Von Elephantine Bis Ugarit: Festschrift Fur Hanna Jenni (German Edition) 9783963272127, 9783963272134, 3963272120

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Von Elephantine Bis Ugarit: Festschrift Fur Hanna Jenni (German Edition)
 9783963272127, 9783963272134, 3963272120

Table of contents :
Cover
Inhalt
Ein Rückblick zum Einstieg
Schriftenverzeichnis von Hanna Jenni
Bezold: Völker, die zu Juden werden? Zur Bedeutung des Hitpa‘el-Partizips מתיהדים in Est 8,17
Gautschy: Timed Events in the Temple of Karnak. The Khoiak Festival in the Times of Amenhotep III
Wespi: Demotisch „kennen“ und „können“. Bemerkungen zur Schreibung von rḫ „wissen, können“ im Demotischen
Koch: A New Kingdom Scarab from Tel Azekah, Israel, Depicting a Nursing Gazelle
Germany: Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums. Komposition, Funktion und Datierung der „Hebräer“-Passagen in 1 Samuel
Grütter: Eine forschungsgeschichtliche Leberschau-Ente. Keine Lehnübersetzung einer akkadischen idiomatischen Wendung in Ez 21,26
Saur: Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda
Mathys: Fälschungen
Puvaneswaran: Nominatio rerum. Akte der Namensgebung in der biblischen Urgeschichte
Vernus: La cataphore dans la prédication de qualité (« Adjectival Predicate »). De l’Ancien au Néo-égyptien
Müller: Politeness in Coptic. With an Appendix on A Coptic Business Letter Found at Elephantine
Bickel: „Zentrum und Peripherie“ im ägyptischen Neuen Reich? Zur Tragweite eines Modells
Sachindex

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Ägypten und altes TestamenT 116 ÄAT 116 Von Elephantine bis Ugarit • Festschrift für Hanna Jenni

Von Elephantine bis Ugarit Festschrift für Hanna Jenni

Herausgegeben von Rita Gautschy, Nesina Grütter und Matthias Müller www.zaphon.de

Zaphon

AeAT-FS-Jenni-Cover-5.indd 1

09.07.2023 15:37:16

Von Elephantine bis Ugarit Festschrift für Hanna Jenni

Herausgegeben von Rita Gautschy, Nesina Grütter und Matthias Müller

ÄGYPTEN UND ALTES TESTAMENT Studien zu Geschichte, Kultur und Religion Ägyptens und des Alten Testaments

Band 116

Gegründet von Manfred Görg Herausgegeben von Stefan Jakob Wimmer und Wolfgang Zwickel

Von Elephantine bis Ugarit Festschrift für Hanna Jenni

Herausgegeben von Rita Gautschy, Nesina Grütter und Matthias Müller

Zaphon Münster 2023

Cover-Illustration: Von Elephantine bis Ugarit. Quilt von Rita Gautschy.

Ägypten und Altes Testament, Band 116 Von Elephantine bis Ugarit. Festschrift für Hanna Jenni Herausgegeben von Rita Gautschy, Nesina Grütter und Matthias Müller

© 2023 Zaphon, Enkingweg 36, Münster (www.zaphon.de) All rights reserved. Printed in Germany. Printed on acid-free paper. ISBN 978-3-96327-212-7 (Buch) ISBN 978-3-96327-213-4 (E-Book) ISSN 0720-9061

Inhalt Ein Rückblick zum Einstieg .................................................................................................................... IX Schriftenverzeichnis von Hanna Jenni ..................................................................................................... XIII Helge BEZOLD Völker, die zu Juden werden? Zur Bedeutung des Hitpa‘el-Partizips ‫ מתיהדים‬in Est 8,17 ...................................................................

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Rita GAUTSCHY Timed Events in the Temple of Karnak The Khoiak Festival in the Times of Amenhotep III ...........................................................................

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Fabian WESPI Demotisch „kennen“ und „können“ Bemerkungen zur Schreibung von rḫ „wissen, können“ im Demotischen ......................................... 23 Ido KOCH A New Kingdom Scarab from Tel Azekah, Israel, Depicting a Nursing Gazelle ............................... 31 Stephen GERMANY Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums Komposition, Funktion und Datierung der „Hebräer“-Passagen in 1 Samuel .................................... 39 Nesina GRÜTTER Eine forschungsgeschichtliche Leberschau-Ente [ ] Keine Lehnübersetzung einer akkadischen idiomatischen Wendung in Ez 21,26 .............................. 53

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Markus SAUR Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda ............................................ 67 Hans-Peter MATHYS Fälschungen ......................................................................................................................................... 83 Brinthanan PUVANESWARAN Nominatio rerum Akte der Namensgebung in der biblischen Urgeschichte .................................................................... 119 Pascal VERNUS La cataphore dans la prédication de qualité (« Adjectival Predicate ») De l’Ancien au Néo-égyptien .............................................................................................................. 129 Matthias MÜLLER Politeness in Coptic With an Appendix on A Coptic Business Letter Found at Elephantine .............................................. 165

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Inhalt

Susanne BICKEL „Zentrum und Peripherie“ im ägyptischen Neuen Reich? Zur Tragweite eines Modells .............................................................................................................. 193 Sachindex ................................................................................................................................................. 203

Ein Rückblick zum Einstieg Im April 2019 feierten Kolleginnen und Kollegen, Freunde aus dem In- und Ausland, Studentinnen und Studenten den runden Geburtstag von Prof. Dr. Hanna Jenni mit dem Symposium Von Elephantine bis Ugarit an der Universität Basel, einer Tagung thematisch so vielseitig wie die Jubilarin: Hanna Jenni hat in Basel und Paris Ägyptologie, Islamwissenschaft und Alttestamentliche Wissenschaft studiert. In den Jahren 1988 bis 1991 war sie Mitarbeiterin des Schweizerischen Instituts für ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo. Seit 1994 ist sie Lehrbeauftragte für semitische Sprachen an der Theologischen Fakultät der Universität Basel, seit 1996 für Ägyptologie an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel, und seit 2005 auch für Ägyptologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich. Ihre Dissertation mit dem Titel Elephantine XVII: Die Dekoration des Chnumtempels auf Elephantine durch Nektanebos II [Archäologische Veröffentlichungen 90, Mainz] erschien 1998; und von hier stammt die erste Ortsangabe im Titel des Festkolloquiums. Im Jahr 2008 hat sich Hanna Jenni an der Universität Basel an der Theologischen und der Philosophisch-Historischen Fakultät habilitiert und die venia legendi für Ägyptologie und Semitische Sprachwissenschaft erhalten. Sechs Jahre später, 2014, wurde sie auf Antrag beider Fakultäten zur Titularprofessorin ernannt. Mit ihrem Unterricht prägt Hanna Jenni seit bald dreissig Jahren eine interdisziplinäre Studentenschaft und ihre Publikationen bereichern ägyptologische, archäologische, semitistische und religionsgeschichtliche Fachdiskussionen.1 Hanna Jenni gehört zum Kreis jener Basler Ägyptologinnen und Ägyptologen, die nach der Emeritierung von Prof. Erik Hornung weiterhin im Tal der Könige wissenschaftlich tätig bleiben wollten, was dank der Stiftung Altes Ägypten (jetzt Gertrud-Mayer-Stiftung) auch gelang. So fanden zwischen 1998 und 2008 insgesamt 10 Kampagnen im Tal der Könige statt, in denen Hanna Jenni im Projekt MISR: Mission Siptah – Ramses X arbeitete. Dabei wurde in den Gräbern der Pharaonen Ramses X., Sethos I., Siptah und seiner Gemahlin Tiaa weiter ausgegraben und dokumentiert, sowie eine Siedlung von Arbeiterhütten in deren Nachbarschaft freigelegt. Aus der Dokumentation entsprang unter Hanna Jennis Ägide die Publikation des Grabes von Ramses X. (als Herausgeberin und Autorin zu Funden),2 der Tagungsband zur modernen Geschichte des Tals der Könige3 und die Monographie zum Grab der Königin Tiaa.4 Neben Studien zu Ägyptens Materialität ist Hanna Jennis Name auch untrennbar mit dem Studium der ägyptischen Sprache verbunden, wie Beiträge zu diversen Themen der Morphologie, der Semantik und auch der Pragmatik des klassischen Ägyptisch zeigen.5 Kulminationspunkt des Ganzen ist das von ihr erarbeitete und im Gebrauch mit Studenten verfeinerte Lehrbuch der klassisch-ägyptischen Sprache,6 mit Hilfe dessen

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Für die vollständige Publikationsliste (Stand März 2023) siehe das nachfolgende Schriftenverzeichnis, für die annotierte Publikationsliste https://daw.philhist.unibas.ch/de/personen/hanna-jenni/chronologische-publikationsliste/ (letzter Zugriff 06.03.2023). 2 Jenni, H. (Hrsg.). 2000. Das Grab Ramses’ X. (KV 18). Mit Beiträgen von Andreas Dorn, Hanna Jenni, Barbara Lüscher, Elina Paulin-Grothe, Thomas Schneider, Aegyptiaca Helvetica 16, Basel. 3 Jenni, H. (Hrsg.). 2015. Zur modernen Geschichte des Tals der Könige. Tagung in Basel vom 1. September 2007 mit Beiträgen zum Grab Ramses’ X. (KV 18) und zu Funden aus moderner Zeit, Aegyptiaca Helvetica 25, Basel. 4 Jenni, H. et al. 2021. Das Grab der Königin Tiaa im Tal der Könige (KV 32), Swiss Egyptological Series 1, Basel/ Frankfurt. Open access: DOI 10.19218/3906897479. 5 Siehe beispielsweise Jenni, H. 2009. The Old Egyptian Demonstratives pw, pn and pf, in: M. Müller & S. Uljas (Hrsg.), Proceedings of the Forth International Conference on Egyptian Grammar (Crossroads IV), Basel, March 19–22, 2009 = Lingua Aegyptia 17, 119–137; dies. 2007. Diathese und Modus des ägyptischen Pseudopartizips, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 134, 116–133; und dies. 2002. „Sagen zu“ im Ägyptischen, in: Lingua Aegyptia 10, 239–259. 6 Jenni, H. 2010. Lehrbuch der klassisch-ägyptischen Sprache, Basel. Auch als eBook erschienen (28.08.2013).

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Ein Rückblick zum Einstieg

schon lange nicht nur in Basel und Zürich in die Grammatik der älteren Sprachstufe des Ägyptischen eingeführt wird. Auch zu semitistischen Themen publiziert Hanna Jenni regelmässig.7 So arbeitete sie an den SNFProjekten «Quellen zur Geschichte der Nabatäer» (1994–1996)8 und «Quellen zur Geschichte der Phönizier» (2006–2011)9 mit. Seit 1994 lehrt sie an der Theologischen Fakultät Basel neben Biblisch-Hebräisch und Althebräischen Inschriften verschiedenste antike semitische Sprachen: Phönizisch, Altäthiopisch, Aramäisch (Biblisch-Aramäisch, Aramäische Texte aus Ägypten, Nabatäisch, Syrisch) und, last but not least, Ugaritisch – von hier stammt die zweite Ortsangabe im Titel des Festkolloquiums. Das vielfältige Angebot von Hanna Jennis Sprachübungen fokussiert stets auch gezielt auf kulturwissenschaftliche Aspekte. So wird beispielsweise die editorische, epigraphische und historische Problematik phönizischer Inschriften erörtert, und im Unterricht wird mit Zeichnungen und Fotos gearbeitet. Der Einblick in und damit auch zugleich das Verständnis für die Kultur- und Religionsgeschichte der Levante werden so bewusst vertieft. Die Verbindung von Sprache mit Materialität, Religion und Geschichte zieht sich auch durch Hanna Jennis religionsgeschichtliche Forschungsbeiträge, wie an zwei Beispielen gezeigt werden soll: In Fragen zum Verb mšj [māšā(h)] in der Kindheitsgeschichte Moses (Ex 2,10)10 zeigt sie, dass der biblische Text von beachtlichem Wissen zeugt, was grundlegende Herrschaftsinstitutionen der ägyptischen Spätzeit (bis zur Perserherrschaft) angeht, und dass die königlichen Züge des Mose in der biblischen Erzählung im Lichte des ägyptischen Gottkönigtums auch eine göttliche Dimension erhalten. In Der textile fashion turn der 18. Dynastie11 beleuchtet Hanna Jenni Zusammenhänge zwischen Änderungen im Kleidungsstil und Umbrüchen sozialer und religiöser Konzeptionen. Hanna Jenni ist auch ausserhalb der universitären Lehre sehr aktiv. Seit 2014 ist sie Stiftungsratsmitglied des Theologischen Alumneums Basel, seit 2018 Präsidentin des Stiftungsrates. Von 1997–2022 war sie Mitglied der Kommission der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft (FAG) Basel, dabei von 2004–2022 Vorsteherin des Fonds zur Förderung der Geisteswissenschaften der FAG und des M.-E. Preiswerk-DixonFonds der FAG, sowie 2012–2022 Präsidentin der Fritz Sarasin-Stiftung der FAG (Kommissionsmitglied 2004–2022). Als das Basler Forum für Ägyptologie im Sommer 1996 gegründet wurde – unter anderem um die Unternehmungen und Tätigkeiten des Basler Seminars für Ägyptologie zu fördern –, war es Hanna Jenni, die am 20. November 1996 den Eröffnungsvortrag mit dem Titel Der ägyptische Papyrus Westcar – Nur Märchen? hielt. Fortan blieb sie mit dem Forum verbunden, hat das Vortragsprogramm organisiert und war überdies von 2008 bis 2015 Vizepräsidentin des Vereins. Der vorliegende Band Von Elephantine bis Ugarit erscheint im Anschluss an das Symposium, das am 12.–13. April 2019 in Basel stattfand. Das Tagungsprogramm spiegelte die grosse Vielfalt von Hanna Jennis Forschungsinteressen wider. Unter den beiden Überschriften Geschichte und Religion: Veränderung und 7

Siehe beispielsweise Jenni, H. 2014. Une inscription palmyrénienne sur un buste funéraire récemment acquis à Bâle (Suisse), in: Semitica 56, 203–208; dies. 2014. Les pronoms suffixes cataphoriques en phénicien et les statues d’enfants au sanctuaire du dieu Echmoun de Sidon (Bostan ech-Cheikh), in: Semitica 56, 151–177; und dies. 2007. Die sogenannte nota accusativi im biblischen Hebräisch, in: J. Luchsinger, H.-P. Mathys & M. Saur (Hrsg.), «… der seine Lust hat am Wort des Herrn!». Festschrift für Ernst Jenni zum 80. Geburtstag, Alter Orient und Altes Testament 336, Münster, 143– 183. 8 Resultierend u.a. in einer siebenhundertdreissigseitigen Monographie: Hackl U., H. Jenni, C. Schneider & D. Keller. 2003. Quellen zur Geschichte der Nabatäer, Novum Testamentum et Orbis Antiquus 51, Freiburg (CH) / Göttingen. Open Access: http://edoc.unibas.ch/15693/. 9 In diesem Zusammenhang u.a. erschienen: Jenni, H. 2015. Zu den phönizischen Inschriften des Grabes V in Byblos: Graffito im Grabschacht (KAI 2) und Inschrift auf dem Sarkophag (KAI 1) Ahiroms, in: V. Golinets, H. Jenni, H.-P. Mathys & S. Sarasin (Hrsg.), Neue Beiträge zur Semitistik: Fünftes Treffen der Arbeitsgemeinschaft Semitistik in der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom 15.–17. Februar 2012 an der Universität Basel, Alter Orient und Altes Testament 425, Münster, 121–138; dies. 2014. Pliny’s eusebes in the Temple of the Phoenician City of Tyre, in Theologische Zeitschrift 70, 1–3; und dies. 2013. Die Demonstrativa, die sogenannte nota accusativi und der Artikel in der phönizischen Sprache von Byblos: die Stele des Königs Jehaumilk (KAI 10), in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 163, 309–339. 10 Fragen zum Verb mšj in der Kindheitsgeschichte Moses (Ex 2,10), in: H. Jenni & M. Saur (Hrsg.). 2016. Nächstenliebe und Gottesfurcht. Beiträge aus alttestamentlicher, semitistischer und altorientalistischer Wissenschaft für Hans-Peter Mathys zum 65. Geburtstag, Alter Orient und Altes Testament 439, Münster, 151–175. 11 Jenni, H. 2013. Der textile fashion turn der 18. Dynastie, in: S. Bickel (Hrsg.), Vergangenheit und Zukunft. Studien zum historischen Bewusstsein in der Thutmosidenzeit, Aegyptiaca Helvetica 22, Basel, 61–75.

Ein Rückblick zum Einstieg

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Kontinuität und Materialität und Sprache: Von Artefakten und Texten trugen Kolleginnen und Kollegen sowie aufgrund ihrer Schwerpunkte eigens eingeladene Forscher und Forscherinnen vor und traten mit Hanna Jennis Schaffen in einen virtuellen Dialog. Am ersten Tag sprachen Prof. Dr. Susanne Bickel (Basel) über Zentrum und Peripherie im Neuen Reich. Zur Tragweite eines Modells, Prof. em. Dr. Pascal Vernus (Paris) über Les cataphora dans la prédication de qualité und Prof. Dr. Markus Saur (Bonn) über Proverbien 22,17–24,22 – eine ägyptische Lehre aus dem antiken Juda? Anschliessend eröffnete Prof. Dr. Sonja Amman (Basel) mit einem festlichen Grusswort den Apéro. Am zweiten Tag folgten die Vorträge von Dipl. Kons./Rest. Agnieszka Wós Jucker (Abegg-Stiftung Riggisberg) über Aus dem Repertoire eines Schneiders im Alten Ägypten. Textilien mit Nähten aus dem Grab KV40 im Tal der Könige, von Prof. em. Dr. Hans-Peter Mathys (Basel) über Gefälschte semitische Inschriften: Altbekanntes und neue Einsichten, Dr. Reettakaisa Sofia Salo (Göttingen) über Segen in Ugarit und Prof. Dr. Robert Hawley (Paris) über The Scribes Thabilu and Ilimilku: A New Chapter. Die Organisation und Durchführung des Symposiums wurde dank der finanziellen Unterstützung der folgenden Institutionen möglich: Der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW), der Schweizerischen Gesellschaft für Orientalische Altertumswissenschaft (SGOA), den Fachbereichen Ägyptologie sowie Altes Testament & Semitische Sprachwissenschaft der Universität Basel sowie dem Basler Forum für Ägyptologie (BFÄ). Diesen Geldgebern sei auch an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt Dr. Kai A. Metzler vom Verlag Zaphon und den Herausgebern der Reihe Ägypten und Altes Testament, die sich bereit erklärten, Beiträge vom und rund um das Thema des Symposiums versammelt in einem eigenen Band in der Reihe zu publizieren. Dies ermöglichte es, zusätzliche Beiträge von weiteren Kolleginnen und Kollegen (darunter auch ehemalige Schülerinnen und Schüler) Hanna Jennis hinzuzunehmen. Hinzugekommen sind die Beiträge Völker, die zu Juden werden? Zur Bedeutung des Hitpa‘el-Partizips ‫ מתיהדים‬in Est 8,17 von Helge Bezold, Timed Events in the Temple of Karnak: The Khoiak Festival in the Times of Amenhotep III von Rita Gautschy, Demotisch „kennen“ und „können“. Bemerkungen zur Schreibung von rḫ „wissen, können“ im Demotischen von Fabian Wespi, A New Kingdom Scarab from Tel Azekah, Israel, Depicting a Nursing Gazelle von Ido Koch, Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums. Komposition, Funktion und Datierung der „Hebräer“-Passagen in 1 Samuel von Stephen Germany, Eine forschungsgeschichtliche Leberschau-Ente [ ]. Keine Lehnübersetzung einer akkadischen idiomatischen Wendung in Ez 21,26 von Nesina Grütter, Nominatio rerum. Akte der Namensgebung in der biblischen Urgeschichte von Brinthanan Puvaneswaran und Politeness in Coptic. With an Appendix on A Coptic Business Letter Found at Elephantine von Matthias Müller.

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Rita Gautschy, Nesina Grütter und Matthias Müller Basel, den 6. März 2023

Schriftenverzeichnis von Hanna Jenni Stand März 2023 Monographien Hanna Jenni / Andreas Dorn / Elina Paulin-Grothe. Mit einem Beitrag von David Aston, Das Grab der Königin Tiaa im Tal der Könige (KV 32) (Swiss Egyptological Series 1), Librum, Basel / Frankfurt 2021. Open access: DOI 10.19218/3906897479. Lehrbuch der klassisch-ägyptischen Sprache, Schwabe, Basel 2010. Auch als eBook erschienen (28.08.2013). Ursula Hackl / Hanna Jenni / Christoph Schneider, unter Mitarbeit von Daniel Keller, Quellen zur Geschichte der Nabatäer (Novum Testamentum et Orbis Antiquus 51), Universitätsverlag, Freiburg Schweiz / Göttingen 2003 (http://edoc.unibas.ch/15693/). Die Dekoration des Chnumtempels auf Elephantine durch Nektanebos II. (Archäologische Veröffentlichungen 90 / Elephantine XVII), Mainz 1998 (Dissertation). Das Dekorationsprogramm des Sarkophages Nektanebos’ II. (Aegyptiaca Helvetica 12), Belles-lettres, Genève 1986 (Lizentiatsarbeit). Editionen Kathrin Gabler / Rita Gautschy / Lukas Bohnenkämper / Hanna Jenni / Clémentine Reymond / Ruth Zillhardt / Andrea Loprieno-Gnirs / Hans-Hubertus Münch (Hgg.), Text-Bild-Objekte im archäologischen Kontext. Festschrift für Susanne Bickel (Lingua Aegyptia. Studia Monographica 22), Hamburg 2020. Nesina Grütter / Hanna Jenni (Hgg.), Alttestamentliche und semitistische Wissenschaft im Gespräch, in: Theologische Zeitschrift 74, 2018, 1–134 (= Heft 1). Nesina Grütter / Hanna Jenni (Hgg.), Religionen und Kulturen in Beziehung. Festheft für Hans-Peter Mathys anlässlich seiner Emeritierung am 31. Januar 2017, in: Theologische Zeitschrift 73, 2017, 1–105 (= Heft 1). Hanna Jenni / Markus Saur (Hgg.), Nächstenliebe und Gottesfurcht. Beiträge aus alttestamentlicher, semitistischer und altorientalistischer Wissenschaft für Hans-Peter Mathys zum 65. Geburtstag (Alter Orient und Altes Testament 439), Ugarit-Verlag, Münster 2016. Viktor Golinets / Hanna Jenni / Hans-Peter Mathys / Samuel Sarasin (Hgg.), Neue Beiträge zur Semitistik. Fünftes Treffen der Arbeitsgemeinschaft Semitistik in der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom 15.–17. Februar 2012 an der Universität Basel (Alter Orient und Altes Testament 425), Ugarit-Verlag, Münster 2015. Hanna Jenni (Hg.), Zur modernen Geschichte des Tals der Könige. Tagung in Basel vom 1. September 2007 mit Beiträgen zum Grab Ramses’ X. (KV 18) und zu Funden aus moderner Zeit (Aegyptiaca Helvetica 25), Schwabe, Basel 2015. Ernst Jenni, Studien zur Sprachwelt des Alten Testaments III, hg.v. Hanna Jenni / Hans-Peter Mathys / Samuel Sarasin, Kohlhammer, Stuttgart 2012. Hanna Jenni (Hg.), Das Grab Ramses’ X. (KV 18). Mit Beiträgen von Andreas Dorn, Hanna Jenni, Barbara Lüscher, Elina Paulin-Grothe, Thomas Schneider (Aegyptiaca Helvetica 16), Schwabe, Basel 2000.

XIV

Schriftenverzeichnis von Hanna Jenni

Beiträge in Sammelschriften und Festschriften Observing the Layout of Hieroglyphs and Remarks on the Paronomastic Superlatives in Egyptian, in: Kathrin Gabler et al. (Hgg.), Text-Bild-Objekte im archäologischen Kontext. Festschrift für Susanne Bickel (Lingua Aegyptia. Studia Monographica 22), Hamburg 2020, 185–198. Fragen zum Verb mšj in der Kindheitsgeschichte Moses (Ex 2,10), in: Hanna Jenni / Markus Saur (Hg.), Nächstenliebe und Gottesfurcht. Beiträge aus alttestamentlicher, semitistischer und altorientalistischer Wissenschaft für Hans-Peter Mathys zum 65. Geburtstag (Alter Orient und Altes Testament 439), UgaritVerlag, Münster 2016, 151–175. Benoziglios La pyramide ronde (2001), in: H. Amstutz et al. (Hgg.), Fuzzy Boundaries. Festschrift für Antonio Loprieno, Widmaier Verlag, Hamburg 2015, 365–378. Zu den phönizischen Inschriften des Grabes V in Byblos: Graffito im Grabschacht (KAI 2) und Inschrift auf dem Sarkophag (KAI 1) Ahiroms, in: Viktor Golinets / Hanna Jenni / Hans-Peter Mathys / Samuel Sarasin (Hgg.): Neue Beiträge zur Semitistik: Fünftes Treffen der Arbeitsgemeinschaft Semitistik in der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom 15.–17. Februar 2012 an der Universität Basel (Alter Orient und Altes Testament 425), Ugarit-Verlag, Münster 2015, 121–138. Einleitung, in: Hanna Jenni (Hg.), Zur modernen Geschichte des Tals der Könige. Tagung in Basel vom 1. September 2007 mit Beiträgen zum Grab Ramses’ X. (KV 18) und zu Funden aus moderner Zeit (Aegyptiaca Helvetica 25), Schwabe, Basel 2015, 9–11. Der textile fashion turn der 18. Dynastie, in: Susanne Bickel (Hg.), Vergangenheit und Zukunft. Studien zum historischen Bewusstsein in der Thutmosidenzeit (Aegyptiaca Helvetica 22), Schwabe, Basel 2013, 61–75. Sprache, Schrift und Texte der Nabatäer, in: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig (Hg.), PETRA – Wunder in der Wüste. Auf den Spuren von J. L. Burckhardt alias Scheich Ibrahim, Schwabe, Basel 2012, 48– 52. Sonnenlitanei, in: Bernd Janowski / Daniel Schwemer (Hgg.), Grab-, Sarg-, Bau- und Votivinschriften (Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge 6), Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, 236–272. Die sogenannte nota accusativi im biblischen Hebräisch, in: Jürg Luchsinger / Hans-Peter Mathys / Markus Saur (Hgg.), «… der seine Lust hat am Wort des Herrn!». Festschrift für Ernst Jenni zum 80. Geburtstag (Alter Orient und Altes Testament 336), Ugarit-Verlag, Münster 2007, 143–183. Zum Jeremia-Apokryphon, in: Beat Huwyler / Hans-Peter Mathys / Beat Weber (Hgg.), Prophetie und Psalmen. Festschrift für Klaus Seybold zum 65. Geburtstag (Alter Orient und Altes Testament 280), UgaritVerlag Münster 2001, 99–114. Hanna Jenni / Barbara Lüscher / Elina Paulin-Grothe, Die Funde, in: Hanna Jenni (Hg.), Das Grab Ramses’ X. (KV 18). Mit Beiträgen von Andreas Dorn, Hanna Jenni, Barbara Lüscher, Elina Paulin-Grothe, Thomas Schneider (Aegyptiaca Helvetica 16), Schwabe, Basel 2000, 63–79. Der Sarkophag Usermaatres, in: Andreas Brodbeck (Hg.), Ein ägyptisches Glasperlenspiel. Ägyptologische Beiträge für Erik Hornung aus seinem Schülerkreis, Gebr. Mann Verlag, Berlin 1998, 93–161. Beiträge in Zeitschriften Nesina Grütter / Hanna Jenni, Vorwort, in: Theologische Zeitschrift 74/1, 2018, 2f. Nesina Grütter / Hanna Jenni, Vorwort, in: Theologische Zeitschrift 73/1, 2017, 2f. Der Code der Pharaonen, in: VSAO [Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte] Journal, Nr. 5, Oktober 2016, 25–27. Une inscription palmyrénienne sur un buste funéraire récemment acquis à Bâle (Suisse), in: Semitica 56, 2014, 203–208.

Schriftenverzeichnis von Hanna Jenni

XV

Les pronoms suffixes cataphoriques en phénicien et les statues d’enfants au sanctuaire du dieu Echmoun de Sidon (Bostan ech-Cheikh), in: Semitica 56, 2014, 151–177. Pliny’s eusebes in the Temple of the Phoenician City of Tyre, in: Theologische Zeitschrift 70, 2014, 1–3. Die Demonstrativa, die sogenannte nota accusativi und der Artikel in der phönizischen Sprache von Byblos: die Stele des Königs Jehaumilk (KAI 10), in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 163, 2013, 309–339. Totenbuch- und andere Sprüche auf dem Deckel des Sarkophages Sethos’ I., in: Göttinger Miszellen 236, 2013, 31–41. Der Anfang der Welt und die Gottebenbildlichkeit des Menschen in Ägypten vor dem Neuen Reich, in: Göttinger Miszellen 233, 2012, 9–19. The Old Egyptian Demonstratives pw, pn and pf, in: Matthias Müller / Sami Uljas (Hgg.), Proceedings of the Forth International Conference on Egyptian Grammar (Crossroads IV), Basel, March 19–22, 2009 = Lingua Aegyptia 17, 2009, 119–137. Hanna Jenni (avec la collaboration de Florence Mauric-Barberio), La Vallée des Rois, ses tombeaux et ses ouvriers. Travaux concernant les tombes KV 17, 18, 32 et 47 menés par l’Institut d’égyptologie de l’Université de Bâle, in: Égypte. Afrique et Orient 54, 2009, 11–24. Diathese und Modus des ägyptischen Pseudopartizips, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 134, 2007, 116–133. Studien zum Grab Sethos’ I. (KV 17) des Basler Projektes «MISR: Mission Siptah – Ramses X.», in: Sokar 14, 2007, 88–90. Arbeit im Tal der Könige. Das archäologische Projekt des Ägyptologischen Seminars der Universität Basel, in: Maat 2, 2005, 24–29. Das Projekt «MISR: Mission Siptah – Ramses X.». Zur 7. Kampagne (2004/05), in: Sokar 11, 2005, 66. Die pronominalen Erweiterungen beim Imperativ und der Ausdruck verbaler Reflexivität im Ägyptischen, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 132, 2005, 112–122. Sätze zum Ausdruck von Zugehörigkeit und Besitz im Ägyptischen, in: Lingua Aegyptia 12, 2004, 123–131. «Sagen zu» im Ägyptischen, in: Lingua Aegyptia 10, 2002, 239–259. Der Papyrus Westcar, in: Studien zur altägyptischen Kultur 25, 1998, 113–141. Yvonne Gerber / Hanna Jenni, A Nabataean Graffito. A Sherd from the Swiss-Liechtenstein Excavation at az-Zantûr, in: Annales du Département d’Antiquités de Jordanie 40, 1996, 463–466. Rezensionen Rez. Von: Robert D. Holmstedt / Aaron Schade (Hrsg.), Linguistic Studies in Phoenician. In Memory of J. Brian Peckham. Winona Lake (Ind.): Eisenbrauns 2013, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 165, 2015, 219–222. Rez. von: Holger Gzella, Tempus, Aspekt und Modalität im Reichsaramäischen (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Veröffentlichungen der Orientalischen Kommission, hg.v. Walter W. Müller, 49), Wiesbaden 2004, in: Theologische Zeitschrift 62, 2006, 465–467. Rez. von: Allen P. Ross, Introducing Biblical Hebrew, Grand Rapids 2001, in: Theologische Zeitschrift 58, 2002, 369f.

Völker, die zu Juden werden? Zur Bedeutung des Hitpa‘el-Partizips ‫ מתיהדים‬in Est 8,17 Helge Bezold1

In besonderer Weise verdeutlicht das in Est 8,17 bezeugte Hapax legomenon ‫ מתיהדים‬Übersetzungsschwierigkeiten und semantische Ambivalenzen des Hitpa‘el. Das von ‫ יהד‬abgeleitete Partizip wurde bereits als fingierte Handlung, als opportunistischer Seitenwechsel und besonders häufig als religiöse Konversion von Nichtjuden zum Judentum interpretiert. Dieser Beitrag überprüft die Plausibilität der bisherigen Übersetzungsvorschläge und liefert unter Berücksichtigung des Erzählkontextes von Est 8–9 neue Impulse für ein nuanciertes Verständnis von ‫מתיהדים‬. Dabei wird sowohl der verhältnismässig schwach ausgeprägten religiösen Färbung der Estererzählung als auch dem in Est 8–9 dominanten Thema des gewalttätigen Konflikts Rechnung getragen: Die mit ‫ מתיהדים‬bezeichnete Handlung ist eine Konsequenz der Furcht, die die Völker angesichts des politischen Erfolgs und der militärischen Überlegenheit der Judäer befällt. Durch ‫ מתיהדים‬zeigen die Völker an, auf welcher Seite sie stehen. Sie verhalten sich wie Judäer. The hapax legomenon ‫ מתיהדים‬in Esth 8:17 illustrates the distinctive semantic ambivalences and translation problems that the Hebrew Hithpa‘el stem poses. This participle is derived from the lexeme ‫יהד‬. It has sometimes been understood as a feigned or opportunistic act of posturing (“professing to be Jews”/“siding with the Jews”) although it is most often explained as a religious conversion of gentiles to Judaism. This paper explores the plausibility of recent translation proposals, analyses the narrative context of Esth 8–9, and provides new suggestions for a more nuanced translation of ‫מתיהדים‬. It will consider the lack of explicit references to religious customs in the book of Esther as well as the dominant theme of violence in Esth 8–9: The act of ‫ מתיהדים‬is a consequence of the fear that falls on the gentiles because of the Judeans’ political and military dominance. In ‫מתיהדים‬, the gentiles denote on which side they stand: They act as Judeans. Schlagwörter: Esterbuch, Hitpa‘el, Konversion, Furcht, Gewalt.

1 Einleitung Unter Studierenden des biblischen Hebräisch erfreuen sich die Stammformen der Hitpa‘el-Konjugation meist grosser Beliebtheit. Die Verdoppelung des zweiten Radikals und vor allem das mal vorangestellte, mal metathesierte, eingeschobene Taw erlauben eine schnelle Identifizierung des Verbalstammes. Als schwieriger erweist sich die Übersetzung von Hitpa‘el-Formen, da es einerseits semantische Überschneidungen mit dem Nif‘al, andererseits verschiedene Bedeutungsnuancen der Verbformen gibt.2 Es wurde vorgeschlagen, Subjekte von Hitpa‘el-Verben seien vor allem „mit sich selber beschäftigt“, wobei diese Form der Selbstbeschäftigung meist „eine prädikative Eigenschaft als Resultat bewirkt“.3 Eine theologische Finesse aus dem Deuterojesajabuch mag diese semantische Funktion verdeutlichen: In Jes 45,15 wird Gott als Retter Israels gepriesen und gleichzeitig durch ein Hitpa‘el-Partizip der Wurzel ‫ סתר‬als ein „sich verborgen haltender Gott“ (‫ )אל מסתתר‬ausgewiesen. Gott ist demnach nicht lediglich „verborgen“. Für ein solches mediopassives Verständnis stünde das Nif‘al (‫)נסתר‬. Gott hält sich aktiv und willentlich verborgen.4 Aus einem anderen Buch der hebräischen Bibel, in dem Gottes Verborgenheit sogar so weit geht, dass er nicht einmal Erwähnung findet, stammt eine Hitpa‘el-Form, die in diesem Beitrag neu bewertet werden soll: Im achten Kapitel des Esterbuches ist das Partizip ‫ מתיהדים‬belegt, das sich vom Lexem ‫ יהד‬bzw. von ‫יהדי‬, „Jude“ bzw. „Judäer“

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Ruhr-Universität Bochum ([email protected]). Vgl. z.B. Baden (2010: 33–44); Benton (2020: 1–29). 3 Jenni (2012: 287). 4 Vgl. Jenni (2012: 159–160). 2

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ableitet (Est 8,17). Dieser Beitrag wird aufzeigen, wo die Probleme der bisherigen Übersetzungsvarianten liegen, und unter Berücksichtigung des Erzählkontextes von Est 8,17 eine nuancierte Übersetzung dieses umstrittenen Hapax legomenons entwickeln. 2 Bisherige Deutungsvorschläge zu ‫מתיהדים‬ Der Vers Est 8,17 schliesst das achte Kapitel der Estererzählung ab. Nachdem Ester und Mordechai Haman als Übeltäter entlarvt hatten und dieser hingerichtet worden ist, kann Mordechai dem Vernichtungsbeschluss Hamans ein eigenes Edikt entgegenstellen. Darin ruft er sein Volk zum Kampf gegen diejenigen auf, die dem Schreiben Hamans Folge leisten wollen (Est 8,1–14). Mordechai tritt in Est 8,15–16 in königlicher Kleidung vor die Bewohner Susas und wird freudig empfangen. Est 8,17 beschreibt im Anschluss daran die Reaktionen auf Mordechais Erlass in den weiteren Gebieten des Perserreiches. Ein Vergleich verschiedener Bibelübersetzungen von Est 8,17 macht schnell deutlich, worin mögliche Probleme bei der Wiedergabe von ‫מתיהדים‬ liegen. Wir beginnen mit der Übersetzung der Zürcher Bibel (2007): Und in jeder Provinz und in jeder Stadt, wohin auch das Wort des Königs und sein Gesetz gelangten, herrschten Freude und Glück bei den Juden, gab es ein Festmahl und war ein Freudentag, und unter den Völkern der Erde machten sich viele zu Juden (‫)מתיהדים‬, denn der Schrecken vor den Juden hatte sie ergriffen. In dieser Übersetzung wird das Hitpa‘el konsequent als auf die Subjekte bezogene, den Zustand der Handelnden nachhaltig verändernde Aktion gedeutet: Viele, die vorher keine Juden waren, machen sich zu Juden und sind es dadurch auch. Ähnlich übersetzen z.B. die Elberfelder Bibel (2006) oder die revidierte Lutherübersetzung (2017). In einer solchen Übersetzung legt sich im Deutschen die Vermutung nahe, das Verb umschreibe einen religiös motivierten Vorgang. So vermutet Beate Ego in ihrem 2017 veröffentlichten Kommentar des Esterbuches, hinter ‫ מתיהדים‬in Est 8,17 lasse sich die „Idee eines Proselytismus“ erkennen.5 Ein solcher Beiklang tritt in der Einheitsübersetzung (2016) noch stärker in den Vordergrund. Dort lautet die Übersetzung von Est 8,17b: „In allen Völkern der Erde wandten sich viele dem Judentum zu.“6 In der auf allgemeine Verständlichkeit angelegten Übersetzung der Gute Nachricht Bibel (1997) wird das Hitpa‘elVerb eindeutig als Konversion interpretiert, wenn viele aus den Völkern „zum Judentum über[traten]“. Nicht wenige exegetische Abhandlungen sind diesem Verständnis gefolgt.7 Harald Martin Wahl zeigt sich in seinem Kommentar aus dem Jahre 2009 überzeugt, das Handeln der Völker beinhalte ein „Bekenntnis zum Gott Israels“, was letztlich bedeute, dass „das Judentum […] zur Weltreligion“ werde.8 Eine gänzlich andere semantische Möglichkeit wird durch die im englischen Sprachraum weitverbreitete New Revised Standard Version (NRSV 1989) vermittelt. Der zweite Versteil von Est 8,17b lautet dort: Furthermore, many of the peoples of the country professed to be Jews, because the fear of the Jews had fallen upon them. Nach dieser Übersetzung geben die Völker lediglich vor, Juden zu sein, werden es aber nicht wirklich. Die Vorstellung einer spontanen Konversion von Nichtjuden wird in dieser Übersetzung vermieden. Eine solche Wiedergabe des Partizips verweist auf einer anderen Funktion des Hitpa‘el, der in manchen Fällen „auch eine Beurteilung als blosse Meinung oder gar als fingierte Tatsache“ zulässt.9 Auch für die Übersetzung des Hitpa‘el-Partizips ‫ מתיהדים‬als Vortäuschen gibt es in der exegetischen Literatur Zuspruch.10 Andere Ausleger versuchen, zwischen den genannten Möglichkeiten zu vermitteln oder diese Alternativen zu vermeiden.11 So schlägt Jon Levenson vor, ‫ מתיהדים‬als Ausdruck eines eher pragmatischen, nicht näher 5

Ego (2017: 360). Vgl. Gerleman (1982: 21–22); Berlin (2001: 80–81). Ähnlich bereits Hengel (1988: 560): „Selbst die Mission des Judentums hatte ihre politische Seite: Schon nach Esther 8,17 nahmen nach dem Erlaß des Königs viele Völker das Judentum an […].“ 7 Vgl. z.B. De Troyer (2000: 167–168); Kossmann (2000: 306–310); Wahl (2009: 173). 8 Wahl (2009: 173). 9 Jenni (2012: 151). Jenni (2012: 219) und Waltke & O’Connor (1990: 431 [26.2.f.]) verstehen Est 8,17 als einen solchen Fall eines Vortäuschens. 10 Vgl. die teils sehr unterschiedlichen Ansätze von Ehrlich (1914: 122); Gordon (1997: 306–307); Cohen (1999: 181– 182); Thiessen (2011: 7) und Wetter (2015: 136–137). 11 Vgl. zu den verschiedenen Varianten die Übersicht bei Ego (2017: 354–356). 6

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determinierten „Seitenwechsels“ der Völker zu verstehen.12 Durch einen solchen hätten viele aus den Völkern verhindern wollen, in den sich abzeichnenden Kämpfen (Est 9,1–16) getötet zu werden. Jean-Daniel Macchi vermutet hingegen, dass sich eine Gruppe aus den Völkern aus Furcht vor den Judäern „judaisiert“ und dabei Aspekte der Lebensweise der ‫ יהודים‬übernommen hätte.13 Beide Positionen verdeutlichen die bleibenden Ambivalenzen in der Übersetzung der Verbform und weisen darauf hin, dass der Erzählkontext für eine möglichst präzise Wiedergabe von ‫ מתיהדים‬von entscheidender Bedeutung ist. Das gilt nicht nur für die Verortung von Est 8,17 innerhalb von Est 8–9, sondern auch für die Frage danach, wie man die Gruppe der ‫ יהודים‬in der Estererzählung fassen kann. 3 Die ‫ יהודים‬in der Estererzählung Kein anderes Werk der hebräischen Bibel rekurriert so oft auf das Ethnonym ‫יהודים‬/‫ יהודי‬wie das Esterbuch. Mit 44 Belegstellen ist das Wort „ein echtes Lieblingswort des Dichters“.14 Dennoch ist die Estererzählung auffällig zurückhaltend in Bezug auf konkrete Merkmale dieser Gruppierung, was auch eine inhaltliche Bestimmung der Verbform ‫ מתיהדים‬erschwert. Wenige Aspekte lassen sich anführen: Mordechais Genealogie hält die Deportation der ‫ יהודים‬und damit ihre Herkunft aus Judäa als Teil der kollektiven Erinnerung fest (Est 2,6). Mordechais Weigerung, vor Haman niederzufallen (3,2), lässt sich als Hinweis auf die eigenen Bräuche des Volkes lesen.15 In Est 8,7 wird erwähnt, dass die ‫ יהודים‬eine eigene Sprache und Schrift haben. Am Ende der Erzählung feiert man ausserdem das Purimfest (9,20–32). Von diesen Elementen abgesehen werden keine Kennzeichen erwähnt, durch die innerhalb der Estererzählung eine Unterscheidung zwischen den ‫ יהודים‬und den anderen Völkern möglich wäre.16 Im Esterbuch werden keine äusseren Merkmale wie Kleidung oder Aussehen angeführt, anhand derer man Ester oder Mordechai einer bestimmten Volksgruppe zuweisen könnte. Ester kann ihre Herkunft problemlos verschweigen (Est 2,10). Auch im Fall der nicht geleisteten Proskynese Mordechais bleibt seine Volkszugehörigkeit solange unbekannt, bis er die anderen Hofbeamten ausdrücklich über diese informiert (Est 3,4).17 Diese Beobachtungen erschweren die Interpretation von ‫ מתיהדים‬als fingierte Handlung zunächst: Wenn Aussenstehende nicht anhand äusserer Merkmale erkennen können, ob eine Person zu den ‫ יהודים‬gehört, wie sollten die Völker in Est 8,17 sich dann als solche ausgeben? Der Blick auf alttestamentliche Episoden, in denen das Hitpa‘el das willentliche Vortäuschen von Charakteren beschreibt, weist ferner darauf hin, dass eine solche Absicht meist ausdrücklich durch Figuren- bzw. Erzählerkommentare gekennzeichnet wird. Die Texte erwähnen sichtbare Merkmale oder Handlungen, die den fingierten Charakter der Aktionen als solchen ausweisen. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Als Jonadab Amnon zur Annäherung an Tamar dazu rät, „vorzugeben, krank zu sein“ (‫)והתחל‬, empfiehlt er ihm, sich auf sein Lager zu legen und nach Krankenkost zu verlangen (2 Sam 13,5–6). Und auch Joab, der der klugen Frau aus Tekoa aufträgt, sich vor David als Trauernde auszugeben (‫)התאבלי נא‬, erwähnt konkrete Handlungen für das erfolgreiche Vortäuschen. Die Frau solle Trauerkleider anlegen und sich mit Öl salben (2 Sam 14,2). Durch derartige Merkmale in der Vorbereitung und Durchführung wird die Absicht des Vortäuschens für die Leserschaft kenntlich gemacht. In Est 8,17 fehlen entsprechende Referenzen, weshalb ‫ מתיהדים‬kein willentliches Vortäuschen der Völker bezeichnen dürfte. Sollte ‫ מתיהדים‬keine fingierte Handlung ausdrücken, bleibt noch die Plausibilität der Wiedergabe des Partizips im Sinne eines „Übertritts“ bzw. einer „Konversion“ zu überprüfen. Grundsätzlich ist eine solche eher reflexive, den Zustand des Subjekts verändernde Wiedergabe der Hitpa‘el-Form möglich. Wie eingangs dargestellt, verstehen die meisten Übersetzungen einen solchen Vorgang dabei als religiös motivierte Handlung. 12

Levenson (1997: 117): „There is no reason, however, that this mysterious verb […] need to refer to a religious change. It may simply indicate that these Gentiles sided with the Jews.“ [Hervorhebung im Original]. In seiner Übersetzung wählt Levenson eine vermittelnde Variante: Viele aus den Völkern „identified themselves with the Jews“ (116). 13 Vgl. Macchi 2016: 410: „Nombreux parmi les peuples de la terre se judaïsaient.“ Levenson und Macchi attestieren dem Hitpa‘el damit eine gewisse performative Qualität. 14 Wahl (2009: 172). Vgl. ferner Wetter (2011: 596–603). 15 Ferner fasten Ester, Mordechai und das gesamte Volk in Reaktion auf den Vernichtungsbeschluss Hamans (Est 4,3.16). 16 Die von Haman vor den König getragenen Vorwürfe in Est 3,8 – das Volk lebe verstreut, von anderen Völkern abgesondert und folge nur den eigenen Gesetzen, missachte aber die königlichen – sind haltlos und werden im Verlauf der Estererzählung schrittweise entkräftet. 17 Vgl. Fox (1991: 112).

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Das Problem dieser Annahme besteht darin, dass in der Estererzählung keine kultisch-religiösen Handlungen wie Gebete oder Opfer erwähnt werden und sich zudem keine Verweise auf eine eigene Gottheit finden.18 In anderen Worten: Es gibt innerhalb der Estererzählung keine Anzeichen dafür, die ‫ יהודים‬als Religionsgemeinschaft zu fassen. Sie sind ein Volk unter den vielen Völkern im Perserreich (Est 3,8), eine ethnische Gruppe.19 Eine religiöse Deutung von ‫ מתיהדים‬als „Konversion“ legt sich im erzählerischen Kontext der Estererzählung deshalb nicht nahe.20 Zwar lässt sich auch die Bezeichnung „Juden“ als ethnische Kategorie verstehen, allerdings dürfte sich die Übersetzung „Judäer“ besser dazu eignen, die im Deutschen naheliegende Assoziation, es handle sich bei den ‫ יהודים‬im Esterbuch um eine vor allem durch geteilte religiöse Überzeugungen gefasste Gemeinschaft, zu vermeiden.21 Vor diesen Überlegungen stellt sich die Frage, ob die Völker in Est 8,17 ihre ethnische Zugehörigkeit wechseln und zu Judäern werden. Dazu gilt es, den Erzählkontext, insbesondere die Motivation des Handelns der Völker – die „Furcht vor den Judäern“ – genauer in den Blick zu nehmen. 4 Ein „Seitenwechsel“ aus Furcht Die mit ‫ מתיהדים‬beschriebene Handlung der Völker ist durch ihre „Furcht vor den Judäern“ ( ‫כי נפל פחד היהודים‬ ‫ )עליהם‬motiviert. Im Erzählkontext ist dies eine Konsequenz aus der neuen politischen Rolle Esters und Mordechais sowie der sich in Est 8,9–16 abzeichnenden Überlegenheit des judäischen Volkes in den in Est 9,1– 16 beschriebenen Kampfhandlungen. Als letzter Vers des achten Kapitels kommt Est 8,17 eine wichtige Scharnierfunktion zu: Der Vers beschreibt, wie sich in Reaktion auf Mordechais Erlass in allen Gebieten des Perserreiches Freude unter den Judäern, aber Furcht unter den anderen Völkern ausbreitet. Dabei blickt der Vers bereits auf die anstehenden Kampfhandlungen in Est 9,1ff. voraus. Es geht in Est 8,17 um die entscheidende Frage, wie sich die Völker am 13. Adar den Judäern gegenüber verhalten werden. Hamans in Est 3 erlassenes Edikt war „an alle Völker“ adressiert (Est 3,14) und rief diese dazu auf, das Volk der Judäer am 13. Adar zu vernichten. Damit sind alle Nichtjudäer potentielle Gegner der Judäer. Mordechais Gegenschreiben ruft indes alle Judäer dazu auf, „sich an ihren Feinden zu rächen“ (Est 8,13). Das judäische Edikt ist in gleicher Weise wie das von Haman erlassene Schreiben vom König autorisiert und „an alle Völker“ (Est 8,13) adressiert. Das führt in eine paradoxe Situation und zwangsläufig in einen Konflikt. Alle Völker sollen zwar die Judäer vernichten, sie wissen aber, dass die Judäer dazu bereit sind, alle Angriffe abzuwehren und mögliche Gegner „mitsamt Kindern und Frauen auszurotten, zu töten und zu vernichten und ihre Beute zu plündern“ (Est 8,11). In dieser Situation reagieren „viele aus den Völkern des Landes“ in Est 8,17 mit „Furcht“ (‫)פחד‬. Auf dieses Motiv wird in Est 9 noch zwei weitere Male rekurriert (Est 9,2.3). Die erzählerische Funktion ist dabei mit der in Est 8,17 vergleichbar und liefert deshalb wichtige Impulse für das Verständnis von ‫מתיהדים‬. Den Judäern gelingt der unwahrscheinliche Sieg über zehntausende Feinde deshalb, weil viele sie fürchten.22 Furcht ist damit ein positiv bewerteter Teilaspekt der glorreichen Aktionen der Judäer, die in den drei Versen jeweils eine andere Gruppe betrifft und die jeweils verschiedene Auswirkungen

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Anders z.B. Kossmann (2000: 312), die ohne weitere Belege von einem „kultisch-religiös geprägten Selbstverständnis“ der Estererzählung spricht. Zur (unwahrscheinlichen) Möglichkeit, den in Est 4,14 belegten Begriff als Hinweis auf Gott zu verstehen, vgl. Ego (2010: 249–251). Ferner gibt es keine Anhaltspunkte dafür, hinter Est 5,4 ein intentionales JHWH-Akrostichon zu vermuten. 19 Es steht ausser Frage, dass religiöse Überzeugungen oder kultische Bräuche wichtige Merkmale ethnischer Gruppen sind, vgl. Moore (2015: 43, 71–96). 20 Erst in der Septuagintafassung der Estererzählung wird eine solche Deutung greifbar. Dort ist in Est 8,17 von einem „Judaisieren“ der Völker die Rede, was durch die Annahme der Beschneidung konkretisiert wird (EstLXX 8,17b: καὶ πολλοὶ τῶν ἐθνῶν περιετέμοντο καὶ ιουδάιζον διὰ τὸν φόβον τῶν Ιουδαίων). 21 Ohnehin ist fraglich, inwiefern „Religion“ in Bezug auf die vorrömische Antike überhaupt ein tragfähiges Konzept zur Kategorisierung sozialer Gruppen ist, vgl. z.B. Boyarin (2004: 153); Mason (2007: 489–519). 22 Diese Verwendung von ‫ פחד‬unterscheidet sich von anderen alttestamentlichen Belegen, an denen das Entstehen von Furcht meist auf das Wirken Gottes zurückgeführt wird, vgl. exemplarisch Ex 15,16; 23,27; Dtn 11,25; Jos 2,9; 1 Sam 11,7; Ps 105,38. Ferner Ego (2017: 358–360). In der Auslegung des Esterbuches dürfte diese etablierte „theologische“ Verwendung des Motivs mit dazu beigetragen haben, in Est 8,17 hinter ‫ מתיהדים‬einen religiös konnotierten Vorgang zu vermuten, vgl. z.B. Clines (1984: 318–319); Dommershausen (1995: 43–44). Ob hinter ‫ פחד‬in Est 8,17; 9,2.3 jedoch eine Anspielung auf göttliches Wirken vorliegt, bleibt fraglich. Der so deutliche Fokus auf die Überlegenheit der Judäer im Kampf spricht eher dafür, dass die Furcht von den menschlichen Leistungen bzw. dem militärischen Potential der Judäer ausgeht.

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hat.23 In 9,2 geht es um diejenigen unter den Völkern, die die Judäer tatsächlich angreifen. Von diesen kann niemand den Judäern im Kampf Widerstand leisten (‫)ואיש לא עמד לפניהם‬, da zu Beginn der Kämpfe bereits „alle Völker“ (‫ )כל העמים‬von Furcht ergriffen werden. Im Anschluss daran, in Est 9,3, veranlasst die „Furcht vor Mordechai“ (‫ )פחד מרדכי‬die persischen Verwaltungsbeamten dazu, die Judäer (im Kampf?) zu „unterstützen“ (‫)נשא‬. Diese Akteure greifen die Judäer nicht an und werden auch nicht angegriffen. Est 8,17 geht dem voraus und nimmt eine Gruppe aus den Völkern in den Blick, die schon nach der Veröffentlichung von Mordechais Gegenschreiben von Furcht ergriffen wird. Welche Rückschlüsse lassen sich auf diesem Hintergrund für die Übersetzung von ‫ מתיהדים‬ziehen? Das Handeln der in Est 8,17 beschriebenen Menschengruppe zielt darauf ab, in den anstehenden Kämpfen auf der „richtigen“ Seite zu stehen, um nicht von den Judäern getötet zu werden. Aus der Sicht des Erzählers scheiden sie als potentielle Angreifer und Gegner der Judäer aus. Insofern legt sich nahe, an einen taktischen Seitenwechsel, wenn nicht sogar an einen Übertritt zum Volk der Judäer zu denken. Letzteres würde prinzipiell zur Gesamtanlage des Esterbuches passen, denn die Erzählung zeichnet die unerwartete, aber umfassende Schicksalswende des judäischen Volkes nach. Stand am Ende von Est 3 der Ausblick auf die vollständige Vernichtung aller Judäer, nimmt am Ende des parallel zu Est 3 aufgebauten Kapitels Est 8 die Zahl der Judäer zu. Folgt man ferner einem nicht religiös konnotierten Verständnis der Aktion, liesse sich das Partizip in Est 8,17b folgendermassen übersetzten: „Und viele aus den Völkern des Landes machten sich zu Judäern, denn die Furcht vor den Judäern war auf sie gefallen.“24 Eine inhaltliche Qualifizierung dieses Vorgangs leistet Est 8,17 nicht. Von entscheidender Bedeutung sind vielmehr die erzählerische Motivation und Funktion dieser Handlung: Die Völker agieren aus Furcht. Ihr Handeln versinnbildlicht die politische und militärische Dominanz der Judäer.25 Diese eher reflexive, den Zustand der Subjekte verändernde Interpretation von ‫ מתיהדים‬ist im Kontext von Est 8–9 allerdings nicht die einzige Möglichkeit, das Verb zu übersetzen. Eine weitere semantische Funktion des Hitpa‘el kann hier zu einer alternativen und nuancierten Wiedergabe verhelfen. Hitpa‘el-Verben können den Aspekt der veränderten äusseren Wahrnehmung von Subjekten betonen. Im Handeln der Subjekte drückt sich dabei die Annahme einer bestimmten sozialen Rolle und Funktion aus, die durch die dem Verb zugrundeliegende Wurzel bestimmt wird.26 Als beispielsweise der von einem bösen Geist Gottes befallene Saul in 1 Sam 18,10 „in Raserei verfällt“ (‫)ויתנבא‬, handelt er so, wie man es eigentlich von einem Propheten (‫)נביא‬ erwarten würde. Das Hitpa‘el von ‫ נבא‬zeigt hier weder an, dass Saul „zum Propheten wird“, noch, dass er vortäuscht, ein Prophet zu sein. Viel eher bewirkt ein bestimmter Umstand, dass sich Saul der sozialen Rolle eines Propheten entsprechend verhält und von aussen in der Rolle eines Propheten wahrgenommen wird. Für Est 8,17 lässt sich eine vergleichbare Interpretation plausibel machen. Die Völker handeln so, wie man es im erzählerischen Kontext von Judäern erwarten würde. Sie verhalten sich wie Judäer und werden im Fortgang der Erzählung auch als Judäer wahrgenommen. Eine naheliegende Möglichkeit, diese Form des Handelns näher zu bestimmen, wäre zunächst die Annahme, dass diese Gruppe in den judäischen Jubel über Mordechais Edikt einstimmt. Da sich allerdings die Furcht vor den Judäern zweimal mit ähnlichen Subjekten in Est 9 findet, dürfte Est 8,17 bereits die folgende Passage im Blick haben und mit den folgenden Kampfhandlungen in Zusammenhang stehen. Die Völker unterstützen die Judäer entsprechend ihrer neuen sozialen Rolle in den Kämpfen und erscheinen an ihrer Seite als Verbündete. Damit entspräche das Handeln der Völker zweifellos dem, was von den Judäern erwartet würde. Von der militärischen Überlegenheit der Judäer ergriffen, wechseln die Völker die Seite. Sie zählen nicht zu den „Feinden“ und „Hassern“ (Est 9,1), die Hamans Vernichtungsedikt umsetzen wollen, sondern sie handeln für alle erkennbar wie die Judäer. Eine solche Interpretation von ‫ מתיהדים‬lässt sich auch mit Blick auf Est 9,27 plausibilisieren, wo eine vergleichbare erzählerische Absicht erkennbar wird.27 Dort wird die Gültigkeit des Purimfestes für die Judäer, aber auch „für alle, die sich ihnen anschliessen würden“ (‫ )ועל כל הנלוים עליהם‬festgelegt. Wie in Est 8,17 bleibt zwar hier ebenfalls

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Zur vergleichbaren Funktion der Furcht in chronistischer Literatur, vgl. Ruffing (1992: 360–362); Willi (2009: 437– 453). 24 Zur Möglichkeit in der Antike die ethnische Zugehörigkeit zu wechseln vgl. Mason (2007: 491); Moore (2015: 22). 25 Vgl. Wetter (2015: 247); Macchi (2016: 434–435). 26 Vgl. Adam (2012–2015: 1–23) u.a. mit Bezug auf 1 Sam 10,5–6.10.13; 18,10; 19,24. 27 Vgl. zu ‫ לוה‬Jes 56,3 oder Sach 2,15, wo davon die Rede ist, dass sich Fremde dem Gott Israels anschliessen. Während eine religiöse Deutung von Est 9,27 fraglich bleibt, legen derartige Belege eine positive Bewertung der Teilnahme von Nichtjudäern an Purim nahe.

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offen, was genau diese Aktion bedeutet und wie nah sie einem „Übertritt“ zum Volk der Judäer kommt, unzweifelhaft ist jedoch, dass sich die Nichtjudäer in Est 9,27 so verhalten wie Judäer, wenn sie die an Purim gültige Festpraxis annehmen. Wie in Est 8,17 findet das Handeln der Judäer an dieser Stelle Nachahmung unter den Völkern. Beide Passagen verfolgen das erzählerische Interesse, die Überlegenheit des judäischen Volkes anhand des Verhaltens von Nichtjudäern zu verdeutlichen. 5 Ausblick Die hier vorgetragene Interpretation von Est 8,17 erlaubt einen unverstellten Blick auf eine oft vernachlässigte Aussage der hebräischen Estererzählung: Die Fähigkeit, gewaltsam gegen tausende Feinde vorzugehen, erscheint als ein wesentliches Kennzeichen des judäischen Volkes. In der einmalig im Alten Testament belegten Hitpa‘el-Form ‫ מתיהדים‬manifestiert sich die Überzeugung, dass das politische und militärische Potential der Judäer das Verhalten von Nichtjudäern nachhaltig beeinflusst. Wer der judäischen Überlegenheit im Falle des gewaltsamen Konflikts nicht wehrlos zum Opfer fallen möchte (Est 9,2), dem bleibt nur die Option, die Judäer zu unterstützen (Est 9,3) und dabei wie die Judäer zu agieren (Est 8,17).28 Die mit ‫ מתיהדים‬bezeichnete Handlung ist damit eine Voraussetzung für den grossen Erfolg der Judäer im Kampf gegen ihre Feinde.29 Die wachsende Zahl derjenigen, die sich zu den Judäern zählen und diese unterstützen, sowie die im Gegenzug abnehmende Anzahl an Judäerfeinden ist ein entscheidendes Moment der im Esterbuch erzählten Schicksalswende.

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Fox (1991) Gerleman (1982) Gordon (1997) 28

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Vgl. Berlin (2001: 80): „Apparently one had to be either for or against the Jews in this matter; there was no middle ground.“ 29 Für eine mögliche historische Kontextualisierung der Gewaltdarstellung in Est 8–9 in die Hasmonäerzeit, vgl. Macchi (2016: 437–438). Zur breiten Datierungsspanne des Esterbuches, vgl. Ego (2010: 279–302); Middlemas (2019: 149– 168).

Völker, die zu Juden werden? Hengel (1988)

Jenni (2012) Kossmann (2000) Levenson (1997) Macchi (2016) Mason (2007) Middlemas (2019)

Moore (2015) Ruffing (1992) Thiessen (2011) Waltke & O’Connor (1990) Wahl (2009) Wetter (2011)

Wetter (2015) Willi (2009)

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Hengel, M. 31988. Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2.Jh. v.Chr., Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 10, Tübingen. Jenni, E. M. 2012. Nif‘al und Hitpa‘el im Biblisch-Hebräischen, in: E. M. Jenni, H.-P. Mathys & S. Sarasin (Hrsg.), Studien zur Sprachwelt des Alten Testaments III, Stuttgart, 131–133. Kossmann, R. 2000. Die Esthernovelle. Vom Erzählten zur Erzählung, Vetus Testamentum Supplements 79, Leiden / Berlin / New York. Levenson, J. D. 1997. Esther: A Commentary, Old Testament Library, London. Macchi, J.-D. 2016. Le livre d’Esther, Commentaire de l’Ancien Testament, Genf. Mason, S. 2007. Jews, Judeans, Judaizing, Judaism: Problems of Categorization in Ancient History, in: Journal of the Study of Judaism 38.4, 457–512. Middlemas, J. 2019. Dating Esther: Historicity and the Provenance of Masoretic Esther, in: R. J. Bautch & M. Lackowski (Hrsg.), On Dating Biblical Texts to the Persian Period: Discerning Citeria and Establishing Epochs, Forschungen zum Alten Testament II 101, Tübingen, 149–168. Moore, S. A., Jewish Ethnic Identity and Relations in Hellenistic Egypt: With Walls of Iron?, Supplements to the Journal for the Study of Judaism 171, Leiden / Boston. Ruffing, A. 1992. Jahwekrieg als Weltmetapher. Studien zu Jahwekriegstexten des chronistischen Sondergutes, Stuttgart. Thiessen, M. 2011. Contesting Conversion. Genealogy, Circumcision, & Identity in Ancient Judaism and Christianity, New York. Waltke, B. & O’Connor, M. P. 1990, An Introduction to Biblical Hebrew Syntax, Winona Lake. Wahl, H. M. 2009, Das Buch Esther. Übersetzung und Kommentar, Berlin. Wetter, A.-M. 2011. How Jewish is Esther? Or: How is Esther Jewish? Tracing Ethnic and Religious Identity in a Diaspora Narrative, in: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 124.4, 596–603. Wetter, A.-M. 2015. „On her account!“ Reconfiguring Israel in Ruth, Esther, and Judith, Library of Hebrew Bible/Old Testament Studies 623, London / New York. Willi, T. 2009. Die Völkerwelt in den Chronikbüchern, in: M. Pietsch & F. Hartenstein (Hrsg.), Israel zwischen den Mächten (FS S. Timm), Münster, 437–453.

Timed Events in the Temple of Karnak The Khoiak Festival in the Times of Amenhotep III Rita Gautschy1 In a recent article, I investigated whether a water-clock may have been a useful tool for priests to perform the daily cult rituals of Amun in the temple of Karnak at the proper times. I concluded that this was not the case. Since then, both Olaf Kaper and Joachim Quack pointed out that the water-clock may have played an important role in Osirian rituals in Karnak. The present contribution assembles the known evidence for Osirian rituals in Karnak during the times of Amenhotep III (14th century B.C.E.) and aims to evaluate whether my former conclusion that the water-clock found in the temple precinct in Karnak should best be regarded as valuable votive gift with limited practical use should be altered or not. Keywords: water-clock; Karnak; Amenhotep III; Osirian rituals; Medinet Habu Calendar, Papyrus Louvre N 3176 (S)

1 The Water-clock from Karnak During the excavation of the so-called Cachette in the precinct of the Temple of Amun in Karnak, a waterclock was found.2 It was broken into several pieces, but could be reassembled and is now on display in the Egyptian Museum in Cairo.3 The instrument is made of calcite alabaster and takes the form of a truncated cone. It is 35 cm high, 26 cm in diameter at its bottom and 42 cm in diameter at its top. The exterior face of the instrument contains a common astronomical depiction (Fig. 1).4 This time-measuring device can be securely dated to the reign of Amenhotep III (first half of the 14th century B.C.E.) due to the fact that he is named several times on the exterior face of the water-clock. Its original place of installation within the temple precinct is unknown. Emmanuel Jambon suggests that all objects from the Cachette which can be associated with Amenhotep III originated from one sector in the temple and are furthermore unlikely to have been kept in an open space because they were susceptible to weathering.5 He tentatively proposes that there may have been a sanctuary where all these objects were kept until their ritual burial in the Cachette during the first century B.C.E. A water-clock can be used to measure the time during day and night. The example from Karnak belongs to the group of outflow water-clocks: the drain has to be locked by a plug and the vessel to be filled with water. When the measurement starts – e.g. at sunrise or sunset – the plug is removed from the drain and the water starts to drop out of the vessel. The inner face of the instrument contains twelve scales which mark the hours for the twelve months of the year.6 The month names are written on the rim above the scales. Although

1

Universität Basel ([email protected]). I thank Sandrine Vuilleumier, Nesina Grütter and Matthias Müller for helpful comments on a draft of this manuscript. 2 Legrain (1904: 112). 3 Inventory number JE 37525. See Coulon & Jambon (2017: https://www.ifao.egnet.net/bases/cachette/ck937 [last visit: 28.12.2020]) for an extensive bibliography. 4 See Gautschy (2020: 172–174) for a detailed description of the object. 5 Jambon (2016: 144–145). 6 In ancient Egypt, so-called seasonal hours were used. The length of a seasonal day hour is determined by the amount of time between sunrise and sunset, divided by twelve. Analogous to this, the length of a seasonal night hour is determined by the amount of time between sunset and sunrise, divided by twelve. Only at the equinoxes seasonal hours are of the same length as the equinoctial hours which are commonly used today. The use of seasonal hours explains why there are twelve scales on the inner face of the water-clock and not only one.

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Rita Gautschy

not many examples from ancient Egypt have survived and most of the known ones stem from the GraecoRoman period, it is likely that a water-clock was a quite common instrument in Egyptian temples.7

Figure 1: Parts of the exterior face of the Karnak water-clock. Drawing: Rita Gautschy, after Desroches Noblecourt (1976: 146 and 144). Recently I discussed the potential use of the water-clock in order to ensure that the daily cult ritual within the Temple of Amun in Karnak was performed at the proper times.8 My conclusion was that the clock was not a very useful tool for the priests and that it should be better regarded as valuable votive gift with limited practical use. This is conceivable because most of the objects found in the Cachette are presumably votive gifts. Since then, Olaf Kaper and Joachim Quack pointed out to me that although the instrument was not useful to time the daily cult rituals of Amun, it may have played a vital role for Osirian rituals performed in Karnak at the times of Amenhotep III. In this contribution, I will therefore investigate what is known about Osirian rituals in Karnak during the respective time and how the water-clock may have fulfilled the needs of the priests. Since there are not many sources available from the time in question, texts from various epochs and different regions have to be used for a tentative reconstruction of the conditions at the times of Amenhotep III. The aspects under which the respective sources can be used to answer the question of the use of the water clock found in Karnak in Osiris rituals will be discussed separately in each case. 2 Traces of a Cult of Osiris in Karnak Some of the known Osirian chapels are remarkable features in the present state of the Karnak site. The French mission “Osirian Sanctuaries at Karnak” investigates these edifices since the year 2000.9 According to current knowledge basically all Osirian chapels were built during the first millennium B.C.E., with the earliest traces reaching back into the 21st Dynasty.10 In the times of Amenhotep III and thus the time of the donation of the water-clock none of these structures existed. There are no archaeological traces for a cult of Osiris in Karnak earlier than the end of the New Kingdom or the beginning of the 21st Dynasty (c. 1070 B.C.E.).11 The respective earliest traces are niches in the Osirian necropolis in the northeast of the temple precinct which once held

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See Schomberg (2019: http://repository.edition-topoi.org/collection/BWCP [last visit: 20.3.2021]) for a compilation of known water-clocks from ancient Egypt. 8 Gautschy (2020). 9 The mission is directed by the Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) and is a collaboration with other French institutions. See IFAO (2020: https://www.ifao.egnet.net/archeologie/karnak/ [last visit: 28.12.2020]) for further information about the project. 10 Coulon, Hallmann & Payraudeau (2018: 272). See the map on page 273 for the exact location of known Osirian chapels within Karnak and the table on page 283 for the dating of these monuments. The cultic purpose of the small chapel of the 21st Dynasty (no. 15 on the map) which is situated in the vicinity of the Akhmenu in the northeastern part of the precinct of the Temple of Amun, however, is not secured. 11 I thank Luc Gabolde and Laurent Coulon for sharing this information with me (private communication; June 2020).

Timed Events in the Temple of Karnak

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Khoiak figurines, which are now covered by the surrounding wall built by Menkheperra (c. 1000 B.C.E.), a High priest of Amun.12 There is, however, indirect evidence that Osirian rituals at Karnak existed as early as the New Kingdom (c. 1550–1070 B.C.E.), although they left no archaeological traces. The so-called Sokarian rooms of the Akhmenu, the temple built by Thutmose III (15th century B.C.E.), or the Osirian room in the northeast corner of the Temple of Khonsu, built by Ramesses III (13th century B.C.E.), are such examples. The Akhmenu was erected at the eastern end of Karnak’s main axis to celebrate the Sed feast of Thutmose III. Unfortunately, the exact purpose of this complex is poorly understood. It contains a festival hall, a solar complex in the northeast and a sequence of Sokarian rooms in the southeast. At the time when Amenhotep III ascended the throne, the Akhmenu was part of the Karnak complex for about 70 years already. Amenhotep III himself initiated a number of building projects in Karnak: He added the 3rd pylon and probably laid the foundations for the 9th and 10th pylons to the Temple of Karnak, built the main extensions of the Temple of Mut and reorganized the area of the temple where the axes of the Karnak Temple and the Luxor Temple meet.13 We are not aware of any building activities of Amenhotep III in Karnak connected with the gods Sokar or Osiris. But the cult of Sokar played an important role in the mortuary temple of Amenhotep III on the Theban west side, seemingly in connection with the Sed feasts of the pharaoh.14 There, the pharaoh calls himself beloved by Sokar and Amun-Ra on several stone fragments.15 In summary, with respect to the Sokarian rooms in the Akhmenu and the documented connections between Amenhotep III and the god Sokar in Western Thebes, it is not unlikely that there were rituals performed for the god Sokar in Karnak in the times of Amenhotep III. It is therefore necessary to briefly focus on the entangled history of the gods Sokar and Osiris in order to see whether these deities could already be closely connected at the time in question. 3 Sokar, Ptah and Osiris The god Sokar is an important deity already in Old Kingdom (c. 2700–2150 B.C.E.) times. He appears primarily as a chthonic god and as a god of the dead in the Pyramid Texts, although this was probably not his initial function. His most important cult centres were originally situated in the region of Memphis. Frequently, Sokar is called nb-šṯyt, “master of the Shetyt”. The Shetyt is a cave or a mound-like sanctuary. In New Kingdom times, each Sokar sanctuary then contained a Shetyt chamber.16 Sokar is closely connected with the god Ptah already during the Old Kingdom – starting with the 5th Dynasty a syncretistic deity PtahSokar becomes traceable.17 In the late Old Kingdom, Sokar can not only be identified with Ptah, but also with Osiris. In Middle Kingdom times (c. 2050–1750 B.C.E.), a deity Sokar-Osiris becomes common, which eventually evolves into Osiris-Sokar during the New Kingdom (c. 1550–1070 B.C.E.).18 In the New Kingdom funerary text Amduat, which describes the afterlife, the cave and the sand-bank of Sokar are prominent features: in the fourth and fifth hour of the Amduat the sun-god Ra has to pass the distant and dangerous grounds of Sokar without getting in touch with him – the two gods only communicate via shouts.19 Osiris and Sokar thus appear as two clearly distinguished gods of the dead in the Amduat. On the other hand, the syncretistic god Ptah-Sokar-Osiris exists already in Middle Kingdom times.20 According to Herbert Ricke, James Burton saw and recorded the following inscription on a pedestal with two feet in the mortuary Temple of Merenptah:21 Likeness of Ra, son of Ra, Amenhotep, ruler of Thebes, loved by Osiris, located in the Shetyt.

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Laurent Coulon (private communication; June 2020). Blyth (2006: 105–110). 14 Ricke (1981: 31). 15 See Ricke (1981: 32) for examples. 16 Graindorge-Héreil (1994: 37). 17 Leitz (2002b: 175–176). 18 Leitz (2002a: 563–564). 19 Hornung (1963: 80–108). 20 Leitz (2002b: 176–177). 21 Ricke (1981: 32) cites Burton, MSS 25639, f.7 (non vidi) as source whereof he received a copy by the British Museum. 13

Rita Gautschy

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Since Osiris is located in the Shetyt according to this inscription, he is clearly connected with Sokar here. The fragment was found together with others mentioning Amenhotep III (Neb-Maʿat-Ra) in the mortuary Temple of Merenptah, but they originally stem from the nearby mortuary temple of Amenhotep III. Thus, it seems safe to conclude that in the times of Amenhotep III Osiris and Sokar could be closely connected, although Sokar remains well tangible as separate deity in later times. 4 The Sokarian Rooms of the Akhmenu The so-called Sokarian rooms in the southeastern part of the Akhmenu – the temple which was part of the Karnak complex at the time of Amenhotep III already – can be accessed through a single door only from the large pillared hall. They consist of a central court, three poorly preserved southern chapels and three rooms in the east which can be accessed by two doors.22 Many of the original scenes are incomplete or lacking today and for some loose blocks it is unclear where they belong. This set of rooms was interpreted as devoted to the god Sokar because his name and epithets appear on some of these walls. On the south wall of the court, e.g., is a depiction of the henu-barque being carried out of the shrine by priests on their shoulders.23 The henu-barque is an emblem of the god Sokar. In it all the scattered parts of the body of Osiris were gathered in a funerary chest in order that he can be restored. In the three eastern rooms, however, Sokar is not mentioned on the preserved reliefs. The decorative program of the Sokarian rooms is connected with rituals and feasts. Julie Masquelier-Loorius deduces the following ritual scenes:24 • The daily offering ritual to the statue of Amun • The Festival of Sokar with rites taking place in the month IV akhet (Khoiak) • A coronation ceremony • The Sed Festival The Festival of Sokar is the most interesting of these scenes with respect to Osirian rituals. Originally celebrated in the Memphite region, the Festival of Sokar was feasted at great expense also in Thebes during the New Kingdom and following times. During the ceremony, the image of the god Sokar – a falcon on a funerary chest – was carried around by priests in his henu-barque. A connection between the Festival of Sokar and pharaonic kingship may be eluded to already on the Palermo stone (c. 2450 B.C.E.).25 In New Kingdom times, the power of the pharaoh was renewed and confirmed annually during the Festival of Sokar. Julie Masquelier-Loorius stresses that the decoration of the Sokarian rooms in the Akhmenu focusses exactly on this topic: 26 “Sokar was in charge of the revival of Osiris, and the passing on of his kingship to Horus. Every year the power of the king was renewed and confirmed during the ‘Sokar Festival’. This throws light on the connections between the royal crowning ritual – or its confirmation – depicted in the southern rooms and other ritual scenes; we have both the ‘Sokar Festival’, traditionally associated with the passing on of the king’s power, and the raising of the djed-pillar that symbolized the rebirth of the king, here identified with Osiris – the god Sokar being a form of Osiris.” Thus, the decoration of the Sokarian rooms in the Akhmenu on one hand backs the close relation between the gods Sokar and Osiris, and on the other hand hints at a connection between Sokarian/Osirian rituals and the royal crowning ritual and its regular confirmation.

22

Masquelier-Loorius (2017: 395). Masquelier-Loorius (2017: 396 [Fig. 5]). 24 Masquelier-Loorius (2017: 396–397). 25 Gaballa & Kitchen (1969: 14–15). 26 Masquelier-Loorius (2017: 398). 23

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5 The Festivals of Sokar and Osiris in the Month Khoiak During the festival of Osiris and Sokar in the month Khoiak (IV akhet) new figures of the gods Sokar and Osiris with sizes up to c. 50 cm were formed out of grain and other materials each year.27 They are often called corn-mummies, but they could finally be adorned with gold and precious stones. The last year’s cornmummies were ritually buried during the festival while the new ones were brought to a shrine called the Upper Shetyt, where they rested for one year. Our main source about the Khoiak festival is the so-called Khoiak-text in the Osirian chapel no. 1 on the roof of the Temple of Hathor in Dendera (c. 50 B.C.E.).28 Concerning the activities in Thebes during this feast, however, two other sources are of utmost importance: the scenes and texts from the Temple of Ramesses III in Medinet Habu (c. 1170 B.C.E.) and the funerary papyrus Louvre N 3176 (S) (Graeco-Roman period) where the rites for Osiris in the Temple of Karnak are described. In the following, these three main sources will be discussed in chronological order, backed by other minor sources which help to shed more light on aspects that remain unanswered by the main sources in the next subsection. Table 1 summarises the basic properties of the three main sources as well as their strength and weaknesses for the subsequent argumentation. Table 1 | Basic properties of the main sources. type temple location dating duration strength

weakness

Medinet Habu Calendar text and image Mortuary temple of Ramesses III Western Thebes c. 1170 B.C.E.

IV akhet 21 – IV akhet 30 relatively close in time to Amenhotep III and nearby Karnak detailed description of the Festival of Sokar only brief mention of the names of the single feast days

Papyrus Louvre N 3176 (S) text recounts rites in Temple of Amun Karnak Graeco-Roman period

IV akhet 18 – IV akhet 30

Khoiak-text in Dendera text and image Temple of Hathor Dendera c. 50 B.C.E.

IV akhet 12 – IV akhet 30

recounts rites in the same temple where the water-clock was found

most detailed description of festivities available by now

much later source last four feast days only scarcely described

different location much later source

5.1 The Medinet Habu Calendar The Medinet Habu Calendar records the beginning of the Ptah-Sokar-(Osiris) Festival on day IV akhet 21 and it lasts until IV akhet 30. Each of these days has a special label and all these designations sound like stages in the cult of Osiris and his burial:29 IV akhet 21: “Day of opening the aperture in the Shetyt shrine”. A window or aperture in the Ptah-Sokar-Osiris shrine is opened. Gaballa and Kitchen suggest that a lightwell in the ceiling may be meant, probably to let the sun’s rays shine down upon the new grain-germinating Sokar-Osiris figure.30 The latter would imply that the figure was formed before the actual festival started in Medinet Habu. IV akhet 22: “Day of the Hacking-up of the earth”. According to Siegfried Schott the building of the tomb of Osiris is started on this day.31 IV akhet 23: “Day of preparing a way in the Shetyt shrine”. Gaballa and Kitchen suggest that this is the day of the collection of the parts of Osiris’ body, of bringing them back to the shrine and their embalming by Anubis.32 IV akhet 24: “Day of placing Sokar in their midst”. This phrase probably alludes to the interment of the embalmed body of Sokar-Osiris in the Upper Shetyt.33 27

Eaton (2006: 83). Cauville (1997: 14–28). 29 Kitchen (2008: 131–140). 30 Gaballa & Kitchen (1969: 38). 31 Schott (1934: 79). 32 Gaballa & Kitchen (1969: 40). 33 Schott (1934: 79); Gaballa & Kitchen (1969: 41). 28

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Rita Gautschy

IV akhet 25: “Day of the Netjeryt feast: offerings for Ptah-Sokar-Osiris”. This is probably a feast of deification, reflecting the restoration of divine powers to the entombed SokarOsiris. On this day participants equipped with garlands of onions followed Sokar in procession. IV akhet 26: “Day of the Festival of Sokar”. For the proper day of the Festival of Sokar the Medinet Habu scenes and texts reveal the following events:34 Scenes 1 to 3: Introductory rites for the procession • Scene 1: The festivities began with dawn and in the temple. The pharaoh presents sustenance to the cult-image of Sokar. This is a part of the usual daily ritual in the morning. • Scene 2: The pharaoh performs a censing for his father Khnum. • Scene 3: The pharaoh performs a Litany of Offerings to various forms of Sokar. This takes place in front of the henu-barque which is located within a shrine. Scenes 4 to 6: Procession around the walls • Scene 4: The pharaoh follows the henu-barque, which is carried by sixteen priests. The title of the scene is “Drawing along Ptah-Sokar-Osiris in order to go around the Walls, by the King himself”. • Scene 5: The symbol of Nefertem and a falcon on a standard named “Horus upon his papyrus-staff” are carried along by priests. They are followed by members of the court and priests who hold the ends of a cord. The other end of the cord lies in the hands of the pharaoh. • Scene 6: Censing and libating priests are followed by priests carrying five barques, Nefertem standards and a box with five geese. Behind them walk further priests and the pharaoh. IV akhet 27: “Festival of anointing the Conclave of gods”. On this day offerings are made to Ptah-Sokar-Osiris and his Ennead. IV akhet 28: “Day of bringing out the benben”. Again, offerings to Ptah-Sokar-Osiris were made, but the rest remains vague. A benben is a sacred stone. It may have pyramidal shape, the shape of an obelisk or even of a round-topped stela on a platform. Gaballa and Kitchen suggest a ceremony of parading a benben from a solar shrine to the sanctuary of Sokar-Osiris, thus symbolising Sokar-Osiris’ resurrection as the ba of Ra upon the benben.35 IV akhet 29: “Day of […]”. The title of this feast day is lost, thus we are ignorant about the rituals on this day. IV akhet 30: “Day of raising up the djed-pillar”. The rites performed on this famous day are not depicted in Medinet Habu. Nevertheless, their representation in the tomb of Kheruef (TT 192) confirms that they were practiced in the Theban necropolis during the reign of Amenhotep III.36 In TT 192 the pharaoh is shown rising the “djed-pillar of Osiris” for Sokar in the Temple of Sokar, assisted by an official. This day is the day of the final interment of Osiris to become the King of the Netherworld.37 The strengths of the Medinet Habu Calendar for the current investigation are that it is the source which is by far closest in time to Amenhotep III, and that it recounts important events on the proper festival day of Sokar, namely day IV akhet 26. Unfortunately, the entries for other days are very brief and altogether a calendar such as the Medinet Habu one is not the place where hints on possible exact timings of certain activities can be expected to be found. 5.2 Papyrus Louvre N 3176 (S) Papyrus Louvre N 3176 (S) describes the events happening during the Khoiak Festival in the Temple of Karnak in Graeco-Roman times in abbreviated form.38 At that time the Festival of Sokar was one part of a more extended festivity for the god Osiris which lasted three days longer, namely from IV akhet 18 to IV akhet 30. The papyrus recounts the date and sometimes even a specific time when certain texts have to be recited. The first five days of the festival – from IV akhet 18 to 23 – the image of Osiris spends in the “Temple 34

Gaballa & Kitchen (1969: 3–13). Gaballa & Kitchen (1969: 72). 36 Brugsch (1891: 1190); Schott (1957: 8). 37 Gaballa & Kitchen (1969: 72). 38 Barguet (1962); for a tabular summary of events see pages 48–49. 35

Timed Events in the Temple of Karnak

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of Isis”, where the ritual “Protection of the Bed” was performed daily.39 The content of this ritual is the vigil at the deathbed of Osiris, hour per hour. The location, the “Temple of Isis” is thought to be situated within the northeast sector of the precinct of Amun in Karnak.40 The image of Osiris leaves the temple on IV akhet 24 and stops at the so-called khayt in the Akhmenu, but later on the same day it returns to the “Temple of Isis”. The khayt is probably the entry-vestibule in the Akhmenu.41 At the entrance to the khayt a Litany of Offerings is recited, and fumigations, libations and the ritual “Massacre of Enemies” take place. In the following night the image of Osiris is on procession and ferried to Osiris’ tomb with stops at various places within the temple precinct, the “Mansion of Sokar” being the last one. Several rituals have to be performed during the procession, one of them being again the “Protection of the Bed”. IV akhet 25 is another day of procession within the temple precinct, now for Sokar, with a return to the “Mansion of Sokar”. The following night is a very important and busy one, with another procession and several stops during which no less than seven texts have to be recited. Until the completion of the 4th hour the song “Be triumphant, triumphant, O Sovereign!” has to be chanted. The ritual “Protection of the Bed” is due once more until the completion of the 6th hour. The hour priest then arrives and sings “6th hour! It’s going to be daylight!”. The last stop is in front of the “Temple of Isis”, facing east in order that the rising sun can touch Sokar-Osiris – this marks the decisive moment when Sokar-Osiris is renewed. On day IV akhet 26 – the proper day of the Festival of Sokar – the procession with the sixteen priests carrying the henu-barque of Sokar moves to the “Mansion of Sokar”, the tomb of Osiris, and then probably back to the “Mansion of Sokar” via the esplanade of Amun. These events symbolise the resurrection of Sokar-Osiris as victorious sun, and the journey of the god during the procession mimics the navigation of the sun around the world.42 After day 26 – the date(s) are not specified further – there is a procession with direction to the south to the Temple of Opet and to the southern entrance of the sanctuary. The papyrus then stops rather abruptly, a description of the rising of the djed-pillar on day IV akhet 30 is missing. It cannot be emphasised enough that the description of events in papyrus Louvre N 3176 (S) – which dates to the Graeco-Roman period – should not be expected to reflect common practice in Karnak during the times of Amenhotep III (14th century B.C.E.). Several later elements are obvious such as the earlier beginning of the festival and the different ways of counting hours – the papyrus names the 4th and 6th hour for the second part of the night which correspond to the traditional Egyptian 10th and 12th night hour, respectively. Nevertheless, it is an important source, especially because it records the festive events at Karnak itself. Although textual and iconographic evidence suggests that a single national tradition had been adopted throughout Egypt by the New Kingdom which in its broad outline accords with the descriptions in late sources, Katherine Eaton has convincingly argued that the internal rites for Sokar were still independent of those of Osiris’ Festival at Abydos during the reign of Seti I (c. 1290 B.C.E.), while this is not or much less the case at Medinet Habu (c. 1170 B.C.E.).43 Whether the observed differences are mainly due to the different locations or rather to the difference in time, is difficult to tell. 5.3 Khoiak-text in Dendera The main source about the Khoiak festival is the so-called Khoiak-text in the Osirian chapel no. 1 on the roof of the Temple of Hathor in Dendera (c. 50 B.C.E.).44 At that time, the festival started already on day IV akhet 12 in Dendera. Within one section of the text (“book V”) a greater amount of explicitly mentioned hours is preserved. Based on linguistic considerations Joachim Quack dates the origin of the respective part of the text to the end of the Middle Kingdom (c. 1750 B.C.E.).45 Table 2 summarises the events which are connected with certain hours on specific days in the Dendera text.46 Most mentions of explicit hours in Dendera concern day hours. Unfortunately, there is no overlap at all with the timed events mentioned in Papyrus Louvre N 3176 (S). Since it is difficult to judge whether the 39

The “Temple of Isis” is also called “Sanctuary of Shentayt” (see Coulon [2003]). The ritual “Protection of the Bed” will be discussed in section 7 “Hints to timed events and earlier related sources”. 40 Barguet (1962: 31–34); Coulon (2003). 41 Barguet (1962: 35–37). 42 Barguet (1962: 49 [footnote 1]). 43 Eaton (2006:78–80); Gaballa & Kitchen (1969: 36). 44 Cauville (1997: 14–28). 45 Quack (1998: 927–930). 46 Chassinat (1966: 69–73).

Rita Gautschy

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hours in the Dendera text have any relevance for the events in Karnak – while Medinet Habu is located at a distance of just about 6 km from the Karnak temple in Western Thebes, Dendera lies about 70 km further to the north –, it seems appropriate to focus on those timed events in the following, which are mentioned or alluded to in papyrus Louvre N 3176 (S) and the Medinet Habu Calendar. Table 2 | Timed events in the Dendera Khoiak-text. Day IV akhet 12

Hour 4th hour of the day

IV akhet 14

3rd hour of the day

IV akhet 16

3rd hour of the day

IV akhet 20–21 IV akhet 21

8th hour of the night till 8th hour of the night till 5th hour of the day

IV akhet 22 IV akhet 23 IV akhet 24

8th hour of the day 3rd to end of 5th hour of the day 9th hour of the night

IV akhet 30

3rd hour of the night

Event preparation of barley and sand for the forming of the OsirisKhontamenti figure beginning of the preparation of the material for the Sokar figure fekti-priest takes the vessel which contains the material for the forming of the Sokar figure weaving of a cloth drying of the two parts of the Osiris-Khontamenti figure in the sun procession and navigation on the Holy Lake painting & drying of Sokar figure new Sokar figure laid to rest in a wooden coffin in Upper Shetyt old Sokar and Osiris-Khontamenti figurines buried

6 Explicitly Mentioned Timed Events in Papyrus Louvre N 3176 (S) Twice, an hour is mentioned explicitly in the text of Papyrus Louvre N 3176 (S), namely the 4th and the 6th hour in the night from day IV akhet 25 to 26. A song has to be chanted until the completion of the 4th hour, and afterwards the ritual “Protection of the Bed” has to be performed. The completion of the 6th hour is then connected with the appearance of the hour priest who announces daylight. This was probably to make sure that the god is facing properly east when the sun rises. The god resting outside and waiting to get touched by the sun beams, however, seems to be a late modification of the ritual. But in Western Thebes, the Medinet Habu Calendar also suggests a connection between Sokar-Osiris and the sun when an aperture has to be opened on the first feast day to allow the sun’s rays to get in contact with the god. According to Gaballa and Kitchen, in Karnak in Eastern Thebes a solar rite may have been performed during New Kingdom times at dawn on the north side of the Akhmenu instead.47 To define the completion of the 4th hour – corresponding to the end of the 10th night hour – some kind of clock was needed. Sundials are of no use during the night, hence, either a star-clock or a water-clock remains as viable option.48 Star-clocks are known so far from funerary contexts only: on one hand they appear on a series of inner lids of Middle Kingdom (c. 2050–1750 B.C.E.) coffins (mainly) from Asyût, on the other hand a further developed version adorns the walls of tombs of three Ramesside pharaohs in the second half of the 12th century B.C.E.49 Other examples are unknown so far. Since the Egyptian year fell short about a quarter of a day each year in comparison to the tropical solar year, the Egyptian calendar wandered through the solar year from the beginning of its introduction in the first half of the third millennium B.C.E. until its replacement by the Julian calendar in 30 B.C.E. Within 120 years the accumulated difference in time amounted to one month, after 480 years even one full season. As a consequence, star-clocks as well as the label of the scales of water-clocks theoretically needed to be adjusted on a regular basis in order to tell the time correctly.50 The known star-clocks on the inner lids of Middle Kingdom coffins stemming from different centuries, however, were not adapted. And for the water-clock from Karnak, it is well known that the labels

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Gaballa & Kitchen (1969: 51). In principle, hourglasses could also have been used, but I am not aware of any reference to such a clock. 49 Ramesses VI (c. 1140 B.C.E.), Ramesses VII (c. 1130 B.C.E.) and Ramesses IX (c. 1110 B.C.E.). 50 During the reign of Amenhotep III the Khoiak feast fell on mid to end of November while in Ramesside times it took place in the month of October. 48

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of its inner scales did not even fit the natural conditions during the time of donation.51 Thus, without manipulation it would never have told the time very precisely. If, however, the requirement was to recite a text of moderate length at some point in time within a certain hour, this instrument may have still satisfied the needs. For the announcement of the completion of the 6th hour – which corresponds to the 12th and last hour of the night – the hour priest needed no watch, the harbingers of the soon rising sun allowed a much more precise determination of this moment than the water-clock. A star-clock would have been of no use at this point – there were no more stars visible in the sky. In addition to this explicit mention of two specific hours in Papyrus Louvre N 3176 (S), the available textual sources contain hints to timed events that are dealt with separately in the following section. 7 Hints to Timed Events and Earlier Related Sources 7.1 The Ritual “Protection of the Bed” and the “Stundenwachen” Probably the most important hint to timed events is the frequent mentioning of the ritual “Protection of the Bed” in the Papyrus Louvre N 3176 (S). It is due on seven days in total and especially on the first days of the feast. Paul Barguet thought that this ritual is preserved on the recto of Papyrus Cairo 58027 (Graeco-Roman period), whose main contents are ritual instructions and vigils to protect the king.52 Andreas Pries and Sandrine Vuilleumier, however, have emphasised that it is necessary to distinguish between this ritual for the king and the so-called Stundenwachen – hourly vigils at the deathbed of the deceased who is identified with Osiris.53 It is the latter which is relevant in the context of the Khoiak feast, not the ritual for the king. Unfortunately, the available sources for the Stundenwachen are once again all late – the texts mainly stem from the temples in Edfu, Dendera and Philae (all Graeco-Roman period).54 All available copies were compiled within about 150 years although several parts of their content – sometimes even whole spells – can be traced back until the times of the Pyramid Texts (3rd millennium B.C.E.).55 The Stundenwachen are a description of twelve hours of the day and twelve hours of the night of watching over the mummy of Osiris. The text has not been preserved in its entirety, but the first six hours of the day are almost complete. It seems that the text for each hour followed a recurring model: • Either two deities / a god with his entourage appears or the text gives information about what is going on. • Each hour has its own protective deity. • Ceremonies of libation, censing and anointing take place. The ritual of “Opening of the Mouth” is performed by the sem-priest during the first day hour. • Recitations of two wailing women happen. • An antiphony of lecture priest and wailing woman, accompanied by tambourines occurs in some hours. • The invocation of Osiris by the lecture priest takes place. • The protective deity of the hour is said to overcome the enemies. • A lamentation of a wailing woman closes the ritual of the respective hour. The Osirian rituals performed during the Khoiak feast are customary rituals of the dead such as the embalming, the Stundenwachen with the opening of the mouth and the interment which are all reenacted on the cornmummy of Osiris. Papyrus Jumilhac (early Ptolemaic) names drastic consequences for the whole country if the rites of Osiris are not performed at the right time.56 Thus, it seems justified to presuppose that the spells, chants and lamentations of the single hours of the Stundenwachen were indeed performed within the respective hours of the night and the day, respectively. According to Papyrus Louvre N 3176 (S) there are no other rituals than “Protection of the Bed” due on the first five days of the Khoiak feast, from IV akhet 18 to 23. 51

See Krauss (2015), Krauss (2016) and references therein for the most recent discussions on the accuracy of Egyptian water-clocks and Gautschy (2020: 174–177) for the scales. 52 Barguet (1962: 51). 53 See Pries (2009: 98–99); Vuilleumier (2016: 364, 368). 54 See Pries (2011) for a recent publication of the available textual material concerning the Stundenwachen. 55 Pries (2011: 4). 56 Papyrus Jumilhac col. 18.5–9. See Pries (2011: 19–20).

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Hence, there would have been enough time for even a full ritual of the Stundenwachen to be performed. This would require a watch to indicate when a certain part of the ritual is due. But is the ritual “Protection of the Bed” really equatable with the Stundenwachen? On day 25 it is to be hold within two hours – between the completion of the 4th and the 6th hour. Were then only the texts of the 11th and 12th night hour performed or the whole ritual in fast forward? In the course of the events which are mentioned in the Medinet Habu Calendar the Stundenwachen would be expected to be held during the night from IV akhet 23 to 24, because on day 24 this year’s embalmed body of Sokar-Osiris is already buried. 7.2 The Four “Children of Horus” A second hint for timed events is a reference to the four “Children of Horus”. They are mentioned within the Sokar Osiris festival in Medinet Habu and in several Late Period sources such as Papyrus Louvre N 3176 (S) or Papyrus Princeton 10 in connection with processions, the protection of the body of the god and hourly vigils.57 Furthermore, the four “Children of Horus” act as protectors of the funerary bed during the first four hours of the day and of the night in the Stundenwachen. Since all available sources for the Stundenwachen are late, the main question is whether there are hints for a performance of this ritual during the Khoiak festival from the times of Amenhotep III or earlier. A complementary way to approach the question whether the water-clock may have been a useful tool for priests is to look for other rituals where single hours seem to be important. Both approaches will be briefly dealt with in the following. 7.3 Middle Kingdom Private Stelae from Abydos The stela of the first treasurer Ikhernofret from regnal year 19 of pharaoh Senwosret III (Middle Kingdom; c. 1860 B.C.E.) is important in respect to the question whether there are hints for the performance of the Stundenwachen in earlier times.58 Together with other stelae donated by private persons at Abydos, the stela of Ikhernofret sheds light on some performances in Abydos during the festival. These texts are more concerned with the public aspects and the outdoor activities than the much later Ptolemaic temple inscriptions and papyri that focus on the inner aspects within the temple.59 The stela of Ikhernofret first reports the preparations in the run-up to the festival. According to his own words Ikhernofret was sent to Abydos by Senwosret III in order to supervise the making of the Osiris-Khontamenti figure, of a ship and a chapel.60 Line 14 reads as follows:61 “I made the hour-priests of the temple [diligent] at their tasks, and made them know the ritual of every day and of the feasts of the beginnings of the seasons.” The mention of the hour priests suggests that the timing of at least some events during the festival was important. It is possible that they were needed for a correct performance of the Stundenwachen, however, these are not mentioned in the following description of the events. Instead, Ikhernofret reports a procession of Wepwawet, the defeat of the enemies, a great procession of the god, the following navigation to the tomb in Peker, the fight of Horus and the successful return to the temple.62 All these events are clearly part of the Osirian myth with the death of Osiris, lamentations, the collection of the dismembered parts of his body, the burial, the fight of Horus against the enemies and the successful return of Osiris to the temple. 7.4 The “Ritual of the Hours of the Day and Night” Another ritual, the “Ritual of the Hours of the Day and Night”, is not connected with the Khoiak feast, but it is worth mentioning for two reasons: first, it involves actions in single hours – twelve hours of the day and

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Barguet (1962: 56); Chassinat (1962: 311–312), Vuilleumier (2016: 136, 141–144, 165). Egyptian Museum Berlin, 1204. See Schäfer (1904) and Lichtheim (1988: 98–100). 59 Mikhail (1984: 38). 60 Lines 1–17 (Schäfer [1904: 10–20]). 61 Lichtheim (1988: 99). 62 Lines 17–24 (Schäfer [1904: 20–33]). 58

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twelve hours of the night. And second, this ritual has also a clear connection with the funerary sphere.63 Its earliest attestations are within the mortuary temple of Hatshepsut in Deir el-Bahri and the memorial temple of Thutmose III in Luxor West.64 It proves – although it should be stressed that this ritual has to be distinguished from the Stundenwachen – that at the time of Amenhotep III hourly rituals were definitely known. Although the references to timed events and the related sources discussed in this subsection do not have the same significance as the explicitly mentioned hours in papyrus Louvre N 3176 (S) from the GraecoRoman period, they are nevertheless important supports in the chain of argumentation that rituals in which the determination of individual hours was important were already common at the time of Amenhotep III. 8 Conclusions The mention of hour-priests on the stela of Ikhernofret from Middle Kingdom times suggests that timed events – be it Stundenwachen or other rituals for which the correct time of performance had to be determined somehow – were part of the Abydene Khoiak festival at that time. Together with later evidence from Karnak it seems plausible to assume that some timed events were an integral part of the Khoiak festival at Karnak during the times of Amenhotep III. It is not possible to say exactly which ones. If these were the Stundenwachen, then the water-clock would definitely have been a useful tool to indicate the single hours. The waterclock, however, was not able to divide the day or the night into twelve equal hours. The drain of the Karnak water-clock is not preserved thus it is impossible to make an exact statement about its accuracy. Due to the shape of the vessel, however, it is known, that the first hours of measurement were too long, the sixth and seventh hour approximately correct and the later hours too short in comparison to equal seasonal hours. This means that seen over the whole day, the inaccuracies balance out, but they initially add up noticeably: the instrument is unsuitable for determining noon or midnight even approximately accurately if hours of equal length are required. That this “deficiency” of water-clocks was well known at least later in the Graeco-Roman period, suggest the remains of inscriptions on several preserved instruments, which can be traced back to the following (reconstructed) wording:65 “To know the hours, made by Thoth. To determine the hours of the day if the Sun is not visible, to determine the hours of the night if the decan stars are not visible, in order that the correct time for sacrifices is never exceeded.” The text corroborates that water-clocks were intended to be used during the day and the night, but only, if there was bad weather and as a consequence, Sun and stars invisible. The last part of the sentence contains another interesting indication: the correct time for sacrifices should never be exceeded. We tend to evaluate the quality and usefulness of time measuring instruments mainly based on their (presumed) accuracy and modern demands, i.e. their ability to indicate hours of equal length. This feature, however, may have been rather irrelevant for ancient Egyptians. The master of the hours was the god Thoth. Thoth was also known as thief and perturbator of time.66 Probably a baboon – the sacred animal of the god Thoth – sat once above the lost drain.67 On later instruments with preserved drains a baboon passes the water from the vessel and thereby depicts control over the flow of the water and the passing of time (Fig. 2). Thus, the Karnak water-clock may have completely satisfied the needs: backed by the authority of the god Thoth, ancient Egyptians might have performed a certain hour ritual when the water-clock announced the respective hour, regardless of “proper” time in a modern sense. Since the Khoiak festival was celebrated once a year, the water-clock would still have been a valuable votive gift with occasional practical use. But the role of the water-clock for a proper performance of the ritual was definitely more relevant for Osirian rituals during the Khoiak festival than for the daily cult ritual of Amun in the Temple of Karnak.

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Minas-Nerpel (2006: 279–282). Griffin (2017: 98). 65 Gautschy (2020: 175–176). 66 Schott (1970: 553). 67 Gautschy (2020: 182). 64

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Figure 2: Left: Sketch of the unfinished water-clock E16875 in the Oriental Museum in Chicago from the time of Ptolemy II (284–246 B.C.E.). Right: Close-up of the baboon and the drain. Drawings: Rita Gautschy, after a private photo taken in the museum (left) and a museum photo taken by Anna R. Ressman (https://oiidb.uchicago.edu/id/bd4215a8-107b-4ce5-861a-f1276b7c3f13 [last visit: 20.3.2021]; right). Bibliography Barguet (1962) Blyth (2006) Brugsch (1891) Chassinat (1966) Coulon (2003)

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Timed Events in the Temple of Karnak Jambon (2016)

Kitchen (2008) Krauss (2015)

Krauss (2016) Legrain (1904) Leitz (2002a) Leitz (2002b) Lichtheim (1988) Masquelier-Loorius (2017) Mikhail (1984) Minas-Nerpel (2006) Pries (2009) Pries (2011) Quack (1998)

Ricke (1981) Schäfer (1904)

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Demotisch „kennen“ und „können“ Bemerkungen zur Schreibung von rḫ „wissen, können“ im Demotischen Fabian Wespi1

Der Beitrag diskutiert ortho- und paläographische Besonderheiten des Verbs rḫ „wissen, können“ im Demotischen. Bestimmte Schreiber scheinen paläographisch zwischen der Verwendung von rḫ als Hauptverb „wissen“ und der Verwendung von rḫ als modales Hilfsverb „fähig sein“ mit Hilfe eines graphischen Mittels und unabhängig von der Verbalform unterschieden zu haben. Es wird die Frage aufgeworfen, ob diese paläographische Unterscheidung phonetisch gerechtfertigt ist. The paper discusses ortho- and palaeographic peculiarities of the verb rḫ “to know, be able” in Demotic. Certain scribes seem to have distinguished palaeographically between the use of rḫ as a main verb “to know” and the use of rḫ as a modal auxiliary verb “to be able” by means of a graphic device and regardless of the verbal tense. The question is raised whether this palaeographic distinction is phonetically justified. Schlagwörter: Demotisch; Paläographie; Orthographie; rḫ; Hilfsverb

1 Demotisch rḫ „wissen, können“ Das in der Ägyptologie benutzte System zur Umschrift ägyptischer und demotischer Texte ist für die Erfassung orthographischer und paläographischer Besonderheiten bekanntlich nur bedingt geeignet. Sämtliche Determinative werden beispielsweise in der Umschrift nicht abgebildet und die Verwendung unterschiedlicher konsonantischer Schriftzeichen lässt sich nur bis zu einem gewissen Grad festhalten. Bei hieroglyphischen und hieratischen Texten hilft deren Umsetzung in Druckhieroglyphen, diese Unzulänglichkeit des Umschriftsystems auszugleichen, bei demotischen Texten ist eine derartige Umsetzung jedoch unüblich. Zwar mag das von uns im Demotic Palaeographical Database Project entwickelte und benutzte digitale Umschriftsystem, bei welchem die demotischen Schriftzeichen unter Verwendung der Unicodes der genetisch zugrundeliegenden Hieroglyphen und eines speziell geschaffenen Schriftfonts als normalisierte Zeichenformen abgebildet werden, diesen Umstand ändern, einstweilen muss man sich jedoch damit begnügen, dass ortho- und paläographische Unterschiede in Schreibungen in der Umschrift demotischer Texte nur unvollständig erfasst werden. Inwieweit dieser Umstand zu bedauern ist, soll der vorliegende Beitrag zeigen, indem einer bisher übersehenen ortho- und paläographischen Auffälligkeit in der demotischen Schreibung des ägyptischen Wortes rḫ „in Erfahrung bringen, wissen, können“ nachgegangen wird. rḫ wird im Ägyptischen durchgehend durch die drei meist übereinander angeordneten Hieroglyphen r, ḫ und (Determinativ) wiedergegeben (vgl. Abb. 1a–b) und im Demotischen gewöhnlich mit einer aus zwei Elementen bestehenden Gruppe geschrieben: einem formal wie das demotische Einkonsonantenzeichen ḫ aussehenden Element und einem darüber geschriebenen Strich, der genetisch auf r zurückgeht, im

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Ägyptologisches Institut, Universität Heidelberg ([email protected]). Vor etwas mehr als zehn Jahren hat mich Hanna Jenni in die Geheimnisse der Hieroglyphenschrift und in die Grammatik der klassisch-ägyptischen Sprache eingeführt und dabei meine Neugierde für die ägyptischen Schriftsysteme und Sprachen geweckt, welche mich unter anderem zu der in diesem Artikel vorgelegten Untersuchung der Korrelation zwischen einer paläographischen und einer sprachlichen Eigenschaft von rḫ in demotischen Texten geführt hat. Ich möchte mich bei der Jubilarin mit meinem Beitrag für die Jahre ihrer ägyptologischen Lehre an der Universität Zürich bedanken und hoffe hier etwas zu präsentieren, das ihr Interesse an demotischen Texten finden kann.

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Verlaufe der Zeit von den Schreibern vermutlich aber eher als graphischer Marker zur Unterscheidung der rḫ-Gruppe vom Einkonsonantenzeichen ḫ verstanden wurde (vgl. Abb. 1c).2 Gelegentlich kann ein Punkt unter oder hinter der rḫ-Gruppe geschrieben sein, welcher seine hieroglyphische Entsprechung im Determinativ der Buchrolle haben dürfte. Bereits im Frühdemotischen kann der Strich oberhalb des ḫ-förmigen Elementes außerdem fehlen (vgl. Abb. 1d–e).

a)

b)

c)

d)

e)

f)

g)

h)

Abb. 1 | Hieroglyphische und demotische Schreibungen von rḫ. Das Fehlen des r-Striches mag lautgeschichtlich begründet sein, denn im Verlaufe der Geschichte schwand der Konsonant r in rḫ, wie unter anderem das koptische modale Hilfsverb (ⲉ)ϣ- (im Achmimischen Dialekt ⳉ-) „können“ zeigt. Dasselbe Wort weist gleichzeitig auch auf die Palatalisierung des erhaltenen Frikativs ḫ zu š hin.3 Gelegentlich blieb r in der Aussprache jedoch erhalten, weshalb vor allem im Qualitativ und im negierten Aorist der demotischen rḫ-Gruppe manchmal das sonst zur Schreibung des Wortes ỉri̯ „tun, machen“ verwendete Schriftzeichen vorangestellt wurde – der Schreiber statt rḫ also ỉr.rḫ schrieb (vgl. Abb. 1g).4 Zur Bedeutung von rḫ ist zu vermerken, dass als Grundbedeutung „in Erfahrung bringen“ anzunehmen ist, wobei der einen erreichten Zustand ausdrückende Qualitativ des Verbes entsprechend die Bedeutung „wissen“ besitzt.5 Ist rḫ mit nachfolgendem Infinitiv (und nicht mit einem Substantiv oder Personalpronomen als direktem Objekt) konstruiert, lässt sich rḫ als modales Hilfsverb „können“ auffassen. Gerade letztere Verwendung von rḫ scheint von einigen demotischen Schreibern paläographisch gegen die Verwendung von rḫ als Vollverb „erfahren, wissen“ abgegrenzt worden zu sein, wie die folgende Untersuchung darlegt. 2 Die Belege Mir sind bisher zehn demotische Texte bekannt, in welchen die Schreibungen von rḫ in Bezug auf den rStrich oberhalb des ḫ-förmigen Zeichenelementes systematisch unterschieden werden. Die meisten dieser Texte stammen aus der römischen Zeit, allerdings ist zu beachten, dass die Unterscheidung nur bei entsprechenden kontrastiven Belegen von rḫ in einem Text beobachtet werden kann, die zeitliche Verteilung der Belege daher dem Fundzufall geschuldet sein mag. Ferner ist anzumerken, dass die besagte Unterscheidung in den Texteditionen bisher kaum bemerkt oder kommentiert wurde. 1) P. Berlin 13633, ein auf Elephantine gefundener Brief aus dem 4. Jahrhundert v.u.Z. ist der älteste mir bekannte Beleg.6 Der Schreiber des Briefes unterscheidet bei rḫ die Schreibung mit einem diagonalen Strich oberhalb des ḫ-förmigen Zeichenelementes von der Schreibung ohne diesen Strich (Abb. 1c versus Abb. 1f). Die Form 1 benutzt er in den folgenden drei Fällen: ḏi̯ ⸗y rḫ s ḏd (…) „Ich weiß, dass (…)“ (x+10), tȝ ẖ(.t)md(.t) tȝ ntỉ.ỉw⸗tn rḫ s „Der Sachverhalt ist es, den ihr kennt“ (x+25) und (r)-ḏbȝ ḫpr ỉw⸗k rḫ s ḏd (…) „Denn du weißt, dass (…)“ (x+27). Die Form 2 wird hingegen viermal verwendet: bn.[ỉw] rḫ nȝ wᶜb.w ḏi̯ .t n⸗ỉ ᶜq r wnm „Die Priester werden mir nicht Brot zu essen geben können“ (x+3f.), ỉw⸗y rḫ tm hb ỉ:ỉr-ḥr⸗tn n.ỉm⸗s „Ich werde umhinkönnen, euch darüber zu schreiben“ (x+14f.), bw-ỉri̯ ⸗y rḫ šn⸗w ty „Ich kann sie hier nicht fragen“ 2

Spiegelberg (1925: 7–8) setzt den Strich mit dem „kurzen r“ der Präposition r „zu, für“ und des Imperativpräfixes gleich. 3 Vgl. hierzu auch die späten hieroglyphischen Schreibungen rš (WB II.442, Wilson [1997: 589]) und die demotischen Schreibungen von rḫ in den römerzeitlichen Papyri P. Michigan V 249, 250 und 253 aus Tebtynis (Husselman & Edgerton [1944]). 4 Vgl. hierzu Griffith (1900: 106–107), Reich (1908), Spiegelberg (1925: 7–8), Johnson (2004: 10) und Quack (2014: 222), außerdem die griechischen Wiedergaben Θοτορχης, Θοτορχοις beziehungsweise Βερεχερινος der ägyptischen Eigennamen Ḏḥw.tỉ-ỉr.rḫ⸗s und Bw-ỉr.rḫ⸗y-rn⸗f sowie kopt. ⲣⲙⲣⲁϣ „freundlicher Mensch“ < ägypt. rmṯ-rḫ „weiser Mensch“. Vgl. hierzu auch Jenni (2007: 121–122). 6 Publiziert in Zauzich (1993). 5

Demotisch „kennen“ und „können“

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(x+16) und bn.ỉw rḫ rd ỉw mtw⸗f s ḫpr ty „Ein Vertreter, der zu ihm gehört, wird nicht hier sein können“ (verso 9f.). 2) P. Wien KM 3877, das in römischer Zeit an einem unbekannten Ort niedergeschriebene sog. Gedicht vom verkommenen Harfner, weist demgegenüber und wie die restlichen Belege den Unterschied zwischen der Schreibung mit diagonalem Strich (Abb. Ic) und der Schreibung mit horizontalem Strich (Abb. 1h) über dem ḫ-förmigen Zeichenelement auf.7 Die erste Form erscheint dabei manchmal mit vorausgehendem ỉr-Element (Abb. 1g): [ỉw⸗f šw]yṱ n rḫ „[Er] entbehrt der Kenntnis“ (I.8), ỉw bw ỉr.rḫ rmṯ ḏd „wobei kein Mensch sagen könnte (…)“ (II.8), ḥmy [wn]-nȝ.w bw ỉr.rḫ⸗f „Wenn er nicht wüßte (…)“ (III.8), tm ỉr.rḫ (pȝ) ntỉ ỉw⸗f (r) ỉri̯ ⸗f „Unwissen ist es, was er machen wird“ (III.9), wȝḥ ḫpr ỉw⸗f ỉr.rḫ bw ỉr.rḫ⸗f „Und es ist so, dass er weiß und er weiß doch nicht“, bw ỉr.rḫ⸗f ḥs m-sȝ bnr-r wᶜ „Er kann nichts singen außer einem“ (III.14), ỉw bw ỉr.rḫ⸗f pȝ ỉmỉ-rʾ-wᶜb Sḫ[m.t] „wobei er nicht den Oberpriester der Sachmet zur Kenntnis nimmt“ (V.6), ỉw bw ỉr.rḫ⸗f pȝ ky n psy „wobei er nicht die Art des Kochens versteht“ (V.8). Die zweite Form (mit horizontalem Strich) wird benutzt, wenn auf rḫ direkt ein Infinitiv folgt: ỉw bn ỉw⸗n rḫ ḏd.ṱ⸗w „wobei wir es nicht werden sagen können“ (I.14), ỉw bn ỉw⸗f rḫ wšb r nȝ-nfr „wobei er nicht in der Lage sein wird, richtig zu antworten“ (III.12), ỉw⸗f r rḫ ỉri̯ hrw 4 „Er wird vier Tage verbringen können“ (III.18), bw-ỉri̯ ⸗y rḫ ḥs ỉw⸗y ḥḳr „Ich kann nicht singen, wenn ich hungrig bin“ (IV.2), bw-ỉri̯ ⸗y rḫ fy tȝ byn.t r mdw „Ich kann die Harfe nicht zum Vortragen halten“ (IV.3), bn ỉw⸗y rḫ ḏd nȝe-ỉri̯ ⸗f n.ỉm⸗w „Ich kann nicht sagen, was er da gemacht hat“ (V.3). 3) P. Leiden I 384, ein römerzeitlicher Papyrus aus Theben, welcher den sog. Mythos vom Sonnenauge beinhaltet, kennt ebenfalls die erwähnten beiden Formen von rḫ mit diagonalem und horizontalem Strich oberhalb des ḫ-Zeichens, wobei auch hier der ersten Form das ỉr-Element vorausgehen kann.8 An den folgenden Belegstellen wurde rḫ mit diagonalem Strich geschrieben: rḫ⸗k pȝy⸗ỉ h[p] „Mögest du mein Recht kennen“ (III.2), r bw ỉr.rḫ⸗s „wobei sie (es) nicht wusste“ (III.10f.), bw ỉr.rḫ⸗t pȝy⸗f ẖmm „Du kennst nicht seine Hitze“ (IV.7), tw⸗y ỉr.rḫ s ḏd „Ich weiß, dass (…)“ (IV.15), rḫ s pȝ šm n wnš-kwf ḏd „Der kleine Hundskopfaffe merkte, dass (…)“ (IV.32f.), r-ḏbȝ ḏi̯ .t rḫ⸗t st ḏd „damit du weißt, dass (…)“ (V.12), ȝn r.ỉw⸗k ỉr.rḫ nȝy ntỉ sẖȝ r.ḥr⸗y m-ḏr.ṱ pȝ nb-rḫ „Weißt du, was vom Herrn des Wissens über mich geschrieben worden ist?“ (IX.23), r.ỉw⸗f ỉr.rḫ pȝy⸗ỉ knṱ „wobei er meinen Zorn kannte“ (IX.24), tw⸗y ỉr.rḫ s ḏd „Ich weiß, dass (…)“ (XII.7f.), rḫ s tȝ ỉmy.t ỉkš.t ḏd „Die äthiopische Katze merkte, dass (…)“ (XII.11), r bw ỉr.rḫ⸗f [s.t nb] n pȝ tȝ r.ỉw⸗f ẖn⸗s „wobei er nicht wußte, [wo] auf der Welt er sich befand“ (XII.33), rḫ s [pȝ] ⸢šm n⸣ wnš-kwf „Der kleine Hundskopfaffe merkte, dass (…)“ (XIII.21f.), ȝn bw ỉr.rḫ⸗t ḏd „Weißt du nicht, dass (…)“ (XV.1), tw⸗y ỉr.rḫ s ḏd „Ich weiß, dass (…)“ (XV.24 und XV.25), [pȝ] rmṯ-rḫ pȝ ntỉ swn⸗s „Der Weise ist es, der sie kennt“ (XVII.5f.), r-hwn-nȝ.w [nȝ ỉȝw.t n nȝ t]ww.w ỉr.rḫ n tȝy⸗f snty.t „[Die Tiere der] Berge kannten sein furchtgebietendes Wesen“ (XVII.10), rḫ⸗f s r.ḥr⸗y ḏd „Er merkte mir an, dass (…)“ (XVIII.7), tw⸗w rḫ s pȝ-Rᶜ „Man ließ es Pre wissen“ (XXII.4), ỉri̯ ⸗f sšp ḥȝtỉ.ṱ⸗s n pȝ rḫ⸗s r:ỉri̯ ⸗s ḏd „Er erquickte ihr Herz dadurch, dass sie erfuhr, dass (…)“ (XXII.11f.). Einen horizontalen Strich weist rḫ hingegen in diesen Belegen auf: ȝn [r].ỉw⸗n r rḫ ḫpr r nȝy ḫpr „Werden wir unter diesen Umständen existieren können?“ (II.13), bn-p⸗w rḫ ḥmsi̯ „Sie konnten sich nicht setzen“ (X.28), r.ỉw⸗s r rḫ ḥp r pȝ nṯr pȝ-Rᶜ „wobei sie vor dem Gott Pre verborgen sein kann“ (XV.8), bw-ỉri̯ ⸗k rḫ ᶜl ẖrȝ.t n.ỉm⸗w „Du kannst mit ihnen keine Nahrung aufheben“ (XVII.27), r bn-p⸗f rḫ ḏḏ „wobei er nicht weglaufen konnte“ (XVII.34), r.ỉw⸗y r rḫ ỉri̯ n⸗k wᶜ sȝy „Ich werde dir ein Amulett machen können“ (XVIII.4), r bn-ỉw⸗(y) rḫ ḏḏy m-sȝ⸗f „wobei ich ihm nicht nachlaufen konnte“ (XVIII.8), bn.ỉw rḫ ḥḥ.w n [bn]y.t n pȝ [tȝ …] „Millionen von Dattelpalmen der Welt werden nicht […]“ (XIX.19), ȝn r.ỉr⸗(t) rḫ ỉyi̯ r kmy „Wirst du nach Ägypten kommen können?“ (XXI.23f.). 4) P. Krall, die im 2. Jahrhundert u.Z. im Fayyum niedergeschriebene Erzählung über den Kampf um den Panzer des Inaros, weist ebenfalls dieselben beiden paläographisch distinkten Formen des Schriftzeichens rḫ auf.9 7

Publiziert in Thissen (1992). Publiziert in Spiegelberg (1917). 9 Publiziert in Hoffmann (1996). 8

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Form 1 mit diagonalem Strich erscheint an den folgenden beiden Stellen: […]⸢⸗y⸣ rḫ nȝ rmt.w-ḳn[ḳn] „Ich kenne die Krieger“ (V.21), m-sȝ ⸢pȝ⸣ rḫ⸗s r:ỉri̯ ⸗f „abgesehen davon, daß er sie (sexuell) erkannt hatte“ (XVI.19). Besonders bei vorangehendem ỉr-Element ist der entsprechende Strich beinahe vertikal und relativ weit nach links gerückt, so in ỉn bw ỉr.rḫ⸗k ḏd „Weißt du nicht, dass (…)“ (XII.14), in [r bw]-ỉri̯ .tw⸗f ỉr.rḫ [...] „Ehe er wußte […]“ (V.16) und beschädigt in ḏi̯ ⸗y ỉr.rḫ [s ḏd] „Ich weiß, [dass (…)]“ (XX.10). Die Form 2 mit horizontalem Strich taucht demgegenüber in den Fällen auf, in welchen ein mit r angeschlossener Infinitiv direkt auf rḫ folgt: pȝ ntỉ ỉw⸗f rḫ r ḳn[ḳn] „derjenige, der kämpfen können wird“ (I.2), ⸢r bn-ỉw.nȝ.w⸗(y) rḫ r⸣ [...] „Ich werde nicht […] können“ (II.13), [...] ỉw⸗k rḫ r bn[…] „Du kannst […]“ (IV.x+8), ỉn ỉw⸗y rḫ r šm ⸢r⸣ Ỉwnw „Werde ich nach Heliopolis gehen können? “ (VIII.18f.), r bn ỉw.ỉw⸗k ⸢rḫ⸣ r šm r Ỉwnw „wobei du nicht nach Heliopolis gehen können wirst“ (VIII.21f.), ỉn ỉw⸗n rḫ r šm r Ỉwnw „Werden wir nach Heliopolis gehen können?“ (VIII.27), ỉn r.ỉw⸗n rḫ r ỉri̯ ḥb ḳs.t [n]⸗f „Werden wir das Begräbnisfest für ihn begehen können?“ (VIII.29), [bn.ỉ]w.nȝ.w⸗(y) rḫ r ᶜw-n-ḥꜣ.tỉ „Ich werde nicht geduldig sein können“ (XVI.26), r.ỉw⸗f rḫ r ḏi̯ .t tȝ sbš „wobei er den Schild geben kann“ (XVIII.20), ⸢r bn-p⸗y⸣ rḫ r ỉn.ḳdy.k „wobei ich nicht schlafen konnte“ (XIX.26), ỉn ỉw⸗k rḫ r ḏᶜḏy „Wirst du laufen können?“ (XIX.29). Ferner erscheint die Form 2 in r bn-p⸗f rḫ … „wobei er nicht … gekonnt hatte“ (II.22) und in ỉn tm rḫ […] „Ist Unfähigkeit […]“ (XXII.29). Ferner werden die beschriebenen beiden Formvarianten mit diagonalem und horizontalem Strich auch in einer Reihe von literarischen Handschriften aus der römerzeitlichen Tempelbibliothek in Tebtynis benutzt. 5) P. Carlsberg 302 + P. PSI inv. D 7 + P. CtYBR inv. 861, 4387 (10) + 4403 (2) + 4921, ein kosmologischer Text, verwendet die Form mit diagonalem Strich in rḫ⸗f s ḏd (…) „Er wußte, dass (…)“ (fr. 1, 11) und [...] r bw ỉr.rḫ⸗w pȝ gȝy [...] „wobei sie nicht die Art kennen“ (fr. 22, 3).10 Die Form mit horizontalem Strich erscheint hingegen in pȝ mwt (r) rḫ ṯȝi̯ .ṱ⸗f „Der Tod wird ihn nehmen können“ (fr. 13, II.15). 6) P. Carlsberg 421 + P. PSI inv. D 15 + P. Tebt. Tait 9 verso, eine den saitischen König Necho Merneith erwähnende Erzählung, zeigt rḫ mit diagonalem Strich in … rḫ s ḏd „… wissen, dass“ (fr. 12, x+6), während die Schreibung mit horizontalem Strich in bn-p⸗y rḫ ỉn.ḳdy.k „Ich konnte nicht schlafen“ (fr. 2, 4) und bn-p⸗f rḫ ỉn.ḳd⸢y⸣[.k] „Er konnte nicht schlafen“ (fr. 16, x+4) auftaucht.11 7) P. Petese Tebt. A, ein narrativer Text, weist die Form mit diagonalem Strich an zwei Stellen auf: [bn] ỉw⸗y (r) ḏi̯ .t rḫ s Sḫmy.t-nfr.t ᶜn sp-2 „Ich werde es nicht Sachminofret wissen lassen“ (II.8) und [...] ỉr.rḫ⸗f […] „---“ (fr. 6, x+I.x+2).12 Der horizontale Strich oberhalb des ḫ-Elementes findet sich in bn ỉw⸗y (r) rḫ ḏd⸗s n sẖȝ [nfr] „Ich werde es nicht einem [tüchtigen] Schreiber sagen können“ (II.13), [bw]-ỉri̯ ⸗n rḫ fy ⸢pȝ⸣ [...] „Wir können [nicht(?)] hochheben den […]“ (II.14). 8) P. PSI inv. D 79 + P. Tebtunis Tait 14 + P. Carlsberg 130 + P. CtYBR inv. 4390 (19) + 4805 (18), ein Text zum Lob der Isis, zeigt die Form mit diagonalem Strich ebenfalls zweimal, in bw ỉr.rḫ⸗n ᶜȝ ⸢n tȝ ẖȝ.⸣[...] „Wir kennen nicht die Art des Gemetzels(?)“ (fr. 4, 7) und in [...] . rmṯ-rḫ „[…] ein Weiser“ (fr. 9, x+4).13 Die Schreibung mit horizontalem Strich erscheint demgegenüber in bn.ỉw nṯr n pȝ tȝ ỉw⸗f ↑r↑ rḫ ḏi̯ .t sṯȝ.ṱ tȝy⸗s wty „Kein Gott auf der Erde wird ihr Unheil beseitigen können“ (fr. 1, x+I.10). 9) P. Carlsberg 433, eine Abschrift der Erzählung vom Kampf um die Pfründe des Amun, benutzt die Schreibung mit diagonalem Strich in my rḫ pȝ mšᶜ n Kmy pȝy⸗k ᶜw „Möge das ägyptische Heer deine Größe kennen“ (y+I.25), ein horizontaler Strich ist hingegen in bn-p⸗f rḫ ḳnḳn „Er konnte nicht kämpfen“ (y+I.10) geschrieben.14 10) Beide Schreibungen werden schließlich auch im unpublizierten P. PSI inv. D 102, einer Vorschrift zur Organisation und Administration des Lebens am ägyptischen Tempel, verwendet.15

10

Publiziert in Smith (2002). Publiziert in Ryholt (2013). 12 Publiziert in Ryholt (1999). 13 Publiziert in Quack (2019). 14 Publiziert in Tait (2000). 15 Siehe Wespi (2016). 11

Demotisch „kennen“ und „können“

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3 Analyse des Befundes Die Schreiber der genannten Texte, aus denen die aufgeführten Belege stammen, unterschieden die Schreibungen von rḫ paläographisch offensichtlich bewusst. Weniger augenfällig sind die Gründe für die beschriebene paläographische Differenzierung. Während die Eigenheit eines einzelnen Schreibers oder die Besonderheit einer bestimmten Schreibschule angesichts der Beleglage als Ursache ausgeschlossen werden kann, könnten die unterschiedlichen Schreibungen etwa auf ein grammatisches, semantisches oder prosodisches Merkmal bezogen sein. Betrifft die Unterscheidung den jeweils unterschiedlichen Konsonantenbestand von rḫ? Handelt es sich um matres lectionis, welche die unterschiedliche Vokalisierung von rḫ an den entsprechenden Belegstellen andeuten? Ist die paläographische Differenzierung dem Wortakzent geschuldet? Oder sind die variierenden Ausprägungen des r-Striches als ein semantisches Diakritikum zu erachten? Kurzum: Welchen Regeln folgt die beschriebene paläographische Differenzierung bei den Schreibungen von rḫ? Im mitteldemotischen P. Berlin 13633 aus Elephantine erscheint die Form 1 mit diagonalem Strich im Qualitativ in der Verwendung von rḫ als Vollverb „wissen“, die Form 2 ohne Strich hingegen in der Verwendung als modales Hilfsverb „können“ in der negierten prospektiven sḏm⸗f-Form sowie im negierten periphrastischen Aorist bw-ỉri̯ ⸗f rḫ sḏm. In P. Wien KM 3877 wird rḫ in der Verwendung als Vollverb „wissen“ mit diagonalem r-Strich und mit vorangehendem ỉr im Qualitativ, im negierten Aorist bw-ỉr.rḫ⸗f und im negierten substantivierten Infinitiv (tm ỉr.rḫ) geschrieben, ohne ỉr hingegen im affirmativen substantivierten Infinitiv. Dieselbe Form mit ỉr erscheint auch bei der Verwendung von rḫ als Hilfsverb „können“ im negierten Aorist bw-ỉr.rḫ⸗f sḏm (2 Belege), während rḫ als modales Hilfsverb im affirmativen und negierten Futur III sowie im negierten periphrastischen Aorist bw-ỉri̯ ⸗f rḫ sḏm (2 Belege) jeweils ohne ỉr und mit horizontalem statt diagonalem Strich geschrieben wird. Auch in P. Leiden I 384 wird die Schreibung mit diagonalem Strich und vorangehendem ỉr in der Verwendung von rḫ als Vollverb „wissen“ im Qualitativ und im negierten Aorist bw-ỉr.rḫ⸗f verwendet, ohne ỉr im affirmativen sḏm⸗f-Vergangenheitstempus, in der affirmativen prospektiven sḏm⸗f-Form, in der subjunktiven sḏm⸗f-Form, im substantivierten Infinitiv sowie im Ausdruck rmṯ-rḫ. Einen horizontalen Strich weist rḫ hingegen in der Verwendung als Hilfsverb im affirmativen und negierten Futur III, in der negierten prospektiven sḏm⸗f-Form, im negierten Vergangenheitstempus bn-p⸗f rḫ sḏm und im negierten periphrastischen Aorist bwỉri̯ ⸗f rḫ sḏm auf. Bei P. Krall zeigt rḫ die Form mit diagonalem Strich und ỉr als Vollverb im Qualitativ, im negierten Aorist bw-ỉr.rḫ⸗f, im negierten Perfekt und ohne ỉr im substantivierten Infinitiv. Die Form mit horizontalem Strich erscheint hingegen im affirmativen und negierten Futur III, im negierten Vergangenheitstempus bnp⸗f rḫ sḏm sowie im negierten substantivierten Infinitiv. In P. Carlsberg 302 + P. PSI inv. D 7 + P. CtYBR inv. 861, 4387 (10) + 4403 (2) + 4921 hat rḫ als Vollverb im affirmativen sḏm⸗f-Vergangenheitstempus und im negierten Aorist bw-ỉr.rḫ⸗f den diagonalen Strich über dem ḫ-Element, während rḫ als Hilfsverb im affirmativen Futur III mit dem horizontalen Strich geschrieben ist. Dieselbe Form erscheint bei rḫ als Hilfsverb auch im negierten Vergangenheitstempus bnp⸗f rḫ sḏm in P. Carlsberg 421 + P. PSI inv. D 15 + P. Tebt. Tait 9 verso sowie im negierten Futur III in P. Petese Tebt. A, während rḫ als Vollverb in der subjunktiven sḏm⸗f-Form im gleichen Papyrus einen diagonalen Strich aufweist. P. PSI inv. D 79 + P. Tebtunis Tait 14 + P. Carlsberg 130 + P. CtYBR inv. 4390 (19) + 4805 (18) benutzt die Form mit diagonalem Strich bei der Verwendung von rḫ als Vollverb mit ỉr im negierten Aorist bw-ỉr.rḫ⸗f, ohne ỉr hingegen im Ausdruck rmṯ-rḫ, wohingegen bei der Verwendung von rḫ als Hilfsverb im negierten Futur III die Form mit horizontalem Strich gewählt wurde. In P. Carlsberg 433 wird die subjunktive sḏm⸗f-Form mit diagonalem Strich geschrieben, das negierten Vergangenheitstempus bn-p⸗f rḫ sḏm hingegen mit horizontalem Strich. Und in P. PSI inv. D 102 ist schließlich die Form mit diagonalem Strich bei der Verwendung als Vollverb im Qualitativ (mit ỉr) sowie im Konjunktiv und in der subjunktiven sḏm⸗f-Form (jeweils ohne ỉr) belegt, die Form mit horizontalem Strich in der Verwendung als Hilfsverb im affirmativen Futur III sowie im negierten Vergangenheitstempus bn-p⸗f rḫ sḏm. Fasst man die Ergebnisse dieser Analyse in einer Tabelle zusammen, stellt sich die Verteilung der drei orthound paläographisch kontrastierten Schreibungen von rḫ auf die Verbaltempora und die syntaktische Anwendung folgendermaßen dar:

Fabian Wespi

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Tabelle 1 | Verteilung der ortho- und paläographisch kontrastierten Schreibungen von rḫ (1: Schreibung mit diagonalem r-Strich, 2: Schreibung mit horizontalem oder fehlendem r-Strich) rḫ Qualitativ negierter Aorist neg. periphrastischer Aorist subjunktives sḏm⸗f prospektives sḏm⸗f neg. prospektives sḏm⸗f Vergangenheitstempus (sḏm⸗f ) neg. Vergangenheitstempus Futur III neg. Futur III Konjunktiv neg. Perfekt Substantivierter Infinitiv neg. substantivierter Infinitiv rmṯ-rḫ

Vollverb „wissen“ ỉr + 1, 1 ỉr + 1

Hilfsverb „können“ ỉr + 1 2

1 1 2 1 2 2 2 1 ỉr + 1 1 ỉr + 1 1

2

Die Belege des mitteldemotischen Briefes P. Berlin 13633 aus Elephantine mögen zwar vermuten lassen, dass der dort teilweise fehlende r-Strich den teilweisen Schwund von r in der Aussprache widerspiegelt (zumal die Schreibung mit Strich dort im Qualitativ die sonst zu erwartende Schreibung ỉr.rḫ ersetzt). Die in P. Wien KM 3877, P. Leiden I 384, P. Krall, P. Carlsberg 302, P. PSI inv. D 79 und P. PSI inv. D 102 bei der Schreibung mit diagonalem r-Strich mögliche Erweiterung von rḫ durch ỉr, welche bei der Schreibung mit horizontalem r-Strich nicht auftaucht, dürften dieser Deutung aber entgegenstehen. Vielmehr scheint die Verwendung von rḫ als Hilfsverb „können“, bei welcher ein Infinitiv direkt oder mit r an rḫ angeschlossen wird, ausschlaggebend für die Wahl der Schreibung mit horizontalem Strich oberhalb des ḫ-förmigen Zeichenelementes zu sein. Einzig im P. Wien KM 3877 wird rḫ in der Verwendung als Hilfsverb im negierten Aorist entgegen der Regel mit ỉr und diagonalem Strich geschrieben (in den Sätzen bw ỉr.rḫ⸗f ḥs „Er kann nicht singen“ und bw ỉr.rḫ rmṯ ḏd „Kein Mensch kann sagen“), allerdings handelt es sich hier offensichtlich um Sonderfälle, denn im gleichen Text folgt der Schreiber der aufgestellten Regel in grammatikalisch identischen Sätzen (in bw-ỉri̯ ⸗y rḫ ḥs „Ich kann nicht singen“ und bw-ỉri̯ ⸗y rḫ fy „Ich kann nicht tragen“). Die naheliegende Frage, warum die demotischen Schreiber es für notwendig erachteten, die besagte Verwendung von rḫ als modales Hilfsverb im Schriftbild von der Verwendung als Vollverb zu unterscheiden, ist schwieriger zu beantworten. Möglicherweise spiegelt die beschriebene paläographische Unterscheidung die unbetonte Aussprache von rḫ in der Verwendung als Hilfsverb wider (vgl. das koptische (ⲉ)ϣ-), auch wenn in den aufgeführten Belegen der Infinitiv des Hauptverbes bei der Verwendung von rḫ als Hilfsverb nicht immer direkt auf rḫ folgt, wie der Beleg der negierten prospektiven sḏm⸗f-Form in P. Leiden I 384, XIX.19 zeigt (vgl. auch die Belege derselben Verbalform in P. Berlin 13633). Weitere Belege mögen diesbezüglich zur Klärung führen, einstweilen muss die Frage jedoch offenbleiben. Bibliographie Griffith (1900) Hoffmann (1996)

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A New Kingdom Scarab from Tel Azekah, Israel, Depicting a Nursing Gazelle Ido Koch1

This contribution presents a possible case of an Egyptian motif appropriated in a Canaanite context: the nursing gazelle, as depicted on a scarab found several years ago at Tel Azekah. The nursing gazelle motif was first developed in Old Kingdom Egypt, conveying life, regeneration, and motherhood. After a millennium of development in Egypt, the nursing gazelle appeared in the southern Levant during the final decades of Egyptian colonialism on stamps such as the scarab from Tel Azekah. While handful in number, these artefacts might have delivered a message that the locals accepted. However, such a transfer is never a copy-paste procedure, and indeed the trajectories of the nursing animal in the southern Levant vividly illustrate the process of translation. The gazelle was replaced by other horned animals highly appreciated by the locals, the ibex and the cow, each with its associations among the early Iron Age emerging communities. Keywords: Tel Azekah; Nursing gazelle; Egypt; Canaan; Late Bronze Age; Scarab

1 Introduction Four hundred years lasted the Egyptian presence in the southern Levant, starting in the second half of the 16th century B.C.E. and ending sometime during the latter part of the 12th century B.C.E. During this long period, a multi-nodal colonial meshwork amassed and accumulated, involving agents based in local centres, imperial hubs, as well as individuals and groups that travelled between Egypt and the southern Levant (Morris [2005]; Morris [2018]; Bunimovitz [2019]), which was the arena of intense colonial encounters (Koch [2021]). These encounters, initiated by all sides, led to the reshaping of Canaanite society, its practices and ideas. One of the hallmarks of Egyptian–Levantine interaction during the second millennium B.C.E. was the appropriation of Egyptian imagery by locals and their introduction into the Canaanite repertoire (Keel & Uehlinger [1998]: 49–108; Schroer [2011]: 18–27, 35–50). Based on the acquaintance with Egyptian cultural frameworks, a process of translation and (mis)understanding extracted icons and motifs from their original context and adapted them to suit local norms and cultural associations (cf. Uehlinger [2000]: xv–xvii). Scarabs had a significant role in this process of transmission: their decoration, being engraved on their bases and colourfully glazed, attracts the human eye and trigger a translation process; their small size allows them to be easily moveable, thus exchanging multiple hands in their long itinerary until reaching their current destination in the disposal of scholars. In this contribution, I would like to present a possible case of such a transmission of an Egyptian motif and its appropriation in the Canaanite context: the nursing gazelle, as depicted on a scarab found several years ago at Tel Azekah.2 2 The Object The scarab was found in 2014 at Tel Azekah, a 4-hectare mound located on a high hill with a commanding view across Israel’s southwest coast and its hinterland (Figure 1). For almost a decade now, the Israeli–

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Tel Aviv University ([email protected]). Thanks are extended to Prof. Oded Lipschits for the invitation to publish the scarab from Tel Azekah (Koch et al. [2017]), and for the permission to discuss the scarab in this contribution in honor of Prof. Jenni. 2

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Ido Koch

German Lautenschläger Azekah Expedition studies the human occupation of the site, which began in the Early Bronze Age and reached its zenith during the second millennium B.C.E. One of the significant phases of occupation was the Late Bronze Age III, during which the settlement covered the entire mound (Lipschits et al. [2017]; Kleiman et al. [2019]; Lipschits et al. [2019]).

Figure 1: Location Map. Among the various structures unearthed thus far, the most complete is a large complex located at the top of the site, which was destroyed, like any other contemporaneous building, in a heavy conflagration (see detailed description in Kleiman et al. [2019]; Lipschits et al. [2019]). The preserved walls delineate a wide-open space with installations indicating production and several rooms that were used for storage. The thick debris is made of a compact matrix of mudbricks (partly molten due to the high heat of the fire), hundreds of clay vessels (predominantly small and large containers), various sorts of small finds, and the remains of four victims that were killed once the structure collapsed. Two of the individuals were found alongside clusters of beads, amulets and scarabs – a situation explained in the editio princeps as an indication that the objects were their personal belongings (Koch et al. [2017]). One of the two clusters features five figurative amulets and a single scarab. The latter (Figure 2) is made of steatite with remains of glaze and measures 16x12x7 mm. The base is engraved in a composite scene: A grazing gazelle facing right suckling a young with unrealistic long horns seen between her legs facing left;

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two branches are depicted above the gazelle’s back and behind her tale, and an oval featuring the throne name of Thutmose III is horizontally depicted above the scene.

Figure 2: A scarab from Tel Azekah, Phase T2-3a (after Koch et al. [2017]: Fig. 9.1). Remarkably, the scarab from Tel Azekah is a recent addition to the relatively limited corpus of nursing scenes known from the southern Levant. The only other object found in a secure context is a rectangle plaque from a Late Bronze IIB–III tomb near Tel Gezer. The plaque (Figure 3.1) features a composite engraving: two narrow faces depict the names of Ramesses III; one wide face depicts a royal figure in front of two deities – Ptah and Sekhmet – above a cartouche with the throne name of Thutmose III; the other depicts a hovering winged-disk above a royal sphinx, and below it a suckling gazelle and a bird.3 While providing the only parallel, the gazelle is stylistically different from the gazelle depicted on the Tel Azekah scarab, with a hunched back and an earless head. Gazelles4 more similar to the Azekah specimen can be seen on scarabs from unknown context at Beth-Shean (Figure 3.2), accompanied by a branch and a papyrus, from Tomb 9 at Kition, in which a lizard stands for the upper register (Leclant [1974]: Fig. 1), and in a suckling scene on a scarab from the Matouk Collection, accompanied by a scorpion instead of a branch above the back (Schroer [2011]: 224–225 no. 757).

Figure 3: Gazelles on stamp-seals from Late Bronze Age southern Levant: 1. A scarab from Gezer Tomb 252 (after Keel [2013]: Geser No. 100); 2. A rectangle plaque from Beth-Shean, unstratified (after Keel [2010a]: Bet-Schean No. 182).

3

The combination of the horned animal and the throne name of Thutmose III is known from another Late Bronze Age scarab, from unknown context at Tell Jemmeh, depicting an oryx (Keel [2013]: 28–29 Tel Gamma No. 62). 4 Another depiction of gazelle on a Late Bronze scarab comes from Ashkelon (Keel [1997]: Aschkelon No. 48).

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3 The Nursing Gazelles in Egypt The image of the gazelle emerged in Pre-Dynastic Egyptian visual language. The Egyptians’ intimate relations with the desert led to the inclusion of its animals in their visual language, including the gazelle (Arnold [1995]). In words and images, the gazelle symbolised the desert and its agency as a place of regeneration and rejuvenation (Strandberg [2009]). The specific nursing gazelle motif appeared during the Old Kingdom, and it became a convention that lasted for millennia. The background for the scene is apparently the maternal behaviour of the gazelle, which belongs to a group of species that hide their fawns during the first month or two following birth (Lent [1974]): Mothers place their fawns in a hidden spot behind bushes, and the young ones stay alone most of the day with their mothers returning intermittently for suckling. Not surprisingly, information on the suckling behaviour in hiding species is still quite limited even nowadays (Blank &Yang [2015]), and thus when considering the short suckling episodes (up to two minutes) and their distribution during the day (up to three times), it seems that not too many Egyptians saw a suckling gazelle – unless taking place in captivity. Thus, the nursing gazelle is an imagined scene, structured possibly based on the more familiar domesticated animals such as cows and goats. New Kingdom attestations of the motif are known from several associations: a nursing gazelle is depicted in the middle of a desert hunt scene, apparently unharmed, on a tunic found in the tomb of Tutankhamun (Crowfoot and Davies [1941]: pl. 22). The scene, which was depicted on the walls of tombs during the Old Kingdom, lost its popularity since then and is sporadically attested during the Middle Kingdom and the New Kingdom. According to Strandberg (2009: 61, 71, 99), the peculiar integration of a suckling gazelle should be considered alongside other motifs of the animal landscape used to convey the idea of life and death as two intertwined processes (following Ikram [1991]: 57). In her words, “(t)he gazelle motif in the royal desert hunt scenes refer to both the death of the animal and its regeneration” (Strandberg [2009]: 71). The second genre is faience bowls decorated with floral and faunal motifs deriving from Egypt’s aquatic environments, predominantly water lilies and Nile tilapia. These scenes related to concepts of regeneration and were found in contexts associated with the worship of Hathor as well as in domestic and funerary contexts (Pinch [1993]: 308–315; Bommas [2012]; Nyord [2020]: 61–64). The imagery depicted on some bowls includes additional motifs, such as Hathor-heads, cows, girls, and on at least four of them nursing gazelles. Three depict the nursing gazelle alongside tilapia fish and styled similarly as the fish. At the same time, a more naturalistic depiction is seen on a fragment found at Gurob (Figure 4): a nursing gazelle grazing from a small bush, flanked by two palmettes (a combination sporadically known from other media, see Strandberg [2009]: 144–148), atop a ground line that separates her from lotus buds, and below another floral motif.

Figure 4: Faience bowls, Gurob (after Petrie [1891]: pl. 20.24).

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While no scarabs depicting a nursing gazelle were found in Egypt, the bowl from Gurob provides an intriguing parallel to the three scarabs described above in terms of the morphology of the nursing gazelle and its grazing posture. It is difficult to understand the relations between the two media, but a possible shared source of inspiration should be considered. 4 Back to Canaan The nursing gazelle’s Egyptian background is transparent, and indeed, the four stamp-seals described above were most probably Egyptian imports. In other words, nursing scenes are yet to be found on artefacts produced in Late Bronze Age Canaan; but it seems that these scarabs and other artefacts5 have triggered a local interest: the nursing animal did spread across Canaan and became a popular motif during the early Iron Age (Figure 5).

Figure 5: Nursing scenes on Iron I conoids: 1. Tel Beth-Shemesh Stratum III (after Keel [2010a]: Bet-Schemesch No. 161); 2. Tel Eton Tomb 1 (after Keel [2010a]: Tel Eton No. 4); 3. Tell el-Far‘ah (S) Tomb 134 (after Keel [2010b]: Tell el-Far‘ah-Süd No. 221); 4. En-Gev, Stratum IV (after Sugimoto [2014]: Fig. 2).

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Decorated faience bowls were found at several south Levantine sites, such as Beth-Shean (Schroer [2011]: no. 750), Jaffa (Sweeney [2003]: 61–62), Lachish (Tufnell et al. [1940]: Pl. 23.59, 64ff.), and Timna (Schulman [1988]: 129 and fig. 142), yet known depicts the nursing gazelle.

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This phenomenon is intriguing. First, the particular type of stamp-seals featuring the nursing scene is coneshaped (hereafter: conoids) made of limestone. Conoids are sporadically attested across the southern Levant since the Pre-pottery Neolithic (Keel-Leu [1989]), with limited occurrences during the Late Bronze Age (e.g., Loud [1948]: Pl. 162 nos. 166, 168, 110–112); it was only during the early Iron Age that this medium became popular (Keel [1995]: 100).6 The rise of the conoids as a popular medium occurred whilst there was a decline in the consumption of scarabs – obviously due to the weakening of the interaction with Egypt following the collapse of the empire. The supply of scarabs was halted, and the locals had to provide themselves with substitutes, perhaps even deliberately preferring local types made of local materials (Koch [2017]: 296). Interestingly, the conoids, as well as other limestone stamp-seals from the early Iron Age, attest to a selective preference for local imagery, with a few indications of Egyptian-derived motifs. Egyptian-derived motifs depicted on limestone conoids are related mainly to anthropomorphic figures.7 Prominent among the local motifs is the horned-animal, most commonly the ibex and the oryx, a motif commonly attested in the region as early as the Chalcolithic period (Schroer & Keel [2005]: 109–111, 114ff.). The horned-animal was popular in the Middle Bronze Age, especially on locally-produced scarabs (Keel & Uehlinger [1998]; BenTor [2007]: 175; Schroer [2008]: 48 with literature, 194–203), becoming scarce in the Late Bronze Age, when it was mostly restricted to cylinder seals of North-Levantine style and locally produced plaques. It became popular once again during the Iron Age I, depicted as a sole motif or with floral motifs, zoomorphic figures (mostly scorpions), and anthropomorphic figures (Koch [2017]: 296 with previous literature). This leads me to the second issue related to the early Iron Age depiction of the nursing animal. Not a single gazelle can be safely identified among these conoids, apparently a reflection of its minor importance in local imagery; but the nursing scene was nonetheless associated with horned animals that, when decipherable, can be identified as ibexes (Figure 5.1–3) and cows (Figure 5.4). As detailed above, the ibex was highly cherished in the southern Levant, perhaps concerning the herds, as the epitome of divine motherhood that manifests itself in the care of the young animals (Schroer [2018]: 69). The nursing cow could derive from north Levantine influence, possibly attested one in Late Bronze Age Canaan in a cylinder seal from Late Bronze Age Hazor that Keel & Uehlinger (1998: 39) associate with Middle Bronze Age cylinder seals depicting a nursing cow as a secondary motif alongside deities. At the same time, it might be that the cow replaced the gazelle due to the encounters with the Egyptians during the Late Bronze Age. The nursing cow emerged, just like the nursing gazelle, in Old Kingdom Egypt and migrated to the Levant and Mesopotamia during the late third millennium B.C.E., where it represented, as in Egypt, fertility and divine motherhood (Beck [1982]: 12 with earlier literature). Indeed, no nursing cow is known from Late Bronze Age Canaan, but the prominence of the motif, especially in association with Hathor and the king, suggests that some locals might have been familiar with the concept. Nevertheless, another option might be that the nursing cow was, like the nursing ibex, a local innovation. Beginning in the late days of the Egyptian presence, cattle exploitation in field cultivation grew, a trend that intensified during the Iron Age and significantly contributed to the economic prosperity across Canaan—thus leading to the importance of the cow and calf in local imagery (Schroer [2018]: 69). 5 Summary The nursing gazelle motif beautifully depicted on the scarab from Tel Azekah is a fine example of an Egyptian concept appropriated and integrated into the south Levantine imagery. First developed in Old Kingdom Egypt, the motif conveys a message of life, regeneration, and motherhood. After a millennium of development in Egypt, the nursing gazelle appeared in the southern Levant during the final decades of Egyptian colonialism on stamp-amulets such as the scarab from Tel Azekah. While handful in number, these artefacts might have delivered the message, and the locals accepted the motif. However, such a transfer is never a copy-paste procedure, and indeed the trajectories of the nursing animal in the southern Levant vividly illus-

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The attestation of the conoid in the southern Levant negates past suggestions (such as Kempinski [1989]: 87) that the medium was brought from the Aegean or even further west. 7 Two major themes are two figures as a sole motif that might developed from New Kingdom depictions of two deities or the king alongside a deity, and a figure standing atop of horses that follows a Late Bronze Age local appropriation of the Egyptian image of equestrian Astarte (Koch [2018]: 639–640, 642–646).

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trate the process of translation. The gazelle was replaced by other horned animals highly appreciated by the locals, the ibex and the cow, each with its associations among the early Iron Age emerging communities. Bibliography Arnold (1995) Beck (1982) Ben-Tor (2007)

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Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums Komposition, Funktion und Datierung der „Hebräer“-Passagen in 1 Samuel Stephen Germany1

Der Begriff „Hebräer“ (‫עברים‬/‫ )עברי‬in 1 Samuel, wie auch in anderen biblischen Texten, wurde lange Zeit als Ausdruck der sozialen Verhältnisse in der südlichen Levante vor der Entstehung des Königtums in Israel interpretiert und oft mit dem Begriff ḫabiru in Verbindung gebracht, der in verschiedenen spätbronzezeitlichen Quellen bezeugt ist. Obwohl dieser Zusammenhang schon vor Jahrzehnten in Frage gestellt wurde, hat er nach wie vor einen starken Einfluss auf die Interpretation der einschlägigen biblischen Texte. In diesem Beitrag soll jedoch gezeigt werden, dass die Vorkommen des Begriffs ‫ עברים‬in 1 Samuel höchstwahrscheinlich aus der postmonarchischen Zeit stammen. Sie gehören zu relativ späten Kompositionsschichten in der Saul-David-Erzählung und spiegeln mindestens zwei Hauptanliegen wider: (1) Sie dienen dazu, die Philister als ein „Ägypten redivivus“ darzustellen und damit den Beginn des Königtums unter Saul als eine entscheidende Zeit der Befreiung von einem anderen paradigmatischen Unterdrücker Israels. (2) Auch spätere Vorkommnisse deuten auf eine unterschwellige Besorgnis über die Frage der Loyalität der „Hebräer“ gegenüber ihrer eigenen Kultur hin und spiegeln möglicherweise einen Kontext aus der Ptolemäerzeit wider, der sich mit Fragen der Identität und „Kulturkriegen“ in der hellenistischen Zeit auseinandersetzte. In 1 Samuel, like in other biblical texts, the term “Hebrew / Hebrews” (‫עברים‬/‫ )עברי‬was long interpreted as a reflection of social conditions in the southern Levant prior to the rise of kingship in Israel and was often connected to the term ḫabiru that is attested in various Late Bronze Age sources. Although this connection was called into question already decades ago, it continues to have a strong influence on the interpretation of the relevant biblical texts. This contribution seeks to show, however, that the occurrences of the term ‫ עברים‬in 1 Samuel most likely stem from the post-monarchic period. They belong to relatively late compositional layers in the Saul-David narrative and reflect at least two main concerns: (1) They serve to depict the Philistines as an “Egypt redivivus” and, by extension, the beginning of kingship under Saul as a decisive time of liberation from another paradigmatic Israelite oppressor. (2) Even later occurrences suggest an underlying concern with the question of loyalty of the “Hebrews” toward their own culture and possibly reflect a Ptolemaic-period context, grappling with issues of identity and “culture wars” during the Hellenistic period. Schlagwörter: Hebräer; Philister; 1 Samuel; ḫabiru

1 Hebräer und ḫabiru Es mag Bibelleserinnen und -leser verwundern zu hören, dass der Begriff „Hebräer“ (‫עברי‬, Pl. ‫ )עברים‬nur selten in der Hebräischen Bibel vorkommt – zwischen 32 und 35 Mal, je nach Zählweise.2 Auch ist die Tatsache bemerkenswert, dass sich fast alle Belege auf nur vier Textbereiche verteilen: (1) die Josefsgeschichte, (2) die Exoduserzählung, (3) das Bundesbuch und das deuteronomische Gesetz und (4) Erzählungen von Konflikten zwischen Israel und den Philistern unter Saul.3

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Universität Basel ([email protected]). Ein besonderer Dank geht an Helge Bezold und Nesina Grütter für ihre vielen hilfreichen Anmerkungen und Anregungen zur Präzisierung der Argumentation des Aufsatzes. Dieser Aufsatz wurde im Rahmen des SNF-Forschungsprojektes „Transforming Memories of Collective Violence in the Hebrew Bible“ (Projekt-Nr. 181219) erstellt. 2 Vgl. Loretz (1984: 91); Jericke (2012); Berner (2015: 675); Beattie & Davies (2011: 75). 3 (1) Gen 39,14.17; 40,15; 41,12; 43,32; (2) Exod 1,15.19,22; 2,6.7.11.13 [2x]; 3,18; 5,3; 7,16; 9,1.13; 10,3; (3) Exod 21,2; Deut 15,12 [2x]; (4) 1 Sam 4,6.9; 13,3.7.19; 14,11.21; 29,3. Hinzu kommen Gen 14,13; Jer 34,14 und Jona 1,9.

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Seit über anderthalb Jahrhunderten steht die Interpretation des Begriffs ‫ עברי‬in der Hebräischen Bibel unter dem Einfluss des Vergleichs mit vermeintlich verwandten Lexemen und Konzepten aus dem alten Orient, wie z.B. dem ägyptischen Wort ‘prw, dem Begriff ḫabiru in akkadischen Keilschrifttexten sowie dem ugaritischen Begriff ‘prm.4 In diesem Kontext wurde der biblische Begriff ‫ עברי‬als soziologische Kategorie zur Bezeichnung einer vormonarchisch angesetzten Gruppe am Rande der Gesellschaft („outlaws“) interpretiert.5 Einige Forschende sehen diese Annahme dadurch bestätigt, dass der Begriff ‫ עברי‬in den biblischen Erzählungen mit dem Ende der Zeit Sauls und mit dem Beginn des Königtums verschwindet.6 Allerdings muss dieses Argument nicht nur hinterfragt werden, weil es auf der Gleichsetzung von Erzählzeit und Abfassungszeit beruht, sondern auch deshalb, weil der Begriff ḫabiru in der „Zeit Sauls“ gar nicht mehr belegt ist.7 Weiter ist die konzeptuelle sowie etymologische Verbindung zwischen dem biblischen Begriff ‫ עברי‬und den vermeintlichen altorientalischen Parallelen grundsätzlich infrage zu stellen.8 In der jüngeren Zeit wird diese von der geographischen Bezeichnung der Region „jenseits des Flusses [scil. des Euphrats]“ (Akk. Eber-Nāri, Aram. ‫ )עבר נהרא‬hergeleitet, die von der neuassyrischen Zeit bis in die Perserzeit belegt ist.9 All das deutet darauf hin, dass eine soziologische und etymologische Verbindung zwischen ‫ עברי‬und den Begriffen ‘prw, ḫabirū bzw. ‘prm in ausserbiblischen Texten aus dem späten 2. Jt. v.u.Z. kaum als Ausgangspunkt für die Interpretation des biblischen Begriffs dienen kann. Was die Hebräer-Stellen in 1 Samuel betrifft, hat die herkömmliche Begriffsinterpretation oft zu widersprüchlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf die relative Datierung der entsprechenden Texte geführt. So identifiziert beispielsweise Israel Finkelstein einen alten Erzählfaden in 1 Samuel, weil er darin eine Darstellung von David als „leader of an Apiru band“ erkennen will, die im südlichen Hochland Judas aktiv gewesen sein soll.10 Somit dient ihm die übliche Begriffsdefinition als Kriterium und Argument zugleich. Dieser Ansatz hält sich hartnäckig in der alttestamentlichen Forschung.11 Um aber solche Zirkelschlüsse zu vermeiden, muss die textinterne Analyse der entsprechenden Hebräer-Passagen ihrer historischen Verortung vorausgehen, was dieser Beitrag im Folgenden leistet: In einem ersten Schritt wird die literarische Entstehung der Erzählungen in 1 Samuel skizziert, in denen der Begriff „Hebräer“ vorkommt (§2). In einem zweiten Schritt wird nach der rhetorischen Funktion des Begriffs im Kontext von 1 Samuel gefragt (§3). Zum Schluss wird unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus §2–3 eine historische Kontextualisierung der Hebräer-Passagen in 1 Samuel vorgenommen (§4). 2 Die Hebräer-Texte in 1 Samuel im Kontext der Darstellung der Konflikte mit den Philistern In 1 Samuel kommt der Begriff ‫ עברי‬ausschliesslich in Erzählungen von Konflikten zwischen den Israeliten und den Philistern vor, die während der Herrschaft Sauls spielen. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, mit einigen allgemeineren Bemerkungen zum literarischen Ort der Philisterkonflikte in den Vorderen Propheten zu beginnen.12 Vor den Samuelbüchern tauchen die Philister gelegentlich im Josuabuch (Jos 13,2f.) und in der ersten Hälfte des Richterbuchs (Ri 3,3.31; 10,7) auf; jedoch spielen sie erst in der Simsongeschichte (Ri 13–16) eine tragende Rolle. In Ri 13,5 wird angekündigt, dass Simson anfangen wird, Israel aus der Hand der Philister zu retten, was nahelegt, dass die Simsongeschichte bereits die darauffolgenden Konflikte mit den Philistern in den Samuelbüchern im Blick hat. In den Samuelbüchern selbst tauchen die Philister zum ersten Mal in der sogenannten „Ladeerzählung“ in 1 Sam 4,1b–7,2 auf. Entgegen der etablierten Meinung, die Ladeerzählung stelle eine ursprünglich 4

Zu einer ausführlichen Forschungsgeschichte in allen drei Bereichen s. Loretz (1984: 18–88). Nach Berner (2015: 676) ist eine etymologische Verbindung zwischen den altorientalischen Termini und dem Wort ‫„ עברי‬imaginable, yet by no means evident“ und deshalb „one should beware of a rash equation“. 6 S. z.B. de Vaux (1971: 206); van der Veen & Zerbst (2013: 224). 7 Vgl. die Kritik bei Sternberg (1998: 43). Kürzlich haben Bean et al. (2018: 219) vorgeschlagen, das Wort ‘brn auf der Khirbat Ataruz-Inschrift (9./8. Jh. v.u.Z., Zeile B.1) möglicherweise als „Hebräer“ zu verstehen. Dennoch spricht das Fehlen eines jods gegen die Interpretation des Wortes ‘brn als Gentilizium (ich danke Harald Samuel für den Hinweis). 8 Vgl. grundlegend Loretz (1984: 195–248) und ferner Sternberg (1998: 60–75). 9 Vgl. Beattie & Davies (2011: 78–82); Berner (2015: 679). In Esra wird primär die Orthographie ‫ עבר נהרה‬verwendet. 10 Finkelstein (2020: 38). 11 Vgl. z.B. Hutton (2008: 351); Dietrich (2010: 232); Dietrich (2015: 41, 53); Dietrich (2019: 108); Koch (2020: 17). 12 Zu diesem Ansatz vgl. Loretz (1984: 101). 5

Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums

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selbständige Überlieferung dar,13 deuten mehrere Indizien darauf hin, dass die Erzählung eine gewachsene Grösse ist, die bereits in ihrer Grundschicht für den vorliegenden Erzählkontext konzipiert wurde.14 Diese Grundschicht kann in einem älteren Kern von 1 Sam 4 identifiziert werden (4,1b–2a.10–18a* [ohne die Erwähnung der Söhne Elis in V. 17bα]),15 wobei V. 2b–9 ein späterer Einschub ist.16 Neuere Analysen der Ladeerzählung gelangen ferner zum Schluss, dass die Sequenz in 1 Sam 5,1–7,2, in der die Lade mehrfach Verwüstung in den Städten der Philister anrichtet, insgesamt sekundär gegenüber der Grundschicht in 1 Sam 4 ist.17 Die Philister spielen auch in 1 Sam 7,3–17 weiterhin eine tragende Rolle. In diesen Versen, die eine Art Zusammenfassung von Samuels Karriere als Richter bieten, treten die Philister gegen die Israeliten in Mizpa auf. Hier werden die Israeliten – anstatt selbst eine militärische Reaktion zu lancieren – durch göttliches Eingreifen gerettet: JHWH grollt mit Donner gegen die Philister und verwirrt sie; erst danach werden sie durch die Israeliten geschlagen. Laut 1 Sam 7,13 markiert dieser Sieg das letzte Mal, dass die Philister die Israeliten bedrohen, „solange Samuel lebte“ (wörtl. „all die Tage Samuels“).18 In 1 Sam 7,14 wird die Philisterthematik vorläufig abgeschlossen und sogar „zurückgesetzt“, sodass die durch die Philister eroberten Gebiete wieder unter israelitische Kontrolle kommen. Das legt die Vermutung nahe, dass die Philisterthematik im mehrschichtigen Textbereich von 1 Sam 4,1b–7,15 überhaupt sekundär ist gegenüber einem älteren Übergang von der Erzählung von Samuels Berufung (1 Sam 3) zum Bericht von seinem Richtertum (1 Sam 7,15–17) bzw. zu seinem Auftritt in 1 Sam 9.19 Die Philister tauchen das nächste Mal in 1 Sam 9 auf. Dieses Kapitel gilt seit Langem als Beginn einer ursprünglich unabhängigen Saulüberlieferung, die gewöhnlich in 1 Sam 9,1–10,16 + 11* + 13–14* identifiziert wird.20 Innerhalb der Erzählung von Sauls Suche nach den Eselinnen in 1 Sam 9,1–10,16 ist es möglich, eine Grundschicht in 9,1–14*.25b; 10,2–10* zu rekonstruieren, in der die Gestalt Samuels noch keine Rolle spielt und in der lediglich ein „Mann Gottes“ erwähnt wird.21 Doch selbst wenn man keine derart schmale Grundschicht annehmen möchte, gilt die Erwähnung der Philister in 9,16aβb auch in anderen Rekonstruktionen als sekundärer Zusatz zur Erzählung.22 Abgesehen von diesem Vers finden die Philister nur in 1 Sam 10,5 Erwähnung, wo die Ereignisse aus 1 Sam 13 vorweggenommen werden, weshalb auch dieser Vers nicht zur narrativen Grundschicht gezählt werden kann.23 Laut einem breiten Konsens der

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Zu einem aktuellen Forschungsüberblick s. Hensel (2022). Zur Absprache der Quellenhaftigkeit der Erzählung s. bereits Na’aman (1992: 654). 15 Vgl. Porzig (2009: 139). Porzigs Rekonstruktion wird auch von Bezzel (2015: 193 Anm. 175) aufgenommen. 16 Vgl. Kratz (2000: 179); Porzig (2009: 138, 141, 155). Demgegenüber scheint Dietrich (2010: 212) seine Grundschicht (1 Sam 4,1b–6a.9–21; ohne V. 4.18b) ausgerechnet aufgrund der Verwendung des Begriffs ‫ עברים‬in V. 6a und V. 9 rekonstruiert zu haben anstatt aufgrund der Wiederaufnahme in V. 10. Der Bericht von der Geburt Ichabods V. 19–22 ist wohl auch ein jüngerer Zusatz; vgl. Porzig (2009: 140); gegen Dietrich (2010: 212); Hensel (2022). 17 Vgl. z.B. Na’aman (1992: 654); Kratz (2000: 179); Porzig (2009: 155); Hensel (2022). 18 Zum Problem des Zeitpunkts von Samuels Tod vgl. Tobolowsky (2017: 386), der davon ausgeht, dass die Notiz von Samuels Tod sekundär nach 1 Sam 25,1 verschoben wurde. 19 Vgl. Bezzel (2015: 231), der eine „Samuel-Saul-Erzählung“ rekonstruiert, in der 1 Sam 1–3 einmal mit 1 Sam 9 ihre Fortsetzung gefunden hätte. Tobolowsky (2017: 383–385) geht einen eigenen Weg und vermutet eine ursprünglich unabhängige „Samuel the judge“-Überlieferung in 1 Sam 1–7 und hält diese Kapitel insofern für die „Keimzelle“ der Philisterthematik in 1 Samuel. Hier vermag Tobolowskys Rekonstruktion allerdings kaum überzeugen, insbesondere in Bezug auf seine Einschätzung, dass das Gros des Textumfangs von 1 Sam 1–7 vordeuteronomistisch sei. 20 Vgl. bereits Wellhausen (1899: 240–246) und neuerdings exemplarisch Kratz (2000: 179). Demgegenüber identifiziert Dietrich (2010: 51*–54*) die frühesten Saulüberlieferungen in mehreren „Fragmenten“ (1 Sam 10,17–27; 11*; 14,47– 52). Eine anhaltende Frage in der Rekonstruktion der frühesten Saulüberlieferung ist das diachrone Verhältnis von Sauls Sieg über den Ammoniterkönig Nahasch in 1 Sam 11* zu seinem Sieg über die Philister in 1 Sam 13,2–14,46. Einige Kommentatoren postulieren zwei ursprünglich unabhängige „Erzählungen vom Aufstieg Sauls“; so Hutton (2009: 306, 328, 365); andere kommen zum Schluss, dass die Philisterthematik in 1 Sam 9,16; 10,5 und in 13,2–14,46 sekundär im Sinne einer Fortschreibung ist; so Müller (2004: 175); Bezzel (2015: 147, 169, 202); Bezzel (2016: 458). 21 S. exemplarisch Fischer (2006: 166–167 mit Lit.). Ich stimme weitgehend mit Bezzel (2015: 170) überein, der die Grundschicht spezifisch in 1 Sam 9,1.2a.3.4bβ.5aβb–8.10–12a.13aα.14a.25b; 10:2–5aα.b.6aα.b.7.9b.10aα identifiziert. 22 Vgl. Na’aman (1992: 640–642); Dietrich (2010: 396). 23 Vgl. Na’aman (1992: 641) und Bezzel (2015: 170), die nur die Wörter ‫ אשׁר שׁם נצבי פלשׁתים‬ausschneiden. Im Unterschied dazu bin ich eher geneigt, den ganzen V. 5 als Teil einer späteren Bearbeitung, die in Verbindung mit der Prophetenepisode in 10,10–16* steht, als sekundär zu betrachten; vgl. Nihan (2006: 92). Die Aussage des „Mannes 14

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Forschung fand die Erzählung in 1 Sam 9,1–10,16 ursprünglich ihre direkte Fortsetzung in 10,27b*24 + 1 Sam 11*, wonach Saul die Stadt Jabesch-Gilead vor einer Bedrohung von Nahasch, dem König der Ammoniter, rettet und darauffolgend durch die Israeliten zum König erhoben wird. Nach Sauls Sieg über die Ammoniter, seiner Einsetzung zum König in 1 Sam 11 und nach Samuels Warnung an die Israeliten vor den negativen Konsequenzen des Königtums in Kap. 12 beginnt Kap. 13 mit einer annalistischen Notiz über die Herrschaft Sauls (13,1), gefolgt von einer komplexen Darstellung einer Schlacht mit den Philistern in 13,2–14,46, die auch verschiedene Nebenthemen behandelt.25 Dieser Passus ist seit Langem als mehrschichtige Grösse ausgewiesen worden, wobei die Grundschicht gewöhnlich einer frühen (vordeuteronomistisch) Saulüberlieferung zugerechnet wird.26 Gleichzeitig besteht ein breiter Konsens darüber, dass das Gros der 68 Verse von 1 Sam 13,2–14,46 spätere Zusätze bzw. Fortschreibungen zur Grunderzählung ausmachen, wie z.B. die Episode von Sauls Opfer (13,4b.8–15a),27 die antiquarische Notiz über das „Eisenmonopol“ der Philister (13,19–22),28 Jonatans Bruch von Sauls Gelübde (14,24– 30.36b–45)29 und Sauls Altarbau (14,32–35).30 Das bedeutet, dass die Grunderzählung von der Schlacht mit den Philistern in 1 Sam 13,2–7.15–18.23; 14,1–23.31.36a.46 zu suchen ist.31 Dennoch zeigt auch dieses Material verschiedene interne Spannungen. Meines Erachtens ist der Kern der Handlung in 13,5.7b.15a; 14,36.46 zu isolieren:32 Demnach sammeln sich die Philister, um gegen Israel zu kämpfen (13,5),33 Saul sammelt 600 Kriegsmänner (13,15a), schlägt vor, das Lager der Philister in der Nacht zu überfallen (14,36) und setzt den Angriff durch (14,46).34 Der Bericht von Jonatans Angriff auf den Philisterposten35 in 13,23; 14,1a.(2?.3b?).6aβb–11a.12–13.(14?.15b?)16– 17.19aβ.20.23a wurde später ergänzt.36 Da 13,2–4a ohne die Erwähnung Jonatans nicht auskommen, sind auch 13,2–4.16 nicht früher als die oben genannten Jonatan-Texte anzusetzen;37 sie stellen vielleicht sogar noch jüngere Ergänzungen dar, wenn man bedenkt, dass die ursprüngliche Einführung der Gestalt Jonatans wahrscheinlich in 14,1a (mit Patronym ‫יונתן בן שׁאול‬, im Unterschied zu 13,2) zu finden ist. Was den grösseren Erzählzusammenhang angeht ist es bemerkenswert, dass der Ursprung des Konflikts mit den Philistern in 1 Sam 13,2–14,46 nicht thematisiert wird; insofern ist anzunehmen, dass 13,2–14,46 die Philisterthematik in 1 Sam 4,1b–7,2* bereits voraussetzt. Demzufolge ist es wahrscheinlich, dass 1 Sam 13,2–14,46 – und zwar bereits in seiner Grundschicht – nicht einer mit 1 Sam 9 beginnenden, selbständigen Saulüberlieferung zugerechnet werden kann.38

Gottes“ in V. 7 („Und wenn diese Zeichen für dich eintreffen ...“) kann nämlich direkt an V. 4 anknüpfen, ohne V. 5 überhaupt zu benötigen. Demgegenüber rechnet Fischer (2006: 168–169) V. 5 als Ganzes der Grundschicht zu, freilich weil er 1 Sam 13 als die ursprüngliche Fortsetzung von 1 Sam 9,1–10,16* betrachtet. 24 Mit der Lesart in 4QSama ‫„ ויהי כמו חדשׁ‬und nach ungefähr einem Monat“ anstatt der MT-Lesart ‫„ ויהי כמחרישׁ‬und er war wie ein Gehörloser“. Zu dieser Rekonstruktion vgl. beispielsweise Na’aman (1992: 645). 25 Für eine detaillierte Analyse vgl. Bezzel (2015: 208–234); für eine abgekürzte Behandlung s. Bezzel (2016). 26 Vgl. Kratz (2000: 179); Hutton (2009: 302); Kaiser (2010: 524). 27 Vgl. Hutton (2009: 351); Dietrich (2015: 8); Bezzel (2015: 214); Bezzel (2016: 460). 28 Vgl. Kaiser (2011: 2); Bezzel (2015: 214); Bezzel (2016: 461). 29 Vgl. Kaiser (2011: 4–5); Dietrich (2015: 8); Bezzel (2015: 214); Bezzel (2016: 460). 30 Vgl. Hutton (2009: 352); Kaiser (2011: 4–5); Dietrich (2015: 9); Bezzel (2015: 214); Bezzel (2016: 460). 31 Zu einer ähnlichen Auffassung vgl. bereits Birch (1976); Na’aman (1992: 645). 32 Zum Zusammenhang von 13,5.7b.15a vgl. Bezzel (2015: 215); Bezzel (2016: 460). Gegen Bezzel (2016: 463) rechne ich jedoch die Schilderung vom Angriff durch den philistäischen „Verderber“ in 13,17–18 nicht zur Grunderzählung. 33 Die x-qatal-Konstruktion (‫ )ופלשׁתים נאספו‬legt es nahe, dass die Musterung der Philister in 1 Sam 13,5 ursprünglich nicht als Reaktion auf die Ereignisse in V. 2–4 konzipiert wurde (sonst wäre eine wayyiqtol-Konstruktion zu erwarten). 34 Zu einer ähnlichen Rekonstruktion vgl. Bezzel (2015: 225–226); Bezzel (2016: 464) (1 Sam 13,5.7b.17a.[18]; 14,20a.31. 46). 35 Zur Ansicht, dass Jonatan keine Rolle in der Grunderzählung gespielt habe, vgl. Stoebe (1965: 277–279); Hutton (2009: 360–363); Dietrich (2015: 9–10); Bezzel (2016: 461). 36 Zu 1 Sam 14,11b als Zusatz vgl. Schult (1975: 31); Loretz (1984: 111); Kaiser (2011: 3). Zu 14,19b als Glosse vgl. Loretz (1984: 110–111). Zu 14,21–22 als Zusatz vgl. Kaiser (2011: 4). S. auch Hutton (2009: 351), der 14,21b–22 als späteren Zuwachs identifiziert. Huttons Entscheidung, V. 21a nicht mitzuzählen, scheint von einer a priori Voraussetzung zu stammen, dass die ‫עברים‬-Texte frühen Ursprungs sind; jedoch kommt V. 21a ohne V. 21b nicht aus. 37 Vgl. Kratz (2000: 176 [Anm. 18]); Bezzel (2015: 222); Bezzel (2016: 463). 38 Vgl. Bezzel (2016: 465), der also eine ältere Saulüberlieferung identifiziert, „die gänzlich ohne Philister auskommt“.

Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums

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1 Samuel 14 wird mit einer Reihe annalistischer Notizen über Sauls Herrschaft (14,47–52) abgeschlossen. Vers 47 berichtet, dass Saul das Königtum über Israel „genommen“ hat (‫ )לכד‬und „gegen alle seine Feinde ringsum kämpfte“, nämlich Moab, die Ammoniter, Edom, die Könige von Zobah und die Philister. Hier ist es sehr wahrscheinlich, dass die Völkerliste in V. 47 aus der parallelen Notiz von Davids Siegen über Israels Nachbarn in 2 Sam 8,1–14 übernommen wurde.39 Zudem dient die Notiz über den andauernden Krieg mit den Philistern in V. 52 dazu, die Gestalt Davids in die darauffolgende „Aufstiegsgeschichte Davids“ (1 Sam 16–2 Sam 5*) einzuführen.40 Insofern bieten auch die zwei Erwähnungen der Philister in 1 Sam 14,47.52 keinen Grund, Sauls Kämpfe mit den Philistern zu einer selbständigen Saulüberlieferung zu zählen. Auch wenn die Philisterthematik die ganze „Aufstiegsgeschichte“ Davids durchzieht (s. bes. 1 Sam 17; 21,10–15; 23,1–14; 27,1–28,2; 29,1–11; 31,1–13), braucht in diesem Zusammenhang nur 1 Sam 29,1–11 behandelt zu werden, weil dort nämlich der Begriff „Hebräer“ zum letzten Mal in den Samuelbüchern auftaucht. Der Passus setzt voraus, dass David in das Heer von Achisch, dem König der Philisterstadt Gath, eingetreten ist (1 Sam 27,1–28,2); gleichzeitig blickt er bereits auf die Schlacht zwischen den Philistern und den Israeliten im Jesreeltal voraus, wo Saul tödlich verwundet wird und auf dem Schlachtfeld stirbt (1 Sam 31). In der Forschung ist gelegentlich vorgeschlagen worden, dass 1 Sam 31 einer selbständigen Saulüberlieferung angehört;41 jedoch ist dies sehr unwahrscheinlich,42 denn überall in 1 Sam 9–14 ist die Philisterthematik wie gezeigt sekundär. Hinzu kommt die Tatsache, dass 1 Sam 31 den Aufmarsch der Philister in 1 Sam 28,1 bzw. 29,1 voraussetzt.43 Diese Verse gehören wiederum zu 1 Sam 27,1–28,2 + 29,1– 11,44 wo die Gestalt Davids eine tragende Rolle spielt. Was den literarhistorischen Ort der Erwähnung von „Hebräern“ in 1 Sam 29,3 angeht, ist zu erwägen, ob der Text der Grunderzählung vom „Aufstieg“ Davids oder einem späteren Kompositionsstadium zuzurechnen ist. In der Tat ist es möglich, dass 1 Sam 29,2–11a eine jüngere Fortschreibung darstellt, die dazu dient, David eine Beteiligung an der Schlacht in 1 Sam 31 und damit am Tod Sauls abzusprechen. Hier lässt sich eine direkte Fortsetzung von 1 Sam 29,1 zu 29,11b und ferner zu 31,1 rekonstruieren,45 was die Vermutung eines Zusatzes in 29,2–11a plausibel macht.46 Die Entwicklung von 1 Sam 1–15 lässt sich demnach grob in vier Etappen gliedern: (I) Aufnahme einer Saulüberlieferung in eine Saul-David-Geschichte (1 Sam 9–11*; 1 Sam 16–2 Sam 5*); (II) Erweiterung um die Gestalt Samuels und Verbindung mit dem Richterbuch (1 Sam 1–3*; 7,15–17); (III) Einfügung der Ladeerzählung (4,1b–2a.10–18* + 7,5–13); später um 4,2b–9; 5,1–7,2(.3–4) ergänzt; (IV) Einfügung eines Philisterkriegsberichts (13,5.7b.15a; 14,36.46); später mehrfach ergänzt. Diese Rekonstruktion zeigt, dass die älteste Saulüberlieferung, die in 1 Sam 9–11* zu finden ist, die Philisterthematik noch nicht kannte. Diese Thematik erscheint erstmals im Grundbestand von 1 Sam 4,1b–7,14 und 13,2–14,46. Hierbei ist auffällig, dass in der Ladeerzählung alle Belege des Begriffs ‫ עברים‬innerhalb der Fortschreibung in V. 2b–9 zu finden sind. Der Bericht von Sauls Sieg über die Philister in 1 Sam 13–14 wurde ebenfalls in mehreren Etappen fortgeschrieben, wobei die Rolle Jonatans in der Schlacht bereits den grösseren literarischen Horizont von 1 Sam 1 bis mindestens 2 Sam 5 im Blick hat. Dies ist nicht der Ort für eine Gesamtthese zur Entwicklung der Philisterthematik in den Samuelbüchern. Es genügt deshalb zu unterstreichen, dass die Thematik aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur ältesten Saulüberlieferung gehört, sondern frühestens Teil einer „Samuel-Saul-Geschichte“ in 1 Sam 1–14*47 oder – m.E. wahrscheinlicher – erst mit der Entstehung einer „Saul-David-Geschichte“ zum Bestandteil von 1 Samuel

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Vgl. Stoebe (1973: 277); Bezzel (2015: 145). Vgl. Kratz (2000: 183); Bezzel (2015: 143). 41 S. z.B. Dietrich (2019: 174). 42 Vgl. Na’aman (1992: 649 [Anm. 34]); Kratz (2000: 179). 43 Vgl. Bezzel (2015: 229). 44 Zu 1 Sam 28,3–15 als späterer Fortschreibung s. bereits Wellhausen (1899: 252) sowie Bezzel (2015: 229). 45 Vgl. Bezzel (2015: 230). 46 1 Sam 30 sprengt den Zusammenhang von 1 Sam 29,11b und 31,1 und ist somit als Einschub zu betrachten, unabhängig von der Bewertung von 29,2–11a. 47 Vgl. Bezzel (2015: 231), der eine erweiterte „Samuel-Saul-Überlieferung“ (eigentlich eine Ergänzungsschicht) in 1 Sam 1,1–20*; 3,19aα; 4*; 9,1–10,16*; 11,1–11*; 13*; 29,1.11b; 31* rekonstruiert. Bezzels Annahme gegenüber, wonach 1 Sam 29,1.11b; 31* einer „Saul-David-Erzählung“ vorausging, bin ich aber skeptisch. 40

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wurde.48 Alle Belege des Begriffs „Hebräer“ (‫עברים‬, immer im Plural) in 1 Sam 13,2–14,46 sowie in 29,3 gehören zu einer Kompositionsebene, die den literarischen Horizont dieser „Saul-David-Geschichte“ bereits voraussetzt. Für die Belege in 1 Sam 4,6.9 ist dies zwar nicht ohne Weiteres nachzuweisen; jedoch ist diese Annahme auch hier wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass 1 Sam 4,2b–9 eine spätere Fortschreibung innerhalb von 1 Sam 4 darstellt.49 Diese Überlegungen zum literarhistorischen Ort der Hebräer-Texte im Sinne einer relativen Datierung dienen als wichtige Leitlinien und zur Kontrolle einer Interpretation dieser Texte im Rahmen des grösseren Erzählkomplexes von Genesis–Könige sowie für jeglichen Versuch, die absolute Datierung und den sozio-historischen Hintergrund der Belege zu erhellen. 3 Zur Interpretation des „Hebräer“-Begriffs in 1 Samuel Die vorangehende Analyse hat gezeigt, dass die Belege des Begriffs „Hebräer“ (‫ )עברים‬in 1 Samuel allesamt relativ jungen kompositionellen Strata zuzurechnen sind. Diese Beobachtung ist für sich genommen zwar nicht neu; ihre Bedeutung für die Interpretation der Hebräer-Texte in 1 Samuel im Rahmen der breiteren erzählenden Literatur der Hebräischen Bibel hat jedoch noch nicht die nötige Würdigung erfahren. Der Begriff „Hebräer“ kommt achtmal in 1 Samuel vor: Zweimal am Anfang der Ladeerzählung (1 Sam 4,6.9), fünfmal in der Erzählung vom Kampf mit den Philistern in 1 Sam 13,2–14,46 (13,3.7.19; 14,11.21) und einmal in der Schilderung von Davids Militärdienst für Achisch, dem König von Gath (1 Sam 29,3). Fünf von diesen acht Belegen werden den Philistern in den Mund gelegt (4,6.9; 13,19; 14,11; 29,3); insofern ist der Begriff eng mit einer Aussenansicht auf Israel, mit einem „foreign discourse about the chosen people“ verbunden, wie Meir Sternberg betont hat.50 Dennoch finden sich auch drei Belege, in denen der Begriff „Hebräer“ von Saul (13,3) oder vom Erzähler (13,7; 14,21) verwendet wird. Seit Langem hat die exegetische Forschung Textemendationen zu genau diesen drei Stellen vorgeschlagen, teils auf Basis der Septuaginta, teils aber, so scheint es, aufgrund der (manchmal nur impliziten) Überzeugung, dass der Begriff „Hebräer“ im Munde Sauls oder des biblischen Erzählers unangemessen wäre.51 Hier folge ich Sternbergs Kritik des Impulses nach Emendation52 und werde die Verwendung des Begriffs „Hebräer“ im Munde Sauls in 13,3 bzw. des Erzählers in 13,7; 14,21 in deren respektiven Kontexten ernstnehmen. 1 Samuel 4. Beide Belege des Begriffs „Hebräer“ in der Ladeerzählung kommen in 1 Sam 4,2b–9 vor (V. 6.9), ein Passus, der in §2 als jüngerer Zusatz innerhalb von 1 Sam 4 identifiziert wurde. In dieser Fortschreibung versuchen die Ältesten Israels zu begreifen, warum Israel durch die Philister besiegt wurde. Um einen Sieg bei einer zukünftigen Auseinandersetzung zu sichern, schlagen sie vor, die „Lade des Bundes JHWHs“ in das Kriegslager zu bringen. Dies impliziert, dass die göttliche Anwesenheit im Kampf das Blatt wenden würde. Als die Lade ins Lager – in den Worten der Philister: in „das Lager der Hebräer“, V. 6 – gebracht wird, erschrecken die Philister, wobei sie die Bedrohung durch JHWH und die Lade mit dem Unglück, das die Plagen über Ägypten gebracht haben, vergleichen.53 Die explizite Erwähnung der Exodusüberlieferung in V. 8 sowie das Nebeneinander des Stichworts „Dienen“ mit dem Begriff „Hebräer“ in V. 9 lässt keinen Zweifel daran, dass die Hebräer-Belege in 1 Sam 4,6.9 die Exoduserzählung in Ex 1–15 voraussetzen und auf diese rekurrieren. Die Anregung der Philister, zu kämpfen, „damit ihr nicht den Hebräern dienen müsst, wie sie euch gedient haben“ (‫פן תעבדו לעברים כאשר עבדו לכם‬, 4,9), ist aber auch insofern bemerkenswert, weil 1 Sam 4 selbst nichts von einem Dienstverhältnis der Israeliten den Philistern gegenüber weiss. Diese Vorstellung ist nur angesichts der Philisterthematik im Richterbuch sinnvoll, in dem JHWH die Israeliten den Philistern ausliefert.54 Insofern setzt 1 Sam 4,2b–9 einen literarischen Horizont voraus, der das Richterbuch mitsamt der Simsonerzählung einschliesst.

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Vgl. Sergi (2020: 77–78): „[T]he entire theme of Saul’s wars with the Philistines [...] anticipates the rise of David.“ Vgl. bereits Loretz (1984: 101–122), der alle ‫עברים‬-Texte in 1 Samuel späten redaktionellen Ebenen zuschreibt. 50 Sternberg (1998: 81); s. dazu bereits Böhl (1911: 72) und neuerdings Jericke (2012: 4). 51 Vgl. Sternberg (1998: 391). 52 S. ausführlich Sternberg (1998: 383–393, 402). 53 Freilich hätten die Philister eine schlechte Note in der Bibelkunde bekommen, denn sie verkennen „Gott“ für „Götter“ und verorten die Plagen „in der Wüste“. Hier macht sich der Autor zweifelsohne über die Philister lustig, hat aber gleichzeitig eine ernsthafte Botschaft für seine eigene Leserschaft; vgl. Sternberg (1998: 85). 54 Vgl. Ri 10,7 (wohl ein jüngerer Zusatz) und vor allem Ri 13,1 (die Einführung der Simsonerzählung). 49

Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums

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Vielleicht das bemerkenswerteste Merkmal der Verwendung des Begriffs „Hebräer“ in 1 Sam 4,2b–9 ist, dass die Philister gewissermassen als „Ägypten redivivus“ fungieren. Diese strukturelle Parallele wurde von M. Sternberg ausführlich herausgearbeitet. Er erkennt einen „Hebrew/Hamite master plot“ im Enneateuch, wobei er beide, die Ägypter und die Philister, unter den „Hamiter“-Begriff (Gen 10,13–14) zusammenfasst. Die Verhältnisse unter den Ägyptern wiederholen sich gewissermassen unter den Philistern.55 Diese Analogie zwischen Ägypten und den Philistern wirft wichtige Fragen bezüglich des historischen Hintergrunds der Hebräer-Stellen in der Ladeerzählung auf; diese Fragen werden in §4 behandelt. 1 Samuel 13,2–14,46. Die nächsten Belegstellen zu den „Hebräern“ finden sich in der vielschichtigen Erzählung von der Schlacht mit den Philistern in 1 Sam 13,2–14,46. Wie bereits angemerkt sticht dieser Passus insofern heraus, als dass drei der fünf Belege nicht dem bekannten Muster folgen: Diesmal sind es keine Nichtisraeliten, die die Israeliten als „Hebräer“ bezeichnen. Offenbar werden dadurch besondere textpragmatische bzw. rhetorische Absichten verfolgt. Der erste Beleg liegt in 13,3 vor, und zwar in einer späteren „Einleitung“ zu einer gewachsenen Erzählung, die die Gestalt Jonatans miteinbezieht (V. 2–4). Nach V. 3a ergreift Jonatan die Initiative beim Angriff des Philisterpostens in Geba, wobei die Philister „hören“, was Jonatan getan hat. In V. 3b liest man – eher unerwartet – dass Saul den Schofar bläst und folgende Botschaft durch das Land schickt: „Mögen die Hebräer hören!“ (‫)ישׁמעו העברים‬.56 Wenn man den Wortlaut des masoretischen Textes ernst nimmt, scheint dieser Ausruf die Information in V. 4a vorwegzunehmen, nämlich dass Saul den Philisterposten angegriffen hat57 und dass Israel angesichts der Philister „stinkend“ geworden ist (‫)נבאשׁ‬. Zwar ist die Verwendung des Begriffs „Hebräer“ durch Saul in V. 3b etwas überraschend;58 jedoch kann sie vielleicht im Lichte der Verwendung des Verbs ‫ באשׁ‬in V. 4a erklärt werden: Das Verb ‫„ באשׁ‬stinken“ kommt viermal in der Exoduserzählung vor, wobei Ex 5,21 von besonderer Relevanz ist. Hier werfen die Aufseher der Israeliten dem Mose vor: „Ihr habt uns beim Pharao und seinen Dienern stinkend gemacht (‫)הבאשׁתם את ריחנו בעיני פרעה ובעיני עבדיו‬. Ihr habt ihnen ein Schwert in die Hand gegeben, uns zu töten“. Angesichts der intertextuellen Verbindungen zur Exoduserzählung in 1 Sam 4,2b–9 ist es gut möglich, dass auch in 1 Sam 13,3b–4a Anspielungen auf das Exodusgeschehen vorliegen und der Begriff „Hebräer“ Anklänge an die Unterdrückung durch die Ägypter evoziert. Die bewusste Verwendung des Begriffs „Hebräer“ und des Verbs ‫ באשׁ‬in 1 Sam 13,3b–4a könnte also eine strukturelle Analogie zwischen den Ägyptern und den Philistern herstellen. Diese Deutung wird durch 1 Sam 13,19 unterstützt, einem Vers, der zur antiquarischen Notiz über das sogenannte „Eisenmonopol“ der Philister in 13,19–22 gehört. Hier wird der Begriff „Hebräer“ mit einem anderen Motiv aus der Exoduserzählung verknüpft, nämlich der Verwendung einer List mit der Absicht, die Israeliten daran zu hindern, eigene militärische Macht zu entwickeln:59 Ex 1,10: Auf, wir wollen klug mit ihm umgehen, damit (‫ )פן‬es sich nicht noch weiter mehrt und in einem Krieg nicht auf die Seite unserer Feinde tritt, gegen uns kämpft und hinaufzieht aus dem Land. 1 Sam 13:19: Im ganzen Land Israel aber fand sich kein Schmied, denn die Philister hatten gesagt: Dass (‫ )פן‬sich die Hebräer nur kein Schwert und keinen Speer machen können! In 1 Sam 13,7a hingegen scheint die Verwendung des Hebräerbegriffs – im Unterschied zu 1 Sam 13,3b und 13,19 – nicht dazu zu dienen, eine Parallele zwischen den Philistern und Ägyptern herzustellen. In diesem Vers kündigt der Erzähler an: „Auch überquerten Hebräer den Jordan, [hinein ins] Land Gad und [nach]

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Sternberg (1998: 146–151). Sternberg merkt auch weitere Parallelen zwischen der Ladeerzählung und der Exoduserzählung (z.B. in 1 Sam 6,3.6) an. 56 Die Septuaginta liest Ἠθετήκασιν οἱ δοῦλοι „Die Sklaven sind abgefallen“ (‫)*פשׁעו העבדים‬. Einige Kommentatoren haben aufgrund dessen die Lesart ‫„ *ויפשׁעו עברים‬die Hebräer sind abgefallen“ rekonstruiert, obwohl diese Kombination nirgends belegt ist; zur Kritik dazu s. Sternberg (1998: 383). Jericke (2012: 4) hält die Lesart von MT für ursprünglich. 57 Zwar lässt sich die Gestalt Sauls pars pro toto für das ganze Heer (einschliesslich Jonatan und seine Truppen) verstehen; jedoch könnte der Text auch andeuten, dass Saul die Lorbeeren für Jonatans Angriff einheimst. 58 Zur aussergewöhnlichen Verwendung durch Saul vgl. Dietrich (2015: 41). 59 Vgl. Sternberg (1998: 101). Zwar haben Dever (2001: 227) und Stager (2006: 381–382) mit Bezug auf den technischen Begriff ‫ פים‬in 1 Sam 13,21 versucht, eine nachmonarchische Verortung von 1 Sam 13,19–22 zu widerlegen; in jedem Fall legt die Anspielung auf die Exoduserzählung aber nahe, dass die Notiz als Ganzes kaum aus der Zeit um die Entstehung des Königtums stammen kann.

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Gilead.“60 Diese Aussage knüpft thematisch an V. 5–6 an, wo berichtet wird, dass die Philister sich in grosser Zahl sammeln, um gegen Israel zu kämpfen, und dass die Israeliten sich „in Höhlen und Felsspalten, in Felsen, Gewölben und Gruben“ verstecken.61 Die lange Liste an Verstecken lässt anklingen, dass der Erzähler die Reaktion des Volkes eher negativ beurteilt, auch wenn zugleich eine Prise Humor in der Auflistung zu erkennen ist,62 die gewissermassen in V. 7 gipfelt: Dass Hebräer den Jordan hinein ins Land Gad und Gilead überquerten (‫ )ועברים עברו‬erscheint als eine besonders feige Tat. Die Untertöne von Feigheit klingen auch später in der Erzählung wieder an, wenn der Begriff „Hebräer“ fällt. Als Jonatan und sein Waffenträger sich dem Philisterposten zeigen, reagieren die Philister folgendermassen: „Sieh, da kommen Hebräer aus den Löchern, in denen sie sich versteckt haben“ (14,11b). Wenn man bedenkt, dass vorher in der Erzählung nicht berichtet wird, dass Jonatan und sein Waffenträger untergetaucht sind (im Gegenteil: Jonatan scheint ab 14,1 ständig unterwegs zu sein, im Unterschied zum sitzenden Saul), liegt es nahe, dass 14,11b ein Zusatz ist, der nur lose im unmittelbaren Erzählkontext steht. In jedem Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Halbvers die Schilderung vom Versteck des Volkes in 13,6 sowie die Erwähnung der ‫ עברים‬in 13,3b bzw. 13,7 voraussetzt. Dadurch entsteht eine neue konzeptuelle Verbindung, in der die Gruppe, die sich versteckt, als „Hebräer“ bezeichnet wird (anstatt als das „Volk“, ‫)העם‬. Wie in 1 Sam 13,7 wird der letzte Beleg für „Hebräer“ in 1 Sam 13,2–14,46 vom Erzähler ausgesprochen (14,21). Auch in diesem Vers geht es um „Überquerer“, nur scheint hier das „Überqueren“ ein noch gravierenderes Vergehen zu sein. Anstatt von Menschen, die den Jordan überqueren, um dem Konflikt ganz zu entkommen, ist hier die Rede von Hebräern/Überquerern (‫)עברים‬, „die zuvor zu den Philistern gehört hatten und mit ihnen hinauf ins Lager gezogen waren“, mit anderen Worten: von Überläufern. In 1 Sam 14,21 kehren diese „Überquerer“ zur israelitischen Seite zurück,63 um sich somit auf Sauls und Jonatans Seite zu stellen.64 Angesichts des unehrenhaften Verhaltens beider Gruppen von „Überquerern“ in 1 Sam 13,7 bzw. 14,21 ist die Verwendung des Begriffs ‫ עברים‬durch den Erzähler (als Mitglied des Volkes Israel) also durchaus verständlich.65 1 Samuel 29. Der letzte Hebräer-Beleg im ersten Samuelbuch (29,3) hat interessante Anknüpfungspunkte an 1 Sam 13,2–14,46. Wie bereits geschildert, gehört 1 Sam 29,3 zu einer Serie von Episoden, in denen David im Dienste Achischs steht, des Königs der Philisterstadt Gath. Dabei gehört 29,2–11a einer Fortschreibung an, die einen früheren Zusammenhang zwischen 29,1 und 29,11b unterbricht, nämlich die Musterung der Philister zur Schlacht gegen die Israeliten, die sich in Jesreel befinden. Wie die jüngeren Bestandteile von 1 Sam 13,2–14,46 spielt auch 1 Sam 29,2–11a mit der Wurzel ‫ עב״ר‬assoziativ auf die „Hebräer“ an:66 Das Verb ‫ עבר‬fällt zweimal in V. 2, unmittelbar vor dem Begriff ‫ עברים‬in V. 3. In V. 2 wird berichtet, dass „die Stadtfürsten der Philister in Hundertschaften und Tausendschaften hinüberzogen (‫)עֹ ברים‬ und zuletzt David und seine Männer mit Achisch hinüberzogen (‫“)עֹ ברים‬. Diese Schilderung schafft die Voraussetzungen für die Frage, die von den Obersten der Philister in V. 3 gestellt wird: „Wer sind denn diese Hebräer?“ (‫)מה הﬠִ ברים האלה‬.67 Trotz einer Zusicherung Achischs, dass David ihm in voller Treue gedient habe, bleiben die Obersten der Philister skeptisch, was Davids Loyalität anbelangt: „Er soll nicht mit uns in die Schlacht hinabziehen; er darf uns nicht zum Widersacher werden in der Schlacht!“ (V. 4). Angesichts der rezipierten Form der Erzählung in 1 Sam 13,2–14,46 ist dieser Argwohn nicht gegenstandslos; man braucht

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Mehrere Kommentatoren emendieren den Text im Sinne der Septuaginta (καὶ οἱ διαβαίνοντες διέβησαν τὸν Ιορδάνην εἰς γῆν Γαδ καὶ Γαλααδ); vgl. die Literatur in Loretz (1984: 108 [Anm. 106–108]). 61 Vgl. Loretz (1984: 110): „Diese ‘ibrîm ‚Hebräer‘ sind als ein Teil der in V. 6 sich verbergenden Israeliten (‘jš jśr’l) zu begreifen.“ Jedoch geht Loretz der Frage nicht nach, warum die Terminologie hier abweicht. 62 Vgl. die satirische Auflistung von Beamten und Musikinstrumenten in Dan 3; s. dazu Avalos (1991). 63 Hier scheint es unausweichlich, der Lesart der Septuaginta (ἐπεστράφησαν) in der Mitte des Verses zu folgen anstatt dem masoretischen Wortlaut (...‫סביב וגם המה להיות עם ישראל‬...), der syntaktisch kaum verständlich ist. 64 Loretz (1984: 115) interpretiert den Vers als einen Hinweis auf „Hebräer, die zeitweise von ‚Israel‘ durch Kriegsunglück getrennt wurden und durch den glücklichen Ausgang des Kampfes wieder an das eigene Volk Anschluss finden.“ Dabei scheint er die kritische Haltung, die der Vers zum Ausdruck bringt, völlig übersehen zu haben. 65 Vgl. Sternberg (1998: 380). 66 Zum Verb ‫ עבר‬s. 1 Sam 13,7; 14,1.4.6.8.23; zum Nomen ‫ ﬠֵבֶ ר‬s. 14,4 [2x].40 [2x]; insgesamt kommt die Wurzel also 15 Mal in diesen beiden Kapiteln vor. Vgl. Dietrich (2015: 36), der bemerkt, dass der Begriff „Hebräer“ und das Spiel mit dem Verb ‫ עבר‬und dem Nomen ‫„ מעבר‬Leitwortfunktion in der Jonatan-Geschichte von 1 Sam 14“ haben. 67 Die Zürcher Bibel übersetzt mit „Was ist mit diesen Hebräern?“

Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums

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sich nur daran zu erinnern, dass in 1 Sam 14,21 „Die Hebräer, die zuvor zu den Philistern gehört hatten ... sich zu Israel schlugen, das bei Saul und Jonatan war“.68 Zwischenergebnis. Die Hebräer-Passagen haben in 1 Samuel zwei unterschiedliche Funktionen. In 1 Sam 4,6.9 wird der Begriff ‫ עברים‬als Ethnikon für die Israeliten im Munde der Philister verwendet. Hier macht der unmittelbare literarische Kontext deutlich, dass der Begriff Teil einer grossangelegten Parallelisierung der Philister mit Ägypten in 1 Samuel ist, die die Zeit um den Übergang vom Richtertum zum Königtum als eine Art „zweiten Exodus“ stilisiert. Der Passus 1 Sam 4,2b–9 ist eine jüngere Ergänzung zur Ladeerzählung in 1 Sam 4 und steht wohl in Zusammenhang mit der Fortschreibung der Ladeerzählung in 1 Sam 5–6,69 in der die Lade – wie früher die Israeliten in Ägypten – eine „Knechtschaft“ im Philistergebiet und einen „Exodus“ daraus erlebt.70 Dieses Echo der Exoduserzählung klingt auch in 1 Sam 13,19 nach, wo die Philister eine List verwenden (im Wortlaut von Ex 1,10 „klug umgehen“), um ihre militärische Vorherrschaft über die Israeliten zu sichern. Insofern liegt es nahe, dass sich die Verwendung des Begriffs „Hebräer“ in 1 Sam 4,6.9 sowie in 13,19 direkt aus Ex 1–15 speist.71 Weniger eindeutig ist die Funktion der Verwendung des Begriffs „Hebräer“ in 1 Sam 13,3.7; 14,11.21; 29,3. In diesen Versen ist der Begriff Teil eines Diskurses über die Loyalität zwischen den Israeliten und den Philistern und geht mit Wortspielen mit der Wurzel ‫ עב״ר‬einher. Meines Erachtens ist es unwahrscheinlich, dass diese Texte den drei Belegen aus 1 Sam 4,6.9; 13,19 zeitlich vorausgehen; vielmehr legt die erkennbare Problematisierung des Begriffs „Hebräer“ (mitsamt der Frage, wer diesen Begriff verwenden darf) die Vermutung nahe, dass diese fünf Belege kompositionsgeschichtlich noch später als 1 Sam 4,6.9; 13,19 zu verorten sind. 4 Zum historischen Ort der Hebräer-Texte in 1 Samuel Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass die Hebräer-Texte in 1 Samuel sowie die Philisterthematik, in der sie eingebettet sind, wenig bis keine Aussagekraft über die Zeit des narrativen Settings des Buches (d.h. ca. 1000 v.u.Z.) besitzen. Bereits die Beobachtung, dass die Philisterthematik der Saulüberlieferung sekundär zugewachsen ist, macht die Annahme unwahrscheinlich, dass die Erzählungen in 1 Sam 4; 13–14; 29 historische Verhältnisse aus dem späten 11. Jh. v.u.Z. widerspiegeln. Stattdessen kommen drei spätere Epochen für die mögliche Abfassung der Hebräer-Passagen in Frage: (1.) die neuassyrische Zeit (8.–7. Jh. v.u.Z.); (2.) die neubabylonische-persische Zeit (6.–4. Jh. v.u.Z.) und (3.) die hellenistische Zeit (spätes 4.–1. Jh. v.u.Z.). Die neuassyrische Zeit. Wenn man davon ausgeht, dass der Begriff ‫ עברי‬mit der Gebietsbezeichnung Eber-Nāri (Akk.) bzw. ‫( עבר נהרא‬Aram.) – der erst ab dem 8. Jh. v.u.Z. belegt ist72 – in Verbindung steht, ist der terminus post quem für die Prägung des Begriffs ‫ עברי‬auch frühestens im 8. Jh. v.u.Z. anzusetzen.73 Unabhängig von dieser Beobachtung haben mehrere Forschende die Philisterthematik in den Samuelbüchern – ohne die die Hebräer-Stellen nicht auskommen – mit historischen Verhältnissen aus der Zeit nach dem Untergang des Nordreichs Israel (722/720 v.u.Z.) in Verbindung gebracht.74 Diese historische Verortung wurde 2002 von Israel Finkelstein programmatisch vertreten75 und ist seitdem mehrfach und aus verschiedenen Gründen befürwortet worden. Zum Beispiel führt Hannes Bezzel zwei Gründe für eine Datierung der Phili68

Vgl. Sternberg (1998: 423): Die Philister „as good as draw an inference from Saul’s first battle against them to his last.“ S. auch Dietrich (2019: 99), der bemerkt, dass die Philister „ungute Erfahrungen“ mit „Hebräern“ in 1 Sam 13–14 hatten, obwohl er dabei ihre „beachtliche[n] Erfolge“ meint und nicht den Umstand, dass die Hebräer – nach 14,21 – unaufrichtige Verbündete („double crossers“) sind. Der intertextuelle Zusammenhang zwischen den beiden Stellen ist unverkennbar; jedoch ist nicht klar, ob sie auf eine Hand zurückzuführen sind oder ob die eine Stelle in Kenntnis der anderen verfasst wurde. 69 Vgl. Porzig (2009: 143), der 1 Sam 4,3–9 und 1 Sam 5* der gleichen Kompositionsebene zuschreibt. 70 Vgl. Sternberg (1998: 150–151), der noch weitere Parallelen zwischen der Ladeerzählung und der Exoduserzählung benennt. 71 Vgl. Berner (2015: 677). Zu den Verbindungen zwischen den Hebräer-Stellen in 1 Samuel und der Exoduserzählung s. ferner Bezzel (2015: 228 [Anm. 130]). 72 Dandamayev (1996: 654). 73 Dies bedeutet umgekehrt auch, dass der biblische Begriff ‫ עברים‬nichts für die Rekonstruktion der ḫabiru in der Spätbronzezeit und frühen Eisenzeit beizutragen hat, gegen die Auffassung von Koch (2020: 19). 74 Einen eigenen Weg geht Sergi (2020: 74–75), der die Saul-David-Erzählung spätestens ins frühe 8. Jh. v.u.Z. verortet. 75 Finkelstein (2002). Meines Erachtens ist Finkelsteins Fokus auf das 7. Jh. v.u.Z. zu begrenzt, sodass er vorschnell ausschliesst, dass manche Texte noch später anzusetzen sind, wie z.B. die Erwähnung der Cheretiter (2002: 149).

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Stephen Germany

sterthematik ins 7. Jh. v.u.Z. ins Feld: Erstens sei das Themenfeld literarhistorisch sekundär gegenüber der frühesten Saulüberlieferung; zweitens versteht Bezzel die erweiterte Samuel-Saul-Überlieferung (samt Philisterthematik) vor allem als eine Niedergangsgeschichte, die er als literarischen Reflex auf den Untergang des Nordreichs Israel unter den Assyrern (722/720 v.u.Z.) interpretiert.76 In einer neuen Untersuchung zur Ladeerzählung in 1 Sam 4–6 plädiert Benedikt Hensel ebenfalls für eine Datierung ins frühe 7. Jh. v.u.Z., wobei die Philister als „Chiffre“ für die Assyrer und ihre Praxis von „godnapping“ stünden.77 Auch Hermann Michael Niemann vermutet einen neuassyrischen Hintergrund für die Erzählungen von den Konflikten mit den Philistern, die einen „bittere[n] Zorn gegen die Überheblichkeit der Ebenenbewohner“ bezeugten.78 Die neubabylonische-persische Zeit. Ein anderer Ansatz zur Datierung der Philisterthematik in 1 Samuel fragt, in welcher Zeit die Konkurrenz zwischen Saul als Benjaminiter und David als Judäer, die 1 Sam 9–2 Sam 5 stark prägt, historisch relevant wäre. Diese Rückfrage wurde jüngst von Wolfgang Oswald gestellt. Er überlegt, ob der Rückgang der Region Benjamins im 5. Jh. v.u.Z. und die Verlegung des Verwaltungszentrums von Mizpa nach Ramat Rahel auch einen Nachhall in der Saul-David-Erzählung findet und kommt zum Schluss: „[O]ne can easily imagine that the Saul-David narrative had been in use and served a purpose in the Persian period“, nämlich „to reinforce the cohesion between the two parts of the province of Yehud.“79 Jedoch datiert Oswald – wie andere Forschende – eine Erstfassung der Saul-David-Erzählung ins ausgehende 8. Jh. v.u.Z.,80 was seine Überlegungen zur Rolle Benjamins in der Erzählung eher als rezeptionsgeschichtlichen denn als kompositionsgeschichtlichen Beitrag klassifiziert. Aber könnte das Verhältnis zwischen Benjamin und Juda in der neubabylonischen und persischen Zeit sogar als Hintergrund für die Hauptfassung der Saul-David-Geschichte – und somit für das Aufkommen der Philisterthematik – fungiert haben? Meines Erachtens kann die Benjaminthematik die Beweislast für solch eine späte Ansetzung der SaulDavid-Erzählung als Ganzes nicht tragen. Dennoch gibt es einige Indizien für die Annahme, dass wesentliche Teile der Philistertexte in der zweiten Hälfte von 1 Samuel (also in der „Aufstiegsgeschichte Davids“) frühestens ins ausgehende 7. Jh. v.u.Z. zu datieren sind. Erstens ist die Gestalt des Achisch von Gath (1 Sam 21; 27–29) zu nennen. Wenn z.B. die historische Gestalt des ʾAkayuš/Ikausu von Ekron (erste Hälfte des 7. Jh. v.u.Z.) tatsächlich als Muster für die biblische Gestalt des Achisch diente (und wenn diese Gestalt zur frühesten Saul-David-Erzählung gehörte), wäre eine Datierung der Erzählung ins späte 8. Jh. v.u.Z. ausgeschlossen, was Oswald selbst eingesteht.81 Vergleichbares gilt im Falle einer Ableitung des Namens „Goliath“ von der historischen Gestalt des Alyattes, des Königs von Lydien (ca. 610–560 v.u.Z.): Dann wäre eine Datierung von 1 Sam 17 (zumindest in einer Fassung, die den Namen „Goliath“ kennt) ins 7. Jh. v.u.Z. sehr unwahrscheinlich.82 Mit anderen Worten: Auch wenn die Saul-David-Erzählung ihre Ursprünge im spätmonarchischen Juda (d.h. im 7. Jh. v.u.Z.) haben dürfte, wurde diese Erzählung offensichtlich bis in die nachmonarchische Zeit bearbeitet und fortgeschrieben. Dies erlaubt auch eine Spätdatierung der Hebräer-Texte in 1 Samuel, da diese Texte ähnlich späten Kompositionsstufen innerhalb der Philisterpassagen angehören. Eine nachmonarchische Datierung der Hebräer-Texte legt sich indirekt auch durch die Bezüge zur Exoduserzählung – in einem bereits nachpriesterlichen Kompositionsstadium – nahe.83 Nimmt man eine frühestens exilische Datierung für die priesterliche Erzählung im Pentateuch an, würde dies bedeuten, dass die Hebräer-Texte in 1 Samuel nicht vor dem 6. Jh. v.u.Z. entstanden sein können.84 Wahrscheinlicher ist deshalb eine Datierung in die Perserzeit, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Name der Region EberNāri bzw. ‫עבר נהרא‬, auf den das Adjektiv ‫ עברי‬anspielt, besonders in der Perserzeit geläufig war.85

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Bezzel (2015: 236). Hensel (2022). 78 Niemann (2002: 88–89). 79 Oswald (2020: 105). 80 Oswald (2020: 107). 81 Oswald (2020: 104), mit Verweis auf Gass (2009). Zur Auffassung, dass die biblische Gestalt Achisch frühestens aus dem 7. Jh. v.u.Z. stammt s. bereits Finkelstein (2002: 133–136). 82 Zum Vergleich der Namen Goliath und Alyattes vgl. Finkelstein (2002: 147 [Anm. 27]). Wahrscheinlich gehört der Name „Goliath“ aber nicht zur ältesten Version der Erzählung; s. Aurelius (2002: 50 [und Lit.]). 83 Vgl. Berner (2015: 677); Germany (2017: 69). 84 Zu einer anderen Argumentation bezüglich 1 Sam 4,6.9, aber mit einem ähnlichen Resultat, vgl. Schult (1975: 30– 31); Loretz (1984: 104–105). 85 Dandamayev (1996: 654–655). 77

Die „alten“ Hebräer und die Anfänge des Königtums

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Die hellenistische Zeit. Die vorangehenden Überlegungen deuten darauf hin, dass die Philisterthematik im ersten Samuelbuch wohl frühestens ins 7. Jh. v.u.Z. zu datieren ist, während die Hebräer-Texte noch später anzusetzen sind, und zwar frühestens ins 6. Jh. v.u.Z., vermutlich aber erst in die Perserzeit. Zudem stellt sich die Frage nach einer noch späteren, möglicherweise hellenistischen Kontextualisierung der HebräerTexte in 1 Samuel. Hier könnte man z.B. überlegen, ob die Parallelisierung der Philister mit Ägypten durch die Anspielungen auf den Exodus in 1 Sam 4,6.9 und 13,19 einen ptolemäerzeitlichen (ca. 300–200 v.u.Z.) Hintergrund haben könnten.86 In dieser Zeit war Juda (bzw. Judäa) erneut unter „ägyptischer“ – diesmal aber hellenistischer statt pharaonischer – Herrschaft.87 Für die zweite (und literarhistorisch spätere) Gruppe der Hebräer-Texte in 1 Samuel (13,3.7; 14,11.21; 29,3) scheint eine hellenistische Verortung noch wahrscheinlicher zu sein. Wie soeben dargelegt, spielen diese Texte mit dem Konzept einer Verdrehung der „hebräischen“ Identität durch einen Übertritt (‫ )עב״ר‬zu den Philistern (oder über den Jordan hin nach Osten). Könnte sich hinter diesen Texten vielleicht eine subtile Kritik an der Hinwendung mancher Judäer zur hellenistischen Kultur verbergen?88 5 Fazit Die Ergebnisse der in diesem Beitrag geleisteten literarhistorischen Analyse legen nahe, die Belege des Begriffs ‫ עברים‬im ersten Samuelbuch allesamt in der nachmonarchischen Zeit zu verorten. Zwar ist es möglich, dass die Anfänge der Philisterthematik in der Saul-David-Geschichte, in die die ‫עברים‬-Belege eingebettet sind, etwas früher (nämlich im 7. Jh. v.u.Z.) anzusetzen sind; jedoch sind die Hebräer-Texte innerhalb dieses Komplexes sekundäre und tertiäre Zusätze. Ihre literarhistorische Verortung in die Perserzeit wird auch dadurch unterstützt, dass sie auf ein fortgeschrittenes Stadium der Exoduserzählung anspielen; zudem weist die Herleitung des Worts ‫ עברי‬von ‫ עבר נהרא‬ebenfalls in die Perserzeit. Während die frühesten Belege des Begriffs „Hebräer“ in 1 Samuel dazu dienen, die Philister als „Ägypten redivivus“ darzustellen, thematisieren die späteren Belege die Frage nach der Loyalität zum eigenen Volk und zur eigenen Kultur, wobei sie den Übertritt (‫ )עבר‬auf die Seite des „Fremden“ kritisieren. Insofern könnten beide Beleggruppen auch in der hellenistischen Zeit verortet werden, wobei dies insbesondere für die zweite Gruppe plausibel scheint. Bibliographie Aurelius (2002)

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Eine historische Verortung der biblischen ‫עברים‬-Texte in die Ptolemäerzeit hat bereits Jericke (2012: 10) – mit aller Vorsicht – vorgeschlagen. Jedoch ist sein Hauptargument dafür – nämlich Parallelen zwischen der Territorialausdehnung des Ptolemäerreichs und Ägypten in der Amarnazeit (d.h. die mutmassliche Zeit des Exodus, 14.–12. Jh. v.u.Z.) – m.E. weit hergeholt. Zwar hätten die biblischen Autoren und deren Leserschaft die Ptolemäerherrschaft im 3. Jh. v.u.Z. wohl als Wiederholung der ägyptischen Unterdrückung in der Exoduszeit wahrnehmen können, jedoch scheint Jerickes Auffassung, dass sich „im 3. Jh. v. Chr. zumindest Teile der Bevölkerung Palästinas als von Ägypten unterdrückte Hapiru / Hebräer verstehen [konnten]“ ein verzweifelter Versuch, die ḫabiru-Theorie trotz der späten Datierung der HebräerTexte aufrechtzuhalten. 87 Das Nebeneinander von Philistern und griechischer Kultur ist auch in früheren Zeiten vorstellbar. Bekanntlich stammten die „Seevölker“, die in der frühen Eisenzeit die Küste der südlichen Levante besiedelt haben, aus der Ägäis. Finkelstein (2002: 152 [Anm. 37]) hat vorgeschlagen, eine Wiederbelebung der Assoziation der Philister mit der griechischen Kultur in Verbindung mit der Anwesenheit griechischer Söldner im Philistergebiet im Dienst der ägyptischen Armee im 7. Jh. v.u.Z. zu sehen. Wenn jedoch der Grundbestand der Saul-David-Erzählung erst ins 7. Jh. v.u.Z. zu datieren ist, könnte dies den Schluss nahelegen, dass die Umprägung der Philister zum „Ägypten redivivus“ in einer noch späteren Zeit zu verorten ist. 88 Hier könnte man auch überlegen, ob die Darstellung der Philister als „unbeschnitten“ (1 Sam 17,26.36; 18,25.27; 31,4; 2 Sam 1,20; 3,14) ebenfalls „Kulturkämpfe“ in der hellenistischen Zeit wiederspiegeln könnte. In jedem Fall scheint ein neuer archäologischer Fund aus Tel Miqne-Ekron dafür zu sprechen, dass in der frühen Eisenzeit die Bewohner des philistäischen Ekron die Beschneidung praktiziert haben (Dothan & Regev 2016: 470). Daraus ziehen Maier & Hitchcock (2017: 258) den Schluss, dass die Philister erst später in der Eisenzeit von dieser Praxis Abstand genommen hätten. Auch im 5. Jh. v.u.Z. beschreibt Herodot (Hist. II.104) die „Syrer von Palästina“ als beschnitten; jedoch sind Maier & Hitchcock (2017: 259) skeptisch, was eine Gleichsetzung dieser Gruppe mit den „Philistern“ anbelangt.

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Eine forschungsgeschichtliche Leberschau-Ente [ ] Keine Lehnübersetzung einer akkadischen idiomatischen Wendung in Ez 21,26 Nesina Grütter1

Lexika und Kompendien sind unersetzliche Hilfsmittel für die Erschließung biblischer und anderer antiker Texte. Außerdem prägen sie die Forschung über Jahrzehnte hinweg. Gerade deshalb ist es wichtig, kleinere Fehler, die sich trotz aller Akribie immer wieder in solch großen Werken einschleichen, aufzuarbeiten. Dieser Artikel vermeldet eine Korrektur für den Eintrags ‫„( ָכּבֵ ד‬Leber“) im Akkadian Lexical Companion for Biblical Hebrew (2009), auf den u.a. im Rahmen der Debatte über die Akkulturation der Judäer*innen in der Gola, dem babylonischen Exil vom Beginn des 6. Jh.s v. u.Z., Bezug genommen wird. Entgegen der Darstellung des Kompendiums fehlt eine akkadische Parallele für die hebräische Wendung ‫( ָראָ ה בַּ כָּבֵ ד‬verwendet in Ez 21,26 für die Untersuchung der Leber durch den babylonischen König) für das Postulat einer Lehnübersetzung aus dem Akkadischen nach wie vor. Darüber hinaus wird gezeigt, dass die biblischhebräischen Belege sogar gegen die Annahme einer Lehnübersetzung sprechen: Ez 21,26 bietet eine durch und durch hebräische Formulierung. Schließlich werden die Konsequenzen dieser Erkenntnis für die Exegese aufgezeigt. Lexicons and compendia are irreplaceable tools for indexing biblical and other ancient texts. Further, they leave a lasting mark on research for decades. This is precisely why it is important to work through minor errors that always creep into such large works despite all meticulousness. This article then reports a correction to the entry ‫“( כָּבֵ ד‬liver”) in the Akkadian Lexical Companion for Biblical Hebrew (2009), which is referenced in light of the ongoing debate about the acculturation of Judeans in the Gola, the Babylonian exile from the beginning of the sixth century B.C.E. Contrary to the presentation in the Compendium, the Akkadian texts do not provide a basis for paralleling the Hebrew expression ‫ָראָ ה בַּ כָּבֵ ד‬ (used in Ezek 21:26 for the inspection of the liver by the Babylonian king) with Akkadian phrases for “to perform an inspection of the entrails”. Furthermore, it will be shown that the Biblical-Hebrew evidence too speaks against the assumption of a loan translation from Akkadian: Ezek 21:26 offers a thoroughly Hebrew formulation. Finally, the consequences of this finding for exegesis are shown.

Schlagwörter: Ezechielbuch; Gola (babylonisches Exil); calque/Lehnübersetzung; Semitistische Komparatistik (Hebräisch-Akkadisch); Leberschau; altorientalische Religionsgeschichte

1 Einleitung: Ein Lexikoneintrag in der aktuellen Debatte um die Akkulturation in der Gola Lexika und Kompendien sind unersetzliche Hilfsmittel zur Erschliessung biblischer und anderer antiker Texte. Sie prägen die Forschung nachhaltig über Jahrzehnte. Gerade deshalb ist es wichtig, kleinere Fehler zu korrigieren, die sich trotz aller Akribie immer in solch grosse Werke einschleichen. Das soll hier geschehen: Dieser Beitrag vermeldet eine Korrektur zum Eintrag ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ im Akkadian Lexical Companion for Biblical Hebrew (2009, fortan kurz ALCBH), der in der aktuellen Debatte um die Akkulturation von Judäerinnen und Judäern in der Gola, dem babylonischen Exil ab Beginn des sechsten Jahrhunderts v.u.Z., bereits rezipiert wird.

1

Nesina Grütter, Universität Basel, Theologische Fakultät, Nadelberg 10, 4051 Basel ([email protected]). Hanna Jennis Unterricht, der mir über Jahre hinweg zuteil wurde, und ihr Lehrbuch der klassisch-ägyptischen Sprache (2010) liefern die Grundsteine für diesen Artikel, der ein kleines Dankeschön für alles sein soll.

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Im Folgenden wird gezeigt, dass in Ez 21,26 mit ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“2 keine hebräische Lehnübersetzung aus dem Akkadischen vorliegt. Dazu wird zuerst die relevante Passage des Eintrags ‫כָּבֵ ד‬ „Leber“ im ALCBH forschungsgeschichtlich eingeordnet (1), danach wird aufgezeigt, dass die im Eintrag angegebene akkadische Quelle, die die Hypothese der Lehnübersetzung stützen soll, unzulässig ist (2). Darauf folgt ein Überblick über übliche akkadische Wendungen für „eine Eingeweideschau durchführen“ (3), an die eine Spurensuche nach einer akkadischen Formulierung anschliesst, die sich allenfalls für die Hypothese einer Lehnübersetzung in Ez 21,26 (4) eignen würde. Danach wird aufgezeigt, dass es sich bei ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ um eine genuin hebräische Formulierung handelt (5) und erörtert, was diese Erkenntnis für die Auslegung der Stelle hergibt (6). 2 Forschungsgeschichtliche Einordnung des Eintrags ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ im ALCBH (2009) Die bārûtu, die Kunst und Durchführung der Opferschau,3 war fester Bestandteil eines politisch erfolgreichen Vergewisserungssystems: Assyrische und babylonische Könige bedienten sich ihrer (in einem Zusammenspiel verschiedener divinatorischer Praktiken), um ihre Pläne erfolgreich im Einklang mit dem göttlichen Willen durchzuführen, und sie gleichsam öffentlichkeitswirksam zu legitimieren.4 Selbst Aussenstehenden war dies bekannt und so steht in Ez 21,26: ‫כִּ י־ﬠָמַ ד מֶ ֶל ־בָּ בֶ ל אֶ ל־אֵ ם הַ דֶּ ֶר בְּ ר ֹאשׁ ְשׁנֵי הַ ְדּ ָרכִ ים לִ קְ סָ ם־קָ סֶ ם קִ לְ קַ ל בַּ חִ צִּ ים שָׁ אַל בַּ ְתּ ָרפִ ים ָראָה בַּ כָּבֵ ד׃‬ Denn der König von Babel hat sich am Scheideweg aufgestellt, am Anfang der beiden Wege, um Divination zu betreiben:5 Die Pfeile hat er geschüttelt, die Teraphim befragt, die Leber beschaut. An die Formulierung ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬er beschaute die Leber“ schliessen zwei Fragen an: 1) Was wussten die Judäerinnen und Judäer in der Gola (im babylonischen Exil) genau von der babylonischen Leberschau?6 2) Spiegelt die Wortwahl des (literarischen) Ezechiel eine akkadische Formulierung wider? Vor diesem forschungsgeschichtlichen Hintergrund ist auch folgende Passage gleich zu Beginn des Eintrags ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ im Akkadian Lexical Companion for Biblical Hebrew (2009) zu lesen: “The standard Akk. word for ‘liver’ is amūtu (CAD A2 96a) and not kabattu, as can be seen, for example, from the custom of examining the liver in Mesopotamian divination, where Akk. employed the idiom ina amūti naṭālu‚ ‘to look, point toward, i.e. to examine the liver’ (CAD ָ ‘to examine (lit. to look into) the N2 126b) and its Heb. (idiomatic hapax) equivalent ‫‚ראָה בַּ כָּבֵ ד‬ liver’ (Ezek 21:26). However, Akk. kabattu is employed to connote ‘liver’ in the lexical texts, where it is equated in the syn. list with amūtu and gabīdu (for kabītu) ‘liver’ (CAD K 11b lex. section; CAD G 6a; AHw 272b). According to the CAD (K 13b), kabattu ‘liver’ in the synonym list may represent a WSem. word. […]“7

2

Zur Übersetzung der Konstruktion mit ְ‫ בּ‬mittels deutschem Akkusativ siehe (6). Allgemein: Eine Auflösung der im Beitrag häufig verwendeten Abkürzungen findet sich am Ende in den bibliographischen Angaben. 3 Cf. s.v. bārûtu in: CAD 2/II= B/2 (1965: 131b–133a); s.v. bārûtu(m) in: AHw I (1965: 110a). Der Spezialist, der bārû, vollzieht seine Beobachtungen an einer Opfermaterie. In den erhaltenen Quellen am breitesten bezeugt ist die Opferschau an Lämmern mit dem Schwerpunkt auf deren Leber (so auch in Ez 21,26), weshalb auch in der modernen Fachliteratur oft schlicht von Leberschau gesprochen wird. Die bārûtu erstreckt sich aber auch auf Vögel, sowie auf andere Materialien wie Räucherwerk, Öl und Mehl, und war besonders in diesen ökonomisch günstigeren Varianten auch der breiten Bevölkerung zugänglich, cf. Heeßel (2012: 5–6) und Maul (2013: 264–309). 4 Pongratz-Leisten (1999). 5 Das Verb ‫ קסם‬ist je nach Kontext zu disambiguieren und entweder allgemein mit „Divination betreiben“, „wahrsagen“ oder spezifisch mit „Los(e) werfen“ zu übersetzen, cf. Jeffers (1996: 98), s.v. „‫ “קסם‬in HALAT3 (2004: 1041b–1042a). Hier wird ‫ לִ קְ סָ ם־קָ סֶ ם‬als Wendung verstanden, die die drei folgenden Divinationstechniken (Divination mittels Pfeilen, Opferschau und Teraphim) kategorial zusammenfasst, cf. Zimmerli (1969: 488–492). 6 Die Meinungen divergieren nach wie vor, cf. zuletzt Darshan (2016: 94), Stöckl (2015a: 233, relevante Passage wortwörtlich auch in Stöckl [2015b: 55–56]), Vanderhooft (2014: 113–114), Winitzer (2014: 181) und Gluska (2005: 725– 726). 7 S.v. ‫ כָּבֵ ד‬in: ALCBH (2009: 154b–155a, hier 154b). Abkürzungen auch hier CAD für The Assyrian Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago und AHw für Akkadisches Handwörterbuch.

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Werden die Informationen des Eintrags deutsch paraphrasiert, umgruppiert und mit einigen erklärenden Ausführungen versehen, tritt die versteckte Argumentation der Passage zutage, die da lautet: i. ii.

iii.

iv.

v.

vi.

Auf der einen Seite liegt die hebräische (idiomatische) Formulierung ‫ראָה בַּ כָּבֵ ד‬,ָ „die Leber untersuchen“ (wörtlich „in die Leber schauen“) vor, die nur in Ez 21,26 belegt ist. Auf der anderen Seite gibt es eine akkadische idiomatische Formulierung ina amūti naṭālu mit der Bedeutung „die Leber untersuchen“. (Das ALCBH bietet jedoch nicht den Quellenbeleg, sondern verweist auf CAD N2). Die Entsprechungen sind offensichtlich: Die Präposition ina „in“, „mit“, „durch“ hat ihr Äquivalent in der Präposition ְ‫„ בּ‬in“, „mit“, „durch“. Ihr folgt der Genitiv von amūtu „Leber“, was wiederum hebräisch ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ entspricht. Die Verben naṭālu und ‫ ָראָה‬bedeuten beide „sehen“, „schauen“. Sowohl die akkadischen Quellen, die über den Umweg des CAD zu erschliessen sind, als auch das hebräische Ezechielbuch benutzen demnach eine Formulierung, die wörtlich „in die Leber schauen“ lautet, wenn von einer spezifischen Form der bārûtu, der Durchführung der Tieropferschau die Rede ist. Die akkadische Formulierung verwendet amūtu „Leber“, nicht das ebenfalls belegte kabattu / kabittu „Leber“, „Bauch“, „Inneres“, „Gemüt“, „Sinn“,8 das wie hebräisch ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ auf gemeinsemitisches *KBD zurückgeht. Dies ist jedoch kein Argument gegen eine Lehnübersetzung in Ezechiel, weil in lexikalischen Listen entsprechende Gleichsetzungen verzeichnet sind. (Das ALCBH bietet hierzu etwas wirr zusammengestellte Verweise auf Einträge in CAD und AHw.) In Ez 21,26 liegt demnach (wohl / möglicherweise) eine Lehnübersetzung, ein calque vor.

Die Diskussion um das Äquivalentenpaar amūtu | ‫( כָּבֵ ד‬Punkt 5) als Lackmustest für die Hypothese einer Lehnübersetzung in Ez 21,26 nimmt ihren indirekten Ausgangspunkt in M. I. Grubers unveröffentlichter Masterarbeit Akkadian Influence in the Book of Ezekiel (1970, Columbia University). Gruber hebt hervor, dass im Ezechielbuch gleich für „three aspects of Mesopotamian religion“ die einzigen klaren und expliziten Erwähnungen in der biblischen Überlieferung vorliegen: Für das Beweinen des Tammuz (Ez 8, 14), für „hepatoscopy“ (Ez 21:26) und für den rituellen Barbier (Ez 5:1).9 Gruber argumentiert in vier Schritten dafür, dass Ez 21:26 „hepatoscopy“ aufgrund des babylonischen Kontexts erwähnt (es sich also nicht um eine Allusion an eine generell verbreitete Praxis handelt) und zitiert zur allgemeineren Veranschaulichung dafür, welcher Ausprägung die mesopotamische Tradition war, zwei akkadische Leberomina. Diese beiden Zitate haben keinen direkten Zusammenhang mit Ez 21,26, Gruber will eldiglich zeigen, auf welchem kulturellen Hintergrund das Ezechielbuch ent- und daher besser verstanden werden kann. Eine idiomatische Wendung erwägt er nicht für ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“, wohl aber für vier andere Wendungen des Ezechielbuchs.10 Dreizehn Jahre später wird Grubers Arbeit von S. Garfinkel in seiner unveröffentlichten Dissertation Studies in Akkadian Influences in the Book of Ezekiel (1983, Columbia University) aufgegriffen. Garfinkel diskutiert nun, ob sich ein akkadischer Einfluss auch direkt in der hebräischen Formulierung in Ez 21,26 zeigt. Er problematisiert das Äquivalentenpaar amūtu | ‫ כָּבֵ ד‬und beklagt das Fehlen akkadischer Quellen, die eine solche Parallelisierung stützten. Er befindet daher angesichts Ez 21,26: “[...] the Akkadian source for his [Ezekiel’s, Anm. d.V.] expression rāʾâ bakkābēd can, at the present time, not be determined.”11

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Cf. s.v. kabattu(m) in: AHw II (1972: 417a); s.v. ‫ כָּבֵ ד‬in: ALCBH (2009:154b–155a, hier 155a). Gruber (1970: 26). An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich bei Mayer I. Gruber, der mir eine Kopie seiner unveröffentlichten MA-Arbeit eigens per Post aus Israel zugeschickt hat. 10 Gruber (1970: 29–30, 41–47). 11 Garfinkel (1983: 129). Obwohl unveröffentlicht, fand die Dissertation rege Aufnahme in der Forschung, so beispielsweise bei Bodi (2018 und 1991), Darshan (2016), Stöckl (2015b), Vanderhooft (2014), Winitzer (2014). An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich bei Daniel Bodi, der mir Garfinkels Arbeit zugänglich gemacht hat. Möglicherweise hat auch das ALCBH für den Eintrag ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ Garfinkels Arbeit zur Kenntnis genommen. Bibliographiert ist aber lediglich Grubers Masterarbeit, in der die Thematik der Lehnübersetzung angesichts Ez 21,26 fehlt. Die weiteren Literaturangaben betreffen nicht Ez 21,26, sondern allesamt den zweiten Teil des Eintrags, der das Äquivalentenpaar kabattu | ‫ כָּבֵ ד‬für sich, nicht aber eine idiomatische Wendung ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“, behandelt. Dort wird aufzeigt, dass die auf gemeinsemitisches *KBD zurückgehenden Lexeme sowohl in hebräischen 9

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Das Äquivalentenpaar amūtu | ‫ כָּבֵ ד‬stellt jedoch nicht das Problem der Hypothese der Lehnübersetzung dar. Auch in ugaritischen Quellen findet sich nordwestsemitisches kbd „Leber“, wo akkadisch von amūtu „Leber“ die Rede wäre:12 In Ugarit wurden in der Bibliothek eines gelehrten Ritualspezialisten (Fundkontext 14. / 13. Jh. v.u.Z.) vier beschriftete Lebermodelle in mesopotamischer Tradition gefunden, die die Ergebnisse von Opferschauanfragen aufzeichnen.13 Zwei davon geben durch die Angabe Leber des PN an, für wen die Bitte ausgesprochen wurde: kbd . dt ypt bn yknʿ „Leber des Ypt, Sohn des Yknʿ“ (KTU2 1.143), und kbd ḥ[...] „Leber von Ḥ[...]“ (KTU2 1.155).14 Was jedoch bislang fehlte, ist ein Beleg einer zusammenhängenden akkadischen Wendung, die für ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ in Ez 21,26 Pate gestanden hat. Mit dieser langersehnten Parallele wartet nun das ALCBH auf: ina amūti naṭālu. Es scheint, dass, wer sich zukünftig mit Ez 21,26 und der Frage der (auch sprachlichen) Akkulturation in der Gola beschäftigt, nicht mehr darum herumkommt, ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬er beschaute die Leber“ als eine Lehnübersetzung von ina amūti naṭālu zu betrachten15 – doch dem ist nicht so. 3 Verweis auf untaugliche Quelle im ALCBH (2009) Die vom ALCBH angeführte akkadische Wendung ina amūti naṭālu kommt nicht als akkadischer Ausgangspunkt für die hebräische Formulierung ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ in Frage, wie sich herausstellt, wenn man dem Hinweis des ALCBH auf CAD N2 126b nachgeht. CAD N2 126b gehört zum Eintrag naṭālu.16 Dort findet sich ina amūti naṭālu im Unterabschnitt „5.c) ‘to face’, ‘to point toward’ in extispicy“. Bereits dieser Sachverhalt macht stutzig, denn der Unterabschnitt listet Belege, die in Omina vorkommen, in der nur Eingeweihten zugänglichen Fachliteratur der Spezialisten.17 Zu ina amūti naṭālu ist dann auch nur ein Quellenverweis gelistet, der zu einem altbabylonischen Omentext führt (YOS 10, 11 i 28–35):18 šumma ina amūtim kakkum ištu warkat tākaltim ana danānim iṭṭul u šīlum ina birīšunu nadi Wenn auf der Leber eine „Keule“ von der Rückseite der „Tasche“ aus zur „Verstärkung“ blickt und in ihrem Zwischenraum ein Loch liegt Es handelt sich um eine sogenannte Omenprotase, wie sie für die akkadische Tradition typisch ist. In der Assyriologie wird der Begriff Omen für eine kurze Textform verwendet, deren Struktur auch aus den kasuistischen Gesetzestexten der hebräischen Bibel oder dem Kodex Ḫammurapi bekannt ist: Wenn X (Protase), dann Y (Apodose). Omenprotasen fassen den auf der Opfermaterie beobachtbaren Befund in Worte, Apodosen bieten eine Deutung.19 Im Laufe der mehrtausendjährigen Überlieferung wurden die einzelnen Omina gesammelt, kompiliert, serialisiert und kanonisiert, so dass die assyrisch-babylonische Lehrtradition des ersten Jahrtausends v.u.Z. schliesslich tausende von Opferschau-Omina umfasste, die auf ca. 100 Tafeln festgeals auch in akkadischen Wendungen bezeugt sind, die menschliche Emotionen zum Ausdruck bringen. C.f. s.v. ‫ כָּבֵ ד‬in: ALCBH (2009:154b–155a, hier 155a). 12 Cf. Grütter (2021: 43–44). 13 Zum Fundkontext cf. Meyer (1987: 32–34). 14 Eine Analyse der Texte bieten Dietrich & Loretz (1990: 6–8, 16–17). 15 So bereits Boyd (2021: 257), der rʾh bkbd in der Liste der „Akkadian loans in Ezekiel“ aufführt und in der zugehörigen Anmerkung festhält: „[...] Perhaps a complicating factor for seeing this phrase as evidence of Akkadian influence is that the standard terminology for divination does not use Akkadian kabattu, but rather ina amūti naṭālu, ‘to look/point toward the liver,’ where amūtu is the much more frequently attested Akkadian term for ‘liver.’ As Tawil argues, however, lexical lists equate amūtu with gabīdu/kabītu, ‘liver,’ the latter perhaps representing the West Semitic version of the word (An Akkadian Lexical Companion for Biblical Hebrew, 154).“ 16 Cf. s.v. naṭālu in: CAD 11 = N/2 (1980: 121b–128b). 17 Hier macht sich wohl eine verkürzte Rezeption von Gruber 1970 bemerkbar: Dort werden Omina zur religionsgeschichtlichen Veranschaulichung gelistet, nicht aber mit der Idee, dass diese Quellengruppe nach Parallelformulierungen zu Ez 21,26 zu durchsuchen ist. 18 Autographierter Keilschrifttext in YOS 10: Pl. VII, Transkription nach Winitzer (2017, 35). Hervorhebungen der Verfasserin. Zur akkadischen Fachterminologie – kakku(m) „Keule“, tākaltu(m) „Tasche“ und danānu(m) „Verstärkung“ – sowie zur Lokalisierung der damit bezeichneten Phänomene auf der Schafsleber cf. Leiderer (2010). 19 Ein eingängiges altbabylonisches Beispiel (YOS 10, 31 II 24–30): šumma martum isḫur: šarrum mātam nakartam iṣabbat. Wenn die Gallenblase sich umwendet: der König wird das feindliche Land an sich reissen.

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halten wurden (bezeugt u.a. in der Bibliothek Assurbanipals).20 Diese Datenflut verlangte nach Strukturierungsprinzipien, und man begann schon früh, die Protasen nach dem Erscheinungsort des Befundes zusammenzustellen, also Protasengruppen nach jeweiligen Organen oder gar Organzonen zu bilden. Im vorliegenden Fall liefert ina amūtim genau diese Lokalisationsangabe: Der Befund kann auf der Leber gemacht werden – und nicht etwa auf der Lunge, dem Darm, den Nieren usw.21 Demnach taugt diese Quelle nicht dazu, eine hebräische Lehnübersetzung ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ aus dem Akkadischen zu postulieren und ina amūti naṭālu mit ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ parallel zu setzen. Bei ina amūti handelt es sich lediglich um eine optionale Adverbialangabe (Adjunct), sie gehört nicht zum Kern des Satzes um das Verb naṭālu „sehen“, „betrachten“. Dem gegenüber ist ‫ בַּ כָּבֵ ד‬in der Formulierung ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬er beschaute die Leber“ in Ez 21,26 eine für die sinnvolle Satzaussage notwendige adverbiale Bestimmung (eine Adverbialergänzung, ein Komplement).22 Überdies ist in der altbabylonischen Quelle gar nicht die Rede davon, dass eine Opferschau durchgeführt und ein Eingeweidebefund gedeutet wird, wie es das ALCBH vorgibt („where Akk. employed the idiom ina amūti naṭālu‚ ‘to look, point toward, i.e. to examine the liver’“). Vielmehr kommen ina amūti und naṭālu lediglich in derselben Omenprotase, das heisst in der Beschreibung eines möglichen Befundes vor. Zudem ist das Subjekt eine Erscheinung auf der Leber und nicht der Opferschauer. Anders gesagt: Die Quelle bezeugt ganz allgemein den Fachjargon der wissenschaftlichen Disziplin der bārûtu, nicht aber idiomatisch geprägte Rede über sie. 4 Akkadische (idiomatische) Wendungen für die Durchführung der bārûtu Gibt es denn akkadische (idiomatische) Wendungen für die Durchführung der bārûtu? Solche gibt es, fraglich bleibt, ob oder inwiefern man sie als idiomatisch bezeichnen will. Das antike Zweistromland kennt eine Vielzahl von institutionalisierten Vollzügen, die nach moderner Terminologie religiöse Rituale genannt werden können. Neben Hunderten von Wörtern für spezifische Rituale gibt es auch mehrere Begriffe im Akkadischen, die sich mit dem modernen kategorisierenden Begriff Ritual verbinden lassen.23 Innerhalb der akkadischen Terminologie wird eine Trennung sichtbar: Tägliche und andere regelmäßig durchgeführte Rituale im Zusammenhang mit dem Kult werden sprachlich unterschieden von Ritualen, die zu einem besonderen Anlass auf Anfrage durchgeführt werden. Für die Rituale auf Anfrage, zu denen auch die Opferschau, die bārûtu, gehört, werden die Begriffe nēpešû, epištu, kikiṭṭû und dullu verwendet. Das Lehnwort kikiṭṭû (von sumerisch KÍD.KÍD) ist das einzige Wort aus dieser Reihe, das ausschliesslich mit „Ritual“ zu übersetzen ist. Die assyrischen und babylonischen Gelehrten verwenden es in Fachtexten. In den Briefen sprechen sie mehr umgangssprachlich von dullu, was ursprünglich „Arbeit“, „Elend“, „Mühsal“ bedeutet. Bei nēpešû und epištu handelt es sich um nominale Ableitungen des Verbs epēšu „tun“, „handeln“, „aktiv sein“. Es ist zwar das Standardverb, wenn es darum geht, dass ein Ritual „gemacht“ wird, aber es hat eine viel grössere semantische Bandbreite und ist nicht auf den rituellen Kontext beschränkt. Das abgeleitete nēpešû kann schlicht „Werkzeug“ oder „Arbeitsgerät“ bedeuten, wird aber auch über zweitausend Jahre für die Bezeichnung ritueller Handlungen verwendet (auch in Abgrenzung zu den die Rituale begleitenden Beschwörungen). Oft wird nēpešû noch durch den Namen des spezifischen Rituals näher bestimmt und ist wertneutral. Demgegenüber hat die Ableitung epištu über ihre Grundbedeutung „Handarbeit“, „Herstellung“, „Leistung“ hinaus auch eine pejorative Konnotation. Es kann für positive wie negative rituelle Handlungen verwendet werden.

20

Maul (2003: 72). Diese Interpretation gilt ungeachtet davon, wie YOS 10,11 und andere sogenannte amūtu-Omina im komplexen Prozess der Serialisierung(en) und Kanonisierung gedeutet werden müssen, zur kontroversen Debatte cf. Winizer (2017, 35–39) und Richter (1999). 22 Zur Unterscheidung von Adverbialergänzung (Komplement) und Adverbialangabe (Adjunct) cf. Jenni (2010: 87): „Adverbiale Bestimmungen lassen sich unterteilen in: – Adverbialergänzungen (Komplement): notwendig für die sinnvolle Satzaussage (auf syntaktischer Ebene Argument genannt) Beispiel: ‚Sie wandte sich an die verantwortliche Person‘, – Adverbialangabe (Adjunct): nicht notwendig für die Satzaussage Beispiel: ‚Er fuhr mit dem Zug dorthin.‘“ 23 Dieser Absatz beruht im Folgenden auf Heeßel (2006). 21

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Dementsprechend erstaunt es nicht, dass für „eine Opferschau durchführen“ u.a. nēpešti bārî „Ritual des Opferschauers“ und bārûta epēšu „eine Opferschau machen“ verwendet wird. Dazu kommt noch die Wendung uzutêrēti epēšu „den (Opferschau[fleisch]-)Befund machen“.24 Ursprünglich bezeichnet têrētu jeglichen Befund (z.B. auch astrologischen). Es kann, muss aber nicht, mittels Determinativ verwendetem Sumerogramm UZU „Fleisch“ (akkadisch šīru) präzisiert werden, dass es sich um einen Opferschaubefund handelt.25 Inwiefern von einer idiomatischen Wendung gesprochen werden muss, also von einem sprachlichen Ausdruck, dessen Bedeutung sich nicht aus der Bedeutung ihrer Bestandteile ableiten lässt, bleibt schwierig zu bestimmen. Auch Wendungen von epēšu mit puḫādu „Opferlamm“ und šamnu „Öl“ sind bezeugt. Dort wird nicht von einem Bedeutungszuwachs bei den Substantiven, sondern wohl implizit von einer idiomatischen Wendung ausgegangen, wenn mit „ein Opferlamm untersuchen“ oder „Öl untersuchen“, „ein Ölomen anstellen“ übersetzt wird.26 Eine akkadische Wendung, die ohne epēšu auskommt, ist bīra barû, wörtlich „eine (Opfer-)Schau schauen“. Dabei handelt es sich um eine figura etymologica, eine Wendung, bei der das Substantiv von derselben Wurzel gebildet wird wie das Verb (bīru „Schau“, „Opferschau“ ist ein Verbalabstraktum von barû „sehen“, „(opfer-)schauen“).27 Dabei fallen zwei Dinge auf: i) Das Moment der figura etymologica zieht sich teilweise bis in die Schreibung hinein. Neben syllabischen Schreibungen28 ist auch die Schreibung mit zweimaligem Sumerogramm MÁŠ (für bīru und barû) bezeugt.29 Dies ist insofern bemerkenswert, als dass für barû häufiger IGI.KÁR; IGI; IGI.TAB verwendet wird.30 ii) Die Wendung ist erst verhältnismässig spät belegt, die Quellen sind jung- oder spätbabylonisch, allenfalls neuassyrisch.31 Die figura etymologica ist in verschiedenen semitischen Sprachen gebräuchlich. Die Wendung bīra barû „eine (Opfer-)Schau schauen“ ist denn auch nicht als idiomatische, sondern vor dem Hintergrund der Quellen, in denen sie bezeugt ist, vielleicht am ehesten noch als geprägte Wendung zu klassifizieren, die im 1. Jahrtausend v.u.Z. in Mode kam. Abschliessend lässt sich festhalten: In der assyriologischen Literatur werden bislang keine Wendungen besprochen, die als Vorlage für eine Lehnübersetzung von ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ in Ez 21,26 in Frage kommen: Die wohlbekannten Formulierungen setzen sich meist aus Formen von epēšu „tun“, „handeln“ plus Substantiv (u.a. uzutêrēti „Opferschau[fleisch]-)Befund“ oder puḫāda „Opferlamm“) zusammen. Als einzige Wendung mit einem Verb der optischen Wahrnehmung wird bislang nur die figura etymologica bīra barû, wörtlich „eine (Opfer-)Schau schauen“, veranschlagt. 5 Neuerliche Spurensuche nach akkadischen Wendungen für die These der Lehnübersetzung Auf der Suche nach einer geeigneten akkadischen Parallele muss der Blick zuerst auf die hebräische Wendung ‫ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬fallen. Im Kontext von Ez 21,26 handelt es sich um einen vollständigen Satz: „Er hat die Leber beschaut.“ Implizites Subjekt ist der König von Babel. Wieso das ALCBH von einem idiomatic hapax spricht, wird nicht klar. Vermuten lässt sich jedoch, dass vor allem die Konstruktion mit der Präposition ְ‫בּ‬ „in“, „mit“, „durch“ irritiert, wenn unbewusst vom Indoeuropäischen aus gedacht und daher ein Akkusativ erwartet wird. Zudem mag die Gola als (literarischer) Schauplatz des Ezechielbuchs den Verdacht genährt haben, eigenartig anmutende Wendungen für (womöglich noch eigenartiger anmutende) Divinationsprakti24

Cf. Renger (1969: 210–213), Pongratz-Leisten (1999: 135), s.v. epēšu in: CAD 4 = E (1958: 191b–235b); s.v. epēšu(m) in: AHw I (1965: 223b–229a). 25 Umgekehrt wurde amūtu „Leber“ mit der Zeit auch auf „Befund“ ausgeweitet, cf. s.v. amūtu A in: CAD 1/II = A/2 (1968: 96a–97b); s.v. amūtu(m) II in: AHw I (1965: 46b–47a). 26 Cf. Renger (1969: 211). 27 Zu semantischen Ähnlichkeiten zwischen akkadisch barû und deutsch schauen (in Abgrenzung zu sehen) cf. Heeßel (2012: 6, Anm. 70): „Darüber hinaus kennt die deutsche Sprache eine kleine, aber wichtige semantische Differenz zwischen ‚Sehen‘ und ‚Schauen‘, die hier zum Tragen kommt. Denn neben dem von beiden Termini bezeichneten rein optischen Wahrnehmen weist ‚Schauen‘ im Gegensatz zu ‚Sehen‘ die besondere Bedeutung des intuitiven Erfassens von sich dem menschlichen Begreifen entziehenden Phänomenen wie etwa dem Göttlichen auf. Gerade dieser Aspekt ist es aber, der in dem Ritual der Opferschau vorliegt, denn der bārû erkennt, ‚schaut‘ in der Opfermaterie die göttliche Entscheidung.“ 28 Z.B. bi-ra i-bar-ru-u in BBR No. 11r: 17 und bi-ra ab-ta-ru-u in BBR no. 88r: 7 r. 29 Z.B. ana MÁŠ MÁŠ-ú: PRT 29: 13; ana MÁŠ-ri MÁŠ-ú: PRT 58: 8; siehe auch unter Zeichen 130 MÁŠ in MesZL2. 30 Cf. s.v. barû A in: CAD 2/II = B/2 (1965: 115a–118b, hier 115b); s.v. barû(m) I in: AHw I (1965: 109, hier 109a). 31 Cf. s.v. bīru A in: CAD 2/II = B/2 (1965: 264a–265b); s.v. bīru(m) (bēru) III in: AHw I (1965: 13).

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ken seien babylonischem Spracheinfluss zuzuschreiben. Beides trifft nicht zu. Dennoch soll hier, ganz in der Tradition der jüngeren Forschungsgeschichte, ein neuerlicher Versuch unternommen werden, eine akkadische Wendung zu finden, die für die These der Lehnübersetzung infrage kommt. Gesucht wird nach einem Text, in dem ein Verbum der optischen Wahrnehmung zusammen mit dem Substantiv amūtu (allenfalls kabattu) „Leber“ vorliegt, konstruiert mit der Präposition ina „in“, „mit“, „durch“. Bei ina amūti müsste es sich um eine notwendige adverbiale Bestimmung, eine Adverbialergänzung (Komplement), handeln. Als Verben der optischen Wahrnehmung werden berücksichtigt amāru „sehen“, „erblicken“, barû „sehen“, „schauen“, dagālu „schauen“, „blicken“, „ansehen“, naṭālu „schauen“, palāsu „blicken“, „(hin)sehen“, ṣubbû „beobachten“, „prüfen“.32 Für akkadische Quellen stehen noch keine korpuslinguistischen Programme zur Verfügung, vergleichbar denen, die die Bibelwissenschaften seit längerem kennen und rege nutzen (Logos, Accordance, früher BibleWorks) und mit deren Hilfe kombinierte Lemmasuchen innert Kürze getätigt werden können. Für hebräische Texte ist die Entwicklung solcher Programme denn auch vergleichbar einfach – die Quellenmenge ist überschaubar (selbst wenn man die wenigen erhaltenen ausserbiblischen hebräischen Quellen miteinbeziehen wollte), und es handelt sich beim Hebräischen um eine Alphabetschrift. Anders beschaffen ist das Korpus Akkadischer Texte: Das Keilschriftsystem ist komplex, es kombiniert Wortzeichen, Silbenzeichen, Determinative und phonetischen Komplemente.33 Auszugehen ist von 10 Millionen Wörtern Text, die sich auf ca. 150 000 Texte (in Neuassyrisch, Altbabylonisch und anderen Varietäten), über eine Zeitspanne von 2500 Jahren und einen geographischen Raum von Mesopotamien bis nach Ägypten und Anatolien verteilen.34 Ein beträchtlicher Teil der Texte liegt unbearbeitet und unpubliziert in Museen. Zwar wurden den in vordigitaler Zeit erstellten wissenschaftlichen Editionen öfters Umschriften und Umsetzungen der Keilschrifttexte in lateinische Schriftzeichen (Transliterationen und Transkriptionen) beigegeben, aber diese sind einerseits nach unterschiedlichen Wissenschaftstraditionen erstellt und daher uneinheitlich, und andererseits sind allfällig nachträglich angefertigte Digitalisate (ebenso wie selbst als ePDF erstellte jüngere Publikationen) aufgrund der vielen verschiedenen diakritischen Zeichen nicht mittels handelsüblichen OCRProgrammen (Programmen für die automatische optische Zeichenerkennung) auswertbar. Anders gesagt: Das akkadische Textkorpus ist eine wahre Schatzkammer für die Digital Humanities und birgt ungeheures Potential für innovative Langzeitforschung (auch mit komparatistischem Zuschnitt). Es gibt noch viel zu tun, aber beträchtliche Zwischenresultate sind schon erzielt. Derzeit existieren zwei etablierte elektronische Open Access-Projekte, die CDLI (Cuneiform Digital Library Initiative, seit 1998 [finanziert seit 2000])35 und ORACC (Open Richly Annotated Cuneiform Corpus, seit 2006)36, die ihre Daten auch rege austauschen und verknüpfen. Bei der CDLI steht das konkrete beschriftete Objekt im Zentrum. Damit bietet die CDLI-Datenbank einzigartigen Zugang auch zum Studium von Materialität und Medialität der Keilschriftkulturen (Sumerisch, Akkadisch, Hethitisch, Elamisch etc.). Der Katalog lässt Einträge in den Kategorien Herkunft, Datierung, materielle Beschaffenheit und Metadaten (Publikationsangaben, Grabungs-, Inventars- und Sammlungsnummern, CDLI-Nummern) zu, aber auch Angaben zum Text, der auf dem Artefakt angebracht ist. Je nach Artefakt sind die Katalogeinträge mehr oder weniger vollständig bzw. weitreichend. Derzeit liegt ein Schwerpunkt der Cuneiform Digital Library Initiative darauf, weltweit möglichst viele keilschriftlich beschriftete Objekte nach standardisierten Vorgaben zu fotografieren und die Entwicklung von Programmen zur automa32

Die Liste wurde mit Hilfe des Deutsch-Akkadischen Wörterbuchs (DAW, 1998) erstellt. Nicht aufgenommen wurde das im Akkadischen (selten) belegte aramäische Fremdwort ḫamuʾa „sehen“, cf. s.v. ḫamuʾa in: AHw III Ergänzungen (1981: 1558). 33 Wortzeichen, Silbenzeichen, Determinative und phonetische Komplemente lassen sich flexibel kombinieren. Es gibt keine verbindliche Orthographie. Daraus resultieren einerseits unendliche Möglichkeiten, einen Satz zu schreiben, der in der hebräischen Alphabetschrift allenfalls geringe Variation (z.B. Plene- und Defektiv-Schreibung) und im Deutschen aufgrund der verbindlichen Rechtschreibung gar keine (ausser Schreibfehler) zulässt, andererseits führen die vielen Möglichkeiten, ein und dasselbe Zeichen verschieden zu lesen (als Wortzeichen, verschiedene Silbenzeichen, Determinativ oder phonetisches Komplement), dazu, dass jedes Zeichen im Kontext disambiguiert werden muss. Man versuche sich nur im Ansatz vorzustellen, was das für Anforderungen an Programme der automatischen Schriftzeichenerkennung oder auch für die Umsetzung eines Lemma-Taggings nach Vorgaben der TEI (Text Encoding Initiative) bedeutet. 34 Schätzungen von Streck (2011). 35 Startseite der CLDI: https://cdli.ucla.edu/ (letzter Zugriff: 15.10.2021). 36 Startseite des ORACC: http://oracc.museum.upenn.edu/ (letzter Zugriff: 15.10.2021).

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tischen Keilschrifterkennung (3D!) aktiv voranzutreiben. Die Anzahl freizugänglicher hochaufgelöster Fotografien in der CDLI-Datenbank nimmt täglich zu, auch von bislang nicht publizierten Objekten und nicht wissenschaftlich bearbeiteten Texten. Damit gibt es gemessen am wachsenden Gesamtbestand immer weniger Objekte in der CDLI-Datenbank, für die eine (bislang vor allem manuell oder teilautomatisch erfasste) Transliteration in C-ATF (Canonical ASCII Transliteration Format)37 hinterlegt ist – was sich erst wieder ändern wird, wenn automatische Keilschrifterkennung und kontext-sensible Zeichendisambiguierung erfolgreich einsatzbereit sind. Zudem können aufgrund der Datenstruktur und der Ausrichtung der Cuneiform Digital Library Initiative die verfügbaren Transliterationen derzeit nur nach exakten Strings, d.h. konkreten Zeichenabfolgen, aber nicht nach Lemmata (weder einzeln noch kombiniert) durchsucht werden.38 Hingegen ist das Open Richly Annotated Cuneiform Corpus darauf angelegt, korpuslinguistische Suchen zu fördern. ORACC hat sich zu einem Dach für verschiedene wissenschaftliche Texteditions-Projekte entwickelt; es ermöglicht digitales Edieren im extended ATF und u.a. ein Lemma-Tagging gemäss den Richtlinien der TEI (Text Encoding Initiative).39 Derzeit kann innerhalb der einzelnen Unterprojekte (d.h. einzelner Texteditionen) u.a. nach akkadischen Lemmata gesucht werden, aber nur teilweise projektübergreifend.40 Zudem wird für jedes Unterprojekt (zurzeit 45)41 die Möglichkeit einer advanced search angezeigt, und innerhalb dieser erweiterten Suche wären theoretisch kombinierte Lemmasuchen möglich,42 doch leider funktioniert sie seit einigen Jahren nicht mehr. Eine kombinierte Lemmasuche in akkadischen Quellen kann demnach derzeit nicht per Knopfdruck erfolgen.43 Die repräsentativste Bandbreite an akkadischen Texten und zugleich das grösste Reservoir an nach Lemmata geordneten zusammenhängenden Phrasen bieten nach wie vor die drei renommierten akkadischen Lexika AHw (Akkadisches Handwörterbuch, 1958–1981, 3 Bände), CAD (The Assyrian Dictionary of the University of Chicago, 1956–2010, 20 Bände) und eSAD (Electronic Supplement to the Akkadian Dictionaries, laufend seit 2013). Dort müssen für die vorliegende Fragestellung die Einträge zu Leber (amūtu44 und kabattu45) gesichtet, sowie diejenigen zu den Verben der optischen Wahrnehmung (amāru46, barû47, 37

Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/doc/help/editinginatf/cdliatf/index.html (letzter Zugriff: 15.10.2021). Wir könnten z.B. a-mu-tim (syllabische Schreibung für „Leber“ im Genitiv Singular) oder EŠ (Sumerogramm für akkadisches amūtu „Leber“ in sämtlichen Fällen) suchen, hätten damit aber noch lange nicht alle in der CDLI möglicherweise verfügbaren Transliterationen, die dem akkadischen Lemma amūtu zuzurechnen sind, erfasst (es fehlten z.B. syllabisch geschriebene Pluralformen, Genitivsingularformen ohne Mimation oder auch die in Dokumenten belegte Variante a-mu-ú-tim für den Genitiv Singular). 39 Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/doc/about/standards/tei/index.html (letzter Zugriff: 15.10.2021). 40 Das Dachprojekt ARMEP (Ancient Records of Middle Eastern Polities) bietet einen search hub für derzeit mehr als 20 Unterprojekte mit insgesamt über 41'300 akkadischen (hauptsächlich neuassyrischen und neubabylonischen) Texten. Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/armep (letzter Zugriff: 15.10.2021). 41 Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/projectlist.html (letzter Zugriff: 15.10.2021). 42 Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/doc/search/advancedsearch/index.html (letzter Zugriff: 15.10.2021). 43 Dies kann sich jedoch bald zumindest teilweise ändern: Die CDLI hat auf den Jahreswechsel 21/22 eine Beta-Version des neuen Frameworks angekündigt, das u.a. veränderte Suchfunktionen bieten wird. Das ORACC arbeitet für die auf 21/22 angekündigte neue Version u.a. an einer neuen Schnittstelle für eine funktionierende advanced search. Auch bleibt abzuwarten, was dank des Electronic Babylonian Literature (eBL)-Projects möglich wird, das die Veröffentlichung der digitalen Einheiten Corpus und Fragmentarium auf Herbst 2021 angekündigt hat, cf. https://www.ag.geschichte.unimuenchen.de/forschung/forsch_projekte/ebl/index.html (letzter Zugriff: 15.10.2021). 44 S.v. amūtu A in: CAD 1/II = A/2 (1968: 96a–97b); s.v. amūtu(m) II in: AHw I (1965: 46b–47a); kein Eintrag in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/A.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). Die Lemma-Suche nach amūtu über den search hub von ARMEP (Ancient Records of Middle Eastern Polities) führte zudem zu 38 Treffern, die im jeweiligen Kontext betrachtet keinerlei Parallelen zu Ez 21,26 aufweisen. Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/armep (letzter Zugriff: 15.10.2021). 45 S.v. kabattu in: CAD 8 = K (1971: 11b–14a); s.v. kabattu(m) in: AHw I (1965: 416a); kein Eintrag in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/K.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). Die Lemma-Suche nach kabattu über den serach hub von ARMEP (Ancient Records of Middle Eastern Polities) führte zudem zu 203 Treffern, die im jeweiligen Kontext betrachtet keinerlei Parallelen zu Ez 21,26 aufweisen. Cf. http://oracc.museum.upenn.edu/armep (letzter Zugriff: 15.10.2021). 46 S.v. amāru A in: CAD 1/II = A/2 (1968: 5a–27b); s.v. amāru(m) in: AHw I (1965: 40b–42a); s.v. amāru in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/A.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 47 S.v. barû A in: CAD 2/II = B/2 (1965: 115a–118b); s.v. barû(m) I in: AHw I (1965: 109); s.v. barû I in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/B.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 38

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dagālu48, naṭālu49, palāsu50 und ṣubbû51, insgesamt fast 60 Seiten) durchgearbeitet, die vielversprechenden Phrasen samt Quellenangabe notiert, und schliesslich in den Quellen nachgeprüft werden. Nach getaner Arbeit sind zwei Passagen zu besprechen: i) ina šīrim āmurma in einem altbabylonischen Brief aus Larsa Ein altbabylonischer Brief, vermutlich aus Larsa, datiert zwischen 2000–1800 v.u.Z.,52 berichtet unter anderem von einem durch eine Opferschau eingeholten Omen (AbB IX 83, 10–11):53 ina šīrim āmurma šīrum saḫil

ich besah das Fleisch und das Fleisch war durchbohrt

Hier ist eine Konstruktion amāru ina šīrim belegt, die als vollständiger Satz gilt – ina šīrim ist Komplement. Zudem ist nicht von „Leber“ die Rede wie in Ez 21,26, sondern von šīrum „Fleisch“ (was im Kontext der Opferschau auch zusätzlich die Bedeutung „Befund“ annehmen kann54). ii) ul anaṭṭalma ina libbi immeri: Eine Passage aus dem Tukulti-Ninurta-Epos Bruchstücke des Tukulti-Ninurta-Epos wurden in Niniveh und Assur gefunden.55 Der Text wird aufgrund seines politischen Inhalts mittelassyrischen Gelehrten unter Tukulti-Ninurta zugeschrieben und gilt als Tendenzschrift, die die assyrische Aggression gegenüber den Babyloniern rechtfertigen sollte.56 Die Fundorte belegen, dass die Texte auch in neuassyrischer Zeit noch gelesen und kopiert wurden. Einer der babylonischen Gegner sagt in seiner fiktiven Rede, die verschiedene Divinationstechniken anführt (Tn.Epic IV, 41):57 ul anaṭṭalma ina libbi immeri ni[-...]

Ich aber schaue nicht im Innern des Schafes [...] / beschaue nicht das Innere des Schafes [...]

Das Zeilenende ist abgebrochen.58 Ob hier eine Wendung naṭālu ina libbi immeri vorliegt, bei der ina libbi immeri Komplement ist, oder ob das verlorene Zeilenende ina libbi immeri als Adjunct erscheinen liesse, kann aufgrund des Erhaltungszustands des Textes nicht mehr ausgemacht werden. Auf alle Fälle: Auch hier ist nicht von „Leber“, sondern allgemeiner vom „Innern des (Opfer-)Schafes“ die Rede. Auch wenn beide Quellen ein Verb der optischen Wahrnehmung und mit ina eingeleitet Begriffe für Opfertiermaterie nennen, taugen auch sie nicht, um die Hypothese einer Lehnübersetzung aus dem Akkadischen in Ez 21,26 zu stützen. Von šīrum „Fleisch“ bzw. libbi immeri „Schafesinnere“ zu ‫„ כָּבֵ ד‬Leber“ ist dann doch noch ein Stück Weg, selbst wenn man die zeitliche Distanz zwischen dem altbabylonischen Brief und dem mittelassyrischen Epos zum biblischen Text allenfalls mit spekulativen Argumenten überbrücken könn48

S.v. dagālu in: CAD 3 = D (1959: 21a–25b); s.v. dagālu(m) in: AHw I (1965: 149b–150a); s.v. dagālu in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/D.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 49 S.v. naṭālu in: CAD 11 = N/2 (1980: 121b–128b); s.v. naṭālu(m) in: AHw II (1972: 766b–767a); kein Eintrag in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/N.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 50 S.v. palāsu in: CAD 12 = P (2005: 52a–58b); s.v. palāsu(m) in: AHw II (1972: 814a–815a); s.v. in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/P.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 51 S.v. ṣubbû in: CAD 16 = Ṣ (1962: 226a–227b); s.v. ṣubbû(m) in: AHw III (1981: 1107b–1108a); kein Eintrag in: eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/Sade.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 52 Dieser Brief stammt, wie die meisten anderen in YOS 2 publizierten, aus dem Antikenhandel, und seine Herkunft ist daher nur approximativ zu bestimmen, cf. Lutz (1917: 1). 53 Transkribiert nach der Transliteration i-na ši-ri-im a-mu-ur-ma ši-ru-um sà-ḫi-il von Stol (AbB IX 83,10–11), die von der Erstpublikation in der Lesung des letzten Wortes abweicht: In YOS 2 83:11 bot Lutz za-ḫi-il und schlug als educated guess die Übersetzung „dreadful“ vor: Lutz (1917: 19) – aufgrund der inzwischen verfügbaren Lexika wäre zaḫil wohl besser mit „silbbrigglänzend“ zu übersetzen, cf. s.v. zaḫalû in: CAD 21 = Z (1961: 12b–13a), AHw III (1981: 1503a) und eSAD, https://altorient.gko.uni-leipzig.de/SAD/Z.htm (letzter Zugriff: 15.10.2021). 54 Cf. Pongratz-Leisten (1999: 135). 55 Jakob (2017: 259–260). Eine neue Textausgabe des Tukulti-Ninurta-Epos wird derzeit von Stefan Jakob vorbereitet. 56 Ebeling (1938: 2–5), Machinist (1976: 456–458). 57 Kolumnenzählung nach Ebeling (1938), Transkription nach Machinists Transliteration ul a-na-ṭa-al-ma ina(AŠ) libbe/i(ŠÀ) im-me-ri/e ni-[], cf. Machinist (1978: 96 [dort Kolumne III]). Zur abweichenden Kolumnenanordnung cf. Jakob (2017: 259–262). 58 Machinist (1978: 96) nimmt einen Verlust von sieben bis acht Zeichen an.

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te. Hingegen gibt es vielmehr gute Argumente dafür, dass es sich bei ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬er beschaute die Leber“ um eine genuin hebräische Formulierung handelt. 6 ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬die Leber beschauen“ in Ez 21,26: eine genuin hebräische Formulierung Weshalb dann in die Ferne schweifen? Wer den ganzen Vers Ez 21,26 in den Blick nimmt, sieht, dass gleich drei Divinationstechniken mit ְ‫ בּ‬eingeleitet werden: Denn der König von Babel hat sich am Scheideweg aufgestellt, am Anfang der beiden Wege, um Divination zu betreiben: Die Pfeile hat er geschüttelt (‫)קִ לְ קַ ל בַּ חִ צִּ ים‬ die Teraphim befragt (‫)שָׁ אַל בַּ ְתּ ָרפִ ים‬ die Leber beschaut (‫) ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬. Die Suche nach einer akkadischen Vorlage für Ez 21,26 ist unnötig, denn ‫ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬ist gut hebräisch: Insbesondere in Kontexten der Kommunikation mit der göttlichen Sphäre59 konstruiert das BiblischHebräische auch Verben mit ְ‫( בּ‬zur Komplementeinleitung), die ansonsten häufig ein direktes Objekt bei sich haben.60 Damit ist es sehr wohl angebracht, ‫„ ָראָה בַּ כָּבֵ ד‬er beschaute die Leber“ idiomatisch zu nennen, allerdings im Sinne der zweiten Bedeutung („einem spezifischen Idiom eigen“61): Ez 21,26 spricht in für das BiblischHebräische typischer Weise über die Divination des babylonischen Königs. Damit erhält der Vers in der Diskussion um die Akkulturation der Judäerinnen und Judäer in der Gola ein neues Gewicht. 7 Ez 21,26 als Vorreiter der Pluralistischen Theologie der Religionen (PTR)? Das Buch Ezechiel ist in der babylonischen Gola angesiedelt. Nach dem heutigen Stand der Forschung wurden die Deportierten aus Jerusalem und Judäa vor allem in der Region zwischen Babylon, Sippar und Nippur angesiedelt.62 In Kapitel 21 interveniert der literarische Ezechiel als Prophet der Gola in der Zeit zwischen der ersten Deportation aus Jerusalem und der Eroberung der Stadt durch Nebukadnezar. Die Szene des babylonischen Königs, der sich bereits auf dem Feldzug befindet und unterwegs mittels Divination entscheidet, ob er Jerusalem oder Amman erobern soll, ist kein historischer Bericht, sondern Teil einer emotionalen politischen Rede, die an die Lebenswirklichkeit und die Gedankenwelt der Zuhörerinnen und Zuhörer anknüpft. Die Botschaft wird in einer schockierenden Fiktion vermittelt und soll aufrütteln: Jerusalem wird erobert werden! Ez 21,26 ist denn auch nicht Ausdruck einer Polemik, wie wir sie in Jesaja 44 finden. Der babylonische König befragt nicht die Teraphim, er beschaut nicht die Leber, „Material“, das verspottet und als unnütz und unwirksam dargestellt wird.63 Ez 21 spricht im Gegenteil vielmehr davon, dass der König von Babylon mit verschiedenen Divinationstechniken erfolgreich die göttliche Haltung zu einem konkreten Vorhaben in Erfahrung bringt. Um diese göttliche Haltung dreht sich Divination in Mesopotamien – man will im Einklang mit der göttlichen Ordnung sein und entsprechend richtig handeln. Auch einige Stellen im Alten Testament lassen diesen Beweggrund hinter divinatorischen Anfragen (mit ְ‫ בּ‬konstruiert!) erkennen. Göttliche Haltung ist ein geeigneter Begriff, um unsere Akkusativ-Leerstellen in Ez 21,26 virtuell zu füllen. Diese Passage leugnet nicht, dass Divination eine reale und funktionierende Form der Kommunikation zwischen Menschen und der göttlichen Sphäre ist. In Ez 21 wird Divination nicht verurteilt, der König von Babylon wird nicht kritisiert. Wichtiger noch: Ez 21 trennt die divinatorische Tradition des biblischen Eze-

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Darunter fallen verschiedene Praktiken, die von der deuteronomistischen Theologie (vgl. z.B. Deut 18,10; 1 Sam 15,23) und einem Grossteil der unbewusst von ihr geprägten Forschungsgeschichte kategorial unterschieden werden, etwa in falsche / richtige Prophetie oder illegitime/legitime Divinationspraktiken, oder gar Prophetie/Wahrsagung. 60 Cf. Nr. 1759, 1965–1969 in Jenni (1992), hierzu Grütter demnächst an anderem Ort. 61 Cf. s.v. idiomatisch, in: DWDS, https://www.dwds.de/wb/idiomatisch (letzter Zugriff: 15.10.2021). 62 Cf. Alstola (2000), Berlejung (2019: 154–178) und Winitzer (2014: 163–165). 63 Dieser Eindruck mag entstehen, weil bei der Wiedergabe im Deutschen (und in anderen europäischen Sprachen) entsprechend der für uns „geläufigeren Auffassung“ das Mittel zum Objekt wird, cf. Jenni (1992: 168).

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chiels (durch die Teraphim)64 nicht von der Tradition der babylonischen bārûtu. Implizit werden sowohl die Existenz im Allgemeinen als auch die Macht der beteiligten Gottheiten anerkannt. Dennoch wäre es verfehlt, Ez 21,26 mit moderner Brille als eine Art antike Stimme der Pluralistischen Theologie der Religionen (PTR)65 zu lesen, denn es geht nicht um eine wohlwollende Integration oder Parallelisierung von theologischen Konzepten, sondern um eine rhetorische Unterordnung: Der König von Babel, seine Divination und die Zustimmung erteilenden Gottheiten werden bis in die sprachliche Formulierung hinein zum Eigenen gemacht und zu Vollzugswerkzeugen JHWHs. Bei all dem zeugt das Ezechielbuch dennoch von einer im antiken Mittelmeerraum und im Alten Orient weit verbreiteten Weltanschauung, in der das Prinzip der Divination, „der systematische Gegenentwurf zum Konzept des Zufalls“,66 allgegenwärtig, universell gültig und gleichzeitig in den Ausformungen partikular und divers war. Das Thema der Divination durchdringt die ganze Passage Ez 21,23–32. Die inszenierte Schreckensbotschaft ist analog zu einem Opferschau- oder Orakelbefund nicht ein in Stein gemeisseltes Zukunftsprogramm, sondern für diesen bestimmten Moment gültiges Kommunikat aus der göttlichen Sphäre. Durch eine angemessene Reaktion auf einen negativen Divinationsbefund wie auf die von Ezechiel überbrachte Drohbotschaft kann Unheil abgewendet und der Einklang mit der göttlichen Ordnung wieder hergestellt werden. Das ist die als mise en abyme67 verpackte Pointe von Ezechiels prophetischer Performance in Ez 21,23–32. Bibliographie AbB IX AHw ALCBH Alstola (2020) BBR

Berlejung (2018)

Berlejung (2019)

Bernhardt (2005) Bodi (2018)

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Bislang ist das Wort Teraphim nur in der Hebräischen Bibel belegt. Die Versuche etymologischer Herleitungen und Korrelationen mit materieller Kultur oder mit Texten aus der Umwelt des Alten Testaments sind mannigfaltig und in ihrer Gesamtheit betrachtet widersprüchlich. Für einen Überblick über die Diskussion sowie aktuelle bibliographische Angaben cf. Berlejung (2018). Auf welche spezifische Praxis das Pfeileschütteln in Ez 21,26 verweist, ist unklar, cf. Dietrich & Loretz (2010), Jeffers (1996: 190–195) und Schmitt (2014: 113). 65 „‚Pluralistische Theologie der Religionen‘ (PTR) ist die zusammenfassende Bezeichnung einer überkonfessionellen und in der Tendenz sogar überreligiösen Bewegung, deren zentrales Anliegen es ist, die Bestimmung der Beziehung zwischen den Religionen auf eine neue Grundlage zu stellen. Dabei soll auf jede Form von Absolutheitsansprüchen konsequent verzichtet werden. Das betrifft sowohl die Exklusivansprüche auf Alleingeltung als auch die inklusiven Ansprüche auf höhere oder höchste Geltung einer Religion. Stattdessen vertreten die Pluralisten die Position: ‚Die grossen Weltreligionen mit ihren vielfältigen Lehren und Praktiken bilden authentische Wege zum höchsten Gut.‘ Daraus ergibt sich ein Verhältnis der Ebenbürtigkeit zwischen ihnen, das zur Beziehungsform des Dialogs führen muss“, Bernhardt (2005: 168). 66 Heeßel (2007: 1). 67 Mise en abyme ist eine Form der narrativen Metalepse, die mit Motivspiegelungen auf verschiedenen Hierarchieebenen des Textes arbeitet, cf. Wolf (2013).

64 Boyd (2021)

CAD DAW Darshan (2016)

Dietrich & Loretz (1990) Dietrich & Loretz (2010) DWDS Ebeling (1938) eSAD Garfinkel (1983) Gluska (2005)

Götze (1947) Gruber (1970) Grütter (2021) HALAT3 Heeßel (2006)

Heeßel (2007)

Heeßel (2012) Jakob (2017)

Jeffers (1996) Jenni (1992) Jenni (2010) KTU2

Lambert (1957) Leiderer (2010)

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Eine forschungsgeschichtliche Leberschau-Ente Lutz (1917) Machinist (1976) Machinist (1978) Maul (2003) Maul (2013) MesZL2 Meyer (1987) Pongratz-Leisten (1999) PRT Renger (1969) Richter (1999)

Schmitt (2014) Stöckl (2015a)

Stöckl (2015b) Streck (2011) Tn.Epic Vanderhooft (2014) Winitzer (2014)

Winitzer (2017) Wolf (2013)

YOS 2 YOS 10 Zimmerli (1969)

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Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda Markus Saur1

Die folgenden Überlegungen untersuchen eine Sammlung von Ermahnungen im Buch der Sprüche, die auf verschiedene Weise mit der ägyptischen Lehre des Amenemope verbunden ist. Sprüche 22,17–24,22 stellen jedoch keine Kopie oder Transkription der ägyptischen Lehre dar, sondern sind als hebräische Lehre zu interpretieren, die an ägyptischen, aber auch an hebräischen Traditionen teilhat und diese in einem eigenständigen Weisheitstext zusammenführt. The following reflections examine a collection of admonitions in the Book of Proverbs that is linked in different ways to the Egyptian teaching of Amenemope. Proverbs 22:17–24:22, however, do not represent a copy or transcription of the Egyptian teaching, but should be interpreted as a Hebrew teaching that participates in Egyptian, but also in Hebrew traditions and brings them together in an independent wisdom text. Schlagwörter: Weisheit; Proverbien; Lehre; Amenemope

1 Einführung Was das Leben gelingen lässt und wie man den Weg zum gelingenden Leben finden kann – das sind Fraugen, die das Denken des Menschen von Anfang an bestimmen. Blickt man auf die frühesten literarischen Überlieferungen aus Mesopotamien und Ägypten, zeigt sich, wie eng diese Fragen zuallererst mit dem Alltag und seiner Bewältigung zusammenhängen. Der Mensch verlässt sich auf Erfahrungen und Beobachtungen, die ihm dabei helfen, seine Welt zu ordnen und zu systematisieren. Diese Ordnung und Systematisierung bildet eine Grundlage für das alltägliche Gelingen des Lebens. Dass dieses Wissen allmählich wächst und den Menschen in ein Geflecht von Orientierungen einordnet, hat Markus Hilgert in einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der ‚Listenwissenschaft‘ dargelegt. Er schlägt vor, altorientalische Formen der Wissensrepräsentation zu beschreiben mit der „poststrukturalistischen Metapher eines rhizomorphen Geflechts multidimensionaler Interreferenzen und Interdependenzen, das in prinzipieller Offenheit stets über sich selbst hinaus auf das verweist, was es nicht ist“.2 Die in der Form von Listen überlieferten Ordnungs- und Systematisierungsversuche spiegeln in ihrer offenen Grundstruktur ein Wissen darum, dass die Welt komplexer ist, als es einzelne Sammlungen von Wissensbeständen darlegen können. Versteht man die einschlägigen Texte aus dem Alten Orient als Anfänge dessen, was man Wissenschaft nennt, so ist dieser Form von Wissenschaft offensichtlich von Anfang an ein Wissen um die eigenen Grenzen eingeschrieben. Erfahrungen und Beobachtungen stehen am Anfang des Erkenntnisprozesses – und sie drängen auf Kommunikation hin. Um die Kommunikation dieser Erfahrungen und Beobachtungen zu befördern, werden sie auf ihren Kern hin freigelegt und in der Form kürzester Aussagen mit hoher Prägnanz verdichtet.3 Entscheidend ist dabei, dass diese prägnanten Aussageworte aus dem Leben herkommen und auch wieder in das Leben hineinwirken. Sie bringen auf den Punkt, was das Leben ausmacht, und führen zugleich da1

Universität Bonn ([email protected]) – Mit den folgenden Überlegungen grüße ich Hanna Jenni, der ich Dank schulde für die Jahre guter Zusammenarbeit in Basel und darüber hinaus. 2 Hilgert (2009: 305). 3 Vgl. zu diesem Prozess von Rad (1970: 13–27, 39–53) und in Auseinandersetzung damit Krüger (2003: 53–66).

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Markus Saur

rauf hin, was das Leben ausmachen sollte. Sie stehen damit immer am Übergang von der Faktizität zur Normativität. Gerade dieser Übergang vom Faktischen zum Normativen wird in den prägnanten Aussageworten dem Rezipienten überlassen – er muss die aus der Erfahrung anderer gewonnenen Einsichten mit eigenen Erfahrungen in einen Zusammenhang bringen und daraus seine Schlüsse ziehen. Normen werden dabei nicht vorgegeben, sondern in einem Prozess der Auseinandersetzung und Aneignung jeweils neu ermittelt. Diese Grundstruktur lässt sich bereits in sumerischen Sprichwortsammlungen beobachten, mit denen man zu den Anfängen der Schriftlichkeit zurückgeht. So heißt es in einer der Sammlungen: „Wer schwer ißt, wird deswegen nicht schlafen (können).“4 Es handelt sich hier um einen Aussagesatz, der keinerlei explizite Mahnung oder Aufforderung enthält. Dennoch erschließt sich das Normative unmittelbar: Man sollte besser nicht schwer essen, um dann entsprechend besser schlafen zu können. In einer anderen sumerischen Sammlung ist zu lesen: „Das Gute ist das Bier, das Schlechte ist die Expedition!“5 Hier muss man beim Schluss auf den normativen Gehalt der Aussage schon etwas weiter denken. Zwei Dinge werden einander zugeordnet und bewertet: Gut ist das Bier, schlecht die Expedition. Gemeint ist wohl: Gut ist es, da zu sein, wo man sein Bier in Ruhe trinken kann – schlecht ist es dagegen, auf Reisen nun gerade keine Ruhe mehr für das zu haben, was man vielleicht als Muße bezeichnen könnte. Was folgt daraus? Sicherlich nicht die Empfehlung zum erhöhten Genuss des Bieres, aber doch wohl die kritische Selbstprüfung, ob jede Expedition auch wirklich ihren Sinn hat und tatsächlich nötig ist. Wer sein gegenwärtiges Handeln an Nachhaltigkeit und ökologischer Verantwortung auszurichten versucht, wird der sumerischen Weisheit auch im 21. Jahrhundert noch etwas abgewinnen können. Der Sinnraum solcher Worte erschließt sich letztlich ohne große Mühe. Solche Aussageworte oder Weisheitssprüche setzen aber offenkundig eine denkende Leserin und einen denkenden Leser voraus, die die zum Ausdruck gebrachten Erfahrungen mit ihrem eigenen Leben in Beziehung setzen können und im Licht der Verschmelzung der Erfahrungshorizonte ihr Leben ordnen und ausrichten. Eine solche Haltung ist für die Lehrer der Weisheit die Grundlage für ein gelingendes Leben. Nach Gerhard von Rad würde kein Mensch „auch nur einen Tag leben können, ohne empfindlichen Schaden zu nehmen, wenn er sich nicht von einem ausgebreiteten Erfahrungswissen steuern lassen könnte. Dieses Erfahrungswissen lehrt ihn die Abläufe in seiner Umgebung verstehen, es lehrt ihn die Reaktionen seiner Mitmenschen vorauszusehen, seine eigenen Kräfte am rechten Punkt anzusetzen, das Regelmäßige vom Einmaligen zu unterscheiden und vieles andere mehr.“6 Erfahrungen helfen dabei, das Leben zu bewältigen – und da die Weisheitssprüche Erfahrungen vermitteln, gehören sie zum Fundament gelingenden Lebens. Wie aber werden diese Erfahrungen nun vermittelt? Seit dem 3. Jahrtausend lassen sich schriftliche Sammlungen erfahrungsgestützter Weisheitssprüche nachweisen, sowohl im mesopotamischen Raum als auch in Ägypten, wo sich die besondere literarische Gattung der „Lehre“ (sb3y.t) herausgebildet hat.7 In diesen Weisheitstexten dokumentiert sich ein Bildungsanspruch, der über die einzelnen mündlichen Lehrund Lernsituationen hinausgeht und sich in der Form schriftlicher Kommunikation auch an entfernteste Adressaten richten kann. Die Schreibkunst wird damit zu einer entscheidenden und hoch geachteten Technik der Vermittlung des Wissens, wie ein sumerischer Text zeigt:8 „Die Schreibkunst (ist) die Mutter der Redner, der Vater der Künstler, die Schreibkunst ist herrlich, man wird ihrer Fülle nicht überdrüssig, die Schreibkunst ist nicht (leicht) gelernt, (doch braucht), wer sie erlernt hat, nicht (länger) in Bezug auf sie unruhig zu sein. Nachdem du dich um die Schreibkunst gekümmert hast, wird sie dir Profit hinzufügen, nachdem du dich der Schreibkunst zugewandt hast, wird sie dich Reichtum bekommen lassen, 4

TUAT III/1, 33 (in der Übersetzung von W. H. P. Römer). TUAT III/1, 30 (in der Übersetzung von W. H. P. Römer). 6 Von Rad (1970: 13). 7 Vgl. dazu Brunner (1997) und Vernus (2001). 8 TUAT III/1, 46–47 (in der Übersetzung von W. H. P. Römer). 5

Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda

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[in Bezug auf] die Schreibkunst sollst du nicht nachlässig sein, sollst du nicht untätig sein!“ Auch wenn gegen Ende der ökonomische Nutzen, der natürlich auch etwas mit dem gelingenden Leben zu tun hat, in den Vordergrund tritt, steht am Anfang doch die Einsicht, dass Redner und Künstler von der Schreibkunst abstammen und man dieser Kunst nicht überdrüssig werden kann. Von hier aus ist es noch ein weiter Weg bis hin zum Epilog des Koheletbuches, in dem es in Koh 12,12 heißt, dass des vielen Büchermachens kein Ende sei und das viele Studieren den Leib ermüde. Die Verfasser des sumerischen Textes singen das hohe Lied auf die Schreibkunst – und gehören damit in den Bereich eines Bildungswesens, das nicht nur die Kunst des Schreibens vermittelt, sondern auch die Sammlung, Verschriftlichung und Weitergabe der Wissensbestände verantwortet. Ein solches Bildungswesen ist für Mesopotamien und Ägypten gut dokumentiert und auch im antiken Israel und Juda wird es Orte gegeben haben, an denen diejenigen ausgebildet wurden, derer man am Tempel und am Palast für die literarischen Arbeiten bedurfte. Dass die Expertise dieser Literaturträger über den engeren Horizont Jerusalems und Judas hinausreichte, muss man aufgrund entsprechender Spuren in zahlreichen Texten der Hebräischen Bibel annehmen: Man kannte im alten Israel und im antiken Judentum nicht nur die syrischen Traditionen, wie sie etwa aus Ugarit und Phönizien bekannt sind, und man war auch nicht nur mit mesopotamischen Überlieferungen wie dem Weltschöpfungsepos enūma eliš oder der Weisheitsdichtung ludlul bēl nēmeqi vertraut, sondern man stand auch, spätestens seit der mittleren Königszeit, in einem engen Austausch mit Ägypten.9 Es kann daher nicht überraschen, dass sich auch Spuren ägyptischer Literatur und ägyptischen Denkens in den hebräischen Schriften finden. Das geradezu klassische Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Sammlung der Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22, die mit der 1923 von Ernest A. Wallis Budge veröffentlichten ägyptischen Lehre des Amenemope aus der 20. Dynastie in Verbindung gebracht werden.10 Bereits unmittelbar nach der Erstpublikation haben der Ägyptologe Adolf Erman11 und der Alttestamentler Hugo Gressmann12 zu den auffälligen Gemeinsamkeiten der beiden Texte Stellung bezogen und die Forschungsdebatte dazu ist bis heute nicht abgeschlossen.13 In jüngerer Zeit hat Bernd Ulrich Schipper in einer sehr genauen Untersuchung darauf hingewiesen, dass man im Blick auf die Verhältnisbestimmung der beiden Texte nicht mit dem Modell direkter literarischer Abhängigkeiten arbeiten, sondern vor dem Hintergrund des antiken Bildungswesens vielmehr mit einer indirekten Rezeption rechnen sollte:14 „Es ist seit langem bekannt, daß die ägyptischen Weisheitslehren einzelne Motive, Themen und auch ganze weisheitliche Maximen älterer Lehren anzitieren.“ Schipper verweist auf die Beziehungen zwischen den verschiedenen Lehren aus der ägyptischen Tradition:15 „Es zeigt sich hier ein Verfahren, das man m. E. am ehesten als eine Relecture von Tradition bezeichnen kann: Der Verfasser der Lehre des Amenemope kannte die älteren Weisheitstexte und hat diese offenbar studiert, bevor er seine eigene Lehre schrieb. Daß dabei einzelne Worte, Themen oder auch sprachliche Formulierungen übernommen wurden, muß kaum die primäre Absicht des Autors gewesen sein. Vielmehr fließen Themen und einzelne, fest geprägte Formulierungen in den eigenen Text mit ein.“ Vor diesem Hintergrund erklärt Schipper das Verhältnis zwischen den Worten von Weisen in Prov 22,17– 24,22 und der Lehre des Amenemope:16 „Der Proverbienautor ist offenbar mit der Lehre des Amenemope genauso verfahren wie der Verfasser von Amenemope mit der ihm vorliegenden Tradition. Er kennt die ältere Lehre, übernimmt diese jedoch nicht Wort für Wort, sondern es fließen vielmehr in den eigenen Text 9

Vgl. dazu Schipper (1999). Vgl. Budge (1923: 9–18, 41–51). 11 Erman (1924: 241–252). 12 Gressmann (1924: 272–296). 13 Zur Forschungsgeschichte vgl. Schipper (2005: 53–57). 14 Schipper (2005: 232). 15 Schipper (2005: 239). 16 Schipper (2005: 240). 10

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einzelne Sentenzen, Begriffe und geprägte Formulierungen mit ein. […] Der Zusammenhang zwischen beiden Texten wird nicht als direkte literarische Abhängigkeit beschrieben werden können, sondern als Ausdruck eines Lektüreverfahrens, das für Texte, die im Schulbetrieb und bei der Ausbildung zum Beamten oder Weisheitslehrer verwendet wurden, charakteristisch ist.“ Im Folgenden wird es nun weniger um die Beziehungen zwischen dem hebräischen und dem ägyptischen Weisheitstext gehen. Es soll vielmehr gezeigt werden, dass die Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22 nicht nur vor dem Hintergrund der Lehre des Amenemope, sondern auch im Horizont ihrer hebräischen Kontexte gedeutet werden können.17 2 Die Komposition des Proverbienbuches Um die Funktion von Prov 22,17–24,22 innerhalb des Proverbienbuches genauer bestimmen zu können, sei eine knappe Skizze der Entstehung des Buches vorangestellt. Für die Rekonstruktion der Kompositionsgeschichte des Proverbienbuches sind vor allem die Überschriften innerhalb des Buches von Bedeutung. Mit ihrer Hilfe lassen sich verschiedene Sammlungen voneinander unterscheiden. Durch die Überschrift „Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel“ in Prov 1,1 wird nicht nur das Prooemium des Buches in Prov 1–9, sondern das Buch insgesamt eingeleitet. Diese Überschrift verweist auf den Jerusalemer König Salomo, der sich nach 1 Kön 3,12; 5,9–14 durch seine große Weisheit auszeichnete. Die Eingangskapitel des Proverbienbuches in Prov 1–9 sind durch längere Weisheitsreden und Reflexionen bestimmt, die die folgenden Sammlungen von Einzelsprüchen vorbereiten wollen. In Prov 10,1–22,16 findet sich unter der Überschrift „Sprüche Salomos“ die erste große Sammlung von Einzelsprüchen, in denen der Gegensatz zwischen Gerechten und Frevlern im Zentrum steht. Die Sammlung lässt sich in Prov 10–15 und Prov 16,1–22,16 untergliedern.18 Mit dem Motiv der Furcht JHWHs in Prov 15,33 wird auf Prov 1,7 zurückverwiesen und damit eine Verbindung zwischen dem Eingangsteil und der Mitte des Buches geschaffen. Der verhandelte Grundgegensatz zwischen Gerechten und Frevlern illustriert in der vorliegenden Textfolge des Buches die beiden Wege, die in Prov 9,1–6.13–18 von der personifizierten Weisheit und der ihr gegenüberstehenden Frau Torheit aufgewiesen worden sind. Auf die salomonische Sammlung folgen der Überschrift in Prov 22,17 zufolge „Worte von Weisen“, die wohl bis Prov 24,22 reichen, wie die neue Überschrift in Prov 24,23 zeigt. In Prov 24,23–34 sind der Überschrift zufolge „Auch diese (Worte) von Weisen“ überliefert, die wie schon die Worte der vorangehenden Sammlung anonym bleiben. Eine zweite große Spruchsammlung leitet die Überschrift in Prov 25,1 ein: „Auch das sind Sprüche Salomos, die die Männer Hiskias, des Königs von Juda, sammelten.“ Diese Überschrift steht mit Prov 1,1 und Prov 10,1 in Verbindung und lässt erkennen, wie man sich den Prozess der Literarisierung der Weisheitssprüche vorzustellen hat. Denn in Prov 25,1 wird nicht nur Salomo als Autorität genannt, sondern darüber hinaus wird auch auf die Sammlungstätigkeit verwiesen, für die die Männer Hiskias verantwortlich sind. Die Überschrift macht damit einen literarischen Prozess transparent, der in seiner Grundstruktur für das Proverbienbuch insgesamt charakteristisch sein dürfte: Weisheitsworte werden von weisheitlichen Kreisen gesammelt und verschriftlicht, sie werden aber nicht erst von diesen Kreisen erdichtet – ein verschriftlichter Weisheitsspruch hat eine Vorgeschichte, die sich zwar nicht mehr erschließen lässt, die aber dennoch mit bedacht werden muss. Mit der Überschrift in Prov 30,1a „Worte Agurs, des Sohnes Jakes“ wird der Bereich der auf Salomo bezogenen Weisheit verlassen. Die Namen Agur und Jake sind aus dem Alten Testament nicht bekannt, wohl aber in altsüdarabischen Texten belegt.19 Die Überschrift in Prov 30,1 wirft viele Fragen auf und ihre 17

Vgl. dazu Whybray (1994a: 132–136; 1994b). Whybray interpretiert die Worte von Weisen hier unabhängig von der Lehre des Amenemope und arbeitet die Verbindungen zu Prov 1–9 heraus. In früheren Publikationen ging er von einer größeren Nähe zwischen den Worten von Weisen und der Lehre des Amenemope aus (vgl. dazu exemplarisch Whybray [1972]). Mit Whybrays Neupositionierung setzen sich Emerton (2001) und Shupak (2005) kritisch auseinander. 18 Zu den Besonderheiten des Abschnitts Prov 10–15 vgl. Scoralick (1995). 19 Vgl. Gemser (1963: 103) und Sauer (1963: 93–97), der für beide Namen zudem auch auf mögliche Verwurzelungen im ugaritischen Sprachraum verweist.

Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda

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Auslegung ist überaus umstritten. Möglicherweise wollen die Verfasser dieser Überschrift aber gezielt andeuten, dass im Folgenden eine Weisheitssammlung überliefert wird, die ihren Ursprung nicht in Israel oder Juda hat. Mit der Überschrift „Worte Lemuëls, des Königs von Massa, mit denen ihn seine Mutter ermahnt hat“ in Prov 31,1 wird die letzte durch eine Überschrift abgrenzbare Einheit innerhalb des Buches eröffnet. Ob mit Massa ein nordarabischer Stamm bezeichnet wird20 und wer mit dem außerhalb von Prov 31,1 nicht belegten Lemuël gemeint ist, bleibt unsicher. Die Überschrift in Prov 31,1 wirft genauso viele Fragen auf wie die in Prov 30,1. Aber auch hier soll möglicherweise die Herkunft einer weisheitlichen Unterweisung außerhalb Israels und Judas verortet werden. Aufgrund der Überschriften des Proverbienbuches lassen sich offensichtlich sieben literarische Abschnitte abgrenzen, was mit der Eröffnung von Prov 9 korrespondieren könnte, wo es in V. 1 heißt: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen.“ Die Verfasser von Prov 1–9 haben demnach die folgenden Sammlungen bereits vor Augen, so dass die Entstehung von Prov 1–9 am Ende der Literargeschichte des Buches stehen dürfte. Das gilt wohl auch für Prov 31, wo sich mit der profilierten Geschäftsfrau in Prov 31,10–31 eine der Frau Weisheit aus Prov 1–9 entsprechende Gestalt findet. Auch Prov 30 mit seinen fragenden, geradezu weisheitskritischen Einleitungsworten steht sicher nicht am Anfang, sondern gehört zu den jüngeren Abschnitten des Proverbienbuches. Damit liegt der literarhistorische Kern des Buches wohl in den Sammlungen in Prov 10–29. Die Schwerpunkte bilden hier schon aufgrund ihres Umfangs die salomonische und die hiskianische Sammlung. Wie ist nun aber der Ort der Sammlung der Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22 zwischen den beiden großen Sammlungen zu bestimmen? 3 Die Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22 3.1 Abgrenzung und Gliederung Dass die Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22 sich von der vorangehenden Sammlung abheben und als eigenständige Sammlung zu betrachten sind, wird zunächst durch die Einleitung in Prov 22,17 deutlich: Auch wenn die Wendung „Worte von Weisen“ (‫ )דברי חכמים‬nicht am Anfang des Verses steht,21 lässt sie sich doch als Überschrift eines eigenständigen Buchteils verstehen. Nach den vorangehenden „Sprüchen Salomos“ (‫ )משלי שלמה‬in Prov 10,1–22,16 beginnt mit Prov 22,17 etwas Neues. Die lexematische Verschiebung von „Sprüchen“ (‫ )משלים‬zu „Worten“ (‫ )דברים‬darf nicht unterbestimmt werden – in Prov 22,17–24,22 liegt offenkundig etwas anderes vor als das, was in Prov 10,1–22,16 zu finden ist.22 Der Neueinsatz innerhalb des Proverbienbuches wird auch durch den einleitenden Imperativ „Neige dein Ohr!“ (‫ )הט אזנך‬in Prov 22,17 deutlich, denn die Befehlsform setzt sich von den vorausgehenden Aussagesprüchen in Prov 10,1– 22,16 ab: Hier findet sich lediglich eine verschwindend geringe Zahl von direkten Ermahnungen,23 wohingegen in Prov 22,17–24,22 die direkten Aufforderungen und Mahnworte deutlich überwiegen.24 Die dem Befehl in Prov 22,17 zugrundeliegende Wurzel ‫ נטה‬ist in entsprechender Bedeutung nur in Prov 2,2; 4,20; 5,1.13 belegt, was auf eine engere Verbindung der Worte von Weisen mit den Einleitungskapiteln des Proverbienbuches,25 nicht aber auf einen direkten konzeptionellen Anschluss an Prov 10,1–22,16 hinweist. Das Ende der Worte von Weisen liegt in Prov 24,22 vor, wie die neue Überschrift „Auch diese für Weise“ (‫ )גם אלה לחכמים‬in Prov 24,23 zeigt. Mit der Partikel „auch“ (‫ )גם‬wird hier allerdings zugleich ein Anschluss an das Vorangehende geschaffen und so eine gewisse Zusammengehörigkeit der beiden Sammlungen Prov 22,17–24,22 und Prov 24,23–34 erkennbar gemacht. Die in Prov 25,1 folgenden „Sprüche Salomos“ (‫ )משלי שלמה‬schließen dann wieder an Prov 10,1 an, so dass Prov 22,17–24,22 und Prov 24,23–34 zwischen

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Vgl. Gemser (1963: 107–108) und Sauer (1963: 97). Vgl. dazu auch die Version der Septuaginta, in der die Wendung λόγοις σοφῶν zwar am Anfang des Verses steht, aber ebenfalls in flektierter Form in die Syntax des Satzes eingebaut ist. 22 Vgl. Sæbø (2012: 280). 23 Vgl. etwa Prov 19,18.20.27. 24 Vgl. Plöger (1984: 265). 25 Vgl. Gemser (1963: 83) und Plöger (1984: 265): „Je und dann verknüpft mit der Anrede ‚mein Sohn‘, erinnern diese Mahnworte an die freilich ausführlicher gehaltenen Mahnreden des Weisheitslehrers in den Kapiteln 1–9. Diese Mahnworte nehmen eine Mittelstellung ein zwischen den feststellenden Sentenzen einerseits und den umfangreichen Mahnreden andererseits.“ 21

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den beiden Sammlungen von „Sprüchen Salomos“ in Prov 10,1–22,16 und Prov 25–29 einen eigenen Charakter haben. Die Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22 gliedern sich in eine Einleitung in Prov 22,17–21 und vier Hauptteile. In Prov 22,22–23,11 findet sich eine erste Abfolge von Mahnworten. Mit Prov 23,12 wird eine neue Einheit eingeleitet,26 die um Vater, Mutter und Sohn als Trägerin und Träger des Bildungsprozesses kreist27 und die bis V. 28 reicht. V. 29–35 bilden als Spottlied eine literarische Form sui generis innerhalb des Proverbienbuches, mit der in einer zusammenhängenden Sequenz beschrieben wird,28 was der Trinker tut und was ihm widerfährt. In Prov 24,1–22 liegt dann eine zweite Abfolge von Mahnworten vor. Damit ergibt sich folgendes Bild: Einleitung (Prov 22,17–21) A Mahnwortsammlung I (Prov 22,22–23,11) B Worte an Vater und Sohn (Prov 23,12–28) B’ Spottlied (Prov 23,29–35) A’ Mahnwortsammlung II (Prov 24,1–22) Dass die beiden Mahnwortsammlungen sich entsprechen, bedarf keiner weiteren Begründung. Sie bilden die beiden Hauptteile der Worte von Weisen. Teil B zeichnet in teilweise hymnischer Diktion das Ideal des weisen Lehrers und seines Schülers, der durch Zucht und Unterweisung zu einer ehrenvollen und ehrerbietigen Lebensführung gebracht wird. In Teil B’ wird mit dem Menschen, der die Kontrolle über sich verloren hat, eine Karikatur als Gegenbild des idealen Weisen entworfen. 3.2 Einzelanalyse Das Profil der Worte von Weisen wird noch schärfer, wenn man die einzelnen Teile genauer betrachtet. Zunächst zur Einleitung in Prov 22,17–21, in der es heißt: 17 18 19 20 21

Neige dein Ohr und höre Worte von Weisen, und dein Herz richte auf meine Erkenntnis. Denn lieblich ist es, wenn du sie bewahrst in deinem Inneren, wenn sie allesamt feststehen auf deinen Lippen, damit gerichtet sei auf JHWH dein Vertrauen – ich lasse dich heute erkennen, ja, dich! Habe ich dir nicht geschrieben vorgestern (‫)שלשום‬, mit Ratschlägen und Erkenntnis, um dich erkennen zu lassen Wahrheit, zuverlässige Worte, so dass du zuverlässige Worte zurückbringen kannst denen, die dich senden?

Auffällig ist hier die zentrale Position des Vertrauens auf JHWH in der Mitte der Einleitung. Die gesamte Unterweisung und weisheitliche Bildung hat in der Gottesbeziehung ihren Mittelpunkt, auf den das Vorangehende zuläuft und von dem das Folgende herkommt. Konzeptionell entspricht dieser Einleitung der Worte von Weisen die Eröffnungspassage des I. Kapitels der Lehre des Amenemope:29 „Gib deine Ohren/höre, was sage, gib dein Herz, es zu verstehen. Es ist nützlich, es in dein Herz zu geben, 26

So auch Sæbø (2012: 277). Nach Ringgren (1962: 95) setzt erst in Prov 23,15 „ein neuer Abschnitt ein, der als die Lehre eines Vaters an seinen Sohn erscheint.“ Vgl. dazu auch Plöger (1984: 266, 273–274). Dagegen sollte aber die Funktion des Rufes zur Aufmerksamkeit in V. 12 nicht unterbestimmt werden, zudem bilden die V. 13–14 mit ihrem Blick auf den jungen Mann bereits einen thematischen Zusammenhang mit V. 15–28, auch wenn die Anrede von V. 14 zu V. 15 wechselt. 27 Vgl. Sæbø (2012: 292): „Ein sammelndes Thema ist das der Erziehung, was den Weisen vor allem am Herzen lag.“ 28 Lediglich in Prov 23,31 liegt ein Vetitiv vor, ansonsten kommt der Text ohne direktive Aufforderungen oder Verbote aus. 29 TUAT III/2, 227 (hier und im Folgenden in der Übersetzung von I. Shirun-Grumach).

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(aber) wehe dem, der es nicht beachtet. Gib, daß es im Kasten deines Leibes ruhe, dann wird es eine Schwelle in deinem Herzen sein. Schnell entsteht ein Sturm der Worte, dann wird es ein Landepflock für deine Zunge sein.“ Die Rede von der Sendung in Prov 22,21 hat zudem eine Entsprechung im Prooemium der Lehre des Amenemope:30 „Anfang der Lehre für das Leben, der Unterweisungen für das Heilsein, aller Vorschriften, unter die Beamten zu treten, der Regeln für die Hofleute, um eine Antwort zurückzugeben dem, der sie sagt, um Bericht zu erstatten dem, der einen schickt, um ihn recht zu leiten auf den Wegen des Lebens, um ihn heil sein zu lassen auf Erden“. Entsprechungen sind hier durchaus zu erkennen, sie bewegen sich aber in einem konventionellen Rahmen, wie ein Vergleich dieser Einleitungswendungen mit der Einleitung des Proverbienbuches in Prov 1,1–7 zeigt, die hier durchaus auch als Vergleichstext herangezogen werden kann:31 1 2 3 4 5 6 7

Die Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel – um zu erkennen Weisheit und Zurechtweisung, um einzusehen Worte der Einsicht, um zu ergreifen verständige Zurechtweisung, Gerechtigkeit und Recht und Geradheit, um zu geben Unerfahrenen Klugheit, einem jungen Mann Erkenntnis und Umsicht. Es hört ein Weiser und vermehrt Erfassen, und ein Verständiger erwirbt Führungskunst, um zu unterscheiden Spruch und Spottwort, Worte von Weisen und ihre Rätsel. Die Furcht JHWHs ist Anfang der Erkenntnis, Weisheit und Zurechtweisung verachten Toren.

Ein mehr oder weniger stereotyper Stil prägt diese Einleitungspassagen, deren Topik den Weisheitslehrern in Ägypten wie auch in Juda geläufig gewesen sein dürfte, ohne dass man bei einzelnen Entsprechungen mit direkten literarischen Abhängigkeiten rechnen muss. Die bemerkenswerteste Parallele zwischen der Einleitung der Worte von Weisen und der Lehre des Amenemope liegt allerdings in der Eröffnung des XXX. Kapitels der Lehre des Amenemope vor, die unmittelbar mit Prov 22,20 korrespondieren könnte: 32 „Sieh dir diese dreißig Kapitel an; sie erfreuen das Antlitz / sie sind eine Lehre.“ Die Übereinstimmung der Angabe der Kapitelanzahl in der Lehre des Amenemope und der Nennung der Zahl 30 in den Worten von Weisen würde eine äußerst signifikante Parallele darstellen. Die Problematik dieser Parallele zeigt sich allerdings in der Textüberlieferung von Prov 22,20: Der Konsonantentext ‫שלשום‬ für „vorgestern“ müsste wenigstens zu ‫ שלשים‬für „dreißig“ konjiziert werden, um im Hebräischen die Zahl 30 lesen zu können. Die Masoreten scheinen darüber hinaus eher eine Ordinalzahl als eine Kardinalzahl le-

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TUAT III/2, 225. Vgl. Plöger (1984: 267), demzufolge die Einleitung in Prov 22,17–21 „an die Eröffnung der Mahnreden in Kap. 1–9 erinnert, vgl. etwa 2,1–2; 5,1.“ 32 TUAT III/2, 249. 31

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sen zu wollen, wie Vokalisation und Randmasora (‫ )שלישים‬zeigen.33 Die textkritischen Probleme verbinden sich mit den offenkundigen Problemen bei der Interpretation der Zahl, denn die Worte von Weisen lassen sich nicht zwanglos in 30 Abschnitte unterteilen, wie das für die Lehre des Amenemope mit ihren 30 Kapiteln der Fall ist.34 Die erste Sammlung von Mahnworten in Prov 22,22–23,11 lässt sich thematisch genauer untergliedern. Im ersten Mahnwort in Prov 22,22–23 wird untersagt, einen Elenden und Armen zu berauben und zu unterdrücken: 22 23

Beraube nicht einen Hilflosen, weil er hilflos ist, und bedrücke nicht einen Armen im Tor. Denn JHWH wird ihren Rechtsstreit führen und wird denen rauben, die sie berauben, das Leben.

Mit dem Hinweis auf das Tor und den Rechtsstreit wird dargelegt, dass es hier um Formen struktureller Gewalt geht, die in das Rechtswesen führen,35 innerhalb dessen der Mittellose offenkundig seiner Rechte beraubt wird. Dabei wird die klassische Topik verwendet,36 wie sie auch aus Rechtstexten, Psalmen und Prophetie bekannt ist: Die personae miserae unterstehen dem besonderen Schutz JHWHs und dürfen nicht bedrängt werden. So heißt es etwa in Ps 82,3–4 mit Blick auf die Götterversammlung:37 3 4

Schafft Recht dem Hilflosen und der Waise, dem Armen und Bedürftigen verhelft zum Recht. Rettet den Hilflosen und den Armen, aus der Hand der Frevler befreit (ihn).

Ähnlich wird in Ps 72,4 mit Blick auf den König gefordert: 4

Er schaffe Recht den Armen des Volkes, helfe den Söhnen des Armen und zerschlage den Unterdrücker.

In der Lehre des Amenemope ist im II. Kapitel entsprechend zu lesen:38 „Hüte dich, einen Elenden zu berauben, gegen einen Schwachen mächtig zu sein.“ Die verschiedenen Beispiele zeigen, dass die Worte von Weisen sich hier einer konventionellen sozialethischen Topik bedienen,39 die in gleicher Weise in der Lehre des Amenemope wie auch in anderen alttestamentlichen Texten belegt ist.40 Auch das zweite Mahnwort in Prov 22,24–25 lässt sich im Kontext des Alten Testaments verstehen: 24

33

Geselle dich nicht zu einem Jähzornigen, und mit einem Hitzkopf verkehre nicht,

Vgl. Plöger (1984: 268), der als Problemanzeige formuliert: „Entscheidet man sich für das Zahlwort, d. h. für eine engere Beziehung zu Amen-em-ope, würde man auch in der Anordnung und Abfolge der Mahnworte eine größere Nähe zur ägyptischen Weisheitsschrift erwarten können.“ 34 Vgl. dazu Whybray (1994a: 133): „However, MT in fact makes no reference to the number thirty.“ In eine ähnliche Richtung geht auch Sæbø (2012: 277): „Doch weil sich die dritte Sammlung faktisch nicht leicht in 30 Einheiten einteilen lässt, was die verschiedenen modernen Versuche nur noch bestätigen, wird es wohl verständlich sein, dass eine Lesung ‚dreißig‘ nicht bewahrt worden ist.“ 35 Vgl. Sæbø (2012: 282). 36 Vgl. dazu Ringgren (1962: 91): „Das ist ein dem AT geläufiger sozialer Grundsatz, der auch sonst in Spr. ausgesprochen wird (14,31; 23,10f., vgl. Ex. 22,20–24; 23,6; Deut. 24,14f., 17).“ 37 Vgl. dazu auch Am 4,1. 38 TUAT III/2, 228. 39 Vgl. dazu auch Schipper (2005: 62): „Wenn es sich jedoch um ein allgemein bekanntes Thema handelt, so wird man sehr vorsichtig damit sein müssen, hier eine spezifische Nähe zwischen Amenemope und der Proverbienpassage zu postulieren. Es könnte genausogut sein, daß hier ein allgemein weisheitliches Motiv in zwei verschiedenen Texten begegnet.“ 40 Nach Sæbø (2012: 283) wurde dieses Mahnwort „wohl bewusst in Front gestellt – wie ein Portal zu der besonderen Sammlung.“

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damit du nicht vertraut wirst mit seinen Wegen und dir nicht selbst stellst eine Falle.

Diese Worte haben eine Entsprechung im IX. Kapitel der Lehre des Amenemope:41 „Verbrüdere dich nicht mit dem Heißen, und tritt nicht an ihn heran, um zu reden. […] Fliege nicht, dich einem solchen anzuschließen, damit dich der Schrecken nicht hole.“ Bemerkenswert ist der Unterschied der letzten Wendung zu Prov 22,25, wo nicht von außen ein Schrecken herankommt, sondern derjenige, der sich dem Hitzkopf anschließt, sich selbst eine Falle stellt (‫)ולקחת‬. Solche Vorstellungen und Warnungen vor der Überhitzung finden sich innerhalb des Alten Testaments etwa in Ps 37, wo in V. 7–8 explizit davor gewarnt wird, sich zu überhitzen und Zorn und Grimm zu verfallen: 42 7 8

Halte dich still zu JHWH hin und warte auf ihn, erhitze dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den, der Ränke schmiedet! Lass ab vom Zorn und verlasse den Grimm, erhitze dich nicht, womöglich Böses zu tun!

Auch hier kann man trotz der Entsprechungen zwischen den Worten von Weisen und der Lehre des Amenemope fragen, wie hoch die Signifikanz der Entsprechung eigentlich ist43 – zumindest ist die Thematik inneralttestamentlich breit belegt.44 Das dritte Mahnwort in Prov 22,26–27 warnt davor, sich mit Bürgschaften selbst ökonomisch zu ruinieren. Das bewegt sich auf einer Linie mit den Weisheitsworten in Prov 6,1–5; 11,15; 17,18, die ebenfalls zur Zurückhaltung im Schuld- und Geldwesen ermahnen. Das vierte Mahnwort in V. 28 untersagt das Verschieben althergebrachter Grenzverläufe, die die Väter gezogen haben. Der Topos wird in Prov 23,10–11 noch einmal aufgenommen und breiter begründet. Prov 22,29 steht als Aussagespruch über den arbeitsamen Menschen der Form nach isoliert in der Abfolge von Mahnsprüchen, verbindet sich aber mit der Hochachtung vor Fleiß und Arbeitsfreude, wie sie etwa in Prov 6,6–11; 26,13–16 dokumentiert ist, wo durch die explizite Warnung vor der Faulheit implizit für den Fleiß geworben wird. In Prov 23,1–8 folgt eine längere, mit einem Konditionalsatz eingeleitete Passage, in der es um verschiedene Facetten der Tischsitten und des Essens geht. Die Tischregeln in Prov 23,1–3 haben Entsprechungen im XXIII. Kapitel der Lehre des Amenemope:45 1 2 3

Wenn du dich setzt, um zu essen mit einem Herrscher, achte ja darauf, was vor dir ist, und lege ein Messer an deine Kehle, wenn du voller Begierde bist. Begehre nicht seine Leckerbissen, denn das ist ein trügerisches Brot. „Wenn du Brot ißt in Gegenwart eines Beamten, so setze nicht deinen Mund an vor ihm. Wenn du dich ‹mit› unrechten Bissen sättigst, so ist es ein Vergnügen (nur) in deinem Speichel.

41

TUAT III/2, 235–236. Vgl. auch Prov 6,34; 15,18; 19,19; 29,22. 43 Nach Schipper (2005: 63) „zeigt sich, daß wiederum nur das Leitwort und das Thema zwischen Amenemope und Proverbien übereinstimmen, nicht jedoch der Gedankengang im einzelnen.“ 44 Vgl. Sæbø (2012: 283): „Das Thema des ‚Jähzornigen‘ bzw. des ‚Hitzkopfes‘ erweist sich wohl darum so wichtig, weil sich eine Person dieser verhängnisvollen Art als der Antitypus zum weisen Schweiger herausstellen kann […].“ 45 TUAT III/2, 246. 42

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Blicke auf den Napf, der vor dir ist, und laß ihn deinen Bedarf besorgen.“ Die Topik entspricht sich, die einzelnen Formulierungen weisen aber erhebliche Differenzen auf, so dass man fragen kann, ob es hier nicht um allgemeine Tischmanieren geht, die einmal in hebräischer und einmal in ägyptischer Form bezeugt sind.46 Ähnliches gilt für die Worte über den Reichtum in Prov 23,4–5: 4 5

Mühe dich nicht ab um Reichtum, von deiner Klugheit lass’ ab! Lässt du deine Augen darüber fliegen? Er ist schon weg, denn er macht sich wahrhaftig Flügel, wie ein Adler (‫ )נשר‬entfliegt47 er zum Himmel.

Dazu findet sich eine Entsprechung im VII. Kapitel in der Lehre des Amenemope:48 „Strebe nicht danach, Überfluß zu suchen; dein Bedarf wird dir bewahrt werden. Wenn dir Reichtum durch Raub gebracht wird, so nächtigt er nicht bei dir. Kaum tagt es, so ist er nicht in deinem Hause; sieh seinen Platz / er ist nicht da. [...] Sie werden sich Flügel wie Gänse machen: sie sind zum Himmel geflogen.“ Die Entsprechung des Bildes der Flügel und des Adlers bzw. der Gänse hat eine hohe Signifikanz.49 Die Warnung vor dem Reichtum und seiner Flüchtigkeit ist dagegen ein auch innerhalb der alttestamentlichen Weisheit mehrfach bezeugter Topos: Nach Hi 15,29 kann der Frevler seinen Reichtum nicht halten, nach Ps 49,17 kann auch der Reiche nichts von seinem Reichtum mitnehmen und Kohelet führt in Koh 5,12–13; 6,2 aus, dass der Reichtum des Reichen sich schnell verflüchtigen kann. Auf dieser Linie liegt die Warnung vor dem Reichtum in Prov 23,4–5. In Prov 23,6–8 heißt es: 6 7 8

Iss nicht das Brot eines Scheeläugigen, und begehre nicht seine Leckerbissen. Denn wie einer, der bei sich berechnet, so ist er: ‚Iss und trink!‘, sagt er zu dir, aber sein Herz ist nicht mit dir. Deinen Bissen, den du gegessen hast, musst du ausspeien, und verdorben hast du deine lieblichen Worte.

Dazu findet sich folgende Ermahnung im XI. Kapitel der Lehre des Amenemope:50 „Begehre nicht die Ration eines Abhängigen, und hungere nicht nach seinem Brote. Die Ration eines Abhängigen / sie ist ein Sturm für die Kehle, sie ist ein Husten für den Hals. […] 46

Vgl. Sæbø (2012: 286–287), der auf Sir 31,12–21 verweist und zu Prov 23,1–3 bemerkt: „[A]uf alle Fälle dürfte es sich um ein Gemeingut des guten Tons handeln, das auch in den Weisheitsbüchern seinen Platz fand.“ (2012: 287). 47 Lies mit den Masoreten ‫יעוף‬. 48 TUAT III/2, 233. 49 Vgl. Plöger (1984: 271): „Die Parallele ist offenkundig, aber sie zeigt zugleich, wie selbständig und freizügig der biblische Spruch mit seiner möglichen Vorlage umgegangen ist, obwohl der ausführlichere Text des Amen-em-ope mancherlei beherzigenswerte Sätze sagt, die eine Erwähnung verdient hätten.“ Ähnlich Schipper (2005: 67): „Es scheint so, als ob der Proverbienautor die Passage aus Amenemope kannte und den dort skizzierten Hauptgedanken übernahm, jedoch diesen in eigenen Worten ausdrückte und in die ihm vertraute Bildwelt überführte.“ 50 TUAT III/2, 237.

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Der Mundvoll des Abhängigen / du verschluckst ihn, speist ihn aus, du bist dein Gutes los.“ Sprachliche Entsprechungen sind an dieser Stelle durchaus gegeben, ihrer Pragmatik nach unterscheiden sich die beiden Passagen aber deutlich. Denn in den Worten von Weisen wird vor dem Missgünstigen bzw. dem Scheeläugigen (‫ )עין רע‬gewarnt, wohingegen die ägyptischen Worte vom Abhängigen sprechen. Während in Prov 23,6–8 also eine Warnung vor dem Umgang mit dem Falschen und Unaufrichtigen vorliegt, geht es in der Passage aus der Lehre des Amenemope vor allem um das unrechtmäßige Verzehren dessen, was einem sozial niedriger gestellten und abhängigen Menschen gehört.51 Prov 23,9 warnt vor der sinnlosen Kommunikation mit dem Toren – auch das ist ein breit bezeugter Topos, wie sich etwa an Prov 14,7; 15,7; 26,4–5 zeigen lässt. In Prov 23,10–11 liest man nach Prov 22,28 noch einmal: 10 11

Verrücke nicht die uralte Grenze, und in die Felder der Waisen dringe nicht ein. Denn ihr Rechtshelfer ist stark, er wird ihren Rechtsstreit führen gegen dich.

In Dtn 19,14 wird entsprechend angeordnet:52 14

Du sollst die Grenze deines Nächsten, die die Vorfahren gezogen haben, nicht verschieben bei deinem Erbteil, das du ererben wirst in dem Land, das JHWH, dein Gott, dir gibt, um es zu besitzen.

Die Worte von Weisen bewegen sich offensichtlich im Horizont der sozialrechtlichen Vorstellungen, die auch die Trägerkreise des deuteronomischen Gesetzes vertreten. Eine Entsprechung findet sich im VI. Kapitel der Lehre des Amenemope:53 „Verschiebe nicht den Stein auf den Grenzen des Fruchtlandes, und störe nicht den Ort der Meßschnur. Begehre nicht eine Elle Acker, und greife nicht die Grenzen einer Witwe an. Die Furche zum Treten / verkürzt an Lebenszeit ist der, der sie dem Felde wegnimmt. Er pflegte mit falschen Eiden zu fangen, (und nun) wird er gefesselt durch die Macht des Mondes.“ Während in den Worten von Weisen von den Feldern der Waisen die Rede ist, geht es in der Lehre des Amenemope um die Grenzen der Witwe – Waisen und Witwen gehören gleichermaßen zu den personae miserae, die schon nach Prov 22,23 unter dem besonderen Schutz JHWHs stehen. Bemerkenswert ist zudem, dass die „Macht des Mondes“ aus dem ägyptischen Text in Prov 23,11 mit „ihrem Rechtshelfer“ (‫)גאלם‬ korrespondiert. Mit dem Rechtshelfer ist JHWH gemeint, der als Streiter für das Recht der Armen, Witwen und Waisen auftritt.54 Ob die Entsprechung zwischen dem hebräischen und dem ägyptischen Text angesichts des hohen Maßes an geprägter Sprache und Topik, wie sie sich etwa auch in den Rechtstexten des Alten Testaments findet, eine hohe Signifikanz hat, bleibt fraglich.55 In Prov 23,12 wird mit dem Aufruf zur Aufmerksamkeit ein Akzent innerhalb des Textes gesetzt, der an die Einleitungsverse in Prov 22,17–21 anschließt. Die zahlreichen Mahnworte in Prov 22,22–23,11 bilden damit einen formal umgrenzten Zusammenhang, außerhalb dessen zudem keine erkennbaren Nähen zur

51

Vgl. Schipper (2005: 68–69). Vgl. Dtn 27,17. 53 TUAT III/2, 231. 54 Vgl. dazu Sæbø (2012: 290): „Schließlich darf es als besonders wesentlich gelten, dass diese Kleinsammlung von einer theologischen Rahmung zusammengehalten wird, indem Jahwe als ‚Rechtshelfer‘ in der Begründung des ersten und des letzten Spruchs erwähnt ist (22,23 und 23,11). Das fremde Gut ist seinem religiösen Gepräge entkleidet und in einen israelitischen Rahmen eingefügt worden.“ 55 Vgl. dazu Schipper (2005: 64). 52

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Lehre des Amenemope mehr vorliegen, sehr wohl aber weiterhin weisheitliche Vorstellungen greifbar werden, wie sie auch außerhalb der Worte von Weisen belegt sind. Der folgende Teil der Worte von Weisen in Prov 23,12–28 wird nach dem Aufruf zur Aufmerksamkeit in V. 12 mit einer Ermahnung an den Weisheitslehrer zur körperlichen Züchtigung in V. 13–14 eröffnet: 13 14

Halte nicht zurück vor dem jungen Mann die Unterweisung! Wenn du ihn schlägst mit der Rute, wird er nicht sterben. Du schlägst ihn zwar mit der Rute, aber sein Leben rettest du vor dem Totenreich.

Das hat seine Entsprechungen in Prov 13,24: 24

Wer seine Rute schont, hasst seinen Sohn, wer ihn aber liebt, sucht ihm Unterweisung.

Und auch in Prov 29,15: 15

Rute und Rüge verleihen Weisheit, aber ein junger Mann, sich selbst überlassen, macht Schande seiner Mutter.

Dass die körperliche Züchtigung in der Weisheitslehre eine gewisse Rolle gespielt hat, zeigt sich auch in den Sprüchen des Achiqar, wo zu lesen ist:56 „Nicht halte deinen Sohn vom Stock zurück. Wenn du [ihn] nicht [seiner Bosheit] entreißen können solltest, [dann töte ihn (aber) nicht.] Wenn ich dich schlage, mein Sohn, wirst du nicht sterben, aber wenn ich es nach deinem Sin[n] gehen lasse, [wird man dich töten.]“ Offensichtlich sind auch zwischen den Worten von Weisen und den Sprüchen des Achiqar Parallelen zu erkennen, ohne dass das auf eine wie auch immer geartete literarische Abhängigkeit verweisen muss. Auch hier legt es sich eher nahe, von einer verbreiteten weisheitlichen Topik auszugehen, die sich in den Sprüchen des Achiqar, in Prov 23,13–14 wie auch in Prov 13,24 und Prov 29,15 niederschlägt. Während in Prov 23,13–14 offensichtlich der Weisheitslehrer angesprochen wird, wendet sich V. 15 mit der Anrede „mein Sohn“ (‫ )בני‬an den Weisheitsschüler, der in V. 15–28 in einer zusammenhängenden Passage auf die Ehrerbietung Vater und Mutter gegenüber verpflichtet, vor Völlerei gewarnt, in alledem zur Weisheit ermahnt und in V. 27–28 vor der Hure und fremden Frau gewarnt wird. Diese letzten Worte verbinden sich mit den Warnungen vor der fremden oder hurerischen Frau in Prov 2,16; 5,20; 6,24; 7,5.10 und verankern damit die Worte von Weisen innerhalb des Proverbienbuches, wie auch die Mahnung zur Hochachtung der Eltern im ersten Teil des Proverbienbuches in Prov 1,8; 4,1–7; 6,20 ihre Parallelen hat.57 Eine formgeschichtliche Besonderheit innerhalb der Worte von Weisen stellt die eigenständige Passage über den Trinker in Prov 23,29–35 dar,58 die das Gegenbild des Weisen entwirft, der in Prov 23,12–28 im Blick war. Thematisch schließt das Gedicht an die Warnung vor dem Weingenuss in Prov 23,20–21 an, was innerhalb des Proverbienbuches in Prov 20,1; 21,17; 31,4 seine Parallelen hat.59 Aus dem begründeten Mahnwort in Prov 23,20–21 wird in V. 29–35 eine mit einer Frage eröffnete längere Erörterung der Folgen des Alkoholmissbrauchs, die ihrerseits nicht in die Form einer Ermahnung gebracht wird, sondern nüchtern das darstellt, was man beobachten kann.60 In ihrer Pragmatik steht diese Passage dem Aussagespruch näher 56

TUAT III/2, 334 (in der Übersetzung von I. Kottsieper). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beobachtungen von Sæbø (2012: 296) zu Prov 23,26: „Es wird mit einer Vollmacht geredet, die einem Vater oder Weisen oder auch anderen Menschen doch fremd sein würde. In Frage käme wohl nur die personifizierte Weisheit, die mit ihren werbenden Reden in der ersten Sammlung eine so markante Stellung hat (s. bes. 1,20–33 und Kap. 8).“ 58 Vgl. Plöger (1984: 277): „Innerhalb des Proverbienbuches liegt hier ein Stück sui generis vor, das den sonst seriös auftretenden Experten der Weisheit in humorvoll warnender Weise reden läßt.“ 59 Vgl. dazu aber auch die drastische deuteronomische Gesetzgebung in Dtn 21,18–21, die sich durch die Zuordnung von ‫ זולל‬und ‫ סבא‬in Dtn 21,20 lexematisch mit Prov 23,21 berührt. 60 Vgl. Plöger (1984: 275): „Vermutlich ist dieses Mahnwort vor Trunkenheit der Anlaß gewesen, eine ähnliche, aber humorvoll gehaltene Mahnung in Form eines selbständigen Gedichtes an das Ende des Teilabschnittes zu stellen (V. 29ff.).“ 57

Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda

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als den Mahnworten im unmittelbaren Kontext, denn sie überlässt die Deutung und die Folgerungen dem Rezipienten des Textes, der angesichts des geschilderten Kontrollverlustes seine eigenen Konsequenzen für sein Verhalten dem Alkohol gegenüber ziehen muss, ohne dass sie ihm direktiv-mahnend vorgehalten werden. In der zweiten Sammlung von Mahnworten in Prov 24,1–22 werden unterschiedliche Themenfelder behandelt,61 die aber ebenfalls durchweg in der weisheitlichen Sprach- und Vorstellungswelt verwurzelt sind: V. 1–2 warnen vor bösen Menschen, V. 3–4 handeln vom Hausbau und V. 5–6 von der Kriegskunst. V. 7 stellt einen Aussagespruch über den Toren dar. V. 8–9 handelt von Ränkeschmieden, V. 10–12 mahnen zur Tapferkeit und verweisen auf denjenigen, der Herzen und Sinn im Blick hat, was sich wohl erneut als ein Hinweis auf JHWH verstehen lässt. V. 13–14 empfehlen den Genuss von süßem Honig62 und vergleichen diesen mit der Erkenntnis. V. 15–20 warnen in unterschiedlicher Weise vor Frevel und Frevlern, bevor V. 21 die Furcht vor JHWH und vor dem König befiehlt, wobei das Nebeneinander von JHWH und König überrascht, da der König in den Worten von Weisen sonst keine Rolle spielt und nur in Prov 23,1 vom Herrscher die Rede ist.63 Die Warnung vor den „Wechselhaften“ (‫ )שונים‬und ihrem Unglück in Prov 24,21 bleibt aufgrund der unsicheren Bedeutung der Wurzel ‫ שנה‬in diesem Zusammenhang rätselhaft – wie auch die Frage „Wer weiß?“ (‫ )מי יודע‬in V. 22b die Sammlung mit einer gewissen Offenheit abschließt. 3.3 Standort und Profil Wie sind nun der Standort und das Profil der Worte von Weisen in Prov 22,17–24,22 zu bestimmen? Die Entsprechungen zwischen den Worten von Weisen und der Lehre des Amenemope weisen nur an wenigen Stellen eine besondere Signifikanz auf.64 Eine bestimmende geistige Prägung durch die ägyptische Lehre kann man den Worten von Weisen vor diesem Hintergrund sicherlich nicht attestieren. Das gilt in gleicher Weise für die Entsprechung einer Ermahnung der Worte von Weisen mit einer Passage aus den Sprüchen des Achiqar – auch hier ist mehr allgemeine Topik zu greifen als eine signifikante Parallele. Die Trägerkreise der Worte von Weisen sind offensichtlich in der Sprachwelt der Weisheit verankert und haben auch darüber hinausgehende literarische Kenntnisse, die in ihre Weisheitssammlung einfließen und dieser Sammlung eine eigene Prägung geben,65 die sich aber vor allem aus den Überlieferungen der Hebräischen Bibel selbst erklären lässt. Die sozialethisch bestimmten Mahnungen zur Wahrung der Rechte der personae miserae, die Warnungen vor Reichtum und ökonomischem Leichtsinn, die Ermahnung zur Achtung der Eltern, die Warnungen vor dem Frevler, dem Hitzkopf und der fremden und hurerischen Frau und vor allem die Verweise auf JHWH als Fluchtpunkt des Vertrauens und als Rechtshelfer der Entrechteten spiegeln in der Theologie und Weisheit des antiken Juda verankerte Topoi wider, deren Literarisierung durch die Kenntnis der Lehre des Amenemope und der Sprüche des Achiqar vielleicht befördert, aber nicht initiiert wurde. Die Worte von Weisen sollten daher mehr im Kontext des Proverbienbuches als vor dem Hintergrund ihrer akkadischen, aramäischen oder ägyptischen Korrespondenztexte interpretiert werden. Denn die Worte von Weisen sind keine akkadische, aramäische oder ägyptische, sondern sie sind eine hebräische

61

Plöger (1984: 279) spricht vom „Mischcharakter dieses Teilabschnittes, der die Kette der Mahnworte durch sentenzenähnliche Aussagen auflockert, ohne dadurch an Anschaulichkeit zu verlieren.“ 62 Vgl. etwa Prov 16,24. 63 In Verbindung mit dem Lexem ‫( נר‬vgl. 2 Sam 21,17; 1 Kön 11,36; Ps 18,29; 132,17) im vorangehenden V. 20 könnte in Prov 24,21 eine Anspielung auf die Königstradition vorliegen (vgl. McKane [1970: 405]). Nach Plöger lässt die „enge Verbindung zwischen Jahwe und dem König […] das Königtum geradezu als eine von Jahwe verordnete Obrigkeit verstehen.“ – V. 21 mahne vor dem Umgang mit „Menschen, die diese Ordnung ändern wollen“ (Plöger [1984: 284]). Ganz ähnlich vermutet Sæbø, dass die Form ‫ שונים‬hier diejenigen bezeichne, „die sich in irgendwelcher Opposition zu Gott und König stellen“ (Sæbø [2012: 303]). Bei dieser Deutung bleibt aber doch eine gewisse Unsicherheit und man möchte mit dem Ende von V. 22 fragen: „Wer weiß?“ In jedem Fall ist aber die Nennung des Königs ein Indiz für die vorexilische Entstehung dieser Passage und vielleicht auch der Worte von Weisen insgesamt. 64 Vgl. Schipper (2005: 69–70): „Ein Großteil der Belege zeigt keine unmittelbar direkte literarische Abhängigkeit. Es begegnen vielmehr einzelne verwandte Themen und Motive. […] Hinzu kommt, daß von den 30 Maximen der Lehre des Amenemope in der Proverbienpassage ausgesprochen wenig zitiert wird.“ 65 Vgl. dazu Fox (2014: 91): „[T]he Hebrew author of Prov 22,17–23,11 is not treating Amenemope gingerly or humbly, as if it were sacred or immutable. It is a resource, available for creative adaptation. […] The dialectic between learning from tradition and extending it in new ways is the essence of wisdom writing.“

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Markus Saur

Lehre aus dem antiken Juda, die im Proverbienbuch als der zentralen Sammlung von hebräischen Weisheitslehren überliefert wird. Bemerkenswert ist im Kontext des Proverbienbuches die Verschiebung der literarischen Formen, die sich an den Worten der Weisen beobachten lässt: Im Gegensatz zur vorangehenden Sammlung in Prov 10,1–22,16 mit ihren Aussagesprüchen überwiegen in Prov 22,17–24,22 eindeutig die Mahnworte. Die Imperative und Vetitive dokumentieren eine grundlegend andere Form weisheitlicher Erkenntnisbindung als die Aussagesprüche, die ihre Adressatinnen und Adressaten in die Sinnkonstitution mit einbinden, wenn sie eine prägnante Aussage treffen und damit dazu herausfordern, aus der Aussage eine Handlungsnorm abzuleiten. Die dahinterstehende didaktische Konzeption verfolgt die pädagogische Absicht, die Adressatinnen und Adressaten selbst auf das Rechte schließen zu lassen und damit eigene Erkenntnisse zu ermöglichen. Diese pädagogische Absicht wird in den Mahnworten in Prov 22,17–24,22 verlassen, denn die wenigen Aussagesprüche, die sich hier finden, fallen angesichts der deutlichen Überzahl von direktiven Aufforderungen kaum ins Gewicht – hier wird kein eigener Erkenntnisprozess ermöglicht und befördert, sondern es wird angeordnet. Die Worte von Weisen sind erkennbar autoritärer bestimmt als die vorangehenden Sprüche Salomos. Der Beschneidung der konstruktiven Mitarbeit der Adressatinnen und Adressaten korrespondiert dabei eine Erweiterung der literarischen Form, deren Prägnanz zugunsten längerer Passagen zurücktritt. Die Mahnungen stehen nicht wie ein Aussagespruch für sich, sondern werden mit Begründungen versehen. Dahinter ist eine Legitimationsabsicht und wohl auch eine Begründungsnotwendigkeit zu erkennen, die dem einzelnen Aussagespruch noch fremd ist, die sich im Proverbienbuch aber sehr wohl in den längeren weisheitlichen Reflexionen in Prov 1–9 erkennen lässt. Eine Reihe lexematischer Verbindungen zwischen Prov 1–9 und Prov 22,17–24,22 legt die Vermutung nahe, dass die Trägergruppen der beiden Sammlungen von einem ähnlichen Denken geprägt sind. Ob man daraus eine nachexilische Entstehung der Worte von Weisen ableiten sollte, bleibt angesichts der Nennung des Königs in Prov 24,21 fraglich. Es gibt hier wohl keine einlinigen Entwicklungen, vielmehr stehen die pädagogischen Konzepte der Trägerkreise der verschiedenen Sammlungen des Proverbienbuches spannungsreich nebeneinander: Die Worte von Weisen sind von einem anderen Menschenbild bestimmt als die Spruchsammlungen in Prov 10,1–22,16 und Prov 25–29. Der Weg zum gelingenden Leben wird in den Worten von Weisen eher angeordnet, wohingegen die Sprüche Salomos in Prov 10,1–22,16; 25–29 ihren Leserinnen und Lesern zutrauen, diesen Weg selbst erschließen und gehen zu können. Je nach Lerngruppe hat einmal das eine und einmal das andere seine Zeit. Bibliographie Brunner (1997) Budge (1923) Emerton (2001) Erman (1924) Fox (2014) Gemser (1963) Gressmann (1924) Hilgert (2009)

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Proverbien 22,17–24,22 – eine hebräische Lehre aus dem antiken Juda Sæbø (2012) Sauer (1963)

Schipper (1999) Schipper (2005)

Scoralick (1995)

Shupak (2005)

TUAT III/1 TUAT III/2 Vernus (2001) von Rad (1970) Whybray (1972) Whybray (1994a) Whybray (1994b)

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Sæbø, M. 2012. Sprüche, Altes Testament Deutsch 16.1, Göttingen. Sauer, G. 1963. Die Sprüche Agurs. Untersuchungen zur Herkunft, Verbreitung und Bedeutung einer biblischen Stilform unter besonderer Berücksichtigung von Proverbia c. 30, Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 84, Stuttgart. Schipper, B. U. 1999. Israel und Ägypten in der Königszeit. Die kulturellen Kontakte von Salomo bis zum Fall Jerusalems, Orbis Biblicus et Orientalis 170, Freiburg (CH) / Göttingen. Schipper, B. U. 2005. Die Lehre des Amenemope und Prov 22,17–24,22. Eine Neubestimmung des literarischen Verhältnisses, in: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 117, 53–72 (I), 232–248 (II). Scoralick, R. 1995. Einzelspruch und Sammlung. Komposition im Buch der Sprichwörter Kapitel 10–15, Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 232, Berlin / New York. Shupak, N. 2005. The Instruction of Amenemope and Proverbs 22:17–24:22 from the Perspective of Contemporary Research, in: R. L. Troxel, K. G. Friebel & D. R. Magary (Hg.), Seeking Out the Wisdom of the Ancients: Essays Offered in Honor of Michael V. Fox, Winona Lake, 203–220. O. Kaiser (Hg.). 1990. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments III: Weisheitstexte, Mythen und Epen. Weisheitstexte I, Gütersloh. O. Kaiser (Hg.). 1991. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments III: Weisheitstexte, Mythen und Epen. Weisheitstexte II, Gütersloh. Vernus, P. 2001. Sagesses de l’Égypte pharaonique, Paris. von Rad, G. 1970. Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn. Whybray, R. N. 1972. The Book of Proverbs, Cambridge Bible Commentary, Cambridge. Whybray, R. N. 1994. The composition of the Book of Proverbs, Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series 168, Sheffield. Whybray, R. N. 1994. The Structure and Composition of Proverbs 22:17–24:22, in: S. Porter & D. Orton (Hg.), Crossing the Boundaries: Essays in Biblical Interpretation in Honour of Michael D. Goulder, Leiden, 83–96.

Fälschungen Hans-Peter Mathys 1

Fälschungen haben gegenwärtig Hochkonjunktur. Gegenstand des vorliegenden Artikels bilden zwei akkadische, ein phönizischer, moabitische und hebräische Texte, deren Authentizität umstritten ist. Die meisten unter ihnen sind schon mehr oder weniger ausführlich behandelt worden, vor allem naturwissenschaftlich und paläographisch, aber selten von ihrem Inhalt und ihrer Pragmatik her; es fehlt an umfassenden Exegesen. Diese Lücke soll hier geschlossen werden. Da die ausgewählten Beispiele aus unterschiedlichen Epochen stammen, lässt sich an ihnen auch schön erkennen, wie sich das Fälschermetier über die Zeiten verändert hat, vor allem „professionalisiert“ – und wie damit auch die Anforderungen an die Gegenseite gestiegen sind, die versucht, Fälschungen als solche zu entlarven. Gleichzeitig gibt es auch zeitunabhängige Konstanten; die wichtigste unter ihnen ist „Geld“. The market for forgeries is currently booming. The present article addresses two Akkadian texts in addition to Phoenician, Moabite, and Hebrew texts whose authenticity is disputed. Most have already been treated more or less in detail, especially scientifically and paleographically. However, only rarely have they been assessed in terms of their content and “pragmatics.” There has been a lack of comprehensive exegesis, and this article seeks to fill this void. Since the selected examples stem from varying time periods, analysis of the present collection reveals changes in the forgery profession over the years – particularly its process of “professionalization” – as well as the increase in challenges facing the other side in detecting and exposing such forgeries. At the same time, certain aspects remain constant independent of the time period, the most important of which being “money.” Schlagwörter: Fälschungen; Altes Testament; Pragmatik

1 Einleitung Das Interesse an der Bibel und – damit zusammenhängend – am Alten Orient ließ auch viele Fälscher auf den Plan treten. Gegenwärtig haben Fälschungen gar Hochkonjunktur. Entsprechend gewinnt ihre Untersuchung an Bedeutung; sie ist in der Semitistik zu einem Spezialgebiet eigenen Rechts geworden, wie allein die Flut einschlägiger Publikationen zeigt.2 Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, bekannte und weniger bekannte, vor allem für Alttestamentler und Semitisten interessante Fälschungen mit Inschriften vorzustellen und dabei dort weiterzufahren, d.h. einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, wo die Arbeit an ihnen häufig aufhört: d.h. nachdem das Verdikt „Fälschung“ gefallen ist. Dabei stehen nicht Paläographie und naturwissenschaftliche Methoden zum Nachweis von Fälschungen im Zentrum, sondern die Pragmatik. Bei der Frage „Echt oder unecht?“ spielt sie meist eine untergeordnete Rolle – zu Unrecht: Wenn nicht feststeht, welchen Sinn eine Inschrift hat, welchen Zweck sie verfolgt und in welchem Zusammenhang sie verwendet wird, liegt die Vermutung nahe, es handle sich bei ihr um eine Fälschung. Noch einen Schritt weiter führt die Frage nach dem Profil der Fälscher, die auch kaum gestellt wird. Wir meinen sie in einigen Fällen wenigstens ansatzweise beantworten zu können.

1

Theologische Fakultät der Universität Basel; Prof.em. ([email protected]). Für mannigfache Hilfestellungen danke ich Samuel Sarasin, B.Th. 2 Ein Standardwerk: Muscarella (2000) (bezieht sich in erster Linie auf Kunstwerke). Der Spezialist für westsemitische Fälschungen ist Christopher A. Rollston, dem die Fachwelt unzählige einschlägige Publikationen verdankt.

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2 Vorbemerkung Weil der Fokus des vorliegenden Beitrags auf der Pragmatik und nicht auf der Materialität liegt, enthält er keine Diskussion von Keilschrifttafeln. Eine solche erschwerte unsere Aufgabe massiv, vor allem wäre sie zeitraubender. Schon 1904 schätzte nämlich J. Edgar Banks, dass von den in Bagdad zum Verkauf angebotenen Keilschrifttafeln 80% „fakes“ waren, und 2016 betrug der Prozentsatz an Fälschungen unter den in Syrien beschlagnahmten Artefakten 70%.3 Dieser hohe Prozentsatz erklärt sich unter anderem daher, dass das Rohmaterial für die Herstellung von Keilschrifttafeln einfach und leicht zugänglich ist (Lehm, Wasser und ein Stylus). Gerade umgekehrt verhält es sich mit der Keilschrift, deren Beherrschung schwierig ist und deren Erlernung viel Zeit erfordert. Doch selbst wenn ein Fälscher hier keine Fehler macht, kann er immer noch scheitern. Moderne Fälscher verwechseln eine Keilschrifttafel gerne mit einem Buch, dessen Seiten man umdreht. Keilschrifttafeln dagegen rotieren in der überwiegenden Zahl der Fälle um die horizontale Achse. 3 Das „Cruciform Monument“ von Maništušu: die konstantinische Schenkung des Alten Orients (Artefakt 1, Abb. 1) Fälschungen gab es zu jeder Zeit, auch im Alten Orient, und schon damals war der Hauptgrund für ihre Herstellung „Geld“. Eine unter ihnen beeindruckt durch ihre Form; es handelt sich um das sogenannte „Cruciform Monument“ von König Maništušu, der im 23. Jh. v.u.Z. über Akkad regierte.4 Von oben betrachtet weist das Steinmonument die Form eines (griechischen/schweizerischen) Kreuzes auf. Es ist auf allen zwölf Seiten beschriftet. Der Text setzt gut altorientalisch mit dem Namen des Königs, seiner Genealogie und Titulatur sowie einem geschichtlichen Rückblick ein und schließt mit einer Serie ungewöhnlicher Flüche. In seinem Zentrum stehen jedoch die Renovation des Tempels ebabbar von Sippar und die erhöhten(!) Zuwendungen und Gaben des Königs an ihn sowie weitere Wohltaten. Sie werden hier nicht im Detail behandelt, sondern seien anhand zweier Beispiele vorgeführt: Whenever in the land for the feast of Shamash one three-year-old bull served as the feast for three days, one three-year-old bull as a single day’s allowance I ordained. To ten sheep for offerings ten sheep for offerings I added: twenty sheep for offerings as a single day’s allowance I ordained.5 Whenever in the land for the feast of Shamash no fixed amounts(?) were in existence, four oxen [ ] as a single day’s allowance I ordained.6 Nicht (nur) um einmalige Zuwendungen an den Tempel geht es hier, sondern um regelmäßige: ein gutes Geschäft für den Tempel von Sippar. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob diese Anordnungen – teilweise oder vollständig, nur kurz oder über einen längeren Zeitraum – in die Praxis umgesetzt wurden. Immerhin: Der Stein ging nicht verloren. Allerdings: Es handelt sich bei ihm um eine Fälschung, eine pia fraus, einige hundert Jahre nach der Regierung König Maništušus niedergeschrieben, wie als erster I. J. Gelb 1949 nachgewiesen hat, und zwar aufgrund einer Vielzahl paläographischer wie sprachlicher Beobachtungen. Die Keilschriftzeichen aus altakkadischer Zeit sind elegant, die des Monuments nicht unbedingt. Von ihrer Form her gleichen sie denen aus dieser Epoche recht genau, es gibt jedoch auch Ausnahmen. Einige Zeichen weisen Lautwerte auf, die sie eigentlich nicht haben dürften. Verdoppelte Konsonanten schreibt man im Altakkadischen im Prinzip nicht doppelt, auch lange Vokale bleiben in der Schrift unbezeichnet. Eben dies geschieht aber auf dem Cruciform Monument. Auch was die Formen betrifft, weicht es gelegentlich vom Altakkadischen ab, kontrahiert etwa Vokale. All das störte die Assyriologen so lange nicht, als sie das Monument auch zur Rekonstruktion des Altakkadischen heranzogen. Hätte man schon zur schwer genau zu bestimmenden Zeit, als die Fälschung entstand, merken müssen, dass es sich um eine solche handelt? Nicht unbedingt. Die historische Einleitung könnte einem bestehenden Text nachempfunden oder gar ganz aus diesem übernommen worden sein. Kaum bewusst war man sich damals der Tatsache, dass sich Zeichen, Schreibkonventionen und grammatische Formen geändert hatten.

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Information von Paul Barfold vom 11.09.2018 auf seinem Blogspot (abgerufen am 29.12.2020). Erste ausführliche Behandlung: King (1912); vgl. weiter Gelb (1949). 5 King (1912: 97–98 [Col. V,15–VI,3]). 6 King (1912: 98 [Col. VI,11–20]). 4

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Von daher hätten die Voraussetzungen für eine pia fraus gar nicht besser sein können. Wie sie die Priester konkret ins Werk setzten und ob sie mit ihren Versuchen überhaupt erfolgreich waren, wissen wir nicht. Das „Cruciform Monument“ von Maništušu erinnert an die konstantinische Schenkung (Donatio Constantini ad Silvestrum I papam / Constitutum Constantini), die in der Kirche lange eine wichtige Rolle spielte und erst 1440 von Lorenzo Valla – unter anderem mit philologischen Argumenten! – definitiv als Fälschung entlarvt wurde. Mit dieser Schenkung begründeten Päpste lange Zeit durchaus erfolgreich nicht nur den (geistlichen) Primat Roms (und anderes mehr), sondern auch territoriale Ansprüche.7

Abbildung 1: Das „Cruciform Monument“ von Maništušu. Foto: Zunkir unter einer CC-BY-SA-4.0 Lizenz, abgerufen von Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Monument_cruciforme_de_ Manishtushu.jpg [letzter Zugriff: 09.10.2021].

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Zum Constitutum Constantini s. kurz Fuhrmann (1981).

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3.1 Exkurs: Fälscher – schon in der Antike entlarvt In der Antike ist es selten, dass in einem offiziellen, ja königlichen Dokument Fälscher auch als solche bezeichnet werden. Das geschieht in RS 16.249 13–19, einer von König Niqmepa ausgestellten Schenkungsurkunde:8 un-du Ita-bi-bi-ia-nu [ ÌR.DINGIRNergal DUMU abdi-mi-ir ù[Imu-n]a-hi-mu hi-iṭ-ṭa GALMEŠ i-te-ep-š[u] NA4 KIŠIB mé-hé-er NA4KIŠIB LUGAL GAL i-te-ep-šu ù ṭup-pa-ti sà-ar-ru-ti i-na ŠÀ-bi URU ú-ga-ri-it i-ša-aṭ-ṭù-ru I

Als Tabiyanu Abdinergal, der Sohn von Abdimir, und Munachimu, große Fehler (Sünden) begingen, das Siegel, eine Kopie des Siegels des großen Königs machten sie, und Tafeln der Falschheit inmitten der Stadt Ugarit schreiben sie. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die inkriminierten Personen mit einer Kopie des königlichen Siegels Urkunden gesiegelt – unterschrieben – und damit Dokumente, die in ihrem eigenen Interesse waren, als die des Königs ausgegeben. 4 Die beiden Moussaïeff-Ostraka (Artefakt 2 und 3, Abb. 2 und 3)9

Abbildung 2: Widow’s plea ostracon. Zeichnung: Autor, nach Bordreuil et al. (1998: 7).

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Nougayrol (1955: 97). Berlejung & Schüle (1998) haben der Echtheit der beiden Ostraka mit vielen Argumenten bereits den Todesstoß versetzt. Sie seien hier um einige weitere ergänzt. 9

Fälschungen

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1996 publizierten P. Bordreuil, F. Israel und D. Pardee zwei Ostraka mit hebräischen Texten aus der Sammlung Moussaïeff, die aufgrund paläographischer Kriterien recht einmütig ins 7. / 6. Jh. v.u.Z. datiert wurden und vom gleichen Mann geschrieben worden sein dürften.10 Sie behandeln zwei verschiedene Gegenstände: die Bitte einer Witwe, ihr die nḥlh ihres verstorbenen Mannes zu überlassen („plea of a widow“), und eine Aufforderung des Königs an einen Ungenannten, an den Tempel drei Scheqel Tarschischsilber abzuliefern („three sheqel ostracon“). Dieser unbekannte Schreiber muss also gleichzeitig am Hof / im Tempel tätig gewesen sein, wie „freiberuflich“ gearbeitet haben. Da wir wenig über das Schreiberwesen in Israel / Juda wissen, kann eine solche Konstruktion nicht von vornherein als unmöglich ausgeschlossen werden, auch wenn sie uns auf den ersten Blick erstaunt: Mit einer Tätigkeit am Hof / im Tempel war ein Schreiber möglicherweise nicht ganz ausgelastet, und um sein Auskommen zu finden, musste er auch für Privatpersonen arbeiten. Handelt es sich bei den beiden Ostraka also nicht um Fälschungen, erweitern sie auch unsere Kenntnisse des Schreiberwesens in Israel / Juda – in der eben genannten Weise. Man begreift die Begeisterung der drei Semitisten, die mit der Erstpublikation der zwei Ostraka betraut worden waren: endlich ein außerbiblisches Dokument aus der Zeit des ersten Tempels, das auch von diesem handelt, und endlich ein außeralttestamentliches Zeugnis, das ein Licht auf die unbefriedigende Situation der Witwen wirft – fast zu schön, um wahr zu sein. Das erste Ostrakon lautet wie folgt (Artefakt 2, Abb. 2):11 1) ybrkk. yhwh bšlm. w‛t. yšm 2) ‛. ’dny. hšr ʾt ’mtk mt 3) ’yšy. l’ bnm. whyh. ydk. 4) ‛my. wntth. byd. ’mtk. ’t. h 5) nḥlh ’šr. dbrth. l‘ms 6) yhw. w’t. šdh. hḥtm. ’š 7) r bn‛mh. ntth. l’ḥ 8) yw. 1) Es möge dich segnen in Schalom YHWH. Und nun: Es möge erhör 2) en mein Herr, der Aufseher / Verwalter / Offizier deine Magd. Gestorben 3) ist mein Mann. Ohne Söhne. Und es möge sein deine Hand 4) mit mir. Und du mögest geben in die Hand deiner Magd die 5) nḥlh, von der du gesprochen hast zu ‛MS 6) YHW. Und das Weizenfeld, da 7) s du in bn‛mh / aus Freundlichkeit gegeben hast dem ’Ḥ 8) YW. Sowohl formal wie inhaltlich gibt es schwere Bedenken an der Echtheit dieses Ostrakons. Viele seiner Formulierungen weisen Parallelen im Alten Testament auf, und besonders eng berührt es sich mit der Petition eines Erntearbeiters aus Meṣad Ḥašabyāhū.12 Solche Übereinstimmungen führen allerdings häufig in die Irre, wie anhand zweier Beispiele gezeigt werden soll. Die Feststellung „ohne Söhne“, grammatikalisch überraschend und in der Forschung gelegentlich als der Alltagssprache zugehörig bezeichnet,13 passt ausgezeichnet in syntaxarme Listen, und in solchen ist sie tatsächlich zweimal belegt: „Und Seled starb ohne Söhne“ (‫( ) ַויָּמָ ת סֶ לֶד ל ֹא בָ נִ ים‬1 Chr 2,30) – „Und Jeter starb ohne Söhne“ (‫( ) ַויָּמָ ת יֶתֶ ר ל ֹא בָ נִ ים‬1 Chr 2,32). Beim vorliegenden Ostrakon handelt es sich jedoch um keine Liste. Wenn es sich bei ihm um eine Fälschung handelt, so liegt in 2 Chr 2,30.32 wahrscheinlich eine der Quellen vor, von denen sich der Fälscher inspirieren ließ. Er war ein äußerst gebildeter und belesener Mann: Die Chronik gehört nicht zu den beliebtesten Büchern des Alten Testaments, schon gar nicht ihre Genealogien. Allerdings übersah er drei Belege, die grammatikalisch besser in seinen Bericht gepasst hätten:

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Bordreuil et al. (1996) (französisch); Bordreuil et al. (1998) (englisch). Hebräischer Text: Bordreuil et al. (1996: 61) (Ergänzungen sind nicht als solche markiert). 12 Text, Übersetzung und Kommentar: Renz (1995: 315–329 [Text 323–329]). 13 Bordreuil et al. (1996: 65): „L’expression usitée ici témoigne de l’existence d’une langue de tous les jours“. 11

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„Und Scheschan hatte keine Söhne“ (‫( )וְ ל ֹא־הָ יָה לְ שֵׁ שָׁ ן בָּ נִ ים‬1 Chr 2,34) – „Und Elasar starb und hatte keine Söhne“ (‫( ) ַויָּמָ ת אֶ לְ ﬠָ זָר וְ ל ֹא־הָ יוּ לוֹ בָּ נִ ים‬1 Chr 23,22) – „Und Nadab und Abihu starben vor ihrem Vater und hatten keine Söhne“ (‫( ) ַויָּמָ ת נָדָ ב ַואֲבִ יהוּא לִ פְ נֵי אֲבִ יהֶ ם וּבָ נִ ים ל ֹא־הָ יוּ לָהֶ ם‬1 Chr 24,2). Von einer guten Fachkenntnis zeugen auch die Zeilen 1–2 des Ostrakons, yšm‛ ’dny h[śr] ’t ’mt[h]. Diese Bitte findet eine fast wörtliche Entsprechung in der bereits erwähnten Petition eines Erntearbeiters aus Meṣad Ḥašabyāhū: yšm‛ ’dny hśr ’t dbr ‛bdh.14 Zudem ist der Ausdruck ’dny hśr auch noch in einem bruchstückhaft erhaltenen Brief aus Arad (Ostrakon 26:2) erhalten.15 Das scheint dem Verdikt „Fälschung“ entschieden zu widersprechen. Eine Kleinigkeit allerdings stimmt misstrauisch: Das Verb ‫( שׁמע‬hören) wird im Alten Testament nur äußerst selten mit dem Akkusativ der Person gebildet. Für „hören auf jemanden“ verwendet es häufiger ‫ ל‬/ ‫ אל‬+ ‫שׁמע‬.16 Der Erntearbeiter von Meṣad Ḥašabyāhū platzt mit der Tür ins Haus; er trägt gleich sein Anliegen vor. Anders die Witwe im vorliegenden Ostrakon. Ihrer Bitte lässt sie einen Segenswunsch vorangehen: ybrkk yhwh bšlwm. Das stellt vor die Frage, ob Segenswünsche in Briefe / Petitionen gehören, die es mit wirtschaftlichen oder politischen, also nicht religiösen Angelegenheiten zu tun haben. Es gibt sie, und zwar auf zwei Ostraka aus Arad, die allerdings in unterschiedliche Epochen gehören und performatives Perfekt verwenden: Hiermit segne ich dich gegenüber YHWH (brktyk lyhwh).17 Diese Verbform ist im Alten Testament nicht belegt – im Unterschied zu ybrkk (yhwh) (allerdings ohne bšlwm); diese Formulierung ist theologischer.18 Weitere hebräische Inschriften enthalten Segenswünsche, die jedoch nicht mit der Wurzel brk ausgedrückt werden: YHWH möge sich kümmern um dein Wohlergehen (yhwh yš’l lšlmk19). Es möge YHWH meinen Herrn eine Botschaft von Schalom hören lassen (yšm‛ yhwh ’t ’dny šm‛t šlm20); leicht variiert: yšm‛ yhwh ’t ’dny ‛t kym šm‛t ṭb 21; yšm‛ yhwh ’t ’dny šm‛t šlm wṭb ‛t kym (stark beschädigt)22. Diese Segenswünsche sind theologisch weniger stark aufgeladen. Nur das Ostrakon aus der Moussaïeff-Sammlung verwendet nebeneinander brk und šlm und erweist sich dadurch theologisch als am gewichtigsten; es passte von daher besser in den Tanach als in einen Alltagsbrief. Der zweite Teil des Ostrakons soll vor allem von seiner inhaltlichen Seite her untersucht werden. Eine namenlose Witwe bittet den Gouverneur darum, ihr die nḥlh, von der ihr verstorbener Mann diesem gegenüber gesprochen hat, in ihre Hand zu geben, d.h. zum Nießbrauch oder als Erbe – mehr zu dieser Alternative weiter unten. Schon hier türmen sich Probleme auf. Erbschaftsangelegenheiten regelt im alten Israel im Prinzip die Familie. Eingriffe von außen, d.h. doch wohl von einem königlichen Beamten, erfolgten vielleicht dann, wenn um das Erbe gestritten wurde oder unklare Verhältnisse herrschten. Im vorliegenden Fall scheint sich schon vor dem Tode des Mannes abgezeichnet zu haben, dass es zu Schwierigkeiten kommen würde; sonst hätte nicht der Aufseher darüber mit einem gewissen ‛MSYH gesprochen. Dass es sich bei diesem um den Mann der Bittstellerin handelt, wird implizit vorausgesetzt, steht aber nicht mit Sicherheit fest. Das Alte Testament enthält einige erbrechtliche Vorschriften, in Erzählungen spielen Erbschaftsangelegenheiten aber eine untergeordnete Rolle. Einschlägige Rechtsurkunden enthält vor allem das Archiv von Elephantine, auch aus hellenistischer Zeit haben sich Quellen erhalten. Nach dem Alten Testament erben die Söhne, wobei dem ältesten Sohn ein besonderer Anteil zukam (Dtn 21,15–17, im Zusammenhang mit einem Spezialfall formuliert). Erst in zwei Gesetzesnovellen (Num 27,1–11; 36) werden auch Töchter erbberechtigt. Die Gattin des Verstorbenen dagegen bleibt von der Erbfolge ausgeschlossen. In Elephantine steht es um ihren Status wesentlich besser, auch wenn er nicht mit „Erbin“ umschrieben werden kann (vgl. weiter Wadi Murabba‛at, Wadi Naḥal Ḥever).23 Als Besitzerin des Vermögens kann sie es allerdings veräußern (das ändert in hellenistischer Zeit: Jdt 8,7; 16,24; Tob 8,21). Bons, der das Ostrakon unter erbgeschichtlichem Aspekt untersucht hat, hält es gerade im Vergleich mit den von ihm herangezogenen Vergleichsquellen für möglich, dass die 14

Renz (1995: 323f.). Renz (1995: 395). 16 Dazu ist eine eigene Publikation geplant. Vgl. vorläufig Malessa (2006: 131–144). 17 Renz (1995: 147 [Ostrakon Arad 40:2, Text beschädigt]; 387 [Ostrakon Arad 21:2, Text beschädigt]). 18 Gen 49,25; Num 6,24; Dtn 14,24.29; 15,4.10; 16,10; 23,21; 24,19; 2 Kön 4,29; Jer 31,23; Ps 128,5; 134,3; Hi 1,11; 2,5; Rt 2,4. 19 Renz (1995: 383 [Ostrakon Arad 18:2f.]). 20 Renz (1995: 411 [Ostrakon Lachisch 2:1–3]). 21 Renz (1995: 421 [Ostrakon Lachisch 4:1f.]). 22 Renz (1995: 424 [Ostrakon Lachisch 5:1–3]). 23 Näheres dazu bei Bons (1998: 203–207). 15

Fälschungen

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Witwe mehr als den Nießbrauch beansprucht: zentral das Recht, das Vermögen ihres verstorbenen Mannes zu veräußern.24 Verständnisschwierigkeiten – auch abgesehen von den philologischen Problemen – bietet die Ausnahme, von der V. 6–8 handelt. Entweder die Witwe selber oder der Gouverneur hat ein Weizenfeld jemandem anderen, eventuell einem Bruder des Verstorbenen, gegeben, wobei die Gründe für diese Spezialregelung im Dunkeln bleiben. Falls es sich bei N‛MH um den Namen eines Ortes handelt, kann der Besitz des Verstorbenen recht groß gewesen sein. Ist das Ostrakon tatsächlich echt, so besagt das einiges bezüglich des alttestamentlichen Erbrechtes (mutatis mutandis auch für andere Rechtsbereiche): Dieses besaß nicht kanonische Geltung; es stand im Ermessen des Erblassers, Anordnungen zu treffen, die davon abwichen. Von den in diesem Aufsatz vorgestellten Fälschungen ist die vorliegende mit Sicherheit eine der gelungensten, an der man sich die Zähne ausbeißen kann. Sie enthält zwar kaum „grobe“ Fehler, aber doch zu viele kleine, um nicht als solche entlarvt zu werden. Allerdings ist sie gefährlich, da sie dazu verleitet, mit den in ihr enthaltenen Informationen schmerzlich empfundene Lücken im alttestamentlichen Erbrecht zu schließen und so scheinbar unsere Kenntnis der Sozialgeschichte Israels zu verbessern.

Abbildung 3: Three sheqels ostracon. Zeichnung: Autor, nach Bordreuil et al. (1998: 4). Zeitgleich mit dem „plea of a widow“ wurde auch das Ostrakon publiziert, das von einer Abgabe an das Haus YHWHs handelt (Artefakt 3, Abb. 3):25 1) k’šr ṣwk. ’šy 2) hw. hmlk. ltt. byd 3) z]kryhw. ksp tr 4) šš. lbyt yhwh 5) š ///

1) Wie dir befohlen hat ’ŠY 2) HW, der König, [nämlich] zu geben in die Hand von 3) Z]KRYHW Silber aus Tar4) schisch für das Haus YHWHs. 5) Šeqel 3.

Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, dass es sich bei diesem Ostrakon nicht um eine Fälschung handelt. Ein König des Namens ’ŠYHW ist im Alten Testament zwar nicht belegt; zu Recht verweist man allerdings unter anderem auf die fünf verschiedenen Namensformen von König Jojakin, von denen bei zweien das theophore Element voransteht, bei dreien jedoch der Verbform folgt.26 Auf die vorliegende Inschrift angewendet bedeutet dies, dass in ihr entweder von König Joasch oder König Josia die Rede ist. Beide Namen passen ausgezeichnet zum zweiten Eigennamen, der in der Inschrift auftaucht, ZKRYHW. Inschriftlich wie alttestamentlich belegt, zählt er eine große Zahl von Trägern. Zwei unter ihnen kommen im vorliegenden Fall in Frage: 1) der Sohn des Priesters Jehojada, der König Joasch vorwarf, die Gebote Gottes übertreten zu 24

Bons (1998). Bordreuil et al. (1996: 50). 26 YHWYKYN; YWYKYN; YKNYH; YKNYHW; KNYHW; s. Bordreuil et al. (1996: 51). 25

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haben, und von diesem deshalb umgebracht wurde (2 Chr 24,20–22); 2) einer der „Vorsteher“ des Tempels unter König Josia (2 Chr 35,8). Sollte der Erstgenannte gemeint sein, enthielte das Ostrakon sogar eine historisch interessante, im Alten Testament nicht erhaltene Detailinformation: Ursprünglich waren die Beziehungen zwischen dem König und ZKRYHW gut, zumindest korrekt. Zur zweiten Identifikation: Es leuchtet ein, dass die für den Tempel vorgesehene Anweisung an einen hohen Tempelbeamten ergeht. Dass es nicht der erste der in 2 Chr 35,8 genannten Fürsten des Hauses Gottes ist, verleiht der Information noch zusätzliche Glaubwürdigkeit. Auch von grammatikalischer Seite her lässt sich ein Argument für die Echtheit des Ostrakons beibringen: k’šr findet sich auch in der Petition eines Erntearbeiters von Meṣad Ḥašabyāhū.27 Schließlich verdient Beachtung, dass der König die alleinige Oberherrschaft über den Tempel besitzt und die Priester also nur seine Anweisungen auszuführen haben. So verhielt es sich nach biblischem Zeugnis am salomonischen, nicht aber am zweiten Tempel. Einiges von dem, was für die Echtheit des Ostrakons spricht, lässt sich nun aber auch gegen sie ins Feld führen – Hinweis auf die Professionalität des Fälschers. Der wichtigste Punkt: Beide Ostraka berühren sich mit der Petition des Erntearbeiters aus Meṣad Ḥašabyāhū. Besondere Beachtung verdient das vorangestellte k’šr, das in dieser Stellung, also in einem Nebensatz, zwar durchaus vorkommt, aber doch relativ selten.28 Im vorliegenden Text folgt auf den Neben- kein Hauptsatz, sondern ein Infinitif, ltt, eine Schwierigkeit, deren Erklärung mit Hinweis auf postulierte syntaktische Eigenheiten von Ostraka / Briefen wie eine Notlösung anmutet. Lang hält eine solche Hilfskonstruktion nicht für nötig; er übersetzt den Ausdruck mit „thus“. Er beruft sich dabei auf das Sabbat- und Elterngebot in der Deuteronomiumfassung, das seiner Meinung nach wie folgt zu übersetzen ist:29 Halte den Sabbattag und halte ihn heilig. So (‫ ) ַכּאֲשֶׁ ר‬befiehlt dir der Herr, dein Gott: … (Dtn 5,12). Auch das zweite k’šr bezieht sich nach Lang auf folgende Gebote. Von den Argumenten, die gegen diese Lösung sprechen, sei nur eines genannt: Warum gibt es nicht mehr Belege, bei denen k’šr in dieser Bedeutung verwendet wird? Zum Tarschischsilber: Palästina, dessen Wirtschaftsgeschichte weitgehend im Dunkeln liegt, ist ein metallarmes Land und war deshalb auf Importe angewiesen. Nach Ez 27,12 dürfte die Stadt Tyrus ein Umschlagplatz für Silber (wie auch für andere Metalle) gewesen sein, das aus Tarschisch stammt. Auch Jer 10,9 bringt (gehämmertes) Silber mit diesem Ort in Verbindung. Eine Verbindung von Südspanien30 und Silber stellen auch klassische Autoren her. Nach Herodot (IV 152) soll der griechische Handelsmann Kolaios von Samos, der von seinem Kurs abgebracht worden war, in Südspanien gelandet sein und von Tartessos 60 Talente Silber nach Hause gebracht haben, von denen er den Zehnten den Samiern abzugeben hatte. Diodor (5,35.4) weiß zu berichten, dass nicht die Iberer, sondern die Phönizier das Silber nach Griechenland und in den Osten gebracht hätten. Dazu passt nun scheinbar auch das Tarschischsilber auf dem vorliegenden Ostrakon – aber es passt eben zu gut und deshalb überhaupt nicht. Es setzt indirekt voraus, dass es verschiedene Arten von Silber gibt. Dass das Alte Testament davon nichts weiß, spricht nicht a priori dagegen. Der Tempel (von Jerusalem) dürfte – anders als Jeremia und Ezechiel in den eben zitierten Texten – nicht in erster Linie kulturgeschichtlich interessiert gewesen sein. Ihm kam es in erster Linie auf den Eingang des Geldes an. So könnte also gerade der Ortsname „Tarschisch“, der auf den ersten Blick Vertrauen in die Echtheit des Ostrakons weckt, Hinweis auf seine Unechtheit sein und vor allem eines bezeugen: die gute Bibelkenntnis des Fälschers. Gegen die vorliegende Interpretation darf auch nicht das zweite Ostrakon aus Tel Qasīle in Anschlag gebracht werden: zhb ’pr lbyt ḥrn š 10 10 1031 (Gold aus Ophir für Beth-Choron, Scheqel 30), das auch das (grammatikalische) Vorbild für das Ostrakon aus der Sammlung Moussaïeff gebildet haben könnte: Neben dem im Alten Testament sprichwörtlichen Ophirgold gibt es auch solches aus Ufas (Jer 10,9), und beim Ostrakon aus Tel Qasīle dürfte es sich um einen Lieferschein oder um eine Rechnung handeln. 27

Renz (1995: 325 [Ostrakon Meṣad Ḥašabyāhū 1:6]). Lang (1998: 22) nennt die folgenden Beispiele: Ex 1,12; Num 8,22; 36,10; Jos 11,15; 14,5; 1 Kön 2,38. 29 Lang (1998: 24). 30 Auf andere mögliche Lokalisierungen von Tarschisch kann hier nicht eingegangen werden. 31 Renz 1995: 230–231 [Ostrakon 2 T. el–Qasīle]). 28

Fälschungen

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Dies ist auch beim vorliegenden Ostrakon der Fall. Zusätzlich erschwert würde die Frage nach der Pragmatik der Inschrift, wenn mit dem Haus YHWHs nicht, wie es die beiden Personennamen nahelegen, der Tempel von Jerusalem gemeint wäre. Aber auch so erweist sie sich noch als schwierig. Wie k’šr in Z. 1 deutlich macht, ist das Ostrakon nicht ohne ein vorangehendes Schreiben oder eine mündliche Mitteilung zu verstehen, auf das es sich bezieht. Enthielt es etwa schon eine Aufforderung an den Adressaten, drei Scheqel zu bezahlen? Dann könnte es so etwas wie ein Mahnschreiben (mit drohendem Unterton) sein, die drei verlangten Scheqel Silber endlich zu bezahlen. Sich einen solchen Vorgang – und das zugehörige Ablagesystem! – praktisch vorzustellen, fällt schwer. Bei den beiden Ostraka aus der Sammlung Moussaïeff handelt es sich eindeutig um Fälschungen. Das zeigen im Falle von Artefakt 2 vor allem die Probleme mit der Grammatik, in dem von Artefakt 3 die Schwierigkeiten mit der Pragmatik; der Fälscher hat vergessen, sich einen sinnvollen Fundkontext vorzustellen. 5 Die Joasch-Inschrift (Artefakt 4, Abb. 4)32 Zu den wichtigsten altorientalischen Quellen gehören königliche Bauinschriften. Sie fehlen in Israel und Juda fast ganz. In 1 Kön 6–8 (par. 2 Chr 3–5) sind sie in fortlaufende Erzählungen eingebaut worden, wodurch sich ihr Charakter natürlich massiv verändert hat. Es wäre erstaunlich, hätte dieser Quellenmangel nicht auch Fälscher auf den Plan gerufen. Dies betrifft auch die Kultgeschichte, vor allem die des Tempels von Jerusalem. Die deuteronomistische Geschichtsschreibung in den beiden Königsbüchern interessiert sich stark für fremde Götter und Kulte, die aufs bestimmteste bekämpft werden. Dem korrespondiert aber nicht ein Interesse am Kult des Nationalgottes YHWH. Drei Ausnahmen bestätigen diese Regel: die Reformen Hiskias (2 Kön 18,4 par. 2 Chr 31,1) und Josias (2 Kön 22–23) sowie die organisatorischen Änderungen, die König Joasch bezüglich der Tempelfinanzen vornahm (2 Kön 12,1–17 par. 2 Chr 24,1–14). Er erließ einen Erlass, wonach für die Renovationsarbeiten am Tempel nicht mehr länger allein die Priester zuständig sind, sondern diese in die Verantwortung des Königs fallen. Die eingegangenen Gelder sollen allein für Reparaturarbeiten eingesetzt, nicht aber für kostspielige Luxusgegenstände aus Silber und Gold verwendet werden. Von diesen drei Berichten eignete sich der letzte am besten als Vorlage für die Herstellung einer Fälschung. Die Joasch’sche Reform ist eine kultgeschichtlich bedeutende, aber nicht sensationelle Maßnahme. Taucht nun plötzlich eine Inschrift auf, die von dieser Reform handelt, so ruft das nicht unbedingt das gleiche Misstrauen hervor, das sich einstellte, wenn eine Tafel entdeckt würde, welche den Namen Salomos enthielte und von der Einweihung des Tempels handelte. 2 Kön 12 berichtet in erster Linie davon, welche Maßnahmen König Joasch anordnete, nicht aber von ihrer Umsetzung. Diese Lücke schließt die Joaschinschrift:33 1) ’[nky yhw’š bn ’] 2) ḥzyhw ml[k. y] 3) hdh. w’‘ś. ’t. hb[yt. hz] 4) h. k’šr. nml’h. nd 5) bt. lb’š. b’rṣ. wbmd 6) br. wbkl. ‘ry. yhdh. l 7) tt. ksp. hqdšm. lrb 8) lqnt. ’bn. mḥṣb. wbr 9) šm. wnḥšt. ’dm. l‛śt 10) bmlk’h. b’mnh. w’‘ś 11) ’t. bdq. hbyt. whqrt. s 12) bb. w’t. hyṣ‛. whśbk 13) m. whlwlm. whgr‛t. wh

32

[Ich bin Joasch, Sohn von A-] chasja, König von Juda, und ich machte dieses Haus. Als voll war die Großzügigkeit des Herzens des/r Menschen im Lande und in der Steppe und in allen Städten Judas, zu geben Silber der Weihegaben in Menge, zu kaufen Bruchsteine und Wacholderholz und Kupfer aus Edom, zu tun im Werk gewissenhaft. Und ich machte den Riss / die Reparatur des Tempels und die Mauern rings um und den Anbau / die Schicht und die Geflechtwerke und die Falltüren / Wendeltreppen und die Rücksprünge und die

Ausgewählte Literatur: Cross (2003); Eph‛al (2003); Knauf (2003; 2003a). Die ausufernde populärwissenschaftliche Literatur kann und braucht hier nicht dokumentiert zu werden. 33 Zitiert nach Cross (2003: 119). Die beiden Hauptquellen, aus welchen er schöpfte, sind der Renovationsbericht 2 Kön 12 (fett) und der Tempelbaubericht 1 Kön 6–7 (unterstrichen). Ergänzend tritt die chronistische Version des Renovationsberichtes (2 Chr 24) dazu (schattiert).

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14) dltt. whyh. hym. hzh 15) l‛dt. ky. tṣlḥ. hml’kh 16) yṣw. yhwh. ’t. ‛mw. bbrkh

Türen. Und es wird sein dieser Tag zum Zeugnis, dass gelingen wird das Werk. Es möge gebieten YHWH seinen Völkern mit / in Segen.

Wäre diese Inschrift echt, so bildete sie eine Primärquelle für die Geschichte des Jerusalemer Tempels. Für diese Möglichkeit spricht die Tatsache, dass die alttestamentlichen Berichte, die von dieser Kultreform handeln, sich eng mit ihr berühren. Allerdings überraschte in diesem Fall, wie idiosynkratisch die Verfasser von 2 Kön 12 und 2 Chr 24 diese Quelle auswerteten – fast als hätten sie sich darüber verständigt, wer von den beiden was zitieren darf. Man müsste ihnen zudem vorwerfen, dass sie ihre Quellen nicht richtig verstanden oder gar absichtlich missverstanden. Dafür nur ein Beispiel, das sich leicht um andere vermehren ließe: Die Inschrift redet davon, dass die Arbeit gewissenhaft (b’mnh) geschehen soll (Z. 10). Diese adverbielle Näherbestimmung bezieht sich in 2 Kön 12,16 darauf, dass man mit den Verantwortlichen nicht abrechnete, da sie in Treue (b’mnh) handelten. Das ist nicht das Gleiche.

Abbildung 4: Die Joaschinschrift. Zeichnung: Autor, nach Greenstein (2016). Es erforderte einiges akrobatische Geschick, in der Joaschinschrift die Vorlage der biblischen Texte zu sehen, die sich mit ihr berühren. Umgekehrt bereitet es überhaupt keine Schwierigkeit, die Tafel als Patchwork zu entlarven, das ein moderner Fälscher aus verschiedenen Texten des Alten Testaments zusammenstellte, das er ausgezeichnet kennt. Im Folgenden soll gezeigt werden, auf welche Quellen der Fälscher bevorzugt zurückgriff. Die beiden Hauptquellen, aus welchen er schöpfte, sind der Renovationsbericht 2 Kön 12 und der Tempelbaubericht 1 Kön 6–7. Ergänzend tritt die chronistische Version des Renovationsberichtes (2 Chr 24) dazu. Diese drei Quellen machen gut die Hälfte der Inschrift aus. Sie decken aber nicht ihren Anfang und ihr Ende ab. Zum Eingang: Da das Alte Testament selber keine Königsinschrift enthält, musste der Fälscher selber eine „erfin-

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den“, wobei er sich an Beispiele aus dem altorientalischen Umfeld hielt; sie setzen gerne mit einer Selbstvorstellung des Königs ein. Cross hält es sogar für möglich, dass der Fälscher sich an der einschlägigen Arbeit Poebels, „Das appositionell bestimmte Pronomen der 1. Pers. Sing. in den westsemitischen Inschriften und im Alten Testament“ von 1932 orientierte.34 Sehe ich richtig, ist in der bisherigen Forschung eine weitere biblische Quelle der Inschrift übersehen worden, nämlich der Bericht von der Herstellung der Stiftshütte (Ex 25–27; 36–38), welche der Chronist in seinem Tempelbaubericht (2 Chr 3–4) stilistisch imitiert. In beiden Texten finden sich immer wieder, massiert der Befehl „(und) mache / macht“, respektive die zugehörigen Ausführungsvermerke (‫)עשׂה‬.35 Diese stilistische Eigenart übernimmt der Fälscher. Offensichtlich hält er sie für ein typisches Merkmal von Tempelbauberichten, was nicht zutrifft, fehlt sie doch in 1 Kön 6–8. Er übersieht zudem, dass Joasch nur Reparaturarbeiten am Tempel in die Wege leitet und nicht ein neues Heiligtum errichtet. Diese Tatsache sollte man auch nicht durch eine sehr freie Übersetzung von Z. 3 aus der Welt schaffen: „and I performed the work on th[is] ho[use].“36 Gegen den Eingang der Inschrift (Z. 3) erheben sich noch weitere Bedenken. Die Weiterführung eines Nominalsatzes durch ein Waw-Imperfekt überrascht. Die Konstruktion ist allerdings nicht unmöglich, wie Lev 20,26 zeigt.37 Der Übergang von der Selbstvorstellung zum historischen Teil der Inschrift überzeugt auch aus einem inhaltlichen Grunde nicht: Es fehlt an einer Datierung von Joaschs Reformmaßnahmen. Man vergleiche damit unter anderem die folgenden Stellen, in denen bedeutende Unternehmen von Königen datiert werden: 1 Kön 6,1 Und im vierhundertachtzigsten Jahr nach dem Auszug der Israeliten aus dem Land Ägypten, im vierten Jahr der Königsherrschaft Salomos über Israel, im Monat Siw 2 Kön 12,7f. Im dreiundzwanzigsten Jahr des Königs Joasch 2 Kön 22,3 Und im achtzehnten Jahr des Königs Josia Die fehlende Datierung erstaunt umso mehr, als der Fälscher der Joaschinschrift in seiner biblischen Vorlage sogar eine Datumsangabe vorfand, an der er sich hätte orientieren können (2 Kön 12,7!). Wie allein eine Durchsicht von „Kanaanäische und aramäische Inschriften“38 zeigt, sind in Königsinschriften die Handlungen des Souveräns immer eingebettet; es wird ausgeführt, in welcher Situation, unter welchen Umständen der König handelt. Es fehlt in der Joaschinschrift also an einer historischen Einordnung. Wie am Anfang der Inschrift muss ihr Verfasser auch am Schluss seine Phantasie bemühen. Er verweist auf hym. hzh. Damit ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Tag gemeint, an dem die Tafel mit der Inschrift enthüllt wurde. Das versteht sich für den Fälscher von selbst, erschließt sich vielleicht sogar den Lesern, ist aber nicht selbstverständlich. Der Fälscher greift hier auf Ex 12,14 zurück – ‫ – וְ הָ יָה הַ יּוֹם הַ ֶזּה ָלכֶם לְ ִזכָּרוֹן‬ersetzt aber ‫ לְ ִזכָּרוֹן‬durch l‛dt und lässt ‫ ָלכֶם‬weg, da sich die Inschrift nicht an Leser, respektive Zuhörer wendet. In Ex 12,14 ist übrigens anders als in der Joaschinschrift klar, um welchen Tag es sich handelt. Um die Joaschinschrift fand ein Prozess statt, in dessen Mittelpunkt ein gewisser Oded Golan stand. Am 29.02.2012 wurde er vom Vorwurf der Fälschung und des Betrugs freigesprochen. Es steht also nicht fest, wer die Fälschung hergestellt hat. Meines Erachtens war ein Team mit Experten aus verschiedenen Fachgebieten am Werk. Der Text dürfte allerdings auf den gleichen Mann zurückgehen, der auch die beiden Moussaïeff-Ostraka gefälscht hat. Die drei Texte berühren sich nämlich in gleich vier Punkten, was kein Zufall sein kann, umso weniger, als sie auf der Kenntnis anderer – echter – Inschriften beruhen:39 – k’šr (wie) in vorangestelltem Nebensatz – ltt / ntn byd: zu geben / in / durch die Hand geben

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Cross (2003: 120); Poebel (1932). Näheres dazu bei Mosis (1973: 140–141). 36 Cross (2003: 119). 37 Hinweis von Dr. Johannes Diehl, Frankfurt a.M. 38 Donner & Röllig (1971). 39 Vgl. schon Heide (2012: 227–230). 35

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– Näherqualifizierung von Metallen (Silber aus Tarschisch, Kupfer aus Edom; im Alten Testament auch eher selten) – ṣwh: gebieten. Allerdings fehlte es dem Fälscher an sprachgeschichtlichen Kenntnissen: Anders hätte er Joaschs Schreiber nicht die prophetische Kenntnis des Ivrit unterstellt und sich damit als Israeli oder guter Kenner des modernen Hebräisch zu erkennen gegeben.40 Weiter weiß er nicht, wie eine Bauinschrift aussieht; formgeschichtliches Gespür geht ihm ab. Er liest das Alte Testament vorkritisch, so als hätte es die historisch-kritische Forschung nie gegeben. Dass er keinen Unterschied zwischen den Königs- und Chronikbüchern macht, wiegt besonders schwer. Aber sogar ohne diese Sachkenntnisse fällt es nicht schwer, die Inschrift als Fälschung zu erkennen: Sie wirkt unzusammenhängend, fast wirr. 6 Zwei Siegelabdrücke mit dem Namen BRKYHW (Artefakt 5, Abb. 5) Es ist eines der bekanntesten, wenn nicht das bekannteste, in zwei Abdrücken erhaltene Stempelsiegel aus Israel. Ein Exemplar befindet sich im Israel Museum, das andere in der Moussaïeff-Sammlung. Sein Text lautet: lbrkyh w bn nryhw hspr

gehört dem BRKYHW, dem Sohn des NRYHW, dem Schreiber.41

Abbildung 5: Siegelabdruck mit dem Namen BRKYHW. Zeichnung: Autor, nach Goren & Arie (2014: 149 Abb. 2). Es handelt sich also um das Siegel von Jeremias Schreiber, der im gleichnamigen Buch einige Male mit seinem Patronym eingeführt wird (Jer 32,12.16; 36,4.8.14.32; 43,3.6; 45,1). Erst vor einigen Jahren wurde die Echtheit des Siegels aufgrund äußerer Kriterien bestritten.42 Bevor diese vorgeführt werden, sei nach möglichen inneren Gründen gefragt, die in diese Richtung weisen. Für das Verdikt „unecht“ spricht vorerst einmal nichts, gibt es doch einige Besitzervermerke, die formal gleich aufgebaut sind (zitiert nach Avigad & Sass 1997): lg’lyhw bn ‛dyhw hspr (Nr. 21, 57); lm’š bn mnḥ hspr (Nr. 22, 57); lšlm bn ’dnyh[w?] ḥpr (Nr. 23, 58; 3. Zeile wahrscheinlich hspr zu lesen); lḥnn bn ḥlqyhw hkhn (Nr. 28, 59); ? bn zkr / bnzkr hrp’ (Nr. 420, 177; unsicher).

40

Z. 16: ‛mw kann in epigraphischem Hebräisch nur „seine (zwei oder mehr) Völker“ bedeuten, nicht aber „sein Volk“; so mit Knauf (2003: 22). 41 Avigad & Sass (1997, 175–176 [Nr. 417]). 42 Goren & Arie (2014).

Fälschungen

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Alle diese Siegelinschriften sind nach folgendem Schema aufgebaut: gehörend dem / PN / Sohn des / Berufsbezeichnung. Berufe waren vererblich, und da es mehrere Familien gab, die den gleichen Beruf ausübten, durfte das Patronym nicht fehlen. Vielleicht gab es also so etwas wie ein Formular für bestimmte Berufsgruppen. Formgeschichtlich unterliegt das Baruchsiegel also keinen Bedenken. Als Indiz für seine Echtheit kann auch die gegenüber dem Alten Testament andere Namensform (nicht Baruch, sondern Berachjahu, mit theophorem Element) ins Feld geführt werden. Goren und Arie urteilen anders; nach ihnen handelt es sich bei den Siegelabdrucken eindeutig um eine Fälschung.43 Dabei argumentieren sie ausschließlich naturwissenschaftlich, und zwar im Rahmen eines Projekts, das am „Laboratory for Comparative Microarchaeology“ an der Universität von Tel Aviv eingerichtet wurde. Darin versuchte man etwa aufgrund der Zusammensetzung des Lehms u.a. die Herkunft der Siegel zu bestimmen. Als Ausgangsmaterial dienten Exemplare, die bei gesicherten Ausgrabungen gefunden worden waren. Zum Vergleich zog man solche aus privaten Sammlungen bei, häufig von „unprovenanced“ Herkunft. Baruch Brandl, ein Mitarbeiter dieses Laboratoriums, untersuchte die Siegelung eines Dokumentes von seiner technischen Seite her und gelangte dabei zu neuen Resultaten, die hier nicht im Detail vorgestellt werden müssen; er ging dabei von „provenanced“ Siegelabdrücken aus Juda vor. Bei einem Vergleich der beiden BRKYHW-Siegel mit den bei gesicherten Ausgrabungen gefundenen zeigte sich ein bezeichnender Unterschied: „they both engulfed only a single cord and, significantly, a crude one as opposed to the delicate strings that left their impressions in most of the provenanced bullae that we analyzed“.44 Diese Bullen sind insofern einzigartig, als sie nicht nach der Methode der zwei Lehmschichten geformt wurden, sondern jeweils aus einer einzigen Tonkugel, die um den letzten Teil einer dicken Schnur gelegt wurde, die an ihrem Ende zu einer Schlaufe gebogen war. Solche Bullen fehlen im 8. bis 6. Jh. v.u.Z. völlig, als die Bulla-Bildung konsequent auf der Zweischicht-Methode beruhte. Wenn dies über einem gefalteten Papyrus geschah, ist es schwer nachzuvollziehen, wie eine solche Bulle zum Versiegeln eines Dokuments dienen konnte oder wie sie daran befestigt bleiben konnte.45 Auch der Rohstoff, der zur Herstellung des BRKYHW-Siegels diente, unterscheidet sich von dem der Ausgangs- und Vergleichsgruppe. Zwei weitere Faktoren kommen hinzu: Siegel wurden getrocknet, nicht gebrannt, da sonst die mit ihnen gesicherten Dokumente verbrannt wären. Deshalb haben sich Siegel auch nur unter besonderen Umständen erhalten, etwa in besonders heißen und regenarmen Gegenden oder in bestimmten Gefäßen – und vor allem, wenn sie „verbrannt“ sind. Der Lehm der beiden BRKYHW-Siegelabdrücke hat seine Plastizität erhalten, ein Hinweis darauf, dass er nie bis zum Sintern erhitzt wurde, also verbrannt ist. Sollte es sich bei ihnen um echte Stücke handeln, so müssten sie in äußerst trockenen Gebieten gefunden worden sein. Zur Patina nur soviel: Der Kalk ist nicht gebrannt, das Siegel weist eine Calcithpatina auf, was nicht zusammenpasst. Mit weniger Aufwand und bestimmt auch weniger finanziellen Mitteln gelangte Rollston zum gleichen Verdikt wie Goren und Arie: „Within the Iron Age Old Hebrew script, the samek consistently towers over a pe that follows it.“46 Das ist beim Siegel des BRKYHW nicht der Fall. Es wird in Zukunft kaum mehr dazu verwendet werden, um Buchumschläge zu schmücken, die das Alte Testament oder die Geschichte Israels zum Gegenstand haben. 7 Der Elfenbeingranatapfel: die falsche Inschrift (Artefakt 6, Abb. 6) Wie so häufig bei Fälschungen, liegen die Fundumstände dieses Objekts, auf dessen oberem Teil eine Inschrift angebracht ist, im Dunkeln. Nach Lemaire47 tauchte der Granatapfel 1979 auf dem Antikenmarkt von Jerusalem auf. Avigad vermutet, er könnte bei einer offiziellen Grabung in Jerusalem gefunden und von einem Arbeiter illegal einem Antikenhändler verkauft worden sein. Er schließt aber auch nicht aus, dass es sich um „an accidental find or booty from an illegal dig“48 handelt. Über das Schicksal des Apfels liegen nur lückenhafte und zum Teil widersprüchliche Angaben vor. Das Objekt wurde – illegal – zeitweise außer Land gebracht (nach Paris) und 1988 anonym zum Kauf angeboten. Dank eines großzügigen Spenders aus Basel 43

Goren & Arie (2014). Goren & Arie (2014: 153). 45 Goren & Arie (2014: 155). 46 Rollston (2016: 83*). 47 Lemaire (1981). Auf die Zweifel an der Echtheit antwortet er in Lemaire (2006). 48 Avigad (1994: 128). 44

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gelangte es dann ins „Israel Museum“ in Jerusalem. Nachdem es dort viele Jahre als eines der spektakulärsten Ausstellungsobjekte viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, wurde es 2004 aus der Vitrine entfernt und wissenschaftlich untersucht, da ernsthafte Zweifel an der Echtheit der Inschrift geäußert worden waren. Die Experten gelangten zum Schluss, dass das Stück zwar alt sei und in die späte Bronzezeit (14. / 13. Jh. v.u.Z.) gehöre, die Inschrift aber später angebracht worden sei. In der Patina, die auf „alt“ gemacht worden war, fand man unter anderem Reste eines modernen Klebers. Die Resultate dieser Expertise sind allerdings nicht unbestritten.49 Der Fokus liegt im Folgenden ganz auf der Inschrift.

Abbildung 6: Der Elfenbeingranatapfel mit gefälschter Inschrift. Zeichnung: Autor, nach Wikikati, gemeinfrei, abgerufen von Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ivory_round_ 2.JPG [letzter Zugriff: 09.10.2021]. Die These, die bislang noch nicht vertreten wurde, vorweg: Auf den Granatapfel gehört keine Inschrift – und wenn schon eine, dann eine andere, nicht die, welche dort steht. Ähnliche Granatäpfel waren bei Ausgrabungen eines „kanaanäischen“ Tempels in Lachisch sowie auf Kition (Zypern) gefunden worden.50 Sie datieren bis ins 13. Jh. v.u.Z. Diese Granatäpfel wiesen unten ein Loch auf, durch das sie auf einen Stab aufgesteckt wurden. Ein solches Loch fand sich auch beim inkriminierten Exemplar. Was seine Verwendung betrifft, wagen sich die Experten nicht über das Verdikt „kultisch“ hinaus. In der Tat: Auch biblisch taucht der Granatapfel im Zusammenhang mit dem Kult auf: Die beiden Säulen Jachin und Boas waren mit hunderten von ihnen geschmückt (1 Kön 7,42), und an den Säumen des hohepriesterlichen Gewandes sind verschiedenfarbige Granatäpfel angebracht (Ex 28,33f.). Granatäpfel symbolisieren Leben und Fruchtbarkeit. Die Parallelen aus Lachisch und Kition sind unbeschriftet, was aufhorchen lässt. Das hier untersuchte Exemplar hätte allerdings ohne Inschrift mit Gewissheit nicht den hohen Preis erreicht, der tatsächlich dafür bezahlt wurde. Die Inschrift, die aufgrund paläographischer Kriterien ins 8. Jh. v.u.Z. datiert werden könnte, stellt zwar keine eineindeutige Beziehung zum Jerusalemer Tempel her, macht eine solche aber wahrscheinlicher als eine zu anderen Heiligtümern.

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Goren et al. (2005). Vgl. weiter Aḥituv et al. (2007), wobei die drei erstgenannten Autoren zum Schluß kommen: „we are still convinced that the inscription on the otherwise ancient pomegranate is a modern forgery. The main reason for this conclusion is the apparent caution of the engraver not to access the old break …“ (92). Der vierte Autor, Lemaire, dagegen hält am Verdikt „echt“ fest (92–94). 50 Avigad (1994: 134f.).

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Zur Inschrift, die rund um den Apfel verläuft: Ihre wahrscheinlichste Rekonstruktion lautet qdš khnym – lbyt yhwh: Heiliges der Priester – für das Haus YHWHs. Kempinski51 machte darauf aufmerksam, man könne anstelle von YHWH auch den Namen seiner Paredra Aschera lesen. Originell, aber nicht eben überzeugend: So ist dieser Vorschlag zu beurteilen. Beim byt yhwh denkt man fast automatisch an den Tempel Salomos in Jerusalem, und der Käufer des Objekts dürfte auch kaum auf die Idee gekommen sein, mit ihm könnte etwa ein Heiligtum in Nob oder an anderen Orten gemeint sein. Eine andere Herkunft als Jerusalem hätte in seinen Augen dessen Wert stark fallen lassen. Da die Inschrift kaum grammatikalische Marker aufweist, kann sie auf drei unterschiedliche Weisen übersetzt werden, wobei der Grammatik zum Teil Gewalt angetan werden muss:52 – (Gehörend?) zum Hause YHWH …, Heiliges der Priester – Heilige Gabe für die Priester des (im) Hause(s) YHWHs – (Gehörend) den Priestern des Hauses von YHWH. Heilig Für die erste Übersetzung, bei der die beiden Elemente auch umgestellt werden können, spricht deren Anordnung. Sie sind je durch einen größeren Zwischenraum voneinander getrennt. Mit der bloßen Übersetzung der beiden Phrasen, bei der es die Ausleger im Allgemeinen belassen, ist es allerdings nicht getan. Es gilt auch ihre Pragmatik zu erheben, was nicht unabhängig vom Objekt, auf dem sie steht, geschehen kann: Wozu diente es? Beim Versuch, dies herauszufinden, stößt man auf beträchtliche Schwierigkeiten. Es will nicht gelingen, eine Verwendung des Granatapfels zu finden. Was bedeutet „ein Heiliges der Priester“? Recht häufig wird die Phrase mit „heilig für die Priester“ übersetzt, aber da erwartete man in Analogie zum alttestamentlich belegten ‫ קֹ דֶ שׁ לַיהוָה‬ein ‫ קֹ דֶ שׁ לַכֹּ הֲנִ ים‬und nicht ‫קֹ דֶ שׁ הַ כֹּ הֲנִ ים‬. Letzterer Ausdruck ist im Alten Testament durchaus belegt (Num 6,20): Und der Priester soll sie vor dem Herrn als Weihegabe hin und her schwingen, es ist eine heilige Gabe für den Priester (‫)קֹ דֶ שׁ הוּא לַכֹּ הֵ ן‬. Das heißt: Die Weihegabe gehört dem Priester, ist für ihn bestimmt. Das Gleiche trifft für das den Priestern gehörige / reservierte Land (Ez 45,4) zu. Auch hier wird mit ‫ ל‬konstruiert: Ein heiliger Bereich vom Land ist das; er wird den Priestern gehören, die den Dienst verrichten im Heiligtum (‫)קֹ דֶ שׁ ִמן־הָ אָ ֶרץ הוּא לַכֹּ הֲנִ ים ְמשָׁ ְרתֵ י הַ ִמּקְ דָּ שׁ‬. Das Nomen ‫( קֹ דֶ שׁ‬im status constructus Plural) ist im Alten Testament durchaus belegt (Lev 5,15; 21,22; 22,2.15; Num 5,9; 18,8.32; 1 Kön 7,51; 15,15 (2x); Ez 42,13; 2 Chr 5,1; 15,18; 24,7; 31,14), aber dabei handelt es sich um Weihegaben und um Kriegsbeute, welche die Könige in den Tempel bringen. Darum kann es sich bei der Inschrift auf dem Granatapfel nicht handeln. Alle drei Übersetzungsvorschläge sind mit Problemen verbunden. Der Fälscher wusste wohl von den archäologischen Parallelen aus Lachisch und Kition her, dass der Granatapfel, auf einen Stab aufgesteckt, von Priestern im Rahmen des Kultes, bei heiligen Handlungen in einem Tempel eingesetzt wurde. Diese Vorgaben setzt er sprachlich vollständig um, und zwar mit den Ausdrücken: heilig / Haus YHWHs / Priester. Aber was auf der sprachlichen Ebene einen guten Sinn ergibt, tut das pragmatisch nicht. Jeder, der den Kult kannte und beschrieb, musste wissen, dass der mit einem Granatapfel gekrönte Stab von einem bestimmten, ihm bekannten Funktionsträger, am wahrscheinlichsten einem Priester, getragen wurde. Der Stab brauchte deshalb keinen Eigentümervermerk zu tragen. Wenn er als solcher gemeint wäre, bedeutete er etwa: Diesen Stab dürfen nur Priester, nicht aber Leviten verwenden. Diese Aussage ergibt keinen Sinn. Auf dem Priestergewand, respektive dem heiligen Diadem aus reinem Gold, steht auch nicht geschrieben: Heiliges der Priester, sondern eben: Heilig für YHWH (Ex 39,30). Das gehörte auf den Granatapfel geschrieben, wenn dort überhaupt etwas geschrieben stand. „Für das Haus YHWHs“ ist eine überflüssige Angabe: Wenn der Stab mit Granatapfelaufsatz für den Kult bestimmt war, befand er sich eh entweder im eigentlichen Tempelgebäude oder in einem seiner Nebenräume. Der Fälscher, der den Granatapfel mit einer kurzen Inschrift versah, darf als Glückspilz gelten. Er verfügte über hochwertiges und teures Material, das er beschreiben konnte, sein Arbeitsaufwand hielt sich in Grenzen, aber der Gewinn, den er mit ihm erzielte, dürfte riesig gewesen sein. Der beschriebene Granatapfel kostete 51

Kempinski (1990 [Ivrit]). Vgl. den Eintrag „Granatapfel“ auf Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Granatapfel [letzter Zugriff: 11.01.2021]). 52

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sicher mindestens zehn- oder zwanzigmal so viel wie das nackte Original. Ins Bodenlose dürfte sein Preis auch nicht fallen, nachdem seine Unechtheit feststeht, zu gut und interessant ist die mit ihm verbundene Geschichte. 8 Die Inschrift von Paraíba:53 zuviel des Phönizischen54 (Artefakt 7, Abb. 7) 1872 wurde Ladislau de Souza Mello Neto, der Direktor des Nationalmuseums von Rio de Janeiro, mit der Publikation einer Kopie einer Inschrift (auf Stein) betraut, die angeblich in Pouso Alta, nahe beim ParaíbaFluss in Nordostbrasilien gefunden worden war. Die genaue Herkunft der Inschrift und der Weg, auf dem sie zu Neto gelangte, ließ sich letztlich nicht mehr erhellen. Zu einer formalen Publikation der Inschrift durch Neto kam es allerdings nicht, da er, ursprünglich von ihrer Echtheit überzeugt, zunehmend zur Erkenntnis gelangte, dass es sich bei ihr um eine Fälschung handle. Diese Beurteilung verdient umso mehr Respekt, als sich Neto das Phönizische eigens aneignen musste, um die Inschrift publizieren und interpretieren zu können. Der Inschriftenfund fiel auf fruchtbaren Boden, da der damalige brasilianische Kaiser, Dom Pedro II, von Cross mit einem Renaissancefürsten verglichen,55 auch orientalische Studien betrieb, sich unter anderem Hebräisch und Arabisch aneignete. Geographisch gesehen bildete Brasilien nur einen Außenposten der Bibelbegeisterung Europas des 19. Jahrhunderts. Der Beginn der 70-er Jahre erwies sich diesbezüglich als besonders fruchtbar: 1868 wurde die Meschastele entdeckt, und nur ein Jahr später fand man auf dem Tempelberg von Jerusalem einen Block aus der Zeit des herodianischen Tempels, auf dem eine Inschrift angebracht war, welche den Heiden unter Androhung der Todesstrafe untersagt, das eigentliche Tempelareal zu betreten.56 Diese sensationellen Funde erweckten Begehrlichkeiten, brachten die Fälschungen hervor, zu deren bedeutendsten die weiter unten behandelten Pseudomoabitica gehörten – und eben die Paraíba-Inschrift; ihrer beider Publikation liegt nicht weit auseinander. Doch warum sollte man in Brasilien mit phönizischen Vorfahren rechnen – dies die Aussage, die hinter der Paraíba-Inschrift stünde, wenn sie echt wäre –? Im England des 19. Jahrhunderts zirkulierten Legenden, wonach die Briten phönizische Ahnen hätten.57 Besonders Cornwall brachte man mit ihnen in Verbindung. Nicht einheimische (noble) Vorfahren, die aus einem fernen Land stammen, und Nationalstolz brauchen einander nicht zu widersprechen. Davon zeugt eben die in England beliebte und von Waddell in einem gelehrten Buch vertretene Auffassung von den phönizischen Ursprüngen (nicht nur) der Briten.58 1872, also im gleichen Jahr, da die Paraíba-Inschrift entdeckt wurde, kehrte Dom Pedro von einer Orientreise nach Brasilien zurück. Es könnte gut sein, dass man ihm eine Freude zu bereiten suchte, indem man ihm eine Inschrift präsentierte, dank der auch Brasilien zu orientalischen, näherhin phönizischen Vorfahren gelangte. Obwohl, wie bereits angetönt, die Inschrift relativ rasch als Fälschung entlarvt wurde, kann es im späten zwanzigsten Jahrhundert noch einmal zu – gleich drei – Versuchen, dieses Verdikt umzustoßen: durch Böhm, einen wissenschaftlichen Außenseiter, der eine verrückte These in die Welt setzte,59 durch den Bonner Alttestamentler Lienhard Delekat, der eine Monographie über die Inschrift in den Bonner Biblischen Beiträgen veröffentlichte,60 und durch keinen geringeren als den amerikanischen Altorientalisten Cyrus Gordon, der sich um Publikation und Interpretation der ugaritischen Texte bleibende Verdienste erworben hatte.61 Während Delekat in den Sidoniern, die es nach Brasilien verschlug, Händler oder Piraten erblickt,62 erklärt Gordon das eigenartige Phönizische der Inschrift mit einem Seemannssemitisch der Ausgewanderten, die in Ezjon-Geber vielfältigen sprachlichen Einflüssen ausgesetzt waren.63 53

Alternative Schreibungen: Parayba, Parahayba. Für ihre Echtheit sprechen sich unter anderem aus: Gordon (1968); Gordon (1968a); Delekat (1969); schwankend: Schlottmann (1874); dagegen: Cross (1968); Friedrich (1968). 55 Cross (1968: 439). 56 Clermont-Ganneau (1872). 57 Waddell (1924/1925). 58 Siehe Waddell (1924/1925). 59 Böhm (1993). Die Inschrift ist nach ihm in ihrer vorliegenden Form zwar eine Fälschung, in der aber eine echte Inschrift in unbekannter Sprache eingefügt worden sei. 60 Delekat (1969). 61 Gordon (1968). 62 Delekat (1969: 41–45). 63 Gordon (1968). 54

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Abbildung 7: Die Paraíba-Inschrift. Zeichnung: Autor, nach Moscati (1988: 571). Hier der Text – in vielen Punkten herrscht über seine Bedeutung keine Einigkeit:64 1) nḥn’ bn kn‛n mṣdn mhqrt hmlk sḥr hšlk 2) n’ ’l ’y z rḥqt ’rṣ hrm wnšt bḥr l‘lynm 3) w‛lywnt bšnt tš‛t w‛śrt lḥrm mlkn’ ’dr 4) wnhlk m‛ṣ[y]wn gbr bym sp wnns‛ ‛m ’nyt ‛śrt 5) wnhyh bym yḥdw štm šnm sbb l’rṣ lḥm wnbdl 6) myd b‛l wl’ nh[yh] ’t ḥbrn’ wnb’ hlm šnm ‛sr 7) mtm wšlšt nšm b’y ḥd[š]t ’š ’nky mt‛š[t]rt ’dr 8) ḥbl [nḥl?]ty’ ‛lywnm w‛lywnt yḥnn’ 1) We are sons of Canaan from Sidon from the city of the king. A storm / commerce65 cast 2) us on this distant shore, a land of mountains, and we gave a young man to the gods 3) and goddesses, in the nineteenth year of Hirom, our great king. 4) We went from Ezion-geber on the Red Sea and departed with ten ships. 5) We were at sea together two years circling the land belonging to Ham but were separated 6) from the (protecting) power of Baal and were no longer with our company. We arrived here twelve 7) men and three women on the new shore of which I, Mat‛aštart, the cap8) tain, have taken possession. May the gods and goddesses grant us grace. In einer ausführlichen Analyse der Inschrift weist Cross nach, dass die Buchstabenformen ein Potpourri aus verschiedenen Zeiten bilden. Das erklärt sich leicht damit, dass der Fälscher verschiedene Inschriften und Schrifttabellen vor sich hatte und als „Anfänger“ nicht gut zwischen den Zeichenformen der einzelnen Epochen unterscheiden konnte. Allzu eindeutige Aussagen verbieten sich aber, weil nur Kopien des Originals vorliegen, wenn es denn ein solches überhaupt gab. Der Fälscher schreibt, was in der bisherigen Forschung noch nicht herausgestellt worden ist, mit einer Ausnahme die Wörter zeilengetrennt. Bei dieser einen Ausnahme erfolgt die Trennung zudem vor dem Suffix (Z. 1–2). Nach welchem System der Fälscher von der einen auf die nächste Zeile wechselt, ist nicht erkennbar. 64 65

Cross (1968: Text 442, Übersetzung 442.444). Siehe dazu auf der Seite unten letzter Punkt zum Phönizischen.

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Die Grammatikfehler springen von der heutigen Kenntnis des Phönizischen her geradezu ins Auge. Sie wiegen allerdings vom damaligen Kenntnisstand des Phönizischen her nicht allzu schwer. Zudem entzieht sich unserer Kenntnis, welche Hilfsmittel dem Fälscher zur Verfügung standen. Schelte verdient er auf keinen Fall, und Cross bemerkt zu Recht: „It was not a bad job of forgery for its day.“66 Im Folgenden sei anhand von Schröders Werk von 1864 gezeigt, was damals über das Phönizische und die Phönizier bekannt war, und zwar nicht durch Detailstudien, sondern durch eine Monographie. – Das Personalpronomen der 1. Pl. lautet im Phönizischen ’nḥn und nicht nḥn’ (Z. 1);67 die Form verzeichnet schon Schröder.68 ‫ נָחְ נוּ‬erscheint im Hebräischen an einigen wenigen Stellen als Nebenform von ‫ ֲאנַחְ נוּ‬.69 Kannte sie der Fälscher der Paraíbainschrift, oder meinte er zu wissen, wie das Personalpronomen der 1. Pl. im Phönizischen lauten müsse? – Die Selbstvorstellung der Gruppe als bn kn‛n (Z. 1) mag erstaunen oder gar befremden; sie braucht es aber nicht. Schröder etwa weist gleich zu Beginn seines Werkes auf die vielen Stellen aus der klassischen Literatur sowie aus dem Alten Testament hin, an denen kn‛n als Bezeichnung für Phönizien dient.70 Seine diesbezüglichen Ausführungen sprechen Bände: „Die Phönizier nannten ihr Land bis in die späteste Zeit hinein Kaná‛an“71; „so waren auch im späteren Sprachgebrauch dem Israeliten Kanaanäer d. h. vorzugsweise Sidonische Phönizier und Kaufleute identische Begriffe“72. Letzterer Satz erklärt nun auch, warum die scheinbar in Brasilien gestrandeten Phönizier aus Sidon stammen müssen und nicht etwa aus Tyros oder Byblos kommen dürfen. „Sidonier“ war eine Zeit lang bedeutungsgleich mit „Phönizier“. Der Fälscher der Inschrift weiß also, wie sich „richtige“ Phönizier vorstellen, und er wendet dieses Wissen auch an. – Dass Sidon eine Königsstadt ist (Z. 1), weiß er aus der Eschmunazorinschrift, die zur Zeit seines Wirkens bereits publiziert und weit herum bekannt war.73 – Cross stört sich am Satz „Handel warf uns auf eine entfernte Insel“ und ersetzt das Nomen sḥr (Z. 1) in Anlehnung an Jon 1,4.12 durch s‛r, „Sturm“.74 Inhaltlich ergibt das tatsächlich einen besseren, vernünftigeren Sinn, aber stärker als diesen gewichtete der Fälscher das phönizische Kolorit des Textes – und Sidonier sind nun mal typische Händler, wie Jes 23,2 zeigt: „Es wehklagten die Bewohner der Küsten, die Händler aus Sidon (‫)סֹ חֵ ר צִ ידוֹן‬.“ Zwar berichtet das Alte Testament noch häufiger vom Handel der Tyrer (Jes 23,8; Ez 27f.), aber einen ‫( סֹ חֵ ר צֹ ר‬Händler aus Tyros) kennt es nicht. So, als wären der Clichés über die Phönizier noch nicht genug, bedient der Fälscher gleich noch weitere: Die Seefahrer opfern den Göttern und Göttinnen, die auch noch im Segenswunsch von Z. 8 auftauchen, einen Jüngling (Z. 2). Auf die Historizität dieser Kultübung ist hier nicht einzugehen. Es genügt der Verweis auf antike Quellen, nach denen Phönizier und Punier ihren Göttern Kinder opferten.75 Den Ausdruck „Götter und Göttinnen“ hat der Fälscher auch nicht selbst geprägt, sondern Plautus’ Komödie Poenulus entnommen, die in Akt 5 punisch wie folgt einsetzt:76 Yth alonim ualonuth sicorathi simacom syth. Die Götter und Göttinnen verehre ich dieses Ortes. Allerdings ist dem Fälscher keine korrekte Umsetzung dieses Ausdrucks ins „klassische“ Phönizisch gelungen. Wahrscheinlich hat er auch das hebräische Gottesepitheton ‛lywn („der Höchste“) im Ohr oder auf dem Papier vor sich, weshalb er fälschlicherweise Ayin statt Aleph schreibt. Hier bietet sich ihm nun auch die Gelegenheit, mittels eines Datums einen weiteren Phönizier – den bekanntesten! – einzuführen, nämlich Hiram. Es gibt gleich drei königliche Träger dieses Namens, aber wie die gleich folgende Ortsangabe EzjonGeber zeigt, dürfte damit der Zeitgenosse Salomos gemeint sein. Dumm nur, dass alle Herrscher dieses Na-

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Cross (1968: 460). Friedrich et al. (1999: 64 [§ 110]). 68 Schröder (1869: 144). 69 Gen 42,11; Ex 16,7.8; Num 32,32; 2 Sam 17,12; Klgl 3,42. 70 Schröder (1869: 6–7). 71 Schröder (1869: 6). 72 Schröder (1869: 7). 73 Schröder (1869: 223–225). 74 Cross (1968: 446). 75 Näheres bei Hughes (1991: 115–129). 76 Nixon (1932: 94–95). 67

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mens Könige von Tyros und nicht von Sidon waren. Zu Ezjon-Geber: Dort soll Salomo nach 1 Kön 9,26 Schiffe gebaut, also auch einen Hafen unterhalten haben. Damit bringt der Fälscher möglicherweise zum Ausdruck, dass die als Seefahrer berühmten Phönizier auch in dieser ihrer Königsdisziplin von Israel abhingen – vom strahlendsten seiner Könige. Wie sehr der Fälscher unsere Bewunderung verdient, geht auch daraus hervor, dass er König Hiram ein typisch phönizisches Adjektiv beilegt, nämlich ’dr (Z. 3),77 mit dessen Hilfe er auch den Begriff ’dr ḥbl formuliert (Z. 7–8; Jona verwendet dafür ‫ ַרב הַ חֹ בֵ ל‬, Jon 1,6). Was die Seefahrt der nach Brasilien Gelangten betrifft: Phönizier sind Seefahrer, und das braucht nicht durch Stellen belegt zu werden. Auf ihrer Fahrt erscheint den Seeleuten auch Baal. Die Pantheia der einzelnen phönizischen Städte sind je unterschiedlich zusammengesetzt. An der Spitze desjenigen aus Sidon steht Baal. Das könnte also ein Hinweis auf ihre Echtheit sein, doch war die enge Verbindung zwischen Sidon und Baal aus der Inschrift Eschmunazors II. bekannt (KAI 14,1878). Von den Quellen, die der Fälscher benutzte, ist eine bisher noch nicht genannt worden: der Periplus des Hanno,79 eines karthagischen Seefahrers, der um 470 v.u.Z. von seiner Heimatstadt aus eine Umsegelung der westafrikanischen Küste unternommen haben soll, dies unter anderem, um Städte zu gründen. Auch wirtschaftliche Zwecke dürften die „Sidonier“ verfolgt haben, die nach Brasilien segelten. Die Paraíbainschrift könnte also dem Periplus nachempfunden sein. Das würde auch ein Detail in der Inschrift erklären, das sonst im Dunkeln bliebe. Auf den Schiffen des Hanno befand sich eine riesige Menge von Männern und Frauen, insgesamt 30’000 an der Zahl (Fol. 55 r 8– 9). Auch die gefälschte Inschrift weiß davon, dass die Schiffsbesatzung gemischtgeschlechtlich zusammengesetzt war: Neben zwölf Männern befanden sich auch drei Frauen an Bord des Schiffes, das in Brasilien landete. Beim Vergleich der beiden Texte fällt auch eine Eigenheit der Fälschung auf, die man ohne diese Gegenüberstellung kaum entdeckte: Sie enthält nur Gemeinplätze, aber keine konkreten Angaben über die Reise wie der Periplus. Die Phönizier stellen sich im fernen Brasilien vor: doch wohl den Brasilianern, die des Phönizischen kaum mächtig sein dürften und auch über den Inhalt dessen, was da steht, erst belehrt werden müssten. Die sidonischen Seefahrer scheinen nach Ausweis ihrer Inschrift recht demokratisch gesinnt gewesen zu sein. Jedenfalls erscheint der Kapitän des Schiffes, Mataschtart, erst ganz an ihrem Ende – als Eroberer der neuen Küste. Erst hier gibt er sich als Verfasser der Inschrift zu erkennen (Z. 6–8): 80 We arrived here twelve men and three women on the new shore of which I, Mat‛aštart, the captain, have taken possession. Ein Kapitän, der sich nicht gleich zu Anfang der von ihm verfassten Inschrift als solcher zu erkennen gibt, befremdet nun allerdings im Alten Orient. Maßgeblich zu seiner Glaubwürdigkeit trägt allerdings der Name bei, den er trägt: Mataschtart. Es ist, obwohl er zur Zeit der Fälschung nicht belegt war, ein gut phönizischer / punischer Name, und zwar von seiner Bildungsweise her, für die sich in Schröders Publikation einige Belege finden: „Dienerin der Aschtarte“ (’mt + GN).81 Es handelt sich also um einen Frauennamen. Der Verfasser der Fälschung hat ihn aber mit Sicherheit anders verstanden, nämlich als „Mann der Aschtarte“, wohl in der Bedeutung: „Aschtarte zugehörig“. Dieser Typus eines Eigennamens ist im Phönizischen nicht belegt, wie es auch keine Belege des bloßen Nomens mt „Mann“ kennt. Trotzdem hat der Fälscher mit seiner Bildung keinen Missgriff getan. Es gibt nämlich, wie er allerdings noch kaum wissen konnte, akkadische, amurritische, ugaritische und hebräische Eigennamen, die mit dem Element mt gebildet sind. Der bekannteste unter ihnen ist Metusalem (auf Hebräisch: ‫„ = ְמתוּשֶׁ לַח‬Mann des Speeres“?). Ob ihm die Bedeutung dieses Namens bekannt war und er an ihn dachte, als er den Kapitän der Sidonier „taufte“, entzieht sich unserer Kenntnis. Das Nomen mt* kannte er. Er verwendet es in Z. 6f., wo er von den zwölf Männern (mtm) und den drei

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Belege: Hoftijzer & Jongeling (1995: 17–19); Mathys & Stucky (2018, 369 [Ph 30,7]). Donner & Röllig (1971: 3). 79 Griechischer Text mit englischer Übersetzung und ausführlichem Kommentar: Oikonomides & Miller (1995). 80 Cross (1968: 444). 81 Siehe dazu Benz (1972: 270 [elidiertes Aleph]); mt kann nach ihm allerdings auch Abkürzung von mtn sein. Siehe schon Schröder (1869: 331). 78

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Frauen (nšm) spricht, aus denen sich die Besatzung des Schiffes zusammensetzte. Diese beiden Ausdrücke finden sich auch Dtn 2,34; 3,6 nebeneinander; von daher dürfte der Fälscher sie entlehnt haben. Der Fälscher der Paraíbainschrift kennt das Alte Testament und beherrscht das Phönizische recht gut. Könnte es sich bei ihm um einen europäischen Geistlichen handeln, der in Brasilien wirkte, möglicherweise sogar am Hofe von Pedro II.? Interesse an seiner Inschrift konnte er beim Kaiser auf jeden Fall voraussetzen. 9 Die Pseudomoabitica – oder wie aus Fälschungen Originale wurden (Artefaktgruppe 8, Abb. 8)82 Noch 2001, anlässlich des XVII. Kongresses der „International Organization for the Study of the Old Testament“ in Basel, suchte ein Fachgenosse in der Universitätsbibliothek sowie im Frey-Grynäum, dem Wohnort von Emil Kautzsch in den Jahren 1874–1880, nach Pseudomoabitica. Shulamith Lapid, eine bekannte israelische Schriftstellerin, verarbeitete das Leben von Moses Schapira, dem Hauptprotagonisten in der Fälschungsaffäre, in einem ihrer Bücher: „Er begab sich in die Hand des Herrn. Ein archäologischer Kriminalroman“.83 Sie ist auch Besitzerin von Pseudomoabitica, die sie in einer Ausstellung in Tel Aviv einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machte.84

Abbildung 8: Beispiele von Inschriften auf Pseudomoabitica. Zeichnung: Autor, nach Kautzsch & Socin (1876). Oben: Inschrift 26b Zeile i 2. Unten: Basel No. 1 (α). Sie gehören zu den bekanntesten Fälschungen des vorletzten Jahrhunderts, und für die Alttestamentler sind sie die wichtigsten überhaupt. Das hat mehrere Gründe. Das 19. Jahrhundert gilt mit Recht auch als das der Bibel – und damit eng verbunden: das am Alten Orient interessierte Jahrhundert; wenigstens trifft dies für die protestantischen Länder zu. Generell erlebten die Altertumswissenschaften im 19. Jahrhundert einen beispiellosen Aufschwung. Mit ihm ging auch der Historismus parallel. Schließlich lässt sich die zweite Hälfte des Jahrhunderts als die des Nationalismus charakterisieren. Wo Bibelbegeisterung, starkes Interesse am Alten Orient, vor allem Archäologie, sowie Nationalismus miteinander Verbindungen eingingen, kam es gele-

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Über das Literaturverzeichnis der neusten umfangreichen Untersuchung (Heide 2012) kann die ältere Literatur leicht erschlossen werden. – Aus neuerer Zeit vgl. noch Freye (2018: 58–117). 83 Lapid (1991). 84 Der Ausstellungskatalog (Salmon et al. 2000) nennt nicht weniger als zwanzig Leihgeber, Institutionen wie Private.

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gentlich zu interessanten Verwerfungen. Alle genannten Ingredienzen (außer dem Historismus) sind im Falle der Pseudomoabitica gegeben. Ihre Geschichte kann hier nur skizzenhaft nachgezeichnet werden. 1868 hatte der elsässische Missionar Frederick August Klein in Dhiban die sogenannte Meschastele entdeckt, in deren Zentrum die Rückeroberung von an die Omridynastie verlorenen Gebieten durch König Mescha steht. Das Interesse der Europäer an dieser Stele entging auch den einheimischen Beduinen nicht, die im Innern des Steines wohl Geld vermuteten und ihn deshalb sprengten. Zum Glück hatte Charles ClermontGanneau vorher eine Kopie der Inschrift anfertigen lassen, mit deren Hilfe ihre nicht mehr erhaltenen Teile rekonstruiert werden konnten. Bald war klar: Die Europäer waren nicht auf der Suche nach verlorenen Schätzen gewesen, sondern interessierten sich für „Schrift“. Nur kurze Zeit nach Entdeckung der Meschastele tauchten auf dem Antikenmarkt Jerusalems Tonwaren in großer Zahl auf, vor allem Gefäße, die entweder mit Schriftzeichen (Buchstaben) oder mit Figuren versehen waren und die aus Moab stammen sollten. Die Nachricht davon verbreitete sich wie ein Lauffeuer, nicht nur in Jerusalem, sondern auch in Europa. Durch die Vermittlung von Hermann Weser, der bis 1876 als Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Jerusalem wirkte, gelangte der bekannte Orientalist Konstantin Schlottmann in Besitz von Zeichnungen einiger dieser Objekte. Verdienstvollerweise machte er sich gleich daran, diese zu publizieren.85 Zwar berührt er schon in seinem ersten Aufsatz das Thema der möglichen „Fälschungen“, wie er das übrigens auch bei der Meschastele getan hatte, aber er zitiert auch zustimmend Weser: „Den wilden Beduinen dort drüben lässt sich kaum zutrauen, dass sie dergleichen anfertigen, und wenn, so würden sie’s sicher nicht ohne vorhandene Vorbilder haben machen können.“86 Und obwohl sich auch bei ihm Äußerungen finden, die nach heutigen Maßstäben als rassistisch gelten würden, vertraut er doch den in den Skandal verwickelten Protagonisten. Sehr viel nüchterner und deshalb skeptischer werden Albert Socin und Emil Kautzsch urteilen, dank deren Arbeit sich der Ausdruck „Pseudomoabitica“ endgültig durchgesetzt hat. Bevor deren Geschichte weiterverfolgt wird, seien die weiteren in den Skandal verwickelten Männer vorgestellt. In seinem Zentrum steht Moses Wilhelm Schapira, ein 1830 in Polen geborener Jude, der zum Christentum konvertierte und die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte. Als er 25 Jahre alt war, folgte er seinem Vater nach Jerusalem, wo er im christlichen Quartier einen Antiquitätenladen betrieb. Eine ebenso schillernde Gestalt wie er war der vielseitig begabte Dragoman Selim al-Khouri, der die Verbindung zwischen Schapira und Moab herstellte, von woher er die Fundstücke, die er dort vorher an geeigneter Stelle hatte vergraben lassen, wieder zurück nach Jerusalem brachte. Unter anderem da die Zweifel an der Echtheit der Moabitica nicht verstummten, unternahm H. Weser, ein früherer Schüler Schlottmanns und Pfarrer an der deutschen Erlöserkirche von Jerusalem, zusammen mit Selim und dem Kaufmann Wilhelm Duisberg eine Inspektionsreise in einige Teile Moabs, wo sie eine beträchtliche Anzahl an weiteren Moabitica ausgruben. Sie hatten sich von Selim und den Einheimischen, mit denen er aufs Beste zusammenarbeitete und die mit Sicherheit von dieser Zusammenarbeit pekuniär profitierten, hinters Licht führen lassen. Die Freude und Begeisterung über die Entdeckung so bedeutender Antiqua hatte ihnen den Verstand geraubt. Der nächste wichtige Akt im Drama um die Pseudomoabitica ist ihr Ankauf durch Preußen. Auf der Generalversammlung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom 28.9.1872 wurde auf Vorschlag Schlottmanns der Antrag angenommen, dem Königlich-Preußischen Kultusministerium den Ankauf von Moabitica zu empfehlen. Dazu kam es ein Jahr später. Als Käufer traten allerdings nicht die Museen auf, denen die Moabitica verdächtig vorkamen, sondern die Regierung selber, präziser der königliche Unterstützerfonds, aus dem die beträchtliche Kaufsumme von 20’000 Talern entnommen wurde. Für den überstürzten Ankauf bestand allerdings kein Grund; es hatten sich nämlich keine weiteren Kaufinteressenten gemeldet. Das hätte die Preußen misstrauisch stimmen müssen. Ein gewichtiger Grund für ihre Hast war, dass Deutschlands Streben nach einem „Platz an der Sonne“ sich auch in der Kulturpolitik äußerte.87 Unterdessen ging die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die Echtheit der Moabitica weiter, auch unter reger Anteilnahme einer interessierten Öffentlichkeit. Sie erfolgte unter anderem in „The Athenaeum“, einem britischen, äußerst angesehenen literarischen Magazin; dieses publizierte Artikel von Autoren, die sich für und gegen die Echtheit der Moabitica aussprachen. Zu den letzteren gehörte unter anderem Charles Cler85

Schlottmann (1872); Schlottmann (1872a); Schlottmann (1872b). Schlottmann (1872: 394). 87 Den Ausdruck verwendete am 6. Dezember 1897 erstmals der damalige Staatssekretär und nachmalige Kanzler Bernhard von Bülow. Er wird jedoch auch – von dieser historischen Situation gelöst – allgemein für deutsche Großmachtsbestrebungen im 19. Jahrhundert verwendet. 86

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mont-Ganneau, einer der brilliantesten Semitisten und Epigraphiker seiner Zeit, der sich schon früh und bestimmt gegen die Echtheit der Moabitica ausgesprochen hatte.88 Das größte Verdienst in der Sache kommt jedoch den damals in Basel wirkenden Emil Kautzsch und Albert Socin zu.89 Ihr Buch, das schon durch seinen Umfang imponiert (192 Seiten), tut dies noch mehr durch seinen Inhalt: Es setzt, was das methodische Vorgehen betrifft, Maßstäbe, indem es die Frage nach der Echtheit der Inschriften nach allen Seiten hin behandelt. In einem ersten Teil untersucht Socin sie „nach Seite der äusseren Beglaubigung“.90 So weist er etwa mit kriminalistischem Scharfsinn nach, wie sich die Teilnehmer an der Weserschen Exkursion von Selim an der Nase herumführen und etwa auf geschickte und harmlos wirkende Weise zu Stätten führen ließen, wo er vorher Moabitica so vergraben hatte, dass sie leicht gefunden werden konnten.91 An anderer Stelle92 bemüht Socin die Statistik: 1872 erhielt Schapira in drei Schüben Moabitica: Sie umfassten 911, 493 und 410 Stücke. Von diesen enthielten 50, respektive 12 und 16% Inschriften. Offensichtlich hatten die Fälscher gemerkt, dass auch Tonwaren ohne „Maktub“ Abnehmer fanden und sie sich nicht der mühevollen Arbeit unterziehen mussten, Inschriften zu erfinden. Im zweiten, umfangreicheren Teil des Buches geht Kautzsch der „Aechtheit der Moabitica nach inneren Gründen“ nach.93 Er setzt dabei bei den religionsgeschichtlichen Voraussetzungen ein, auf die hier nur kurz eingegangen wird. Von der Religion der Moabiter verfügte man zur Zeit Socins und Kautzschs an vertrauenswürdigen Auskünften nicht viel mehr, als dass sie den (National-)Gott Kemosch verehrten. Nun berichtet das Alte Testament in Num 25 noch davon, dass sich die Israeliten auf ihrem Weg ins gelobte Land mit moabitischen Frauen einließen, die sie dazu verführten, an ihren Schlachtopfern teilzunehmen. Vielgötterei und Sex: Sicher von dieser Steilvorlage beflügelt, entwarfen die Fälscher einen Bildkosmos, in dem die moabitische Religion beträchtlich an Farbe gewinnt und die weiblichen Gestalten erotisch zum Teil hoch aufgeladen sind. Dass sich auch Napoleon III. und Kaiser Wilhelm unter sie gemischt hatten, tat der Attraktivität der Stücke keinen Abbruch. Zum Material, mit welchem Kautzsch und Socin arbeiteten:94 Auch wir würden, bei allem Interesse an der Sache, nie daran gedacht haben, die Aechtheit der moabitischen Funde zum Gegenstand unseres Studiums zu machen, wenn uns nicht durch die freundliche Vermittlung eines Fachgenossen, des Herrn Dr. Zimmermann, zunächst eine Serie sehr schöner Copien, die noch in Jerusalem abgenommen worden waren, zur Verfügung gestellt worden wäre. Durch die Vermittlung des Herrn Prof. Koch in Schaffhausen erhielten wir eine weitere Serie von der Königl. Bibliothek in Stuttgart und unsere Sammlung wuchs dadurch auf 102 Nummern an. Eine Kopie abnehmen bedeutete nach damaligem Sprachgebrauch wohl soviel wie „als Zeichnung kopieren“. Diese Kopien sind entweder verlorengegangen oder von Socin und Kautzsch an ihre späteren Wirkungsstätten mitgenommen worden. Die am Anfang dieses Abschnitts erwähnte Suche nach ihnen in Basel verlief ergebnislos. Allerdings begnügte sich Kautzsch nicht mit Kopien, sondern unternahm im Herbst 1875 selber eine Reise nach Berlin, wo er eine Autopsie der Sammlung vornahm.95 Bei dieser Untersuchung entdeckte er unter anderem, dass ein Teil der Waren schmutzig-grau war. Das machte einen altertümlichen Eindruck und schien auf Verwitterung hinzuweisen. Nur war dieses Aussehen dadurch entstanden, dass die Gefäße mit schmutziger Erde beschmiert wurden, bevor man sie brannte. Allerdings hatten die Fälscher nicht sauber genug gearbeitet und den Schmutz nicht bis in den hintersten Winkel der Gefäße aufgetragen. Dort kam der rote Ton zum Vorschein. Kautzsch ist sich seiner Sache sicher, und doch äußert er sich noch höchst zurückhaltend. Wie professionell er vorging, zeigt sich unter anderem daran, dass er keramische Fachliteratur konsultierte, in der unter anderem auch darauf eingegangen wird, unter welchen Umständen sich antike Tonge-

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Clermont-Ganneau (1870). Kautzsch & Socin (1876). 90 Kautzsch & Socin (1876: 1–64). 91 Kautzsch & Socin (1876: 32–45). 92 Kautzsch & Socin (1876: 26). 93 Kautzsch & Socin (1876: 65–191). 94 Kautzsch & Socin (1876: IV–V). 95 Kautzsch & Socin (1876: 161–166). 89

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fäße (vollständig) erhalten. Ja, er ging noch weiter und suchte zusammen mit Dr. Euting einen einheimischen Töpfer auf, bei dem er lernte, wie die Fälscher hätten arbeiten können; er versuchte es auch selber mit dem Ton. Besonders beeindruckte ihn, wie Buchstaben auf Tongefäße aufgeklebt werden mussten, um mit diesen zu einer untrennbaren Einheit zusammenzuwachsen. Dies gelang, wenn der Ton der aufgeklebten Buchstaben etwas feuchter war als das Gefäß. Spätestens bei diesem Besuch wurde Kautzsch klar, wie einfach es war, Pseudomoabitica herzustellen. Zur Paläographie: Vom heutigen Kenntnisstand her fällt es leicht, die Inschriften auf den Gefäßen als Fälschungen zu erkennen. Die Fälscher ließen sich bei ihrer Arbeit vor allem vom Alphabet der Meschastele inspirieren, reicherten die Inschriften teilweise aber auch mit Formen an, in denen man Buchstaben des südarabischen und des nabatäischen (palmyrenischen) Alphabets erkennen könnte. Auf einer Inschrift fallen insbesondere die abenteuerlichen Ligaturen auf (siehe Abb. 8). Häufig schauen Buchstaben in die falsche Richtung, sind auf den Kopf gestellt oder nicht sauber in Zeilen angeordnet, sondern so, dass sie die Oberfläche des Gefäßes bedecken. Der besondere und originelle Beitrag Kautzschs liegt jedoch nicht in diesen Beobachtungen. Schon bei der ersten Beschäftigung mit dem Gegenstand kam ihm der Gedanke, „dass sich ein annähernd sicheres Urtheil über den Charakter der Sprache und damit über Aechtheit oder Unächtheit der moabitischen Inschriften am ehesten auf dem Wege einer vergleichenden Buchstabenstatistik werde gewinnen lassen“.96 Der Gedanke leuchtet ein, das Prinzip ist einfach. Es kommen nicht alle Buchstaben des Alphabetes in einem Text gleich häufig vor. Im Deutschen etwa sind ca. 17,4% aller Buchstaben eines Textes E. Gleich verhält es sich mit den semitischen Sprachen. Als Vergleichsmaterial zu den (Pseudo-)Moabitica bot sich Kautzsch das Alte Testament an, ein durchaus genügendes Korpus. Ein Resultat: Das Aleph macht im Alten Testament 5,2% aller Buchstaben aus, bei den Pseudomoabitica 12,47, also fast 140% mehr.97 Es gibt weitere Auffälligkeiten dieser Art. Zusammengenommen sprechen sie für das Verdikt: „Fälschung“. Eine Beobachtung nebenbei: Das Aleph ziehen die Fälscher vielleicht deshalb allen andern Buchstaben vor, weil es einprägsam ist, auffällt – und auch einfach nachzumachen ist. 9.1 Exkurs: Eine Parallele aus der Mathematik (Abb. 9) 1881, also fünf Jahre nach dem Erscheinen von Socins und Kautzschs Buch, publizierte der Astronom und Mathematiker Simon Newcomb im American Journal of Mathematics ein nach seiner Entdeckung lange vergessenes Gesetz, das heute nach ihm und seinem Wiederentdecker Newcomb-Benford-Gesetz heißt.98 Es bezieht sich auf große Datensätze, etwa Einwohnerzahlen, Geldbeträge in der Buchhaltung, Zinserträge, weiter auf Zahlenmaterial, das bei naturwissenschaftlichen Untersuchungen anfällt. Dieses Gesetz besagt unter anderem, dass sich die Zahlen von 1 bis 9, wie Abbildung 9 zeigt, prozentual sehr unterschiedlich auf die erste Ziffer einer Zahl verteilen. Das heißt: An erster Stelle einer Zahl steht in 30,1% aller Fälle eine Eins. Das ist kontraintuitiv; spontan rechnet man mit einer gleichmäßigen Verteilung der Zahlen; doch hier versagt der gesunde Menschenverstand kläglich. Wie Kautzsch ging übrigens auch Newcomb von einer praktischen Beobachtung aus: Ihm war nämlich aufgefallen, dass Logarithmentafeln bei der Eins sehr viel schmutziger waren als bei den Zahlen weiter hinten.

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Kautzsch & Socin (1876: 102). Kautzsch & Socin (1876: 106). 98 Siehe Art. „Benfordsches Gesetz“ in Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Benfordsches_Gesetz [letzter Zugriff: 11.01.2021]). 97

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Abbildung 9: Prozentuale Verteilung der Zahlen von 1 bis 9 auf die erste Ziffer einer Zahl gemäß dem Newcomb-Benford-Gesetz. Zeichnung: Samuel Sarasin. Normalerweise verlieren Fälschungen schlagartig an Wert, wenn sie als solche entlarvt werden. Auf die Pseudomoabitica trifft dies nicht zu, wie der Eingangsteil dieses Abschnitts gezeigt hat: Sie sind zu begehrten Originalen geworden. 10 Die gefälschten Bibeltexte Schapiras (Artefaktgruppe 9, Abb. 10)99 Clermont-Ganneau, der sich schon in der Affäre um die Pseudomoabitica durch einen kühlen Blick und ein unbestechliches Urteil ausgezeichnet hatte, erwarb sich in einer anderen Fälschungsaffäre noch größere Verdienste. Diesmal ging es nicht um vorgebliche Inschriften aus einem Nachbarland Israels, sondern um biblische Texte. Das verlieh der Angelegenheit noch größere Brisanz – die zusätzlich dadurch gesteigert wurde, dass sie Britannien betraf, das bibelbegeisterte Land par excellence. Die Wellen gingen hoch. Dem British Museum waren Fragmente biblischer Manuskripte angeboten worden, die angeblich 27 / 28 Jahrhunderte alt waren. Der Besitzer der Manuskripte soll für sie eine Million Pfund Sterling verlangt haben, eine auch nach heutigen Maßstäben fast unvorstellbar hohe Summe. Clermont-Ganneau, der von der Sache Wind erhielt, wandte sich an den Minister der „Instruction publique“ und teilte ihm in einem Brief seine Bedenken mit. Durch ministeriellen Beschluss vom 7. August 1883 betraute ihn dieser mit der Mission, die Echtheit dieser Fragmente in London zu überprüfen. Als ClermontGanneau am 15. August in London eintraf, befand sich die ganze Stadt in höchster Erregung. Das britische Literaturmagazin „The Athenaeum“ und die Times berichteten ausführlich über die Manuskripte, eine riesige Menge an Schaulustigen drängte sich vor der Vitrine, wo Muster der Manuskripte ausgestellt waren, und sogar Ministerpräsident Gladstone hatte es sich nicht nehmen lassen, sich ins British Museum zu begeben. Die Manuskripte waren vom Palestine Exploration Fund, dem sie überreicht worden waren, ins British Museum überführt worden. Für ihre Untersuchung zeichnete C. D. Ginsburg verantwortlich, ein namhafter Hebraist, dessen masoretischen Materialien noch heute mit Gewinn verwendet werden können. Im British Museum, wo Clermont-Ganneau von Ginsburg äußerst kühl empfangen wurde, traf er neben diesem auf Schapira, was in ihm alle Alarmglocken schrillen ließ. Ginsburg wehrte jeden Versuch Clermont-Ganneaus ab, die Fragmente anschauen und prüfen zu können – gleich reagierte auch Schapira selbst. Er traute seinem französischen Kollegen nicht und befürchtete ganz offensichtlich, dieser könnte ihm die Publikation der Inschriften streitig machen oder ihm damit zumindest zuvorkommen – allen gegenteiligen Beteuerungen Clermont-Ganneaus zum Trotz. Er wurde damit vertröstet, er solle in zwei Tagen wiederkommen. Er benutzte diese Zeit, um sich anhand der Publikationen in The Athenaeum und Times ein vorläufiges Bild der Manuskripte zu machen. Als er zwei Tage später ein weiteres Mal ins British Museum kam, wurde ihm der Zugang zu den 99

Zum Folgenden s. Clermont-Ganneau (1885: 187–266). – Nach Abgabe des vorliegenden Artikels entflammte die Debatte um Schapiras Bibeltexte neu. Ausgelöst wurde sie durch Dershowitz (2021) und Dershowitz (2021a). Meine Ausführungen zu Schapiras Dekalog, vor Erscheinen dieser beiden Publikationen niedergeschrieben, können als Beitrag zu dieser hitzig geführten Auseinandersetzung verstanden werden.

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Manuskripten wiederum verwehrt – auch auf Intervention Schapiras hin, was das Misstrauen ihnen gegenüber noch einmal steigerte. Auch die zuerst ergangene Einladung an die internationale Forschungsgemeinschaft, die Manuskripte zu überprüfen, wurde stillschweigend zurückgezogen. Doch Clermont-Ganneau war es auch ohne Autopsie der Texte, allein aufgrund der in The Athenaeum und Times publizierten Artikel sowie eines kurzen Blicks auf die Fragmente bei seinem ersten Museumsbesuch gelungen, die Fälschungen gleich als solche zu erkennen. Hier eine kurze Zusammenfassung der Beobachtungen, die er machte, und der Schlüsse, die er daraus zog: Als Rohmaterial für seine Fälschungen benutzte Schapira Lederrollen, deren Rand – wahrscheinlich den unteren – er abschnitt und die er älter aussehen ließ, indem er sie in Öl, Bitumen und andere Ingredienzen tauchte. Diese Bänder beschrieb er mit einem Textausschnitt aus dem Deuteronomium, und zwar mit der Schrift, wie er sie von der Meschastele her kannte. Auf die Schliche kam Clermont-Ganneau dem Fälscher aufgrund einer auf den ersten Blick nebensächlichen Eigentümlichkeit: Den vertikalen Kolonnen, deren jede zehn bis zwölf Zeilen enthält, entsprechen je ebenfalls vertikal verlaufende Falten. Zu ihren Rechten und Linken verlaufen je zwei mit Stichel oder Taschenmesser gezogene fast unsichtbare Linien. Die Falten trennen die einzelnen Kolonnen voneinander, die feinen Linien begrenzen aber nicht die Kolonnen, sondern verlaufen zum Teil daneben oder innerhalb ihrer. Abbildung 10 zeigt, wie Text, Falten und Linien sich auf einer normalen Rolle zueinander verhalten. Schapira (der Fälscher) verstand das nicht.

Abbildung 10: Gefälschte Deuteronomium-Handschrift. Zeichnung: Autor, nach Clermont-Ganneau (1883: 389). Eine weitere Beobachtung: Der untere Rand der Deuteronomiumstreifen wirkt relativ ausgefranst – das hängt mit dem häufigen Gebrauch der Rolle zusammen, während der obere vom Fälscher relativ sauber abgeschnitten worden ist. Clermont-Ganneau hatte den Fälscher dank einiger einfacher Beobachtungen und den daraus gezogenen Schlüssen entlarvt. Nun galt es noch, die Arbeit zu einem guten Ende zu bringen: „Il me restait à éclairer sans retard cette opinion publique aveuglée par des communications inconsidérées et surexcitée par la passion religieuse“100. „Le premier devoir d’un savant est de faire la police de la science et de la débarrasser au plus vite de telles impostures“101. Dieser selbstauferlegten Pflicht kam Clermont-Ganneau nach, indem er dem Herausgeber der Times einen Brief zukommen ließ, den diese am 21. August publizierte; in diesem Schreiben führt er aus, warum es sich bei Schapiras Deuteronomiumfragmenten um Fälschungen handeln musste. Am 25. August publizierte er zudem noch ein Schaubild, auf dem er seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen graphisch veranschaulichte. Noch vor diesen Publikationen hatte er die Zuständigen im Museum infor100 101

Clermont-Ganneau (1885: 227). Clermont-Ganneau (1885: 228).

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miert. Schon einen Tag vor Veröffentlichung des Briefes von Clermont-Ganneau hatte dieses die ausgestellten Deuteronomiumspezimina aus der Vitrine entfernen lassen. Überhaupt folgten sich die Ereignisse in diesen Tagen Schlag auf Schlag. Noch am 23. August erschien – wiederum in der Times – eine Teilübersetzung von Fragmenten durch Ginsberg, aber schon vier Tage später schloss er sich vollumfänglich Clermont-Ganneau an, und zwar kategorisch, nachdem er in den zwanzig Tagen, während derer ihm die Manuskripte zur Verfügung standen, keinen Verdacht geschöpft hatte. In seinem offiziellen Bericht geht Ginsburg mit keinem Wort auf Clermont-Ganneaus Brief ein, obwohl er dessen Argumentation bis in Einzelheiten hinein übernimmt. Er gibt damit zu verstehen, dass er unabhängig von Clermont-Ganneau zu den gleichen Resultaten gelangt war wie dieser selbst. Wie stark der britische Nationalstolz durch diese Angelegenheit verletzt war, zeigt sich auch an den Reaktionen der Presse. Während sie Clermont-Ganneau aufs heftigste angriff, als er von Fälschungen sprach, verteidigte sie Ginsburg aufs bestimmteste: Er habe die Manuskripte sorgfältig geprüft, ehe er seine Resultate publizierte, während Clermont-Ganneau einen Schnellschuss präsentierte. In den Daily News ließ man sogar durchblicken, Ginsburg habe die – negativen – Resultate seiner Untersuchungen den Verantwortlichen des Museums mitgeteilt, bevor jener an die Öffentlichkeit trat; d.h.: Der wissenschaftliche Primat kommt Ginsburg und damit Großbritannien zu. Das ist übrigens nur eines der Argumente, das die britische Presse zur Verteidigung Ginsburgs vorbrachte. Anders sah es Clermont-Ganneau. Er lässt in seiner Darstellung der Ereignisse durchblicken, dass Ginsburg den Brief zu Gesicht bekommen hatte, der in der Times erschien und dank dessen sich schlagartig die Einsicht durchsetzte, dass es sich bei den Texten um Fälschungen handelte. Wie bei der Paraíbainschrift kochte auch bei den Deuteronomiumfragmenten Schapiras die Diskussion noch einmal hoch, nachdem die Fälschung dieser Texte endgültig erwiesen worden war. Shlomo Guil, der sich ausführlich mit Schapira beschäftigte, vertritt aufs bestimmteste die These, bei den Deuteronomiumtexten, die dieser dem British Museum anbot, handle es sich um Texte aus Qumran.102 In seiner Argumentation geht er nicht allein auf die textlichen Abweichungen des Deuteronomiumtextes von dem der masoretischen Fassung ein. Er weist auch auf den extremen Zeitdruck hin, dem Ginsburg ausgesetzt war; möglicherweise habe er die Unechtheitserklärung „against his will“103 abgegeben. Guil kommt damit einer Verschwörungstheorie recht nahe, ohne diesen Verdacht allerdings offen auszusprechen. Guil hat einen prominenten Vorgänger, auf den er sich maßgeblich abstützt: John Marco Allegro. Dieser in gewisser Weise geniale Mann – Agnostiker – gehörte der ersten Generation der Qumranforscher an. Stärker als durch seine Edition eines wichtigen Qumrantextes104 wurde er durch populärwissenschaftliche Publikationen zu den Textfunden und vor allem durch seine These bekannt, das Christentum sei aus einem psychedelischen Kult hervorgegangen, bei dem der Konsum halluzinogener Pilze eine wichtige Rolle spiele. Allegro versucht in seinem Buch „The Shapira Affair“ die sog. Deuteronomiumtexte zu rehabilitieren, und zwar aufgrund der Qumranfunde. Diese zwingen seiner Meinung nach dazu, die Schapiraschen Fragmente nicht als eine Rezension des Deuteronomiums zu betrachten, sondern in ihnen einen „part of a Jewish sectarian work“ zu sehen, „composed perhaps for some catechetic purpose in a religious Community“.105 Solche Werke gibt es, wie Allegro zu Recht festhält, in Qumran tatsächlich. Heute verwendet man für sie unter anderem den Ausdruck „rewritten Bible“. Sekten, wie man die Gemeinschaften zur Zeit Allegros noch nannte, gab es zu seiner Zeit auch. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass im Schapiraschen Dekalog der Ausdruck „Bruder“ vorkommt, anders als in seinen beiden alttestamentlichen Fassungen von Ex 20 und Dtn 5.106 Der Ausdruck passt wirklich ausgezeichnet in „Gemeinschaften“ – aber nicht ausschließlich, wie die Massierung von Belegen im Deuteronomium zeigt. Für die Echtheit der Schapirafragmente wird auch ins Feld geführt, dass sie unter ähnlichen Umständen aufgefunden wurden wie später die Qumranmanuskripte. Die Schapirafragmente sind – auf nicht mehr zu rekonstruierende Weise – verlorengegangen. Sie würden wie die Pseudomoabitica heute sicher einen stolzen Preis erreichen – allein wegen der abenteuerlichen mit ihnen verbundenen Geschichte. Da eine Autopsie des Textes nicht mehr möglich ist, sei versucht, anhand einer formgeschichtlichen und inhaltlichen Analyse des Dekalogs einen Eindruck vom Charakter der Fragmente zu gewinnen. Es handelt sich bei ihm auf keinen Fall um eine alte, alternative Fassung 102

Guil (2017). Guil (2017: 12). 104 Allegro & Anderson (1968). 105 Allegro (1965: 114). 106 Allegro (1965: 117). 103

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der zehn Gebote; dazu weicht er zu stark von seinen beiden alttestamentlichen Brüdern ab. Das Schapirasche Exemplar zeichnet sich durch einen starken, allerdings nicht vollständigen und auch nicht konsequenten Verzicht auf Pleneschreibung aus. Die einzelnen Qumran-Handschriften(gruppen) unterscheiden sich recht stark voneinander, was Defektiv- und Pleneschreibung betrifft. Dieses Kriterium taugt deshalb nur bedingt, um Alter und Charakter des Schapiraexemplars zu bestimmen. An drei Stellen lässt der Schreiber das Yod interessanterweise auch da weg, wo es konsonantisch verwendet wird, nämlich zweimal bei bšmm und einmal bei mṣrym. Der Text des Schapiraschen Dekalogs lautet wie folgt:107 ’nk. ’lhm. ’lhk. ’šr. hḥrtk. m’rṣ. mṣrm. mbt. ‛bdm. l’ yhyh. lkm. ’lhm ’ḥrm. l’ t‛śh. lkm. psl. wkl. tmnh. ’šr. bšmm. mm‛l. w’šr. b’rṣ. mtḥt. w’šr. bmym. mtḥt. l’rṣ. l’ tštḥw. lhm. wl’ t‛bdm. ’nk. ’lhm. ’lhk. qdš …… št. ymm. ‛śty. ’t hšmm. w’t h’rṣ. wkl. ’šr. bm. wšbty. bywm hšb‛y. ‛l. kn. tšbt. gm. ’th. wbhmtk. wkl. ’šr. lk. ’nk. ’lhm ’lhk. kbd. ’t ’bk. w’t ’mk. lm‛n. y’rkn. ymk. ’nk. ’lhm. ’lhk. l’ tr[ṣḥ. ’t n]pšy ’ḥk. ’nk. ’lhm. ’lhk. l’ tn’p. ’t ’št. r‛k. ’nk. ’lhm. ’lhk. l’ tgnb. ’t hn. ’ḥk. ’nk. ’lhm. ’lhk. l’ tšb‛. bšmy. lšqr. ky. ’nk. ’qn’. ’t ‛wn. ’bt. ‛l. bnm. ‛l. šlšm. w‛l. rb‛m. lnś’. šmy. lšqr. ’nk. ’lhm.’lhk. l’ t‛nw. b’ḥk. ‛dt. šqr. ’nk. ’lhm. ’lhk. l’ tḥmd. ’št …. ‛bdw. w’mtw. wkl. ’šr. lw. ’nk. ’lhm. ’lhk. l’ tśn’. ’t ’ḥk. bl[bbk]. ’nk. ’lhm. ’lhk. ’t ‛śrt. hdbrm h’lh dbr ’lhm … Ich bin Gott, dein Gott, der ich dich aus dem Lande Ägypten befreit habe, aus dem Sklavenhaus. Nicht sollen sein euch andere Götter. Du sollst euch nicht ein Bild machen, und jegliche Ähnlichkeit dessen, was im Himmel oben und dessen, was auf Erden unten und dessen, was im Wasser unterhalb der Erde ist, und alles, was in ihnen ist. Du sollst euch nicht vor ihnen verbeugen und du sollst ihnen nicht dienen. Ich bin Gott, dein Gott. Heilige … sechs Tagen habe ich gemacht den Himmel und die Erde und alles, was in ihnen ist. Und ich ruhte am siebten Tage. Deshalb sollst ruhen auch du und dein Vieh und alles, was dir gehört. Ich bin Gott, dein Gott. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit lange werden deine Tage. Ich bin Gott, dein Gott. Du sollst nicht töten die Seelen deiner Brüder. Ich bin Gott, dein Gott. Du sollst nicht die Ehe brechen mit der Frau deines Nächsten. Ich bin Gott, dein Gott. Du sollst nicht stehlen das Eigentum deines Bruders. Ich bin Gott, dein Gott. Du sollst nicht schwören in meinem Namen zur Lüge, denn ich werde mich ereifern gegen die Sünden der Väter bei den Söhnen bis auf das dritte und vierte Geschlecht bei denen, die meinen Namen anrufen zur Lüge. Ich bin Gott, dein Gott. Ihr sollt nicht ein lügenhaftes Zeugnis erheben gegen euren Bruder. Ich bin Gott, dein Gott. Du sollst nicht begehren die Frau … seines Knechtes und seiner Magd und alles, das ihm gehört. Ich bin Gott, dein Gott. Du sollst nicht hassen deinen Bruder in deinem Herzen. Ich bin Gott, dein Gott. Diese zehn Worte sprach Gott … Von den kanonischen Dekalogen unterscheidet sich der vorliegende sehr stark. Er endet nicht mit „Diese Worte sprach YHWH“ wie Dtn 5,22, sondern mit „Diese zehn Worte sprach Gott“. Der Ausdruck „zehn Worte“ findet sich Ex 34,28, wo er sich nicht einmal auf den Dekalog bezieht. Es liegt hier eindeutig eine Interpretation vor, die zudem einen didaktischen Zweck verfolgt. Die einzelnen Gebote werden durch einen „Refrain“ voneinander getrennt, der auch am Anfang und am Schluss des Dekalogs steht: „Ich bin Gott, dein Gott“. Er bildet eine Variation des Satzes, durch den vor allem im Heiligkeitsgesetz Gesetze(sgruppen) voneinander abgetrennt werden: „Ich bin YHWH (, dein Gott).“ Von seinem Ursprung her handelt es sich bei ihm um eine Selbstvorstellungsformel, die er in der Variante Schapiras allerdings nicht sein kann. Überhaupt fällt es schwer, in ihm eine einleuchtende, klare Aussage zu finden. Der Ausdruck „Gott, dein Gott“ findet sich zwar in Ps 45,8 (er ist im Neuen Testament in eigenartiger Abwandlung aufgenommen worden, Hebr 1,9), aber an dieser Stelle hat er einen Sinn. Der Verfasser des „Dekalogs“ kombiniert diesen mit einem aus dem Heiligkeitsgesetz. Das erlaubt ihm auch – oder zwingt ihn gar dazu, sich in Bezug auf die Zählung der einzelnen Gebote festzulegen. Er entscheidet sich, von seiner Herkunft als konvertierter Lutheraner nicht erstaunlich, für deren Zählung, indem er das Verbot, andere Götter neben Gott zu haben, mit dem Bilderverbot zusammenzieht. Da er aber nicht wie die Juden den Prolog als eigenes Gebot zählt und auch nicht das zehnte Gebot in zwei aufspaltet, fehlt ihm eines – und an der Zehnzahl scheint ihm zu liegen! Er erreicht sie, indem er den ersten Satz aus Lev 19,17 in den Rang eines

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Hebräischer Text in: Guil (2018: 2–3) (nach The Athenaeum, 11. August 1883, Nr. 2911, S. 178).

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solchen erhebt; darin steht er der jüdischen Zählung nahe – er ist geborener Jude. Es wäre versucherisch gewesen, diesen Platz dem Gebot der Nächstenliebe zu geben. Aber offensichtlich war Schapira bewusst, dass der Dekalog hauptsächlich aus Verboten besteht. Der Schapiradekalog enthält weitere gewichtige Änderungen, von denen hier nur die wichtigsten aufgeführt werden können. Die erste findet sich im Prolog, wo das konkrete Verb „herausführen“ (jṣ’, hif.) durch das abstraktere „befreien“ (ḥrr) ersetzt wird. „Befreien“ ist keine für das Alte Testament typische Vorstellung – in ihm geht es um die Alternative „richtiger“ versus „falscher“ Herr –; die „Freiheit“ stammt aus der griechischen Welt, und aus dieser ist sie dann auch ins Judentum eingedrungen.108 Auch das (in reformierter Zählung) erste Gebot wirkt abstrakt, ist entanthropomorphiert worden, und zwar durch die Weglassung von „dir ins Angesicht“. Einen Verlust an Anschaulichkeit bedeutet auch die Streichung von „auf dem Boden / der Erde …“ beim Gebot der Elternehrung nach dem begründenden Nebensatz: „auf dass deine Tage lang werden auf dem Boden, den der Herr dir gibt“. Dadurch verliert der Dekalog ein weiteres Stück an Anschaulichkeit. Das Verbot, den Namen Gottes missbräuchlich zu verwenden, grenzt Schapira inhaltlich ein: Er beschränkt es auf falsches Schwören in seinem Namen. Er hat auch nicht begriffen, dass das Verbot in die erste Tafel gehört, da Gott betreffend, und stellt es deshalb vor das Gebot, gegen den Bruder eine falsche Anklage zu erheben. Der klassische Dekalog enthält drei Gebote, die sich durch ihre Kürze und damit verbunden ihre Offenheit und ihre Auslegungsbedürftigkeit auszeichnen: Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen. Allen drei Geboten verhilft Schapira zu inhaltlicher Eindeutigkeit: Das Diebstahlsverbot gilt für das Vermögen (hwn, in später Zeit ein wichtiges Wort für Eigentum109) des Nächsten. Ehebruch darf man mit der Frau des Nächsten nicht begehen. Eigenartig mutet die Formulierung des Tötungsverbotes an: „Du sollst die Leben deines Bruders / deiner Brüder nicht töten.“ „Du sollst deinen Bruder nicht töten“ genügte. Es fällt schwer, in Schapiras Dekalog eine (einzige) durchgehende Linie zu erkennen. Offensichtlich versucht er, Unklarheiten, die vor allem Exegeten als solche empfinden, zu klären und den Sinn von Geboten zu verdeutlichen. Deshalb macht er durch einen Kehrvers („Ich bin Gott, dein Gott“) deutlich, wie die Gebote zu zählen sind, und aus dem gleichen Grund versieht er die drei Kurzverbote mit Objekten. Er vertritt eine ausgesprochene Brüderlichkeitsethik, wie nicht nur aus dem zehnten Gebot hervorgeht, sondern auch aus der gehäuften Verwendung des Nomens „Bruder“. Es fehlt in beiden Versionen des klassischen Dekalogs. Was die einzelnen Gebote betrifft, so interessiert er sich stärker für die der zweiten Tafel. Während Schapira fast an allen Geboten auch inhaltliche Änderungen vornimmt, unterbleiben solche bei den beiden ersten. Das auffälligste Merkmal nicht nur des Dekalogs von Schapira, sondern aller Fragmente bildet die durchgehende Vermeidung des YHWH-Namens, die besonders in der Verbindung „Gott, dein Gott“ eigenartig anmutet. Im elohistischen Psalter ist der YHWH-Name redaktionell durch „Gott (’lhym)“ ersetzt worden. Vielleicht postuliert Schapira eine gleiche Überarbeitung im Deuteronomium. Im Falle der vorliegenden Fälschungen hätte es genügt, sich auf den Dekalog und seine formgeschichtliche und inhaltliche Analyse zu konzentrieren. Sie erbrachte so eindeutige und klare Resultate, dass die wesentlich aufwendigere und schwierigere epigraphische Analyse der Texte reine Zeitverschwendung waren – und weiterhin sind. 11 Gefälschte Qumranfragmente110 Mit der Herstellung falscher Qumrantexte war zu rechnen. Sie versprachen viel Geld, und potentielle Abnehmer, die dafür ohne mit der Wimper zu zucken schwindelerregende Summen auf den Tisch zu legen bereit waren, gab es auch. Dass schließlich gerade Steve Green, ein äußerst begüterter amerikanischer Evangelikaler, gefälschte Texte erwarb, braucht nicht zu überraschen. In seinen Kreisen gehen alte Bibelmanuskripte über alles, wie überhaupt starke religiöse Überzeugungen der Spendenbereitschaft so förderlich sind wie sonst nur wenig. 2017 wurde in Washington, D.C. das „Museum of the Bible“ eröffnet, dessen Grundfläche 40’000 m2 beträgt. Ursprünglich wies es eine eindeutig evangelikale Ausrichtung auf, die dann aber durch ein Leitbild abgelöst wurde, das auch die kritisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Bibel ein-

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Siehe das mittelhebräische ḥrr II pi. „befreien“ und das aramäische ḥrr II pa. und šafel „freilassen“, itpa. „freigelassen werden“ (Dalman 1967 [1938]: 161–162). 109 Siehe Kutsch (1977: 391–393). 110 Die Diskussion über die Echtheit dieser Fragmente findet schwergewichtig im Netz statt.

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schloss. Maßgeblich finanziert wurde und wird das Museum durch den bereits genannten Unternehmer Steve Green (Hobby Lobby) und dessen Familie. Als seine Prunkstücke galten die dreizehn Fragmente von Qumranhandschriften, zwölf davon biblischen Inhaltes. In der Presse, auch der seriösen, firmieren sie häufig als Rollen, was völlig überzogene Vorstellungen von ihrem Umfang weckt. 2016 wurden diese Fragmente in einer neubegründeten Reihe (Publications of Museum of the Bible. Semitic Texts) im renommierten Brill-Verlag publiziert.111 Der Anstoß dazu war 2010 von der „Green Scholars’ Initiative“ ausgegangen, die sich zum Ziele setzte, ein großes „Network“ von Gelehrten zu schaffen, das sich um die „Green Collection“, den Grundstock des nachmaligen Bible Museums, kümmern und in diese Arbeit auch hochqualifizierte Studenten einbeziehen sollte. Um diesen Plan umzusetzen, wurde jedes Fragment einer Forschergruppe zugewiesen, an deren Spitze ein renommierter Qumranspezialist stand, unter dessen Anleitung seine Publikation vorbereitet wurde. In einem rührenden Aufsatz beschreibt L. M. Wolfe das Vorgehen in ihrer Gruppe.112 Sie berichtet unter anderem, dass die studentischen Teilnehmer von der Arbeit oft fast nicht wegzubringen waren – und erstaunt zur Kenntnis nehmen mussten, dass seriöse Qumranforschung ohne Deutschkenntnisse kaum denkbar ist. Bei der Untersuchung der Fragmente fanden alle nur denkbaren Methoden Anwendung, so etwa das „Reflectance Transformation Imaging“, ein computergestütztes photographisches Verfahren, bei dem sich auch versteckte Details des erfassten Gegenstandes erkennen lassen. Noch auf eine Methode sei kurz eingegangen, das sogenannte „Buchstabenklonen“.113 Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass die Schreiber nicht Buchstaben schrieben, sondern unter anderem verschiedene Formen von Ab- und Querstrichen. Bei der Rekonstruktion von Fragmenten müssen nun häufig auch Buchstaben ergänzt werden, die sich nicht unter den erhaltenen finden. Sie setzt man aus Elementen anderer Buchstaben zusammen. Am Projekt nahmen eine beeindruckende Zahl an Institutionen und Wissenschaftlern teil: Von den mehr als 60 Universitäten sei nur Oxford erwähnt, als weitere Institution das „West Semitic Research Project“. Eindrücklich auch die Phalanx an international renommierten Forschern, von denen hier nur einige aufgeführt werden können: Emanuel Tov, Ada Yardeni, Peter W. Flint und Martin G. Abegg. Das 2016 erschienene Buch konnte nur ein Erfolg werden – und mit diesem auch zum Erfolg des Bibelmuseums beitragen. Nur ein Punkt stimmte der Publikation gegenüber misstrauisch: Seine Autoren umschiffen in ihr die Frage, ob es sich bei den publizierten Fragmenten nicht um Fälschungen handeln könnte. Aber als einige Qumranspezialisten Zweifel an ihrer Echtheit zu äußern begannen, entschloss sich das Museum dazu, diese von einer Fachstelle überprüfen zu lassen. Es übergab fünf der Fragmente der deutschen Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Es stellte sich heraus, dass keines davon echt war, und die Vermutung liegt nahe, dass dies auch für die andern zutrifft. Ein ganzes Bündel an Gründen erklärt dieses wissenschaftliche Fiasko. Ein erster liegt möglicherweise in den geteilten Zuständigkeiten für das Projekt. Dies bedeutet fast automatisch geringere Verantwortung für den Einzelnen, der diese nur für den Teilbereich übernimmt, für den er zuständig ist. Geld dürfte gleich in mehrfacher Hinsicht eine Rolle gespielt haben. Der Mäzen hatte genug davon, um sich die hochbegehrten Qumranmanuskripte zu sichern. Mit großer Wahrscheinlichkeit profitierte davon auch das Team, welches die wissenschaftliche Arbeit leistete; ein Stichwort: Reisen. Im Allgemeinen verdienen Geisteswissenschaftler nicht übermäßig gut. Bei der Herausgabe von Qumranmanuskripten mitwirken zu dürfen, ist zudem mit viel Prestige verbunden und kann karrierefördernd wirken. Wer dem Käufer der Fragmente vorwirft, er hätte deren Echtheit schon vor dem Kauf genau überprüfen müssen, kennt die Gesetze des Marktes nicht; sie können hier nicht im Einzelnen vorgeführt werden. Nach dem Erwerb der Texte hätte eine solche Überprüfung allerdings auf jeden Fall stattfinden müssen. Als Außenstehender hämisch auf die Opfer des Betruges hinzuweisen, wäre allerdings verfehlt. Bei den Fälschungen handelt es sich nämlich um ausgezeichnete Arbeit, der man gerne Respekt zollt. Ohne die Mitwirkung von hochspezialisierten Qumranforschern hätte sie kaum geleistet werden können. Ein beträchtlicher Teil des Aufwands, der bei Analyse und Interpretation der Fragmente zu betreiben war, galt es bereits bei der Konzeption der Fragmente zu erbringen, die sicher viel Zeit erforderte. Die Fälscher widerstanden der Versuchung, große und unbeschädigte Fragmente herzustellen, deren Identifizierung und Interpretation keine Schwierig111

Tov et al. (2016). Wolfe (2016). 113 Zuckerman et al. (2016: 49–57). 112

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keiten geboten hätten. Auch fälschten sie nicht die bekanntesten Texte des Alten Testaments; die Streuung der Bibeltexte weist keine Anomalitäten auf. Auf der anderen Seite machten sie den Bearbeitern der Texte das Leben auch nicht allzu schwer. Mit Ausnahme eines Fragments lassen sich alle mit Sicherheit identifizieren. In der Reihe Discoveries of the Judaean Desert gibt es eine beträchtliche Zahl von Kleinstfragmenten, die sich nicht einem bestimmten Text zuordnen lassen. Sie sind insbesondere für ein Museum und noch stärker für Museumsbesucher von geringem Interesse. Ob Green auch solche Fragmente angeboten worden sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Es gibt für Qumran-Nichtspezialisten nur einen Hinweis, der abgesehen von der materiellen Prüfung der Fragmente ihrer Echtheit gegenüber hätte skeptisch stimmen können, nämlich MOTB.SCR.000123; es ist der einzige nichtbiblische Text des Korpus.114 Die Buchstabenreste der ersten Zeile lassen sich nicht mit Bestimmtheit rekonstruieren, die der zweiten mit Ausnahme eines einzigen alle: ‘bwdtkh wmšmh t. Die gleiche Abfolge der beiden Wörter findet sich in 4Q418 frg. 148 ii 4–5,115 einer Weisheitsschrift, die, allerdings nur fragmentarisch, in mehreren Exemplaren erhalten ist, von denen eines in Höhle 1 und die restlichen in Höhle 4 von Qumran gefunden wurden. Johnson geht in seiner Behandlung des Fragmentes auch der Frage nach, ob es Teil eines bereits bekannten Qumranmanuskriptes sein könnte; er hält dies für eher unwahrscheinlich.116 Die Fälscher hatten ein sicheres Händchen, als sie gerade diesen kurzen Ausschnitt aus der Weisheitslehre als Vorlage wählten. Die beiden vollständig erhaltenen Wörter sind gleich als Teil dieser Schrift zu erkennen – und keines anderen Textes. Zudem passt das Fragment auch gut mit den anderen Museumstexten zusammen, könnten sie doch alle in Höhle 4 gefunden worden sein. Die meisten Artikel über Fälschungen hören dort auf, wo das Verdikt „Fälschung“ gefallen ist. Die Identität des Fälschers / der Fälscher interessiert nicht, oder es wird peinlichst vermieden, auf sie einzugehen. Im vorliegenden Fall ist klar: Die Fälschungen sind von so hoher Qualität und erfordern eine so gute Kenntnis der Qumranschriften und -forschung, dass für ihre Konzipierung nur Spezialisten in Frage kommen. Es handelt sich dabei um einen recht beschränkten Kreis, in dem man sich sicher auch schon gefragt hat, wer als Fälscher denn in Frage komme. Relativ einfach ist die Frage nach möglichen Motiven für diese Tätigkeit zu beantworten: Geldgier, Geldmangel, Rache für nicht in Erfüllung gegangene Karrierewünsche – und schließlich die diebische Freude, Leute an der Nase rumzuführen; auch eine Kombination verschiedener Motive ist denkbar. Vielleicht verbirgt sich hinter dem Fälscher sogar ein renommierter Qumranforscher. Doch wie auch immer: Er arbeitete mit jemandem zusammen, der sich in Materialfragen auskannte. Die Qumranfälschungen zeigen besonders klar, wie sich Fälscher und Enttarner methodisch gegenseitig hochschaukeln. Ein Punkt sei noch eigens hervorgehoben. Die Charakterisierung der einzelnen (Schreiber-)Hände durch Ada Yardeni fällt so differenziert und präzise aus, wie man das von ihr gewohnt ist. Wahrscheinlich gehen die Fälschungen aber auf einen einzigen Schreiber zurück. Entweder beherrschte dieser die einzelnen Schreibstile, die sich oft nur minimal voneinander unterscheiden, ungewöhnlich gut, oder die Paläographen differenzieren zu stark, d.h. sehen dort Unterschiede, wo es kaum welche gibt, und übertreiben deren Bedeutung. So gesehen handelt es sich bei den gefälschten Qumrantexten um wertvolle Dokumente: Sie zeigen auf, was Paläographie leisten kann, vor allem aber, wo ihre Grenzen liegen. 12 Ein Pionier der Fälschungsforschung: Charles Clermont-Ganneau Nicht zuletzt ausgelöst durch die Affäre um die Pseudomoabitica, gab es bereits vor anderthalb Jahrhunderten eine ausführliche Diskussion um Fälschungen. Den gewichtigsten Beitrag zu ihr lieferte Charles ClermontGanneau (1846–1923), dem die Fachwelt unter anderem die Rettung der Meschastele117 verdankt sowie die Entdeckung der Tafel aus dem dritten (herodianischen) Tempel von Jerusalem, auf der Fremden unter Androhung der Todesstrafe das Betreten des inneren Hofes untersagt wird.118 Er verfasste weiter ein ganzes Buch über „Les fraudes archéologiques en Palestine: suivies de quelques monuments phéniciens apocryphes“.119 Er darf zusammen mit Kautzsch und Socin als der Fälschungsexperte par excellence seiner Zeit gelten. Er schreibt gleich unterhaltsam wie diese, womöglich noch boshafter als sie; punkto Selbstbewusstsein stellt er 114

Johnson (2016). Strugnell et al. (1999: 374–375). 116 Johnson (2016: 230–235). 117 Clermont-Ganneau (1870). 118 Clermont-Ganneau (1872). 119 Clermont-Ganneau (1885); Seitenzahlen im Folgenden im Haupttext. 115

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beide deutlich in den Schatten. Im Zentrum seiner umfangreichen Monographie stehen zwar die gefälschten Stücke; sie enthält jedoch auch einige grundsätzliche Überlegungen und Beobachtungen zum Thema, die heute noch nicht überholt sind, aber selten – da zu selbstverständlich? – zu Papier gebracht werden. Sie seien hier auszugsweise referiert. Das kleine Palästina nimmt in den Annalen der Menschheitsgeschichte einen zentralen Platz ein, zeichnet sich aber „par la plus grande stérilité comme production de monuments anciens“ aus (9). Darin unterscheidet es sich stark von Assyrien, Babylonien, Ägypten, Griechenland und Italien. Die Situation änderte sich zwar zur Zeit, da Clermont-Ganneau seine Forschungen aufnahm, aber trotzdem entfährt ihm ein Stoßseufzer: Que ne donnerions-nous pas pour pouvoir faire surgir du sol même de la Palestine des pierres ou des livres qui nous parleraient de son histoire pendant la période juive, et nous permettraient de contrôler les récits bibliques avec la rigueur qu’exige aujourd’hui la science. (10) C’est probablement pour remédier à cette pénurie de monuments anciens que se sont créées à Jérusalem, il y a déjà bon nombre d’années, certaines officines fabriquant des antiquités à des prix, tantôt modérés, tantôt fort remunérateurs … non seulement à l’usage des touristes, mais aussi des savants, ce qui est plus grave. (29) Den Wissenschaftler störe wenig, dass Heilig Land-Pilger nicht ohne (falsche) antike Münze nach Hause zurückkehren; dadurch werde ihr Geschäft nur am Rande beeinträchtigt, wenn überhaupt. Mit Ernest Renan ist er aber der Überzeugung, dass andere (größere) Fälschungen für Epigraphie und Archäologie zu einer großen Gefahr werden könnten. Sie zu ignorieren genüge nicht (35–37); man müsse sie im Interesse der Forschung entlarven. Was Clermont-Ganneau von diesen Fälschern festhalten konnte, gilt heute (leider) nicht mehr für alle (und galt auch damals nur für eine Elite unter ihnen nicht): Sie verfügten über wenig Phantasie: „Leurs produits se rattachent presque toujours plus ou moins ingénieusement, soit pour la forme, soit pour le fond, soit par les circonstances de temps et de lieu, à quelque importante trouvaille archéologique.“ (31) Den Hauptteil von Clermont-Ganneaus Buch nimmt die umfassende und lustvoll zelebrierte Präsentation der zu seiner Zeit vorliegenden Fälschungen ein, die von einiger Bedeutung sind; sie kann für sich mehr oder weniger Vollständigkeit beanspruchen. Auf seine Behandlung der Deuteronomiumtexte aus London wurde oben ausführlich eingegangen; hier sei noch ein besonders aufschlussreiches, kleineres Objekt vorgestellt (65–67). Ende 1873 oder Anfang 1874 wurde Clermont-Ganneau in Jerusalem von einem gewissen Herrn Albengo eine kleine Gemme aus rotem Kornalin angeboten, welche scheinbar das Siegel Davids enthielt. Die Buchstaben weisen eine wilde Mischung von paläographischen, quadrathebräischen sowie dem griechischen Alphabet nachempfundenen Formen auf. Die vier Zeilen umfassende Inschrift ließ sich leicht lesen: 1) ‛bd 2) yhwh 3) dwd 4) mlk

Knecht YHWHs, David (der) König

Erregte das Stück allein schon aus paläographischen Gründen Misstrauen, so war der äußerst bescheidene verlangte Preis – 10 Francs – dazu angetan, dieses noch zu steigern. Auch sein Inhalt macht es verdächtig: Sollte je ein Siegel von König David gefunden werden – eine äußerst begehrte wissenschaftliche Sensation! –, begänne es keinesfalls mit „Knecht YHWHs“. Wenn sich auch David mit Sicherheit als von YHWH in sein Amt eingesetzt verstand, spielte dies doch in seinem täglichen Regierungshandeln keine Rolle. Auch fehlt hier der Name des Reiches, über das David regierte. Der Fälscher begeht den Fehler, den viele seiner Kollegen auch machen: Er wendet sich an seine Zeitgenossen, d.h. potentielle Käufer, und versetzt sich nicht in die Zeit, in der das Objekt verfasst worden sein soll. 13 Muscarella: Der neue Klassiker Fälschungen, die einen engeren oder auch nur loseren Bezug zur Bibel aufweisen, stehen unter erhöhter Beobachtung, da sie es mit religiösen Überzeugungen zu tun haben, einer besonders delikaten Angelegenheit. Die Gefahr, dass diese Stücke unbeachtet bleiben, bildlich gesprochen: den Radar unterfliegen, ist ziemlich klein, da es ihrer – relativ gesehen – wenig gibt, dafür aber viele potentielle Experten, die sich auf sie stürzen.

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Anders verhält es sich mit den Fälschungen aus dem Nahen Osten generell, die Legion sind. Sie behandelt O. W. Muscarella in einem Werk mit dem programmatischen Titel „The Lie Became Great. The Forgery of Ancient Near Eastern Cultures“.120 Seinen Hauptteil bildet ein Katalog mit Abbildungen. Ihm geht eine furios geschriebene, vernichtende und deshalb vergnüglich zu lesende Einführung in die Kultur der Fälschungen voraus. Sie ist in einer Welt zu Hause, die zu erforschen einen „full time anthropologist“ (2) erforderte und über die, respektive deren „great game“ niemand einen vollständigen Überblick besitzt. Die Protagonisten dieser Kultur sind Kuratoren, Wissenschaftler, Museumsleute, Händler, Schmuggler, Angestellte von Auktionshäusern, Sammler und Fälscher. Diese Kultur greift auf andere Welten über, zuvörderst die der Universität (Professoren und Studenten); nicht zu vergessen ist ein breites interessiertes Publikum. Doch so verästelt und unübersichtlich diese Welt auch ist, so gelten in ihr doch feste Regeln. Sie fasst Muscarella in einem Satz zusammen: „use all appropriate strategies to impede discussion and exposure of both the policies to acquire plundered art and the existence of forgeries“. (2) Natürlich werden Käufer wütend, wenn sie entdecken, dass sie einer Fälschung aufgesessen sind. Aber meist hüten sie sich davor, ihr Missgeschick an die große Glocke zu hängen. Und auch die andern in die Angelegenheit verwickelten Personen scheuen im Allgemeinen das Licht der Öffentlichkeit. Nur gelegentlich kommt es zu Samisdat-Unternehmungen. Auf einigen wenigen Seiten führt Muscarella aus, welche Strategien und Taktiken angewandt werden, um zu verhindern, dass Fälschungen als solche auch bekannt werden. Der Phantasie scheinen hier keine Grenzen gesetzt zu sein. Wenigstens einiges sei hier referiert: – Die Museumsleitung wollte einen ihrer Angestellten daran hindern, ein Objekt, das sich nicht einmal in ihrem Besitz befand, zu publizieren: „Warum interessiert Sie das; ist es so wichtig“? (2) – Kuratoren weigern sich, Objekte aus der Ausstellung zu entfernen – aus Angst davor, keine weitere Unterstützung für ihre Abteilung mehr zu erhalten – oder gar ihre eigene Stelle zu verlieren. (3) – „Das Objekt (Keramik) ist mit dem Thermoluminiszenzverfahren untersucht worden!“ Wer diese Antwort auf die Frage nach der Echtheit des Objekts erhält, nimmt an, dass jene „Ja“ lautet. Das braucht aber nicht der Fall zu sein. (3) – Forscher schrecken davor zurück, ein von ihnen als Fälschung erkanntes Stück, befinde es sich nun in einem Museum oder in Privatbesitz, möglicherweise schon publiziert, in einem Gutachten oder mündlich als solche zu bezeichnen. Sie haben Angst vor der Reaktion des Besitzers, Ausstellers oder desjenigen, der es publiziert hat. Sie könnten sich rächen wollen: „deny jobs, internships, grants, recommendations, or affection, to themselves or their students“. (4) Zumindest einem Altertumswissenschaftler gelten Fälschungen sogar als kleinere Übel – wenn überhaupt –, mit dem man leben müsse: Pierre Amiet.121 Wie stark Fälschungen zu einem Thema geworden sind, geht auch daraus hervor, dass Museen schon Ausstellungen mit Fälschungen durchgeführt haben, so etwa die oben erwähnte mit Pseudomoabitica in Tel Aviv im Jahre 2000. Eine Bemerkung nebenbei: Das Buch Muscarellas enthält auch einen Abschnitt über „Phoenician, Syrian, Levant“ (195–201). Ein besonderes Problem bilden danach die unzähligen Bronzefiguren (-statuetten) aus der Levante, die bei Ausgrabungen gefunden worden sind. Allerdings gab es dort auch lokale Fälscherwerkstätten, die Figurinen in großer Zahl herstellten, von denen ein Teil ihren Weg in Sammlungen gefunden haben, in denen sie sich noch heute befinden. 14 Zum Schluss Das Fälscherwesen hat sich über die Zeiten stark gewandelt, und doch ist vieles gleich geblieben. Zum Gleichbleibenden: Geld spielte immer eine zentrale Rolle, woran sich auch in Zukunft kaum etwas ändern wird. Den Fälschern, die entweder dringend Geld brauchen oder geldgierig sind, stehen Käufer gegenüber, die hohe Summen für Prestigeobjekte auszugeben bereit sind oder, so etwa im Falle von Heiliglandtouristen (im 19. Jahrhundert), für bescheidenes Geld ein kleines Objekt erwerben können, das einen wie auch gearteten Bezug zur Bibel und das heißt: zur Geschichte Israels aufweist. Es handelt sich bei ihnen häufig um moderne Reliquien mit Echtheitszertifikat, die das nicht auszurottende Bedürfnis nach Greifbarem, Materiellem auch in der Religion befriedigen, und sei es in Gestalt von heidnischen Produkten wie bei den Pseudo-

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Muscarella (2000); Seitenzahlen im Folgenden im Haupttext. Amiet (1978: 3–4); vgl. auch Pope (1939: 182 [Anm. 1]).

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moabitica. Dieser Wunsch macht auch vor Wissenschaftlern, sogar erstrangigen, nicht Halt, weder im 19. Jahrhundert noch im 20. und 21. Es ist erstaunlich, wie viele Fälschungen sie nicht als solche erkannt haben, auch wenn das Verdikt auf der Hand lag. Am gefährdetsten ist möglicherweise, wer das inkriminierte Objekt selber in der Hand halten und publizieren (!) darf; seiner Magie zu widerstehen verlangt wohl fast übermenschliche Kräfte. Nur versteckt, gewissermaßen klammheimlich – oder dann mit großer zeitlicher Verzögerung – können Fälscher ein anderes Motiv ausleben, das sie zu ihrem Handeln veranlasst: das in Selbststolz gewendete mundus vult decipi. Es entspräche in gewisser Weise der Zufriedenheit des Handwerkers, der einen wohlgefälligen Blick auf sein vollendetes Werk wirft. Dabei könnte dieser Stolz auch mit Verbitterung, etwa wegen enttäuschter Karrierehoffnungen, gepaart sein. Fälschungen zeichnen sich auch durch ihren guten Erhaltungszustand aus; wo Buchstaben fehlen oder nur teilweise erhalten sind, lassen sie sich häufig leicht ergänzen. Warum es sich so verhält, liegt auf der Hand: Eine nicht oder nur schlecht lesbare Inschrift ist weniger wert als eine, deren Inhalt klar ist. Was deutlich geändert hat, sieht man von leicht als solchen zu erkennenden Fälschungen für gutgläubige Touristen ab, ist deren Qualität, und zwar was Material und Inschriften betrifft. Doch wie einige Fälscher an Professionalität gewonnen haben, so auch die Gegenseite. Allerdings dürfte es einfacher sein, Fälschungen als solche zu entlarven als solche herzustellen. Dem Fälscher fehlt die notwendige Distanz zu seinem Objekt; er muss viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen, die sein Gegenpart eine nach der anderen erledigen kann. Die Fälscher arbeiten oft fast fehlerlos, jedenfalls ausgezeichnet, was Material und Paläographie betrifft. Dagegen bekunden sie mehr Mühe mit Grammatik und Pragmatik. Hebräischfehler wie in der Joaschinschrift lassen wahrscheinlich auf einen Israeli als Fälscher schließen. Für ihn bildet das Hebräische, vom inschriftlich bezeugten über das alttestamentliche bis zum Ivrit, ein sprachliches Kontinuum, etwas was für einen nicht „native speaker“ kaum zutrifft. Einen Fehler begehen zeitgenössische Fälscher kaum mehr: den nämlich, inhaltlich zu sensationelle Fälschungen herzustellen. So sind weder die Annalen Salomos entdeckt worden noch die Beglaubigungsbriefe, die Nehemia dem Statthalter jenseits des Stromes überbrachte, geschweige denn die zehn Gebote. Auf der anderen Seite dürfte es sich pecuniae causa auch kaum lohnen, Dutzendware – etwa ohne besonders interessanten Namen, d.h. ohne Bezug auf eine besondere Persönlichkeit, herzustellen, es sei denn, man könne eine Inschrift als besonders alt verkaufen, was allerdings einen beträchtlichen technischen Aufwand erfordert. Der Fälscher der Joaschinschrift traf genau die richtige Mischung: einen aufschlussreichen, aber wenig bekannten Ausschnitt aus der Geschichte des Jerusalemer Tempels, der tatsächlich mehr Beachtung verdiente, als ihm im Allgemeinen geschenkt wird. Schwerer wiegen die Fehler, was die Pragmatik betrifft, das heißt die Frage, welchen Zweck eine Inschrift verfolgt und was sie bewirkt. Gleich bei zwei Inschriften, einem Ostrakon aus der Sammlung Moussaïeff und dem beschriebenen Granatapfel, ließ sie sich nicht klar beantworten. Eine Inschrift, die nur in sich selbst sinnvoll ist, aber nicht erkennen lässt, wozu sie dient, unterliegt noch vor ihrer materiellen und paläographischen Untersuchung dem Verdacht, Fälschung zu sein. Verdächtige Inschriften gleich auf ihre Pragmatik hin zu überprüfen, drängt sich auch deshalb auf, weil das wesentlich billiger zu stehen kommt als eine Materialanalyse. Anders ausgedrückt: Gelegentlich reicht auch gesunder Menschenverstand und eine Portion Misstrauen. Und last, but not least gilt: Zuerst einmal (mit der Publikation) abwarten. Das ist zwar nicht das Patentrezept gegen die Gefahr, auf eine Fälschung reinzufallen; aber es vermindert sie beträchtlich. Bibliographie Aḥituv et al. (2007) Allegro (1965) Allegro & Anderson (1968) Amiet (1978) Avigad (1994)

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Nominatio rerum Akte der Namensgebung in der biblischen Urgeschichte Brinthanan Puvaneswaran1 Die Betrachtung der vielfältigen alttestamentlichen Überlieferungen von Benennungshandlungen, z. B. der Benennung von Tieren, Gegenständen, Pflanzen oder Menschen (im Folgenden: nominatio rerum), eröffnet wichtige Einblicke in das alttestamentliche Sprachdenken. Die Entwicklung und Variation des alttestamentlichen Denkens zu diesem Thema kann teilweise zurückverfolgt und dargestellt werden, indem die verschiedenen Anwendungen der nominatio rerum in Gen 1-11 unter einem diachronen Gesichtspunkt analysiert werden. Priesterliche und nichtpriesterliche Passagen dieser Perikope integrieren die nominatio rerum jeweils mit genau erkennbaren sprachlichen Formen. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass die letzte Redaktionsschicht von Gen 1–11 den Akt des Benennens als Teil eines Diskurses über den Begriff der Sprache auffasst, sondern ihn lediglich als narratives Motiv verwendet. Die Septuaginta nivelliert die feinen Unterschiede in den verschiedenen Schichten des masoretischen Textes und scheint die nominatio rerum im Kontext der Schöpfungstheologie zu interpretieren. Observing the manifold ways in which the Old Testaments narrates acts of naming, e.g., the acts of naming animals, objects, plants or human beings (henceforth nominatio rerum), reveals significant insights into Old Testament thought on language. The development and variation of the Old Testament thought on this issue can be partly traced back and depicted by analyzing the different applications of the nominatio rerum in Gen 1–11 with a diachronic point of view. Priestly and non-priestly passages from this pericope each integrate the nominatio rerum with precisely discernable linguistic forms. There is no indication however, that the final redactional layer of Gen 1–11 perceives the act of naming as part of a discourse on the notion of language, but instead merely uses it as a narrative motive. The Septuagint levels the subtle differences found in the various layers of the Masoretic text and seems to interpret the nominatio rerum within the context of creation theology. Schlagwörter: Genesis; Herkunft der Namen; Sprachreflexion; Sprachphilosophie; Ursprung der Sprache.

“He can’t think of a rational name to save him, but I do not let him see that I am aware of his defect. Whenever a new creature comes along, I name it before he has time to expose himself by an awkward silence. In this way I have saved him many embarrassments. I have no defect like this. The minute I set eyes on an animal I know what it is. I don’t have to reflect a moment; the right name comes out instantly, just as if it were an inspiration, as no doubt it is, for I am sure it wasn’t in me half a minute before. I seem to know just by the shape of the creature and the way it acts what animal it is.”2 Die Herkunft der Namen, sei es von Dingen oder Wesen, ist neben der Frage nach dem Ursprung der Sprache und ihrer Vielfalt ein klassischer Gegenstand der von der europäischen Ideengeschichte beeinflussten Reflexion über Sprache. Diese drei Topoi, die sich unter dem Schlagwort ‚Genesis der Sprache(n)‘3 subsummieren lassen, wurden im Verlauf der Geschichte der Sprachphilosophie sowohl entlang des klassisch-griechischen Diskurses4 als auch mithilfe aus der Bibel und hier insbesondere aus der Urgeschichte (Gen 1–11) stammender Motivik entfaltet. Es erstaunt nicht, dass dabei diese Topoi betreffende alttestamentliche und 1

Freie Universität Berlin ([email protected]). Die nachstehenden Ausführungen sind Hanna Jenni gewidmet, die in ihren Kursen an der Universität Basel das Interesse und die Leidenschaft für die Beschäftigung mit den semitischen Sprachen in mir geweckt hat. 2 Twain (1906: 29–31). 3 Delitzsch (1887: 93). 4 Eine einführende Darstellung der Sprachreflexion im antiken Griechenland findet sich unter anderem bei Gera (2003).

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Brinthanan Puvaneswaran

klassisch-griechische Vorstellungskomplexe im Rahmen ihrer sprachphilosophischen Deutung in Wechselwirkung traten. Die Beantwortung der Frage nach der Herkunft der Namen, die gerne mit Rückgriff auf Berichte über Akte der Namensgebung (fortan auch nominatio rerum genannt) aus Gen 1–11 gegeben wurde, illustriert diese Beobachtung exemplarisch. Lässt sich das Motiv der nominatio rerum trotz seiner wirkungsgeschichtlichen Überblendung als genuiner Teil alttestamentlicher Sprachreflexion5 verstehen? Dieser Frage geht dieser Beitrag nach. Ideen über die Herkunft der Bezeichnung abstrakter Größen und konkreter Dinge sowie die Namen von Wesen werden im masoretisch tradierten Textbestand der biblischen Urgeschichte in Verbindung mit anderen sprachreflexiven Topoi wie dem Ursprung der Sprache6 und der Entstehung der Vielfalt der Sprachen verhandelt. In den meisten Fällen geschieht diese Thematisierung in offensichtlich narrativer Form, wie etwa im Bericht über den Stadt- und Turmbau zu Babel (GenMT 11,1–9).7 Weit seltener werden zu diesem Zweck nicht-narrative Texte und Textsegmente absichtsvoll mit einem größeren Erzählzusammenhang verwoben. Die sogenannte Völkertafel (GenMT 10) illustriert letzteres: Sie bietet wie GenMT 11,1–9 eine Ätiologie der Vielfalt der menschlichen Sprachen.8 Im Gegensatz zum Stadt- und Turmbaubericht, der sich an Elementen der mythischen Erzählweise bedient, ist GenMT 10 jedoch vordergründig als Toledot (Geschlechtsregister) in nichtnarrativer Prosa verfasst. Auch kommt die Völkertafel zu einer positiveren Beurteilung der Vielfalt der Sprachen als GenMT 11,1–9. Dennoch neigt die alttestamentliche Forschung dazu, Akte der Namensgebung der biblischen Urgeschichte lediglich in ihren narrativen Kontexten zu interpretieren. Bei der Deutung von Akten der Namensgebung gilt es neben rein theologischen Gesichtspunkten auch die philosophische Inanspruchnahme dieses Motivs zu bedenken: Nicht selten greifen sprachphilosophische Texte auf die biblische Urgeschichte (Gen 1–11) zurück,9 um Einzelmomente des Themenkomplexes ‚Genesis der Sprache(n)‘ zu verhandeln. Neben Spekulationen über den Ursprung der menschlichen Sprache einerseits und über die Entstehung der Vielfalt der Sprachen andererseits10 finden auch die Berichte über Akte der Namensgebung aus Gen 1–11 eine sich durch die Wirkungsgeschichte hindurchziehende beständige Rezeption, in Form der Frage nach der Herkunft der Namen sowie der Beziehung zwischen ebendiesen Namen und den durch sie benannten Dingen. Die sprachphilosophische Interpretation der nominatio rerum wurde insbesondere durch die spätantike Synthese von Platos Kratylos mit der biblischen Urgeschichte, wie etwa bei Eusebius von Caesarea,11 angestoßen und erfuhr durch die frühneuzeitliche christliche Relektüre kabbalistischer Vorstellungszusammenhänge12 erneut eine breite Rezeption. Neben dieser sprachreflexiven Interpretationslinie wurden anhand des Motivs der urgeschichtlichen Namensgebung auch anthropologische Topoi entfaltet. So sieht bereits Philo von Alexandrien in der Namensgebung durch den Menschen Indizien für die im prälapsarischen Adam angelegte Weisheit13 und dessen Königswürde.14 Die Weitläufigkeit dieser Wirkungsgeschichte zeigt auch Mark Twains humoristische Kurzgeschichte Eve’s Diary, die in quasi-midraschartiger Manier von der Liebe des ersten Menschenpaars handelt und die Gabe der intuitiven Namensgebung nicht dem Adam, sondern der Urmutter Eva zuspricht. 5

Unter Sprachreflexion wird hier konkret geäußertes Denken über Sprache verstanden, dass sich als Resultat metasprachlicher Abstraktionsleistung auf unterschiedliche Aspekte des Sprachlichen beziehen kann. Vgl. dazu Gruber (2014: 73). Zum epistemischen Prozess hinter dem Reden über Sprache siehe Ehlich (2021: 6–10). 6 In GenMT 1–11 wird die Herkunft der menschlichen Sprache nicht explizit thematisiert. Siehe dazu Albertz (1989), Schellenberg (2011: 121, 195–196, 201, 270–271) und Puvaneswaran (2021: 29–50). Jedoch kann beobachtet werden, dass dieser ‚Lückenschluss‘ bereits im Rahmen der frühen Wirkungsgeschichte dieser Texte erfolgt. So finden sich etwa im Jubiläenbuch (siehe dazu Müller [1993], Kratz [2013]) oder den verschiedenen Targumim zur Genesis (siehe dazu Hayward [2016]) entsprechende sprachreflexive Passagen. Vgl. Puvaneswaran (2021: 53–57). 7 Zur Deutung von ‫ שָׂ פָה אַ חַ ת‬als Chiffre für uniformes gemeinschaftliches Handeln siehe Uehlinger (1990: 514–584) und Gertz (2018: 33–34). 8 Vgl. Cazelles (1999), Witte (2011), Gertz (2018: 305). Zur Wirkungsgeschichte der Völkertafel siehe Major (2013). 9 Vgl. dazu die Darstellungen bei Borst (1995), Eco (1997), Trabant (2006) und Olender (2013). 10 Für einen kurzen wissenschaftsgeschichtlichen Abriss zur Diskussion der beiden sprachphilosophischen Topoi siehe Neis (2003: 9–69). 11 Eusebius von Caesarea. Praeparatio evangelica. 11.6.2–7 (Mras [1954 & 1956]). 12 Leibniz’ und Jakob Böhmes Aufnahme der Idee einer adamitischen Sprache aus dem Werk von Abraham Abulafia kann als Beispiel für diese ideengeschichtliche Zusammenhänge herangezogen werden. Siehe dazu Edel (1996). 13 Die Weisheit des prälapsarischen Adam ist auch in frührabbinischen Texten ein verbreiteter Topos. Vgl. Runia (2001: 350). 14 Philo. De opificio mundi. 148–150 (Cohn [1962]). Vgl. Treu (2018: 140–141).

Nominatio rerum

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Anbetrachts dieser oben umrissenen breiten Wirkungsgeschichte des Motivs der urgeschichtlichen nominatio rerum wirft dieser Beitrag einen neuen Blick auf die entsprechenden Berichte und fragt, ob und wenn ja, in welcher Form Akte der Namensgebung in der biblischen Urgeschichte als Gegenstand narrativ verfasster Sprachreflexion15 gedeutet werden können. Zu diesem Zweck werden zunächst Namensberichte und Akte der Namensgebung in der biblischen Urgeschichte (Gen 1–11) gemäß der masoretischen Tradition betrachtet und danach deren Verarbeitung im Rahmen der Gräzisierung dieses Textes im Zuge der Septuagintaübersetzung beleuchtet. 1 Namensberichte und Akte der Namensgebung in GenMT 1–11 Gegenstand der Betrachtung dieses Abschnitts sind in die biblische Urgeschichte (GenMT 1–11) eingeflochtene Notizen, die von Namen berichten oder Akte von Namensgebung schildern. Um diachrone Aussagen bezüglich des Vorkommens und der Bedeutung dieser Topoi zu erreichen, wird nachfolgend nicht der Endtext dieser Kapitel in den Mittelpunkt gestellt. Stattdessen sollen die reaktionsgeschichtlich fassbaren Einzelbestandteile dieses Komposittexts untersucht werden. Den Ergebnissen der redaktionsgeschichtlich modifizierten Ergänzungshypothese folgend werden die vorendredaktionell nicht-priesterschriftlichen Passagen (1.1) und die vorendredaktionell priesterschriftlichen Passagen (1.2) der Urgeschichte sowie die endredaktionellen Anteile (1.3) gesondert analysiert. Damit folgt die hier gebotene Darstellung den Ergebnissen der redaktionsgeschichtlich modifizierten Ergänzungshypothese, die durch die Anwendung der kombinierten Theoreme der ‚klassischen‘ Grundschriften- und Fragmentenhypothese die Arbeit eines absichtsvoll wirkenden Endredaktors zu fassen versucht.16 Die Zuordnung der spezifischen Passagen zu den einzelnen Textstufen orientiert sich an dem zuletzt von Jan Christian Gertz in seinem Genesiskommentar vorgelegten redaktionsgeschichtlichen Modell: (1) Gen 2,4b–3,24*; 4,1–5.8b–26a; 5,28*.29; 6,5–7a*.8; 7,1a.2.3b–5.10a.16b.12.17b.22*.23* und 8,2b.6.8– 12.13b.20–22 stamme nach Gertz aus einem ehedem unabhängigen literarischen Werk, dass die Themen Schöpfung und Flut umfasste.17 (2) Zur Priesterschrift gehören Gen 1,1–2,3; 5,1–27.28*.30–32; 6,9–22; 7,6f.11.13–16a.17a*.18–21.24; 8,1–2a.3–5.13a.14–19; 9,1–18a.(19?).28–29 und 10,1–7.20.22f.31f.18 (3) (1) und (2) wurden schließlich durch die Endredaktion miteinander verbunden. Texte und Textbausteine, die im Rahmen dieser Verknüpfung entstanden sind, finden sich in Gen 2,20*, 3,14*; 6,1–4.7aα*.βγ; 7,1b.3a.8f.10b.17a*.22*23a*; 9,18b(.19?).20–27; 10, 8–19.21.24–30 und 11,1–9.19 Auch wenn die narrative Versprachlichung der Nominatio-Rerum-Motivik das eigentliche Anliegen dieses Beitrags ist, werden auch Berichte über Namen in den unterschiedlichen diachron fassbaren Anteilen der biblischen Urgeschichte erfasst. Grundsätzlich lässt sich kein einheitliches Formular erkennen, mithilfe dessen die Akte der Namensgebung versprachlicht werden. Vielmehr werden die Schilderung dieser Akte, wie auch die Namensberichte, mithilfe einer flexibel kombinierbaren Vielzahl von Bestandteilen versprachlicht. Berichtet der Text beispielsweise nur über einen Namen eines Gegenstandes oder einer Person, so wird diese Information mithilfe eines Nominalsatzes versprachlicht. Dabei wird das erste Glied der Phrase aus einer Constructus-Verbindung aus dem Abstraktum ‫ שֵׁ ם‬und dem Objekt des genannten Namens (fortan mit obj abgekürzt) gebildet, während der zweite Teil den genannten Namen (fortan NN) führt. Ist jedoch beabsichtigt, von einem Akt der Namensgebung zu erzählen, wird dies meist durch einen mit der Wurzel ‫ קרא‬gebildeten Verbalsatz realisiert. Besonders hier ist eine gewisse Breite an unterschiedlichen Formulierungsoptionen zu beobachten, auf die unter 1.1 und 1.2 genauer eingegangen wird. Zusätzlich finden sich in den Texten der biblischen Urgeschichte auch Berichte über Namen und Akte der Namensnennung, die um eine etymologische Ätiologie20 der Namenswahl erweitert werden. 15

In formeller Hinsicht kann Sprachreflexion begriffliche und narrative Formen annehmen. Vgl. dazu Köller (2006: 7– 61). 16 Siehe dazu u.a. Witte (1998), Bührer (2014) und Gertz (2018). 17 Gertz (2018: 15); vgl. Witte (1998: 333). 18 Gertz (2018: 8); vgl. Witte (1998: 333). 19 Gertz (2018: 18); vgl. Witte (1988: 334). 20 Etymologische Ätiologien werden oft unzutreffend als Volksetymologie bezeichnet. Siehe dazu Fichtner (1956), Marks (1995) und Avrahami (2011).

Brinthanan Puvaneswaran

122

1.1 Die nominatio rerum in den vorendredaktionell nicht-priesterschriftlichen Passagen der Urgeschichte (nPUG) In nPUG finden sich sowohl Berichte über Namen als auch Akte der Namensgebung: (1) Reine Namensberichte werden mit einem doppelgliedrigen Nominalsatz ausgedrückt, dessen Subjekt aus einer Constructus-Verbindung aus ‫ שֵׁ ם‬und dem Objekt der Namensnennung (obj) besteht. Der genannte Name (NN) erscheint als Prädikat (NN obj ‫)שֵׁ ם‬. In allen sechs Fällen findet sich weder eine Erwähnung des Namensgebers noch eine Begründung der Namenswahl:

‫שֵׁ ם הָ אֶ חָ ד פִּ ישֹׁ ון‬

[I]

2,11a

[II] [III]

‫וְ שֵׁ ם־הַ נָּהָ ר הַ שֵּׁ נִ י גִּ יחֹ ון‬ ‫ישׁי חִ דֶּ קֶ ל‬ ִ ִ‫וְ שֵׁ ם הַ נָּהָ ר הַ ְשּׁל‬

2,13a 2,14aα

[IV]

‫שֵׁ ם הָ אַ חַ ת ﬠָ דָ ה‬ ‫וְ שֵׁ ם הַ שֵּׁ נִ ית צִ לָּה‬ ‫וְ שֵׁ ם אָ חִ יו יוּבָ ל‬

4,19bα

[V] [VI]

4,19bβ 4,21a

NN obj ‫שֵׁ ם‬ NN obj ‫שֵׁ ם‬ NN obj ‫שֵׁ ם‬ NN obj ‫שֵׁ ם‬ NN obj ‫שֵׁ ם‬ NN obj ‫שֵׁ ם‬

Der Name des Einen war Pischon.21 Und der Name des zweiten Flusses war Gichon. Und der Name des dritten Flusses war Chiddekel. Der Name der Ersten war Ada […] […] und der Name der Zweiten war Zilla. Der Name seines Bruders war Jubal.

(2) Ferner kennt nPUG zwei unterschiedliche Möglichkeiten, Akte der Namensgebung wiederzugeben – eine mit einem Präpositionalobjekt konstruierte (NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf/nar) Wendung und ein mit einer Constructusgruppe (NN obj ‫קרא שֵׁ ם‬nar) gebildetes Formular. a. Die Wendung NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf/nar erscheint in nPUG in flexibler Wortfolge: [VII]

‫ לִ ְראֹ ות[ מַ ה־יִּ קְ ָרא־ ו‬...]

2,19aβ

NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf

[VIII]

‫[ הוּא‬...] ‫וְ כֹל אֲ שֶׁ ר יִ קְ ָרא־ ו הָ אָ דָ ם‬ ‫ְשׁמֹ ו‬

2,19b*

NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf

[IX]

‫וַיִּ קְ ָרא ָ ֽהאָ דָ ם שֵׁ מֹות לְ כָל־הַ בְּ הֵ מָ ה‬ ‫וּלְ עֹ וף הַ שָּׁ מַ יִ ם וּלְ כֹ ל חַ יַּת הַ שָּׂ דֶ ה‬

2,20a

NN obj+ ְ‫קרא ל‬nar

[X]

‫לְ ז ֹאת יִ קָּ ֵרא ִאשָּׁ ה‬ ‫כִּ י מֵ ִאישׁ לֻקֳ חָ ה־זּ ֹאת‬

2,23b

NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf

[… um zu sehen,] wie er sie nennen würde. Und jeden (Namen), den ihnen der Mensch geben würde, würde sein Name. Und der Mensch gab allem Vieh, allen Vögeln des Himmels und allen Leben des Feldes Namen. Diese soll Frau genannt werden, denn vom Mann wurde sie genommen.

In GenMT 2,19aβ [VII] steht das als unbestimmtes Pronomen fungierende ‫ מַ ה‬als vorgezogenes direktes Objekt (=NN) der Verbalhandlung. Der oder die neu verliehenen Namen werden nicht referiert. ii. Die Wendung NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf erscheint in GenMT 2,19b*22 [VIII] in invertierter Form als Subjekt eines zweigliedrigen Nominalsatzes. Hier erfüllt ‫ כֹ ל אֲשֶׁ ר‬die Funktion des direkten Objekts NN. iii. Offensichtlicher lässt sich diese Wendung in GenMT 2,20a [IX] beobachten. Lediglich NN (‫)שֵׁ מוֹת‬ wird hier – wahrscheinlich aus stilistischen Gründen – vorgezogen. ִ explizit iv. Nur in GenMT 2,23b [X] wird der vom Menschen vergebene Name „Frau“ (‫)אשָּׁ ה‬ obj+ impf/nar ְ‫קרא ל‬ formulierte Akt der genannt. Zudem wird nur hier ein mit der Wendung NN Namensgebung von einer etymologischen Ätiologie begleitet. b. In geringerer Variation liegt das Formular NN obj ‫קרא שֵׁ ם‬nar in nPUG vor: i.

[XI]

‫וַיִּ קְ ָרא ָ ֽהאָ דָ ם שֵׁ ם ִא ְשׁתֹּ ו חַ וָּה‬

3,20a

NN obj ‫קרא שֵׁ ם‬nar

[XII]

‫וַיִּ קְ ָרא שֵׁ ם הָ ﬠִ יר כְּ שֵׁ ם בְּ נֹ ו ֲחנֹו‬

4,17b

NN obj ‫קרא שֵׁ ם‬nar

Und der Mensch gab seiner Frau einen Namen: Eva. Und er gab der Stadt einen Namen: Henoch – wie der Name seines Sohnes.

Sowohl in GenMT 3,20a [XI] als auch in 4,17b [XII] sind Subjekt und Objekt der Namensvergabe sowie der vergebene Name klar ersichtlich. In beiden Fällen wird auch eine Begründung der Namenswahl 21

Wenn nicht anders erwähnt, stammen die Übersetzungen von mir. Zu sprachlichen Problemen von GenMT 2,19b und deren literarkritischen Implikation siehe u.a. Schellenberg (2007), Bührer (2014: 222–224) und Puvaneswaran (2021: 38–41). 22

Nominatio rerum

123

geboten: In 3,20 erfolgt dies mit einer antizipierenden Aussage über die Bedeutung der ersten Frau als Urmutter allen Lebens, in 4,17 mit Verweis auf den Erstgeborenen des Namensgebers. (3) Eine Ausnahme bildet GenMT 4,1 [XIII]. Hier wird im Rahmen der Geburtsnotiz von Kain die Namenswahl von einem in Gestalt einer etymologischen Ätiologie formulierten Ausspruch begleitet: [XIII]

‫וַתַּ הַ ר וַתֵּ לֶד אֶ ת־קַ יִ ן‬ ‫יתי ִאישׁ אֶ ת־יְהוָה‬ ִ ִ‫ַותּ ֹאמֶ ר קָ נ‬

4,1b

Und sie wurde schwanger und sie gebar Kain. Und sie sprach: „Ich habe einen Mann von/durch JHWH erworben/erschaffen.“23

Es fällt jedoch auf, dass der eigentliche Akt der Namensvergabe nicht versprachlicht wird. Beachtet man auch das Ungleichgewicht, das durch das Fehlen einer Ätiologie des Namens von Abel in dieser doppelten Geburtsnotiz entsteht, drängt sich die Frage auf, ob es sich bei GenMT 4,1b um eine sekundäre Glosse handelt.24 Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass nPUG differenziert und bewusst mit dem Motiv der nominatio rerum umgeht: 1. Nominalsätze werden benutzt, um rein informative Notizen über Namen von Dinge oder Wesen zu transportieren. 2. Durch die mit ‫ קרא‬konstruierten Verbalsätze werden stets narrativ ausgestaltete und in das Erzählgefälle eingebettete Akte der Namensgabe geschildert. 3. Immer, wenn der im Verlauf einer erzählten nominatio rerum vergebene Name ausdrücklich genannt wird (GenMT 2,23b; 3,20; 4,17; analog dazu auch 4,1), wird die Wahl dieses Namens mit einer „volksetymologisch“ verfassten Ätiologie begründet. 4. nPUG verdeutlicht den Unterschied zwischen der Vergabe abstrakter Bezeichnungen und der Verleihung von eigentlichen Eigennamen durch die Wahl der oben aufgeführten Formulare: Mit NN obj+ ְ‫קרא ל‬impf/nar wird die Vergabe der artbezogenen Bezeichnungen der Tiere und der Benennung des weiblichen Menschen geschildert, während NN obj ‫קרא שֵׁ ם‬nar benutzt wird, um von der Verleihung des Eigennames an die erste Frau, bzw. die erste Stadt zu erzählen. 1.2 Die nominatio rerum in den vorendredaktionell priesterschriftlichen Passagen der Urgeschichte (PUG) In PUG finden sich keine Namensberichte, jedoch werden – nicht ungleich zu nPUG – zwei unterschiedliche Wendungen gebraucht, um Akte, die von einer nominatio rerum berichten, syntaktisch zu realisieren: (1) In der Toledot der Erschaffung von Himmel und Erde (GenMT 1,1–2,4a) finden sich Akte der Namensgebung, die als Teil des göttlichen Schöpfungshandelns wiedergegeben werden. Dafür wird stets ein mit einem Präpositionalobjekt erweiterter und mit ‫ קרא‬gebildeter Verbalsatz (NN obj+ ְ‫קרא ל‬perf/nar) gewählt. In allen fünf Fällen werden kosmologische (Tag, Nacht, Himmel, Land, Meer [XIV–XVIII]) Größen benannt, aber die Namenswahl wird nicht begründet. [XIV] ‫ וַיִּ קְ ָרא ֱא הִ ים לָאֹ ור יֹום‬1,5aα NN obj+ ְ‫קרא ל‬nar Und Gott nannte das Licht Tag, […] [XV] ‫ וְ לַחֹ שֶׁ קָ ָרא לָיְ לָה‬1,5aβ NN obj+ ְ‫קרא ל‬perf […], und die Finsternis nannte er Nacht. [XVI] 1,8a ‫וַיִּ קְ ָרא ֱא הִ ים ל ָָרקִ ַיע שָׁ מָ יִ ם‬ NN obj+ ְ‫קרא ל‬nar Und Gott nannte die Platte25 Himmel. [XVII] ‫ וַיִּ קְ ָרא ֱא הִ ים ַליַּבָּ שָׁ ה אֶ ֶרץ‬1,10aα NN obj+ ְ‫קרא ל‬nar Und Gott nannte das Trockene Land, […] [XVIII] ‫ וּלְ ִמקְ וֵה הַ מַּ יִ ם קָ ָרא י ִַמּים‬1,10aβ NN obj+ ְ‫קרא ל‬perf […], und das Reservoir nannte er Meer. (2) Von Verleihungen von Namen an Menschen wird durchgehend mithilfe des Formulars NN obj+‫קרא אֶ ת־ ְשׁמ‬nar berichtet. Alle drei Beispiele finden sich zwar in der Toledot Adam (GenMT 5), jedoch ist die pragmatische Bedeutung dieser drei Akte der Namensgabe nicht gänzlich deckungsgleich. [XIX]

23

‫ת־שׁמָ ם אָ דָ ם בְּ יֹ ום‬ ְ ֶ‫וַיִּ קְ ָרא א‬ ‫הִ בָּ ְראָ ם‬

5,2bβ

NN obj+‫ת־שׁמ‬ ְ ֶ‫קרא א‬nar

Und am Tag ihrer Erschaffung gab er ihnen den Namen: Mensch.26

Zur Frage der Verdeutschung der homophonen Wurzeln ‫קנח‬1 und ‫קנה‬2 siehe unter anderem Gertz (2018: 157). So u.a. Levin (1993: 52). 25 Zum semantisch-lexikalischen Befund von ‫ ָרקִ יַע‬und möglichen Verdeutschungsvorschlägen siehe Koch (2018:195– 202). 26 Eine wörtliche Übersetzung der Phrase ‫ת־שׁמָ ם אָ דָ ם‬ ְ ֶ‫ וַיִּ קְ ָרא א‬müsste „er gab [ihnen] ihren Namen: Mensch“ lauten, wobei das im Hebräischen unerwähnte indirekte Objekt gemäß den Regeln der deutschen Syntax durch das Akkusativobjekt 24

Brinthanan Puvaneswaran

124 [XX] [XXI]

‫ת־שׁמֹ ו שֵׁ ת‬ ְ ֶ‫וַיִּ קְ ָרא א‬ ַ‫ת־שׁמֹ ו נֹח‬ ְ ֶ‫וַיִּ קְ ָרא א‬

5,3b 5,29a

NN obj+‫ת־שׁמ‬ ְ ֶ‫קרא א‬nar NN obj+‫ת־שׁמ‬ ְ ֶ‫קרא א‬nar

Und er gab ihm den Namen: Schet.27 Und er gab ihm den Namen: Noah.28

a. In v2 [XIX] wird davon berichtet, wie Gott am Tag der Erschaffung des männlich und weiblich geschaffenen Menschen (als Kollektiv) die Bezeichnung Mensch gibt, ohne jedoch näher auf die Namenswahl einzugehen. b. In v3 [XX] zeugt Adam (hier meint ‫ אָ דָ ם‬das Individuum!) „in seiner Gestalt, gemäß seinem Abbild“ (‫)בִּ ְדמוּתוֹ כְּ צַ לְ מוֹ‬. Auffälligerweise führt der Text an dieser Stelle nicht aus, wen oder was Adam gezeugt habe,29 sondern berichtet nur, dass er dem Gezeugten den Eigennamen Schet (‫ )שֵׁ ת‬verleiht. Im Gegensatz zu GenMT 4,25aβ [XXII] – das zu RUG zu rechnen ist – fehlt eine Namensätiologie. c. Ferner fällt auf, dass im Nahkontext der vv2.3 [XIX, XX] eine semantisch-pragmatische Parallelisierung entsteht: i. Wie Gott „in seiner Gestalt“ (‫ )בִּ ְדמוּת‬schafft, zeugt der ‫„ אָ דָ ם‬Mensch“ Nachkommen. ii. Wie Gott dem Menschenpaar den Namen ‫„ אָ דָ ם‬Mensch“ gibt, verleiht der zeugende ‫אָ דָ ם‬ „Adam“ in einem Akt der Nachahmung den von ihm Gezeugten den Eigennamen Schet.30 d. V29 [XXI] berichtet von der Verleihung des Namens an Noah. Dieser Bericht schließt an die Geburtsnotiz in v28 an, die sich von den anderen Geburtsnotizen in GenMT 5 (X zeugte Y, vv6.12.15.18.21.25.32) abhebt, indem hier vorerst nur von der Geburt eines Sohns erzählt wird, um in v29 dann von seiner Benennung und der Begründung für die Namenswahl zu berichten.31 Angesichts dieser Datenlage liegt es nahe anzunehmen, dass PUG – kongruent zu nPUG – eine klare Differenzierung vornimmt. Demnach wäre zu erwarten, dass die Unterscheidung 1. einer nominatio rerum abstrakter Dinge und 2. der Verleihung von Eigennamen an ein menschliches Objekt durch Wahl dieser zwei Wendungen realisiert werden würde. Dieser Annahme widerspricht jedoch die Beobachtung, dass in v2, trotz des Gebrauchs des Formulars NN obj+‫קרא אֶ ת־ ְשׁמ‬nar, das in seiner lexikalischen Ursprungsbedeutung als Abstraktum zu geltende ‫ אָ דָ ם‬nicht als Eigenname, sondern als Bezeichnung für die Klasse ‚Mensch‘ fungiert. Zieht man priesterschriftliche Passagen aus den Vätererzählungen oder dem Exodusbuch hinzu, kann beobachtet werden, dass das Formular NN obj+‫ קרא )אֶ ת־( ְשׁמ‬stets im Kontext der Vergabe von Eigennamen an menschliche Individuen Verwendung findet.32 Angesichts dieser Beobachtung muss die Verwendung von NN obj+‫קרא אֶ ת־ ְשׁמ‬nar in PUG als Ausnahme gewertet werden, damit sich die oben formulierte Annahme zu bestätigen scheint. 1.3 Die nominatio rerum in den endredaktionellen Anteilen der Urgeschichte (RUG) Auch wenn sich in den endredaktionellen Anteilen der Urgeschichte (fortan RUG) keine gänzlich einheitliche und zudem eine nivellierende Bearbeitung von GenMT 1–11 vollzieht, kann eine Tendenz bei der Einflechtung von Berichten über eine nominatio rerum beobachtet werden. Dieses Motiv erscheint stets, wenn dadurch das narrative Gefüge des durch die Endredaktion entstehenden Textes stabilisiert werden kann, wie an den nachfolgenden sechs Stellen zu beobachten ist: [XXII] [XXIII]

‫ת־שׁמֹ ו שֵׁ ת‬ ְ ֶ‫ו ִַתּקְ ָרא א‬ ‫ת־שׁמֹ ו אֱ נֹושׁ‬ ְ ֶ‫וַיִּ קְ ָרא א‬

4,25aβ 4,26aβ

NN obj+‫ת־שׁמ‬ ְ ֶ‫קרא א‬nar NN obj+‫ת־שׁמ‬ ְ ֶ‫קרא א‬nar

Und er gab [ihm] seinen Namen: Schet. Und er gab [ihm] seinen Namen: Enosch.

„[ihnen]“ zu ergänzen ist. Jedoch würde durch diesen Übersetzungsvorschlag eine Verdoppelung des Suffixes in der Zielsprache entstehen. Daher wird der Weg der sinngemäßen Verdeutschung dieser Phrase gewählt. Vgl. Clines (1993: s.v. ‫)קרא‬, Donner et al. (2013: s.v. ‫ )קרא‬und Dietrich & Arnet (2013: s.v. ‫)קרא‬. 27 Siehe Anm. 26. 28 Siehe Anm. 26. 29 BHK2, BHK3 und BHS konjizieren hier ‫ בֵּ ן‬als Objekt von ‫ילד‬, so dass GenMT 5,3 der Gestalt der üblichen Zeugungsnotiz entspricht. Von dieser Korrektur ist abzusehen (gegen Witte 1998: 126 Anm. 29), da sie einerseits von keinem der antiken Textzeugen bestätigt werden kann (vgl. BHQ) und andererseits der Verzicht von ‫ בֵּ ן‬als Objekt zu ‫ ילד‬auch in den anderen Zeugungsnotizen (ausgenommen die Notiz zur Geburt und Benennung Noahs v28f.) der sogenannten AdamToledot zu beobachten ist (vv6.9.12.15.18.21.25.32). 30 Für eine Diskussion der chiastischen Korrespondenz von GenMT 5,1–3 zu 1,26f. siehe ferner Witte (1998: 126–127). 31 Zu Fragen der theologisch-poetologischen Interpretation dieser Ätiologie siehe Marks (1995: 25–29) und Witte (1998: 213–217). 32 So die prominenten Beispiele GenMT 17,19 und 35,10. Vgl. dazu Wöhrle (2012: 43–44).

Nominatio rerum [XXIV]

‫שֵׁ ם ָ ֽהאֶ חָ ד פֶּ לֶג‬ ‫כִּ י בְ יָמָ יו נִ פְ לְ גָה הָ אָ ֶרץ‬

10,25bα

NN obj ‫שֵׁ ם‬

[XXV]

‫וְ שֵׁ ם אָ חִ יו יָקְ טָ ן‬

10,25bβ

NN obj ‫שֵׁ ם‬

[XXVI]

‫וְ ַנﬠֲשֶׂ ה־לָּנוּ שֵׁ ם‬ ‫ﬠַל־כֵּן קָ ָרא ְשׁמָ הּ בָּ בֶ ל‬

11,4aβ

‫ שֵׁ ם‬obj+ ְ‫עשׁה ל‬impf NN obj+‫קרא ְשׁמ‬perf

[XXVII]

11,9aα

125

Der Name des Ersten war Peleg, denn in seinen Tagen teilte sich die Erde […] […] und der Name seines Bruders war Joktan. […] lasst uns einen Namen machen Darum gab man [ihr] ihren Namen: Babel.

(1) Im Anschluss an die Kaniten-Tafel wird in GenMT 4,25f. die im nächsten Kapitel folgende Toledot vorbereitet, indem die Generationenfolge Adam/Schet/Enosch vorweggenommen wird. Die Notiz der ְ ֶ‫קרא א‬nar) aus PUG. Im Namensgabe in den vv4,25aβ.26aβ [XXII, XXIII] folgt dem Formular (NN obj+‫ת־שׁמ‬ MT Gegensatz zur Geburtsnotiz von Schet in Gen 5,3b [XX] tritt in 4,25aβ die Frau als Namensgeberin auf, die auch eine Namensätiologie des Namens von Schet formuliert.33 (2) In GenMT 10,25 [XXIV, XXV] finden sich im Rahmen der Notiz über die Geburt der Söhne Ebers zwei Namensberichte, die mit Nominalsätzen konstruiert werden. Der Name des Erstgenannten, Peleg (‫) ֶפּלֶג‬, wird um eine Namensätiologie („denn in seinen Tagen teilte sich die Welt“ [‫)]כִּ י בְ יָמָ יו נִ פְ לְ גָה הָ אָ ֶרץ‬ ergänzt, die sowohl semantisch als auch inhaltlich-narrativ die Erzählung von der Zerstreuung („sich zerstreuen“ [‫ )]פוץ‬der Menschheit in GenMT 11,4.8.9 antizipiert.34 (3) Die letzte Aufnahme des Motivs der nominatio rerum in der Urgeschichte findet sich im Bericht über Turm- und Stadtbau. Die kurze Erzählung endet in GenMT 11,9aα [XXVII], vorbereitet durch die räumliche Verortung in v2 („Tal im Lande Schinar“ [‫)]בִ קְ ﬠָה בְּ אֶ ֶרץ ִשׁנְ ﬠָר‬, mit einer (Spott-)Ätiologie des Namens Babel.35 An GenMT 3,20 anlehnend wird von der Namensvergabe mit der Formel ΝΝ obj+‫קרא ְשׁמ‬perf erzählt, wobei indes der eigentliche Namensgeber durch ein unbestimmtes Kollektiv verschleiert wird. Dadurch entsteht ein doppelter Rückbezug auf 11,4aβ [XXVI]: Dort tritt erstens ebenfalls ein unbestimmtes, jedoch nicht zwingend mit dem in v9aα gleichzusetzendes Kollektiv auf, das zweitens versucht sich einen Namen zu machen (‫ שֵׁ ם‬suffix+ ְ‫)עשׂה ל‬.36 Es lässt sich nicht feststellen, ob RUG das Motiv der Namensvergabe als sprachreflexiven Topoi rezipiert oder konzeptionell weiterentwickelt. Es kann aber festgehalten werden, dass hier die nominatio rerum als narratives Motiv eingesetzt wird, um Brücken zwischen den durch die Endredaktion zu verbindenden Texten zu schlagen. 2 Namensberichte und Akte der Namensgebung in GenLXX 1–11 GenLXX 1–11 gibt alle oben aufgeführten Akte der Namensgebung und mit einer Ausnahme37 auch alle Namensberichte aus der hebräischen Vorlage wieder. Jedoch ergeben sich im Rahmen der Übertragung ins Griechische einige semantische Differenzen zum hebräischen Text, die nachfolgend aufgeführt werden. Drei unterschiedliche Formulare kommen im hier besprochenen Textbereich zum Einsatz: Formular akk

[A]

ὄνομα obj

[B]

καλέω objakk NNakk

33

Vorkommen

Beispiel dat

NN

ὄνομα τῷ ἑνὶ Φισων (Gen

LXX

2,11a)

καὶ ἐκάλεσεν ὁ θεὸς τὸ φῶς ἡμέραν (GenLXX 1,5aα)

Der eine heißt Phison Und Gott nannte das Licht Tag

2,11a.13a.14.aα; 4,19bα.β.21a; 10,25. 1,5a.b.8.10; 2,19aβ.b.20.23.20. 11,9

Zu der ungewissen Etymologie von ‫ שֵׁ ת‬siehe Gertz (2018: 184–185). So auch Witte (1998: 106–107, 113). 35 Zur phonetisch-semantischen Doppelbödigkeit dieser Ätiologie und den traditionsgeschichtlichen Hintergründen siehe Grossman (2017). 36 Zu ‫ שֵׁ ם‬suffix+ ְ‫ עשׂה ל‬siehe unter anderem Witte (1998: 94 Anm. 71), Uehlinger (1990: 380–396) und Gertz (2018: 337– 378). 37 Lediglich in GenLXX 2,14aα besteht ein quantitativer Unterschied zwischen der Septuaginta und dem masoretischen Text. Letzterer gibt den Namen des dritten Flusses aus dem Paradies mithilfe des Nominalsatzes „und der Name des dritten Flusses war Chiddekel“ (‫ישׁי חִ דֶּ קֶ ל‬ ִ ִ‫ )וְ שֵׁ ם־הַ נָּהָ ר הָ ְשּׁל‬an. In GenLXX 2,14aα findet sich jedoch keine Entsprechung für ‫שֵׁ ם‬, lediglich der (im Griechischen übliche) Name des dritten Flusses wird angegeben. Vgl. dazu Rösel (1994: 67). 34

Brinthanan Puvaneswaran

126 [C]

ἐπονομάζω objakk NNakk

καὶ ἐπωνόμασεν τὸ ὄνομα αὐτῶν Αδαμ (GenLXX 5,2bβ)

Und er gab ihnen den Namen Adam.

4,17.25.26; 5,2.3.29.

(1) In GenLXX 1–11 verwendet der masoretische Text das Formular NN obj ‫ שֵׁ ם‬um von einem Namen zu berichten, erscheint die Nominalgruppe ὄνομα objdat NNakk [A]. Obwohl diese Wendung nicht dem im Griechischen zu erwartenden Formular entspricht, zieht sich diese Übersetzungspraxis nach Rösel durch GenLXX durch.38 (2) In den ersten drei Kapiteln benutzen die Übersetzer der Septuaginta die Phrase καλέω objakk NNakk [B] für die Wiedergabe von Akten der Namensgabe. Auch die (Spott-)Ätiologie in GenLXX 11,9 wird mit Hilfe dieser Wendung übertragen. Es fällt jedoch in v9aα auf, dass der im masoretischen Text bezeugte Ortsname „Babel“ (‫ | בָּ בֶ ל‬Bāḇæl) nicht wie etwa in GenLXX 10,10 mit Βαβυλών wiedergegeben wird, sondern dass die Septuaginta die etymologische Ätiologie der hebräischen Vorlage – die mit der Paranomasie zwischen „Babel“ (‫ | בָּ בֶ ל‬bāvæl) und „er vermengte“ (‫ | בָּ לַל‬bālal) operiert – abzubilden versucht, indem sie von der Entsprechung ‫בלל‬/συγχέω in v9aβ abgeleitet ‫ בָּ בֶ ל‬mit Σύγχυσις überträgt.39 Dort wie auch in GenLXX 2,23 steht καλέω im Passiv, ansonsten wird das Formular stets aktiv gebildet. Eine weitere Variante dieses Formulars findet sich in GenLXX 3,20.40 Hier versucht die Übersetzung das Formular NN obj ‫קרא שֵׁ ם‬nar der hebräischen Vorlage abzubilden, indem sie τὸ ὄνομα als griechisches Äquivalent zu ‫ שֵׁ ם‬als Akkusativobjekt mit καλέω verbindet.41 (3) In den Kapiteln 4 und 5 wird die Wendung ἐπονομάζω objakk NNakk benutzt, um das Motiv der nominatio rerum zu versprachlichen. Wie bei GenLXX 3,20 wird in GenLXX 4,25.26; 5,2.3.29 ebenfalls τὸ ὄνομα als griechisches Äquivalent von ‫ שֵׁ ם‬mit ἐπονομάζω als Akkusativobjekt verbunden. Das unter (2) und (3) beschriebene Phänomen, also die kongruente Verwendung von καλέω objakk NNakk und ἐπονομάζω objakk NNakk zur Übertragung der unterschiedlichen mit ‫ קרא‬gebildeten Formulare im Rahmen der Versprachlichung der nominatio rerum, kann nicht alleine mit übersetzungstechnischen Argumenten erklärt werden.42 Zusätzlich scheint kein Unterschied in der Benutzung dieser beiden Formulare für die anderen Belegstellen in GenLXX eruierbar zu sein. Darum legt sich der Verdacht nahe, dass die Septuaginta die in ihrer hebräischen Vorlage bestehenden Nuancen nivelliert. Im Weiteren fällt für den Textbereich GenLXX 1–11 auf, dass in der Benutzung von καλέω objakk NNakk und ἐπονομάζω objakk NNakk ein nahezu mechanischer Wechsel stattzufinden scheint. Alle Akte der Namensgebung, die in den Kapiteln 1–3 und damit innerhalb der eigentlichen Schöpfungserzählungen zu finden sind, werden mit der Wendung καλέω objakk NNakk in Griechische übertragen. Die Berichte über eine nominatio rerum, die in Toldedot (Geschlechtsregister) inkorporiert sind, werden hingegen mit ἐπονομάζω objakk NNakk gräzisiert. Dies legt den Schluss nahe, dass für die Wahl dieser beiden Phrasen theologische Gründe ausschlaggebend sind: καλέω objakk NNakk wird benutzt für Akte der Namensgebung die mit der Schöpfung in Zusammenhang stehen oder im Garten Eden stattfinden, während ἐπονομάζω objakk NNakk für die Wiedergabe von ‚gewöhnlichen‘ Akten der Namensgebung verwendet wird. Außerhalb dieser Zuordnung steht die Verwendung von καλέω objakk NNakk in GenLXX 11,9. Mit großer Wahrscheinlichkeit scheinen hier die Übersetzer die sprachreflexive Dimension des Stadt- und Turmbauberichts erkannt zu haben, denn auch die Wendung ‫ שֵׁ ם‬suffix+ ְ‫ עשׂה ל‬in v4 wird wörtlich mit ποιέω objdat NNakk ins Griechische übertragen. 3 Ertrag Auf der Grundlage der oben besprochenen Passagen aus GenMT/LXX 1–11, die entweder von Namen berichten oder eine Namensgebung schildern, lassen sich drei Herangehensweisen bezüglich der Frage nach der Herkunft der Namen identifizieren. Diese können anhand der Wahl von bestimmten Phrasen für unterschiedliche Formen einer nominatio rerum einerseits und der narrativen Einbindung dieses Motivs andererseits unterschieden werden. 38

Siehe dazu Rösel (1994: 64). Rösel sieht darin die Tendenz der Übersetzung, deren Interesse darin liegt, „die Tatsache der Aufteilung der Menschheit begründet bzw. pointiert“ darzustellen. Vgl. Rösel (1994: 219). 40 GenLXX 3,20 überträgt nicht unähnlich zu 11,9 den Eigennamen ‫ חַ וָּה‬der in der zweiten Vershälfte folgenden etymologischen Ätiologie entsprechend mit Ζωή. Siehe dazu Rösel (1994: 97–98). 41 Vgl. dazu auch GenLXX 4,17b.25.26; 5,2.3.29. Hier wird jedoch ‫ קרא‬stets mit ἐπονομάζω übertragen. 42 Vgl. dazu Rösel (1994: 72–73). 39

Nominatio rerum

127

Eine erste, streng sprachreflexive Herangehensweise findet sich sowohl in PUG als auch nPUG. Unterschiedliche Formulare werden klar abgegrenzt verwendet, um zwischen Namensberichten und der nominatio rerum zu unterscheiden. Ferner unterscheiden beiden literarkritisch differenzierbaren Textgrößen mittels der Wahl unterschiedlicher Phrasen die Benennung abstrakter Größen und konkreter Dinge von der Verleihung der Eigennamen menschlicher Individuen. Ein zweiter sich davon abhebender Umgang mit der Frage nach der Herkunft der Namen findet sich in RUG. Die nominatio rerum wird weder als sprachreflexiver Topos rezipiert noch konzeptionell weiterentwickelt, vielmehr verwendet RUG dieses Sujet bewusst als Motiv der narrativen Ausgestaltung, um das durch die Endredaktion neu entstehende Erzählgefälle zu stabilisieren. Eine dritte Form der Verwendung des Motivs der Namensgebung findet sich in GenLXX 1–11. Die im hebräischen Text beobachtbaren Nuancen und Unterschiede in der Ausgestaltung dieses Topos werden nivelliert und durch eine eigentümliche Übersetzungspraxis ersetzt. Letztere unterscheidet zwischen Akten der Namensgebung, die im Rahmen der Schöpfung sowie im Garten Eden stattfinden und einer ‚gewöhnlichen‘ nominatio rerum. Die Frage, ob die urgeschichtliche Bearbeitung der nominatio rerum Bestandteil der alttestamentlichen Sprachreflektion ist, lässt sich angesichts dieser Datenlage positiv beantworten. Ferner kann festgehalten werden, dass die Erkenntnisse der redaktionsgeschichtlich modifizierten Ergänzungshypothese bezüglich der literarkritischen Schichtung von GenMT 1–11 durch die oben dargestellten Zusammenhänge nicht falsifiziert werden können. Wie und inwiefern sich hier eine religionsgeschichtliche Entwicklung, das heißt eine nachträgliche Inkorporation der nominatio rerum als Topos der alttestamentlichen Sprachreflexion in die alttestamentliche Schöpfungstheologie, nachzeichnen lässt, oder ob die hier ausgearbeiteten Nuancen im Text parallele Traditionsgüter sind, müssen weitere Untersuchungen klären. Bibliographie Albertz (1989) Avrahami (2011) Borst (1995) Bührer (2014)

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La cataphore dans la prédication de qualité (« Adjectival Predicate ») De l’Ancien au Néo-égyptien En hommage à la Professeure Hanna Jenni Pascal Vernus1

Le sujet nominal d’une prédication « adjectivale » se trouve exprimé par une cataphore de la VIe dynastie à « l’égyptien de tradition » de la période gréco-romaine. Selon ce dispositif, il est postposé après un pronom dépendant — parfois le démonstratif nn — qui suit le prédicat et éventuellement certains clitiques – et fonctionne comme son premier participant direct. La construction cataphorique du sujet dans le prédicat adjectival peut être conditionnée par la nature lexicale particulière du prédicat : lorsque ce prédicat est ḫrw-fy « ainsi dit », lorsqu’il est un qualificatif d’appartenance, lorsqu’il est un pronom interrogatif. Sans ce genre de conditions lexicales, la construction cataphorique est une figure de style, qui renvoie à l’oralité – souvent une oralité de convention – via le vernaculaire et qui implique une forte implication émotionnelle : d’où son emploi très fréquent avec la particule intensive/exclamative -wy. De plus, en néo-égyptien, cette particule fusionne avec le pronom dépendant se (< sw, sy, st) pour constituer une unité prosodique figée wsy, impliquant l’indexation obligatoire du sujet nominal par un affixe précédent. Dans une perspective plus large, prenant en compte l’histoire de la langue égyptienne dans son ensemble, la construction cataphorique du premier participant d’un prédicat adjectival peut être considérée comme un jalon dans le chemin menant au regroupement des indices d’acteur autour du prédicat dans les étapes tardives de cette langue et à la création d’un cas nominatif. The nominal subject of an “adjectival” predication happens to be expressed via a cataphora from Dynasty VI to the “égyptien de tradition” of the Graeco-Roman Period. According to this device, it is postponed after a dependent pronoun – sometimes the demonstrative nn – which follows the predicate and eventually some clitics – and functions as its first direct participant. The cataphoric construction of the subject in the adjectival predicate may be conditioned by the particular lexical nature of the predicate: when this predicate is ḫrw-fy “so said”, when it is a qualifier of belonging, when it is an interrogative pronoun. Without these kinds of lexical conditions, the cataphoric construction is a stylistic device, referring to orality — often an orality of convention — via the vernacular and involving a strong emotional implication: hence its very frequent use with the intensive/exclamative particle -wy. Moreover, in Late Egyptian, this particle fused with the dependent pronoun se (< sw, sy, st) to constitute a frozen prosodic unit wsy, involving the compulsory indexation of the nominal subject by a preceding affix. In a wider perspective, taking into account the history of Egyptian language as a whole, the cataphoric construction of the first participant in the adjectival predicate may be considered as a milestone in the path leading to the clustering of actor indexes around the predicate in the late stages of this language and to the creation of a nominative case.

Mots-clés : Prédicat adjectival ; Cataphore ; Stylistique ; Néo-égyptien ; Exclamation ; Indexation des participants

1

École Pratique des Hautes Études, IVème section Sciences historiques et philologique, Paris, en Sorbonne ([email protected].). Mes remerciements à M. Müller/Basle pour ses fécondes remarques.

Pascal Vernus

130

§1 La prédication de qualité ou « Adjectival Predicate » est sans doute un type de prédication nominale qui nécessite encore beaucoup de recherche ; pour les plus récentes synthèses voir Peust (2008) ; Uljas (2007) ; Allen (2013: 86–88 ; id. 2014: 86–88) ; Schenkel (2015: 155–60) ; Loprieno, Müller & Uljas (2017: 649– 97). Le sujet de la prédication de qualité, son premier participant immédiat et le plus souvent son unique participant immédiat2, peut être un pronom dépendant – parfois le démonstratif nn – explicité ensuite par un syntagme nominal selon le principe de l’épexégèse (El-Hamrawi 2001: 18–20 ; Schenkel 2012: 367–68 ). On parle alors de « cataphore » puisque le référent du pronom le suit (Vernus 2006: 161–63 ; id. 2014: 266– 67 ; Uljas 2018), ou encore de « right dislocation » – qui révèle une perception de la langue à travers les écritures allant de gauche à droite – de « rear extraposition », de « pronominal anticipation », voire de « antitopic marker » (Grossman & Polis 2018: 409) ou de « pronominal postpositive subject marker » (Grossman 2015: 208). Exemple3: [1]

nfr.wy sw pr pn « Combien parfaite est-elle, cette demeure-ci ! » Rituel de fondation, l. 1 ; Barguet (1952: 5).

Le pronom dépendant sw, participant unique et sujet de la prédication de qualité, suit immédiatement le prédicat nfr et la particule intensive -wy. Il est ensuite explicité par son référent, le syntagme nominal pr pn. §2 Bien entendu, cela vaut avant tout pour un syntagme nominal dont le référent est à la troisième personne. Quand un pronom dépendant de la deuxième personne est explicité par un syntagme nominal, il peut s’agir d’un vocatif. Ce pronom est contextuellement anaphorique, son référent étant par définition implicitement présent : [2]

nfr.wy ṯw sbk šdty « Combien es-tu beau, Sébek de Shedet ! » pRamesséum VI.82–83.

Le syntagme nominal suivant le pronom dépendant ṯw est un vocatif. Il explicite ce pronom, mais n’en est pas le premier référent puisque Sébek de Shedet, auquel s’adresse l’hymne est déjà virtuellement présent dans le contexte en tant qu’interlocuteur. En fait, en dernière analyse, si le nom postposé par une cataphore à la troisième personne n’implique pas intrinsèquement la présence de son référent, il requiert en principe, que ce référent soit identifiable dans le contexte4 – d’où souvent sa détermination par un démonstratif d’identité (ex. [46–47], [51–53], [56–58], [60], [74–75], [92]), par le démonstratif/article possessif (ex. [100], [107]) – ou, à tout le moins, soit aisément identifiable par inférence, d’où l’emploi de l’article en tant que simple nominalisateur (ex. [87], [89] et ex. [61], [67], [84], [110] pour les généralisations). Quand le référent du pronom cataphorique a été mentionné auparavant dans le cotexte et n’est pas simplement identifiable dans le contexte, ou par inférence, on peut alors parler de « cataphore incrémentielle » (voir ex. [16], [23] et [29]), dans la mesure où la nouvelle mention du syntagme nominal comporte une information supplémentaire. §3 Les exemples de construction cataphorique du sujet de la prédication de qualité se répartissent en quatre catégories, les trois premières étant conditionnées par certaines contraintes lexicales sur le prédicat.

2

Presque toujours le participant unique, sauf quand le prédicat est un participe transitif pourvu d’un second participant immédiat, comme dans l’ex. [108]. 3 Cet exemple est repris de manière plus développé en tant qu’ex. [56]. 4 Dans l’ex. [105], le nom explicitant le sujet pronominal cataphorique pourrait être indéfini.

La cataphore dans la prédication de qualité

I.

Cataphore avec la locution de citation ḫrw-fy.

II.

Cataphore avec les qualificatifs d’appartenance n(y)+pronom indépendant/pronom indépendant ; n=suffixe-jmy ; ny-sw comme prédicats.

131

III. Cataphore avec un pronom interrogatif comme prédicat. IV. Cataphore dans la prédication de qualité hors contraintes lexicales particulières sur le prédicat. I Cataphore avec la locution de citation ḫrw-fy §4 Les locutions marquant une citation au style direct (voir récemment Schenkel 2017), soit qu’elles la clôturent, soit qu’elles s’y trouvent insérées5, mettent souvent en œuvre la cataphore du sujet nominal. L’indice du sujet est constitué soit par une désinence – ainsi le pseudo participe j(.j), féminin j.tj (Schenkel 2017) – soit par un pronom suffixe – ainsi ḫr=f (voir ci-dessous). Un sujet nominal peut suivre directement, ou bien être introduit par jn (Vandier 1950 ; 186 II g1–2 ; Faulkner 1935: 182), par m (ci-dessous ex. [10] ; Faulkner 1935: 185 ; Erman 1933: 367 § 744 ; Černý & Groll 1993: 157), ou par n (ci-dessous ex. [11]). §5 Au nombre de locutions, il faut compter aussi le composé devenu inanalysable et invariable ḫrw-fy, qui se construit comme une prédication de qualité, structurellement à tout le moins. L’essentiel des données est présenté dans les contributions suivantes : Wb III, 225.12–15; GEG § 437 ; Lacau (1949: 33) ; Hayes (1955: 79, n. 309) ; Hannig (2006: 1932–33) ; Borghouts (2010: 289–90, § 80d) ; Allen (2014: 303) ; Brose (2014: 336, §314 ) ; Schenkel (2015: 241) ; Winand (2017: 476–77). Dans le cadre de cette contribution, je me bornerai à poser deux points fondamentaux, les catégories documentaires où est utilisée la locution (§ 6), et sa construction (§ 7) §6 La locution ḫrw-fy est limitée à deux catégories documentaires : 1. Elle est régulièrement utilisée dans des documents de la pratique administrative et judiciaire du Moyen Empire avancé et de la Deuxième Période Intermédiaire. 2. Elle est utilisée dans les mythes et dans les compositions funéraires pour clore le propos de divinités ou de génies dans les Textes des sarcophages, dans la magie (pRamesséum IX 3.4), dans le Livre des morts, et dans des actualisations monumentales de textes religieux du Nouvel Empire. Dans cette deuxième catégorie, l’évolution de la tradition donne à penser que ḫrw=fy sw se substitue diachroniquement à ḫr=f /ḫrw=f, une autre locution de citation6, qui ne relève pas de la prédication de qualité (inter alia Faulkner 1935: 190 ; Kammerzell & Peust 2002: 303 ; Allen 2014: 303 ; Schenkel 2015: 241 ; pour le néo-égyptien Winand 2017). Certes, il arrive que les deux locutions alternent dans le même chapitre du Livre des morts : [3]

ḫr=sn nṯr.w r=j « Ont-ils dit, les dieux à mon sujet. » Livre des morts, chapitre 52, pNou, col.3.

5

Par exemple une locution est insérée dans la citation qu’elle marque comme telle dans le chapitre 125 du Livre des Morts, Schlussrede 35–36, version Aa, 35–36 Aa (Naville 1886: pl. CXXXVIII). 6 Il n’est pas exclu qu’originellement, la locution ḫrw=f ait été non un verbe, mais un syntagme nominal avec pronom possessif, lequel était suivi de l’explicitation du possesseur. Ce schéma est connu dans certaines langues du monde pour exprimer la possession inaliénable #A=de lui N# signifiant « le A de N ».

Pascal Vernus

132

Mais [4]

ḫrw-fy sn nṯr.w r=j « Ont-ils dit, les dieux à mon sujet. » Livre des morts, chapitre 52, pNou, col.4.

Cependant, le fait que la locution ḫr=f/ḫrw=f se rencontre dans l’une des versions des Textes des sarcophages (Formule 772, CT VI, 406l) qui préfigurent le chapitre 52 du Livre des morts suggère qu’elle pourrait être plus ancienne. §7 La construction dans laquelle cette locution joue le rôle de prédicat est, apparemment à tout le moins, la prédication de qualité, puisqu’elle précède son premier et unique participant, lequel, s’il est pronominal est représenté par le pronom dépendant : PRÉDICAT

SUJET

ḫrw-fy

Pronom dépendant / Syntagme nominal

ḫrw-fy sw « a-t-il dit » et ḫrw-fy N « a dit N ». §8 Les pronoms dépendants attestés dans la documentation sont : -tw, 2 MS (pUC 32118D.r° 3 ; Collier & Quirke 2002: 38–39 ; Brose 2014: 336, ex. 608). -k(w)7, 2 MS ancienne (ḫrw-fy=k(w) n ḏḥwty « as-tu dit à Thot », CT IV, 94s). -sw, 3 MS (très nombreux exemples, éventuellement dans des graphies récentes notées se par la suite). -sy, 3 FS (ex. [8]). -sn, 3 PL ancienne (e.g. ex. [6] et [7]). -st, 3 PL récente et neutre (JE 52453.18 = Lacau 1949: 31). -st, 3 FS (ex. [9]). §9 Le syntagme nominal peut-être un nom propre, un nom commun, une nominalisation (e. g. : ḫrw-fy nȝ gmy.t « ainsi s’énonçait ce qui fut trouvé » (pBerlin 10476 II.2 ; Smither 1948: pl. V ; Vittmann 1996: 35). § 10 Dans le cas où le sujet, ou participant immédiat, est un syntagme nominal, à côté de la construction ḫrw-fy SN, on rencontre la construction à cataphore ḫrw-fy sw SN. Le syntagme nominal est retardé, placé après le pronom dépendant qu’il explicite en apposition épexégétique. [5]

ḫrw-fy sw md.t nt zš pn « Tel était-il, le texte de cet écrit (lit.: ainsi disait) il, l’énoncé de cet écrit). » pUC 32092A.r° 1; Brose (2014: 336, ex.609).

À noter la non congruence entre sw et md.t. [6]

7

rdj n=k wnm=k ṯnj ḫrw-fy sn nṯr.w r=j « Où t’a-t-il été-permis de manger ? disent-ils, les dieux à mon sujet. » Livre des morts, chapitre 189, pNou, col.5, cf. Backes (2016 : 436)

Pour la graphie, voir Vernus (2006: 159 ; id. 2016: 211–213).

La cataphore dans la prédication de qualité

133

[7]

ᶜnḫ=k jrf m-m ḫrw-fy sn nṯr.w ȝḫ.w r=j « De quoi donc vivras-tu ? disent-ils, les dieux et les akhou à mon sujet. » Livre des morts, chapitre 189, pNou, col 4 cf. col. 5.

[8]

…ȝᶜ r=k r nn-nsw sȝ-Hr ḫrw-fy sy ȝs.t « … donc vers Héracléopolis, fils d’Horus, dit-elle, Isis. » Caire JE 28049 = KRI II 550.2.

[9]

pw-tr sy ḫrw-fy st nw.t « Qui est-elle ? dit-elle, Nout. » Mythe de la Vache du ciel, version de Séthy I ; Hornung (1983: 13).

§ 11 La variation entre construction simple et construction cataphorique est illustrée : A) Soit par des variantes dans les versions du même chapitre de Livre des morts. Fort caractéristique, à cet égard, la tradition du chapitre 175 : [10]

jmy jr=k wj ᶜȝ ḫrw-fy twm (var.: ḫrw-fy sw twm /var.: ḫrw-fy sw m twm) « Place-moi donc ici, a dit Atoum (var.: a-t-il dit, Atoum /var.: a-t-il dit, à savoir Atoum)8. » Livre des morts, chapitre 175.13 ; pTurin 84388 ; voir Wüthrich (2012: 162).

[11]

rdj-n=j n=sn ȝḫw m-jsw mw ṯȝw nḏm.yt ḥtp-jb m-jsw t ḥnq.t ḫrw-fy twm (var.: ḫrw-fy sw twm /var.: ḫrw-fy n twm) « C’est pour eux que j’ai substitué la transfiguration à l’eau, à l’air, à la jouissance, que j’ai substitué la paix intérieure à la nourriture et la boisson, a dit Atoum (var.: a-t-il dit, Atoum /var.: a dit, à savoir Atoum)9. » Livre des morts, chapitre 175.39–40 ; pTurin 84388 ; voir Wüthrich (2012: 173).

[12]

jšs.t pw ᶜḥᶜw=j m ᶜnḫ ḫrw-fy wsjr (var.: ḫrw-fy se wsjr) « C’est quoi ma durée de vie ? a dit Osiris (var.: a-t-il dit, Osiris)10. » Livre des morts, chapitre 175.51–52 ; pTurin 84388 ; voir Wüthrich (2012: 184).

Voir aussi par ailleurs dans le chapitre 175 du Livre des morts, ḫrw-fy twm dans les versions pBM 10470 et pCracovie 753, mais ḫrw-fy n twm, dans la version pLeyde T5. Voir Wüthrich (2012: 177). B) Soit par la variation entre construction simple et construction cataphorique d’une version des Textes des sarcophages à son aboutissement dans un des chapitres du Livre des morts. [13]

mȝᶜ ḫrw wsjr r ḫfty.w=f ḫrw-fy ḏḥwty n rᶜ « Osiris est juste de voix contre ses ennemis, a dit Thot à Rê. » CT IV, 94g.11

[14]

8

smȝᶜ ḫrw wsjr r ḫfty.w=f ḫrw-fy sw rᶜ n ḏḥwty « Rends justifiée la voix d’Osiris contre ses ennemis, a-t-il dit, Rê à Thot. » Livre des morts, chapitre 1 ; pNu, col. 8.

Variante ḫrw-fy sw twm pBM 10470, pCracovie 752 ; variante ḫrw-fy sw m twm pLeyde T5. Variante : pBM 10470 et pCracovie 752 ; variante : pLeyde T5. 10 Variante : pLeyde T5. 11 Cf. dans la même formule ḫrw-fy ḏḥwty n wsjr « a dit Thot à Osiris » (CT V 90n). 9

Pascal Vernus

134

II Cataphore dans la prédication de qualité dont le prédicat est un qualificatif d’appartenance § 12 L’égyptien classique possède trois qualificatifs indiquant l’appartenance (Gilula 1968 ; Satzinger 1986 ; Jenni 2004 ; Vernus à paraître). 1. a) n(y)-pronom indépendant ; b) pronom indépendant. 2. n=suffixe-jm(y). 3. n(y)12. § 13 Ces trois qualificatifs sont susceptibles de fonctionner comme prédicat d’une prédication de qualité, à tout le moins dans la mesure où ils entrent dans une construction où : -Le sujet suit le prédicat. -Le sujet pronominal requiert le pronom dépendant, commutant avec un syntagme nominal dans les cas des qualificatifs 1 et 2. Dans le cas du qualificatif 3, le pronom dépendant est un constituant obligé. Les qualificatifs 1 et 2 sont constitués partiellement ou entièrement par un pronom – pronom indépendant ou pronom suffixe – lequel réfère au possesseur. En conséquence, ils prédiquent le fait de posséder. Le qualificatif 3 ne tolère pas comme sujet un syntagme nominal fonctionnant comme sujet immédiat, sauf dans le cas particulier d’une formation récessive limitée à l’onomastique. Il exige obligatoirement un pronom dépendant pour représenter le sujet. Lequel pronom réfère au possédé. En conséquence, il prédique le fait d’être possédé. S’agissant des premières et deuxièmes personnes, le référent des pronoms constituants des qualificatifs 1 et 2, et celui du pronom dépendant sujet du qualificatif 3 sont par définition présents au monde de l’énonciation ; son explicitation n’est pas nécessaire ; elle peut être spécifiée par un vocatif. § 14 De le cas à la troisième personne, l’absente selon les grammairiens arabes, la nécessité d’expliciter le référent peut çà et là s’imposer. Le syntagme nominal explicitant ce référent est alors présent dans la construction associée au pronom qu’il explicite. En règle générale, cette association prend la forme d’une topicalisation (« front extraposition ») ; comme le montent de nombreux exemples (Vernus à paraître, ex. [56], [61], [67], [69], [71], [81], [83], [91–95], [166], [167], [174], [175], [195]). Ainsi : [15]

ᶜȝ nb n(y) s(w) mḥ 5 « Chaque porte, elle faisait (lit. : appartenait à) cinq coudées. » Caire JE 46048.x+-2 ; Abdallah (1993: 250).

§15 En revanche, le recours à la cataphore est très rare : [16]

n(y)-sw 10 r 10 r 3 1/3 pȝ šȝᶜ « Il fait (lit.: il relève de) 10 par 10 par 3 1/3, le (/ce) contenant. » pRhind n° 46.

Le contenant (šȝᶜ) est mentionné auparavant dans l’intitulé même du problème, sans démonstratif. Il sera derechef mentionné par la suite avec le démonstratif anaphorique pn (Kupreyev 2014: 231). Il s’agit donc d’une cataphore « incrémentielle » (voir § 2), l’explicitation du sujet soulignant le fait que son référent appartient désormais à l’univers commun de l’énonciateur et de son potentiel interlocuteur.

12

Tardivement ns (< n(y)-se), locution figée, après ré-analyse de se (pronom dépendant 3P) comme constituant indissociable.

La cataphore dans la prédication de qualité

[17]

135

n(y)-sw N tm « Il appartient à N, l’univers. »

ou « Il appartient à l’univers, N. » CT IV 340a L1Lib ; Jenni (2004: 124.6) ; EÄG 159–60, ad § 732a et 2005b. [18]

n=k-jm s(y) ḏ.t=s / ou s(y) sḏ.t « Il (= l’oeil d’Horus), (à savoir) son corps t’appartient », c’est-à-dire: « il t’appartient en personne13. »

ou « Elle, t’appartient, la flamme. » CT VII, 63j, ThT.240 ; formule 861. III La cataphore dans la prédication de qualité avec un pronom interrogatif prédicat § 16 Les pronoms interrogatifs m > nm, pw > p(w)tr, et jšs.t14 de l’égyptien de la première phase peuvent fonctionner comme prédicats dans une construction qui apparemment, à tout le moins, est celle de la prédication de qualité (Vernus 2006: 149 ; Gundacker 2010: 59–60), dans la mesure où elle présente la structure Prédicat Sujet, avec, dans la position de sujet, le pronom dépendant commutant avec un syntagme nominal. PRÉDICAT

SUJET

Pronoms interrogatifs m > nm, pw > p(w)tr, jšs.t

Pronom dépendant / Syntagme nominal

§ 17 Uljas (2012: 254–56) et Loprieno, Müller & Uljas (2017: 294–95) contestent que la construction pronom interrogatif + pronom dépendant relève de la prédication de qualité en invoquant deux arguments peu convaincants. Je ne vois pas en quoi une interrogation du genre mt tr tw « qui es-tu ? » posée au défunt par les occupants du monde de l’Au-delà, ne saurait porter sur sa qualité. Pourquoi ne s’enquerrait-on pas sur elle, comme, par ailleurs sur son identité ? En tout cas, pour accréditer le défunt dans ce monde, on ne manque pas d’utiliser la prédication de qualité standard pour faire valoir sa qualification ; ainsi : [19]

wᶜb sᶜḥ ṯw « Tu es pur et passible d’être-un-dignitaire. » CT VII, 237v.

[20]

snṯrw sw m nṯrj « Il est propre à être divinisé grâce à l’encens. » Transfiguration (sȝḫw) I ; pSchmitt XII.23 ; Backes (2016: 358).

Quant à l’argument selon lequel l’interrogation sur la qualité serait exprimée par une prédication adverbiale avec la préposition mj, se substituant ainsi à la prédication de qualité, elle repose sur un flou conceptuel. Ce genre d’interrogation à l’aide d’une prédication adverbiale (« Prédication de situation ») porte sur la situation, liée à des circonstances spatio-temporelles d’une personne par référence à une autre, alors que la prédication de qualité implique un attribut, non lié a priori à des circonstances spatio-temporelles, et sans impliquer de référence à un point de vue privilégié.

13

Je postule un mauvais placement du second s, et propose de lire ḏ.t=s « son corps », c’est-à-dire « lui-même », voir Van der Molen (2000: 810). Pour l’apposition badal pronom+nom de partie du corps avec suffixe possessif, voir Vernus (2009: 313). L’interprétation de Schenkel (2012: 162) implique une confusion entre ḏ.t « corps » et ḏ.t « éternité ». 14 Pour les cas de zy et de jḫ, voir Vernus (2006: 154, § 4.3.3 et 155–156, § 4.3.4).

Pascal Vernus

136

En fait, il ne me paraît pas déraisonnable de poser que l’égyptien exprimait par des constructions différentes l’opposition entre interrogation sur la qualité et interrogation sur l’identité, opposition rendue dans d’autres langues par le lexique. Ainsi, en latin, qui es « quelle est ton identité ? », s’oppose à qui es « quelle espèce de personne es-tu ? » § 18 Quoiqu’il en soit, on constate qu’à côté de la construction simple #Pronom interrogatif +Pronom dépendant/ syntagme nominal#, il existe une tendance à utiliser un tour cataphorique quand l’élément prédiqué est un syntagme nominal. On pose alors un pronom personnel sujet, lequel est ensuite explicité par le dit syntagme nominal (Vernus 2006: 161–63). En voici d’abord quelques exemples, d’une part avec comme prédicat le pronom interrogatif m > nm (1), d’autre part avec le pronom interrogatif pw > p(w)ty (2). 1. Pronom m > nm [21]

nm sw nṯr mjty=k « Quel est-il, le dieu pareil à toi ? » Hymne à Amon du temple d’Hibis à El-Kharga, voir Klotz (2006: 101).15

2. Pronom interrogatif pw puis p(w) tr [22]

pw sw ᶜq ḥr bȝ pn ṯn « Qui est-il, celui qui entre devant ce ba-ci ? » CT II 290e–291e, formule 155 ;16 voir GEG § 498.

[23]

p(w)tr sw ᶜȝ (var.: nṯr ᶜȝ) ḫpr ḏs=f « Qui est-il le grand (/le dieu grand) qui vient à l’existence de lui-même ? » CT IV, 188b, B9, Ca ; formule 335 ; Livre des morts, chapitre 17, 13 versions, voir Lapp (2006: 20–23).

[24]

p(w)tr s(y) wȝ.t « Quelle est-elle, la route ? » CT IV, 218b, B9Ca ; formule 335.

Les autres versions placent la réponse immédiatement après p(w)tr s(y). Il n’y a donc plus de cataphore. [25]

p(w)tr s(y) ᶜḥȝ.t nt nṯr.w « Qui est-il, le bateau de guerre des dieux ? » CT IV, 194b, B9Ca ; formule 335.

[26]

p(w)tr rf s(y) jḥ(.t) nt nṯr.w « Qui est-il, le filet des dieux ? » CT IV, 195b, BH1Br, probablement ré-interprétation du précédent ; formule 335.

[27]

p(w)tr rf sw ᶜḥȝ/ᶜḥȝ-ᶜ rḥ.wy « Quel est-il donc, le combat des deux compères ? » CT IV, 234–235a ; M4C, T3L, T1Be ; variante : Sq1C, M4C, M8C, M7C, T3Be, L3Li. ; formule 335.17

[28]

15

p(w)tr rf sw ᶜᶜw tȝ.wy « Qui est-il donc, l’interprète des deux pays ? » Livre des morts, chapitre 125 ; Schlussrede, pNou col. 100 ; voir Lapp (1997: pl. 69).

Formulation reprise dans un hymne à Osiris du temple d’Opet, voir De Wit (1958: 41, 2e bandeau). 14 versions, ajouter version de ḥnjb = Ciampini (2003: 37 et pl. 14, col. 23). 17 Pour les versions anciennes du chapitre 17 du Livre des morts,voir Lapp (2006: 114, TT87, IC2 , CL1, pC3). La version B9Ca a nm tr rḥ.wy avec l’interrogatif nm et sans cataphore. 16

La cataphore dans la prédication de qualité

[29]

137

ptr se ᶜḥȝ n (ou : ᶜḥȝ-n) ms.w gb « Qu’est-il, le combat (/ce qu’ont combattu) des enfants de Geb ? » Urk. VI 9.12–13.

§ 19 Bien plus, la tradition manuscrite de la formule 335 des Textes des sarcophages et, à un bien moindre degré, son avatar dans le chapitre 17 du Livre des morts, montrent des fluctuations entre construction des pronoms interrogatifs m et pw avec sujet nominal immédiat et construction avec sujet pronominal cataphorique, dans les gloses visant à identifier des éléments mythologiques. [30]

m tr rf nn jmy.w-bȝḥ « Qui sont donc ces prédécesseurs en question ? » CT IV, 228c–229c, BH1Bi ; formule 335.

Variantes : a) m st nn n nṯr.w-jmy.w-bȝḥ (T2Be) b) m tr sn (/st) nn n nṯr.w jmy.w-bȝḥ (T3Be, T3L) c) m tr rf st nn nṯr.w jmy.w-bȝḥ (M8C, M7C, T1Be) d) nm st nn jmy.w-bȝḥ (B9Cb) « Qui sont-ils (/sont-ils donc), ces dieux prédécesseurs (/ces prédécesseurs) en question ? » [31]

p(w)tr rf wḏȝ.t « Qui est donc l’oeil-oudjat ? » CT IV, 238d–239d, B1P, L1N4 ; formule 335.

Mais variantes avec cataphore : [32]

a) p(w)tr s(y) wḏȝ.t b) p(w)tr rf s(y) wḏȝ.t « Qui est-il (est-il donc), l’oeil-oudjat ? »

[33]

p(w)tr šw.ty=f « Quelle est donc la paire de plumes ? »

(B9Ca, Sq1C, Sq7C, T1Be) (M8C, M7C, M54C, T3Be, M53C)

CT IV, 204–205b, B1P, B9Ca, M8C ; formule 335. Variantes avec cataphore : [34]

pwtr sw šw.ty=f « Quel est-ce donc, la paire de plumes ? » L1N4, T1Be, Sq1C, Sq7c ; Livre des morts chapitre 17, IC2 ; voir Lapp (2006: 58).

Notez le pronom 3e personne masculin singulier cataphorique d’un duel féminin. [35]

a) pw sš.wy wr.wy ᶜȝ.wy (B1P, B5C) b) p(w)tr sš.wy wr.wy ᶜȝ.wy (M4C) c) p(w)tr rf sš.wy wr.wy ᶜȝ.wy (M8C, M57C, M 54C, M1N4, T3Be) « Quelle est donc la paire d’importantes et grandes mares ? » CT IV, 216a–217a ; formule 335.

Mais variantes avec cataphore : [36]

p(w)tr sw sš.wy wr.wy ᶜȝ.wy « Quelle est-elle, la paire d’importantes et grandes mares ? » Sq1C, Sq7C.

Noter le pronom dépendant 3e personne masculin singulier, cataphorique d’un duel masculin.

Pascal Vernus

138

[37]

p(w)tr rf tȝ pn n ȝḫty.w « Quel est donc ce pays-ci des gens-de-l’horizon ? » CT IV, 222c–223c ; formule 335 ; B1P, B9Ca, Sq1C, Sq7c, M8C, M7C, T1Be, T3Be, T3L, M1N4 ; Livre de morts, chapitre 17 IC2 ; voir Lapp (2006: 96).

Mais variantes avec cataphore : [38]

p(w)tr rf sw tȝ pn n ȝḫty.w « Quel est-il donc, ce pays-ci des gens-de-l’horizon ? » M57C, BH1Br.

On constate qu’il n’y a guère de cohérence dans les différentes versions (voir en général Schenkel 1975 ; Sledzianowski 1975a et 1975b). Certes, une version comme B1P semble préférer systématiquement l’interrogation simple, mais d’autres versions montrent, selon le passage, l’interrogation simple ou l’interrogation avec cataphore, par exemple T1Be, B9Ca, SqC1. Il n’y a guère non plus de tendance régionale marquée. Il ne semble pas non plus que la variation soit vraiment d’ordre diachronique, même si parfois le tour cataphorique est associé à la forme récente nm du pronom interrogatif (CT IV, 228c–229c, B9C). En fait, les deux tours co-existaient dans la compétence des scripteurs. Peut-être la forme simple était-elle perçue comme plus relevée. En tout cas, dans la révision opérée sur la formule dans le Livre des morts du Nouvel Empire, s’affirme la tendance – mais non la règle systématique – à changer la formulation. Au lieu d’un tour où l’interrogation avec ou sans cataphore met en jeu explicitement ce qui en fait l’objet, on préfère une question seulement formulée par ptr rf sw, la réponse suivante immédiatement sous forme d’une prédication de classe (A pw). § 20 Dans un conte en moyen égyptien avancé, dans des registres proches du vernaculaire, le tour cataphorique alterne avec le tour sans cataphore avec le pronom interrogatif : [39]

p(w)ty nȝ ntt n jy.wyn r=s « Qu’est donc ce pour quoi nous voici venus ? » pWestcar 11.9–10 ; Vernus (2006: 162) ; Lepper (2008: 130–31).

Mais [40]

p(w)ty st N tm dj mȝn=j tw « Qu’est-ce, N, le fait de ne pas me laisser te voir ? » pWestcar 8.10–11 ; Vernus (2006: 162) ; Lepper (2008: 110).

Noter que le recours à la cataphore est associé à un appelatif qui introduit – ou met à profit – une césure prosodique divisant l’énoncé. [41]

p(w)ty sy tȝ rd-ḏd.t « Qui est-elle, cette Reddjedet ? » pWestcar 9.8 ; cf. GEG 105 § 132 n.4.

IV Cataphore dans la prédication de qualité hors contraintes lexicales sur le prédicat § 21 Dans les cas précédents, la cataphore intervenait dans des locutions (ḫrw-fy) ou des qualificatifs (appartenance, pronoms interrogatifs) particuliers ; des contraintes lexicales pesaient donc. Voici maintenant des cas où la cataphore dans la prédication de qualité intervient hors ces contraintes sur le prédicat. Pour présenter les exemples de cataphore du sujet dans la prédication de qualité hors conditionnements particuliers, il m’est apparu que la documentation disponible gagnait à être divisée en deux grandes catégories A. Égyptien de la première phase 1°) L’égyptien de la première phase est le standard de l’époque par delà ses variétés. 2°) Égyptien de tradition : textes reflétant fondamentalement l’égyptien de la première phase à

La cataphore dans la prédication de qualité

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une époque où il n’est plus le standard soit par reproduction de documents anciens (« égyptien de tradition reproductif »), soit par intention mimétique (« égyptien de tradition productif »), voir Vernus (2016). B. Égyptien de la seconde phase 1°) Infiltrations du vernaculaire à la XVIIIème dynastie. 2°) Documents en néo-égyptien. A Égyptien de la première phase 1°) L’égyptien de la première phase est le standard de l’époque par delà ses variétés. § 22 Dans quelques cas, la construction cataphorique du sujet de la prédication de qualités n’implique pas de particule intensive. • Textes funéraires [42]

ᶜȝ sn nfr sn ḥw.w šw.ty ḫsbḏ « Elles sont grandes, elles sont belles, les barbes des deux plumes quand elles se trouvent être bleues. » CT II, 214d–215a. S1Cb ; S2P S1P S1Chass ; formule 148.

Noter l’emploi de la forme ancienne sn du pronom dépendant 3e Pl., ce qui suggère que la cataphore participe d’un fond relativement ancien. Il est peu plausible que sn renvoie à jrw qui précède dans nṯr pn … ṯfrr jrw.w nb nṯr.w « ce dieu-ci … aux formes bleues-sombre, le maître des dieux », voir Gilula (1971: 17). [43]

(pr sšp wbȝ=f bjȝ) a) ḫsr ḥȝty ḥr b) ḫsr sw ḥȝty ḥr « (Que la lumière sorte et révèle le firmament ! » a) « Celui à la vision (lit. : visage) trouble est repoussé. » b) « Il est repoussé, celui à la vision (lit. : visage) trouble. » CT VII, 426c ; formule 1102. a) B1L, B3. b) B3C et 4 versions.

Faulkner (1978: 158 n. 3) propose différentes interprétations, mais ne paraît pas avoir envisagé l’interprétation présentée ici. Il n’est pas exclu que l’épithète « à la vison trouble » se rapporte à l’être maléfique mentionné au début de la formule. • Autobiographie [44]

ȝḫ s(y) bj.t nfr.t « Il est profitable, le bon comportement. » El Kâb, tombe de X ; Deuxième Période Intermédiaire ; Vernus (1988: 148).

Avec la particule enclitique ȝ § 23 La construction cataphorique du sujet dans la prédication de qualité est attestée aussi avec la particule ȝ, une particule dont les emplois sont bien loin d’être élucidés18, mais dont la valeur exclamative est claire dans bien des contextes. Entre autres, elle est attestée dans une prédication de qualité associée à la particule intensive -wy (Pyr. § 476a, cf. Oréal 2011: 30), ce qui peut être rapproché, mutatis mutandis, de l’exemple suivant où le sujet est en construction cataphorique19 ; 18

La synthèse la plus élaborée est celle de Oréal (2011: chapitre premier). Comparer avec la même particule dans une prédication de qualité sans cataphore : nfr jr.t n=k tj nḏm jr.t n=k ḥnq.t … ptr ȝ rdj=k jr.t n=n … « il est bon de te faire du pain. Il est agréable de te faire de la bière ... Que feras-tu donc faire pour nous ? » (pUC 32156A.r° 8 = Collier & Quirke 2004: 42). Voir aussi en néo-égyptien littéraire nfr tw ȝ nfr tw ȝ jmn 19

Pascal Vernus

140

[45]

ᶜšȝ sw ȝ š-jȝr.w « Que vraiment abondant est-il, le lac-des-roseaux20 ! » CT VII, 265 b B3L et 3 versions ; B2L : pas de ȝ mais r effacé ; formule 1033.

Il s’agit d’une version propre à plusieurs sarcophages de El-Bersha. Elle diverge de la version représentée par la majorité des sarcophages (El-Bersha et Beni Hassan) en substituant à une série d’épithètes ce qui semble-être une incise exclamative. Avec la particule intensive -wy § 24 C’est avec la particule exclamative -wy que la cataphore dans la prédication de qualité est les plus fréquemment attestée de l’Ancien au Moyen Empire, dans les propos du petit peuple, représentant les subordonnés travaillant au bénéfice du propriétaire dans les représentations de sa tombe, les « Reden und Rufe », à emprunter le jargon égyptologique21 (§ 25), dans les textes funéraires (§ 26), et dans les textes littéraires (§ 27). § 25 Les plus anciennes attestations remontent à la VIe dynastie dans les « Reden und Rufe »: [46]

nfr w(y) sw ṯȝw pn nty ḥnᶜ(=j) « Combien bon est-il, ce vent, camarade ! » Mastaba de Mehou ; VIème dynastie, règne de Téti ; Altenmüller (1998: Scene 19.1.2 ; pl.19b.114) ; Oreal (2010: 148) ; Motte (2018: 1103).

Légende au-dessus d’un bateau voile gonflée. [47]

nfr w(y) sw ṯȝw pn nty ḥnᶜ(=j) « Combien bon est-il, ce vent, camarade ! »

Mastaba de Mererouka, VIème dynastie ; Duell (1938: pl. 140) ; Sethe (1914: 59) ; EÄG § 944 ; Heckel (1957: 40) ; Motte (2018: 1099–1100). Légende au-dessus d’un bateau voile gonflée. Ces deux exemples proviennent de tombes quasi contemporaines. Il est clair que ces légendes procèdent de la même source. [48]

nfr.w(y) s(y) sḏȝ(.t) mnḫ.t « Combien parfait est-il, l’acheminement du tissu ! » Tombe de Pepy-ankh, Meir ; VIe dynastie, règne de Pépy II ; Blackman (1953: pl. XXVI, à droite, quatrième registre) ; Kanawati & Evans (2014: pl. 87.89–91) ; Motte (2018: 711).

A comparer, dans la même tombe, avec : [49]

nfr.w(y) sḏȝ.t mnḫ.t r jz ḥnnj.t « Combien parfait est l’acheminement du tissu à la tombe d’Hénénit ! » Tombe de Pepy-ankh ; Blackman (1953: pl. XXVI, à droite, premier registre).

Le grand intérêt de ces deux derniers exemples est que dans le même ensemble, on observe deux formulations de la même expression : d’une part, une formulation où la prédication de qualité a pour sujet immédiat un syntagme nominal dont le noyau est un infinitif [49], et d’autre part, une formulation où le sujet de la prédication de qualité est un pronom dépendant, précédant par cataphore son explicitation par le même syntagme nominal [48]. « que tu es bon, que tu es bon, Amon ! » (pChester-Beattty IV, r°9.12–13) ; nfr ȝ rn ḥr ᶜḥȝ m-r-ᶜ m-r-ᶜ « Que bon est le (re)nom provenant du fait de combattre encore et encore ! » Bataille de Qadesh, récit § 257 ; KRI II 79.6–9 ; etc. 20 Voir Sherbini (2017: 168 et 126 bi) qui apparemment ignore cette variante dans son commentaire. 21 Pour une définition du genre, voir Motte (2017).

La cataphore dans la prédication de qualité

[50]

141

jy.w(y) sw mȝ bw-nfr n sḫ.t « Combien bienvenu est-il, celui qui a vu la bonté de Sekhet ! » Tombe de Oukhhotp fils de Oukhhotep ; Amménémès II ; Blackman (1915: pl. VIII, deuxième registre en partant du bas) ; Guglielmi (1973: 170) ; Motte (2018: 965 [1886]).

Légende des pêcheurs saluant les bonnes relations de leur maître, le propriétaire de la tombe, avec Sekhet, la déesse des campagnes inondées. Le syntagme nominal sujet est précédé du pronom dépendant cataphorique. jy.wy, par ailleurs locution figée (GEG §§313 & 374 ; Grapow 1960: 115–18 ; Oréal 2008 et 2010), fonctionne ici comme prédicat dans une prédication de qualité ; comparer jy.wy tw « tu es bienvenu » (pLeyde I 350, r° 2.20)22. § 26 On rencontre la cataphore du sujet de la prédication de qualité dans les Textes des sarcophages. [51]

(jw ḏd-n ḏḥwty r=j ḫtm wḏ rdj n=k ḫrw=f) nfr.w(y) sw wd pn zš nfr n nb.t ḫᶜ.w dd.t ȝb.t=j sšm.t ȝḥ.y r-ḫt-n ḥw.t=j « (Thot a dit me concernant : ‘A été scellé l’ordre qui a été émis pour toi’, a-t-il dit.) Combien parfait est-il, cet ordre-ci, un bel écrit de la maîtresse d’apparitions, qui établit ma maisonnée, qui répartit mes champs sous la dépendance de ce mien château ! » CT II, 159f-i, versions G2T et pGard.II23 ; formule 134.

Il s’agit d’une transposition dans les croyances funéraires d’un type de texte fondamental, l’« ordre royal » (Vernus 2013: 336–37). Certains ordres ont pour cadre une cérémonie, au cours de laquelle ils sont proclamés solennellement devant un public par le pharaon, puis scellé. Ici, Thot intervient en tant que responsable de sa fixation par écrit et de son authentification par le sceau devant un public qui exprime son admiration pour la pertinence de son contenu. L’emploi de la cataphore dans une proclamation solennelle est attesté par ailleurs24. [52]

a) ȝḫ w(y)25 sw nṯr pn j jn ḫnty-jmnty.w b) ȝḫ w(y) sw wrt ḫrw=f nṯr pn r=j j jn ḫnty-jmnty.w a) « ‘Combien doué de transfiguration est-il, ce dieu-ci !’, a été dit par Khenty-imenty. » b) « ‘Combien doué énormément de transfiguration est-il !’, a dit ce dieu-ci à mon propos, et a été dit par Khenty-imenty. » CT II, 248b, Formule 149. a): S1P, S1Chass., SACb, S2Cb ; S2P a ȝḫ.w(y) sw nṯr pn seulement. b): S2Cd, S1Ca 3.

La cataphore est évidente dans la version a)26. Dans la version b), il n’y a pas de cataphore, puisque le pronom dépendant sw n’est pas explicité par un syntagme nominal qui suit. Cette version comporte deux locutions de citation et semble viser à concilier en les cumulant deux traditions différentes concernant les divinités qui accréditent les capacités du défunt. [53]

22

a) nfr.wy nṯr pn rnp(.w) b) nfr.w(y) sw nṯr pn rnp(.w) a) « Combien est beau ce dieu-ci, une fois rajeuni ! » b) « Combien et-il beau, ce dieu-ci, une fois rajeuni !» CT IV, 117e. Formule 317. a): B2Bl. b): S1P.

Il n’est pas exclu que l’expression voisine jȝw.tw, parfois traité apparemment comme un pseudoparticipe, ait été aussi interprétée comme une prédication de qualité, voir Vernus (2013b: 215–216). 23 La version SIC a omis apparemment nfr.w(y), par haplographie erratique du groupe sw. 24 jgr rmṯ sḏm nṯr.w sḏm=tn sw mdw pn ᶜȝ jr-n ḥr n jt=f wsjr « Silence, les hommes, écoutez les dieux; veuillez l’écouter, cette importante déclaration-ci qu’a faite Horus pour son père Osiris » (Tacke 2013: 152 versions Sa4 et SA). 25 Loprieno, Müller & Uljas (2017: 652) analysent le -w comme une terminaison du participe prédicat ; voir ci-dessous à propos de l’exemple des Mots de Khâkheperreseneb [54]. 26 Borghouts (2010: 237, 95.d.) a bien compris la construction cataphorique de la leçon a): « the true subject has been postposed (in rear extraposition) and instead there is a first a pronoun (sw). »

Pascal Vernus

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Une autre version (S1C) présente rnp.w(y) nṯr pn « Combien rajeuni est ce dieu-ci ! » sans cataphore. § 27 On a depuis longtemps repéré la cataphore du sujet d’une prédication de qualité dans un texte littéraire attribuable à la fin du Moyen Empire, à la Deuxième Période Intermédiaire, voire un début de la XVIIIème dynastie (voir Stauder 2013: 156–75). [54]

wḫd.w(y)27 sw ḥȝp ẖ.t=j ḥr=f « Combien douloureux est-ce, de dissimuler ce que je ressens (lit.: mon ventre) à son sujet ! » Les mots de Khâkheperrêseneb, oBM 5645.r° 8 ; Gardiner (1909: 104) ; Parkinson (1997: 58) ; cf. Sethe (1914) ; Allen (2009: 270).

2°) Égyptien de tradition • Le prédicat adjectival n’a pas la particule intensive -wy § 28 Dans les textes en égyptien de tradition, la cataphore du sujet nominal dans la prédication de qualité est rarement attestée. [55]

(jw wd=j nn ḫpr m ḥᶜ.w=j r sḫr ḫfty pfy ḏw) ḫr sw n sḏ.t ᶜȝpp ds ḥr tp=f « (J’ai envoyé ceci issu de mon corps pour abattre ce mauvais ennemi-là.) Il est abattu pour la flamme, Apophis, sa partie supérieure est coupée (/si bien que sa partie supérieure est coupée). » Conjuration d’Apophis ; pBremner-Rhind 27.6 ; fin de l’Époque dynastique ; Faulkner (1933: 61.15).

Ici, le pronom sw est tout à la fois anaphorique de ḫfty pfy ḏw « de mauvais ennemi-là », mentionné auparavant, et cataphorique de ᶜȝpp « Apophis », qui ajoute une caractérisation supplémentaire. Dans le jargon de la linguistique, on parle de « cataphore incrémentielle » (§2). La composition d’où est extrait cet exemple réutilise des textes anciens28. • Le prédicat adjectival a la particule intensive -wy § 29 On relève la construction cataphorique du sujet de la prédication de qualité dans un rituel de fondation connu par deux versions de la XVIIIème dynastie : [56] et [1] nfr.wy sw pr pn nn pr nfr mjty=f (var.: mjtw=f) jr-n ḥr N n j=f jmn nb ns.wt-tȝ.wy « Combien parfaite est-elle, cette demeure-ci ! Il n’y a pas de demeure parfaite qui soit son équivalente, celle qu’a faite l’Horus N pour son père Amon, maître du Trône-des-deux-pays. » Rituel de fondation, l. 1 ; Barguet, (1952: 5) ; versions Amenhotep III et probablement Thoutmosis III. Il s’agit d’une proclamation solennelle faite à l’occasion d’une cérémonie. Voir la même formulation en égyptien de tradition tardif, ex. [57] et [58]. Dans le même texte, on relève une construction cataphorique du second participant immédiat d’un syntagme verbal ᶜḫm=k sw rsw « tu l’apaises, le vent du nord » (Barguet 27

Uljas (2007: 235 n. 27) observe que le w est « written before the determinative as is standard for the participial ending -w ». Cela posé, ce genre de notation dans un verbe fonctionnant comme prédicat de qualité paraît sujet à caution, voir le commentaire de l’ex. [52a]. 28 Par exemple n gm-n=j bw ᶜḥᶜ-n=j jm « je ne pouvais trouver d’endroit où j’eusse pu me dresser » (pBremner-Rhind 26.23) a son écho dans CT II 33g, voir Lustman (1999: 164) ; Vernus (2016c: 306–307). Noter que l’expression est réutilisée dans un tout autre contexte dans le Rituel de faire monter la foule, voir pWalters Art Museum 5512.12 (Barbash 2011: 88) ; pSchmitt XXXIV.a41 (Backes 2016: 739). On repère même des formulations faisant écho à celles des textes des pyramides, ainsi jšš-n=j m šw etc. (pBremmer-Rhind 28.21) à comparer avec Pyr. § 1652.

La cataphore dans la prédication de qualité

143

1952, 5.2–3), et d’autres cas possibles de cataphore. [57]

nfr.wy s(w) pr pn nn mjt.t=f « Combien parfaite est-elle, cette demeure qui n’a pas d’équivalente ! » Tombe de Pétosiris, fin de l’Époque dynastique ; Lefebvre (1923: 66, n° 85.6).

[58]

nfr.wy sw pr pn nfr « Combien parfaite est-elle, cette demeure parfaite ! » Temple de Dendara ; Hypostyle intérieure ; PM VI, 50 (43–46) ; Junker (1906: 189 § 269).

[59]

nfr wy sj ḥw.t-sšš.t « Combien parfait est-il, le Château-du-sistre ! » Temple de Dendara ; Hypostyle ; PM VI, 47 (26–27) ; Dendara 13 4.3, cf. Kurth (2008: 1006, n. 1) ; Junker (1906: 189, § 269).

[60]

nfr.wy sn mnw jpn « Combien parfaits sont-ils, ces vases-menou ! » Chant du vase-menou ; temple de Philae Junker (1958: 241.15) ; Karnak, Urk. VIII 134.3 ; Sternberg-El-Hotabi (1992) ; Quack (2001).

Dans le même texte, cataphore avec nn, voir ex. [75].29 • Le cas des « makarismes » § 30 On doit à J. Assmann (1979) l’étude approfondie et la désignation sous le terme de « Makarismen » de formulations proclamant le bonheur d’être fidèle à sa divinité d’élection ou loyal au pharaon ou, par extension, à son maître. Il arrive que ce genre de formulations implique une construction cataphorique du sujet de la prédication de qualité. Les cas ressortissants aux infiltrations néo-égyptiennes dans les monuments sacralisés de la XVIIIème dynastie sont examinés §§ 36–37. Voici ceux ressortissant à l’égyptien de tradition après le Nouvel Empire. [61]

rš.w(y) s(w) (ou: ws(y)) pȝ hn sw n kȝ=f « Combien joyeux est-il celui qui s’en remet à son (=le dieu) ka ! » Statue de Djedmoutioufankh, CGC 42220, dos 3, 4 ; Troisième Période Intermédiaire ; Jansen-Winkeln (1999: 105, B.6.e.3) ; id. (2007: 243 , dos l. 3) ; Leroux (2018: 133).

La graphie de w(y) s(w) dans rš.w(y) s(w) est ambiguë. Elle peut conjuguer une graphie archaïsante de la particule intensive -wy et une graphie défective du pronom dépendant sw. Elle peut être l’avatar hiéroglyphique du morphème néo-égyptien wsy, voir infra. [62]

rš.wy s(w) nty m mr.wt=k mḥ wy jb n šmsw=k « Combien réjoui est-il, celui qui est dans ton amour ! Combien confiant est ton fidèle (lit. : combien le cœur de ton fidèle est plein) ! » Statue de Horirâa, base l 2 ; règne de Néchao ; Perdu (2016: 92 et 94).

Noter la mise en parallèle de la formulation avec cataphore du sujet, et de la formulation sans cataphore du sujet. [63]

rš.wy s(w) nty m mr.wt=k « Combien réjoui est-il, celui qui est dans ton amour ! » Tombe de Pétosiris, fin de l’Époque Dynastique ; Lefebvre (1923: 82, n° 115.4) ; (Jansen-Winkeln 1999: 106, B.6.g.4) ; Leroux (2018: 134). Graphie (avant le déterminatif de rš).

Dans le même texte, il y a un exemple possible de la prédication de qualité sans cataphore du sujet dans nfr.wy ḫpr n=ṯ ḥr=ṯ « combien est bon ce que produit pour toi ton Horus ! » (Junker 1958: r 241.3), mais cette interprétation est discutable, voir Leitz (2017: 222, n.9). 29

Pascal Vernus

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[64]

nfr.wy s(w) šm ḥr wȝ.t nṯr « Combien bon est-ce, de marcher sur le chemin du dieu ! » (ou: « Combien bon est-il, celui qui marche sur le chemin de dieu ! ») Tombe de Pétosiris, fin de l’Époque Dynastique ; Lefebvre (1923: 30.3 n° 58) ; Vittmann (1999: 60). Graphie .

[65]

rš.wy sw dwȝ kȝ=k nb p.t « Combien réjoui est-il, celui qui adore ton ka, maître du ciel ! » Edfou 5, 392.4 ; Leroux (2018: 131) ; Assmann 1979: 72 (35). Graphie

.

[66]

rš.wy s(w) swš ḥm=k « Combien réjoui est-il, celui qui loue Ta Majesté ! » Edfou 5, 343.13, cf. Edfou Mammisi 194.6 & 9 ; Assmann (1979: 71 (34) ; cf. Waitkus (2014: 58). Graphie .

[67]

nfr.wy sw pȝ dj sw (=sy) m jb=f « Combien bon est-il, celui qui la (= la déesse) place dans son cœur ! »30 Hymne à Hathor, temple de Dendara, première chambre ouest ; Dendara 3, 101.18 ; Junker (1906; 189 § 269).

Comprendre pȝ rdj.t sw (=s) m jb=f « de la placer dans son cœur » est possible, mais moins probable. Comparer avec Assmann (1979: 69 [19]). La présence de l’article dans pȝ di sw (=sy) – inattendue dans le contexte immédiat – donne à penser que l’épithète a été tirée d’une source faisant bonne part aux infiltrations néoégyptiennes. Il est très significatif que la même formulation, mais sans cataphore, se rencontre dans le même temple : nfr.wy pȝ dj s(y) m jb=f « combien est bon celui qui la place (ou: de la placer) dans son cœur ! » (Dendara 3, 54.15), à côté d’une adaptation sacralisée d’un décret oraculaire, rédigée fondamentalement en une langue à forte influence néo-égyptienne (Vernus 2021). [68]

rš.wy s(t) srd.w « Combien joyeux sont-ils, ceux qui font pousser ! » Tombe de Pétosiris, fin de l’Époque Dynastique ; Lefebvre (1923: 25, 3 n° 52).

Ce makarisme dans la bouche d’un paysan est en fait une exclamation participant des Reden und Rufe. La formulation impliquant originellement la divinité d’élection ou le pharaon est ici transposée, car c’est évidemment le propriétaire de la tombe qui est implicitement en arrière-plan. La joie de travailler pour lui, l’adhésion enthousiaste à la subordination, est un thème du genre (Vernus 2009–10: 83–84). § 31 Pour bien apprécier la construction cataphorique du sujet dans la prédication de qualité avec les makarismes en égyptien de tradition il convient de souligner que nombreuses sont les formulations très proches où elle est absente. Comparer avec la situation semblable au Nouvel Empire, §§37, 40–41. En voici quelques exemples, limités aux cas où le prédicat adjectival a la particule intensive -wy. Ils sont cités de manière abrégée : wȝd.wy dwȝ kȝ=t « combien heureux est celui qui adore ton ka ! » (Jansen-Winkeln 1999: 105 B.6.f.2). nfr.wy mḥ jb=f r nṯr=f « combien est bon de faire confiance à son dieu ! » (BM 379 = JansenWinkeln 1999: 105 B.6.E.6). Voir aussi la variation sur l’ex. [62]. nfr rhn.tw ḥr=f m tr nb « s’en remettre à lui à tout moment est bon » (Pétosiris n° 58c, 22). Cf. [61]

30

Compte tenu des parallèles phraséologiques, la traduction de Cauville (2000: 187) ne me paraît pas soutenable.

La cataphore dans la prédication de qualité

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Le démonstratif nn en tant que pronom cataphorique § 32 Il arrive que le démonstratif nn se substitue au pronom dépendant comme sujet cataphorique d’une prédication de qualité avec la particule intensive -wy. Ces cas sont à distinguer soigneusement des cas où le sujet de la prédication de qualité est un syntagme nominal constitué du pronom démonstratif nn régissant syntaxiquement un substantif ou une forme substantivée31. Ainsi : [69]

j mn.wy nn j rwḏ.wy nn j jqr.wy nn j ȝḫ.wy nn … j … j wr.wy nn j nfr.wy nn jr-n ḥr n jt=f wsjr « O combien stable est ceci, o combien solide est ceci, o combien excellent est ceci, o combien utile est ceci … o … , o combien grand est ceci, combien parfait est ceci qu’a fait Horus pour son père Osiris ! » Rituel de fondation, l. 1 ; Barguet, (1952: 6) ; version de Thoutmosis III à Médinet Habou.

On n’est guère fondé à reconnaître ici une construction cataphorique en considérant que jr-n serait une nominalisation en substantif, fonctionnant comme apposition épexégétique de nn, puisqu’on attendrait dans ce cas jr.t-n et non jr-n, compte tenu de l’époque. On préférera considérer jr-n32 comme une forme relative en fonction d’épithète du démonstratif nn, et factorisée. Cela posé, le même texte montre une construction cataphorique du sujet de la prédication de qualité, lequel est représenté par le pronom dépendant, voir ex. [56]. En revanche, dans l’exemple suivant, jr=k ne peut pas être analysé comme un participe en fonction d’épithète du démonstratif nn. Il s’agit d’un prospectif fonctionnant comme apposition épexégétique33 dans une construction cataphorique : [70]

hr[.wy] nn m jb.w rmṯ ᶜn.wy nn m ḥr.w nṯr.w jr=k mnw n wsjr sḏsr=k ḫnty-jmnty nṯr ᶜȝ n zp tpy « Combien plaisant est ceci dans l’esprit des hommes, combien avenant est ceci à la vue des dieux, que tu veuilles faire un monument pour Osiris, que tu veuilles donner une place à part à Khenty-imenty, le dieu grand de la première fois ! » Stèle de Thoutmosis I, Abydos ; Urk. IV 95.9–10.

Le démonstratif nn précède son explication cataphorique, les verbes conjugué jr=k et sḏsr=k34. Noter le travail stylistique soigneux marqué par les parallélismes : deux prédicats bâtis sur le même modèle auxquels répondent deux propositions sujets bâties sur le même modèle (jr=k et sḏsr=k) ; les hommes parallèles aux dieux, Osiris en parallèle à Khenty-imenty.

31

E. g., [nfr.]w(y) nn jr-n n=k sȝ=k … « combien est bon ceci que t’a fait ton fils … ! » (Urk. IV 863.4) ; nfr.wy nn ȝḫ.w jr-n=j « combien sont bonnes ces choses-efficaces-ci que j’ai faites ! » (Statuette de Djed-Her, Florence ; Rosati 2011: 294, fig., col. 3). 32 Un peu plus loin dans le même texte jr-n fonctionne comme forme sḏm-n=f substantivée dans la phrase balancée (« Wechselsatz »): jr-n ḥr n jt=f wsjr jr-n nsw bjty nb tȝ.wy N n jt=f jmn nb ns.wt tȝ.wy m hrw pn nfr « autant Horus a agi pour son père Osiris, autant le roi du sud et du nord a agi pour son père Amon, maître du trône des deux pays en ce beau jour-ci ». (Barguet 1952: 6–7). 33 Y voir un sḏm=f circonstanciel ne change guère l’interprétation, voir note suivante. 34 Considérer jr=k et sḏsr=k comme des sḏm=f circonstanciels est possible, voir par exemple Loprieno, Müller & Uljas (2017: 659, ex. 24). En fait, cela revient au même quand on sait que l’égyptien tend dans certains cas à construire une complétive sujet à l’aide d’une forme marquée comme circonstancielle. Par exemple : nfr.wy=ø jw=k jm ḥnᶜ=j « combien bon est-ce, quand tu es là avec moi ! » peut être aussi bien interprété nfr.wy jw=k jm ḥnᶜ=j « combien bon est que tu sois là avec moi ! » (pHarris 500 r°4). Voir Polis (2009: 224–225) ; Vernus (2012: 389, n. 10), et, pour le copte, Loprieno, Müller & Uljas (2017: 694–769, ex; [74a]–[75c]). Noter que le parfait périphrasé du copte est fondé sur la grammaticalisation d’un verbe opérateur suivi d’une complétive représenté par un présent circonstanciel (Grossman 2009).

Pascal Vernus

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[71]

qsn.w(y) nn ḥr jb=j sḥqr smsm.w=j r btȝ nb jr-n=k « Combien me peinait plus ceci (lit. : combien plus difficile était ceci dans mon sentiment), (à savoir) le fait d’affamer mes chevaux, que tout autre faute que tu avais faite ! » Stèle de Piânkhi, l. 65–66 ; Vernus (2014: 265, ex. [23e]).

Le démonstratif nn précède son explication cataphorique le verbe à l’infinitif sḥqr, suivi d’un objet direct. [72]

nfr.wy nn jw=k r sḫt-ḥtp « Combien bon est ceci, que tu viennes vers la Sekhet-hotep ! » Sarcophage d’Athribis ; Basse Époque ; Gomaa & Hegazy (2001: 61).

Le démonstratif nn précède son explication cataphorique, le verbe conjugué jw=k. La date tardive dissuade de spéculer sur la nature exacte de la forme représentées par la graphie jw=k. [73]

nfr.wy nn wnw r pȝ mnw « Combien bon est ceci, la bière destinée au vase-menou ! » Chant du vase-menou ; temple de Dendara ; Dendara 6, 63.14–15.

[74]

nfr.wy nn ȝḫ.w jpn ḥnw.t ȝḫ.t « Combien parfait est ceci, ces choses-efficaces-ci, dame efficace ! » Karnak, Bab el Amara ; Urk. VIII 71.6 ; citation du chant du vase-menou, cf. … jpn ḥnw.t ȝḫ.t

Solution alternative : nn ... jpn est une forme renforcée du démonstratif, attestée par ailleurs, et encadrant ȝḫ.w. Point de cataphore, alors. Dans l’exemple suivant, où le substantif est pareillement déterminé, le pronom cataphorique nn est en parallèle avec le pronom cataphorique s(w), ce qui montre bien combien étaient perçus proches ces deux morphèmes dans ce genre de formule. [75]

nfr.wy nn ȝḫ.w jpn … nfr.wy s(w) mnw pn … nfr.wy s(n) sns.w jpn « Combien parfaits sont-elles, ces choses-efficaces-ci … Combien parfaite est-il, ce vase-menou-ci ! … Combien parfaits sont-ils, ces chants-de-louange ! » Chant du vase-menou; temple d’Athribis (Haute Égypte) ; Leitz (2017: 222 et 237).

B Égyptien de la seconde phase 1°) La cataphore dans la prédication de qualité dans les textes influencés par le vernaculaire à la XVIIIème dynastie § 33 On a reconnu depuis longtemps que les légendes des subordonnés dans la tombe des patriciens – les Reden und Rufe – utilisent des tours évolutifs qui seraient exclus des registres élevés de langue utilisés par ailleurs, ceci afin de mieux faire valoir leur vulgarité et la distance sociale qui les séparent de l’univers raffiné et poli de l’élite (Vernus 2009–10: 78–79). Cela se constate sporadiquement à l’Ancien Empire (Vernus 2016: 204– 07), mais de manière bien plus nette dès la Deuxième Période Intermédiaire (Cahail 2019), et surtout à la XVIIIe dynastie. Or, la construction cataphorique de la prédication de qualité a sa place dans ces Reden und Rufe de la XVIIIe dynastie. [76]

rwḏ.wy sw jb=j « Combien ferme est-elle, ma volonté ! » Tombe de Pahery, El Kâb ; Thoutmosis III ; Tylor & Griffith (1894: pl. 3, premier registre).

Relevé déjà par Sethe (1914: § 86), cet exemple est repris de grammaire en grammaire: GEG 109 § 139 (« an example of an uncommon kind ») ; Behnk (1930: 64) ; Allen (2014: 88) ; Loprieno, Müller & Uljas (2017: 662–63). Il est depuis longtemps reconnu que dans cette tombe, les propos des subordonnés font large place aux traits de langue évolués.

La cataphore dans la prédication de qualité

[77]

147

ᶜn.wy sw pȝ ḥȝty-ᶜ qn nswt mrr ḥqȝ « Combien beau est-il, ce gouverneur, un brave du roi (?), qu’aime le souverain ! » Tombe de Senenefer (TT96) ; Amenhotep II ; Urk. IV, 1420.2 ; voir Guglielmi (1973: 46) ; Motte (2018: 367).

Dans cette tombe, les dialogues font large place à des traits de langue évolués. On ajoutera un exemple provenant les chants de harpistes de la XVIIIème dynastie, bien que qu’ils ne relèvent pas vraiment des Reden und Rufe au sens restreint : [78]

ḥḏ.wy st nȝ n rnp.wt wḏ nṯr ḫr=k « Combien prospères sont-elles, ces années qu’ordonne le dieu pour (lit.: auprès de) toi ! » Chant de harpiste, tombe de Rekhmire (TT100) ; Thoutmosis III ; Urk IV, 1166.10 ; Fox (1982: 273–75) ; voir GEG 109 § 139, note ; Sethe (1914: § 86) ; Loprieno, Müller & Uljas (2017: 663).

Dans la tombe de Rekhmire, les propos de subordonnés sont ouverts à des traits évolués, par exemple l’impératif auxilié m-jr (Vernus 2010: 320 [16]) ou encore le terme bḫn (Stauder 2013: 209). On ajoutera, enfin, un exemple de construction cataphorique de la prédication de qualité sur une stèle trouvée à Kurkur et datée du règne de Toutankhamon. Certes, il s’agit d’un monument en hiéroglyphes, mais il est la sacralisation (Vernus 2017) d’une plainte originellement en vernaculaire, et reproduisant le propos d’un soldat chargé de venir quotidiennement faire une ronde sur un bastion : [79]

ᶜȝ.wy st fd-nw35 [n jtr].w n ẖn.t nty jw=j ḥr jr.t st m mn.t « Combien long (lit.: grand) est-il, le quatrième [iter]ou de déplacement que je fais chaque jour ! » Darnell (2003: 82) ; voir Vernus (2010: 324).

Dans ce texte, le brave militaire voudrait dire que dès l’avant dernier iterou, sur les cinq qu’il doit accomplir pour monter, outre les cinq pour redescendre, la fatigue le saisit. § 34 Cela, posé, pour une juste appréciation, il convient de souligner que dans ces mêmes propos des subordonnés des tombes de la XVIIIème dynastie et début de la XIXème dynastie, la prédication de qualité avec la particule intensive -wy est aussi utilisée sans recours à la cataphore. Voici quelques exemples cités de manière abrégée, et répartis en deux groupes, ceux sans traits évolués (A), et ceux présentant ces traits (B) : (A) nfr.wy prw n rȝ=k « Ce qui est sorti de ta bouche est très bon ! » (Tombe de Paheri, Tylor & Griffith 1894: pl. III, troisième registre). (B) nḏm.wy pȝ jrp n tȝ js.t … « Combien agréable est le vin de l’équipe … ! » (Tombe du hérault Antef [TT 155], Thoutmosis III : Säve-Söderbergh 1957: pl. XV ; Vernus 2009–10: 103 ; Motte 2018: 731). nfr.wy tȝ grg.t « Combien bonne est cette prise ! » (Tombe de Pouiemrê [TT 39], Thoutmosis III ; Davies 1922–23: pl. XV ; Motte 2018: 969). nfr.wy pȝy twt n nb jr-n=k « Combien belle est cette statue du maître que tu as faite ! » (Tombe de Paser [TT106], Séthy I ; KRI I 293.11 ; cf. Goldwasser 1999: 317–18). 35

Darnell traduit l’ordinal comme un cardinal « the four itr.w ». A respecter le texte subsistant, il s’agit bien d’un ordinal. Je me demande s’il était pas suivi d’un génitif indirect, par exemple fdnw n nṯr.w jpw « le quatrième de ces dieux » (CT VI, 290 i, d’après Pyr. §316c ; voir aussi CT II, 146 d G1T ; CT VI, 185).

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L’idéologie inspirée par Akhénaton § 35 Il est fort bien connu que l’idéologie inspirée par Akhénaton a fait large accueil à des traits du vernaculaire dans des environnements d’où ils étaient exclus jusque là36, que ce soit dans les hymnes à son dieu que dans les proclamations loyalistes de ses séides. Or, on rencontre çà et là la construction cataphorique du sujet de la prédication de qualité : [80]

nfr.wy st nȝy=k sḫr.w nfr-ḫprw-rᶜ-wᶜ-n-rᶜ « Combien bonnes sont-elles, ces tiennes décisions, Neferkheperourê-unique-de-Rê ! » Tombe de Toutou ; Sandman (1938: 83.10), cf. Behnk (1930: 64 § 93).

Comparer nȝy=k sḫr.w avec mnḫ.wy sy sḫrw=k sans démonstratif possessif, dans l’exemple suivant: [81]

mnḫ.wy sy (=st) sḫrw=k pȝ nb ḥḥ « Combien excellentes sont-elles, tes décisions, maître d’éternité ! » Tombe de Ay ; Sandman (1938: 95.6–7) ; Sethe (1914: § 86).

[82]

ᶜšȝ.wy s(w) jry(.t)=k jw=w štȝ m-ḥr nṯr wᶜ « Combien nombreux est-ce, ce que tu as fait et qui se trouve caché à la vue, dieu unique ! » Tombe de Ay, Hymne à Aton ; Sandman (1938: 94.16) ; Sethe (1914: § 86).

§ 36 Plusieurs de ces cas ressortissent au « makarismes » (voir ci-dessus § 30) [83]

wȝḏ.wy s(w) šms tw « Combien heureux est-il, celui qui est à ton service ! » Tombe de May ; Sandman (1938: 60.10).

[84]

wȝḏ.wy sy (=sw) pȝ nty m ḥs.wt=k pȝ šrj nfr n pȝ jtn « Combien heureux est-il, celui qui est dans ta faveur, l’enfant parfait de l’Aton ! » Tombe de Toutou ; Sandmann (1938: 82.11–12) ; Assmann (1979: 68, ex.11).

§ 37 Précisément, pour pleinement apprécier ces exemples de cataphore, il convient de souligner que dans le même genre de textes inspirés par l’idéologie d’Akhénaton, on rencontre souvent la prédication de qualité sans cataphore, comme cela se produit aussi en égyptien de tradition (supra §§ 32 et 34). Voici quelques exemples cités de manière abrégée, et répartis en deux groupes, ceux sans traits évolués (A), et ceux présentant ces traits (B). A. wȝḏ.wy rḫ nsw « Combien heureux est celui que connaît le roi ! » (Tombe de Panehesy ; Sandman 1938: 25.11–12).

36

« The concession granted “the language of the people” by Akhenaton, and by the power-holders who came after him, to become a written language, has resulted in the admission of new voices and new ideas, which might initially have been conceived only in this language variety, into the aggregate of texts. » (Goldwasser 1999: 326 ; eadem 2001: 131). Goldwasser (2006: 269), encore elle, tient que l’influence néo-égyptienne varie selon les genres. Autres points de vue de Silverman (1995: 78): « It is clear that the language of the Amarna texts is less an attempt to introduce the spoken idiom into formal inscriptions than a move to develop a personal exclusive language tailored expressly for the new doctrines. » Voir aussi (Wente 1959: 4): « Although it is true that certain individual features of Late Egyptian grammar appear in Amarna compositions, in my opinion the oft-mentioned emergence of Late Egyptian under Akhenaton has been overemphasized, for the composition of these texts particularly with regard to sentence structure and sequence is in an artificial literary style that was quite removed from the spoken language. ».

La cataphore dans la prédication de qualité

149

wȝḏ.wy jr sbȝy.t=k « Combien heureux est celui qui applique ton enseignement ! » (Tombe de Ay ; Sandman 1938: 100.14). wȝḏ.wy ḥsy=k sȝ pȝ jtn « Combien heureux est celui que tu favorises, fils de l’Aton ! » (Tombe de Ay ; Sandman 1938: 92.5). B. wȝḏ.wy pȝ dj tw m jb=f « Combien heureux est celui qui te place dans son cœur ! » (Tombe de Ay ; Sandman 1938: 97.11) ; comparer avec l’ex. [67]). wȝḏ.wy pȝ ᶜḥᶜ m-bȝḥ=k « Combien heureux est celui qui se tient devant toi ! » (Tombe de Méryrê ; Sandman 1938: 5.5). wȝḏ.wy pȝ sḏm sbȝy.t=k n ᶜnx « Combien heureux est celui qui écoute ton enseignement de vie ! » (Tombe de May et tombe de Ay ; Sandman 1938: 60.6 et 92.8). D’autres cas semblables sont postérieurs à l’Époque amarnienne : wȝḏ.wy pȝ hn sw ḥr sḫr.w=k pȝ nḫ nb ḫpš « Combien heureux celui qui s’en remet à tes décisions, le protecteur, maître de force ! » (Récit de Ramsès II, KRI V 34.10). rš.wy pȝ mḥ jb=f jm=k « Combien est réjoui celui qui te fait confiance ! » (Turin 50049.6 ; Tosi & Roccati. 1972: 84 ; Assmann 1979: 68.16). Voir aussi la variation relevée dans le texte d’où est tiré l’ex. [87]. 2°) La cataphore dans la prédication de qualité en néo-égyptien § 38 On ne saurait dire que la prédication de qualité ait fait l’objet d’intenses investigations s’agissant du néoégyptien. En néo-égyptien de la pratique, on admet qu’elle subsiste avec quelques adjectifs (Černý & Groll 1993: chapter 59 ; Neveu 1996: 230–32 ; Loprieno, Müller & Uljas 2017: 668–79.) § 39 En néo-égyptien littéraire, la prédication de qualité est bien loin d’être rare, même si sa fréquence est plutôt sous-estimée. Voir en général Erman (1933: 222–23, §456) ; Groll (1967: 34–38) ; Junge (1996: 180–91) ; Goldwasser (2001: 131) ; Vernus (2013b: 195–96). Pour mieux apprécier la construction cataphorique de la prédication de qualité, il faut méthodologiquement établir l’emploi de la construction sans cataphore en néo-égyptien. Je n’entends évidemment pas présenter une étude exhaustive. Je me bornerai à souligner quelques faits utiles à mon propos. La prédication de qualité sans cataphore avec sujet nominal est çà et là attestée 1°) sans particule intensive (§ 40). 2°) Avec la particule intensive ȝ ou la particule intensive -wy (§ 41). § 40 La simple prédication de qualité sans particule intensive est bien présente, y compris avec sujet nominal (contra Fecht 1960: 127 § 245), par exemple dans l’idéologie royale (e. g., Bataille de Qadesh, récit §328, KRI II 97.5–8), dans la littérature scribale (e. g., pTurin A v°4.4 ; Ragazzoli 2008: 30–31, 74, 87 ; Lettre satirique de Hori, pAnastasi I, 21.3), dans la poésie amoureuse (e. g., pHarris 500 r° 7.8 ; pChester Beatty I

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v° C2), dans la littérature par détournement (e. g., Gardiner 1932: 57.16–58.1), dans les sagesses (e. g., Enseignement d’Amenémopé, chapitre 6), etc. Une observation importante : loin d’être seulement affaire de tours formulaires figés plus ou moins hérités de l’égyptien de la première phase, elle est utilisée aussi dans un environnement néo-égyptien : [85]

jn-jw(/nȝ) nfr pȝy=k ẖdb nȝy=k bȝk « Est-ce que le fait que tu massacres ces tiens serviteurs est bon ? » Bataille de Qadesh, récit § 314 ; KRI II 94.6–9.

Noter la construction de l’article/ démonstratif possessif+ infinitif, typique du néo-égyptien littéraire, ce qui montre que la prédication de qualité était perçue comme encore participant de ce registre de langue. [86]

ḫn nȝ sty=n r pȝ mt « Insensés sont ces élans de nous vers la mort. » Temple de Ramsès III à Médinet Habou ; KRI V 24.13.

Noter la construction de l’article combiné au suffixe possessif typique du néo-égyptien littéraire, et le terme récent ḫn, en graphie dite « syllabique ». § 41 La simple prédication de qualité avec particule intensive est aussi bien présente, parfois avec la particule enclitique ȝ (voir § 23), le plus souvent avec le suffixe intensif -wy, dans l’idéologie royale (exempli gratia Hymne au pharaon, pTurin CG 54031 II.9 ; Condon 1978: 10), dans la piété personnelle (exempli gratia stèle de Pay, Turin 50052 = 1553 ; Assmann 1979: 68, 18 et 69, 21), dans les sagesses (Enseignement d’Amenakht, début ; Enseignement d’Any 15.4 et 16.2–3), etc. Deux observations : -Prédication de qualité sans particule et prédication de qualité avec particule intensive -wy peuvent être mises en parallèles : [87]

wr bȝw=k nsw nxt ᶜȝ.wy nrw=k « Étendue est ta force, roi victorieux : combien grande est la crainte que tu inspires ! » Temple de Ramsès III à Médinet Habou ; KRI V 20.6 ; 92.11 ; voir aussi la formulation apparentées KRI V 36.3–4 et 9 et KRI V 92.1137.

Il s’agit ici de reprises de clichés plus anciens38. La prédication de qualité avec la particule intensive -wy est utilisée aussi dans un environnement néoégyptien : [88]

nfr.wy pȝy=j mȝȝ=k « Combien est bonne cette mienne possibilité de te voir ! » Graffito dans une des tombes de Menkhâkheperrêsenb (TT 112) ; Époque ramesside Davies (1933: 26, l.11) ; Ragazzoli (2017: 390–91).

Il s’agit d’un « makarisme », voir §§ 30, 36, et 37. Noter la construction de l’infinitif avec le démonstratif possessif. Prédication de qualité avec cataphore du sujet en néo-égyptien littéraire § 42 Aux constructions précédentes de la prédication de qualité s’opposent celles avec cataphore du sujet nominal. On distinguera les cas sans particule intensive -wy (§ 43) de ceux avec cette particule (§ 44).

37

Edgerton & Wilson (1935: 107, n. 25 a) lisent wr.wy. Mais ce n’est pas nécessaire, cf. KRI V 18.1. Voir par exemple wr.wy bȝw=k « Combien grande est ta puissance … ! » (Urk. IV, 907.17 ; 2071.3), mais wr bȝw=k « ta puissance est grande … » (Urk. IV, 2070.7). 38

La cataphore dans la prédication de qualité

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§ 43 La cataphore de la prédication de qualités sans particule intensive -wy39 se rencontre dans plusieurs catégories de texte. • Piété personnelle [89]

nḏm se (écrit sn) pȝ dmw rn=k « Il est doux, le fait de prononcer ton nom ! » Tombe de Pȝjry (TT 139), graffito de Pȝwȝḥ, l. 12 ; PM I, second edition, p. 252–53 ; Gardiner (1928) ; Urk. IV, 2024, 14–17 ; Ragazzoli (2017: 367).

Noter dans le même texte, la prédication de qualité sans cataphore aux lignes 27–28 du même grafitto, voir ci-dessus § 30, à propos des « makarismes ». [90]

ᶜȝ sw nȝ jjr.t ḏḥwty « C’est grand40, ce qu’a fait Thot. » pAnastasi V, 10.1 ; Groll (1967: 35, ex. 117).

• Idéologie royale [91]

ᶜȝ st ḫpr(.t) n km.t « C’est important, ce qui est arrivé à l’Égypte. »41 Karnak, guerre de Merneptah ; KRI IV 11.7.

La graphie de ᶜȝ ne me paraît guère impliquer la particule intensive -wy, dans la mesure où elle est presque identique à celle qui est suivie, quant à elle, de ce même suffixe combiné au pronom cataphorique dans pChester Beatty I v°C 3, 7 = ex [108]. Cet argument est donc à ajouter à ceux de Manassa (2003: 73). La même remarque vaut pour l’exemple [89]. [92]

ᶜȝy st (var.: sy) nn n [bjȝ.yt] ptr=n m ḥr=n ḏs=n « Ils sont importants, ces prodiges que nous avons observés de nos propres yeux. » Récit du premier mariage hittite de Ramsès II ; KRI II, 252.9–10.

• Sagesse [93]

nfr sw grg mjt.t « Il est heureux, celui qui est ainsi équipé. » Enseignement d’Any 17.17 ; Quack (1994: 291) ; Vernus (2010: 319).

Avec le suffixe intensif -wy § 44 Dans le néo-égyptien littéraire, la prédication de qualité avec cataphore implique bien souvent la particule intensive -wy. Certains exemples suivent une tradition classique dans la mesure où ce suffixe est graphiquement distinct du pronom dépendant troisième personne qui suit : • Idéologie royale [94]

ᶜȝ w(y) sy ḥs.wt=f « Combien grandes sont-elles, ses louanges ! » Stèle de Ḥȝtjȝ, Leyde V1, l. 8 ; KRI VII 27.12 ; règne de Séthy I ; cf. Kruchten (1992: 110).

39

Il faut exclure le cas de jfd sw jb=j ȝs « Il s’est enfui, mon cœur, en hâte » (pChester Beatty I v°C 2.9 ; Mathieu 1996: pl. 2 ; Erman 1933: 233 § 458 ; Groll 1967: 37, ex.127). Il ne s’agit probablement pas d’une prédication de qualité. 40

Caminos (1954: 235) considère que la graphie implique la particule intensive -wy, mais voir le commentaire de l’exemple [91]. 41 Je ne suis pas certain que dans le passage qui suit (KRI IV, 11, 8), en partie lacunaire, il faille reconnaître une prédication de qualité, comme le fait Mathieu (1996: 41, n. 74)

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Ce document met en œuvre l’idéologie royale dans la présentation de soi de l’élite. [95]

sbq wy sw m-dj=tn ᶜnḫ tr pȝy=tn ssn ṯȝw jw=j wᶜ-kw « Combien chanceux était-il pour vous donc de vivre, le fait que vous respiriez (lit.: le fait à vous de respirer) l’air alors que je me trouvais seul ! » Bataille de Qadesh, récit § 260–61 ; KRI II, 80.8–11 ; version K1 ; Ramsès II.

La cataphore est indiscutable. Je considère ᶜnḫ comme un infinitif, mais y voir un participe n’est pas exclu42. [96]

ẖsy wy sw ḥȝty=tn tȝy=j nt-ḥtr « Combien vil est-il, votre coeur, ma charrerie ! » Bataille de Qadesh, récit § 172 ; KRI II 56.12–15 ; Groll (1967: 35, ex. 115).

[97]

mr.wy sw ḥqȝ nḫt sᶜȝ.wy (sw)43 nsw m-dj nṯrw sbq.wy s(w) nb (var.: nb ᶜnḫ wḏȝ snb) sḥnw « Combien aimé44 est-il, le souverain victorieux. Combien magnifié est-il, le roi par les dieux ! Combien fortuné est-il, le maître (var.: le maître Vie, Intégrité, Santé) de commandement ! » Stèle dite d’Israel, l. 22 (version C) ; KRI IV 18.1–4.

La version C écrit

. La version K écrit

.

La ré-interprétation de wy+se (< sw, sy, st) comme morphème inanalysable wsy § 45 Au cours du Nouvel Empire, se produit un fait d’un grand intérêt. En néo-égyptien « littéraire », par delà ses variétés (Winand 1992: 13), le suffixe exclamatif -wy et le pronom dépendant troisième personne, prononcé quelque chose comme se – qu’il s’agisse de sw, de sy, de st, voire de l’archaïque sn (Groll, 1967: 43–44) – s’amalgament en un morphème figé wsy, constituant une unité prosodique, désormais perçue comme indissociable (Fecht 1960: 116 § 220 et 129 § 249 ; Neveu 1996: 234, n. 1 ; Junge 1996: 181). À comparer : l’amalgame du pronom dépendant se (< sw, sy, st) avec l’interrogatif ṯn, en une unité stn perçue comme indissociable, et régissant une construction cataphorique du sujet (Groll 1970: 157). Ce morphème wsy est souvent suivi d’un déterminatif soit (e. g., ), soit (e. g., ; ), comme dans le mot « fenêtre, fente, interstice » (Wb I 359.2 ; Gardiner 1935: 71, n. 3). Il peut être réduit à . Sauneron (1964: 19) note qu’il peut être écrit en ptolémaïque par un seul signe . Les graphies qui évoquent le mot wsy « fenêtre, fente, interstice », et des graphies comme dans , ou comme dans (Enseignement d’Aménemopé 24.19 ; respectivement pBM 10474 et tablette de Turin, Laisney 2007: 213) ne doivent pas être considérées comme de simples erreurs. Elles illustrent plutôt des tentatives de notation phonétique consistant à gloser une lexie ou un morphème perçu comme immotivé ou opaque à l’aide d’un terme très proche phonétiquement, selon une tendance qui se fait jour sporadiquement à la fin du Nouvel Empire. Ainsi graphie évoquant le verbe « venir », mais visant simplement à noter phonétiquement la particule vocative j (Koenig 2004: 292 a). Cette tendance s’affirmera particulièrement à l’Époque gréco-romaine, voir Smith (1993: 93) ; Osing (1998: 44–45) ; Quack (2010: 73–92). Quelles que soient nos ignorances de la phonétique, il est clair que la constitution de ce morphème wsy est dû à des faits d’intonation, relevant de la structure prosodique propre à la prédication de qualité à sujet pronominal et celle propre à l’exclamation. On observera qu’à l’Époque Ramesside, la particule enclitique 42

Discussions grammaticales et philologiques dans Gardiner (1960: 26 « pronominal anticipation of the following ᶜnḫ ») ; Morschauser (1985: 183–184). 43 Le groupe de la version K pourrait impliquer une haplographie de . La version K est lacunaire, mais les traces pourraient indiquer un premier 44

Noter, dans le groupe

avant le

, que le premier

de nsw. est une simple graphie du participe prédicat de mrj.

La cataphore dans la prédication de qualité

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tr se place après la particule intensive -wy suivie du pronom dépendant. Il en va de même de la particule grt, qui se place après le pronom dépendant, non précédé de -wy (Vernus 2014: 267, n.37 et 38). § 46 Le passage de la graphie classique wy sw à la réinterprétation en tant que wsy, morphème perçu comme indissociable, est visible dans les graphies récentes du toponyme Nfrwsy (Roberson 2018). Il est visible aussi dans certaines variations de la tradition textuelle. Ainsi, dans la tradition du récit de la Bataille de Qadesh : [98]

ᶜȝ.wy sw nb (var.: ᶜnḫ wḏȝ snb) ᶜȝ n km.t r dj.t ḫᶜm ḫȝsty.w m rȝ-wȝ.t=f « Combien serait-il grand, le grand maître de l’Égypte prêt à laisser les étrangers s’approcher de son accès ! » Bataille de Qadesh, récit § 96 ; KRI II 35.7–10.

Il est assuré que les versions monumentales, bien qu’en partie lacunaires, recourent à la graphie classique. En revanche, la version en hiératique du pSallier montre la réinterprétation comme morphème indissociable . La variante est bien notée et justement appréciée par Spalinger (2002: 22, 90, 97, 303). Noter aussi la variation entre construction sans particule intensive et la construction avec le morphème wsy dans la lettre satirique de Hori : [99]

sbq sw ns.t=k ḫft mdw=k « Elle est heureuse ta langue quand tu parles. » Lettre satirique de Hori, pAnastasi I 11.3 ; Fischer-Elfert (1983: 98) ; Groll (1967: 35, ex. 114).

A cette version suivant la tradition classique, s’oppose la version oDM 1108 avec la graphie , « combien heureuse elle est, ta langue quand tu parles ! » Par ailleurs, le pAnastasi montre la graphie wsy, voir ex. [105] et [106]. §47 Autres exemples du morphème perçu comme indissociable wsy • Idéologie royale [100] nḏm wsy pȝy=k šm r wȝs.t nḫt (barrée en rouge) « Combien agréable est-il, ton déplacement vers Thèbes-victorieuse ! » pAnastasi II, 5.3 ; Gardiner (1937: 15) ; Groll (1967: 36, ex. 120). Graphie

.

[101] nfr wsy hrw n hȝw=k nḏm wsy ḫrw=k ḥr md.t m-ḏr qd=k pr-rᶜ-ms-sw ᶜnḫ wḏȝ snb « Combien heureux est-il, le jour de ton époque ! Combien agréable était-elle, ta voix en train de parler quand tu bâtis Pi-Ramesses, Vie, Intégrité, Santé ! » pAnastasi III, 7.3 ; Gardiner (1937: 28) ; Ragazzoli (2008: 82–83). Graphie . [102] nḏm wsy ḫrw pȝ ḫpw n qn nb ḫpš « Combien agréable est-il, le son du ḫpw de l’actif, le maître de vaillance ! » Hymne à Ramsès VI ; pTurin 1886 v° 1.7 ; KRI 6 334.3 ; Condon (1978: 14). Pour la suite voir Fischer-Elfert (1999: 66–69). Graphie . • Piété personnelle [103] ktt wsy ᶜḥᶜ « Combien brève est-elle, la vie ! » Hymne à Amon ; oGlasgow D. 1925.69 = oColin Campbell n° 4, r° l. 8 ; Époque Ramesside ; McDowell (1993: 7–9, pl.VI). Graphie .

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• Littérature scribale [104] ḥsy wsy ptr jr.t ntk « Combien favorisé, ce que ton oeil à toi a discerné ! » pTurin A v° 4.5 ; Caminos (1954: 509) ; Groll (1967: 36, ex. 123). Graphie

.

Noter la prédication de qualité sans cataphore et sans particule exclamative dans le même passage (v°4, 3). [105] mr wsy mhr « Combien souffrant est-il, un maher ! » Lettre satirique de Hori, pAnastasi I, 21.3 ; Fischer-Elfert (1986:176 b). Graphie

.

On attendrait *pȝ mhr45. On observera que dans l’exemple [99], le même manuscrit montrait la graphie classique en place de wsy. [106] ḥḏ wsy pr(.t) nb ḥr ns.t=k wjȝwjȝ wsy ṯs.w=k « Combien défectueux est-ce, tout ce qui sort sur ta langue ! Combien dérisoires sont-elles, tes formulations ! » Lettre satirique de Hori, pAnastasi I, 28.2–3 ; Fischer-Elfert (1983: 155 ; id. 1986: 239, b) ; Groll (1967: ex. 116 et 36, ex. 121). Graphie . Même observation que pour l’exemple [104]. • Poésie amoureuse [107] nfr wsy tȝy=j wnw.t « Combien est-elle heureuse, cette mienne heure-ci ! » pHarris 500 r° 7, 5 ; Mathieu (1996: pl. 13). Graphie

.

[108] rḫ wsy jb n sn.t pȝy=f tm wȝ r=sn.t « Combien est-il conscient, le cœur de la sœur de ce qu’il (=l’amant) n’est pas loin de la sœur ! » pChester Beatty I v° G 1.8–2.1 ; Mathieu (1996: pl. 5 ). Graphie . Noter que le prédicat adjectival est un participe actif, régissant un second participant direct, l’infinitif nié pȝy=f tm wȝ. Que le prédicat adjectival soit un participe transitif avec ses deux participants directs est bien attesté en égyptien de la première phase. [109] ᶜȝ wsy ḫpr(.t) n=j « Combien c’est important, ce qui m’est arrivé ! » pChester Beatty I v° C 3.7 ; Mathieu (1996: pl. 3) ; Groll (1967: 36, ex. 122). Graphie . Noter la graphie de ᶜȝ, voir l’ex. [90]. • Sagesses [110] rš wsy pȝ jr-pḥ jmnt.t « Combien heureux est-il, celui qui a atteint l’occident ! » Enseignement d’Aménemopé 24.19 ; Laisney (1997: 213, n. l) ; Groll (1967: 35, ex. 118) ; Pour les graphies, voir § 45. • Fiction narrative [111] ᶜḏȝ wsy pȝ ḥmw j.jr se « Combien malhonnête est-il, l’artisan (ou: le menuisier) qui l’a fait ! » Lettre de Ourmay, pPouchkine 127, 4.17 ; Caminos (1977: 60). Graphie

45

.

Mhr est sans article dans te=k ḫpr.te m mhr sdbḥ « tu te trouves devenu un maher équipé » (pAnastasi I, 20.6), mais dans cet environnement on attendait qu’il le fût ; de même dans pAnastasi I, 23.1–2, 25.5, et 27.8. Il est déterminé par l’article en 21.7, là encore, comme on l’attendait.

La cataphore dans la prédication de qualité

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• Hymne dans un rituel [112] nḏm ws(y) rn=k pȝ nb nṯr.w « Combien agréable est-il, ton nom, le maître des dieux ! » Rituel du culte divin journalier, pBerlin 3055, 23.7–8 ; Moret (1902: 141). Graphie

.

Il s’agit d’un hymne, pièce rapportée avec forte influence néo-égyptienne dans une composition par ailleurs reflétant l’égyptien de la Première Phase46. Comparer avec nfr.wy sty, « combien beau est le parfum ! », sans cataphore dans le même rituel (XIII, 2). §48 Un sort particulier doit être fait à l’exemple suivant : [113] rḫ wsy m ḫȝᶜ jl sn.t « Combien est-elle experte au lancer du lasso, la sœur ! » pChester Beatty I r° 17.2 ; Mathieu (1996, 59, n. 132) ; Groll (1967: 37, ex.125). Graphie

.

Dans cet exemple, le pronom cataphorique impliqué dans wsy est séparé de son explicitation par le syntagme adverbial m ḫȝᶜ jl, lequel est quelque peu dans le prolongement sémantique du verbe ḫȝᶜ. Cette construction est clairement à mettre en parallèle avec les exemples où le pronom démonstratif nn, sujet d’une prédication de qualité, est séparé par un syntagme adverbial du syntagme nominal qui l’explicite, et des nombreux exemples où le prédicat d’un prédication de qualité est séparé du sujet apparent par un syntagme adverbial (Vernus 2014: 263–65)47. On a donc : 1. Prédicat de qualité+ø+SA+SN explicitant le ø. 2. Prédicat de qualité+nn+SA+SN explicitant le démonstratif nn ; voir ex. [70]. 3. Prédicat de qualité+wsy+SA+SN explicitant le morphème wsy. On ajoutera qu’en copte, on retrouve une construction apparentée #Adjective-verbe+pronom cataphorique+SA+ⲉ+SN explicitant le pronom#, quand le SN est un infinitif (Allen 2013: 88 ex. [7.63] ; Loprieno, Müller & Uljas 2017: 693, ex. [72b], [73a]). § 49 Si le recours à la cataphore est particulièrement fréquent dans une phrase interrogative avec un pronom interrogatif en fonction de prédicat de qualité, tout comme il l’est dans une phrase interrogative avec prédicat de situation, c’est probablement moins pour des raisons stylistiques que pour des raisons prosodiques. La parallélisme entre le morphème figé wsy < wy=se et le morphème figé stn < se+ṯn, tous deux bases d’une construction cataphorique, est frappant. La conjonction sur le prédicat de l’accent propre à sa fonction et de l’intonation propre à l’interrogation ou à l’exclamation tend à rendre mal adapté à la vivacité d’un dialogue un trop long énoncé sans césure, comme c’est le cas quand le sujet est un syntagme nominal suivant (prédication de qualité) ou précédant (prédication de situation) immédiatement le prédicat. Le recours à la construction cataphorique permet de ménager une césure intonative facilitant l’expression (Vernus 2006: 162–63). §50 En ce qui concerne les emplois non lexicalement conditionnés de la construction cataphorique du sujet, quelques conclusions sont à tirer : 46

Pour un autre exemple dans la même composition, voir Vernus (2016b). Uljas (2018: 211) propose d’expliquer l’antéposition des syntagmes adverbiaux par des motivations sémantiques, ces syntagmes adverbiaux formant « a semantic class of expressions that have propensity to be placed early on the sentence » (p. 213). Pourquoi pas ? Mais il est contraint de reconnaître qu’au moins un exemple n’est pas passible de cette explication. On ajoutera que dans mon exemple 23c (Vernus 2014: 264), on a bien du mal à considérer que m ẖr.t-nṯr « dans la nécropole » relève de la classe définie par Uljas, lequel présente une explication (2018: 211, n. 33) guère déterminante ; voir, en effet ici même § 32, n. 24. 47

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Pascal Vernus

• Dans les emplois non conditionnés, la cataphore du sujet de la prédication de qualité apparaît dès la VIème dynastie dans les Reden und Rufe de la région memphite, c’est-à-dire dans un contexte où on a observé l’émergence de traits innovants, tels les précurseurs de l’article (Kupreyev 2014: 228). Elle est encore mobilisée dans l’égyptien de tradition de l’Époque Gréco-romaine. • À la XVIIIème dynastie, elle est fréquente dans des contextes où on peut raisonnablement soupçonner l’infiltration du vernaculaire, comme les propos relevant des Reden und Rufe, les textes inspirés par l’idéologie d’Akhénaton durant la période dite « amarnienne », ou encore la sacralisation monumentale d’une plainte en vernaculaire. Cependant, même dans ces documents, et même dans un environnement immédiat fortement marqué par des traits évolués, elle n’est pas systématique, loin de là, puisqu’elle est en variation avec la construction sans cataphore (voir §§ 31, 34, 37). • Mais elle apparaît aussi dans des contextes en égyptien de la première phase où prévaut l’exigence d’un registre soutenu, comme les compositions funéraires (§§ 23, 26), et dans des contextes en égyptien de la seconde phase où prévaut une exigence similaire, idéologie royale, littérature scribale, sagesses, expressions de la piété personnelle ou du loyalisme dans les « self-presentations » de l’élite ou de la sub-élite (§§ 42–48). • C’est donc une construction relevant avant tout plutôt de l’oralité et par là du vernaculaire en tant que registre parfois, mais non systématiquement stigmatisé, et, plus encore de l’oralité émotionnelle. Il est, en effet, frappant qu’elle soit très majoritairement attestée avec la particule intensive -wy (parfois la particule exclamative ȝ). Qui plus est, en néo-égyptien, le pronom dépendant troisième personne en est venu à constituer avec cette particule un morphème wsy perçu comme une unité prosodique indissociable, très fréquemment anticipant un syntagme nominal sujet. Le fait que l’énonciateur exprime une évaluation scalaire – wy est évidemment lié à la marque du duel – d’un contenu propositionnel présupposé avéré est le propre de l’exclamation, laquelle entraîne des constructions cataphoriques dans bien des langues du monde. En copte, il est rare qu’un sujet nominal suive directement l’adjectif-verbe (Loprieno, Müller & Uljas 2017: 687) ; la cataphore du sujet est obligatoire avec l’adjectif verbe ⲛⲁⲓⲁⲧ- « être béni », et aussi quand le sujet est propositionnel, la topicalisation avec reprise anaphorique ouvrant une alternative (Loprieno, Müller & Uljas 2017: 690–97). • En définitive, la cataphore du sujet dans la prédication de qualité avec un prédicat non lexicalement conditionné se révèle un procédé marquant un très haut degré émotionnel. Son emploi calculé en parallèle immédiat avec le tour sans cataphore dans le même passage (ex. [62]), ou encore dans le même ensemble (ex. [48] et [49] ; ex. [67] et son commentaire ; ex. [75]) montre qu’elle était passée dans l’arsenal stylistique, en tant que signe d’une oralité de convention. En témoigne aussi sa mise en œuvre dans des ensembles très soigneusement élaborés (ex. [70]). • Sa très grande fréquence, dans les « makarismes », aussi bien dans l’idéologie inspiré par Akhénaton (§ 36) et dans les expressions néo-égyptiennes de la piété personnelle (ex. [84]) qu’en égyptien de tradition (§30) indique le poids et la rémanence des formulations stéréotypées dans la culture des lettrés ; voir, par exemple, le même makarisme sous Néchao II et à la fin de l’Époque Dynastique (ex. [62] et [63]). Cela posé, il y a une relative liberté dans leur utilisation puisque constructions avec et sans cataphore alternent (voir §§ 32, 34, 37). § 51 Dans la perspective globale de l’évolution de la langue égyptienne, la construction cataphorique du sujet nominal dans la prédication de qualité, et plus particulièrement, la constitution d’un morphème perçu comme indissociable wsy, et incorporant de manière obligatoire un affixe pronominal au prédicat préfigurent la tendance qui se manifeste tardivement dans le verbe, celle d’agréger autour du prédicat verbal les affixes indexant ses participants, dont l’explicitation est alors postposée. Ainsi en est-il de la formation de ce que E. Grossman (2015) caractérise astucieusement comme le cas nominatif en copte. Toutefois, avec l’adjectifverbe, le marquage du sujet cataphorique postposé par le morphème d’épexégèse demeure « rare and perhaps stylistically motivated » (Loprieno, Müller & Uljas 2017: 692). Bibliography Abdallah (1993)

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La cataphore dans la prédication de qualité Oréal (2011) Osing (1998) Parkinson (1997) Perdu (2016) Peust (2008) PM VI

Polis (2009) Quack (1994) Quack (2001) Quack (2010)

Quirke (2013) Ragazzoli (2008) Ragazzoli (2017)

Roberson (2018) Rosati (2011) Rosmorduc (2009) Sandman (1938) Sauneron (1964) Satzinger (1986) Säve-Söderbergh (1957) Schenkel (1975)

Schenkel (2012) Schenkel (2015) Schenkel (2017) Sethe (1914) Sherbiny (2017)

161

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162 Silverman (1995)

Sledzianowski (1975a)

Sledzianowski (1975b)

Smith (1993) Smither (1945) Smither (1948) Spalinger (2002) Spalinger (2009) Stauder (2013) Sternberg-El-Hotabi (1992) Tacke (2013) Tosi & Roccati (1972) Tylor & Griffith (1894) Uljas (2007) Uljas (2018) Urk. IV Urk. VI Urk. VIII van der Molen (2000) Vandier (1950) Vernus (1988) Vernus (2006) Vernus (2009)

Vernus (2009–10)

Vernus (2010)

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La cataphore dans la prédication de qualité Vernus (2012)

Vernus (2013)

Vernus (2013b)

Vernus (2014)

Vernus (2016)

Vernus (2016b)

Vernus (2016c)

Vernus (2017)

Vernus (2021)

Vernus (à paraître)

Vittmann (1996)

Vittmann (1999) Waitkus (2014) Wb Wente (1959) Winand (1992) Winand (2017)

Wüthrich (2012)

163

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Politeness in Coptic With an Appendix on A Coptic Business Letter Found at Elephantine Matthias Müller1

The present paper examines several strategies of the pragmatics of politeness in Coptic, specifically apologies and requests. The corpus is drawn from letters mainly of the 6th to 8th century. It can be shown, that some patterns evolve from a syntactic sentence pattern into an adverbial one. Keywords: Coptic language; Politeness; Gratitude; Apologies; Requests; Letters

1 Introduction Politeness studies have gained some traction over the last decade for modern languages following from the way-paving, seminal study by Brown & Levinson (1978).2 For ancient languages, things are more difficult since we lack the cultural background knowledge to decode certain utterances. Yet, even here studies in pragmatics have come to the fore.3 Coptic grammars are usually void of descriptions of the language’s pragmatic features (a point in which they are not alone). This might be based partly in the fact that pragmatics was and is not part of the schoolgrammarian approach of language description, and partly due to the above-mentioned loss of the cultural background that is necessary to understand the pragmatics of an utterance.4 However, analysis of the co- and contexts of the utterances studied may at least in part compensate for that, although naturally to a much lesser degree. How to address the issue then? In a pre-theoretical approach, we might scan the dictionaries for particles such as “please, bitte, s’il vous plait, per favore, vær så snill, etc.” or “thank you, danke, merci, grazie, takk, etc.” in the Coptic dictionaries or their combined online version5. The results are disappointing though, with 1

MF Vitenskaplig høyskole, Oslo & University of Basel ([email protected]). I am grateful to the following colleagues for discussions on various aspects of parts and of the whole paper: Felix Arnold/Madrid, Heike Behlmer/Göttingen, Anne Boud’hors/Paris, Gaëlle Chantrain/Liège, Jennifer Cromwell/Manchester, Ruth Duttenhöfer/Trier, Florence Lemaire/Paris, Cornelius von Pilgrim/Cairo, Stefanie Schmidt/Berlin, Valérie Schram/Paris, and Matthias Stern/ Munich. A preliminary version of this paper was presented at the conference “Treasures from the Jar: Reconstructing the early stages of Islamic rule in Egypt thanks to the papyrus archive of Papas (Edfu)” at Basel on November 3rd, 2021. I wish to express my gratefulness to the organizer Dr Isabelle Marthot-Santaniello/Basel for the invitation and to the participants for the ensuing discussion. 2 Culpeper (2011), Leech (2014), Locher & Watts (2005), Brown (2017). 3 Dickey (2001), (2012), (2016), Papathomas (2007), Grob (2010), Sanders & Johncock (2016), Bentein (2017), Ridealgh (2021), etc. 4 Already Ide (1989) pointed out that certain universals are much more bound to a cultural context background than assumed; see also Brown (2017: 385). Following Locher & Watts (2005: 16 “We consider it important to take native speaker assessments of politeness seriously and to make them the basis of a discursive, data-driven, bottom-up approach to politeness”), we would be unable to address the issues due to the lack of any native speakers of ancient languages still alive. However, their proposed interpretative approach (Locher & Watts [2005: 17]) might help to get around the issue, but comes at the cost of possibly ascribing the researcher’s own cultural background to the data. 5 https://corpling.uis.georgetown.edu/coptic-dictionary/search.cgi (last access: 07/05/2023).

Matthias Müller

166

none for “please” – well except for “to please so” or “pleasing” – whereas for “thank you” the dictionaries refer to the expression ⲙⲓⲟ- plus deictic pronoun, literally meaning “be hale,” exemplified by the two following examples from the major Coptic dialects: (1) from a Bohairic text and (2) from a Saidic: (1)

When St Theodore is brought to a place to be beheaded and burned by order of the hegemon, many faithful Christians come and bring food to him. The noble-minded saint tells them: ⲙⲓⲱⲧⲛ ⲧⲏⲣⲟⲩ ⲱ ⲛⲁⲥⲛⲏⲟⲩ miô-tn têr-u ô na-snêu hale.IMP-2P

all-2P

VOC POSS.P.1S-brother.P

ⲉⲣⲉⲡϭ ere-p-ch(ôi)s

ⲓ ⲡ iê(su)s p-kh(risto)s

ϯϣⲉⲃⲓⲱ ti-šebiô

OPT-DEF:G.M-lord

Jesus

give-change for-2P

DEF:G.M-Christ

ⲛⲱⲧⲉⲛ ϧⲉⲛⲡⲓ ⲅⲁⲑⲟⲛ nô-ten ḫen-pi-agathon in-DEF:S.M-good

ⲧⲉⲧⲉϥⲙⲉⲧⲟⲩⲣⲟ nte-te-f-met-uro

ⲧⲉⲧⲉⲛϭⲓⲕⲗⲏⲣⲟⲛⲟⲙⲓ ⲛⲉⲙⲛⲏ nte-tn-chi-klêronomia nem-nê

ⲉⲑⲟⲩⲁⲃ eth-uab

ⲧⲏⲣⲟⲩ têr-u

of-POSS.F-3MS-ABST-king

CNJ-2P-receive-heritage

REL-holy

all-3P

with-DEF:R.P

“Much thanks to you, o my brethren! May the Lord Jesus Christ repay you with his kingdom’s benefit so that you inherit with all the saints.” (BMart. Theodore ed. Rossi [1893: 103], XI CE) (2)

As Gessios is washing the feet of a sick man he and his brother take care of, the man kisses Gessios’ head and says: ⲙⲓⲱⲕ ⲧⲱⲛⲟⲩ ⲱ ⲡⲁϫⲟⲉⲓⲥ ⲛⲥⲟⲛ ⲡⲉⲕϩⲙⲟⲧ ϣⲏⲡ ⲧⲱⲛⲟⲩ miô-k tônu ô pa-cois n-son pe-k-hmot šêp tônu hale.IMP-2MS very

VOC POSS.M.1S-lord

of-brother

POSS.M-2MS-grace

ⲉⲣⲉⲡⲛⲟⲩⲧⲉ ere-p-nute

ⲭⲁⲣⲓⲍⲉ kharize

ⲛⲏⲧⲛ nê-tn

ⲛⲛⲁⲅⲁⲑⲟⲛ ⲛⲧⲙⲛⲧⲉⲣⲟ n-n-agathon n-t-mnt-ero

OPT-DEF.M-god

favour

for-2P

OBJ-DEF.P-good

receive.STA very

ⲛⲙⲡⲏⲩⲉ n-m-pêue

of-DEF.F-ABST-king

of-DEF.P-heaven.P

ϫⲉⲁⲧⲉⲧⲛⲉⲓⲣⲉ ⲛⲙⲙⲁⲓ ⲛⲟⲩⲛⲁ ce-a-teten-ire nmma-i n-u-na

ϩⲙⲡⲁϩⲓⲥⲉ hm-pa-hise

ⲙⲛⲧⲁⲑⲗⲓⲯⲓⲥ mn-ta-thlipsis

for-PAST-2P-do with-1S

in-POSS.M.1S-pain

CON-POSS.F.1S-affliction

OBJ-IDF.S-mercy

“Much thanks to you, o my brotherly lord! Many thanks. May God bestow upon you the kingdom of heavens’ benefit for you have shown mercy to me in my pain and my affliction.” (SRevelation of John the Baptist’s Bones ed. Steindorff [1893: 150], XI CE) However, the pattern is neither attested with high frequency (especially outside literary texts) nor a diachronically even distribution, as, despite some attestations in the Shenutian corpus, the references in Crum (1939: 158b–159a) and Kasser (1964: 26b) are rarely earlier than the 9th century AD. In addition, it is more often used as a greeting6 and, thus, the interpretation of an instance is often open to both potential meanings, i.e., as expression of gratefulness or as a greeting.7 Does this allow us to conclude Coptic was a less polite compared to modern languages? Or was it even an impolite language, unfit for communication on a civilised level outside the village level? Or, was Coptic inhibited by Greek, as Fournet (2020) surmised for other textual genres, i.e., that loaned Greek expressions would have been used to the effect that the development of Coptic ones was considered pragmatically moot or stylistically of too low a register? Certain situations described in literary texts might point in this direction. The following example is taken from a story about a pious couple that is embedded in a eulogy on the archangel Michael attributed to Theodosius of Alexandria. Annually, the rich couple by the name of Dorotheos and Theopiste, would spend some of their wealth to celebrate the feast in honour of St Michael on 12th Hathor. However, as punishment for humankind, God sent a severe draught that lasted several years and, thus, the inundation was less abundant and many humans and animals died. Therefore, the couple’s wealth dwindled as well, so that after three years almost nothing was left. To obtain the usual sheep for the offering, the man took his wife’s festive church

6 7

Mallon (1905: 155–156), with a note on the etymology by Spiegelberg (1906: 210–211). See here also Layton’s remark “sometimes in a context of thankfulness” (Layton 2011: §242).

Politeness in Coptic

167

garment and paid a visit to a shepherd (marked by S below). The following is their ‘business conversation’, starting with the pious Dorotheos (marked by an initial D):8 (D) “Greetings, (my) friend.” (ⲭⲁⲓⲣⲉ ⲡⲉϣⲃⲏⲣ) (S) “Peace be upon you, honourable sir.” (ϯⲣⲏⲛⲉ ⲛⲁⲕ ⲡⲣⲱⲙⲉ ⲉⲧⲧⲁⲓⲏⲩ) (D) “Would I find with you a sheep today for this noble man who has come to us?” (S) “What price would you like to spend on it?” (D) “I want it for a tremesion9.” (S) “Bring the price and I give it to you.” (D) The man stretched his wife’s robe to him and said: “Take the garment, which belongs to my wife. Keep it for three days and if I do not pay you, I cede it to you.” (S) The shepherd answered: “And what am I to do with this? There is nothing in my house but wool and clothes. I will not accept it.” Both men use in principle Greek words: Dorotheos opens with the Greek verb χαίρειν ‘greet’, whereas the shepherd employs εἰρήνη ‘peace’ embedded in a Coptic sentence. The former is attested also in Coptic documentary texts in high frequency and the expression used by the shepherd appears also in the Coptic translations of the New Testament, such as Luke 24,36 or Jonah 20,19 (in both cases addressing a group), from where it might have found its way into every-day communication.10 So, their appearance does not mark the utterance as higher on a politeness scale; rather, they are simply common expressions using loanwords. If we look for specifically Greek terms in documentary texts, we encounter the following situation: despite the frequent attestation of verbs such as ⲁⲓⲧⲉⲓ (< αίτεῖν, Förster [2002: 19–20] and Kahle [1954: I 186–188 #156] used, though, almost exclusively in legal contexts)11 and ⲡⲁⲣⲁⲕⲁⲗⲉⲓ (< παρακαλεῖν, Förster [2002: 615–617]) “to ask” or ⲉⲩⲭⲁⲣⲓⲥⲧⲉⲓ (< εύχαριστεῖν, Förster [2002: 311–312]) “to express gratitude”, there is no attested use of any Greek word in the manner of the initially mentioned particles for “please” or “thank you”. Since we will deal later extensively with ⲡⲁⲣⲁⲕⲁⲗⲉⲓ, an example of ⲉⲩⲭⲁⲣⲓⲥⲧⲉⲓ will suffice here: (3)

A certain Christodorus writes to a monastic superior. After the initial greetings, he writes: ⲉⲡⲉⲓⲇⲏ ⲁⲧⲉ ⲁⲅⲁⲡⲏ ϫⲟⲟⲩ ⲛⲁⲓ ϩⲱⲥ ⲟⲩ ⲥⲩⲛⲥⲁⲧⲁⲥⲓⲥ ϩ ⲧⲙⲏⲧⲉ epeidê a-te-tn-agapê cou na-i hôs un-sunsatasis hn-t-(m)-mête because

PAST-POSS.F-2P-love

send

ϯⲛⲟⲩ ϯⲉⲩⲭⲁⲣⲓⲥⲧⲁ ⲧⲟⲟ tinu ti-eukharista ntoot-f now

1S-thank

for-1S as_if

ⲡⲛⲟⲩⲧⲉ m-p-nute

through-3MS as-DEF.M-god

PTC-quarrel

in-POSS.F-1P-midst

ϯⲉⲩⲭⲁⲣⲓⲥⲧⲁ ⲛⲧⲟⲟⲧ ti-eukharista ntoot-s

ⲧⲉ ⲁⲅⲁⲡⲏ n-te-tn-agapê

1S-thank

as-POSS.F-2P-love

through-3FS

ⲁⲗⲗⲁ ⲧⲁⲓⲟⲩⲱϣ alla nt-a-i-uôš

ⲙⲙⲁⲧⲉ mmate

ⲙⲁ12 ma

ⲉⲃⲱⲕ e-bôk

ⲉⲡⲁⲧⲟⲟⲩ e-pa-toou

but

only

place

to-go

to-POSS.M.1S-mountain

FOC-PAST-1S-wish

“Your benevolence has sent to me, as if there is quarrel between us. So now I thank God, and I thank your benevolence; but I desired only to go to my mount/monastery.” (SP.Mon.Epiph. 239.6–12, letter, VII–VIII CE) As can be seen, the verb is used to speak about gratitude, but not in a direct manner as in “thank you.” However, the mere use of “please” is not a necessary marker of politeness, as studies of modern languages show (Culpepper 2011): Politeness involves (a) an attitude comprised of particular positive evaluative beliefs about particular behaviours in particular social contexts, (b) the activation of that attitude by those 8

The text is being re-edited in Müller & Uljas forthcoming; for the time being, see Budge (1915: 925–926). For the present purpose, the speech introductions have been dispensed with and shortened to the sigla S and D. Since the conversation is a made-up one serving a different, literary purpose, I have refrained from annotating the conversation. 9 A coin, being 1/3 of a gold coin (solidus, see Bagnall 2009: 191). 10 It becomes even more common after the Arab conquest (in Coptic and Greek) as the equivalent of the Arabic salāmgreeting, see Cromwell 2022. 11 It appears most often in the scribal note saying that the scribe had been asked by one of the participants to draw up the document, see Biedenkopf-Ziehner (2000: 51–54). 12 Crossed out in the original letter.

168

Matthias Müller

particular in-context-behaviours, and (c) the actual or potential description of those in-contextbehaviours and/or the person who produced them as polite, courteous, considerate, etc. Linguistic politeness refers to linguistic or behavioural material that is used to trigger politeness attitudes. Politeness strategies (plans of action for achieving politeness effects) and formulae (linguistic/behavioural forms for achieving politeness effects) are conventionally associated to some degree with contexts in which politeness attitudes are activated. Impoliteness, although its performance involves significant differences, can be defined along similar but contrary lines: it involves negative attitudes activated by in-context-behaviours which are associated, along with the person who gave rise to them, with impoliteness metalanguage (e.g., impolite, rude, discourteous, etc.). As mentioned already above, part a) of the definition is out of our direct control due to the time separation from the cultural background under study to our own. Any claims that present and ancient attitudes would be identical will therefore need significant argumentative support. However, pragmatic features which “used to trigger politeness attitudes” should be detectable even in ancient texts. The lack of such must not necessarily be a sign of impoliteness, but could, for instance in business exchanges, be simply an absence of politeness. Yet, utterly rude behaviour is known from letters of Pharaonic times (e.g., the early second millennium BCE letter from Lahun translated by Wente [1990: 85 #105] & re-edited in Collier & Quirke [2002: 118–119]), and exists also in Coptic as will be shown at the end of the next paragraph. Therefore, we must change the approach and look for pragmatic situations in texts in which politeness might play a role. Most promising seem to be Apologies and Requests, as they should appear often enough even in written communication. We would not expect communication downwards along the hierarchy level to be specifically polite. The common understanding is that, in most societies, people ranking higher on the hierarchy would pass on orders to individuals of lower social profile (Brown 2017: 386). Likewise, higher ranking persons probably would not consider apologising for any mistake or error due to their hierarchy position. Nevertheless, equal-level and lower-to-higher-level communication might yield results. The model developed in Leech (2014) will serve as starting point for examining strategies used by Coptic letter writers in expressing an apology for something or a request. However, before doing so, a few words on issues of the corpus are necessary. 2 Pragmatics of Politeness in Coptic Letters Coptic letters show different distributions of forms of politeness. Besides the almost general hierarchy-based lack of polite utterance in downward-conversations, Coptic letters show a significantly lesser use of forms of politeness outside communication of monastic communities. Let us compare the following examples. Letter 1 is a business letter found in the Khnum temple area on Elephantine: Give it to the secretary Zachary from the commissioner Basilides. Hurry and send me the linen. Furthermore, send back the builders so that they bring twelve hundred baked bricks to me swiftly for they will be needed. (O.DAIK 2793, VI–VIII CE, Elephantine, see Appendix below) As can be seen, the text dispenses with any introductory greeting or polite phrasing, getting instead straight to the issues. However, this is not necessarily impolite, but only shows an absence of politeness, i.e., a neutral way of communication. Likewise, the writer dispenses with any final salutation. A diatopic distribution seems to play no role, as the next example from Dūš in the oasis of Kharga in the Western desert shows, as does the time period, since the letter below can be dated to the second half of the 4th century CE: It is Pistois, princeps, who writes to his beloved brother Sansno in Christ, the Lord. Here are nine artabs of wheat. I have sent them down so that you may partition them among you and you give the share to Dio, (the) camel herder, according to the manner you will receive it, and then write, how much I shall give out (henceforth). Farewell in the Lord. (O.Douch I 49, 2nd half of IV CE, Dūš, Kharga oasis)13

13

See Schenke (2007: 221–222). The text will be re-edited in a volume on Coptic texts from the Kharga oasis in Ghica & Müller (forthcoming).

Politeness in Coptic

169

The major differences, however, are the addressing of the recipient as ‘beloved brother in Christ, the Lord’ and the Christian salutation formula at the end. However, these might have served more as a group identity token (i.e., facework) than as a real manner of politeness. It is nevertheless noteworthy that the local leader of the garrison used Coptic and was apparently Christian. In opposition to the above, the following is a letter from a monastic context as can be surmised from the self-stylisation of the writer and the addressing of the recipient as ‘brother’: Mathias the least sinner is writing to and greeting the brother Petros. First of all, I am greeting you with all my heart and all my soul. Be kind to the poor man for the sake of God and send him to someone and write to him! Why […] Do not cease to do it! It is charity. Farewell in the Lord, my beloved brother. (O.Vind.Copt. 200 = O.CrumST 218, VII–VIII CE, Theban area) The writer humbles himself as ‘least sinner’ and uses a greeting formula before he introduces his request with an expression asking the addressee to be kind to the poor man, literally ‘do the love/charity,’ on which see below. At times, letters contain nothing but greetings such as the following one: Before my humblest speech now, I kiss the footstool of your (PL) holy feet. I remembered that you came up to the holy place of the venerable Herm. I am greeting Moses and his son Antonius as well as your (PL) brother Phoibammon and the venerable Cyrus and all the other brethren according to their names. (O.Brit.Mus.Copt. II 20, VII–VIII CE, Monastery of St Phoibammon, Thebes) Other monastic correspondents saw fit to add a plea to almost every sentence, even if the writer was apparently upset with the recipient; for the translation ‘please,’ see below: First of all, I am greeting your holy fatherhood. Please, if you are not content with the manner the house has been divided, please come out and divide it or send someone accordingly. Please, do not let me suffer so that I may take what is mine and sell it for wheat. If you really ove me14, please, leave my dwelling place, so that I may sell it. Look, I found the man. God knows that if you do not leave, and divide it, or send someone, or accept how they divided it, I will visit you in person and get you out of my monastic dwelling place, that is upon the hill. Reject me, and I will pay you a visit in person again.15 However, please, do not let me suffer any longer. Farewell in the Lord. (O.TT 97.288 ed. Behlmer 2003, VII–VIII CE, Shaykh abd-alQurna, Thebes) Even if business matters are the topic among monastic correspondents, a certain phrasing must be obeyed, as in the following letter: Please, whether the small or the large bowl or the sack16, send one for I need to depart tomorrow. If there is one, send it to the city. Send it to me with this little one. Farewell [my] beloved ones. Give it to our brothers, the presbyter and the venerable Jakob from Petros the deacon, your brother. (O.Crum 214, VII–VIII CE, Monastery of St Phoibammon, Thebes) A similar phrasing is also met in the following letter sent by the ‘least presbyter’ David to the farmer Daniel: It is I, David the presbyter, who writes to Daniel: Please, put wine into the jars of Klom, for he has milled wheat for me. Give him and his brother five diple of wine. Farewell in the Lord. Give it to Daniel the farmer from David, the least presbyter. (SB Kopt. I 275, VII–VIII CE, Theban area) Whereas business letters among lay people employ direct orders not only when communicating downwards the social ladder but also on an equal level,17 the monastic cultural environment urges the writer to formulate 14

Reading with Behlmer (2003: 22) ⲉϣⲱⲡⲉ ⲕ‹ⲟⲩ›ⲱϣ ⲟ ⲛⲁⲙⲉ. If read and restored with Behlmer (2003: 22 line 13–14, and similarly so by Alcock [2005]) ϭⲱⲗ ⲉⲣⲟ ⲟⲩⲁ ⲉⲓ ⲉϩⲟⲩⲛ ⲡⲁⲥⲱⲙⲁ [ⲛ], this would be the only negated example of the Theban future construction with ⲟⲩⲁ-. I, however, have argued (Müller [2007: 88]) that the negated counterpart of that construction would be the negated Optative/Future III. Hence, the element [ⲛ] is regarded as the adverb Aⲁⲛ ‘again’. 16 Read ⲕⲁⲛ |ⲡⲕⲟⲩⲓ ⲕⲁⲛ ⲡⲛ|ⲟϭ ⲛ ⲁⲧⲓⲗⲁ ⲕⲁⲛ |ⲧⲥⲁⲕⲓⲁ in ll. 1–4. 17 Brown & Levinson (1978: 253–255): ‘politeness according to hierarchical status.’ 15

Matthias Müller

170

the issue as a polite request, as will be elaborated further in part 4 below. Nevertheless, even in these milieus, a degree of humility is occasionally exceeded that leads the author to renounce politeness: So, I have written to you again that you should come to meet me. But you did not come, and you did not even send me a potsherd full of street-piss! Go with Psate and read the sherd to his mother for the fault is hers! For she agreed to it and did not leave that man before a child was born. From that moment, whenever you, Azarias, will deign to come and meet me, do not come with anybody else except your son only! (O.Frangé 161, 700–750, Theban area) A similar loss of patience with the recipient has been argued for as the background of the following message sent by Ibrāhīm b. ‘Abd al-Raḥman to a certain Theodore.18 So you PL should know that I have appointed Serenos over youMS b[ecause of …]! I did not appoint him over you so that he may pay anything on your behalf. So then, pay the stipulated amount (as) your instalment! Collect it! Deliver it! If you should try to break it regarding anything concerning it, I will send someone who will extract it from your bones! (P.Mich.Copt. III.15, VIII CE, Hermopolite) The missive only has an outward address, and starts directly with the message without any introductory words or phrases. Finally, the writer finishes with a severe threat. 3 Apologies Following Leech (2014), I will refer to apologies here as “speech events” rather than “speech acts” seeing that the latter term is typically used of single utterances. In addition, I will keep the term “speech events” even though dealing with written communication. Although apologies might be seen as universals, one could imagine communication systems that would function without them. However, the Christian cultural background in Late Antique/Early Islamic Egypt makes this unlikely. Leech separated a head act (a) from satellite speech events (b)–(e): a) the head act, the apology itself, b) a confession or admission of responsibility, c) an explanation on the fault occurred, d) an offer of repair, and e) a promise of forbearance. Note that not all satellite speech events are considered mandatory as part of an apology. The most common and probably most obvious apology that comes to mind to anyone who has read Coptic letters is the one for using an ostracon19, i.e., a broken potsherd or a piece of limestone used as writing support instead of papyrus as in (4), where we find the head act (a), the confession (b), and the explanation (c): (4)

A letter without address starts with the words: ⲕⲱ ⲛⲁⲓ ⲉⲃⲟⲗ ϫⲉⲙⲡⲓϭⲛⲭⲁⲣⲧ[ⲏⲥ] kô na-i ebol ce-mp-i-kjn-khartês

ⲉⲓϩⲛⲧⲥⲱϣⲉ e-i-hn-t-sôše

let.IMP

DEP-1S-in-DEF.F-field

for-1S out

COMP-NEG.PAST-1S-find-papyrus

“Forgive me that I did not find papyrus as I am in the countryside.” (SO.Crum 129.1–2, letter, VII–VIII CE) The common expression employs the Coptic verb ⲕⲱ ⲉⲃⲟⲗ with the benefactive ⲛⲁ- referring to the speaker. However, the semantics of that expression are rather close to “forgive” and it is mostly used in that way, especially in, and therefore probably influenced by, the Coptic translation of the Scripture, e.g., Ps 24[25],18 or 2 Cor 12,13. Looking for instances of ⲕⲱ ⲛⲁ- ⲉⲃⲟⲗ outside that statement, we encounter other uses such as (5) and (6) as well:

18 19

Cromwell (2022). See Cromwell (2020) on this expression and its social context.

Politeness in Coptic

(5)

171

Ismael greets bishop Abraham. The bishop had previously written to him as he had been informed that Ismael had supposedly desecrated the church and therefore excluded him from the holy communion20: ⲕⲁⲓⲅⲁⲣ ⲙⲉⲥⲧⲁϩⲟⲓ ⲁⲃⲱⲗⲉⲕⲕⲗⲏⲥⲓⲁ ⲁⲃⲟⲗ kai=gar me-s-taho-i a-bôl-ekklêsia abol and=for

NEG.AOR-3FS-stand_up-1S

ⲕⲁⲓⲅⲁⲣ ⲉⲛⲧⲁϥⲉⲓ kai=gar ent-a-f-i and=for

FOC-PAST-3MS-come

to-loosen-church out

ⲛⲁⲕ na-k

ⲉϥϫ ϭⲟⲗ e-f-ci-kjol

ⲉⲣⲟ ero-i

to-2MS

DEP-3MS-say-lie

to-1S

ⲕⲱ kô

ⲁ na-i

ⲉⲃⲟⲗ ebol

let.IMP

for-1S

out

ϫⲉⲉⲓϣⲱⲛⲉ ce-e-i-šône

ⲛⲅ ⲧ n-g-nt-ø

ⲉϩⲟⲩⲛ ⲉⲡϣⲁⲉ ehun e-p-šae

ϫⲉⲉⲓϣⲱⲛⲉ ce-e-i-šône

for-FOC.PRS-1S-be_sick

CNJ-2MS-bring-1S

into

for-FOC.PRS-1S-be_sick

to-DEF.M-feast

“Yet, the desecrating of the church does not apply to me as he came to you spreading lies about me. Forgive me for I am ill, and admit me to the holy communion for I am ill.” (SO.Crum 94.6–10 after Krause (1956: I #79), letter, 590–620) Example (5) shows the head act (a) and presents an explanation (c “for I am ill”), thereby dispensing with the confession, but repeating the explanation after the intended goal of the apology. The apologetic clause seems general in nature rather than really related to the aforementioned accusation. (6)

A letter without address starts with the words: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲕⲱ ⲛⲁ ⲉⲃⲟⲗ ⲡⲁⲥⲟⲛ ari-t-agapê kô na-i ebol pa-son do.IMP-DEF.F-love let.IMP

ⲡⲓⲥⲧⲉⲩⲉ pisteue

ⲛⲁ na-i

believe.IMP for-1S

for-1S out

POSS.M.1S-brother

ϫⲉⲁ ⲁⲡⲁⲧⲟⲟⲧ ce-a-i-rapatoot

ⲉϯ ⲧⲟⲛ e-ti-mton

COMP-PAST-1S-endeavour

to-give-rest for-POSS.M-2MS-heart

ⲉⲙⲡⲁϯ ⲡⲱⲛⲉ empat-i-m-p-ône

ⲉⲃⲟⲗ ⲡⲣⲟ ebol m-p-ro

DEP-NCO-1S-bring-DEF.M-stone

out

ⲡⲉⲕϩⲏⲧ m-pe-k-hêt

in-DEF.M-door

ⲉⲛⲉ ⲡⲕϫⲟⲟⲥⲅⲁⲣ e-ne-mp-k-coo-s=gar

ⲉⲣ[ⲟ]ⲓ ϫⲉⲕⲧⲏⲧ ero-i ce-k-têt

DEP-IPF-NEG.PAST-2MS-say-3FS=for

to-1S

ⲛⲉⲓⲛ ϥⲓⲧϥ n-e-i-fit-f

ⲁⲛ an

COMP-2MS-content.STA IPF-1S-FUT-carry-3MS NEG

ⲡⲉ pe PTC

“Please forgive me, my brother! Believe me that I endeavoured to satisfy you before I took the stone from the door. For if you had not told me that you agree, I would never have taken it.” (SO.Frangé 668.1–6, letter, VII–VIII CE) In opposition, example (6) supplies the head act (a), the confession (b), the explanation (c), and a kind of promise of forbearance. Here again, the writer does not mention any wrong he might have done that requires an apology, but we can infer from his explanation that the recipient of the present letter seems to have initially agreed that the writer might carry off a stone. Later on, it seems the recipient must have changed his mind, about which he disapproved, so that the writer feels obliged to appease him with the above apology. Noteworthy is the following example: (7)

The letter starts with a greeting, which is to suffice until the sender will finally be found worthy by the Lord to greet the addressee in person again. He informs the addressee that he sent a book with the venerable Psates: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲕⲱ ⲛⲁⲓ ⲉⲃⲟⲗ ϫⲉⲁⲓⲁⲙⲉⲗⲉⲓ ari-t-agapê kô na-i ebol ce-a-i-amelei do.IMP-DEF.F-love let.IMP

for-1S out

[ⲕⲁⲓ]ⲅⲁⲣ ⲁⲓϫⲟⲕϥ kaigar a-i-cok-f for

20

ⲉⲃⲟⲗ ebol

PAST-1S-finish-3MS

out

COMP-PAST-1S-tarry

ⲉⲓⲥ eis

ⲟⲩⲛⲟϭ u-noc

ⲛⲟⲩⲟⲉⲓϣ n-uoiš

since

IDF.S-long

of-time

ⲁⲗⲗⲁ [ⲙⲛ]ⲣⲱⲙⲉ alla mn-rôme

ⲉϥⲛⲁⲣⲟⲉⲓⲥ e-f-na-rois

ⲉⲣⲟϥ ero-f

ⲛⲧⲁⲧⲛⲛⲟⲟⲩϥ nt-a-tnnou-f

but

DEP-3MS-FUT-watch

OBJ-3MS

CNJ-1S-send-3MS

NEG-man

See Schmelz (2002: 126–161) for punishments of this type against transgressing clerics.

Matthias Müller

172

“Please forgive me that I was negligent. For, honestly21, I had finished it long ago but there was no one who could take care of it so that I might send it.” (SO.Crum 252.5–7, letter, VII–VIII CE) Again, we find the head act (a), the confession (b), and an extended explanation (c). Both examples, (6) and (7), additionally show an introduction with one of the request patterns, in a manner to be discussed below. The dictionaries also list the expression involving the noun ⲗⲟⲓϭⲉ ‘cause, excuse’ as the object of various verbs for ‘to excuse,’ such as ϯ-ⲗⲟⲓϭⲉ literally ‘give occasion, excuse,’ ϭⲛ-ⲗⲟⲓϭⲉ literally ‘find occasion, excuse,’ and ϭⲡ-ⲗⲟⲓϭⲉ literally ‘seize occasion, excuse.’ However, these expressions are rarely attested outside literary texts and, when they do occur it is usually in the semantics of a pretext rather than an apology, so that we can disregard them here.22 4 Requests Requests are, in a way, similar to directives, only much more focused on the position of the other person or partner in the communication situation. Requests are described as positive face threatening acts23, in that they express the intention of the speaker to have the addressee do or not do some act (Brown & Levinson 1978: 65–66). They might be indicated by a more verbose phrasing and are often employed with pragmatic modifiers (adverbials, adjectives, etc.). Coptic texts show various patterns with similar semantics.24 Most employ an imperative, as in: ⲁⲣⲓ-/ -ⲧ-ⲁⲅⲁⲡⲏ “lit. do the love” mainly followed by a clause with conjunctive (pattern a); ⲁⲣⲓ-/ -ⲡ-ⲛⲁ “lit. do the mercy” mainly followed by a clause with conjunctive (pattern b); ⲟⲩⲱϣ(ⲉ) “lit. wish/will” mainly followed by a clause with conjunctive or another imperative (pattern c). Similar to the first two patters above, the expression can be adjusted in style as in (pattern d): ⲁⲣⲓ-/ -ⲡ-ⲡⲉⲧⲛⲁⲛⲟⲩϥ “lit. do the good” mainly followed by a clause with conjunctive; ⲁⲣⲓ-/ -ⲧ-ⲙⲛ ⲥⲟⲛ “lit. do the son-ship” mainly followed by a clause with conjunctive; ⲁⲣⲓ-/ -ⲧ-ⲙⲛ ⲉⲓⲱⲧ “lit. do the father-ship” mainly followed by a clause with conjunctive. Less common seems to be the use of ⲕⲱⲣϣ “request, persuade, cajole”. The rare pattern ⲁⲣⲓ-/ -ⲧ-ⲡⲁⲣⲁⲕⲗⲏⲥⲓⲥ “lit. do the request” (Förster 2002: 618 lists four examples) has been ignored here. 4.1 Pattern a If one starts with the probably most common expression, ⲁⲣⲓ-/ -ⲧ-ⲁⲅⲁⲡⲏ “lit. do the love”, one encounters various patterns of coordination of the state-of-affairs or action requested. Coordination with a clause using a conjunctive form seems to be most often employed, as in (8), (9), and (10). However, it needs a certain decoding strategy by the addressee, because not every ensuing conjunctive form is part of the request, as (10) shows. Example (11) shows that multiple requests can be coordinated in that way. In the following examples, the term has been translated as “please”25 only to allow an easier understanding. (8)

The writer informs his fathers about his recovery from an ailing eye, which, however, is not yet fully accomplished. Nevertheless, he suffered much and promises to send something. In addition: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲛⲧⲉⲧⲛⲧⲙⲙⲟⲡⲃⲁⲣⲱϩ ari-t-agapê nte-tn-tmmo-p-barôh do.IMP-DEF.F-mercy

21

CNJ-2P-feed-DEF.M-transport_animal

See Boud’hors (2017). It appears in a fragmentarily preserved context in O.Saint-Marc 56.4. 23 For their definition of positive and negative face, see Brown & Levinson (1978: 61–64). 24 See, e.g., Biedenkopf-Ziehner (1983: 34–35), Boud’hors & Heurtel (2010: II 69–72) or Krueger (2020: II 499–501). 25 Note that, for instance, Hall translated all his examples in O.Brit.Mus.Copt. I as ‘please’. 22

Politeness in Coptic

173

“Please, feed the transport animal.” (SO.Crum 379.16–17, letter, 7 VII–VIII CE)

Although we do not know whether the sender had a monastic background26, the recipient was a semi-anchorite dwelling in the hill of Shaykh abd-al-Qurna.27 This perceived background of the addressee might have pragmatically called the writer to phrase his request in the above manner. (9)

Eusebios greets his lord father, the venerable Johannes: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲛ ϯⲡⲉⲥⲭⲏⲙⲁ ⲉⲧⲟⲩⲁⲁⲃ ϩⲓⲡⲥⲟⲛ ari-t-agapê n-g-ti-pe-skhêma etuaab hi-p-son

[ⲁ]ⲡⲁ ⲇⲓⲟⲥ apa dios

do.IMP-DEF.F-love

Apa

CNJ-2MS-give-DEF.M-garment

ⲉϣⲱⲡⲉ ⲉⲣⲉⲧⲉⲕⲙ ⲧ[ⲉ]ⲓⲱⲧ ešôpe ere-te-k-mnt-iôt if

OPT-POSS.F-2MS-ABST-father

holy

ⲉⲓⲣⲉ ire

ϩⲁⲣⲟ haro-i

do

unto-1S

on-DEF.M-brother

ⲙⲁⲛⲧⲏ ϩⲱⲃ mantê-i-hôb

[ⲛ]ⲙⲙⲁⲕ ⲉⲡⲧⲏⲣ nmma-k eptêrf

ϩⲁⲡϩⲟⲗⲟⲕ(ⲟⲧⲧⲓⲛⲟⲥ) ha-p-holok(ottinos)

NEG.have-1S-thing

with-2MS at_all

under-DEF.M-gold_coin

ⲟⲩⲇⲉ ⲙⲁ ϫⲟⲟⲥ ude ma-i-coo-s

ⲉⲛⲉϩ ⲧⲉⲕⲙ ⲧⲉⲓⲱⲧ eneh n-tek-mnt-iôt

nor

ever

NEG.AOR-1S-say-3FS

ϩⲁϩⲱⲃ ha-hôb

for-POSS.F-2MS-ABST-father under-thing

Dios

ⲛⲭⲣⲉⲱⲥ n-kreôs of-debt

“Please, clothe the brother, the venerable Dios, with the holy garment. If your fatherhood will do (this) for me, I have no issue whatsoever with you about the gold coin, nor will I ever mention to your fatherhood a matter of debt.” (SO.Vind.Copt. 287.6–12, letter, VII–VIII CE) As with the preceding example, the background of the sender is unknown, but he styles himself as the recipient’s son in the address28, which might be a spiritual affiliation. The request is supported here with the promise to waive all claims regarding a debt of the recipient.29 (10)

In a letter without an address, the sender reacts to the request of a pickaxe, acknowledging his general ignorance in the matter. He remarks to have seen it during a feast in the hands of two men, who claimed to have found it behind a wall. He then changes the topic and writes: ⲁⲩⲱ ⲟⲛ ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲛ ⲧ ⲛⲟⲟⲩ ⲛⲉⲛⲉ ⲁⲁⲩ ⲛⲁ auô on ari-t-agapê n-g-tnnou ne-n-eiau na-i and

again do.IMP-DEF.F-love

CNJ-2MS-send

ⲧⲁⲧⲁⲁⲩ nt-a-ø-taa-u

ⲡⲁϩⲁⲙ ⲙ ⲇⲓⲟⲥ m-paham mn-dios

REL-PAST-1S-give-3P

to-PN

OBJ-DEF.P-linen

to-1S

CON-PN

ⲥⲟⲩⲟⲩⲱϫⲉ ⲕⲁⲕ ⲧⲱⲛⲉ ⲛⲁ n-su-uôce n-kakitône na-i

ⲟⲩⲡⲣⲏϣ n-u-prêš

ϫⲉⲁ ϩⲓⲥⲉ ce-a-i-hise

CNJ-3P-weave OBJ-shirt

OBJ-IDF.S-cloak

for-PAST-1S-sick

for-1S

“Furthermore, please send me the linen which I gave to Paham and Dios so that a shirt or a cloak might be woven for me for I have been sick.” (SO.Saint-Marc 187.9–21; letter, VII CE) The social context of this letter is also uncertain, as neither sender nor addressee are mentioned. However, seeing that it has been found in a monastic environment, we might assume a monastic background at least for the person addressed. 26

One might assume this from the self-designation of Teras as “a dog, dead and stinking, worthless, rejected and sinful” (O.Medin.HabuCopt. 137.vso7–11). The phrasing, however, strongly recalls Frange’s expressions of self-humiliations (see the list in Boud’hors & Heurtel 2010: II 66–67) and might simply have been copied from him. 27 See Boud’hors & Heurtel’s introduction to O.Frangé. 28 In lines 19–35 ⲡⲁϫⲟ ⲥ ⲉⲓⲱⲧ ⲁⲡⲁ ⲓⲱϩⲁⲛⲛⲏⲥ ⲡⲡⲣⲉⲥⲃ(ⲩⲧⲉⲣⲟⲥ) ⲉⲩⲥⲉⲃⲓⲟⲥ ⲡⲉⲕϣⲏⲣⲉ “(To) my father, the venerable Johannes the priest, (from) Eusebios, your son.” 29 For monastics as creditors/debtors, see Clackson (2000: 26–27), Markiewicz (2009), Papaconstantinou (2016; 2020) or Müller (2020: 230–233).

Matthias Müller

174

(11)

Due to the partly fragmentary state of preservation, the context is not clear, but apparently the sender is in a difficult situation: ca. 6–8 letters ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁpⲏⲟⲩⲛ ⲧⲉⲧ ϣ ϩⲓⲥⲉⲟⲛ ⲛ ⲙ[ⲁⲩ ari-t-agapê=un nte-tn-šp-hise=on nmm[a-u … do.IMP-DEF.F-love=then

CNJ-2P-receive-suffering=again

ⲛⲧⲉⲧ] ⲥⲩⲛⲉⲗⲑⲉ ⲛ ⲙⲁⲩ nte-t]n-sunelthe nmma-u

ϩⲁⲧⲥ ⲧⲉ ha-t-snte

CNJ-2P-agree

under-DEF.F-two of-acacia

ϫⲉⲉⲣⲉⲡⲛⲟⲩⲧⲉ ce-ere-p-nute

with-3P

ⲛ[ⲉⲛϣⲗⲏⲗ n-n[en-šlêl

with-3P



ϣⲟⲛⲧⲉ n-šonte ⲙⲛⲛⲉⲛϩ]ⲟⲩⲟⲥⲙⲟⲩ mn-nen-huo-smu

so-OPT-DEF.M-God bring-POSS.P-1P-prayer

ⲉⲣⲱⲧ erô-tn

CON-POSS.P-1P-more-blessing

to-2P

ϩⲁ ⲡⲉⲧⲛⲁⲛⲟⲩϥ ha-m-petnanuf

ⲉⲧⲉⲧ ⲉⲓⲣⲉ ete-tn-eire

ⲙⲟⲟⲩ mmo-u

ⲙ[ⲡⲙⲟⲛⲁⲥⲧⲏⲣⲓⲟⲛ m-[p-monastêrion

ⲉⲧⲟ]ⲩⲁⲁⲃ etu]aab

under-DEF.P-good

REL-2P-do

OBJ-3P

for-DEF.M-monastery

holy

“Please take pains then again with [them … an]d come to an agreement with them concerning the two acacia trees so that God carries o[ur prayers and m]any blessings to you for the good things you are doing for [the ho]ly [monastery].” (SP.EdfouJarre I 5.5–7 [BIFAO 117: 108]; letter, 660–670) Example 11 above is taken from an archive of mainly business correspondence of the pagarchal office at Edfu (Boud’hors 2020), but is the only letter with monastic issues. Hence, we cannot infer from it that the expression was employed in the same form also outside of the monastic and/or ecclesiastical circles. The other Coptic letters from the archive published (Boud’hors et al. 2017 & 2018) so far lack any of the patterns discussed here and correspond thus rather to the situation described above in section 2. On rare occasions, the politeness element is phrased not as an imperative but as a Future focus form, as in (12), where a conjunctive form is again used to continue the actual request: (12)

Paul the least writes to his honourable brother, the venerable [… name lost …], saying: ⲉⲕϣⲁⲛϫⲓⲛⲉⲥϩⲁⲓ ⲛⲉⲗⲁⲭⲓⲥⲧⲟⲥ ⲉⲕⲁⲣⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲛⲅⲉⲓ ⲁϩⲣⲛ ekšan-ci-ne-shai n-elakhistos e-k-a-r-t-agapê n-g-i (n)ahrn-n CND.2MS-receive-DEF.P-writing

of-least

ⲛⲧⲁϭⲛⲧⲕ nt-a-kjnt-k

ⲛⲧⲉⲁⲡⲟⲕⲣⲓⲥⲓⲥ n-te-apokrisis

ⲛⲁⲛⲁⲅⲉⲟⲛ n-anageon

CJN-1S-find-2MS

in-DEF.F-matter

of-important

FOC-2MS-FUT-do-DEF.F-love CNJ-2MS-come

to-1P

“If you receive the insignificant writings, please come to us so that I find you in the urgent matter.” (SO.Crum 329.5–10, letter, VII–VIII CE) As can be seen, the usual pattern would demand a marked coordination with a conjunctive-form in the second position. It can be described as follows (Tab. 1): Tab. 1: Phase I Scope: Sentence Setting: Syntax Pattern Verbal clause (Imperative)

Position Initial

Continuation Conjunctive

However, besides this dominant pattern, in a smaller number of examples the coordination is unmarked, i.e., by juxtaposition, as in the following examples (see also Engsheden & Winkler 2017: 104 note to line 2). Where one might expect a negated conjunctive (i.e., ⲛⲅ-ⲧⲙ-ϭⲱ)30, instead negated imperatives/vetitives

30

I have so far been unable to find an attestation of its use. If it is a possible way of negation, it is definitely underrepresented in the corpus.

Politeness in Coptic

175

(13)31, imperatives (14)–(15)32, or jussive forms (16)33 appear, probably in contexts in which social pragmatics circumvent the use of imperatives: (13)

In a fragmentarily preserved letter, the addressee is urged to come on Saturday, not only on Sunday. The request is underlined by the words: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅ‹ⲁⲡ›ⲏ ⲡ ϭⲱ ⲉⲓⲥϩⲏⲧⲉ ⲉⲛϭⲱϣⲧ ϩⲏⲧⲕ ari-t-agapê mpr-kjô eishête e-n-kjôšt hêt-k do.IMP-DEF.F-love

NEG.IMP-stop

behold

FOC-1P-look

toward-2MS

“Please, don’t tarry. Behold, we await you.” (SO.Brit.Mus.Copt. I pl. LV #2.8–9, letter, VII–VIII CE) (14)

The writer asks the addressee whether a subordinate of the bishop would have vinegar of the kind the addressee had sent him earlier: ⲁⲣⲓⲧⲁ[ⲅⲁ]ⲡⲏ ϫⲟⲟⲩⲥⲟⲩ ⲛⲁⲓ ϫⲉⲧⲉⲭⲣⲓⲁ ⲧⲉ (ⲉ)ⲙⲁⲧⲉ ⲉⲙⲁⲧⲉ ari-t-agapê cou-su na-i ce-te-khria te emate emate do.IMP-DEF.F-love send-3P

to-1S

for-DEF.F-need SE.F

very

very

“Please, send them, for there is utter need.” (SO.Crum 343.6–11, letter, VII–VIII CE)

(15)

Teras the little writes to his beloved master Frange, starting with the words: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ϣ[ⲗⲏⲗ] ⲉϫⲱ ⲧⲉⲡⲛⲟⲩⲧⲉ ⲣⲟⲩⲛⲁ ⲛⲙⲙⲁⲛ ari-t-agapê š[lêl] ecô-i nte-p-nute r-u-na nmma-n do.IMP-DEF.F-love pray.IMP

upon-1S

CNJ-DEF.M-god

do-IDF.S-mercy

with-1P

“Please, pray for me so that God may have mercy on us.” (SO.Medin.HabuCopt. 137.6–9; letter, 700–750) (16)

Someone writes to a (probably) magistrate and starts the letter with the words: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲙⲁⲣⲉⲧⲕⲙⲛⲧⲓⲱⲧ ⲙⲁⲣⲧⲩⲣⲓⲍⲉ ⲛⲑⲓⲙⲉ ⲙⲡⲉϭⲱϣ ari-t-agapê mare-t-k-mnt-iôt marturize n-t-hime m-pekjôš do.IMP-DEF.F-love

JUSS-POSS.F-2MS-ABST-father

witness

for-DEF.F-wife of-PN

“Please, may your fatherhood witness for the wife of Pekjoš.” (SO.Crum 289.1–5, letter, VII–VIII CE)

In addition to these examples, we have seen ones with affirmative clauses above in (6) and (7). These could of course be simple mistakes or slips. One might surmise therefore that all these cases are in fact traces of an initial process of grammaticalization, which starts by reanalysing the coordinative link of the second element to the former, in similar ways as described in Müller & Uljas (2016) and Müller (2016) for another Coptic construction. Examples such as (13)–(16) above would thus mark a first adverbial stage. This second phase of the diachronic process could then be described as follows: Tab. 2: Phase II Scope: Adverb Setting: Syntax Pattern Verbal clause (Imperative)

Position Initial

Continuation Juxtaposition

It seems, however, that the next stages, i.e., free use and/or adjunct, as sketched for the mentioned other patterns (see the overview at the end of this paper), are not attested and the grammaticalization process was thus never completed.

31

See also O.Crum 324.9–10 (letter, VII–VIII CE). See also O.Lips.Copt. II 248 (letter, VII–VIII CE). 33 See also O.CrumST 197.5–6 = O.Lips.Copt. II Add. 5 (letter, 2nd half VI CE). 32

Matthias Müller

176

4.2 Pattern b The second expression introduced above, ⲁⲣⲓ-/ -ⲡ-ⲛⲁ, is often employed as if synonymous with the preceding one. If there was a semantic or pragmatic difference between the two, it is lost to us. However, the adjacent use of the two in the following example might point to the supposed synonymity: (17)

After the initial greetings, the priest Mark of the topos of St Mark writes to the pious presbyter Paham: ϯⲡⲁⲣⲁⲕⲁⲗⲉⲓ ⲛⲧⲉⲕⲙⲛⲧⲙⲁⲓⲛⲟⲩⲧⲉ ti-parakalei n-te-k-mnt-mai-noute 1s-beseech

OBJ-POSS.F-2MS-ABST-love.PPA-god

ϫⲉⲕⲁⲥ ⲉⲕⲛⲁⲣⲡⲛⲁ cekas e-k-na-r-p-na

ⲛ ϫⲟⲟⲥ n-g-coo-s

ⲡϩⲗⲗⲟ m-p-hllo

so_that

CNJ-2MS-say-3FS

to-DEF.M-old_man Apa

FOC-2MS-FUT-do-DEF.M-mercy

ⲛ ⲧⲁⲅⲁⲡⲏ n-f-r-t-agapê

ⲛ ⲧⲛⲛⲟⲟⲩⲡⲥⲟⲟⲩ n-f-tnnou-p-sou

ⲗⲓ(ⲕⲛ)ⲟⲛ ϩⲙⲛⲧ n-li(kn)on n-hmnt

CNJ-3MS-do-DEF.F-love

CNJ-3MS-send-DEF.M-six

of-coin

ⲁⲡⲁ apa ⲛⲁ na-i

ⲁⲅⲁⲑⲟⲛ agathon A.

ϩⲁ ⲥⲟⲩⲟ ha-n-suo

of-bronze to-1S under-DEF.M-wheat

“I am beseeching your piousness so that you would speak to the elder, the venerable Agathon, please, so that he would kindly/please send the six bronze coins to me for the wheat.” (SO.Saint-Marc 1.4–9; letter, 600–625) The above example also illustrates that the expression can be adjusted according to the syntactic requirements, as the sequence of syntactic embedding above shows. As with the pattern described above, the most common syntactic continuation is with the help of a conjunctive form, although not every ensuing conjunctive falls under the scope of the pattern of interest here. The following example is instructive insofar as it first shows the use of the verbal expression outside a request in a simple statement. This expression is to be encountered later on in a way morphologically and syntactically similar, but not identical, to the one examined here: (18)

A letter without address starts with a greeting to the ‘beloved brethren’ John and Enoch, as well as the other brethren with them. The unnamed sender states: ⲁⲧⲉⲧ ⲙ ⲧϫⲟⲉⲓⲥ ⲥⲟⲛ ⲡⲛⲁ ⲙ ⲫⲟⲓⲃⲁⲙⲱⲛ ϩ ⲧⲕⲩⲣⲓⲁⲕⲏ a-tetn-mnt-cois n-son r-p-na mn-phoibamôn hn-t-kuriakê PAST-2P-ABST-lord

of-brother do-DEF.M-mercy with-PN

ⲁⲧⲉⲧ ϫⲟⲟⲩⲡⲥⲙⲟⲩ a-tetn-cou-p-smu PAST-2P-send-DEF.M-blessing

ⲛⲁϥ na-f for-3MS

ⲁⲣⲓⲡⲛ ari-p-na

in-DEF.F-Sunday

ⲛ ⲙⲁϥ nmma-f

do.IMP-DEF.M-mercy with-3MS

ϫⲉⲕⲁⲥ cekas

ⲉⲣⲉⲡϫⲟⲉⲓⲥ ere-p-cois

ⲥⲙⲟⲩ smu

ⲉⲣⲱⲧ erô-tn

so_that

OPT-DEF.M-lord

bless

OBJ-2P

ⲡⲟⲟⲩ m-pou

ⲟⲛ on

ADV-day

again

“Your brotherly lordships have shown mercy to Phoibammon on Sunday and you have sent him the blessing. Have now mercy with him again today so that the Lord might bless you!” (SO.Brit.Mus.Copt. I pl. LXV #4.4–10, letter, VII–VIII CE) Example 18 thus illustrates that the expression ⲁⲣⲓⲡⲛⲁ has not necessarily been grammaticalized yet into a word for ‘please.’ Nevertheless, various stages of a grammaticalization can appear synchronically and (18) is therefore not necessarily a decisive counter-example. Similar to pattern a) above, examples with unmarked coordination are attested as well: the pattern is attested followed by a negative form in (19)34, but with an affirmative form in (20)35 as well as with juxtaposed affirmative and negated forms in (21): (19)

34

A superior, probably a bishop, writes to an unnamed person, whom he addresses as ‘your son-ship,’ maybe a lay-official or ecclesiastical subordinate, telling him about the hardships of a pauper. The latter had come to him and told him that he had been seized by the addressee to cultivate some fields.

For another possible example with a vetitive (in both cases next to other examples in the same text with conjunctive patterns), see O.Medin.HabuCopt. 141.rto 12–13; P.Mon.Epiph 167.8–9 35 For other examples with an affirmative pattern, see O.DAN kopt. 620.3 (broken co-text; see https://www.koptolys.gwi. uni-muenchen.de/showOstraka.php?id=1656).

Politeness in Coptic

177

The sender tells the recipient: ⲁⲣⲓⲡⲛⲁ ⲡⲣϫⲛⲟⲩϥ ari-p-na mpr-cnu-f do.IMP-DEF.M-mercy

NEG.IMP-ask-3MS

“Please, do not question him.” (SO.Brit.Mus.Copt. I pl. LIX #1.8–9, letter, VII–VIII CE) (20)

A letter sent by the presbyter Abraham to his ‘fathers’, the venerable Daniel and Helias, starts after the self-humiliating greeting with the request: ⲣⲡ ⲁ ⲧ ⲛⲟⲟⲩ ⲛ[ⲓⲏⲥ] ⲛ ⲏ ⲛⲁⲓ ⲧⲛⲟϣϥ r-p-na tnnou n-iê(su)s (n)-nauê na-i -tn-oš-f do.IMP-DEF.M-mercy send.IMP

OBJ-PN

of-PN

to-1S

CNJ-1P-read-3MS

“Please, send (the book of) Joshua (son) of Naue to me so that we may read it.” (SO.Brit.Mus.Copt. I pl. LIX #2.4–5, letter, VII–VIII CE) (21)

The writer asks the addressee to give the letter-bearer a much-needed cauldron, as the writer and others intend to make a charitable distribution among the brethren on the following day. He adds that a third person claims that it is with another man and urges the addressee to fetch it: ⲁⲣⲓⲡⲛⲁ ⲧⲁⲁⲥ ⲛⲁϥ ⲙⲡⲣϭⲱ ari-p-na taa-s na-f mpr-kjô do.IMP-DEF.M-mercy

give.IMP-3FS to-3MS

NEG.IMP-stop

“Please, give it to him and don’t tarry!” (SO.Crum 240.11–12, letter, VII–VIII CE)

The three examples (19)–(21) might be analysed in the same way as example 11 above, as being harbingers of the adverbial use of the expression, which is still bound to the original initial position of the phrase. Nevertheless, the syntactic marking of the coordination with the conjunctive form might not have been necessary any longer. (22)

Mark acknowledges the happy receipt of Moses’ letter and continues: ⲡⲛⲟⲩⲧⲉ ⲥⲟⲟⲩⲛ ϫⲉⲁ ⲭⲟⲗⲏ ⲧⲟⲛⲟⲩ ϫⲉ ⲡⲓⲁⲡⲁⲛⲧⲁ p-nute soun ce-a-i-r-kholê tonu ce-mp-i-apanta DEF.M-god

know

COMP-PAST-1S-do-bitter

ⲁⲩⲱ ⲛⲁⲙⲉ ⲁⲡⲣⲏ auô name a-p-rê and

truly

PAST-DEF.M-sun

ⲉⲃⲟⲗϫⲉⲉⲛⲧⲁ ⲧⲱⲣ ebol-ce-ent-a-i-tôrh

ⲡⲁⲧⲁⲉ mpat-a-i

ⲙⲁ ma

set

NCO-1S-come

place of-Epiphanios

very

ϩⲁⲧⲏϥ hatê-f

ⲛⲛⲁ n-na

do.IMP-DEF.M-great of-mercy

ⲡⲓϭ ⲑⲉ mp-i-kjn-t-he

ADV-yesterday

ⲛⲉⲡⲓⲫⲁⲛⲓⲟⲥ n-epiphanios ⲧⲁⲉ nt-a-i

ⲉⲧⲥⲏⲥ e-tsês

NEG.PAST-1S-find-DEF.F-way REL-PAST-1S-come

to-TOP

ⲛⲅⲕⲱⲃ n-g-kôb

ⲛⲕⲉⲭⲁⲣⲧ[ⲏⲥ] n-ke-kart[ês]

ⲉⲧϩⲁϩⲧⲏⲕ et-hahtê-k

ⲛⲁⲓ na-i

CNJ-2MS-double

OBJ-other-papyrus

REL-before-2MS

for-1S

ϩⲓⲧⲟⲟⲩⲉ ⲣⲁⲥⲧⲉ hitoue n-raste

ϫⲉⲁⲧⲉⲭⲣ[ⲓⲁ] ce-a-te-khria

morning

for-PAST-DEF.F-need happen

tomorrow

ⲥⲁϥ n-saf

COMP-NEG.PAST-1S-meet OBJ-2MS

ϩⲱⲧ ⲧⲟⲛⲟⲩ hôtp tonu

out-for-FOC-PAST-1S-be_keen with-3MS

ⲁⲣⲓⲡⲛⲟϭ ari-p-nokj

very

ⲉⲣⲟⲕ ero-k

[ϣ]ⲱⲡⲉ šôpe

ⲉⲃⲟⲗϫⲉⲉⲛⲧⲁⲓ ⲟⲩⲁⲣⲏⲃ ebol-ce-ent-a-i-ci-u-arêb

ⲡⲟⲟⲩ m-pou

ⲉϫ ⲡⲥⲧⲓⲭⲉⲣⲟ(ⲛ) ecm-p-sticharon

out-for-FOC-PAST-1S-receive-IDF.S-deposit

ADV-today

upon-DEF.M-sticharon

“God knows I am utterly grieved that I did not meet you yesterday. And truly, the sun had set already before I arrived at the place/topos of Epiphanios. Since I took? care of him, I could not go to Tsês. Please, double the papyrus that is with you for me tomorrow morning since (I) need it because I received a deposit today on the sticharon.” (SO.Frangé 779.4–18, letter, 600–625) In his letter, the priest Mark introduces his request with an explanation as to why he could not meet the addressee the day before. His request for papyrus is enforced with an additional ⲡⲛⲟϭ ⲛⲛⲁ ‘the great mercy’ to persuade his correspondent to comply with his wish.

Matthias Müller

178

(23)

Moses the humblest greets his spiritual father, the priest Paham. He recounts how glad he had been to hear of the addressee’s well-being and that he longs to see him. Yet, he was always told Paham would not be around: ⲡⲗⲏⲛ ⲁⲣⲓⲡⲛⲁ ⲛⲅⲉⲓ ⲉⲣⲏⲥ [ⲛⲧ]ⲛϭⲛⲧⲕ ϫⲉⲁⲛϫⲱⲧ ⲙⲙⲟⲕ plên ari-p-na n-g-i e-rês nt-n-kjnt-k ce-a-n-pôt mmo-k however

do.IMP-DEF.F-love CNJ-2MS-come to-south

CNJ-1P-find-2MS

ⲛⲅϫⲟⲟⲩⲡϫⲱⲱⲙⲉ n-g-cou-p-côôme

ⲙⲡϣⲁ m-p-ša

do.IMP-DEF.F-love

CNJ-2MS-send-DEF.M-book

of-DEF.M-feast of-2MS for-1S

ⲛⲧⲁⲧⲛⲛⲟⲟⲩϥ ⲛⲁⲕ nt-a-tnnou-f na-k

ϩⲛⲟⲩϭⲉⲡⲏ hn-u-kjepê

CNJ-1S-send-3MS

for-2MS

ⲛⲧⲁⲕ nta-k

for-PAST-1P-long

ⲁⲣⲓⲡⲛⲁ ari-p-na

ⲛⲁⲓ na-i

OBJ-2MS

ⲛⲧⲁⲛⲁⲩ nt-a-nau

ⲉⲣⲟϥ ero-f

CNJ-1S-see

OBJ-3MS

in-IDF.S-hurry

“However, please come south so that we find you for we longed for you. Please, send the service book of yours to me so that I can look at it and send it back to you swiftly.” (SO.Crum Ad. 67.12–17, letter, VII–VIII CE) Similar to other cases quoted above, Moses first has to explain why he was unable to meet the recipient of the letter, probably in an attempt to make the addressee favourably disposed towards him. Only afterwards does he start with his two requests, with the first being connected to the explanation why Moses had not met with Paham recently. Therefore, the second request was probably his main reason to contact him. 4.3 Pattern c In a similar fashion to the expressions above, the imperative of the verb ⲟⲩⲱϣ(ⲉ) ‘to wish, love’ can be employed. It is tempting to load it with a socio-pragmatic difference, i.e., assuming that the expressions ⲁⲣⲓ/ -ⲧ-ⲁⲅⲁⲡⲏ and ⲁⲣⲓ-/ -ⲡ-ⲛⲁ would be stylistically more elevated against the stylistically lower use of ⲟⲩⲱϣ(ⲉ). However, since we are lacking the social background of most of the writers, even if we can assign them to monastic environments, this would be a baseless blending of modern concepts into the interpretation of the data. (24)

The venerable Kyros had written to Paulos to read a letter not only by himself, but also to those like him. Paulos now replies that he would be unaware who those individuals would be: ⲟⲩⲱϣⲉⲟⲩⲛ ⲛ ⲧⲁⲟⲩⲱⲡⲉⲩⲣⲁⲛ ⲛⲏ ϫⲉⲛⲓⲙ ⲛⲉ ⲧⲁⲁϣ (ⲉ)ⲣⲟⲟⲩ uôše=un n-g-tauô-pe-u-ran nê-i ce-nim ne-nt-a-aš-s (e)ro-u wish.IMP=then

CNJ-2MS-tell-POSS.M-3P-name

for-1S

COMP-who

COP.P-REL-PAST-1S-read-3FS

to-3P

“So please tell me their name(s), i.e., whom shall I read it to?” (SO.Brit.Mus.Copt. I pl. XLIII #5.7–9 [acc. to von Lemm 1972], letter, VII–VIII CE) The letter from which the above-quoted example has been extracted reads almost like a mocking rebuke, as the words of the venerable Kyros seemed to have annoyed Paulos. He does, nevertheless, phrase his request in a polite manner by using the pattern with ⲟⲩⲱϣ, but returns to his tone immediately by adding an explanation. As with the other patterns, it can be followed by a simple (25) or several requests (26)–(27): (25)

A short missive by the servant Georgios to his father, Papas, who tells the latter: ⲟⲩⲱϣⲉ ⲛⲅϯⲥⲛⲁⲩ ⲙⲏⲣ ⲛⲱϩ ⲛⲃⲁⲣⲑⲱⲗⲱ ⲁ ⲟⲥ uôše n-g-ti-snau m-mêr n-nôh n-barthôlômaios wish.IMP

CNJ-2MS-give-two

of-bundle of-rope

ⲉⲫⲟⲓ e-p-hoi

ⲡϣⲁⲧⲁϥ m-p-šat-af

to-DEF.M-waterwheel

of-DEF.M-cut.PC-meat

for-PN

“Please give two bundles of rope to Bartholomew for the waterwheel of the butcher.” (O.Bachit 1134.3–5; Mon. Apa Paul, Thebes, VI–X CE)36

36

https://www.koptolys.gwi.uni-muenchen.de/showOstraka.php?id=449 (last visit: 06.03.2022).

Politeness in Coptic

179

The following letter seems complete, except for part of line 2 that is rubbed off and hence illegible now. The editor assumed that it belongs to the archive of bishop Abraham of Hermonthis and might be an order given by him to an unnamed cleric: (26)

A short missive states: ⲟⲩⲱϣ ⲛⲅⲃⲱⲕ ⲉⲛϩⲏⲧ uôš n-g-bôk e-nhêt wish.IMP

CNJ-2MS-go

ⲉ[…] e[…]

to-north

to-[…]

ⲛⲅⲣϣⲁ n-g-r-ša

ⲉⲡⲁⲧⲟⲩⲃⲁⲥⲧⲛ e-patubastn

ⲙⲡⲉⲓⲥⲛⲁⲩ ⲛϩⲟⲟⲩ ⲙⲛⲁⲃⲣⲁϩⲁⲙ ⲡⲇⲓⲁⲕ(ⲟⲛⲟⲥ) m-pei-snau n-hou mn-abraham p-diakonos

CNJ-2MS-do-feast

to-N

in-DEM.M-two of-day

CON-N

DEF.M-deacon

“Please go north to […] and celebrate the eucharist at Patubastn on Monday with the deacon Abraham.” (SO.Brit.Mus.Copt. II 22, Mon. St. Phoibammon, 575–625) The next example is taken from a letter found at Edfu. Besides being another example with several nested requests, it also serves to demonstrate that the pattern is also attested outside Thebes: (27)

Victor writes to Samuel: ⲟⲩⲱϣⲉ ⲛϭϣⲏ ϭⲡⲁⲣⲁⲕⲁⲗⲉⲓ n-kj-parakalei uôše n-kj-šê

ⲛⲁⲡⲁ n-apa

ⲃⲓⲕⲧⲱⲣ biktôr

ⲉⲧⲃⲉⲧ etbe-t

wish.IMP

OBJ-Apa

PN

because-1S

CNJ-2MS-go CNJ-2MS-beseech

ϫⲉⲙⲡⲁⲣⲉⲛⲉⲧⲛϣⲗⲏⲗ ce-mpare-ne-tn-šlêl

ⲧⲁϩⲁϥ taha-f

for-NCO-POSS.P-2P-prayer reach-3MS

ⲛⲧⲉⲓ ⲙⲡϣⲁ n-tei-r-mpša

ⲛⲉⲓ n-i

ⲉⲣⲏⲥ e-rês

NEG-1S-do-worth

of-come to-south

ⲛⲉⲧⲉⲩⲧⲉⲛ ϩⲛⲯⲁⲃⲁⲧⲟⲛ ne-teuten hn-p-sabaton for-2P

in-DF.M-Saturday

“Please go and beseech the venerable Viktor on my behalf for before your prayers have not reached him, I am not worthy to come south to you on the sabbath/Saturday.” (SO.EdfouCopte 21.3–11; Edfu, letter, VII CE)37 However, with this pattern we also encounter examples in which the marked syntactic coordination with a conjunctive-forms is ignored: (28)

An unnamed superior gives orders by letter concerning what to do with new and old wine sent along to a group of subordinates: ⲟⲩⲱϣ ⲙⲟϫϭⲟⲩ ⲙⲛⲛⲉⲛⲉⲣⲏⲩ ⲛⲧⲉⲧⲛⲣⲡⲛⲁ ⲛⲙⲙⲁⲩ mn-ne-u-erêu nte-tn-r-p-na nmma-u uôš mockj-u wish.IMP mix.IMP-3P with-POSS.P-3P-comrade

ⲛⲧⲉⲧⲛⲥⲱⲧϥⲥⲩⲛⲧⲉ nte-tn-sôtf-sunte

ⲛⲇⲓⲡⲗⲏ n-diplê

ⲛⲁⲩ na-u

CNJ-2P-choose-two

of-diple

for-3P

CNJ-2P-do-DEF.M-mercy

with-3P

“Please mix them so that you can use them for charity and choose38 two diple for them.” (SO.Crum 235.6–12; letter, VII–VIII CE) (29)

The sender acknowledges the receipt of a previous letter by the addressee and tells him: ⲟⲩⲱϣⲟⲩⲛ ϯⲟⲩⲛⲟⲩ [ⲉⲧ]ⲕⲛⲁϫⲓϯⲉⲡⲓⲥⲧⲟⲗⲏ uôš=un ti-unu et-k-na-ci-ti-epistolê wish.IMP =then

DEF:S.F-moment

REL-2MS-FUT-receive-DEM.F-letter

ⲧ ⲛⲟⲩⲡⲉⲕⲥⲩⲙⲙⲁⲭⲟⲥ tnnu-pe-k-summakhos

ⲛⲁⲓ na-i

ⲕⲁⲙⲁⲩⲗⲉ mn-n-kamaule

send-POSS.M-2MS-messenger

to-1MS with-DEF.P-camel

“Please, the moment you receive this letter, send your messenger to me with the camels.” (SP.Mon.Epiph. 346.3–5, letter, VII–VIII CE)

37

In opposition to Bacot’s analysis of ⲙⲡⲁⲣⲉ- as a perfect form, I would suggest that the negative completive ⲙⲡⲁⲧⲉ- is intended here. For other examples lacking the negation ⲁⲛ, whether slip or meaningful, see Funk (2014). 38 Reading ⲥⲱⲧϥ as ⲥⲱⲧⲡ with Crum (1939: 367a).

Matthias Müller

180

This lack of coordination with a conjunctive-form (as especially demonstrated in the latter example) is not necessarily one of losing track due to the interpolation, as is shown by the following example, even if it uses pattern a: (30)

Someone beseeches a magistrate to intercede for a pauper in distress with the words: ⲁⲣⲓⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ϯⲟⲩⲱϣⲧ ⲙⲡϩⲩⲡⲟⲡⲟⲇⲓⲟⲛ ⲛⲛⲉⲕⲟⲩⲉⲣⲏⲧⲉ ⲛⲅϫⲡⲟⲗⲕϥ ari-t-agapê t-uôšt m-p-hupopodion n-ne-k-uerête n-g-polk-f do.IMP-DEF.F-love 1S-worship

OBJ-DEF.M-footstool

of-POSS.P-2MS-feet

CNJ-2MS-settle

“Please, I am worshipping the footstool of your feet, settle his case.” (SO.Crum Ad. 28.9–15, letter, VII–VIII CE) This might be another indication for a grammaticalization trail from marked coordination to reanalysis of the first part and subsequent incorporation. This process, however, is not attested in the material, as Coptic stopped being used to write such communications before the completion of that development. Recently, Krueger pointed out a further politeness pattern that includes the word ⲟⲩⲱϣ, this time in a conditional pattern of the type ⲉϣⲱⲡⲉ ⲕⲟⲩⲱϣ (ⲉ)ⲥⲱⲧⲙ ⲥⲱⲧⲙ literally ‘If you wish to obey, obey’, i.e., ‘Please obey’.39 However, since the second lexical item is never repeated, it might be easier to assume an imperative here following the initial phrase ⲉϣⲱⲡⲉ ⲕⲟⲩⲱϣ. (31)

Someone, probably abbot Andreas, informs the addressee that he sent camels to the latter: ⲉϣⲱ[ⲡ]ⲉ ⲕⲟⲩⲱϣ ϫⲟⲟⲩⲡⲕⲁⲙⲟⲩⲗ ⲉⲡⲉϩⲟⲩⲟ ⲛⲁⲁⲡⲁ ⲙⲏⲛⲁ ϫⲟⲟⲩϥ ešôpe k-uôš cou-p-kamul e-pe-huo na-apa mêna cou-f if

2MS-wish send-DEF.M-camel

to-DEF.M-more to-TITLE PN

send-3MS

“In addition, please send the camel to (the monastery of) the venerable Mena.” (SO.Lips.Copt. II 11.x+3–5; letter, 2nd half VI CE) (32)

Abbot Aaron gives instructions in the matter of a dispute with fishermen that involved oaths by each of the two parties. The presbyters and headmen of Patubastn should now do the following, he says: ⲉϣⲱⲡⲉ ⲧⲉⲧ ⲟⲩⲱϣ ⲧⲁⲕⲟⲡⲥⲛⲁⲩ ⲛϩⲟⲣⲟⲕ ⲛⲧⲉⲧ ⲃⲁⲕⲟⲩ ⲉⲕⲉϩⲁⲡ ⲥⲉⲡⲟⲗⲕ ešôpe k-uôš tako-p-snau n-horok nte-tn-bak-u e-ke-hap n-se-polk if

2MS-wish

destroy-DEF.M-two

ⲛⲧⲁⲣⲉⲡϫⲟ ⲥ ntare-p-cois

ⲥⲙⲟⲩ ⲉⲣⲱⲧ smu erô-tn

FIN-DEF.M-lord

bless

of-oath

CNJ-2P-send-3P

to-other-law

CNJ-3P-settle

OBJ-2P

“Please annul the two oaths and send them to another law (court) so that they reach satisfaction. The Lord will bless you then.” (SO.Lips.Copt. I 16.7–10 after Krueger 2002: 135; letter, 2nd half VI CE) One might argue that this pattern is the origin of the one just described (pattern c). The conditional phrase ⲉϣⲱⲡⲉ ⲕⲟⲩⲱϣ ‘if you wish’ would have been pragmatically shorted to in the imperative ⲟⲩⲱϣ ‘wish’ then. However, another path of development has been suggested by Seÿna Bacot assuming a pattern ⲟⲩⲱϣ ⲛⲧⲟⲕ plus conjunctive at the origin as attested in several texts.40 Yet, the use of the pronoun as an intensifier might rather be one pragmatically loaded in addition to the ‘normal’ pattern without it. 4.4 Pattern d As mentioned above, instead of the words ⲁⲅⲁⲡⲏ and ⲛⲁ, other terms can be used in this type of construction to the same effect. This can be observed with using the word ⲡ-ⲡⲉⲧⲛⲁⲛⲟⲩϥ ‘good’ as the object of the imperative, but this pattern seems to be used mainly in literary texts. Other expressions use social relations terms, such as abstract formations of ⲥⲟⲛ ‘brother’ (ⲧⲙ ⲧⲥⲟⲛ ‘sonhood, sonship’) and ⲉⲓⲱⲧ ‘father’ (ⲧⲙ ⲧ-

39

Krueger 2020: I 136 note 33, referring to similar Greek examples in Papathomas 2007: 500. Krueger’s ‘classical’ transcript of the Coptic text (i.e., as ⲉϣⲱ[ⲡ]ⲉ ⲕⲟⲩⲱϣ ϫⲟⲟⲩ ⲡⲕⲁⲙⲟⲩⲗ) veils whether he sees ⲟⲩⲱϣ here as the ‘wrong’ status of the verb. In principle, a verb in the Present pattern would not be able to assume a status nominalis, except for ⲟⲩⲱϣ; see Depuydt 1993. 40 Bacot 2009: 43 note to line 3–4.

Politeness in Coptic

181

ⲉⲓⲱⲧ ‘fatherhood, fathership’); note that these familial terms do not necessarily express biological relation here. (33)

Patermute writes to his beloved brother Paulos: ⲁⲣⲓ[ⲧ]ⲙ ⲧⲥⲟⲛ ⲉⲓⲡⲁⲣⲁⲕⲁⲗⲉⲓ ⲙⲟⲕ ari-t-mnt-son e-i-parakalei mmo-k

ⲛ ⲃⲱⲕ n-g-bôk

ⲉⲙⲁ ⲕⲩⲣⲓⲁⲕⲟⲥ ⲇⲁⲩⲉⲓⲇ ⲁⲃⲉⲅⲁⲓⲁ e-ma-n-kyriakos n-dauid n-abigaia

do.IMP-DEF.F-ABST-brother

CNJ-2MS-go

to-place-of-K.

DEP-1S-beseech OBJ-2MS

ⲛ ϫⲓⲡⲉ ⲙ ⲧϣⲙⲏⲛ n-g-ci-pei-mnt-šmên

ϣⲉ n-še

ϩⲟⲙ ⲧ n-homnt

CNJ-2MS-take-DEM.M-ten-eight

of-coin of-bronze

ⲛ ϫⲟⲟⲩⲥⲟⲩ n-g-cou-su

ⲛⲁⲛ na-n

CNJ-2MS-send-3P

for-1P

ⲕⲥⲟⲟⲩⲛⲅⲁⲣ k-soun=gar

ϫⲉ ⲡⲉⲛⲥ ϥⲉ ce-mpe-n-srfe

ⲉⲉⲓ e-i

ⲉⲣⲏⲥ e-rês

2MS-know=for

COMP-NEG.PAST-1P-be_unoccupied

to-go

to-south

of-D.

of-A.

“Act so brotherly and/Please, I beseech you, go to the place of Kyriakos (the son) of David (and) of Abigail and take the 18 bronze coins and send them to us; for you know that we don’t have the leisure to come south.” (SO.Medin.HabuCopt. 134.3–9; letter, VII–VIII CE) Although he dispenses with elaborate greetings and a display of self-humiliation, the sender nevertheless phrases his request in a polite manner. Since he calls Paulos brother and uses the abstract noun brother-ship in his formulation of the request, the two correspondents might have been on an equal hierarchy level, which allowed Patermute to skip formal greetings. However, since the ostracon has been found in the town of Djême, the monastic background might be disputed. (34)

An unnamed writer opens his letter with greetings to a monastic superior and those with him. Then: ⲧⲉⲛⲟⲩ ⲁⲣⲓⲧⲙⲛⲧⲉⲓⲱⲧ ⲛⲅⲧⲛⲛⲟⲟⲩⲟⲩϩⲟⲧⲥ ⲛϫⲁⲁⲕ ⲛⲁⲓ ⲙⲛⲟⲩⲉⲓⲉ ⲛϣⲗϭⲟⲙ tenu ari-t-mnt-iôt n-g-tnnu-u-hots n-caak na-i mn-ueie n-šlkjom now

do.IMP-DEF.F-ABST-father

ⲛⲅⲥⲁⲗⲕⲟⲩ n-g-salk-u CNJ-2MS-join-3P

ⲛⲅⲧⲁⲃⲟⲩ n-g-tab-u

CNJ-2MS-send-IDF.S-vessel

of-dye

ⲙⲛⲡⲉⲧⲉⲕⲛⲁϫⲟⲟⲩϥ mn-p-ete-k-na-cou-f

CNJ-2MS-send-3P CON-DEF-REL-2MS-FUT-send-3MS

ⲛⲅⲥϩⲁⲓ n-g-shai

ⲛⲁⲓ na-i

ϫⲉⲁⲕϫⲟ[ⲟⲩⲥ]ⲟⲩ ce-a-k-cou-su

CNJ-2MS-write

for-1S

COMP-PAST-2MS-send-3P

to-1S

ⲛⲁⲓ na-i

CON-one.F

of-mustard

ⲧⲏⲣϥ têr-f

for-1S all-3MS

“Now, act fatherly and/please send me a measure of dye and one of mustard and join them and send them with all that you will despatch to me and write to me that you have sent them.” (SO.Crum 348.5–6; letter, VII–VIII CE) The hierarchical distance between writer and addressee is here marked by the employment of a construction with the abstract formation of the word ‘father.’ Occasionally, various patterns can be mixed, as in the following letter, with somebody’s attempts to convince the addressee to visit an ailing woman: (35)

The writer greets the addressee, adding a few words of scolding since he had not paid him a visit, even though he had passed by three times, then: ⲟⲩⲱϣⲟⲩⲛ ⲛ ⲣⲧⲙⲛⲧⲥⲟⲛ ⲧⲉⲛⲟⲩ ⲧⲉⲧⲓⲃ ϫⲉ ⲛⲁⲧⲁϩⲟⲕ uôš=un n-g-r-t-mnt-son te-(u)nu (e)te-ti-blce na-taho-k wish.IMP=then

CNJ-2MS-do-DEF.F-ABST-brother DEF:S.F-moment

REL-DEF:S.F-sherd

FUT-reach-2MS

ⲃⲱⲕⲡⲉⲥⲕⲗⲙⲟⲥ bôk-p-sklmos

ⲛ ⲉⲓ n-g-ei

ⲉϩⲣⲁⲓ ehrai

ⲛ ⲛⲁⲩ n-g-nau

ⲉⲧⲉⲥϩⲓⲙⲉ e-te-shime

ⲉⲧϣⲱⲛⲉ et-šône

add.IMP-DEF.M-trouble

CJN-2MS-come

down

CNJ-2MS-see

OBJ-DEF.S-woman

REL-sick.STA

“Please, act so brotherly/please, when the ostracon will reach you, shoulder the burden and come down and see the sick woman.” (SO.Lips.Copt. II 92.4–7; letter, ca. 600) In a way, the writer doubled the politeness by stacking two different patterns. At times, more elevated words such as παράκλησις ‘request’ might be employed in the same way:

Matthias Müller

182

(36)

The writer, a certain Athanasius, reminds the addressee, another Athanasius, that they once spoke about a medical book the former was meant to come south for and fetch. However, errands in his monastery prevented him from the accomplishment of that plan, as did the roads: ϯⲛⲟⲩ ⲣⲧⲡⲁⲣⲁⲕⲗⲩⲥⲓⲥ ⲛⲅⲧⲛⲛⲟⲟⲩϥ ⲛⲁⲓ ⲕⲁⲛ ⲡⲁⲙⲁⲧⲟⲓ tinu r-t-paraklusis n-g-tnnou-f na-i kan pa-matoi now

do.IMP-DEF.F-request

CNJ-2MS-send-3MS

ⲕⲁⲛ kan

ⲛⲅⲧⲁⲁϥ n-g-taa-f

ⲛϩⲁⲣⲱⲛ n-harôn

whether

CNJ-2MS-give-3MS

to-PN

to-1S

CNJ-3MS-send-3MS

to-1S with-3MS as-POSS.M-3MS-brother

ϯⲛⲁϫⲟⲟⲩϥ ti-na-cou-f

two

1S-fut-send-3MS

CND.1S-examine-3MS

POSS.M.1S-soldier

ⲛⲁⲓ na-i

ⲥⲛⲁⲩ ⲛϩⲟⲟⲩ ⲉⲓϣⲁⲛⲙⲟϣⲧϥ snau n-hou eišan-mošt-f of-day

whether

ⲛϥϫⲟⲟⲩϥ n-f-cou-f

ⲛⲧⲟⲟⲧϥ ⲙⲡⲉϥⲥⲟⲛ ntoot-f m-pe-f-son

“Now, fulfil the request and/please send it to me, either by my (?) soldier or giving it to Aaron and he sends it to me with his brother. Two days, when I studied it, I will send it.” (SO.Crum 253.8–14; letter, VII–VIII CE) 4.5 Pattern e Finally, there are some examples for the use of ⲕⲱⲣϣ “request, persuade, cajole”. The first one is taken from a literary text, where its use alongside other verbs of the semantic spectrum [ASK] seems instructive. The other example has been taken from a letter: (37)

The preacher fleshes out the description of the situation described in Matt 15,22, when a Canaanite woman approaches Jesus to have mercy on her and heal her daughter who is suffering from an evil spirit, while Jesus remains silent, with the words: ⲥⲥⲟⲡⲥ ⲙⲙⲟϥ ⲥⲕⲱⲣϣ ⲥⲡⲁⲣⲁⲕⲁⲗⲉⲓ ⲁⲩⲱ ⲙⲡϥⲟⲩⲟϣⲃⲉⲥ ⲛⲟⲩϣⲁϫⲉ s-sops mmo-f s-kôrš s-parakalei auô mp-f-uošb-es n-u-šace 3FS-implores

OBJ-3MS

3FS-request

3SF-beseech

and

NEG-3MS-answer-3FS OBJ-IDF.S-word

“She implores him. She requests. She beseeches. And yet, he did not answer her a word.” (SEusebius of Caesarea, On the Canaanite Woman ed. Budge [1910: 138.17–18]; VII CE)

(38)

Zacharias, the servant of a comes, informs his lord by letter about certain issues he had dealt with. He then continues: ⲁⲩⲱ ⲧⲓⲕⲱⲣϣ ⲛⲡⲁϫⲟⲉⲓⲥ ⲛⲡⲉⲧⲛⲉⲛⲁ ⲧⲁϩⲟⲓ auô ti-kôrš n-pa-cois n-pe-tne-na taho-i and

1S-request

OBJ-POSS.M.1S-lord

ⲛⲧⲉⲧⲛⲉⲧⲓ nte-tne-ti

ⲫⲟⲓⲃⲁⲙⲙⲱⲛ ⲫⲱⲣⲓⲧ phoibammôn p-hôrit

CNJ-2P-give

PN

OBJ-POSS.M-2P-mercy

DF.M-guardian

attain-1S

ⲙⲛⲧⲉⲱ mn-t-eô

ⲛⲧⲉⲧⲛⲉϭⲁⲩⲟⲛ n-te-tne-kjauon

CON-DF.F-ass

for-POSS.F-2P-servant

ⲛϥⲟⲩⲁϩⲧⲁⲕⲉ n-f-uah-take

ⲛⲁⲓ na-i

ⲛⲥⲟⲩⲧⲱϭ n-su-tôkj

ⲡϣⲏⲙ p-šêm

ⲛϭⲁϭⲉ n-kjakje

ⲛⲁⲓ na-i

CNJ-3MS-put-bake

for-1S

CNJ-3P-bake

DF.M-little

of-bread

for-1S

“And I beseech my lord, that your kindness assigns me that you give the guardian Phoibammon, and the female donkey to your servant (i.e., me) so that he continues to bake for me, and that I may have a few loaves baked.” (SP.Ryl.Copt. 280.8–9; VI–VII CE) 5 Conclusion As I hope to have shown, both apologies and requests are attested in Coptic and were amply used in everyday texts. Formally, however, both use imperative constructions, which are pragmatically downgraded as in “Please, pass the salt” or “Bitte zeigen Sie Ihr Zertifikat!” Pragmatically, their use is first and foremost to be found in texts of monastic or ecclesiastical contexts. However, further studies are necessary to evaluate whether this impression is not based on a bias in the surviving epistolary record, that is skewed towards monastic contexts. Apologies are basically strongly connected to Biblical language using patterns of ‘forgiveness.’ As for requests, the letters suggest the existence of the initial stages of a development that might have led eventually to a grammaticalization of a phrasal construction into an adverbially used expression.

Politeness in Coptic

183

Phase I would have been the explicitly marked syntactic coordination, i.e., with the imperative expression ‘do mercy’ followed by a conjunctive form. Phase II, so far visible in only a few examples, would have marked the adverbialization of the initial expression with the following clause juxtaposed to it. This process might have started with negative patterns, but is also attested with positive ones. To reuse an overview diagram from Müller (2016: 77 Tab. 15) and augment it: ‘almost’41

‘must’42

‘please’



Phase I:

Sentence





Phase IIa:

Adverbialization





Phase IIb:

Free use



Phase III:

Adjunct



✔ (–)

✔ (–)

In opposition to the situation with the patterns for ‘almost’ and ‘must,’ which are sentences that originate with a nominal predicate, the ‘please’ pattern is a verbal one and hence the separated phases IIa and IIb have been merged for it in the above diagram. Why we do not witness the possible final stage cannot be determined. Was it due to the abandonment of the written language before the process was completed? Or do we simply lack contexts in which its use as an adjunct would be attested? Pragmatic reasons might have motivated language users in their correspondence to front the politeness phrase so as to direct the attention straight to it (‘Bitte lies genau was ich sage’) instead of backgrounding it (‘Lies doch bitte genau was ich sage’). Diachronically, it needs to be seen whether the phase can be connected with specific earlier or later corpora. For the moment, this is yet to be examined.43 Appendix: A Coptic Letter from Elephantine The following letter has been referred to above and I happily acknowledge here my gratitude towards the heads of the mission to Elephantine of the German Archaeological Institute in cooperation with the Swiss Institute, Martin Sählhof and Cornelius von Pilgrim, for being allowed to publish it in this Festschrift for Hanna to mark a connection to another one of her major fields of interest, the island of Elephantine. The letter was found during the excavation of the Khnum temple itself and the adjacent area between 1987–1995, unfortunately in a stratigraphically unclear context.

A COPTIC BUSINESS LETTER (FIG. 1) oDAIK O 2793 TM 977534

10.7 × 12.2 × 0.9 cm

Elephantine, Khnum Temple Area secondary fill in NW corner of the temple’s foundation pit (27702e)

Aswan ware, amphora

ca. 550–800

There are breaks on all sides, but the text is unaffected and most probably complete. The text, in black ink, is written in a bilinear hand with descenders, slightly uneven script with letters of varying height, and a tendency for ligatures; note especially the additional vertical before ⲛ, use of super linear and trema.

The commissioner Basilides addresses the secretary Zacharias to send him some linen swiftly. In addition, he wants him to send builders back, who are apparently with Zacharias, so that they can quickly bring twelvehundred baked bricks needed to Basilides.

41

For the data, see Müller & Uljas (2016). For the data, see Müller (2014). 43 The juxtaposition pattern is attested in O.Lips.Copt. II 154.8 (letter, Armant region, VI–VII CE): ⲁⲣⲓⲡⲛⲁ ⲃⲓⲧⲁⲛⲥⲁ[…] “Please bring the …”, as well as O.Lips.Copt. II 200.x+18–19 (letter, Armant region, VI–VII CE): ⲁⲣ ⲧⲁⲅⲁⲡⲏ ⲡⲗⲉⲩⲉ ⲉⲣⲟ ⲛ ⲁⲛⲁ ⲛⲁⲩ “Please sail to me so that I can look for them.” However, the editor (Krueger) did not assign these examples to the late 6th century archive and thus it is unclear whether these texts represent an earlier corpus. 42

184

Matthias Müller

Neither of the persons seems to be attested so far from Elephantine, unless the Zachary s. Euarestes (O.Eleph.Wagner 318 iii.10; VI CE) or the scribe Sach(arias) (SBKopt. I 35.8 = SB XX 14230, debt certificate, VI/VII CE) is the same man as the addressee.44 However, due to the lack of his title there and of the affiliation here, this cannot be claimed with any certainty. A Flavius Basilides son of Dios is attested as witness in the contract P.Münch. I 8 + P.Lond. V 1857.42 from the Patermouthis archive (540 CE), but bears the title ‘soldier of the legion of Syene’ and will hence be not the same person. The designation ἐπικείμενος seems to be rather unspecific45, for which see Berkes (2017: 136), quoting Mitthof & Papathomas (1994: 69); it is unlikely that Basilides was connected to an estate, as were holders of that title in other areas of Egypt46, but this cannot be proven on the basis of the limited information our text supplies. The title ἀποκρισιάριος is attested in roughly equal distribution before and after the Arab conquest of Egypt. As Morelli (2016: 328– 329) pointed out, in the majority of the post-conquest texts, the title designates the representative of the pagarch at the capital in Babylon; see also the statement of Gonis (2004). It was also used for clerical officials or those of the imperial family’s private property (domus divina; see Azzarello 2012). In Coptic texts, not discussed by Morelli and others regarding the title, the term is attested only twice: P.Ryl.Copt. 165.4 (deed of a lease for a plot of real estate, —, VI/VII CE) and P.MoscowCopt. 68.12 (letter, —, VII/VIII CE). In the first text, the holder of that title appears as one of the representatives of the monastery of the venerable Chaeremon. The second text is only fragmentarily preserved; the correspondence seems to be from some monastic context, but the co-text is unclear. Whether Zachary of our text is related to an official such as the pagarch, who sent him to Aswan, or to some ecclesiastical institution, is impossible to say. Since the text was found in the Khnum temple area, we may, under the presumption it had reached its addressee, assume that Zachary was on Elephantine. The Coptic term ⲉⲕⲱⲧ (PL ⲉⲕⲟⲧⲉ) is used to denote ‘mason,’ ‘builder’ or ‘potter.’ Since Basilides specifically asks for baked bricks, ‘builder’ is probably the best choice. A brickmaker (πλινθευτής) is attested in O.Eleph.Wagner 264.3 (6th cent.)47, while a mason or builder (οἰκοδόμος) appears in the much earlier O.Eleph.Wagner 115.10 (1st half 2nd cent.). Burned bricks were used on Elephantine from Late Antiquity onwards, but not for rising masonry such as walls, due to their poorer isolation properties against heat. Instead, baked bricks were typically used for floors in rooms that served as storage to prevent pests such as mice or vermin from entering through the ground. They were less often used for the construction of column shafts (Arnold 2003: 145). Assuming the former was the intended application of the needed 1200 baked bricks, these would have supplied enough material to cover 54 to 118.8 m2 in a herringbone pattern (Arnold 2003: 153).48 Grammatically, the text shows some features common to the Saidic of the area (Satzinger 1980), i.e., the use of ⲁ for Sⲟ (as in line 7, ⲧ ⲡⲁⲥⲉ) and of ⲕ for Sϭ (as in line 7, ⲕⲱⲗ). Noteworthy, but well attested otherwise (Till 1970: §161), is the numerical construction using twelve-hundred in Coptic (lines 6–7). The ignorance of object markers or of the status nominalis forms of verbs seems peculiar, but it is likewise attested elsewhere (see Kahle 1954: I 110–111 #j). In opposition, one might point to the use of the common Saidic forms of the conjunctive singular (ⲛ - in line 3 and 4 and ⲥⲉ- in line 6, see also SB Kopt. III 1288.4 & 5, 1293.x+14)49 against the forms with ⲧⲉ- attested in other texts from Elephantine, e.g., ⲧⲉⲕ- in

44

The Basilides of O.Eleph.Wagner 77 (132/133 CE) is definitely too early to be the same individual as the sender of the ostracon. 45 Stefanie Schmidt/Berlin refers me to P.Lond. IV 1332.5 (Aphrodito, 25/XII/708) and I.Thébes à Syène 237.2–3 (Aswan, VI CE). 46 See Hardy (1931 [1968]: 81); Banaji (2001: 188). 47 See Worp (2001: 737–738) for further examples and discussion. 48 Calculation resulting from the preserved measurements of baked bricks (30/15/5 cm and 44/22/5) found in houses on Elephantine, for which see Arnold (2003: 153 [for the measurements], 114 Abb. 74 & 116 [for the pattern in house K27], as well as 80 Abb. 19 & 81 [house M13]). 49 Forms of the 1st singular as ⲧⲁ- (SB Kopt. I 25.7–8, 28.7, 235.7–8, 27.5 [ⲧⲁ-]) could be seen as belonging to either pattern, unless one would consider ⲧⲁ- to be more common in Saidic; likewise for the 2nd female singular form in ⲧⲉ(O.CrumVC 19.7, oBerlin P 12234.outside 1 [https://elephantine.smb.museum/objects/object.php?o=100070, last accessed: 15/III/2023] and oBerlin P 12248.4 [https://elephantine.smb.museum/objects/object.php?o=100180, last accessed: 15/III/2023]), 1st plural forms in ⲧⲉⲛ- (SB Kopt. I 29.10 & 11, and 30.13–14 [ ⲧ -]) and 2nd plural ones in ⲧⲉⲧⲛⲏ- (oCrumST 333.1, 5 [bis]).

Politeness in Coptic

185

O.Brit.Mus.Copt. I 47/1.650 and oBerlin P 10824.5 & 6a,51 as well as ⲧ - in SB Kopt. III 1394.452 and in southern varieties of Coptic.53 Unfortunately, the archaeological context does not allow for a secure date. It was found in a secondary filling in the north-western corner of the Khnum temple’s foundation pit. The adjacent house, M10, dates from building stratum 01 (ca. 425–540) and was destroyed together with the temple house at the end of that phase. The backfilling of the foundation pit took place largely in building phase 02 (ca. 550–800), and was then built over during building phase 03 (ca. 850–950). The ostracon should therefore date from the time of building stratum 02 (ca. 550–800). However, since hardly any remains of building layer 03 have been preserved in this area, a later dating is also possible, although not probable.

Fig. 1: Ostracon DAIK 2793 (© author, 10/xii/2021) ϯ ⲧⲁⲁⲥ ⲍⲁⲭⲁⲣⲓⲁⲥ ⲡⲁⲡⲟⲕⲣ(ⲏⲥⲁⲣⲓⲟⲥ) ϩⲓⲧ ⲃⲁⲥⲓⲗⲉⲓⲇ(ⲏⲥ) ⲡⲉⲡⲓⲕ(ⲉⲓⲙⲉⲛⲟⲥ) ⲥⲡⲟⲩⲇⲁⲍⲉ ⲛ ϫⲟⲟⲩ 4

ⲉⲓⲁⲟⲩ ⲛⲁ ⲁⲩⲱ ⲛ ⲕⲱⲗ ⲛⲉⲕⲟⲧⲉ ⲉⲃⲟⲗ ⲥⲉ ⲙ ⲧⲥⲛⲟⲟⲩⲥ ϣⲉ ⟦ⲉ⟧ⲧ ⲡⲁⲥⲉ

8

ⲛⲁ ⲧⲁⲭⲩ ϫⲉⲩⲉⲭⲣⲉⲓⲁⲉⲓ

1–2 ostr. ⲡⲁⲡⲟⲕⲣ/ ἀποκρισιάριος || 2 ostr. ⲃⲁⲥⲓⲗⲉⲓⲇ/ || 2 ostr. ⲡⲉⲡⲓⲕ/ ἐπικείμενος || 3–4 l. ⲕⲉⲗⲛⲉⲕⲟⲧⲉ || 6 l. ⲥⲉ ⲛⲙ ⲧⲥⲛⲟⲟⲩⲥ || 8 χρεία

ⲉⲓⲁⲟⲩ || 5 l. ⲕⲱⲗ ⲛⲉⲕⲟⲧⲉ or

Give it to the secretary Zachary from the foreman Basilid(es). 50

Read ⲛⲧⲉⲕⲉⲓ ⲉⲣⲏⲥ. https://elephantine.smb.museum/objects/object.php?o=100145 (last accessed: 15/III/2023). 52 Contra Clackson (1995: 111 note to line 4). 53 See Richter (2016: 226–229). 51

Matthias Müller

186

Hurry and send me the linen. Furthermore, send back the builders so that they bring twelve-hundred baked bricks to me swiftly for they will be needed. 1–2 The title ἀποκρισιάριος is infrequently attested in Coptic texts. Förster (2003: 81) lists only two instances discussed above. As such, the resolution of the abbreviation as ⲡⲁⲡⲟⲕⲣ(ⲏⲥⲁⲣⲓⲟⲥ) is tentative. It appears similarly abbreviated in the list P.Oxy. 8 1108.12 (Oxyrhynchos, 576–700). To date, it seems unattested in the Greek documents from Elephantine, with the southernmost attestation seemingly from the Apollonopolites/nome of Edfu (P.Apoll. 87 & O.IFAO Edfou 28 [Gascou 2010: 363–364]). 2

For the designation ἐπικείμενος, see the introduction; it is abbreviated in the same way in SPP VIII 988.5 (unprovenanced, V CE), P.Alex. 40.2 (Philadelphia, 476–600), P.Oxy. 56 3671.10 (Oxyrhynchos, VI–VII CE), and SPP III 260.1 (Arsinoites, 752). Ruth Duttenhöfer/Trier (PC) suggested resolving the abbreviation as ἐπίκ(ουρος), but it seems that the latter word is never abbreviated in the above manner – if at all.

3–4 Maybe ‘linen’ is meant generically here, in which case the proposed restoration of the plural article is unnecessary. The scribe seems to have written ⲉⲓⲁⲟ at the start of the line, dipped his calamus, and rewritten the letters ⲁⲟ. 5

The replacement of ϭ by ⲕ in texts from the Aswan region has already been highlighted by Satzinger (1980: 86) as one of the distinctive regional features. The expected grammatical constructions are given in the apparatus crititicus. However, it might be that the use of the status absolutus as nominalis was developing into a regular feature; see Kahle (1954: I 110–111 #80j).

6

The supposed ⲉ here and in ϣⲉ of line 7 lacks the otherwise clear middle horizontal

7

The scribe wrote the first sequence of the ⲧ ⲡⲁⲥⲉ, i.e., ⲉⲧⲣ, deleted it partly, dipped his pen, and re-wrote .

8

For the verbal use of bare χρεία, see Förster (2003: 880 s.v. 3) and already Kahle (1954: I 189 #159B); our text adds to Kahle’s list an example from the region Esna to Aswan (his siglum F). The appearance of the word might point to a kind of verbalization of the noun by adding ⲉⲓ at the end, as T. Sebastian Richter/Berlin pointed out to me. For the use of de-transitivisation as passive, see Müller (2021: 208–209) for Bohairic.

Glossing (see Müller 2021: xix–xxi) 1,2,3 ABST AOR ADV B

CNJ COMP CON DEP DEF DEF:G DEF:R DEF:S DEM F FOC FUT IDF

number abstract aorist adverbializer Bohairic conjunctive complementizer conditional dependent clause definite article definite article, specific definite article, relative clause head definite article, specific demonstrative feminine focus marking form (2nd tense) future indefinite article

IMP IPF M NCO NEG OBJ OPT P POSS PAST PC PTC REL S

S SE STA VOC

imperative imperfect masculine negative completive negative, negation object marker optative (Future III) plural possessive past participium coniunctum particle relative particle/form Saidic singular subject element stative vocative particle

Texts cited Numbers in parentheses refer to cited examples, those without brackets to pages, and those with n. before a number to notes. Indexed are only those texts in the main part, not those referred to in the Appendix. Eusebius, Canaanite Woman Mart.Theodore O.Bachit 1134.3–5 O.Brit.Mus.Copt. I pl. XLIII #5.7–9 pl. LV #2.8–9 pl. LIX #1.8–9

(37) (1) (25) (24) (13) (19)

pl. LIX #2.4–5 pl. LXV #4.4–10 O.Brit.Mus.Copt. II 20 22 O.Crum 94.6–10 129.1–2

(20) (18) 175 (26) (5) (4)

214 235.6–12 240.11–12 252.5–7 253.8–14 289.1–5 324.9–10 329.5–10

175 (28) (21) (7) (36) (16) n. 31 (12)

Politeness in Coptic

343.6–11 348.5–6 379.16–17 Ad. 28.9–15 Ad. 67.12–17 O.CrumST. 197.5–6 218 O.DAN kopt. 620.3 O.EdfouCopte 21.3–11 O.Douch I 44 O.Frangé 161 668.1–6 779.4–18

(14) (34) (8) (30) (23) n. 33 175 n. 35 (27) 174–75 176 (6) (22)

O.Lips.Copt. I 16.7–10 O.Lips.Copt. II 11.x+3–5 92.4–7 154.8 200.x+18–19 248 Add. 5.5–6 O.Medin.HabuCopt. 134.3–9 137.6–9 141.rto 12–13 O.Saint-Marc 1.4–9 187.9–21 O.TT 97.228

187 (32) (31) (35) n. 41 n. 41 n. 32 n. 33 (33) (15) n. 34 (17) (10) 175

O.Vind.Copt. 200 = O.CrumST 218 175 287.6–12 (9) P.EdfouJarre I 5.5–7 (11) P.Mich.Copt. III 15 176 P.Mon.Epiph. 167.8–9 n. 34 239.6–12 (3) 346.3–5 (29) P.Ryl.Copt. 280.8–9 (38) Rev. John Baptist’ Bones (2) SB Kopt. I 275 176 Theodosius, On Michael 171–72

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O.Lips.Copt. II O.Medin.HabuCopt O.Saint-Marc O.Vind.Copt.

P.Alex.

P.Apoll. P.EdfouJarre P.Mon.Epiph

P.Mich.Copt.

P.MoscowCopt. P.Münch. I

P.Oxy. 56 P.Ryl.Copt. Papaconstantinou (2016) Papaconstantinou (2020)

Papathomas (2007)

Richter (2016)

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Politeness in Coptic SB Kopt. III

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Wente (1990) Worp (2001)

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„Zentrum und Peripherie“ im ägyptischen Neuen Reich? Zur Tragweite eines Modells Susanne Bickel1

In diesem Aufsatz wird die Gültigkeit des Zentrum-Peripherie-Modells für das ägyptische Neue Reich in Ägypten durch eine kurze Analyse der politischen und wirtschaftlichen Situation sowie der Konzeption Ägyptens reflektiert, wie sie sich in religiösen Texten widerspiegelt. Obwohl sich für die Ramessidenzeit vor allem aus dem Papyrus Wilbour eine gewisse regionale Zentralisierung ableiten lässt, ist ein komplexer Ferntransfer von Waren ebenso gut bezeugt. Während des Neuen Reiches (möglicherweise mit Ausnahme der Amarna-Zeit) gab es nie ein einziges politisches oder wirtschaftliches Zentrum. Es existierte auch kein ausgeprägtes Stadt-Hinterland-Gefälle. Das Gleiche gilt für die Konzeption des Landes, wo die frühere Vorherrschaft von Heliopolis zunehmend von anderen wichtigen Städten und auch von regionalen Städten geteilt wurde. Es wurden verschiedene Strategien eingesetzt, um eine Integration des gesamten Landes in ein gemeinsames Konzept der Heiligkeit zu bewirken. Diese Weigerung, eine politische und wirtschaftliche Hauptstadt oder ein vorherrschendes religiöses Zentrum entstehen zu lassen, diente letztlich der Kontrolle der königlichen Macht über das gesamte Gebiet Ägyptens. This essay reflects on the validity of the centre-periphery model for the Egyptian New Kingdom in Egypt by briefly analysing the political and economic situation and the conceptualisation of Egypt as reflected in religious texts. While a certain regional centralisation can be deduced for the Ramesside period, mainly from papyrus Wilbour, complex longdistance transfer of goods is equally attested. During the New Kingdom (with the possible exception of the Amarna period), there never was a single political or economic centre. There was also no pronounced city-hinterland divide. The same holds true for the conceptualisation of the country, where the former predominance of Heliopolis was increasingly shared by other important cities and also by regional towns. Several strategies were deployed to operate an integration of the whole country into a common concept of sacredness. This refusal of letting a political and economic capital or a predominant religious centre emerge ultimately served the control of the royal power over the entire territory of Egypt.

Schlagwörter: Ägypten, Neues Reich, Wirtschaft, Zentralisierung, Konzepte der Dezentralisierung

Die folgenden, skizzenhaften Überlegungen zu räumlichen, konzeptuellen und machtpolitischen Beziehungen innerhalb Ägyptens, zu Fragen nach Relationen von hier und dort, innen und aussen, lehnen sich in gewisser Weise an die grundlegenden Studien von Hanna Jenni zur Deixis im Altägyptischen an. Sie sind der Jubilarin in Dankbarkeit für die zahlreichen Jahre schöner Zusammenarbeit gewidmet. Das Modell von Zentrum und Peripherie wurde seit den 1970 Jahren2 immer wieder zur Analyse moderner, frühneuzeitlicher und auch antiker Situationen politischer und wirtschaftlicher Organisation angewandt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies kein simples und allgemeingültiges Modell ist, und dass die Beziehungsverhältnisse einzelner topographischer oder politischer Einheiten für jede historische und geographische Situation neu beobachtet und bestimmt werden müssen. Auch ist das Konzept von Zentrum und Peripherie keineswegs neutral und unproblematisch.3 Es entstand aus westlichem hegemonialem Denken, das sich insbesondere im 19. Jahrhundert verfestigte und widerspiegelt die Vision eines starken, dynamischen, fortschrittsorientierten Zentrums und eines politisch, wirtschaftlich und kulturell minderwertigen und abhängigen Um-

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Universität Basel, Departement Altertumswissenschaften, Ägyptologie ([email protected]). Z.B. Rowlands, Larsen & Kristiansen (1987); Champion (1989). 3 Kümmel (2005). 2

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Susanne Bickel

landes. Als frühes Beispiel dieses Zugangs wird meist Rom genannt als politisches und intellektuelles Zentrum eines Imperiums, das in seiner Bewertung und Einbindung gegen die Ränder immer stärker abfiel, bis hin zu den Barbaren jenseits und draussen. Später entstand die Vorstellung des politisch und zivilisatorisch führenden Europas als Zentrum der gesamten Welt. Das Modell konzipiert grosse politische Einheiten, die ein deutliches gegenläufiges Gefälle von Macht und Grösse aufweisen: ein relativ kleines Machtzentrum, und eine ausgedehnte, politisch und wirtschaftlich weit weniger bedeutende, meist abhängige Peripherie. Jede soziale und politische Einheit und letztlich jeder einzelne Mensch steht selbst im Zentrum seiner Weltsicht: sich selbst von aussen her zu denken, ist ein schwieriges, wohl fast unmögliches Unterfangen. Dasselbe gilt auch grossräumig: genau wie China als Reich der Mitte, sah sich auch Ägypten ganz selbstverständlich im Zentrum seines Weltbildes. Vielleicht ebenso selbstverständlich blickte es, jedenfalls in herrschaftsideologischer Sichtweise, mit Misstrauen, oder wohl einer Mischung von Arroganz und Furcht, auf die ausserhalb liegenden Bereiche. Das Zentrum-Peripherie Modell wurde gerade in jüngerer Zeit mehrmals für Studien zur Beziehung Ägyptens mit Nubien oder dem Nahen Osten verwendet,4 wobei meist von vornherein und implizit der Blickwinkel Ägyptens als Hegemonialmacht und Zentrum eingenommen wurde. Interessanter und vielschichtiger als die Egozentrik der meisten kulturellen und politischen Einheiten erscheint der Blick auf die internen Strukturen und Relationen, auf das Selbstbild und das relationale Gefüge innerhalb Ägyptens. Gab es im Ägypten des Neuen Reiches so etwas wie eine Hauptstadt-versus-Provinz Struktur? Inwieweit gab es Zentralisierung? Diese Fragen lassen sich sowohl mit Bezug auf den Grossraum des gesamten Landes, als auch kleinräumig, mit Bezug auf einen Gau oder ein anderweitig definiertes Territorium stellen. In allgemeinen Beschreibungen liest man oft, Ägypten hätte im Neuen Reich zwei Zentren besessen: eine wirtschaftliche und administrative Hauptstadt Memphis im Norden – ergänzt durch Pi-Ramses in der Ramessidenzeit – und eine religiöse Hauptstadt Theben im Süden. Wenn sich für eine solche Dichotomie auch durchaus Hinweise literarischer Art finden,5 so spiegelt dieses Konstrukt der beiden komplementären Zentren doch wohl sehr unvollständig sowohl die Wahrnehmung und Erfahrung des besiedelten geographischen Raumes, als auch dessen weltanschauliche Konzeptualisierung wider. 1 Praxis und Erfahrung des geographischen Raumes Ägypten besteht bekanntlich aus zwei Landschaftstypen, die auch unterschiedliche Siedlungs- und Beziehungsstrukturen ermöglichen: ein 700 km langes, durch den Nil in zwei Seiten getrenntes Band einerseits, sowie im Fayum und im Delta grosse, durch zahlreiche Wasserwege unterteilte Flächen, anderseits. Diese geographischen Räume prägten auch unterschiedliche Bewegungsmuster. Reiste man im Niltal meist linear entlang der Nord–Süd Achse von einem Ort zum andern, so konnte eine Siedlung im Delta ihr Umfeld sternförmig in den Blick nehmen, und man bewegte sich auf gewundenen, sich oft ändernden Wasserwegen in alle Richtungen. Eine sehr summarische Beschreibung der wichtigsten topographischen Gegebenheiten, die Ägypten ausmachten, findet sich im grossen Aton Hymnus: „Du (Aton) schaffst Millionen von Erscheinungsformen aus dir allein: Städte (njw.wt), Ortschaften (dmj.wt), Felder, Wege, den Fluss.“6 Aufgrund der topographischen Verhältnisse waren in Ägypten die Siedlungen meist entweder relativ klein und kompakt, oder im Gegenteil sehr weiträumig und locker. Insbesondere im Delta zerfielen Städte während eines Teils des Jahres durch das Überschwemmungswasser in einzelne Quartiere (Bsp. Avaris und Pi-Ramses7), aber auch in Theben und andernorts änderten sich die Topographie und die Kommunikationswege zwischen den einzelnen Stadtteilen von einer Jahreszeit zur andern. Vermutlich konnten nur kleinere Städte, etwa auf einem Uferrücken oder einer Gezira kompakt gebaut werden. In manchen Gegenden muss man sich

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Gundlach (2004); Czarnowicz (2011); Flammini (2008); Raue (2013); Emanuel (2015); Cohen (2015); Forstner-Müller (2018). Eine kritische Bewertung des Zentrum-Peripherie-Modells für das Mittlere Reich: Lange-Athinodorou (2021). 5 Ragazzoli (2011). 6 Sandman (1938: 95, Spalte 11). 7 Pusch & Becker (2017).

„Zentrum und Peripherie“ im ägyptischen Neuen Reich?

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einen mehr oder weniger losen Teppich von Siedlungen vorstellen, dazwischen hin und wieder einige grössere Flecken. Auf der Grundlage von Vergleichen mit dem mittelalterlichen Ägypten schätzt Fikri Hassan das Verhältnis von Städten zu Dörfern auf etwa 1:65.8 Ein solches Bild von ungezählten Siedlungen könnte auch Diodor vor Augen geschwebt haben als er schrieb: „In den alten Zeiten nämlich hatte es (Ägypten) namhafte Flecken und Städte nicht weniger als 18’000, wie in den Tempelbüchern verzeichnet zu lesen ist; zur Zeit des Ptolemäus, des Sohnes des Lagos, wurden 30’000 gezählt, welche Zahl bis auf den heutigen Tag stehend geblieben ist.“9 Auch wenn Diodor die Zahl überschätzt, wie vermutlich auch bei den gleich danach aufgeführten 7 Millionen Einwohnern (1. Jh. n.u.Z.), evoziert seine Beschreibung doch ein von vielen einzelnen Gehöften und kleineren Siedlungen übersätes Land. Es ist vielleicht kennzeichnend, dass Diodor in seiner Aussage die grossen Zentren gar nicht erwähnt und zwischen „namhaften Flecken“ und Städten nicht unterscheidet. Moderne Schätzungen nennen 178 „kleine Städte“ und 1125 „grosse Dörfer“10, doch entziehen sich sowohl der archäologische Befund als auch die Lexikographie einer klaren Unterscheidung zwischen Stadt und Dorf. Archäologisch scheinen vor allem die kleineren Siedlungen eine Ummauerung besessen zu haben (Bsp. Deir el-Medina, die „golden City“), der allerdings eher eine organisatorische als eine defensive Funktion zukam. Grössere Städte waren bestenfalls stellenweise befestigt, sie wurden aber visuell dominiert von den hohen Tempelmauern. So hatte die eigentliche Stadt Amarna keine Ummauerung, das kleine „Workmen’s village“ aber sehr wohl. Die einzelnen Begriffe für Städte und Siedlungen haben oft eine grosse semantische Breite oder ihre Bedeutung kann sich im Laufe der Zeit verschoben haben, auch ist der Gebrauch des Stadt-Determinativs sehr variabel.11 Das Wort njw.t bezeichnet eine Stadt fast ausschliesslich in Ägypten. Mit Bezug auf konkrete Städte scheint das Wort nur für die ganz Grossen (insbesondere Theben) verwendet worden zu sein. Der Begriff njw.t „Stadt“ ist aber auch eine Metapher für soziales Leben, für Zusammenleben. So wünschte man einem Verstorbenen „sein Ruf möge in seiner Stadt erhalten bleiben“, was nicht auf eine bauliche Struktur, sondern auf ein soziales Gefüge verweist. In der metaphorischen Verwendung des Wortes njw.t wird somit nichts über die Grösse und Bedeutung des Ortes ausgesagt, sondern vielmehr über die Verwobenheit der sozialen Struktur. Auch das Wort dmj/dmj.t bezeichnet eine Lokalität unabhängig von ihrer Grösse; liegt sie in Ägypten, wird sie in der Regel mit dem Stadtzeichen determiniert, ausländische Lokalitäten mit dem Fremdlanddeterminativ. Die ägyptischen dmj-Lokalitäten zeichnen sich meist durch das Vorhandensein eines Landeplatzes und somit einer gewissen wirtschaftlichen Bedeutung aus.12 Für kleinere Siedlungen gibt es ein breites Vokabular, darunter auch Begriffe mit besonderer Betonung auf Bauform oder soziale Struktur. So unterstreicht das Wort wḥy.t „Dorf“ die familiäre Zusammengehörigkeit der Bewohner. Das Wort bḫn kann ein einziges befestigtes Gehöft oder eine grosse Beamtenresidenz bezeichnen,13 es verweist gleichzeitig auf den Festungscharakter und auf den hohen Status der Bewohner. Folgerichtig konnte sogar die gesamte Ramsesstadt als bḫn beschrieben werden. Am weitesten ist die Spannbreite wohl bei pr: ein Einzelhaus, ein Gehöft oder Haushalt, ein kleines Dorf, Pi-Ramses die ausgedehnte Residenzstadt oder pr Jmn, die sich über weite Teile Ägyptens und Nubiens erstreckende Wirtschaftsdomäne verwenden dieselbe Vokabel. Was Städte gegenüber Dörfern auszeichnete war ein höherer Grad an sozialer Stratifizierung. Städte wiesen ausgedehntere Verwaltungsstrukturen, Logistik-Installationen und umfangreichere Tempelanlagen auf,

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Hassan (1993). Diodor, Bibliotheca historica I, 31. 10 Moreno Garcia (2011); Butzer (1976: 57–80). 11 Spalinger (2008). 12 Moreno Garcia (2011). 13 So das Gehöft des Rindervorstehers Raja, P.Lansing 12.1–13a.7: Gardiner (1937: 110–112). 9

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Susanne Bickel

allenfalls auch Palastanlagen und Villen, sowie Nekropolen mit mehr oder weniger monumentalen Elitegräbern.14 Funktionale Diversität und interne Komplexität (trotz relativ loser urbaner Struktur) sind Charakteristika einer Stadt. Auch einzelne Hauskomplexe konnten in einer Stadt eine hohe Multifunktionalität aufweisen, mit unterschiedlichen Produktions-, Lager- und Verwaltungseinheiten (z.B. in Illahun oder Amarna City North). In kleineren Siedlungen waren die soziale Stratifizierung und Differenzierung weit weniger ausgeprägt (Bsp. Arbeitersiedlungen von Amarna und Deir el-Medina), was sich deutlich auch an den weitgehend gleichförmigen Hausstrukturen abzeichnet. In Dörfern und kleineren Siedlungen konzentrierte sich die Aktivität eines Grossteils der Bewohner auf ähnliche Tätigkeiten – Landwirtschaft und Viehzucht, Arbeit an Gräbern und Tempeln, niedriger Tempeldienst15 – doch gab es in allen Siedlungsgrössen hierarchische Strukturen, Vorsteher, Schreiber oder Priester. 2 Zentralisierung? Grossräumige Zentralisierung hängt primär von sozialen Machtgefügen sowie von wirtschaftlicher Konzentration ab. Das soziale Gefüge war im Ägypten des Neuen Reichs sehr stark hierarchisch strukturiert und auf eine Person, den König, und seinen Hof ausgerichtet. Doch gerade für diese Epoche ist die Mobilität des Pharaos und mit ihm eines Teils des Hofes gut belegt.16 Es gab mehrere, über das Land verteilte Residenzen, die auch meist nur für eine oder wenige Generationen genutzt wurden. Zwischen diesen bewegte sich der König für Festteilnahmen, Inspektionen, Rechtsprechung oder Feldzüge. Mit ihm war auch ein Teil der Verwaltungs- und Militärelite über einen längeren Teil des Jahres in konstanter Bewegung. Dieser Faktor stellte gewiss ein wichtiges Hemmnis dar für die Etablierung von geographisch statischen Machtkonzentrationen und damit auch für die Herausbildung einer einzigen herausragenden Hauptstadt. Ein zweiter Faktor ist die wirtschaftliche Konzentration. Im Neuen Reich ballten sich grosse Mengen an Besitz und Reichtum in den Tempeldomänen, und dabei nebst vielen regionalen Heiligtümern vor allem in mindestens drei besonders bedeutenden Zentren, von denen zwei sehr nahe beieinander lagen: Memphis, Heliopolis, sowie Theben. Es herrschte ein sehr komplexes System von Landbesitz, Landverpachtung und Güterverteilung zwischen einzelnen Tempelinstitutionen, zwischen Tempelinstitutionen und Hofinstitutionen sowie hohen Beamten als Grundbesitzern. Dieses System schloss sowohl regionale Güterzentralisierung ein (Bsp. P.Wilbour), als auch überregionale Güterverteilung (Bsp. Ship’s Logs). Wie Papyrus Wilbour, ein Steuerinventar der 20. Dynastie,17 zeigt, war eine relativ ländliche Gegend wie das nördliche Mittelägypten durchsetzt mit Mikrozentren, kleinen Siedlungen oft mit ihren eigenen Heiligtümern. Wenn auch die hohen Eliten fehlten, so war die soziale Differenzierung, über die gesamte Region gesehen, doch relativ hoch. Das Dokument zeigt vor allem, wie vielschichtig die Besitzverhältnisse des Landes waren: es gab Tempeleigentum, das entweder zu den beiden grösseren Städten Herakleopolis und Hardai gehörte, oder zu dem Grossgrundbesitz des Amuntemples von Theben, manchmal auch zu kleinen Lokalheiligtümern. Ferner gab es Land, das den königlichen Institutionen, wie z.B. dem Harem, gehörte, oder auch einzelnen hohen Beamten. All diese Parzellen lagen nebeneinander, wurden verpachtet und nach komplexen Schlüsseln besteuert. Eine klare Zentralisierung zeigt sich in dem Inventar keineswegs ab, sondern vielmehr eine Verteilung der Güter an zahlreiche Empfänger in der näheren Umgebung, an lokale Zentren oder auch entfernte Orte. Ein Beispiel der Komplexität wirtschaftlicher Verbindungen über grosse Distanzen stellen die so genannten Ship’s Logs dar (v.a. P.Turin 2008+2016).18 Das Logbuch verzeichnet tägliche Einträge, die obwohl stellenweise lückenhaft, doch recht aufschlussreich sind. Ein Schiff der Amun-Domäne startete in Theben; die erste erwähnte Station ist Heliopolis, Zwischenhalte werden nicht genannt; zwei Monate und ein Tag nach der Abfahrt von Theben wird als nächste Station in Memphis angelegt. Einige Tage später kommt ein weiteres Schiff, das ebenfalls der Amun-Domäne gehört, aus Theben in Memphis an und übergibt dem ersten

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Hodgkinson (2018: 3–4); Franke (1994). Masson-Berghoff (2021). 16 Hagen (2016); Fischer-Elfert (1999). 17 Gardiner (1948a, 1948b). 18 Janssen (1961); Demarée (2018). 15

„Zentrum und Peripherie“ im ägyptischen Neuen Reich?

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Schiff eine Lieferung von unterschiedlichen Gütern. Daraufhin verlässt das erste Schiff Memphis, landet aber noch an demselben Tag bei einem nahegelegenen Osiristempel. Die Crew schickt von dort aus über mehrere Tage insgesamt 9 Männer los, um einen bestimmten Schreiber zu suchen, der die Ladung registrieren soll. Diese Ladung beinhaltete u.a. grössere Mengen an Saatgut, 40 Säcke Salz, 50 Papyrusrollen, zwei Rollen à je ca. 500 m Seil, sowie 5000 unausgenommene Fische. Dazu alles, was die recht zahlreiche Crew zum Leben – und hin und wieder auch zum Feiern – benötigte. Dieses Schiff verkehrt also zwischen den drei grössten Tempeldomänen, deren wirtschaftliche Bedeutung auch aus anderen Dokumenten (z.B. dem P.Harris) deutlich hervorgeht. Diese Dokumente liefern zwar jeweils nur sehr punktuelle und situative Einblicke in die wirtschaftlichen Verhältnisse, doch zeigen sie, dass es zwar Konzentrationen wirtschaftlicher Macht gab, insbesondere in regionalen Zentren wie den Gauhauptstädten,19 jedoch keine absolute Zentralisierung. Vielmehr herrschte ein vielschichtiges System von Verteilung und Umverteilung an zahlreiche grössere und mittlere Zentren vor. Trotz der Existenz regionaler Zentren, deren Bedeutung in erster Linie in ihrer Rolle bei der Zentralisierung von Steuereinnahmen zuhanden wichtiger Institutionen bestand, scheint es wichtig zu betonen, dass im Ägypten des Neuen Reiches die Dichotomie Stadt – Land weit weniger ausgeprägt war als in römischer Zeit oder später in Europa, wo dieses Verhältnis stets als wertender Gegensatz des kulturell Bedeutungsvollen zum Minderwertigen und Peripheren ausgedrückt wurde. Zudem besassen – anders als im römischen Reich und in Europa – Städte und Stadtbewohner auch keinen gesonderten rechtlichen Status. Es ist schwierig, die Mobilität der Menschen abzuschätzen und zu verallgemeinern: Frauen lebten wohl tendenziell in einem auf einige Kilometer beschränkten Radius, zwischen Wohnort, den umliegenden Feldern, vielleicht dem Nachbardorf und den Nekropolen. Männer gewisser auch sozial niedrigerer Berufsgattungen hatten z.T. einen etwas weiteren, regionalen Aktionsradius, wenn sie sich für Warenaustausch in die nächstgelegene Stadt, oder in umliegende Dörfer begeben mussten. Etliche Berufsgattungen waren auch überregional unterwegs: neben dem reisenden Hof und der mitreisenden Hofelite waren dies die meisten höheren und mittleren Verwaltungsbeamten (z.B. die Steuereinzieher im P.Wilbour), Soldaten, und alle mit Transport in Verbindung stehenden Berufe. Es ist dabei wichtig, die Raumverhältnisse auch in Zeitverhältnissen zu denken: Überregionale Fortbewegung war nicht zu allen Jahreszeiten möglich, und sie dauerte lange. Die Reise zwischen Memphis und Theben wird für das Neue Reich bei guten Verhältnissen auf ca. 14 Tage geschätzt.20 3 Konzeptionen und Wahrnehmungen des geographischen Raumes Auch im Bereich der religiös-kosmographischen Konzeptualisierung des Landes wurde bereits recht früh einer Zentralisierung oder Fokussierung auf einen Ort entgegengewirkt. Als ein frühes Beispiel kann die Gauliste von ganz Ägypten auf der Weissen Kapelle Sesostris’ I. in Karnak erwähnt werden. Die ursprüngliche konzeptuelle Vorrangstellung von Heliopolis wurde ab dem Mittleren Reich insofern aufgeweicht, als die Tempelstadt einerseits ihr Prestige mit anderen Tempeln und Städten teilte, anderseits eine abstraktere Bedeutung gewann: Das Toponym Jwnw wurde zum Inbegriff des Heiligen und zur Metapher für ganz Ägypten. Es wurde zudem besonders ab dem Neuen Reich von anderen Tempeln und Städten übernommen. Dadurch verschob sich der Fokus von einer spezifischen geographischen Lokalität hin zu einem „Konzept Heliopolis“, das sich über das ganze Land erstreckte. Dieses Konzept umfasste auch den Aspekt der Schöpfung und des Ursprungs und wurde im Neuen Reich auf zahlreiche Städte übertragen, deren Haupttempel fortan ebenfalls als Ursprungsort erachtetet und deren Hauptgottheit mit dem solaren Schöpfer assimiliert wurden. Diese Diversifizierung und multiple Fokussierung von religiöser Bedeutung auf zahlreiche Städte hatten zur Folge, dass sich im Neuen Reich die Verbindung verschiedener Städte mit dem Kosmos und die konzeptuelle Konstruktion verschiedener Städte als Kosmos etablierte. Fokussierung erscheint somit sehr stark auf die Selbstwahrnehmung ausgerichtet: ab dem Neuen Reich beschreibt sich wohl jede Stadt und jeder Tempel als Ursprungsort der Schöpfung. Für den Einzelnen lag der Fokus ohnehin stets auf der eigenen Stadt und deren Hauptgottheiten.

19 20

Church & Bell (1988). Degas (1992).

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Fasste man hingegen das gesamte Land Ägypten in den Blick, so wurden die drei Städte Heliopolis, Memphis, und Theben und/oder ihre Hauptgottheiten sehr oft gemeinsam genannt (es sind dies dieselben drei Städte, die auch wirtschaftlich miteinander verbunden waren, wie u.a. die Ship’s Logs zeigen). Einige wenige Beispiele mögen diesen Städte- oder Götterdreiklang als Paraphrase Ägyptens illustrieren: Über die Thronbesteigung von Amenhotep II. heisst es:21 Der Himmel jubelt, die Erde ist glücklich die Herren von Heliopolis sind im Fest die Mannschaft des Ptah im Jubel Theben ist in Freude. Von König Haremhab wiederum wird berichtet, dass seine Thronbesteigung „das Herz (des Gottes) erfreut in Karnak ebenso wie in Heliopolis und Memphis.“22 Ab der Ramessidenzeit tritt die Trias der Götter Amun, Re und Ptah oder der Städte besonders häufig auf. Ob es sich dabei lediglich um die intensivierte Weiterführung eines bereits zuvor belegten Themas handelt, oder ob eine bewusst gesteuerte Gegenbewegung gegen die Gefahr der Vorherrschaft einer Stadt und ihrer Theologie vorliegt, die als Reaktion auf die Amarnazeit zu werten ist, bleibe dahingestellt. Besonders ausführlich ist die als „Kapitel 300“ betitelte Stelle des grossen Leidener Amonhymnus I-350 aus der 19. Dynastie:23 Drei sind alle Götter: Amun, Re und Ptah, denen keiner gleichkommt. … Ihre Städte auf Erden stehen fest auf immerdar: Theben, Heliopolis und Memphis allezeit. Schickt man (Botschaft) vom Himmel so hört man sie in Heliopolis, man meldet es in Memphis dem Schöngesichtigen, ausgefertigt als Urkunde in der Schrift des Thot gelangt es zur Stadt des Amun mit ihren Angelegenheiten. In Theben gibt man Ratschlüsse zur Antwort, ein Orakel geht aus, bestimmt für die Neunheit … Ausläufer dieser Trias Theben, Memphis, Heliopolis finden sich noch beim Propheten Hesekiel (Ez 30,1317) wo eben diese drei Städte, zusammen mit Sile und Bubastis als bekannte Orte im Ostdelta, gemeinsam Ägypten verkörpern und Ziel der prophezeiten Rache Gottes und Zerstörung sind. Auch Herodot nennt diese drei Städte ganz zu Beginn seines Zweiten Buches (Herodot II, 3) gemeinsam als die wichtigsten Zentren historischen Wissens. Auch in den ptolemäerzeitlichen Tempeln finden sich Nachklänge dieser Vorstellung, z.B. in Kom Ombo wo die drei Städte und die schon im Neuen Reich mit ihnen verbundenen Charakteristika noch einmal zusammengefasst werden, wenn der Tempel bezeichnet ist als:24 mächtig wie Theben heilig wie Heliopolis beständig wie Memphis

wsr.t mj Wȝs.t ḏsr.t mj Jwnw mn mj Ḥw.t-kȝ-Ptḥ

Diese drei grossen Zentren landesweiter Bedeutung – Heliopolis, Memphis und Theben – bewahrten eine lange historische Permanenz und blieben über mindestens zwei Jahrtausende einflussreich. Auch die mit ihnen konnotierten Charakteristika blieben unverändert. Es gab demnach auch in Hinblick auf die Konzeption des geographischen Raumes von Ägypten kein eindeutiges Zentrum (und auch keine systematische Dualität). Die Gesamtheit wurde oft durch eine Dreiheit ausgedrückt, was in Ägypten ja auch stets eine Pluralität bedeutete.

21

Urk. IV 1362.13–1363.1. Urk. IV 2118.9. 23 Zandee (1947: 87–91, Tf. 4); Assmann (1999: 333–334). 24 Gutbub (1973: 32–33). 22

„Zentrum und Peripherie“ im ägyptischen Neuen Reich?

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Es gab aber auch keine eigentliche Peripherie: Städte und Tempel mit regionaler Bedeutung wurden – obwohl wesentlich grösseren historischen Bedeutungsschwankungen unterworfen – immer wieder zu den „grossen Dreien“ in Verbindung gebracht, um damit ihr eigenes Prestige zu erhöhen. Es scheint eine Art spielerische und gleichzeitig verbindende Kompetition unter den Städten und Tempeln gegeben zu haben, die sich z.B. über Bezüge und Vergleiche ausdrücken konnte. So wurde etwa der Tempel von Medinet Habu als „wie Theben, Heliopolis und Memphis, indem er beständig ist wie der Horizont des Himmels“ beschrieben.25 Mit Vergleichen und Gleichsetzungen spielten natürlich auch all die Städte mit gleich oder ähnlich lautendem Toponym wie Heliopolis: Dendara (Jwn.t), Armant (Jwnj), Gebelein (Jwnj), Esna (Jwny.t) und wohl noch einige mehr. Dendara wurde schon im Alten Reich mit Heliopolis gleichgesetzt,26 und noch im ptolemäerzeitlichen Tempel stehen mehrfach Aussagen, wonach Dendara für die Göttin Hathor erschaffen wurde „als Ersatz für Heliopolis“ (m ḏbȝw n Jwnw).27 Die Bezeichnung als Gegenstück, Pendant, Ersatz oder der Vergleich einer Stadt mit einer Anderen – de facto meistens Heliopolis – wurde insbesondere von Städten „mittlerer Bedeutung“ in allen Zeiten immer wieder eingesetzt. Dies war offensichtlich ein effizientes Mittel der Hervorhebung und Betonung der eigenen religiösen Bedeutung. Bereits im Mittleren Reich wurde Abydos als Pendant (snnw – Zweites) zu Heliopolis bezeichnet28 oder beschrieben als „Abydos, … das zweite Heliopolis in Bezug auf Heiligkeit“ (m ȝḫw).29 Ähnlich etablierten auch Herakleopolis oder Hermopolis ihre Bedeutung über den Bezug zu Heliopolis. Zu einer expliziten Angleichung einer Stadt an eine andere führte die Praxis der sekundären Übernahme des Toponyms. Dieses Phänomen setzte vermutlich zu Beginn der 18. Dynastie ein: unter Ahmose wird Theben/Karnak erstmals als „südliches Heliopolis“ fassbar.30 Mit einer solchen Projektion des Toponyms ging automatisch auch ein Transfer von Konzepten und von Prestige einher. Dein (Amuns) Ba ist mächtig im südlichen Heliopolis, … dein Name ist heilig im nördlichen Heliopolis.31 Durch das Gewicht des südlichen Heliopolis entstand hier die Notwendigkeit das ursprüngliche Heliopolis als nördliches zu präzisieren. Diese vollkommene Gleichgewichtung der beiden Städte wurde auch regelmässig in kosmographischen Metaphern ausgedrückt, wie z.B. einer Passage aus dem Mut-Tempel Ramses’ II., die sich auf Amun-Re bezieht: „sein rechtes Auge ist Theben, sein linkes Auge ist Heliopolis“.32 Dieser Prozess der Gleichsetzung und Übernahme von Toponymen wurde weiter eingesetzt als Mittel einer landesweiten kulturellen Integration, und um für ganz Ägypten eine gemeinsame Situierung in einem geographisch-kosmographischen Raumkonzept zu schaffen. So wurde bei der Gründung und Gestaltung der Ramsesstadt eindeutig Theben zum Vorbild, was baulich über die Disposition und Orientierung der beiden Haupttempel entsprechend der Ausrichtung von Karnak und des Luxortempels ausgedrückt wurde. Pi-Ramses wird auch mehrmals als „Pendant zu Theben“ bezeichnet (snnw n Wȝs.t).33 Gleichzeitig wird die Ramsesstadt aber auch beschrieben als: „wie das südliche Heliopolis (= Theben), ihre Lebensdauer ist wie Memphis.“34 Es wurde demnach die gesamte Tradition aufgegriffen und für die Etablierung der neuen Residenz nutzbar gemacht. Auch die spätere Stadt Tanis kopierte die Tempeldisposition von Theben und bezeichnete sich ebenfalls als „nördliches Theben“, nahm jedoch über Tempelnamen auch explizit Bezug auf Heliopolis.

25

Kitchen (1983: 294.15–16). Fischer (1968: 30–38). 27 Cauville (1998: 41–41, 136–137, 188–189). 28 Stele Louvre C1, z.B. Barbotin & Devauchelle (2005: 142–144). 29 HTBM II (1912: Tf. 23). 30 Vandersleyen (1968: 129, Abb. 2). 31 P.Chester Beatty IX r° 14.3–8, Gardiner (1935: I 97, II Tf. 56). Parallele in P.Berlin 3055 X.6–XI.1; Assmann (1999: 268). 32 Kitchen (1979: 597). 33 P.Anastasi III, 2.1 Gardiner (1937: 21); derselbe Ausdruck in P.Rainer 53.3, Gardiner (1937: 137). 34 P.Anastasi II Gardiner (1937: 12, 40); Ragazzoli (2008: 65–68). 26

200

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Ab der Dritten Zwischenzeit bezeichnete sich ferner die nördlichste Stadt Ägyptens, Sema-Behdet – das heutige Tell Balamun, sowohl als „nördliches Theben“ als auch als „nördliches Heliopolis“. Und schliesslich trugen auch in Nubien die Tempelanlagen von Gebel Barkal den Namen „südliches Theben“. Es zeigt sich somit, dass das aus eurozentrischer Positionierung heraus entworfene Modell von Zentrum und Peripherie für die Erfassung der internen politischen, wirtschaftlichen und konzeptuellen Struktur Ägyptens kaum zielführend ist. Und auch die Vorstellung einer Hauptstadt (oder auch mehrerer) entspricht mehr späteren, römischen und europäischen Mustern von Machtkonzentration und wird den vielschichtigen wirtschaftlichen und auch religiösen Beziehungen und Überlappungen im Ägypten des Neuen Reiches nicht gerecht. Institutionelle Zentralisierung zeigt sich im Neuen Reich aufgeteilt in mindestens vier Grosseinheiten: Der Königshof mit seinen Unterabteilungen, sowie die Tempeldomänen von Memphis, Heliopolis und Theben mit ihren jeweiligen, oft über das ganze Land und Nubien verstreuten Untereinheiten. Dazu kamen mindestens Zweidutzend regionale Zentren, oft Gauhauptstädte, die als Mittelpunkte wirtschaftlicher Redistribution und wohl auch meist als Orte regionaler religiöser Bedeutung fungierten. Einer konzeptuellen Zentralisierung wurde auf vielfältige Weise entgegengewirkt, indem die religiös und wirtschaftlich dominierenden Städte miteinander verwoben wurden und stets ein Ausgleich unter ihnen angestrebt wurde. Diese Vernetzung und Ausbalancierung wirtschaftlicher und religiöser Bedeutung wurde vermutlich sehr bewusst gefördert und diente letztlich der absoluten Vorrangstellung der Machtposition des Königs. Die hier angetönten Massnahmen dienten einer Art Nivellierung oder Integration aller wichtigeren Städte in das übergreifende Konzept Ägypten, über dem lediglich der König stand. Bibliographie Assmann (1999)

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202 Zandee (1947)

Susanne Bickel Zandee, J. 1947. De hymnen aan Amon van papyrus Leiden I 350, in: Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 28, 1–158.

Sachindex

Ägypten (Egypt) 31–38; 44; 47; 49; 193–201 Abwärtskommunikation (communication, downward) 168; 170 Achisch (Akayuš, Ikausu) 6; 48 Adverbsatz, semantische Verlängerung des Verbs (syntagme adverbial, prolongement sémantique du verbe) 155 Alltagskommunikation (communication, every-day) 167 Amenhotep III 9–12; 14–15; 18–19 Amun 10–13; 15; 19 Amuntempel in Karnak (Temple of Amun in Karnak) 9–11; 19 Anfrage (request) 168–170; 172–183 Archiv (archive) 174; 179; 184 Artikel +Infinitiv +Possessivsuffix (article+infinitif+suffixe possessif) 150 Artikel, Präsenz & Absenz (article, présence et absence) 154, n. 45 Ausdruck der Zugehörigkeit (qualificatif d’appartenance) 130; 134 Azekah, Tel 31; 33; 36 Babylonisches Exil 53–65 Badalapposition (apposition badal) 135, n. 13 Befehl, königlicher (ordre royal) 141 Beschneidung 49, n. 88 Beth-Shean, Tel 33 Beth-Shemesh, Tel 35 calque 53–65 Charles Clermont-Ganneau 112–113 Cruciform Monument von Maništušu 84–85 ḏ.t=s, „ihr Körper“, Identitätsmarker (« son corps », spécificateur d’identité) 135 Dankbarkeit (gratitude) 167–168 Demonstrativum, verstärkt, nn … jpn (démonstratif renforcé, nn ... jpn) 146 Demotisch 23–29 Diachronischer Prozess (diachronic process) 175; 183 Dokumentarische Texte, administrativ & gerichtlich (pratique administrative et judiciaire) 131 Eber-Nāri (Transeuphratene) 40; 47–49 Echnaton, Ideologie (Akhenaton, idéologie) 148; 156 Eigenschaftsprädikation mit 2 direkten Partizipanten (prédicat de qualité avec deux participants directs) 130, n. 2; 154 Einsatz (pièce rapportée) 155 Elfenbeingranatapfel 95–98 En-Gev, Tel 35 Entschuldigungen (apologies) 168; 170–172; 182 Ergänzung durch Umstandssatz (complétive représentée par une circonstancielle) 145, n. 3 Esterbuch 1–7 Eton, Tel 35 Exepegetische Apposition (apposition épexégétique) 132; 147 Exoduserzählung 44–49

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Sachindex

Fälschungen 83–118 Furcht 1–7 Gazelle (gazelle) 31–37 Gefälschte Qumranfragmente 110–112 Geschäftskorrespondenz (correspondence, business) 174 Gewalt 1–7 Gezer, Tel 33 Gola 53–65 Grab von Kheruef (Tomb of Kheruef) (TT 192) 14 Grammatikalisierung (grammaticalization) 175–176; 180; 182–183 grt, enklitische Partikel (particule enclitique) 153 Gurob 34–35 ḫabiru (‘prw, ‘prm, ‘brm) 40; 47, n. 73; 49, n. 86 Hathortempel in Dendera (Temple of Hathor in Dendera) 13; 15 Hebräer 39–51 Herkunft der Namen 119–128 Hilfsverb 24; 28 Hitpa‘el 1–7 ḫn, «töricht» (« insensé ») 150 Höflichkeit (politeness) 165–170 ḫr=f / ḫrw=f, Zitatphrase (locution de citation) 131 Imperativ (imperative) 172; 174–175; 178; 180; 182–183 Intonation 152; 155 Isistempel (Temple of Isis) 14–15 jn, Nominales-Subjekt-Marker (introduisant un sujet nominal) 131 Joasch-Inschrift 91–94 jšs.t, Interrogativpronomen (pronom interrogatif) 135 Jussivform (jussive form) 175 k(w), abhängiges Pronomen (pronom dépendant) 132 Kalender von Medinet Habu (Medinet Habu Calendar) 9–21 Kanaan (Canaan) 31–38 Karnak 9–21 Katapher, inkrementielle (cataphore incrémentielle) 130; 134; 142 Khoiakfest (Khoiak Festival) 12; 14–15; 18–19 Kommunkation (communication) 166; 172; 180 Komparatistik (Hebräisch-Akkadisch) 53–65 Konjunktivform (conjunctive form) 172; 174; 176–177; 179–180; 183–185 Konversion 1–7 Konzepte der Dezentralisierung 193–201 Koordination (coordination) 172; 174–177; 179–180; 183 Kröningszeremonie (coronation ceremony) 12 Ladeerzählung 40; 43–44 Leberschau 53–65 Lehnübersetzung 53–65 Lehre des Amenope 67–81 Loyalität (loyalisme) 148 m > nm, Interrogativpronomen (pronom interrogatif) 136 m, Nominales-Subjekt-Marker (introduisant un sujet nominal) 131; 133 Makarismus (makarisme) 143; 148; 150 Moussaïeff-Ostraka 86–91 Mündlichkeit (oralité) 156 Muscarella 113–114 n, Nominales-Subjekt-Marker (introduisant un sujet nominal) 131; 133 nachahmend & produktiv (Égyptien de tradition reproductif et productif) 139

Sachindex

Negierte Konjunktivform (conjunctive form, negated) 174 Negierter Imperativ (imperative, negated) 174–175 Neues Reich (New Kingdom 10–16; 31–37; 40; 56; 193–201 Newcomb-Benford-Gesetz 105–106 nn, Demonstrativpronomen (pronom démonstratif) 145–146 Notierung, phonetische (notation phonétique) 152 Opettempel (Temple of Opet) 15 Opferlitanei (Litany of Offering) 14–15 Opferschau 53–65 Ordinalzahlenkonstruktion (ordinal, construction) 147, n. 35 Orthographie 23–29 Osiris 10–18 Osirisrituale (Osirian rituals) 9–21 Paläographische Unterschiede 24; 27–28 Paleographie 23–29 Papyrus Louvre N 3176 (S) 9–21 Paraíba-Inschrift 98–102 Partizipantenindexierung (indexation des participants) 156 Personalpronomen im Singular, als Katapher eines Duals (pronom personnel singulier, cataphorique d’un duel) 137 Philister 39–51 Possessivartikel +Infinitiv (article possessif+infinitif) 150 Pragmatik 83–118 Prohibitiv m-jr (impératif auxilié m-jr) 147 Proverbien 67–81 Pseudomoabitica 102–105 Ptah 11; 13–14 Purim 5–6 pw/p(w)tr, Interrogativpronomen (pronom interrogatif) 136 Ra 11; 14; Ramesses III 33 Reanalyse (ré-analyse) 134, n. 12 Reden und Rufe 140; 144; 146; 156 Reinterpretation (Réinterprétation) 152 rḫ (demotisch) 23–29 Samuelbücher 39–51 Saul-David-Erzählung 43; 47–49 Sedfest (Sed Festival) 11–12 Semantische/Pragmatische Differenz (difference, semantic/pragmatic) 176 Shapiras Dekalog 106–110 Siegelabdrücke mit dem Namen BRKYHW 94–95 Skarabäus (scarab) 31–38 social relation terms 180–181 Sokar 11– 16; 18 Sokarfest (Festival of Sokar) 12–15 Sokarresidenz (Mansion of Sokar) 15 Sozio-pragmatische Differenz (difference, socio-pragmatic) 178 Spätbronzezeit (LBA) 31–38 Sprachphilosophie 119–128 Sprachreflexion 119–128 Sprechakte (speech events) 170 Stempelsiegel (stamp-seals) 31–36 Sternuhr (star-clock) 16–17

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Sachindex

stn, erstarrtes Fragemorphem (morphème interrogatif figé) 152; 155 Stundenwachen 17–19 Tägliches Opferritual (daily offering ritual) 12; 14 Tempel von Ramesses II in Medinet Habu (Temple of Ramesses II in Medinet Habu) 13 Thoth 19 Thutmose III 33 tr, enklitische Partikel (particule enclitique) 153 Transkription in der Demotistik 23 Transliteration in der Demotistik 23 Ugarit 56; 69; 86; ugaritisch 70–71; 98; 101; Umschriftsystem in der Demotistik 23 Unfreundlichkeit (impoliteness) 166; 168 Ursprung der Sprache 119–128 Ventiv (ventive) 174–175 Vokativ (vocatif) 130 Vorwand (pretext) 172 Wasseruhr (water-clock) 9–21 Wechselsatz 145, n. 32 Weisheit 67–81 Wirtschaft 193–201 wsy, «Fenster, Schlitz, Zwischenraum» (« fenêtre, fente, interstice ») 152 wsy, erstarrtes Morphem (morphème inanalysable) 152 wy, Ausrufpartikel/Intensivpartikel (particule exclamative/intensive) 140; 142; 144; 147; 150; 151 ȝ, enklitische Partikel (particule enclitique) 139–141; 150 Zäsur, prosodische/intonatorische (césure prosodique/intonative) 138; 155 Zentralisierung 193–201 Ziegel (baked bricks) 168; 183–186 Zitatmarkierung (locution de citation) 131; 141