Von der Natur der Dinge 9783110299519, 9783110299274

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Von der Natur der Dinge
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T. L U C R E T I U S VON

CARUS

DER

NATUR DER DINGE.

Carmina sublimis tunc sunt peritura L u c r e t i i , E x i t i o terras cum dabit una

dies. Ο ν ι n.

L E I P Z I G BEI

Gii on G

JOACHIM

GÖSCHEN

1 5 2 1 .

V

JNicht

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ohne Bedenklichkeit,

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D

ich

E

.

gestehe e s ,

übergebe ich

gegenwärtige Ubersetzung des Lukrez dem Publicum. Fürs erste sind nur w e n i g e ,

die den ächten Geist dieses

philosophischen Gedichtes beurtheilen könnten; lind dann sind selbst Meinungen und Grundsätze darin,

die nicht jedem zu-

lässig, ja manche, die sogar ungereimt scheinen dürften.· W a s noch hinzukommt, selbst der Geist dieser hohen Poesie, ist beinahe unter uns verschwunden.

Die lehrende Muse zeigt

sich höchstens noch im Trauerspiel; das übrige ist auf leichtes Spiel der Phantasie und Unterhaltung berechnet. So w a r es nicht immer.

Die Denkmale, die uns Griechen

und Römer in ihren Gedichten hinterlassen haben, deuten gröfstentheils auf eine tiefere Grundlage, die auch selbst in ihren Scherzen und Spielen hervorblickt.

Schönheit galt ihnen vor

allem ; aber leere Phantasie w a r ihnen keine Poesie.

Diese

muíste einen innern Gehalt haben, der auf Sittlichkeit und Natur Ogegründet war. O

V O R R E D E .

IV

Unter den Römern hat Lukrez durch sein Gedicht von der Natur der Dinge einen hohen Rang erhalten ;

ja sich einen

unsterblichen Namen gemacht. Der feurige Geist des edlen Jünglings strebte nach W a h r h e i t , und sah sie unter allem Reitze der Poesie.

W a s er selbst

nicht erforschen konnte, das schöpfte er aus den reichen Quellen des Gargettischen W e i s e n , und trank daraus im Uberflufs. Enthusiastisch eingenommen von den Lehren der Epikurischen Philosophie, noch

die

die damals und zu seiner Zeit w o h l auch

konsequenteste

seyn mochte, da sie sich an die

blofsen Naturerscheinungen hinhielt, glaubte er sich im Besitz der vollkommenen W a h r h e i t ; und in dieser Überzeugung forderte er alle Schätze Einbildungskraft a u f ,

seiner reichen poetischen

Kunst

und

um auch seinen Freund Memmius von

der erkannten Wahrheit zu überzeugen. Edle Seelen vergessen nie der Wohlthaten, die sie empfangen haben, auch der längst Verstorbenen gedenken sie noch mit dankbarem Gemüthe j

so w a r

auch er nicht undankbar

ges;en die Verdienste seines grofsen Meisters, und suchte ihn sogar bis zum Himmel zu erheben. Obgleich nun die Grundsätze und Lehren desselben nicht immer auf sichern Grundfesten ruhen, ja zu unsern neuern Erfahrungen und Kenntnissen nur wenig passen, so mufs man doch den Geist derselben ehren, und den Dichter bewundern, der sie so aufzufassen, und in solcher anscheinlichen Klarheit hinzustellen wufste.

V

0

R

Κ

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D

E.

V

Unter dieser Ansicht w i r d man nicht n u r den Inhalt des Lukrezischen Gedichtes zum Theil entschuldigen, sondern man w i r d auch dem W e r k e selbst das gebührende Lob nicht versagen können. Von der VortrefFlichkeit des Gedichtes, blofs als Gedicht betrachtet, will ich weiter keine Piede führen.

Sie ist allge-

mein a n e r k a n n t , und obgleich falscher Eifer solche zu verkleinern und herunter zu setzen suchte, sö bleibt ihm unter allen Lehrgedichten, die wir k e n n e n , noch immer der glänzendste Vorzug.

Diesen gestanden ihm auch die alten Heroen der Dicht-

kunst z u , und Virgil selbst beweifst durch die häufige Nachbildung seiner Ausdrücke und Verse, w i e hoch er den Dichter geschätzt. Indessen h a t unter allen Dichtern des Alterthums vielleicht keiner so wenig Sorgfalt und so. viel Nachtheil, durch Unkunde oder Verkehrtheit der Herausgeber, erfahren müssen, als eben unser Lukrez. Ein M a n n , von verwandtem Geiste mit dem Dichter, und von trefflicher Gelehrtheit, Gilbert Wakefield, erkannte dieses, und unternahm es den Text von den unsaubern Lesarten zu reinigen, und in seinem alterthümlichen Glänze wieder herzustellen. Ob ich gleich nicht immer seinen Meinungen beistimmen k o n n t e , so habe ich doch das Original von ihm der Übersetzung: o o beifügen lassen, zu mehrerem Verständnifs der Sache, und weil solches in Deutschland noch selten ist. Aus Mangel eines Freundes, der mich, besonders in philo-

V O R R E D E .

VI

logischer Hinsicht, gehörig unterstützen k ö n n t e , habe ich die Noten weggelassen.

Vielleicht könnten sie zu anderer Zeit noch

erscheinen ; indessen mag die Ubersetzung selbst einstweilen zum Kommentar dienen. Von dem Leben des Dichters weifs man n u r wenig.

Er w a r

von edeln Eltern geboren, und aus altem Geschlechte; nicht lange vor den Zeiten des Cicero und des Virgil.

Wahrschein-

lich führte L u k r e z , nach den Grundsätzen seines Meisters Epi k u r selbst, ein von öffentlichen Geschäften entferntes und zurückgezogenes Leben.

Fromme Männer haben i h m ,

vermuthlich

aus heiligem E i f e r , oder aus Mangel besserer U r k u n d e n , alberne Mährchen angedichtet, die dann in der Folge fleifsig nachgeO ' O O C schrieben w u r d e n . Beinahe jede Seite seines Buches zeuget von dem ächtmoralischen tiefen Sinne des Verfassers ;

wir

aber wollen

f ü r das übrige damit b e g n ü g e n , dafs ihm der Beinahme

uns

Carus,

der G e l i e b t e , allgemein beigelegt worden. Den Hauptinhalt jedes Buches habe ich aus der Meinekeschen Ubersetzung beifügen lassen, damit man sich desto leichter finden könne.

Übrigens beziehen sich die Zahlen in den

Ubersichten immer n u r auf den lateinischen Text. Jena am ersten Mai i ß 2 i .

DEN

MANEN

WAKEFIELD'S.

U n t e r den Trümmern Roms, im geweiheten Boden Achaja's, Suchet der Wanderer oft Spuren des älteren Geists; Hat er gefunden das dauernde M a l , ehrwürdig den Zeiten, Stellt er der Nachwelt auf solches zum bleibenden Ruhm. Auch du stelltest ein herrliches Mal der künftigen Zeit auf; Nicht der einzige z w a r , aber der würdigste doch; Und ich hab' es gewagt, in vaterländischen Worten Wiederzugeben den Geist, welcher den Römer erhob: Möge sein dauernder Ruf sich günstig erzeigen f ü r uns auch Mit ihm unser Bemühn gleiten im Strome der Zeit.

VON K N E B E L .

Ü B E R S I C H T

DER

SECHS BÜCHER

VON D E R

Liieret·

Ï.

DES L U K I E Z

NATUR DER

DINGE.

H

E R S T E S

B U C H .

M a n h a t sicli g e w u n d e r t , w i e L u k r e z , jden m a n d o c h f ü r einen F e i n d der G ö t t e r g e h a l t e n h a t , g l e i c h zu A n f a n g seines W e r k e s , s e i n e n G r u n d s ä t z e n so u n t r e u , die G ö t t i n V e n u s z u r S c h u t z g ö t t i n seines Gedichtes a n r u f e n k o n n t e . D i e , w e l c h e solche Z w e i f e l a n r e g e n , m ü s s e n w e n i g m i t den F r e i h e i t e n eines D i c h t e r s b e k a n n t seyn , dem alles zu G e b o t e s t e h t , w a s i h m , z u r V e r s c h ö n e r u n g seines W e r k e s d i e n e n k a n n . D a f s L u k r e z h i e r den Begriff der g a n z e n N a t u r in der P e r s o n e i n e r G ö t t i n v e r e i n i g t d a r s t e l l t , die man zu seiner Z e i t als G ö t t i n der S c h ö n h e i t v e r e h r t e , u n d der m a n den T r i e b u n d die E r z e u g u n g aller l e b e n d i g e n W e s e n z u s c h r i e b , das d a r f k e i n e n w u n d e r n , der d i e U n b e f a n g e n h e i t seines g r o f s e n d i c h t e r i s c h e n Geistes e r k a n n t h a t . D i e s e p e r s ö n l i c h e D a r s t e l l u n g ist n i c h t e t w a ein l e e r e s , d i c h t e r i s c h e s B i l d ; sie u m f a f s t v i e l m e h r alle G e f ü h l e , w e l c h e d i e r e i t z e n d e N a t u r d a r b i e t e t , u n d s c h m ü c k t das G e d i c h t m i t den g l ä n z e n d s t e n F a r b e n der P o e s i e . So m o c h t e es dem D i c h t e r e r l a u b t s e y n , d u r c h die E r h e b u n g der G ö t t i n zur h ö c h s t e n W ü r d e , als S c h ö p f e r i n der D i n g e , dem r ö m i s c h e n V o l k e , das sich v o n i h r e n t s p r o s s e n h i e l t , eine s c h m e i c h e l n d e E r i n n e r u n g seines U r s p r u n g e s zu geben. U n d n u n das G e m ä l d e selbst. W e l c h ein A n b l i c k ! die G ö t t i n k o m m t , u n d die W o l k e n w e i c h e n v o r i h r , d i e W i n d e legen s i c h , die E r d e s t r e u t i h r l i e b l i c h e B l u m e n , die F l ä c h e n des M e e r e s l a c h e n i h r e n t g e g e n , u n d der b e s ä n f t i g t e H i m m e l g l ä n z t m i t a u s g e b r e i t e t e m L i c h t e . A l s o b a l d k o m m e n die V ö g e l h e r v o r , u n d b r i n g e n ihr L i e d ; der G ö t t i n G e w a l t d u r c h s c h ü t t e r t i h n e n die H e r z e n ; d i e T h i e r e der W i l d n i f s h ü p f e n d u r c h die A u e n , setzen d u r c h r e i f s e n d e S t r ö m e , u n d v o m z a u b r i s c h e n R e i t z e d u r c h d r u n g e n , f o l g t i h r alles m i t L u s t u n d b r ü n s t i g e m V e r l a n g e n . D i e f s ist das B i l d der N a t u r selbst im F r ü h ling des J a h r e s . E s f ü l l t die B r u s t mit E n t z ü c k e n .

Ü B E R S I C H T Dieser Gottheit widmet sich der Dichter, denn sie beherrscht alle Naturkräfte, und von ihr erwartet er Schutz und Beistand zu seinem Werke. Dafs sie, um seinem vortrefflichen Freunde Memmius zu gefallen, den Wohlreitz seiner Verse noch verdoppeln möge, ist ein herrlicher Zug; und das darauf folgende Bild von der Vereinigung der Gottin der Schönheit mit dem Kriegsgotte Mars, in Bezug auf den für die Römer zu stiftenden Frieden, ist von der anziehendsten Schönheit; längst gepriesen und bewundert. So wollen wir nun weiter den Hauptinhalt des Gedichtes nur kurz berühren, und die vorzüglichsten Stellen desselben anzxideuten suchen. Der Dichter fängt vom 4Qsten Verse an, den Inhalt seines Gedichtes auszulegen. Er spricht von der Natur und den Eigenschaften der Götter, und zürnt auf die Verbrechen jener Religion, die man hier, wie durchaus in dem Gedichte, für den falschen Aberglauben anzunehmen hat. Diese schildert er als ein schreckliches Ungeheuer, das s^in Haupt aus den Gegenden des Himmels hervorstreckt, und von da mit gräfslichem Blick den Sterblichen drohet. Ein Mann tritt a u f , (Epikurus) und wagt dem Ungeheuer entgegen zu gehen. Nichts vermag ihn abzuschrecken. Er durchbricht endlich die Kerker, worin die Natur so lange verschlossen l a g , dringt durch die Mauern des W e l t a l l s , und bringt uns von da die Kenntnifs, auf was Weise diese Zusammenfügung der Dinge möglich geworden sey. M i t weiser Vorsicht begegnet hier der Dichter dem Vorwurfe der Gottlosigkeit, und dafs seine Lehren auf böse Wege hinführen könnten. Er leugnet dieses, und beweiset vielmehr durch ein Beispiel, wie verderblich die Folgen einer falschen Religion seyn können. Hier das Opfer der Iphigenia. Die Gegenwart des Vaters, die Priester mit dem Mordstahl, die Thränen in den Augen des Volkes ; die Jungfrau selbst, die zitternde, ohnmächtige ; ergriffen von Händen der Männer, die sonst keine Jungfrau berühren durften; das casta inceste n e b e n einander gestellt; sie, die Erstgeborene des Königs; nahe ihrem Brauttage! — das sind Bilder und W o r t e , die jedes Herz in Bewegung setzen müssen; V. xxo. Nun kömmt der Dichter auf die Furcht vor den ewigen Höllenstrafen, welche Furcht er meist doch nur aus Unkunde von der Natur unseres Geistes herleitet. Hier beschuldigt er noch den Dichter Ennius, dem er sonst ein

DES

E R S T E N

BUCHS.

5

vortreffliches L o b ertheilt, dafs er doch auch diesen Träumereien nachgehangen habe. E r w i l l daher nebst den übrigen Gegenständen, die Natur des Geistes und der Seele genauer erforschen ; die Erscheinungen untersuchen, die uns zuweilen w i r k l i c h das B i l d der Längstverstorbenen w i e gegenwärtig vorstellen K l a g e über die Schwierigkeiten seiner Sprache , die E r f o r s c h u n g e n der Griechen in lateinischen Versen vorzutragen. A b e r der Preifs seiner Bemühungen sey die Tugend seines Freundes, das erhoffte Vergnügen seiner süfsen F r e u n d s c h a f t , die ihm jede Arbeit leicht m a c h e , und ihn Nächte zu durchwachen heifse, um die W o r t e zu finden, die seinem Geiste klare B e g r i f f e g e b e n , und ihm verborgene D i n g e enthüllen möchten. D e n n nur reine Ansicht der Natur und gründliche E r wägung der D i n g e zerstreuen jene Nebel des Geistes; V . 1 5 1 . Hier fängt der D i c h t e r an seinen ersten Grundsatz fest zu stellen : ,, dafs nämlich aus Nichts nichts entstehen könne. " Den Bew e i s dieses Satzes f ü h r t er auf sinnreiche Art durch mancherley Argumente, die zugleich B e w e i f s e sind seines tiefen Sinnes und des R e i c h thums seiner E i n b i l d u n g s k r a f t . D i e schönen Verse von V . 2 5 1 a n , w e r d e n keinem e n t g e h e n , der Sinn dafür hat. — V . 270. Aber es giebt auch K ö r p e r , die w i r nicht sehen und doch empfinden; w i e zum Beispiel die W i n d e , deren G e w a l t der Dichter höchst poetisch beschreibt. S o auch die G e r ü c h e . D i n g e nehmen ab und verzehren s i c h , ohne dafs w i r die abnehmenden T h e i l e bemerken. Mehrere Beispiele poetisch ausgeführt. — D i e N a t u r f ü h r t ihr W e r k aus durch verborgene Körper. V . 330. Aber nicht alles hält dicht gedrängt zusammen. E s giebt auch ein L e e r e s . D a s zu wissen ist von höchster W i c h t i g k e i t . Gab' es ein solches nicht, so könnte, nichts fortrücken, nichts gedeihen noch sich bewegen. Mehrere sinnreiche B e w e i f s e hievon. Alles bezieht sich in der Natur auf zwei D i n g e , auf K ö r p e r und Leeres. D i e s e sind stets mit einander verbunden. Alles übrige, welchen Namen man ihm auch g i e b t , ist nur Ζ u s t a η d oder E r e i g n i f s dieser beiden. V . 460. K ö r p e r sind theils die ersten, die Urkeime der D i n g e , theils aus diesen zusammengesetzte. J e n e sind von einfacher dichter N a t u r , unveränderlich und unvernichtbar, können durch keine G e w a l t aufgelöset oder zerstört werden, und sind daher e w i g ; diese hingegen, mit dem L e e r e n v e r m i s c h t , sind auflöfsbar und also vergänglich.

6

Ü B E R S I C H T

Y . 540. Fernere B e w e i f s e des L e e r e n , durch vielerlei Ansichten und Gründe unterstützt. D i e Materie ist von ewiger D a u e r , sonst w ä r e vielleicht alles schon wieder in's Nichts übergegangen. Aber die Stoffe erhalten das D a s e y n der D i n g e , und bringen e s , durch Vermischung mit dem L e e r e n , immer wieder zu neuer Gestalt und Blüthe. V . 593. N o c h giebt es auch in den D i n g e n ein K l e i η s t e s , sonst: müfste sich alles in unendliche Theile auflösen lassen. V . 676. V o n den E l e m e n t e n . W i e verschieden diese von andern angegeben worden. H e r a k l i t u s nimmt das Feuer als ersten Grundstoff aller D i n g e an , und w i r d deshalb scharf getadelt. V. 7 1 7 . Grofses L o b des E m p e d o k l e s . — D i e ganze Insel S i c i l i e n , sein Geburtsland, mit allen seinen Wundern und Schätzen, "wird diesem grofsen Manne gleichsam zur Fufsstelle hingesetzt, w o rauf E r zu höchst steht. Treffliche Schilderung dieser Insel und des Berges Aetna. V . 735. D o c h hat auch E r und mehrere seiner N a c h f o l g e r geirrt, indem sie vier Elemente annahmen. V . 743· V i e l f ä l t i g e E i n w ü r f e dagegen. V . 830. Nun zu der Homöomerie des A n a x a g o r a s . D i e Unmöglichkeit derselben w i r d mit scharfem Urtheile bewiefsen. Alles was besteht, besteht seiner Gestalt nach, aus fremden Theilen. Schöne Beispiele aus der Natur. Nur das verschiedene Verhältnifs der Stoffe zu einander bewirkt die Verschiedenheit der Körper. V . 920. N u n nimmt der Dichter einen neuen Schwung. E r f ü h l t die S c h w i e r i g k e i t der D i n g e ; aber die grofse Hoffnung des L o b e s hat ihn mit dem Thyrsus durchbohrt, und zugleich in sein Herz die süfse L i e b e der Musen eingeflöfst, wodurch er angetrieben, mit regem Geiste die piërischen Gefilde durchwandelt, die noch kein F u f s betreten hat. E r sucht neue Quellen auf, um daraus zu schöpfen ; neue Blumen w i l l er b r e c h e n , um sich daraus einen Kranz zu w i n d e n , den die. M u s e noch keinem Dichter verliehen hat. E r erklärt hierauf die W e i s e seines V e r f a h r e n s ; w i e er von grofsen D i n g e n r e d e , L i c h t in das D u n k e l bringe, und zuletzt alles mit der Anmuth der Musen ausschmücke: hierin den geschickten Aerzten ähnl i c h , welche den Kindern den bittern, aber heilsamen Saft im honigbestrichenen Becher darreichen. Gleichermafsen scheint es ihm nöthig, der widersetzlichen und unverständigen Menge die L e h r e n der W a h r h e i t , gleichsam mit dem Honig der Musen besprengt, einzuflöfsen, und die Natur in ihrer Schönheit darzustellen.

DES

ERSTEN

BUCHS.

Y . 957. D a s A l l ist unendlich. N i r g e n d , v o n keiner Seite hat es ein Aeufserstes oder Gränzen. Herrliche Gleichnisse. N i m m , es hätte G r ä n z e n , und du würdest einen Pfeilschützen auf den äufsersten R a n d derselben hinstellen, w ü r d e nicht der abgedrückte P f e i l entweder ein Hindernifs finden, weiter fort zu fliegen, oder auf den Schützen zurückkehren ? Beides zu denken w ä r e ungereimt. N u n folgen mehrere Gründe, aus der V e r n u n f t und Natur genommen , mit ausnehmender Beredsamkeit vorgetragen. V . 1050. Zuletzt sucht der D i c h t e r noch die M e i n u n g derjenigen umzustofsen, welche glauben, dafs alles, aufser den feineren L ü f ten und dem F e u e r , n a c h d e m Mittelpunkte des Ganzen hinstrebe; das übrige aber sich nach der E r d e d r ä n g e , die d a n n , auf sich selbst gestützt, auch unter ihr Thiere und G e s c h ö p f e ernähre, und ihren eigenen Himmel h a b e ; das F e u e r hingegen und die feinere L u f t flöge in die höheren R e g i o n e n , und sammle sich daselbst, und baue die Mauern der W e l t , d i e , w e n n sie einmal aus einander sprängen und zerflögen, den allgemeinen R u i n der ganzen W e l t nach sich reifsen würden. . . . D i e s e bestreitet und verspottet e r , Versen.

Z W E I T E S

und schliefst mit prächtigen

BUCH.

W e r vom hohen Felsen auf dem vom Sturme durchwühlten M e e r e ein nothleidendes Schiff sieht, der kann sich erfreuen, nicht ob dem U n f a l l anderer, sondern w e i l er sich selbst von diesen Bedrängnissen befreit fühlt. Gleichermafsen ist es angenehm, die streitenden Schaaren der Krieger aus der F e r n e zu schauen, gesichert vor eigenen Gefahren. Aber süfser ist n i c h t s , als die von den W e i s e n hocherbauten, wohlbefestigten Tempel zu bewohnen ; w o du hinab kannst sehen auf andere, w i e sie im Irrthum schweifen und den W e g des L e b e n s vergeblich suchen ; T a g und Nacht arbeiten, Reichthümer zu erwerben , sich zu M a c h t und Herrschaft empor zu heben.

8

Ü B E R S I C H T

O d i e a r m e n , b l i n d e n M e n s c h e n ! w i e v e r d e r b e n sie sich selbst den k u r z e n M o m e n t des L e b e n s ! Sehen sie d e n n n i c h t , dafs die N a t u r n i c h t s w e i t e r f o d e r t , als dafs w i r , vom S c h m e r z e b e f r e i t , o h n e F u r c h t n o c h S o r g e des h e i t e r n Sinne? g e n i e f s e n m ö g e n ? W e n i g n u r v e r l a n g t sie z u r U n t e r h a l t u n g des K ö r p e r s ; j a , sie r e i c h t z u w e i l e n E r g ö t z l i c h k e i t e n d a r , m e h r als w i r selbst z u f o d e r n s c h e i n e n . H a l t e n n i c h t g o l d e n e J ü n g l i n g s g e s t a l t e n , im G o l d - u n d S i l b e r g e s c h m ü c k t e n Saale, flammende F a c k e l n e m p o r , den n ä c h t l i c h e n S c h m a u s zu erhellen; schallt nicht Cithergesang von getäfelten W ä n d e n wieder : n u n so l a g e r t m a n sich u n t e r dem S c h a t t e n h o h e r B ä u m e , n e b e n dem r i e s e l n d e n B a c h , a u f w e i c h e R a s e n h i n , p f l e g e t des K ö r p e r s f r o h , auch ohne grofsen Reichthum. Sonderlich d a n n , w a n n die J a h r e s z e i t l a c h t , u n d m i t b u n t e n B l u m e n die g r ü n e n d e n W i e s e n ü b e r streuet. W a h r l i c h , das F i e b e r w e i c h t n i c h t s c h n e l l e r v o n g e m a h l t e n u n d p u r p u r n e n D e c k e n , als w e n n du dich i n g e m e i n e s G e w a n d e i n h ü l l s t . M ö g e n d a h e r n i c h t S c h ä t z e , n o c h E h r e n der W e l t , e t w a s z u m W o h l des K ö r p e r s b e i t r a g e n , so m ö c h t e n sie w o h l n o c h w e n i g e r zur B e f r i e d i g u n g des G e m ü t h e s h i n r e i c h e n . M ü f s t e d e n n s e y n , dafs w e n n d u d e i n e H e e r s c h a a r e n auf d e m M a r s f e l d u m h e r s c h w e i f e n s i e h s t ; d e i n e F l o t t e n d u r c h die M e e r e s c h w i m m e n , dafs d a n n sich der e r s c h r o c k e n e A b e r g l a u b e u n d die F u r c h t v o r dem T o d e dir aus der B r u s t e n t f e r n e n , u n d diese f r e i lassen möchten. F i n d e t sich a b e r , dafs dieses n u r T a n d u n d K i n d e r s p i e l e s i n d ; dafs die F u r c h t i n dem M e n s c h e n , dafs die v e r f o l g e n d e S o r g e sich n i c h t v o r dem S c h a l l e der W a f f e n s c h e u t , n o c h v o r w i l d e m Ges c h o s s e , s o n d e r n k ü h n u n t e r K ö n i g e t r i t t u n d u n t e r der L ä n d e r Beh e r r s c h e r , unverblendet vom Goldglanz u n d vom P u r p u r ihres Kleid e s : d a n n s i e h t m a n k l a r ein, dafs diefs alles n u r w e n i g h e l f e ; z u m a l da dieses L e b e n n o c h so tief i n F i n s t e r n i f s l i e g t , u n d w i r , w i e die K i n d e r im D u n k e l n , so bei h e l l e m L i c h t e des T a g e s , v o r j e d e r Kleinigkeit erzittern u n d beben. D i e s e S c h r e c k e n des Geistes j e d o c h u n d diese F i n s t e r n i s s e k ö n n e n n u r d u r c h f r e i e A n s i c h t der N a t u r u n d E r k e n n t n i f s der D i n g e zerstreuet werden.

DES

ZWEITEN

9

BUCHS.

I c h habe den A n f a n g ' dieses zweiten Buches etwas umständlicher und paraphrastischer hergesetzt, damit man seine ganze Schönheit üb ersehen möge. N o c h w i r d man mir erlauben, demselben einige Bemerkungen beizufügen. So trocken dieses B u c h vielen scheint, und in der That auch w e n i g Anziehendes f ü r die meisten h a t , so mufs man immer Kunst und Geschicklichkeit in demselben bewundern. E s w a r nämlich keine leichte A u f g a b e f ü r den D i c h t e r , das w u n d e r l i c h e , und wenn man w i l l , chimärische System von Entstehung der W e l t aus A t o m e n , einigermafsen sinnlich und zusammenhängend darzustellen. W i e vieles muíste er sich dabei erdenken, und w i e schön hat er es dennoch durch Gleichnisse, B i l d e r und Stellen zu erheben g e w u f s t ! D i e s e s b e w o g vielleicht den nicht zu günstigen Cicero, dem D i c h t e r den R u h m der K u n s t nicht abzusprechen ; ja Quintilian gesteht ihm selbst E l e g a n z zu. Uebrigens lassen w i r uns h i e r , w i e anderwärts, durchaus nicht auf das System ein ; sondern w i r loben und bewundern nur den M e i ster, der solchen Gegenstand so herzustellen g e w u f s t hat. Y . 6 1 . Hier fängt nun der Dichter a n , die E i g e n s c h a f t e n dieser ersten K ö r p e r , Stoffe oder A t o m e n , näher auszulegen. Zuerst spricht er von den B e w e g u n g e n , wodurch sich die K ö r per der Materie erzeugen, oder wieder auflösen; von der K r a f t , die sie t r e i b t ; von ihrer Schnelligkeit, durch's weite Leer-e zu gehen. E r ermahnt seinen Memmius zur Aufmerksamkeit. V . 65. Keine Materie hängt dicht gedrängt zusammen. Dinge nehmen z u , und nehmen ab. W i r s e h e n , w i e Alles sich verzehret, und gleichsam zuletzt aus den Augen verschwindet. Aber die Summe des Ganzen bleibt unveränderlich stehen ; denn was hier abgeht, setzt sich dort wieder an. Jenes veraltet, dieses blüht auf. So wechselt und verändert sich alles. W i r borgen gleichsam nur das L e b e n von andern; w i e jene L ä u f e r der B a h n , bei den Festspielen der Athenienser, nimmt einer die F a c k e l aus der Hand des andern. V . 79. Irrig und ungereimt wäre es zu sagen , die Stoffe v e r w e i l ten in ihrem L a u f . D a sie sich im L e e r e n b e w e g e n , so treibt sie entweder eigene S c h w e r e , oder der Stöfs von andern. Auch giebt es ja in dem unendlichen L e e r e n kein Oberstes noch Unterstes. Sie werden von allen Seiten getrieben, haben keine R u h e , und stofsen und verwickeln sich auf mancherlei Art. So bilden sie hier Felsen Liieret.

I.

h

10

Ü B E R S I C H T

und starres E i s e n ; dort die dünne L u f t und das glänzende L i c h t der Sonne. V . ιοβ. N o c h viele andere schwärmen frei im L e e r e n umher, die keine Verbindung getroffen haben. Hier das Beispiel von den Sonnenstäubchen, deren geheime und verborgene Triebe auf eine anziehende K r a f t hindeuten k ö n n t e n , die aller Materie eigen zu seyn scheint. Y . 1 4 1 . N u n ihre schnelle B e w e g u n g . Sie ist w e i t schneller als die Strahlen der Sonne. E i n schönes B i l d von der aufgehenden Sonne. Y . 167. Hier ein A u s f a l l auf diejenigen, welche glauben, es müsse alles durch H ü l f e der Götter entstanden seyn. D e r Dichter glaubt behaupten zu k ö n n e n , dafs dieser Weltbau nicht durch göttliche M a c h t f ü r uns erschaffen s e y , da er so viele M ä n g e l noch in sich trägt. E r verspricht anderswo sich hierüber zu erklären. V . 134· D a f s kein Körper von sich selbst in die Höhe steige; mehrere Argumente. V . 2 1 6 . Abweichung der Atome im Niederfallen. D a h e r entsteht die Veränderung in den Dingen. Selbst das Schicksal, und der freie W i l l e des Menschen. D i e s e r zeiget sich sogar bei den T h i e r e n ; aber er wohnet in der Brust des Menschen und könne auch äufserer G e w a l t und selbst dem Schicksal widerstehen. V . 294. D i e Beschaffenheit und B e w e g u n g der Atome bleibt sich immer gleich. D i e Summe der D i n g e nimmt nicht a b , noch zu. V . 303. W a r u m u n s , bei beständiger B e w e g u n g der D i n g e das Ganze doch in R u h e zu bleiben scheint. Gleichnisse. W a n n du auf dtr Höhe eines Berges stehest, und eine Heerde Schaafe in der F e r n e weiden siehst, so bemerkest du gleichsam nur einen stehenden w e i f s e n F l e c k auf dem grünen Hügel. Ingleichen scheint dir ein Trupp Reuter, der im Anlauf ist, aus derselben Höhe , nur w i e ein Blitzstrahl auf den Feldern. D i e s e beiden Gleichnisse sind schön ausgemahlt; jenes mit Zarth e i t , dieses mit K r a f t . V · 3 3 3 . Nun kommt der D i c h t e r auf die verschiedenen Formen und F i g u r e n der Urkeime oder A t o m e : Sie sind unendlich an Z a h l und Verschiedenheit. D i e s e Verschiedenheit ist nicht nur in den Geschlechtern, sie theilt auch die Individuen auseinander. W i e könnte sonst die Mutter ihr K i n d , das K i n d die M u t t e r erkennen ? Treffliches und rührendes B i l d einer M u t t e r , die ihr zum Opfer

DES

ZWEITEN

BUCHS.

geschlachtetes Kalb sucht. Sie durchstreift die T r i f t e n , die Büsche, um ihren Säugling zu erspähen. Nun füllt sie den W a l d mit Klagen ; kehrt oft wieder zurück zum Stalle, um da ihn zu finden. Nicht die zarten W e i d e n , keine Kräuter reitzen sie mehr. Nicht die am hohen Ufer hinstreichende Fluth mag sie ergötzen, noch ihr Gemüth vom Kummer erlösen. Selbst die Zucht anderer Heerden auf der Flur kann sie nicht zerstreuen : so sehr hängt ihr Herz an dem Eigenen, an dem B e k a n n t e n ! — W e l c h e s Gemähide! Auch das stöfsige Böckchen erkennt die M u t t e r , auch das springende Lämmchen. Alle treibt die Natur an die Β rust hin die ihnen eigen ist. V. 371. Eben den Unterschied bemerken w i r auch an den Getraidearten, Früchten, Muscheln und anderm. Jedes Einzelne ist verschieden von dem andern. Gleiches wendet nun der Dichter auf alle Körper der Natur an, deren wesentlicher Unterschied durch die Verschiedenheit dei· Fügungen und Figuren der Stoffe besteht. So mag auch das Feuer des Blitzstrais aus k l e i n e m und feinern Stoffen bestehen, als unser gewöhnliches Feuer aus Lampen und Fackeln. Das L i c h t geht durch Körper, durch welche das Wasser nicht dringt. Honig besteht aus glatten und runden Stoffen. Selbst was die Sinne auf angenehme oder w i d r i g e Art berührt, das liegt in der Beschaffenheit der Stoffe. Mehreres hierüber hat der Dichter w e i t l ä u f t i g und zierlich ausgeführt. Vom 523. Vers an sucht er seinen Yortrag noch gefälliger zu machen, indem er l e h r t , dafs zwar die Stoffe aller A r t , von allen Seiten, durch unaufhörlichen T r i e b , aus dem unbegrenzten All herbeiflögen; jedoch aber gewisse Arten und Figuren derselben in manchen Gegenden sich seltner, in manchen häufiger fänden. Hieraus beweifst er die Seltenheit mancher Thiere und Geschöpfe, die sich an gewissen Orten häufiger erzeugen. Hier führt er uns den Elephanten vor mit dem Schlangenrüssel. Seine Zahl ist in Indien zu Tausenden, und er umgiebt das L a n d gleichsam mit einem elfenbeinernem W a l l . Doch sieht man derselben bei uns nur w e n i g e , gleichsam nur als Muster. V. 55 2 · Um seinen Gegenstand näh^r zu bezeichnen und die Folgen eines ungeordneten Hinwurfs der Stoffe anzudeuten, stellt er uns abermals ein Bild v o r : Einen Sturm im M e e r e ; die gescheiterten Schiffe, Ruderbänke, Steuer, S e g e l , M ä s t e , w i r f t das erzürnte

Ü B E R S I C H T

12

M e e r w e i t h i n an alle Küsten der E r d e , dafs sie den Menschen ein warnendes Zeichen seyn sollen, nie den schmeichlerischen ungetreuen W o g e n zu vertrauen. Diesem vergleicht der Dichter die hin und h e r g e w o r f e n e n Massen der M a t e r i e , die sich zerstreuen w ü r d e , w e n n nicht eine unzähl i g e Zahl der Stoffe von jeder Gattung vorhanden w ä r e . W ä r e sie es n i c h t , so könnten die Dinge, die aus der begrenzten Art entstand e n , nie w i e d e r hergestellt werden. So dauert aber der W e c h s e l '

o

der verschiedenen Gattungen e w i g f o r t , um das immer w i e d e r aufs neue h e r z u s t e l l e n , w a s verloren gegangen ist. H i e r (1er T o d , dort neues L e b e n . J e d e r T a g vernimmt das W i m m e r n des Säuglings eingemischt in die Klage um den Todten. V. 58 1 · Nichts kann aus Stoffen einerlei Art entstehen. D i e M a n n i g f a l t i g k e i t derselben bringt die M a n n i g f a l t i g k e i t der D i n g e hervor. V. 589. So ist unsre Erde. Sie besteht aus den m a n n i g f a l t i g s t e n Stoffen, und bringt alle D i n g e hervor. D a r u m haben sie auch die alten Dichter der Grajen als M u t t e r der Götter und Menschen und aller lebendigen W e s e n verehrt, und ihr zu Ehren feierliche Feste gegeben. D e r Dichter beschreibt dieselben mit w a h r e m dichterischem Pomp, und f ü g t ñoch hohe Sprüche der W e i s h e i t seiner Erzählung bei. V. 64°· E u k r e z erkennt die Vortrefflichkeit dieser Vorstellungen, ob sie gleich von der w a h r e n Beschaffenheit der D i n g e abweichen. Sinn und E m p f i n d u n g könne man der Erde nicht b e i l e g e n ; w o l l e man jedoch das M e e r , N e p t u n u s , das Getraide, C e r e s , den W e i n , B a c c h u s , n e n n e n , so habe er nichts d a g e g e n , w e n n man auch die Erde die grofse M u t t e r der Götter benennen w o l l e . V. 659. Oft trifft man auf e i n e r W i e s e verschiedne w e i d e n d e T h i e r e a n ; W o l l e n h e e r d e n , R i n d e r , R o s s e , die unter demselben H i m m e l leben und dieselbe Nahrung geniefsen. Doch sind si vermittelst der Bilder.

Wie

dio Seele Vorstellungen erhält d u r c h

Phantastische Vorstellungen

}

die

v. 712-735.

]}¡ e

Bilder w i r k e n auf die E i n b i l d u n g s k r a f t auf ähnliche A r t , wie auf die A u g e n , v. y 3 ¿ 747.

E r k l ä r u n g der T r ä u m e aus dieser T h e o r i e , v. 7 1 8 - 7 6 9 .

Anwendung

derselben

zur E r k l ä r u n g der H a r m o n i e des W i l l e n s u n d der V o r s t e l l u n g e n ,

v. 7 7 0 - 7 9 1 .

s c h u n g entsteht aus Mangel

u n d aus V e r w e c h s -

der A u f m e r k s a m k e i t auf die B i l d e r ,

l u n g derselben, v. 7 9 2 - 8 1 0 . nicht Z w e c k ,

trieb entstehe, v. 8 4 5 - 8 6 3 . Des Schlafes, v. 8 9 4 - 9 4 7 . auf die

Der G e h r a u c h ,

sondern Folge ihrer E i n r i c h t u n g ,

Wirkungen

den w i r ΛΌΠ den Dingen m a c h e n , v. 8 1 1 - 8 4 4 .

Der Träume, τ. 948-1007.

A n w e n d u n g der Bildertheorie Schilderung

Aeufsere nachtheilige F o l g e n , v. 1 0 9 9 - 1 l 3 l .

V e r l i e b t e n , v. I I 3 2 - 1248.

ist

W o h e r der ÎSahruugs-

E r k l ä r u n g des Gehens aus der Bildertheorie, v. 8 6 4 - 8 ( j 3 .

des sechsten S i n n e s , v. 1 0 0 8 - 1 ο 5 3 ·

TJnsinns, v. l o 5 4 - 1098.

Täu-

Quellen vernünftiger Liebe, τ . i 2 Ì g - 1 2 j S ·

des ¡verliebten Blindheit der

ν.

1 —

ip.

υ n g e b a h n t e G e f i l d e der P i e r i d e n durchwandr' i c h , D i e k e i n F u f s n o c h b e t r a t ; die ungekosteten

Quellen

W i l l ich suchen und s c h ö p f e n , und neue B l u m e n mir brechen, M e i n e r S c h e i t e l daraus den h e r r l i c h e n K r a n z zu b e r e i t e n , W o m i t k e i n e m zuvor die M u s e die S c h l ä f e v e r h ü l l t hat. D e n n ich belehre vorerst von erhabenen D i n g e n , und suche Aus dem v e r s t r i c k e t e n N e t z der R e l i g i o n e n die S e e l e L o s z u w i n d e n ; und dann v e r b r e i t ' ich n o c h ü b e r das D u n k l e L i c h t e n G e s a n g , m i t dem R e i t z der M^usen alles b e s p r e n g e n d ; D e n n es s c h e i n e t auch diefs n i c h t ganz e n t f e r n e t von Gründen. Sondern w i e h e i l e n d e Aerzte , w a n n K i n d e r n sie w i d r i g e n W e r m u t h W a g e n zu r e i c h e n , zuvor den R a n d des B e c h e r s bestreichen M i t dem g e l b l i c h e n S a f t e des süfsen H o n i g s ; damit sie T ä u s c h e n den unvorsichtigen S i n n und die kindische L i p p e ; D ie indessen v e r s c h l u c k e t den T r a n k des bitteren "Wermuths, U n d durch solches B e n e h m e n g e t ä u s c h t , und doch n i c h t b e t r o g e n , S o n d e r n v i e l m e h r e r q u i c k t , G e s u n d h e i t und L e b e n empfanget. Also n u n m e h r auch i c h ; da den meisten widrig und herb scheint D i e s e L e h r e , die n i c h t h i n l ä n g l i c h von ihnen erforscht i s t ;

VIERTES

BUCH.

v. 20 — 45.

U n d «1er Pöbel davor z u n i c k e s c h a u d e r t ; so w o l l t ' icli Im .süfsredenden L i e d e der P i e r i n n e n die Gründe D i r auslegen , und gleichsam besprengen mit H o n i g der M u s e n , Oh es auf diese W e i s e v i e l l e i c h t mir möge g e l i n g e n , F e s t dir zu halten den Geist in meinen V e r s e n ,' bis ganz du o Schauest der D i n g e N a t u r , und fühlest von diesem den Nutzen. U n d nachdem ich g e l e h r t , w i e die StoiFe der D i n g e beschaffen, W i e s i e , verschieden an Form u n d G e s t a l t , durch e w i g e n Antrieb F r e i u m s c h w ä r m e n im L e e r e n ; auf w e l c h e r l e i W e i s e die D i n g e A l l e k ö n n e n aus ihnen geschaffen w e r d e n : nachdem ich W e i t e r e r k l ä r t der S e e l e N a t u r ; w o r a u s sie bestehe, U n d mit dem Körper vereint in lebenden Kräften sich ä u f s ' r e ; U n d w i e von ihm sie g e t r e n n t , in die U r a n f ä n g e z u r ü c k k e h r t : M u f s ich dir zeigen a n j e t z t , w a s noch in g e n a u e r B e z i e h u n g M i t dem v o r h e r i g e n s t e h t , dafs w i r k l i c h d e r g l e i c h e n es gebe, Yon uns benannt die B i l d e r der D i n g e , die gleichsam w i e Häufchen A b g e s t r e i f e t vom obersten R a n d der Flächen der Körper A l l e n t h a l b e n in L ü f t e n umher sich treiben und s c h w ä r m e n : Eben dieselben auch sind's , die oft im W a c h e n , in Träumen, U n s erscheinen und schrecken ; indem w i r Gestalten vor uns sehn Seltsamer A r t , und B i l d e r der längst verblichenen M e n s c h e n ; D i e v o m ermatteten Schlaf z u w e i l e n mit grausendem Schrecken U n s e r w e c k e n : dafs nicht du w ä h n e s t , es könnten die S e e l e n Aus dem Orkus entfloh'n, noch unter L e b e n d i g e n

flattern

H i e r als S c h a t t e n ; auch n i c h t , dais irgend nur e t w a ein T h e i l nocli Könne z u r ü c k e b l e i b e n von uns , nach unserem T o d e ;

V I E R T E S

BUCH.

v. 46 —

71·

W a n n sich s c h o n a u f g e l ö s t mit dem K ö r p e r der S e e l e N a t u r h a t , U n d nun jedes z u r ü c k in die U r e l e m e n t e g e k e h r t ist. A l s o s a g ' i c h , es senden die O b e r f l ä c h e n der K ö r p e r D ü n n e F i g u r e n v o n s i c h , die E b e n b i l d e r der D i n g e ; H ä u t c h e n m ö c h t ' ich sie nennen, u n d g l e i c h s a m die H ü l s e n v o n d i e s e n ; D e n n sie g l e i c h e n an F o r m u n d G e s t a l t dem n ä m l i c h e n K ö r p e r , D e m entflossen u m h e r sie die f r e i e n L ü f t e d u r c h s c h w ä r m e n . U n d diefs l ä f s t sich a u c h l e i c h t mit h a l b e n S i n n e n b e g r e i f e n . S e h e n v o n D i n g e n w i r n i c h t , die w i r a u g e n s c h e i n l i c h erkennen, K ö r p e r sich s o n d e r n , die theils sich a u f g e l ö f s e t z e r s t r e u e n ; W i e aus dem H o l z e der R a u c h , aus dem F e u e r die dünstende W ä r m e , T h e i l s auch d i c h t e r v e r w e b t , u n d näher z u s a m m e n g e d r ä n g t sind. W^ie, w a n n die h o l d e C i c a d e das r u n d l i c h e R ö c k c h e n im S o m m e r A b w i r f t , o d e r das K a l b v o n dem K ö r p e r s t r e i f e t die H ä u t e B e i der G e h u r t ; auch n o c h , w e n n an D o r n e n die s c h l ü p f r i g e S c h l a n g e L ä s s e t ihr K l e i d ,

dafs den

flatternden

R a u b an B ü s c h e n w i r sehen.

Z e i g t die E r f a h r u n g uns d i e f s , so müssen auch dünnere B i l d e r S e n d e n die D i n g e v o n s i c h , v o m äufsersten R a n d e d e r s e l b e n ; D e n n auch der mindeste G r u n d ist n i c h t v o r h a n d e n zu g l a u b e n , J e n e l ö f s ' t e n sich l e i c h t e r , als d i e s e , die f e i n e r g e w e b t sind. I n s b e s o n d e r e n o c h , da w i n z i g e T h e i l c h e n in M e n g e L i e g e n am äufsersten R a n d der K ö r p e r , in v o r i g e r O r d n u n g H i n g e w o r f e n zu w e r d e n , sich F o r m u n d G e s t a l t zu erhalten. S c h n e l l e r a u c h k ö n n e n sie d a s , w e i l minder sie H i n d e r n i f s f i n d e n ; S i e , die g e r i n g an Z a h l , u n d gestellt zunächst an den R a n d sind. M a n c h e s sehen w i r j a , das h i n s c h i e f s t , oder a u c h a u f s t e i g t ,

l 5

2

V I E R T E S

BUCH.

v.

72 —

97.

N i c h t , w i e w i r sagten z u v o r , aus dem I n n e r e n selbst und dem Ganzi S o n d e r n v o m äufsersten S a u m , und selbst von der F a r b e der D i n g e . H.-ufig b e m e r k e t man das an den g e l b l i c h e n , rötlilichen , b l a u e n , T e p p i c h e n , w e l c h e gespannt hoch über das w e i t e T h e a t e r W o g e n d s c h w e b e n , allda v e r b r e i t e t an M a s t e n und B a l k e n . D e n n der V e r s a m m l u n g unteren R a u m , den h e r r l i c h e n S c h a u p l a t z , S i t z e der V ä t e r und M ü t t e r , der G o t t e r erhabene B i l d e r , T ü n c h e n sie an , sie z w i n g e n d in ihrem G e f ä r b e zu s c h w a n k e n . U n d sind enger u m h e r des T h e a t e r s W ä n d e v e r s c h l o s s e n , D a n n l a c h t f r ö h l i c h e r n o c h v o m e r g o s s e n e n R e i t z e der U m f a n g , W a n n g e n a u e r z u s a m i n e n g e f a f s t der S c h i m m e r des T a g ' s ist. L a s s e n die T ü c h e r demnach v o n der obersten F l ä c h e die S c h m i n k e F a h r e n ; w i e sollte denn nicht ein zartes G e b i l d e der D i n g e J e d e s e n t l a s s e n , da beides a u f ä h n l i c h e W e i s e v o m R a n d s c h i e f s t ? A l s o giebt es g e w i f s bestimmte S p u r e n der F o r m e n , W e l c h e s c h w ä r m e n u i n h e r , v o m dünnsten F a d e n g e s p o n n e n ; E i n z e l n jedoch und getrennt sind s o l c h e dem A u g e nicht sichtbar. R a u c h und D a m p f und G e r u c h , u n d ähnliche D i n g e v o n diesen, W a l l e n in M e n g e zertheilt h e r v o r aus den D i n g e n , und darum, W e i l , in dem. Innern e r z e u g t , indem aus der T i e f e sie dringen, S i e die K r ü m m e des W e g e s zerreifst ; es m a n g e l t der A u s g a n g , W o sie geraden W e g s und u n z e r t r e n n e t entflössen. YY i r f t h i n g e g e n ein S c h e l f c h e n sich ab v o m R a n d e der F ä r b u n g , F i n d e t sich n i c h t s , w a s zerreissen es k ö n n t ' ; es l i e g t an der F l ä c h e , U n d an dem obersten Saum ', w o es u nCg»e h i n d e r t d a v o n eilt. F e r n e r , G e b i l d e , die w i r in dein S p i e g e l s e h e n , im W a s s e r ,

VIERTES

BUCH.

v. 98 —

123.

153

Oder auch überhaupt auf jeglicher glänzenden Fläphe, Müssen, dieweil sie selbst den Dingen so gleich an Gestàlt sind, Auch aus Bildern bestehn. die von solchen Dingen sich lö§en. Nämlich der mindeste Grund ist nicht vorhanden zu glauben, Jene sichtbare Körper, die mehreren Dingen entweichen, Löseten leichter sich ab , als diese die feiner gewebt sind. U n d so giebt es demnach Abdrücke der F o r m e n , die zart sind, U n d verschieden von jenen; die z w a r nicht einzeln man sehn kann, Immer und häufig jedoch von der klaren Fläche des Spiegels A b g e t r i e b e n , erblickt s i e , gereitztvon ihnen das Auge. A u c h kein anderer Grund ist d a , woraus sich erklärte, W i e sie doch jeder F i g u r so ähnlich sich könnten erhalten. A u f , und lerne du jetzt, w i e zart von Beschaffenheit müsse Seyn des Bildes Natur; um so mehr, da die Stoffe so weit siüd Unseren Sinnen èntfernt, so viel noch kleiner als alles, W a s mit dem Sinne'des Auges wir nur zu erfassen vermögen; U n d , damit içh dir noch darstelle, wie fein, die Natur sey Aller anfänglichen S t o f f e , vernimm mit w e n i g e m dieses. Erstlich finden sich T h i e r c h e n , so klein in ihrer Natur schon, D a f s der gedritte T h e i l von ihnen nicht kennbar dem A u g ' ist. N u n von diesen w i e grofs mag jeglicher innere T h e i l s e y n ? W e l c h ' ein Pünktchen das H e r z ? die A u g e n ? die übrigen G l i e d e r ? E n d l i c h die Stoffe s o g a r , aus welchen die Seele bestehet? Kannst du was feineres d i r , was w i n z i g e r w ä r e , dir d e n k e n ? Kräuter von scharfem G e r u c h , als S c h a f k r a u t , w i d r i g e r Wermuth, S t a b w u r z , T a u s e n d g ü l d e n , die h e r b ' u n d strenger N a t u r sind ; Liieret. I .

20

VIERTES

154W a n n du

v o n

BUCH.

v. 124 —

1/.3.

ihnen eins auch noch so gelinde berührest,

W i r s t du sogleich es g e w a h r , dafs viele Gebilde derselben S c h w ä r m e n , auf mancherlei A r t , nicht fähig das Auge zu reitzen : A b e r , w e r könnte berechnen, mit W o r t e n auch nur es bezeichnen, W e l c h ein geringer Theil annoch von diesem das Bild s e y ? Halte die Bilder jedoch, die los von den Dingen sich treiben. Nicht f ü r die einzigen n u r ; auch andere Arten noch giebt es, D i e sich erzeugen von selbst, und in diesem Himmel sich bilden, D e n w i r den L u f t k r e i s nennen: w i e solche zuweilen w i r sehen D u r c h die W o l k e n entstebn, die sich hoch aufthiirmen im L u f t r a u m , U n d das heitre Gesicht der W e l t mit D u n k e l entstellen. D i e s e erheben sich n u n , auf mancherlei W e i s e gebildet, Aendern sich unaufhörlich , zerfliefsen in neue Gestalten, U n d auf mancherlei Art verwandeln sie Formen und Umrifs, Fächelnd die L u f t durch ihre B e w e g u n g : w i r sehen sie oftmals Schweben als Riesengestalten , mit weithinziehenden Schatten ; O f t auch sehen w i r B e r g e , den Bergen entrissene Felsen, B a l d der Sonne v o r a n , bald hinter derselbigen gleiten; Ungeheuer auch schleppen sich nach in anderen W o l k e n . Höre n u n , w i e sich dieselben so leicht und flüchtig bewegen, Unaufhörlich entfliefsend, und stets abgleitend den Körpern. Immer ein äufserstes quillt empor in F ü l l e von D i n g e n , W e l c h e s sie von sich schiefsen ; und trift es auf andere Körper, D a n n dringt solches hindurch; am meisten durch Stoffe der K l e i d e r : T r i f t es jedoch auf rauheren Stoff der S t e i n e , des Holzes, W i r d es zerrissen, und giebt kein B i l d zurück von denselben ;

V I E R T E S

BUCH.

y . 150 —

175.

155

Stellet sich e t w a s j e d o c h , das dicht und g l a t t ist e n t g e g e n , U n d v o r z ü g l i c h der S p i e g e l ,

so trägt dergleichen sich n i c h t z u :

D e n n durchdrungen kann es ihn n i c h t , w i e das K l e i d , a u c h zerrissen W i r d es n i c h t , da z u v o r schon selbst die G l a t t ' es b e s c h ü t z t hat. D a h e r fliefsen in M e ñ g e zurück die B i l d e r des S p i e g e l s ; U n d so schnell du ein D i n g h i n s t e l l e s t , in w e l c h e r M i n u t e , W a s f ü r ein D i n g es auch s e y , s o g l e i c h erscheinet das B i l d dir. D i e s e s beweifst,

dafs stets den obersten F l ä c h e n der K ö r p e r

B i l d e r entfliefsen v o n dünnem G e w e b ' , und leise Gestalten. U n d so b e w e g e n im kleinsten M o m e n t sich B i l d e r in M e n g e , D a f s man init R e c h t benennen sie m a g , die schnellsten Geburten. U n d w i e die Sonne von sich ausschiefset die h ä u f i g e n Stralen I n der k ü r z e s t e n F r i s t , stets alles damit z u e r f ü l l e n , M ü s s e n auf ähnliche A r t die l e i c h t e n G e b i l d e der D i n g e S c h n e l l a b f l i e g e n , und sich in dem A u g e n b l i c k e v e r b r e i t e n ; V i e l , auf mancherlei A r t , n a c h j e g l i c h e r Seite g e r i c h t e t : D e n n , w i e immer auch nur den S p i e g e l w i r drehen und w e n d e n , S p r i c h t in der nämlichen F o r m , mit der nämlichen F ä r b ' , uns d i e S a c l i ' a n . F e r n e r , so rein auch z u v o r des H i m m e l s lichte Gestalt w a r , Ist u r p l ö t z l i c h er doch entstellt und trübe von allen S e i t e n ; s o , dafs du g l a u b e s t , die N ä c h t e des A c h e r o n s alle S e y e n h e r a u f g e s t i e g e n , z u f ü l l e n die H ö h l e n des H i m m e l s : Solch

ein S c h r e c k e n g e s i c h t zusammengedrängter G e w i t t e r

H ä n g t v o n oben herab in scheufslicher F i n s t e r n i f s nieder. W e l c h ein g e r i n g e r T h e i l annoch v o n diesen das B i l d sey, W e r k a n n solches b e r e c h n e n , m i t W o r t e n auch nur es

bezeichnen?

jgg

Auf,

Y J E R T E S

m't

BUCH.

v.

176



20l.

welcher Schnelligkeit nun sich treiben die Bilder,

W i e sie mit eilender Rege begabt durchschwimmen die L ü f t e , Sich in dem kleinsten Moment zu den fernsten W e i t e n begeben, W o nur jegliches hin nach seinem verschiedenen W i n k strebt; W i l l ich in wenigen zwar doch lieblichen Versen dir zeigen. W e n i g e Töne des Schwans sind besser , als jenes Gekreische, W e l c h e s die Kraniche dort verbreiten in W o l k e n des Austers. Erstlich siehet man oft-sehr leichte D i n g e , von äufserst Kleinem Bestände, begabt mit eilender schneller Bewegung. Unter diese gehöret das L i c h t , und die W ä r m e der Sonne; Denn sie beide bestehn aus den feinesten Arten der Stoffe. Diese geschlagen gleichsam , gestofsen durch hinteren Antrieb, Säumen sich nicht durch die Räume der L u f t aufs schnellste zu dringen; Augenblicklich ersetzt ein L i c h t das andere wieder, Blitze stacheln den Blitz in ununterbrochener Folge ; Und es müssen daher auf die nämliche W e i s e die Bilder In unmerklicher Zeit unermefsliche W e i t e n ereilen : Nicht nur w e i l aus der Ferne schon her das zarte Gefolge Immer von hinten sie t r e i b t , und vorwärts drängt, und sie fort stöfst; Sondern auch, w e i l sie so leicht und dünn von Gewebe beschaffen, Dafs sie durch jegliches Ding ohn' alle Bemühung zu dringen, Gleichsam die Zwischenräume der L u f t zu durchfliefsen vermögen. Mögen die Körperchen n u n , die im inneren Wesen erzeugt sind, Und sich entbinden von d a , w i e L i c h t und W ä r m e der Sonne, Mögen diese sich schon im Momente der Zeit durch die weiten Räume des Himmels ergiefsen, und i h n , und das M e e r , und die Erde

V I E R T E S

BUCH.

v. 202 —

227.

Ueberströmen ; so s c h n e l l , so l e i c h t b e w e g l i c h im Flugeí, S o l l t e n die B i l d e r denn n i c h t v o n der äufsersten F l ä c h e der K ö r p e r A b g e s c h n e l l e t , die nichts auf ihrem W e g e zurück hält, S o l l t e n sie n i c h t w e i t schneller die fernesten R ä u m e d u r c h l a u f e n ? N i c h t in der Z e i t , w o S o l durch den H i m m e l die S t r a l e n

verbreitet,

E b e n d e n s è l b i g e n R a u m v i e l f a c h und ö f t e r d u r c h m e s s e n ? N o c h zum k l a r e n E r w e i s e der schnellen B e w e g u n g der B i l d e r D i e n t v o r andern a u c h d a s : w a n n die r e i n e F l ä c h e des W a s s e r s W i r d in das F r e i e g e s t e l l t , b e y gestirnetem heiterem H i m m e l , S t r a l e n im A u g e n b l i c k e zurück die L i c h t e r des W e l t b a u s . S i e h s t du h i e r a u s , w i e das B i l d so s c h n e l l , und im B l i c k e der Z e i t nur F ä l l t von den G r e n z e n des A e t h e r s h i n a b a u f die G r e n z e n der E r d e ? U n d so z w i n g t dich demnach auch diese so seltsame S a c h e , K ö r p e r e i n z u g e s t e h n , die das A u g e t r e f f e n und r e i t z e n ; I m m e r w ä h r e n d e n t s t e h n , u n d i m m e r entfliefsen den D i n g e n ζ S o w i e den F l ü s s e n K ä l t e , der S o n n e die W ä r m e , der M e e r f l u t S a l z h a u c h , w e l c h e r z e r f r i f s t die M a u e r n an i h r e m G e s t a d e . T ö n e v e r s c h i e d e n e r A r t durchfliegen a u c h immér die L ü f t e ; G e h n w i r am U f e r des M e e r e s , so setzt an unsere L i p p e n S i c h ein G e s c h m a c k v o n S a l z ; und w o man b e r e i t e t den W e r m u t l i , S t e i g t , w e n n w i r nahe d a b e i , ein bitteres a u f zu dem M u n d e . A l s o enttreiben sich stets im F o r t f l u f s D i n g e den D i n g e n , W e l c h e sie a l l e r w ä r t s u n d nach j e g l i c h e r S e i t e versenden : K e i n e R u h e n o c h R a s t h e m m t ihren strömenden A u s f l u f s ; I m m e r ja w i r d die E m p f i n d u n g e r r e g t ; w i r sehen ja immer, R i e c h e n i m m e r , u n d stets v e r n e h m e n w i r T ö n e des L a u t e s .

l 5 8

V I E R T E S

B U C H .

v. 2 2 8 —

253.

Ferner da jede F i g u r , w a n n unsere Hand sie betastet I n der finsteren N a c h t , f ü r die nämliche w i e d e r erkannt w i r d , W e l c h e man sieht bey L i c h t , im Schimmer des T a g e s ; so mufs denn A e h u l i c h e r Grund den Sinn des G e f ü h l s und Gesichtes erregen. F ü h l s t du demnach im D u n k e l der N a c h t betastend ein V i e r e c k , W a s kann anders b e y L i c h t z u dieser Gestalt sich h i n z u t h u n , A l s des V i e r e c k s B i l d ? so scheinet demnach in den B i l d e r n L i e g e der G r u n d , dafs w i r s e h e n ; und ohne die W i r k u n g derselben K ö n n e durchaus k e i n D i n g sich sichtbar z e i g e n dem A u g e . D i e s e B i l d e r d e m n a c h , v o n denen i c h rede , v e r b r e i t e n S i c h ü b e r a l l , u n d w e r f e n sich h i n nach j e g l i c h e r S e i t e ; D a w i r j e d o c h allein m i t dem A u g e z u sehen v e r m ö g e n , K ö m m t e s , dafs nur v o n da , w o h i n sich w e n d e t das A u g e , D a nur getroffen es w i r d v o n Gestalt u n d F a r b e der D i n g e . A u c h b e w i r k e n die B i l d e r , dafs w i r v o n den D i n g e n den A b s t a n d S e h e n , und dafs w i r hierin sie z u unterscheiden v e r m ö g e n . D e n n sobald sich das B i l d ablöset so treibet und stöfst es A l l e z w i s c h e n dem A u g ' und ihm sich b e f i n d e n d e L u f t fort; D i e s e dringet sodann bis hin z u dem A u g e , bestreichelt Gleichsam um die P u p i l l ' es z u e r s t , u n d s c h l ü p f e t h i n e i n dann. D a d u r c h sehen w i r nun den A b s t a n d j e g l i c h e s D i n g e s ; D e n n je gröfser die M a s s e , je länger die Säule der L u f t ist, W e l c h e das A u g e b e s t r e i c h t , um desto entferneter scheint uns J e g l i c h e Sache z u seyn.

Jedoch diefs alles geschiehet

M i t u n g l a u b l i c h e r E i l ' , indem w i r das E i g n e des D i n g e s , U n d mit diesem z u g l e i c h desselben E n t f e r n u n g bemerken.

VIERTES

BUCH,

vi 254 — 279.

W u n d e r darf es uns nicht bey diesen Erscheinungen nehmen, D a f s die B i l d e r , die uns in die Augen treffen, ob sichtbar Einzeln sie uns nicht s i n d , doch sichtbar machen die D i n g e . F ü h l e n w i r doch den fächelnden W i n d , den schneidenden Frosthauch, N i c h t in jedem der T h e i l c h e n , vielmehr im Ganzen der W i r k u n g ; Gleichsam w i e S t r e i c h e , die uns

von einem

Körper von aufsen

•Zugefüget, uns dessen G e f ü h l und E m p f i n d u n g ertheilten. E b e n s o , wann w i r den Stein mit dem F i n g e r stofsen, berühren W i r das Aeufserste nur, die oberste Farbe des Körpers ; D e n n o c h fühlst du sie n i c h t , du fühlest die Härte des Körpers, D i e in dem ganzen S t e i n , im Innern desselben enthalten. A u f , und lafs dir nunmehr den Grund angeben, warum w i r In dem Spiegel das B i l d jenseits erblicken ; denn w i r k l i c h Scheinet es tiefer in ihm hineingerücket; w i e etwa D i n g e , die aufsen w i r sehn durch die T h ü r e , w a n n diese geöffnet F r e i e Durchsicht gewährt ; w o d u r c h aus dem inneren Hause Gegenstände von mancherlei Art man aufsen erblicket. D e n n es b e w i r k t sich das Sehen auch hier durch doppelte L u f t s c h i c h t : E i n m a l nämlich die L u f t disseits der Pfosten der Thüre, W o sich die F l ü g e l alsdann zu beiden Seiten eröffnen; D a n n w i r d äufseres L i c h t die Augen bestreichen, und andre L u f t s c h i c h t , welche mit sich die Ansicht bringet von aufsen. S o , wenn sich losgeworfen zuerst vom Spiegel das B i l d hat, Treibet und stöfst es die L u f t , die zwischen ihm und dem A u g ' ist, B i s es dieses erreicht, und macht, dafs w i r eher die L u f t noch Als den Spiegel empfinden : so bald w i r den Spiegel doch selber

l ö e

VIERTES

BUCH.

v. 230 —

305.

H a b e n empfunden » s o k o m m t das v o n uns gesendete B i l d auch "Wieder mit i h m , und kehret z u r ü c k zum A u g e g e w o r f e n : D i e s e s treibt eine andere L u f t , und w ä l z e t sie v o r sich, M a c h t , dafs diese w i r e h e r , als selbst das B i l d n o c h e r b l i c k e n ; D a h e r scheinet uns diefs so w e i t entfernet im S p i e g e l . A l s o dürfen sich d i e , die des Spiegels W i r k u n g erklären D u r c h die g e d o p p e l t e n S c h i c h t e n der L u f t , auf k e i n e r l e i W e i s e W u n d e r n h i e r ü b e r ; die Sache g e s c h i e h t durch beide der Schichten. D a f s nun der S p i e g e l den T h e i l v o n unserem K ö r p e r , der rechts ist, L i n k s uns z e i g t , das rühret' d a h e r , w e i l die Glätte des Spiegels D a s anprallende B i l d n i c h t unverändert z u r ü c k s c h i c k t , Sondern gerades W e g e s es r ü c k w ä r t s stöfset und a u s p r ä g t : W i e , w e r eine L a r v e v o n T h o n a n w ü r f an den P f e i l e r , O d e r g e g e n den B a l k e n , noch ehe sie v ö l l i g g e t r o c k n e t , W ü r d e d i e s e l b e , w o f e r n e sie nur in der v o r i g e n B i l d u n g G r a d sich e r h i e l t , und zurück auf die andere Seite sich drückte, R e c h t s uns z e i g e n a l s b a l d , w a s z u v o r n o c h l i n k s uns erschienen, W i e d e r das L i n k e rechts , durch eben dieselbige W e n d u n g . D a s auch geschieht, dafs ein S p i e g e l das B i l d dem andern z u w i r f t ; O f t sich das nämliche B i l d w o h l f ü n f m a l z e i g e t und s e c h s m a l ; So , dafs man alles d a m i t , w a s im inneren H a u s e v e r s t e c k t l i e g t , Ist es auch abgelegen und s c h i e f , entrücket dem A u g e , D u r c h die g e k r ü m m e t e n G ä n g e , mit H ü l f e der mehreren S p i e g e l , Z u sich h e r v o r mag l e i t e n , und b e i sich im Z i m m e r e r b l i c k e n : So sehr l e u c h t e t das B i l d h i n ü b e r v o n S p i e g e l z u S p i e g e l . G i e b t nun dieser die L i n k e , so w i r d sie im nächsten zur R e c h t e n ;

V I E R T E S

BUCH.

ν. 306

~

K e h r t dann a u f s n e u e z u r ü c k , u n d w e n d e t a u m v o r i g e n w i e d e r . H a b e n die S p i e g e l noch S e i t e n , begabt mit ähnlieber B e u g u n g U n s e r e s K ö r p e r s , so s e n d e n isie r e c h t s d e s w e g e n d i e B i l d e r W i e d e r zurück : entweder d i e w e i l ,

hinübergeworfen

V o n dem S p i e g e l z u m S p i e g e l , das B i l d u n s d o p p e l t g e p r ä g e t Z u f l i e g t ; o d e r s i c h a u c h v o n da u m w e n d e t i m K o m m e n , W e i l die • g e b o g ' n e F i g u r es l e h r e t s i c h n a c h u n s z u d r e h e n . F e r n e r s c h e i n e n m i t u n s e i n h e r d i e B i l d e r zu s c h r e i t e n , A e h n l i c h e n S c h r i t t z u h a l t e n , u n d g l e i c h e G e b e r d e n zu m a c h e n : U n d d i e f s r ü h r e t d a h e r , w e i l s o g l e i c h v o n der S e i t e des S p i e g e l s , W o du z u r ü c k e t r i t t s t , z u r ü c k n i c h t k e h r e n die B i l d e r ; D e n n ein G e s e t z der N a t u r z w i n g t j e d e n K ö r p e r , v o m a n d e r n W i e d e r z u r ü c k z u s p r i n g e n in e b e n d e r s e l b i g e n B e u g u n g . G l ä n z e n d e D i n g e b e l e i d ' g e n das A u g ' , u n d b l e n d e n d i e B l i c k e : Ja,

n a c h der S o n i l e z u s c h a u n m i t u n v e r w a n d t e m G e s i c h t e

M a c h t erblinden ; denn grofs ist ihre G e w a l t ,

u n d v ô n obeli

W e r d e n m i t M a c h t d u r c h den A e t h e r h e r a b g e t r i e b e n d i e B i l d e r ; T r e f f e n dann h ä r t e r das A u g ' , u n d z e r r ü t t e n s e i n f e i n e s G e w e b e . A u c h der s c h ä r f e r e G l a n z e n t z ü n d e t z u w e i l e n das A u g e ; D e s h a l b , w e i l er z u v i e l der f e u r i g e n S a m e n b e s i t z e t , D i e in das A u g e d r i n g e n , u n d S c h m e r z e n d a r i n n e n e r r e g e n . Alles erscheinet g e l b , w e m

G e l b s u c h t h a f t e t im

Auge;

W e i l der g e l b l i c h e S c h l e im z u f l i e f s t aus dem ü b r i g e n

Körper,

U n d a u f d i e B i l d e r s i c h s e t z t ; u n d dann a u c h f i n d e t n o c h S i c h in d e m A u g e der K r a n k e n g e m i s c h t , das m i t J e g l i c h e n Gegenstand b e m a h l t , und denselben I-ucret. I .

vieles

h ä f s l i c h e r

Bleiche

beflecket. 2 1

V I E R T E S

i 6 2

BUCH.

V. 3 3 2



357-

j^us der Finsternifs sehen w i r das, was stehet im Lichtglanz ; JDeshalb,

weil wenn zuerst die schwarze nähere L u f t sich

Eingediänget ins A u g ' , und Besitz von demselben genommen, Alsogleich ihr darauf die glänzende leuchtende L u f t folgt, W e l c h e reinigt das A u g ' , und die schwarzen Schatten zerstreuet Jener finsteren L u f t : denn reger ist diese bei weitem, Ist w e i t f e i n e r , und mehr als jene vermögend an Kräften. Hat nunmehro ihr L i c h t die W e g e des Auges erfüllet, Und die Gänge geräumt, die zuvor die schwarze besetzt hielt, Treten sogleich die Bilder h e r e i n , die sich finden im Lichtraum, Decken sich a u f , und reitfcen alsbald zum Sehen das Auge. Umgekehrt ist dennoch der Fall vom L i c h t in das D u n k e l ; W e i l die verfinsterte L u f t erst spät und dicker darauf folgt, Alle die Oeffnungen f ü l l t , dem Auge verstopfet den Zugang, Dafs sich die zarten B i l d e r , die zugedecket von ihr sind, Nun auf keinerlei Art in dem Auge können bewegen. Dafs uns die eckigen Thürme der S t a d t , die von weitem w i r sehen, Rund erscheinen, das rühret daher, w e i l jeglicher W i n k e l Stumpf in der Ferne sich zeigt, vielmehr auch gänzlich sich nicht zeigt, Sondern die W i r k u n g erlischt, und der Stöfs erreichet den Blick nicht; Da die mehrere L u f t , durch welche die Bilder sich treiben, Häufig an solche stöfst, und stumpfer zu werden sie zwinget. Und da jeglicher W i n k e l sich nun entziehet dem Auge, Köinmt's , dafs der steinerne Bau beinah' ins Runde gedreht scheint; Nicht als Dinge jedoch von klarer und deutlicher Ründung, Sondern mit Schatten gleichsam bedeckt, und dunkel geähnlicht.

VIERTES

BUCH.

v. 358 — 383·

165

Eben so scheinet uns auch im Sonnenlichte der Schatten Sich zu b e w e g e n , uns nachzutreten, Geberden und Stellung Nachzuahmen; wenn anders vom Licht berauheten Luftraum Glauben du magst, er gehe, begleitend des Menschen Geberde. D e n n , was war' es doch sonst, das Schatten zu nennen w i r pflegen, Als nur die L u f t des Lichtes beraubt? diefs aber erfolget, W a n n fortschreitend im Gehn von gewissen Stellen der Erde W i r abhalten das Licht der Sonne; doch was w i r verliefsen Füllt sich s o g l e i c h : so kömmt's, dafs immer der vorige Schatten, Und von der nämlichen S e i t e , dem Körper scheinet zu folgen; Denn die erneueten Strahlen des Lichts ergiefsen sich immer, Und das vor'ge verlischt, w i e W o l l e durchs Feuer gezogen. L e i c h t wird also beraubet des L i c h t s der Boden, und leicht w i r d W i e d e r derselbe g e f ü l l t ; wäscht von sich die düsteren Schatten. Nimmer räum' ich es e i n , dafs allhier sich die Augen betrügen. Ihnen gebühret zu s e h n , w o L i c h t und wo Schatten befindlich; Ob es jedoch dasselbige L i c h t , ob eben der Schatten, Der hier w a r , auch jener noch s e y , der vorübergegangen; Oder die Sache sich mehr, w i e zuvor w i e gesaget, verhalte, Das zu entscheiden gebühret zuletzt dem verständigen Urtheil; Denn das Auge für sich dringt nicht in das innere Wesen : Und so schreibe dem Auge nicht zu den Fehler des Geistes. Unser segelndes Schilf scheint stille zu stehen, und jenes, Das auf der Rhede l i e g t , das scheinet vorüber zu g l e i t e n : Hügel und Felder entfl'iehn dem aufgespanneten Segel, Und entweichen vor uns zu dem Hintertheile des Schiffes.

l64 S c h e i n e n die

VIERTES

BUCH.

v. 304 — 4°ί>·

Sterne djv nicht, w i e angeheftet am Himmel,

Stille zu stehen? und doch ist alles in steter B e w e g u n g : Denn sie steigen einpor, und sinken zum fernesten Ruhort, Hat ihr leuchtender Iiürper die Bahn des Himmels durchmessen. Eben so scheinet die Sonn' und der Mond an der Stelle zu bleiben; Und doch zeiget es sich in der T h a t , dafs sich beide bewegen. W e i t vorragende Klippen im M e e r , die also getrennt stehn Dafs auch Flotten hindurch zu segeln vermöchten , sie scheinen In der Ferne, vereint, Ein Eiland gröfseren Umfangs. Säulen und Vorhaus scheinen dem Knaben, der sich zur L u s t dreht, W a n n er nun stille steht, im Kreise sich also zu drehen, Dafs es W u n d e r ihn nimmt, dafs das Haus nicht über ihn einstürtzt. Hebt die Natur mit zitterndem L i c h t die purpurne Fackel Früh am Morgen empor, und traget sie über die B e r g e ; Dann sind öfters die B e r g ' , auf deren Gipfel die Sonne Scheinet zu stehn, und sie selbst zu berühren mit glühendem Feuer, Ein paar tausende kaum entfernet der Schüsse des Bogens, Kaum fünfhundert vielleicht der W ü r f e des kleineren Spiefses : Zwischen ihnen jedoch und der Sonne befinden sich Flächen Ungeheuerer Meere., den weiten ätherischen Küsten Untergebreitet; es liegen dazwischen der Länder zu tausend, Von verschiednen Geschlechtern bewohnt der Menschen und Thiere. Aber hingegen die L a c h e , die oftmals zwischen den Steinen Kaum sich des Fingers hoch auf den Strafsen sammlet und Wegen, Bietet uns unter der Erde so einen gewaltigen Abblick, Als sich von dieser der Schlund aufreifst zu den Höhen des Himmels :

VIERTES

BUCH.

v. 4 x 0

435-

165

W o l k e n g l a u b s t du zu s e h n , u n d u n t e r der E r d e den Himittel, U n d in der W u n d e r e r s c h e i n u n g des H i m m e l s v e r b o r g e n e K ö r p e r . H ä l t s t du m i t t e n im Strom, dein m u t h i g e s R o f s an, u n d schaust d a n n N i e d e r zur r e i f s e n d e n F l u t ; so s c h e i n e t des s t e h e n d e n T h i e r e s K ö r p e r v o n e i n e r K r a f t a u f w ä r t s dem S t r o m e g e t r i e b e n , U n d m i t j ä h e r G e w a l t sich diesem e n t g e g e n z u d r ä n g e n . W o du den B l i c k a l s d a n n h i n w i r f s t , da s c h e i n e t dir alles F o r t sich zu t r e i b e n , z u

fluten,

n a c h eben d e m s e l b i g e n Z u g e .

E n d l i c h der S ä u l e n g a n g , o b g l e i c h er gerad' in der S c h n u r l ä u f t , H i n in die L ä n g e sich s t r e c k t , auf die gleichen Säulen g e s t ü t z e t ; S t e h s t du j e d o c h am E n d ' , u n d ü b e r s i e h e s t das G a n z e , Z i e h t a l l m ä h l i g er sich in k e g e l s p i t z i g e F o r m zu, N ä h e r t dem B o d e n das D a c h , die r e c h t e Seite der l i n k e n , B i s er z u l e t z t a u s l ä u f t in die d u m p f e S p i t z e des Kegels. S c h i f f e r n s c h e i n e t im M e e r aus den W e l l e u die S o n n e zu steigen, U n t e r in W e l l e n zu g e h n , u n d i h r L i c h t allda zu b e g r a b e n ; D e n n sie sehen u m sich n i c h t s w e i t e r als W a s s e r tind H i m m e l : U n d so h ü t e dich j a , die S c h u l d auf die S o n n e zu s c h i e b e n . S e e u n k u n d i g e n a b e r e r s c h e i n e n im H a f e n die Schiffe An den W ä n d e n g e l ä h m t , e n t g e g e n den F l u t e n zu t r e i b e n : D e n n v o n den R u d e r n der T h e i l der h e r v o r s t e h t ü b e r der Salzflut, I s t v g e r a d ' , u n d g e r a d e des Schiffs v o r r a g e n d e S t e u e r ; Ab er w a s u n t e r die F l u t g e s e n k t i s t , s c h e i n e t g e b r o c h e n , W i e d e r z u r ü c k sich zu b e u g e n , u n d h i n sich zu w e n d e n nach oben ; J a in der B e u g u n g bein.ah' auf des W a s s e r s H ö h e zu s c h w i m m e n . F ü h r e n die W i n d e bei n ä c h t l i c h e r Z e i t z e r s t r e u e t e W o l k e n

ι66

V I E R T E S

B U C H ; ,

V. 4 3 6



Hoch am Himmel d a h i n , so scheinen die glänzenden S t e r n e Gegen

sie anzuschwimmen ; auf ihrem erhabenen W e g e

Ganz vom gewöhnlichen L a u f verschiedene Richtung zu nehmen. W e r es versucht mit der Hand empor ein Auge zu drücken, Glaubt nun alles gedoppelt zu sehn; gedoppelt den Leuchter M i t hochblühenden Kerzen, und doppelt den sämmtlichen Hausrath, Doppelt der Menschen G e s i c h t , und doppelt gestaltet die Leiber. Hat nun die Glieder der Schlaf mit süfsem Schlummer gebunden, S o , dafs der ganze L e i b in die tiefste R u h e versenkt liegt, Scheinet uns doch, als w a c h t e n , als regten sich annoch die Glieder. J a , w i r glauben zu sehn, in dem blinden Dunkel der Nacht selbst, Hoch am Himmel die S o n n ' , und das L i c h t des glänzenden Tages ; Glauben, am eingeschlossenen Ort, M e e r , Himmel und B e r g ' u n d Flüsse zurückzulassen, zu wandern durch weite Gefilde: Glauben noch Töne zu hören , bei ringsum schweigendem Ernste Einsamer Nacht; und glauben auch selbst noch Reden zu führen. Uebrigens sehen w i r noch der Wundererscheinungen viele, W e l c h e den Glauben in uns an die Sinne versuchen zu schwächen; Aber umsonst ; denn es ist in den meisten Fällen der Irrthum Unsres eignen Gemüths, den selbst zu der Sache w i r bringen, Und der sehen uns macht, was nicht uns zeigen die Sinne. Nichts ist schwieriger w o h l , als vor Augen liegende Dinge Abzusondern vom Z w e i f e l , den selbst das Gemüth sich hinzuthut. E n d l i c h , wenn einer behauptet, dafs nichts man w i s s e ; so weifs man Selbst auch dieses ja n i c h t , ob nichts in allem jnan wisse. Menschen von dieser Art zu bestreiten wäre vergeblich,

V I E R T E S

B U C H .

v . 462 —

4ß7-

167

W e l c h e den K o p f h i n d r e h n n a c h der S p u r , die m a n e b e n z u r ü c k l ä f s t . A b e r g e s e t z t , m a n g e s t u n d ' es i h m z u , er w i s s e das E i n e ; M ö c h t ' i c h d o c h f r a g e n , w o h e r , b e i der U n g e w i f s h e i t v o n a l l e m , M a n zur Erkenntnifs vom W i s s e n und vom N i c h t w i s s e n gelange? W o h e r der Unterschied v o m W a h r e n und Falschen

entstanden?

W i e man den Z w e i f e l t r e n n t , v o n dem w a ^ i n D i n g e n g e w i f s i s t ? F i n d e n w ü r d e s i c h d a n n , d a f s j e g l i c h e K e n n t n i f s des W a h r e n E r s t aus d e n S i n n e n e n t s t a n d e n , und unwiderleglich i h r Z e u g n i f s : D e n n es v e r d i e n e t d o c h w o h l d e n m e h r e r e n G l a u b e n , w a s d u r c h s i c h , B i o s d u r c h s e i n e N a t u r , m i t W a h r e m b e s i e g e t das F a l s c h e : W e m k a n n g r ö f s e r e r G l a u b e d a h e r als den S i n n e n g e b ü h r e n ? L ä s s t aus des S i n n e s B e t r u g s i c h g e g e n d i e s e l b e n e i n S c h l u f s z i e h n , D a doch jeglicher Grund allein auf die Sinne gestützt i s t ? W e l c h e , w o f e r n e sie t r ü g e n , m i t i h n e n a u c h a l l e V e r n u n f t t r ü g t . O d e r k ö n n t e das O h r d e m A u g e v e r w e i s e n den I r r t h u m ? O d e r d e m O b r das G e f ü h l ? u n d d i e s e m des M u n d e s G e s c h m a c k d a n n ? O d e r b e s t r e i t e t d i e N a s e j w a s g e g e n e r w e i f s e t das A u g e ? N i c h t ist's s o , w i e m i c h d ü n k t ; d e n n e i n e b e s o n d e r e K r a f t i s t J e g l i c h e m z u g e t h e i l t , u n d j e d e m das e i g n e V e r m ö g e n ; Dafs nothwendig dadurch, was weich,

w a s k a l t , o d e r w a r m ist,

A u c h d e m S i n n e so s c h e i n t ; d a f s der D i n g e v e r s c h i e d e n e F a r b e n , U n d w a s n o c h sich auf diese b e z i e h t , sich besonders e m p f i n d e . W i e d e r e i n e i g n e s V e r m ö g e n b e s i t z t der G e s c h m a c k , u n d e i n e i g n e s N o c h der G e r u c h ;

das G e h ö r e i n e i g n e s : w o r a u s d e n n e r h e l l e t ,

K e i n S i n n k ö n n e den a n d e r n a u s s e i n e m V e r m ö g e n b e s t r e i t e n . J a , sie k ö n n e n s i c h s e l b s t n i c b t u n t e r e i n a n d e r v e r w e r f e n ,

i € q

V I E R T E S

BUCH.

V.

488 —

W e i l stets jedem von ihnen derselbige Glaube gebühret; Folglich zu jeglicher Zeit das wahr i s t , was sie bezeugen. Kann auch gleich die Vernunft nicht immer die Gründe sich darthun, W i e es doch komme, dafs das, was ein Viereck war in der Nähe, Rund in der Ferne sich z e i g t ; so ist's doch besser, bei M a n g e l W a h r e r Erkenntnifs, den Grund unrichtig zu geben von beiden, Als aus den Händen zu lassen , was klar vor Augen uns d a l i e g t ; Aufzuheben damit den ersten Glauben , die Stützen Umzustofsen, worauf doch L e b e n eich gründét und W o h l f a h r t . Denn die Vernunft nicht nur , es stürzen die Pfeiler des Lebens Selber zusammen, w o du nicht wagest den Sinnen zu t r a u e n : Jähe Gegenden n i c h t , noch andere Dinge von der Art, Suchest zu meiden; dagegen die widrigen Dinge befolgest. Drum ist's eitles Geschwätz, was gegen die Sinne man aufbringt, Und wodurch man vermeint den Glauben an diese zu schwächen. W i e bei Errichtung des Bau's, wann die erste L i n i e falsch ist, W a n n von dem rechten W i n k e l das Richtmaas w e i c h e t , das Bleilotli Nicht den gehörigen Punkt aufs allergenaueste a n g i e b t ; Dann das ganze Gebäude dir schief und fehlerhaft dasteht, Hangend, schief und g e d r ü c k t , aus einander gezerret und w i d r i g ; Manches scheinet bereits im Begriff zu stürzen , und stürzt dann W i r k l i c h auch hin ; da zuerst die richtige Regel verfehlt war. Also müfste V e r n u n f t , auf trügliche Sinne gebauet, Falsch und trüglich auch seyn, wann der erste richtige Grund fehlt. W i e nun die übrigen Sinne empfinden den eigenen Vorwurf, Dahin gelangen w i r jetzt auf nicht zu beschwerlichem W e g e .

V I E R T E S

BUCH.

v. 5 1 4

— 559·

S c h a l l u n d S t i m m e v e r n i m m t man z u e r s t , w a n n S t o f f e v o n i h n e n , D r i n g e n d in unser O h r , a n s c h l a g e n an dessen

Organe:

K ö r p e r l i c h sind sie d a h e r , w e i l r ü h r e n sie k ö n n e n die S i n n e . D a h e r reitzet auch o f t den S c h l u n d e m p f i n d l i c h die Stimme* U n d ein h e f t i g G e s c h r e i macht r a u h und heisser dië K e h l é . D e n n w a n n in g r ö f s e r e H a u f e n gedrängt die S t o f f e der S t i m m e N u n b e g i n n e n heraus durch die enge P f o r t e z u s t ü r z e n , U n d schon, die W e g e des M u n d e s e r f ü l l t s i n d , w i r d a u c h der A u s g a n g R a u h , u n d die S t i m m e v e r l e t z t die G ä n g e durch w e l c h e sie a u s b r i c h t . S i c h e r u n d u n b e z w e i f e l t daher sind S t i m m e n u n d K ö r p e r l i c h e r N a t u r , indem sie den K ö r p e r

Worte

verletzen.

A u c h selbst w e i f s t du es w o h l , w i e sehr a n h a l t e n d e

Reden,

V o m a u f s t r a l e n d e n M o r g a n g e f ü h r t ins D u n k e l der N a c h t h i n , U n s e r n K ö r p e r e r m ü d e n , ihm K r a f t und S t ä r k e b e n e h m e n : S o n d e r l i c h , w a n n sich m i t l a u t e m G e s c h r e i e r g i e f s e t die S t i m m e . K ö r p e r l i c h e r N a t u r m u f s also die S t i m m e durchaus

seyn,

W e i l v o m K ö r p e r ein T h e i l sich v e r l i e r t durch längeres

Sprechen.

A u c h n i c h t ähnlich an F o r m d u r c h d r i n g e n die S t o f f e die O h r e n : W a n n nun die T u b a tief mit n i e d e r g e h a l t e n e m

Donner

A u s b r ü l l t , dumpf nachbrummt durch i h r e g e w u n d e n e n

Gänge;

O d e r w a n n , nahe dem T o d ' , in des H e l i k o n s schattigen

Thaleil,

T r a u e r t ö n e n d der S c h w a n anstimmt sein schmelzendes K l a g l i e d . D i e s e T ö n e d e m n a c h , aus dem I n n e r n des K ö r p e r s gepresset, U n d im geraden W e g ' hinaus zum M u n d e g e s e n d e t , G l i e d e r t die r e g e Z u n g e , der W o r t e B i l d n e r i n j t h e i l s auch B e u g t und f o r m e t sie n o c h die e i g e n e B i l d u n g der L i p p e n . Liieret. I .

1 ? 0

VIERTES

BUCH.

v. 540 —

5c5.

Aber der rauhere Ton entsteht aus rauherem UrstoiF, Und den glatten erzeugen die StofFe, die glatter Natur sind. Kommt nun die Stimme zu uns aus nicht gar weiter Entfernung, Dann vernehmen w i r jegliches W o r t gegliedert und deutlich; W e i l die Figur sich erhält, und die eigene Bildung des Wortes. Aber je weiter von uns der Abstand jegliches Lautes, Desto mehr nur vermischt und verwirrt ihn der gröfsere Luftraum, Und zerstöret das W o r t , indem aus der Fern' es herbeifliegt: So dafs den Schall zwar hören du kannst, dasselbe jedoch nicht Unterscheiden, w a s dir den Sinn und die Meinung des Worts bringt : Also g e w a l t i g vermischt und verwirrt sich im Kommen die Stimme. F e r n e r , nur Ein W o r t o f t , gesendet vom Munde des Herolds, Schallet jedem ins Ohr von der ganzen Versammlung: so fliegt denn Eine Stimme zertheilt sogleich noch in mehrere Stimmen, Da sie jeglichem Ohre besonders und eigen sich mittheilt, Und die Bildung zugleich, und den Ton der W o r t e bezeichnet. Doch derjenige T h e i l , der nicht von der Stimme zum Ohr kömmt, W i r d vorüber g e f ü h r t , und verfliegt vergeblich in L ü f t e n ; Oder er schlägt auch a n , an dichte Körper und prallet Schallend zurück, und täuscht mit dem Bilde des Wortes zuweilen. Hast du hievon dich belehrt, so magst du dir selber und andern Rechenschaft geben, woher an einsamen Orten die Felsen Gleiche Formen der W o r t e in gleicher Ordnung erwiedern ; W a n n w i r die F r e u n d e , die oft sich zwischen den schattigen Bergen Irrend zerstreuen, mit lautem Geschrei aufsuchen und rufen. Sechsmal, siebenmal auch, hab' oft an den Orten ein W o r t ich

VIERTES

BUCH.

v. 566 — 59*·

171

Wiederrufen gehört : so warf ein Hügel dem andern Gegenschallend es zu, um es rückwärts wieder zu bringen. Solche Gegenden träumet der nahangrenzende Laixdmann Von den Nymphen bewohnt, und den ziegenfüfs^gen.Satyrn. Faunen , sagen sie , sind's , die stören mit üppigem Kurzweil Und mit schäkerndem Lärm die nächtlich schweigende Kühe : Saiten ertöneten dann, und die ¿i'iísen klagenden Lieder, Welche die Flöt' ausgiefst vom Finger des Sängers geschlagen: Weitum horche dem Pan das Landvolk, wann er nun schüttelt Seip halbthierisches Haupt, mit dem Fichtenwalle bekränzet, Und mit gekrümmeter Lippe durchläuft die offenen Halmen, Dafs die Flöte nicht ruht vom Spiele der ländlichen Muse. Mehrere Mährchen der Art und Wunder erzählet der Landmann, Dafs man die einsamen Gegen den nicht auch selbst von den Göttern Halte verlassen, so putzt er sie áus mit mancherlei Wundern; Oder was sonst für ein Grund ihn noch leitet: wir alle ja wissen, W i e das Menschengeschlecht nach Fabeln und Mährchen das Ohr hängt. Wundre dich übrigens nicht, wie es kömmt, dafs selbst durch die Orte, Welche die Schärfe des Aug's nicht durchzublicken vermögend, Stimmen durch diese doch dringen , von da ausreitzen die Ohren. Höret man nicht ein Gespräch auch oft durch verschlossene Thüren? Nämlich die Stimme mag durch der Dinge gewundene Gänge Unbeschädiget gehn; doch diefs versagen die Bilder. Diese reifsen entzwei, wofern nicht gerad' ist der Durchgang; So wie durch Poren des Glases, wo ganz das Bildnifs hindurchstreicht. Endlich kann sich der Schall nach jeglicher Seite vertheilen,

VIERTES

BUCH.

V. 592 —

617.

W e i l aus dem einen entsteht der andere : ist er zersprungen E i n m a l , streut er sich aus in m e h r e r e ; w i e sich der F u n k e O e f t e r s zerstreuet und tlieilt in mehrere F u n k e n des Feuers. A l s o f ü l l e t sich alles umher mit T ö n e n ; der S c h a l l w e c k t J e g l i c h e n O r t um uns , und selber den t i e f e r v e r s t e c k t e n . B i l d e r v e r f o l g e n h i n g e g e n gerade die W e g e der R i c h t u n g , Sind sie einmal g e s a n d t : daher ist k e i n e r im Stande U e b e r die M a u e r z u s e h n ; doch T ö n e v e r n i m m t man v o n aufsen. Ja auch die Stimme s e l b s t , indem sie verschlossene W e g e D u r c h d r i n g t , w i r d sie V e r d u m p f t , u n d k o m m t nur v e r w o r r e n z u m O h r e , D a f s w i r minder das W o r t , als den S c h a l l v o n solchem vernehmen. A b e r n u n , w i e w i r e m p f i n d e n den S a f t durch G a u m e n und Z u n g e , H e i s c h t z u e r f o r s c h e n mehrere M ü h ' und genauere S o r g f a l t . E r s t l i c h , w a n n w i r die Speise zerkau'n , empfinden den S a f t w i r A u s g e d r ü c k e t im M u n d : g l e i c h w i e mit der H a n d man das W a s s e r A u s d r ü c k t aus dem g e f i i l l e t e n S c h w a m m , den z u trocknen man w i l l e n s . W a s man heraus nun g e d r ü c k t , das w i r d durch alle K a n ä l e Unseres Gaumens v e r f ü h r t , durch die R ö h r e n der lockeren Z u n g e . Sind nun glatter N a t u r die S t o f f e des flüssigen Saftes, D a n n ist siifs die B e r ü h r u n g ,

die f e u c h t e n Kammern der Z u n g e

F ü l l e n sich ringsum an mit l i e b l i c h e m süfsem G e s c h m a c k e ; A b e r sie stechen nur m e h r , und reitzen e m p f i n d l i c h den Sinn uns, U m so rauher sie sind , und in gröfserer M e n g e verbunden. F e r n e r empfinden w i r nur das V e r g n ü g e n des Saftes bis dahin, W o sich endet der Gaum ; so bald er sich aber gesenkt hat T i e f e r hinab durch den S c h l u n d , ist alles V e r g n ü g e n v o r ü b e r ,

VIERTES

BUCH.

ν. ß i ß — 643·

D e n n er v e r t h e i l t d u r c h den K ö r p e r sich n u n .

173

A u c h l i e g e t daran n u r

W e n i g , w o d u r c h sich der K ö r p e r e r n ä h r t , w o f e r n das Geriafs'ne W o h l v e r d a u e t sich n u r v e r t h e i l e t d u r c h alle Gefäfse, A u c h sich im M a g e n e r h ä l t h i n l ä n g l i c h e r s a f t i g e r V o r r ä t h . N u n e r k l ä r ' i c h dir n o c h , w a r u m n i c h t ä h n l i c h e Speise J e d e s der T h i e r e g e n i e f s t : w a s dem e i n e n w i d r i g u n d h e r b ist, K a n n dem a n d e r n v i e l l e i c h t gar l i e b l i c h e N a h r u n g b e d ü n k e n . J a , so grofs ist h i e r i n die V e r s c h i e d e n h e i t , selbst in der W i r k u n g , D a f s , w a s jenem g e d e i h t , dem a n d e r n t ö d t l i c h e s G i f t w i r d . W a h r ist's, w a s m a n erzählt, dafs S c h l a n g e n vom S p e i c h e l des M e n s c h e n S t e r b e n , i n d e m sie sich seihst m i t e i g e n e n Z ä h n e n z e r n a g e n . N i e s w u r z w i r d u n s ein t ö d t l i c h e s G i f t , w a n n solche w i r e s s e n ; Z i e g e n pflegen jedoßh u n d W a c h t e l n d a v o n sich z u m ä s t e n . D a f s v o n diesem d e n G r u n d du r i c h t i g e r m ö g e s t e r k e n n e n , M u f s t du g e d e n k e n v o r e r s t , w a s b e r e i t s i c h o b e n e r w ä h n t e , D a f s in den D i n g e n der Stoff auf m a n c h e r l e i W e i s e g e m i s c h t sey. F e r n e r , dafs j e d e m der T h i e r e , die N a h r u n g u n d Spleiie g e n i e f s e n , W i e sie v e r s c h i e d e n i n A r t , an G e s t a l t u n d ä u f s e r e m U m r i f s , W e l c h e r die G l i e d e r b e s c h r ä n k t , a u c h e b e n dieselben in Stoffen G l e i c h e r V e r s c h i e d e n h e i t sind , die w e c h s e l n in i h r e n F i g u r e n . S i n d n u n diese v e r s c h i e d e n , so müssen die R ä u m e d a z w i s c h e n ^ M ü s s e n die G ä n g e , die w i r a u c h P o r e n pflegen zu n e n n e n , Selber v e r s c h i e d e n seyn , in den G l i e d e r n , im M u n d u n d im G a u m e n . E i n i g e n ä m l i c h k l e i n e r , die a n d e r e n w i e d e r u m gröfser, E i n i g e müssen d r e i , v i e r e c k i g a n d r e g e f o r m t seyn ; Viele von ihnen r u n d , und manche von mancherlei W i n k e l n .

V I E R T E S

BUCH.

V. 644 — 669.

D e n n , w i e der Stoffe F i g u r und B e w e g u n g es irgend e r f o r d e r t , E b e n so müssen sich auch die F i g u r e n der P o r e n v e r ä n d e r n ; M ü s s e n sich ändern die G ä n g e , beschränket durch eignes G e w e b e . So w i r d bitter dem e i n e n , w a s anderen lieblich und siifs ist : D e r , dem lieblich es s c h m e c k t , dem müssen die glattesten Stoffe I n die Kanäle des Gaumens mit s a n f t e r B e r ü h r u n g sich schleichen ; Wem, dagegen dasselbige D i n g im I n n e r e n h e r b ist, D e m verletzen den Schlund die r a u b e n u n d z a c k i g e n Stoffe. Alles ü b r i g e läfst aus diesem sich leichtlicli e r k l ä r e n : W e n das F i e b e r b e f ä l l t , bei ü b e r h ä u f e t e r Galle, O d e r aus anderem G r u n d die h e f t i g e K r a n k h e i t erregt w i r d ; W i r d z e r r ü t t e t dadurch in dem ganzen K ö r p e r , u n d alle Stoffe w e i d e n v e r r ü c k t aus ihrer v o r h e r i g e n L a g e : D a n n so mag es g e s c h e h n , dafs K ö r p e r , w e l c h e dem S i n n e W o h l zustanden v o r h e r , n u n m e h r ihm z u w i d e r ; u n d andre I h m genehmiger s i n d , die den Sinn des H e r b e n e r w e c k e n . K ö r p e r von beiderlei A r t , die scharfen s o w o h l als die süfsen, Sind im H o n i g v e r e i n t , w a s oben bereits ich gezeiget. A u f , ich erkläre dir n u n , w i e das W e r k z e u g deines Geruches W i r d von den D i n g e n b e r ü h r t .

F ü r ' s erste , so giebt es der D i n g e

V i e l e , w o r a u s sich der Strom von mannigfachen. G e r ü c h e n W ä l z e n d e r g i e f s e t ; auch ist an derselben beständigem Ausflufs, T r i e b u n d V e r b r e i t u n g d a v o n , auf k e i n e r l e i W e i s e zu z w e i f e l n . Aber die T h e i l c h e n s e l b s t , d i e w e i l sie verschieden an F o r m sind, Sind sie auch m i n d e r u n d mehr geschickt f ü r das thierische W e r k z e u g . D e s h a l b l e i t e t der H o n i g g e r u c h d u r c h die L ü f t e die B i e n e n

VIERTES

BUCH.

v. 67o — 695.

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Weit aus der Ferne her; der Geier folget dem Aafe ; D a wo die Fährte gedrückt des Wildes gespaltene Klaue, Sucht mit Begierde sie auf der losgelassene Jagdhund; Und dei· Romulischen Burg Erretterin, weit aus der Ferne Wittert die weifse Gans den Geruch des nahenden Menschen. So wird jegliches Thier geführt durch besondere Witt'rung H in zu dem eigenen Futter, verscheuchet vom widrigen G i f t f r a f s ; Und es werden dadurch erhalten der Thiere Geschlechter. Diese Gerüche nun selbst, die reitzend berühren die Nase, Ob wohl einige sich vor den andern weiter verbreiten, Dennoch erreichen sie nie die Ferne des Schalls und der Stimme, Und weit weniger noch der augentreffenden Bilder. Langsam kommen sie an , umirrend ; vergehen zuvor schon Oft allmählig, und werden ein Spiel der leichteren L ü f t e ; D a sie vorerst mit Mühe si