46 (52); 13, 123 (126); 17, 155 (166); 39, 334 (357 f.); 47, 130 (139); 47, 198 (227); 107, 339 (362); 111, 382 (410); davon abwei­ chend wird die Ansicht vertreten, wonach sich das Entscheidungsmonopol des Bun­ desverfassungsgerichts lediglich auf die „Sanktionsentscheidung“ nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG beziehe, so dass außerhalb dieses Zuständigkeitsrahmens administrative (Einzel-)Maßnahmen möglich seien, siehe dazu Lorenz, Verfassungswidrige Parteien und Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts, AöR 101 (1976), 1 (6); Thiel, in: Thiel, S. 173 (204). 39  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 572 zu Art. 21 GG; Lorenz, 1 (10).

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H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

Grundsätzlich gleiches gilt auch für die politische Betätigungsfreiheit, die sämtliche „parteioffiziellen und parteiverbundenen“ Tätigkeiten, die aus der Aufgabenstellung der Parteien allgemein herzuleiten sind, erfasst, wobei es auf die konkrete Zielsetzung oder Programmatik der jeweiligen Partei nicht ankommen soll.40 Die Auffassungen über die Spannbreite des aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG resultierenden funktionalen Betätigungsbereiches reichen wiederum von einem weitgehenden Verständnis, wonach „jedes sonstige öffentlichkeitsbezogene Außenhandeln der Partei“41 erfasst sein soll, bis hin zu eher restriktiven Ansichten, die nur diejenigen parteispezifischen Tätigkeiten erfasst sehen wollen, die den Unterschied gegenüber sonstigen Vereinigungen begründen, wie etwa die konkrete Parlamentsarbeit nach er­ folgreicher Wahl.42 Nach anderer Ansicht wird der Schutzbereich nicht durch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG, sondern durch das jeweilige Parteiziel, das es zu fördern gilt, begrenzt und bestimmt.43 Da auch die restriktivste Auffassung das hier einschlägige „Tätigwerden im Parlament“ unter den Schutzbereich fasst, erübrigen sich weitergehende Ausführungen zum Meinungsstand. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung nimmt allerdings im Rahmen des Schutzbereichs eine Abgrenzung dahin gehend vor, dass Art. 21 Abs. 2 GG generell nicht vor faktischen, sondern nur vor rechtlichen Nachteilen und Behinderungen Schutz bieten könne.44 Danach müssen verhältnismäßi­ ge nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen nebst den daraus resul­ tierenden (faktischen) Nachteilen45 ebenso hingenommen werden wie staatliche „Werturteile“ in den einschlägigen Verfassungsschutzberichten,46 die eine Partei als „verfassungsfeindlich“ qualifizieren.47 Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts justiert indes dasjenige, was als lediglich faktisch benachteiligend zu bewerten ist, neu, wenn es die entsprechende Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht nun­ 40  Lorenz,

1 (10 f.); Schmidt, Die Freiheit verfassungswidriger Parteien, S. 193. 1 (11). 42  Schmidt, Die Freiheit verfassungswidriger Parteien, S. 194. 43  BVerfGE 12, 296 (305); 47, 130 (139); Schmidt, Die Freiheit verfassungswid­ riger Parteien, S. 192. 44  BVerfGE 39, 334 (360); 40, 287 (292 f.); 57, 1 (7 f.). 45  BVerfGE 107, 339 (365 f.); BVerwGE 110, 126 (136 ff.). 46  BVerfGE 39, 334 (360); 40, 287 (292 f.); eine „Sanktionsfunktion“ der Ver­ fassungsschutzberichte bejahend, siehe Shirvani, Parteienfreiheit, AöR 134 (2009), 572 (591 m. w. N.). 47  Zum Streitstand Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel, S. 285 f. m. w. N. 41  Lorenz,



I. Die „wehrhafte Demokratie“215

mehr als „mittelbar belastende negative Sanktion“ bezeichnet,48 wenngleich derartige Eingriffe bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch weiterhin zulässig sind.49 Auch insoweit ergibt sich vorliegend kein Anlass zur Problematisierung, stellt doch die (förmliche) Nichtberücksichtigung bei einer Wahl wegen (angeblicher) Verfassungsfeindlichkeit eine unmittelbar rechtlich-sanktionierende Maßnahme dar. Soweit Art. 21 Abs. 2 GG von „Parteien“ spricht, kann mit dem Bundes­ verfassungsgericht auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 PartG zurückgegrif­ fen werden.50 Soweit es vorliegend um die etwaige Nichtberücksichtigung einzelner Abgeordneten oder einer ganzen Fraktion im PKGr geht, muss auch die Frage nach dem „persönlichen“ Schutzbereich gestellt werden.51 Will man die soeben skizzierte erhöhte „Schutz- und Bestandsgarantie“52 der Parteien nicht durch ein „kaltes Parteiverbot“53 unterlaufen, müssen in den Schutzbereich54 auch diejenigen einbezogen werden, durch die eine freie Betätigung der Partei überhaupt erst möglich wird, namentlich sind das die Funktionäre, Mitglieder, Gründer und sogar die Anhänger einer Partei, jedenfalls soweit deren konkretes Handeln nicht schon durch die allgemei­ nen (Straf-)Gesetze verboten ist.55 Es bereitet aus politischer Sicht keine Schwierigkeiten, parteiangehörige Bundestagsabgeordnete als herausgehobene „Funktionäre“ ihrer Partei zu qualifizieren,56 zumal im parteispezifischen Schutzbereich der parlamenta­ 113, 63 (77); näher dazu Shirvani, Parteienfreiheit, 572 (591 ff.). S. 26. 50  BVerfGE 24, 260 (263 f.); 47, 198 (222); 91, 262 (266 f.); 91, 276 (284). 51  Lediglich in Art. 53a Abs. 1 S. 2 GG findet sich der Begriff der Fraktion im Grundgesetz. Dieser übliche Begriff des deutschen Parlamentarismus erfährt seine nähere inhaltliche Ausgestaltung durch das Parlamentsrecht (§ 10 Abs. 1 GO-BT), siehe auch BVerfGE 84, 304 (335). Die Norm geht schon sachgedanklich von der Verschiedenheit von Partei und Fraktion aus, wenn es heißt: „Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichte­ ter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.“ 52  BVerfGE 12, 296 (304). 53  Klein, in: Maunz  /  Dürig, GG, Rn. 581 zu Art. 21 GG; Streinz, in: v. Man­ goldt / Klein / Starck, GG, Rn.  220 zu Art.  21 Abs.  2 GG. 54  Siehe Lorenz, 1 (12, 20 ff., 24), der darauf hinweist, dass die Erstreckung des Schutzbereichs des Art. 21 Abs. 2 GG auf Seiten der natürlichen Personen, soweit es sich nicht um die Parteigründer handelt, für diese keine originär-subjektive, son­ dern lediglich eine „reflexiv“-begünstigende Rechtsposition begründet. 55  BVerfGE 12, 296 (305); bestätigt durch: 13, 123 (126); 17, 155 (166); 47, 130 (139); Lorenz, 1 (12); Rapp, Das Parteienprivileg des Grundgesetzes, S. 68. 56  Nach Rapp, S. 69 ist in diesem Zusammenhang ein Funktionär derjenige, „… der im Rahmen der Parteiorganisation eine bestimmte Aufgabe übernommen hat 48  BVerfGE 49  Epping,

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H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

rischen Arbeit der „Parteiwille“ nur durch die Abgeordneten bzw. durch die aus ihnen bestehenden Fraktionen57 tatsächlich realisiert werden kann. Rechtlich lässt sich der herausgehobene innerparteiliche Status eines Abge­ ordneten jedoch auch begründen, stellt man auf die Rechtwirkungen ab, sobald das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei verkündet hat. Das Bundesverfassungsgericht erachtet ein Parteiverbotsverfahren für sinnwidrig, „… wenn es den wesentlichsten Exponenten der Partei, den Abgeordneten, weiterhin möglich bliebe, die Ideen ihrer Partei an der Stät­ te, wo die echten politischen Entscheidungen fallen, zu vertreten und bei Abstimmungen zur Geltung zu bringen.“58 Danach ist es dem einfachen Gesetzgeber gestattet, den Mandatsverlust der Abgeordneten nach festge­ stellter Verfassungswidrigkeit anzuordnen,59 auch wenn sich Art. 21 Abs. 2 GG hierzu ausdrücklich nicht verhält und auch die Rechtslage in der Wei­ marer Republik diese Rechtsfolge nicht kannte.60 Diese insoweit konsta­ tierte enge rechtliche Verknüpfung von Partei und Mandat kann im Umkehr­ schluss nur dazu führen, dass die Abgeordneten und Fraktionen61 vor einer und sich im Rahmen dieses Aufgabenkreises für die Verwirklichung der politischen Zielsetzungen seiner Partei einsetzt“. Dass der gewählte Abgeordnete Mandatsträger ist, lässt die Tatsache, dass er als innerparteilich gewählter Direkt- oder Listenkan­ didat für die jeweilige Legislaturperiode zugleich auch eine „Funktion“ in der Partei übernommen hat, unberührt. 57  BVerfGE 70, 324 (363), wonach sich der Status der Fraktionen aus dem der Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 GG herleitet; zur rechtlichen Stellung der Frak­ tion, siehe Achterberg, Parlamentsrecht, S. 274 ff. 58  BVerfGE 2, 1 (73 f.); 5, 85 (392); dazu kritisch, soweit der Mandatsverlust unmittelbar dem Grundgesetz entnommen wird, siehe Achterberg, Parlamentsrecht, S. 257; Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), S. 9 (23). 59  Der Bundesgesetzgeber hat den Mandatsverlust bei Bundestagsabgeordneten in den §§ 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und Abs. 4, 47 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BWahlG ge­ regelt. Dieser gesetzliche Automatismus verträgt sich indes nicht mit der Rechtspre­ chung des EGMR, siehe dazu EGMR, Urteil vom 11.6.2002, Selim Sadak u. a.  /  Türkei, Nr.  25144 / 94, Ziff.  37 ff.; Epping, S.  15 m. w. N. 60  So auch die herrschende Meinung, siehe Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 568 zu Art.  21 GG m. w. N.; Zirn, S. 217, 219 f. Andere Ansicht: Thiel, in: Thiel, S. 173 (202 f. m. w. N.). 61  BVerfGE 84, 304 (324), wonach die Anerkennung der Parlamentsfraktionen aus der Anerkennung der Parteien in Art. 21 GG folgt; Jekewitz, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 37 Rn. 36 führt zur angelegten (engen) Wechselbeziehung von Partei und Fraktion aus: „Fraktionen ‚entstehen‘ nicht mehr durch den Zusammenschluß, d. h. aus einem Willensakt von Abgeordneten gleicher politischer Ausrichtung, sondern sind in dem Augenblick latent vorhanden, in dem eine politische Partei als Ergebnis einer Wahl zu einem Parlament in einem Parla­ ment vertreten ist.“



II. Art. 45d GG als Bestandteil der „wehrhaften Demokratie“217

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ebenso stringent in den Schutzbereich des Art. 21 Abs. 2 GG einbezogen werden müssen, beein­ flusst deren politische Arbeit doch elementar die Wirkmächtigkeit der poli­ tischen Betätigung „ihrer“ Partei. Die Wahl der Abgeordneten zum PKGr auf Grundlage der Artt. 21 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. dem Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ im Wege der Auslegung auszuschließen oder zu beschränken, scheitert daher an der „Sperrwirkung“ des Art. 21 Abs. 2 GG. Damit ist es auf Grundlage des PKGrG alter wie neuer Fassung nicht zulässig, Abgeordneten oder Fraktio­ nen unter Verweis auf deren (angebliche) Verfassungsfeindlichkeit die Wahl zum PKGr zu verweigern. Die im Raum stehende Einschränkung der Wahlund Chancengleichheit der nicht verbotenen, aber verfassungsfeindlichen oder extremistischen Parteien setzt eine ausdrückliche Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG voraus.62

II. Art. 45d GG als Bestandteil des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ Es bereitet keine Schwierigkeiten festzustellen, dass Art. 45d GG ein Bestandteil des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ im Grundgesetz ist. Schließlich leisten die Nachrichtendienste durch ihre Tätigkeit einen unver­ zichtbaren Beitrag zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundord­ nung. Diese typischerweise im geheimen stattfindende Arbeit unterliegt, bezogen auf die Bundesebene, der gubernativen Kontrolle durch die Bun­ desregierung. Eine vollwertige demokratische Verknüpfung zum Volk kann indes nur durch eine wirksame parlamentarische Kontrolle gewährleistet werden, wie sie zuvörderst vom PKGr wahrgenommen wird.63 In diesem Kontext ist Art. 45d GG ein Instrument zur Absicherung der verfassungsmäßigen Ordnung „von oben“, das sicherstellen soll, dass die Nachrichtendienste von der Bundesregierung auf der Grundlage des gelten­ den Rechts und damit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger kontrolliert 62  Siehe Epping, S. 33  ff., 53, der nachweist, dass das Prinzip der Chancen­ gleichheit der Parteien nur eine Ausprägung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschütz­ ten Grundsätze der Demokratie und der Parteienfreiheit ist, die wiederum einer verfassungsrechtlichen und systemimmanenten Modifizierung offenstehen. System­ immanenz im Sinne eines zwingendes Grundes liegt vor, weil sich eine Durchbre­ chung der Wahl- und Chancengleichheit der Parteien aus Artt. 21 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 GG mit der im Grundgesetz verankerten Grundentscheidung für eine „wehrhaf­ te Demokratie“ rechtfertigen lässt. Zur Zulässigkeit einer „systemimmanenten Mo­ difizierung“, siehe BVerfGE 30, 1 (25). Siehe auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Rn. 573a zu Art. 21 GG. 63  So auch BT-Drs. 16 / 12412, S. 4.

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H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

werden. Dabei gilt es, den Aufbau einer Doppelstruktur in Form eines „Staates im Staate“ in jedem Falle zu verhindern. Dies vorausgeschickt, erscheint es nicht abwegig anzunehmen, dass eine wirksame parlamentarische Kontrolle dann nicht wahrgenommen werden kann, sofern die Mitglieder des PKGr zugleich dem politischen Spektrum angehören, das die Arbeit der Nachrichtendienste vom Grundsatz her ab­ lehnt.64 An dieser Stelle seien auch die nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG ver­ botenen und dennoch extremistischen oder verfassungsfeindlichen Parteien angesprochen, die, werden „deren“ Abgeordnete nach den allgemeinen Re­ geln Mitglieder des Kontrollgremiums, das parlamentarische Kontrollsystem im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich bis zu dessen Wirkungslosig­ keit „lahmlegen“ könnten.65 Schließlich würde das Verfahren zur parlamen­ tarischen Kontrolle ad absurdum geführt werden, säßen im PKGr gerade Vertreter der Parteien, über deren Observation das Gremium gerade infor­ mieren soll.66 Hinweise unmittelbar in Art. 45d Abs. 1 GG, die für eine von Art. 21 Abs. 2 GG abweichende Behandlung derartiger Parteien im Rahmen der Gremiumsbesetzung sprechen könnten, finden sich in der Formulierung, wonach ein „Gremium“ „bestellt“ wird.67 Der weit zu verstehende Begriff der „Bestellung“ umfasst die gesamte organisatorische Errichtung des Gre­ miums, wobei gerade nicht vorgegeben wird, wie die personelle Besetzung des Gremiums konkret auszugestalten ist.68 Anstatt einer Wahl kommt da­ nach die Entsendung von Abgeordneten grundsätzlich ebenso in Betracht,69 wie die „wehrhafte Modifizierung“ einer „strikt-wahlrechtlichen“ Lösung. In diesem Sinne ebenso offen verwendet der verfassungsändernde Gesetz­ geber den Begriff des „Gremiums“, wonach es dem einfachen Gesetzgeber auch weiterhin überlassen bleiben soll, Regelungen zu Wahl und Zusam­ mensetzung des Kontrollgremiums zu treffen, die lediglich von dem Ziel 64  In

(55).

diesem Sinne auch Miltner, in: Verfassungsschutz in der Demokratie, S. 53

65  Miltner,

S. 53 (57). S.  79 f.; Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendiens­ te, S. 21; Michaelis, 188 (216); Müller, S.  321 f.; Thieme, S. 160. 67  Abweichend davon qualifiziert Art. 13 Abs. 6 S. 2 GG das Gremium als ein „gewähltes“. Art. 109a S. 1 Nr. 1 GG macht insoweit keinerlei Vorgaben. 68  Christopeit / Wolff, 77 (85). 69  Einer „bloßen“ Entsendung im Sinne der §§ 12, 57 GO-BT steht allerdings entgegen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber im Rahmen der Besetzung des PKGr von einer „Wahl“ spricht, die den Mitgliedern das Vertrauen des gesamten Plenums und nicht nur das der eigenen Fraktion verleihen soll, siehe BT-Drs. 16 / 12412, S. 4 f. Man würde dem Plenum deshalb ein modifizierbares Vetorecht einräumen müssen, das dieser Zielsetzung gerecht wird. 66  Baier,



II. Art. 45d GG als Bestandteil der „wehrhaften Demokratie“219

getragen sein sollen, die besondere Schutzbedürftigkeit des Kontrollgegen­ stands sicherzustellen.70 Dabei ist es der Aspekt der „Zusammensetzung“71 des Gremiums, der es dem Gesetzgeber ermöglichen würde, Abgeordnete extremistischer oder verfassungsfeindlicher Parteien von der Wahl zum PKGr auszuschließen oder einer Abwahlmöglichkeit zu unterwerfen. Eine derartige Auslegung von Art. 45d Abs. 1 GG deckt sich auch mit dem, was im Vorfeld der Entstehung des PKKG und daran anschließend während der Gesetzesberatungen diskutiert worden war: So scheiterte die damals ursprünglich vorgesehene Schaffung eines Aus­ schusses für die Kontrolle der Nachrichtendienste an der fehlenden Zustim­ mung der CDU / CSU-Fraktion.72 Das Abgehen von der angedachten „Aus­ schusslösung“ lag wohl schon damals in deren Befürchtung begründet, dass die NPD, gelänge ihr der Einzug in den Bundestag, in einem Ausschuss hätte Berücksichtigung finden müssen.73 Die in den Jahren 1973 bis 1976 tagende „Enquête-Kommission Verfas­ sungsreform“ sprach sich in ihrem Schlussbericht wiederum gegen einen Ausschuss und für die Beibehaltung des Vertrauensmännergremiums aus, indem sie unter anderem ausführte: „Die verfassungsrechtliche Verankerung eines parlamentarischen Kontrollausschusses birgt die besondere Gefahr in sich, daß Vertreter von radikalen Parteien in den Ausschuß gelangen, wenn solche in den Bundestag einziehen. Sie läßt sich nicht durch die Beschrän­ kung der Mitgliederzahl bannen, wenn man nicht Gefahr laufen will, dabei auch kleinere Bundestagsfraktionen auszuschalten. Gelangen aber Abgeord­ nete radikaler Parteien in den Ausschuß, so muß die Regierung ihre Infor­ mationen ganz einstellen.“74 Der unter dem 9. November 1977 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste legte in § 5 Abs. 2 schließlich fest, dass der Deutsche Bundestag „… die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Parlamentarischen Kontroll­ 70  BT-Drs. 16  / 12412, S. 5, wonach dieser Zustand „aufrechterhalten und bestä­ tigt“ werden soll. 71  Der Gesetzgeber hebt besonders hervor, dass mit Art. 45d GG eine Entschei­ dung über die konkrete Zusammensetzung des PKGr nicht verbunden ist, BT-Drs. 16 / 12412, S.  5. 72  Siehe unter Kapitel C. I. 1. 73  Siehe unter Kapitel C. I. 1. Dass derartige Überlegungen auch im Gesetzge­ bungsverfahren von 2009 eine Rolle spielten, belegt der Umstand, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE, in Art. 45d GG einen „Ausschuss“ vorzusehen, um eine zwingend „spiegelbildliche“ Besetzung des Gremiums zu erreichen, abgelehnt wur­ de, BT-Drs. 16 / 13220, S. 8; BT-Drs. 16 / 13234, S. 2. 74  BT-Drs. 7 / 5924, S.  62.

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H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

kommission …“ bestimmen soll.75 Diese Vorschrift findet sich unverändert auch im heutigen § 2 Abs. 2 PKGrG wieder, sieht man davon ab, dass es sich nicht mehr um eine Kontrollkommission, sondern um ein Kontrollgre­ mium handelt. Die damalige Gesetzesbegründung führte dazu aus, dass das Gesetz „eine Verständigung der Fraktionen über die Zahl und Zusammensetzung der Mitglieder“ voraussetze.76 Dabei wurde im Rahmen der Beratungen im Rechtsausschuss durchaus bemängelt, dass es für die personelle Besetzung der Kommission keine gesetzlichen Vorgaben gebe.77 In Beantwortung dazu kann dem Bericht des Rechtsausschusses eher sibyllinisch entnommen werden, dass dadurch „… den jeweiligen parlamentarischen Gegebenheiten flexibel Rechnung getragen werden …“ soll.78 Aufhellung geben insoweit nur die Beratungen im „Unterausschuss Nachrichtendienst-Kontrollgesetz“ des Rechtsausschusses, wonach ein Be­ teiligungsrecht aller Fraktionen in der Kommission im Verhältnis zu ihrer Fraktionsstärke deshalb nicht festgeschrieben werden sollte, weil nicht aus­ geschlossen werden konnte, dass auch extremistische Parteien in den Bun­ destag einziehen würden.79 Die damit ebenfalls im Zusammenhang stehen­ de Forderung, die Mitglieder der Kontrollkommission nur mit einer Zwei­ drittelmehrheit wählen zu lassen, ließ man auch nur wegen der Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts zum Minderheitenschutz im sog. „Abhörurteil“80 fallen.81 Es ist daher nur konsequent, dass die Gesetzesbegründung zu Art. 45d GG im Hinblick auf das Erfordernis einer besonderen Geheimschutzwah­ rung ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Ja­ nuar 198682 Bezug nimmt.83 Das Gericht beantwortete die Frage, ob die parlamentarische Mehrheit überhaupt berechtigt sei, politisch nicht „genehme“ Abgeordnete vom Haus­ haltsgremium auszuschließen, so, dass jedenfalls eine einseitige Besetzung 75  BT-Drs.

8 / 1140, S. 2. Später unverändert in § 4 Abs. 2 PKKG übernommen. 8 / 1140, S.  3. 77  Protokoll Rechtsausschuss BT 8 / 36, 08.03.1978, S. 73. 78  BT-Drs. 8 / 1599, S.  7. 79  PA-DBT, Unterausschuss „Nachrichtendienst-Kontrollgesetz“ Kurzprotokoll, 8. Wahlperiode, 18.01.1978, S.  2 / 8. 80  BVerfGE 30, 1 (1 ff.). 81  Waske, Mehr Liaison als Kontrolle, S. 268; BT-Drs. 8  / 1599, S. 7; PA-DBT, Unterausschuss „Nachrichtendienst-Kontrollgesetz“ Kurzprotokoll, 8. Wahlperiode, 18.01.1978, S. 2 / 6; Protokoll Rechtsausschuss BT 8 / 36, 08.03.1978, S. 72. 82  Insoweit wird auf BVerfGE 70, 324 (364) verwiesen. 83  BT-Drs. 16 / 12412, S.  5. 76  BT-Drs.



II. Art. 45d GG als Bestandteil der „wehrhaften Demokratie“221

des Gremiums unter Ausschluss der gesamten parlamentarischen Opposition im Zweifel als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden müsse.84 Aus die­ sem Grunde konnte die „bloße“ Nichtberücksichtigung der Fraktion DIE GRÜNEN letztlich unter Hinweis auf die zwingenden Gründe des Geheim­ schutzes verfassungsrechtlich gebilligt werden.85 Die zu dem Urteil ergangenen Minderheitsvoten verdeutlichen indessen die damals allenfalls mittelbar vorhandene Zielsetzung nach Geheimschutz­ wahrung, da es in diesem Fall konkret darum gegangen sei, die Fraktion DIE GRÜNEN aus „politischen Gründen“ von der Wirtschaftsplanberatung auszuschließen.86 Grundlage dieser politischen Beurteilung war ein „allge­ meines Misstrauen“ der parlamentarischen Mehrheit gegenüber dieser neuen „politischen Kraft“, das dadurch „verschleiert“ wurde, indem die Ansicht eines einzelnen Abgeordneten der Bundestagsfraktion, der eine Pflicht zur Geheimhaltung nicht anerkennen wollte, als Anlass genügen sollte, um die gesamte Fraktion von den Beratungen auszuschließen.87 Letztlich ging es daher um eine politische Bewertung der Partei DIE GRÜNEN, die zur damaligen Zeit als diversen „linksextremistischen Ein­ flüssen“ ausgesetzt galt,88 so dass man infolgedessen davon ausging, die Geheimnisunfähigkeit bzw. -unwilligkeit der von ihr getragenen Bundes­ tagsfraktion indizieren zu dürfen.89 Der eigentliche Anknüpfungspunkt, die vermeintliche Verfassungsfeindlichkeit der Partei, der schließlich nur im Rahmen von Art. 21 Abs. 2 GG hätte gewürdigt werden können, wurde durch diese „Indiz-Argumentation“ lediglich verdeckt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit seine Rechtsprechung somit das vom Gesetzgeber des PKKG von Anfang an verfolgte Ziel, es dem Grunde nach der Bundestagsmehrheit zu überlassen, wie genau die Kont­ rollkommission zusammengesetzt werden soll. Der Bundestag sollte auf die „parlamentarischen Gegebenheiten flexibel“90 reagieren können, wobei sich 84  BVerfGE

66, 26 (39); 70, 324 (365). 70, 324 (366). Insoweit bestehende Friktionen mit Art. 21 Abs. 2 GG wurden in beiden Minderheitsvoten geltend gemacht, siehe Böckenförde, BVerfGE 70, 380 (384) und Mahrenholz, BVerfGE 70, 366 (373). 86  Insoweit bezeichnend Mahrenholz, BVerfGE 70, 366 (372 f.). 87  Böckenförde, BVerfGE 70, 380 (386). 88  Siehe dazu auch der Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 08.01.1985, wonach die „linksextremistischen Einflüsse innerhalb dieser Partei“ Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes waren, BT-Drs. 10 / 6584, S. 124. 89  Böckenförde, BVerfGE 70, 380 (384 f.), der sich nur im Falle einer extremen Ausnahmesituation „besondere Reaktionen“ jenseits von Art. 21 Abs. 2 GG vorstel­ len kann. 90  BT-Drs. 8 / 1599, S.  7. 85  BVerfGE

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H. Art. 45d GG und das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“

das Gericht darauf beschränkte, äußere Grenzen des Gestaltungsspielraumes zu definieren. Es wird somit deutlich, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber auch 2009 noch davon ausging, dass der Bundestag im Rahmen der Gremiums­ besetzung das Recht habe, Abgeordneten, die extremistischen oder verfas­ sungsfeindlichen Parteien angehören, den Zugang zum PKGr zu verweigern. Mit diesem Regelungswillen setzt Art. 45d Abs. 1 GG jedoch nicht die be­ schriebene Rechtslage fort, sondern begründet eine solche erst konstitutiv. Danach ist es fortan möglich, abweichend von Art. 21 Abs. 2 GG, auch zwischen nicht verbotenen aber extremistischen oder verfassungsfeindlichen Parteien im Rahmen der Besetzung des PKGr zu differenzieren, wobei die der Differenzierung zu Grunde liegenden Tatsachen auch insoweit konkret dargelegt und glaubhaft gemacht werden müssen. Dabei kann Art. 45d Abs. 1 GG keine Verpflichtung zur diesbezüglichen Differenzierung, son­ dern nur eine Abweichungskompetenz entnommen werden.91 Das „Ob und Wie“ der Umsetzung erfolgt durch den einfachen Gesetzge­ ber auf Grundlage der Ermächtigungsnorm in Art. 45d Abs. 2 GG. Das PKGrG n. F. bestimmt, wie gerade erwähnt, in § 2 Abs. 2 unverändert, dass der Bundestag die Zusammensetzung des PKGr bestimmen kann.92 Der insofern erforderliche Parlamentsbeschluss wird als „Wahlzugangsregelung“ im Ergebnis dazu führen, dass sich die jeweils betroffenen Abgeordneten schon nicht der (geheimen) Wahl im Plenum stellen können. Im Hinblick auf einen nachträglichen Ausschluss bzw. eine Abwahl von Abgeordneten fehlt es inkonsequenterweise an einer gesetzlichen Regelung.93 Art. 45d GG ist somit in zweifacher Funktion Bestandteil des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ im Grundgesetz. Zum einen sichert der Artikel 91  Die in Art. 45d Abs. 1 GG enthaltene Verpflichtung zur Errichtung der PKGr impliziert jedenfalls nicht „zwingend“ die Nichtwählbarkeit der Abgeordneten, die einer nicht verbotenen aber extremistischen oder verfassungsfeindlichen Partei ange­ hören. Dies schon deshalb nicht, weil dem auch insoweit geltenden Art. 21 Abs. 2 GG ausdrücklich eine „verfassungsmäßig verbürgten Toleranz“ gegenüber diesen Parteien zu entnehmen ist, BVerfGE 12, 296 (306); 47, 198 (228); 107, 339 (362). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum „verfassungsunmittelbaren Mandatsverlust“ nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit (BVerfGE 2, 1 (74)) kann schon aus diesem Grunde nicht auf die vorliegende Sach- und Rechtslage übertragen werden. 92  Auch der einfache Gesetzgeber betont unter Verweis auf BVerfGE 70, 324 (358 ff.), dass zum Zwecke der besonderen Geheimschutzwahrung und in Fortschrei­ bung des bisherigen Weges nur solche Abgeordnete Mitglied des PKGr sein können, die über das Vertrauen des gesamten Plenums verfügen, siehe BT-Drs. 16 / 12411, S. 7. 93  Zum „gescheiterten“ Regelungsversuch bei „nachträglich“ eintretender bzw. zutage tretender Geheimnisunfähigkeit oder -unwilligkeit, siehe unter Kapitel F. III. 3.



II. Art. 45d GG als Bestandteil der „wehrhaften Demokratie“223

die wirksame parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung im nachrich­ tendienstlichen Tätigkeitsbereich „von oben“ ab und zum anderen wird der einfache Gesetzgeber ermächtigt, die erforderliche Wirksamkeit dieser Kon­ trolle durch eine auch von Art. 21 Abs. 2 GG abweichende Zusammenset­ zung des Gremiums sicherzustellen. Das PKGrG n. F. erlaubt dem Bundes­ tag, Abgeordnete, die einer nicht verbotenen, aber extremistischen oder verfassungsfeindlichen Partei angehören, durch entsprechenden Parlaments­ beschluss von der Wahl zum PKGr auszuschließen, wobei die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur rechtsmissbräuchlichen Besetzung des Gre­ miums Anwendung finden.

I. Zusammenfassung und Fazit Die Kontrolle der drei Nachrichtendienste des Bundes (BfV, BND und MAD) wurde mit Art. 45d GG erstmals verfassungsrechtlich implementiert. Auch wenn sich der Normtext hierzu ausdrücklich nicht äußert, handelt es sich dabei wie bislang um parlamentarische Kontrolle. Der verfassungsän­ dernde Gesetzgeber verfolgte mit der Grundgesetzänderung im Wesentlichen das Ziel, die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung im nachrich­ tendienstlichen Tätigkeitsbereich zu stärken und abzusichern, um letztlich die „Legitimation“ des Gremiums und dessen Tätigkeit insgesamt zu erhöhen, ohne zugleich mit dem bisherigen Kontrollsystem „brechen“ zu müssen. Zwar kann Art. 45d GG keine eigenständige konstitutive Funktion im Hinblick auf die Gewährung des parlamentarischen Kontrollrechts im nach­ richtendienstlichen Tätigkeitsbereich entnommen werden, jedoch wird durch die ausdrückliche Aufnahme der Verfassungsnorm, insbesondere der Bun­ desregierung gegenüber, die faktische Bedeutung parlamentarischer Kontrol­ le in diesem Bereich verdeutlicht. Adressat der Kontrolle ist die Bundesre­ gierung, genauer der Bundeskanzler sowie die Bundesminister, aber auch das Bundeskabinett als Kollegialorgan. Auch ohne Art. 45d GG hätten dem PKGr die Kontrollbefugnisse im Wege einer konservierenden Delegation auf Grundlage des PKGrG n. F. übertragen werden dürfen, so dass die Grundgesetzänderung insoweit ver­ fassungsrechtlich nicht erforderlich war. Das Ziel des verfassungsändernden Gesetzgebers, mit der Implementierung von Art. 45d GG insgesamt eine „erhöhte Legitimation“ zu generieren, kann nur insoweit bejaht werden, als das Fundament, auf dem die Legitimät parlamentarischer Kontrolle durch das PKGrG n. F. ohnehin fußt, durch den mit Art. 45d GG begründeten „zweiten“ Legitimationsstrang zwar nicht qualitativ, wohl aber „quantitativ“ verbreitert werden konnte. Durch das PKGrG n. F. wird dem PKGr eine „mitwirkende Kontrolle“ der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich eröffnet, da das Gesetz das hierfür erforderliche gegenseitige Vertrauensverhältnis nor­ mativ voraussetzt und gewährleistet. Neben Fremdinformationsrechten ge­ währleistet das PKGrG n. F. auch Selbstinformationsrechte gegenüber der Bundesregierung, die sich verfassungsrechtlich auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sowie das Prinzip der Kompetenz-Kompensation stützen können. Auch im Hinblick auf den Kontroll- und Befugnisrahmen des PKGr lässt sich somit



I. Zusammenfassung und Fazit225

eine konstitutive Funktion von Art. 45d GG nicht feststellen. Allerdings erfüllt Art. 45d GG schon heute eine „stabilisierende“ Funktion hinsichtlich des zugrunde liegenden Konstrukts der Kompetenz-Kompensation. Dieses sehr auf Ausgleich bedachte System von Kontrolle und Vertrauen würde außerdem als Ermächtigungsgrundlage spätestens dann ausscheiden, sollten die Befugnisse der „kontrollierenden Seite“ zukünftig weiter ausge­ baut werden. Die mit der verfassungsrechtlichen Implementierung des PKGr einherge­ hende Befürchtung, wonach das allgemeine Kontrollrecht von Plenum und Ausschüssen verdrängt bzw. relativiert und damit faktisch geschwächt wer­ den könnte, ist jedenfalls verfassungsrechtlich nicht begründet. In allen Fällen handelt es sich um das originäre parlamentarische Kontrollrecht des Bundestages gegenüber der Bundesregierung, so dass eine „Hierarchie“ der Kontrollrechte weder bestand noch besteht. Die insoweit vorliegende nor­ mative Gleichstufigkeit der Kontrollkompetenzen ändert nichts daran, dass die parlamentarische Kontrolle von Plenum und Ausschüssen nicht berührt, sondern durch das PKGr lediglich „subsidiär“ ergänzt wird. Eine darüber hinausgehend vorgenommene Gleichsetzung von Gremiumskontrolle einer­ seits und Plenar- bzw. Ausschusskontrolle andererseits ist verfassungsrecht­ lich nicht gerechtfertigt, da die insoweit bestehenden strukturellen und funktionellen Unterschiede zu evident sind, um in Form eines „Surrogats“ ersetzt bzw. verdrängt werden zu können. Auch gegenwärtig gilt, dass die Behörden des nachrichtendienstlichen und exekutivischen Verfassungsschutzes, bei letzteren namentlich die Poli­ zeibehörden, in mehreren Punkten, wenn auch in abnehmender Tendenz, materielle Unterschiede aufweisen, die eine Gleichsetzung beider Behörden­ stränge verbieten. Die relevantesten Unterschiede begründen insbesondere die unterschiedliche aufgabenbezogene Zweckrichtung sowie der abwei­ chende Einsatz der Befugnisse hinsichtlich Voraussetzungen, Zielrichtung und Ausprägung. Der von Art. 45d Abs. 1 GG gewählte Terminus der „nachrichtendienstli­ chen Tätigkeit“ greift diese Unterschiedlichkeit auf, indem durch die Wahl dieses „einigenden Oberbegriffes“ eine einheitliche Kontrollzuständigkeit des PKGr gegenüber den einschlägigen Nachrichtendienst- und Polizeibe­ hörden des Bundes (BfV, BND, MAD, BKA und ZKA) begründet wird, ohne beide Hauptstränge administrativen Verfassungsschutzes verfassungs­ rechtlich gleichsetzen zu wollen. Dabei ist unerheblich, ob die angesproche­ nen Polizeibehörden im Einzelfall nachrichtendienstlich tätig werden, da insoweit rechtlich wie faktisch nur eine „Reservekontrolle“ sichergestellt werden soll. Diesem Gesamtzusammenhang folgend ist Art. 45d Abs. 1 GG in der Weise auszulegen, dass neben den Nachrichtendiensten sämtliche

226

I. Zusammenfassung und Fazit

Polizeibehörden des Bundes von der Kontrollzuständigkeit erfasst werden, sofern diese im Hinblick auf Zuständigkeit und Befugnisrahmen mit dem BKA oder ZKA vergleichbar sind. Der einfache Gesetzgeber kam in § 1 Abs. 1 PKGrG n. F. der damit ein­ hergehenden Regelungsverpflichtung nicht vollends nach, soweit die Kont­ rollzuständigkeit des PKGr dort ausschließlich auf die drei Nachrichten­ dienste des Bundes beschränkt wird. Das in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin geltende Gebot, Poli­ zeibehörden und Nachrichtendienste in vierfacher Hinsicht (befugnisrecht­ lich, organisatorisch, funktional und informationell) voneinander zu trennen („Trennungsgebot“), wobei die inhaltliche Ausprägung der einzelnen Kom­ ponenten teilweise sehr umstritten ist, wurde durch die neuere Sicherheits­ gesetzgebung des Bundes zunehmend relativiert und damit geschwächt. Die voranschreitende „Vernachrichtendienstlichung der Polizei“ wird von Art. 45d Abs. 1 GG aufgegriffen, indem die Relativierungen des Trennungs­ gebotes durch eine wirksame „Reservekontrolle“ der nachrichtendienstlich tätig werdenden Polizeibehörden legitimatorisch ausgeglichen werden sol­ len. Die damit einhergehende verfassungsrechtliche „Bestätigung“ des ge­ setzgeberischen Vorgehens bietet zukünftigen Relativierungsbestrebungen zugleich den notwendigen Rechtfertigungszusammenhang. Der Umstand, dass das PKGrG n. F. den umfänglichen verfassungsrechtlichen Kontrollrah­ men in § 1 Abs. 1 nicht umsetzt, kommt dabei noch verschärfend hinzu. Der Begriff „Gremium“ in Art. 45d Abs. 1 GG knüpft an die bisherige Rechtslage an, indem das PKGr als Kontrollgremium eigener Art explizit nicht als „Ausschuss“ im Sinne des Grundgesetzes und der GO-BT zu ver­ stehen ist. Die Regelungen des PKGrG n. F. erfüllen die verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Errichtung eines relativ kleinen und geheim tagenden Kont­ rollgremiums. Das vom Bundesverfassungsgericht statuierte Erfordernis ei­ ner zwingend „spiegelbildlichen“ Besetzung, das im Falle des PKGr keine Einschränkungen durch das Mehrheitsprinzip erfährt, wird in Art. 45d Abs. 1 GG nicht ausdrücklich geregelt, so dass § 2 Abs. 1, 2 PKGrG n. F., der in­ soweit ebenfalls keine Vorgaben macht, einer verfassungskonformen Ausle­ gung zugänglich ist. Das Prinzip der „Spiegelbildlichkeit“ lässt die Nicht­ berücksichtigung von geheimnisunfähigen oder -unwilligen Abgeordneten gleichwohl zu. Das PKGrG n. F. gestattet es wiederum nicht, Gremiumsmitglieder eigen­ ständig aus dieser Funktion abzuwählen. Gerade bei nachträglich ein- oder zutage tretenden Geheimhaltungsdefiziten kann jedoch diese Regelungslü­ cke den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungszusammenhang, der für das Bestehen des PKGr evident ist, grundlegend infrage stellen.



I. Zusammenfassung und Fazit227

Der verfassungsändernde Gesetzgeber übernahm mit Art. 45d Abs. 1 GG alle verfassungsrechtlichen bzw. -gerichtlichen Vorgaben, die vom einfachen Gesetzgeber unmittelbar vor Inkrafttreten von Art. 45d GG insoweit zu be­ achten waren. Damit scheidet eine konstitutiv-gestaltende Wirkung von Art. 45d Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang aus. Die durch diese Rege­ lungstechnik bedingte Perpetuierung der verfassungsrechtlichen Rechtslage entfaltet bislang keine Wirkung, da eine ergebnisrelevante Rechtsprechungs­ änderung in diesem Bereich nicht zu verzeichnen ist. Mit dem Bundesverfassungsgericht und weiten Teilen der Literatur ist dem Bundestag im Rahmen der parlamentarischen Rechtssetzungsautonomie ein Formenwahlrecht zu konzedieren, so dass die mit dem PKGrG n. F. gewählte Gesetzesform verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die in Art. 45d Abs. 2 GG enthaltene Regelungsermächtigung entfaltet somit keine konstitutive Bedeutung, stellt jedoch die insoweit notwendige Rechtssicher­ heit her. Das PKGr ist auf Grundlage von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG parteifähig in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesver­ fassungsgericht. Auch insoweit kann Art. 45d Abs. 1 GG eine konstitutive Bedeutung nicht beigemessen werden, wenngleich durch die Ausstattung des Gremiums mit eigenen Rechten unmittelbar aus dem Grundgesetz dies­ bezüglich bestehende Rechtsunsicherheiten wiederum beseitigt werden. Es ist aufgrund der „Sperrwirkung“ des Art. 21 Abs. 2 GG verfassungs­ rechtlich nicht zulässig, Abgeordneten, die einer nicht verbotenen aber ver­ fassungsfeindlichen oder extremistischen Partei angehören, nur auf Grundla­ ge der Artt. 21 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. dem Prinzip der „wehrhaf­ ten Demokratie“ die Wahl zum PKGr zu verweigern oder diese einzuschrän­ ken. Insoweit entfaltet Art. 45d GG in zweifacher Hinsicht konstitutive Wirkung: Zum einen sichert Art. 45d GG als Bestandteil des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ eine wirksame Kontrolle der Bundesregierung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich „von oben“ ab. Zum anderen er­ laubt es Art. 45d Abs. 2 GG dem einfachen Gesetzgeber, zur Erreichung die­ ses Schutzzwecks eine vom Prinzip der zwingenden „spiegelbildlichen“ Be­ setzung abweichende Zusammensetzung des PKGr zuzulassen. Der einfache Gesetzgeber hat mit § 2 Abs. 2 PKGrG n. F. von dieser Er­ mächtigung insoweit Gebrauch gemacht, als der Bundestag vor dem Wahl­ gang durch Parlamentsbeschluss eine entsprechende „Wahlzugangsregelung“ erlassen kann. Wiederum nicht vorgesehen ist die Möglichkeit, bereits in das PKGr gewählte Abgeordnete zur Sicherung des dargestellten Schutz­ zwecks abzuwählen bzw. auszuschließen.

228

I. Zusammenfassung und Fazit

Es lässt sich ohne Weiteres konstatieren, dass die gesetzlichen Neuerun­ gen der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung im nachrichten­ dienstlichen Tätigkeitsbereich durch die Implementierung von Art. 45d GG einerseits und durch die Neufassung des PKGrG andererseits einen struktu­ rellen „Bruch“ mit dem bisherigen System parlamentarischer Nachrichten­ dienstkontrolle nicht bewirkt haben. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die meisten rechtlichen Folgewirkungen nicht konstitutiver, sondern allenfalls deklaratorisch-bestätigender bzw. perpetuierender Natur sind. Es greift aller­ dings zu kurz, der deklaratorischen Wirkung keine rechtliche Bedeutsamkeit beimessen zu wollen, zumal rechtliche Klarstellungen, Bestätigungen oder Absicherungen im „politisch sensiblen“ Kontrollverhältnis zwischen Bun­ destag und Bundesregierung der Streitvermeidung dienen und auf diesem Wege eine eigenständige rechtliche Bedeutung durch die Wahrung oder Sicherstellung von Rechtsklarheit und -sicherheit zu erlangen vermögen. Die Annahme, wonach Art. 45d GG lediglich eine positiv-rechtliche Verkör­ perung rein „symbolischen“ Verfassungsrechts sei, kann schon aus diesem Grunde nicht geteilt werden. Das vom Gesetzgeber darüber hinaus verfolg­ te Ziel, die „Legitimation“ des PKGr zu erhöhen, konnte jedenfalls in „quantitativer“ Sicht realisiert werden, was auch aus verfassungspolitischer Sicht nicht unterschätzt werden darf. Schon deshalb übernimmt Art. 45d GG eine verfassungsrechtlich relevante Rolle im Verhältnis des Bundestages zur Bundesregierung bzw. zu den Nachrichtendiensten, wenngleich es zu weit führte, die beschriebenen Wirkungen als das Verhältnis „neubestimmend“ zu qualifizieren. Eine derartige Wirkung könnten allenfalls die Bereiche für sich in An­ spruch nehmen, die durch Art. 45d GG auch tatsächlich in konstitutiver Weise tangiert werden: Ein an dieser Stelle anzusprechender Teilbereich betrifft die Ausweitung der Kontrollzuständigkeit des PKGr auf BKA und ZKA sowie alle anderen Polizeibehörden des Bundes, die damit vergleichbar sind. Allerdings griff der verfassungsändernde Gesetzgeber mit dieser Zuständigkeitserweiterung lediglich die durch die zunehmende „Vernachrichtendienstlichung der Poli­ zei“ zu beobachtende Tendenz vermehrt auftretender „Mischsachverhalte“ auf. Die Regelung ist daher nicht proaktiv, sondern reaktiv. Die damit einher gehende Relativierung des Trennungsgebotes ist dann wiederum „nur“ ein Rechtsreflex dieser Reaktion. Eine eigenständige rechtliche Bedeutung von Art. 45d GG ist daher insoweit zwar zu bejahen, eine Neubestimmung des Kontrollverhältnisses kann von dieser kontrollspezifischen „Nachvollzie­ hung“ der bereits existierenden Gesetzeslage jedoch nicht ausgehen. Der andere Teilbereich betrifft die durch Art. 45d Abs. 2 GG konstitutiv begründete Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, in Abweichung von



I. Zusammenfassung und Fazit229

Art. 21 Abs. 2 GG Abgeordneten, die einer nicht verbotenen, aber verfas­ sungsfeindlichen oder extremistischen Partei angehören, durch eine Zu­ gangsregelung die Wahl zum PKGr zu verwehren oder eine solche einzu­ schränken. Dieses Ansinnen des Gesetzgebers, das er schon seit der Imple­ mentierung der PKK verfolgte, konnte „verfassungsfest“ erst durch Art. 45d GG verwirklicht werden. Angesichts des zwingenden Erfordernisses, radika­ le Parteien von der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle fernzuhal­ ten und des Umstands, dass Verbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG häufig nicht als „Selbstläufer“ bezeichnet werden können, muss dieser verfassungs­ unmittelbare Dispens von der „Sperrwirkung“ sowohl aus verfassungsrecht­ licher als auch aus verfassungspolitischer Sicht als neubestimmendes Be­ kennntnis des Grundgesetzes zur „wehrhaften Demokratie“ im Kontrollver­ hältnis des Bundestages zu den Nachrichtendiensten gewertet werden. Ob die damit einhergehende Stärkung des Prinzips der „wehrhaften Demokratie“ zu begrüßen ist, hängt sicherlich vom rechtspolitischen Standpunkt ab.

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Sachregister Administrativkontrolle  57 Adressat der Kontrolle  68, 224 Amt für den militärischen Abschirm­ dienst  26 Aufsicht  57 Ausschuss  31, 36, 52, 53, 78–81, 94, 107, 112, 118, 121, 159, 160, 162, 164, 175, 201–203 Bundesamt für Verfassungsschutz  19, 20 Bundesnachrichtendienst  19, 25, 71, 148 Delegation  40, 43, 77–81, 83, 88, 89, 122, 203, 224 Demokratieprinzip  60, 63, 64 Diskontinuität  84–86, 90, 195 Enquête-Kommission für Fragen der Verfassungsreform  33 exekutivischer Verfassungsschutz  127 Formenwahlrecht  194, 197, 205 Fragerecht  108, 109, 122, 123 Fremdinformationsrecht  97, 108, 110, 116 Geheimhaltung  19, 34, 35, 47, 88, 94, 96, 161, 163, 169, 174–177, 179, 185, 188, 189, 192, 199, 221 Geheimnisunfähigkeit  188, 221, 222 Geschäftsordnungsautonomie  166, 194, 196–198, 205 Gewaltenteilung  38, 40, 46, 63–65, 69, 91, 98, 115, 120, 173

Hierarchisierung parlamentarischer Kontrollrechte  90 Hilfsorgan  42, 59, 87, 94, 122 Hirsch-Ausschuss  31 Interpellationen  74, 99, 108 Kernbereich exekutivischer Eigen­ verantwortung  92 Kompensationslage  111, 113 Kompensationsmittel  113 Kompetenz-Kompensation  110, 111, 114–116, 120, 224 Kontrolldefizit  52 Kontrollniveau  101 kooperative Kontrolle  101, 102 Legitimation  29, 30, 46, 51, 53, 58, 62, 65, 68, 77, 83, 86, 88, 91, 99, 153, 224, 228 Mandatsverlust  216, 222 Mehrheitsprinzip  170, 171, 184, 185, 187, 226 Minderheitenrechte  36, 48, 53, 207 Missbrauchskontrolle  164 Mitgliederzahl  84, 95, 163, 179, 180–184, 187, 219 mitwirkende Kontrolle  96, 98, 101, 104, 105, 119, 224 Nachrichtendienste  19, 20, 22, 24–26, 30, 31, 33, 35–37, 39–44, 46, 48, 50–52, 54, 56–58, 68, 69, 72, 75, 82, 97, 103, 105, 112, 125, 126, 129–136, 138–140, 142–150, 152, 154, 155, 158, 162, 163, 169, 177, 181–183, 191, 217–219, 224, 226

Sachregister249 nachrichtendienstliche Tätigkeit  125 nachrichtendienstlicher Verfassungs­ schutz  126 nachrichtendienstliches Mittel  133 Öffentlichkeitsprinzip  111–113, 175 Organstreitverfahren  200, 201, 205–207, 227 parlamentarische Kontrolle  30, 31, 38, 48–50, 52, 56, 58–60, 62–69, 79, 82, 85, 87, 91, 101, 105, 113, 116, 119, 121–124, 126, 138, 139, 142, 143, 162, 177, 178, 180, 183, 191, 202, 207, 208, 218, 228 Parlamentarische Kontrollkommission  39, 138, 165, 200 parlamentarische Nachrichtendienstkont­ rolle  30, 33, 36, 43, 46, 49, 90, 102, 229 parlamentarische Opposition  53, 177, 180 Parlamentarisches Vertrauensmänner­ gremium  29 Pflichtgremium  51, 126, 199, 202 rechtsmissbräuchliche Besetzung  187, 223

Repräsentation  61, 85, 164, 170 selbständige und plenarersetzende Aufgabenwahrnehmung  184 Selbstinformationsrechte  50, 88, 105, 110, 113, 115, 117, 118, 121, 165, 204, 207, 224 Sperrwirkung  213, 217, 227, 229 Spiegelbildlichkeit  36, 51, 80, 118, 160, 165, 170–172, 178, 184, 186–188, 191, 209, 226 Trennungsgebot  24, 140, 145–152, 155–158, 226 Vernachrichtendienstlichung der Polizei  154, 157, 158, 226, 228 Volksgesetzgebung  62, 63 Volkssouveränität  60, 62, 64, 65 Wahlrechtsgleichheit  167, 192 wehrhafte Demokratie  208–210, 212, 217 Wirksamkeitsprinzip  83 Zusammensetzung  37, 41, 51, 53, 61, 79, 84, 130, 160, 162, 171, 191, 194, 218–220, 222, 223, 227

Schon seit Jahrzehnten kontrolliert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung bei ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit. Doch erst im Jahre 2009 hat sich die damalige Große Koalition dazu entschlossen, die parlamentarische Kontrolle in diesem Bereich ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern. Artikel 45d GG sieht nunmehr die Einsetzung eines „Parlamentarischen Kontrollgremiums“ vor. Das Nähere, so heißt es weiter, solle ein Bundesgesetz regeln. Nicht zuletzt wegen des knappen Wortlauts war von Anfang an die rechtliche Bedeutung dieses Artikels umstritten. Die Untersuchung greift die unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen dazu auf, stellt die Rechtslage vor und nach Implementierung des neuen Grundgesetzartikels dar und beantwortet schließlich die Frage, ob und inwieweit Art. 45d GG eine neubestimmende Wirkung auf das Kontrollverhältnis von Bundestag und Bundes­ regierung im nachrichtendienstlichen Tätigkeitsbereich beigemessen werden kann. Nachrichtendienste; parlamentarische Kontrolle; Parlamentarisches Kontrollgre­ mium The German Federal Parliament (“Bundestag”) has now been monitoring the in­ telligence-related activities of the German Federal Government (“Bundesregierung”) for a number of decades. Nevertheless, it was not until the year 2009 that the Grand Coalition at the time decided to explicitly anchor parliamentary control in this area in the German Constitution. Article 45d of the German Cons­ titution (GG) now stipulates the appointment of a “Parliamentary Control Panel”. It also states that a federal law should regulate the full particulars of this arrange­ ment. The concise wording of this article in particular meant that its legal mean­ ing was controversial right from the start. This investigation explores the different legal evaluations, presents the legal situ­ ation before and after the implementation of the new article of the German Cons­ titution and ultimately answers the question as to whether and to what extent ar­ ticle 45d GG can be deemed to have successfully redefined the control relation­ ship between the Bundestag and Bundesregierung in the field of intelligence-re­ lated activity. Intelligence services; parliamentary control; parliamentary control panel