Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung [3. Aufl.] 978-3-7643-0287-0;978-3-0348-4014-9

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Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung [3. Aufl.]
 978-3-7643-0287-0;978-3-0348-4014-9

Table of contents :
Front Matter ....Pages 1-11
Einleitung. Wesen der Mathematik (A. Ostrowski)....Pages 13-17
Grundbegriffe (A. Ostrowski)....Pages 18-52
Grenzwerte (A. Ostrowski)....Pages 53-97
Stetige Funktionen einer Variablen und Bestimmte Integrale (A. Ostrowski)....Pages 98-144
Der Begriff der Ableitung und die Fundamentalsätze der Infinitesimalrechnung (A. Ostrowski)....Pages 145-164
Die Technik des Differenzierens (A. Ostrowski)....Pages 165-197
Die Technik des Integrierens (A. Ostrowski)....Pages 198-248
Erste Anwendungen der Differentialrechnung auf die Geometrie und die Funktionen-Diskussion (A. Ostrowski)....Pages 249-320
Back Matter ....Pages 321-330

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A. OSTROWSKI VORLESUNGEN ÜBER DIFFERENTIALUNDINTEGRALRECHNUNG BAND I

MATHEMATISCHE REIHE· BAND 4

LEHRBÜCHER UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER EXAKTEN WISSENSCHAFTEN

VORLESUNGEN ÜBER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG VON

A. OSTROWSKI PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT BASEL

Zum Gebrauch bei akademischen Vorträgen sowie zum Selbststudium

ERSTER BAND

Funktionen einer Variablen 'VERBESSERTER

NACHDRUCK DER ZWEITEN

1965

Springer Basel AG

AUFLAGE

ISBN 978-3-0348-40 I 5-6 ISBN 978-3-0348-40 I 4-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-4014-9 Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen und der Reproduktion auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm, vorbehalten. Springer Basel AG 1960, 1965

® Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1965. Softcover reprint of the bardeover 2nd edition 1965

1. Auflage 1945 Verbesserter Nachdruck der 1. Auflage 1952 2., neubearbeitete Auflage 1960 Verbesserter Nachdruck der 2. Auflage 1965

Von Ptolemaeus erzählt man, er habe einmal Euklid gefragt, ob nicht ein bequemerer Weg zur Geometrie führe, als der durch die Elemente. Dieser aber antwortete, zur Geometrie gäbe es Proklus keinen besonderen Königsweg.

AUS DEM VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE

Das vorliegende Werk ist eine Niederschrift der Vorlesungen über Infinitesimalrechnung, die der Verfasser regelmässig seit nunmehr siebzehn Jahren an der Universität Basel hält. Das Problem der Hauptvorlesung über Infinitesimalrechnung bietet eigentümliche Schwierigkeiten. Man hat eine Darstellung zu finden, die dem für die Anwendungen interessierten Hörer die Beherrschung des mathematischen Kalküls vermittelt, ohne ihn mit «unnötigen Subtilitäten)) zu plagen, dem Mathematiker eine ausreichende Begründung der vermittelten Erkenntnisse bietet und nicht zuletzt den Dozenten nicht in die Lage bringt, Behauptungen zu formulieren, die er vor seinem wissenschaftlichen Gewissen nicht verantworten kann. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, pflegt der Verfasser im ersten Semester einen in sich geschlossenen Lehrgang der Infinitesimalrechnung zu bringen, auf den theoretisch weniger interessierte Hörer sich beschränken können und dem der vorliegende erste Band der Vorlesungen entspricht. Die Beweise einiger bereits hier benutzten Sätze, die zu zeitraubend sind, wurden in den zweiten Band verwiesen, wo sie in einen allgemeineren Zusammenhang auch leichter zu erbringen sind. Ferner wurde, um den historischen und logischen Zusammenhang zu wahren und straffer zu gestalten, der Integralbegriff an die Spitze gestellt. Dies machte es aber notwendig, dem Buch zahlreiche Aufgaben beizugeben, da die bekannten Aufgabensammlungen für die hier benutzte Anordnung des Stoffes nicht geeignet sind und man es nicht immer leicht hat, passende und namentlich leichtere Aufgaben für mehr theoretische Teile des Lehrgangs zu finden. Fast alle Aufgaben wurden in den Übungen ausprobiert. Nach einigem Zögern habe ich mich auf Beispiele beschränkt und direkte Anwendungen der Analysis auf andere Disziplinen zumeist beiseite gelassen. Die Zeiten, wo diese Anwendungen sich nur auf Astronomie und Physik beschränkten, sind ja längst vorbei. Und Beispiele aus der Technik, Physik, Chemie, Biologie, Statistik usw. zu bringen, schien mir pädagogisch wenig Sinn zu haben, ohne sorgfältige Besprechung der benutzten Annahmen. Eine solche Besprechung würde aber den Rahmen der Darstellung sprengen. Ich habe auf leichte Verständlichkeit besonderen Wert gelegt und bin deshalb auch oft ausführlicher gewesen als sonst üblich ist. Deshalb «plaudere)> ich auch

6

Vorwort

immer wieder und versuche, dem Leser einen Blick Kulissen)> zu ermöglichen.

0. Transitivität: Aus a > b, b > c folgt a > c. Archimedische Eigenschaft: Aus a > 0, b > 0 folgt für ein gewisses n ·a > b. natürliches n: Trennungsaxiom. Es seien A und B zwei Mengen von Zahlen derart, dass für jede Zahl a aus A und jede Zahl b aus B die Relation a ~ b gilt. Dann gibt es wenigstens eine Zahl s, die die Mengen A und B , in dem Sinne, dass für jedes a aus A und jedes b aus B gilt: a ~ s ~ b .

19

20

§ 1, 8. Gleichheitsbeziehungen

mengestellt sind. Vorangestellt sind dabei drei Eigenschaften der Gleichheitsbeziehungen, obgleich sie nicht direkt als Eigenschaften von Zahlen angesehen werden können 1 ). \Vir besprechen nunmehr die Eigenschaften, die zu den einzelnen Gruppen dieser Tabelle gehören. 8. Gleichheitsbeziehungen Die drei Grundeigenschaften der Gleichheitsbeziehungen erscheinen auf den ersten Blick ganz trivial und zugleich überflüssig, weil mit dem Begriff der Gleichheit a 1 ist, zu li und da sie < a 2 ist, zu I gehören. Mit diesem Widerspruch ist der Dedekindsche Satz bewiesen. Eine solche Zerspaltung wie im Dedekindschen Stetigkeitssatz heisst ein Dedekindscher Schnitt. I heisst die Unterklasse, l i die Oberklasse dieses Schnitts. Von a sagt man, es «erzeuge» den Schnitt S = I + II.

Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen steigt! Und eh' man nur den halben Weg erreicht, Muss wohl ein armer Teufel sterben. Goethe, Faust

§ 3. Weitere Folgerungen aus den Grundeigenschaften 15. Das Rechnen mit Ungleichungen Aus der zweiten Aussage IV 1 folgt sofort, dass die Ungleichungen

a>b+c,

a-c>b

gleichbedeutend sind. Denn addiert man auf beiden Seiten der ersten Ungleichung - c, so erhält man die zweite, und addiert man c auf beiden Seiten der zweiten, so ergibt sich die erste. Man kann also in einer Ungleichung jedes Glied mit umgekehrtem Vorzeichen auf die andere Seite bringen. Man darf haben, gliedweise addieren. Denn aus folgt

a>b,

c>d

a-b > 0, c- d > 0, (a-b) + (c- d) = (a a+c>b+d.

+ c) -

(b

+ d) >

0,

Bei 0, 1 < 2 gilt 3 > 2. Analoge Tatsachen gelten auch, wenn in den Ungleichungen reine Ungleichheitszeichen ganz oder zum Teil durch gemischte Ungleichheitszeichen ersetzt werden. So folgt z. B. aus a > b, c ~ d : a + c > b + d, denn für c = d folgt dies aus IV 1. Ebenso folgt aus a ~ b, c ~ d : a + c ~ b + d. Eine (reine oder gemischte) Ungleichung bleibt richtig, wenn ihre beiden Seiten mit derselben positiven Zahl multipliziert werden; sie bleibt richtig mit

31

§ 3, 15. Das Rechnen mit Ungleichungen

umgekehrtem Ungleichheitssinn, wenn ihre beiden Seiten mit einer negativen Zahl multipliziert werden. Denn aus a > b,

a-b > 0 bzw. a ?;. b,

a-b ?;. 0

(15,1)

folgt durch Multiplikation mit einer positiven Zahl p p (a - b) > 0,

p a > p b bzw.

p (a - b)

?;.

0,

p a ?;. p b .

Ist dagegen n eine negative Zahl, so folgt aus (15,1): n (a-b) < 0,

n a < n b bzw. n (a-b) ;:;a 0, n a ;:;a n b.

Offenbar gelten ganz analoge Tatsachen für die Division durch positive bzw. negative Zahlen, da die Division durch c auf die Multiplikation mit 1fc hinausläuft und c und 1fc gleiche Vorzeichen haben. Dividiert man für positive a, b die Ungleichung a > b durch das Produkt a b, so folgt 1fa < 1fb. Umgekehrt folgt dann aus der letzten Ungleichung die erste. Für positive a, b sind die Ungleichungen a > b, 1fa < 1fb äquivalent. Andererseits ist das gliedweise Multiplizieren von zwei gleichnamigen Ungleichungen ohne weiteres dann erlaubt, wenn alle vier Komponenten dieser Ungleichungen positiv sind. Denn aus a > b > 0, c > d > 0 folgt durch Multiplikation der ersten Ungleichung mit c, der zweiten mit b: ac>bc, und daher

bc>bd

ac>bd. Dieses Resultat bleibt übrigens auch richtig, wenn b, oder d, oder b und d verschwinden. Ebenso folgt aus a > b > 0, c ?;. d > 0: a c > b d und aus a?;. b > 0, c?;.d>O:ac?;.bd. Setzen wir a = c, b = d, so folgt insbesondere aus a > b > 0: a2 > b2 •.. Offenbar folgt aber auch aus a > b = 0 gleichfalls a2 > b2 = 0. Wir sehen: Eine Ungleichung mit nicht negativen Komponenten darf man quadrieren. Es gilt nun allgemein für jedes natürliche n: Aus a > b?;. 0 folgt a" > b"

(a > b?;. 0) •

(15,2)

In der Tat ist dies für n = 1 trivial und f4r n = 2 soeben bewiesen. Nehmen wir an, dass (15,2) für ein natürliches n richtig ist, und multiplizieren wir diese Ungleichung gliedweise mit a > b, so ergibt sich a"+l > b"+l, d. h. (15,2) für das nächstfolgende n. Daher gilt (15,2) allgemein, sobald a > b ?;. 0 ist. Man sieht sofort, dass auch umgekehrt gilt: Ist a > b?;. 0, so ist auch

82

§ 3, 16. Systeme von linearen Ungleichungen mit zwei Unbekannten

(Man beachte, dass das Wurzelzeichen in der reellen Analysis für gerade Wurzelexponenten den nichtnegativen Wert bedeutet.) Denn wäre ~ V'b", so würde daraus durch Erheben in die n-te Potenz folgen, dass a ~ b ist. An Hand der oben hergeleiteten Tatsachen kann man lineare Ungleichungen mit einer Unbekannten auf ganz analogem Wege lösen wie lineare Gleichungen mit einer Unbekannten. Es gilt die Regel:

v;;

Um eine lineare Ungleichung mit einer Unbekannten zu lösen, bringe man alle von der Unbekannten freien Glieder auf die eine Seite und alle die Unbekannte enthaltenden Glieder auf die andere Seite. Ist dann der Gesamtkoeffizient bei der Unbekannten nicht 0, so dividiere man beide Seiten der Ungleichung durch diesen Gesamtkoeffizienten; dabei ist der Sinn der Ungleichung umzukehren, wenn der Wert dieses Koeffizienten negativ ist.

Um z. B. die Ungleichung 15-7 X> 5 X+ 7

aufzulösen, bringe man 5 x nach links und 15 nach rechts. Es folgt: - 12 X>- 8,

X< 2/3.

16. Systeme von linearen Ungleichungen mit zwei Unbekannten Anders als im Falle einer Unbekannten ist es um Systeme von linearen Ungleichungen mit mehreren Unbekannten bestellt. Hier ist die Übertragung der in der Theorie der linearen Gleichungssysteme gebräuchlichen Eliminationsmethoden sehr umständlich und verlangt meist zahlreiche Fallunterscheidungen1}. Im Falle von zwei Unbekannten führt eine graphische Methode immer und sehr schnell zum Ziel, die wir am Beispiel des Systems

x+y 1 + (n

+ 1) a +

n a2 •

Wegen a2 > 0, n a 2 > 0 ist aber hier die rechte Seite > 1 + (n erhalten wir schliesslich

(1

+

a)"+l > 1 + (n

+ 1) a.

Daher

+ 1) a,

wie behauptet. Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion ist also nunmehr (17,1) für alle n > 1 bewiesen. Wir wollen den obigen Beweis noch etwas analy~ieren und zwar daraufhin, ob unsere Voraussetzungen in ihm vollständig ausgenützt wurden. - Eine derartige Analyse eines Beweises empfiehlt sich immer, wenn man sich den Beweis einprägen und zugleich 0 ist. Nun gilt die erste Tatsache für alle a =1= 0, die zweite für a > - 1. Daher ergibt sich, dass (17 ,1) nicht nur für positive a richtig ist, sondern auch für alle a mit - 1 < a < 0. Die beiden Gültigkeitsintervalle stossen aneinander im Punkte a = 0. In diesem Punkte gilt aber unsere Ungleichung nicht, denn dort gilt ja das Gleichheitszeichen. Wie man sieht, bekommt man eine viel übersichtlichere Fassung, wenn man die Ungleichung mit G; schreibt; denn dann lautet unser Resultat:

Für alle natürlichen n und für alle a G; - 1 gilt

I (1 + a)" G; 1 + n a

(n = 1, 2, ... ; a G; - 1) .

(17,2)

Zugleich zeigt unsere Analyse ohne weiteres, dass in (17,2) das Gleichheitszeichen gilt nur 1. für beliebigen und a = 0, 2. für beliebige a und n = 1 . Was wir an diesem einfachen Beispiel gesehen haben, gilt in den meisten Fällen: Beim Beweis einer Ungleichung empfiehlt es sich, sie in 0 ,

a1 a2

< s a2 •

Multiplizieren wir (18,7) mit dem positiven Faktor a3

(18, 7) • • •

a,., so folgt (18,8)

Andererseits gilt nach der Definition von a 2 : a2

+ a3 + · · · + a,. =

a1

+ a2 -

s

+ a3 + · · · + a,. =

n s- s

=

(n- 1) s .

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§ 3, 19. Absoluter Betrag

Da danach das arithmetische Mittel von a 2 , a 3 , ••• , a,. gleich s ist und daher nach unserem Satz, auf diese n- 1 Grössen angewandt, a 2 a 3 • • • a,. ~ s"- 1 gilt, folgt nach (18,S) g" < s", d.h. (18,6). Damit ist unser Satz bewiesen. Die Betrachtungen über die Schwerpunkte von endlichen Massenpunktsystemen legen eine gewisse Verallgemeinerung des arithmetischen und geometrischen Mittels nahe. Man ordne jeder der Zahlen a. (v = 1, ... , n) eine positive Zahl P. (v = 1, ... , n) als ihr «Gewichh zu und setze sodann

s = P1a1+···+Pnan

P1+···+Pn'

g=

Pt+ • • • + Pn,-,-----,--

Vaf• · · · a!" .

(18,9)

••• , Pn entsprechende arithmetische Mittel, wahrend g das entsprechende geometrische Mittel ist. Dann lässt sich der obige Satz dahin verallgemeinern, dass, wenn keine der Zahlen a. negativ ist, (18,3) auch für die so verallgemeinerten Mittels und g gilt, wobei das Gleichheitszeichen dann und nur dann gilt, wenn alle a. einander gleich sind. Dies ist die allgemeine Ungleichung zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel.

s ist hier das der «Gewichtsbelegungl> durch p1 ,

Da indessen die Potenzen und Wurzeln mit irrationalen Wurzelexponenten erst später behandelt werden (vgl. Nr. 75), wollen wir hier unsere Behauptung nur für den Fall beweisen, dass alle Gewichte P. rationale Zahlen sind. Bringt man diese Gewichte auf den Generalnenner, so kann man allgemein setzen

P. =

";;

(v = 1, ... , n),

m 1 + m 2 + · · · + m,. = M,

wo N und die m, durchwegs positive, ganze Zahlen sind. Setzt man diese Werte in (18,9) ein, so folgt sofort g

=

V'a;"' · · · a:;'" .

Hier sind aber offenbar s und g arithmetisches bzw. geometrisches Mittel von M Zahlen, von denen m1 den Wert a 1 , ••• , m" den Wert a" haben. Dann folgt aber unsere Behauptung sofort aus (18,4). Der Beweis im Falle beliebiger positiver P. wird in der Nr. 76 erbracht. 19. Absoluter Betrag Hat man mit Ungleichungen zu rechnen, in denen verschiedene Buchstabenausdrücke vorkommen, so ist man gelegentlich gezwungen, sehr viele Fälle zu unterscheiden, je nach den Vorzeichen der in Frage kommenden Ausdrücke. Solche Fallunterscheidungen lassen sich oft vermeiden mit Hilfe des jetzt zu besprechenden Begriffs des absoluten Betrages einer reellen Zahl.

88

§ 3, 19. Absoluter Betrag

Unter dem absoluten Betrage von a verstehen wir, falls a ~ 0 ist, die Zahl a selbst und falls a < 0 ist, die positive Zahl- a. Der absolute Betrag von a wird mit I a I (lies: a absolut) bezeichnet!). Man kann also schreiben:

I a I = a sgn a = { _

a, a

~

0,

::;: a, a = 0 .

(19,1)

Aus dieser Definition folgt offenbar, dass I a I = 0 nur für a = 0 gilt. Sonst ist stets I a I> 0. Ferner gilt (19,2) Iai =I-al. Denn für a = 0 sind beide Seiten von (19,2) gleich 0, für a > 0 sind beide gleich a und für a < 0 beide gleich - a. Werden reelle Zahlen auf der Zahlengeraden dargestellt, so ist der absolute Betrag offenbar gleich der Distanz des zugehörigen Punktes vom Ursprung. Allgemeiner ist I a-b I die Distanz der Punkte voneinander, die a und b entsprechen. Man sieht dies sofort, wenn man den b entsprechenden Punkt als neuen Anfangspunkt wählt. Es gilt allgemein (19,8} labl=lal·lbl. Denn da I a I = ± a, I b I = ± b ist, ist I a I · I b I = ± a b, wobei in ± a b dasjenige Vorzeichen zu nehmen ist, für das± ab~ 0 ist. Dann ist aber± ab gleich I a b I· Ist fernerb =!= 0, so folgt aus a = b · (afb) nach (19,8} : I a I = I b I · Iajb I und (b =!= 0} .

Wir beweisen nun den Hiljssatz: Ist A

~

-A~a~A.

(19,4)

0 und (19,5}

so gilt

(19,6) Für a = 0 ist die Behauptung klar. Für a > 0 ist I a I = a und die Behauptung folgt aus der zweiten in (19,5) enthaltenen Ungleichung. Ist aber a negativ, so folgt aus (19,5} durch Multiplikation mit- 1 A~-a=lal.

Geometrisch ist unser Hilfssatz sofort einleuchtend. Denn liegt der Punkt a zwischen den Punkten - A und A, deren Distanzen vom Ursprung gleich 1 ) Dieses Zeichen für den absoluten Betrag, ebenso wie die obige Benennung, ist von Karl Weierstrass (1815-1897) 1859 eingeführt worden.

39

§ 3, 19. Absoluter Betrag

A sind, so ist die Distanz I a I von a nach dem Nullpunkt höchstens gleich A . Daraus folgt aber (19,6) in allen Fällen. Nun folgt offenbar aus (19,1) für zwei beliebige Zahlena, b: -I al;:;; a;:;; Iai, -I b I;:;; b;:;; I b I und daher durch gliedweise Addition -(lal+lbl);:;;a+b;:;i lal+lbl. Ersetzt man nun in (19,5) und (19,6) A durch I a I + I b I und a durch a + b, so folgt la+bl;:;;lal+lbl. Ersetzt man hier b durch - b, so ändert sich wegen I - b I = I b I die rechte Seite nicht. Daher gilt allgemein: (19, 7)

Jla±bl;:;;lal+lbi.J

Durch wiederholte Anwendung dieser Relation oder, was dasselbe ist, durch Anwendung der vollständigen Induktion folgt für beliebig viele Summanden

I I al + · · · +

a" I ;:;; I at I + · · · + I a" I •

I

(19,8)

der absolute Betrag einer Summe ist höchstens gleich der Summe der absoluten Beträge der Summanden. Man kann ebenso eine recht nützliche untere Schranke für I a + b I auf-

stellen. Denn wegen a = (a + b) + (- b) folgt Iai;:;; la+bl+lbl,

la+bl~ lal-lbl

und ebenso, a durch b und b durch a ersetzt, 1 a + b I ~ I b I - ! a I· In beiden Ungleichungen kann man b auch durch - b ersetzen, ohne dass I b I sich verändert. Daher erhalten wir schliesslich die Ungleichungen:

I a 1-1 b-l,

la±bl~ { lbl-lal.

(19,9)

Ganz ähnlich beweist man: (19,10)

indem man (19,8) auf die Zerlegung anwendet: a1

=

(a1 + a 2 + · · · + a11) + (- a 2) + · · · + (- a11)



40

§ 4, 20. Der Wertevorrat einer Variablen

Wir werden gelegentlich, um die Ungleichungen

lalu

zum Ausdruck zu bringen, auch sagen, a sei «absolut kleinen bzw. «absolut grösser» als u. Eine Relation, wie I a I ~ u lässt sich gelegentlich bequemer so zum Ausdruck bringen, dass man schreibt

a=@u,

181 ~

1.

Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Goethe

§ 4. Der Funktionsbegriff 20. Der Wertevorrat einer Variablen Nachdem wir uns nun das Rohmaterial, mit dem die Analysis arbeitet, die Zahlen, angesehen haben, wenden wir uns dem eigentlichen Gegenstand der Analysis zu, den verschiedenen Operationen, mit deren Hilfe man aus gegebenen Zahlen neue Zahlen herleitet. Um in die zunächst absolut unübersehbare Fülle der Möglichkeiten, die sich hier darbieten, eine gewisse Ordnung hineinzubringen, wollen wir bei einer derartigen Operation zuerst unser Augenmerk auf eine der dabei benutzten gegebenen Zahlen richten und uns fragen, wie sich die betreffende Operation verhält, wenn diese eine Zahl im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten variiert wird, während die anderen bei dieser Operation benutzten gegebenen Zahlen festgehalten werden. Betrachten wir z. B. die Multiplikation von zwei Zahlen a, b, so wollen wir dabei den Faktor a festhalten und den Faktor b variieren. Werden die verschiedenen Werte, die dabei fürbeingesetzt werden, mit x bezeichnet, so wird unser Produkt durch den Ausdruck ax geliefert, dessen Eigenschaften wir nunmehr zu studieren hätten. Die Grösse, die bei einer solchen Diskussion variiert, wird als eine Variable (oder Veränderliche), genauer in diesem Zusammenhang als eine unabhängige Variable (oder eine unabhängige Veränderliche) bezeichnet. Die Zahlen aber, die gleichfalls in die betreffende Operation eingehen, deren Werte aber festgehalten werden, werden Parameter genannt. Das Resultat der Operation nimmt dann im allgemeinen auch verschiedene Werte an und wird daher gleichfalls als eine Variable, in diesem Zusammenhang als eine abhängige Variable bezeichnet. So ist z. B., bei der oben angetönten Betrachtung des Produktes zweier Zahlen, a ein Parameter, während x die unabhängige, ax die abhängige Variable ist.

§ 4, 20. Der Wertevorrat einer Variablen

41

Die Gesamtheit der Werte, die eine Variable bei einer derartigen Operation annehmen kann, kann sich sehr verschieden zusammensetzen. Diese Gesamtheit bezeichnet man als den Wertevorrat der Variablen bei der betreffenden Operation. Wir geben einige Beispiele solcher Variablen und ihrer Wertevorräte: 1. Die Tageszeit nach Mitternacht in Sekunden. Wird der Zeitpunkt der Mitternacht zu den nachfolgenden 24 Stunden gezählt, so kann die Zahl, die die Tageszeit in Sekunden angibt, sich im Intervall zwischen 0 und 86 400 bewegen, wobei der Anfangspunkt 0 dieses Intervalls zUm Wertevorrat unserer Variablen gehört, dagegen nicht mehr der Endpunkt 86400, da ja dieser Sekundenzahl wieder die Mitternacht entspricht, die wir dann bereits zu den nächsten 24 Stunden zählen. 2. Eine beliebige rationale Zahl, wenn z.B. unsere Operation darin besteht, dass wir eine rationale Zahl in der reduzierten Bruchform mit positivem Nenner schreiben und die Summe des Zählers und Nenners bilden. Diese Operation liefert beispielsweise für die Zahl - 0,6 = - S/5 das Resultat 2. S. Die Gesamtheit aller natürlichen Zahlen, wenn die betreffende Variable etwa eine Anzahl von Menschen ausdrückt, wobei es allerdings in den meisten Fällen zweckmässig sein wird, der Variablen auch noch den Wert 0 beizulegen, während sie andererseits praktisch durchaus nicht beliebig grosse Werte annehmen kann, sondern, wenigstens bei einer aktuellen Betrachtung, den Wert 4 · 109 nicht überschreitet. Am häufigsten werden als Wertevorräte verschiedenartige Intervalle vorkommen. Wir unterscheiden vier Arten von endlichen Intervallen mit dem Anfangspunkt a und dem Endpunkt b: 1. das offene Intervall, d.h. die Gesamtheit aller x mit a < x < b; es wird mit dem Symbol (a, b) bezeichnet; 2. Das abgeschlossene Intervall, d. h. die Gesamtheit aller x mit a ~ x ~ b; es wird mit dem Symbol ( a, b ) bezeichnet; Ferner die beiden halboffenen Intervalle, die jeweils nur einen der beiden Endpunkte enthalten: S. das rechtsoffene Intervall: a ~ x < b: ( a, b); 4. das linksoffene Intervall: a < x ~ b: (a, b). Bei diesen Intervallen ist jedesmal a der Anjangspunkt, b der Endpunkt. Gelegentlich nennt man die beiden Punkte a und b Endpunkte des Intervalls. Ist dann eine Verwechslung zu befürchten, so wird b als der eigentliche Endpunkt bezeichnet. Ferner wird gelegentlich das abgeschlossene Intervall zwischen a und b mit dem Symbol ( a, b ) auch dann bezeichnet, wenn a ~ b ist. In diesem Falle ist unter diesem Symbol das Intervall ( b, a) zu verstehen. Diese Erweiterung der obigen Bezeichnung ist dehalb sehr nützlich, weil dabei die Notwendigkeit entfällt, Fallunterscheidungen bei der Bezeichnung zu machen. Dasselbe gilt für die anderen Intervalltypen.

42

§ 4, 21. Der allgemeine Funktionsbegriff

Neben diesen endlichen Intervallen kommen auch unendliche Intervalle vor, die wir mit den zugehörigen Bezeichnungen aufzählen: die gesamte Zahlengerade: (- oo, oo); das rechtsseitig unendliche Intervall mit dem Anfangspunkt a: ( a, co) oder (a, co), je nachdem ob a zum Intervall hinzugezählt wird oder nicht; das linksseitig unendliche Intervall mit dem Endpunkt b: (- co, b) oder (-co,b), wo, wie im ersten Fall, entweder b zum Intervall gezählt wird oder nicht. Ein Punkt eines Intervalls], der mit keinem seiner Endpunkte zusammenfällt, heisst ein innerer Punkt von]. Die Gesamtheit aller inneren Punkte von J nennen wir das Innere von]. Es ist dies das zu J gehörige offene Intervall. Z. B. enthält ein abgeschlossenes Intervall nur zwei Punkte, die keine inneren Punkte sind, nämlich seine Endpunkte. Das zu einem endlichen Intervall] gehörende abgeschlossene Intervall, das also aus J durch Hinzunahme seiner Endpunkte entsteht, bezeichnen wir gelegentlich mit (J). Das zu einem beliebigen Intervall J gehörende offene Intervall, d.h. die Gesamtheit aller inneren Punte von], werden wir analog gelegentlich mit (]) bezeichnen. Durchläuft eine Variable ein derartiges endliches oder unendliches Intervall, so spricht man gewöhnlich von einer stetigen Variablen. In einigen Fragen wird ein Intervall > einen inneren Punkt x 0 betrachtet, wobei es auf die Ausdehnung dieses Intervalls nicht wesentlich ankommt. Ein solches- offenes oder abgeschlossenes- Intervall nennt man eine Umgebung von x 0 • Ferner wird ein an x 0 von rechts anstassendes- abgeschlossenes oder rechts offenes - Intervall als eine rechtsseitige Umgebung von x 0 bezeichnet, wenn es auf seine Ausdehnung nicht ankommt; und ganz analog werden auch linksseitige Umgehungen von x 0 definiert. Dies sind einseitige Umgehungen. Gelegentlich muss man aus einer Umgebung von x 0 gerade den Punkt x 0 selbst entfernen. Dann spricht man von einer punktierten Umgebung von x 0 • Auch die einseitigen Umgehungen müssen gelegentlich punktiert werden, d. h. es•muss aus ihnen gelegentlich der zugehörige Endpunkt entfernt werden. 21. Der allgemeine Funktionsbegriff Man bezeichnet die abhängige Variable bei einer Operation auch als eine Funktion der unabhängigen Variablen, die ihrerseits dann als das Argument der Funktion bezeichnet wird. Bei diesen Definitionen erhebt sich zunächst die Frage, in welchem Umfange man die verschiedenartigsten in Betracht kommenden Operationen zur Definition einer Funktion heranziehen kann. In dieser Beziehung hat man sich in der ersten Zeit nach der Entdeckung der Prinzipien der Infinitesimalrechnung auf Operationen zu beschränken gesucht, die eine bestimmte > Regelmässigkeit aufweisen und durch einen > gegeben sind. Doch stellte sich bald heraus, dass gerade bei der Anwendung der Mathematik auf physikalische Fragen derartige Einschränkungen unzweckmässig sind. Man versuchte sodann, den Begriff der Operation und damit den Begriff der 1 und daher A

=

55

1 + h, h > 0, so dass wir schliesslich bekommen: (h

> 0,

'JI

=

1, 2, ... ) .

Nun ist nach dem Satz der Nummer 17 und daher Ist daher

'JI

1

> Ti , so folgt

und wir sehen, dass in diesem Fall N(e)

=

h1s gesetzt werden kann.

25. Einige Eigenschaften von Nullfolgen 'JI

=

Ist die Folge a., 'JI = 1, 2, ... , eine NF, so ist auch die Folge 1, 2, ... , eine NF. In der Tat folgt aus I a,l < e auch

I a,l ,

II a,ll = I a. I < e · Eine unendliche Teilfolge einer NF ist wieder eine NF. Denn ist a",, a"•' ... an", ... J

eine unendliche Teilfolge der NF a,, 'JI = 1, 2, ... , so liegen für ein beliebiges positives e nur endlich viele der Zahlen I a.l oberhalb e, also erst recht nur endlich viele der Zahlen I a,., I, I a,.. I, .... Ist a., 'JI = 1, 2, ... , eine NF, und ändert man endlich viele unter den Zahlen a, in beliebiger Weise ab, so ist auch die abgeänderte Zahlenfolge eine NF. Denn es sei die abgeänderte Folge mit b,, 'JI = 1, 2, ... , bezeichnet, und es möge unsere Abänderung etwa M Zahlen unter den a. betreffen. Für ein beliebiges e > 0 liegen endlich viele, sagen wir k der I a,l oberhalb e. Dann liegen aber höchstens M + k Zahlen der I b,l oberhalb e, also wieder nur endlich viele. Ist andererseits a. keine Nullfolge, so kann auch die aus ihr durch Abänderung endlich vieler a. entstehende Folge b, keine NF sein, da ja auch die erste Folge aus der zweiten gleichfalls durch eine «endliche)> Abänderung entsteht. Wie man sieht, hängt die Eigenschaft einer Zahlenfolge, eine NF zu sein, gewissermassen nur vom «Resh, vom «Schwanz)> dieser Folge ab. Eigenschaften einer Zahlenfolge, die erhalten bleiben, wenn man eine beliebige end-

56

§ 5, 25. Einige Eigenschaften von Nullfolgen

liehe Anzahl von Elementen der Folge in beliebiger Weise abändert, bezeichnet man als infinitäre Ei~enschaften dieser Zahlenfolge. Die Eigenschaft einer Zahlenfolge, eine NF zu sein, ist also eine infinitäre Eigenschaft. Ein anderes Beispiel einer infinitären Eigenschaft bieten die beschränkten Fol~en. Eine Folge a,, v = 1, 2, ... , heisst beschränkt, wenn es eine Konstante C gibt, so dass für alle v

I a,l < C (v = 1, 2, ... ) gilt. Ändert man in einer solchen Zahlenfolge endlich viele, etwa k Zahlen a. in beliebiger Weise ab, und werden dabei die Zahlen an,• . .. , an,. durch die Zahlen bn,• ... , bnk ersetzt, so sei B die grösste unter den Zahlen Ibn, I , ... , I bnk J. Dann liegen die absoluten Beträge der Zahlen der abgeänderten Folge sicherlich unterhalb C + B, so dass auch die abgeänderte Zahlenfolge beschränkt ist. Die Beschränktheit einer Zahlenfolge ist also eine infinitäre Eigenschaft. ] ede Nullfolge ist beschränkt. Denn von einem v an sind alle I a,l < 1. Ersetzt man alle a, mit kleineren Indizes durch 0, so ist die so entstehende Folge offenbar beschränkt, und dasselbe muss dann auch für die ursprüngliche Folge a,, v = 1, 2, ... , gelten. Sind die beiden Zahlenfolgen a,, b,, v = 1, 2, ... , Nullfolgen, so sind auch die Zahlenfolgen a. + b, und a.- b. Nullfolgen. Denn es sei e > 0 eine beliebige Zahl. Von einem v an gelten sicher die beiden Relationen I a. I
N(e), so folgt

dass

I av- al' I = I (av- s) -

(al'- s)

I ~ I av- s I + I al'- s I
n: I av- a,. I ~ 1,

I a. I ~ I a,. I + 1 gilt. Also wird die Zahl I a,. I + 1 von weniger als n unter den a. übertroffen, während die Zahl - I a,. I - 2 von unendlich vielen a, übertroffen wird. Wir benutzen nun den Dedekindschen Stetigkeitssatz und bilden einen Schnitt, in dessen Unterklasse I alle Zahlen geworfen werden, die von unendlich vielen av übertroffen werden, während zur Oberklasse II diejenigen Zahlen gezählt werden, die höchstens von endlich vielen av übertroffen werden. Dann ist jede Zahl aus I kleiner als jede Zahl aus II, so dass wir einen Dedekindschen Schnitt haben, der durch die Zahl s erzeugt werden möge. Es sei nun e > 0 beliebig und n 0 so gewählt, dass (27,4) gilt. Beschreiben wir um s ein Intervall I x- s I ~ e/2, so gehört sein rechter Endpunkt s + ef2 zu II und wird höchstens von endlich vielen a. übertroffen. Sein linker Endpunkt s- ef2 wird von den a. für unendlich viele verschiedene Indizes übertroffen, so dass demnach in dieses Intervall die av mit beliebig grossen Indizes hineinfallen. Es gibt daher in diesem Intervall wenigstens ein av mit n > n 0 , so dass I a,.- s I~ ef2 gilt. Setzen wir dann in (27,4) v = n, so folgt, dass für jedes I' G; n 0 : I al'- a,. I ~ ej2' gilt. Dann gilt aber

I al'- s I = (al'- a,.) + (an- s) I ~ I al'- a,. I + I a,.- s I ~

und da dies für jedes /t bewiesen ist.

G;

++ +

= e,

n 0 gilt, konvergiert die Folge av gegen s, womit unser Satz

28. Uneigentliche Konvergenz Der Terminus und die formelmässige Bezeichnung der Konvergenz werden noch in einem anderen Zusammenhang gebraucht, im Falle der sogenannten uneigentlichen Konvergenz. Man sagt, eine Zahlenfolge konvergiere, gehe, strebe gegen oo (unendlich) oder ins Unendliche, bzw. habe den Limes, Grenzwert oo, in Zeichen a.--+

oo

oder Lim a. =

..... "'

oo 2 ) ,

1 ) Wie man sieht, ist der mit dieser Formulierung erzielte Fortschritt immerhin damit erkauft, dass man mit der Differenz a.- al' gewissermasseneine Funktionzweier Variablen v, I' zu betrachten hat. 1 ) Das Symbol ro für Unendlich verdankt man ]ohn Wallis (1616-1703), der es zuerst 1655 benutzt hat.

62

§ 6, 28. Uneigentliche Konvergenz

wenn die Werte a. von einem v an jede Schranke überschritten, wenn, m. a. W., zu jedem nochsogrossen C1) eine solche von C abhängige Schranke N(C) gefunden werden kann, dass a. > C ist für alle v > N(C). Man beachte, dass die uneigentliche Konvergenz keine Konvergenz im früheren Sinne ist. Eine Folge a., die gegen oo konvergiert, ist eine divergente Folge. Man sagt daher auch oft in diesem Falle, und dies ist eine viel zweckmässigere Bezeichnung, die Folge a. divergiere gegen oo, Doch hat sich diese Bezeichnung noch nicht allgemein eingebürgert. In analoger Weise wird die Konvergenz von a. gegen - oo definiert: Lässt sich zu jedem nochsogrossen C ein solches N(C) finden, dass

a.< -C giltfür alle v > N(C), so sagen wir, a. konvergiere, strebe, gehe oder, noch besser, divergiere gegen - oo. Divergiert eine Folge a., ohne gegen oo oder- oo zu konvergieren, so heisst sie unbestimmt divergent. So ist z.B. die Folge [(-1)' vf(1 + v)] (v = 1, 2, ... ) unbestimmt divergent. In den Fällen a. -+ oo, a. -+ - oo spricht man oft auch von der bestimmten Divergenz. Der Begriff der uneigentlichen Konvergenz ist in vielen Fällen sehr nützlich zum Beweis der Nullfolgeeigenschaft, vermöge des folgenden Satzes: Gilt für eine Zahlenfolge I a.l -+ oo, so ist die Folge 1 Ja. eine NF und umgekehrt. Denn es sei e beliebig positiv. Gilt von einem v an I a.l > 1/e, so folgt Ja.l < e, und umgekehrt folgt aus der zweiten Relation die erste. Ist z. B. a. = (- 1)" v, v = 1, 2, ... , so ist die Folge 1/a. = (- 1)" fv eine NF, und die Folge I a.l = v strebt gegen oo. Die Folge a. selbst konvergiert weder gegen oo noch gegen - oo, d. h. sie ist unbestimmt divergent. Man beachte, dass aus a.-+ - oo offenbar I a.l -+ oo folgt. Denn es gilt dann bis auf endlich viele v: I a.l = - a., und aus a. < - C folgt I a.l > C. So folgt die früher bewiesene Tatsache, dass für I q I < 1 die Folge q• eine NF ist, sofort aus dem folgenden Satz: Für A > 1 konvergiert die Folge A •, v = 1, 2, ... , gegen oo. Dieser Satz ergibt sich nach der Ungleichung der Nr. 17, wenn man A = 1 + h setzt, wegen

11

A•>1+vh>vh.

Denn für jedes C > 0 gilt v h > C, sobald v > C fh ist. -Im Grunde genommen benutzt unser früherer Beweis der Nullfolgeeigenschaft der Folge q• implizite gerade diese Überlegung. 1)

Hier spielt also C eine ganz analoge Rolle, wie • bei der eigentlichen Konvergenz.

63

§ 6, 29. Rechnen mit Grenzwerten

Insbesondere folgt aus dem soeben bewiesenen Satze, dass die Zahlenfolge 10" gegen oo konvergiert. Es ist dies eine Tatsache, auf der die Darstellung aller natürlichen Zahlen durch das Dezimalsystem beruht1). Es sei noch bemerkt, dass die Sätze, die wir im folgenden beweisen werden, sich nicht auf die eben erklärte uneigentliche Konvergenz beziehen, sofern nicht ausdrücklich das Gegenteil gesagt wird. 29. Rechnen mit Grenzwerten

Aus

a.-+a,

b.-+ß (v

=

1, 2, ... )

(29,1)

folgt

a.+b.-+a+ß, a.-b.-+a-ß,

a,b.-+aß

(v=1, 2, ... ).

{29,2)

Denn wegen (29,1) gilt

a, = a + e.,

b. =

ß + ö, (v =

1, 2, ... ) ,

(29,3)

wo e., ö. Nullfolgen sind. Daraus folgt

a.

+ b, = a + ß + (e. + ö.) , a.- b, = a - ß + (e. - ö.) , a. b, =aß + (a ö, + ß e. + e, ö.) .

{29,4)

Nach Nr. 25 sind aber e. + ö., e.- ö., a ö,, ß e., e. ö, und daher auch a ö, + + ß e. + e, ö, Nullfolgen. Daher folgen nunmehr die Behauptungen (29,2) sofort aus den Formeln (29,4). Ersetzt man alle b. und ß in (29,1) durch eine Konstante c, so folgt wegen (29,2) aus a,-+a:

a,

+ c -+ a + c , a.- c -+ a- c , c a.-+ c a .

Man wird nun gewissermassen 1 - 1 fv für v = 1, 2, ... gilt, sind die Grenzwerte rechts und links dennoch einander gleich1 ). Aus dem obigen Resultat folgt z. B.:

Gilt a, ~ a

und

a,

~

A

oder

a,

~

A ,

so ist auch a ~

A

bzw.

a ~

A .

Die erste Behauptung ergibt sich sofort, wenn man in (29,8) alle b, durch A ersetzt. Um die zweite Behauptung zu beweisen, ersetze man in (29,8) alle

a, durch A und jedes b. durch a,. - Daraus folgt leicht: Gilt a, ~ a und ist a =\= 0, so haben auch alle a, von einem v an dasselbe Vorzeichen wie a. Denn ist a > 0, und enthielte die Folge a, eine unendliche Teilfolge an,. von nicht positiven Zahlen, so könnte der Gren,zwert a dieser Teilfolge nach dem obigen nicht positiv sein. Daher enthält die Folge a, höchstens endlich viele nicht positive Zahlen. Ist aber a < 0, so gilt ja, wenn man mit der Konstanten -1 multipliziert, - a, ~- a, wo - a > 0 ist; daher können nach dem bereits bewiesenen nur endlich viele der Zahlen - a. ~ 0 sein, so dass alle a, bis auf endlich viele < 0 sind. Endlich beweisen wir, dass aus a, ~ a auch I a, I ~ I a I folgt. Denn ist a = 0, so dass a. eine NF ist, so ist (vgl. Nr. 25) auch I a.l eine NF, und in diesem Falle stimmt unsere Behauptung. Ist aber a =\= 0, so darf man nach geeigneter Abänderung endlich vieler a, annehmen, dass alle a. dasselbe Vorzeichen haben. Ist nun a > 0, so gilt also I a, I = a, und I a I = a, und wir haben nichts zu beweisen. Ist aber a < 0, so gilt dann I a.l = - a,, I a I = - a; die zu beweisende Relation reduziert sich auf - a, ~- a und folgt aus a, ~ a durch Multiplikation mit - 1.

§ 7. Spezielle Sätze über Konvergenz von Zahlenfolgen 30. Konvergenz monotoner Zahlenfolgen Eine Zahlenfolge a,, v = 1, 2, ... , heisst monoton (oder beständig) wachsend (oder steigend), wenn die Relationen bestehen: (30,1) Es fällt hier auf, dass die damit eingeführte Terminologie in einem gewissen Wkierspruch zu dem gewöhnlichen Gebrauch der Wörter und l) Deshalb ist die Aufgabe, durch einen Grenzübergang eine reine Ungleichheit herzuleiten, in den meisten Fällen relativ schwierig und verlangt Benutzung spezieller Kunstgriffe.

67

§ 7, 30. Konvergenz monotoner Zahlenfolgen

«steigend)> steht, da ja bei unserer Definition das Gleicheitszeichen überall zugelassen ist. Man hat es aber in der Regel vor allem mit Folgen zu tun, bei denen in (30,1) auch das Gleichheitszeichen zugelassen wird. Gelten dagegen durchweg die reinen Ungleichungen:

so werden wir, um dies hervorzuheben, die Folge a. als im eigentlichen Sinne oder eigentlich monoton wachsend bezeichnen. Ebenso heisst eine Zahlenfolge a., v = 1, 2, ... , monoton (oder beständig) abnehmend (oder fallend), wenn (80,2)

gilt, und als im eigentlichen Sinne oder eigentlich monoton fallend, wenn sogar gilt. Über solche Folgen gilt der wichtige

Satz. Jede beschränkte und monoton fallende oder monoton wachsende Zahlenfolge a., v = 1, 2, ... , ist konvergent gegen einen Grenzwerts. Zugleich gilt für alle v: a. ~ s oder a. ~ s, je nachdem ob a. wächst oder fällt. Beweis. Es möge zuerst für a., v = 1, 2, ... , (80,1) gelten und ferner

a, 0 beliebig gewählt, so muss wenigstens ein a., etwa a •• , ~ s - e sein, da sonst s - e zu den Schranken C gehörte. Dann gilt aber für alle a. mit v > v0

s- e

~

a.

~

s,

und da e eine beliebige positive Zahl ist, bedeutet dies, dass a. gegen s konvergiert. Ist andererseits a, eine monoton fallende Zahlenfolge, so dass dafür (80,2) gilt, so setze man - a. = b., v = 1, 2, ... , so dass

gilt und die Folge b. monoton wächst und zugleich mit a. beschränkt ist. Daher gilt nach dem soeben bewiesenen für ein gewisses s w.z. b.w.

b.

~

- s,

b. --+ - s ,

- b. = a.--+ s ,

a.

~

s,

68

§ 7, 31. Die Zahle als Lim (1

+ 1 I•}"

Man beachte übrigens, dass eine monoton wachsende Zahlenfolge a., für die also (30,1) gilt, auf jeden Fall beschränkt ist, wenn sie nach oben beschränkt ist, d.h. wenn für ein C a. < C (v = 1, 2, ... ) gilt. Denn dann liegen ja alle a., v = 1, 2, ... , im Intervall ( a 1 , C ) . Daher sind alle I a. I höchstens gleich dem grösseren Abstand der beiden Endpunkte dieses Intervalls vom Nullpunkt. Dies bedeutet aber

I a.l

~ Max ( I a1 I , I C I) ,

I a.l < Max ( I a1 I , I C I) + 1 .

Konvergiert eine Zahlenfolge monoton wachsend bzw. fallend gegen s, so sagt man auch, sie steige bzw. falle gegen s. Wir drücken dies mit Hilfe der Pfeilsymbole wie folgt aus:

ts

a.

bzw.

a.

+s .

31. Die Zahl e als Lim

(1 + !

r

Wir betrachten nunmehr, um eine wichtige Anwendung des Satzes der vorigen Nummer zu geben, die Zahlenfolge (v=1,2, ... ). Hier erhält man eine andere Darstellung für Entwicklung (1

+ x)'= 1 + __!_x+ 11 +

a., wenn man in der binomischen

x2 + · · · +

v(v- 1)

2!

v (v- 1) · · • (v- k k!

(31,1)

+ 1)

X

i:

+ •· ·+

v (v- 1) · · • (v- (v- 1)) • X vl

x durch 1/v ersetzt. Dann nimmt das allgemeine Glied dieser Entwicklung die Form an: v(v-1) · ·· (v-k kl

+ 1) _!_= _!_ vl'

k!

(1-.!._) (1-~) ... (1-~) V

V

V

'

so dass also gilt:

1( 1) ( k-1)

1( 1) ( k-1)

+kl 1--; ··· 1--v- +···+-;r 1--; ··· 1--v-. (31,2) Was geschieht nun mit diesem Ausdruck, wenn v durch v + 1 ersetzt wird? Die beiden ersten Glieder bleiben offenbar unverändert. Für 2 ~ k ~ v tritt

§ 7, 31. Die Zahl e als Lim (I

+

69

I!v)•

an die Stelle des Summanden

der grössere Summand _1 kl

(1 -

_ 1) ... v+1

(1 - ~) v+1

'

da ja hier die einzelnen Klammerfaktoren grösser geworden sind. Endlich kommt noch am Ende des Summenausdrucks ein letztes positives Glied hinzu, dem kein Glied von a. entspricht. Wir sehen, dass (v = 1, 2, ... )

(31,3)

ist. Ersetzen wir andererseits im Ausdruck (31,2) rechts sämtliche Klammerfaktoren durch 1, so wird für v ;;:; 2 die rechte Seite vergrössert und geht über in 1

1

bv =1+-+-+ 11 21

1 .. ·+vl

(v= 1, 2, ... ) ,

(31,4)

so dass allgemein (31,5)

(v = 1, 2, ... )

gilt. Hier kann aber b, leicht abgeschätzt werden. Für k > 2 gilt nämlich

kl

---< 1 . 2 ... k

1 1 . 2. 2k-2

=

1 2k-l .

Denn hier haben wir ja jeden der k- 2 Faktoren 3, 4, ... , k im Nenner durch 2 ersetzt, also verkleinert. Damit folgt für v > 2 :

a.

;§;

b. < 3 .

(31,6)

Daher sind die Zahlenfolgen b. und a. nach oben beschränkt, und da beide monoton wachsen, folgt für v-+ oo aus (31,6) (1 +

~

r

t e • b. t e'. e ;§; e'

;§;

3.

(31,7)

Die Zahl e ist eine der wichtigsten Zahlen, die in der Analysis vorkommen. Sie ist noch wichtiger als die Zahl n, mit der sie übrigens sehr eng zusammenhängt, obgleich man diesen Zusammenhang nur dann einfach beschreiben

70

§ 7, 31. Die Zahle als Lim (1

+

lfv)•

kann, wenn man die Gesamtheit der reellen Zahlen noch um die sogenannten komplexen Zahlen erweitert. Wir geben im folgenden den Wert von e mit 20 Dezimalen an:

e = 2, 7 1828 1828 4590 4523

536 ...1) •

Es sei noch bemerkt, dass die Zahl e nicht nur irrational ist, sondern sich auch nicht mit Hilfe algebraischer Gleichungen beliebigen Grades mit ganzzahligen Koeffizienten berechnen lässt. Der Beweis dieser Eigenschaft, der sogenannten Transzendenz von e, durch Charles Hermite 2) stellt einen der grössten Triumphe der mathematischen Analysis dar2). An diesen Hermiteschen Beweis anknüpfend, vermochte einige Jahre später Ferdinand Lindemann4 ) die analoge Tatsache für die Zahl n zu beweisen. Damit wurde das Jahrtausende alte Problem der Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal durch den Nachweis seiner Unlösbarkeit erledigt. Wir beweisen nunmehr, dass die Zahle auch der Grenzwert der Folge b. ist: 1

1

1

1!

2!

v!

1+-+-+···+-~e

d.h. dass

(81,8)

'

e

e'

=

~

e',

(31 ,9)

gilt. In der Tat folgt aus (81,7) e

und wir haben nur zu zeigen, dass zugleich e ~ e' ist, um (31,9) zu beweisen. Zu diesem Zwecke wollen wir unter k > 1 eine vorläufig feste natürliche Zahl verstehen und knüpfen an die Formel (31,2) an, in der v > k angenommen werden soll. Dann folgt aus (31,2)

k-1)

1 - +1- ( 1 -1) - ··· (1 - - - + · · · +1 -(1 - 1) a >1+ ' " " kl " 2! 1! •=

wo also die rechte Seite genau k + 1 Summanden enthält. Lassen wir in dieser Ungleichung die Zahl v > k ins Unendliche gehen, wobei k, wie gesagt, festgehalten wird, so strebt die linke Seite gegen e, da ja die Tatsache, dass wir in der Folge a. die ersten k Elemente weggelassen haben, keinen Einfluss auf 1 ) Die allgemeine Benutzung des Buchstabens e für diese Zahl geht auf Euler, 1736, zurück. Übrigens ist auch die Benutzung des Buchstabens n für das Verhältnis der Kreislinie zu ihrem Durchmesser Euler zu verdanken, der zuerst 1736 das Symbol n verwendet hat. Durch Eulers Introductio in Analysin Infinitarum wurde diese Verwendung 1748 im Allgemeingebrauch verwurzelt. Zum ersten Mal wurde allerdings der Buchstabe n in dieser Bedeutung von W. ]ones, 1706, benutzt. 1 ) Charles Hmnite (1822-1901). 8 ) Eine vereinfachte Fassung des Hermiteschen Beweises wird iin Band 111 dieser Vorlesungen gebracht werden. •) Ferdinand Lindemann (1852-1939).

§ 7, 32. Bestimmung einiger Grenzwerte

71

den Grenzwert hat. Die einzelnen Glieder der rechten Seite aber konvergieren entsprechend gegen 1•

1

1

ll' 21• ... ,

1 kl

und die ganze rechte Seite daher gegen 1

1 + 11

1

1 + 2T + ... + kT =

bk ,

so dass wir schliesslich e 5;;; b8 erhalten. Diese Relation gilt nun für jeden natürlichen Wert von k > 1. Sind aber für 11 > 1 alle b. ~ e, so gilt dasselbe auch für ihren Grenzwert e', so dass sich nunmehr e' ~ e und daher nach dem obigen e' = e , d. h. (81,8) ergibt. 82. Bestimmung einiger Grenzwerte 1. Für a > 0 gilt (82,1) Der Beweis dieser Tatsache bietet ein besonders interessantes Beispiel dafür, wie es sich lohnen kann, den Beweis für die Existenz eines Grenzwertes von seiner zahlenmässigen Bestimmung zu trennen. Wir nehmen zunächst an, dass a > 1 ist, und beweisen, dass unter dieser

Va,

Annahme die Zahlenfolge 11 = 1, 2, ... , monoton abnimmt. Es genügt hierzu zu zeigen, dass für 11 = 1, 2, ... ~r: ya

> •+;'ya

gilt. Wäre dies aber falsch, so müsste gelten

und daher, wenn beide Seiten in die 11 (11

+ 1)-te Potenz erhoben werden,

entgegen der Annahme. Ferner gilt für 11 = 1, 2, ... (82,2) Denn wäre

Va ~ 1, so

a ~ 1 folgen.

müsste daraus durch Erhebung in die 11-te Potenz

72

§ 7, 32. Bestimmung einiger Grenzwerte

Va

Daher muss in unserem Falle die Zahlenfolge nach dem Satze der Nr. SO einen Grenzwert besitzen, den wir mit x bezeichnen wollen. Es folgt aus (82,2) offenbar (82,8)

1,

X~

Va

Beschränken wir uns andererseits in der Zahlenfolge auf die unendliche Teilfolge, die den geraden Wurzelexponenten entspricht, so folgt

2:r:

(v

ya~x

~

oo)

und daher, wenn wir die Elemente der Folge links quadrieren,

so dass unsere Zahlenfolge sowohl x als auch x 2 zum Grenzwert hat. Daraus folgt aber wegen (82,8) x2

= x,

x(x - 1) = 0,

x = 1.

Damit ist unsere Behauptung für a > 1 bewiesen. Für a Ist aber 0 < a < 1 , so setze man 1 -=A a

u:: ya

'

=

1 ist sie evident.

1

= VA".

Da hier A > 1 ist, muss nach dem bereits bewiesenen Fall unseres Satzes

·VA

~

1 gelten und daher • -

1

Va=v-~1. A

womit (82,1) allgemein bewiesen ist. 2. Es seien a 1 ,

..• ,

a k positive Zahlen. Dann gilt

Yai + · · · + a; ~ Max(a1 , ••• , a 11) (v ~ oo). Denn es sei u.

= Max(a1 ,

... ,

a 11).

Dann gilt offenbar wegen der vorausgesetzten Positivität von a1 ,

a';:;; a; + · · · + a;;:;; k a•, a;:ii

(82,4)

ya; + .. · +a;;:;; aifk.

. .. ,

a 11 :

§ 7, 32. Bestimmung einiger Grenzwerte

73

Vk

~ 1 beide Schranken der Zahlenfolge Für 11 ~ oo konvergieren hier wegen links in (82,4) gegen a. Daraus folgt aber nach dem Satz der Nr. 26 über die Folgen (26,2), dass sie linke Seite von (82,4) gegen a konvergiert, w. z. b. w. 8. Es gilt

·-"' Lim

Vv = 1.

(82,5)

Wir beweisen zuerst, dass für 11 !?; 8 (82,6) gilt. Es genügt die Richtigkeit der Ungleichungen zu beweisen, die aus (82,6) durch Erhebung in Potenzen mit natürlichen Exponenten folgen. Wir erheben die erste Ungleichung in die 11-te und die zweite in die 11(11 + 1}-te Potenz. Dann ergeben sich die Ungleichungen

Die erste folgt aus 11 ;?; 8, die zweite ist äquivalent mit

und da hier nach (81,7) die rechte Seite ;:;; 8 ist, sind wegen 11;?; 8 die beiden Ungleichungen (82,6) richtig. Dies bedeutet aber, dass, wenn wir uns in der

Vv

auf 11;?; 8 beschränken, sie eine monoton fallende Folge mit der Folge unteren Schranke 1 bildet. Daraus folgt (82,7) Um hieraus den Wert von x zu bestimmen, beschränken wir uns wieder auf die Teilfolge, die den geraden 11 entspricht, ersetzen also in (82,7) 11 durch 2 11. So ergibt sich r;:;-:_ 2:y211 ~x

(11 ~ oo)

oder, wenn beide Seiten quadriert" werden,

y2

~ 1 und (82,7) hat die linke Seite aber den Grenzwert x, so dass Wegen wiederum x 2 = x, x(x -1) = 0, x = 1 folgt, wegen x !?; 1. Damit ist (82,5) bewiesen.

74

§ 7, 32. Bestimmung einiger Grenzwerte

4. Ist A > 1 und k eine beliebige natürliche Zahl, so gilt

l-7-

-+

oo

(A > 1 ,

V-+

oo)

·I

(82,8)

Wir dürfen beim Beweis v > k + 1 annehmen und setzen A h > 0. Dann gilt nach dem binomischen Lehrsatz:

(1

+ h)' =

1 + ( ~) h

+ ... + (

k: 1)

A'=(1+h)">( v )k"+l= k +1

da die übrigen Terme in (1 durch v"+I, so folgt A" "Ht

>

+

h"+l

=

1

+ h,

+ ... + (:) h',

v(v-1)···(v-k) (k + 1) l

hk+l



hr positiv sind. Dividieren wir hier beide Seiten

hk+t ( (k + 1)!

1) .. •(1--;k) • 1--;

(82,9)

Hier strebt aberdie rechte Seite für v-+oo gegen diepositive Zahl h"+ 1f(k + 1)!, ist also von einem v an grösser als 1/2 h"+ 1/(k + 1)!. Daher gilt von einem v an, wenn wir (82,9) auf beiden Seiten mit v multiplizieren, A"

7

1

> 2

hk+l {k

+ 1) l

V '

und hier strebt für v-+ oo die rechte Seite und also auch die linke gegen oo, w.z.b.w. Korollar. Für I q I < 1 gilt q• v~-+ 0

(v-+

oo) .

(82,10)

Denn für q = 0 ist nichts zu beweisen. Für q =1= 0 sei 1/l q I = A > 1 gesetzt. Dann folgt aus (82,8) 5. Ist x > 0, so ist 0 (x =1= 1) , 1 L. { lDl x .. •-..co +x -· = 1/2 (x = 1).

Denn für 0 < x < 1 gilt

und dies strebt für v -+ oo gegen 0. Für x > 1 gilt

(82,11)

75

§ 8, 33. Konvergente unendliche Reihen

und dies strebt für v-+ co gegen 0. Für x = 1 ist aber jedes Glied der Folge = 1/2. 6. Für jedes x gilt x•

Lim1 =0. Denn es seiN eine ganze Zahl> I x gilt für v > 2 N:

I-;!x•l

=

lxi 2 N (2N)!

lxl

2N+l

(82,12)

J.'.

SI~CO

1.

und man setze x 2 N/(2 N)! = A. Dann

lxl

2N+2

... lx11 1 11, f-t = 11 + p annehmen, wo p eine beliebige natürliche Zahl ist. Schreiben wir noch n statt 11, so läuft die obige Relation hinaus auf

Die Differenz s,.+P- s,. ist aber offenbar gleich

Daher ergibt sich als notwendig und hinreichend für die Konvergenz von (34,8), dass für jedes e > 0 und ein geeignetes N, für alle n ~ N und jedes natürliche p

I a,.+ 1 + · · · + a,.+P I ~

e

(n ~ N, p > 0)

(34,9)

80

§ B, 34. Elementare Eigenschaften unendlicher Reihen

gilt. Wenden wir insbesondere die Ungleichung {84,9) für p = 1 an, so liefert sie die Ungleichung I a,.+ 1 I ; ;:; e, die für jedes feste e > 0 von einem n an gelten muss. Dies bedeutet aber: Notwendig für die Konvergenz der Reihe (84,8) ist

{84,10) Man beachte aber, dass die Relation {84,10) nur notwendig, jedoch keineswegs hinreichend für die Konvergenz von (84,8) ist. Man betrachte z. B. die unendliche Reihe "' 1 L-.

••= 1

Bei dieser Reihe ist offenbar a



=

V

(84,11)

(v ~ oo) .

_!_ ~ 0 V

Andererseits ist sie divergent. Denn um zu beweisen, dass die Folge der

nicht konvergiert, betrachten wir die Differenz

die im Falle der Konvergenz der a, auf jeden Fall mit n ~ oo gegen 0 konvergieren müsste. Hier ist aber rechts jedes Glied > _1_ =

2n'

und die Anzahl der Glieder ist n. Daher ist diese Differenz stets ~ 1/2 und konvergiert sicherlich nicht gegen 0 mit n ~ oo. Die Reihe {84,11), deren Divergenz wir damit bewiesen haben, wird als die harmonische Reihe bezeichnet. Als weitere Folgerungen aus dem obigen allgemeinen Konvergenzkriterium leiten wir Vergleichskriterien für die Konvergenz unendlicher Reihen her: Erstes Vergleichskriterium. Es sei die unendliche Reihe mit nichtnegativen Gliedern

L"' b,

(b, :?; o)

(84,12)

•=1

konvergent. Gilt dann für eine geeignete positive Konstante c 1 a. 1 ;;;:;;

so ist die Reihe (84,8) konvergent.

c b••

(84,18)

§ 8, 34. Elementare Eigenschaften unendlicher Reihen

81

In der Tat gibt es wegen der Konvergenz von (34,12) zu jedem e > 0 ein solches N(e), dass [n?; N(e),

p>

0]

gilt. Dann gilt aber wegen (34,13)

für alle n ?; N(e) und alle positiven p. Damit ist für die Reihe (34,8) das Konvergenzkriterium (34,9) erfüllt und ihre Konvergenz bewiesen. Wenn für die Glieder von (34,8) allgemein gilt

I a,l so nennt man die Reihe

"' LA.

•=1

(v

~ A,

1, 2, ... ) ,

=

eine Majorante von (34,8). Man bringt dies

durch die von H. Poincare 1 ) herrührende Schreibweise

zum Ausdruck. Dann ist der Sinn des ersten Vergleichskriteriums offenbar der, dass eine Reihe konvergiert, wenn sie eine konvergente Majorante hat. Zweites Vergleichskriterium. Es sei die unendliche Reihe mit positiven Gliedern (b. > 0)

(34,14)

bv+1

(34,15)

konvergent. Gilt dann von einem v an

I a,~:1 I eine Reihe, deren Glieder nicht negativ sind und die unendlich viele positive Glieder hat. Für derartige Reihen

f

•=1

a.

(a.

~

0)

(85,1)

gibt es eine sehr grosse Anzahl verschiedenartigster Konvergenzkriterien, von denen jetzt zwei hergeleitet werden sollen. Diese Kriterien lassen sich zugleich offenbar auf die Konvergenzuntersuchung allgemeinerer Reihen anwenden, sofern es sich um die absolute Konvergenz handelt. Die Teilsummen

.

s,. =La. •=1 von (85,1) bilden offenbar eine monoton wachsende Folge. Für die Konvergenz einer solchen Folge ist aber ihre Beschränktheit notwendig und hinreichend. Wir sehen: Für die Konvergenz einer unendlichen Reihe mit positiven Gliedern ist notwendig und hinreichend, dass die Folge ihrer Partialsummen beschränkt ist. Das einfachste Beispiel einer konvergenten Reihe mit positiven Gliedern liefert die geometrische Reihe :

f

•=1

q'

(0

< q < 1) .

(35,2}

§ 8, 35. Einige Konvergenzkriterien

83

Wendet man die Vergleichskriterien der Nr. 35 auf die Reihe (35,1} an, wobei (35,2} als Vergleichsreihe benutzt wird, so lassen sich zwei besonders einfache Kriterien herleiten: Quotientenkriterium. Gilt für (37,1} von einem v an a. < 0 p. Dies ist offenbar unmöglich, da der Ausdruck rechts beim Übergang von n zu n + 1 seinen Wert ändert, während die linke Seite konstant bleibt. Aus der später in der Nr.112 hergeleiteten Formel (112,3) folgt übrigens, wenn dort x = 1 gesetzt wird, dass a = 1 Je ist, so dass mit dem obigen ein besonders einfacher Beweis für die Irrationalität von e gegeben ist.

86

§ 9, 36. Konvergenz von /(x) für

x- ""

§ 9. Grenzwerte von Funktionen eines stetigen Arguments 36. Konvergenz von f(x) für x-+-

oo

Wir betrachten nun eine Funktion von x, die definiert ist für alle hinreichend grossen x, also etwa für alle x ~ x 0 • Ganz analog wie bei Zahlenfolgen nennen wir f(x) eine Nullfunktion für x -+- co, wenn für jedes e > 0 IJ(x)

I< e

gilt, sobald x oberhalb einer geeigneten, von e abhängigen Schranke N(e) liegt, d.h. für alle x > N(e). Z.B. ist f(x) = 1/V,; eine für x ~ 1 definierte Funktion, die für x-+- co eine Nullfunktion ist. Denn sobald x > 1 fel ist, ist offenbar > lfe, 1/V,; < e. Die obige Definition ist ganz analog der Definition der Nullfolge in Nr. 24, und die meisten Eigenschaften der Nullfolgen übertragen sich entsprechend auf Nullfunktionen. Dass die Eigenschaft einer Funktion, eine Nullfunktion zu sein, eine infinitäre Eigenschaft ist, hat in diesem Falle einen etwas anderen Sinn als bei Zahlenfolgen. Infinitär für x-+- co sind Eigenschaften einer Funktion, die unverändert gültig bleiben, wenn man Funktionswerte in willkürlicher Weise auf einem beliebigen, aber endlichen Intervall abändert. Ist f(x) eine Nullfunktion für x-+- co, so gilt dasselbe .auch von IJ(x) 1. f(x) heisst beschränkt für x-+- co, wenn für eine geeignete Konstante C und für ein geeignetes N die Ungleichung gilt:

Vx

If(x) I
x 2 , zwei Werte aus], so gilt nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung

da für ~- 0 und m > 0 die m-te Potenz von x 1'", also ein Produkt von m differenzierbaren Funktionen. Daher ist auch x' differenzierbar, und es folgt aus (61,2) und (64,4) dx1/n dx'

----;J;"

=

mX

mfn

~ --;rif'

m

= --;: X

mfn-1fn

X

1/n(1-n)

m

= --;: X

mjn-1fn+1fn-1

m

= --;: X

mjn-1

,

und daher dx' r-1 --=rx dx

(64,7}

Dies ist aber auch richtig, wenn r negativ ist. Denn ist r rational und negativ = - e, e > 0, so gilt definitionsgernäss

x' =

_1_

X II '

woraus nach (61,3}

folgt, so dass damit (64, 7) für jedes rationale r nachgewiesen ist. Was die Monotonieverhältnisse der Funktion x' anbetrifft, so ist x' für r = 0 konstant, = 1. Für r > 0 ist x' monoton wachsend, da für natürlichem undn die m-te Potenz einer monoton wachsenden Funktion ist. Für negative r -e.e>O,ist x' = _1_

=

x"

monoton fallend, da x 11 monoton wächst. Fällt x gegen 0, so strebt, wie wir wissen, auch x 1'" gegen 0 für natürliche n und daher für natürliche m und n auch

Daher ist für r > 0

x "''" = (x 1'")"'. Lim x'

~

0,

%~0

so dass x' im halboffenen Intervall ( 0, oo) stetig ist, wenn x' für x = 0 als 0 definiert wird.

§ 18, 65. Umkehrung von Sinus und Cosinus

177

Für negative r = - e' e > 0' wächst offenbar mit X .j. 0 die Funktion monoton gegen oo. Wir haben uns bei den obigen Definitionen von x 1'", x' auf x ~ 0 bzw. x > 0 beschränkt. Man kann nun für ungerade natürlichen die Funktion

x' = 1 fx 11

y(x) =

x*

auch für negative x eindeutig definieren, als die einzige Wurzel der Gleichung (64,1). Man kann dies aber ohne ausführliches Zurückgehen auf die Theorie der Umkehrfunktionen durchführen. In der Tat ist es klar, dass für ein x < 0 eine Lösung y der Gleichung (64,1) negativ sein muss, da für ein nichtnegatives y auch y" nicht negativ sein kann. Ist aber y" = x für negative y und x, so folgt daraus (-y)"=-X, y=-(-x)l/n. Wir sehen, dass für negative x die Relation xlln

= _ (- x)l/n

gilt, aus der aber nunmehr sofort folgt, dass x 1'" auch für negative x monoton wachsend und stetig ist. Ebenso kann für ein r = mfn, wo m und n ganze Zahlen sind und n ungerade ist, auch für negative x gesetzt werden:

Man sucht indessen den Gebrauch gebrochener Potenzen negativer Zahlen in der reellen Analysis zu vermeiden, da für solche Potenzen einige der Relationen (64,6) nicht mehr anwendbar sind 1). 65. Umkehrung von Sinus und Cosinus

A. Umkehrung der sin-Funktion. Die Funktion

x

=

siny

(65,1)

ist, wenn y das Intervall ( -ll/2, ll/2) durchläuft, das der rechten Hälfte des Einheitskreises entspricht, eine stetige und differenzierbare Funktion, deren Werte eigentlich monoton wachsen von ....:.1 bis 1. Daraus folgt nach Nr. 62, dass für alle x aus dem Intervall ( - 1, 1 ) die Gleichung (65,1) eine eindeutig bestimmte, in ( - ll/2, ll/2) liegende Lösung besitzt, die stetig und eigentlich 1 ) Allgemeine Exponenten sind erst durch Newton um 1686 eingeführt worden. Doch spricht bereits Wallis 1655 von negativen Exponenten, und auch mit gebrochenen Exponenten wurde bereits von A. Girard 1629 und D. Gregory 1684 gerechnet.

12

Ostrowski I

178

§ 18, 65. Umkehrung von Sinus und Cosinus

monoton wachsend ist. Diese Lösung schreibt man gewöhnlich in der Form y=

arcsinx

(lies: arcus sinusx). Man beachte, dass arcsinx nicht etwa eine Art von Sinus ist. Es handelt sich hier einfach um die Abkürzung der Umschreibung: der Arcus (Bogen), dessen Sinus gleich x ist. Wir vermerken noch, dass arcsinx eine ungerade Funktion ist. Denn es sei q; = arcsin(-x). Daraus folgt -x = sinq;, x = sin(- q;). Liegt aber q; in ( - :rcf2, :rc/2 ), so gilt dasselbe auch für- q;. Daher ist- q; = arcsinx, d.h. arcsin (- x)

=

-

arcsinx,

wie behauptet. Der Verlauf der Funktion arcsinx ist in der Figur 21 dargestellt.

y

X

y

= arcsinx Figur 21

Die Ableitung von arcsinx erhält man aus -

dy 1 = dx dx dy

1 1 1 = - - = - - = ----:-;=== _!!siny cosy '\1'1- sinSy dy

1

V1-x2

'

-man beachte, dass die Wurzel mit positivem Vorzeichen zu nehmen ist, da cosy in ( - :rcf2, :rcf2) nicht negativ ist. Daher folgt für x =1= ± 1: darcsinx dx

1

'\1'1- x1



(65,2)

§ 18, 65. Umkehrung von Sinus und Cosinus

179

Natürlich ist arcsinx nicht die einzige Lösung der Gleichung (65,1), sondern diejenige, deren Werte zwischen - n/2 und n/2 liegen. Ein Blick auf Figur 22 zeigt, dass es in der Regel noch einen zweiten Punkt, auf der linken Hälfte des Einheitskreises gibt, dem derselbe Sinus entspricht, und der zum Bogen n- y gehört. Nur für y = ± n/2 fällt dieser zweite Punkt mit dem ersten zusammen. Weitere Punkte auf dem Einheitskreise, zu denen der vorgegebene sin-Wert gehört, gibt es nicht.

Figur 22

Man erhält nun sämtliche Bögen, die zu diesen beiden Punkten auf dem Einheitskreis gehören, wenn man zu y und n - y beliebige ganzzahlige Vielfache von 2 n hinzufügt. Daher erhält man sämtliche Lösungen der Gleichung (65,1) in den Ausdrücken: (2 n

2 n n + arcsinx} + 1) n- arcsinx

(n

=

0, ± 1, ± 2, ... ) .

(65,3)

Wie man sieht, hat die Gleichung (65,1) unendlich viele Lösungen, die sich auf die unendlich vielen Ausdrücke (65,3) verteilen. Man spricht gelegentlich von diesen Ausdrücken (65,3) als von den verschiedenen

=

n 2 ,

n L'Im arctgx = - 2. X

j,-ex>

Der Verlauf von arctgx ist in der Figur 24 dargestellt.

y

X

y = arctgx

Figur 24

arctgx liefert die einzige zwischen - n/2 und n/2 liegende Lösung der Gleichung (66,1). Da aber tgy die Periode n hat, erhält man daraus durch Hinzufügen eines beliebigen ganzzahligen Vielfachen von n unendlich viele weitere Lösungen, und zwar sogar alle derartigen Lösungen, da ja jedem Bogen y ein Punkt auf dem Einheitskreis entspricht, der, falls er nicht auf der rechten Hälfte des Einheitskreises liegt, durch Subtraktion von n auf diese rechte Hälfte zu liegen kommt. Daher lässt sich die Gesamtheit aller Lösungen der Gleichung (66,1) in die unendlich vielen «Zweige» der arctg-Funktion

183

§ 18, 66. Umkehrung von Tangens und Cotangens

zusammenfassen: n B.

:n;

Umkehrun~

+ arctg x

der

(n

=

0, ± 1 , ± 2 , . . .) .

ct~-Funktion. X=

(66,5)

Die Funktion (66,6)

ctgy

wird im offenen Intervall (66,7)

(0, :n;)

betrachtet, in dem sie stetig und monoton fallend ist und die gesamte Zahlengerade von rechts nach links durchläuft. Wenden wir die Ergebnisse der Nr. 63 auf jedes in (66,7) enthaltene abgeschlossene Intervall ( a, ß) an, so sehen wir ganz analog wie bei der Betrachtung der Umkehrung der tg-Funktion, dass die Gleichung (66,6) für jedes reelle x genau eine zwischen 0 und :n; liegende Lösung besitzt, die stetig und eigentlich monoton fallend ist. Wir bezeichnen sie mit Jl = arcct~x

(lies: arcus cotangens x). Für die Ableitung dieser Funktion ergibt sich analog wie oben: dy dx

1

1

dx dy

d ctg_z_ dy

1

- (1

+ ctg2 y)

darcctgx

dx

1

-1 + x2

-1 =-1 + x2

'

(66,8)



Für arcctgx gilt Lim arcctg x = 0 , Lim arcctg x = X->

:n; •

x~-oo

Der Verlauf der arcctg-Funktion ist in der Figur 25 dargestellt. y

X

y

=

arcctgx

Figur 25

184

§ 18, 67. Allgemeines über Arcus-Funktionen

Da auch ctgy die Periode n hat, lassen sich sämtliche Lösungen der Gleichung (66,6) in unendlich viele 0 und arctgx = rp,

x = tgrp,

wo rp zwischen 0 und n/2 liegt. Bekanntlich ist dann

Da hier n/2- rp zugleich mit rp zwischen 0 und n/2, daher auch zwischen - n/2 und n/2 liegt, folgt 1

arctg --;

=

;n;

2 -

rp .

Daher ist unser y(x) = arctgx + arctglfx = n/2 für x > 0. Beachtet man nunmehr, dass arctgx und damit auch arctg lfx ungerade Funktionen sind, so folgt y (- x) = - y(x). Daher ist unser y für negative x gleich - n f2. Es ergibt sich für x =1= 0: arctgx

1 + arctgX

;n;

= -

2

sgnx .

Es ist nicht ohne Interesse, zu überlegen, dass während uns die Geometrie direkt zu den trigonometrischen Funktionen führt mit der ganzen Fülle der für sie geltenden eleganten Beziehungen, sich aus der Integralrechnung hingegen in erster Linie die Arcus-Funktionen arcsinx und arctgx ergeben. Die vielen Formeln der Trigonometrie lassen sich natürlich auch als Funktionalrelationen· zwischen Arcus-Funktionen schreiben. Doch ergeben sich diese Relationen aus den Integraldefinitionen der Arcus-Funktionen erst durch umständliche Integralumformungen. Wenn aber die Mathematik in irgendeiner der möglichen Welten von denkenden Wesen entwickelt wird, denen wegen der physikalischen Beschaffenheit ihrer Umwelt und wegen ihrer eigenen Körperbeschaffenheit der Begriff des starren Körpers fern liegt, so werden solche Wesen zuerst nicht die Geometrie, sondern die Analysis entwickeln. Solche Wesen werden also zuerst von der Integralrechnung her auf die Arcus-Funktionen kommen. Besonders scharfsinnigen Mathematikern unter ihnen wird es sodann gelingen, durch geeignete, kunstvolle Integralumformungen sehr bemerkenswerte und unerwartete Relationen zwischen den Arcus-Funktionen zu entdecken. In die unübersichtliche Fülle dieser Relationen wird dann endlich die schönste Ordnung hineingebracht werden durch die geniale Entdeckung, dass man in erster Linie die Umkehrungen der Arcus-Funktionen zu betrachten hat. Für diese Umkehrungen reduzieren sich jene Relationen in einfacher und harmonischer Weise auf Additionstheoreme. Diese etwas phantastisch erscheinende Entwicklung hat sich bemerkenswerter Weise auf einem mit der Theorie der trigonometrischen Funktionen eng zusammenhängenden Gebiet tatsächlich abgespielt.

186

§ 18, 67. Allgemeines über Arcus-Funktionen

Es handelte sich nämlich um das Integral

f

dx V(1-x2) (1- p. x 1 )

=E(x) '

auf das man bei der Berechnung der Länge des Ellipsenbogens geführt wird. Für p, = 0 ist E(x) = arcsinx. Im speziellen Fall p, = - 1 findet man in den Arbeiten von Conte di Fagnano 1 ) zwischen 1714 und 1750 eine Reihe sehr interessanter Betrachtungen über diese Funktion, die sodann Euler zur Auftindung höchst bemerkenswerter Eigenschaften der Funktion E(x) für beliebige p, führten, denen er auch eine grosse Anzahl seiner Abhandlungen widmete. (Diese sind zusammengestellt in den Bänden XX und XXI der gesammelten Werke von Euler.) Für p, = 0 steckt in den Eulerschen Relationen insbesondere die Formel, die das Additionstheorem der sin-Funktion liefert, durch die arcsin-Funktion dargestellt. An die Eulerschen Untersuchungen schlossen sich zahlreiche Untersuchungen anderer Autoren an, namentlich diejenigen von Legendre 2 ), deren Ergebnisse Legendre 1825 in einem zweibändigen Werke zusammenfassend zu veröffentlichen begann. Im Jahre 1826 setzten aber die Veröffentlichungen Abels 3 ) ein, die der ganzen Theorie eine merkwürdige und sehr überraschende Wendung gaben. Abel betrachtete nämlich die Umkehrfunktion von·E(x). Es stellte sich dabei heraus, dass die Eulerschen Relationen einfach auf ein Additionstheorem für jene Umkehrfunktionen hinauslaufen, das demjenigen der sin-Funktion ganz analog ist. Darüber hinaus hat sich aber zugleich ergeben, dass jene Umkehrfunktionen nicht nur in Analogie zu den trigonometrischen Funktionen eine Periode besitzen, sondern sogar zwei wesentlich verschiedene Perioden. Jene Umkehrfunktionen sind die sogenannten «doppeltperiodischem Funktionen. Mit diesen Entdeckungen Abels begann die eigentliche Theorie der elliptischen Funktionen und der elliptischen Integrale in dem Augenblick, in dem Legendre diese Theorie abschliessen zu können glaubte. Bei der Beurteilung dieser höchst bemerkenswerten Wendung darf man allerdings einen Umstand nicht aus dem Auge lassen. Die Hauptsache am Abelschen Ansatz war, dass Abel die Funktion E(x) und ihre Umkehrfunktion nicht nur für reelle, sondern auch für komplexe Werte des Argumentes betrachtete. Dies lag zur Zeit, als Abel mit seinen Untersuchungen begonnen hatte (1828), bereits in der Luft. Von einer fundamentalen Abhandlung von Cauchy aus dem Jahre 1825 datiert wohl der Zeitpunkt, von dem an den komplexen Zahlen nicht nur in der Algebra, sondern auch in der Analysis das volle Bürgerrecht allgemein anerkannt wird. Vorher und namentlich zur Zeit Eulers gingen 1)

2) 3)

Conte di Fagnano (1682-1766). Adrien Marie Legendre (1752-1833). Niels Henrik Abel (1802-1829).

187

§ 19, 68. Zusammengesetzte Funktionen einer Veränderlichen

die Mathematiker bei Betrachtung von Funktionen einer komplexen Veränderlichen nur recht zögernd vor. Es war, als ob jeder, der eine schöne Entdeckung in diesem Zusammenhang machte, «Angst vor der eigenen Courage}> kriegte und weitere Fortschritte anderen überliess. So ist es zu erklären, dass Legendre gar nicht das Bedürfnis empfand, die elliptischen Integrale im komplexen Gebiet zu betrachten.

§ 19. Die Kettenregel und ihre Anwendungen 68. Zusammengesetzte Funktionen einer Veränderlichen

Bisher haben wir zumeist aus gegebenen Funktionen neue Funktionen gebildet, indem wir mit den gegebenen Funktionen verschiedene rationale Operationen ausführten. Man kann daneben auch auf eine andere Weise neue Funktionen aus gegebenen bilden, indem man nämlich gegebene Funktionen ineinander einsetzt. Vgl. hierzu Nr. 40. Es seien z. B. y = g(x) für x aus einem Intervall 1 und z = j(y) für y aus einem Intervall K definiert, und es mögen die Werte, die g(x) in 1 annimmt, selbst in K liegen. Dann ist offenbar z für jedes x aus 1 eine Funktion F(x), gegeben durch z = F(x) = f(g(x)) . Wir werden eine solche Funktion gelegentlich als eine zusammengesetzte, genauer als eine aus f und g zusammengesetzte Funktion bezeichnen. Man erhält aus stetigen Funktionen durch Zusammensetzung wiederum stetige Funktionen, wie in Nr. 40 bewiesen wurde. Darüber hinaus ergeben sich durch Zusammensetzung differenzierbarer Funktionen wiederum differenzierbare Funktionen. Genauer: Es sei die Funktiongin einem Intervall 1 definiert und in einem Punktex aus 1 differenzierbar, und es sei y = g(x). Die Werte, die g in 1 annimmt, mögen im Definitionsintervall K einer Funktion f liegen, die ihrerseit~ im Punkte y differenzierbar ist. Dann ist f(g(x)) differenzierbar, und es gilt . dg(x) d/ (g(x)} = ( d/(g) ) dx • dg g=g(z) dx

(68,1}

In dieser Formel ist der erste Faktor rechts so zu verstehen, dass man zuerst die Funktion f der unabhängigen Veränderlichen g nach dieser Variablen g differenzieren und erst hinterher g(x) für g einsetzen· muss. Ist z. B. f(g) = g 2 , g(x) = sinx, so ist der erste Faktor rechts (2g)g=g(z)

= 2g(x) =

2

sinx.

188

§ 19, 68. Zusammengesetzte Funktionen einer Veränderlichen

Man kann den ersten Faktor rechts in (68,1) auch in der Form schreiben

!' (g(x))

.

Doch könnte der Anfänger den 2. Dann können wir schreiben:

I,.= J sin"x dx

=

Jsin"- x (1- cos x) dx 2

2

=

J[sin"- x cosx] cosx dx.

In- 2 -

2

Das letzte Integral rechts integrieren wir partiell, indem wir setzen:

u u'

v'

cosx'

=

=-

=

sin n- 2 X . n-1

sinx;

sm

V=

2

=

sinn-lx cosx

n-1

Das letzte Integral ist aber wiederum gleich Umformung von In ein, so ergibt sich

I .. =I.. - 2 oder, nach

In

x

n-1

Dann folgt

J[sin"- x cosx] cosx dx

COSX ,

In.

+

n

~1

Jsin" x dx .

Tragen wir dies in die obige

cosx sinn-lx

n-1

aufgelöst, n-1

In= -n-Jn-2Dies ist die gesuchte RekursionsformeL Mit ihrer Hilfe wird der Wert von],. auf denjenigen von J n- 2 zurückgeführt. Wird die Rekursionsformel also genügend oft angewandt, so kommt man schliesslich auf eines der Integrale I 1 oder ] 2 , deren Werte bereits oben berechnet wurden.Aus den Formeln (72,1) und (73,1) ergeben sich nun analoge Umformungen für bestimmte Integrale. Wird z. B. in (72,1) nachy und in (73,1) nach x zwischen a und ß integriert, so erhalten wir 9'(ß)

ß

Jf(x) dx Jf(rp(y)) rp'(y) dy, =

q>(a)

a

(73,2)

206

§ 20, 73. Beispiele zur Substitutionsmethode ß

tp(ß)

Jf( 1p(x)) 1p' (x) dx JJ(y) dy , =

a

(73,3)

tp(a)

und diese Formeln gelten, wenn die Funktionen IP und 1p' für alle Argumente aus dem abgeschlossenen, zwischen a und ß liegenden Intervall vorhanden und stetig sind und wenn die Werte von IP dabei in einem Intervall K liegen, in dem die Funktion f stetig ist. Man beachte aber, dass es nicht wesentlich ist, dass die Werte von IP zwischen 1p(a) und IP(ß) bleiben, wenn das Argument von IP zwischen a und ß läuft. Man betrachte z. B. das Integral

f b

f

(a+b)/2

l(x) dx

=

a

l(x) dx +

a

f

b

l(x) dx.

~+~~

Im ersten Integral rechts führen wir y = a + b- x als neue Integrationsvariable ein. Da dann dy = - dx ist und die untere Grenze a für x in die untere Grenze b von y übergeht, erhalten wir dafür (a

+ b)/2

f

(a

l(x) dx = -

+ b)/2

f I(

fI b

a + b- y) dy =

a

(a + b- y) dy .

(a+b)/2

Schreiben wir hier rechts anstatt der Integrationsvariablen y wieder x und setzen dies oben ein, so ergibt sich b

b

Jl(x)dx= J (l(x)+l(a+b-x))dx. a

(a+b)/2

Setzen wir hier y = a + b- x, transformieren das Integral und ersetzen hinterher wieder y durch x, so ergibt sich

(a+b)/2

f

(/(x)+l(a+b-x)) dx,

a

und wir erhalten schliesslich

f

a

f

l(x) dx =

f

b

~+~~

(l(x) + l(a + b- x)) dx =

a

(/(x) + l(a + b- x)) dx.

(73,4)

(a+b)/2

Ersetzen wir hier a durch - a und b durch a, so folgt weiter a

J l(x) dx -a

a =

J (l(x) + 1(- x)) dx. 0

(73,5)

207

§ 20, 73. Beispiele zur Substitutionsmethode

j"'

!

Betrachten wir hier speziell die Fälle, wo x gerade bzw. ungerade ist, so ergibt sich aus (73,5)

a

/(x) dx-

I

(/(x) gerade)

2 a l(x) dx " 0

(73,6}

(j(x) ungerade) .

-a

Wir leiten noch einige weitere Formeln mit Hilfe der Variablensubstitution her. Es gilt, wenn l(x) in den in Betracht kommenden Integrationsintervallen stetig ist, b

b-fl

J I (x

+ a) dx =

a

JI (x + a + ß) dx ,

a+P

P

a+b

J l(x+b)dx-JI(x)dx= J (l(x+p)-l(x))dx,

a

(73, 7}

a-fl

0

(73,8}

0

a+2q

a+b+q

J l(x+b)dx=

a

J

(l(x)+l(x+q))dx,

(73,9}

a+b

wo a, b, a, ß, p und q beliebige reelle Zahlen sind. Um (73, 7) zu beweisen, führen wir im Integral links y vermöge y + ß = x als neue Integrationsvariable ein. Wegen dy = dx wird dann dieses Integral zu b-fl

JI (y + a + ß) dy .

a-fl

Ersetzt man hier die Integrationsvariable y wieder durch x, so folgt (73, 7). Der Ausdruck links in (73,8) wird nach (73, 7) zu a+b+P

JI

oder wegen (51,8) zu

P

(x) dx -

Jl(x) dx ,

a+b

0

a+b+P

a+b

J l(x) dx - J l(x) dx .

p

0

a+b

Hier ist aber das erste Integral, wegen (73, 7),

=

I I (x + p) dx, woraus (73,8) unmittelbar 0

folgt. Zum Beweis von (73,9) schreiben wir das Integral links nach (73, 7) in der Form a+b+q

a+b+2q

J l(x) dx J l(x) dx + J l(x) dx .

a+b+~

=

a+b

a+b

a+b+q a+b+q

I

Da das zweite Integral rechts, nach (73, 7), = I (x + q) dx ist, ergibt sich (73,9) unmittelbar. a+b Die Formel (73, 7) lässt sich in Worten so formulieren: Wird im Integranden zur

Integrationsvariablen

ß addiert,

so muss

ß von

den beiden Grenzen abgezogen werden.

208

§ 21, 74. Die I-Funktion und die e-Funktion

Aus (73,8) folgt offenbar: Ist f(x) eine für alle x stetige und periodische Funktion mit der Periode p, so gilt für beliebige reelle a und b:

a+P

P

J

f(x

+ b)

dx

J

f(x) dx;

=

a

(73,10)

0

d.h. das Integrallinks hat für alle a und b denselben Wert. Aus der Formel (73,9) folgt analog: Ist f(x) für alle x stetig und antiperiodisch mit der Antiperiode q, so dass allgemein I (x + q) = -f(x) ist, so gilt für alle a und b:

a+2q

J f(x+b)dx=O.

(73,11)

a

Wir wenden nun noch (73,2) auf das folgende Integral an: fJ

s:x,aß>O. a

Der Integrand 1 fx ist unstetig nur für x = 0. Wegen a ß > 0 haben aber a und ß gleiche Vorzeichen, so dass im abgeschlossenen Intervall zwischen a und ß der Integrand 1 fx stetig ist. Setzen wir hier so liefert (73,2)

x = yy ,

y

0,

=1=

'YfJ

dx = y dy ,

fJ

Jtt;=J;.

ya

a

Bezeichnet man in diesen beiden Integralen die Integrationsveränderliche mit t und setzt a = 1, ß = x, y = y, so erhält man die folgende Identität:

f" 1

dtt --

f""

dtt

(x > 0 , y =1= 0) .

(73,12)

"

§ 21. Logarithmus und Exponentialfunktion 74. Die l-Funktion und die e-Funktion Wir setzen für jedes positive x:

l(x)

=

f 1

dt

-1

(x > 0).

(74,1)

209

§ 21, 74. Die l-Funktion und die e-Funktion

Der Integrand 1ft ist ja im Intervall zwischen 1 und der positiven Zahl x stetig. Die so für alle positiven x definierte Funktion von x ist stetig, und es folgt durch Differentiation nach der oberen Grenze in {74,1) l' (x)

x> 0.

_!_ ,

=

X

{74,2)

Da l'(x) > 0 ist, folgt aus dem in Nr. 63 gesagten, dass l(x) eigentlich monoton wachsend ist für alle positiven x. Für x = 1 verschwindet das Integral in (74,1). Daher ist l(x) für kleinere x negativ und für grössere x pos~tiv:

l{l) = 0;

< 0 (0 < x < 1); l(x) > 0 (x > 1) .

l(x)

(74,3)

Für zwei beliebige positive Grössen x und y gilt nun xy

l(xy)

=

x

xy

xy

X

X

I ~t = I ~t + I ~t = l(x) + I ~t 1

1

Das letzte Integral ist aber wir schliesslich

na~h

[ l(xy) = l(x)

.

{74,4)

(73,12) und {74,1) gleich l(y). Daher erhalten

+ l(y)

(x > 0 , y > 0) ,

{74,5)

die Funktionalgleichung der I-Funktion. Wir wollen nun Folgerungen aus dieser Funktionalgleichung ziehen. Setzt many = lfx, so folgt aus {74,5) und {74,3): l(x)

+ l (:) = l (x · l (: )

= l(l) = 0,

(x > 0) •

l(x)

= -

:)

{74,6)

Setzen wir ferner in (7 4,_5) y = x, so folgt l(x2)

Setzen wir ferner in {74,5) y

=

= 2 l(x) .

x" für ein natürliches n, so folgt

l(x"+ 1)

=

l(x)

+ l(x").

Ist nun für ein n bereits bekannt, dass l(x")

=

n l(x)

{74,7)

gilt, so folgt aus der vorletzten Formel, dass auch l(x"+l) = l(x) + n l(x) = = (n + 1) l(x) gilt, d.h., dass (74,7) auch für n + 1 wahr ist. (74,7) ist aber für 14 Ostrowski I

210

§ 21, 74. Die I-Funktion und die e-Funktion

n = 1 und n = 2 wahr. Daher gilt (74,7) nach dem Prinzip der vollständigen Induktion für jedes natürliche n. Wir wollen nun beweisen, dass (74,7) auch für jedes rationalen wahr ist. Denn es sei zunächst n positiv, gleich p fq, wo p und q natürliche Zahlen sind, und es sei x 1 fq = y, x = yq. Dann folgt, wenn (7 4, 7) für n = q angewandt wird, l(x)

q l(y), l(y)

=

und weiter, wenn (74,7) für n

=

= -

1 q

l(x)

pangewandt wird,

l(yP) = p l(y}

_p_ l(x) . q

=

Da aber y P = xpfq ist, ist damit (7 4, 7) für n = p jq, d. h. für jedes positive rationale n bewiesen. Ist n = 0, so reduziert sich (74,7) auf 1(1) = 0 und steckt bereits in (7 4,3). Ist endlich n eine negative rationale Zahl: n = - r, wo r positiv rational ist, so folgt aus (74,6)

l(x") = -l(x-")

=

-l(x')

= -

r l(x) = n l(x) ,

da ja (74,6) für den Exponenten r angewandt werden kann. Daher gilt (74,7) auch für negative rationale Zahlen. Damit ist (7 4, 7) für alle rationalen n nachgewiesen. Was geschieht nun •mit l(x) für x t oo? - Dann wächst l(x) entweder ins Unendliche oder gegen einen positiven Grenzwert. Für natürlichen gilt aber: 1(2") = n 1(2}, und da hier 1(2) > 0 ist, gilt l(2")-+ oo für n-+ oo. Daher bleibt l(x) nicht beschränkt, und wir sehen:

l(x) t oo

(x t oo) .

(74,8)

Was geschieht nunmehr, wenn x - über positive Werte -gegen 0 konvergiert? -Dann konvergiert 1fx gegen oo, und aus l(x) = -l (1/x) folgt, dass l(x) gegen - oo konvergiert: l(x) t - oo (x t 0) . (74,9) Wir sehen also, dass, wenn x die positive Halbgerade (0, oo) von links nach rechts durchläuft, die Werte der I-Funktion dann die ganze Zahlengerade von - oo bis oo durchlaufen. Für ein beliebiges reelles y betrachten wir die Gleichung

l(x) = y.

(74,10)

Nach dem Zwischenwertsatz folgt, dass die stetige Funktion l(x), da sie ja beliebig kleine negative und beliebig grosse positive Werte annimmt, auch den Wert y annimmt. Da sie eigentlich monoton ist, kann sie den Wert y nur

211

§ 21, 74. Die l·Funktion und die e-Funktion

an einer einzigen Stelle annehmen. Daher besitzt die Gleichung (74,10) für jedes reelle y eine eindeutig bestimmte, positive Lösung, die als Funktion von y mit X=

(- oo < y < oo)

e(y)

(74,11)

bezeichnet werden soll. Die Funktion e(y) ist dann die Umkehrfunktion der Funktion l(x) für jedes abgeschlossene x-Intervall, das in (0, oo) liegt. Daher ist nach dem in Nr. 62 bewiesenen die Funktion e(y) ebenso wie l(x) eigentlich monoton wachsend, stetig und differenzierbar. Zugleich folgt für ihre Ableitung: ,

e (y)

= -

dx 1 1 1 = = = = dy .!:1.._ l' (x) __!__ dx x

x

=

e(y):

d~~) = e(y).

(74,12)

Die e-Funktion hat also die bemerkenswerte Eigenschaft, dass sze sich durch Differentiation reproduziert. Aus den Relationen (7 4,3) folgt weiter: e(O) = 1;

e(y) < 1

(y < 0) ;

e(y) > 1 (y > 0) .

(7 4,13)

Ferner folgt aus (74,8) und (74,9)

e(y)

t oo

(y

t oo);

e(y)t 0 (y t- oo) .

(7 4,14)

Denn wächst y über alle Grenzen, so wächst auch x = e(y), kann aber dabei nicht gegen einen endlichen Wert konvergieren, da dann auch y = l(x) gegen den entsprechenden endlichen Wert konvergieren müsste. Fällt aber y nach - oo, so fällt x = e(y) über positive Werte gegen 0; denn würde x dabei gegen einen positiven Wert konvergieren, so müsste auch y = l(x) gegen den entsprechenden endlichen Wert konvergieren. Was entspricht bei der Funktion e(y) der Funktionalgleichung (74,5) und den Relationen (7 4,6) und (7 4, 7)? - Es seien y 1 und y 2 zwei beliebige reelle Zahlen. Wir setzen X1 =

e(yl) ,

X2 =

e(y2) ;

Y1 =

l(xl) ,

Y2 =

l(x2) ·

Wegen (74,5) folgt Daher ist x 1 x 2 der Wert der e-Funktion für das Argument y 1 + y 2 , und es ergibt sich, wenn man die obigen Werte von x 1 und x 2 berücksichtigt,

212

§ 21, 75. Potenzen mit beliebigen Exponenten

d. h. die für alle y 1 und y 2 geltende

Funktional~leichun~

der e-Funktion: (7 4,15)

Setzen wir hier y 1 = y, y 2 = - y, so folgt wegen e(O) = 1 die zu (7 4,6) analoge Formel e (- y)

=

1 e(y) •

(74,16)

Die (74,7) entsprechende Formel könnte hier sukzessive aus (74,15) hergeleitet werden. Wir wollen sie lieber aus (7 4, 7) direkt ableiten. Es sei für ein beliebiges reelles y x = e(y) , y = l(x) gesetzt. Dann liefert (7 4, 7) und daher

xn = e(ny). Ersetzen wir x durch seinen obigen Wert e(y), so folgt die Relation

e(n y)

=

e(y)n 1 )

(7 4,17)

,

die für jedes rationale n gilt. Mit Hilfe dieser Relation lassen sich aber nunmehr auch Potenzen mit irrationalem Exponenten besonders einfach und natürlich definieren. 75. Potenzen mit beliebigen Exponenten Sei X eine beliebige positive Zahl. Was hat man für ein irrationales

e unter

xQ zu verstehen? - Die Schulmathematik definiert diese Potenz folgender-

massen: Man wählt eine beliebige Folge rationaler Zahlen r., die gegen konvergiert, und setzt sodann XQ =

Limx'•

(r. rational, r.-+ e) .

e

(75,1)

•~oo

Diese Definition setzt aber den Beweis von zwei Tatsachen voraus, erstens, dass der Grenzwert rechts in (75,1) vorhanden ist, und zweitens, dass dieser Grenzwert von der speziellen Wahl der Folgen r. unabhängig ist und nur von e (und x) abhängt. Beides lässt sich besonders einfach aus unserer Theorie der l- und der e-Funktion erschliessen. Denn es sei a = l(x) , x = e(a) . 1) Man schreibt gewöhnlich anstatt [/(x)] n einfacher metrischen Funktionen immersinn x, .. . , ctgnx.

f(x)n,

seltener

fn(x),

jedoch bei trigono-

213

§ 21, 75. Pozenzen mit beliebigen Exponenten

Dann liefert (74,17) für y

a, n

=

r.:

=

e(r,. a}

=

e(a)"v

=

x•• .

Aus r.-+ e folgt aber r. a-+ e a, und da die e-Funktion überall und insbesondere an der Stelle e a stetig ist, konvergiert e(r. a) gegen e(e a}. Daher gilt (r. rational, r.-+ e) .

x'•-+ e(e a)

(75,2)

Hier hängt aber der Grenzwert in der Tat nur vom Exponenten e und von der Basis x ab. Daher erhalten wir mit Hilfe der e-Funktion die folgende Definition der allgemeinen Potenz x 11 :

I

Xe= e(el(x))

(x> 0,

-00

< e < oo)

·I

(75,3)

Diese Definition liefert auch für rationale e gerade den richtigen Wert von Xe, wie sich aus (7 4,17) ergibt, wenn dort y durch l(x) und n durch e ersetzt wird. Es ist nun leicht zu zeigen, dass die beiden folgenden Rechenregeln für beliebige e1 und e 2 gelten: (75,4) Denn ist l(x)

=

a, so gilt nach (74,15}, wegen x 11 '

und ferner wegen

e1 a =

=

e(e 1 a}, x 11'

=

e(e 2 a):

l(x 11 '}:

Ganz analog beweist man die Richtigkeit der Relation

Was endlich die Wurzel mit dem allgemeinen Wurzelexponenten anbetrifft, so setzen wir allgemein:

I Vx Für x

=

=

x 1111

(e

+ o. x > o) .

e

(75,5)

1 liefert (75,3) wegen

l(1)

=

0,

el(1} = 1e

=

0 , e(O)

1.

=

1:

(75,6)

214

§ 21, 76. Einige allgemeine Ungleichungen

Ferner ist l(x) eine eigentlich monoton wachsende Funktion von x, daher für positive e auch(! l(x) und damit auch e(e l(x)) = x 11 • Für negative e fällt(! l(x) eigentlich monoton und damit auch e(e l(x)) = x 11• Wir sehen: x 11 ist für positive (! eine eigentlich monoton wachsende und für negative e eine eigentlich monoton fallende Funktion von x. Ferner stellen wir fest, dass x 11 im Intervall (0, oo) stetig ist. Denn für jedes positive x ist l(x) stetig, daher auch y = e l(x), und da auch e(y) für alle y stetig ist, folgt die Behauptung aus dem Ende Nr. 40 bewiesenen Satz über die Einsetzung stetiger Funktionen in stetige Funktionen. Strebt x für positive e fallend gegen 0, so strebt l(x) wegen (74,9) monoton fallend gegen - oo und dasselbe gilt auch für e l(x). Aus der zweiten Relation (74,14) folgt, dass dann die linke Seite von (75,8) gegen 0 konvergiert. Legen wir also der Funktion x 11 mit positivem(! den Wert 0 für x = 0 bei, so ist dann die Funktion x 11 auch für x = 0 rechtsseitig stetig. Die Ableitung von x 11 ergibt sich aus (75,8) vermöge der KettenregeL Setzen wir y = (! l(x) , so folgt wegen (75,8) dx 11 = dx

de(y) . k = e(y) d(] l{x) = Xe . (! . ..!.._ x ' dx dx dy

(75,7) Wie man sieht, ist die in Nr. 64 für jedes rationale r nachgewiesene Differentiationsregel (64,7) auch für irrationale r richtig, sofern wieder x > 0 angenommen wird. Mit dieser Einschränkung ist die Formel (64,7) nunmehr für beliebige Exponenten nachgewiesen. 76. Einige allgemeine Ungleichungen Da wir nunmehr den Begriff des irrationalen Exponenten haben, wollen wir jetzt die in Nr. 18 formulierte aUgemeine Ungleichung zwischen dem arithmetischen und geometrischen Mittel beweisen. In Nr. 18 wurde dieser Beweis nur unter der Annahme rationaler Gewichte erbracht. Setzen wir in den Formeln (18,9) allgemein

Pv PI+···+t>,. =q.

(v=1, ... ,n),

so sind die q. zugleich mit a11en p. positiv und haben die Summe 1. Dann verwandeln sich die Ausdrücke (18,9) in (76,1) s = a 1 q1 + · · · + a,. q,., g = a'f' • · · a!", und die zu beweisende Behauptung besagt:

Die allgemeine Ungleichung zwischen dem arithmetischen und geometrischen Mittel. Es seien av (v = 1, ... , n) n nicht negative Zahlen und q. (v = 1, ... , n) n positive

215

§ 21, 76. Einige allgemeine Ungleichungen

Zahlen mit der Summe 1. Dann gilt, wennsund g durch (76,1) definiert werden, die Ungleichung g;;;,s

(76,2)

wobei das Gleichheitszeichen dann und nur dann zutrifft, wenn alle av einander gleich sind. Da in diesem letzteren Falle das Zutreffen des Gleichheitszeichens trivial ist, wollen wir beim Beweis annehmen, dass nicht alle aveinander gleich sind und unter dieser Annahme beweisen, dass g < s ist. Um zunächst einmal (76,2) unter Zulassung des Gleichheitszeichens zu beweisen, bilde man zu jedem qv eine positive, rationale Zahl rv, die < qv ist und setze (76,3)

R = r 1 + ... + rn,

Q = q{ + ... + q~;

(76,4)

dann gilt (76,5)

da ja für rationale Exponenten unsere Behauptung mit dem Kleinerzeichen bereits in Nr. 18 bewiesen wurde. Lässt man nun in (76,5) jede der rationalen Zahlen rv gegen die entsprechenden Zahlen qv konvergieren, so strebt R in (76,4) gegen 1 und wir erhalten in der Grenze aus (76,5) die Relation (76,2), die damit mit ;;;,-Zeichen allgemein bewiesen ist. Um aber zu zeigen, dass in dieser Relation das Kleinerzeichen gilt, benutzen wir jetzt in (76,5) ein festes System rationaler Zahlen r 1 , . . . , rn und schreiben für die daraus vermöge (76,3) und (76,4) gebildeten positiven Zahlen q; und Q die entsprechende Ungleichung zwischen dem arithmetischen und geometrischen Mittel, soweit sie bisher bewiesen wurde, d. h. mit ;;;,-Zeichen: (76,6) Wir bezeichnen nun die Ausdrücke rechts in (76,5) und (76,6) bzw. mit A und B und beachten, dass wegen (76,3) und (76,4) R + Q = 1 gilt. Wenden wir nun auf die Grössen A und B und die Exponenten R und Q die Ungleichung (76,2) mit ;;;,-Zeichen, so folgt:

n

Hier ist der Ausdruck rechts, wegen (76,3), gleich ~ qv av aber wegen (76,5) und (76,6) grösser als v= 1 =

a{' ... a!n

=

=

s, der Ausdruck links

g•

Damit ist aber die Behauptung g < s bewiesen. Aus dem damit vollständig bewiesenen Satz folgern wir nunmehr zuerst die sogenannte Jensensehe Un~leichun~ (].L. W. V.]ensen, 1859-1925}: Es seien m Zahlensequenzen aus je n nicht negativen Zahlen av, bv, ... , kv (v = 1 , ... , n} gegeben, die etwa als ein

rechteckiges System (die rechteckige } geschrieben werden mögen: al bl ... kl a2 b2 ••• k2 (76,7)

216 a,

ß,

§ 21, 76. Einige allgemeine Ungleichungen

x: seien entsprechend m positive Zahlen mit der Summe 1. Setzen wir n

L,

a,

n

n =

L

A,

v=l

k,. = K,

(76,8)

jl=l

so gilt (76,9)

wobei das Gleichheitszeichen dann und nur dann gilt, wenn eine der Kolonnen von (76, 7) aus lauter Nullen besttht, oder sämtliche Kolonnen von (76, 7) einander proportionatl) sind. Da das Bestehen von (76,9) mit dem Gleichheitszeichen· trivial ist, wenn eine der Kolonnen von (76,7) nur Nullen enthält, darf beim Beweis angenommen werden, dass alle Summen in (76,8) positiv sind. Daher kann (76,10) in der Form geschrieben werden

)a (

n ( a, k, )" _L-y···x~1. V=

(76,10)

1

Wenden wir aber hier auf das v-te Glied links die allgemeine Ungleichung zwischen dem arithmetischen und geometrischen Mittel an, wobei als Gewichte a, ... , x: dienen sollen, so ist dieses Glied ~ a a,fA + · · · + x: k,fK und daher ist die ganze Summe links in (76,10) n

-,;;;:

L V=

n

L

n 1

L

av k, av kv v=l v=l a-+···+X:-=a---+···+---=a+···+X:=1 A K A K '

womit auch (76,9) bewiesen ist. Das Gleichheitszeichen gilt in (76,10) offenbar dann und nur dann, wenn für jedes v die zugehörigen Quotienten links einander gleich sind: -

av A

bv

k".

B

K

= - = ••• = - =

a,

(v = 1, ... , n),

d. h. wenn die Zeilen in (76, 7) sämtlich proportional sind. Andererseits wird in der Determinantentheorie bewiesen und ist sehr leicht zu überlegen, dass, wenn in einem rechteckigen Schema (76, 7) alle Zeilen einander proportional sind, dasselbe auch für alle Kolonnen gilt und umgekehrt. Damit ist unser Satz vollständig bewiesen. Wir spezialisieren nun die Ungleichung (76,9) für m = 2, wo also nur zwei Zahlensequenzen a, und b, vorliegen. Wir setzen zugleich 1/a = e, 1/ß = a, so dass 1/(! + 1/a = 1 wird und ferner für jedes v, a; = x,, bff = y., so dass dann av = x.Q, bv = y; wird; dann liefert (76,9) die sogenannte Höldersche Ungleichung (0. Hölder, 1859-1937): (76,11)

Das Gleichheitszeichen gilt in dieser Ungleichung nach dem obigen dann und nur dann, wenn die beiden Zahlensequenzen x 1Q, • • • , x%; yf, .. .• yi{ proportional sind. 1 ) Zwei Zahlensequenzen aus je n Elementen wie z. B. a" ... , an; b" .. . , bn heissen proportional, wenn entweder alle av verschwinden oder alle b, verschwinden oder für diejenigen v, für welche nicht die beiden Zahlen a,, b~ zugleich verschwinden, der Quotient a,/b, einen von v unabhängigen, endlichen positiven Wert besitzt. Im Falle der Proportionalität gibt es immer eine solche Zahl a, dass entweder die erste Sequenz aus der zweiten oder die zweite aus der ersten durch Multiplikation mit a entsteht.

217

§ 21, 76. Einige allgemeine Ungleichungen

Diese Ungleichung lässt sich offenbar sofort auf den Fall verallgemeinern, dass x, und y, beliebige Zahlen sind. In der Tat gilt dann

und daher, wenn (76,11) auf

Jx,J

und

I Yv I angewandt

wird

\Vir spezialisieren andererseits die Jensensehe Ungleichung, indem wir n = 2 setzen; so erhält man die Minkowskische Ungleichung:

(76, 12) :Man kann hier offenbar die beiden Terme links auffassen als die zu den Gewichten a, ... , " gehörenden geometrischen Mittel der Zahlen der ersten bzw. der zweiten Zeile in (76, 7). Der Ausdruck rechts in (76,12) ist das zu denselben Gewichten gehörende geometrische :Mittel der Summen entsprechender Zahlen der Kolonnen in (76, 7). Geschichtlich ergab sich die allgemeine Jensensehe Ungleichung erst durch die Vereinigung der Ungleichungen von Hölder und Minkowski. Insbesondere folgt aus (76,11°) für e = a = 2 die Cauchysche Ungleichung:

In denselben Zusammenhang wie die Höldersche Ungleichung gehört die sogenannte Minkowskische Dreiecksungleichung (H. Minkowski, 1864-1909): Es seien Xv, Yv(V = 1, ... 'n) jennicht negative Zahlen und > 1 gegeben. Man bilde Zv = Xv + Y• (v = 1, ... , n) und

e

A

=

(

t x.e)

1

C

/P

•=1

=

( L" z,P )1/p' •=1

(76, 13)

.

dann gilt (76,14) Zum Beweis betrachte man eine Zahl a =

e/(e- 1)

> 1, woraus (e- 1) a =

e

(76, 15)

folgt. Nach Definition von C gilt n

CP

=

L (xv+ Yv) z.~-l V=l

=

n

n

V=l

V=l

L x.ze-1 + Ly.zP-1 =A* +B*,

(76,16)

unter A*, B* die erste bzw. zweite Summe im dritten Term dieser Relation verstanden. Man wende aufA • die Höldersche Ungleichung (76,11) an, wobei Yv ersetzt wird durch z~-I_ Wegen (76,15) folgt dann

218

§ 21, 77. Logarithmus und Exponentialfunktion

Ersetzt man in dieser Ungleichung

durch y., so ergibt sich analog

Xv

B*;;;,Bce-1,

woraus durch Addition wegen (76,16)

+ B) ce-1

C€1;;;, (A

und sodann nach Division durch ce- 1 die Behauptung (76,14) folgt. Wir beweisen endlich, dass die Bernoullische Ungleichung der Nr. 17 auch für irrationale Exponenten > 1 gilt. Es ist dies die Ungleichung (1

+ a) 5 >

1+sa

(s > 1, a

~- 1,

a

* 0) .

(76,17)

Zu dem Zwecke beachte man, dass für -1 ;;;, a

0 in der Tat einfach die Ableitung des Logarithmus von f(x). Beispiel. Sei a =1= 0. Dann gilt

f' (x) ff(x)

d~ =_!__ dx 2

1

VxB + a

2x=

x

VxB + a

.

Daher

d(x+Vx 2 +a)

---'-'-_:.d_v---'---'--~

= 1

x + -./==2 vx + a

(x+~)'

1

(78,7)

(x + Vx + a) 8

Daraus folgt wegen (78,6), wenn x dlg(x+~) dx

1

+ yx 2 + a > (x

0 ist,

+ Vx 2 + a >

0) .

Aus (78,1) folgt sofort

Je"' dx = e"' + c .

(78,8)

§ 22, 78. Differential- u. Integralformeln, die Log.- u. Exponentialfunktionen enthalten

Wegen (78,2) ist die Ableitung ((1/a) ea"')'

f eax dx = folglich, da a"'

=

exlga ist, für a

IJ

=

=

_1_ eax a

225

eax und daher

+c

(78,9)

'

lga:

a"' dx

=

i- + ·I

(78,10)

c

Ferner folgt aus (78,6), wenn q:>(x) im betrachteten Intervall positiv ist,

f-

cp'(x) cp(x)

dx

lg q:>(x)

=

+c

(q:>(x) >

0) .

Ist aber q:>(x) im betrachteten Intervall negativ, so setzen wir - q:>(x)

=

tp{x) ,

Dann folgt

J ~(~;

dx

=

J~(~:

dx

=

lg tp{x)

=

lg lq:>(x)

I

(q:>(x)
(x)

und speziell für a

=

lg lq:>(x)

I+c

x - a, q:>' (x)

=

=

(q>(x) =l=

(78,11)

1:

f ~=lglx-al x-a =

o) .

+c

(78,12)

0:

r~=lglxl +c. X



(78,13)

Ferner folgt aus {78,70)

f v'.:r2 + dx

a

=lgjx+Vx 2 +al+c.

(78,14)

Kombiniert man die erhaltenen Formeln mit den früher entwickelten Regeln, so lässt sich nunmehr eine grosse Anzahl von Integralen ausrechnen, wie wir in der nächsten Nummer an Beispielen zeigen werden. 15 Ostrowski I

226

§ 22, 78. Differential- u. Integralformeln, die Log.- u. Exponentialfunktionen enthalten

Zuerst wollen wir noch eine weitere Differentiationsformel herleiten, nämlich die Ableitungsformel für u", wo u und v Funktionen von x sind. Man kann (u")' erstens nach der allgemeinen Kettenregel (69,8) bilden: du"

3u"

~

~

3u" = h

- - = u' - - + v' - -

u'(v u"- 1)

du" v - = u" ( u'dx u

+ v'(u" lgu)

+ v' lgu) .

'

(78,15)

Das gleiche Resultat erhalten wir zweitens ohne Benutzung der Kettenregel durch Betrachtung der logarithmischen Ableitung: (u"{ u

= ~~ = d(v Igu) = v' lgu dx

dx

+ v ~' u

worC1,us durch Multiplikation mit u" wieder (78,15) folgt. Ist z.B. u = v = x, so folgt (x.,)'

xx (1

=

+ lgx)

.

In den Anwendungen der Infinitesimalrechnung werden gewisse Verbindungen von ex unde-xoft benutzt. Es sind dies die Funktionen: Sinx= Tgx

=

ex- e-x

Cosx=

2

ex- e-x ex+e-x'

ex + e-x 2

ex + e-x Ctgx=-.,~. e -e

(78,16)

Man nennt diese Funktionen die hyperbolischen Funktionen und liest die obigen Symbole bzw.: Grossinusx, Grossscosinusx, Grosstangensx und Grosscotangensx. Diese Benennungen bringen eine gewisse Analogie zu den trigonometrischen Funktionen zum Ausdruck. In der Tat gelten auch für die hyperbolischen Funktionen ganz analoge Formeln wie für die trigonometrischen Funktionen; oft ist der einzige Unterschied der, dass gewisse Glieder ein anderes Vorzeichen haben. So folgt z.B. aus den Formeln (78,16): (78,17)

T dSinx

gx =

---= dx

Cosx

1 Ctgx = '

Sinx Cosx '

dCosx --;z;=

(78,18)

S'mx.

(78,19)

§ 22, 78. Differential- u. Integralformeln, die Log.- u. Exponentialfunktionen enthalten

227

Der Verlauf der vier hyperbolischen Funktionen (78,16) ist in den Figuren

29-32 dargestellt.

X

0

X

y = Cosx

Figur 30

y

0

X

X

y = Tgx

y- Ctgx

Figur 31

Figur 32

Die Umkehrfunktionen der hyperbolischen Funktionen, die also den ArcusFunktionen entsprechen, werden so bezeichnet, dass man vor das Funktionssymbol das Symbol Ar (lies: Area) schreibt. So folgt bzw. aus

y = Sinx: y = Cosx:

x = ArSiny; x =Ar Cosy;

y = Tgx: y = Ctgx:

x = ArTgy; x = ArCtgy.

Die letzte Umkehrfunktion wird z.B. gelesen: Area Grosscotangensyt). Um diese Umkehrfunktionen an Han.d der Sätze von § 18 genau zu diskutieren, müssten wir allerdings zuerst die Monotonieintervalle der vier hyper1) Hyperbolische Funktionen wurden von V. Riccati 1757 eingeführt. Ihre Theorie wurde sodann 1768 von J.·H. Lambert (1728-1777) weiterentwickelt, der die Bezeichnungen sinhx, coshx, tghx, ctghx verwendete, die auch heute noch sehr oft benutzt werden, trotz ihrer Schwerfälligkeit. Man liest dies dann Sinus hyperbolicus x, ·cosinus hyperbolicus x, Tangens hyperbolicus x, Cotangens hyperbolicus x. Daneben sind auch gebräuchlich die Bezeichnungen 6inx (C. Gudermann), Shx und analog für andere hyperbolische Funktionen. Für die Umkehrungen hyperbolischer Funktionen schreibt man auch oft anstatt Ar Sinx z. B. Ar sinhx oder Arg sinhx. Man liest dies dann Area sinus hyperbolicus oder Argumentsinus hyperbolicus. Area (lat. Fläche) bei hyperbolischen Funktionen entspricht arcus (lat. Bogen) bei trigonometrischen Funktionen, da man das Argument hyperbolischer Funktionen als einen Flächeninhalt deuten kann. 1~·

228

§ 22, 79.

Integrationsbeispiele

bolischen Funktionen bestimmen. Da indessen die Umkehrfunktionen der hyperbolischen Funktionen in der Praxis selten benutzt werden, wollen wir darauf nicht eingehen. 79. Integrationsbeisp iele ~ - _!_ Beispiel!. 1 + x• - 2

I

(1 + x•)' 1 + x•

- _!_ dx2 lg{l

+ x ll) + c.

Beispiel 2.

I tgx dx = I sinx dx =-I (cosx)' dx = -lg I cosx I + c .

Beispiel 3.

Ictgx dx =I (si~x)' dx = lg Isinx I + c.

COSX

COSX

SlnX

Beispiel 4.

Da aber nach der Kettenregel 1 1 (tg2X)' =--x-2

ist, folgt weiter

I sinx = dx

Beispiel 5.

I cosx dx

=

f

I

cos 1 -

2

I I+ c .

(tg ;x )' tg2

x

dx = lg tg 2

dx

) , . ( :n; sm 2 -x

und dies wird, wenn y = wird, gleich

:n /2

- x als neue Integrationsvariable eingeführt

.l\ -I~=-lgltg.!.. 2 smy

'Y=n/2 _,.

.-~)l+c= +c=-lgltg(.!!... 2 4

=lglctg(:- ;)l+c.

Beispiel 6.

I arctg x dx integrieren wir partiell: ,

1

-· u = arctgx, u =1 +x 1 '

v'

=

1, v =x:

229

§ 22, 79. Integrationsbeispiele

f arctgx dx = x arctgx- f

1

xdx 1 + xa

= x arctgx- 2 lg(1 + x 2) + c.

Beispiel 7. J arcsinx dx integrieren wir partiell: u

1

,

u =

arcsinx,

=

. dx f arcsmx

=

v' = 1,

V1-x 2 . x arcsmx-

V

J •'.xdx

=X:

.

v1-x 1

Im letzten Integral führen wir y = 1 - x 2 als neue Integrationsvariable ein: dy = - 2 x dx, x dx = - dyf2. Dann folgt

f ~~

=-

~ f~

=-

~ y~2

=-

VY = - v1 - xs .

2

Daher J arcsinx dx Beispiel 8.

x arcsinx +

=

V1 - x

2

+ c.

Jx ez dx wird partiell integriert: U

=

v' = ez ,

u' = 1 ;

X ,

V

= e"' .

Daher J x e"' dx = x e"'- Je"' dx = (x -1) e"'

+ c.

Beispiel 9. J lgx dx wird partiell integriert: u = lgx

'

u'

= -

1 X

·

'

v' = 1 , v = x .

Daher Jlgxdx=xlgx-J x! dx=xlgx-x+c. BeispiellO. J x" lgx dx(n =1= - 1). Dieses Integral ist für n = 0 mit dem Integral im Beispiel 9 identisch. Für allgemeine n gehen wir genau gleich vor wie im Beispiel 9. Die partielle Integration ergibt für 1

u = lgx, u'=-· X '

v' =x"

x"+l

'

v = --: n +1

230

§ 22, 79. Integrationsbeispiele

Jx" lg

X

dx

n+ 1 lg x n+1

J-

1

-

= _x_ _

x

n+ 1 _x_ _ dx = n+1

Für n = - 1 betrachten wir allgemeiner das Integral:

J

Beispielll. ((lgx)mfx) dx.- Hier führen wir y variable ein. Wegen y = lgx, dy = dxfx folgt

=

lgx als neue Integrations-

(m =l= - 1) ,

l

Daher

J

(m = -1).

+c

(lgx)m+ 1

(lg:) m

dx =

m

(m =l= - 1) ,

+1

lg llgx

I+ c

(m

=

-1).

J(

Beispiel12. (lg lgx) m Jx lgx) dx (x > 1)1). - Hier muss x > 1 genommen werden, damit lgx positiv bleibt. Wir führen y = lg lgx als neue Integrationsvariable ein. Es ergibt sich, wenn man y = lg z, z = lg x setzt:

dx

dz

dx

und daher

Damit folgt

J

r (lglgx)m+1

JV

X2

+ a dx =

2

x

m+1

+ a dx (a =1=

(m =l= - 1) '

(m

=

-1).

(m =1= -1) ,

+c

I+ c

(m

=

(x > 1)

-1).

O) - Die partielle Integration ergibt

Vx + a- Jx 2 ~ x +a 2

= x Vx 2 + a1)

ym+1_

lgy

(lg lgx)m dx - { x lgx

JVx

d y-~ x !gx

'

r

=

lig llg lg X

Beispiel 13.

X

J. Y m dY = 1m + 1

m

dx J (lg lgx) x lgx

Z

2

JVx

2

=

x

Vx + a - J (x~ a dx = x +a 2

2

+ a dx + a J ~ x +a

Unter dem Symbollg lgx versteht man lg (lgx).

2

.

§ 22, 80. Anw. d. Exponentialfunktion a.d.Gesetz d. nat. Wachsens u.Abnehmens

231

Benutzt man (78.14). so folgt 2

I Vx + a dx = x Vx + a + a lg (x + Vxz + a) + c . 2

2

2c

(a > 0), c durch Ersetzt man hier a durch .!!._ a Va so folgt allgemein ziert mit

Va,

I Va x + a dx = 2

~

a + -2a

lg a und multipli-

Va x + Va x + a) + c (a > 0, a =t= 0) .

V

x a x 2 + a + 2 ~ lg (

2

80. Anwendung der Exponentialfunktion auf das Gesetz des natürlichen Wachsens und Abnehmens Mit Hilfe der Exponentialfunktion lassen sich viele Vorgänge beschreiben, die in den Naturwissenschaften und in der Nationalökonomie betrachtet werden und sich auf die verschiedenartigsten Dinge beziehen. Das Gemeinsame an all diesen Vorgängen ist, dass in ihnen eine bestimmte Grösse sich so ändert, dass das Änderungsverhältnis nur vom durchlaufenen Intervall abhängt. Bei kontinuierlicher Verzinsung z. B. multipliziert sich das Kapital nach Ablauf einer beliebigen Zeit mit einem Faktor, der nur von dieser Zeit und nicht vom Kapital abhängt; ähnlich verhält es sich mit dem natürlichen Wachstum einer Population. Beim radioaktiven Zerfall vermindert sich das Quantum des radioaktiven Stoffes in einem Verhältnis, das nur von der verflossenen Zeit abhängt. Im Falle der Lichtabsorption beim Durchgang durch ein homogenes absorbierendes Medium sinkt die Lichtintensität in einem Verhältnis, das nur von der Dicke der durchlaufenen Schicht abhängt und nicht von der Anfangsintensität des Lichtes usw. Formelmässig lässt sich dies folgendermassen fassen: Wir betrachten eine Funktion f(x), die für alle x aus dem offenen Intervall] = (a, {1) definiert und positiv ist. Für beliebige Argumente x 1 und x 2 aus J soll der Quotient f(x1 )/f(x2 ) nur von der Differenz x 1 - x 2 abhängen: (80,1) Machen wir nun noch die weitere Annahme, dass es irgendein x 0 aus ] gibt, so dass

f(x) an der Stelle x 0 diUerenzierbar ist, so können wir die Funktion f(x) mit Hilfe der

Exponentialfunktion darstellen. Dazu schreiben wir (80,1) in einer anderen Form, indem wir x 2 und x1 bzw. durch x und x + h ersetzen. Es ergibt sich, wenn man mit f(x) heraufmultipliziert,

I (x + h) wenn x und x + h beide in

=

f(x) tp(h)

(x, x

+ h -, b~">, c~")), der linear und homogen in den Unbekannten (83,1) ist. Setzen wir diesen Koeffizienten= d,, so ergibt sich ein System von n Gleichungen (83,3)

Die Anzahl der Unbekannten (83,1) in diesen Gleichungen ist, wie sich aus der Formel (82, 7) ergibt, n 1 + · · · + n, + 2 (m1 + · · · + mk) und dies ist der Grad des Produktes rechts in (82,3), d.h. der Grad n von /(x). Die gesuchte Partialbruchzerlegung ergibt sich daher durch die Auflösung der n Gleichungen (83,3) nach denn Unbekannten (83,1). 16 Ostrowski I

242

§ 23, 84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung

84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung Um zu beweisen, dass das System der n Gleichungen (83,3) mit n Unbekannten stets und eindeutig auflö~bar ist, genügt es nach dem oben angeführten Determinantensatz zu zeigen, dass das homogene Gleichungssystem, das sich aus (83,3) für d. = 0 ergibt, nur die triviale Lösung besitzt, bei der alle Unbekannten (83,1) verschwinden. Setzt man aber in (83,2) alle dv = 0 und dividiert durch f(x), so ergibt sich die Relation

(84,1) die mit dem zu (83,3) gehörenden homogenen Gleichungssystem äquivalent ist. Wir haben daher zu beweisen, dass die Relation (84,1) das identische Verschwinden aller Partialbrüche links in dieser Relation zur Folge hat. Wäre nun z.B. der auf x-a1 bezügliche Hauptteil in (84,1) nicht= 0, soseisder höchste Exponent, für den a; 1> 0 ist. Dann belasse man den zugehörigen Partialbruch links und bringe alle übrigen Partialbrüche auf die rechte Seite. So ergibt sich

*

Multiplizieren wir nun dies mit (x- a 1 ) 5, so ergibt sich

a=-(x-a) 1

[

r

nll

a(ll) (x-a,)S-1

" "• L..J L..J

(!=2 •=1

(x-a )" 11

s-1

1 -•+ + L..J "a(x-a)s1

v=1

(84,2)

*

0 ist, während, wenn wir im AusDiese Identität ist aber unmöglich, da die Zahl links druck rechts x = a 1 setzen, der erste Faktor verschwindet, während der Ausdruck in den eckigen Klammern einen endlichen Wert erhält. Damit ist bewiesen, dass in (84,1) der zu x- a 1 gehörende Hauptteil = 0 ist. Und dasselbe gilt natürlich auch für die übrigen Hauptteile, die zu den Linearfaktoren x - all gehören. Hiermit reduziert sich (84,1) auf

(84,3) Es möge nun etwa der zum quadratischen Faktor x 2 + ß1 x + y 1 gehörende Hauptteil in (84,3) nicht identisch verschwinden und es möge s der grösste Exponent sein, für den der zugehörige Koeffizient b} 1l x + c} 1l nicht 0 ist. Wir isolieren dann diesen Partialbruch in (84,3), indem wir alle übrigen Partialbrüche auf die rechte Seite bringen:

Multipliziert man dies mit (x 2 + ß1 x + y 1 ) 5 - 1 , so wird x 2 + ß1 x + y 1 aus dem Nenner rechts sich herausheben, so dass im Generalnenner der rechten Seite nur die zugehörigen Potenzen

§ 23, 84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung

der quadratischen Polynome x 2 + ß,. x geeignetes Polynom g(x)

+ y,. mit " > 1 bleiben. So ergibt sich für ein

bp>x+cp> _..+P,x+y,

248

g(x)

k

JI (x'+Pxx+l'x)mx

>, a~2, >, ... , an. r Beispiel2. 1f[x (x-1) 2] . - Der Ansatz (82,7) liefert hier, wenndie unbekannten

Koeffizienten rechts wiederum mit a, b, c bezeichnet werden, 1

x(x-1) 2

=~+-b-+ c x x-1 (x-1) 2

§ 23, 84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung

245

Hier kann man a und c direkt bestimmen. Denn multipliziert man beide Seiten mit x, so ergibt sich 1 (x -1) 2

bx

= a+

cx

+

x -1

(x -1) 2



Setzt man hier x = 0, so erhält man sofort a = 1. Multiplizieren wir aber die angesetzte Gleichung auf beiden Seiten mit (x- 1) 2 , so ergibt sich 1

a(x-1)2

+b(x-1)+c

X

und daher, x = 1 gesetzt, c = 1. Es bleibt daher in der obigen Zerlegung nur noch b zu bestimmen. In diesem Falle lohnt es sich aber nicht mehr, die linearen Gleichungen nach dem in Nr. 83 auseinandergesetzten Verfahren zu bilden. Es ist vielmehr einfacher, wenn man in der oben angesetzten Formel einen geeigneten speziellen Zahlenwert für x einsetzt. Für x = - 1 z. B. ergibt sich, wenn man a = c = 1 berücksichtigt: - _!_ =-a- ~ 4

2

+~= 4

-~ _l_ 2

4'

woraus b = - 1 folgt. Zur Kontrolle setzen wir noch x

1/2

=

1/2-1 + 1.

=

2, dann ergibt sich

Daher ist die gesuchte Partialbruchzerlegung: 1 x(x-1) 2

woraus

I

=_!_ _ _1_+

dx = lg x(x- 1) 2

x

x-1

IX I -

lg

IX -

1 (x-1) 2

1 I-

-x-1 -1 + C

folgt. Beispiel 3. 1f(x2 - a 2) (a =!= 0).- Hier lautet der Ansatz: __ 1_ x2 - a2

=

_a_ x- a

+

_b_ x +a ·

Multiplizieren wir beide Seiten mit x- a und setzen sodann x sich 1

b

--=a+ (x-a) - x+a

x+a'

Multiplizieren wir aber beide Seiten mit x so folgt

- = b + (x x-a 1

=

a, so ergibt

1

a = 2a.

+ a und setzen sodann x = - a,

a + a) -x-a -,

1

b=-~·

246

§ 23, 84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung

Daraus folgt, wie auch direkt zu verifizieren ist, 1

x2

-

1 [ 1 2a x- a -

a2 =

1

x +a

l

und

f~ = x -a

_21

Beispiel 4. x3f(x2

a

-

(lg I x - a

I-

lg I x- a I + c . + a I) + c = _21 x+a a

lg I x

a 2) (a =1= 0). -Hier lautet der Ansatz: x3

a

b

--+--+cx+d -2- = 2 x

-

x

x - a

a

+a

'

da der Grad des Nenners denjenigen des Zählers um 1 übersteigt. Man beachte übrigens, dass, wenn es sich bloss um die Integration dieses Bruches handeln würde, man y = x2 als neue Integrationsvariable einführen sollte. Doch wollen wir eben die Partialbruchzerlegung aufstellen, was auch für verschiedene andere Zwecke von Bedeutung sein kann. Multipliziert man die angesetzte Relation mit x- a und setzt sodann x = a, so folgt x3

-- =

x+a

b

a + (x- a} - x+a

Multipliziert man aber mit x x3 x-a

-- =

b + (x

+ (x -

+ a,

a) (c x

+ d)

,

so ergibt sich analog für x

=-

a:

a - + (x + a) (c x + d) , + a) x-a

Setzt man die für a und b gefundenen Werte ein, so reduziert sich die angesetzte Relation auf: x3

x

x -a

x -a

-2--2 =a2-2--s

Hieraus folgt für x x, so ergibt sich

=

0 :d

=

+cx+d.

0. Lässt man hier aber d weg und dividiert durch

woraus für x = 0 endlich c = 1 folgt. Wir erhalten damit

l +x

- - + x-+1a

xa - =a2 - [ 1 -x- a 2 x2 - a2

'

§ 23, 84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung

247

was durch Addition sofort verifiziert werden kann. Daher gilt

fx

~ 2 _

a 2 dx =

~

2

[lg J x- a

I + lg I x + a IJ + 2~ + c =

Dasselbe Resultat erhält man, wenn man zuerst das Integral durch Einführung der neuen Integrationsvariablen y = x2 vereinfacht.

J

Beispiel 5. (x3 + 1) dxf[x (x 9 - 1)]. - Dieses Integral wird zuerst durch Einführung einer neuen Integrationsvariablen: y = x3,

dy = 3 x2 dx ,

dx

=

dy 3 x2

vereinfacht. Man erhält

f

xa + 1 x(x9 -1)

dx _ _!_ -3

J

x3 + 1 x 3 (x9 -1)

d

1

y=3

Jy(ya-1) + y

1

dy.

Die Partialbruchzerlegung setzen wir wie folgt an: Y+1 =~+-b-+ cY+d y(y-1) (y 2 +y+1) y y-1 yi!+y+1

Hier erhält man a und b, wenn man mit y, bzw. y -1 heraufmultipliziert und sodann y = 0 bzw. y = 1 setzt: a = -1, b = 2J3. Um Gleichungen für c und d zu erhalten, setzen wir in der obigen Relation y = -1 und y = 2. Dann ergibt sich: -

oder

3 1 =-14 2

+ -23 + -17 (2 c + d)

c-d=.!.

3 '

woraus c = 1/3, d

= -

1/3 folgt. Damit ergibt sich:

Zur Kontrolle setzen wir y = - 2 und erhalten- 1/18 = 1/2- 2/9- 1/3. Die Integrale der beiden ersten Partialbrüche in der obigen Partialbruchzerlegung ergeben sich unmittelbar zu

248

=

§ 23, 84. Der Beweis der Möglichkeit und Eindeutigkeit der Partialbruchzerlegung

Um den letzten Partialbruch zu integrieren, schreiben wir y 2 + y + 1 (y + 1/2) 2 + 3/4 und setzen:

=

dy = -V3 2-dz. Dann ergibt sich

f

y-1

y2 + y + 1

dy =

2

V3

f ':

z-

zs + 1

~

1

dz = 2 lg I z2

= ~ lg Iy 2 + y + 1 I -

= 2 lg I x6 + x3 + 1 I 1

+ 1 I-

Vs arctg z + c =

yS arctg 2 ~ 1 + c1 = ,fö

y 3 arctg

2x 3 +1

V3

+ c1 •

Damit erhalten wir schliesslich

J. x x(x9-+ 11) 3

dx =

1

2

18 lg I xs + x3 + 1 I + 9 lg Ix3 - 1 I - lg I x I -

V3

- - 9-

arctg

2x 3 +1

V3

+ c.

Wir werden im dritten Band dieser Vorlesungen auf die Theorie der Partialbruchzerlegung zurückkommen und dabei einige weitere Formeln und Kunstgriffe besprechen, die die Durchführung der Rechnung erleichtern können.

KAPITEL VII

ERSTE ANWENDUNGEN DER DIFFERENTIALRECHNUNG AUF DIE GEOMETRIE UND DIE FUNKTIONEN-DISKUSSION

§ 14. Anwendungen der ersten Ableitung. Monotonie 85. Monotonie schlechthin

A. Monotonie beim Durchgang durch einen Punkt Wir sagen, eine im Punkte x 0 und in einer Umgebung von x 0 definierte Funktion wächst beim Durchgang durch x 0 (geht wachsend durch x0 ), wenn ihre Werte für benachbarte x unterhalb x0 kleiner als f(x 0 } und für benachbarte x oberhalb x 0 grösser als f(x 0 } sind; m. a. W., wenn für alle hinreichend kleinen positiven h :

f (x0 -

h) < J(x 0 ) < f (x0

+ h)

(h > 0)

gilt. Handelt es sich aber nur um eine rechtsseitige Umgebung von x 0 , so verlangen wir nur das Bestehen der rechtsseitigen Ungleichung; und ebenso wird nur das Bestehen der linksseitigen Ungleichung verlangt, wenP es sich um eine linksseitige Umgebung von x 0 handelt. Existiert f'(x 0}, so ist f'(x 0} ~ 0, wenn f(x) beim Durchgang durch x 0 wächst. In der Tat gilt L" f(x 0 + h)- /(x0) / '(x 0) _ (85,1) 1m h , h--+0

und hier ist der Quotient rechts für hinreichend kleine h positiv, so dass der Grenzwert ~ 0 sein muss. Ist f'(x 0 ) ~ 0 demnach eine notwendige Bedingung für das Wachsen von f(x) beim Durchgang durch x 0 , so ist diese Bedingung, wie wir sehen werden, keineswegs hinreichend. Dagegen gilt, wenn f'(x0 } = 0 ausgeschlossen wird: Ist f' (x0} > 0, so wächst f(x) beim Durchgang durch x 0 • Denn ist der Grenzwert in (85,1) grösser als 0, so muss für hinreichend kleine I h I auch der Quotient rechts > 0 sein. Daher ist für hinreichend kleine

250

§ 24, 85. Monotonie schlechthin

positive h die Differenz f (x0 + h) -f(x0} > 0 und für hinreichend kleine negative h die Differenz f (x 0 + h} - f(x 0 } < 0, wie behauptet. Handelt es sich um eine einseitige Umgebung von x 0 , so bleiben die obigen Tatsachen bestehen, wenn unter f'(x 0 } die entsprechende einseitige Ableitung verstanden wird. Ganz analog sagen wir, f(x) fällt beim Durchgang durch r 0 , wenn für hinreichend kleine positive h: f (x 0 - h) > f(x 0) > f (x0

+ h)

(h > 0)

gilt. Dies ist offenbar damit gleichbedeutend, dass - f(x) beim Durchgang durch x 0 wächst. Dafür ist aber nach dem Obigen notwendig, dass - f'(x 0 ) ~ 0, und hinreichend, dass - f'(x 0} > 0 ist. Wir sehen: Istf'(x0 } vorhanden, so ist dafür, dass f(x) fallend durch x 0 geht, notwendig, dassj'(x 0 } ~ 0, und hinreichend, dassf'(x 0 } < 0 ist. Und dieser Satz bleibt auch für eine einseitige Umgebung von x 0 bestehen, sofern in ihm unter f'(x 0 ) die entsprechende einseitige Ableitung verstanden wird.

B. Monotonie in einem Intervalll) Ist f(x) im Intervall ] = ( a, ß ) stetig und überall in seinem I nnern differenzierbar, so ist, damit f(x) in J monoton wächst, notwendig und hinreichend, dass f'(x) ~ 0 überall im Inneren von J gilt. Beweis. Wir benutzen für einen beliebigen inneren Punkt x 0 aus J die Relation (85,1). Istf(x) in] monoton wachsend, so ist für h > 0 der Quotient rechts in (85,1) nicht negativ. Daher giltf'(x0} ~ 0 für alle x aus]. Die Notwendigkeit unserer Bedingung ist bewiesen. Sei umgekehrt f'(x) ~ 0 überall im Inneren von J, und seien x1 und x 2 zwei Punkte aus J mit x1 < x 2 • Dann liefert der Mittelwertsatz der Differentialrechnung: (85,2}

Hier ist nach Voraussetzung die rechte Seite ~ 0. Daher gilt f(x 2} ~ f(x 1} für beliebige x1 , x 2 aus J mit x1 < x 2 • Dies bedeutet aber, dass f(x) in J monoton wächst, w. z. b. w. Ein ganz analoges Kriterium gilt für das monotoneFallen einer in]= (a, ß) stetigen und im Innern von J durchweg differenzierbaren Funktion f(x) . Denn mit dem monotonen Fallen von f(x) ist ja das monotone Wachsen von - f(x) gleichbedeutend. Dafür ist aber nach dem soeben bewiesenen notwendig und hinreichend, dass - f' (x) ~ 0 im Innern von J ist. Daher: Ist f(x) in J = ( a, ß) stetig und im Innern von J durchweg differenzierbar, so ist, damit f(x) in J monoton fällt, notwendig und hinreichend, dass f'(x) ~ 0 im ganzen Inneren von J gilt. 1)

Wir erinnern an die Definition der Monotonie in der Nr. 37, p. 88.

§ 24, 86. Eigentliche Monotonie. Beispiele

251

86. Eigentliche Monotonie. Beispiele Istj(x) im Intervall] = (a, ß) monoton wachsend, ohne eigentlich monoton wachsend zu sein, so gibt es also in J zwei Punkte a' und ß', so dass

a

~

a' < ß'

~

ß , f(a')

=

f(ß')

ist. Darau::: folgt aber, dass im Intervall (a', ß') die Funktion f(x) durchweg konstant ist, f(x) besitzt in J «Konstanzintervalle». Dann ist j'(x) im Innern eines solchen Konstanzintervalles überall gleich 0. Ist also f' (x) in J überall vorhanden und ;:;; 0, gibt es aber kein Teilintervall in 1. in demj'(x) durchweg verschwindet, so wächst f(x) eigentlich monoton in 1· Diese hinreichende Bedingung für das eigentlich monotone Wachsen ist aber auch notwendig. Denn enthält 1 ein Teilintervall, in dem j'(x) = 0 ist, so ist f(x) in diesem Teilintervall konstant und kann also in] nicht eigentlich monoton sein. Ganz analog ergibt sich: Notwendig und hinreichend, damit eine in J = ( a, ß) stetige und im Innern von J durchweg differenzierbare Funktion dort eigentlich monoton fällt, ist, dass j'(x) ~ 0 überall in J gilt, dass es aber kein Teilintervall in 1 gibt, in dem f' (x) durchweg verschwindet. Nach den obigen Kriterien lässt sich die Monotonieuntersuchung in einem Intervall durch Betrachtung des Vorzeichens der ersten Ableitung vollständig durchführen. Nur die Frage der Monotonie beim Durchgang durch einen Punkt ist noch nicht entschieden, da hier eine gewisse Lücke zwischen der notwendigen und der hinreichenden Bedingung besteht. Diese Lücke wird in einem gewissen Masse im zweiten Band dieser Vorlesungen ausgefüllt werden. Geometrisch besagt unser Kriterium z.B. für das monotone Wachsen, dass die Tangente zur entsprechenden Kurve im ganzen Intervall positive Steigung hat oder parallel zur x-Achse verläuft. Es erscheint auch plausibel, dass, wenn die Tangente längs eines stetigen Kurvenbogens durchweg positive Steigung besitzt, die Ordinate beständig wächst. Man wird sich aber vielleicht fragen, wieso das eigentlich monotone Wachsen mit einer gelegentlich zur x-Achse parallelen Tangente verträglich sein kann. Ein Blick auf die Figur 33 zeigt, wie eine entsprechende geometrische Konfiguration aussehen kann. Hier durchsetzt für x = x0 die Tangente die zugehörige Kurve. Es ist dies eine sogenannte Wendetangente (vgl. Nr. 94).

Figur 33

252

§ 24, 87. Konvexität und Konkavität

Beispiele. 1. Wir betrachten die Funktione-x +X -1 im Intervall< 0, oo). Ihre Ableitung ist 1 - e-x und > 0 für x > 0. Daher wächst die Funktion in diesem Intervall eigentlich. Da sie für x = 0 verschwindet, folgt für x > 0: e-x +X -1 > 0, e-x > 1 - x

(x

> 0) .

(86,1)

2. Wir betrachten für .?. ~ 1 und für k n- n/2 < x < k n + n/2, k ganz, die Funktion tgx-.?. x. Die Ableitung ist 1

---). cos 2 x

und im betrachteten Intervall > 0 bis eventuell auf den isolierten Punkt x = k n. Daher wächst tgx-.?. x im eigentlichen Sinne im betrachteten Intervall, und zwar von - oo bis oo. Daraus folgt: In jedem Intervall (kn-n/2, kn+n/2), k ganz, hat die Gleichung tgx = = A. x (A. ~ 1) genau eine Wurzel. 3. Wir betrachten die Funktion (sinx) fx im Intervall (0, n /2). Die Ableitung ist x cosx- sinx _ x2

-

cosx ( x2

t

)

x- gx .

Da in (0, n/2) sowohl cosx als auch, wegen (45,5), tgx- x positiv sind, ist diese Ableitung im betrachteten Intervall negativ, und (sinx) fx nimmt beständig im eigentlichen Sinne ab. Legt man dieser Funktion für x = 0 den Wert 1 bei, gegen den sie für x +0 strebt (vgl. die Formel (45,8)), so ist sie im Intervall ( 0, n/2) stetig und fällt von 1 bis 2/n. Da sie gerade ist, folgt: (86,2)

87. Konvexität und Konkavität Wie äussert sich nun an einer Funktion j(x) die Monotonie ihrer Ableitung f'(x)? - Das in diesem Falle für das Verhalten von j(x) charakteristische Moment tritt sofort hervor, wenn man die zugehörige Kurve (87,1) y = f(x) (a < x < ß) zeichnet. Wächst f'(x) monoton, so bedeutet dies, dass die Winkel der Tangenten zum Kurvenbogen (87,1) mit der x-Achse immer grösser und grösser werden, wenn man von links nach rechts geht. Hier dreht sich die Tangente im positiven Sinne (vgl. Nr. 43). Fällt dagegenf'(x), so dreht sich die Tangente im negativen

§ 24, 87. Konvexität und Konkavität

253

Sinne. Ein Blick auf die Figur 34 zeigt, dass im ersten Fall für wachsendef'(x) der zugehörige Kurvenbogen konvex von unten (oder, was dasselbe ist, konkav von oben) ist. - Dies ist beim Bogen rechts in Figur 34 der Fall. Fällt dagegenf'(x) monoton, so ist der zugehörige Kurvenbogen konkav von unten (oder, was dasselbe ist, konvex von oben},- vgl. Figur 34, Bogen links.

[i? Figur 34

Um diese Tatsachen präzis formulieren und beweisen zu können, muss man zuerst die Konvexität und Konkavität exakt definieren. Ein in jedem Punkt mit einer Tangente versehener Kurvenbogen heisst von unten konvex, wenn er oberhalb jeder seiner Tangenten (bis auf den Berührungspunkt) liegt, und von unten konkav, wenn er unterhalb jeder seiner Tangenten liegt (bis auf den Berührungspunkt). Wir wollen im folgenden die Koordinatenachsen so orientieren, dass die x-Achse horizontalliegt und die positive y-Achse nach oben weist. Dann gilt der Satz. Es sei f(x) im Intervall 1 = (a, ß) stetig und stetig differenzierbar. Notwendig und hinreichend, damit der Kurvenbogen y

=

f(x)

(a < x
0, so müsste f(x) beim Durchgang durch x 0 wachsen, also in hinreichender Nähe von x 0 rechts grösset als f(x 0 ) und links kleiner als f(x 0 ) sein. Für f'(x0 ) < 0 dagegen geht f(x) fallend durch x 0 und hat also wieder in x 0 weder ein relatives Maximum noch ein relatives Minimum. Man formuliert den damit bewiesenen Satz kurz, wenn auch etwas unpräzis so: Notwendig für ein relatives Extremum ist, dass die erste Ableitung verschwindet. Das in diesem Satz enthaltene Kriterium für ein relatives Extremum ist natürlich nicht hinreichend. Denn das Verschwinden der ersten Ableitung bedeutet, dass die Tangente zur entsprechenden Kurve im betrachteten Punkt parallel zur Abszissenachse verläuft, und ein Blick auf Figur 88 a. p. 251 zeigt, dass dabei kein relatives Extremum vorzuliegen braucht. Ferner gestattet der obige Satz keine Unterscheidung zwischen Maxima und Minima. Dass f' (x0) = 0 ist, bedeutet eben nur, dass die Werte von f(x) sich an x 0 besonders langsam ändern. Dann ist ja (j(x) -f(x0))/(x-x0 ) eine Nullfunktion für x-+-x0 • Man sagt in diesem Falle, f(x) sei in x 0 stationär. Man kann nun eine sehr einfache und brauchbare Bedingung für relative Maxima und Minima aufstellen, wenn f(x) in einer ganzen UJilgebung von x 0 differenzierbar ist. Es sei f(x 0 ) in einer Umgebung von x 0 stetig und differenzierbar, und es sei f' (x) = 0. W.ichst f' (x) beim Durchgang durch x 0 , so hat f(x) in x 0 ein relatives Minimum. P&llt f'(x) beim Durchgang durch x 0 , so hat f(x) in x 0 ein relatives Maximum. Denn wächstj'(x) beim Durchgang durch x 0 und verschwindet in x 0 selbst, so ist f'(x) in einem hinreichend kleinen Intervall um x 0 links von x 0 negativ und rechts von x 0 positiv. Also istf(x) in diesem Intervalllinks von x 0 monoton fallend, rechts von x 0 monoton wachsend. f(x 0 ) ist also der kleinste Wert, den f(x) in diesem Intervall annimmt (vgl. den Bogen rechts in der Figur 84 a.p. 253). Falls aber f'(x) fallend durch x 0 geht (vgl. den Bogenllinks in der Figur 84), so wächst - f' (x) beim Durchgang durch x 0 • Daher hat - f(x) in x 0 ein relatives Minimum und f(x) dort ein relatives Maximum. Die damit bewiesene Regel reicht in der Praxis in den meisten Fällen vollkommen aus. Da man bei ihrer Anwendung gelegentlich vergisst, welchem Fall das Wachsen und welchem das Abnehmen von j'(x) entspricht, empfiehlt es sich, gegebenenfalls die Figur 34 zu entwerfen. Die Extrema, die sich unter der obigen hinreichenden Bedingung ergeben, haben einen besonderen Charakter, auf den wir noch hinweisen wollen. Ist eine Umgebung von x 0 klein genug gewählt, so ist f(x) in dieser Umgebung (bis auf den Punkt x 0 selbst) durchweg grösser als f(x 0 ) im Falle des Minimums und kleiner als f(x 0 ) im Falle des Maximums. Also ist x 0 hier in keinem Konstanzintervall vonf(x) enthalten. Solche Extrema nennt man eigentliche Extrema. 17 Ostrowskl I

258

§ 25, 90. Beispiele zur Untersuchung von Extrema

90. Beispiele zur Untersuchung von Extrema 1. Das Fermatsche 1 ) Prinzip bei der Spiegelung. Zwei Punkte A und B, die auf derselben Seite einer Geraden lliegen, sind für geeignete Wahl von X auf l miteinander durch den gebrochenen Weg A X B minimaler Länge zu verbinden (vgl. Figur 36). 8 (b1, b2 ) I I I

I

I I

I

'I

Figur 36

Wir legen die x-Achse längs l. Die Koordinaten von A und B seien (a 1 , a 2) bzw. (b1 , b2 ). x sei die Abszisse von X. Ohne Beeinträchtigung der Allgemeinheit darf angenommen werden, dass b1 6;:; a 1 ist. (Für b1 < a 1 braucht man ja nur A und B zu vertauschen.) Dann ist die Länge des Weges A X B gegeben durch

Die Ableitung hiervon ist

Wir bezeichnen nun den Winkel von AX mit der negativen Richtung der x-Achse mit a und denjenigen von BX mit der positiven Richtung der x-Achse mit ß. Dann gilt

und zwar, wie man sich sofort überzeugt, nicht nur, wenn beide Winkel spitz sind, sondern auch dann, wenn einer dieser Winkel 6;:; n/2 ist. Es ergibt sich daher j'(x) = cosa- cosß . Die notwendige Bedingung für das relative Extremum von j(x) liefert f'(x) = 0, cosa = cosß, a = ß, da a und ß im Intervall (0, n) variieren und in diesem Intervall ein Winkel durch Cosinus eindeutig bestimmt ist. 1)

Pierre de Fermat (1601-1665).

259

§ 25, 91. Die Bernoulli-L'Hospitalsche Regel

Um die Diskussion weiterzuführen, beachte man, dass mit wachsendem x ß wächst. Daher wächst dabei cosa, während cosß abnimmt, so dass j'(x) eigentlich monoton wächst für alle reellen x. Deshalb hat die Ableitung f'(x) genau eine Nullstelle x 0 , durch die sie monoton wachsend hindurchgeht. An der betreffenden Stelle haben wir also ein relatives Minimum. Dieses Minimum ist aber zugleich ein absolutes. Denn links von der betreffenden Stelle j'(x) < 0, rechts davon > 0. Daher fällt f(x) eigentlich monoton, wenn x von - oo auf x 0 zugeht, und wächst eigentlich monoton, wenn x von x 0 nach oo geht. Damit ist f(x 0 ) das gesuchte absolute Minimum. Der gesuchte Punkt X ist also durch die Gleichung a = ß charakterisiert, die dem Spiegelungsgesetz der Optik entspricht. Um X zu finden, braucht man nur in bekannter Weise das Spiegelbild A' von A an l zu zeichnen und A' mit B durch eine Gerade zu verbinden, die t im gesuchten Punkt X trifft. Ein Blick auf die Figur zeigt, dass für den so bestimmten Punkt X in der Tat a = ß ist. Diese Konstruktion liefert übrigens auch sofort eine direkte und von der Infinitesimalrechnung unabhängige Lösung des ganzen Problems, wenn man die Tatsache als bekannt voraussetzt, dass die geradlinige Verbindung zweier Punkte die kürzeste ist. 2. Für gegebene Zahlen al' .•. ' an ist X so zu bestimmen, dass die Quadratsumme der Abstände von x nach allen a.:

a abnimmt und

n

f(x)

=

L V=

wird. Hier gilt j'(x)

=

Ln

•=1

1

(x - a.) 2

2 (x- a.)

=

Minimum

=

(

2 n x-'--

a1

+ · · · + a 11 n

)

.

Wird hier das arithmetische Mittel von a 1 , ••. , an mit s bezeichnet, so verschwindet f' (x) für x = s, ist < 0 für x < s und > 0 für x > s, so dass f(x), wenn x von - oo nach oo geht, zuerst eigentlich monoton fällt bis x = s und sodann eigentlich monoton wächst. Wir sehen, dass das gesuchte Minimum dann und nur dann angenommen wird, wenn x gleich dem arithmetischen M ittet der gegebenen Zahlen a 1 , ••• , a,. ist. Diese Tatsache ist der Ausgangspunkt der sogenannten . 91. Die Bernoulli-L' Hospitalsehe Regel Wie im zweiten Kapitel bewiesen wurde, findet man bei irgendeinem Grenzübergang den Grenzwert eines Quotienten f(x)fg(x), indem man den Grenzwert von f durch den Grenzwert von g dividiert, vorausgesetzt, dass sowohl f(x) als auch g(x) Grenzwerte besitzen und dass der Grenzwert von g nicht verschwindet. Ist dagegen der Grenzwert von g(x) gleich 0 und gilt f(x) -+ a, a =!= 0, so wissen wir wenigstens, dass If(x) fg(x) I gegen oo strebt. 17*

260

§ 25, 91. Die Bernoulli-L'Hospitalsche Regel

Konvergieren indessen sowohl f(x) als auch g(x) gegen 0, so gestatten die im zweiten Kapitel gegebenen Regeln keine Entscheidung mehr über die Existenz und den Wert des Grenzwerts von f(x)jg(x). Man sagt in diesem Falle etwas unpräzis, dass f(x) jg(x) A (A > 0) stetig und differenzierbar, und es sei dort g'(x) 9= 0. Ferner mögen für x ~ co sowohl f(x) als auch g(x) gegen 0 konvergieren. Gilt dann . /'(x) L1m --,-(x) = X-+CX)

g

wo a entweder ein eigentlicher Grenzwert oder •

f(x)

Ltm-(x) %-+CD

g

(91,5)

a, co

=a.

oder -

co

ist, so gilt auch

(91,6)

262

§ 25, 92. Beispiele zur Bernoulli-L'Hospitalschen Regel

Wir führen den Satz II auf den Satz I zurück. Es sei f(l fx) g(1fx) = tp(x). Dann gilt

q:>'(x)

=- : 2

!' (:),

tp'(x)

= -- : 2

=

q:>(x) und

g' (:) ·

Für die Funktionen q:>(x) und tp(x) treffen aber sämtliche Voraussetzungen des Satzes I für die rechtsseitige Konvergenz gegen 0 zu, wenn q:>(O) = 0, tp(O) = 0 gesetzt wird. In der Tat existieren q:>'(x) und tp'(x) im Intervall (0, 1/(2 A) ); dort ist auch tp'(x) =!= 0. Ferner sind q:>(x) und tp(x) stetig im abgeschlossenen Intervall ( 0, 1 /(2 A) ) , da Lim q:>(x) x~O

=

Lim f (__!__) x~O

=

0

=

q:>(O)

X

und ebenso

ist. Endlich gilt für x .j, 0:

!' (:)

cp'(x)

tp'(x)

=

Daher gilt auch für x .j, 0: q:>(x) ftp(x)

g' ( : )

-+

~a

.

a, d. h.

(x .j, 0) .

Dies stimmt aber mit der Behauptung (91,6) überein. Offenbar gilt ein ganz analoger Satz auch für den Grenzübergang x -+ - oo und wird in der gleichen Weise bewiesen. Die in den Sätzen I und II enthaltene Regel nennt man oft die L'HotJpltaltJchc RcgcF). Eine analoge Regel für wird im zweiten Teil dieser Vorlesungen behandelt werden. 92. Beispiele zur Bernoulli-L'Hospitalschen Regel Handelt es sich um die beidseitige Konvergenz, so müsste man, um die obigen Sätze anzuwenden, genau genommen die linksseitige und die rechtsseitige Konvergenz getrennt behandeln. Falls aber der Quotient der Ableitun1 ) Zuerst veröffentlicht von Marquis de L' Hospital (Guillaume Franrois de L' Hospital, 16611704) in seiner 0; a,

ß =t=

0) .

Hier streben sowohl für x t a als auch für x t a Zähler und Nenner gegen 0. Der Quotient der Ableitungen ist:

und konvergiert für x ~ a gegen (afß)

x---,)oa

Lim

Daher:

x;-a; = ßa

Lim

2.

aa-fJ.

X

-

a"'- b"'

=?

X->0

Hier konvergieren Zähler und Nenner für x Ableitungen ist a"'

und strebt für x

~

aa-ß.

a

(a, b > 0) . ~

0 gegen 0. Der Quotient ihrer

Iga- bx 1gb

0 gegen lg afb . Daher gilt

3.

x-1 X+ 1

Limxlg-- =? X->00

Schreiben wir dies in der Form x-1 x+1 1/x

Ig--

so konvergieren Zähler und Nenner gegen 0. Der Quotient ihrer Ableitungen ist X+ 1

2

-r

_x_-_1~~-x_+_l--'-)2_ _ _ 2 : ~ ~ (-x-:-1 x2

264

§ 25, 92. Beispiele zur Bernoulli·L'Hospitalschen Regel

und konvergiert für x -+ co gegen - 2, da in jedem der beiden Brüche für x-+ co Zähler und Nenner"' x sind. Daher gilt

• lg X--1 L1mx -=-2. X+ 1

%~CO

4.

1-cosx

Lim -----=-xz

=?

Hier verschwinden für x-+ 0 Zähler und Nenner. Der Quotient der Ableitungen ist (sinx)/(2x) und konvergiert wegen (45,8) gegen 1/2. Daher x2

1 -+2 •

2

~ Ll. msinax -.--=r

5.

(x-+ 0) .

1-cosx"'-

z~O Slnb X

(92,1)

(a, b =1= 0) .

Hier kommt man am schnellsten zum Ziel, wenn man die Regeln der Nr. 88 über die Äquivalenz benutzt. Denn für x-+ 0 sind Zähler und Nenner des obigen Ausdrucks resp. äquivalent mit a x, b x. Der obige Ausdruck ist daher äquivalent mit a xf(b x) = afb und konvergiert für x-+ 0 gegen afb. 6.

z•

- 1 z-+0 1-cosv'x-sinx

Lim

e

=?

Hier kommt man gleichfalls durch Betrachtung der Aquivalenzen am schnellsten zum Ziel. Denn für x-+ 0 ist wegen (77,9) und (92,1) 1- cos

y'x- sinx"'

x- sinx 2

Daher ist der obige Ausdruck äquivalent mit x- sinx

Um den Grenzwert hiervon für x -+ 0 zu bestimmen, bilden wir den Quotienten der Ableitungen: 6 x 2 f(1- cosx). Hier ist aber der Nenner wegen (92,1) "' x 2 /2, so dass der Quotient der Ableitungen "' 12 ist und daher gegen 12 konvergiert: z' e - 1 = 12 . x~o 1 - cosx x- sinx

Lim

V

Unter Umständen muss man unsere Regel wiederholt anwenden, doch kann man sich dabei durch geschickte Anwendung geeigneter Aquivalenzen oft viel Rechenarbeit ersparen.

§ 25, 92. Beispiele zur Bernoulli-L'Hospitalschen Regel

265

In gewissen Fällen kann man Ausdrücke, die nicht direkt die Form OJO annehmen, durch geeignete Transformationen so umformen, dass auf sie die obigen Regeln anwendbar sind. Hierfür zwei Beispiele: 7.

Lim (ctgx- ..!....)

=

X

X-+0

?

Der in Frage kommende Ausdruck ist hier gleich sinx

X COSX-

x cosx- sinx

(x-+ 0) .

x•

x sinx

Der Quotient der Ableitungen des Zählers und des Nenners des letzten Ausdrucks ist: - x sinx 2x

sin x

----'-=::-==:..:.. = - - -

und konvergiert für x

-+

2

0 gegen 0. Daher Lim (ctgx- ..!....) X

X-+0

=

0.

8. Für ein natürliches n berechne man Lim .%-+ =

sin (x

+a +n

; ).

0 folgt: (n = 1, 2, ... ) .

(93,2)

3. Die erste Ableitung von cosx ist - sinx. Die (n- 1)-te Ableitung von - sinx ist aber nach (93,2) - sin (x + (n - 1) n/2). Dies ist aber wiederum gleich cos (x + n n /2) . Daher d"cosx ( dx" = cos x

+ n 2n)

(n

=

1, 2, ... ) .

(93,3)

268

§ 26, 93. Zweite und höhere Ableitungen

4. f(x)

= xa.

Hier folgt nach unseren Differentiationsregeln sukzessive: f'(x)

d" a d:"

=

a

f"(x)

xa-l ,

=

a (a- 1) xa-z, ... ,

= a(a- 1) (a- 2) ... (a-n+ 1)

xa-n

(n

1, 2, ... ) .

=

(93,4)

Diese Formel ist insbesondere auch dann richtig, wenn a eine natürliche Zahl und n E;; a ist. Für a = n reduziert sich dann die rechte Seite dieser Formel auf die Konstanten!. Wir sehen: (x")"'>

=

n!

(n

1, 2, ... ) .

=

(93,5}

Für n > a ist aber, wenn a eine natürliche Zahl ist, dien-te Ableitung von xa gleich 0, da einer der Faktoren a- v rechts in (93,4) verschwindet. Man schreibt die Formel (93,4) oft auch in einer etwas anderen Gestalt, indem man sie auf beiden Seiten durch n! dividiert. Dann wird der Zahlenfaktor rechts in (93,4} zu a (a - 1) • • • (a-n + 1) n!

Für natürliche a E;; n ist dieser Faktor nichts anderes als der Binomialkoeffizient K~a) =

( : ).

Man benutzt aber für diesen Ausdruck die Bezeichnung (:)

auch für beliebige Werte von a und für natürliche n. Für n ( ~) für alle a als 1 fest. Wie man sieht, ist (:) für n

=

=

0 setzt man

0, 1, 2, ... ein Poly-

nom n-ten Grades in bezug auf a, gegeben durch

(~)=1,

(a ) n

=

a (a- 1) • • · (a-n + 1)

(n = 1, 2, ... ) .

n!

(93,6}

Unter Benutzung dieser Bezeichnung können wir (93,4) in der Form schreiben:

(a) Xa-n n

_1_ d"xa = n! dx"

y'

(

n

=

1 2 '

'· · ·

)l)

·

(93,7}

5. Es sei nun allgemein y = f(a x + b). Dann gilt nach der Kettenregel af' (a x + b). Differenziert man weiter, so folgt:

=

y" d"

dx"

f

=

(a x

a 2 f" (a x

+ b}

=

+ b) , ... ,

a" f"> (a x

+ b)



(93,8)

1) Diese Formel bleibt auch für n = 0 richtig, wenn man 0! als gleich 1 definiert. Dann bleibt insbesondere die Formel (n + 1)! = (n + 1) n! auch für n = 0 richtig.

§ 26, 94. Anwendungen der zweiten Ableitung

269

Wenden wir diese Formel auf eu und b" = e" 1gb an, so folgt: (93,9) Ebenso gilt für f(x) = sinx und f(x) = cosx:

~:

+ b) = a"sin (ax + b + n ;).

sin (ax

d"

dx~ cos (a x

Es sei endlich y

=

lg(a x

+ b) = a" cos

(

a x + b + n 21f) .

(93,10)

+ b): y' = a (a x

+ bt1 •

Differenziert man dies unter Benutzung von (93,8) und (93, 7) (n- 1)-mal, so folgt: (y')(n-1)

(n-1)1

y = a" ( - 1 ) (a x + bt". n- 1

Der 0 ist J(x) = x,. e-z = Maximum

zu machen. - Hier ist f'(x)

= (:

-1) x,. e-z,

l . _., (

) -- [(-n · - 1)2 - -n X e ! "( X X2 X

=

(x > 0)

v; 1) (n + Vn 1) .. e

n--X

---X

X

-z •

f'(x) verschwindet nur an der Stelle x = n. An dieser Stelle ist f"(x) < 0, so dass f(x) für x = n ein relatives Maximum hat. Ist dieses Maximum ein absolutes für x > 0? -Aus dem Vorzeichen von !" (x) lässt sich dies noch nicht direkt erschliessen, da!" (x) zwischen n negativ und ausserhalb dieses Intervalls für x > 0 positiv ist. und n + Dagegen folgt aus dem obigen Wert vonf'(x). dassf'(x) für x < n positiv und für x > n negativ ist. Daher wächst f(x) monoton, wenn x von 0 nach n geht, und fällt sodann, wenn x von n nach oo geht, monoton gegen 0 ab. Daher nimmt f(x) in der Tat das absolute Maximum an der Stelle x = n an.

Vn

Vn

95. Der Funktionsverlauf im Grossen. Kurvendiskussion Will man sich bei einer in einem Intervall durch einen eventuell nicht sehr übersichtlichen Ausdruck gegebenen Funktion f(x) über ihren Verlauf «im Grossem Rechenschaft geben, so ist dazu das beste Mittel, die Kurve y = f(x) zu zeichnen. Eine solche Figur kann aber normalerweise nur so gezeichnet werden, dass man einzelne Punkte der Kurve markiert und sodann durch einen möglichst regelmässigen Linienzug verbindet. Es ist daher besonders wichtig, diejenigen Punkte der Figur genau zu bestimmen, in denen der Funktionsverlauf besonders charakteristische Änderungen erfährt oder die man durch

272

§ 26, 95. Funktionsverlauf im Grossen. Kurvendiskussion

direkte Verbindung benachbarter Punkte nicht zu erreichen hoffen kann. Solche Punkte sind: 1. Punkte, in denen f(x) unstetig ist. Hier hat man eventuell die Grenzwerte von f(x) bei Annäherung an solche Punkte zu bestimmen. 2. Punkte, in denen f(x) relative Extrema annimmt. Denn wenn solche Punkte nicht direkt bestimmt werden, erhält man sie in der Regel durch Verbindung benachbarter Punkte nicht richtig. 3. Wendepunkte (mit den zugehörigen Wendetangenten). Diese Punkte sind wichtig, weil man durch sie hindurch schwer in einem Zuge durchzeichnen kann. Man beachte, dass die Haltung des Handgelenkes beim Zeichnen eines konvexen Bogens eine andere ist als beim Zeichnen eines konkaven Bogens. Wir erläutern die hiernach anzuwendende Methode an zwei Beispielen: X

1. y=

1-x2

"

Hier ist

Unser y ist eine ungerade Funktion von x und verschwindet nur für x = 0, so dass wir die Figur nur für x > 0 zu entwerfen brauchen. Der x < 0 entsprechende Teil entsteht daraus durch Spiegelung am Koordinatenursprung. y wird unstetig für x = 1 und konvergiert gegen oo oder gegen - oo für x t 1 bzw. x t 1. Unsere Kurve hat also die Gerade x = 1 zur Asymptote. y' ist immer positiv, so dass y zwischen 0 und 1 von 0 bis oo und sodann zwischen 1 und oo wiederum von - oo bis zum Grenzwert 0 für x -+ oo wächst. y" ist zwischen 0 und 1 positiv und zwischen 1 und oo negativ. Der erste Bogen unserer Kurve ist also nach unten konvex, der zweite nach unten konkav. Die Kurve hat nur einen Wendepunkt für x = 0, wo y' = 1 ist, so dass die Wendetangente die Winkelhalbierende des Hauptquadranten ist. Bereits diese Angaben genügen, um den Verlauf von y zu charakterisieren (vgl. Figur 37). Um den linken Bogen durchzuzeichnen, bestimmen wir y für

y

-II I I I

I I I I

Figur 37

273

§ 26, 95. Funktionsverlauf im Grossen. Kurvendiskussion

x = 1/2 und x = 3/4. Durch die drei Punkte (0, 0), (1/2, 2/3) und (Sf4, 12/7) kann nun bereits der zwischen x = 0 und x = 1 liegende :ßogen so durchgezeichnet werden, dass er die angegebene Wendetangente im Nullpunkt und x = 1 zur Asymptote hat. Für die zwischen 1 und oo liegenden Bogen berechnen wir etwa die Punkte mit X= 1,2; 1,5; 2 und 3. Die zugehörigen y-Werte sind bzw.: -30/11; - 1, 2; - 2/3; - 3/8. Die gesuchte Kurve lässt sich nun ziemlich genau durchzeichnen.

2. y

=

e"' sinx.

Hier ist y' = e"' (sinx

+ cosx) ,

y" = 2 e"' cosx .

Die Kurve y = sinx ist die Sinuslinie (vgl. Figur 10, p. 119). Multipliziert man ihre Ordinaten mit e"', so bleiben dabei die t, so folgt P' auf P sowohl auf C als auch aufS (P, P'). Ist dagegen t' < t, so dass t' in der Figur 43 die Lage von t" hat, so folgt P auf P' sowohllängs C als auch längs S (P, P'). Da aber durch die Reihenfolge von zwei Punkten auf einem einfachen stetigen Kurvenhagen der Durchlaufungssinn bereits eindeutig festgelegt ist, ist damit unsere Behauptung bewiesen.

Figur 43

Ist insbesondere x(t) ~ 0, so ergibt sich für die entsprechende ebene Kurve als- die Gleichung der Tangente 1}-y

~-X

~=-Y-,-=r

oder (99,5) und die Richtungskosinuss-e der Tangente sind dann cos (T, x) = , 1

x'

Vx'2

+ y'2

,

cos (T, y) = , 1

y'

Vx'2

+ y'2

(99,6)

Ist insbesondere x als Parameter gewählt, so dass y = y(x) die Kurvengleichung ist, so gehen die Formeln (99,6), wegen x' ~ 1, über in cos (T, x) = , 1

1

Vy'2

+1

,

cos (T, y) =

~

Yy'2

+1

(99, 7)

§ 27, 99. Tangente und Ableitung in Parameterdarstellung

283

Ist eine ebene Kurve in ihrer Parameterdarstellung gegeben X =

q;(t) ,

y

=

1p(t) ,

so wird sich diese Kurve im allgemeinen in einzelne Bögen zerlegen lassen, längs deren y eine eindeutige Funktion von x ist. Betrachtet man aber die obige Darstellung von x und y durch t für alle in Betracht kommenden Werte von t, so kann man nicht eigentlich sagen, dass durch diese Darstellung y als eine Funktion von x im üblichen, bisher benutzten Sinne des Dirichletschen Funktionsbegriffsgegeben ist, da ja zu einem beliebigen Wert von X unter Umständen mehrere oder sogar unendlich viele Werte von y gehören können. Man könnte höchstens sagen, dass durch diese Darstellung y als eine > Funktion von x definiert wird, die in einzelne eindeutige Zweige zerfällt. So werden z. B. durch die Parameterdarstellung

x = cost, y = sint

(0;;;; t < 2 n)

zwei eindeutige Zweige einer Funktion y von x definiert; der eine Zweig entspricht der oberen Hälfte, der andere der unteren Hälfte einer Kreislinie. Liegt nun ein vorgegebener Punkt (x, y) auf einem solchen eindeutigen Zweig einer Funktion y(x), so lässt sich in der Regel, die stetige Differenzierbarkeit der Funktionen q;(t), 1p(t) vorausgesetzt, die Ableitung dyfdx berechnen, ohne dass man erst durch Elimination von t den Funktionalausdruck von y durch x herzustellen hat. Ist nämlich x'(t) =1= 0 für den entsprechenden Wert des Parameters t, so ist x nach dem am Schlusse der Nr. 63 Gesagten in der Nachbarschaft dieses t eine eigentlich monotone (wachsende oder fallende) Funktion von t. Dann lässt sich aber, nach dem in den Nummern 62 und 63 Bewiesenen, auch t in einem entsprechenden hinreichend kleinen Intervall als eine Funktion t = T(x) darstellen, und es gilt zugleich : dt dx

1 dxjdt ·

Andererseits folgt aber nunmehr nach der Kettenregel !1'_ = !1'_ . ~ dx

dt

dx

oder, wenn man den soeben berechneten Wert von dtfdx einsetzt:

(x' =1= 0) ,

(99,8)

die Formel für die Differentiation einer durch eine Parameterdarstellung gegebenen Funktion. Diese Formel wird in der Praxis sehr oft benutzt, da die Parameter-

284

§ 27, 100. Allgemeine Kurvengleichungen. Normale und Normalebene

darstellungder funktionalen Abhängigkeit in der Mechanik und in der Theorie der Differentialgleichungen häufig vorkommt. Durch nochmalige Anwendung der Formel (99,8) folgt, wenn die Striche die Differentiation nach t bedeuten:

=

a(~:) dx

=

(::r

y" x' - x" y'

x'2 x'

x'

y" x' - x" y' x'S

(99,9)

100. Allgemeine Kurvengleichungen. Normale und Normalebene Ist die ebene Kurve C implizite durch eine Gleichung F(x, y) = 0 gegeben, wo F als eine längs der Kurve stetig differenzierbare Funktion von x und y angenommen wird, so gilt ja, wenn x undy als Funktion eines im betrachteten Punkte regulären Kurvenparameters t vorausgesetzt werden, identisch in t F(x,y)

0,

=

und daraus ergibt sich, wenn nach t differenziert wird: F ~ x' x'

+ F ~ y'

=

0,

F' , 11

woraus wegen (99,8) wie in Nr. 70 sich die Tangentengleichung (70,5) ergibt: (~-

x) F~

+ ('YJ- y) F~

=

0.

(100,1)

Bei dieser ganzen Rechnung wurde implizite vorausgesetzt, dass x' =1= 0 ist. Ist aber x' = 0, dagegen y' =!= 0, so kann man die Rechnungen ganz analog führen, indem man y' und 'YJ- y im Nenner schreibt. Allerdings muss bei der Umrechnung der Tangentengleichung auf die Gestalt (100,1) noch weiter vorausgesetzt werden, dass im betrachteten Punkt F;, F~ nicht beide verschwinden; sonst wird ja die Gleichung (100,1) illusorisch. Die zur Geraden (100,1) orthogonale Gerade durch den Punkt (x, y) ist offenbar (~- x) F~- ('YJ- y) F; = 0. (100,2) Dies ist die Normale zur Kurve C im Punkte (x, y). Wir haben allerdings oben die Tangente als eine orientierte Gerade definiert, deren Richtung demzugrunde gelegten Durchlaufungssinn längs des Kurvenbogens zugeordnet ist. Ebenso lässt sich auch die Normale in einem Punkte der Kurve orientieren, sobald ein bestimmter Durchlaufungssinn längs der Kurve festgelegt ist. Wir legen nämlich dann der Normalen an C in P eine solche Richtung bei, dass die gerichtete Tangente an C in P durch Drehung im posi-

§ 27, 100. Allgemeine Kurvengleichungen. Normale und Normalebene

285

tiven Sinn um n/2 in die gerichtete Normale übergeht. Man formuliert dies

gewöhnlich wie folgt: DieNormalenrichtung ist so zur Tangentenrichtung orientiert, wie die Richtung der y-Achse zur Richtung der x-Achse bei der üblichen F estlegung des Achsenkreuzes in der Ebene. Wir werden demgernäss die Normale im folgenden als eine orientierte Gerade auffassen, so dass also, wenn längs der Normalen eine gewisse Strecke von einem gegebenen Punkt aus abzutragen ist, die Strecke in der positiven Normalenrichtung abgetragen wird, wenn sie positiv, und in der entgegengesetzten Richtung, wenn sie negativ ist. Um die dadurch gekennzeichnete Normale analytisch richtig festzulegen, haben wir die Richtungskosinusse dieser Richtung aus denjenigen der Tangente herzuleiten. Nun ist in der Ebene eine Richtung T am einfachsten charakterisiert durch den Winkel aus der positiven x-Richtung in die T-Richtung, d.h. durch den

y T, T

X Figur 44

Winkel, den ein Strahl beschreibt, wenn er aus der ursprünglichen zur positiven x-Achse parallelen Richtung in die gegebene Richtung T hineingedreht wird. Ist dieser Winkel{} und bezeichnet man den Winkel aus der Richtung T in die Richtung der positiven y-Achse mit{}', so ist{}+{}' offenbar der Winkel aus der Richtung der positiven x-Achse in die Richtung der positiven y-Achse, d. h. n /2. Wir sehen, dass{}' = (n /2) - {} ist [vgl. Figur 44, wo der Winkel {} aus (0, n/2), der Winkel {}1 aus (n/2, n) gewählt wurde]. Die Kosinusse dieser Winkel sind cos{} bzw. sin{}. Daher sind in diesem Falle die Richtungskosinusse der Richtung T: a=cos{}, ß=sin{}. (100,8) Wird nun die Richtung T weiter um den Winkelz gedreht in die neue Richtung T 1 , also im positiven Sinn, wenn z>O, im negativen Sinn um lzl, wenn l < 0

286

§ 27, 101. Beispiele für Tangentenbestimmung

ist, so ist der Winkel aus der positiven x-Richtung in die Richtung T 1 gleich

und die Richtungskosinusse von T 1 sind daher

a 1 = cos ({}

+ x) = cos{} cos x- sin {} sin x ,

ß1 =

+ x) = cos{} sinx + sin{} cosx

sin ({}

oder, wegen (100,8), =

acosx -ßsinx.

ß1 =

a sin X + ß cos X •

al

(100,4)

Diese Formeln drücken also die Richtungskosinusse a 1 , ß1 der Richtung T 1 durch die Richtungskosinusse a, ß der Richtung T aus, wenn der Winkel aus T un T1 gleich x ist. Ist nun X = :n; /2, so folgt insbesondere a1 = -

ß,

(100,5)

ß1 = a ·

Daher sind die Richtungskosinusse der nach der obigen Vorschrift orientierten Normalen zur ebenen Kurve C gleich: al

=

- y'

----c==="==-

(100,6)

Yx't+ y'• '

Im Falle einer Raumkurve wird die auf der Tangente im Berührungspunkt senkrecht stehende Ebene als die Normalebene zur Kurve im betrachteten Punkt bezeichnet. Die Gleichung der Normalebene zur Kurve (99,1) ist offenbar (~-

x) x' + (rJ - y) y' + (C- z) z'

=

0,

(100,7)

wo ~. rJ, Cdie laufenden Koordinaten sind. Denn diese Ebene geht durch den Punkt (x, y, z), und die Richtungskosinusse ihrer Normalen sind proportional zu x', y', z'. 101. Beispiele für Tangentenbestimmung Für die Ellipse (97,2) liefert (99,5) die folgende Gleichung der Tangente mit dem laufenden Koordinaten ~. rJ: TJ- y

~-x =

b cost -asint

§ 27, 101. Beispiele für Tangentenbestimmung

oder

+ (~- a cost) b cost = 0,

('f} - b sint) a sint ~

b cost

287

+ 'fJ a sint =

j_ cost a

ab,

+ !Lb sint = 1.

Eliminiert man hier cost und sint mit Hilfe von (97,2), so nimmt diese Gleichung die aus der analytischen Geometrie bekannte Gestalt an:

Dieselbe Gleichung erhält man direkter mit Hilfe der Gestalt (100,1) der Tangentengleichung für

F(x, y)

yB x• + b3 -

= ~

1.

Denn hier ist F'

F' = 2x a2

"'

'

11 =

2y

bz'

und die Gleichung (100,1) liefert 2

(~ - x) :.

+ 2 ('YJ -

y) ~

=

0

oder

DieGleichung derNormalen zur Ellipse (97,2) ergibt sich analogaus(100,2) zu

Ist x y 9= 0, so ist es leicht, die Gleichung der Normalen auf die folgende, etwas symmetrischere Gestalt zu bringen: - -'YJ-~2 xfa

yfbl

=a2~b"

·

Im Falle eines Kreises um den Nullpunkt ergibt sich durch Spezialisierung für a = b = r insbesondere als die Gleichung der Tangente ~

cost

+ 'fJ sint = r ,

288

§ 27, 101. Beispiele für Tangentenbestimmung

und als Richtungskosinusse der Normalen sind zu nehmen: - sint = - cos (; - t).

- cost,

Dies sind die Richtungskosinusse des entsprechend orientierten Kreisradius. Im Falle der Zykloide (97,8) hat man offenbar x'(t)

=

r-rcost

=

2rsin1

y' (t) = r sin t = 2 r sin

f

f,

cos

f.

Daher ist x' 2

Vx'2 + y'

2

+ y' 2 = 4 r 1 sin2 ~

,

I f I= 2 r sin f ,

= 2 r sin

(101,1)

wenn 0 ;;;i t ;;;i 2 n ist, da dann sin (t/2) nicht negativ ist. Damit ergeben sich für die Richtungskosinusse der Tangente T an die Zykloide im Punkte P mit dem Rollwinkel t die Ausdrücke: cos (T, x)

=

sin

~

=

cos (; -

~),

cos (T, y)

=

cos

~

.

(101,2)

Die Tangente zur Zykloide in einem Punkte P ist daher parallel der Winkelhalbierenden des Winkels QMP (vgl. Figur 89), den der nach P gezogene Radius des entsprechenden Rollkreises mit der negativen y-Achse bildet. Doch ist der Durchlaufungssinn der Tangente entgegengesetzt dem Durchlaufungssinn auf jener Winkelhalbierenden von M aus. Wie wir bereits in der Nr. 97 ausgeführt haben, ist längs der Zykloide (97,8) y eine eindeutige Funktion von x, lässt sich aber durch x mit Hilfe der elementaren Funktionen ohne Auflösung einer transzendenten Gleichung nicht darstellen. Dagegen lässt sich in diesem Fall für dy fdx ein relativ einfacher Ausdruck in y herleiten. In der Tat folgt aus (99,8) mit Hilfe der obigen Ausdrücke für x'(t), y'(t): ~ =

dx

,. sint _ ,. (1- cost) -

2,. sin (t/2) cos (t/2) _ t .!._ 2,. sin1 (t/2) - c g 2 •

Um dy fdx aber durch y darzustellen, beachte man, dass nach (97 ,8) r (1- cost) = y,

r cost = r- y,

r sint

=

± Vr2 -

(r- y) 2

289

§ 28, 102. Bogenlänge bei glatten Kurvenbögen

ist, so dass wir erhalten. Für die Schraubenlinie (98,1) ergibt sich x' = -

und daher, wegen

1

e

x'2

1

(!

sin t ' y' =

(!

cos t '

z' =

(!

tg e

< ; und

+ y'2 + z'2

= n2 "

+ n2 tg2 e = _e_22 - : "

yx'2 + y'2 + z'2 =

e

cos

_e_.

(101,3)

cosEJ

Für die Richtungskosinusse der Tangente T erhalten wir cos(T,x) = -cos@sint,

cos(T,y) =cos@cost,

cos(T,z) =tg8cos8=cos(; Daraus folgt, dass

0.

Die Einfachheit von C wird also nicht vorausgesetzt. 19

Ostrowski I

290

§ 28, 102. Bogenlänge bei glatten Kurvenbögen

Daher sind längs C die Grössen x'

Vx'2 + y'2 + z'2

y'

,

V.x'2 + y'2 + z'2

;;'

'

Vx'2 + y'2 + z'2

stetig in t. Dies bedeutet, dass längs eines glatten Bogens die Tangentenrichtung sich stetig ändert. Die Bogenlänge von C wird nun folgendennassen definiert. Man zerlege das Intervall ( t', t") in n Teilintervalle durch Einschaltung von n -1 Teilpunkten t., so dass

t' = t0 < t1 < · · · < tn = t"

ist. Sei allgemein P(t.)

=

(102,2)

Pv und S der Streckenzug

Wir bezeichnen seine Länge mit I S

I· Es ist n

I s I = L J I Pv-1 P" I .

(102,3)

V=

Man denke nun die Einteilung (102,2) > Bogenlänge längs C bis zum Punkt P(t) - durch das

Integral

=I yx' 2 + y' 2 + z'2 dt I

s(t)

(102, 7)

I'

gegeben. Für t = t' ist dies = 0, und man nimmt naturgernäss die Bogenlänge des sich auf den Punkt P(t') zusammenziehenden Bogens als 0 an. 103. Bogenlänge als Parameter Insbesondere folgt aus (102,7), wenn C durch den Punkt P(t0 ) in zwei Teilbögen C1 , C2 zerlegt wird:

I Cl I =I

I,

=I yx' 2 + y' 2 + z' 2 dt I"

yx' 2 + y' 2

+ z' 2 dt,

I

I'

C2 1

(103,1)

I,

und daher, wenn C mit C1

+ C2 bezeichnet wird:

Man kann die Relation (102,7) auch «differentiell» schreiben. Da s(t) ein Integral mit t als oberer Grenze ist, ist unter unseren Annahmen s(t) eine stetige und differenzierbare Funktion von t, und es gilt

~;

=

(r ~;

yx'(t) 2 + y'(t) 2 + z'(t) 2 ,

(103,2)

x'(t) 2 + y'(t) 2 + z'(t) 2 .

(103,3)

=

Handelt es sich insbesondere um eine ebene Kurve in der (x, y)-Ebene, so dass z = 0, z' = 0 zu setzen ist, so gehen die Formeln (102,7), (103,2), (103,3) über in

I y x' I

s(t)

=

+ y'z dt,

(103,1')

yx'(t) 2 + y'(t)2,

(103,2')

+ y'(t)2.

(103,3')

2

I'

~;

=

(~; t

=

x'(t)2

294

§ 28, 103. Bogenlänge als Parameter

Ist dabei insbesondere x als Parameter gewählt, so dass y' sich:

Jyy'

=

dy fdx ist, so ergibt

X

s(x)

=

ds

2

+ 1 dx ,

(103,1")

,/--

d;"=yy'2+1.

(103,2")

Geht man längs einer glatten Kurve in einer bestimmten Richtung, so wächst dabei die Bogenlänge stetig und im eigentlichen Sinne monoton. Daher liegt es nahe, die Bogenlänge selbst als Kurvenparameter einzuführen. Man kann dabei die Fortschreitungsrichtung und den Anfangspunkt beliebig wählen. Ist der Anfangspunkt nicht in einem der Endpunkte des Kurvenbogens gewählt, so ist die Bogenlänge sowohl positiver als auch negativer Werte fähig. Die Benutzung der Bogenlänge als Parameter bietet den grossen Vorteil, dass dabei der Parameter nicht etwa willkürlich gewählt wird, sondern eine mit der Kurve wesentlich zusammenhängende geometrische Grösse ist. Die Bogenlänge ist gewissermassen der natürliche Parameter längs einer Kurve. Namentlich vereinfachen sich aber alle Formeln und Rechnungen der Differentialgeometrie der Kurven, wenn als Parameter die Bogenlänge benutzt wird. Wir wollen im folgenden die Ableitungen der zu einer Kurve gehörenden Grössen nach der Bogenlänge dieser Kurve mit Punkten über dem Variablensymbol bezeichnen, so dass z. B. dy

.

usw.

ds=y, ist.

Wird als Parameter die Bogenlänge gewählt, so folgt aus (103,3), da dann die linke Seite gleich 1 wird: (103,4) Gilt umgekehrt für einen Parameter t die Relation (103,4), so bedeutet dies, dass

~=1 dt

ist und daher

s= t

+ const

gilt, so dass sich t von der Bogenlänge nur um eine additive Konstante unterscheidet. Wegen (103,4) nehmen die Formeln (99,4) für die Richtungskosinusse der Tangente die folgenden, besonders einfachen Formen an: cos (T, x) =

x,

cos (T, y) =

y,

cos (T, z) =

z.

(103,5)

Im Falle der Ebene z = 0 ergibt sich aus (100,5) für die Richtungskosinusse der Normalen (103,6) a 1 = cos (N, x) = - y, ß1 = cos (N, y) = x.

§ 28, 104. Beispiele für die Berechnung der Bogenlänge

295

Differenziert man die Relation (103,4) nachsunddividiert durch 2, so folgt weiter (103, 7) 104. Beispiele für die Berechnung der Bogenlänge Im Falle des Kreises (97,1) folgt sofort s' 2

=

+ y' 2 =

x' 2

(-

ds

dt=r,

r sint) 2

+ (r cost) 2 =

r2

,

s=rt+c,

so dass also die Bogenlänge s(t 2) - s(t1) proportional dem Zentriwinkel t2 - t1 ist. - Natürlich ist diese Tatsache damit nicht etwa bewiesen, sondern nur verifiziert, denn die Grösse t ist ja von vornherein als Länge eines Bogens auf dem Kreis mit dem Radius 1 definiert. Für die Ellipse (97,2) folgt s' 2

=

(-

a sint) 2

+ (b cost) 2 ,

Die Integration des Ausdrucks rechts ist allerdings im allgemeinen nicht mit Hilfe der elementaren Funktionen ausführbar, sondern führt auf sogenannte elliptische Integrale. Für die Zykloide (97,3) folgt aus (101,1) ds

t

.

-=2rsm-dt 2 .

(104,1)

Integriert man dies, so ergibt sich, wie sofort zu verifizieren ist, längs des ersten Zykloidenbogens t

s = - 4 r cos 2

+c.

Soll die Länge des ganzen ersten Zykloidenbogens berechnet werden, wobei also t von 0 bis 2 :n läuft, so ergibt sich für seine Länge: - 4 r cos :n

+ 4 r cos 0 =

8r .

Man erhält die bemerkenswerte Tatsache, dass die Länge des Zykloidenbogens in rationalem Verhältnis zum Radius des Rollkreises steht. Für die Schraubenlinie (98,1) liefert (101,3): ds dt

_(!_

cose '

s

(!

=

cos0

t

+c.

(104,2)

296

§ 28, 105. BogenHinge in ebenen Polarkoordinaten

Die Bogenlänge eines Bogens der Schraubenlinie ist proportional der Länge der Projektion dieser Linie auf die Ebene des Grundkreises. Für die sogenannte Kettenlinie (a > 0), die, wie man in der Mechanik beweist, die Gestalt einer an zwei Endpunkten aufgehängten Kette ist, folgt, wenn die Striche die Ableitungen nach x bedeuten:

ds

--;;:; =

21

(e zfa

+ e-zfa) ,

_ s-

2a

(e zfa -e -zfa)

{104,3)

,

wenn die Bogenlänge vom Punkt x = 0 aus gemessen wird, d. h. vom tiefsten Put:J.kt der Kettenlinie aus (vgl. Figur 45). 105. Bogenlänge in ebenen Polarkoordinaten Wie aus der analytischen Geometrie bekannt ist, versteht man unter ebenen Polarkoordinaten eines PunktesPin bezugauf einen Pol 0 und einen von diesem Punkt auslaufenden Halbstrahl, die Achse, einerseits die stets als nicht negativ angesetzte Distanz von P nach 0 - den Radiusvektor von P - und andererseits den Winkel, den der von 0 nach P gezogene Radiusvektor mit der Achse bildet die Amplitude von P.

y

p

a

X

---0.1:-----.,;-X Figur 45

Figur 46

Legt man den Pol in den Ursprung eines rechtwinkligen Achsenkreuzes und die Achse längs der positiven x-Achse, so ergeben sich (vgl. Figur 46) zwischen den rechtwinkligen Koordinaten x, y und den Polarkoordinaten r, qJ (r =Radiusvektor, qJ = Amplitude) die Relationen: x = r cosqJ, y = r sinqJ,

(105,1) (105,2) y

tgqJ=-. X

{105,8)

§ 28, 105. Bogenlänge in ebenen Polarkoordinaten

297

Durch die Relationen (105,8) wird der Winkel(/' bis auf ein Vielfaches von 2 n eindeutig festgelegt. Hierzu genügen zwei beliebige unter den Relationen (105,8). Benutzt man dagegen nur die letzte der Relationen (105,8), so wird damit der Winkel(/' nur bis auf ein Vielfaches von n festgelegt. Bei der Darstellung von Kurven in Polarkoordinaten wird eine Relation· zwischenrund (/'vorgegeben, woraus vermöge der Formeln (105,2) und (105,8) eine Relation zwischen x und y erhalten werden kann. Im Falle einer durch Polarkoordinaten dargestellten Kurve liegt namentlich in vielen Fällen die Benutzung der Amplitude (/' als Parameter nahe. Doch kann natürlich ein beliebiger Parameter benutzt werden, durch den dann. r und (/' darzustellen sind. Sind r und (/' als Funktionen eines Parameters t dargestellt, so lassen sich vermöge der Relationen (105,1) auch x und y durch t darstellen. Man erhält insbesondere x' = r' cos (/' - !p' r sin (/' , y' = r' sin (/'

(105,4)

+ !p' r cos (/' .

Quadriert und addiert man diese Relationen, so folgt x' 2

+ y' 2 =

+ !p' 2 r 2 sin 2 !p + + r'2 sin 2 qJ + 2 r' r !p' sinqJ COS!p + !p' 2 r 2 cos 2 !p = = r' 2 (cos 2 !p + sin 2 !p) + !p' 2 r 2 (sin2 qJ + coS 2 !p) , r' 2 cos 2 !p- 2 r' r

!p'

5 •2 = r'2

COS!p sinqJ

+ r2 (/''2 •

(105,5)

Wir wollen diese Formeln z. B. auf die logarithmische Spirale

r=em"'

(m=!=O)

(105,6)

anwenden. Variiert hier (/' von - co bis co, so windet sich diese Spirale für m > 0 im positiven Sinn, für m < 0 im negativen Sinn um den Pol, wobei z. B. für m > 0 der Spiralenpunkt für(/'--+-- co und(/'--+- co im Nullpunkt einmündet bzw. ins Unendliche läuft. Wählt man(/' als Parameter, so folgt

r' = m e"'"' = m r,

!p'

= 1.

Daher liefern die Formeln (105,4) längs der logarithmischen Spirale x' y'

=

r' cosqJ- !p' r sinqJ

=

r' sinqJ

=

+ !p' r COS!p =

m r COS!p- r sinqJ m r sinqJ

=

m x- y,

+ r cosqJ = m y + x,

x' = m x - y , y' = m y

+x.

(105,7)

298

§ 28, 105. Bogenlänge in ebenen Polarkoordinaten

Es folgt

s'2 = x'2

+ y'2 = (m2 + 1) (x2 + y2) = (m2 + 1) r2.

Setzt man nun so ist

m 2+1--1_ - Slll!p . 2 ' ~ = yx'2 drp

+

J

'2

= ___ r_,

(105,8)

Slll!p

und daher wegen (105,7): cos(T, x) = (m ; -

~) sin1p =

(ctg1p cosrp- sinrp) sin1p =

= cos1p cos rp - sin rp sin 1p = cos (1p + rp) , cos(T,y) = =

(m

~ + ;) sin (1p + rp) ,

cos (T, x) = cos (1p

+ rp)

,

sin1p = COS1J!sinrp

+ sin1pcosrp =

cos (T, y) = sin (1p

+ rp)

(105,9)

.

Da der Radiusvektor r, als die nach dem Kurvenpunkt gerichtete Strecke aufgefasst, die Richtungskosinusse cos rp, sin rp hat, folgt cos(T, r) = cos(1p

+ rp)

cosrp

+ sin(1p + rp)

sinrp = cos1p.

Die Tangente zur logarithmischen Spirale bildet mit dem zugehörigen Radiusvektor einen konstanten Winkel (vgl. Figur 47).

y

Figur 47

Aus (105,8) folgt e

mtp

-e

mq;0

COS!p

299

§ 29, 106. Entwicklung des Logarithmus

Bezeichnen wir die Radienvektoren, die zu rp, rp0 gehören bzw. mit r, r0 , so ergibt sich für die Länge des zugehörigen Bogens der logarithmischen Spirale

Is I =

Ir- ro

I

I COS!p I .

Die Länge eines Bogens der logarithmischen Spirale ist proportional der Differenz der zugehörigen Radienvektoren.

§ 29. Entwicklung des Logarithmus und des Arcustangens 106. Entwicklung des Logarithmus Um die Werte und die verschiedenen Eigenschaften gegebener Funktionen zu untersuchen, versucht man, sie durch andere bekannte oder leicht zu berechnende Funktionen anzunähern. Für die Analysis ist am wichtigsten die Annäherung durch gewisse Folgen von Polynomen, die sich aus der Differentialrechnung ergibt und im sogenannten Taylorschen Satz ihren präzisen Ausdruck findet. Bevor wir die allgemeine Theorie entwickeln, wollen wir erst derartige Approximationen für die Logarithmus-Funktion und die Arcustangens-Funktion auf einem direkteren Wege herleiten. Wir gehen von der Formel

1 + q + q2

1- q" + ... + qn-1 = - = -1- - -q"1-q 1-q 1-q

(

q =!= 1)

aus, die ja die bekannte Darstellung der Summe einer geometrischen Progression wiedergibt. Hier ersetzen wir q durch - t und lösen die Gleichung nach dem ersten Glied der rechten Seite auf. So ergibt sich - 1- = 1+1

1- t + t 2 -

• • •

+ (-1t- 1 t"- 1 + (-1)" _t"_ 1+t

(t =!= -1).

(106,1)

In dieser Identität multiplizieren wir beide Seiten mit dt und integrieren gliedweise von 0 bis x für ein x > - 1. Das Integrallinks ist

J 1 ~ 1 = lg (1 + t) I = lg (1 + x) . X

X

0

0

Rechts erhalten wir n Integrale von der Gestalt

f" t•dt=-- I" = - 0

t•+l v+1

0

x•+l v+1

(v = 0, 1, ... , n- 1) .

300

§ 29, 106. Entwicklung des Logarithmus

Bezeichnen wir noch das Integral des letzten Summanden rechts in (106,1) mit Rn(x), so ergibt sich x2

x3

1

x"

lg(1+x)=x-2+3-···+(-lf- --;;-+Rn(x)

(x>-1),

(106,2)

X

(- 1r Rn(x) = J~"+d: .

(106,3)

0

Um uns Rechenschaft über den Betrag von R"(x) geben zu können, wenden wir auf das Integral rechts in (106,3) die Formel (53,1) des verallgemeinerten ersten Mittelwertsatzes der Integralrechnung an, indem wir 11(1 + t) mit dem u-Faktor, t" mit dem p-Faktor identifizieren. In der Tat ändert ja t" im Intervall zwischen 0 und x sein Vorzeichen nicht. Dann ergibt sich

f 1+t = X

X

t"dt

1

1

0

+ ex

J'n

t dt

1

=

1

xn+l

+ ex n + 1- '

0

(106,4)

Hier liegt der absolute Betrag des ersten Faktors zwischen zwei festen positiven Schranken: 1 und 1I (1 + x) , ob x positiv oder negativ > - 1 ist. Daher ist für das Kleinerwerden mit wachsendem n nur das Verhalten des zweiten Faktors x" +1 1(n + 1) massgebend. Für x > 1 konvergiert dieser Faktor gegen oo, für x = 1 ist er gleich 1l(n + 1) und für Ix I < 1 konvergiert er relativ schnell- wie dien-te Potenz eines echten Bruches- gegen 0. Daher sehen wir, dass für -1 < x ~ 1 das Polynom n-ten Grades in (106,2) die Funktion lg (1 + x) mit einem gegen 0 konvergierenden Fehler approximiert, wenn n ins Unendliche wächst. Dies bedeutet für - 1 < x ~ 1 die Gleichung lg(1

+ x)

=

x2

x-2

:r3

x4

+ _:_-+ ··· 3 4

(-1

0 berechnen. Allerdings darf man dabei die Formel (106,2) nicht zu plump anwenden. Denn einerseits liefert sie, direkt angewandt, lgu nur für 0 < u ~ 2. Andererseits sind die durch sie gegebenen Näherungen praktisch meist ungünstig. Für x = 1 z.B. erhält man die Darstellung von lg2 durch eine unendliche Reihe: lg 2 = 1 - -21

1 + -13 - -+ ... , 4

die zwar sehr elegant und symmetrisch aussieht, aber praktisch nicht zu gebrauchen ist. Denn will man damit lg2 auch nur dreisteHig berechnen, und nimmt man die ersten 1000 Glieder, so hat nach (106,4) der Fehler immer noch den Betrag 1/[1001 (1 + 8)], ist also, da 8 < 1 ist, nicht einmal mit Sicherheit kleiner als die Hälfte der dritten Dezimalen. Um nun die Konvergenz unserer Darstellungen zu verbessern, nehmen wir in (106,2) und (106,4) I x I< 1 an, ersetzen in (106,2) x durch -x: lg (1 - x)

x1

x"

x3

2 - 3 - · · · - --;;- + R,. (- x)

= - x-

(x

> - 1)

und subtrahieren dies von (106,2), wobei wir noch n durch 2 n ersetzen: 1+x

lg 1- x

=

2

(

x2n-l) X+ -x33 + -x'5 + · · · + - + Gestalt bringen, in der aber eine Unbestimmte vorkommt. Wir identifizieren in (58,1) den Faktor u mit f"+ 1 >(t), den Faktor p mit (x - t)" fn! . Dann liefert die Formel (58, 1) :

e

Dabei liegt ~ zwischen a und x, lässt sich also in der folgenden Form schreiben: a + &(x- a), 0 ~ 8 ~ 1. Daher erhalten wir schliesslich

R n+ 1 -_

(x- a)"+t (n + 1) !

f

(n+1)(

a

a (

))

+o x - a '

(110,1)

Unter Verwendung dieser Formellässt sich (109,5) in der Form schreiben:

f(x)=f(a)+

+

x 1~a f'(a)+···+ (x:~)" f">(a)+

(x- a)"+l f"+l>(a (n+ 1)!

+ e (x -

a)) .

(110,2)

310

§ 30, 110. Weitere Diskussion der Taylorschen Formel

Wie man sieht, hat hier das Restglied eine ganz analoge Gestalt wie das allgemeine Glied mit dem einzigen Unterschied, dass das Argument der (n + 1)-ten Ableitung von f nicht mehr a, sondern der 0 jedes Glied rechts in (112,1) positiv ist, folgt _für jedes natürlichen:

e

.,

x"

>-;;~·

Ersetzen wir hier insbesondere n durch n durch x", so ergibt sich e"'

+ 1 und dividieren auf beiden Seiten x

>-x" (n + 1)! Hier strebt aber für jedes feste n die rechte Seite mit x-+ Daher folgt für jeden festen Wert von n: e"'

Lim---" =

gegen

oo.

(112,8)

oo,

X~CD X

oo

e"' geht stärker ins Unendliche als jede noch so hohe Potenz von x. -Doch beachte man, dass diese Aussage durchaus einen infinitären Charakter besitzt. Für grossenwird e"'fx" zuerst abnehmen bis zum Wert

~~~- = (~)" n"

n



der für x = n erreicht wird, um erst von da an ins Unendliche zu wachsen (vgl. das am Schluss der Nr. 94 behandelte Beispiel). Aus (112,8) folgt, wenn wir x"fe"' betrachten, Lim x" e-x

=

0.

{112,9)

Ersetzt man in (112,8) e"' durch x und x durch lgx, so ergibt sich weiter L•

X

1m (l x)" g

X-+ CO

Lim (lgx)" = 0 X-+co

X

1

=

.oo ,

. LIm X-+ CD

lgx 1j'K =

O.

X

Wir sehen, dass lgx schwächer ins Unendliche geht als eine Potenz von x mit noch so kleinem positivem Exponenten.

318

§ 31, 113. Die Eulerschen Formeln

Es sei q:>(z) ein beliebiges nicht identisch verschwindendes Polynom, und man betrachte die Funktion f(x)

Setzt man z

=

=

q:>

H-)e- /x'

(x

1

"p

0) .

1 / x, so folgt

f(x)

=

~·}- •

••

Strebt aber x gegen 0 und also I z I ins Unendliche, so strebt der Quotient rechts nach (112,8) gegen 0, weil ja im Zähler nur endlich viele Potenzen von z vorkommen. Setzt man daher /(0) = 0, so ist damit eine für alle x durchweg stetige Funktion definiert. Bildet man nun für x 'f 0 die Ableitung von f(x), so ergibt sich

wo q:>1 (z) = 2 z 3 q:>(z) - z 2 q:>' (z)

wieder ein Polynom ist. Daher strebt f'(x) für x-+ 0 gegen 0. Andererseits existiert die Ableitung von f(x) auch für x = 0 und hat dort den Wert 0; denn es gilt ja definitionsgemäss wegen /(0) = 0 /'{0) -L·

/(x)-/(0)

-L·

1 {1) e -1/x'-0 - '

- x~~--x--- x~~~(/) 7

da auch z q:>(z) ein Polynom ist. Wir sehen, dass f'(x) eine für alle x stetige Funktion von x ist, die für x "p 0 durch q:>1 (1/x) e-1/x' gegeben ist. Wenden wir die gleiche Überlegung auf f'(x) anstattauf f(x) an, so sehen wir, dass auch f"(x) und von da an, für jedes natürliche v, t(x) eine für alle x stetige Funktion von x ist, die für x = 0 den Wert 0 hat und si.ch für x "p 0 in der Gestalt q:>v (1/x) e-1/x• schreiben lässt, wo q:>.(z) ein Polynom ist. Schreiben wir nun für f(x) die Maclaurinsche Entwicklung an, so sind alle Terme dieser Entwicklung gleich 0, so dass diese Maclaurinsche Reihe für f(x) stets konvergiert und für jedes x die Summe 0 hat, während f(x) nur für eine endliche Anzahl von x-Werten überhaupt verschwinden kann. Wie man sieht, braucht die Maclaurinsche Entwicklung einer für alle x stetigen und beliebig oft differenzierbaren Funktion diese Funktion gar nicht darzustellen, auch wenn sie für alle x konvergiert. Diese Tatsache wurde zuerst von Cauchy an dem obigen Beispiel hervorgehoben.

113. Die Eulerschen Formeln Vergleicht man die Entwicklungen (112,2), (112,3), (112,6) und 112,7) von e"', e-z, sinx und cosx, so fällt es auf, dass die einzelnen Glieder der Reihen für sinx und cosx in den Entwicklungen von e"' und e""'vorkommen. Man kann indessen nicht sagen, dass sinx insgesamt in den Entwicklungen von e"' und e-z steckt, da ja die ungeraden Potenzen von x in e"' alle Pluszeichen und in e-z das Minuszeichen haben, während die Vorzeichen in der Entwicklung von sinx alternierend aufeinanderfolgen. Analog verhält es sich mit der Entwicklung von cosx. Obgleich also hier ein gewisser Zusammenhang nahe liegt, ist er doch irgendwie schwer zu fassen. Euter ist es nun gelungen, diesen Zusammenhang zwischen den Entwicklungen von e"', sinx und cosx herzustellen. Allerdings musste er zu diesem Zwecke komplexe Zahlen und namentlich die