Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Beginn der Moderne (1650-1880)
 9783412216603, 9783412222277

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Grundzüge der Agrargeschichte In drei Bänden herausgegeben von Stefan Brakensiek, Rolf Kießling, Werner Troßbach und Clemens Zimmermann

Reiner Prass

GRUNDZÜGE DER ­ GR ARGESCHICHTE A Band 2: Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Beginn der Moderne (1650–1880) Herausgegeben und eingeleitet von Stefan Brakensiek mit einem Beitrag von Jürgen Schlumbohm

2016 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Die Grundzüge der Agrargeschichte beruhen auf einem Vorhaben des Arbeitskreises Agrargeschichte und der Gesellschaft für Agrargeschichte. Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln der Landwirtschaftlichen Rentenbank und der Gesellschaft für Agrargeschichte e.V., Frankfurt am Main.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Gartenbild der Bauernfamilie Muntinga in Coldemüntje im ostfriesischen Rheiderland (um 1835). Kolorierter Scherenschnitt von Caspar Dilly (© Historisches Museum Aurich) © 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Jörg Eipper-Kaiser, Graz Einbandgestaltung  : Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Balto print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22227-7

Inhalt

1

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 7

2

Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 9 11

2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.4 3

3.1

Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg. . . . . . . . . . . . . . Die Erholung der ländlichen Ökonomien in den deutschen Territorien 1650–1690 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine Ökonomie im Gleichgewicht  ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Entwicklungspfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gutsherrschaften in der Prignitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommerzielle bäuerliche Landwirtschaft I  : Ottobeuren und Ostschweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommerzialisierte bäuerliche Landwirtschaft II  : Hohenlohe . . . . . . Heimgewerblich-agrarische Verflechtung  : Die protoindustrielle Gewerberegion in der Grafschaft Ravensberg . . . . . . . . . . . . . . Religiöses Leben, obrigkeitliche Kontrolle und Formen der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs  : Vererbung – Recht, Praxis und Ideologien . . . . . . . . . . .

58 70

Ländliche Gesellschaften zwischen Agrarkonjunktur, Volksaufklärung und dem Beginn der Agrarreformen (1750–1820) . . . . . . . . . . . .

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. . .

75 79 87

. . . . . .

98 102 107 112 112 118

Ausweitung der agrarischen Produktion zwischen traditionellen Agrarstrukturen und dem Einsatz der Agronomen (1750–1820).. . . 3.1.1 Eingriffe „von oben“ – Agromanie und erste Reformversuche . . . . . 3.1.2 Entwicklung der agrarischen Produktion.. . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Der Beitrag verschiedener Gruppen von Landbewohnern am agrarischen Wandel.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Wandel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Stabilität von oben – Wandel von unten. . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Regionale Entwicklungspfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Gutsherrschaftsgesellschaften im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ostwestfälisches Leinengewerbe und kapitalistische Landwirtschaft. . 3.2.3 Südniedersachsen – der langsame Wandel der Ökonomien mittlerer und kleiner Höfe in einer Mittelgebirgsregion. . . . . . . . . . . . . 3.3 Ländliche Kultur zwischen vorindustrieller Gesellschaft und den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Volkaufklärung, religiöses Leben und Bildungsanstöße . . . . . . . .

11 24 46 46 50 54 55

. 122 . 125 . 125

6

Inhalt

3.3.2 Materielle Kultur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4

Der Umbau der ländlichen Gesellschaft (1820–1880) . . . . . . . . . . 149 Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs . . . . . . . 149 Umsetzung der Agrarreformen – Motor der agrarischen Entwicklung  ? . 150 Der agrarische Aufschwung im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 157 Die Grenzen der Natur überwinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Entwicklung der sozialen Beziehungen in den Dörfern und die Lage der unterbäuerlichen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Regionale Entwicklungspfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Brandenburg  : Große Güter und bäuerliche Betriebe.. . . . . . . . . . 4.2.1 Westfalen  : Der Ausbau des Ruhrgebiets und das Entstehen einer marktorientierten Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Mittelgebirgsregionen  : Die Kommerzialisierung klein- und mittelbetrieblicher Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 185 186 188 190 193

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

1 Einleitung

Stefan Brakensiek Der zweite Band der „Grundzüge der Agrargeschichte“ behandelt den Zeitraum zwischen 1650 und 1880, in dem die ländlichen Gesellschaften des deutschsprachigen Raumes ­einen solch tiefen Wandel durchliefen, dass wir ihn als „Zeitalter der Transformationen“ bezeichnen. Dieser grundlegende Wandel erfasste die ländliche Eigentums- und Sozialordnung, die agrarischen und gewerblichen Wirtschaftsweisen, das politische System und die Formen der Weltdeutung. Die überkommene Ordnung ständischer Ungleichheit wurde ersetzt durch eine Gesellschaft, in der rechtliche Gleichheit der männlichen Individuen bei scharfen ökonomischen Unterschieden herrschte. Gewinnstreben galt nicht mehr per se als sozial schädlich, sondern zunehmend als legitim, ja erwünscht. Das Prinzip erblicher Adels- und Fürstenherrschaft wurde infrage gestellt durch die Forderung nach politischer Mitsprache aller männlichen, erwachsenen Haushaltsvorstände. Die konfessionellen Orientierungen sahen sich herausgefordert von innerweltlichen Formen der Sinngebung. Das Wissen über die Welt wurde vielfältiger, zugleich widersprüchlicher, sodass es zu einer Pluralisierung der Wissensordnungen kam. Zugleich vollzogen sich deutliche Veränderungen der Wahrnehmung und Aneignung der Natur, begünstigt von einem klimatischen Wandel, der aus der „Kleinen Eiszeit“ herausführte. Diese Prozesse vollzogen sich weder gleichzeitig, noch harmonisiert, sondern phasenverschoben und konflikthaft  : Beginnend mit einer Phase der Regeneration und der teilweisen Neustrukturierung nach dem Dreißigjährigen Krieg, die bis etwa 1730 reichte, über eine zweite Periode des beschleunigten Wandels zwischen etwa 1730 und 1800, die durch große regionale Ungleichgewichte gekennzeichnet war, hin zu einer dritten Phase der rechtlich-institutionellen Transformation im Zeitalter von Reform und Revolution, die von uns als Auftakt der industriellen Moderne gedeutet wird. Diesen Phasen folgend ist Band 2 chronologisch in drei Kapitel gegliedert, in denen über die wichtigsten demografischen, agrarischen, gewerblichen und kulturellen Entwicklungen berichtet wird. Diese großen gesellschaftlichen Transformationsprozesse sind meist mit „top-down“Modellen (Konfessionalisierung, Staatsbildung, Verbreitung aufgeklärten Denkens, „Re­ formen von oben“, Modernisierung) erklärt worden. Dagegen unternimmt der vorliegende Band den Versuch, die Veränderungen auch als Ergebnisse des Denkens, Fühlens und Handelns von Menschen zu verstehen, denen bis vor einigen Jahren jegliche Geschichtsmächtigkeit abgesprochen worden ist. Gemeint sind die vielen Männer und Frauen auf dem Lande, die ihren Lebensunterhalt durch Ackerbau und Viehzucht, im ländlichen Gewerbe und im Handel gewannen. Sie sind die Akteure der hier erzählten Geschichte, die sie zwar nicht immer aus freien Stücken, aber eben doch selbst machten. Im Zentrum steht ihr wirtschaftliches Handeln, das als ein Tun interpretiert wird, das

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Einleitung

von sozialen, politischen und rechtlichen Verhältnissen sowie von verschiedenen Formen der Weltdeutung mitbestimmt wurde. Es geht darum, von Gewohnheiten geprägte Praxisformen und neuartiges Handeln heraus zu präparieren und nach den Gründen für die jeweiligen Mischungsverhältnisse dieser „habitualisierten“ und „innovierenden“ Praktiken zu fragen. Die Mixturen aus Altem und Neuem waren räumlich unterschiedlich verteilt. Band 1 der „Grundzüge“ thematisiert bereits die Entstehung von Wirtschaftslandschaften nach den Pestwellen des Hochmittelalters. Auch nach dem Westfälischen Frieden bleib das Neben- und Miteinander von unterschiedlich strukturierten Regionen eine ökonomische Grundtatsache. Durch die Verlagerung von Handelsströmen, den Wandel der Nachfrage und die Innovationen der Produzenten gewerblicher und agrarischer Güter veränderten sich diese Wirtschaftslandschaften ständig. Band 2 erklärt, wie Akteure in typischen Konstellationen ihre Handlungsspielräume nutzten und dabei Strategien verfolgten, die sich zu Handlungsmustern verdichten lassen. Die regionalspezifischen Ausprägungen dieser Muster beeinflussten die allgemeinen Transformationsprozesse ganz maßgeblich und gaben ihnen ihre konkrete Gestalt. Wir hoffen, dass sich der Leserin und dem Leser eine ländliche Vergangenheit erschließt, die nicht als eine von der Natur dominierte und von einer gesichtslosen bäuerlichen Bevölkerung auf immer gleiche Weise genutzte Welt erscheint, in die Veränderungen nur von außen eindrangen. Stattdessen möchten wir ländliche Gesellschaften vorstellen, die in einem ständigen Austausch mit anderen Segmenten der gesellschaftlichen Wirklichkeit gestanden und einen elementaren Beitrag zum historischen Wandel beigesteuert haben. Die Arbeit an Band 2 hat Reiner Prass im Januar 2013 abgeschlossen. Einige seither erschienene Studien und Darstellungen konnten inhaltlich nicht mehr berücksichtigt werden, sind aber als Service für Leserinnen und Leser ins Literaturverzeichnis aufgenommen worden.

2 Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg

Leben und Wirtschaften auf dem Land waren nach 1648 durch die Folgen des Dreißigjährigen Kriegs geprägt. Kriegshandlungen, Hungersnöte und Seuchen hatten die Bevölkerungszahl in den deutschen Territorien von ca. 17,1 Millionen Einwohnern im Jahr 1617 auf ca. 10 Millionen Einwohner im Jahr 1650 zurückgehen lassen.1 Viele Höfe und Dörfer waren verlassen, weil sich die Menschen in den Schutz der Städte oder in andere Territorien geflüchtet hatten.2 Die deutschen Regionen waren unterschiedlich stark von den Kriegsfolgen betroffen. Nicht in allen Gebieten hatte es Kampfhandlungen gegeben, und Holstein profitierte sogar ökonomisch vom Krieg. In einigen Gebieten, wie der Pfalz oder Mecklenburg, betrugen die Bevölkerungsverluste über 50%, in Westfalen waren sie weit geringer und in Holstein war die Bevölkerungszahl offenbar nicht zurückgegangen.3 Aber solche Durchschnittswerte für ganze Regionen sind irreführend, denn oft variierten die Kriegsfolgen von Dorf zu Dorf. An großen Straßen gelegene Orte litten stärker unter Kriegszerstörungen als Dörfer in abgelegenen Tälern.4 Zu den Bevölkerungsverlusten kamen materielle Verluste an Produktionsmitteln. Zahlreiche Gebäude waren zerstört, es fehlte an Saatgut sowie an Zug- und Milchvieh,5 viele Höfe waren verlassen und mussten neu besetzt werden. Aufgrund dieser variierenden Ausgangsbedingungen gestaltete sich der Wiederaufbau in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich, zumal die Kriegshandlungen nicht überall bis 1648 andauerten. Doch das Wort „Wiederaufbau“ sollte vorsichtig verwendet werden. John Theibault weist darauf hin, dass nach dem Krieg aufgrund veränderter Konstellationen vielfach Neues gestaltet wurde.6 Der Dreißigjährige Krieg hatte eine gesellschaftspolitische Dynamik in die Wege geleitet, welche die Machtkonstellationen zwischen den sozialen Gruppen verschob. Die ökonomische und politische Position des Adels wurde infolge des Krieges geschwächt, während die frühmodernen Staaten ihre Position festigten. Ähnliche Entwicklungen, die oft mit ökonomischen Krisen und gewaltsamen Konflikten einhergingen, waren auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten. Die internationale Geschichtswissenschaft bezeichnet sie als „Krise des 17. Jahrhunderts“ und der Dreißigjährige Krieg erscheint im Zusammenhang dieser Diskussion als Ausdruck dieser allgemeinen Krise, durch den die allgemeinen Entwicklungen verstärkt wurden.7 Doch diese für andere europäische Länder zutreffende Einschätzung kann nicht auf das Reich 1 2 3 4 5 6 7

Pfister 1994, S. 10. Theibault 1995, S. 152  ; Sreenivasan 2004, S. 289 f. Franz 1961, S. 8. Theibault 1995, S. 170 f.; Pfister 1994, S. 15. Theibault 1995, S. 165–193. Theibault 1995, S. 193. Ähnlich Boehler 1995, S. 356. Ogilvie 1992.

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Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg Abb. 1: Dem Ulmer Bürger Joseph Furtenach gewidmetes Flugblatt, das den Frieden von Münster als Wiedergeburt darstellt.

übertragen werden. William Hagen weist darauf hin, dass der Dreißigjährige Krieg zu einem derart tiefgreifenden Einschnitt in die materiellen Lebensbedingungen führte, dass er andere Entwicklungen überlagerte.8 Die Krisenphänomene des 17. Jahrhunderts werden auch im Zusammenhang der „Kleinen Eiszeit“ diskutiert, einem vom 15. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Rückgang der Jahresmitteltemperaturen. Innerhalb dieses langen Zeitraums sind wiederum mehrere besonders kalte und nasse Perioden zu unterscheiden. Zu ihnen gehört der Zeitraum von 1570 bis 1700, wobei gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Temperaturen besonders stark absanken und hohe Niederschläge zu verzeichnen waren (Maunderminimum).9 Diese Klimaentwicklung führte zu zahlreichen Naturkatastrophen wie Stürmen und Überschwemmungen und infolge von Ernteausfällen kam es zu schweren Hungerkrisen.10 Von den unmittelbaren Auswirkungen solcher Katastrophen abgesehen, wurden die Auswirkungen des Klimas auf Landwirtschaft und  8 Hagen 1989.  9 Glaser 2001, S. 175–180  ; Pfister 1985, S. 127–129  ; Behringer/Lehmann/Pfister 2005, S. 24. 10 Glaser 2007, Sp. 768 f.

Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg

Bevölkerung durch eine Reihe weiterer Faktoren verschärft. So führte die aufgrund der niedrigeren Temperaturen kürzere Vegetationsperiode dazu, dass Grenzböden aufgegeben werden mussten und die Erträge sanken.11 Niedrige Herbsttemperaturen und frühe Winter führten zu Ernteausfällen und steigenden Getreidepreisen. Solche Auswirkungen sind v. a. bei kurzfristigen Klimaschwankungen zu verzeichnen, während Bauernfeind und Woitek nur begrenzte Hinweise darauf fanden, dass die Klimaverschlechterung im späten 16. Jahrhundert zu einem allgemeinen Anstieg der Getreidepreise führte.12 Dieser einseitigen Schlussfolgerung aus Getreidepreisen ist entgegenzuhalten, dass sich die Produktivität der Landwirtschaft durch die häufiger auftretenden schlechten Ernten verringerte, dass die Einkommen sanken und dass die Menschen sich vermutlich über ein späteres Heiratsalter und eine verringerte Zeugung von Kindern auf die veränderten Lebensbedingungen einstellten. Schließlich wurden die Menschen durch Unterernährung für Krankheiten anfälliger, was zu einer erhöhten Sterblichkeit führte.13

2.1 Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg 2.1.1 Die Erholung der ländlichen Ökonomien in den deutschen Territorien 1650–1690

Der Wiederaufbau erfolgte in den Dörfern in zwei Phasen  :14 Zunächst mussten die Dörfer wieder bewohnbar gemacht, Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude wieder aufgebaut, Arbeitsgeräte und Vieh besorgt werden. Die Geschwindigkeit dieses Wiederaufbaus hing vom Ausmaß der Zerstörungen und den vorhandenen Ressourcen ab, doch er scheint oft energisch angegangen worden zu sein.15 Die Eintragungen, die Landbewohner wie Caspar Preis oder Hans Heberle in dieser Zeit in ihren Schreibebüchern machten, zeugen trotz aller Belastungen von einer großen Erleichterung und Zuversicht.16 Zugleich weist Jan Peters darauf hin, dass viele Menschen nach dem Krieg verunsichert waren. Diese These belegt er anhand der Lebensgeschichten des Hüfners Hans Hitzker und des Pfarrers Hornemann, die in der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack (Prignitz) lebten und sich dort in zahlreiche gewaltsame Konflikte verstrickten.17 In einer zweiten Phase des Wiederaufbaus kamen dann Tendenzen zum Tragen, die hintergründig bereits vorher vorhanden gewesen waren. Die Menschen nahmen neue Entwicklungschancen 11 Galloway 1986 S. 9  ; Bauernfeind/Woitek 1999, S. 309. 12 Bauernfeind/Woitek 1999. 13 Galloway 1988  ; Galloway, 1994. Ich danke Ulrich Pfister und Georg Fertig für den Hinweis auf Bauernfeind und Galloway. 14 Theibault 1995, S. 194. 15 Boehler 1995, S. 269. 16 Eckhardt/Klingelhöfer 1998, S. 68  ; Zillhardt 1975, S. 248. 17 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 361–366, S. 491–494.

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Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg

Abb. 2: Soldaten zerstören ein Dorf im Dreißigjährigen Krieg. Im Vordergrund klagt ein alter Mann einem General sein Leid. Radierung von Rudolf Meyer (um 1634).

wahr, und sowohl die Verarbeitung der traumatischen Ereignisse als auch die neuen, sich bietenden Möglichkeiten führten zur Ausbildung neuer Einstellung und Handlungsweisen. Dabei waren die ökonomischen Rahmenbedingungen zunächst für einen raschen Wiederaufbau nicht günstig. Durch die großen Bevölkerungsverluste und die dadurch verringerte Nachfrage sanken die Getreidepreise in der Nachkriegszeit stark ab. Die Fleischpreise verzeichneten dagegen nur einen geringeren Abschwung.18 Zugleich stiegen aufgrund der geringen Zahl von Arbeitskräften die Löhne stark an. Diese Entwicklung führte für alle jene ländlichen Betriebe zu erheblichen Belastungen, die sich auf eine Produktion von Getreide für den Markt spezialisiert hatten. Für Viehzüchter sowie für Inhaber kleiner Stellen und Landlose, die Getreide hinzukaufen mussten, waren diese Lohnund Preisentwicklungen hingegen günstig. Da sich durch die niedrigen Getreidepreise ihre Lebenshaltungskosten verringerten und durch die hohen Löhne ihr Einkommen zugleich steigerte, war es für landlose Dorfbewohner lukrativ, eine Familie zu gründen, 18 Abel 1978, S. 184.

Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg Abb. 3: Aus den Aufzeichnungen des Caspar Preis aus dem hessischen Dorf Stausebach zum Jahr 1650. Der großbäuerliche Autor schildert in seinen Aufzeichnungen sehr plastisch, wie schwierig die Reorganisation des Alltagslebens nach dem Ende der Kampfhandlungen war.

­einen kleinen Hof zu erwerben und als Tagelöhner zu arbeiten.19 Die kleine Landwirtschaft diente ihnen dazu, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Im Elsass entschieden sich vor allem Neusiedler dazu, statt einen Hof zu erwerben, die günstige Situation zu nutzen und sich als Tagelöhner zu verdingen.20 2.1.1.1 Erholung der Bevölkerungszahlen und Wiederbesetzung der Höfe Während des Krieges fielen viele Höfe wüst, sei es, weil die Hofinhaber verstorben waren oder weil sie vor den Kriegshandlungen in benachbarte Städte oder vom Krieg verschonte Gebiete flohen. 1648 waren viele Höfe bereits wieder besetzt bzw. aufgebaut worden, aber zahlreiche Hofstätten lagen noch wüst. Umfang und Geschwindigkeit der Wiederbesetzung verlassener Höfe hingen von regionalen Bedingungen ab, die diese Entwicklung beschleunigen oder hemmen konnten.

19 Schlögl 1988, S. 315 f. 20 Boehler 1983, S. 182.

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Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg

Im südniedersächsischen Wesertal waren 1653 im Dorf Hehlen 51% der Höfe verwüstet, in Daspe waren es 32% und in Brökeln 20%, doch bis 1663 wurden fast alle Höfe wieder besetzt.21 Im oberbayerischen Bezirk Landsberg waren 1632/35 18–20% der Höfe verlassen, aber bis 1646/48 wurden viele Höfe wieder bewirtschaftet. Im elsässischen Mittelhausen dauerte die Wiederbesiedlung dagegen länger  : 1640 wurden hier nur acht Familien gezählt, 1653 waren es 22 und 1672 war ihre Zahl auf 31 gewachsen.22 In der nordhessischen Werraregion, in Oberbayern und im Gebiet des Klosters Ottobeuren bauten zurückkehrende Hofbesitzer oder – wenn die früheren Hofbesitzer nicht mehr lebten – andere Mitglieder ihrer Familien die Höfe wieder auf. Die Familien der Bauern konnten somit den Fortbestand der Höfe selbst sichern, während Neusiedler in erster Linie Kleinstellen übernahmen.23 War es in diesen Regionen relativ attraktiv, die großen Höfe im Familienbesitz zu halten, stellte sich die Situation in Brandenburg anders dar  : Die ungleiche steuerliche Belastung der Betriebe innerhalb einer Hofklasse, die Verpflichtung der Söhne, einen Hof zu übernehmen, gleich welcher Qualität er war, die Bewirtschaftung wüst liegenden Landes durch andere Höfe oder Gutsherren sowie die andauernden Kriege sorgten für erhebliche Probleme bei der Wiederbesetzung verlassener Höfe. Bis in die 1680er-Jahre fand sich oft niemand, der diese Höfe übernehmen wollte.24 Im Elsass war dagegen eine größere Bandbreite möglicher Entwicklungen zu beobachten  : Während auch hier zahlreiche Familien, die vor dem Krieg geflohen waren, auf ihre Höfe zurückkehrten, erfolgte der Wiederaufbau zugleich zu einem großen Teil durch Migranten, die von Grundherren angesiedelt worden waren.25 Das im Krieg aufgegebene Land wurde teilweise wieder unter den Pflug genommen, ohne dass die Dorfbewohner die Höfe wieder als Ganzes aufbauten. In Oberbayern kauften einzelne Bauern brach liegendes Land, um ihre Wirtschaftsflächen zu vergrößern.26 Das war v. a. für die Inhaber kleinerer Höfe interessant, weil sie den hierdurch entstehenden größeren Arbeitsaufwand selbst abdecken konnten. Inhaber großer Stellen mussten bei einer solchen Betriebserweiterung weitere Arbeitskräfte anstellen, was aufgrund der hohen Lohnkosten unattraktiv war. Weil aber zahlreiche Hofbesitzer in Oberbayern sich durch die sinkenden Getreidepreise genötigt sahen, immer mehr Getreide auf den Markt zu bringen, um ihre Abgaben zu bezahlen, erweiterten sie gleichwohl ihren Landbesitz. Sie versuchten ihre Einnahmeverluste durch Ausweitung der Produktion aufzufangen. Diese Besitzumschichtungen gefährdeten die soziale Hierarchie in den Dörfern nicht  ; Agrarverfassung und Betriebsgrößenstruktur blieben in den meisten deutschen Regionen 21 Rappe-Weber 2001, S. 31. 22 Boehler 1983, S. 180. 23 Sreenivasan 2004, S. 312–314  ; Theibault 1995, S. 199  ; Schlögl 1988, S. 107, S. 114 f. 24 Enders 2000, S. 727 f.; Hagen 1989, S. 325 f., S. 328. 25 Boehler 1995, S. 269, S. 271–301  ; Boehler 1983, S. 177–180. 26 Schlögl 1988, S. 297–300.

Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg

weitgehend erhalten.27 Die oberbayerischen Inhaber kleiner Stellen hatten nur selten genug Geld, um sich größere Höfe zu kaufen, und so erwarben sie in der Regel lediglich kleine Parzellen hinzu. Auch wenn sie hierdurch nicht in der sozialen Hierarchie aufstiegen, konnten sie ihre Subsistenzbasis verbessern. Dieser Gewinn drohte im späten 17. Jahrhundert jedoch wieder verloren zu gehen, denn die Familien kleiner Stelleninhaber begannen, den schmalen Besitz unter den Erben aufzuteilen. Zudem ließen sich die weichenden Erben der Familien großer Stelleninhaber ebenfalls auf kleinen Stellen nieder und verdrängten dadurch die Abkömmlinge der ärmeren Familien.28 Betrafen die genannten Mechanismen in diesem Fall v. a. männliche Erben, so traten in anderen Regionen auch Frauen das Erbe an. Die Möglichkeiten von Männern und Frauen, am Transfer der Ressourcen teilzuhaben, gestaltete sich in verschiedenen Regionen äußerst unterschiedlich und hing von den jeweiligen Vererbungspraktiken ab, die wiederum von den jeweiligen sozialen Rahmenbedingungen beeinflusst wurden (Kap. 2.4). Die in vielen Regionen zu beobachtende schnelle Wiederbesetzung zumindest der großen Höfe darf nicht mit einem schnellen Ausgleich der Bevölkerungsverluste verwechselt werden. Die Historische Demografie geht davon aus, dass die Bevölkerungsverluste erst Mitte des 18. Jahrhunderts wieder wettgemacht werden konnten, und diese Annahme wird durch Lokalstudien, z. B. zu Ottobeuren oder dem schwäbischen Dorf Neckarhausen bestätigt.29 Die nur langsam fortschreitende Erholung von den Bevölkerungsverlusten führte dazu, dass die Höfe in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter einem Mangel an Arbeitskräften litten. 1650 klagte Caspar Preis im hessischen Stausebach, dass er keine fähigen Knechte finden könne.30 Die Hofinhaber vermochten den Arbeitskräftemangel zunächst dadurch zu kompensieren, dass sie so weit als möglich auf Familienmitglieder zurückgriffen, um Feldarbeit und Versorgung des Viehs zu gewährleisten.31 Dort, wo der Hof geschlossen an ein Kind vererbt wurde, blieben die „weichenden Erben“ z. T. als Gesinde auf dem Hof,32 aber auch Fremde wurden als Knecht oder Magd angestellt. Darüber hinaus mussten Inhaber großer Höfe und Gutsbesitzer während der Arbeitsspitzen Tagelöhner anstellen. Aufgrund der gestiegenen Löhne bedeutete dies für sie eine erhebliche finanzielle Belastung, während Landarme und Landlose von dieser Situation profitierten. Die Inhaber kleiner Höfe wirtschafteten – im Vergleich zu den großen Höfen – kostengünstiger, weil sie ihr Land allein mithilfe ihrer Familienmitglieder bewirtschaften konnten. Wenn der Hof für die Ernährung der gesamten Familie jedoch zu klein war, schickten sie einen Teil ihrer Kinder so schnell wie möglich fort in den Gesindedienst. Für jene, die nur ganz wenig oder gar kein Land besaßen, versprachen die hohen Löhne sogar eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. In Brandenburg wie 27 Troßbach/Zimmermann 2006, S. 106  ; Schlögl 1988, S. 115  ; Boehler 1995, S. 355. 28 Schlögl 1988, S. 302–305. 29 Pfister 1994, S. 18  ; Sreenivasan 2004, S. 191  ; Sabean, Property 1990, S. 40 f. 30 Eckhardt/Klingelhöfer 1998, S. 71. 31 Enders 2007, S. 39 f. 32 Rappe-Weber 2001, S. 131  ; Schlögl 1988, S. 152, S. 156.

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auch in Württemberg war es unter den gegebenen Bedingungen günstiger, sich als Knecht, Magd oder Tagelöhner zu verdingen als einen Hof zu übernehmen.33 2.1.1.2 Belastungen durch Steuern und Abgaben Um den Wiederaufbau von Gebäuden sowie den Kauf von Geräten, Saatgut und Vieh zu bewerkstelligen, benötigten die Hofbesitzer erhebliches Kapital.34 Durch die niedrigen Getreidepreise und die hohen Löhne war es aber für die Inhaber marktorientierter Betriebe nicht leicht, dieses Kapital zu beschaffen. Viele Höfe hatten Probleme, ihre Feudalabgaben an Grund- und Gutsherren zu bezahlen. Daher sahen sich in den ersten Jahrzehnten nach dem Ende des Krieges zahlreiche Landes- und auch Grundherren – so etwa in Hohenlohe oder in Bayern – dazu veranlasst, ausstehende Abgaben zu stunden oder ihre Forderungen auszusetzen.35 Um die Wiederbesiedlung des Landes zu fördern, gewährten die beiden Kurfürsten von Brandenburg und von der Pfalz wie auch die elsäs­ sischen Grundherren denjenigen, die einen verlassenen Hof wieder aufbauen wollten, mehrere Freijahre.36 Die Frage, wie schwer die finanzielle Belastung der Bauern wirklich wog, ist schwer zu beantworten. Als die bayerische Landesregierung 1671 die Hofbesitzer aufforderte, ihre Verbindlichkeiten und Forderungen zu nennen, führten sie zwar alle Verbindlichkeiten auf, ihre Forderungen gaben sie aber nur unvollständig an.37 Im Übrigen zeigt diese Auflistung, dass die Inhaber kleiner Höfe ihre Schulden recht schnell zurückzahlten, während sich die Inhaber großer Höfe als säumige Zahler erwiesen. Dies lag daran, dass deren Besitzer meistens in der Lage waren, ihre Schulden problemlos zu tilgen, und sich ­daher mit der Rückzahlung nicht beeilten  ; für sie waren Schulden Zeichen eines gewissen Reichtums, und nicht von Not. Dagegen standen die Inhaber von Kleinbetrieben im Ruf, ihre Schulden nur unter großen Schwierigkeiten zurückzuzahlen, mit der Folge, dass sie tilgten, so schnell sie konnten.38 Ferner ist zu bedenken, dass die ländlichen Haushalte nicht nur Getreide auf dem Markt verkauften, sondern aus dem Verkauf von Produkten aus der Viehhaltung und dem Gartenbau Einnahmen erzielten, die in den Übersichtslisten zu den Feudalabgaben nicht auftauchen.39 Die agrarischen Produzenten besaßen somit einen größeren ökonomischen Handlungsspielraum, als aus den Abgabeverzeichnissen hervorgeht. Das erklärt z. T. auch, wieso die Hofbesitzer in der Lage waren, den steigenden Steuerdruck zu tragen. Bereits während des Krieges hatten die Landbewohner hohe Abgaben zur 33 Hagen 1989, S. 326  ; Hippel 1977, S. 72. 34 Boehler 1983, S. 180. 35 Robisheaux 1989, S. 238  ; Schlögl 1988, S. 94 f. 36 Hagen 2002, S. 71  ; Sellin 1978, S. 107  ; Boehler 1995, S. 244. 37 Schlögl 1988, S. 320 f. 38 Schlögl 1988, S. 324 f.; Sczesny 2002, S. 361. 39 Enders 1992, S. 350  ; Schlögl 1988, S. 190.

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Unterhaltung landesherrlicher und fremder Heere zahlen müssen. Nach dem Kriegsende behielten die Staaten diese Steuern bei, die im Laufe des 17. Jahrhunderts sogar noch weiter anstiegen. Der Ausbau des landesherrlichen Behördensystems ermöglichte einen verstärkten fiskalischen Zugriff auf die Untertanen. Die Behörden waren immer besser in der Lage, die ökonomische und soziale Situation der Landbevölkerung einzuschätzen und die direkten Steuern anzuheben.40 Diese Entwicklung hatte bereits lange vor dem Krieg eingesetzt, sie war Teil des Prozesses der Herausbildung frühmoderner Staaten, zu dem auch die Monopolisierung der Staatsgewalt und das allmähliche Zurückdrängen des Adels als einer Zwischengewalt zwischen Untertanen und Landesherren gehörten. Ein zentraler Aspekt der frühneuzeitlichen Staatsentwicklung war die Herausbildung stehender Heere, die ihren Anfang im Dreißigjährigen Krieg nahm und sich in den Jahrzehnten danach durchsetzte.41 Zur Finanzierung dieses Ausbaus von Militär und Bürokratie mussten die Landesherren jedoch die Steuereinnahmen erhöhen.42 Der steigende finanzielle Druck erregte Gegenwehr. Ein Viertel der bäuerlichen Unruhen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert im Alten Reich resultierte aus Steuerforderungen des Kaisers oder der Landesherren.43 Noch größere Bedeutung kam gerichtlich ausgetragenen Konflikten zu, die von den Hofbesitzern genutzt wurden, um den Steuerdruck zu mildern. Dabei war die „Hausnotdurft“ sowohl in der Rechtsprechung als auch in den Ausführungen der Bauern das zentrale Argument  : Danach waren in der Agrargesellschaft die grundsätzlich knappen Güter nach der Bedürftigkeit zu verteilen. Ihre Festlegung sollte sich sowohl am Existenzminimum, als auch am standesgemäßen Bedarf einer familiären Existenz orientieren. In dieser Perspektive galten Forderungen von Abgaben oder Diensten immer dann als unbillig, wenn sie die soziale Position des Pflichtigen gefährdeten.44 Wie stark der Abgabendruck auf den Höfen wirklich lastete, war somit mitunter eine Sache des „Aushandelns“, das im Kräftefeld zwischen Landesherren, Grundherren und Hofbesitzern erfolgte. Die Landbewohner konnten mittels gerichtlicher Klagen und z. T. auch durch offenen Aufruhr die Höhe der steuerlichen Belastungen beeinflussen. Rudolf Schlögl weist ausdrücklich darauf hin, dass die Abgaben nicht – wie Friedrich Lütge meinte – „den dunklen Zufälligkeiten des Herkommens [folgten], sondern […] Gesichtspunkten ökonomischer Rationalität“.45 Er stellt für Oberbayern die These auf, „daß Art und Umfang grundherrlicher Forderungen in erster Linie bestimmt waren von Besitzgrößen, Ertragsfähigkeit und Produktionsschwankungen der bäuerlichen Stellen.“46 Es stellt sich jedoch die Frage, ob seine Einschätzung der Bereitschaft, die Feudalabgaben 40 Schlögl 1988, S. 21, S. 27. 41 Kunisch 1999, S. 85. 42 Burkhardt 1990, S. 174  ; Schlögl 1988, S. 198–208  ; Hippel 1977, S. 233. 43 Bierbrauer 1980, S. 52. 44 Schlögl 1988, S. 284 f.; Blickle 1988, S. 85. 45 Schlögl 1988, S. 177. 46 Schlögl 1988, S. 178.

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der Leistungsfähigkeit der agrarischen Produzenten anzupassen, nicht zu optimistisch ist, zumal aus anderen Regionen eine ganze Reihe von Beispielen vorliegen, in denen die Grundherren ihre Abgabepflichtigen überforderten. So hatte das Kloster Ottobeuren zu Beginn der 1660er-Jahre erhebliche Probleme, die geforderten Abgaben zu erheben. Vor allem in Gutsherrschaftsbezirken sind Bestrebungen zu erkennen, die Forderungen an die Bauern über das Leistungsvermögen der Höfe hinaus auszudehnen. So scheiterte Ludwig Meyer, Pächter des Guts Stavenow (Prignitz), im Jahre 1721, weil er die Leistungsfähigkeit der Hofbesitzer in seinem Gutsbezirk überschätzte.47 Damit der Bestand eines Hofes nicht gefährdet wurde, durften sich bei steigendem Steuerdruck die Abgabeleistungen an die Grundherren nicht erhöhen und evtl. mussten sie sich sogar verringern. Im Herzogtum Württemberg wurden grundherrliche Belastungen auf die Steuerlast angerechnet und in Bayern wurde der Anteil grundherrlicher Abgaben reduziert, während zugleich die Steuern seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stiegen.48 Lieselott Enders weist in einem Vergleich zwischen den Dörfern Lettwitz (bei Halle an der Saale) und Bergholz (Uckermark) nach, dass diese Entwicklung dazu führen konnte, dass Gemeinden, die geringe Feudalabgaben zahlen mussten, durch die steigenden Steuern schließlich eine insgesamt höhere Belastung zu tragen hatten als Dörfer, die hohe Feudalabgaben zu zahlen hatten.49 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in jenen Gegenden Ostund Südwestdeutschlands, in denen die Leibeigenschaft existierte, die Höfe v. a. im Fall des Todes eines Hofinhabers z. T. erhebliche Belastungen zu tragen hatten.50 Letztlich waren Grundherren und Landesherren darauf angewiesen, die Höhe der Belastungen und die Geschwindigkeit der Zahlungen an die Leistungsfähigkeit der bäuerlichen Ökonomie anzupassen. Umgekehrt zeigten die agrarischen Produzenten in ihren Reaktionen auf den steigenden finanziellen und ökonomischen Druck große Beweglichkeit, und nach Schlögl bildete die Belastbarkeit der Höfe die Voraussetzung für frühmoderne Staatsbildung.51 Die Höhe des Abgabendrucks wirkte sich umgekehrt auch darauf aus, wie schnell sich die ländliche Ökonomie von den Folgen des Krieges erholte. In den Territorien, in denen sich ein absolutistischer Staat entwickelte, in dem also der Steuerdruck sehr hoch war, kam die wirtschaftliche Erholung relativ langsam voran. So mussten in Brandenburg und Bayern die Hofbesitzer nach 1648 nicht nur die ökonomischen Probleme meistern, sondern auch den Aufbau dieser Staaten finanzieren.52 In einigen kleineren Territorien wie Ottobeuren und Hohenlohe hatten die Hofbesitzer dagegen geringere Abgaben zu zahlen, was die Herausbildung einer starken, marktorientierten bäuerlichen Ökonomie förderte.53 47 Sreenivasan 2004, S. 294  ; Hagen 1989, S. 325 f.; Enders 2000, S. 737 f.; Hagen 2002, S. 100. 48 Hippel 1977, S. 242–244  ; Schlögl 1988, S. 270 f. 49 Enders 1992, S. 480 f. 50 Troßbach, 1981, S. 80–83. 51 Schlögl 1988, S. 292 f. 52 Robisheaux 1989, S. 228  ; Hagen 2002, S. 69  ; Schlögl 1988, S. 260 f. 53 Robisheaux 1989, S. 247–254  ; Sreenivasan 2004, S. 339–342.

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2.1.1.3 Ländliches Kreditwesen Angesichts der sinkenden Getreidepreise und der Belastungen durch steigende Löhne und Steuern stellt sich die Frage, wie die bäuerliche Bevölkerung zu Geld kam, um notwendige Investitionen zu tätigen. Das frühneuzeitliche Kreditwesen war grundsätzlich in ein soziales Beziehungsgeflecht eingebunden.54 Dieser soziale und kulturelle Rahmen gab den Beteiligten eine gewisse Sicherheit für den regulären Ablauf des Kreditgeschäfts. Zugleich führten Kreditbeziehungen auch zu Abhängigkeiten, sie zeigen somit Machtbeziehungen innerhalb der ländlichen Gesellschaft an. Während des Krieges war der Kapitalmarkt zusammengebrochen, Hofbesitzer und landsässiger Adel erhielten Kredite oft nur zu erhöhten Zinsen, und in Oberbayern ging die Kreditvergabe von 1640 bis 1660 allgemein zurück.55 Durch den Verfall der Bodenpreise waren der Pfandwert des Hofbesitzes und damit auch die Kreditwürdigkeit der Hofinhaber gesunken. Sie waren nicht mehr in der Lage, größere Rücklagen zu bilden, viele Gläubiger und Schuldner waren verunsichert. In vielen Regionen, wie z. B. im südniedersächsischen Hehlen oder im Bezirk des Klosters Ottobeuren, fielen die Stadtbürger als Kreditgeber aus, während in Oberbayern und im Elsass ihre Bedeutung sogar wuchs.56 Wichtige Geldgeber waren und blieben in den meisten Regionen die Kirchengemeinden. Der Kapitalzins kam für sie einer ewigen Rente gleich, denn die Schulden wurden überwiegend nicht zurückgezahlt, sondern von Generation zu Generation weitergegeben.57 Nach dem Krieg mussten sie einen Teil der ausgeliehenen Gelder abschreiben. Im hessischen Stausebach hatte die Kirchengemeinde nach dem Zeugnis von Caspar Preis von 1639 bis 1653 keine Zinszahlungen mehr erhalten und sie musste den Schuldnern 2917 Gulden erlassen.58 Auch Gutsherren und lokale Amtsträger traten als Geldgeber auf, und die Zahlungsaufschübe und Moratorien von Landes- und von Grundherren sind ebenfalls zu den agrarischen Krediten zu zählen.59 Schließlich konnte sich die Landbevölkerung an jüdische Geldleiher wenden, die sich z. T. auf die Vergabe kurzfristiger Kleinkredite spezialisiert hatten und in einigen Gegenden, so in Hessen und im Südwesten des Reichs, die wichtigsten Kreditgeber für die Landbevölkerung waren.60 In Südniedersachsen, in Ottobeuren und in der Prignitz verliehen auch Dorfbewohner Geld, während in Oberbayern ihr Anteil zurückging.61 Der innerdörfliche Kredit54 Lipp 2007  ; Häberlein 2007  ; Johler 1999, S. 149  ; Ineichen 1992, S. 81  ; Clemens, Einleitung 2008. 55 Schlögl 1988, S. 319–351. 56 Boelcke 1991, S. 206  ; Rappe-Weber 2001, S. 168  ; Sreenivasan 2004, S. 347  ; Schlögl 1988, S. 340  ; Boehler 1983, S. 184. 57 Schlögl 1988, S. 331  ; Rappe-Weber 2001, S. 169. 58 Eckhardt/Klingelhöfer 1998, S. 77. 59 Rappe-Weber 2001, S. 169  ; Troßbach 2005, Sp. 112. 60 Fontaine 2008  ; Ullmann 1999, S. 290–300, S. 341  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 120–129  ; Demandt 1980, S. 47 f. 61 Rappe-Weber 2001, S. 168  ; Sreenivasan 2004, S. 347  ; Enders 2000, S. 698  ; Schlögl 1988, S. 340.

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markt war besonders stark in das soziale Beziehungsgeflecht am Ort eingebunden. Das im südniedersächsischen Hehlen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts praktizierte Geldleihsystem war auf eine dauerhafte Gläubiger-Schuldner-Beziehung angelegt, bei der Land als Sicherheit eingesetzt wurde. Doch es traten nur einzelne Familien aus der Schicht der Halbmeier und der Kötner (Inhaber großer und mittlerer Höfe) als Geldgeber auf. Hinzu kamen noch Müller und Krüger, die eine kleine Kotstelle besaßen und über außeragrarische Einkommen verfügten. Für diese Familien wurde die Geldleihe zu einem sozialen Medium, sie knüpften darüber soziale Beziehungen und sie nutzten die hieraus resultierende Macht zur Einflussnahme innerhalb des Dorfes.62 Schließlich gehörten auch die Regelungen zum Erbgang und zur Entschädigung der weichenden Erben zum ländlichen Kreditsystem.63 Die Geschwister wurden oft nicht sofort ausgezahlt, sondern sie bleiben noch für eine Weile auf dem Hof und stundeten dem neuen Hofinhaber ihren Erbteil. Wenn die weichenden Erben jedoch die Ausbezahlung ihres Geldes forderten und die Hofinhaber hierzu nicht bereit oder in der Lage waren, konnten sich hieraus erbitterte Familienkonflikte entwickeln. So wurde in Oberbayern ein wesentlicher Teil der Ersparnisse der Hofbesitzer durch den Erbgang gebunden, d. h. das angesparte Geld diente dazu, die weichenden Erben auszuzahlen. Wenn diese mit ihrer Mitgift in andere Familien einheirateten, floss dieses Geld unmittelbar in deren Hof ein und konnte zum Erwerb neuer Produktionsmittel verwendet werden.64 Dieser Mechanismus erklärt, warum die Erben eines Hofes ihrerseits möglichst eine „gute Partie machten“, also eine Person heirateten, die von ihrer Herkunftsfamilie mit einer substanziellen Mitgift versehen worden war. Die Teilnahme am Kreditverkehr setzte Kreditwürdigkeit voraus, d. h. den Besitz von Land, das als Sicherheit eingesetzt wurde. Die Belastbarkeit eines Hofes bestimmte sich nach dem Ertrag und dem Leumund eines Hofinhabers. So konnte ein Hofinhaber mit geringem Ansehen in den Ruin getrieben werden, auch wenn sein Hof die nötigen Schulden hätte tragen können.65 Unter bestimmten Bedingungen diente nicht nur Landbesitz als Sicherheit bei der Kreditvergabe. In Ostschwaben, wo sich schon seit dem 16. Jahrhundert eine bedeutende Gewerbelandschaft entwickelt hatte, wurde im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts auch die gewerbliche Tätigkeit kapitalisierbar, das Weberhandwerk genügte den Gläubigern als Pfandwert.66 In Hehlen war der Großteil der Höfe verschuldet, doch die Belastung überstieg – vielleicht auch dank obrigkeitlicher Kontrolle – in der Regel nicht den Nennwert des Hofes.67 Auch in Oberbayern stieg die Verschuldung der Hofbesitzer relativ und absolut an. Doch für die Landbevölkerung war es überaus schwierig, Barkredite zu erhalten. Hier 62 Rappe-Weber 2001, S. 162–170  ; Fontaine 2008. 63 Rappe-Weber 2001, S. 115 f. 64 Schlögl 1988, S. 344 f. 65 Rappe-Weber 2001, S. 167. 66 Sczesny 2002, S. 365. 67 Rappe-Weber 2001, S. 167.

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waren Sach- und Leistungskredite an der Tagesordnung, und wenn Bauern ihre Betriebe durch den Kauf von Land vergrößerten, häuften sie Verbindlichkeiten an.68 Obwohl die Hofbesitzer auf Kredite langfristig nicht mehr verzichten konnten, beeinträchtigte die mangelnde Verfügbarkeit von Geld nach Rudolf Schlögl nicht den Wiederaufbau. Viel schwerer wogen seiner Einschätzung nach der Arbeitskräftemangel, die Umverteilung des produktiven Vermögens und die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Arbeitsmittel.69 2.1.1.4 Die Entwicklung der agrarischen Produktion Getreidebau Die Entwicklung der agrarischen Produktion nach 1648 hing von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren ab. Durch die hohen Bevölkerungsverluste sank die Nachfrage nach Brotgetreide stark ab, was einen Rückgang der Getreidepreise bewirkte.70 Als sich die Agrarproduktion nach dem Ende der Kriegswirren wieder normalisierte, kam vermehrt Getreide auf die Märkte, wodurch sich der Niedergang der Getreidepreise und damit der Rückgang der Einnahmen weiter verstärkten.71 Wie sich diese Preisentwicklung nun auf den Umfang der Getreideproduktion auswirkte, ist schwer einzuschätzen. In Oberbayern versuchten die Besitzer größerer Höfe die Einnahmeverluste durch eine Erhöhung der produzierten Mengen auszugleichen. Ferner schränkten sie ihren Konsum ein, um Geld ansparen zu können.72 Im Elsass, wo sich die Hofbesitzer darauf konzentrierten, das wüst liegende Land wieder unter den Pflug zu nehmen, dominierte der Getreidebau. Zu agrarischen Neuerungen kam es in dieser Zeit in der elsässischen Landwirtschaft noch nicht.73 Ferner wirkten sich der im 17. Jahrhundert zunehmende Steuerdruck und die fortdauernden Kriege hemmend auf den Wiederaufbau aus. Brandenburg war am schwedisch-polnischen Krieg (1655–1660) und dem brandenburgisch-schwedischen Krieg (1674–1679) beteiligt, die Pfalz wurde durch die Kriege Ludwigs XIV. am Ende des 17. Jahrhunderts verwüstet. Zudem ist zu diskutieren, in welcher Weise die klimatischen Bedingungen der „Kleinen Eiszeit“ die Landwirtschaft beeinflussten. Die Entwicklung der agrarischen Produktion in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verlief in gewisser Weise antizyklisch zur Klimaentwicklung. Zwar werden niedrige Temperaturen und große Feuchtigkeit die agrarische Produktion beeinträchtigt haben, aber die Landwirtschaft litt in dieser spezifischen Situation eher unter der Gefahr einer Überproduktion. Inwiefern die schlechten Witterungsbedingungen in dieser Situation die Tendenz zur Überproduktion gebremst haben, müsste allerdings noch genauer untersucht werden. Andererseits sollten aus den 68 Schlögl 1988, S. 339. 69 Schlögl 1988, S. 339  ; Sreenivasan 2004, S. 345 f. 70 Abel 1978, S. 162 f. 71 Theibault 1995, S. 204. 72 Schlögl 1988, S. 301, S. 352. 73 Boehler 1983, S. 185.

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Klimaschwankungen keine zu weit gehenden Schlüsse auf die agrarische Entwicklung und die Lebensumstände gezogen werden, wie sie z. B. bei Wolfgang Behringer zu finden sind, der sämtliche Krisenphänomen des 17. Jahrhunderts auf die „Kleine Eiszeit“ zurückführen möchte.74 Aufgrund der ungünstigen Rahmenbedingungen dauerte die Erholung der ländlichen Ökonomie oft mehrere Jahrzehnte. Im süddeutschen Hohenlohe erreichten die Hofbesitzer bereits in den 1660er-Jahren ihre volle Leistungsfähigkeit,75 während sie sich in Nordhessen ab den 1660er-Jahren auf einem Niveau einpendelte, das unter demjenigen des Vorkriegsstandes lag.76 Im Herzogtum Braunschweig hatte die Ackerbauproduktion 1685 die Ausdehnung der Vorkriegszeit z. T. schon überschritten,77 in Brandenburg erreichten die landwirtschaftlichen Betriebe in den 1690er-Jahren ihre vorherige Leistungsfähigkeit wieder und im Elsass war der Wiederaufbau erst 1720/25 abgeschlossen.78 Das war oft nur möglich, weil die ländlichen Wirte neben dem Getreidebau, der die wichtigste Domäne der Landwirtschaft blieb, weitere Einkommensmöglichkeiten nutzten. Eine Umstellung auf Viehwirtschaft, der Rückgriff auf andere Ressourcen wie zum Beispiel Holz oder die Erweiterung der gewerblichen Aktivitäten konnten eine schnellere Erholung oder zumindest einen kurzfristigen Ausgleich finanzieller Lücken bewirken. Viehzucht Lange Zeit unterschätzten Agrarhistoriker die Viehwirtschaft als ein „notwendiges Übel“; die Tiere seien nur wegen ihrer Zugkraft und zur Gewinnung von Dünger gehalten worden.79 Dagegen ist zu betonen, dass die Tierhaltung stets ein wichtiger Bestandteil der agrarischen Ökonomie war, tierische Produkte bildeten ein zentrales Element der menschlichen Ernährung, und der Besitz von Tieren, v. a. von Pferden, war auch eine Prestige­ frage.80 In einzelnen Regionen erwirtschafteten Haushalte durch den Verkauf tierischer Produkte ein gewisses Zusatzeinkommen oder sie verlegten sich sogar ganz auf die Viehzucht.81 Das war besonders dann attraktiv, wenn die Höfe nicht verkehrsgünstig oder in der Nähe größerer Städte lagen. Zum einen sanken die Viehpreise nicht so stark ab wie die Getreidepreise,82 zum anderen schlugen die Transportkosten für Vieh geringer zu Buche als für Getreide. Über die Versorgung regionaler Märkte hinaus bot der internationale Viehhandel neue Möglichkeiten, denn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gingen 74 Behringer 2005. 75 Robisheaux 1989, S. 250 f. 76 Theibault 1995, S. 203. 77 Saalfeld 1960, S. 86. 78 Hagen 2002, S. 75–78  ; Boehler 1995, S. 356. 79 Abel 1962, S. 221. 80 Beck 1993, S. 141 f. 81 Enders 1992, S. 350  ; Schlögl 1988, S. 190  ; Robisheaux 1989, S. 248–251. 82 Abel 1978, S. 163.

Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg Abb. 4  : Flugschrift zum Hochwasser 1651. In der Kleinen Eiszeit häuften sich die Überschwemmungskatastrophen, die als Strafe Gottes angesehen und als Anlass für religiöse Belehrungen genutzt wurden.

die Viehexporte aus Ungarn, Polen und Dänemark, den traditionell wichtigsten Produktionsgebieten für den europäischen Ochsenhandel, stark zurück.83 Obst- und Gemüseanbau Neben Getreide bauten ländliche Haushalte auch Gemüse und Obst an, das sie entweder selbst konsumierten oder auf dem Markt verkauften. So werden die 500 Obstbäume, über deren Fällung im hessischen Stausebach Caspar Preis 1640 klagte,84 nicht nur der Selbstversorgung gedient haben. In einer ganzen Reihe süddeutscher Regionen, in denen entsprechend günstige klimatische Bedingungen herrschten – das betraf v. a. die Täler von Rhein, Mosel, Nahe, Main und Neckar – konnte der Weinanbau seit dem Mittelalter Landwirtschaft und Kultur stark beeinflussen, wenn nicht dominieren. Aus den klimatisch ungünstigeren Gegenden hatte er sich dagegen seit dem 16. Jahrhundert zurück-

83 Kiss 1979, S. 108  ; Baszanowski 1979, S. 132  ; Petersen 1978, S. 150 f. 84 Eckhardt/Klingelhöfer 1998, S. 46.

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gezogen.85 Der Weinbau bot besondere Vorteile, konnte sich eine Familie bei intensiver Arbeit doch von einer relativ kleinen Fläche ernähren. Diese Kultur war allerdings extrem marktorientiert und dadurch stark von äußeren Faktoren abhängig. Landgewerbe86 Im Laufe des 17. Jahrhunderts gewann der Anbau von Hanf und Flachs noch weiter an Bedeutung. Die Landbevölkerung baute diese Pflanze zunächst an, um den eigenen Bedarf an Leinen zu befriedigen, aber seit dem 17. Jahrhundert entwickelte sich in einigen Regionen wie der Schwäbischen Alb oder Westfalen ein exportorientiertes Leinengewerbe, das einer wachsenden Zahl von Menschen Arbeit gab. Das Gleiche war in Sachsen zu beobachten, wo die Landbewohner das seit dem 15. Jahrhundert existierende Leinengewerbe wieder aufnahmen.87 In Ostschwaben entstand – nach dem Niedergang der Barchentherstellung zu Beginn des 17. Jahrhunderts – ein umfangreiches Landgewerbe, das Baumwollstoffe und Kattun herstellte.88 Die Entwicklung solcher Gewerbelandschaften setzte die Existenz ausgedehnter Marktbeziehungen voraus. Die Weber verkauften nicht nur ihre Produkte auf dem Markt, sondern sie versorgten sich und ihre Familien auch auf dem Markt mit Lebensmitteln. Die hierin zum Ausdruck kommende weitere Ausdehnung der Marktbeziehungen war einer der grundlegenden Züge in der Entwicklung der ländlichen Gesellschaft in der Nachkriegszeit, die sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts weiter verstärkte.89 Ihr lag eine zunehmende soziale Differenzierung der ländlichen Gesellschaften zugrunde. Viele Dorfbewohner besaßen kein oder nicht viel Land, sie lebten als Tagelöhner oder von einem Gewerbe. Daher stellten sie selbst nicht genug Nahrungsmittel her, sondern mussten sie kaufen, was zum weiteren Ausbau lokaler, regionaler und überregionaler Märkte führte. 2.1.2 Eine Ökonomie im Gleichgewicht  ?

2.1.2.1 Entwicklungen der Landwirtschaft im 18. Jahrhundert Seit den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts änderten sich die Rahmenbedingungen ökonomischen Handelns. Nun stiegen die Getreidepreise wieder an und blieben – mit großen jährlichen Schwankungen – bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem erreichten Niveau. Zwar hörten die extrem ungünstigen klimatischen Bedingungen des späten 17. Jahrhunderts auf, aber bis 1730 gab es noch zahlreiche kalte Winter wie z. B. 1709 oder 1716, und bis 1750 waren immer wieder nasskalte Sommer zu verzeichnen wie z. B. 1723, 1726 oder 1737–1740. Hinzu kamen besonders trockene Sommer und Winter, 85 Abel 1962, S. 166 f., S. 209  ; Gerlich 1993  ; Schmitt 2004  ; Straub 1977, S. 76–82. 86 Siehe hierzu auch das Kapitel 4.2.3 zum Landgewerbe in Teil 1. 87 Medick 1996, S. 207  ; Schlumbohm 1994, S. 66–72  ; Kaufhold 1986, S. 124 f. 88 Sczesny 2002, S. 35. 89 Theibault 1995, S. 209  ; Troßbach/Zimmermann 2006, S. 108.

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unter denen v. a. die Jahre 1738–1746 zu erwähnen sind.90 Die Landwirtschaft hatte – mit einigen Ausnahmen wie dem Elsass – bis zum Ende des 17. Jahrhunderts ihre vorherige Leistungsfähigkeit wieder erreicht und die Bevölkerungsverluste wurden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wieder ausgeglichen. Auch wenn in der Zeit von 1700 bis 1750 in der Landwirtschaft keine großen Veränderungen zu verzeichnen waren, bildete sie keine Phase des Stillstands. In ihr kündigten sich Veränderungen an, die nach der Jahrhundertmitte in größerem Maßstab zum Tragen kamen. Aufgrund des allmählichen Anstiegs der Bevölkerungszahlen begannen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Löhne wieder zu sinken.91 Dadurch verbesserten sich die ökonomischen Bedingungen für die Getreidebau treibenden Betriebe. Doch diese Erholung betraf nur jene Hofbesitzer, die sich am Marktgeschehen beteiligen und daraus Gewinn erzielen konnten. Da mit der Bevölkerungszunahme die Zahl der Landlosen und Landarmen in den Dörfern wuchs, benachteiligten die steigenden Getreidepreise eine immer größere Zahl von Landbewohnern, die ihre Nahrungsmittel nicht selbst anbauten, sondern kaufen mussten.92 Auch jene kleinen Hofbesitzer, die durch ihre – z. T. sehr intensiv betriebene – Subsistenzökonomie gerade sich selbst versorgen konnten, profitierten nicht von den steigenden Getreidepreisen.93 Die Verringerung des Anteils der rein agrarischen Bevölkerung in den Dörfern wurde noch dadurch unterstützt, dass die Inhaber größerer Betriebe in einigen Regionen wie Bayern, Brandenburg oder an der Nordseeküste sich nach dem Ende des Krieges oder nach einer Flutkatastrophe wüst liegendes Land angeeignet hatten.94 Dies führte tendenziell zu einer Konzentration des Besitzes in der Hand dieser Bauern. Ackerbau Wegen der wachsenden Attraktivität des Getreidebaus weiteten die Hofbesitzer die Äcker wieder aus, sofern sie nicht bereits alle geeigneten Flächen umgebrochen hatten. So nahmen im Herzogtum Braunschweig die Anbauflächen vom 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zwar konstant, aber nur in geringem Umfang zu und auch im Elsass ist diese Entwicklung im 18. Jahrhundert zu beobachten.95 Doch sind auch qualitative Veränderungen zu beobachten. In verschiedenen Regionen Brandenburgs begannen Hofbesitzer und Gutsherren zwischen 1720 und 1740 Kartoffeln anzupflanzen,96 im badischen Oberland wurde der Kartoffelanbau erstmals 1717 erwähnt, in Alsheim (Rheinhessen) 1736.97 Zunächst war die Kartoffel noch eine Gartenfrucht und in Rheinhessen wurde sie v. a. zur 90 Glaser 2001, S. 176 f. 91 Abel 1978, S. 163 92 Galloway 1988, S. 277. 93 Boehler 1995, S. 967. 94 Schlögl 1988, S. 297–304  ; Enders 2000, S. 1014–1017  ; Jakubowski-Tiessen 1992, S. 195–198. 95 Saalfeld 1960, S. 86 f.; Boehler 1995, S. 961  ; Boehler 1983, S. 189 f. 96 Müller 1967, S. 70  ; Enders 1992, S. 484  ; Hagen 2002, S. 196. 97 Straub 1977, S. 132  ; Mahlerwein 2001, S. 202.

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Abb. 5  : Getreidepreise in Mitteleuropa, 1626–1750 Abb. 6  : Löhne in Mitteleuropa, 1626–1750

Fütterung des Viehs verwendet, aber ihre allmählich zunehmende Verbreitung zeigt, dass die agrarischen Produzenten neue Entwicklungen aufmerksam beobachteten und neue Pflanzen ausprobierten. Besömmerung der Brache Die neuen Früchte blieben nicht auf die Gärten beschränkt. In den meisten Regionen dominierte in dieser Zeit die Dreifelderwirtschaft mit Sommerfeld, Winterfeld und Brachfeld, da sie den klimatischen Gegebenheiten im nördlichen Europa am besten entsprach.98 Die Agrarproduzenten ließen die Felder alle drei Jahre brach liegen, düngten sie intensiv und pflügten sie mehrmals, damit sich der ausgelaugte Boden erholen konnte. Innerhalb dieses Systems konnten sie die genutzte Fläche durch den Anbau von Früchten auf dem Brachfeld erweitern. Auf der Brache baute man kein Getreide, sondern die als Leguminosen bezeichneten Hülsenfrüchte Erbsen, Bohnen, Linsen und Wicken an. Die Besömmerung der

98 Sieferle u. a. 2006, S. 41 f.

Wirtschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg Abb. 7  : Kartoffeln sind seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Gartenfrüchte nachweisbar und wurden dann mehr und mehr auf den Feldern angebaut. Die Färberröte ist dagegen schon seit dem Mittelalter als gewerblich genutzte Pflanze bekannt. Bild der Kartoffel (Grundbeere) und der Färberröte (Krapp), Christian Haenlé, Straßburg 1747.

­ rache war im Braunschweigischen schon im 16. Jahrhundert nachzuweisen,99 die agrariB schen Produzenten begannen sie aber erst im 17. und 18. Jahrhundert in größerem Maße anzuwenden. In der Prignitz war sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bereits auf einzelnen Flächen zu finden,100 und im frühen 18. Jahrhundert wurde sie dann in zahlreichen weiteren Regionen wie z. B. Rheinhessen oder der Uckermark praktiziert.101 Im oberbayerischen Unterfinning bauten die agrarischen Produzenten dagegen Kraut, Rüben oder Flachs in Gärten und auf Feldern an.102 In einigen Regionen kultivierten sie vereinzelt schon vor 1750 Klee  : In Wolfenbüttel wurde erstmals 1670 die Aussaat von Klee auf dem Acker erwähnt, und in der Uckermark ist diese Praxis seit 1708 nachzuweisen.103  99 Saalfeld 1960, S. 52, S. 58. 100 Enders 2000, S. 713. 101 Mahlerwein 2001, S. 201  ; Enders 2000, S. 1001  ; Enders 1992, S. 483. 102 Beck 1993, S. 136–138. 103 Saalfeld 1960, S. 52  ; Enders 1992, S. 485 f.

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Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg Abb. 8  : Früchte wie Saubohne, Erbsen und Linsen, die in immer größerem Maße auf der Brache angepflanzt wurden, ergänzten die traditionelle Fruchtfolge der Getreidesorten und lockerten sie auf. Bild der Saubohne, Erbsen und Linsen, Christian Haenlé, Straßburg 1747.

Der quantitative Umfang dieser Brachbesömmerung ist – wenn überhaupt – nur schwer abzuschätzen. Die Calenberger Zehntordnung von 1709 verbot für den südlichen Teil des Kürfürstentums Hannover mehr als ein Viertel der Brache zu besömmern.104 In einigen Fällen wird mit der Brachbesömmerung zwar auch eine gesteigerte Produktion von Viehfutter verbunden gewesen sein, aber im 18. Jahrhundert blieb der Weidegang auf den gemeinschaftlichen Weiden, in den Wäldern und auf den Feldern die wichtigste Grundlage der Viehhaltung. Diese Allmenden waren ferner Lieferanten vielfältiger Rohstoffe für die ländlichen Haushalte, wie z. B. Holz, das die Dorfbewohner nicht nur als Brenn- und Baumaterial verwendeten, sondern auch zur Herstellung von Tellern, Kannen, Löffeln oder auch Pflügen. Ferner nutzten die Landbewohner sie als Verfügungsflächen, die sie zum Zwecke einer intensiveren Nutzung unter den Dorfbewohnern aufteilten, wie das z. B. im Fürstentum Osnabrück, im nördlichen Rheinland, in Hessen oder in Württemberg zu beobachten war.105 104 Prass 1997, S. 80 f. 105 Prass, Allmendflächen 2003, S. 211–217  ; Warde 2002, S. 215  ; Sabean, Property 1990, S. 56 f, S. 434–437.

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Ökonomisches Handeln in sozialen Beziehungsgeflechten Die Allmenden standen auch für die Einbindung jedes einzelnen Wirtschaftenden in ein ökonomisches, soziales und kulturelles Netzwerk. Es manifestierte sich zunächst in Absprachen über die einheitliche Bewirtschaftung der Ackerfluren und gemeinsame Weidezeiten, wie sie Rainer Beck für die oberbayerischen Dörfer Unterfinning und Rott darstellt.106 Dazu gehörten ferner Arbeitsbeziehungen wie die Gespannhilfe der großen für die kleineren Hofbesitzer, die im Gegenzug den Inhabern großer Höfe bei der Ernte halfen.107 Solche Arbeitsbeziehungen bildeten auch die Grundlage des Verhältnisses zwischen Kolonen und Heuerlingen in Westfalen.108 Ebenso folgten Landmarkt und Kreditmarkt sozialen Regeln.109 Grundlage dieser Beziehungsnetze waren oftmals verwandtschaftliche Beziehungen, bestimmte soziale Institution wie Gemeindeverband oder Nachbarschaft konnten ihre konkrete Ausformung jedoch ebenfalls beeinflussen. Studien zu Hohenlohe, zum württembergischen Dorf Neckarhausen oder zum osnabrückischen Kirchspiel Belm führen die Entwicklung ländlicher Gesellschaften auf endogene, d. h. innerhalb der dörflichen Gemeinschaft selbst sich herausbildende Dynamiken zurück.110 Damit lösen sie ein älteres Bild ländlicher Gesellschaften ab, das deren Entwicklung in vollkommener Abhängigkeit von äußeren Anstößen und Entwicklungen sah. Der aktuelle Ansatz berücksichtigt zwar auch weiterhin, dass die Landbewohner innerhalb eines gegebenen Rahmens handelten, aber seine Vertreter weisen darauf hin, dass die Menschen an der Gestaltung ihrer Lebensbedingungen maßgeblich beteiligt waren. Jürgen Schlumbohm hebt auf der Grundlage seiner Studien zu Belm hervor, „daß die Menschen die Ungleichheit der Verhältnisse nicht lediglich erlitten, sondern daß diese die Verhältnisse und deren Entwicklung auch mitgestalteten“.111 Solche sozialen Beziehungsgeflechte lagen auch den interlocked factor markets zugrunde. Diese sind dadurch definiert, dass Transaktionen auf dem Markt nicht unabhängig voneinander vollzogen wurden. Die am Marktgeschehen Beteiligten, Grundherren, Pächter, Bauern und andere Landbewohner, gingen immer unterschiedliche Transaktionen zugleich ein  : Landpacht, Anstellung von Arbeitern, Produkt- und Konsumtionskredit, Teile der Investitionen, Vermarktung der Produkte usw.112 Diese Transaktionen waren in soziale Praktiken eingebunden  : So zirkulierte Landbesitz in ländlichen Gesellschaften, die stark durch verwandtschaftliche Beziehungen geprägt waren, v. a. innerhalb des Familiensystems (z. B. durch Vererbung oder Heirat) und nicht auf einem freien

106 107 108 109 110 111 112

Beck 1993, S. 53–60, S. 87–93. Boehler 1985, S. 196. Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 63 f. Sabean 1998, S. 48, S. 171 f.; Levi 1986, S. 75–80. Troßbach 1997, S. 203 f. Schlumbohm 1994, S. 624. Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 169.

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Markt.113 Durch vielfältige soziale Verschränkungen kontrollierten die Beteiligten diese Austauschbeziehungen, was die Unsicherheiten eines anonymen, überregionalen Marktsystems vermied. Die soziale Einbindung des Bodenmarktes barg jedoch die Gefahr, dass Grundherren und reiche Hofbesitzer ihn kraft ihrer ökonomisch und sozial potenteren Stellung dominierten. Eine im 19. Jahrhundert überzogen kritisierte Ausformung des Wirtschaftens im Rahmen des Gemeindeverbands war der Flurzwang. Damit wird die genaue Festlegung von Ackerbau- und Weidezeiten sowie der angebauten Früchte auf der Feldmark bezeichnet. Wegen der Weiderechte auf den Feldern und der Überfahrtrechte, d. h. der Notwendigkeit, über benachbarte Felder zum eigenen Feld zu fahren, weil es keine Feldwege gab, mussten die Landbesitzer die Nutzung ihrer Felder genau absprechen. Eine solche Absprache dokumentiert der Vergleichsbrief der oberbayerischem Gemeinde Rott von 1728.114 Nun bedeutete der Flurzwang zwar eine Einschränkung individueller Nutzungsmöglichkeiten, aber trotzdem war innerhalb seines Rahmens die Einführung neuer Pflanzen und intensiverer Anbaumethoden möglich  : Neuerungen konnten die Hofbesitzer freilich nur auf Sonderflächen oder nach vorheriger Absprache einführen, was Umfang und Geschwindigkeit ihrer Durchsetzung beeinträchtigte. So pflanzte man Kartoffeln zunächst im Garten an, bevor man sie im 18. Jahrhundert allmählich in die Fruchtfolge auf den Äckern integrierte.115 Entwicklung intensiver Wirtschaftsformen In welchem Ausmaß die Agrarproduzenten intensivere Bewirtschaftungsformen in dieser Zeit bereits einführten, hing von naturräumlichen Gegebenheiten und ökonomischen Anreizen durch eine gesteigerte Marktnachfrage ab. So entwickelte sich in den Oldenburger Nordseemarschen mit ihren fruchtbaren Böden bereits vor 1700 ein intensiver, marktorientierter Getreidebau. Die Hofbesitzer bauten sowohl Getreide – vor allem Hafer, Weizen und Gerste – als auch Raps, der sich hier in der Mitte des 17. Jahrhunderts verbreitete und zur Ölgewinnung für Speisen und Beleuchtung diente, für den Export nach England, Holland und Frankreich an. Im ostfriesischen Küstengebiet gingen die Hofbesitzer seit dem 16. Jahrhundert aufgrund günstiger Preise und Marktkontakte nach Amsterdam von der Rinderhaltung zum Getreidebau über. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrug der Anteil der mit Weizen bebauten Flächen hier 10–20%, während er auf der benachbarten Geest kaum über 5% hinauskam.116 Ebenso existierten in den fruchtbaren Flussniederungen in dieser Zeit bereits intensive Bewirtschaftungsformen. In den Elbtalauen um Wittenberge hatten die Hofbesitzer 113 114 115 116

Fertig 1999, S. 268. Beck 1993, S. 90 f. Abel 1962, S. 289 f.; Müller 1967, S. 70 f. Hinrichs/Krämer/Reinders 1988, S. 102–105, S. 118.

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die traditionelle Feldfolge im 17. Jahrhundert bereits aufgelöst. Auf den guten, jedoch von Überschwemmung ständig gefährdeten Kleiböden gedieh Weizen, dessen Ertrag das Vier- bis Sechsfache, in einigen Fällen sogar das bis zu Zehnfache der Aussaat ausmachte. Aufgrund der Überschwemmungsgefahr bauten die Hofbesitzer v. a. Sommergetreide an.117 In der Rheinebene zwischen Mainz und Worms schafften die Hofbesitzer des Dorfes Eich in den 1720er-Jahren die herkömmlichen Flursysteme ab und gingen zu einem dauernden Ackerbau über.118 Eine solche, durch günstige geologische Bedingungen ermöglichte Intensivierung der Landwirtschaft war sowohl eine Reaktion der Bauern auf eine lokal stark zunehmende Bevölkerung, die eine intensivere Nutzung des vorhandenen Landes erforderte und ermöglichte, als auch eine Folge guter Marktbeziehungen, die in diesem Fall durch die Nähe des Rheins als Wasserstraße gefördert wurde. In der Nähe von Städten waren die agrarischen Produzenten generell zu einer intensiveren Landwirtschaft übergegangen, die in einigen Fällen einen hohen Spezialisierungsgrad – wie z. B. den Anbau von Küchenkräutern um Erfurt – erreichen konnte.119 Nutzung unterschiedlicher Feldsysteme Doch im 18. Jahrhundert nutzten die agrarischen Produzenten auch weiterhin extensive Bewirtschaftungsformen wie die Zweifeldwirtschaft oder eine extensive Form der Einfeldwirtschaft, bei der sie ein Feld nur einige Jahre beackerten und dann längere Zeit brach liegen ließen. Die Nutzungsform eines Feldes war überwiegend durch seine Bodenqualität bedingt, sie konnte aber auch ein Resultat seiner Lage zum Dorf sein. In Brandenburg wie auch in den Vogesen existierten im ganzen 18. Jahrhundert Außenfelder, auf denen die Dorfbewohner nur extensive Landwirtschaft betrieben, während sie die in der Nähe des Dorfes gelegenen Innenfelder intensiver bewirtschafteten.120 Doch die Feldfolgen dürfen nicht als klar voneinander abgegrenzte Wirtschaftssysteme betrachtet werden. So stellt Jean-Michel Boehler für die elsässische Ebene fest, dass kein klares Schema der Verteilung bestimmter Feldfolgen entwickelt werden kann. Zwar dominierte im nördlichen Teil der elsässischen Rheinebene die Zweifelderwirtschaft und in ihrem südlichen Teil die Dreifelderwirtschaft, aber in allen Regionen waren auch Ausformungen jeweils anderer Feldfolgen zu finden und letztliche konstatiert er eine fortschreitende Auflösung der Regionen, in denen die eine oder die andere Feldfolge dominierte.121 Auf ähnliche Entwicklungen verweist Niels Grüne für die badische Rheinpfalz, wo nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs bereits Modifikationen der dort vorherrschenden 117 118 119 120 121

Enders 2000, S. 729 f. Mahlerwein 2001, S. 179. Czekalla/Prass 2011. Müller 1967, S. 46 f.; Boehler 1995, S. 960. Boehler 1995, S. 741.

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Dreifelderwirtschaft zu finden waren. Reichere Hofbesitzer begannen auf dem Sommerfeld vermehrt Handelsgewächse, v. a. Tabak anzubauen, während die ärmeren sich gezwungen sahen, das Brachfeld zu besömmern, um für ihren Unterhalt genug Land zu bewirtschaften. Damit konnte aber der Weidegang nicht mehr einem einheitlichen Zeitschema folgen.122 Diese flexiblen Anwendungen unterschiedlicher Bewirtschaftungsformen zeigen, dass die Aufteilung der Feldmark in mehrere Felder (Zelgen), die nach einem festen Rhythmus bewirtschaftet wurden, nicht starr war.123 Innerhalb des Systems jährlichen Anbauwechsels kamen zahlreiche Varianten vor, wie das brandenburgische Beispiel zeigt. Angesichts dieser Intensivierungsbestrebungen darf freilich nicht übersehen werden, dass die Landwirtschaft sich nicht in allen Regionen veränderte. Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es Gegenden, in denen die traditionellen Anbaumethoden vorherrschten, wie z. B. in fränkischen Klosterherrschaften, in der Lüneburger Heide oder im Sauerland.124 2.1.2.2 Beziehungen Mensch–Natur Schon während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind Bestrebungen zu erkennen, die Möglichkeiten der Landwirtschaft weiter auszudehnen. Dazu gehörten große, von den staatlichen Verwaltungen angeregte Vorhaben wie die Melioration des Oderbruchs,125 aber auch kleinere Projekte zur Kultivierung wüster Flächen.126 Sie ordneten sich in eine kameralistische Wirtschaftspolitik ein, die auf die Stärkung der Wirtschaftskraft des Landes und damit der Steuereinnahmen zielte.127 Im Laufe des 18. Jahrhunderts ging sie über das Bestreben, das Land nach den Kriegszerstörungen des 17. Jahrhunderts wieder aufzubauen, hinaus, und sollten dazu dienen, das finanzielle und damit das militärische Potenzial der Staaten weiter auszubauen. Die Melioration des Oderbruchs Die Eindeichung und Melioration des Oderbruchs ab 1747 war neben der Trockenlegung des Havelbruchs (1718–1724) die größte landschaftsverändernde Maßnahme Brandenburg-Preußens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.128 Die nördlich Frankfurt/Oder gelegene Talniederung war vor der Melioration stark vom Wechsel des Wasserstandes abhängig. Getreidebau war nur am Rande des Bruchs, auf etwas höher gelegenen Flächen möglich. Er bildete neben der Schäferei die wichtigste Einnahmequelle der dortigen Gü122 123 124 125 126 127 128

Grüne 2011, S. 127 f. Mahlerwein 2001, S. 181. Troßbach, Beharrung 1998, S. 125 f. Herrmann 1997. Enders 2000, S. 922. Burkhardt 1990, S. 174 f. Herrmann 1997.

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Abb. 9  : Die Melioration des Oderbruchs war das größte Projekt zur Gewinnung von Kulturland, das der preußische Staat in der Mitte des 18. Jahrhunderts durchführte. Dieser Merian-Stich aus dem 17. Jahrhundert zeigt die Sümpfe bei Zehden (Cedynia), die bis zur Eindeichung für den Oderbruch charakteristisch waren.

ter. Da nur einige Bauern Getreidebau betreiben konnten und Rindermast nur bei niedrigem Wasserstand möglich war, bildete die Fischerei den wichtigsten Einkommenszweig der Bruchbewohner. Sie war seit dem späten Mittelalter in ein umfangreiches Handelsnetz eingebunden, in dem Berlin eine zentrale Rolle spielte. Seit dem späten Mittelalter gab es zwar Maßnahmen zur Eindeichung der Oder, aber die bestehenden Dämme wurden ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts vernachlässigt. Erste Anstrengungen zur Einrichtung wirksamer Deiche erfolgten 1717, die das große Oderhochwasser von 1736 zerstörte. Die von 1747 bis 1752 durchgeführten Maßnahmen umfassten eine Begradigung des Flussverlaufs und damit eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, die Eindeichung der Flussläufe und die Anlage von Entwässerungsgräben. In der Folge wurden Fischerei und extensive Viehwirtschaft durch eine intensive Landwirtschaft abgelöst. Die Ackerlandfläche wurde erheblich ausgedehnt und nach 1763 begann die Regierung, auf dem neu gewonnenen königlichen Domanialland Kolonisten anzusiedeln. Zu den 937 vorher dort ansässigen Familien kamen 1134 Neusiedlerfamilien hinzu.

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Mit der Melioration wurde ein besserer Schutz vor Hochwasser, eine erhebliche Steigerung der Ackerbau- und Viehproduktion und eine unkompliziertere Schiffbarkeit der Oder erreicht. Auf der anderen Seite veränderte sie das Landschaftsbild vollständig, die Fischerei ging stark zurück und der Artenbestand änderte sich. Die bisherigen Bewohner des Oderbruchs mussten ihre Wirtschafts- und Lebensweise völlig umstellen, worauf sie mit zahlreichen Widerstandsaktivitäten reagierten. Zudem war das Hochwasserproblem nicht gelöst  : Bis ins 20. Jahrhundert waren weitere Maßnahmen nötig, um das Oderbruch wirksam vor Hochwasser zu schützen. Die bisherigen Bewohner fühlten sich durch die finanzielle Bevorzugung der Kolonisten benachteiligt. Doch nur auf den staatlichen Domänen war mit der Ansiedlung von Kolonisten auch ein besseres Besitzrecht verbunden. Die Adeligen errichteten in den von ihnen angelegten Dörfern gutsherrschaftliche Verhältnisse inklusive Frondiensten. Nach Heinrich Kaak ging hier der agrartechnische Fortschritt dem sozialen weit voran.129 Die günstigeren Besitzrechte, die z. T. auch die Kolonisten in adeligen Dörfern erhalten hatten, führten dazu, dass auch die Bewohner der übrigen Dörfer nach Möglichkeiten suchten, ihre Situation zu verbessern. Doch Domänen und Güter ließen sich die rechtliche Besserstellung ihrer Untertanen stets bezahlen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war zumindest in einem Teil der Dörfer des Oderbruchs das Lassrecht,130 ein Erbzinsrecht, bei dem der Inhaber des Hofes kein freies Verfügungsrecht über sein Land besitzt, überwunden worden, aber die Neuregelegung der Dienste blieb eine Ausnahme. Die Ansiedlung der Kolonisten vermehrte übrigens den Anteil der großen und mittleren Stellen kaum. Auch im Oderbruch beruhte der Anstieg der Bevölkerungszahlen v. a. auf eine Zunahme der unterbäuerlichen Bevölkerung.131 Natur als Störfaktor und Bedrohung Natur galt den Zeitgenossen nicht nur als Grundlage und Rahmen von Landwirtschaft, die zwar die Grenzen der agrarischen Produktion mitbestimmte, die aber ebenso zugunsten menschlicher Bedürfnisse zu gestalten war. Die Menschen empfanden die Natur aber auch als ‚Störfaktor‘. Schon die Regulierung der Oder ging von einer solchen Vorstellung aus. Die preußische Regierung griff massiv in die Natur ein, um sie menschlichen Bedürfnissen unterzuordnen. Ebenso gab es kleinere private und obrigkeitliche Maßnahmen, die auf eine bessere Nutzung natürlicher Ressourcen abzielten. Hierzu zählte die Rodung von Wäldern, Maßnahmen zur Be- und Entwässerung, das Aufstauen oder die Umleitung von Gewässern zum Betrieb von Wassermühlen. Die Mühlenstaue führten zu einer Erhöhung des Grundwasserstandes, was in Brandenburg Überschwemmungsgebiete und neue Moore entstehen ließ.132 129 Kaak 2004, S. 93. 130 Vgl. Zedler 1737. 131 Kaak 2004, S. 97 f. 132 Gudermann, Morastwelt 2000, S. 54 f., S. 57–60  ; Ciriacono 2006.

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Ferner erlebten die Menschen Natur als eine Macht, die übermächtig in ihr alltägliches Leben eingriff. Das galt für das Oderhochwasser 1736 ebenso wie für die Sturmfluten, die die Nordseemarschen bedrohten. Diese Landschaft, die der Nordsee durch gezielte Entwässerungsmaßnahmen abgewonnen worden war, sah sich beständig durch Überschwemmungen gefährdet. Die Notwendigkeit, die Küste durch Deiche zu sichern, war ein dominierendes Element der Lebenswelt ländlicher Gesellschaften an den Nordseeküsten.133 Trotz dieser Sicherungsmaßnahmen wurden die Nordseeküsten im 17. und 18. Jahrhundert oft überflutet. Die Bodenerträge litten unter der Versalzung des Bodens und die hohen Deichbaukosten belasteten die Bevölkerung.134 Besonders verheerend wirkte sich die große Sturmflut von 1717 aus, die nicht nur unmittelbar Hungersnöte und Armut brachte, sondern zu einem wirtschaftlichen Niedergang, einem Verfall gesellschaftlicher Normen und einem kulturellen Niedergang führte.135 Die Bewohner des Küstenstrichs Butjadingen nördlich von Bremen mussten nach 1717 ihre ganze Tatkraft auf den Wiederaufbau ihrer ökonomischen Grundlagen konzentrieren. Dadurch vernachlässigten sie das zuvor vorbildliche Schulwesen, sodass der Alphabetisierungsgrad der dortigen Landbevölkerung deutlich zurückging.136 Ferner stellten Viehseuchen eine dauerhafte Beeinträchtigung der Landwirtschaft dar, zumal im 18. Jahrhundert die Gefahr von Tierseuchen in ganz Europa wuchs. Sie bedrohten die Milch- und Fleischversorgung, verursachten enorme finanzielle Verluste und beeinträchtigten die Düngerbilanz ganzer Regionen. Bei ihrer Bekämpfung dominierten magische und volksreligiöse Praktiken, die auch noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Anwendung fanden. Ab der Jahrhundertmitte begannen Wissenschaftler medizinische Mittel zur Eindämmung der Viehseuchen zu entwickeln, die sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts aber nicht durchsetzen konnten.137 Ökonomisierung der Natur Seit dem frühen 18. Jahrhundert setzten Bestrebungen ein, die Natur grundlegend und systematisch umzugestalten, um sie für den Menschen besser nutzbar zu machen.138 Doch nun wurde diese Problematik erstmals systematisch und auf der Grundlage wissenschaftlicher Begründungen behandelt. 1718 publizierte Christian Wolff einen Vorschlag zur Steigerung der Ernteerträge durch eine neue Aussaatmethode, die der Schweizer Pfarrer Johann Caspar Nägeli in einer für das Landvolk konzipierten Schrift 1738 einem größeren Publikum vorstellte.139 Der Wolff-Schüler Julius Bernhard von Rohr betrachtete 133 134 135 136 137 138 139

Allemeyer 2006. Hinrichs/Krämer/Reinders 1988, S. 108. Jakubowski-Tiessen 1992. Norden 1980. Hünemörder 2007, S. 24–29  ; Sabean, Schwert 1990, S. 203–229. Bayerl 1994. Wolff 1718/1719 (1993)  ; Nägeli 1738 (1992)  ; Böning, Genese 1990, S. XXIV.

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Abb. 10  : Das Überschwemmungsgebiet der Unteren Havel war bis ins 19. Jahrhundert zum Ackerbau nicht geeignet.

die ­Naturwissenschaft bereits als ein Mittel zur Beförderung der „Glückseligkeit“ und forderte, dass sie sich mehr der Empirie zuwende, um so dem praktischen Fortschritt zu dienen.140 1724 beschäftigte er sich mit der Zucht ertragreicherer Getreidesorten und der Mechanisierung der Landwirtschaft, er wandte sich damit Fragen zu, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitere Verbreitung fanden. Hinter diesen ersten Schritten zur Überwindung der bisherigen Grenzen agrarischen Wirtschaftens stand ein sich änderndes Naturverständnis der gelehrten Welt. Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts wandten sich die Gelehrten von einer theologischen Interpretation natürlicher Geschehnisse ab und versuchten deren inneren Gesetzmäßigkeiten auf der Grundlage von Experimenten und

140 Bayerl 1994, S. 36 f.

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Abb. 11  : Nägelis Schrift gehört zu den ersten Publikationen, in denen aufklärerisch gesinnte Gelehrte der Landbevölkerung Vorschläge unterbreiten, wie sie ihre Lebensbedingungen und ihre Ökonomie verbessern können.

mathematischen Verfahren zu erfassen.141 In der Folge begann sich im 18. Jahrhundert die Vorstellung zu entwickeln, die Natur sei ein Warenkorb, den die Menschen zu ihrem Besten nutzen sollten.142 Hinter den neuen Diskursen „bezüglich der Nutzung natürlicher Rohstoffe“ sieht Marcus Popplow „mentale, diskursive oder institutionelle Umbrüche“ wirken, die „den Charakter einer Zäsur haben können“.143 Gelehrte gingen davon aus, dass sie die Natur dem Willen des Menschen unterwerfen konnten, dass diese form- und beherrschbar war. Diese Naturvorstellungen, die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts zu entwickeln begannen, setzten sich jedoch erst im 19. Jahrhundert vollständig durch. Die Landbewohner wurden von diesem Einstellungswandel zunächst noch nicht erfasst. Ihre Initiativen zur Intensivierung der Landwirtschaft waren ein Ausdruck einer schon länger zu beobachtenden Offenheit gegenüber neuen Möglichkeiten, ihr Leben durch die Nutzung natürlicher Ressourcen nicht nur notdürftig zu fristen, sondern durch Fleiß und Anpassung an örtliche Gegebenheiten auch allmählich zu verbessern. 141 Shapin 1998. 142 Bayerl 1994, S. 34–36. 143 Popplow 2010, S. 40.

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2.1.2.3 Ökonomische Alternativen zu Hofbesitz und Landwirtschaft Gesindetätigkeit und Tagelohn Aufgrund der zunehmenden sozialen Ausdifferenzierung der ländlichen Gesellschaften konnten immer weniger Landbewohner von ihrer eigenen Landwirtschaft leben.144 Nur in einigen wenigen Regionen wie dem Elsass gelang es ihnen eine so intensive Landwirtschaft zu entwickeln, dass sich auch die Inhaber von Kleinstbetrieben eine kärgliche Subsistenz sichern konnten.145 Eine erste Möglichkeit zum Einkommenserwerb boten die anderen agrarischen Betriebe  : Große Güter und Höfe beschäftigten in begrenztem Maße Gesinde, um die über das ganze Jahr anfallende Arbeiten zu bewältigen, und während der saisonalen Arbeitsspitzen griffen sie für eine begrenzte Zeit auf Tagelöhner zurück. Der Anteil der als Gesinde oder als Tagelöhner beschäftigten Personen hing von der Spezialisierung der Betriebe ab. In Ackerbaugebieten, in denen besondere Arbeitsspitzen zu verzeichnen waren, wurden v. a. Tagelöhner beschäftigt, in Viehzuchtregionen, die einen regelmäßigeren Arbeitskräftebedarf aufwiesen, beschäftigten die Hofbesitzer v. a. Gesinde.146 Mischökonomien Da die Landwirtschaft nicht allen Landbewohnern genügend Arbeit bot, betrieben viele neben ihrem kleinen Hof ein Gewerbe. Eine solche Mischökonomie hatte den Vorteil, dass die Menschen auf ökonomische Entwicklungen im gewerblichen Bereich flexibel reagieren konnten, und dass die kleine Landwirtschaft ihnen zugleich eine gewisse Stabilität bot. Diese für Württemberg aufgestellte These147 lässt sich auf andere Regionen übertragen. Auch Besitzer größere Höfe eröffneten sich ein zusätzliches Einkommen, z. B. durch die Verwendung ihrer Pferde im Transportgewerbe.148 Allgemein ist davon auszugehen, dass die meisten auf dem Land lebenden Menschen im 18. Jahrhundert eine solche Mischökonomie betrieben. Allerdings variierte die Ausbreitung des ländlichen Gewerbes von Region zu Region erheblich. Während im südwestdeutschen Realteilungsgebiet das Landhandwerk die Sozialstruktur in den Dörfern schon im 16. Jahrhundert zu dominieren begann, war dies in Sachsen und Bayern erst seit dem 18. Jahrhundert der Fall. In den Gutsherrschaftsbezirken östlich der Elbe hatte es dagegen nur eine relativ geringe Verbreitung.149 144 Troßbach/Zimmermann 2006, S. 128  ; Theibault 1995, S. 210–214  ; Saalfeld 1960, S. 35  ; Beck 1993, S.  225–242  ; Sabean, Property 1990, S. 156. 145 Boehler 1995, S. 796. 146 Beck 1993, S. 326. 147 Sczesny 2002, S. 364  ; Medick 1996, S. 160–170. 148 Prass 1997, S. 87. 149 Kießling 2008, Sp. 533.

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Landhandwerk Über das klassische Dorfhandwerk (Müller, Schmied, Wirt) hinaus gab es Handwerker, die zur Deckung von Grundbedürfnissen produzierten wie Schneider, Schuhmacher, Zimmerleute und Maurer. Für die Ausbreitung dieser Handwerkergruppen war die Entwicklung der innerdörflichen Nachfrage, die auch stark auf dem Markterfolg der Hofbesitzer beruhte, entscheidend.150 Einige Dorfbewohner hatten sich auf diverse Hilfsdienste verlegt, wie zum Beispiel die Flickwerker im oberbayerischen Unterfinning, die die von den Hofbesitzern benutzten Geräte günstig reparierten.151 Weiter sind die exportorientierten Gewerbe im Bereich der Textilherstellung und der Metallverarbeitung zu nennen. In waldreichen Regionen entwickelten sich Gewerbe, die die vor Ort vorhandenen Ressourcen nutzen, wie die Glasbläser des Thüringer Waldes.152 Zwar versuchten die städtischen Handwerker ihr Monopol zu verteidigen, aber sie konnten die Ausbreitung des Landhandwerks langfristig nicht verhindern und waren z. T. auch auf dessen Zulieferung angewiesen. Dies ging in Südwestdeutschland Hand in Hand mit der ökonomischen Schwächung der Städte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.153 In einigen Regionen wie in Württemberg, Baden, Hessen und Thüringen entstanden selbstständige Handwerkerzünfte auf dem Land, während in Preußen und Sachsen die Einbeziehung der Landhandwerker in die städtischen Zünfte betrieben wurde.154 Wanderhandel Wo Landwirtschaft und ländliches Gewerbe nicht genügend Einkommensmöglichkeiten boten, spezialisierte sich die Bevölkerung auf den Wanderhandel, wie z. B. in Oberbayern, dem schwäbischen Killertal oder dem nördlichen Münsterland.155 Die Wanderhändler vertrieben Produkte, die entweder in ihrer Familie selbst bzw. in ihrer Region hergestellt wurden oder die sie von einem größeren Händler erwarben.156 Diese auch in Westeuropa zu findenden Wanderhändler oder Kolporteure157 bildeten eine Ergänzung zu den Märkten der nahegelegenen Städte. Sie verkauften in den Dörfern Geschirr, Strohhüte, Korbwaren, Holzwaren, Schnitzereien, Ringe, Nadeln, Kämme, Stoffe, Tücher, bunte Bänder, mit denen die jungen Frauen ihre Kleider verzierten, ferner Bücher, Rosenkränze, fromme Bilder oder Gesangbücher.158 Doch können wir nicht davon ausgehen, dass diese kleinen 150 151 152 153 154 155 156 157 158

Troßbach/Zimmermann 2006, S. 127. Beck 1993, S. 290. Kießling 2008, Sp. 531 f. Beck 1993, S. 302 f.; Sreenivasan 2004, S. 348. Schultz 1983  ; Sczesny 2002, S. 168–215  ; Sreenivasan 2004, S. 333  ; Reininghaus 1990, S. 72. Beck 1993, S. 357–374  ; Oberpennig 1996  ; Bumiller 1993  ; Radeff/Denzel 2007. Reininghaus, Wanderhandel in Deutschland 1993, S. 37–39  ; Beck 1993, S. 365–368. Fontaine 1993  ; Reininghaus, Wanderhandel in Europa 1993. Beck 1993, S. 360  ; Bumiller 1993, S. 37 f.; Radeff/Denzel 2007, Sp. 240 f.

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Händler in allen deutschen Territorien gleichermaßen präsent waren. In Württemberg gelang es den Handelszünften diese Konkurrenz zu verbieten. Dadurch verschwanden die Kolporteure nicht vollständig, aber sie bewegten sich hier in einem illegalen Rahmen, und das Handelsgeschäft wurde im Wesentlichen von den zünftisch organisierten Händlern mit einem traditionellen Warenangebot dominiert.159 In einigen Dörfern waren auch schon Krämer zu finden, aber deren Zahl stieg erst im späten 18. Jahrhundert allmählich an. Erst im 19. Jahrhundert etablierte sich der Kramladen auf den Dörfern ganz allgemein.160 Arbeitswanderung Viele Menschen, die in ihrer Heimat keine Arbeit fanden, verließen ihre Orte zeitweise oder auf Dauer und wanderten zu weit entfernt liegenden Arbeitsstellen. Im Laufe der Frühen Neuzeit entwickelten sich in Europa mehrere große Wanderungssysteme, von denen das Nordseesystem für Deutschland von besonderer Bedeutung war.161 In den Niederlanden war durch den Bevölkerungsrückgang im Laufe des 17. Jahrhunderts ein Mangel an Arbeitskräften entstanden, sodass sich in dieser ökonomisch hochentwickelten Handelsregion mit ihrer intensiven Landwirtschaft zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten eröffneten.162 Es gab Arbeit in der Landwirtschaft (als Mäher oder als Torfstecher), als Walfänger, im Transportwesen und im Handel, in Ziegeleien und auf Bleichen, im Baugewerbe, als Maurer, Zimmerleute, Stuckateure usw. Daher wanderten seit der Mitte des 17. Jahrhunderts jedes Jahr Tausende von Hollandgängern aus Nordwestdeutschland in die Niederlande. Den günstigen Bedingungen im Zielgebiet der Arbeitswanderung standen unterstützende Bedingungen im Ausgangsgebiet gegenüber. In Nordwestdeutschland war durch die ungeteilte Vererbung der Höfe in Verbindung mit einem starken Bevölkerungswachstum eine große Zahl von Familien mit gar keinem oder nur sehr kleinem Landbesitz entstanden, die sich von der Landwirtschaft allein nicht ernähren konnten und auch kein Einkommen in einem Gewerbe fanden.163 Die Männer wanderten für mehrere Monate im Jahr in die Niederlande, während ihre Frauen zu Hause die kleine Landwirtschaft betrieben. Die Arbeitsmigranten, die anfangs noch nicht über die in den Niederlanden nachgefragten Spezialisierungen verfügten, bildeten diese im Zuge ihrer Tätigkeiten aus.164 Dabei entwickelten sich regionale Spezialisierungen, d. h. die Wanderarbeiter aus einem Dorf verdingten sich alle in demselben Bereich  : Ziegler kamen aus Lippe, Walfänger aus mehreren Dörfern südlich von Vechta und Stuckateure aus drei Kirchspielen nörd159 Ogilvie/Küpker/Maegraith 2011. 160 Troßbach/Zimmermann 2006, S. 128 f.; Spieker 2000. 161 Lucassen/Lucassen 2005  ; Lucassen 1987  ; Noflatscher 2002  ; Hochstadt 1983  ; Bölsker-Schlicht 1993  ; Bölsker-Schlicht 1987. 162 Lucassen 1987, S. 133 f. 163 Lucassen 1987, S. 143 f. 164 Lucassen/Lucassen 2005, Sp. 552.

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Abb. 12  : Die hier dargestellten wichtigsten Systeme der saisonalen Arbeitsmigration in Europa um 1800 entwickelten sich seit dem 17. Jahrhundert. Sie zeigen, dass die Arbeitsmigration ein europaweites Phänomen war und dass die Menschen auf der Suche nach Arbeit oft große Entfernungen zurücklegten.

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lich von Oldenburg.165 Solche saisonalen Wanderungssysteme waren nicht die einzige Form der Arbeitswanderung. Es gab auch Pendler, die täglich zwischen einer Stadt und dem unmittelbaren Umland hin- und herwanderten, und auch auf dem Land lebten solche Arbeitspendler, die z. B. auf einem benachbarten Gut arbeiteten.166 Weitere Migrationsformen Schließlich wanderten bisweilen größere Gruppen aus, die oft – aber nicht nur – vor religiöser Verfolgung aus ihrem Heimatland flohen. Zu ihnen gehörten die Hugenotten aus Frankreich, die u. a. in Brandenburg und Hessen-Kassel Aufnahme fanden,167 oder die Exulanten, die aus der Habsburgermonarchie nach Kursachsen kamen.168 Der immer wieder erwähnte Beitrag dieser Migranten zur Einführung agrarischer Neuerungen müsste noch genauer untersucht werden.169 Schließlich ist noch die Auswanderung zur Kolonisation zu erwähnen, durch die zahlreiche Menschen seit dem 17. Jahrhundert z. B. aus dem Rheinland nach Nordamerika zogen.170 Diese Auswanderung trug in den ländlichen Gesellschaften zum Abbau eines inneren Drucks bei, der aus sozialen Spannungen oder konfessionellen Konflikten resultierte. 2.1.2.4 Die Landjuden – eine isolierte Bevölkerungsgruppe  ? Eine vordergründig eigenständige Gruppe bildeten die Juden. Nach der Vertreibung zahlreicher jüdischer Gemeinden aus den Städten im 15. und 16. Jahrhundert lebten die meisten Juden bis ins 18. Jahrhundert auf dem Land. Nach einer Phase rechtlicher Unsicherheit erfolgte im 17. Jahrhundert eine Konsolidierung ihrer Lebensbedingungen und sie konnten sich allmählich auch wieder in Städten ansiedeln.171 Die jüdische Bevölkerung konnte sich v. a. in kleineren Territorien mit einer schwächer ausgeprägten Herrschaftsstruktur wie z. B. Franken niederlassen, wo die Landesherren sie nach 1648 im Rahmen ihrer Peuplierungspolitik ansiedelten.172 Im Nordwesten Deutschlands lebten sie in Kleinund Kleinstgemeinden, im Rheinland und in Süddeutschland gab es jedoch Gebiete jüdischer Siedlungsverdichtung. Im Südwesten entwickelten sich Judendörfer, in denen die jüdische Bevölkerung einen Anteil von bis zu 50% erreichen konnte.173

165 166 167 168 169 170 171 172 173

Bölsker-Schlicht 1993, S. 260–262. Noflatscher 2002, S. 25  ; Hochstadt 1983, S. 215. Braun/Lachenicht 2007  ; Dölemeyer 2006, S. 40–49. Schunka 2007. Troßbach, Beharrung 1998, S. 135 f. Fertig 2000. Ulbrich 2008, Sp. 501  ; Ullmann 1999, S. 146  ; Hödl/Rauscher/Staudinger 2004, S. 9. Endres 1989, S. 53  ; Ullmann 1999, S. 45 f., S. 148, S. 379. Ullmann 1999, S. 38–40, S. 147  ; Kießling 1995  ; Battenberg 2001, S. 35.

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Kleinhandel und Kreditgeschäfte Das Zusammenleben von Juden und Christen war durch die spezifischen ökonomischen Aktivitäten der jüdischen Bevölkerung und durch zahlreiche Vorurteile geprägt. Da den Juden seit dem Mittelalter eine Betätigung im zünftischen Gewerbe und der Besitz von Land verboten waren, konzentrierten sie sich auf den Handel und die Geldleihe. Ferner betrieben sie in begrenztem Maße ein an ihren rituellen Bedürfnissen orientiertes Handwerk. In diesen Bereichen mussten sie bestrebt sein, die vorhandenen Möglichkeiten so weit als möglich auszuschöpfen.174 In einigen Fällen wie z. B. in der hessischen Kleinstadt Niedenstein erlaubten ihnen die Behörden im 18. Jahrhundert etwas Land zu erwerben, das sie insbesondere zur Versorgung der Pferde und des Viehs benötigten, auf dem sie aber z. T. auch Ackerbau betrieben.175 Die konkrete Ausgestaltung ihrer ökonomischen Aktivitäten orientierten die Landjuden an den örtlichen Gegebenheiten. Das zeigt ein Vergleich zwischen verschiedenen preußischen Provinzen um 1800.176 Während die Juden in der Grafschaft Mark als Schlachter und Fleischhändler tätig waren und darüber hinaus ihren Handel mit Kleidern, Pferden und Trödelwaren betrieben, handelten die Juden in Ostfriesland, von denen viele ebenfalls als Schlachter tätig waren, mit Tee, Kaffee, Schokolade, Tabak oder Porzellan. In Schlesien spielte der Fleischhandel keine Rolle, hier waren sie als Bierbrauer und Branntweinbrenner tätig und betrieben einen am lokalen Bedarf orientierten Hausierhandel. Dieser kleine Handel bestand vielfach darin, dass sie zum einen für die Hofbesitzer deren Agrarprodukte in den Städten verkauften, zum anderen die Dorfbewohner mit wichtigen Waren aus städtischer oder überregionaler Produktion versorgten.177 Für ihre Kunden war es durchaus von Vorteil, dass sie bei einem immer wieder zu beobachtenden Mangel an Bargeld auswärtige Waren im Tausch gegen eigene Produkte erhielten, und dass sie auf diesem Weg ihre agrarischen und gewerblichen Produkte absetzen konnten.178 Die jüdischen Händler fristeten mit diesen auch als Nothandel bezeichneten Aktivitäten, bei denen die Grenzen zwischen Klein-, Trödel- und Hausierhandel fließend waren, nur mühsam ihr Leben. Sie waren gezwungen, überaus flexibel alle sich offenbarenden Möglichkeiten nutzen, und oft mussten sie sich das zum Leben Nötige erbetteln.179 Eine besondere Bedeutung besaßen die Juden für den Vieh- und Pferdehandel, auf den sie sich konzentrierten, weil er keinen Beschränkungen unterlag und weil sie den Fleischhandel auch aus rituellen Gründen selbst in die Hand nehmen wollten. In einigen Regionen wie in Nordhessen oder im Umland von Augsburg nahmen sie im Vieh- bzw. Pferdhandel die führende Rolle ein. Damit erfüllten sie wichtige Funktionen im Wirt174 175 176 177 178 179

Breuer 1996, S. 127–132  ; Jersch-Wenzel 1996, S. 66 f.; Endres 1997, S. 958  ; Ullmann 1999, S. 340 f. Demandt 1980, S. 42  ; Jersch-Wenzel 1996, S. 77. Jersch-Wenzel 1996, S. 67–75. Demandt 1980, S. 49  ; Jersch-Wenzel 1996, S. 77  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 64. Ullmann 1999, S. 299 f. Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 43–66  ; Jersch-Wenzel 1996, S. 78  ; Demandt 1980, S. 100.

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schaftsgefüge einer Region. So verbanden die Pferseer Juden ihren Pferdehandel mit dem Pfandhandel der Augsburger Bürger.180 Ebenso fügten sich ihre Aktivitäten als Geldleiher unmittelbar in das spezifische ökonomische und soziale Gefüge der Dörfer ein. An einigen Orten wie z. B. Niedenstein waren die Juden die wichtigsten, wenn nicht gar einzigen Geldleiher, an anderen Orten spielten sie als solche keine Rolle. Ihre besondere Bedeutung bestand darin, dass sie in Zeiten großer Geldknappheit die Landbevölkerung mit Barmitteln versorgten. Zwar gab es auch christliche Geldleiher, aber die Juden zeichneten sich dadurch aus, dass sie kurzfristige Kleinkredite für den spezifischen Bedarf der ländlichen Ökonomie gewährten. So liehen sie auch armen Personen Geld, die sonst nicht die Möglichkeit hatten, an Bargeld zu kommen. So hatte die 1760 in Niedenstein lebende Witwe Anna Christine Knatz, deren geringem Besitz von 194 Reichstalern Schulden in Höhe von 107 Reichstalern gegenüberstanden, fast nur von jüdischen Kreditoren kleinere Beträge erhalten.181 Dies waren riskante Kredite, denn die jüdischen Geldleiher mussten immer damit rechnen, dass ihre Schuldner ihnen das Geld nicht zurückzahlten. Ebenso riskant waren Kredite, die sie nur auf mündliche Absprache vergaben. In solchen Fällen hatten die jüdischen Geldleiher keine rechtliche Möglichkeit, das Geld zurückzufordern. Dennoch besaßen solche Kredite für sie eine gewisse Attraktivität, weil sie auf diesem Weg die Beschränkung des Zinssatzes auf 5% umgehen konnten. Der erlaubte Zinssatz deckte die Risiken nämlich nicht ab. Für die christlichen Schuldner waren diese Kredite interessant, weil sie auch in Situationen Geld erhielten, in denen ihnen niemand anderes mehr etwas leihen wollte, und weil sie sich z. T. durch eine „Verschuldung“ bei den Juden dem fiskalischen Zugriff entziehen konnten.182 Antijüdische Vorurteile Riskant waren diese Kreditgeschäfte auch, weil die jüdischen Geldleiher sie oft mit dem Warenhandel verknüpften  : Hier gingen sie abermals die Gefahr ein, dass die Käufer die Waren letztlich nicht bezahlten. Umgekehrt bildete der Ankauf von Getreide auf dem Halm die Grundlage von Spekulationen. Hierin lag auch der Hintergrund für die Wuchervorwürfe, die gegen jüdische Händler und Geldleiher erhoben wurden. So schrieb der Agrarreformer Johann Nepomuk Schwerz 1836  : „Der bei weitem größte Nachtheil, welche die Juden dem Landmanne zufügen, besteht in den Geldvorschüssen, welche sie während des Sommers, auf die noch zu hoffende Erndte, den Landwirthen leisten. Gewöhnlich sind diejenigen, welche der gleichen Vorschüsse nehmen, in einer bedrängten Lage  ; diese benutzend schreibt nun der Jude die Bedingungen vor, unter denen zum Borgen er sich verstehen will, und da kann man leicht erachten, wie diese ausfallen.“183 180 181 182 183

Breuer 1996, S. 128  ; Demandt 1980, S. 130  ; Ullmann 1999, S. 300–313. Demandt 1980, S. 300  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 120–122  ; Ullmann 1999, S. 290–292, S. 341. Demandt 1980, S. 47 f., S. 113, S. 146  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 116, S. 122. Schwerz 1836, S. 308.

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Solche Händler bezeichnete die christliche Bevölkerung als Kornjuden. Dieser Begriff war ein Topos, mit dem sie ganz generell eine bestimmte Handlungsweise verurteilten, die sowohl bei christlichen als auch bei jüdischen Händlern zu finden war.184 Die ausschließliche Verbindung der Juden mit dem Wuchervorwurf, die in diesem Begriff wie in Schwerz’ Ausführungen zum Tragen kommt, verweist auf tief sitzende Vorurteile der christlichen Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Juden. Erfüllten die jüdischen Händler und Geldleiher somit eine für die Wirtschaft der Landbevölkerung zentrale Rolle, wurden ihre Aktivitäten und allgemein ihr Leben durch zahlreiche Vorurteile bedroht. Bezogen sich die Vorwürfe des Wuchers und Schachers auf ökonomischen Praktiken von Juden und Christen, die z. T. auch reale Hintergründe besaßen, so basierten andere Vorurteile auf einem tief verwurzelten Aberglauben. Hierzu zählten u. a. Legenden von Ritualmorden, von jüdischen Blutritualen und Hostienschändungen. Aus solchen Vorurteilen und Schauergeschichten resultierten immer wieder Ausschreitungen, die aber neben den kulturellen auch soziale Hintergründe besaßen. Während einer Hungersnot 1699 richteten sich Bewohner der Städte und Dörfer im Stift Bamberg in ihrem Wirtschaftsneid und ihren antijüdischen Ressentiments gegen den jüdischen Landwarenhandel, sie überfielen und plünderten jüdische Häuser und töteten mehrere Personen.185 Seit Beginn des 17. Jahrhunderts fand die Erzählung vom Ewigen Juden Ahasvar immer stärkeren Eingang in die populäre Erzähltradition. Nach dieser Geschichte soll der Ewige Jude selbst dem Tod Jesu Christi beigewohnt haben und seither durch die Welt wandern, um am Jüngsten Tag als lebendiger Zeuge wider die Juden aufzutreten, um sie zur Buße und zum Übertritt zum Christentum zu bewegen.186 Das von Theologen und Fürsten verfolgte Ziel, sämtliche Juden zur Konversion zu bewegen, das in dieser Geschichte zum Tragen kommt, mündete in einer Reihe – letztlich erfolgloser – Zwangsmaßnahmen. Die im 18. Jahrhundert zu konstatierende Zunahme von Konversionen gründete auf dem Streben v. a. armer Juden, ihrem Elend zu entkommen.187 Zusammenleben von Juden und Christen Das alltägliche Zusammenleben von Juden und Christen in den Dörfern führte zu zahlreichen auch engen Kontakten zwischen beiden Gruppen, wie die Studien von Claudia Ulbrich und Sabine Ullmann zeigen.188 Die christlichen Obrigkeiten waren bestrebt, solch enge Kontakte, in denen sich Juden und Christen privat einander annäherten, zu unterbinden. Aber beide Gruppen waren in ein Geflecht sozialer Beziehungen eingebunden, das in jedem Dorf eigene Züge trug, wobei auch erhebliche soziale Unterschiede 184 185 186 187 188

Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 101. Endres 1997, S. 958. Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 246–252, S. 269–274. Breuer 1996, S. 154 f. Ulbrich 1999  ; Ullmann 1999.

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innerhalb der beiden Gruppen zum Tragen kamen. Ulbrich zeigt auf, dass sich in diesen alltäglichen Kontakten und den daraus resultierenden Auseinandersetzungen eine gewisse „Konfliktfähigkeit“ entwickelte.189 Doch es darf nicht übersehen werden, dass auch die jüdischen Gemeinden ihre kulturelle und rechtliche Autonomie betonten, selbst dort, wo die Juden in kleinen Gemeinden verstreut auf dem Land lebten, sodass die Erfüllung der religiösen Pflichten schwierig war.190 Wenn die Betonung rechtlicher Autonomie gegen die Interessen der Landgemeinden verstieß, wenn sich z. B. jüdische Gemeinden weigerten, sich an den Gemeindelasten zu beteiligen, führte dies wiederum zu erheblichen Konflikten, die antijüdische Ressentiments verstärkten.191

2.2 Regionale Entwicklungspfade 2.2.1 Gutsherrschaften in der Prignitz

Merkmale der Gutsherrschaft Die Gutsherrschaft war eine Form ökonomischer Herrschaft über Landbevölkerung, die auf zwei zentralen Merkmalen basierte. Das erste Merkmal war die Existenz eines Gutshofes, den der Gutsherr selbst oder ein Pächter bewirtschaftete. Die Bewirtschaftung erfolgte auf der Grundlage von Zwangsdiensten der Landbewohner, die von dem Gutsherren Land gepachtet hatten. Zweitens war der Gutsherr nicht nur Grundherr, sondern auch Gerichtsherr in seinem Gutsbezirk. Aus dieser Konstellation ergab sich eine ganze Reihe von Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen in den Gutsbezirken, mit denen sich die Literatur seit dem 19. Jahrhundert intensiv beschäftigt hat.192 Lange Zeit wurde die Gutsherrschaft den Landesteilen östlich der Elbe zugeordnet, aber mittlerweile ist bekannt, dass es auch hier größere Inseln der Grundherrschaft gab, so wie westlich der Elbe Gutsherrschaften existierten. Nachdem die Forschung zunächst rechts- und wirtschaftshistorische Fragen diskutiert hatte, wandte sie sich seit den 1990er-Jahren den Praktiken der Herrschaftsausübung in einzelnen Gutsherrschaftsbezirken zu.193 Zwei Gutsherrschaften in der Prignitz Die Prignitz, eine im westlichen Teil Brandenburgs an der Elbe gelegene Landschaft, gehörte zu den klassischen Gutsherrschaftsbezirken. Die Gutsbetriebe hatten sich seit dem 16. Jahrhundert auf den Anbau von Getreide – v. a. von Weizen – spezialisiert, das sie über 189 190 191 192 193

Ulbrich 1999, S. 303. Gotzmann 2008  ; Ulbrich 2008, Sp. 502  ; Hödl/Rauscher/Staudinger 2004, S. 14. Ulbrich 1999, S. 296 f. Troßbach 2003  ; Kaak 1991. Peters, Gutsherrschaft als soziales Modell 1995  ; Peters, Gutsherrschaftsgesellschaften 1997.

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Abb. 13  : Die Prignitz – Landschaft am Zusammenschluss von Elbe und Havel (Karte von 1750)

die Elbe nach Hamburg transportieren ließen und dort verkauften. Der Dreißigjährige Krieg hatte die Gutsbetriebe schwer getroffen. Die meisten Gutsherren waren infolge der Kriegsbelastungen hoch verschuldet und die Depression der Getreidepreise traf die Gutsbetriebe besonders hart.194 Wenn sie nicht andere Einkommensquellen fanden, drohten die Gutsbesitzer weiter zu verschulden. 1647 erwarb Baron Joachim Friedrich von Blumenthal Gut Stavenow, weil sein vorheriger Besitzer bankrott gegangen war. In den folgenden Jahren verringerten die Gutsverwalter den Ackerbau und gingen zur Produktion von Bier und Schnaps sowie zur Schweinezucht über. Erst mit den steigenden Vieh- und Getreidepreisen in den 1690er-Jahren wurde die Herrschaft Stavenow wieder profitabel, und der Besitzer begann in das Gut zu investieren – v. a. in den Ausbau des Wohnhauses.195 Die Familie von Saldern, die im Besitz der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack war, konnte Einnahmeverluste und Schulden durch den Verkauf von Holz kompensieren, aber sie musste darauf achten, dass sie ihre Holzvorräte nicht zu rasch plünderte.196 Der Getreidebau war nach dem Krieg zunächst zweitrangig, die Viehhaltung nahm die zentrale Position ein. Durch das erhöhte Düngeraufkommen verbesserte sich die Qualität 194 Enders 2000, S. 689–692. 195 Hagen 2002, S. 26 f., S. 43, S. 73–75. 196 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 347 f.

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des Ackerbodens, der Getreidebau wurde wieder gestärkt und das Ackerland ausgeweitet. Die Folge war ein erhöhter Druck auf die Gutsuntertanen, von denen die Gutsherren mehr Dienste verlangten, um die größer werdenden Ackerflächen zu bewirtschaften. Die weitere ökonomische Expansion der Gutswirtschaft im frühen 18. Jahrhundert war durch den Ausbau der Vorwerke geprägt, was in die Besitzungen der Gutsuntertanen eingriff. Ende des 17. Jahrhunderts noch unscheinbare Wirtschaftseinheiten, entwickelten sich die Vorwerke im 18. Jahrhundert zu großen Milchviehbetrieben (sog. Meiereien), in denen nebenbei auch Ackerbau betrieben wurde. Trotz der Stärkung des Getreidebaus bildeten Holz- und Viehwirtschaft auch im 18. Jahrhundert die wesentliche Basis der Gutswirtschaft von Plattenburg-Wilsnack.197 Auch in Stavenow begann Gutsbesitzer Blumenthal mit der beginnenden wirtschaftlichen Erholung mehr Dienste von den Untertanen zu fordern. Der sich verschärfende Arbeitsdruck führte um 1700 zu einem allgemeinen Aufstand in großen Teilen der Prignitz. Schließlich gelang es Blumenthal, die Bauern von Stavenow dazu zu zwingen, die Lasten der Vorkriegszeit wieder zu tragen. Nach dem Kauf des Gutes im Jahr 1717 erhöhte der neue Besitzer, Andreas Joachim von Kleist, den Druck auf seine Untertanen. Zudem begann Kleist in Stavenow ab den 1720er-Jahren Egalisierungen durchzuführen. Offiziell handelte es sich um eine gerechtere Verteilung der Lasten unter den Bauern, aber die Angleichung des Besitzes der Höfe erfolgte zugunsten der Gutsherren.198 Situation der Gutsuntertanen Die bäuerlichen Untertanen befanden sich in der Nachkriegszeit in einer schwierigen Lage. Zahlreiche Höfe waren zerstört oder ganz verlassen. In der Herrschaft Stavenow war 1647 nur die Hälfte der Hofstellen der Vorkriegszeit besetzt.199 Zu den materiellen Problemen kamen psychische Verunsicherungen. Herrschte in der Gutsherrschaft seit dem 16. Jahrhundert bereits eine hohe Gewaltbereitschaft aufseiten der Gutsherren wie der Untertanen, so nahm die Gewalt nach dem Krieg auf beiden Seiten noch zu.200 Dem stand ein Paternalismus gegenüber, durch den das Verhältnis zwischen Gutsherren und Untertanen auch harmonische Elemente erhielt. In Mecklenburg waren Gutsherren z. T. Paten bei den Kindern angesehener Mitglieder des Untertanenverbandes, und diese konnten auch Paten von Kindern der Gutsherren sein.201 Doch ein solcher Paternalismus sollte als ein kalkuliertes Instrument der Herrschaftsstabilisierung verstanden werden, wie Elke Schlenkrich am Beispiel adeliger Fürsorgepraxis in Sachsen und der Oberlausitz zeigt.202 197 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 618 f., S. 632. 198 Hagen 2002, S. 79, S. 82–85, S. 94, S. 105–111. 199 Hagen 2002, S. 72. 200 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 361–375  ; Troßbach 2003, S. 42–44. 201 Münch 1997, S. 347. 202 Schlenkrich 2011, S. 42.

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Auf die schwierige Nachkriegssituation reagierten die Gutsherren gegenüber ihren Untertanen mit einer Mischung aus erhöhtem Druck und materiellen Erleichterungen. Personen, die eine wüste Hofstelle übernehmen wollten, gewährten sie mehrere Jahre Abgabenfreiheit und eine Verringerung der Dienste. Trotz dieser Freijahre waren bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts nicht alle wüst gefallenen Hofstellen wieder besetzt.203 Als die Gutsherren dann zu Beginn des 18. Jahrhunderts mehr Dienste zu fordern begannen, trafen diese Forderung auf ökonomisch immer noch geschwächte Hofbesitzer, die bis dahin voll und ganz mit dem Wiederaufbau beschäftigt waren. Viele Bauern waren zudem in eine größere Abhängigkeit von den Gutsherren geraten. Wenn diese das von den Gutsbesitzern ihnen zur Verfügung gestellte Holz zum Bau der Häuser und Ställe nicht bezahlen konnten, beanspruchten die Gutsbesitzer im 18. Jahrhundert den Besitz an den Gebäuden.204 Herrschaftsbeziehungen Die Geschichtswissenschaft hat das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gutsherren und Untertanen besonders intensiv diskutiert. Seit dem 19. Jahrhundert wurde dieses von marxistischen und liberalen Historikern als einseitiges Ausbeutungsverhältnis bis hin zur Leibeigenschaft interpretiert. Diesem seien die Untertanen zwar relativ hilflos unterworfen gewesen, sie hätten sich ihm jedoch durch zahlreiche Prozesse sowie Dienstverschleppungen widersetzt. Aktuelle Untersuchungen zur inneren Funktionsweise der Gutsherrschaften haben diese Interpretation revidiert.205 Sie zeigen, dass die Untertanen den Gutsherren nicht so hilflos ausgesetzt waren, wie lange angenommen wurde, auch wenn der extreme Druck und die Arbeitsbelastungen nicht zu unterschätzen sind. Gutsherrschaftsgesellschaften waren im Prinzip durch asymmetrische Machtverhältnisse gekennzeichnet. Damit dieses System funktionierte, musste es gut ausbalanciert sein. Die Gutsuntertanen mussten die Herrschaft trotz aller Konflikte anerkennen, und die Gutsherren konnten ihre Herrschaft nicht einfach gegen den Willen ihrer Untertanen ausbauen. Sie mussten bestimmte Grenzen respektieren, die ihnen z. T. durch rechtliche Regeln gesetzt wurden, die ihnen aber v. a. die Untertanen aufwiesen.206 Für deren gemeinschaftliche Selbstbehauptung bildeten die Gemeinden eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus nutzten die Untertanen zahlreiche individuelle Formen der Verweigerung gegen herrschaftlichen Zugriff, wie die Verschleppung von Diensten oder ihre schlechte Ausführung.207

203 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 366  ; Hagen 2002, S. 82. 204 Enders 2000, S. 722. 205 Troßbach 2003  ; Hagen 2002  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007. 206 Troßbach 2003, S. 44–47  ; Hagen 2002, S. 591. 207 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 375–385.

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Spielräume des Handelns Die zunehmende soziale Ausdifferenzierung innerhalb der Gutsherrschaftsgesellschaft erschwerte den herrschaftlichen Zugriff. Neben den dienstpflichtigen Hofbesitzern lebten in den Dörfern auch Tagelöhner, und die Angehörigen des Gutshaushalts waren ebenfalls eine heterogene Gruppe.208 Zwischen diesen unterschiedlichen sozialen Gruppen, die durchaus widerstreitende Interessen verfolgten, bestanden wiederum gegenseitige Abhängigkeiten. Schließlich verschufen die „verborgenen Ökonomien“ den Dorfbewohnern einen gewissen Bewegungsspielraum.209 Hierbei handelte es sich u. a. um ökonomische Aktivitäten, die nicht von den Feudalabgaben erfasst waren und die ihnen das Überleben sicherten oder sogar eine auskömmliche Existenz ermöglichten. Gutsherren und Untertanen loteten ihre jeweiligen Möglichkeiten aus, wofür die Forschung den missverständlichen Begriff des „Aushandelns“ verwendet.210 Den Gutsuntertanen gelang es, sich im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert gegen den stärker werdenden ökonomischen Druck so weit zu wehren, dass ihre Wirtschaften nicht grundlegend gefährdet wurden. Es kann sogar eine gegenseitige Abhängigkeit von Gutsherren und Untertanen festgestellt werden, die u. a. darin zum Ausdruck kam, dass die Familie von Saldern im Krieg nicht nur bei anderen Adeligen Schulden machte, sondern auch bei den Bürgern ihrer umliegenden Mediatstädte.211 2.2.2 Kommerzielle bäuerliche Landwirtschaft I  : Ottobeuren und Ostschweiz

Kommerzielle bäuerliche Landwirtschaft Im Unterschied zur lange gehegten Vorstellung, dass die bäuerliche Landwirtschaft in vorindustriellen Gesellschaften eine auf Selbstversorgung konzentrierte Ökonomie war, die nur geringen Antrieb entwickelte, sich am Marktgeschehen zu beteiligen, ist mittlerweile bekannt, dass Marktproduktion ein wichtiger Bestandteil vorindustrieller Landwirtschaft war.212 Das Ausmaß der Integration hing von einer Vielzahl von Faktoren ab, die sowohl bei den Produzenten als auch im Marktgeschehen selbst zu suchen sind. Zunächst musste auf Produzentenseite eine Agrarstruktur gegeben sein, die Überschussproduktion erlaubte, d. h. die Höfe mussten so groß sein, dass sie mehr Früchte produzieren konnten, als sie zur Selbstversorgung und Begleichung der Abgaben benötigten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Marktgeschehen nicht auf städtische und 208 Troßbach 2003, S. 48 f.; Hagen 2002, S. 334–422. 209 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 717–721  ; Troßbach, 2003, S. 49 f.; Enders 1992, S. 479. 210 Troßbach 2003, S. 45. 211 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 348. 212 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006.

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überregionale Märkte begrenzt war. Jeder agrarische Produzent agierte auch auf lokalen Märkten, die bisweilen sogar seine wichtigsten Betätigungsfelder bildeten. Doch auch in dicht bevölkerten Regionen war eine Produktion für städtische Märkte möglich, wenn der Bevölkerungsanstieg mit einer Intensivierung der agrarischen Produktion einherging.213 Ferner mussten ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, es musste ein Kreditmarkt bestehen, der die Finanzierung notwendiger Investitionen erlaubte, und für die Vermarktung der Produkte mussten günstige Bedingungen gegeben sein. Hierzu gehörte, dass es eine entsprechende Nachfrage für die hergestellten Produkte gab, dass die Transportkosten nicht zu hoch waren und dass letztlich die erzielten Einnahmen die Ausgaben deckten. Klosterherrschaft Ottobeuren Es gab eine ganze Reihe unterschiedlicher Marktsysteme, die sich nach den Produkten und dem räumlichen Radius des Marktgeschehens unterscheiden lassen. Rund um den Bodensee bildete sich seit dem späten Mittelalter ein derartiges Marktsystem heraus, das nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs einen neuen Aufschwung erlebte. In diesem System traten Teile Schwabens als Produzenten von Getreide auf, das über die Hafenstädte am Bodensee in die Ostschweiz und ins Vorarlberg verkauft wurde.214 Zu den Produzenten in diesem Getreidemarktsystem gehörte die in Ostschwaben gelegene Klosterherrschaft Ottobeuren, die im Krieg sehr stark gelitten hatte und der Gorind P. Sreenivasan eine detaillierte Studie gewidmet hat. Neben der marktorientierten Landwirtschaft, der sich Sreenivasan ausschließlich widmet, existierte am südlichen Rand Ostschwabens ein bedeutendes Landhandwerk, das auch in Landhandwerkerzünften organisiert war.215 Bei den folgenden Ausführungen ist somit zu bedenken, dass die Gesellschaft Ottobeurens nicht rein agrarisch geprägt war. Obwohl der Wiederaufbau nach dem Abzug der Schweden 1635 sofort wieder begann, verzeichnete sie 1659 nur 54,4% des Bevölkerungsstandes der Vorkriegszeit. Die Folge war ein Rückgang der agrarischen Produktion um 47%, was auch starke Einnahmeeinbußen des Klosters zur Folge hatte. Die Mönche des Klosters zeigten in der Folge nicht genügend Geduld, sie forderten 1657 bereits wieder die vollständige Abgabenhöhe von den Hofbesitzern. Deren finanzielle Leistungsfähigkeit wurde hierdurch überfordert, zumal sie durch die Kriegsbelastungen extrem verschuldet waren. Die Erstellung von Steuerlisten im Jahre 1669 brachte den Hofbesitzern eine Erleichterung, denn nun musste das Kloster deren finanzielle Situation wahrnehmen. Es verringerte seine Forderungen und verzichtete auf eine sofortige Zahlung aller Außenstände. Das war freilich kein vollständiger Schuldenerlass, denn die Forderungen blieben auch weiterhin bestehen. Die Mönche sahen sich jedoch gezwungen, 213 Göttmann 1991, S. 353, S. 357. 214 Sreenivasan 2004  ; Göttmann 1991, S. 19–22  ; Pfister, Fabriques 1992, S. 413–416. 215 Sreenivasan 2004, S. 331–333  ; Sczesny 2002.

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die Belastungen der Höfe an das Tempo und die Kadenzen der bäuerlichen Produktion anzupassen.216 Das Kloster zeigte sich sehr daran interessiert, die Höfe zu erhalten. Obwohl es zwischen 1660 und 1710 zu einer Verdoppelung der Haushalte kam, entsprach dies nicht einer Wiederherstellung der Vorkriegssituation. In den Haushalten lebten mehr Personen als zuvor, weil der Anteil des Gesindes stark zunahm. Das war auf Heiratsbeschränkungen zurückzuführen, für die jedoch keine ökonomischen Gründe vorhanden waren. Die Haushalte waren besser mit Land ausgestattet als zuvor und es gab auch keine Überbevölkerung. Sreenivasan macht hierfür v. a. religiöse Vorstellungen verantwortlich. Ende des 17. Jahrhunderts wurde das Sexualleben der Dorfbevölkerung streng beaufsichtigt und das Heiratsalter war hoch. Darin kam eine moralische Strenge zum Ausdruck, die für das süddeutsche Barock charakteristisch war.217 Unter diesen Umständen entstand eine von großen Hofbesitzern dominierte Gesellschaft  : Die großen Betriebe blieben durchgehend erhalten oder wurden wiederhergestellt, während kleinere Hofstellen unbesetzt blieben. Diese Besitzkonzentration wurde durch das hier praktizierte Anerbenrecht gefördert, zumal die Erben sich wenig geneigt zeigten, ihre Geschwister auszuzahlen. Die Übernahme des Erbes war an eine gute Hochzeit gebunden, was zahlreiche Konfliktstoffe zwischen konkurrierenden Geschwistern barg.218 Handel mit der Schweiz Der Großteil der Getreideproduktion Ottobeurens wurde in die Ostschweiz exportiert, wo ein beständiger Bedarf an Getreideimporten bestand. Die Voralpengebiete waren nur begrenzt zum Ackerbau geeignet, die Landwirtschaft begann sich hier seit dem 15. Jahrhundert auf Viehzucht zu spezialisieren. Hinzu kam, dass nördlich des Rheins Gebiete existierten, die Getreide kostengünstiger anbauen und in die Schweiz exportieren konnten. Im Unterschied zu einem Hof mit Ackerbau, der hohe Anfangsinvestitionen zu tätigen hatte, erlaubte die in der Schweiz zu findende Spezialisierung auf Viehzucht und Obstbau zur Selbstversorgung durch die niedrigeren Investitionskosten die Gründung unterbäuerlicher Haushalte. Diese suchten ihr Auskommen entweder im ländlichen Gewerbe, oder die Männer wanderten zur Arbeit in die nördlichen Getreidebaugebiete. Hier waren also zwei komplementäre Großregionen entstanden, deren Entwicklung sich gegenseitig ergänzte.219 Während in den agrarisch geprägten Regionen der Schweiz die Bevölkerung von 1680 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts weitgehend stagnierte, stieg die Bevölkerungszahl in den heimgewerblichen Gebieten stark an.220 Dies zeigt, dass sich v. a. soziale und öko216 Sreenivasan 2004, S. 291–304. 217 Sreenivasan 2004, S. 304–310. 218 Sreenivasan 2004, S. 312–321. 219 Pfister, Fabriques 1992, S. 413 f.; Göttmann 1991, S. 183–201. 220 Göttmann 1992, S. 192 f.

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Abb. 14  : Die Benediktinerabtei Ottobeuren auf einem Stich von 1766, Zentrum der gleichnamigen Klosterherrschaft.

nomische Faktoren auf die Bevölkerungsentwicklung auswirkten und nicht so sehr die als „Kleine Eiszeit“ bezeichnete Kälteperiode, die auch in der Schweiz deutlich zu spüren war.221 Das protoindustrielles Leinengewerbe im Umland von Zürich, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert einen starken Aufschwung erlebte, nutzte zunächst das vorhandene Arbeitskräftepotenzial und seine weitere Entwicklung ließ im 18. Jahrhundert die Bevölkerungszahlen stark ansteigen.222 Die Folge war, dass auch die Getreideimporte aus den Gebieten nördlich des Bodensees zunahmen.223

221 Pfister 1985, S. 127–129. 222 Pfister, Fabriques 1992, S. 504–507. 223 Göttmann 1991, S. 192, S. 231–235.

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Unter diesen günstigen Vorzeichen entwickelte sich in Ottobeuren eine exportorientierte, auf den Getreidebau konzentrierte agrarische Ökonomie. Die landwirtschaftliche Produktion stieg kontinuierlich an, in den 1680er-Jahren erreichten die real gezahlten Abgaben den Vorkriegsstand und 1710 lagen sie sogar darüber. Doch die Hofbesitzer gaben sich nicht mehr allein mit dem Ackerbau zufrieden. Angestoßen durch den Niedergang der nahegelegenen Stadt Memmingen von einem internationalen Handelszentrum zu einem lokalen Verteilungszentrum etablierten sie sich selbst als Getreidehändler und bildeten Bauernhändlersyndikate. Das hatte einen tiefgreifenden Wandel des Marktgeschehens zur Folge. Die Machtverhältnisse zwischen Stadt und Land wandelten sich grundlegend, die Hofbesitzer begannen selbstständiger auf dem Markt zu agieren, sie vertieften ihre Marktbeziehungen und es entstanden neue soziale Produktionsbeziehungen, die u. a. eine Vergrößerung der Haushalte und eine Veränderung der Beziehungen der Menschen untereinander bewirkte.224 2.2.3 Kommerzialisierte bäuerliche Landwirtschaft II  : Hohenlohe

Eine ganz andere Entwicklung in Richtung einer kommerzialisierten Landwirtschaft war in dem süddeutschen Fürstentum Hohenlohe zu finden.225 Hier gelang es dem Fürsten nicht, nach dem Krieg höhere Steuern durchzusetzen. Als Gründe führt Thomas Robisheaux eine gering ausgebaute Verwaltung, ein paternalistisches Herrschaftsverständnis, lokale und Reichsgesetze sowie den Widerstand der Hofbesitzer gegen eine Neubewertung ihres Besitzes und eine damit verbundene Erhöhung der Steuern an. In der Hoffnung, durch eine Stärkung der ländlichen Ökonomie langfristig die Staatseinnahmen zu erhöhen, stimmte der Fürst einem niedrigen Steuersatz zu. Diese Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht, das Fürstentum Hohenlohe erzielte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur geringe Einnahmen. Infolge der für sie günstigen Rahmenbedingungen prosperierten die bäuerlichen Betriebe. Schon im 16. Jahrhundert hatten die Fürsten von Hohenlohe durch die Förderung des Anerbenrechts die Herausbildung einer stabilen Schicht von Pächtern begünstigt, die das beste Land in ihren Händen hielten. Die Zahl der Pachthöfe und der kleinen Stellen blieb auch im Verlauf des 17. Jahrhunderts stabil, in den Weilern auf der Hochebene gab es nur große Höfe. Aufgrund der geringen Steuerlast konnten deren Inhaber Kapital akkumulieren und hierdurch eine marktorientierte Landwirtschaft ausbauen. Dagegen hatten die in den größeren Dörfern lebenden Landlosen die aus dem Krieg resultierenden sozialen Probleme zu tragen. Im Unterschied zu Ottobeuren entwickelte sich hier eine intensive Viehhaltung. Die Hohenloher Ebene war so weit von den städtischen Marktzentren entfernt, dass die Transportkosten bei den niedrigen Getreidepreisen nach dem Dreißigjährigen Krieg zu hoch gewesen wären. Dagegen rentierte sich Viehhaltung wegen der bis zum Beginn des 18. 224 Sreenivasan 2004, S. 337–352. 225 Robisheaux 1989, S. 227–256  ; Brakensiek 2003, S. 278–280.

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Jahrhunderts durchgehend hohen Fleischpreise, und auch die guten Weiden und Wiesen unterstützten die Spezialisierung auf Viehzucht. Darüber hinaus förderte das hohe Lohnniveau den Ausbau der Viehwirtschaft, denn für diese waren weit weniger Arbeitskräfte nötig als für den Ackerbau. Vor dem Hintergrund dieser günstigen Bedingungen begannen die Inhaber kleiner und großer Höfe in Hohenlohe eine intensive Viehwirtschaft für deutsche, schweizerische und französische Märkte aufzubauen. Allgemeines Bevölkerungswachstum, die damit verbundene steigende Nachfrage nach Agrarprodukten, sowie die Ausweitung des Handels und die Verbesserung der Transportmittel boten schließlich im 18. Jahrhundert günstige Grundlagen für die Entwicklung einer marktorientierten Ökonomie in dieser Region. 2.2.4 Heimgewerblich-agrarische Verflechtung  : Die protoindustrielle Gewerberegion in der Grafschaft Ravensberg

Die Ausbildung protoindustrieller Gewerberegionen Von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nahm der Anteil der Bevölkerung, der nicht ausschließlich von der Landwirtschaft leben konnte, überall zu. In einigen Regionen, wie z. B. auf der Schwäbischen Alb, im Zürcher Oberland oder in Westfalen wurden ausschließlich von der Landwirtschaft lebende Haushalte zur Minderheit und das Heimgewerbe begann das ökonomische Leben der Dörfer zu bestimmen. Die Herausbildung solcher Gewerberegionen, die auch in anderen europäischen Ländern zu finden waren,226 hing von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Ulrich Pfister hebt hervor, dass zunächst die Landbevölkerung selbst – sofern sie überhaupt eine Wahl besaß – sich für jenen Bereich entschied, in dem sie bei gleichem Arbeitsaufwand ein höheres Einkommen erzielen konnte.227 Diese Wahlmöglichkeit ist aber an verschiedene Voraussetzungen gebunden, von denen hier nur einige allgemeine Faktoren aufgeführt werden können, die durch weitere regionale ökonomische, soziale und kulturelle Aspekte ergänzt werden können.228 Zunächst mussten die Landbewohner über ihre Arbeitskraft frei verfügen. Daher entstanden in Gutsherrschaftsgesellschaften, in denen die Gutsherren die Arbeitskraft ihrer Untertanen über die Frondienste weitgehend abschöpften, fast keine Zonen verdichteten Heimgewerbes. Außerdem musste eine Nachfrage nach protoindustriell gefertigten Produkten vorhanden sein. Seit dem 15. Jahrhundert entstand in den europäischen Städten eine Verbrauchergesellschaft  : Viele Bürger stellten die Gewerbeprodukte, die sie benötigten, nicht mehr selbst her, sondern erwarben sie auf dem Markt. Diese Entwicklung wurde seit der Mitte des 17. Jahrhunderts durch den Ausbau des Überseehandels weiter gefördert. Für die Entwicklung einer bestimmten Landschaft zu einer Region mit einem 226 Ogilvie/Cerman 1996  ; Ebeling/Mager, Protoindustrie 1997. 227 Pfister 1997  ; Pfister 1992. 228 Ebeling/Mager, Einleitung 1997, S. 22–28.

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hohen Anteil heimgewerblicher Produktion waren ferner eine günstige Verkehrslage und die Gewährleistung der Versorgung mit Nahrungsmitteln nötig. Gesellschaftliche Arbeitsteilung in der Grafschaft Ravensberg In der Ostschweiz war diese Entwicklung möglich, weil die Versorgung der Menschen durch Getreideimporte aus Süddeutschland gesichert wurde. Die Bewohner der westfälischen Grafschaft Ravensberg entwickelten hingegen innerhalb der Region eine hochspezialisierte heimgewerbliche Leinenproduktion, die auf einer Verflechtung agrarischer und agrarischer Produktion basierte. Eine zentrale Grundlage dieser Entwicklung waren die agrarischen Besitzverhältnisse. In Ravensberg dominierten Kolonate, deren Besitz im Rahmen des Anerbenrechts geschlossen erhalten wurde. Die Besitzer dieser großen Höfe verfügten über relativ günstige Besitzrechte und sie profitierten von einem relativ großen ökonomischen Handlungsspielraum.229 Neben diesen Inhabern großer Stellen lebten in Ravensberg viele Inhaber kleiner Stellen auf dem Land, die von ihrer Landwirtschaft nicht leben konnten. Weitaus wichtiger für die gewerbliche Entwicklung war aber das Heuerlingswesen. Als Heuerlinge wurden Landlose bezeichnet, die bei einem der großen Hofbesitzer ein kleines Haus und etwas Land mieteten. Über die Pachtzahlung hinaus mussten sie dem Hofbesitzer bei Arbeitsspitzen helfen, wodurch diese ihren saisonal stark schwankenden Arbeitskräftebedarf billig befriedigen konnten. Da das gepachtete Land den Heuerlingen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichte, mussten sie eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit suchen. Hierzu bot sich die Verarbeitung von Hanf und Flachs zu Textilien an.230 Die äußerst arbeitsintensive Weiterverarbeitung der selbst angebauten Pflanzen zu Garn und dann zu Leinwand ermöglichte diesen Familien, von einem recht kleinen Stück Land zu leben. Dabei folgten sie einem saisonalen Arbeitsrhythmus, in dem sich agrarische Arbeiten mit der Produktion von Textilien abwechselten.231 Zwischen Kolonen und Heuerlingen entwickelte sich nach dem Muster der interlocked factor markets ein Netz intensiver ökonomischer und sozialer Beziehungen und Abhängigkeiten, das die Kolonen kontrollieren und nach ihrem Bedarf ausgestalten konnten.232 Für die Hofbesitzer bildete es die Grundlage der Entstehung einer intensiven, am Getreidebau orientierten Landwirtschaft, die den Nahrungsbedarf der Ravensberger Bevölkerung decken konnte.

229 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 286–291  ; Mager 1982, S. 451. 230 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 63–65  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 310–319  ; Schlumbohm 1994, S. 543–567. 231 Schlumbohm 1979, S. 286–292. 232 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 308–318  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 247–255.

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Leinenproduktion in regionaler Arbeitsteilung Die Verarbeitung von Flachs und Hanf zu Textilien war in der Grafschaft Ravensberg seit dem späten Mittelalter schon weit verbreitet gewesen, aber zunächst erfolgte sie zur Deckung des Eigenbedarfs. Im 17. Jahrhundert stieg in Westeuropa die Nachfrage nach Textilien stark an.233 Ferner erhielt die Ravensberger Textilproduktion durch die 1678 erfolgende Einrichtung von Leggen in Bielefeld und Herford eine institutionelle Absicherung.234 Diese zentralen Sammelstellen dienten der Qualitätskontrolle und damit der Herstellung standardisierter Textilprodukte, was eine massenhafte Produktion für den Export erleichterte. Hatte die Vermarktung des Ravensberger Leinens zuvor in den Händen von Wuppertaler Kaufleuten gelegen, errangen die Händler in Bielefeld und Herford durch die Einrichtung der Leggen ein Handelsmonopol.235 Produktion und Handel des Leinens waren nach dem Kaufsystem organisiert  : Spinner und Weber blieben selbstständige Produzenten, die ihre fertigen Produkte an die Händler verkauften. In diesem nominell freien Marktsystem war die Macht sehr ungleich zugunsten der Händler verteilt.236 Ab dem 17. Jahrhundert etablierten sich in Ravensberg ein System kleinregionaler Spezialisierung und Arbeitsteilung  : Hanf wurde westlich des Teutoburger Waldes, hochwertiger Flachs an dessen östlicher Seite, mittelwertiger Flachs in den nördlichen Teilen der Grafschaft angebaut. Aus Hanf und mittlerem Flachs wurde grobes Leinen z. B. für die Herstellung von Sackleinen oder Segeltüchern hergestellt, während der beste Flachs zu feiner Bielefelder Leinwand verarbeitet wurde, einem Luxusprodukt für Käufer in den großen Städten und an den Höfen.237 Zur gleichen Zeit trat durch die Trennung von Garnspinnen und Weben eine Arbeitsteilung innerhalb der Leinenproduktion und damit eine Rationalisierung der Produktion ein  : In Werther, Spenge und Enger wurde guter Flachs zu Vollgarn verarbeitet, aus denen in Schildesche, Jöllenbeck und Heepen feines Leinen gewoben wurde. Besonders hochwertiger Flachs aus Werther wurde westlich des Teutoburger Waldes zu Feingarn versponnen, aus dem die Weber im Bielefelder Umland besonders hochwertige Leinwand herstellten.238 Da eine wachsende Zahl von Menschen durch diese dynamische Entwicklung des Ravensberger Leinengewerbes Arbeit fand, stieg die Bevölkerungszahl von 1550 bis 1740 von 31.000 auf 54.333 Einwohner an. Das entsprach einem Anstieg der Bevölkerungsdichte von 34 Einw./km2 auf 59 Einw./km2.239 Die Bevölkerungszunahme betraf ausschließlich die Heuerlingsschicht. Diese dynamische Bevölkerungsentwicklung förderte 233 Mager 1982, S. 452. 234 Flügel 1997, S. 93. 235 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 68. 236 Mager 1982, S. 454 f.; Flügel 1997, S. 93  ; Pfister 2007, Sp. 514  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 68. 237 Mager 1982, S. 446. 238 Mager 1982, S. 453, S. 456. 239 Brakensiek 1991, S. 18, Anm. 2.

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wiederum das protoindustrielle Leinengewerbe, dessen Entwicklung von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts die Inhaber kleiner Stellen und die Heuerlinge trugen.240

2.3 Religiöses Leben, obrigkeitliche Kontrolle und Formen der Kommunikation Bestandsaufnahmen Nicht nur das ökonomische, sondern auch das kirchliche Leben wurde durch die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges in Mitleidenschaft gezogen. Eine Schadensbilanz aus den Jahren 1654–1656 zeigt, dass z. B. im Fürstbistum Paderborn zahlreiche Kirchen zerstört oder geplündert sowie viele Altäre geschändet worden waren.241 In anderen Regionen wie etwa im Weserbergland hatte der Krieg nicht so verheerende Folgen hinterlassen.242 Vielfach gehörte es jedoch zu den ersten Aufgaben der Dorfbewohner, die zerstörten oder beschädigten Kirchen wieder herzurichten.243 Das Ausbleiben materieller Zerstörungen allein sagt aber noch nichts darüber aus, ob das religiöse Leben die Kriegszeit unbeschadet überstanden hatte. Aus dem hessischen Stausebach berichtete 1649 Kaspar Preis, dass er für einige Zeit selbst eine Andacht organisierte, weil der Pfarrer aus dem Dorf geflohen war.244 Nach dem Ende des Kriegs führten zahlreiche Kirchenobrigkeiten Visitationen durch, um eine Schadensbilanz aufzunehmen. In anderen Fällen führten sie solche Verfahren durch, um 1648 neu hinzugewonnene Provinzen zu erfassen. Dies galt z. B. für die 1650 von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg veranlasste Visitation des Fürstentums Minden. Ebenso ließ Herzog Ernst I. möglichst schnell eine Generalvisitation seines durch Erbteilung 1740 neu entstandenen Herzogtums Sachsen-Gotha durchführen.245 Mit den Visitationen wollten die Landesherren die Gemeinden und Bewohner der Provinz zahlenmäßig erfassen, die materielle und geistliche Verfassung der Gemeinden erheben und das neue Kirchenregiment durchsetzen. Fortgesetzte Konfessionalisierungspolitik Lange Zeit gingen Historiker und Historikerinnen davon aus, dass die Konfessionalisierung 1650 endete, aber diese zeitliche Begrenzung wurde in jüngster Zeit infrage ge240 Mager 1982, S. 458. 241 Menne 2007, S. 128–131. 242 Rappe-Weber 2001, S. 29 f. 243 Zillhardt 1975, S. 249. 244 Eckhardt/Klingelhöfer 1998, S. 70. 245 Koechling 1963  ; Albrecht-Birkner 2002.

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stellt.246 In den katholischen Territorien waren die auf dem Konzil von Trient verkündeten Reformen noch nicht durchgesetzt worden. Die Reform des Lebens des Kirchenvolkes setzte erst ein, nachdem ein besser ausgebildeter, den neuen Verhaltenserwartungen angepasster Klerus etabliert war.247 Für das Fürstbistum Münster konstatiert Andreas Holzem, dass die Grundlagen für eine konsequente Konfessionalisierungspolitik erst um 1650 gelegt worden seien.248 Doch auch lutherische und reformierte Kirchenbehörden setzten im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert ihre Konfessionalisierungspolitik fort. Im gemischtkonfessionellen Pfalz-Zweibrücken diente sie z. B. der Sicherung bzw. Ausweitung der Machtposition der lutherischen Kirche gegenüber den beiden anderen christlichen Konfessionen, mit denen sie im Territorium konkurrierte.249 War in diesem Territorium das Nebeneinander der Konfessionen noch durch die innere Machtkonstellation bedingt, verfolgten die brandenburgischen Kurfürsten im 17. Jahrhundert bereits eine Politik gegenseitiger Duldung der Konfessionen innerhalb ihres Territoriums.250 Bis ins 18. Jahrhundert hinein blieben Visitationen für die Kirchenbehörden ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung ihrer Politik in den Gemeinden.251 Es ist jedoch zu bedenken, dass die in den Visitationsprotokollen festgehaltenen Sachverhalte in erster Linie die Interessen der Kirchenbehörden widerspiegelten  ; die religiöse Praxis der Gemeindeangehörigen kam nur dann zur Sprache, wenn sie dem konfessionellen Ideal widersprach. Eine überaus kritische Position gegenüber dieser Quelle nimmt Andreas Holzem ein  : Er billigt ihnen nur eine geringe Aussagekraft zur Beurteilung der real erfolgten Konfessionalisierung zu, weil sie von einer Behörde für eine andere Behörde geschrieben wurden.252 Zudem besuchten Bischöfe bzw. Superintendenten die Kirchengemeinden zu selten – im besten Fall alle zwei bis drei Jahre –, um neue Verhaltensstandards durchsetzen. Um dies zu erreichen, waren Instrumente nötig, mit denen die Kirchen unmittelbar auf das tägliche Handeln und Denken der Gemeindemitglieder einwirken konnten. Auf der Grundlage seiner Forschungen im Münsterland betrachtet Holzem eine intensivierte Bildung, die Verdichtung der Liturgie und die Sendgerichte als zentrale Instanzen der Konfessionalisierung.253 So berechtigt die Kritik an den Visitationen als einem unmittelbaren Instrument der Disziplinierung sein mag, erscheint es doch überzogen, ihnen jegliche Aussagekraft abzusprechen, denn sie bleiben ein Indiz für die konfessionellen Standards und die Anstrengungen, die unternommen wurden, um ihnen Geltung zu verschaffen.

246 Schmidt 2005, S. 22  ; Holzem, Religion 2000, S. 456  ; Konersmann 1996, S. 620 f. 247 Freitag 1998, S. 18, S. 22 f.; Delumeau/Cottret 1996, S. 87–90. 248 Holzem 2000, S. 457. 249 Konersmann 1996, S. 626. 250 Lackner 1973, S. 304–309  ; Heinrich 1986, S. 88. 251 Venard 1984. 252 Holzem 2000, S. 455. 253 Holzem 2000, S. 455.

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Kirchenleben und religiöse Praxis Bei der Durchsetzung der „Sittenzucht“ und „Lehrzucht“ sind in den Territorien unterschiedliche Konjunkturen zu erkennen  : In Pfalz-Zweibrücken nahm die Verfolgung abweichenden Sexualverhaltens erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu, während sie in Hohenlohe vor dem Dreißigjährigen Krieg im Zentrum stand.254 Doch die zentrale Frage ist, inwieweit die ländliche Bevölkerung überhaupt die von den Kirchenobrigkeiten propagierten Normen akzeptierte. Thomas Robisheaux weist darauf hin, dass nur von einer selektiven Übernahme der neuen religiösen Normen ausgegangen werden kann. Am Beispiel Hohenlohes zeigt er, dass die Angehörigen der ländlichen Elite die Eherechtsvorstellungen der lutherischen Geistlichen nur deshalb übernahmen, weil diese die Position der männlichen Haushaltsvorstände im Familienverband stärkte und sie hierdurch das Heiratsverhalten ihrer Söhne besser kontrollieren konnten. An einer Übernahme der gesamten lutherischen Doktrin waren sie nicht interessiert und so blieben auch viele Kinder dem Schulunterricht fern.255 Auf der anderen Seite erwarteten die Dorfbewohner von ihrem Pfarrer, dass er sie seelsorgerisch gut betreute. Sie sahen sich in einem unmittelbaren Austauschverhältnis mit dem Pfarrer  : Sie sorgten mit ihren Abgaben für dessen Lebensunterhalt, wofür sie eine adäquate Gegenleistung erwarteten.256 Wurden ihre Erwartungen nicht erfüllt, konnte es zu großen Spannungen zwischen ihnen und ihrem Pfarrer kommen. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs herrschte in der Gutsherrschaft Plattenburg-Wilsnack ein „lautes“ Kirchenleben, in dem Konflikte offen und z. T. gewalttätig ausgetragen wurden. Auch zu anderen Zeiten und in anderen Regionen waren solche Konflikte zu beobachten.257 Im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist in einigen Regionen bei der Landbevölkerung eine Zunahme moralischer Strenge zu beobachten. Für den süddeutschen Barock z. B. waren eine strenge Aufsicht des Sexualverhaltens und ein spätes Heiratsalter charakteristisch.258 Die Ursachen für diese Entwicklung waren vielfältiger Natur  : Dahinter konnte eine Verknappung von Ressourcen stehen, es kann als Ausfluss der Sittenzucht gedeutet werden, es mag aber auch eine Reaktion auf die Verunsicherungen des 17. Jahrhunderts gewesen sein. So entstand der Pietismus aus einer Frömmigkeitsbewegung heraus, die in kritischer Auseinandersetzung mit der offiziellen Kirche und den Realitäten christlichen Lebens in der lutherischen Orthodoxie eine Intensivierung der Frömmigkeit forderte.259 Auch wenn der Pietismus vorwiegend eine Bewegung des städtischen Bürgertums war, erlangte er in einigen Dörfern wie z. B. in Gohfeld (Westfalen) oder in Laichingen (Württemberg) großen Einfluss.260 254 Konersmann 1999  ; Robisheaux 1981. 255 Robisheaux 1981. 256 Peters 1990, S. 84  ; Beck 1988, S. 121 f., S. 129. 257 Peters 1990  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 491–494  ; Beck 1988, S. 114. 258 Sreenivasan 2004, S. 307 f. 259 Brecht, Aufkommen 1993  ; Brecht, Spener 1993, S. 292 f.; Lehmann 1977/78. 260 Peters, Pietismus 1995, S. 360  ; Medick 1996, S. 475 f.

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Obwohl die Landbevölkerung starke Tendenzen zu einem eigenständigen Umgang mit der Religion entwickelte, wäre es verfehlt, von einer strikten Trennung zwischen Volksfrömmigkeit und Konfessionskirchen auszugehen, wie im Zuge der Diskussionen um Volkskultur und Elitenkultur261 angenommen wurde. Da die Angehörigen der Eliten bis ins 17. Jahrhundert an der „Volkskultur“ teilnahmen, und Letztere auch Elemente der „Elitenkultur“ übernahm, erscheint es wenig sinnvoll, zwischen beiden Kulturen zu unterscheiden.262 Darüber hinaus war die Volksreligion nicht in sich abgeschlossen, sondern sie entwickelte sich in einem komplexen Spannungsfeld zwischen den von den Kirchen propagierten Glaubensformen und anderen magischen Vorstellungen.263 Die Landbevölkerung war nicht prinzipiell kirchenfeindlich eingestellt, sondern entlieh dem kirchlichen Angebot diejenigen Elemente, die ihren Bedürfnissen entsprachen, und setzte diese in einen neuen Sinnzusammenhang. Das Bedürfnis, einen Bereich eigener Religiosität zu besitzen, führte auch dazu, dass die Landbewohner zuweilen Geistliche aus religiösen Zeremonien ausschlossen, die durchaus mit dem kirchlichen Dogma übereinstimmten. So wehrten sich Bewohner der Paderborner Gemeinde Bellersen bei einer Himmelfahrtsprozession 1704 dagegen, dass der Ortspfarrer das Marienbild mittrug. Er solle sich um den Altar, d. h. die Kirche, kümmern, sagten sie, das Bild sei ihre Angelegenheit.264 In Südbayern entstand neben dem von der Kirche geförderten Wallfahrtsort auf dem Hohenpeißberg seit dem 17. Jahrhundert in der nahe gelegenen Gemeinde Peißberg eine eigene Wallfahrtsstätte, die sich aus der Heilssuche der Gläubigen selbst entwickelte.265 Wallfahrten wurden jedoch zusehends in einen kirchlichen Konnex integriert. Pilgerten im 17. Jahrhundert meistens Einzelpersonen auf der Suche nach individuellem Heil auf den Hohenpeißberg, so wandelten sich die Wallfahrten im 18. Jahrhundert zu großen Prozessionen, in denen die individuellen Gläubigen in eine große Gemeinschaft eingebunden wurden, mit der sie sich identifizieren konnten.266 Wallfahrten befriedigten somit zwar weiterhin persönliche Bedürfnisse, die aber von der katholischen Kirche zunehmend in einen eindeutig konfessionellen Zusammenhang einbezogen wurden.267 Religion und Magie In der Regel waren die Kirchen bestrebt, die Religion aus der unmittelbaren Lebenswelt herauszulösen und auf eine spirituelle Ebene zu heben. Dabei grenzten sie sich von solchen religiösen Praktiken ab, die sie als „abergläubisch“ geißelten, was letztlich zu einer „Entsa261 Burke 1981  ; Muchembled 1984. 262 Chartier 1985. 263 Dülmen 1986. 264 Erzbischöfliches Bistumsarchiv Paderborn, 37 „blau“, Bl. 32–34. 265 Habermas 1991, S. 35–39. 266 Habermas 1991, S. 45–101. 267 Freitag 1991, S. 202 f.

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kralisierung der Welt“ führte.268 Die verschiedenen Konfessionen verfolgten dieses Projekt mit unterschiedlicher Intensität  : Während die Reformierten jeder magischen Praxis den Boden entzogen, gingen die Lutheraner nicht mit der gleichen Intensität vor. Die Katholiken schließlich trennten nicht strikt zwischen Religion und Magie, sondern verfolgten nur bestimmte volksreligiös-magische Praktiken.269 Dieses Streben nach einer Entsakralisierung der Welt widersprach jedoch den Bedürfnissen vieler Gläubiger, die in der Religion eine Hilfe bei der Bewältigung des zutiefst unsicheren Lebens suchten. Daher waren magische Praktiken bis zum Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreitet. Die Landbevölkerung nutzte sie zur Abwehr von Schaden, zur Bewältigung von ökonomischen Problemen, von Hunger, Krankheit und Unfällen. Hierbei konnten sie sowohl auf kirchliche Hilfsmittel zurückgreifen, wie z. B. Maria um Unterstützung bitten,270 oder sie konnten magische Mittel anwenden. Mit dem Ende der Hexenverfolgungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ließ auch in der ländlichen Welt der Hexenglauben allmählich nach.271 Damit schwand aber nicht das Vertrauen in magische Mittel. Die Menschen nutzten sie weiterhin, um Krisensituationen zu überwinden oder Viehseuchen zu bekämpfen.272 Die Kirchen versuchten sich dagegen zu wehren, indem sie dieser magischen Deutung der Welt ihre eigene entgegensetzten. Als 1683 ein Mädchen aus dem württembergischen Leonberg sich selbst der Hexerei beschuldigte, wurde es nicht gerichtlich belangt, sondern in die Schule geschickt, um den Katechismus zu lernen. Hier setzte die Kirche der Macht der Magie die Macht des Wortes – und damit ihre eigene Deutung der Welt – entgegen.273 Schulwesen Die Etablierung eines funktionierenden und flächendeckenden Landschulwesens dauerte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, wobei in der Mitte des 17. Jahrhunderts in den einzelnen Territorien sehr unterschiedliche Entwicklungsstände zu beobachten waren.274 Im Herzogtum Sachsen-Gotha, in Kursachsen und im Herzogtum Braunschweig war ein dichtes Schulnetz zu finden, doch innerhalb der Territorien waren wiederum aufgrund sozioökonomischer Bedingungen große regionale Unterschiede anzutreffen.275 In der Markgrafschaft Baden-Durlach gab es dagegen nur in wenigen Orten eine Schule und auch in Brandenburg kann keineswegs von der Existenz eines flächendeckenden Schulnetzes ge-

268 Dülmen 1986, S. 26  ; Labouvie 1990. 269 Dülmen 1986, S. 27–29  ; Po-chia Hsia 1998, S. 213 f. 270 Habermas 1991, S. 70–75. 271 Labouvie 1991, S. 250–259. 272 Hünemörder 2007, S. 24–29  ; Sabean, Schwert 1990, S. 203–229. 273 Sabean, Schwert 1990, S. 122–134. 274 Andermann/Andermann 2000. 275 Brachmann 2002, S. 72  ; Kupke 1999, S. 229, S. 232, S. 247  ; Le Cam 2005, S. 51–53.

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sprochen werden.276 Im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde das Landschulwesen in den meisten Territorien weiter ausgebaut, sodass zum Ende des 18. Jahrhunderts ein Großteil der Dörfer eine Schule besaß. Die Einrichtung dieser Schulen erfolgte auf Initiative unterschiedlicher Kräfte wie Landesherren, Kirchen oder Gemeinden. Das Vorhandensein eines dichten Schulnetzes darf jedoch nicht mit einem guten Schulunterricht gleichgesetzt werden. Während die finanzielle Absicherung und gute Ausbildung der Lehrer in Sachsen-Gotha bereits im 17. Jahrhundert für eine hohe Qualität des dortigen Schulwesens sorgte, wird die Qualität des Unterrichts in den Dorfschulen der anderen Provinzen in der Regel nicht so gut gewesen sein. Wie gut der Unterricht war, hing vom Lehrer ab, von seinen pädagogischen Fähigkeiten und seinen Möglichkeiten, sich auf den Schulunterricht zu konzentrieren.277 Denn nur in den seltensten Fällen konnten die Lehrer – oder besser Schulmeister – ausschließlich vom Schulunterricht leben  : Es handelte sich zumeist um Handwerker, die darüber hinaus noch das Amt des Schulmeisters versahen, dessen Regeln und Fertigkeiten sie von ihrem Vorgänger erlernt hatten.278 Häufig übte der Schulmeister auch das Küsteramt aus.279 Dadurch entstand ein oft spannungsgeladenes Abhängigkeitsverhältnis zum Pfarrer, der den Unterricht und das Verhalten des Küster-Lehrers kontrollierte. Einer der zentralen Inhalte des Schulunterrichts war die Katechese, die Unterweisung in den Glaubensinhalten. Ferner wurden die Kinder im Lesen und Schreiben unterrichtet, selten kam das Rechnen hinzu. Der Unterricht in den beiden elementaren Kulturtechniken erfolgte nicht parallel sondern nacheinander  : Zuerst lernten die Kinder Syllabieren, dann Lesen, und darauf folgte erst der Unterricht im Schreiben – wenn die Eltern das hierfür zu entrichtende höhere Schulgeld zahlen wollten und wenn sie ihre Kinder nicht zuvor bereits von der Schule genommen hatten.280 Wichtigster Lesestoff war bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts der Katechismus. Hinzu kamen noch Fibeln und diverse weitere Bücher v. a. religiösen Inhalts,281 das Lesen war in der Schule somit immer mit Religiosität verbunden. Über die konfessionelle Unterweisung hinaus war die Schule nach Wolfgang Neugebauer seit dem 17. Jahrhundert auch ein Instrument allgemeiner Disziplinierung im Interesse der frühneuzeitlichen Staaten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg sei sie „als ein wichtiges Mittel, die durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges erschütterte Disziplin wiederherzustellen, […] erkannt worden“.282 So interessant diese These klingt, fehlt bisher jedoch der Beleg dafür, dass die Landschulen wirklich eine solche disziplinierende Funktion wahrnehmen konnten. Die Form des Unterrichts und die begrenzte Schulfrequenz schränkten ihre Wirkungsmöglichkeiten sehr 276 Schmale 1991, S. 649  ; Neugebauer 1985, S. 237–251, S. 257. 277 Schmale 1991, S. 679–684, S. 690–716  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 480 f.; Schmidt 2005, S. 362. 278 Schmale 1991, S. 690  ; Neugebauer 2005, S. 230. 279 Neugebauer 2005, S. 229 f. 280 Spufford 1979  ; Neugebauer 2005, S. 231  ; Brüggemann 1995  ; Prass 1999, S. 76. 281 Neugebauer 2005, S. 231  ; Teistler 1999. 282 Neugebauer 1985, S. 242.

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ein. Nicht alle Kinder gingen zur Schule und in der Regel kamen sie auch nur im Winter zum Unterricht. Da die Eltern ihre Kinder im Sommer als Arbeitskräfte benötigten, blieb die Durchsetzung des ganzjährigen Schulbesuchs bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ein ungelöstes Problem.283 Als Institution war die Schule zwar von außen in die Dörfer gekommen, aber das bedeutete nicht, dass die Landbevölkerung kein eigenes Interesse am Schulunterricht besaß. Dafür sprechen immer wieder vorgebrachte Wünsche nach Einrichtung einer Schule, wie sie z. B. an der Saar zu beobachten sind.284 Das Interesse der Landbevölkerung am Schulunterricht konnte sich mit den obrigkeitlich-kirchlichen Interessen decken, es besaß aber auch eigenständige Elemente. Der Wunsch nach Unterweisung im Christentum und v. a. in der eigenen Konfession war sicherlich die zentrale Erwartung an den Schulunterricht, die Eltern werden aber auch daran interessiert gewesen sein, dass ihre Kinder Lesen, Schreiben und eventuell auch Rechnen lernten.285 Lesestoffe und -praktiken Es stellt sich freilich die Frage, inwiefern es für die Landbewohner im 17. und 18. Jahrhundert überhaupt nötig war, lesen und schreiben zu können. Schriftlichkeit begann seit dem 16. Jahrhundert zusehends in das Leben der Landbevölkerung einzudringen, was schließlich zu dem Bedürfnis führte, Lesen und Schreiben zu lernen, auch wenn der Alltag weitgehend ohne diese Kulturtechniken bewältigt werden konnte.286 Eine Rekonstruktion der Lesepraktiken der Landbevölkerung auf dem Land ist sehr schwierig. Quellen, die über Buchbesitz Auskunft geben können, liegen nur sporadisch vor, und in ihnen sind auch nicht alle in ländlichen Haushalten wahrscheinlich vorhandenen Bücher erfasst worden.287 Nach dem augenblicklichen Wissensstand wird der Buchbesitz in ländlichen Haushalten begrenzt gewesen sein. Hiervon gab es jedoch Ausnahmen  : Im schwäbischen Dorf Laichingen stellte Hans Medick für das Ende des 18. Jahrhunderts einen außergewöhnlich umfangreichen Buchbesitz fest. Diesen führt er auf den in diesem Dorf sehr einflussreichen Pietismus zurück.288 Zu dem verinnerlichten Christentum, das die Pietisten anstrebten, gehörte auch die intensive Lektüre der Bibel und weiterer religiöser Texte.289 Doch auch in anderen Regionen, die nicht vom Pietismus beeinflusste waren, bildeten religiöse Bücher den wichtigsten Lektürekanon.290 Diese 283 Schmale 1991, S. 680  ; Kupke 1999, S. 239–241, S. 248  ; Le Cam 1993, S. 216–223. 284 Dillmann 1995, S. 163 f., S. 184 f. 285 Dillmann 1995, S. 184. 286 Dillmann 1995, S. 163–173  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 476–478. 287 Prass 2010, S. 238–242. 288 Medick 1996, S. 451–456, S. 475–479. 289 Prass 2004. 290 Dillmann 1995, S. 177  ; Maisch 1992, S. 380–383  ; Chartier 1991, S. 134  ; Prass 2010, S. 242  ; Konersmann, Schriftgebrauch 2005, S. 299.

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Erkenntnis ist kaum erstaunlich, denn im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert lag der Schwerpunkt der Buchproduktion allgemein beim religiösen Buch.291 Die Existenz von Bibeln wird in den ländlichen Haushalten des 17. Jahrhunderts eine Ausnahme gewesen sein. Das könnte sich mit der der massenhaften Produktion billiger Exemplare durch die Bibelanstalt im Umfeld des Waisenhauses in Halle geändert haben,292 wie auch in Frankreich die Verleger der als bibliothèque bleue bekannten billigen Büchlein Bibeln in ihr Programm aufnahmen.293 In den meisten Haushalten waren dagegen Katechismen und Gesangbücher vorhanden. Darauf weist die von Buchhändlern und Buchbindern belegte große Nachfrage nach dieser Massenware hin.294 Daneben lasen die Landbewohner Erbauungsbücher, v. a. die Bücher Thomas a Kempis, Johannes Taulers und Johannes Arndts.295 Unter den weltlichen Büchern, die ebenfalls in ländlichen Haushalten zu finden waren, dominierten Kalender.296 Erste gedruckte Kalender sind im 16. Jahrhundert als Einblattdrucke für die Wand veröffentlicht worden. Mitte des 16. Jahrhundert entstanden die ersten gebundenen Jahreskalender, in denen die Autoren neben kalendarischen Angaben auch medizinische Anweisungen, astrologische Hinweise (u. a. zu agrarischen Tätigkeiten), Bauernregeln, Tabellen für Messen und Jahrmärkte sowie Erzählungen veröffentlichten. Ein typischer Inhalt traditioneller Kalender waren Aderlassmännchen, in denen die Autoren medizinisches Wissen vermittelten, das mit der Astrologie vermischt war. Im Laufe des 17. Jahrhunderts zeichnete diese Kalender eine große inhaltliche Vielfalt aus. Die Drucker veröffentlichten ganz unterschiedliche Typen wie Practica, Schreibkalender, ewige Kalender oder Bauernkalender. Aufgrund ihres geringen Preises wurden sie zu einem Massenlesestoff, der in den Städten wie auf dem Land großen Absatz fand – womit auch eine Verringerung inhaltlicher Vielfalt einherging.297 Bemerkenswert ist auch der umfangreiche Buchbesitz in jüdischen Gemeinden  : Jedes Gemeindemitglied hatte zumindest ein Gebetbuch, in dem es regelmäßig las, und einzelne jüdische Dorfbewohner besaßen sogar umfangreiche Bibliotheken.298 Die neuere Leseforschung weist darauf hin, dass die Lektüre einem spezifischen Aneignungsprozess entspricht, in dem die Leser den Text für sich neu gestalten und ihm so ihren eigenen Sinn geben. Diese lesende Neugestaltung des Textes wurde zu einem wesentlichen Teil durch das soziale und kulturelle Umfeld der Leser bestimmt. Es gab jedoch auch interessante Beispiele individueller Lese- und Interpretationsleistungen wie ihn z. B. Carlo

291 Wittmann 1999, S. 85  ; Martin 1996, S. 330. 292 Brecht, Francke 1993, S. 488. 293 Bollème 1975. 294 Prass 2010, S. 243 f. 295 Lehmann 1980, S. 114–123. 296 Dillmann 1995, S. 177  ; Herrmann 1992. 297 Herbst 2012  ; Masel 1997, S. 14–24  ; Voit 1994, S. 5–9  ; Sührig 1979. 298 Wiesemann 1992, S. 107 f.; Ulbrich 1999, S. 176  ; Demandt 1980, S. 131.

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Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg Abb. 15  : Aderlass-Tafel aus dem „Appenzeller Kalender“, Mitte des 18. Jahrhunderts. Solche „Aderlass-Tafeln“ oder „AderlassMännchen“ wurden regelmäßig in frühneuzeitlichen Kalendern abgedruckt. Sie enthielten Anweisung zu medizinischen und magischen Praktiken.

Ginzburg bei dem norditalienischen Müller Menocchio vorstellt.299 Die wenigen in ländlichen Haushalten vorhandenen Bücher wurden immer wieder gelesen, sodass ihre Leser den Inhalt nahezu auswendig kannten. Diese intensive Wiederholungslektüre, die sich oft mit einem lauten Lesen verband, war bis ins 18. Jahrhundert weit verbreitet.300 Die Lektüre religiöser Texte konnte in eine rituelle Handlung eingebunden werden, die Bücher – gleich welcher Art – wurden im Rahmen der Hausandacht als Gebetbücher genutzt301 und das Lesen heiliger Texte konnte als Gottesdienst, ja als unmittelbare Zwiesprache mit Gott empfunden werden.302 Die übrigen Bücher dienten dagegen der Unterhaltung, indem ein bestimmter Kanon beliebter Texte beständig wiederholt wurde.303

299 Ginzburg 1983  ; Certeau 1988, S. 293–311  ; Chartier 1999, S. 407  ; Zimmermann, Mediennutzung 2010, S. 10. 300 Engelsing 1970  ; Messerli 2002, S. 258–265. 301 Medick 1996, S. 499 f.; Prass 2010, S. 244 f. 302 Prass 2004, S. 154–156. 303 Dillmann 1995, S. 177.

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Schrift und Macht Aufgrund seiner Seltenheit und seiner besonderen Stellung wurden dem Buch magische Kräfte zugesprochen. In einer Gesellschaft, in der nur ein begrenzter Teil der Menschen lesen und schreiben konnte, hegten sie eine Ehrfurcht gegenüber der Schrift, deren Beherrschung eine besondere Macht verlieh. Die Bücher selbst wurden oftmals als Amulette verstanden oder man erhoffte sich mit dem Aussprechen bestimmter Worte und Sätze aus einem Buch eine konkrete Wirkung zu erzielen.304 Noch stärker als das Lesen war das Schreiben mit Machtausübung verbunden. Der Grund hierfür ist v. a. darin zu suchen, dass der Schrift die Eigenschaft zugesprochen wird, ein exakterer Speicher zu sein als mündliche Überlieferung, und dass sie es ermöglichte, den Radius interpersonaler Kommunikation zu erweitern und zu beschleunigen.305 Bei Auseinandersetzungen um Besitztitel oder Rechtsansprüche griffen Feudalherren seit dem Mittelalter auf schriftliche Dokumente zurück, über die ihre Untertanen keine Verfügungsgewalt besaßen306 – eine Praxis, die bis ins 18. Jahrhundert hinein zu beobachten war. Zudem waren die frühmodernen Staaten bestrebt, sich möglichst umfassend über ihre Territorien zu informieren, um auf diesem Weg eine umfassende „Steuerung der sozialen, kulturellen und materiellen Verhältnisse zu erreichen“.307 Es entstand damit eine Herrschaft durch Verwaltung, die sich nicht damit begnügte, ihre Herrschaftsgebiete zur möglichst weitgehenden Kontrolle und Regelung sämtlicher Lebensbereiche zu erfassen, sondern die sogar danach trachtete, die in den Kanzleien entwickelten Ordnungsvorstellungen auf ihre Territorien zu übertragen.308 Am Beispiel der Markgrafschaft Baden-Durlach zeigt André Holenstein, dass deren Regierung ihre Informationen seit dem 17. Jahrhundert über das immer weiter ausgebaute amtliche Berichtswesen, Bittgesuche von Untertanen, Visitationen, Rügegerichte und die Kontrolle des Rechnungswesens erhielt.309 Diese Informationsbeschaffung musste jedoch zahlreiche Hindernisse überwinden. Die Kommunikationspartner auf dem Land – d. h. Amtmänner, Pfarrer und dörfliche Amtsträger – mussten an die Kriterien der Informationserhebung gewöhnt werden und es waren Informationswege zu schaffen, die eine ungestörte Kommunikation zwischen Zentralregierung und Dörfern ermöglichten.310 Selbst wenn dies erreicht werden konnte, war damit noch nicht die Umsetzung herrschaftlicher Anordnungen garantiert. Eine genauere Analyse zeigt, dass Herrschaft vor Ort in einem permanenten Aushandlungsprozess durchgesetzt wurde.311 304 Medick 1996, S. 471  ; Fabre 1985, S. 187 f. 305 Goody/Watt 1981  ; Zimmermann, Mediennutzung 2010, S. 12. 306 Kuchenbuch 1995. 307 Holenstein 2008, S. 201  ; Vismann 2001, S. 163–168. 308 Vismann 2001, S. 180. 309 Holenstein 2008, S. 205 f.; ausführlich in  : Holenstein 2003, S. 243–402. 310 Spittler 1980  ; Löffler 2001  ; Prass, Brieftasche 2001. 311 Löffler 2001, S. 117 f.; Härter 2007, S. 226 f.

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Durch diese steigende Präsenz der Schrift waren die Landbewohner zusehends genötigt und bestrebt, sich zumindest minimale Schriftkenntnisse anzueignen und in den Besitz wichtiger Schriftstücke zu gelangen.312 Angehörige der dörflichen Oberschicht, die diverse Ämter in der Verwaltung der Dorfgemeinde oder der Kirchengemeinde ausübten, wurden seit dem 16. Jahrhundert mit Schriftlichkeit konfrontiert.313 Doch auch für die übrige ländliche Bevölkerung manifestierte sich in dem Niedergeschriebenen Verbindlichkeit, sodass das System des Aufschreibens an Beständigkeit gewann.314 Die Landbewohner hatten mit herrschaftlichen Schriftstücken zu tun, und die Gemeinde- und die Kirchenrechnungen waren schriftlich abzulegen. In zahlreichen Territorien wie z. B. in Brandenburg oder in der Pfalz wurde seit dem 17. Jahrhundert von Gemeindevorständen und Rechnungsführern gefordert, dass sie lesen und schreiben konnten.315 Andererseits übte in der westfälischen Gemeinde Jöllenbeck Kirchenrechnungsführer Castrup sein Amt von 1697 bis 1704 aus, ohne lesen und schreiben zu können.316 Selbst wenn einzelne Landbewohner die beiden Kulturtechniken nicht beherrschten, wussten sie mit Schriftstücken umzugehen und sie für ihre Belange zu nutzen. Wenn dies erforderlich war, konnten sie die Hilfe Schriftkundiger zum Vorlesen oder zur Abfassung eigener Schriftstücke bemühen.317 Schreibebücher Obwohl die Anstöße zum Schriftgebrauch weitgehend von außen, aus den städtischen Zentren in die Dörfer kamen, entwickelten Landbewohner eigene Interessen an ihr und erarbeiteten eigene Aneignungsformen.318 Sie begannen, Preise zu notieren, kleine Mitteilungen zu tätigen und private oder Geschäftsbriefe zu schreiben.319 Am deutlichsten zeigen das die Schreibebücher, die seit den 1980er-Jahren immer stärker in den Fokus der Forschung gelangt sind.320 Die in Schleswig-Holstein erstmals im 16. Jahrhundert zu findenden Schreibebücher wurden bis ins 18. Jahrhundert überwiegend von Angehörigen der dörflichen Oberschicht geführt. Manche Schreibebücher sind erste Zeugnisse des Eindringens von Rechenhaftigkeit in die Wirtschaftsführung der agrarischen Produ312 Troßbach 1995  ; Richter 1981  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 473 f.; Hohkamp 1998, S.  80–82  ; Ziessow 2010, S. 24. 313 Knoop 2000  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 473 f. 314 Ziessow 2010, S. 24. 315 Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 476  ; Konersmann, Schriftgebrauch 2005, S. 296 f. 316 Landeskirchenarchiv Bielefeld 4,38, HS 8  : Bemerkung des Pfarrers Hagedorn in der Kirchenrechnung der Gemeinde Jöllenbeck, 1626–1713. 317 Knoop 2000  ; Prass, Kreuz 2001, S. 400  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 474  ; Leys 1998, S. 230. Zu professionellen Schreibern  : Haarmann 2010, Sp. 863. 318 Lorenzen-Schmidt 2001  ; Peters 2000. 319 Zimmermann, Mediennutzung 2010, S. 14. 320 Peters 2003  ; Peters 2000  ; Peters 1993  ; Lorenzen-Schmidt/Poulsen 2002  ; Lorenzen-Schmidt/Poulsen 1992.

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zenten.321 In diesen Notizen schlug sich eine Kommunikation unter Anwesenden nieder, die vielfache horizontale wie auch hierarchische Beziehungen zwischen im Dorf lebenden Personen dokumentieren.322 Daneben existierten Schreibebücher, in denen die Autoren Familienangelegenheiten, Wetterbeobachtungen, Preisentwicklungen und Geschäftsabschlüsse, Landkäufe oder Erbteilungen notierten. Diese Bemerkungen ergänzten sie durch die Erzählung außergewöhnlicher Ereignisse oder die Abschrift von Rezepten. In Zeiten des Umbruchs oder besonderer Ereignisse verdrängte deren Erzählung oftmals die Berichte alltäglicher Ereignisse, doch im Allgemeinen hing die Entstehung von Schreibebüchern nicht von solchen außergewöhnlichen Ereignissen ab.323 Verschriftlichung diente primär der Erinnerung, war aber immer in Akte mündlicher Kommunikation eingebunden, die weit über das Niedergeschriebene hinausging.324 Die Schreibebücher bieten zwar einen Zugang zur ländlichen Denk- und Lebenswelt, aber sie liefern keinen direkten Weg zu einer eigenständigen bäuerlichen Mentalität.325 Die Schreiber bewegten sich im Kontext schriftkultureller Einflüsse, die ihnen von außen Anreize und Vorbilder boten, an die sie sich anlehnen konnten. Zugleich vermochten sie auch etwas Eigenes zu gestalten.326 Die Anregung zum Schreiben erhielten sie in der Regel aus ihrer unmittelbaren Erlebniswelt, sie verarbeiteten besondere Erfahrungen, reflektierten Konflikte mit ihrer Herrschaft oder nutzten ihr Buch zur Dokumentation juristisch relevanter Angelegenheiten, wobei jeder Schreiber individuell vorging und jedes Buch ein Ausdruck seiner spezifischen Entstehungszusammenhänge war.327 So wurde das Aufschreiben auch zu einer je eigenen Weise, die Welt für sich zu ordnen. Medien der Kommunikation Die zum Überleben in einer agrarisch dominierten Gesellschaft wichtigsten Informationen über die Möglichkeiten des Ackerbaus und der Viehzucht in ihrer Gemarkung blieben fest in Erfahrungen verwurzelt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.328 Doch die ländlichen Schreibebuchautoren berichteten nicht nur über selbst Erfahrenes und Erlebtes, sie schöpften auch aus schriftlichen Quellen ihrer Zeit, aus Almanachen, Kalendern und Einblattdrucken.329 Ferner waren sie durch ihre Kontakte mit Vertretern der Obrigkeiten, mit städtischen Märkten und mit Druckmedien in ein kommunikatives 321 Peters 2003, S. 310 f.; Konersmann 2008. 322 Ziessow 2010, S. 24 f. 323 Peters 1993, S. 241. 324 Ziessow 2010, S. 25  ; Zimmermann/Hiller/Gierl, Art. Schriftlichkeit 2010, Sp. 888. 325 Peters 1993, S. 240. 326 Peters 2000. 327 Peters 2003, S. 315–323. 328 Beck 1993, S. 48, S. 82. 329 Peters 2000, S. 89.

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Netz eingebunden, das sie mit Informationen versorgte, die weit über ihren persönlichen Erfahrungshorizont hinausreichten. Schließlich waren kirchliche wie weltliche Herrschaft Ausgangspunkte vielfältiger Informationsvermittlungen. Die Kirchen versuchten ihre Lehren über Gottesdienst, Katechese und Schulunterricht in den Dörfern zu verbreiten. Die wichtigste Form der Kommunikation blieb die mündliche  : Das Gerede im Dorf, die Unterhaltung mit Reisenden, das Gespräch auf dem städtischen Markt, das Vorlesen aus Zeitungen und Büchern waren zentrale Elemente der Informationsvermittlung. Zugleich existierte in den ländlichen Gesellschaften eine bedeutende Erinnerungskultur, die über die Formulierung des dörflichen Gedächtnisses hinaus auch in Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung war. Den Hintergrund bildet ein verzeitlichtes Verständnis von Rechten, die durch Nutzung entstehen, durch langjährig unterlassene Nutzung auch wieder verfallen.330 Dieses Rechtsverständnis erforderte ein Wissen um Rechte und Handlungen in der Vergangenheit. Träger dieser Erinnerung, auf die auch Obrigkeiten zurückgriffen, waren alte Menschen und Familien.331 Nach Andreas Suter war in solchen mündlichen Kulturen eine Wissensspeicherung über einen größeren Raum und längere Zeit nicht möglich, ein solches „Gedächtnis“ reichte nur ca. 60–80 Jahre zurück.332 Dem widersprechen Ergebnisse der anthropologischen Forschung zu Kulturen mit mündlicher Überlieferung. Sie verweisen darauf, dass Wissen über mehrere Generationen hinweg in besonderen Formen mündlicher Überlieferung tradiert wurde, wobei dieses Wissen sich im Laufe der Zeit auch veränderte bzw. aktuellen Bedürfnissen angepasst wurde.333 Auch die ländlichen Gesellschaften Mitteleuropas besaßen Vorkehrungen gegen den Wissensverfall, indem sie das Wissen durch wiederkehrende symbolische Handlungen verstetigten  : Das Gedächtnis ländlicher Gesellschaften war keineswegs spontan, sondern zielgerichtet und strukturiert.334

2.4 Exkurs  : Vererbung – Recht, Praxis und Ideologien Jürgen Schlumbohm Lange wurde die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes unter der Alternative Einzelerbfolge (Anerbenrecht) oder Realteilung betrachtet, selbst wenn man einräumte, dass es daneben „Übergangs- und Mischformen“ gab.335 In Deutschland herrschte die Tendenz vor, diese beiden Formen nicht als gleichwertig zu beurteilen, sondern der geschlossenen Vererbung der Höfe den Vorzug zu geben. Für Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897), 330 Birr 2007, S. 328. 331 Troßbach 2000, S. 217, S. 220 f. 332 Suter 1995, S. 181 f.; Troßbach 2000, S. 226. 333 Goody/Watt 1981, S. 51 f., S. 54. 334 Troßbach 2000, S. 229–233.; Kramer 1974, S. 28–32. 335 Beispielhaft Huppertz 1939.

Exkurs  : Vererbung – Recht, Praxis und Ideologien

der als Begründer der Volkskunde gilt, zeichnete sich der „Bauer von guter Art“ dadurch aus, dass er seinen Hof geschlossen an ein Kind vererbte und die Stammfamilie, in der Großeltern, Eltern und Kinder zusammenlebten, heilig hielt. Dieser Bauer war für Riehl das konservative Rückgrat des deutschen Volkes. Wo dagegen der Landbesitz unter alle Kinder gleichmäßig verteilt wurde, kam es zur „Güterzersplitterung“, und diese „entarteten Bauern“ wurden anfällig für die demokratischen Ideen der Revolution.336 Ähnliche Sorgen beschäftigten die Agrarpolitik und -wissenschaft in Deutschland, seitdem die Agrar­reformen den Bauern im Prinzip das freie Eigentum an Grund und Boden übertragen hatten. Sehr bald erließen viele deutsche Staaten Gesetze, die die geschlossene Vererbung der Höfe in mehr oder weniger verpflichtender Form sichern und einer Zersplitterung des Landbesitzes entgegenwirken sollten.337 Im Königreich Hannover machte die Reformgesetzgebung 1831/33 von vornherein nur die grundherrlichen Lasten ablösbar, ließ aber die bestehenden Regelungen der Erbfolge ausdrücklich weiter gelten. Ende des 19. Jahrhunderts stützten umfangreiche Forschungen über die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes die politische Option für den Fortbestand eines bäuerlichen Sondererbrechts außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900).338 Das Reichserbhofgesetz von 1933 wollte die Grundsätze der Unteilbarkeit der bäuerlichen Höfe und der Weitergabe in der männlichen Linie sogar in den Gebieten durchsetzen, in denen bisher Realteilung vorherrschte, jedenfalls für alle landwirtschaftlichen Betriebe, die eine bäuerliche Familie ernähren konnten (in der Regel ab 7,5 ha). Dabei sollten die Rechte von Ehefrauen/Witwen, von Töchtern und weichenden Erben noch weiter eingeschränkt werden als in den meisten Regionen des Anerbenrechts üblich war.339 Die neuere Forschung sieht strikt egalitäre Vererbung und ausschließliche Bevorzugung eines Erben als extreme Pole eines Kontinuums, in dem es zahllose Zwischenstufen gibt. Vor allem betont sie, dass die Praxis der Besitzweitergabe keineswegs unmittelbar dem herrschenden Recht folgte, sondern dass die Bauern erhebliche Spielräume für eigene Strategien behaupteten. Auch entsprach deren tatsächliches Verhalten nicht durchweg den Grundsätzen, zu denen sie sich selbst bekannten oder die ihnen von Beamten, Politikern und Wissenschaftlern zugeschrieben wurden. Wie der Besitz an die nächste Generation weitergegeben wurde, unterlag meist einem längeren Aushandlungsprozess innerhalb der Familie. Bis zu den Agrarreformen des 19. Jahrhunderts spielten zudem die Grundherren eine mehr oder minder gewichtige Rolle bei diesen Entscheidungen. Sie waren es, die in vielen Regionen die Teilung des Landbesitzes unter mehrere Kinder untersagten, um die Fähigkeit der Bauern zur Leistung von Abgaben und Diensten zu sichern. Landesherrliche Verordnungen bekräftigten solche Regelungen, um die Steuerkraft der Bauern zu gewährleisten. 336 Riehl 1885, S. 41–122. 337 Überblick Rouette 2003. 338 Miaskowski 1882–1884  ; Sering 1897–1900. 339 Münkel 1996.

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Selbst wo Land und Haus einem einzigen Erben zufielen, hing das Ausmaß der Ungleichheit entscheidend davon ab, wie hoch die Abfindung (Brautschatz, Mitgift) für die ‚weichenden Erben‘ festgesetzt und wann sie ausgezahlt wurde. In manchen Gegenden Mitteleuropas fand die Besitzweitergabe in Form eines Verkaufs des Hofes an einen Nachfolger statt  ; der Erlös aber wurde unter alle Kinder gleichmäßig aufgeteilt, so in der böhmischen Herrschaft Hohenfurth und in Triberg (Schwarzwald) während des 18. Jahrhunderts.340 Egalität und Unteilbarkeit der Höfe waren also nicht prinzipiell unvereinbar. Umgekehrt schloss eine strikte Gleichheit zwischen allen Söhnen und Töchtern eines Paares – wie sie in Württemberg rechtlich vorgeschrieben und durch detaillierte Buchführung (‚Inventuren und Teilungen‘) abgesichert war – nicht aus, dass einzelne Kinder begünstigt wurden  : Der Zeitpunkt der Übergabe stand im Ermessen der Eltern, so lange sie lebten. Trotz rechnerischer Gleichwertigkeit der Erbteile konnte der Nutzen verschiedener Landstücke und Mobilien differieren. Tendenziell konzentrierte sich der Transfer zwischen den Generationen bei geschlossener Vererbung der Höfe in einem einzigen Akt. In deutschen Regionen fand dieser meist ‚unter Lebenden‘ statt. Den Eltern, die den Betrieb an den Erben abgaben, stand ein Altenteil (Leibzucht, Ausgedinge) zu. Dieses konnte in Unterkunft und Verpflegung, in festgelegten Natural- und Geldleistungen oder, zumal auf größeren Höfen, in der Nutzung und Bewirtschaftung eines bestimmten Teils des Landes und der Gebäude bestehen  : Im Osnabrücker Land waren dafür im 17./18. Jahrhundert bis zu einem Sechstel aller Flächen und ein eigener ‚Leibzuchtkotten‘ vorgesehen. Oft lagen die Heirat des Erben und die Übergabe des Hofes zeitlich nahe beieinander. In diesem Zusammenhang wurden auch die Abfindungen der übrigen Kinder festgesetzt. Vielfach war die Auszahlung für den Zeitpunkt von deren Eheschließung vorgesehen, doch konnte sich die Leistung um viele Jahre, ja mehr als eine Generation verzögern. Die sozialen Auswirkungen von geschlossener Vererbung des Grundbesitzes hingen stark von der wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Konstellation ab. Wenn die Zahl der bäuerlichen Stellen infolge der Unteilbarkeit nicht zunahm, sollte man annehmen, dass im Durchschnitt nur zwei Kinder eines Bauern den Status der Eltern halten konnten, eines als Nachfolger auf dem Hof, das andere durch Heirat auf ein anderes Anwesen. Die Sterblichkeit der Erwachsenen eröffnete jedoch vielfach Chancen zur Eheschließung mit einem verwitweten Besitzer oder einer besitzenden Witwe. So konnten Ketten von Wiederheiraten entstehen und manche Höfe immer wieder ‚horizontal‘ zwischen Gatten (statt ‚vertikal‘ von einer Generation an die nächste) weitergegeben werden, bisweilen unter Umgehung der erbrechtlichen Vorschriften, so im Osnabrückischen vom 17. bis frühen 19. Jahrhundert.341 Die Position der Witwe hing wesentlich von dem jeweiligen ehelichen Güterrecht ab, das eng mit dem Erbrecht verflochten war. Bei ehelicher Gütergemeinschaft war sogar eine kinderlose Witwe 340 Zeitlhofer 2002  ; Zeitlhofer 2003  ; Zeitlhofer 2014  ; Hohkamp 1998, S. 160–164  ; vgl. LorenzenSchmidt 2001, S. 112–114. 341 Schlumbohm 1994, S. 451–480.

Exkurs  : Vererbung – Recht, Praxis und Ideologien

durchaus in der Lage, den Hof zu behalten und in eine zweite Ehe einzubringen. Für diejenigen Kinder, die weder den elterlichen Betrieb übernehmen noch in einen anderen einheiraten konnten, war es keineswegs überall die Regel, als unverheiratete Geschwister auf dem Hof zu bleiben und dort gegen Unterkunft und Verpflegung bis zum Lebensende mitzuarbeiten. In manchen Perioden und Regionen bestand die Möglichkeit, eine neue Kleinstelle zu schaffen, etwa auf einem aus der Allmende herausgelösten Stück Land. Andernorts fanden solche Bauernkinder durch ländliches Gewerbe und/oder Landarbeit Gelegenheit, ohne Landbesitz zu heiraten und eine Familie zu gründen, etwa im östlichen Westfalen als Heuerlinge. Abwanderung in mehr oder weniger entfernte Städte oder nach Amerika bot Chancen, die zumal im 19. Jahrhundert häufig ergriffen wurden. In der lokalen ländlichen Gesellschaft freilich lässt sich vielfach beobachten, dass ‚weichende Erben‘ in größerer Zahl einen sozialen Abstieg in Kauf nehmen mussten.342 Zumindest was den Besitz von Grund und Boden angeht, zeigen ländliche Gesellschaften mit vorwiegend egalitärer Erbpraxis und Realteilung meist weniger soziale Ungleichheit als solche mit Einzelerbfolge. Auch scheint der Besitzstand des einzelnen im Lebenslauf hier stärker zu variieren. Denn typischerweise erstreckt sich die Übergabe des Vermögens von der älteren an die jüngere Generation über einen langen Zeitraum, beginnend mit der Heirat des ersten Kindes, zu der ihm eine erste – jedoch zu ökonomischer Unabhängigkeit meist nicht hinreichende – Ausstattung übergeben wird, und endend mit dem Tod des längstlebenden Elternteils. Anders als von Agrarwissenschaftlern und Politikern des 19. und frühen 20. Jahrhundert angenommen, musste eine solche Erbpraxis nicht zwangsläufig zu immer weitergehender Zersplitterung der landwirtschaftlichen Betriebe führen. Heirats- und Akkumulationsstrategien konnten dem entgegenwirken, so etwa im württembergischen Neckarhausen während des 18. und 19. Jahrhunderts. Gerade wo das Land im Erbgang geteilt zu werden pflegte, bildete sich oft ein lebhafter Bodenmarkt aus, über den Grundstücke ausgetauscht und zu neuen Besitzeinheiten zusammengefügt wurden.343 Betont hat die neuere Forschung die Wandelbarkeit der Erbpraxis im Laufe der Geschichte. Wenn die Bauern im Zuge der Agrarreformen das freie Eigentum am Land erworben hatten, konnten sie ohne Rücksicht auf Grundherren die Besitzweitergabe regeln. Heirat des Erben und Hofübernahme fielen seitdem zeitlich oft stärker auseinander, und manche Eltern behielten sich das Nutzungsrecht am Betrieb vor, wenn sie das Eigentum abtraten. Nicht bestätigt haben empirische Untersuchungen die Annahme älterer Ideologen, dass die Bauern stets von dem Bestreben geleitet wurden, das Land in der Familie zu halten. Natürlich war Landbesitz in der vorindustriellen Gesellschaft ein hoher Wert  ; doch war es den Eltern keineswegs überall wichtig, den Kindern bestimmte, von den Vorfahren ererbte Landstücke weiterzugeben. Wurde der Immobilienbesitz in jeder Ge342 Als Studien zur Praxis der Vererbung bei vorwiegend ungeteilter Hofübergabe seien genannt Schlumbohm 1994  ; Fertig 2003  ; Fertig 2007. 343 Zu vorwiegend egalitärer Erbpraxis und Realteilung s. insbesondere Sabean 1990  ; Benz 1999.

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neration egalitär geteilt, lässt sich keinerlei Hinweis auf ein solches Band zwischen ‚Blut und Boden‘ finden. Aber auch bei geschlossener Hofvererbung zeigt eine genaue Analyse, dass es nicht immer vorrangiges Ziel war, das Anwesen an direkte Nachkommen früherer Besitzer weiterzugeben  ; nicht selten gelang es eingeheirateten Männern und Frauen, die Stelle an ihre Kinder aus einer zweiten Ehe zu übertragen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Bestreben, den Hof in der Familie zu halten und möglichst in der männlichen Linie weiterzugeben, erst im Laufe des 19. Jahrhunderts die Dominanz erhielt, die ihm manche Ideologen des ‚echten Bauerntums‘ zuschrieben  ; Anzeichen dafür hat die jüngere Forschung im Schwarzwald und in Westfalen gefunden.344

344 Siehe die Hinweise bei Hohkamp 1995  ; Rouette 2006  ; vgl. Lanzinger 2003, S. 253–255. Für eine niederländische Region Paping 2012.

3 Ländliche Gesellschaften zwischen Agrarkonjunktur, Volksaufklärung und dem Beginn der Agrarreformen (1750–1820) 3.1 Ausweitung der agrarischen Produktion zwischen traditionellen Agrarstrukturen und dem Einsatz der Agronomen (1750–1820) Von 1750 bis 1800 wuchs die Bevölkerung in Deutschland von 17,5 Millionen auf 22 Millionen Einwohner und bis 1820 stieg sie im Gebiet des Deutschen Reichs weiter bis auf 25,45 Millionen Einwohner an.1 Diese Entwicklung wies große regionale Unterschiede auf  :2 Um 1800 lebten z. B. im badischen Neckarkreis 85,3 Einw./km2, in MecklenburgSchwerin waren es 26,1 Einw./km2. Der Bevölkerungsanstieg korrespondierte mit einer Steigerung der agrarischen Produktion, die eine wachsende Zahl von Menschen ernährte. Doch die Produktionssteigerung war nicht einfach nur eine Reaktion auf die Bevölkerungsentwicklung, es handelte sich um einen langfristigen Prozess, der sich europaweit über die gesamte Frühe Neuzeit erstreckte. Von 1500 bis 1800 verdoppelte sich die agrarische Produktion in den Ländern rund um die Nordsee, und auch in Osteuropa ist – nach relativ geringen Erträgen von 1650 bis 1750 – in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Produktionsanstieg festzustellen.3 Ab 1750 nahmen die Anstrengungen zur Produktionssteigerung deutlich zu. Gelehrte diskutierten Möglichkeiten zu einer effektiveren Gestaltung des Ackerbaus, Besitzer und Pächter von Gütern und Höfen führten im Rahmen ihrer Möglichkeiten neue Pflanzen und Produktionsmethoden ein. Darüber hinaus begannen die Regierungen im 18. Jahrhundert mit dem Bau von Chausseen und Kanälen die Verkehrswege zu verbessern. Die Märkte dehnten sich räumlich aus, Missernten in einer Region konnten besser ausgeglichen werden, als dies noch zu Beginn der Frühen Neuzeit möglich war, und die Hungersnöte gingen allmählich zurück, ohne jedoch ganz aufzuhören. Parallel veränderten sich die Ernährungsgewohnheiten. Der Fleischanteil an der Nahrung ging zurück, die Menschen begannen mehr Getreide, Gemüse und v. a. Kartoffeln zu essen.4 Lange Zeit führten Agrarhistoriker Brachbesömmerung und Einführung neuer Pflanzen als Beleg dafür an, dass die agrarische Produktion seit dem frühen 18. Jahrhundert intensiviert wurde.5 Diesen eindeutigen Zusammenhang haben mittlerweile Umwelt­ historiker infrage gestellt. Nach Hans-Rudolf Bork führten die verstärkte Nutzung des 1 2 3 4 5

Pfister 1994, S. 10  ; Marschalck 1984, S. 145. Pfister 1994, S. 16 f., 19–23. Van Zanden 1999, S. 364–366. Montanari 1999, S. 156, 173–176  ; Sieferle u. a. 2006, S. 48. Achilles 1991, S. 21 f.; Abel 1962, S. 283–290.

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Abb. 16  : Entwicklung der Erträge pro Hektar in Holland, Frankreich und England, 1441/75–1801/25 (Angaben in Liter Weizen).

Bodens und der Starkregen, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehäuft auftrat, zu Bodenerosionen. Hiervon waren v. a. die Brachfelder betroffen, während die Besömmerung der Brache eine erosionsmindernde Wirkung besaß. Ebenso behinderte das Anlegen von Wiesen die Bodenerosion. Daher können die im 18. Jahrhundert einsetzenden Innovationen auch als Maßnahmen gesehen werden, die Bodenverschlechterung aufzuhalten.6 Es ist jedoch kritisch zu prüfen, ob diese These auf alle Regionen übertragen werden kann. Die Erodierbarkeit des Bodens hing stark von dessen Zusammensetzung ab, und Belastungen durch Bodenbearbeitung sowie klimatische Einflüsse wirkten sich regional sehr unterschiedlich aus. Die Entwicklung der Landwirtschaft bewegte sich somit in einem vielfältigen Beziehungsgeflecht von Umweltbedingungen sowie von sozialen, ökonomischen und wissenschaftlichen Entwicklungen, zu denen ab dem Ende des 18. Jahrhunderts noch politische Eingriffe hinzukamen. Praktisch umgesetzt wurde die Produktionssteigerung jedoch von der Landbevölkerung selbst, die ihren Arbeitseinsatz erhöhte. Sowohl der Anbau neuer Pflanzen als auch die Einführung neuer Anbaumethoden erforderte einen gesteigerten Ar-

6 Bork u. a. 1998, S. 262 f., S. 266–268  ; Sieferle u. a. 2006, S. 46.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 17  : Idyllisierende Darstellung bäuerlicher Arbeit aus dem späten 17. Jahrhundert, in der das Landleben als äußerst beschaulich dargestellt wird. Kupferstich in  : Christoff Weigel, Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände, Regensburg 1692.

beitseinsatz je Flächeneinheit.7 Zugleich stieg die Zahl der auf dem Land lebenden Menschen und damit vielfach auch der Landbesitzer. In einigen Regionen West- und Mitteleuropas herrschte kleinbetriebliche Landwirtschaft vor, die aufgrund ihrer enormen Intensität nicht nur die darauf lebenden Menschen ernährte, sondern auch einen Überschuss für den Markt produzierte.8 Die großen Güter, wie sie in Brandenburg oder in Holstein zu finden waren, die in erster Linie für den regionalen oder überregionalen Markt produzierten, mussten ihren Arbeitskräftebesatz erhöhen, um ihre Produktion steigern zu können. Doch auch mittelbetriebliche Höfe wie in der Pfalz stellten vermehrt Tagelöhner und Gesinde ein.9 Zugleich lebte eine zunehmende Zahl von Haushalten gar nicht von der Landwirtschaft oder sie betrieb diese nur zur Sicherung von Grundbedürfnissen.10 Trotz ihres allgemeinen Anstiegs unterlagen die agrarische Produktion und damit auch die Getreidepreise weiterhin starken jährlichen Schwankungen. Durch die Ausdehnung  7 Sieferle u. a. 2006, S. 39  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 77, S. 91f.; S. 164  ; Mahlerwein 2002.  8 Boehler 2003, S. 109  ; Grüne 2003, S. 372.  9 Enders 1992, S. 605  ; Konersmann 2009, S. 234. 10 Pfister 2011.

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Abb. 18  : Dagegen gibt diese Radierung von Johann Adam Klein aus dem Jahr 1845 ein ungeschöntes Bild bäuerlicher Arbeit. Statt stolzer Rösser sind schlecht genährte Bauernpferde zu sehen und der Bauer ist vollkommen erschöpft.

des Marktes konnten zwar regional schlechte Ernten immer besser ausgeglichen werden,11 aber im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert kam es durch Klimaeinflüsse weiterhin zu allgemeinen Hungersnöten, die sowohl zu einer erhöhten Sterblichkeit als auch zu einer Verringerung von Heiraten und Geburten führen konnten.12 Während der Hungerkrise der Jahre 1770–1772, der bekanntesten derartigen Krise in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, kam es auf der Schwäbischen Alb – anders als bei den vorhergehenden Krisen – weniger zu einem Anstieg der Todesfälle, sondern zu einem Rückgang der Geburtenzahlen. Die gleiche demografische Reaktion war hier im Jahr ohne Sommer 1816/17 zu beobachten, als es infolge des Ausbruchs des Vulkans Tambora (Indonesien) in West­ europa und Nordamerika zu einem extrem kalten und nassen Sommer kam, der hohe Ernteausfälle verursachte.13 In Rheinhessen waren 1816 nur geringe demografische Auswirkungen zu verzeichnen, denn die körperlich schwächeren Menschen, die einer Verknappung der Nahrungsmittel in der Regel als erste zum Opfer fiel, waren großenteils bereits aufgrund einer kurz vorher grassierende Typhusepidemie gestorben.14 Wetterano11 Galloway 1988, S. 276. 12 Galloway 1994  ; Galloway 1988. 13 Medick 1996, S. 310 f. 14 Huff 2010.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 19  : Titel eines der bedeutendsten Handbücher der Policeywissenschaften in deutscher Sprache.

malien beeinflussten nur selten direkt die Bevölkerungsentwicklung. Weiterhin wurden ihre Auswirkungen durch Faktoren wie die Anfälligkeit für Krankheiten, die Möglichkeit, Ernteverluste auf dem Markt auszugleichen, oder parallel auftretende ökonomische oder politische Krisen verstärkt oder abgeschwächt. 3.1.1 Eingriffe „von oben“ – Agromanie und erste Reformversuche

Anstöße aus den Kameralwissenschaften Die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzenden Überlegungen zur Anwendung neuer Methoden in der Landwirtschaft wurden in der zweiten Jahrhunderthälfte erheblich ausgeweitet und systematisiert. Entscheidend war der qualitative Wandel  : Es ging nicht mehr um eine Steigerung der Produktion durch Ausweitung der Nutzflächen sondern um eine größere Produktivität der Landwirtschaft.15 15 Brakensiek, Landwirtschaftskunde 2008, Sp. 609.

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Erste Ideen in dieser Richtung entwickelten in Deutschland Vertreter der Kameralwissenschaften. Sie strebten eine Förderung der allgemeinen Glückseligkeit und des nationalen Wohlstands an, um über die Steigerung der Staatseinnahmen die Macht des Staates zu vergrößern.16 Sie wollten diese Erhöhung der Staatseinnahmen mittels einer Vermehrung der Bevölkerungszahl sowie einer Förderung von Gewerbe und Handel erreichen. Darüber hinaus verfolgten die Kameralisten eine Bauernschutzpolitik, um eine ökonomisch stabile Bauernschaft als Grundlage für die Erhebung von Steuern und zur Rekrutierung von Soldaten zu erhalten. Wichtige Anstöße zur Diskussion um eine Verbesserung der Landwirtschaft kamen von dem Kameralisten Johann Heinrich Gottlob von Justi. Als Verwaltungswissenschaftler war sich Justi der negativen Auswirkungen der rechtlichen Begrenzungen bäuerlichen Wirtschaftens bewusst. Daher forderte er neben der Einführung agrartechnischer Neuerungen auch Veränderungen in der Agrarverfassung. Er trat bereits in den 1750er-Jahren dafür ein, die Allmenden aufzuteilen, die Leibeigenschaft aufzuheben, das Land in das volle Eigentum der Hofinhaber zu überführen und die Frondienste aufzuheben.17 Diese Forderungen, die auf eine Befreiung der ökonomischen Kräfte von ihren institutionellen Fesseln zielten, wurden in der Folge durch die Schriften der französischen Physiokraten und Adam Smiths weiter präzisiert und theoretisch begründet. Sie ersetzten die bisher vorherrschende Politik einer Regulierung der Ökonomie durch eine Politik der Freisetzung der dynamischen Kräfte des Marktes.18 Erste Reformansätze Die zunehmende Kritik an den traditionellen Agrarstrukturen führte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu verschiedenen Reformansätzen,19 die aber bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die feudalrechtlichen Fesseln nur lockerten, nicht lösten. Lediglich in Schleswig-Holstein führte die dänische Regierung umfassende Reformen zugunsten der Bauern durch, bei denen die Felder zusammengelegt, Dienste aufgehoben und landesherrliche Güter niedergelegt wurden.20 Die Verzögerungen in den anderen Territorien dürften eine Konsequenz der vielfältigen Widerstände gegen das Reformprogramm gewesen sein. Die Grund- und Gutsherren wollten meistens nicht auf ihre feudalen Vorrechte verzichten und die Bauern reagierten auf viele der Verbesserungsvorschläge skeptisch bis ablehnend, weil sie die Kompensationszahlungen an die Herren fürchteten. Dennoch erhielten sie durch diese ersten Maßnahmen größere Handlungsspielräume, die sie bei günstigen ökonomischen Bedingungen zu ihren Gunsten nutzen konnten. 16 Sokoll 2007  ; Burkhardt 1990, S. 174 f. 17 Prange 1971, S. 651–660  ; Prass 1997, S. 30–32. 18 Brakensiek, Landwirtschaftskunde 2008, Sp. 609. 19 Zum Folgenden  : Brakensiek/Mahlerwein 2005, Sp. 126–128  ; Achilles 1993, S. 129–134. 20 Prange 1971.

Ausweitung der agrarischen Produktion

Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Frondienste aufgrund ihrer oft nur schleppenden und schlechten Erfüllung zunehmend als unproduktiv angesehen. Das Kurfürstentum Hannover wandelte die Dienste auf den königlichen Domänen von 1773 bis zur Mitte der 1790er-Jahre in eine Rente um.21 In Österreich ließ Kaiser Joseph II. die Fronen seit 1781 ablösen, doch mit seinem Tod 1791 kam dieser Prozess wieder ins ­Stocken. In Preußen wurde die Dienstablösung für die Domänen des preußischen Königs erst 1799 verkündet, auf adeligen Gütern war dies erst ab dem Oktoberedikt 1807 möglich. In Württemberg wurde die 1775 begonnene Ablösung der Fronen erst 1836 endgültig gesetzlich geregelt. Aufgrund ihres neuen Menschenbildes griffen die Aufklärer die Leibeigenschaft scharf an. Dennoch wurde sie bis zur Französischen Revolution fast nirgends völlig abgeschafft, denn mit ihrer Aufhebung hätten die Feudalherren in weiten Teilen Ost- und Südwestdeutschlands auf eine noch immer existierend Zugriffsmöglichkeit auf bäuerliche Rechtspositionen verzichtet.22 Am konsequentesten gingen Kaiser Joseph II. und Markgraf Carl Friedrich von Baden vor, die 1781 bzw. 1783 die Leibeigenschaft aufhoben. In Öster­reich blieben die aus der Leibeigenschaft abgeleiteten Abgaben jedoch erhalten und in Baden mussten die Freigelassenen ein hohes Abzugsgeld zahlen, wenn sie das Land verlassen wollten. In Preußen wurde die Erbuntertänigkeit auf den königlichen Domänen zwischen 1763 und 1807 aufgehoben, während die Hofbesitzer in adeligen Gutsbezirken bis 1807 warten mussten. Noch schwieriger war es, eine vollständige Übertragung des Bodeneigentums an die Hofbesitzer zu realisieren. Nur in Baden setzte der physiokratisch gesinnte Markgraf bereits 1785 eine Ablösung der grundherrlichen Abgaben mittels einer 25-fachen Kapitalisierung fest. In der Uckermark erlangten viele Hofbesitzer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bessere Besitzrechte und einige, die genug Geld besaßen, erwarben ihre Güter zu vollem Eigentum.23 Am ehesten ließen sich noch die Aufteilung der Allmenden und die Aufhebung der Weiderechte umsetzen, denn diese stellten die traditionellen Agrarstrukturen im Grunde nicht infrage. Die Agrarreformer wollten das Land aufteilen, um es einer individuellen und das hieß für sie intensiveren Nutzung zuzuführen. Ferner sahen sie die Weiderechte auf Ackerflächen und Wiesen als ein Hindernis für den Anbau neuer Pflanzen und die Einführung neuer Fruchtfolgen an. Doch abgesehen von einigen Gegenden wie Schleswig-Holstein oder der Grafschaft Mark wurden auch diese Reformen im 18. Jahrhundert nur allmählich durchgeführt.24

21 Achilles 1998, S. 705  ; Hauptmeyer/Rund 1992, S. 228–233. 22 Troßbach 1981, S. 90. 23 Enders 1992, S. 599–601. 24 Prass 1997, S. 29–37  ; S. 133–141  ; Brakensiek 1991  ; Prange 1971.

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Das Engagement von Agronomen und Agrarwissenschaftlern Jenseits der umfassenden Agrarreformen legten zahlreiche Agronomen eine Unzahl kleiner Verbesserungsvorschläge vor, mit denen sie die agrarische Produktion heben wollten. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erlebte einen Aufschwung empirischer Arbeiten zur Landwirtschaft, der 1760 bis 1780 mit der Veröffentlichung von 60 Neuerscheinungen im Jahr allein im nördlichen Deutschland einen Höhepunkt erreichte.25 Interessierte Laien, adelige und bürgerliche Besitzer oder Pächter von Gütern sowie Pfarrer begannen auf ihren Feldern mit neuen Anbautechniken und Pflanzen zu experimentieren und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Ihr Engagement stand in engem Zusammenhang mit der Aufklärung, sie propagierten ein auch in anderen Zusammenhängen wirksames Nützlichkeitsdenken und entfalteten ihre Aktivitäten in dem von den Aufklärern zur Verfügung gestellten Kommunikationsrahmen. In ganz Europa entstanden Landwirtschaftsgesellschaften wie die Celler Landwirtschaftsgesellschaft (1764) oder die Kurpfälzische physikalisch-ökonomische Gesellschaft (1769/70). Sie gehörten zu den nützlichen Societäten der Aufklärung, deren Mitglieder – Adelige und wohlhabende Bürger – neue landwirtschaftliche Methoden erprobten und miteinander diskutierten.26 Parallel hierzu etablierten Gelehrte die Landwirtschaftswissenschaft als eine eigenständige Disziplin. So führte Johann Beckmann (natur-)wissenschaftliche Methoden in die Agrarwissenschaften ein und strebte eine Systematisierung vorhandenen praktischen Wissens an. Zugleich stand er für eine Neuorientierung der Beziehung zur Natur, die er als Warenhaus betrachtete, dessen Angebot unter dem Aspekt der Nützlichkeit zu verwenden war.27 Hieraus entstand eine „Innovationskultur“, deren Vertreter eine „optimierte Nutzung ökonomischer Ressourcen“ anstrebten.28 Wissenstransfers Durch das Engagement der Agronomen und Agrarwissenschaftler setzte ein Transfer des Wissens über agrarische Innovationen ein, der auf der Ebene der Gelehrten zunächst in einer Akkumulation und Systematisierung dieses Wissens und in einem im gegenseitigen Austausch mittels Diskussionen in gelehrten Sozietäten und ihrer Veröffentlichung in Zeitschriften und Büchern erfolgte. Darüber hinaus wollten die Vertreter dieser „Ökonomischen Aufklärung“ ihr Wissen der Landbevölkerung vermitteln, um sie so zur Übernahme neuer Anbautechniken und auf diesem Weg zur optimierten Nutzung ihrer Ressourcen anzuregen.29 An den von den ökonomischen Sozietäten gestellten Preisfragen beteiligten 25 Brakensiek, Landwirtschaftskunde 2008, Sp. 607. 26 Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 9  ; Deike 1994  ; Popplow, Bienen 2010. 27 Bayerl 1994, S. 36, 39 f. 28 Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 5, S. 11–13, S. 15 f. 29 Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 11–13.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 20  : Neben zahlreichen neuen Feldfrüchten propagierten Agrarschriftsteller auch den Anbau von Obstbäumen, wie hier Rudolf Zacharias Becker in dem besonders weit verbreiteten Noth= und Hülfs=Büchlein für Bauersleute aus dem Jahr 1788.

sich jedoch nur wenige bäuerliche Hofbesitzer. Für sie waren vielmehr Prämien und Auszeichnungen gedacht, mit welchen die Sozietätsmitglieder die Landbevölkerung zur Übernahme agrarischer Neuerungen zu bewegen versuchten.30 Doch zunächst musste die Landbevölkerung über agrarische Neuerungen informiert werden. Ökonomische Zeitschriften wie die Oeconomische Fama (1729) lasen Hofbesitzer bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts noch selten. Allmählich begann sich diese Situation jedoch zu ändern und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigten die Mitglieder der Lesegesellschaft im nordwestdeutschen Menslage beispielsweise großes Interesse für agrarische Fachliteratur.31 Die einzigen Zeitungen, die schon im 18. Jahrhundert einen großen Teil der Landbevölkerung erreichten, waren die Intelligenzblätter, staatlich konzessionierte Anzeigenblätter, die häufig in ihrem redaktionellen Teil Fragen der nützlichen Aufklärung ansprachen. In Preußen herrschte sogar „Intelligenzzwang“, d. h. jede Gemeinde war dazu verpflichtet, einige Exemplare des Intelligenzblatts regelmäßig abzunehmen.32 Doch noch wichtiger als diese 30 Deike 1994, S. 84–104  ; Prass 1997, S. 53–61. 31 Kohfeldt 2010  ; Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 11  ; Ziessow 1988, S. 171 f. 32 Prass, Brieftasche 2001, S. 75.

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typischen Medien der Aufklärung waren für die Landbewohner direkte Vorbilder, also Personen, die neue Anstöße aufnahmen bzw. selbst entwickelten, an die Dorfbewohner weitergaben und sie zu ihrer Anwendung anspornten.33 Förderer agrarischer Neuerungen Einen besonderen Anstoß erhielt das Engagement für die Einführung agrarischer Neuerungen durch die Volksaufklärer. Ausgehend von dem unmittelbaren Bestreben, die materielle Situation der Landbevölkerung durch die Einführung neuer landwirtschaftlicher Methoden zu verbessern, erweiterten sie ab den 1780er-Jahren ihr Programm in Richtung einer Erziehung der Landbevölkerung zu vernunftbegründetem Handeln, das sämtliche Lebensbereiche erfassen sollte.34 Besonders charakteristisch für die Volksaufklärung war das Engagement der Pfarrer, das aus einem veränderten Selbstverständnis dieser Berufsgruppe resultierte, nach dem sie sich auch um das materielle Wohlergehen ihrer Pfarrkinder kümmern sollten.35 Etliche hatten sich schon seit dem 16. Jahrhundert mit Fragen der Verbesserung der Landwirtschaft beschäftigt, und nun setzten sich Ortsgeistliche verstärkt für die Einführung agrarischer Neuerungen ein. Zu den bedeutendsten Persönlichkeiten auf diesem Gebiet zählte Johann Friedrich Mayer, Pfarrer in Kupferzell (Hohenlohe), der von der Kanzel und in Schriften die Gipsdüngung propagierte.36 Noch bekannter war Johann Christian Schubarth, der sich für eine umfangreiche Ausweitung des Kleeanbaus einsetzte. Die Landwirte sollten auf diesem Weg genug Futter gewinnen, um das Vieh ganzjährig im Stall halten zu können. So könne mehr Mist gesammelt und auf den Acker gebracht werden, die Weideflächen könnten abgeschafft, die Ackerflächen ausgeweitet und die Ackerbauproduktion gesteigert werden.37 Schubarth stand mit diesen Ideen nicht alleine, sie waren Bestandteil einer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich allgemein verbreitenden Konzeption zur Steigerung und Intensivierung der Ackerbauproduktion, in deren Rahmen auch die Aufteilung der Allmenden propagiert wurde, um diese häufig als Weiden genutzten Flächen einer intensiveren ackerbaulichen Nutzung zuzuführen.38 Obwohl viele dieser Autoren ihre Ausführungen aus eigenen Experimenten ableiteten, waren sie nicht die Erfinder der von ihnen propagierten Methoden. Sie griffen auf bereits vorhandene Erfahrungen der Hofbesitzer und Gutsbesitzer in Teilen Deutschlands, den Niederlanden und England zurück,39 denen sie nun eine größere Verbreitung verschaffen wollten.

33 Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 15, S. 29. 34 Böning, Genese 1990, S. XXXVI–XXXIX. 35 Kuhn 2003, S. 198–209. 36 Schröder-Lembke 1979  ; Brakensiek, Landwirtschaftskunde 2008, Sp. 610. 37 Schröder-Lembke 1970. 38 Prass 1997, S. 29–37  ; Schröder-Lembke 1978. 39 Brakensiek, Landwirtschaftskunde 2008, Sp. 609.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 21  : Nach den Vorstellungen zahlreicher Agrarschriftsteller sollte der Anbau von Klee die Möglichkeit eröffnen, Vieh im Stall zu halten und durch einen vermehrten Düngeranfall die agrarische Produktion zu steigern.

Vor allem der englische Ackerbau galt damals als Vorbild einer modernen Landwirtschaft. Doch eine systematische Erfassung der englischen Landwirtschaft gelang erst Albrecht Daniel Thaer in seiner Schrift Einleitung zur Kenntniß der englischen Landwirtschaft (1798–1804).40 Wenige Jahre später formulierte Thaer in seinen Grundsätzen der rationellen Landwirtschaft (1809–1812) eine neue Zielsetzung. Gleich zu Beginn legte er fest  : „Die Landwirtschaft ist ein Gewerbe, welches zum Zweck hat, durch Produktion […] vegetabilischer und tierischer Substanzen Gewinn zu erzeugen oder Geld zu erwerben. […] Nicht die höchste Produktion, sondern der höchste Gewinn nach Abzug der Kosten […] ist Zweck des Landwirts […]“.41 Diese schon von den Vertretern der Ökonomischen Aufklärung vorbereitete Forderung lief auf eine Abkehr vom Prinzip der Subsistenzsicherung durch die Landwirtschaft hinaus, sie definierte die Landwirtschaft neu als ein gewinnorientiertes Gewerbe. Die Erfolge dieser Anregungen müssen von Fall zu Fall genau abgewogen werden. Die Landbewohner hatten viele dieser Neuerungen oft selbst schon eingeführt, aber häufig 40 Ulbricht 1980  ; Brakensiek, Landwirtschaftskunde 2008, Sp. 610. 41 Thaer 1809, §§ 1–2.

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nicht in dem Ausmaß und der Geschwindigkeit, in der sie Reformer und Volksaufklärer forderten.42 Viele Bauern verbesserten während der gesamten hier behandelten Zeit ihre Landwirtschaft, passten diese Innovationen dabei aber ihrem ökonomischen Handlungsrahmen an. Daher zeigten sich viele auch sehr zurückhaltend gegenüber solchen Vorschlägen. Sie besaßen oft gar nicht den hierfür nötigen ökonomischen oder finanziellen Handlungsspielraum, die Vorschläge waren also für die meisten Bauern gar nicht umsetzbar, wie Christian Garve 1786 bemerkte.43 Doch auch wenn die Hofinhaber diese Anregungen nicht unmittelbar umsetzten, erreichten die Vertreter der „Ökonomischen Aufklärung“ bei ihnen langfristig ein Umdenken, das die Orientierung an traditionellen Methoden und Erfahrungen durch einen Wissenstransfer von den Agrarwissenschaften hin zu den Landwirten ablöste.44 Letztlich entscheidend war das Handeln der agrarisch tätigen Landbevölkerung, die mögliche Neuerungen umsetzen musste, dabei auch von sich aus neue Wege ging und Initiativen ergriff. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts war somit ein Zusammenspiel staatlicher, agronomischer und volksaufklärerischer Impulse und lokaler Interessen zu konstatieren, „das den Wandel vorantrieb, zugleich aber soziale Reibungen provozierte“.45 Agrarreformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Damit die Landwirtschaft zu einem Gewerbe im Sinne Thaers umgeformt wurde, forderte auch dieser die Aufhebung aller feudalrechtlichen Bindungen.46 Die Regierungen einzelner deutscher Staaten begannen diese Forderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die Tat umzusetzen, denn die Eroberungen und Staatsgründungen Napoleons veranlasste sie zu einer umfassenden Modernisierungspolitik. In Preußen erklärte das Edikt vom 9. Oktober 1807 die vollständige Aufhebung der Leibeigenschaft, am 14. September 1811 wurde das Regulierungsedikt zur Regelung der Ablösung grundherrlicher Lasten erlassen, das 1816 wieder eingeschränkt wurde. Schließlich erließ die preußische Regierung 1821 weitere Bestimmungen zur Ablösung der Grundlasten und zur Durchführung von Gemeinheitsteilungen. Zur gleichen Zeit wurden im Königreich Bayern, im Großherzogtum Berg, im Königreich Westphalen und in Hessen-Darmstadt umfassende Agrarreformen in die Wege geleitet, die jedoch bald ins Stocken gerieten. Die napoleonischen Modellstaaten Großherzogtum Berg und Königreich Westfalen vertraten den Anspruch einer umfassenden Umgestaltung der Gesellschaft, aber die dortigen Agrarreformen besaßen wegen der kurzen Geltungsdauer und wegen der inneren Widersprüche der Politik Napoleons nur geringe praktische Wirkung.47 In Württemberg und Baden verzögerten sich 42 Vgl. Prass 1997, S. 64. 43 Garve 1796, S. 66 f. 44 Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 4. 45 Grüne 2011, S. 131. 46 Prass 1997, S. 157. 47 Berding 1973  ; Fehrenbach 1974.

Ausweitung der agrarischen Produktion

erste Reformmaßnahmen aufgrund standesherrlicher Vorbehalte bis 1817 bzw. 1820.48 Im Kurfürstentum Hannover war 1802 eine Gemeinheitsteilungsordnung für Lüneburg erlassen worden, der 1821 Gesetze für andere Landesteile folgten. Insgesamt wiesen die Agrarreformen in den Jahren bis 1820 zwar umfassende Programme auf, die auf eine grundlegende Umgestaltung der sozialen Grundlagen der Landwirtschaft zielten, diese Programme wurden jedoch nur halbherzig umgesetzt, weil die sozialen Eliten ihre Privilegien verteidigen konnten und auch die Landesverwaltungen durch den Verlust von Feudalabgaben einen Rückgang der Staatseinnahmen befürchteten. 3.1.2 Entwicklung der agrarischen Produktion

Die Steigerung der agrarischen Produktion erfolgte von 1750 bis 1820 auf drei Wegen  : durch eine Ausweitung der Ackerfläche, durch die Einführung neuer Anbausysteme und durch den Anbau neuer Früchte auf den Feldern. Hinzu kamen erste Maßnahmen zur Melioration bereits genutzter Flächen. Allmendteilungen Die Ausweitung der agrarisch genutzten Flächen erfolgte nur in Ausnahmefällen durch solch große Projekte wie die Melioration des Oderbruchs. In der Regel wandelten die Landbewohner bisher agrarisch nicht oder lediglich extensiv genutztes Land zu intensiv bewirtschaftetem Acker-, Grün- oder Gartenland um. Dies war keine neue Entwicklung, sie reihte sich in einen langwierigen, sich über Jahrhunderte erstreckenden Prozess der Ausdehnung agrarisch genutzter Flächen ein, wie er z. B. im Fürstentum Osnabrück, in Hessen oder in Hohenlohe nachgewiesen wurde. Dorfbewohner teilten Allmendflächen dauerhaft untereinander auf oder sie verteilten sie kurzfristig zur intensiven Nutzung. In Südwestdeutschland konnte ein großer Teil des Ackerlandes aus solchen Ackerallmenden bestehen, die den Gemeindemitgliedern für eine gewisse Zeit zur individuellen Nutzung überlassen wurden.49 Die Allmendteilungen hatten somit schon begonnen, bevor die Agrarreformer des späten 18. Jahrhunderts die Hofbesitzer hierzu aufforderten. Doch während die Agrarreformer mit der Allmendteilung eine Umstellung der gesamten Wirtschaftsweise anstrebten, bei der die Viehweide vollständig abgeschafft und das Ackerland ohne jegliche Beschränkung individuell und intensiv genutzt wurde, verfolgten die meisten Bauern weniger weitreichende, dafür aber realistischere Ziele. Sie teilten nur einen Teil der Allmendflächen auf, ohne dabei ihre Wirtschaftsweise grundlegend umzustellen, sondern um einen Teil des Landes dauerhaft oder für einige Zeit intensiver zu nutzen. Solche Vorgänge konnten z. B. für Hessen und Württemberg rekonstruiert werden. Diese schrittweisen ­Aufteilungen 48 Brakensiek/Mahlerwein 2005, Sp. 127  ; Dipper 1980, S. 50–88. 49 Prass, Allmendflächen 2003, S. 216  ; Warde 2002, S. 205, S. 215.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820 Abb. 22  : In dieser Darstellung der Feldmark Damsdorf 1681–1791 (SchleswigHolstein) ist der Umfang der bereits 1726 erfolgten Teilung der Allmendflächen deutlich zu erkennen.

wurden v. a. von Inhabern kleiner Stellen betrieben, die auf diesem Weg mehr Land erhalten wollten. Viele Inhaber großer Höfe wehrten sich gegen solche Aufteilungen, weil hierdurch ihre Weideflächen verringert wurden. Andernorts initiierten auch sie Allmendteilungen, um etwa im Dorf ansässige Tagelöhner in ökonomischer Abhängigkeit zu halten, wie Clemens Zimmermann für die Markgrafschaft Baden belegt.50 Ging anfangs also die Initiative zu Allmendteilungen von der Landbevölkerung aus, griffen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts Landwirtschaftsschriftsteller und staatliche Behörden dieses Mittel auf, um den genossenschaftlichen Wirtschaftsverband der Gemeinden aufzulösen und um jedem Landbewohner eine individuellen Nutzung seines Landes zu ermöglichen. Eine Reihe von Allmendteilungen wurde erfolgreich durchgeführt, so in Schleswig-Holstein, wo eine Zusammenlegung der Ländereien von Gutsbesitzern und Bauern – heute würde man sagen, eine Flurbereinigung – damit einherging. Zu umfangreichen Allmendteilungen kam es auch in Teilen des Herzogtums Braunschweig, der Grafschaft Mark, in Ravensberg und Osnabrück. Im Fürstentum Lüneburg wurden

50 Prass 2000, S. 74 f.; Warde 2002, S. 205, S. 215  ; Zimmermann 1983, S. 154.

Ausweitung der agrarischen Produktion

zahlreiche Allmenden geteilt, um das Land danach jedoch aufzuforsten.51 Im nordbadischen Seckenheim erfolgte 1771 die Aufteilung der Weidefläche auf Betreiben der Inhaber kleiner Stellen, die einen intensiven Ackerbau einführten.52 Verfolgten hier, wie auch in den übrigen Teilen Badens und Württembergs, die kleinen Stelleninhaber die Allmendteilungen gegen den Willen der größeren, so wurde auf der anderen Seite die Aufhebung der Herbstweide in Baden von den großen gegen die kleinen Hofinhaber vorangetrieben.53 Die Konfliktlinien verliefen somit nicht eindeutig, sondern bestimmten sich nach den jeweiligen Maßnahmen und der konkreten Situation vor Ort. In Brandenburg wurden die Allmendteilungen mit der Separation des Gutslandes und des Bauernlandes verbunden. Viele Gutsherren trieben diese Maßnahme voran, um die Koppelwirtschaft einzuführen. Die Bauern wehrten sich oftmals dagegen, weil sie befürchten mussten, dass sie bei der Aufteilung schlechteres Land erhielten. Nach durchgeführter Teilung kehrten sie in der Regel zur Feldgemeinschaft und Dreifelderwirtschaft zurück, weil sie sich eine Abstellung der Viehweide und die Einführung der ganzjährigen Stallfütterung nicht leisten konnten.54 Ansonsten kamen vor 1820 kaum Allmendaufteilungen im Sinne der Agrarreformer zustande. Entweder wollte oder konnte die Landbevölkerung sich nicht darauf einlassen, oder andere Nutzungsberechtigten widersetzten sich ihnen, oder es wurden andere Wege zur intensiveren Nutzung dieser Flächen beschritten. In Württemberg wurde das Gemeindeland z. T. auf Lebenszeit zur intensiven Nutzung an Mitglieder unterbäuerlicher Gruppen verpachtet, in Neckarhausen standen die Allmenden sogar im Zentrum des Intensivierungsprozesses.55 Veränderungen der Anbausysteme Auch wenn der „große Reformwurf“ meist unterblieb, kam es in dieser Zeit gleichwohl zu erheblichen Veränderungen innerhalb der Anbausysteme, die auch langfristig eine Änderung der Nutzflächenverhältnisse erlaubten. Diese Entwicklung erfolgte zunächst durch den Übergang zu anderen Fruchtfolgen, der seit dem 16. Jahrhundert zu beobachten war und sich weiter fortsetzte. Dabei konnten intensive und extensive Nutzungsformen direkt nebeneinander existieren und sich sogar gegenseitig bedingen. In Brandenburg gab es weiterhin neben den intensiver genutzten Innenfeldern auch Außenfelder, auf denen z. T. nur eine Zweifelderwirtschaft praktiziert wurde.56 In Teilen Norddeutschlands trugen die Hofbesitzer von den weiter entfernt liegenden Allmendflächen Grassoden (Plaggen) ab, 51 Prass 1997, S. 133–135  ; Brakensiek 1990, S. 80 f., S. 185–202, S. 299–310, S. 378–383  ; Golkowsky 1966, S. 81. 52 Grüne 2003, S. 375 f. Zur badischen Rheinpfalz siehe allgemein Grüne 2011, S. 206–258. 53 Zimmermann 1989, S. 107 f.; Zimmermann 1983, S. 147–153. 54 Enders 1992, S. 587  ; Müller 1967, S. 61 f. 55 Sabean, Property 1990, S. 55–60, S. 452  ; Warde 2002, S. 215  ; Prass 1997, S. 265 f. 56 Müller 1967, S. 46 f.

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um damit das Ackerland zu düngen.57 In dünn besiedelten Regionen mit geringer Bodenfruchtbarkeit, die in der norddeutschen Tiefebene zu finden waren, konnte diese Form der Ressourcennutzung durchaus den gegebenen Bedingungen angemessen sein und – bei ausreichend langen Regenerationszeiten des Bodens – in einer nachhaltigen Form betrieben werden. In der Senne (Westfalen) dehnten die bäuerlichen Produzenten jedoch durch den steigenden Bevölkerungsdruck im 19. Jahrhundert die Ackerfläche so stark aus und verringerten die Regenerationszeit der Böden, von denen sie die Plaggen entnahmen, so sehr, dass sich diese Wirtschaftsweise zu einem Raubbau entwickelte, der zu einer Verarmung der Böden führte.58 In Brandenburg und Mecklenburg führten Gutsbesitzer im späten 18. Jahrhundert die Koppelwirtschaft ein. Sie schafften die Brache weitgehend ab, nutzten das Land also beständig, und verwendeten die Flächen zwischen den Jahren mit Getreideanbau mehrere Jahre als Wiesen. Hierdurch gewannen sie mehr Futter, konnten das Vieh ganzjährig im Stall halten, und durch den größeren Düngerertrag steigerten sie die Erträge des Getreidebaus. Da diese Umstellung sehr kostenintensiv war, führten sie in der Regel nur Gutsbesitzer durch, während die bäuerlichen Hofbesitzer sie in der Uckermark ab den 1770er-Jahren allenfalls auf einzelnen Teilen der Feldmark einführten.59 Die wichtigste Veränderung erfolgte jedoch im Rahmen der besonders verbreiteten Dreifelderwirtschaft  ; sie führte auf den ersten Blick nicht zu einer veränderten Feldfolge. Im Laufe des 18. Jahrhunderts bauten die agrarischen Produzenten in nahezu allen Regionen immer mehr neue Früchte, die sie zuvor schon in ihren Gärten angepflanzt hatten, auf dem Brachfeld und manchmal sogar auf dem Sommerfeld an.60 Bei den neuen Brachfrüchten handelte es sich zunächst um Leguminosen, also Erbsen, Bohnen, Linsen, Wicken, die als Viehfutter und zur menschlichen Ernährung dienten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts kamen die Futterpflanzen Esparsette, Luzerne und Klee und schließlich Kartoffeln hinzu. Mit dieser Besömmerung der Brache intensivierten die agrarischen Produzenten den Anbau unter Beibehaltung des dreijährigen Feldumlaufs. Diese Modifikation konnte aber auch den Anstoß zu einer Auflösung der dreijährigen Feldrotation geben. In Rheinhessen praktizierten die Bauern in einigen Dörfern zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine mehrjährige Rotation mit Getreide, Kartoffeln und Klee, in die sie auch einzelne Brachjahre einschieben konnten.61 Während hier wie in den meisten anderen Regionen ein Teil der Brache noch bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht bebaut wurde, besömmerten die Hofbesitzer in der badischen Rheinpfalz die Brachfläche um 1810 fast vollständig. Ab den 1760er-Jahren hatten dort die Agrarproduzenten angefangen, auf den Brachfeldern und z. T. auch auf den Sommerfeldern, Klee und andere Futtermittel anzubauen. Bis 1830 57 Brakensiek 1991, S. 43 f. 58 Radkau 2000, S. 95  ; Harteisen 2001, S. 344–346. 59 Enders 2000, S. 965–969  ; Enders 1992, S. 587 f.; Abel 1963, S. 286 f. 60 Mahlerwein 2001, S. 182, S. 200  ; Enders 1992, S. 483  ; Prass 1997, S. 79–83  ; Enders 2000, S. 1001  ; Sabean 1990, S. 444 f.; Grüne 2011, S. 136. 61 Mahlerwein 2002, S. 51 f.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 23  : Bohnen zählten im 18. Jahrhundert zu den wichtigsten Brachfrüchten, die sowohl zur Ernährung der Menschen als auch der Tiere dienten.

erfolgte ein Übergang zu einer Sechsfelderwirtschaft mit besömmerter Brache, in deren Rahmen neben Gerste, Spelz (Dinkel) und Hafer auch Tabak, Mohn, Raps, Mais, Wicken, Stoppelrüben, Klee, Kartoffeln und Runkelrüben angebaut wurden.62 Auch im Elsass war die dort praktizierte Zwei- und Dreifelderwirtschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits zu großen Teilen in Fruchtfolgen mit einem vier- bis sechsjährigen Fruchtumlauf umgewandelt worden.63 Neue Früchte Auf diesem Weg erreichten die agrarischen Produzenten zunächst eine Ausdehnung der real genutzten Ackerbaufläche. Der Anbau von Kartoffeln garantierte ferner, dass sie von einer kleineren Fläche Landes mehr Menschen ernähren konnten.64 Für die ärmeren Landbewohner, die unter den Bedingungen des Getreideanbaus nicht genug Boden 62 Grüne 2011, S. 136, S. 140. 63 Boehler 1983, S. 202. 64 Prass 1997, S. 199 f.; Mahlerwein 2001, S. 207 f.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820 Abb. 24  : Der Mais, hier in einer Darstellung aus einer Publikation von Otto Wilhelm Thomé von 1885, fand im 18. Jahrhundert eine starke Verbreitung und entwickelte sich in Südeuropa zu einem wichtigen Grundnahrungsmittel.

­ besaßen, war dies eine Möglichkeit, sich weitgehend selbst zu versorgen. Zu Beginn diente die Kartoffel v. a. zur Ernährung der armen Bevölkerung, und erst im Laufe des 19. Jahrhunderts gelangte sie in die bürgerliche Küche.65 Allgemein nahm der Kartoffelanbau in den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts einen starken Aufschwung, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch fortsetzte. Während er in Südniedersachsen und der Uckermark vor allem der Selbstversorgung diente, wurde er in Rheinhessen auch für den Markt produziert.66 In Südeuropa besaß der Mais eine ähnliche Bedeutung für die Ernährung von Menschen und Tieren wie in Nordeuropa die Kartoffel, obwohl ihr ausschließlicher Konsum die Mangelkrankheit Pellagra hervorruft. Ferner setzte in dieser Zeit der großflächige Anbau von Rüben und Raps ein, und schließlich begannen Hofbesitzer im Elsass, in der badischen Rheinpfalz, Südniedersachsen und der Uckermark auch Tabak anzupflanzen.67 65 Mahlerwein 2002, S. 50 f.; Montanari 1999, S. 164–167  ; Krug-Richter/Zimmermann 2006, Sp. 478. 66 Mahlerwein 2001, S. 203–209  ; Prass 1997, S. 198–201  ; Enders 1992, S. 585. 67 Montanari 1999, S. 160–164  ; Boehler 2003, S. 112–114  ; Grüne 2003, S. 370–374  ; Grüne 2011, S.  134  ; Prass 1997, S. 83–85, S. 202–204  ; Enders 1992, S. 482–485, S. 585.

Ausweitung der agrarischen Produktion

Ebenso nahmen Anbau und Weiterverarbeitung von Flachs und Hanf weiter zu. Dort, wo ein potenter städtischer Markt entstand, wie in Berlin, bauten Hofbesitzer schließlich auch Obst und Gemüse über die Befriedigung des persönlichen Bedarfs hinaus an.68 Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit Der Anbau von Klee sollte auch der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit dienen. Das Brachjahr war in der traditionellen Landwirtschaft eingefügt worden, damit der Boden sich von dem Entzug an Nährstoffen durch den reinen Getreidebau erholen konnte. Hierfür düngten und pflügten die agrarischen Produzenten die Brachfläche mehrmals. Die Exkremente liefern hauptsächlich Stickstoff, während Phosphor nur in Vogelexkrementen in nennenswerter Menge enthalten ist.69 Klee hat den Vorteil, dass er Stickstoff aus der Luft binden kann und sein Anbau somit direkt der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit dient. Doch diese Nährstoffzufuhr reichte nicht aus. Der Kaliummangel konnte in der vorindustriellen Landwirtschaft nur durch Pottasche behoben werden, die aber ein seltener und teurer Dünger war. Schließlich begegnete die Landbevölkerung Verwitterungs- und De-Mineralisierungsprozessen in den Böden durch Mergeln, was z. B. die Hofbesitzer der Uckermark im späten 18. Jahrhundert praktizierten.70 Die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit durch die Gabe von Phosphor und Kalium sowie durch Mergeln wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts in etwas größerem Maßstab möglich. Daher erreichten Besitzer großer Höfe im 18. Jahrhundert eine Steigerung der Erträge vor allem über die Ausdehnung des Futterkräuterbaus und der Stallfütterung. Durch den Anbau von Futterkräutern konnten die Hofbesitzer eine immer größere Zahl von Tieren immer besser füttern, und begannen damit, das Vieh dauerhaft im Stall zu halten. Dadurch vermochten sie es, das bisherige Weideland als Wiesen oder zum Ackerbau zu nutzen und das Ackerland besser zu düngen, was zu einer Steigerung der Ernteerträge führte. Dieser Weg war nicht einfach zu beschreiten. Zwar bauten die Agrarproduzenten schon seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Futterpflanzen an, aber zunächst war der Umfang dieser Kulturen noch so gering, dass sie nur als zusätzliches Futter dienen konnten, die den Weidegang ergänzten, aber nicht ersetzten. Erst im Laufe der letzten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen sie in zahlreichen Regionen Klee in größerem Maßstab anzubauen.71 Kleine Höfe, die tendenziell einen Überschuss an Arbeitskraft besaßen, erhöhten die Bodenerträge durch einen intensiven Hackfruchtanbau und die Diversifizierung der Anbauprodukte.72 Die intensivere Bodenbearbeitung, die auch für den Anbau von 68 Enders 1992, S. 586. 69 Sieferle u. a. 2006, S. 44. 70 Sieferle u. a. 2006, S. 44 f.; Enders 1992, S. 589. 71 Grüne 2011, S. 128  ; Mahlerwein 2001, S. 214  ; Prass 1997, S. 81 f., S. 201 f.; Enders 1992, S. 588 f.; Zimmermann 1983, S. 132–135. 72 Boehler 2003, S. 108, S. 111–117.

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Früchten auf der Brache nötig war, unterdrückte zudem auch konkurrierende Pflanzen („Unkraut“).73 Entwicklung der Erträge Diese allgemeinen Entwicklungen lassen auf den ersten Blick einen deutlichen Anstieg der Erträge des Ackerbaus erwarten. Doch ein genauer Blick auf die Zusammenhänge zwischen agrarischen Entwicklungen und Ertragssteigerungen ergibt ein differenziertes Bild. Michael Kopsidis weist darauf hin, dass die Produktionszuwächse in der Frühen Neuzeit lange Zeit aus dem Rückgang der Brachfläche und der damit verbundenen Ausdehnung des bewirtschafteten Ackerlandes resultierten. Erst vom 17. bis zum 19. Jahrhundert gelang es den agrarischen Produzenten, die Fruchtwechsel so zu gestalten, dass die Erträge pro Fläche substantiell zunahmen.74 Hierbei sind große regionale Unterschiede zu beachten. Letztlich kann nur auf der Grundlage von Bodenertragszahlen gefolgert werden, ob eine wirkliche Ertragssteigerung vorlag. Aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert liegen für das Gebiet des Deutschen Reichs keine Durchschnittswerte vor. Daher muss auf Daten aus einzelnen Regionen zurückgegriffen werden, die vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung der Erträge in verschiedenen europäischen Regionen zu betrachten sind.75 Tabelle 1  : Geschätzte Getreideernteerträge in Europa um 1800 (hl pro ha) Weizen

Roggen

Gerste

England

Land

20,3



29,3

32,5

Irland

19,9



31,2

32,9

Niederlande

18,9

15,4

27,7

28,8

Belgien

19,6

20,8

25,3

25,1

Frankreich

12,2

10,8

13,5

15,2

6,9

7,6

10,1

9,9

Italien Spanien

Hafer

7,0

4,0

10,1

9,9

Deutschland

13,7

12,5

13,5

17,0

Österreich

12,8

12,9

19,2

19,3

(Quelle  : van Zanden 1999, S. 359)

73 Sieferle u. a. 2006, S. 45. 74 Vgl. Kopsidis, Art. ‚Ernteerträge‘ 2006, Sp. 491. 75 Zu den europäischen Daten siehe van Zanden 1999  ; Kopsidis, Art. ‚Ernteerträge‘ 2006, Sp. 491–495  ; quellenkritische Erläuterungen der von Kopsidis vorgelegten Daten in  : Kopsidis, Europäische Ernteerträge 2006.

Ausweitung der agrarischen Produktion

Die Anrainerstaaten rund um die Nordsee – England, Niederlande, Nordfrankreich, Belgien, Teile Nordwestdeutschlands – hatten im 18. Jahrhundert die höchsten Ernteerträge aufzuweisen. Bei einem Ertrag von 17–20 hl/ha und einem Körnerertrag von zehn bis zwölf pro Saatkorn lagen sie doppelt bis dreifach so hoch wie im restlichen Europa.76 Im Nordseeraum haben sich die Getreideerträge von 1500 bis 1800 insgesamt verdoppelt, wobei von großen regionalen Unterschieden in der zeitlichen Entwicklung auszugehen ist. Vor allem in England, Nordostfrankreich und den Niederlanden setzte diese Entwicklung bereits im 16. Jahrhundert ein und wurde nur durch Kriege und Krisen unterbrochen. In anderen Regionen war dagegen erst im Laufe des 18. Jahrhunderts eine signifikante Steigerung der Bodenerträge zu beobachten.77 Im südlichen Europa lagen die Erträge um 1800 dagegen bei 7–5 hl/ha, d. h. bei einem Ertrag zwischen 3 und 4 geernteten Körnern je ausgesätem Saatkorn. Michael Kopsidis unterscheidet hiervon noch Regionen mit mittlerer Ertragslage, zu denen Mitteleuropa zwischen Rhein, Weichsel und Donau, große Teile Frankreichs und Schweden gehörten. Hier lagen die Erträge um 1800 bei 10–13 hl/ha bzw. einem Körnerertrag zwischen fünf und sieben.78 Damit lag – mit Ausnahme Nordwestdeutschlands – der größte Teil der hier behandelten Gebiete in dieser Region mittlerer Erträge. Für die Entwicklung der Bodenerträge in den deutschen Territorien liegen nur wenige konkrete Zahlen vor, ein kursorischer Blick auf einzelne Beispiele muss daher genügen. Für Brandenburg nimmt Hans-Heinrich Müller an, dass der Körnerertrag von 4 (d. h. 4 geerntete Körner pro ausgesätem Korn) in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf 5 gegen Ende des Jahrhunderts anstieg.79 Das entspräche einer Steigerung um 25%. Zeitlich später, dafür aber deutlich höher war die Ertragssteigerung, die Gunter Mahlerwein in mehreren rheinhessischen Dörfern konstatiert. Hier stieg der Körnerertrag allgemein von 1793 bis 1813 von 3,3 auf 10 an. Damit verdreifachte er sich innerhalb von zwanzig Jahren. Nach diesem Zeitpunkt stiegen die Getreideerträge bis zum späten 19. Jahrhundert aber nicht weiter an.80 Für die Rheinpfalz stellt Niels Grüne eine ähnliche Entwicklung fest (ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen). Unter dem Vorbehalt, dass das vorliegende Zahlenmaterial sehr spärlich ist, geht er davon aus, dass sich die Bodenerträge für Spelz, Gerste, Roggen und Kartoffeln von den 1780er/90er-Jahren bis 1820 verdoppelt oder verdreifacht haben.81 Differenzierteres Zahlenmaterial legt Stefan Brakensiek für die westfälische Grafschaft Ravensberg vor. In der Vogtei Heepen stieg von 1787 bis 1815 der Körnerertrag bei Roggen von 5 auf 7, bei Gerste von 4 auf 7 und bei Hafer von 5 auf 9. In der Vogtei Schildesche waren ähnliche Steigerungsraten zu beobachten, während in 76 Kopsidis, Art. ‚Ernteerträge‘ 2006, Sp. 493. 77 van Zanden 1999, S. 361–366. 78 Kopsidis, Art. ‚Ernteerträge‘ 2006, Sp. 493 f. 79 Müller 1967, S. 102–106. 80 Mahlerwein 2001, S. 195–200. 81 Grüne 2011, S. 148.

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der Vogtei Brackwede der Körnerertrag bei einem Wert von 3–4 stagnierte. 82 Damit zeigt Brakensiek deutlich, wie stark die Erträge und ihre Entwicklung in verschiedenen nahe beieinander liegenden Regionen variierten. Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob die von Walter Achilles geäußerte Annahme, von 1765 bis 1800 seien die Getreideerträge um 10% gestiegen,83 nicht zu niedrig ausfällt. Allerdings ist zu bedenken, dass das vorliegende Zahlenmaterial allgemeine Aussagen nicht zulässt, und dass sich die allgemein konstatierte Steigerung der Bodenfruchtbarkeit in den verschieden Territorien ganz unterschiedlich entwickelte und in einigen Gebieten zu dieser Zeit noch gar nicht festzustellen war. Ulrich Pfister geht davon aus, dass um 1700 nicht nur eine deutliche Steigerung der agrarischen Produktion einsetzte, sondern dass sich auch die Produktivität landwirtschaftlicher Arbeit deutlich steigerte.84 Diese These wird durch Jan Luiten van Zanden insoweit eingeschränkt, als diese Steigerung der Arbeitsproduktivität bis 1800 in erster Linie in Westeuropa zu beobachten sei, während sie in den übrigen Teilen des Kontinents stagnierte.85 Tabelle 2  : Schätzung der Personenzahl, die von 100 in der Landwirtschaft Tätigen ernährt werden konnten 1500/20

1600

1700

1800

England/Wales

132

153

182

248

Belgien

173

160

192

233

Niederlande

177



219

277

Frankreich

138

145

158

170

Italien

133

143

122

129

Polen

100

101

101

105

Spanien

114

130

122

129

(Quelle  : van Zanden 1999, S. 369)

Die Steigerung der Bodenerträge erfolgte bis zur Einführung chemischen Düngers im Wesentlichen über einen erhöhten Arbeitseinsatz. Dieser lohnte aber nur dann, wenn die Landbewohner hierdurch ihren Unterhalt auch von einem kleinen Stück Land sichern konnten, wie das bei der Leinenindustrie oder beim Weinbau zu beobachten war,

82 Brakensiek 1991, S. 100–102. 83 Achilles 1993, S. 103. 84 Pfister 2011, S. 12. 85 van Zanden 1999, S. 369.

Ausweitung der agrarischen Produktion

oder wenn ein garantierter Marktabsatz den erhöhten Arbeitseinsatz rentabel machte.86 Diese Situation war in verschiedenen Regionen wie im Elsass oder in Westfalen schon im 18. Jahrhundert gegeben,87 während diese Anreize in anderen Regionen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der allgemeinen Einbindung der Landwirtschaft in den überregionalen Markt zu wirken begannen. Die Analyse der Faktoren, die zu einem gesteigerten Arbeitseinsatz und damit einer Steigerung der Bodenerträge geführt haben, veranlasste in den letzten Jahren zahlreiche Historiker zu dem Schluss, dass es keinen eindeutigen ursächlichen Zusammenhang zwischen Agrarreformen und Dynamisierung der agrarischen Entwicklung gegeben habe.88 Wandlungen des Handlungsrahmens Die ersten Ansätze zu Agrarreformen im 18. Jahrhundert trugen zwar dazu bei, den Handlungsspielraum der Hofbesitzer zu erweitern, aber der traditionelle gesellschaftliche Rahmen blieb formal noch erhalten. Dass es dennoch gelang, die agrarische Produktion derart zu steigern, ist dadurch zu erklären, dass dieser Rahmen flexibler war, als Agrarhistoriker lange angenommen haben. Es weist aber auch darauf hin, dass sich dieser traditionelle Rahmen durch die sozialen Entwicklungen der ländlichen Gesellschaften von innen aufzulösen begann. Ein wichtiger Faktor für die Steigerung der ökonomischen Handlungsfähigkeit der agrarischen Produzenten war ihre zunehmende Marktintegration. Diese wurde lange Zeit unterschätzt, aber Studien zum Handel mit agrarischen Produkten haben gezeigt, in welch hohem Maße die Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Marktbeziehungen eingebunden war. Das galt in erster Linie für Produkte des Ackerbaus, aber in einigen Regionen wie z. B. in Württemberg war auch der Viehhandel bedeutend.89 Hinzu kamen Spezialkulturen wie Wein oder Tabak, die nahezu ausschließlich für den Markt produzierten und die Landwirtschaft mancher Regionen prägten. Ansonsten standen die Entwicklungen in der Viehwirtschaft weitgehend im Zusammenhang der Intensivierung des Ackerbaus. Durch bessere Fütterung und die einsetzende Ausweitung der Stallhaltung dürften sich Gesundheit und Leistung der Tiere verbessert haben. Auf eine bessere Erhaltung der Viehbestände zielten auch die sich verstärkenden Bemühungen, die Viehseuchen durch wissenschaftlich fundierte Impfungen zu bekämpfen. Über erste Versuche kam man bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch nicht hinaus.90 Unmittelbar auf eine Verbesserung tierischer Produkte zielte die Haltung spanischer Merinoschafe z. B. auf den sächsischen Gütern. Diese hatten eine feinere Wolle, für die die Schafzüchter einen höheren Preis erzielen konnten.91 86 Kopsidis, Art. ‚Ernteerträge‘ 2006, Sp. 491 f.; Boehler 2003, S. 106–111. 87 Kopsidis, Marktentwicklung 2006, S. 371  ; Boehler 1995, S. 796. 88 Kopsidis, Marktentwicklung 2006, S. 371 f. 89 Walter 1990  ; Konersmann 2004. 90 Hünemörder 2007. 91 Abel 1963, S. 293.

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3.1.3 Der Beitrag verschiedener Gruppen von Landbewohnern am agrarischen Wandel

Die Geschwindigkeit, mit welcher der Übergang zu intensiveren Anbaumethoden erfolgte, hing von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Zunächst mussten die natürlichen Gegebenheiten vorhanden sein, um eine bestimmte Kultur überhaupt einzuführen. Die neuen Pflanzen konnten nicht auf jedem Boden gleich gut angebaut werden und bestimmte Anbaumethoden verlangten ein bestimmtes Klima. So war die Koppelwirtschaft nur in Norddeutschland zu finden, weil das dortige feuchte, kühle, aber nicht allzu kalte Klima dem Wiesenbau entgegen kam. Die Einführung der neuen Anbaumethoden war lokal nicht immer erforderlich. Entweder wurden noch nicht alle ackerfähigen Flächen genutzt, wie z. B. im westlichen Westfalen, oder es waren genug andere Futterressourcen vorhanden bzw. der Ackerbau war bereits so intensiv, dass die Einführung von Futterkräutern den Anbau von Nahrungsmitteln verdrängt hätte, wie z. B. in Rheinhessen.92 Schließlich mussten die Hofbesitzer über genug Kapital verfügen, um die nötigen Investitionen überhaupt tätigen zu können. Zur Einführung der ganzjährigen Stallfütterung waren ausreichend Kleesamen zu kaufen und gute Ställe zu bauen, in denen das Vieh das ganze Jahr hindurch untergebracht werden konnte. Hierzu waren aber nicht alle Hofbesitzer in gleicher Weise in der Lage. Es stellt sich somit die Frage, welchen spezifischen Anteil die verschiedenen Gruppen der Landbewohner an der Steigerung der agrarischen Produktion nahmen. Diskussion der ‚besten‘ Hofgröße Seit dem 18. Jahrhundert diskutierten Wissenschaftler die Frage, welche Betriebsgröße die produktivste sei.93 Vielfach bedingten politische Vorannahmen schon vorab das Urteil, ob kleinere oder größere Betriebseinheiten bevorzugt wurden – je nachdem, ob die Autoren Kosten-Nutzen-Relationen als Grundlage ihres Urteils wählten oder die Versorgung der Hofbewohner und ihrer Familien. Eine genauere Betrachtung ergibt jedoch, dass große und kleine Betriebe ihren je eigenen Anteil zu den Veränderungen beitrugen. Große Güter Den Physiokraten des 18. Jahrhunderts galten große Güter und Höfe als die produktivsten Betriebseinheiten. Die großen Gutsbetriebe östlich der Elbe produzierten in der Tat bedeutende Überschüsse, mit denen sie städtische und überregionale Märkte versorgten. Seit dem 16. Jahrhundert spezialisierten sie sich auf den Anbau von Weizen, dem wichtigsten Marktgetreide. Für die Besitzer dieser Güter lohnten sich der Übergang zu neuen Fruchtfolgen, der Anbau von Futterkräutern und die Einführung der ganzjährigen Stall92 Kopsidis, Marktentwicklung 2006, S. 348–350  ; Mahlerwein 2002, S. 52. 93 Konersmann 2003.

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fütterung in besonderem Maße. Von den Landschaftlichen Kassen erhielten sie Kredite zu günstigen Bedingungen, zudem liehen sie sich Geld bei anderen Adeligen, Bankiers, Kaufleuten, der Kirche und sogar bei Bauern.94 Aufgrund der im späten 18. Jahrhundert stark steigenden Getreidepreise konnten sich diese Investitionen schnell amortisieren. Das erklärt auch, warum die Gutsbesitzer oftmals Separationen anstrebten, um ihr Land vom Bauernland zu trennen und die Weiderechte aufzuheben. Dadurch wurden sie technisch in die Lage versetzt, ihr nun in geschlossenen Blöcken liegendes Land mit geringerem Arbeitsaufwand und mit neuen Methoden zu bewirtschaften. Diese Umstellungen waren allerdings auch für die Gutsbesitzer nicht leicht zu bewerkstelligen, weshalb sie sich im Laufe des 18. Jahrhunderts oft aus der Bewirtschaftung ihrer Güter zurückzogen und sie gut ausgebildeten bürgerlichen Pächtern und Verwaltern übertrugen.95 Große und mittlere Höfe Auch große bäuerliche Höfe waren in besonderem Maße zur Einführung agrarischer Neuerungen geeignet. Für Jean-Michel Moriceau und Gilles Postel-Vinay besitzen die sehr großen Höfe der Île de France Vorbildcharakter, da sie sich durch ihre rationelle Wirtschaftsweise auszeichneten und die Versorgung der Großstadt Paris mit Getreide sicherten.96 Für Deutschland wies zuletzt Michael Kopsidis auf die besondere Bedeutung größerer und mittlerer Betriebe für den agrarischen Fortschritt hin.97 Sie waren an der Produktion für einen regionalen und eventuell sogar überregionalen Markt orientiert. Wie Kopsidis nachweist, beobachteten die Hofbesitzer die Entwicklungen am Markt genau und reagierten auf dessen Veränderungen  : Je nach Bedarf steigerten oder verringerten sie ihre Getreideproduktion und sie verlegten sich bei veränderter Nachfrage auf andere Produkte. Sowohl Gutsbesitzer als auch Inhaber großer Höfe besaßen nicht nur den Vorteil, dass sie in den Markt integriert waren und dadurch im günstigen Fall auch genug Kapital akkumulieren konnten, um die notwendigen Investitionen zu tätigen. Aufgrund ihrer sozialen Position in der ländlichen Gesellschaft waren sie tendenziell auch in der Lage, den örtlichen Kredit- und Arbeitsmarkt so zu beeinflussen, dass er für sie günstige Bedingungen bot. Durch ihre Kontakte zum Markt aber auch zu Mitgliedern der sozialen Elite auf dem Land wie Pfarrern und Amtleuten informierten sich Inhaber großer Höfe oft als erste über neue Pflanzen und Techniken. Diese Neuerungen probierten sie auf ihren Höfen aus, da sie aufgrund ihrer Größe einen gewissen Gestaltungsspielraum besaßen. Daher führten die Inhaber der größeren Höfe im Dorf oft als erste neue Pflanzen und Techniken ein. Auf diese Weise machten sie – durch praktische Anschauung – die andern Dorfbewohner 94 Enders 1992, S. 611 f. 95 Hagen 2002, S. 596. 96 Moriceau 2003. 97 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006.

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damit vertraut und veranlassten sie dazu, die Neuerungen ebenfalls einzuführen. In manchen Regionen traten auch Angehörige von religiösen Minderheiten als Agrarpioniere auf, wie die Mennoniten in der Pfalz, die über ein eigenes Kommunikationsnetz verfügten.98 Kleine Höfe Am wenigsten schienen auf den ersten Blick die Inhaber kleiner Höfe in der Lage zu sein, agrarische Neuerungen einzuführen, denn sie verfügten nicht über ausreichend Kapital zu deren Finanzierung und sie besaßen nur einen geringen ökonomischen Bewegungsspielraum. Doch gerade sie waren in einer ganz besonderen Weise an der Intensivierung des Ackerbaus interessiert, wenn nicht sogar darauf angewiesen. Dies betraf vor allem jene Gebiete, in denen die Bevölkerung mit geringem Landbesitz keine hinreichenden Möglichkeiten besaß, ihren Lebensunterhalt durch ein Gewerbe zu sichern. Im Elsass z. B. wandten sich die Kleinbauern intensiven Kulturen zu. Sie verringerten den Anbau von Getreide und bauten im Hackfruchtanbau Mais, Kartoffeln, Rüben, Möhren, Raps, Tabak, Flachs und Hanf an. Den für den Getreideanbau charakteristischen Pflug ersetzten sie durch leichtere Arbeitsgeräte wie Hacken, Spaten und Jäthacken. In solchen Regionen kleinbetrieblicher Intensivlandwirtschaft ersetzten die Hofbesitzer die Dreifelderwirtschaft entweder schon früh durch eine verbesserte Dreifelderwirtschaft mit weitgehend besömmerter Brache, oder sie gingen sogar zur permanenten Feldbestellung über, in der sie die Fruchtfolge auf Zyklen von 11 oder 12 Jahre verlängerten und bei der sie Getreide und andere Früchte im Wechsel anbauten. Durch den Fruchtwechsel konnten sie die Bodenfruchtbarkeit besser erhalten, sie mussten freilich auch besonders intensiv düngen, wobei sie auf der Suche nach Dünger die vielfältigsten Wege gingen.99 Durch den gesteigerten Einsatz von Arbeit und Dünger konnten die Bauern die üblichen Grenzen der Bodenfruchtbarkeit überwinden und die Landwirtschaft zu einem intensiven Gartenbau entwickeln.100 Die Familienbetriebe verfolgten diese kleinbetriebliche Intensivlandwirtschaft in erster Linie zu ihrer eigenen Versorgung, aber in einzelnen Gebieten intensivster Landwirtschaft wie dem Elsass, Nordbaden oder Flandern versorgten sie auch die städtischen Märkte. In Flandern ernteten sie das 8- bis 15-Fache der Getreideaussaat, in Elsass etwas weniger.101 In diesen Gebieten bildete der kleinbetriebliche Intensivierungsprozess v. a. einen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Bevölkerungszahlen auf dem Land, indem er entweder ermöglichte, die auf den Höfen lebenden Familien selbst zu ernähren, oder über den innerdörflichen Markt zu versorgen. Bedenkt man, dass in großen Teilen Mittel- und Westeuro 98 Mahlerwein 2001, S. 251–253, S. 426–427, S. 430–435  ; Konersmann 2004, S. 29–34  ; Prass 1997, S. 299.  99 Boehler 2003. 100 Boehler 2003, S. 105–111  ; Kopsidis, Marktentwicklung 2006, S. 77. 101 Boehler 2003, S. 117  ; Grüne 2003, S. 372.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 25  : Die unterschiedlichen Möglichkeiten der verschiedenen sozialen Gruppen, Arbeitsgeräte und technische Hilfsmittel zu nutzen, zeigt sich auch bei den Transportmitteln. Nicht jeder Landbewohner konnte sich einen Wagen mit Pferdegespann leisten. Stattdessen griff man auch auf Ziegen und Hunde zurück, wie diese Abbildung aus einer Publikation für Kinder aus dem Jahr 1823 zeigt.

pas eine mittel- bis kleinbetriebliche Sozialstruktur vorherrschte,102 wird deutlich, dass die agrarischen Produzenten in den meisten deutschen Regionen einen Weg einschlugen, der sich zwischen groß- bis mittelbetrieblicher Landwirtschaft auf der einen Seite und kleinbetrieblicher Landwirtschaft auf der anderen Seite bewegte. In der Regel lebten in einem Dorf verschiedene soziale Gruppen zusammen. Dadurch beschritten die Akteure innerhalb der Dörfer unterschiedliche Intensivierungswege, was zu Konflikten zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen und deren Intensivierungsbestrebungen führte.103 Handlungsspielräume für die Einführung neuer Methoden Bei der Umstellung auf neue agrarische Methoden oder dem Anbau neuer Pflanzen besaßen die agrarischen Produzenten nur einen begrenzten Bewegungsspielraum. Bei Einführung von Neuerungen mussten sie darauf achten, dass sie weiterhin ihre Familie ernäh102 Boehler 2003, S. 104  ; Troßbach 1993, S. 31 f. 103 Mahlerwein 2001, S. 214 f.; Prass 1997, S. 224 f.; Warde 2002, S. 213  ; Zimmermann 1983, S. 145– 170.

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ren und ihre Abgaben zahlen konnten. Sie hatten kaum die Möglichkeit, Experimente durchzuführen, die scheitern konnten. Daher betrachteten sie auch die zahlreichen gut gemeinten Neuerungsvorschläge der Agrarschriftsteller des späten 18. Jahrhunderts mit zurückhaltender Skepsis. Zudem hatten sie ihre Anbaumethoden aus langandauernden Erfahrungen heraus entwickelt, die auf Beobachtungsgabe und genauer Kenntnis ihres Landes und der Pflanzen beruhten.104 Erst durch eigenen Augenschein – d. h. durch konkrete Vorbilder in ihrem Dorf oder in Nachbardörfern – waren sie davon zu überzeugen, dass sie eine Neuerung anwenden sollten und dass sie von Nutzen war. Diese Zurückhaltung der Hofbesitzer gegenüber einer schnellen Einführung von Neuerungen bewerteten die ungeduldigen Reformer – und bis in die 1980er-Jahre hinein auch zahlreiche Agrarhistoriker – als Starrsinn. Doch schon Christian Garve erfasste den Hintergrund dieser Skepsis, als er bereits 1786 darauf hinwies, dass „der Landmann weit mehr irre gehen (würde), wenn er seinen eigenen Speculationen traute, oder jedem Rathe eines Reformers Gehör gäbe, als wenn er sich an die Beyspiele und die Übung seiner Vorfahren hält […]“.105 Dies traf besonders auf Inhaber kleiner Höfe zu, aber auch die Besitzer größerer Höfe ließen diese Vorsicht walten. Trotzdem haben sich die Bauern nicht jeder Neuerung verschlossen. Ihre landwirtschaftliche Praxis belegt das genaue Gegenteil. Aber sie führten Neuerungen nicht übereilt ein, sie gingen Schritt für Schritt vor, und stellten ihre Wirtschaft zunächst nur teilweise um, führten z. B. zuerst die halbe Stallfütterung ein, bevor sie begannen, das Vieh während des ganzen Jahres im Stall zu füttern. Und sie durchbrachen nicht den traditionellen, erfahrungsgesicherten Handlungsrahmen einer in den Gemeindeverband integrierten Ökonomie.106 3.1.4 Wandel der Arbeit

Die Steigerung der agrarischen Produktion erfolgte nach 1750 nicht in jedem Fall über eine intensivere Bodenbearbeitung. Oft reichte bereits die Ausdehnung der Ackerfläche aus. Durch einige Neuerungen wie die Zusammenlegung der Felder wurde die Arbeitsbelastung sogar verringert und die Einführung der Koppelwirtschaft107 entsprach einer Extensivierung. In der Regel lag der Steigerung der agrarischen Produktion jedoch eine Steigerung des Arbeitseinsatzes zugrunde.108 Das galt v. a. für die kleinen Höfe, deren Bewohner nur durch einen gesteigerten Arbeitseinsatz von ihrer Parzelle leben konnten. Aber auch große Güter verzeichneten einen steigenden Bedarf an Arbeitskräften, weshalb sie über die Frondienste hinaus Tagelöhner zu beschäftigen begannen. Mit dem Bevölkerungsanstieg standen auch mehr Arbeitskräfte zur Verfügung.109 Zugleich stieg aber 104 105 106 107 108 109

Boehler 2003, S. 119. Garve 1796, S. 66 f. Prass 1997, S. 131  ; Suter 1998, S. 92. Siehe hierzu die Ausführungen in Band 1, Kapitel 3.1 Ackerbau. Enders 2007, S. 28  ; Mahlerwein 2002, S. 53–61  ; Sabean 1992, S. 148  ; Béaur 2000, S. 128. Sabean, Property 1990, S. 158  ; Konersmann 2009, S. 234.

Ausweitung der agrarischen Produktion

auch der Anteil der nichtagrarischen Bevölkerung, die von der Landwirtschaft mitversorgt werden musste, woraus Ulrich Pfister gesamtökonomisch auf eine im 18. Jahrhundert steigende Arbeitsproduktivität schließt.110 Kulturelles Verständnis von „Arbeit“ Doch Arbeit war in vorindustriellen ländlichen Gesellschaften mehr als nur ein Produktionsfaktor, sie war „die Grundlage materiellen und kulturellen Bestehens“,111 denn sie war durch eine Vielfalt unterschiedlichster, sich beständig abwechselnder Tätigkeiten bestimmt, wobei sich Arbeit und Freizeit gegenseitig durchdrangen.112 Arbeit war nicht gleichmäßig verteilt, innerhalb der ländlichen Gesellschaft gab es unterschiedliche Belastungen mit und Verteilung von Arbeit  : Bauern mussten für ihre Herren – Grund- oder Gutsherren, Fürsten und Kirche – arbeiten, Gesinde und Tagelöhner für Bauern. Ferner wurde die Einteilung der Arbeitszeit durch kulturelle Muster bestimmt, vor allem durch die Sonn- und Feiertage, die das Arbeitsjahr in einem kirchlichen Mußerhythmus strukturierten. Hinzu kam eine geschlechtsbezogene Arbeitsteilung, bei welcher die Männer bevorzugt die Feldarbeit, die Frauen die Arbeiten im Haushalt, im Garten bzw. mit der Hacke und die Versorgung des Viehs im Stall übernahmen. In der Praxis betraf diese geschlechtsbezogene Arbeitsteilung nur größere Höfe, auf kleineren Höfen überlagerten sich die verschiedenen Arbeitsbereiche, sodass die Frauen sich z. B. auch an der Feldarbeit beteiligten.113 Die konkrete Ausformung der Arbeitsrealität erfolgte somit im Spannungsverhältnis verschiedener Regeln und Normen, die divergierende Ansprüche auf die Arbeitskräfte erhoben. Daher spiegeln sich in den Arbeitsrealitäten sowohl die jeweiligen lokalen Produktionsverhältnisse als auch kulturelle Wertesysteme.114 Steigende Arbeitsbelastungen Die Intensivierung der Landwirtschaft brachte vielfältige Auswirkungen auf Ausgestaltung und Konzeption von Arbeit mit sich. Die agrarischen Produzenten konnten das Brachfeld nicht mehr in der bisherigen Form über weite Teile des Jahres verteilt umbrechen und düngen, diese Arbeiten mussten sie nun auf die kurzen Perioden zwischen Ernte und Aussaat verschieben. Zudem waren die neuen Pflanzen mit Hacken oder anderen Handinstrumenten zu bearbeiten, sie benötigten also einen höheren Arbeitsaufwand als der Getreidebau. Die Fütterung des Viehs im Stall erforderte, dass das Futter in den Stall gebracht, Stroh unter das Vieh ausgestreut, der Mist aus dem Stall hinausgebracht, 110 111 112 113 114

Pfister 2011, S. 14. Peters, Arbeit 2007, S. 74. Peters, Arbeit 2007, S. 48–52, S. 59. Vanja 1992, S. 460  ; Wunder 2003, S. 196 f.; Krug-Richter 1998, S. 42. Peters, Arbeit 2007, S. 55  ; Sabean 1990, S. 147  ; Peters, Recht-Zeitigkeit 2007  ; Wunder 2003, S. 203 f.

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Abb. 26  : Dieses Bild aus dem „Hausvater“ des Florinus zeigt eine Remise mit zahlreichen Geräten für den Acker- und Feldbau. Die Abbildung verdeutlicht die bedeutenden Investitionen, die Inhaber eines agrarischen Großbetriebs für den Erwerb der nötigen Arbeitsgeräte tätigen mussten.

kompostiert und als Dünger dann wieder auf das Feld gefahren wurde.115 Der gesteigerte Einsatz von Arbeit bedeutete nicht notwendig, dass die Produktivität des Bodens zu Lasten der Produktivität der Arbeit gesteigert wurde, wie lange Zeit angenommen wurde. Die Arbeitsproduktivität hing von einer ganzen Reihe von Faktoren wie Marktanbindung, ­Urbanisierung, Bevölkerungswachstum oder Transportmöglichkeiten ab, die im späten 18. Jahrhundert tendenziell zu ihrer Steigerung führten.116 Gunter Mahlerwein hat berechnet, dass bei einem Betrieb von 10 Morgen Größe der Arbeitsaufwand für zwei Personen von 51,8 Tagen im Jahr 1770 auf 119 Arbeitstage im Jahr 1830 stieg.117 Solche Angaben sind zwar aufgrund der erheblichen methodischen Probleme solcher Berechnungen118 mit Vorsicht zu behandeln, aber sie geben einen Eindruck davon, wie stark die Arbeitsbelastung wuchs. Die einzelnen Personengruppen im 115 116 117 118

Sabean, Property 1990, S. 148–150. Kopsidis, Marktentwicklung 2006, S. 124  ; Béaur 2000, S. 158. Mahlerwein 2002, S. 60. Béaur 2000, S. 156.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 27  : Stall eines großen Bauern in Klein Rodensleben (Magdeburger Börde) um 1800. So wie dieser Stall wurden in der Zeit um 1800 zahlreiche Wirtschaftsgebäude neu errichtet, um den Anforderungen einer gesteigerten und intensivierten Produktion zu genügen.

Dorf waren hiervon sehr unterschiedlich betroffen. Besonders stark nahm die Arbeit für Frauen zu, da die Neuerungen v. a. ihre Arbeitsbereiche betrafen. Hinzu kam noch Mehrarbeit durch die gewerbliche Verarbeitung von Rohstoffen wie Hanf und Flachs in der heimgewerblichen Industrie, zumal im 18. Jahrhundert immer weniger Familien alleine von der Landwirtschaft leben konnten.119 Aber auch Männer mussten mehr arbeiten. Das galt zum einen für die Feldarbeit, betraf aber auch zusätzliche Arbeiten wie den Bau neuer Wirtschaftsgebäude oder die Arbeit außerhalb des Hofs.120 Ursprünglich ging die Geschlechtergeschichte davon aus, dass eine Kommerzialisierung bestimmter Wirtschaftsbereiche wie z. B. der Milchwirtschaft Männer dazu veranlasst habe, die Frauen aus diesem Betätigungsfeld zu verdrängen.121 Laurence Fontaine wies kürzlich darauf hin, dass zahlreiche Frauen sich gerade im Kleinhandel ein gewisses Einkommen verschafften, dass sie sich damit also die Möglichkeiten zunutze machten, die

119 Sabean, Property 1990, S. 148–150  ; Vanja 1992, S. 461. 120 Sabean, Property, 1990, S. 150–152. 121 Krug-Richter 1998, S. 43.

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ihnen die Kommerzialisierung bot.122 Allerdings waren die Handlungsmöglichkeiten der Frauen durch kulturelle und rechtliche Abhängigkeiten von Männern stark eingeschränkt. Die Händlerzünfte versuchten beispielsweise die Konkurrenz durch den Kleinhandel der Frauen und anderer Personengruppen zu unterbinden.123 Daher entwickelten sich diese weiblichen Handelsaktivitäten vielfach im rechtlich unabgesicherten Bereich einer Schattenwirtschaft, die zur „Ökonomie des Notbehelfs“124 zu rechnen ist. Parallel hierzu ist in der bürgerlichen Welt eine Abwertung der Frauenarbeit im Sinne einer „nur“ reproduktiven Tätigkeit im Privaten festzustellen, doch es bleibt noch zu untersuchen, ob solche Vorstellungen auch die ländlichen Gesellschaften erreichten.125 Die unterbäuerliche Bevölkerung arbeitete als Tagelöhner auf benachbarten Gütern und zugleich weitete sich die Arbeitswanderung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch aus. Dadurch vergrößerte sich innerhalb der betroffenen Familien auch die Geschlechterdifferenz in Bezug auf die Arbeitsteilung. Während die Männer in anderen Dörfern oder Regionen arbeiteten, übernahmen die Frauen die Verantwortung für die Bewirtschaftung des kleinen Hofes, den diese Familien oft besaßen.126 Konflikte um Arbeitsbelastungen Zugleich sollten die Bauern mehr Arbeitsdienste leisten. Die Staatsverwaltungen ließen Chausseen und Kanäle – zum Teil mittels Frondiensten von Dorfbewohnern – bauen, und die Gutsherren erhöhten die Arbeitsanforderungen. Das führte unweigerlich zu Konflikten. Die Gutsuntertanen wehrten sich nicht nur gegen eine Steigerung der Arbeitsbelastung. Hinter den Konflikten zwischen Gutsherren und Gutsuntertanen um das richtige Maß der Frondienste standen auch Auseinandersetzungen um ein unterschiedliches Verständnis von Arbeit und der Einteilung der Arbeitszeit.127 Zwar konnten die Untertanen im 18. Jahrhundert ihre Sicht der Dinge oftmals gegen ihre Gutsherren behaupten, es deutete sich aber bereits ein grundlegender Wandel des Arbeitsverständnisses an, der eng mit einem allgemeinen Wandel des Zeitverständnisses verbunden war. Frühneuzeitliche Staaten und Kirchen waren seit dem 16. Jahrhundert bestrebt, die Zeitökonomie zu kontrollieren und das Zeitmanagement einer einheitlichen Konzeption zu unterwerfen.128 Im Zuge dessen wurde auch auf immer mehr Höfen Arbeit zu einem Kostenfaktor in einem Betrieb, der auf Profit orientiert war.

122 123 124 125 126 127 128

Fontaine 2011. Ogilvie/Küpker/Maegraith 2011, S. 56–59. Fontaine 2011, S. 38 f. Zur Ökonomie des Notbehelfs  : Hufton 1974, S. 69–127. Vanja 1992, S. 481  ; Krug-Richter 1998, S. 43. Lucassen/Lucassen 2005, Sp. 550  ; Vanja 1992, S. 462. Peters, Recht-Zeitigkeit 2007. Härter 2007.

Ausweitung der agrarischen Produktion

3.1.5 Stabilität von oben – Wandel von unten

Zunahme des Anteils nichtagrarischer Bevölkerung Der allgemeine Anstieg der Bevölkerungszahlen führte in den meisten Regionen zu einer weiteren Zunahme der landlosen und landarmen Dorfbewohner – und damit auch der nichtagrarischen Bevölkerung. Die landesherrliche Peuplierungspolitik förderte diese Entwicklung durch die Ansetzung von Neusiedlern, aber noch wichtiger war, dass die unterbäuerliche Bevölkerung sich gewerbliche Einkommensmöglichkeiten erschließen konnte.129 In Sachsen, Schlesien, der Oberpfalz, Westfalen, Teilen des Rheinlands und Württembergs sowie in Ostschwaben weiteten sich zuvor bereits existierende Gewerberegionen weiter aus, in denen die Zahl der vom Gewerbe lebenden Personen die bäuerliche Bevölkerung zahlenmäßig weit überstieg.130 Der wichtigste Beschäftigungssektor wurde in dieser Zeit das Leinengewerbe, das u. a. auch in Südniedersachsen und Hessen zu florieren begann.131 Darüber hinaus gab es im 17. und 18. Jahrhundert Regionen, in denen das ökonomische Geschehen durch andere hoch entwickelte Gewerbe bestimmt wurde. Im Siegerland und seinen Nachbargebieten, die sich ebenso wie das Erzgebirge auf den Abbau von Eisenerzen und deren Weiterverarbeitung spezialisiert hatten,132 waren alle Landbewohner auf ein gewerbliches Einkommen angewiesen. Die Eisenprodukte konnten über den Rhein bis nach Holland abgesetzt werden, von wo man wiederum Agrarprodukte bezog.133 Im mittleren Hessen war die Zunahme der Landarmen in einigen Gemeinden eng mit dem Verschwinden der Inhaber kleiner Stellen verbunden.134 Sie lebten als saisonale Arbeitskräftereserve, für die Bauern und Gutsbesitzer die sozialen Kosten nicht übernehmen mussten.135 Diese Entwicklung war nicht überall zu beobachten. In Bayern ging die unterbäuerliche Bevölkerung zurück136 und in Hohenlohe stieg sie nur in den großen Dörfern und stadtnahen Gemeinden an, wo sie jedoch in großer Armut lebte. In den Weilern auf der Ebene fanden sich dagegen fast ausschließlich große Höfe.137

129 130 131 132 133 134 135 136 137

Hippel 1995, S. 17  ; Troßbach 1993, S. 37 f. Pfister 2011, S. 7. Achilles 1975  ; Friedeburg 1997, S. 44 f. Kaufhold 1986, S. 127, S. 155. Troßbach 1991, S. 184  ; Troßbach, Beharrung 1998, S. 120. Friedeburg 1997, S. 46. Brakensiek 2003, S. 279. Troßbach 1993, S. 38. Robisheaux 1989, S. 254 f.

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Sozialstruktur und Ressourcentransfer Die Art und Weise, in der sich die sozialen Strukturen in einem Dorf entwickelten, hing eng mit den Vererbungspraktiken zusammen.138 In Gebieten mit überwiegend geschlossener Vererbung entstanden große Höfe, deren Besitzer ein ausgeprägtes Standesbewusstsein entwickelten. Hier war die Sozialstruktur durch große soziale Differenzen und ökonomische Abhängigkeiten geprägt. Die Inhaber großer Höfe griffen auf die Arbeitskraft der unterbäuerlichen Bevölkerung zurück, die sie von sich abhängig machte. In Gebieten mit überwiegender Realteilung herrschten mittlere und kleinere Höfe vor, hier waren die sozialen Unterschiede zwischen den Dorfbewohnern geringer. Schon seit dem 16. Jahrhundert sind Tendenzen der Abschließung reicherer Familien gegenüber den ärmeren durch Heiraten innerhalb der eigenen sozialen Gruppe zu erkennen. Diese Tendenz findet sich v. a. in Gebieten mit überwiegend großen Höfen wie in Schaumburg oder im westfälischen Stift Quernheim, aber es gab sie auch in Dörfern, in denen kleine Höfe dominierten. In Realteilungsgebieten wie im schwäbischen Neckarhausen oder in Rheinhessen versuchten die größeren Landbesitzer durch Heirat innerhalb der eigenen sozialen Schicht dafür zu sorgen, dass der Hof eine ihrem Stand adäquate Betriebsgröße behielt.139 Solche Heiratskreise waren nicht auf Familien von Hofbesitzern beschränkt, sondern waren in Ostschwaben auch bei Handwerkern zu finden.140 In die gleiche Richtung wirkte der im württembergischen Neckarhausen sehr aktive Landmarkt, auf dem die Hofbesitzer eigene Familienmitglieder bevorzugten. So kam es um 1800 zu einer Besitzumschichtung, in deren Folge die Armen immer weniger Land und die Reicheren immer mehr Land besaßen.141 Lebenssituation der unterbäuerlichen Bevölkerung Die Gemeinden schlossen jene Familien, die sich neu in den Dörfern niederließen, seit dem späten 18. Jahrhundert zusehends von der Nutzung der Allmenden aus. In Südniedersachsen und in Südwestdeutschland hatten die Gemeinden den Neusiedlern traditionell das Recht zur Weidenutzung gewährt, wenn Letztere ihnen dafür eine Abgabe zahlten.142 Die westfälischen Heuerlinge konnten die Allmende dagegen nur über das Nutzungsrecht der bäuerlichen Hofbesitzer, die ihnen ihr Haus und Land verpachtet hatten, mit nutzen. Die stark zunehmende Allmendnutzung durch die Heuerlinge dürfte hier die Hofbesitzer dazu bewegt haben, deren Aufteilung anzustreben.143 138 139 140 141 142 143

Troßbach 1993, S. 38–40. Troßbach/Zimmermann 2006, S. 137–140  ; Troßbach 1993, S. 40  ; Mahlerwein 2001, S. 422. Sczesny 2002, S. 278. Sabean, Property 1990  ; Sabean 1998  ; Brakensiek 2003, S. 274 f.; Konersmann 2003, S. 141 f. Prass 1997, S. 94  ; Warde 2002, S. 203. Brakensiek 1990, S. 63  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 124.

Ausweitung der agrarischen Produktion

Auf der anderen Seite versuchten die Angehörigen der unterbäuerlichen Bevölkerung möglichst Land zu erwerben, denn Bodenbesitz verlieh ihnen eine stabilere ökonomische Grundlage und sie errangen dadurch ein höheres soziales Prestige innerhalb der dörflichen Gesellschaft.144 Ansonsten ist die Ökonomie unterbäuerlicher Schichten durch eine Suche nach allen sich bietenden Verdienstmöglichkeiten gekennzeichnet, die Olwen Hufton als Ökonomie des Notbehelfs bezeichnet.145 Die Aktivitäten dieser Ökonomie des Notbehelfs sind in drei Bereichen angesiedelt  : „diverse landwirtschaftliche Aktivitäten, die der Ernährung der Familie dienten, […] Lohnarbeit, die für Geldeinkommen sorgte, […] Marktaktivitäten, für die man unternehmerische Fähigkeiten brauchte […]“.146 Wenn nun gerade Angehörige der unterbäuerlichen Bevölkerung als Motoren agrarischer Innovationen oder ökonomischer Spezialisierungen auftraten, ist zu bedenken, dass sie diese Initiativen meistens aus purer Not heraus ergriffen. Spezialisierung und Verarmung gingen oft Hand in Hand. Durch das Unterlaufen der agrarischen Wirtschaftszusammenhänge leitete die Ökonomie des Notbehelfs eine Auflösung der traditionellen Wirtschaftsund Sozialordnung ein. Dies wirkte sich auch auf die Familien aus. Nach David Sabean stärkte in Neckarhausen der Umstand, dass der männliche Haushaltsvorstand die Familie nicht mehr alleine ernähren konnte, die Rolle der Frauen im innerfamiliären Gefüge, was wiederum zu einer steigenden Zahl von Scheidungen führte.147 Die Allmendflächen spielten in der landesherrlichen Peuplierungspolitik Preußens und Österreichs eine große Rolle. Die Neusiedler erhielten ein Stück Land aus der Allmende, d. h. aus zuvor wüst liegenden Feldmarken oder auf neu gewonnenem Land. Während sich die Altansässigen gegen solche obrigkeitlich angeordneten Neuansiedlungen in vielen Gegenden wehrten, verpachteten sie in anderen Gebieten selbst Häuser und etwas Land an Mitglieder unterbäuerlicher Gruppen, um ihrem steigenden Bedarf an Arbeitskräften zu begegnen.148 Arbeitswanderung Im Laufe des 18. Jahrhunderts machten sich immer mehr Männer, aber auch Frauen auf den Weg zu weit entfernt liegenden Arbeitsstellen. Jährlich wanderten 30.000 Arbeiter nach Holland, im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden weitere Systeme der Arbeitsmigration.149 Nach Süddeutschland kamen Wanderarbeiter aus der Schweiz, Vorarlberg, Tirol und dem Bayerischen Wald, um sich als Gesinde auf den Höfen zu verdingen.150 Ein 144 145 146 147 148 149

Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 200 f.; Prass 1997, S. 75. Hufton 1974, S. 69–127  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 73. Fontaine 2011, S. 28 f. Sabean, Property 1990, S. 157 f.; Troßbach, Beharrung 1998, S. 117 f. Troßbach 1993, S. 37 f. Lucassen/Lucassen 2005, Sp. 550  ; Noflatscher 2002, S. 22 f  ; Bähr/Jentsch/Kuls, Bevölkerungsgeographie 1992, S. 698–701  ; Lucassen 1987. 150 Noflatscher 2002, S. 22.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Abb. 28  : Idyllisierende Darstellung des Kindermarktes in Ravensburg. Kinder armer Familien aus den Alpen und dem Voralpenland wurden hier seit dem 16. Jahrhundert an große Landwirte in Schwaben „verkauft“, bei denen sie unter harten Bedingungen arbeiten mussten.

besonderes Phänomen dieser Region waren die Schwabenkinder, Kinder aus Graubünden, Vorarlberg und Tirol, die im Frühjahr in den reicheren Getreidebaugebieten Schwabens Arbeit als Hütejungen oder bei anderen landwirtschaftlichen Arbeiten suchten.151 Hausierer, Bettler, Arme Schließlich sind noch die Hausierer zu nennen, unter denen auch viele Juden waren, die bis ins 19. Jahrhundert die Dörfer mit Waren aller Art versorgten und deren Angebot sich in dieser Zeit um neue Nahrungs- und Genussmittel erweiterte.152 In Württemberg waren die Händlerzünfte ebenso wie in den anderen Territorien bestrebt, diese Konkurrenz qua obrigkeitlicher Dekrete zu unterbinden. Im Tal der Schwarzwaldgemeinde Wildberg gelang ihnen das auch zum Großteil, was die Hausierer aber nicht davon abgehalten hat, ihren Geschäften weiter illegal nachzugehen.153 In der Markgrafschaft Burgau bei Augs151 Uhlig 1978  ; Noflatscher 2002, S. 33. 152 Bumiller 1993  ; Hinrichsen 1999  ; Endres 1989, S. 53  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 43–66. 153 Ogilvie/Küpker/Maegraith 2011.

Ausweitung der agrarischen Produktion Abb. 29  : Bettler, wie der in dieser Darstellung von Jost Ammann und Hans Sachs aus dem Jahre 1568 dargestellte, gab es in der europäischen Gesellschaft durchgehend seit dem Mittelalter.

burg konnten sich dagegen jüdische Händler etablieren, die nicht nur den Viehhandel, sondern auch einen wesentlichen Teil des Warenhandels und der Kreditgeschäfte in ihren Händen hielten.154 Da die Hausierer wie auch viele Bettler ständig unterwegs waren, und weil sie oft nicht von ihrem Gewerbe leben konnten, war der Übergang zwischen beiden Gruppen fließend.155 Diejenigen Personen und Familien, denen es nicht gelang, in der Landwirtschaft oder einem Gewerbe ein Auskommen zu finden, waren zur Bettelei gezwungen. Während dies bei dem Arbeitskräftemangel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sicher nur sehr selten nötig gewesen sein wird, wurde die Bettelei im 18. Jahrhundert eine ernst zu nehmende ökonomische Option.156 Es wird angenommen, dass in dieser Zeit 3 bis 4% der Bevölkerung vom Betteln lebten.157 Der Anteil der Armen an der Bevölkerung war aber weitaus größer. Je nach zugrundeliegendem Maßstab wird ihr Anteil in Stadt und 154 155 156 157

Ullmann 1999, S. 265–268. Hinrichsen 1999, S. 60 f. Beck 1993, S. 383. Hippel 1995, S. 34.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Land zwischen 10% und über 50% der Bevölkerung geschätzt.158 Allgemein ist zwischen den Ortsarmen, die durch die Gemeinde unterstützt wurden, und den Vaganten zu unterscheiden, die als Bettler über Land zogen. Doch die Grenzen zwischen Dorfbewohnern, die sich mühsam noch selbst versorgten oder auf Fürsorge angewiesen waren, und umherziehenden Bettlern waren fließend.159 1497 erklärte die Reichsgesetzgebung die Versorgung der Armen zur Aufgabe der Gemeinden, die diese seit dem 16. Jahrhundert dem Aufgabenbereich der Kirchengemeinden zuwiesen. Doch bevor Arme die gemeindlichen Einrichtungen um Hilfe bitten konnten, waren ihre Familien und Verwandten gefordert. Das galt für Territorien aller Konfessionen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Pfarrer und örtliche Amtsträger besaßen nicht nur eine Verfügungsgewalt über die Armenfonds. Dadurch, dass sie definieren konnten, wer als Armer galt und wer nicht, übten sie über die Angehörigen der Unterschichten große Macht aus. Diese wurde freilich durch überregional gültige Kriterien für die Anlegung der Armenliste begrenzt.160 Während im Laufe der Frühen Neuzeit auf das Armutsproblem lange Zeit mit einer Mischung aus Fürsorge und Einsperrung reagiert wurde, erfolgte in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine Reorganisation der Armenfürsorge.161 Nun strebten die Obrigkeiten eine Erziehung zur Arbeitsamkeit an. In Armenanstalten und Waisenhäusern sollten sie ein Gewerbe erlernen, mit dem sie sich in Zukunft selbst versorgen konnten. Auch die Industrieschulen im kurkölnischen Westfalen, in Würzburg, Baden und im Umland von Göttingen verfolgten dieses Ziel.162 Den Obrigkeiten gelang es jedoch nicht, die Armutsproblematik auf diesem Wege zu beheben, ja mit der Krise des ländlichen Gewerbes im 19. Jahrhundert sollte sie bis dahin ungeahnte Ausmaße erreichen.

3.2 Regionale Entwicklungspfade 3.2.1 Gutsherrschaftsgesellschaften im Umbruch

Modernisierung der Gutswirtschaft Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Güter unter erheblichen Modernisierungsdruck geraten. Die Familie von Saldern hatte angesichts der drückenden Schulden ihren Besitz beinahe verloren.163 Damit stand sie nicht alleine, denn obwohl das 18. Jahrhundert in der Prignitz im Vergleich zu den vorherigen Epochen von relativer Stabilität in den Besitzverhältnissen der Rittergutsbesitzer geprägt war, häuften sich seit der Mitte des 18. Jahr158 159 160 161 162 163

Jütte 2000, S. 58–64  ; Sabean, Property 1990, S. 160. Hippel 1995, S. 34. Troßbach/Zimmermann 2006, S. 134 f. Jütte 2000, S. 131–137, S. 224–236  ; Hippel 1995, S. 51 f.; Sachße/Tennstedt 1998, S. 125–130. Mende 2007, Sp. 922.; Zimmermann 1983, S. 96–113. Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 635, S. 705.

Regionale Entwicklungspfade

hunderts wieder Verkäufe und Subhastationen (Zwangsversteigerungen) der Güter.164 Die Notwendigkeit, einen ihrem Stand entsprechenden Lebensstandard zu halten, ließ ihre Verschuldung immer weiter ansteigen, und durch die steuer- und militärpolitischen Forderungen Friedrichs II. an den preußischen Adel in den 1750er- und 1760er-Jahren wurde ihre Schuldenlast noch gesteigert.165 So war das Gut Stavenow im Jahr 1738 noch schuldenfrei, aber in den 1760er-Jahren lagen wieder drückende Kredite auf dem Gut.166 Wollten die Gutsbesitzer ihre Güter unter dieser Schuldenlast nicht verlieren, mussten sie deren Bewirtschaftung gewinnbringender gestalten. Im Großen und Ganzen ergriffen die Gutsbesitzer ähnliche Mittel zur Steigerung ihrer Einnahmen, da aber jedes Gut unterschiedliche naturräumliche Voraussetzungen besaß, konnte die konkrete Umsetzung recht unterschiedlich aussehen. Zudem passten sie ihre Wirtschaft dem sich verändernden Marktgeschehen an. Dieses verlagerte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts, Hamburg war nur noch für die nahe der Elbe gelegenen westlichen Teile der Prignitz ausschlaggebend, während die Gutsbesitzer in den übrigen Bezirken sich stärker am rasch wachsenden Berliner Markt zu orientieren begannen.167 Als Voraussetzung für eine ungehinderte Einführung neuer Produktionsmethoden forderte Friedrich II. die Gutsherren 1752 zur Separation des Gutslandes vom Bauernland auf, damit geschlossene Besitzkomplexe entstanden.168 In den Gütern und Vorwerken Plattenburg-Wilsnacks begannen die Separationen 1770 und sind vor den Agrarreformen abgeschlossen worden  ; auf Stavenow erfolgte die vollständige Separation – nach einem ersten Versuch 1791/92 – erst 1811.169 In der Folge führten die Gutsbesitzer und ihre Verwalter Meliorationsmaßnahmen durch, legten Drainagen und Bewässerungsanlagen an, mit denen sie die Bodenqualität verbesserten. Ferner erleichterte die Ablösung der Weiderechte die Einführung neuer Fruchtfolgen. 1740 führte der Verwalter des Guts Stavenow bereits die Koppelwirtschaft mit elf Feldern ein. Von den elf Feldern ließ er drei mit Wintergetreide bebauen, zwei mit Sommergetreide, fünf ließ er als Wiesen nutzen und eines ließ er brach liegen.170 Nach 1750 führten auch die Besitzer und Verwalter der übrigen Güter in der Prignitz die Koppelwirtschaft ein, wobei sie die Feldfolge entsprechend der Bodengüte ausgestalteten.171 Durch die Vermehrung des anfallenden Futters konnten sie den Viehbestand erhöhen, die Stallfütterung einführen und den Düngerertrag steigern, wodurch sie eine Steigerung der Getreideerträge erreichten. In dieser Region war der natürliche Wiesenwachs jedoch so stark, dass man kaum Klee anbaute, wie auch allgemein neue Pflanzen auf den Gutsbetrieben marginal blieben. 164 165 166 167 168 169 170 171

Enders 2000, S. 694, S. 946. Hagen 2002, S. 282, S. 596  ; Enders 2000, S. 946. Hagen 2002, S. 284, S. 309 f. Enders 2000, S. 963 f. Enders 2000, S. 965  ; Müller 1967, S. 60 f. Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 650 f., S. 705  ; Hagen 2002, S. 196 f., S. 594. Hagen 2002, S. 314. Enders 2000, S. 966 f.; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 644 f.

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Im gutsherrlichen Ackerbau dominierte weiterhin der Getreidebau.172 Der Verwalter des Guts Stavenow nutzte im späten 18. Jahrhundert die gute Konjunktur und dehnte den Getreideanbau aus, während der Anteil der Einnahmen aus der Viehwirtschaft zurückging. Durch eine Steigerung der Bodenerträge und eine Erhöhung der Aussaat erntete er bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts deutlich mehr Getreide.173 Diese Entwicklung war nicht überall zu finden. Im Gutsbezirk Plattenburg-Wilsnack dehnte zwar auch der Verwalter des Vorwerks Zernikow den Getreidebau aus, aber in den übrigen Gutsbetrieben dominierte weiterhin die Viehzucht.174 Hier suchten die Gutsverwalter noch andere Einkommensmöglichkeiten zu nutzen. So begannen sie in Plattenburg-Wilsnack eine kommerzielle Gartenwirtschaft aufzubauen.175 Ferner trieben die Besitzer und Verwalter von Gütern die Anlage von Vorwerken und die Ansetzung von Kolonisten auf bisher wüst liegenden Feldmarken weiter voran. Nach 1750 siedelten sie in der Prignitz 77 wüste Feldmarken auf. Zusammen mit den bereits nach 1648 betriebenen Siedlungsmaßnahmen führte dies dazu, dass sich in der Prignitz im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Siedler aus Mecklenburg, Sachsen, Hannover, der Pfalz und der Schweiz niederließen. Die neu besiedelten Feldmarken hatten allerdings nur nominell wüst gelegen und wurden zumeist von umliegenden Dörfern bewirtschaftet, sodass die Anwerbung von Kolonisten zu Auseinandersetzungen mit den bisherigen Nutzern führte.176 Im Gutsbezirk Stavenow erfolgte ab 1752 die Ansiedlung von 23 „ausländischen“ Familien in der Feldmark Dargardt.177 In Gutsbezirk Plattenburg-Wilsnack nahmen die Gutsbesitzer dagegen eine innere Umstrukturierung vor. Sie gestalteten die im vorangehenden Jahrhundert bereits existierenden bzw. neu entstandenen Vorwerke zu insgesamt vier geschlossenen Betriebseinheiten um und bauten einzelne Vorwerke zu neuen Rittersitzen aus.178 Belastungen der Gutsuntertanen und Beschäftigung von Tagelöhnern Heinrich Kaak hat kürzlich darauf hingewiesen, dass nicht jede ökonomische Umstellung als Zeichen eines gesteigerten Reformwillens zu interpretieren ist. Das betraf die ökonomischen Umstellungen selbst wie auch ihren sozialen Aspekt. Die Gutsbesitzer waren trotz ökonomischer Umstellungen vielfach nicht willens, ihre Untertanen aus dem feudalen Abhängigkeitsverhältnis zu entlassen. Ferner erfolgten agrarische Modernisierungen in den Gutsbetrieben vielfach zu Lasten der Bauern.179 Dies zeigt auch die Umsetzung 172 173 174 175 176 177 178 179

Hagen 2002, S. 314 f., S. 610 f.; Enders 2000, S. 961. Hagen 2002, S. 598–600. Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 640–642. Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 654. Enders 2000, S. 965, S. 969 f.; Troßbach, Beharrung 1998, S. 135 f. Hagen 2002, S. 186. Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 638, S. 707, S. 709. Kaak 2011, S. 14–17.

Regionale Entwicklungspfade

agrarischer Innovationen auf den Gütern der Prignitz. Bei den Separationen erhielten die Hofbesitzer oft schlechteres Land und die Gutsherren verlangten von ihnen mehr Dienste. Um der uneffektiven Ausführung der Frondienste zu begegnen, forderten die Gutsbesitzer zudem eine bessere Arbeitsmoral.180 Aber die Bauern setzten sich gegen diese neuen Zumutungen so vehement zur Wehr, dass es zu erbitterten Konflikten zwischen Untertanen und Gutsherren bzw. deren Personal kam.181 Die Gutsbesitzer begannen Tagelöhner zu beschäftigen, deren Familien sie mit wenig oder keinem Landbesitz auf ihrem Gut oder in den Dörfern ansiedelten und für die sie auch neue Wohnungen bauten.182 Der Anteil der Familien mit geringem oder ohne Landbesitz, die sowohl auf Gütern als auch von Hofbesitzern als Tagelöhner beschäftigt wurden, wuchs erheblich an. Ende des 18. Jahrhunderts zählten weit über 50% der Landbewohner Brandenburgs zu diesen Büdner- und Einliegerfamilien.183 Die zunehmende Beschäftigung von Tagelöhnern führte aber nicht zum Verzicht auf Frondienste. Diese waren bis ins frühe 19. Jahrhundert noch ein zentraler Bestandteil der Gutswirtschaften, weshalb es in der Prignitz 1808 und 1811 abermals zu Konflikten zwischen Untertanen und Gutsbesitzern kam.184 Bürgerliche Gutsverwalter Die adeligen Gutsbesitzer waren vielfach von den neuen Aufgaben überfordert. Wo sie dies nicht zuvor schon getan hatten, wie z. B. auf Stavenow, verpachteten sie deshalb ihre Besitzungen an professionelle Verwalter aus dem Bürgertum. Sowohl mit diesem Rückzug der adeligen Gutsbesitzer aus der Bewirtschaftung ihrer Güter und ihrer Übertragung an Verwalter, die sich an neuesten Wirtschaftstheorien orientierten, als auch mit den damit verbundenen Neuerungen setzte der Übergang von einer Feudalwirtschaft zu einer kommerzialisierten Landwirtschaft ein. Dies zeigt sich in Stavenow und Plattenburg-Wilsnack u. a. an den veränderten Einnahmestrukturen. Der Anteil der auf feudalen Rechten beruhenden Einnahmen ging zugunsten der Einkünfte aus dem Eigenbetrieb zurück.185 Die Gutswirtschaften erwiesen sich als flexible Systeme, die entsprechend der jeweiligen Zusammenhänge die vorhandenen Ressourcen und Spielräume nutzen konnten. Diese Zusammenhänge wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts jedoch so kompliziert, dass professionelle Verwalter die Leitung der Güter in die Hand nehmen mussten. Ihr Erfolg hing von ihrer Fähigkeit ab, zwischen widerspenstigen Untertanen und anspruchsvollen Gutsbesitzern zu lavieren.

180 181 182 183 184 185

Hagen 2002, S. 290  ; Enders 2000, S. 965 f. Hagen 2002, S. 524–592  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 711–717  ; Enders 2000, S. 1023. Hagen 2002, S. 314, S. 600. Harnisch 1984, S. 283  ; Müller 1967, S. 79 f. Hagen 2002, S. 606. Hagen 2002, S. 600  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 637.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Untertanen als Pächter von Vorwerken und Gütern In Plattenburg-Wilsnack pachteten die Hüfner aus Groß-Leppin gemeinsam das Vorwerk Zernikow.186 Das entsprach einer allgemeinen Tendenz der Bauern in der Prignitz, Güter, auf denen sie selbst Dienste leisten mussten, in Pacht zu übernehmen.187 Die neuen Pächter führten auf dem Vorwerksland wohl überlegte Wirtschaftsmethoden ein. Zernikow, das bis dahin die Funktion eines Großbetriebs für Viehwirtschaft besaß, entwickelte sich nun zur Kornkammer der Plattenburg. Die bäuerlichen Pächter erwarben zusätzliches Ackerland und setzten Tagelöhner an. Darüber hinaus spielte das Vorwerk bei der Einführung neuer Feldsysteme eine Vorreiterrolle. Schon die Pächter im 17. Jahrhundert hatten seine Felder in Koppeln eingeteilt, 1740 praktizierten sie auf fünf Feldern bereits eine reine Fruchtwechselwirtschaft, während sie auf sechs weiteren Feldern noch Brachjahre einschoben.188 Dieses Beispiel zeigt, dass Bauern zum einen über genug Kapital verfügen konnten, um ein Gut zu übernehmen, und dass sie zum anderen die neuen Methoden anzuwenden wussten. Auf ihren eigenen Feldern besömmerten sie die Brache, d. h. sie führten eine Art Zwischenfruchtbau ein, und legten Koppeln an. Wenn die bäuerlichen Hofbesitzer in Brandenburg nach der Separation ihrer Felder von den Gutsäckern in der Regel wieder die Dreifelderwirtschaft einführten, zeugte dies nicht von ökonomischer Rückständigkeit sondern von einem geringeren ökonomischen Spielraum, durch den sie Neuerungen nicht genauso schnell und umfassend einführen konnten wie die Güter. Ökonomischer Wandel auf den Höfen der Gutsuntertanen Ebenso wie die Güter spezialisierten sich die Inhaber der Bauernhöfe, je nach den naturräumlichen Gegebenheiten, auf Ackerbau oder Viehzucht. Da der Ackerbau in der Prignitz nicht sehr ergiebig war, mussten die Höfe recht groß sein, damit ihre Betreiber für den Markt produzieren konnten. Das ausgedehnte Grünland an Elbe und Elde ermöglichte eine gute Viehzucht, während auf den höher gelegenen Gebieten Grünlandmangel herrschte.189 Die Hofbesitzer führten vielfältige Meliorationen durch, mit denen sie die Ackerbauerträge steigerten. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts lag der mittlere Körnerertrag des Roggens bei einem Wert von 3 bis 4  ; allerdings reichte der Körnerertrag je nach Bodengüte von 1,5 bis 7. Bis 1800 konnten die Hofbesitzer ihn allgemein auf einen Wert von 4 bis 6 steigern.190 Obwohl sie weitgehend an der Dreifelderwirtschaft festhielten, die sie aber in ihrer „verbesserten“ Form mit besömmerter Brache praktizierten, war ihre 186 187 188 189 190

Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 643. Enders 2000, S. 971, S. 1011. Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 643–645. Enders 2000, S. 1001  ; Hagen 2002, S. 33, S. 189. Hagen 2002, S. 32 f.

Regionale Entwicklungspfade

Abb. 30  : Im Laufe des 18. Jahrhunderts verpachteten Gutsbesitzer und -pächter ihre Vorwerke wie das hier in einer Handzeichnung von 1730 abgebildete Gut Zernikow auch an Untertanen. Andere Vorwerke dienten hingegen dem weiteren Ausbau der Gutswirtschaft.

Ackerbauproduktion im Vergleich zu den Gütern vielgestaltiger. Ab den 1770er-Jahren ist Klee nachweisbar, ab den 1780er-Jahren begann man Kartoffeln in größerem Maßstab anzubauen. Hinzu kam noch der Anbau von Hopfen und Obst. Überschüsse verkauften die Hofbesitzer in den brandenburgischen Städten, wobei Berlin als Absatzmarkt v. a. für Obst zunehmend an Bedeutung gewann.191 Auch sie orientierten ihre Produktion an den Entwicklungen des Marktes.192 Als sich die Getreidepreise ab den 1790er-Jahren günstig entwickelten, begannen auch Bauern mehr Weizen anzubauen.193 Ebenso war die Ausdehnung des Anbaus und der Weiterverarbeitung von 191 Enders 2000, S. 1001–1003  ; Hagen 2002, S. 195–214. 192 Enders 2000, S. 1003  ; Peters, Märkische Lebenswelten 2007, S. 654. 193 Harnisch 1984, S. 49 f.

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Flachs, die hier nicht die Inhaber kleiner Stellen, sondern die Inhaber größerer Höfe betrieben, eine Reaktion auf die sich verändernde Marktnachfrage. Durch den Ausbau der preußischen Armee stieg deren Bedarf an Textilien, die sie zu einem großen Teil durch die Produktion aus der Prignitz deckte.194 Die ländliche Ökonomie war somit in das Marktgeschehen eingebunden  ; manche Hofbesitzer verdienten auf dem sich ausweitenden Binnenmarkt genügend Geld, um Güter zu pachten oder gar zu kaufen und um gegenüber Adeligen sogar als Geldleiher aufzutreten. Abgesehen von dieser günstigen ökonomischen Entwicklung erreichten viele Hofbesitzer der Prignitz auch eine Verbesserung ihrer rechtlichen Situation. Es gelang ihnen, ihre Höfe in Erbpacht zu übernehmen und die Zwangsdienste in Dienstgeld umzuwandeln.195 Diese ersten Schritte zu ihrer Befreiung aus feudalrechtlichen Bindungen deuten darauf hin, dass sich der gutsherrschaftliche Verband in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufzulösen begann. Auf der anderen Seite weist Heinrich Kaak darauf hin, dass die Gutsherrschaft Ende des 18. Jahrhunderts noch große Vitalität besaß.196 Bisher richtete die Forschung ihr Augenmerk v. a. auf den Übergang zu einer Gutswirtschaft ohne Frondienste, auf der Basis der Beschäftigung von Tagelöhnern.197 Darüber hinaus muss in Zukunft nach der Auflösung des Herrschaftssystems insgesamt gefragt werden. Die Auflösung persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse und der immer stärker werdende Widerstand gegen die Zwangsdienste198 weisen in diese Richtung. Die bäuerlichen Stelleninhaber erlangten größere Handlungsspielräume, doch letztlich wurde das Gutsherrschaftssystem erst im Zuge der Agrarreformen im 19. Jahrhundert aufgelöst. Um 1800 bestimmte es weithin das Leben des größten Teils der Landbevölkerung in Brandenburg. 3.2.2 Ostwestfälisches Leinengewerbe und kapitalistische Landwirtschaft

Dynamik des protoindustriellen Leinengewerbes Ab ca. 1770 erfuhr die ökonomische und soziale Entwicklung in der preußischen Provinz Minden-Ravensberg eine starke Dynamisierung, die eng damit zusammenhing, dass Leinwand nun auch in den Niederlanden, England, Frankreich, Russland und schließlich in Amerika verkauft wurde, was einen erheblichen Aufschwung des Textilgewerbes zur Folge hatte.199 Verschiedene Veränderungen innerhalb der Produktion erhöhten die Attraktivität der Ravensberger Leinwand. Nach 1750 erfolgte eine Standardisierung der Produkte und die Kaufleute begannen auf der Grundlage von Musterbüchern auf Bestellung zu 194 195 196 197 198 199

Enders 2000, S. 1007–1009. Enders 2000, S. 1000 f. Kaak 2011, S. 16. Troßbach 2003, S. 35–37. Enders 2000, S. 1030–1035. Mager 1982, S. 463.

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liefern. Zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit ihrer Produkte führten die Bielefelder Kaufleute die holländische Bleichmethode ein.200 Die Ausweitung der protoindustriellen Leinenproduktion war von einem starken Bevölkerungsanstieg begleitet  : Von 1763 bis 1831 verdoppelte sich in ganz Minden-Ravensberg die Bevölkerung.201 Zahlreiche neue Stellen mit geringer oder ohne Landausstattung wurden gegründet. Hofbesitzer setzten auf ihrem Land Siedler als Arröder oder als Erbpächter an, die ihnen als Gegenleistung bei der Arbeit helfen mussten. Hinzu kamen zahlreiche Mieter-Heuerlinge. Im Unterschied zu den traditionellen Pächter-Heuerlingen mieteten sie nur ein kleines Haus (Kotten) und besaßen kein Land, mussten dafür aber auch nicht für den Hofbesitzer arbeiten. Sie lebten nicht mehr von einer Mischökonomie aus Landwirtschaft und Textilherstellung, sondern waren vollständig von ihrem gewerblichen Einkommen abhängig. Solange sich das Leinengewerbe in einer günstigen Konjunktur befand, mochten sie sich in einer ökonomisch und sozial günstigeren Position befunden haben als die traditionellen Pächter-Heuerlinge, weil sie bei größerer persönlicher Freiheit höhere Einnahmen erzielten.202 Die Entstehung einer großen Schicht solcher Mieter-Heuerlinge wurde durch eine vertikale Arbeitsteilung innerhalb des Leinengewerbes möglich. Während in den umliegenden westfälischen Gegenden sämtliche Arbeitsschritte vom Anbau und der Ernte des Flachses über das Spinnen bis zum Weben innerhalb einer Familie erfolgten, wurden diese Arbeitsschritte im Bielefelder Umland so aufgeteilt, dass viele Familien nur vom Spinnen oder nur vom Weben lebten.203 Die rein gewerbliche Einkommensmöglichkeit löste die MieterHeuerlinge aus der traditionellen Einbindung in die agrarischen Gesellschaftsstrukturen heraus und erlaubte es ihren Kindern, eine eigene Familie zu gründen. Das ermöglichte wiederum das außergewöhnlich rasche Wachstum dieser Bevölkerung. Die These, dies habe zu einem eigenen demografischen Verhalten der protoindustriellen Bevölkerung mit früheren Heiraten und größeren Kinderzahlen geführt,204 wurde mittlerweile relativiert. Zwar ließ sich in einigen Gegenden wie z. B. dem Züricher Umland ein eigenes demografisches Verhalten der protoindustriellen Bevölkerung nachweisen. Es wurde hier durch besondere Bedingungen wie ein Vorherrschen der Garnspinnerei, das Arbeiten der Spinner für Stücklohn und die geringe Ausprägung kommunaler agrarischer Nutzungsformen gefördert. In anderen Regionen – auch in Minden-Ravensberg – unterschieden sich die demografischen Muster der protoindustriellen Landbevölkerung aber nicht von jenen der agrarischen Bevölkerung. Bei genauer Betrachtung erweisen sich Heiratsverhalten und Gebürtlichkeit innerhalb der Landbevölkerung als so vielfältig, dass eine Unterscheidung zwischen agrarischer und protoindustrieller Verhaltensweise nicht sinnvoll erscheint.205 200 Ebeling/Mager 1997, S. 25  ; Flügel 1997, S. 97. 201 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 84. 202 Mager 1982, S. 469. 203 Schlumbohm 1979, S. 290. 204 Kriedte/Medick/Schlumbohm 1977. 205 Kriedte/Medick/Schlumbohm 1992, S. 73–87  ; Pfister, Fabriques 1992, S. 511.

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Konflikte um agrarische Ressourcen und Allmendteilungen Die Hofbesitzer waren in den Dörfern zahlenmäßig eine Minderheit geworden, die unterbäuerliche Bevölkerung, die von einem agrarisch-gewerblichen Mischeinkommen oder ganz vom Gewerbe lebte, bildete die Mehrheit.206 Das führte zu einem starken Druck auf die vorhandenen Ressourcen. Der Landhunger der unterbäuerlichen Schichten war enorm und sie nutzten die Allmenden in erheblichem Maße. Dadurch waren die Ravensberger Hofbesitzer bereits früh bereit, Agrarreformen mitzutragen. Seit den 1770er-Jahren kam es in Ravensberg auf Initiative der preußischen Beamten und mit Unterstützung der Inhaber großer Höfe zur Markenaufteilung. Die Marken umfassten um 1770 fast ein Viertel der Gesamtfläche der Grafschaft Ravensberg, wobei jedoch große regionale Unterschiede zu verzeichnen waren.207 Die Marken bildeten also eine bedeutende Landressource, die die preußischen Behörden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer intensiveren Nutzung zuführen wollten, um die Produktivität der Landwirtschaft zu steigern. Die Inhaber großer Höfe griffen diese Initiative auf, auch um die auf die Allmendflächen drängenden unterbäuerlichen Schichten von ihrer Nutzung auszuschließen und sich das Land zu sichern. Gegen diese Allmendteilungen wehrten sich die Angehörigen der unterbäuerlichen Schichten, weil sie die Möglichkeit zur Haltung einer eigenen Kuh einbüßten. Der Adel stand diesen Privatisierungen ebenfalls ablehnend gegenüber, drohten sie doch, ihn um Einnahmen und Herrschaftsrechte zu bringen.208 Gegen diese vielfältigen Widerstände wurde der größte Teil der Marken in Ravensberg bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts aufgeteilt. Hauptnutznießer waren die Inhaber großer und mittlerer Höfe, denn sie erhielten 81,8% des privatisierten Bodens.209 Die großen Verlierer waren die Heuerlinge. Sie waren auf die gemeinschaftlichen Weideflächen dringend angewiesen, um ihr Vieh zu ernähren, und hatten kein verbrieftes Recht auf die Nutzung der Allmenden, denn sie partizipierten nur an dem Nutzungsrecht der Hofbesitzer, von denen sie ein Stück Land gepachtet hatten.210 Ob und in welcher Weise sie nun für den Verlust der Weidefläche entschädigt wurden, hing von den Verhandlungen mit „ihrem“ Hofbesitzer ab. Der Verlust dieser zentralen Grundlage ihrer agrarischen Existenz führte im Vormärz zu erheblichen sozialen Konflikten, die sich u. a. in einem Ansteigen der Holzdiebstähle als einer indirekten Form sozialen Protestes ausdrückte.211 Die Hofbesitzer setzten auf den geteilten Flächen viele Neusiedler an.212 Das starke Anwachsen der protoindustriellen Bevölkerung und damit der Aufschwung des Leinenge206 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 41. 207 Brakensiek 1991, S. 34. 208 Brakensiek 1991, S. 57 f.; Brakensiek 1990, S. 62–64. 209 Brakensiek 1991, S. 117. 210 Brakensiek 1990, S. S. 63. 211 Mooser, Furcht 1984, S. 58–62. 212 Brakensiek 1991, S. 156–158.

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werbes nach 1770 waren erst durch diese Neuansiedlungen möglich. Das Wachstum der unterbäuerlichen Bevölkerung verstärkte den innerdörflichen Markt, die Nachfrage nach Nahrungsmitteln stimulierte wiederum die agrarische Produktion. Insofern profitierten die Hofbesitzer in zweifacher Weise von der Entwicklung nach 1770  : Durch die Ansetzung neuer Siedler nahmen sie Pachtgeld ein und durch die steigende Nachfrage wuchsen ihre agrarischen Einnahmen.213 Intensivierung der Landwirtschaft Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen und des gewerblichen Sektors regte die Hofbesitzer zu einer Intensivierung der Landwirtschaft an. Bis ins 19. Jahrhundert hinein dominierte zwar der Getreideanbau, aber der Anbau von Hanf und Flachs machte eine sorgfältigere Ackerbestellung nötig, die Fruchtfolge wurde hierdurch vielfältiger und die besonders sorgfältige Bodenbearbeitung unterdrückte das Unkraut.214 Somit setzte die agrarische Intensivierung bereits vor den Agrarreformen ein. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts besömmerten die Hofbesitzer die Brache weitgehend, wobei der Grad der Intensivierung von den naturräumlichen Bedingungen abhing.215 Im 19. Jahrhundert setzen sie die Gewinnung von Kulturland durch Rodung von Neuland und Meliorationen weiter fort, allerdings hielt sich der Produktivitätszuwachs durch die geringe Bodenqualität des neu kultivierten Landes in Grenzen. Letztlich blieben die grundlegenden Strukturmerkmale der ravensbergischen Landwirtschaft bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten.216 Nach den Markenteilungen begannen die Hofbesitzer die Stallfütterung des Rindviehs einzuführen, sie kultivierten die Weiden besser und bauten Klee an. Zwar trat der anfangs befürchtete Rückgang der Viehzahlen durch die Umstellung der Futtergrundlage zunächst nicht ein, aber nach 1800 gingen die Viehbestandszahlen stark zurück. Die Agrarreformer hatten die Tragfähigkeit der neuen Methoden überschätzt und mit den steigenden Bevölkerungszahlen traten die Ernährung von Tieren und von Menschen in Konkurrenz zueinander.217 Aufgrund der intensiveren Tierhaltung konnten die Hofbesitzer die Menge des angebauten Getreides zwar steigern, aber diese Ertragssteigerung hielt nicht mit dem Anstieg der Bevölkerungszahlen Schritt. Daher musste Getreide aus Nachbarregionen eingeführt werden. Das galt v. a. für die südlichen Teile der Grafschaft Ravensberg mit überwiegend sandigen Böden, in denen nur ein kärglicher Ackerbau möglich war und die Menschen von der Feinspinnerei lebten.218 Der Getreideanbau lag in den Händen der mittleren und größeren Höfe, die Inhaber kleiner Stellen und die Heuerlinge betrieben eine intensive 213 Brakensiek 1991, S. 178. 214 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 55  ; Brakensiek 1991, S. 107. 215 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 54. 216 Brakensiek 1991, S. 176 f.; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 130. 217 Brakensiek 1991, S. 171–173  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 57. 218 Brakensiek 1991, S. 102  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 60 f.

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Spatenkultur mit dem Anbau von Kartoffeln und Gemüse, um von dem kleinen Landstück leben zu können. Insofern waren Inhaber kleiner Stellen und Heuerlinge die ersten Träger der agrarischen Intensivierung. Der mit dieser Intensivierung verbundene enorme Arbeitsaufwand war nur möglich und sinnvoll, weil ausreichend Arbeitskräfte vorhanden waren, die den Boden bewirtschafteten, um sich selbst zu versorgen.219 Mit dem Wachsen des regionalen Marktes wandten sich dann auch die Inhaber größerer Höfe intensiveren Anbaumethoden zu, um ihre Erträge zu steigern.220 3.2.3 Südniedersachsen – der langsame Wandel der Ökonomien mittlerer und kleiner Höfe in einer Mittelgebirgsregion

Rahmenbedingungen agrarischen Wirtschaftens In den Mittelgebirgslandschaften, die vom südlichen Niedersachsen über Hessen und Thüringen, bis nach Franken, Baden und in die Pfalz reichen, befand sich eine überwiegend klein- und mittelbetriebliche Landwirtschaft. Diese war nicht in gleicher Weise wie die großen Güter oder das ländliche Gewerbe in ein überregionales Marktgeschehen eingebunden, sondern in erster Linie auf die Versorgung der dort lebenden Menschen ausgerichtet. Im südniedersächsischen Berg- und Hügelland gab es neben den umfangreichen Bergregionen mit oft nur geringer Bodenfruchtbarkeit eine Reihe von Flusstälern mit fruchtbaren Böden und im Norden schlossen sich die äußerst ergiebigen Böden der Lößbörde an. Neben den Inhabern kleiner und mittlerer Höfe (Köter) lebte in den Dörfern noch eine kleine Gruppe von Besitzern recht großer Höfe (Meier). Die Mehrzahl der Hofbesitzer besaß nicht genug Land, um alleine von der Landwirtschaft zu leben und war auf eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit angewiesen, Mischökonomien waren hier also der Normalfall. Diese Sozialstruktur ist seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar. Der starke Zuwachs der kleinen Stellen resultierte aus der Teilbarkeit des zu den Hofstellen gehörenden Landes und der Reiheberechtigung, d. h. dem politischen Mitspracherecht in der Gemeinde und der Berechtigung zur Nutzung der Allmenden.221 Daneben lebte noch eine steigende Zahl von Häuslingsfamilien auf dem Land. Viele besaßen nur ein Haus, aber ein Großteil konnte etwas Landbesitz erwerben, den sie beständig zu vergrößern trachteten.222 Entwicklung der Landwirtschaft In dieser Region dominierte der Ackerbau mit Dreifelderwirtschaft. Die Hofbesitzer hatten das zum Ackerbau nutzbare Land im 18. Jahrhundert bereits weitgehend kultiviert, 219 Brakensiek 1991, S. 178  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 61. 220 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 131–142. 221 Berkner 1967, S. 81–84. 222 Mittelhäußer 1980  ; Prass 1997, S. 75 f.

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die Allmenden nahmen nur noch einen relativ geringen Anteil der vorhandenen Fläche ein. Es bestanden also keine großen Reserven für eine weitere Ausdehnung des Ackerlandes mehr. Im Weserbergland hatte die Bevölkerung bereits Grenzböden unter den Pflug genommen, die sie im 18. Jahrhundert wieder aufgab, als sie mit dem Anbau und der Verarbeitung von Flachs eine lukrativere Einkommensmöglichkeit fand.223 Die Hofbesitzer konnten ihre Ackerfläche nur über die Besömmerung der Brache ausweiten. Diese war bereits weitgehend üblich, doch sie konnte nicht unbegrenzt ausgedehnt werden. Zum einen eignete sich der Boden unter den gegebenen anbautechnischen Voraussetzungen nicht zu einer vollständigen Brachbesömmerung, zum anderen untersagte die Calenberger Zehntordnung ihre allzu starke Ausweitung. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatten sie die Brachbesömmerung trotzdem oft auf ein Drittel der Fläche und mehr ausgedehnt.224 Wichtigste Brachfrüchte waren die Leguminosen, außerdem erlebte von 1770 bis 1820 der Kartoffelanbau einen rasanten Anstieg. Die Hofbesitzer im Bergland um Göttingen und Northeim, die Böden von geringerer Qualität besaßen, begannen das Getreide durch den Anbau von Kartoffeln zu ersetzen, während sie in der fruchtbaren Leinetalsenke Kartoffeln zur Ergänzung des Getreidebaus anpflanzten. Nur in dem vor den Toren Göttingens liegenden Dorf Weende, in dem um 1800 die intensivste Landwirtschaft der Region gepflegt wurde, übertraf der Anbau der Kartoffeln den Anbau des Getreides. Ansonsten wurde der Ackerbau weiterhin durch den Getreidebau bestimmt. Besondere Bedeutung erlangte noch der Anbau von Tabak, auf den sich eine Reihe von Hofbesitzern in fruchtbaren Gegenden spezialisierte.225 Im Laufe des 18. Jahrhunderts begannen Besitzer von Höfen und von Gütern bereits mit dem Anbau von Futterkräutern, aber dieser war zu Beginn des 19. Jahrhunderts von geringerer Bedeutung als der Kartoffelanbau. Die Intensivierung des Ackerbaus betrieben sie über den Anbau von Leguminosen und Kartoffeln, die sie auch an Tiere verfütterten. Dadurch konnten die Hofbesitzer ihren Viehbestand steigern und erste Schritte zur Einführung der Stallfütterung unternehmen. Die größeren Herden erlaubte es ihnen, das Land besser zu düngen und dadurch das Brachfeld einzuschränken. Daher ist nicht nur bei den Gütern – wie Saalfeld annahm – sondern auch auf den Höfen eine deutliche Zunahme der Getreideerträge zu konstatieren. Achilles stellt allerdings fest, dass nur die großen Höfe durch diese günstige Entwicklung ihre Einnahmen steigern konnten.226 Selbstversorgung und Marktproduktion Die agrarische Produktion reichte im Bergland nur zur Selbstversorgung. In einigen naturräumlich besonders benachteiligten Dörfern musste die Bevölkerung noch Getreide zukaufen. 223 Saalfeld 1960, S. 87  ; Prass 1997, S. 90. 224 Prass 1997, S. 80 f. 225 Prass 1997, S. 82–84, S. 198–202. 226 Saalfeld 1960, S. 94–97, S. 105 f.; Achilles 1982, S. 129–135.

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Die Hofbesitzer in den Dörfern der Leinetalniederung, die dank der besseren Ackerböden ihr Land intensiver bewirtschaften konnten, verkauften bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Überschüsse an die umliegenden Städte, die einen hohen Nahrungsmittelbedarf hatten. Ein Großteil der Überschüsse des Ackerbaus kaufte jedoch die landarme und landlose Bevölkerung in den Dörfern. Einen noch höheren Intensivierungsgrad erreichten die Betriebe in der braunschweigischen Lößbörde, die 90% der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Acker nutzten und in denen um 1800 die ganzjährige Stallfütterung bereits üblich war.227 Wichtigste Marktproduzenten dieser Regionen waren die adeligen Güter und landesherrlichen Domänen, die ihr Getreide auch ins benachbarte „Ausland“, ins Herzogtum Braunschweig und Fürstentum Hildesheim verkauften.228 Eine der wichtigsten Grund­ lagen für die Steigerung der Getreideerträge auf den Gütern war die Schafhaltung, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts stark zunahm. Der von den Schafen gelieferte Dünger steigerte die Fruchtbarkeit erheblich und war daher bei den Landwirten der Region sehr beliebt. Angeregt wurde der Aufschwung der Schafhaltung durch die steigenden Wollpreise. Sie veranlassten die Besitzer und Pächter der großen Güter, ab 1764 spanische Merinoschafe einzuführen, um die Qualität der Wolle zu steigern.229 Die Bauern hatten allenfalls das Recht, ihre Schafe unter die Gutsherde zu treiben, weshalb sie ihre kleinen Schäfereien nicht zur Düngung ihres Landes nutzen konnten. Agrarische Intensivierung auf mittleren und kleinen Höfen Die Hofbesitzer, insbesondere die Inhaber kleiner Höfe, besaßen nur einen begrenzten ökonomischen Bewegungsspielraum, zumal ihr wichtigstes Ziel nicht die Erzielung eines möglichst großen Gewinns sondern die Sicherung ihrer Existenz war. Bei der Einführung agrarischer Neuerungen gingen sie daher wohl überlegt und nur in kleinen Schritten vor. Dennoch sind seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vielfach Tendenzen zur Intensivierung des Ackerbaus festzustellen, die im Laufe des frühen 19. Jahrhunderts noch an Intensität gewannen.230 Die Inhaber kleiner Höfe waren bestrebt, die Nutzung der Ackerflächen mittels Hackfruchtbau zu intensivieren und auch bisher gemeinschaftlich genutztes Land einer intensiveren Flächennutzung zuzuführen. Das war nur auf Kosten der Weiderechte auf Allmendflächen und Äckern möglich, was wiederum den Interessen der Inhaber größerer Höfe widersprach. Diese versuchten eine Intensivierung über die Vergrößerung ihrer Viehherden zu erreichen, die sie – auf Kosten der kleineren Besitzer – auf den kommunalen Weideflächen weiden ließen. Aus diesen unterschiedlichen Intensivierungswegen resultierten zahlreiche Konflikte innerhalb der Gemeinden. 227 Prass 1997, S. 85 f., S. 209  ; Saalfeld 1960, S. 103–105. 228 Prass 1997, S. 86 f. 229 Prass 1997, S. 88  ; Saalfeld 1960, S. 90 f. 230 Prass 1997, S. 100–105, S. 214–228.

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Die Gemeindemitglieder reduzierten die Weiderechte anderer Dörfer und Güter auf ihren Feldern im 18. Jahrhundert bereits Schritt für Schritt, ohne dabei jedoch das traditionelle Nutzungssystem vollständig aufzuheben. Auch wenn die Hofbesitzer im 18. Jahrhundert bereits begannen, zur Stallfütterung überzugehen, besaßen sie meistens nicht die Möglichkeit, die ganzjährige Stallfütterung einzuführen. Hierfür wären Investitionen zur Ausweitung des Futterkräuterbaus und zum Bau neuer Ställe nötig gewesen, zu denen sie nicht in der Lage waren, weshalb sie nur allmählich begannen, dem Vieh mehr und mehr Futter im Stall zu geben, ohne dabei auf den Weidegang zu verzichten.231 Doch noch ein weiterer Aspekt stand einer konsequenten Intensivierung des Ackerbaus bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts entgegen. Um intensivere Anbaumethoden zu ermöglichen, versuchten mehrere Gemeinden im Umland von Göttingen und Northeim die Weiderechte benachbarter Gemeinden und Güter auf ihren Feldern ganz aufzuheben. Das lag ganz im Sinne der Agrarpolitik Kurhannovers, das seit 1768 die Durchführung von Allmendteilungen propagierte.232 Mit ihrer Durchführung waren die lokalen Amtleute betraut, die jedoch zugleich als Pächter der königlichen Domänen davon unmittelbar betroffen waren. Die antragstellenden Hofbesitzer wollten die herrschaftliche Schafweide aufheben, z. T. auch um eigene Schäfereien einzurichten, um so den wertvollen Schafdünger zu erhalten. Die Amtleute wollten als Domänenpächter aber einem Antrag nur dann zustimmen, wenn davon ihre Schafweiderechte nicht betroffen waren, was für die Hofbesitzer wiederum keinen Sinn machte. Erst im 19. Jahrhundert rückte die hannoversche Regierung von der Verteidigung der Schafweiderechte ab und öffnete damit den Weg für umfangreiche Allmendteilungen im Süden Niedersachsens.233

3.3 Ländliche Kultur zwischen vorindustrieller Gesellschaft und den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts 3.3.1 Volkaufklärung, religiöses Leben und Bildungsanstöße

Volksaufklärung Das 18. Jahrhundert gilt allgemein als Zeitalter der Aufklärung. Angehörige von Bürgertum und Adel versuchten auf der Grundlage neuer, seit dem 17. Jahrhundert entwickelter wissenschaftlicher Erkenntnisse, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Zuallererst sollte jedes Individuum danach streben, sich selbst aufzuklären und zu lernen, sein Leben auf der Grundlage eigener Verstandestätigkeit selbst zu gestalten, damit es in der Folge zur allgemeinen Glückseligkeit beitragen konnte. Diese Selbstbildung wollten die Aufklärer

231 Prass 1997, S. 88–95  ; Prass 1992, S. 180 f. 232 Prass 1997, S. 46 f. 233 Prass 1997, S. 116–122, S. 124–126.

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durch Lektüre und die Beteiligung an öffentlichen Diskussionen erreichen.234 Galten lange Zeit die protestantischen Territorien als Vorreiter aufgeklärten Denkens und Handelns, haben neueste Forschungen gezeigt, dass die oberdeutschen katholischen Territorien in ihrem Reformbestreben nicht hinter den protestantischen zurückstanden und dass hier eine nicht minder dichte Kommunikationslandschaft existierte, die sich in intensivem Austausch mit anderen deutschen Territorien befand.235 Zu dieser Geistesbewegung ist auch die Volkskaufklärung zu rechnen  : Verschiedene Aufklärer steckten sich das Ziel, die Lebensbedingungen des einfachen Volkes zu verbessern. Zu Beginn konzentrierten sie sich auf ökonomische Probleme. Die ersten Autoren, die als Aufklärer Vorschläge zu einer Verbesserung des Ackerbaus veröffentlichten, waren der Philosoph Christian Wolff und sein Schüler Julius Bernhard von Rohr.236 Zwar gehörten die Leser ihrer Schriften noch einem gelehrten Umfeld an, aber schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahmen Personen, die unmittelbaren Kontakt zur Landbevölkerung besaßen, deren Anregungen auf. Hier ist besonders der Schweizer Pfarrer Johann Caspar Nägeli zu erwähnen, der in seinem 1738 veröffentlichten Wegweiser Wolffs Vorschläge unter den Dorfbewohnern propagierte.237 Diesen ersten Publikationen folgte eine in den 1750er Jahren beständig wachsende Zahl kleinerer ökonomischer Schriften und Ratgeber, die nach Holger Böning dadurch auffielen, dass sie „ihre Leser ernst nahmen. Es fehlt noch ganz der herablassend-väterliche Gestus, der einen Teil der späteren volksaufklärerischen Literatur kennzeichnet, die sachliche Information und die Aufforderung zur eigenständigen Beurteilung der Vorschläge stehen ganz im Vordergrund.“238 Diese ersten Schriften zeigten jedoch nur einen begrenzten Erfolg, und daher suchten die Volksaufklärer seit den 1760er-Jahren neue Medien, um ihren Einfluss auf die Landbevölkerung zu vergrößern. Über die schon vorher übliche Verwendung der Katechismusund Dialogform hinaus griffen sie auf Volkskalender zurück, die bereits eine große Verbreitung in der Landbevölkerung besaßen. Sie veröffentlichten eigene Kalender, die sie ganz mit gemeinnützig-belehrenden Inhalten füllten.239 Doch diese ersten Kalender stießen bei der Landbevölkerung auf Ablehnung, weil ihre Autoren in dem Bestreben, traditionelle Denkweisen durch neues, aufgeklärtes Denken zu ersetzen, zu radikal vorgingen. Diese Erfahrung machte z. B. der bereits erwähnte Pfarrer Johann Friedrich Mayer, dessen vollkommen neu gestalteten Kalender, den er ab 1772 unter dem Titel Fürstlich-Hohenlohe Neuensteinischer Ökonomischer Schreib-Kalender veröffentlichte, die Landbevölkerung nicht kaufte. Weitaus erfolgreicher war dagegen der Hinkende Bote aus der Schweiz  : Der Herausgeber Ulrich Sturzenegger fügte in diesen traditionell gestalteten Kalender, der auch „abergläubische“ Bestandteile beibehielt und damit einem wichtigen Bedürfnis der 234 Walther/Steinle/Beutel/Tschopp/Kanz/Schmidt 2005, Sp. 812–816  ; Möller 1986  ; Vierhaus 1988. 235 Krenz 2012. 236 Wolff 1718/1719 (1993)  ; Rohr 1716  ; Rohr 1734  ; Böning, Genese 1990  ; Bayerl 1994. 237 Nägeli 1738 (1992). 238 Böning, Genese 1990, S. XXXVII. 239 Böning, Genese 1990, S. XXXVII f.; Böning 2002, S. 87, S. 90–96.; Herbst 2012.

Ländliche Kultur zwischen vorindustrieller Gesellschaft und den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts Abb. 31  : Der von Johann Christoph Hirsch herausgegebene Fränkische Haußhaltungs= und Wirthschaffts=Calender auf das Jahr 1769 war eines der volksaufklärerischen Kalenderprojekte.

Landbevölkerung entgegenkam, aufklärerische Texte ein. In kleinen Erzählungen brachte er den Lesern das Gedankengut der Aufklärung nahe und relativierte auf diesem Weg abergläubische Aspekte traditioneller Kalender.240 Wie diese Beispiele zeigen, kam es für den Erfolg bei den ländlichen Lesern nicht nur auf die Verwendung etablierter Medien an. Auch die Gestaltung bestimmte darüber, ob die Publikationen die Landbevölkerung erreichen konnten oder nicht.241 U. a. wurde kritisiert, die Abhandlungen seien zu lang, nicht deutlich genug formuliert und damit nicht in einer Form verfasst, die der „Denkungsart“ der Bauern angemessen sei.242 Die Autoren legten nun größere Aufmerksamkeit auf Sprache und Stil, versuchten, ihre Lehren durch verständliche Beispiele deutlich zu machen, und betteten ihre Abhandlungen in unterhaltsame Erzählungen ein. Das berühmteste Beispiel hierfür ist Rudolph Zacharias Beckers Noth- und Hülfsbüchlein von 1788.243 Sein Autor kleidete zahlreiche nützliche 240 Böning 2002, S. 91–94, S. 98–102. 241 Böning, Genese 1990, S. XXXVII f. 242 Gedanken, 1772, S. 409, S. 429. 243 Becker 1788  ; Siegert 1978.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820 Abb. 32  : Beckers Noth= und Hülf=Büchlein für Bauersleute war die auflagenstärkste Publikation der deutschsprachigen Volksaufklärung.

Hinweise in eine fiktive erzählerische Handlung ein, die den Lesern zugleich auch Gebote sittlich-vernünftigen Handelns nahebrachte. Dank seiner guten literarischen Form und einer geschickten Verkaufsstrategie war dieses Buch die am meisten verkaufte Publikation der Volksaufklärung. Dazu gehörte auch, dass Erzählungen aus Beckers Buch in Kalendern und anderen Schriften wieder abgedruckt wurden.244 Aber das Noth- und Hülfsbüchlein gelangte trotz seiner hohen Auflage v. a. in die Hände wohlmeinender Bürger, Amtleute und Pfarrer und weniger in die Hände der Dorfbewohner.245 Becker war sich dieses Problems durchaus bewusst, denn er stellte ausführlich dar, wie die Inhalte seines Buchs z. B. von Pfarrern der Landbevölkerung vermittelt werden sollten.246 Darüber hinaus lösten sich die Volksaufklärer von ihrer anfänglichen Begrenzung auf ökonomische Fragen und wandten sich einem größeren Spektrum von Betätigungsfeldern zu. So entwickelte Bernhard Christoph Faust eine erste Initiative zur Verbesserung der Hygiene und der medizinischen Versorgung auf dem Land. In seinem 1794 veröffent244 Böning 2002, S. 98. 245 Medick 1996, S. 526. 246 Becker 1788, S. 11–18.

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lichten Gesundheitskatechismus gab er Anregungen zu einer gesünderen Lebensweise und versuchte die Landbewohner dazu zu bewegen, sich bei Krankheiten in die Obhut von Ärzten zu begeben.247 Ein anderer Bereich war das religiöse Leben. Durch die Einführung neuer Gesangbücher, in denen sie u. a. ältere, oft sehr stark die Gefühle ansprechende und die konfessionellen Gegner scharf angreifende Kirchenlieder durch neue Lieder ersetzten, strebten die Volksaufklärer eine Rationalisierung der Religiosität an.248 Diese Initiativen zielten nicht nur darauf, die Landbevölkerung mit nützlichen Informationen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu versorgen. Dahinter steckte v. a. das Bestreben, die innere Einstellung der Landbewohner so zu ändern, dass sie den traditionellen Wissenskanon, den die Volksaufklärer als Aberglaube denunzierten, ablegten und den neuen, im Rahmen der Aufklärung entwickelten Handlungsanweisungen folgten.249 Schulreformen Diese Entwicklungen mündeten zugleich in eine „Pädagogisierung“ der Volksaufklärung, mit der auch eine Tendenz zur Bevormundung der Landbevölkerung einherging. Die Volksaufklärer konstatierten bei der Landbevölkerung eine geringe Bereitschaft, ihre Vorschläge aufzunehmen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma schien die Verbesserung des Schulwesens zu bieten. Zur „Verbesserung des gemeinen Mannes“, war 1756/57 in der Braunschweigischen Sammlung von ökonomischen Sachen zu lesen, „muß zuallerst der Grund bey dem Unterricht der Jugend gelegt werden.“250 Daher war es nur konsequent, dass sich die Aufklärer einer Reform des niederen Schulwesens zuwandten. Einer der bekanntesten Vertreter aufgeklärter Schulreformen war Friedrich Eberhard von Rochow, der auf seinem Gut im brandenburgischen Reckahn eine Schule einrichtete, die sich viele Besucher als Muster für eine künftige Reformschule anschauen kamen.251 Mindestens ebenso bekannt wurde er durch den Kinderfreund, sein Schulbuch, das ab dem Ende des 18. Jahrhundert in vielen Landschulen Verwendung fand. Darin folgte er einem der wesentlichen Eckpunkte des allgemeinen Schulreformprogramms der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das in der Ersetzung traditioneller Lesestoffe, der Fibeln und Katechismen, durch neue Schulbücher bestand, die ansprechender gestaltet waren und neue Inhalte wie z. B. die Realien vermittelten. Hinzu kam ab 1780 die allgemeine Entwicklung neuer Methoden des Lesenlernens, die zu einer wahren Flut neuer Fibeln führte.252 Dies zeigt aber auch ein Problem, das den Unterricht in den Landschulen weiter prägte  : Bis ins 19. Jahrhundert verwendeten die Kinder eine Vielzahl unterschiedlicher, sowohl alter als auch neuer Schulbücher. 247 Sahmland 2007  ; Böning, Medizinische Volksaufklärung 1990. 248 Maurer 1991, S. 274. 249 Siegert, Medien 1999, S. 375. 250 Böning 1995, S. 87. 251 Schmitt 2007  ; Böning 2001. 252 Teistler 1999, S. 272–277  ; Schmale 1991, S. 719–722.

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Ein zweiter Ansatzpunkt zur Reform des Schulwesens bestand in der Verbesserung der materiellen Situation und der Ausbildung der Landschullehrer. Um letzteres zu erreichen, wurden von 1770 bis 1800 in den deutschen Territorien 41 Lehrerseminare eingerichtet, und bis 1820 kamen noch 26 weitere Seminare hinzu. Hier sollten die Lehrer so ausgebildet werden, dass sie die Kinder entsprechend ihrem Fassungsvermögen unterrichteten und ihnen Inhalte und Denkungsart der Aufklärung vermittelten. Schließlich waren die Reformer bestrebt, die Schulgebäude selbst zu verbessern, damit der Unterricht in einer angemessenen Umgebung erfolgen konnte.253 Diese Reformen wurden zunächst in den protestantischen Territorien durchgeführt, doch seit den 1770er-Jahren setzte auch in den katholischen Territorien Initiativen zur Reform des Schulwesens ein, für die vor allem Johann Ignaz Felbiger zum Vorbild diente.254 Die Umsetzung dieser Initiativen erwies sich als überaus schwierig. Das galt insbesondere für die Gestaltung der Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Lehrer ihrer Arbeit nachgehen sollten. Denn erst durch eine bessere materielle Versorgung der Lehrer kamen geeignete Personen auf diese Stellen, die sich ganz dem Unterricht widmen konnten. Solange die Lehrer noch vom Schulgeld der Eltern abhängig waren, beförderte dies die Einrichtung möglichst großer Klassen, die einen ordentlichen Unterricht erschwerten. Trotz aller Anstrengungen verbesserte sich die materielle Situation der Lehrer bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts nur ganz allmählich. Ferner reichte das Netz der Lehrerseminare trotz des Gründungsbooms seit 1770 bei weitem nicht aus, um alle Schulen mit ausgebildeten Lehrern zu versorgen.255 Noch schwieriger als zu diesen äußeren Umständen ist eine Aussage über den Unterricht selbst zu treffen. Zwar liegen zahlreiche Berichte zu einzelnen Schulen vor, aber diese lassen keine allgemeinen Aussagen zur Umsetzung des Reformprogramms zu. Hierfür müssen indirekte Indikatoren herangezogen werden, wie z. B. die Einführung von Rochows Kinderfreund. In den Landschulen der preußischen Provinz Minden-Ravensberg fand der Kinderfreund erst nach 1800 allgemeine Verbreitung, obwohl gerade diese Provinz für eine schon früh einsetzende, intensive Schulreformpolitik bekannt war.256 Dieses Beispiel weist darauf hin, dass die reale Umsetzung der Schulpolitik in den Dörfern erst nach einer gewissen Anlaufzeit einsetzte und erst im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Früchte zu tragen begann. Diese lange Verzögerung dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Reformen in jedem Dorf in einem eigenen Feld sozialer Kräfte umzusetzen waren, welches deren Ergebnisse entscheidend beeinflusste. So beantragten die Besitzer der großen Höfe in der westfälischen Gemeinde Jöllenbeck im Jahr 1792 die Einrichtung einer zweiten Schul253 Schmale 1991, S. 705–712  ; Neugebauer 2005, S. 235–247  ; Neugebauer 1985, S. 372–414  ; Bruning 1998, S.  242–293  ; Dillmann 1995, S. 115–162. 254 Teistler 1999, S. 273  ; Schmale 1991, S. 712 f. 255 Schmale 1991, S. 692–694, S. 712. 256 Prass 2007, S. 35.

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Abb. 33  : Dieser Musterriss eines hessischen Schulhauses aus dem Jahr 1839 zeigt, dass in den neuen Schulgebäuden eine Trennung zwischen Schulstube und Lehrerwohnung angestrebt wurde. Weiterhin gehörten Wirtschaftsräume zu jedem Schulhaus, damit die Lehrer eine kleine Landwirtschaft betreiben konnten.

klasse in der Gemeindeschule. Scheint dieser Antrag auf den ersten Blick im Sinne der Reformen zu sein, offenbart sich auf den zweiten Blick, dass die Einrichtung dieser Klasse auf Kosten einer Nebenschule in der zu Jöllenbeck gehörenden Dreeker Heide gehen sollte, die v. a. Heuerlingskinder besuchten und deren Einrichtung Pfarrer Johann Moritz Schwager seit 1780 betrieb.257 Die Hofbesitzer nutzten hier schulische Bildung als Distinktionsmittel gegenüber den Heuerlingen, das dem aufklärerischen Ideal des Strebens nach allgemeiner Glückseligkeit entgegenstand. Für die dörfliche Oberschicht bot der Erwerb von Lese- und Schreibfähigkeit die Möglichkeit, ihr soziales Umfeld durch die exklusive Beherrschung von Schriftlichkeit zu dominieren und sich von den anderen sozialen Gruppen abzuheben. Das schlug sich auch in den Kirchenräumen, konkret den Kirchenbänken, und auf den Kirchhöfen nieder, wo bestimmte Räume mithilfe schriftli257 Prass 2007, S. 36 f.

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cher Signaturen für die dörfliche Oberschicht vorbehalten bzw. soziale Positionen auf diesem Weg markiert wurden.258 Pfarrer und religiöses Leben Zu den wichtigsten Trägern der Volksaufklärung auf dem Land gehörten Pfarrer wie der erwähnte Johann Friedrich Mayer aus Kupferzell. Manche von ihnen traten selbst als Autoren in Erscheinung oder als Vermittler aufklärerischer Inhalte und Gedankenguts. Über die Schulaufsicht übten sie unmittelbaren Einfluss auf die Wahl der Lehrer und die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts, sie nutzten die sonntäglichen Predigten, um die Inhalte der Volksaufklärung zu propagieren und schließlich betätigten sie sich ganz praktisch, durch landwirtschaftliche Experimente auf dem Pfarracker.259 Diesem Engagement vieler Pfarrer lag ein neues Selbstbild zugrunde, das aus einer „bedrohlich empfundenen Legitimations- und Plausibilitätskrise des Pfarramtes“ entstand. Unter den evangelischen Pfarrern kam das Bedürfnis auf, den pastoralen Stand „an das gewandelte gesellschaftliche Anforderungsprofil“ anzupassen,260 und einzelne Autoren wie Johannes Tobler, Heinrich Heidegger oder Johann Heinrich Campe entwickelten die Idee, die Pfarrer sollten Volkslehrer werden. Dieses Ideal stieß aber auch auf Kritik, so bei dem angesehenen Publizisten Johann Caspar Lavater.261 Auch die Pfarrer verstanden sich beileibe nicht alle als Volkslehrer, selbst wenn sie sich aktiv dafür einsetzten, die Lebenssituation der Dorfbewohner zu verbessern und ihre Dorfschulen zu reformieren. Zu den bemerkenswerten Initiativen von Landpfarrern zählte die Einrichtung von Lesegesellschaften. Ursprünglich hatten sich Angehörige des Bürgertums und des Adels in solchen Vereinigungen zusammengeschlossen, um auf gemeinschaftliche Kosten Bücher und Zeitschriften zu bestellen und ihren Mitgliedern zugänglich zu machen.262 Allgemein gelten sie als ein Charakteristikum städtischer Aufklärungskultur, aber in Nordwestdeutschland, Schleswig-Holstein und Thüringen wurden mittlerweile auch ländliche Lesegesellschaften nachgewiesen.263 Das in ihnen bereitgestellte Leseprogramm spiegelte zu einem wesentlichen Teil die Interessen und den Anspruch ihrer Leiter wider. Pfarrer Möllmann, der zweite Leiter der 1796 im nordwestdeutschen Menslage gegründeten Lesegesellschaft, betrieb die Vermittlung eines enzyklopädischen Wissens, bei dem aktuelle, lebenspraktische Fragen im Mittelpunkt standen. Zugleich verfolgten die Mitglieder der Menslager Lesegesellschaft ganz eigenständige Interessen  : Sie lehnten Zeitschriften und schöngeistige Literatur ab und konzentrierten sich auf pädagogische Schriften und land258 Ziessow 2010, S. 27, S. 29–32. 259 Siegert, Medien 1999, S. 375, S. 381  ; Kuhn 2007  ; Prass 1997, S. 61 f. 260 Kuhn 2007, S. 90. 261 Kuhn 2003, S. 198–224. 262 Dann 1981. 263 Ziessow 1988  ; Kopitzsch 1983  ; Marwinski 2010.

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wirtschaftliche Fachliteratur.264 Das Interesse für pädagogische Schriften ist nur aus einer besonderen Bildungstradition in der Gemeinde Menslage zu erklären. Die ländlichen Lesegesellschaften weisen auf Veränderungen in der Lesepraxis hin, die eng mit dem Aufkommen neuer Literaturgattungen verbunden waren. Die Leser begannen den traditionellen Lesekanon religiöser und unterhaltender Schriften durch neue Texte zu ergänzen und z. T. zu ersetzen. Zwar verschwand die alte religiöse Literatur nicht einfach, sondern bildete weiterhin den Kernstock ländlicher Bibliotheken,265 aber die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufkommende neue literarische Produktion, deren gesteigerter Konsum als Leserevolution bezeichnet wird, führte dazu, dass sich auch die Landbevölkerung neue Texte und damit neue Lesepraktiken aneignete.266 Dieses Interesse an neuen Lesestoffen führte innerhalb der Landbevölkerung zu Konflikten zwischen Lesern älterer und neuerer Literatur, wie sie der Schweizer Seifensieder und Schriftsteller Ulrich Bräker in seinem zwar fiktiven, aber auf eigenen Erfahrungen beruhenden Baurengespräch darstellt.267 Die Aufklärer konnten sich nicht einfach über die traditionelle ländliche Kultur hinwegsetzen, zumal sich die Landbewohner z. T. gegen Projekte der Volksaufklärung wehrten. Dies war nicht nur eine Folge des oftmals herablassenden Tonfalls der Volksaufklärer, sondern es lag oft auch an den Reformprojekten selbst.268 Wie im Zusammenhang mit den ökonomischen Innovationen gezeigt, waren sie oft in der vorgeschlagenen Weise nicht umsetzbar oder sie waren nicht in der gewünschten Geschwindigkeit zu realisieren. Gleichwohl führten Landbewohner zahlreiche Neuerungen und Veränderungen selbst ein, doch geschah dies entsprechend ihren ökonomischen und finanziellen Möglichkeiten. Durch diese Bereitschaft, ihre Ökonomien an sich wandelnde Gegebenheiten anzupassen, erwiesen sie sich diese Landbewohner – in sozial und regional unterschiedlichem Maße – als die eigentlichen Motoren der Innovation. Ferner widersprachen einzelne ‚aufklärerische‘ Maßnahmen den kulturellen Bedürfnissen der Landbevölkerung. Das wird im Gesangbuchstreit deutlich, in dessen Verlauf zwischen 1767 und 1811 die Bewohner der Städte und Dörfer vieler Territorien gegen die Einführung neuer Gesangbücher protestierten.269 Während diese Konflikte lange Zeit als ein Spezifikum protestantischer Kirchenpolitik erschienen, haben jüngere Forschungen gezeigt, dass sie auch katholische Territorien erfassten.270 Die Hintergründe dieser Verweigerung waren sehr vielschichtig und dahinter konnten sich auch politische Konflikte innerhalb eines Territoriums verbergen. Von besonderem Gewicht war jedoch, dass die Veränderungen in den Gesangbüchern tiefe Eingriffe in die religiöse Praxis der einfachen 264 Ziessow 1988, S. 162, S. 168–172. 265 Medick 1996, S. 457–464  ; Chartier 1992. 266 Wittmann 1999, S. 194  ; Messerli 2002. 267 Bräker 1985. 268 Böning 2002, S. 89. 269 Maurer 1991  ; Schmidt 1982  ; Lehmann 1966/67. 270 Duhamelle 2003.

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Bevölkerung mit sich brachten. So wies der Bielefelder Superintendent Hoffbauer 1783 darauf hin, dass auf dem Land bei jeder Beerdigung drei bis vier Lieder gesungen würden. Die Landleute wollten die ersatzlose Streichung dieser Lieder und eine Kürzung der Andacht nicht akzeptieren, sondern ihre gewohnten Lieder weiterhin singen. Darüber hinaus dienten die Gesangbücher den Gläubigen auch als Lese- und Andachtsbücher. Die Umgestaltung der Gesangbücher brachte somit einen tiefen Eingriff in ihre alltägliche religiöse Praxis mit sich.271 Die Weigerung, die neuen Gesangbücher zu akzeptieren, erweist sich somit als ein Kampf der Bevölkerung in den Städten und auf dem Land um ihre kulturelle und religiöse Identität. Da diese sich seit dem 16. Jahrhundert in erster Linie als konfessionelle Identität entwickelt hatte, wurden die Befürworter des neuen Gesangbuchs im katholischen Eichsfeld beschuldigt, sie wollten evangelische Lieder einführen.272 Die Behörden reagierten auf die Widerstände überaus flexibel und versahen die neuen Gesangbücher z. T. mit einem Anhang älterer Lieder. Dennoch mussten solche Reformen in der Regel wieder rückgängig gemacht werden. Ähnliches galt für die Reduktion der Feiertage, ein anderes Reformprojekt der Aufklärung, das auf eine Erhöhung der Produktivität abzielte. Diese Maßnahme, die v. a. katholische Territorien betraf, stieß auf den erbitterten Widerstand der Bevölkerung, die sie als Eingriff in die religiöse Praxis empfand und dahinter ebenfalls das Eindringen von Einflüssen der anderen Konfession vermutete.273 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte die katholische Kirche einen tiefen Einschnitt in ihre materielle Situation, die sich auch auf das kulturelle Leben der Landbevölkerung auswirkte. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1803 wurden zahlreiche Einrichtungen der katholischen Kirche säkularisiert.274 Bisher blickte die Forschung v. a. auf die materiellen und besitzrechtlichen Folgen der Säkularisierung, doch die geschlossenen Klöster besaßen auch wichtige kulturelle Funktionen für die umliegenden Dörfer. Daher ist davon auszugehen, dass sich ihre Schließung auf die Seelsorge, die schulische Versorgung und die religiöse Praxis der Landbewohner auswirkte. Da hierzu bisher jedoch keine brauchbaren Untersuchungen vorliegen, bleibt eine Klärung dieser Frage zukünftigen Studien vorbehalten. Alphabetisierung und Schriftgebrauch Zwar gingen die Volksaufklärer davon aus, dass der Inhalt ihrer Schriften überwiegend von Pfarrern, Amtleuten und anderen engagierte Personen in den Dörfern auf mündlichem Wege vermittelt wurde, aber sie erwarteten auch, dass die Landbevölkerung die Bücher selbst las. Trotzdem strebten sie mit den Schulreformen nicht eine Förderung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben an, sondern nur die Vermittlung neuer Inhalte, 271 Hoffbauer 1783, S. 11  ; Prass 2010, S. 244–247. 272 Duhamelle 2003, S. 414  ; Maurer 1991, S. 284–288. 273 Schreiner 2007  ; Goy 1969, S. 57–82. 274 Crusius 1996  ; Langner 1978.

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Werte und Literatur. Dass hierdurch auch die Lesefähigkeit und eventuell die Schreibfähigkeit gefördert wurde, war für sie allenfalls ein positiver Nebeneffekt.275 Gleichwohl ist für diese Zeit ein Anstieg des Alphabetisierungsgrades festzustellen. Wo nicht präzise Angaben z. B. aus Visitationsregistern vorhanden sind, wird dieser Wert durch die Auszählung der Unterschriftsfähigkeit von Brautpaaren ermittelt. Dieses Vorgehen birgt zwar erhebliche methodische Probleme, weil zum einen nicht sicher ist, dass alle Personen mit eigener Hand unterschrieben haben, und weil zum anderen damit nur ein statistischer Mittelwert zwischen der Lese- und der Schreibfähigkeit ermittelt wird. Aber bislang erwies es sich als einzige Möglichkeit, vor der Mitte des 19. Jahrhunderts den Alphabetisierungsgrad beider Geschlechter in allen sozialen Schichten quantitativ zu erfassen.276 Genaue Angaben zum Alphabetisierungsgrad liegen für eine größere Region erst aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts vor. Aus der Zeit davor wurden in einzelnen Regionen Nordwestdeutschlands, konkret für das nördlich von Bremen gelegene Butjadingen und für die beiden oldenburgischen Kirchspiele Bardewisch und Harpstedt, Angaben in Visitationsregistern gefunden. Tabelle 3  : Alphabetisierungsgrad in Butjadingen (Angaben in Prozent) Butjadingen

Erwachsene

Männer

Lesefähig

Schreibfähig

Lesefähig

1675

60,3

26,4

1735

95,9

64,0

1750

98,5

59,1

Frauen

Schreibfähig

Lesefähig

Schreibfähig

72,6

46,9

50,5

 9,8

97,6

79,8

94,4

48,7

98,5

75,0

98,5

43,8

(Quelle  : Norden 1980, S. 123 f.; Hinrichs 1982, S. 21, S. 27 f.)

Wilhelm Norden hat für Butjadingen gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen überaus hohen Alphabetisierungsgrad festgestellt, der durch die enge Anbindung der agrarischen Produktion dieser Region an den Bremer Markt erklärt werden kann. Hohe Werte finden sich auch in den beiden oldenburgischen Kirchspielen. 1675 konnten in Bardewisch 71,9% der Männer und 39,4% der Frauen lesen, während 1662 gerade 10,3% der Männer und 5,3% der Frauen lesen und schreiben konnten. Für die zweite Gemeinde, Harpstedt, liegen Werte nur aus dem Jahr 1662 vor, die noch über den Bardewischer Werten liegen. Diese Ergebnisse lassen sich nicht generalisieren, sie zeugen nur von dem damals recht hohen Alphabetisierungsgrad an der Nordseeküste. Ein umfassenderes Bild liefert die 275 Siegert, Alphabetisierung 1999, S. 291  ; Prass 2007, S. 43 f. 276 Hofmeister/Prass/Winnige 1998, S. 329–335  ; Prass, Art. ,Analphabetismus‘ 2005, Sp. 344.

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Auswertung der Signierfähigkeit von über 70.000 Personen aus einer großen Zahl von Territorien für den Zeitraum 1807–1814. Tabelle 4  : Signierfähigkeit der Brautleute auf dem Land, 1798/1808–1814 (Angaben in Prozent) Region/Zeitraum

Bräutigame

Bräute

Kfst. Köln

70,2

18,3

Kfst. Trier

87,4

46,9

Altmark

73,6

20,7

Halberstadt

90,1

74,4

Magdeburg

61,8

87.9

Göttingen

87,8

48,9

Hildesheim

61,5

22,4

Oberhessen

94,0

37,0

Niederhessen

89,0

37,9

Schmalkalden

88,7

46,3

Minden-Ravensberg

66,5

31,2

Corvey-Paderborn

53,0

12,3

(Quelle  : Hofmeister/Prass/Winnige 1998, S. 375  ; Winnige 2001, S. 58  ; Bödeker/Hinrichs 1999.)

Die vorliegenden Werte machen deutlich, dass der Alphabetisierungsgrad zwischen einzelnen Regionen sehr große Unterschiede aufwies. Eine genauere Analyse der möglichen Einflussfaktoren auf die Lese- und Schreibfähigkeit zeigt, dass nicht ein einzelner Grund für die Höhe des Alphabetisierungsgrades verantwortlich war. Er wurde vielmehr durch eine Mischung der Faktoren Konfession, Schulversorgung, Bildungstradition, ökonomischer Entwicklungsgrad, soziale Struktur und Ausbau der Gemeindeverwaltung bestimmt. Diese unterschiedlichen Faktoren wirkten in jeder Region anders, selbst auf kleinstem Raum konnte sich ihre Wirkungsweise verändern, so dass ihre jeweils unterschiedliche Bündelung eine große Zahl verschiedener Bildungslandschaften hervorbrachte.277 Im 19. Jahrhundert stiegen die Lese- und Schreibkompetenzen der Bevölkerung in den deutschen Territorien weiter an. Im Jahre 1848 lag unter den preußischen Rekruten die Analphabetenquote zwischen 0,3% in der Provinz Sachsen und 18,8% in Posen, und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kann von einer weitgehenden Alphabetisierung gesprochen werden. Weiterhin gab es jedoch große regionale Unterschiede, so dass der Alphabetisierungsgrad 1871 zwischen 50,2% (Frauen) und 63,0% (Männer) im Regierungsbezirk Bromberg und 96,5% (Frauen) und 97,9% (Männer) im Regierungsbezirk Wiesbaden lag.278 277 Hofmeister/Prass/Winnige 1998, S. 374–381  ; Prass, Art. ,Alphabetisierung‘ 2005. 278 François 1990, S. 170 f.

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Auf den ersten Blick, scheint sich der Alphabetisierungsgrad vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in einer beständigen Aufwärtsentwicklung befunden zu haben, aber eine genauere Analyse zeigt, dass die Lese- und Schreibfähigkeit keinem linearen Entwicklungstrend folgte. Es gab auch Phasen des Rückschritts, denen diverse ökonomische, soziale und kulturelle Konjunkturen zugrunde lagen. So konnte z. B. eine Verringerung der Intensität religiösen Lebens zu einem Rückgang der Lektüre religiöser Bücher führen, ohne dass an deren Stelle die Lektüre anderer Bücher trat. Dagegen dürfte sich die für das Ende des 18. Jahrhunderts zu konstatierende Ausweitung des Buchmarkts förderlich auf die Lesefähigkeit ausgewirkt haben. Darüber hinaus stieg durch die Französische Revolution und sämtliche politischen Ereignisse, die aus ihr und der Politik Napoleons folgten, das Bedürfnis der Landbevölkerung, sich über die Ereignisse zu informieren, und dies ließ wiederum das Leseinteresse ansteigen.279 Mit dem Alphabetisierungsprozess war auch ein qualitativer Wandel verbunden. Im 17. Jahrhundert diente der Schriftgebrauch noch der „Repräsentation sozialer Akte im Kontext von Hof, Nachbarschaft, Bauernschaft und Kirchspiel“, die in den Händen der ländlichen Oberschicht lag. Mit der Herausbildung einer „bäuerlichen Klassengesellschaft“, die durch Marktbeziehungen gekennzeichnet war und in der die besitzenden Bauern zu lokalen Patronen wurden, entwickelte sich der Schriftgebrauch im 18. Jahrhundert nach Ziessow zu einem „alltäglichen Mittel säkularer Dokumentation und Information.“280 Die großen Hofbesitzer waren sich noch im späten 18. Jahrhundert der besonderen Stellung bewusst, die ihnen ein exklusiver Bildungsvorsprung sicherte, wie der Streit um die Einrichtung der Schule in Jöllenbeck zeigt.281 3.3.2 Materielle Kultur

Auch im kulturellen Leben erwies sich die Epoche von 1750 bis 1820 als eine Zeit, in der zahlreiche neue Einflüsse und Anstöße zu Veränderungen zu spüren waren. Ähnliches galt für die materielle Kultur. Mit Blick auf die allgemeine Entwicklung der materiellen Kultur geht Helmut Ottenjann davon aus, dass sich – nach der Phase einer Ausbildung regionaler Kulturräume im 16. und 17. Jahrhundert – zwischen 1790 und 1850 großregionale Kulturmuster entwickelten.282 Wohnsituation An erster Stelle ist hier die Wohnkultur zu erwähnen. Zunächst war die Wohnsituation durch große soziale Unterschiede gekennzeichnet. Karl S. Kramer stellte z. B. für den 279 Schneider 2008  ; Böning 1992. 280 Ziessow 2010, S. 34. 281 Prass 2007, S. 36 f. 282 Ottenjann 1990, S. 97 f.

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Abb. 34  : Aufriss des Wohnhauses eines Kleinbauern in der Magdeburger Börde, Ende der 1820er Jahre.

­ holsteinischen Gutsbezirk Schönweide im 18. und 19. Jahrhundert elf verschiedene soziale Wohntypen fest.283 Die beste Wohnsituation besaß die Familie des adeligen Gutsbesitzers in ihrem Gutshof. Recht günstig dürfte auch die Wohnsituation im Gerichtshaus und in der Meierei gewesen sein. Problematisch war dagegen die Wohnsituation in den kleinen Wohnbauten für verheiratete Hofbedienstete, aber sie besaßen noch eigene Wohnungen. Das Gesinde war in einfachen Wohngelassen für mehrere Personen untergebracht und die saisonalen Arbeiter in einem Scheunenraum. Ähnliche soziale Unterschiede stellt Kramer in den Dörfern des Gutsbezirks fest  : In den Hufnerhäusern der großen Stellenbesitzer lebten Menschen und Tiere unter einem Dach. Die Bewohner versammelten sich um die offene Herdstelle, die das Haus schwach wärmte aber sämtliche Räume mit Rauch füllte. Die Familie des Hofbesitzers verfügte über eigene Stuben, aber das Gesinde war nur in unbeheizten Gelassen untergebracht. Des Weiteren gab es die Häuser kleinerer Stellenbesitzer (Landistenhaus), in denen Menschen und Vieh ebenfalls unter einem Dach wohnten, die aber nicht so viele Menschen beherbergten. Die Tagelöhner lebten dagegen in reinen Wohnkaten, die sehr beengte Verhältnisse boten, v. a. wenn mehrere Familien gemeinsam eine Kate benutzten. Reine Wohnhäuser mit ei283 Kramer 1985.

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ner besseren Wohnsituation bewohnten die Angehörigen der sozialen und ökonomischen Elite, Pfarrer, Müller oder Krüger. Schließlich sind noch die Wohnhäuser der Arbeiter an der Glashütte zu erwähnen, bei denen es sich um abseits gelegene kleine Wohnkaten handelte, deren Standort mit den Glashütten nach Bedarf wechselte. Ähnliche soziale Unterschiede der Wohnsituation waren auch in den anderen deutschen Regionen zu beobachten.284 Die Häuser der größeren Stelleninhaber zeichneten sich durch eine gehobene Qualität des Baumaterials, eine z. T. repräsentativere Gestaltung und einen geräumigeren Wohnraum aus. Die Häuser der kleinen Stellenbesitzer und der Unterschichtangehörigen hatten dagegen meist nur ein Stockwerk. Kleine Handwerker und Gewerbetreibende nutzten in Rheinhessen und Nordwestdeutschland ihre Stuben zugleich als Werkstatt. Landarme und landlose Dorfbewohner hatten in der Regel reine Wohnhäuser ohne Wirtschaftsgebäude, die sich in Nordwestdeutschland mehrere Familien teilen mussten. Bauernhäuser Weil der größte Teil der Dorfbewohner zur unterbäuerlichen Bevölkerung gehörte, war eine ärmliche, bedrängte Wohnsituation für die Landbevölkerung in vorindustriellen Gesellschaften der Normalfall.285 Bekannter sind jedoch die Gebäude der bäuerlichen Hofinhaber, bei denen vom 17. bis ins 19. Jahrhundert wichtige Veränderungen zu beobachten waren. Ein regelrechter Bauboom ist unmittelbar nach dem Ende des 30-jährigen Kriegs zu beobachten, der – in Norddeutschland zumindest – eine schon im 16. Jahrhundert einsetzende Entwicklung fortsetzte, die durch den Krieg unterbrochen worden war.286 Bei diesen Neubauten handelte es sich nicht um einen schlichten Wiederaufbau vorheriger Gebäude  ; bedingt durch Umstellungen aufgrund der Veränderung von Wirtschaftsweisen entwickelten die Landbewohner neue Hausformen wie z. B. das ostfriesische Gulfhaus. Es entstand im Zuge der Umstellung von Viehzucht auf Getreideproduktion, bei der die Hofbesitzer zu einer holzschonenden Bauweise zur Aufbewahrung großer Erntemengen übergingen, und durch die Konzentration des Landbesitzes auf wenige große Höfe. Zur gleichen Zeit gestalteten reichere Stellenbesitzer dieser Region bereits den Wohnteil um, wodurch eigenständige Wohnhäuser nach dem Vorbild städtischer ­Häuser entstanden.287 Auch in anderen Gegenden entwickelten die Landbewohner in dieser Zeit regionale Hausstile. Ein solcher Baustil konnte in größeren Regionen Verbreitung finden und einzelne Stilelemente konnten auch in mehreren Regionen mit ansonsten unterschiedlichen Baustilen auftreten.288 Die Landbewohner wurden zu dieser Ausbildung 284 Stiewe 2006, S. 29  ; Rach 2006  ; Mahlerwein 2001, S. 113–120. 285 Teuteberg 1985, S. 19  ; Stiewe 2006, S. 29–37. 286 Stiewe 2006, S. 26. 287 Ottenjann 2004, S. 101  ; Stiewe 2006, S. 28. 288 Schöck 1986, S. 5 f.

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Abb. 35  : Diese Grafik zur Bautätigkeiten in der Grafschaft Lippe im 16. und 17. Jahrhundert belegt einen Bauboom nach 1650. Eine ähnliche Entwicklung baulicher Aktivitäten ist in Dokumenten aus zahlreichen anderen deutschen Territorien belegt.

neuer Gebäudestile durch eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren angestoßen, bei denen ökonomische Entwicklungen ebenso eine Rolle spielten wie die Übernahme von Moden, die auch ein neues Selbstbild der Hofbesitzer spiegelten, oder Vorschriften seitens weltlicher und kirchlicher Obrigkeiten.289 So führte ein eklatanter Holzmangel in Teilen Frankens und Bayerns dazu, dass sich hier ab dem 18. Jahrhundert der Bau massiver Steinhäuser in allen sozialen Schichten durchsetzte.290 Zugleich schlug sich auch das Anwachsen der landarmen und landlosen Dorfbewohner, das seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu konstatieren war, im Siedlungsbild nieder. In Süddeutschland trug es zur baulichen Verdichtung der Dörfer bei, im Streusiedlungsgebiet des nördlichen Westfalen entstanden Markkotten, in denen sich Neusiedler an der Grenze zwischen intensiv genutztem Ackerland und Markenflächen niederließen.291 289 Ottenjann 2004, S. 104 f. 290 May 2006, S. 74–82. 291 Frei 1999, S. 39  ; Balzer 1983, S. 267.

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Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam es infolge des ökonomischen Aufschwungs zu einem neuerlichen Anstieg der Bautätigkeiten. Das betraf zunächst die Wirtschaftsgebäude, deren Aufnahmekapazität die Hofbesitzer durch die Errichtung neuer und größerer Scheunen den zunehmenden Ernteerträgen anpassten.292 Zugleich erforderte die Umstellung der Viehhaltung den Bau neuer Ställe, in denen das Vieh während des ganzen Jahres gehalten werden konnte. Daher wurden in Teilen Süddeutschlands gerade Ställe nun auch aus Stein gebaut, um der Staunässe, die das Fachwerk zerstörte, entgegenzuwirken.293 War diese Bautätigkeit noch eine Reaktion auf ökonomische Erfordernisse gewesen, so begannen zur gleichen Zeit die Besitzer großer Höfe in jenen Regionen, in denen sie von den ökonomischen Entwicklungen profitieren konnten, neue repräsentative Hofgebäude zu errichten. Dies war z. B. in dem in Nordwestdeutschland gelegenen Artland der Fall. Hier erreichte der Bauboom zwischen 1720 und 1780 einen Höhepunkt, dem ab 1800 ein zweiter folgte.294 In Teilen Frankens und Bayerns, in denen sich seit dem 18. Jahrhundert bereits allgemein Steingebäude durchsetzten, erfolgte die soziale Distinktion u. a. durch die Verwendung besonderer Verzierungen.295 In der Magdeburger Börde errichteten die großen Stellenbesitzer (Voll- und Halbspänner) seit etwa 1820 größere und repräsentativere Wohnhäuser, während kleinere und mittlere Stellenbesitzer ihre Häuser durch den Bau massiver Außenmauern im Erdgeschoss verbesserten.296 Auch in Hohenlohe kam es ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zu grundlegenden Veränderungen im Hausbau  : Auf den großen Höfen verlegten die Besitzer ihre Wohnungen vom Erdgeschoss in den ersten Stock, während sie im Erdgeschoss Ställe einrichteten. Dagegen war bei den Besitzern kleiner Höfe, den Köblern und Seldnern, weiterhin eine ebenerdige Aneinanderreihung von Wohnung und Stall zu finden.297 Im bayerischen Teil Schwabens setzten sich im 18. Jahrhundert allmählich massive Wände anstelle der Lehmwände durch. Im Zuge der Umstellung auf Milchwirtschaft gestalteten die Hofbesitzer im Allgäu auch das innere Raumgefüge ihrer Höfe um. Durch eine Verbreiterung der Gebäude oder durch Anbauten vergrößerten sie die Raumkapazitäten des Wirtschaftsteils und zugleich erweiterten und veränderten sie den Wohnteil, wobei sie den Gaden (Schlafkammer) oftmals in das Obergeschoss verlegten.298 Möbel Schon vor der Ausbildung spezifischer Baustile hatte sich in Nordwestdeutschland eine besondere Möbelkultur entwickelt, die an regional typischen Form- und Dekorelementen 292 Rach 2006, S. 53–56. 293 May 2006, S. 78. 294 Ottenjann 1987, S. 12  ; Ottenjann 2004, S. 106. 295 May 2006, S. 76–79. 296 Rach 2006, S. 56–58. 297 Mehl 1986, S. 64. 298 Kettemann 1999, S. 63, S. 77 f.

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Abb. 36  : In den Wohnstuben der wohlhabenden Bauernfamilien des Artlandes fanden sich moderne Stühle, ein gusseiserner Ofen im Stil des Empire und Einbauten in klassizistischem Dekor. Scherenschnitt von Caspar Dilly  : Bauern-Ehepaar Sickmann in Langen (Gemeinde Badbergen, Lkr. Osnabrück). Signiert und datiert „Sielhouetteur Dilly, 17. Sept. 1818“.

zu erkennen ist.299 Im Laufe des 18. Jahrhunderts tauchten in den Häusern neue Möbelstücke auf  : Schafften sich die Landbewohner bis dahin nur Bänke und dreibeinige Hocker an, so ersetzten sie diese seither allmählich durch Stühle.300 Paradestück der neuen Möbelkultur bildete das Sofa, das in Nordwestdeutschland seit dem späten 18. Jahrhundert sowohl Stadt- als auch Landbewohner kauften. In den ländlichen Haushalten Nordwestdeutschlands etablierte sich damit ab 1800 eine neue, an überregionalen Mustern orientierte Möbelkultur.301 Zwischen den sozialen Schichten des rheinhessischen Dorfs Heßloch sind in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch wenige Unterschiede in der Möbelausstattung erkennbar. Bettlade, Kiste, Bank und Tisch sind in allen Schichten als Grundausstattung anzutreffen. Wesentliche Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen gab es allerdings in der Zahl 299 Ottenjann 1987, S. 16. 300 Weber-Kellermann 1987, S. 214. 301 Ottenjann 1990, S. 106  ; Ottenjann 1987, S. 29.

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und Qualität der Möbelstücke, und in der Oberschicht tauchten in dieser Zeit auch schon Stühle und Schränke auf.302 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden die sozialen Unterschiede in der Möbelausstattung dann deutlicher und im 19. Jahrhundert vertieften sie sich weiter. Nun verfügten die Haushalte der Oberschicht über moderne Einrichtungsgegenstände wie Kanapee, Zulegetisch, Kindertischchen, Consolkommode oder Nachttisch. Zugleich tauchten jetzt auch in der Mittelschicht Möbelstücke wie Schreibpult und Kommode auf.303 Die ländliche Möbelkultur stellte sich folglich nicht statisch dar, die Landbewohner folgten bei ihrem Möbelerwerb gleichfalls Moden. Dies geschah allerdings in längeren Zeitkadenzen und galt v. a. für reichere Landbewohner, während ärmere Familien solchen Moden kaum folgen konnten. Die längeren Zeiträume im Wechsel der Möbelkultur können ferner durch den Umstand bedingt gewesen sein, dass ein Möbelstück oftmals einer bestimmten Person zugeordnet war und ihre soziale Position widerspiegelte.304 Auf der anderen Seite wurde durch den Zukauf neuer Einrichtungsgegenstände die Möglichkeit genutzt, die Lebensweise zu modifizieren oder auch neue Muster zu imitieren. So wurde in Rheinhessen seit Beginn des 19. Jahrhunderts mehr Wert auf Bildung, Hygiene und auch auf die gesellige Beschäftigung im Familienkreis gelegt.305 Kleidung Auch in der Kleidung hatten sich seit dem 16. Jahrhundert regionale Formen entwickelt, wobei Städter und Landbewohner die gleiche Kleidung trugen. Zudem gab es überregionale Grundformen wie z. B. den Caraco, eine vorn geschnürte Schoßjacke mit weitem Ausschnitt und ¾-langen Ärmeln, die Frauen im 18. Jahrhundert in unterschiedlichen europäischen Ländern trugen. Grundelemente der männlichen Kleidung bildeten in Rheinhessen (und auch in anderen Regionen) in der Mitte des 18. Jahrhunderts Rock, Kamisol, Hemd, Brustlappen, Hosen und Strümpfe. Bis zum Ende des Jahrhunderts erweiterte sich der Kleidungsbestand der Männer um Reithose, Weste, Gilet und Mantel.306 Folgten die Landbewohner bei der Gestaltung ihrer Kleidung bestimmten Moden, so hielten sie bei bestimmten Kleidungsstücken, v. a. bei der kirchlichen Festtagskleidung, länger an traditionellen Kleiderformen fest.307 Die Kleidung war ein Mittel sozialer Differenzierung. Neben Beschaffenheit und Vielfalt der Kleidungsstücke diente hierzu v. a. ihre Farbgebung.308 Während die Hofbesitzer im Münsterland braune Kleidung trugen, wurde diese Farbe im schwäbischen Laichingen 302 Mahlerwein 2001, S. 123–125. 303 Mahlerwein 2001, S. 128–131. 304 Weber-Kellermann 1987, S. 215 f.; Schubert 1996, S. 360. 305 Mahlerwein 2001, S. 133 f. 306 Mahlerwein 2001, S. 143, S. 145. 307 Schmitz 1985, S. 117–122. 308 Medick 1994, S. 409–426  ; Mahlerwein 2001, S. 141 f., S. 145.

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Abb. 37  : Zu festlichen Gelegenheiten zeigten sich wohlhabende Landwirte im Gehrock, die Frauen trugen modische Kleider und Frisuren. Caspar Dilly  : Gartenbild der Bauernfamilie Riekena im ostfriesischen Freepsum. Signiert und datiert  : „Sielhouetteur Dilly, 20. August 1836.“

von Webern bevorzugt.309 Die Kleidung der Hofbesitzer war in Laichingen dagegen grau. Die Farbe Blau blieb hier bei der männlichen Bekleidung noch von marginaler Bedeutung, aber seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie von den ärmeren Webern mehr und mehr bevorzugt. Dahinter standen der vermehrte Import von Indigo und das modische Vorbild der Soldatenkleidung. Diese Veränderungen in der Farbgebung der Kleidung gingen mit sozialen Umbrüchen innerhalb der Laichinger Gesellschaft einher, in der die armen Leineweber ein immer stärkeres Gewicht erlangten. Die reichen Weber hielten dagegen an der traditionellen Farbe Braun fest, woran deutlich wird, dass die Dorfbewohner die Farbgestaltung ihrer Kleidung gezielt zur sozialen Distinktion einsetzten. Kleidung ist ein sensibler Indikator kulturellen Wandels, in dem sich politische, kulturelle und religiöse Veränderungen spiegeln.310 Die Landbevölkerung informierte sich ebenso wie die Stadtbevölkerung in Modejournalen über die aktuellen Modetrends, denen sie – entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten – ebenso folgte wie Stadtbürger und Adelige.311 Mode musste nicht auf reiche Dorfbewohner beschränkt bleiben, wie das 309 Schmitz 1985, S. 124  ; Medick 1994, S. 411. 310 Ottenjann 1987, S. 26. 311 Ottenjann 1990, S. 107.

Ländliche Kultur zwischen vorindustrieller Gesellschaft und den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts

Beispiel der Tagelöhnerfrau Anna Riek-Autenrieth aus Laichingen zeigt, die sich in den 1790er-Jahren eine reichhaltige Kollektion französischer Modestücke zulegte.312 Darin deutete die Besitzerin ihre politische Identifikation mit der Französischen Revolution an, und es war zugleich ein Zeichen des sozialen Umbruchs innerhalb der dörflichen Gesellschaft. Im Münsterland kleidete sich dagegen nur die Stadtbevölkerung nach der Mode der Französischen Revolution, während die Landbewohner weiterhin älteren Bekleidungsstilen folgten. In den 1820er-Jahren hatten sich dann aber die Kleidermoden der städtischen und der ländlichen Bevölkerung des Münsterlandes einander wieder angenähert.313 In den nördlich des Münsterlandes gelegenen Gegenden war dagegen schon in der Zeit um 1815 ein allgemeiner Übergang zu einer individuellen Kleidermode zu beobachten, die ihrerseits den gesellschaftlichen Veränderungen dieser Zeit entsprachen. Männer und Frauen der landbesitzenden Oberschicht legten die im 18. Jahrhundert verbreiteten Kleidungsstücke wie Kniebundhosen und Caracokleid ab und kleideten sich entsprechen der Moden in anderen europäischen Ländern. Der genannte Modewandel betraf allerdings nicht alle Regionen  : Wo die Landbewohner sich aufgrund ihrer ungünstigen ökonomischen oder sozialen Position nicht an den neuen Moden beteiligen konnten, wie z. B. in der Grafschaft Bentheim, blieben sie in ihrer Kleidung wie auch bei Möbelstücken bei den traditionellen Formen.314 Neue Konsumgüter Ein weiterer kultureller Aspekt des Übergangs von der vorindustriellen zur bürgerlichen Gesellschaft war der Genuss neuer Konsumgüter wie Tabak, Kaffee oder Zucker. Von diesen Konsumgütern lag der Genuss des Tabaks für Landbewohner besonders nahe, denn in zahlreichen Regionen bauten sie diese Pflanze seit dem 17. Jahrhundert selbst an. Anfangs als Heilpflanze genutzt, fand der Tabak ab dem 17. Jahrhundert in Deutschland wie in den anderen europäischen Ländern auch als Genussmittel weite Verbreitung, wie zahlreiche Bestimmung zur Eindämmung des Tabakrauchens belegen. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts beurteilten Gelehrte und Obrigkeiten den Tabakkonsum negativ, danach setzte sich in der öffentlichen Meinung ein positives Urteil durch. Die Ärzte gingen nun davon aus, dass das Tabakrauchen (durch den Auswurf von Speichel, Nasen- und Lungenschleim) dem Körper schlechtes Phlegma (Schleim) entziehe. Ferner schätzten sie die stimulierende Wirkung des Tabaks, der als blutreinigend und -verdünnend galt. Zahlreiche Bild- und Textdokumente belegen, dass das Tabakrauchen seit dem 17. Jahrhundert in allen Bevölkerungsschichten, also auch bei der Landbevölkerung, weit verbreitet war. Freilich war lange Zeit nur Männern das Tabakrauchen erlaubt, für Frauen galt es als unschicklich. Im 17. und 18. Jahrhundert dominierte das Rauchen von Pfeifen  ; erst im 312 Medick 1994, S. 209. 313 Schmitz 1985, S. 130 f. 314 Ottenjann 1990, S. 107  ; Ottenjann 1987, S. 26 f., S. 31 f.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Abb. 38  : Das Bild zeigt ein bäuerliches Paar im Osnabrücker Artland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Während die Frau Kaffee trinkt, raucht der Mann Pfeife. [Caspar Dilly]  : Familie des Bauern Lübcke Wolthaus in Nortrup (Gemeinde Menslage, Lkr. Osnabrück), um 1816/18.

19. Jahrhundert kam das Rauchen von Zigarren auf, bis dann seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Menschen vor allem Zigaretten rauchten.315 Der Konsum des Kaffees setzte im 17. Jahrhundert in den europäischen Oberschichten ein. Seine Verbreitung im Adel und im gehobenen Bürgertum war eng verbunden mit seiner hoch geschätzten Wirkung als ernüchterndes und anregendes Getränk. Zugleich entwickelten sich mit seinem Konsum neue Formen der Geselligkeit, deren institutioneller Ausdruck die Kaffeehäuser waren, die seit dem 17. Jahrhundert in europäischen Städten eröffnet wurden. Mit der enormen Ausweitung des Kaffeeimports setzte im 18. Jahrhundert eine Ausbreitung des Kaffeekonsums in mittlere Schichten und damit auch unter der wohlhabenderen Landbevölkerung ein. Der Umfang des Kaffeekonsums innerhalb der Landbevölkerung sollte jedoch nicht überschätzt werden. Nach Annerose Menninger konsumierte sie Kaffee nur zu besonderen Gelegenheiten, etwa an Sonn- und Feiertagen.316 Im Nordwesten Deutschlands ist das Kaffeetrinken seit den 1720er-Jahren auf verschiedenen Höfen nachzuweisen. Der frühe Genuss des Kaffees ging in dieser Region auf 315 Menninger 2008, S. 257 f., S. 285 f.; Precht/Baumgartner 1993, S. 18–23  ; Schivelbusch 1980, S. 122 f., S. 128–132. 316 Schivelbusch 1980, S. 25–29, S. 45–80  ; Menninger 2007, Sp. 249  ; Menninger 2008, S. 320–338.

Ländliche Kultur zwischen vorindustrieller Gesellschaft und den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts

Abb. 39  : Frauen aus Ulevern (Jeverland) sitzen beim Kaffeekränzchen zusammen (Gemälde von Friedrich Adam Wilhelm Barmutz, 1835).

die engen Handelsbeziehungen mit Bremen und den Niederlanden zurück, sowie auf die zahlreichen Hollandgänger, die ihn in den Niederlanden kennenlernten. Das Kaffeetrinken veränderte den Alltag der Landbevölkerung  : In den Küchen tauchte neues Geschirr auf und die Landbewohner begannen überhaupt erst heiße Getränke zu konsumieren.317 Da der Kaffee sehr teuer war, begannen ärmere Bevölkerungsgruppen im 18. Jahrhundert ihn durch Surrogate, v. a. durch Zichorien, aber auch viele andere gedörrte Früchte wie z. B. Kichererbsen zu ersetzen. Diese Tendenz förderten auch merkantilistische Wirtschaftspolitiker, die am Kaffeekonsum den Geldabfluss durch die teuren Importe kritisierten. Letztlich erwiesen sich die Surrogate jedoch als Katalysatoren für die Verbreitung des Kaffeekonsums, denn oft mischten die Angehörigen ärmerer Bevölkerungsgruppen die Surrogate mit Bohnenkaffee, und langfristig gingen sie bei sinkenden Kaffeepreisen zum Konsum von ‚echtem‘ Kaffee über.318 Doch es bleibt die Frage, wieso diese neuen Konsumgüter einen so großen Zuspruch in der Landbevölkerung fanden. In der Literatur wird über das sinnliche Wohlergehen 317 Kaiser 1995, S. 126 f. 318 Menninger 2008, S. 338–345  ; Kaiser 1995, S. 133  ; Albrecht 2001.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

hinaus, der mit ihrem Konsum verbunden ist, oft – das betrifft v. a. den Kaffee – auf die neuen Geselligkeitsformen verwiesen, die damit verbunden waren. Aber dieses Argument lässt sich nicht so leicht auf das Land übertragen, da hier keine Kaffeehäuser zu finden waren. Gleichwohl gingen mit dem Kaffeetrinken und dem Tabakrauchen neue Formen des geselligen Zusammenseins in Dorfgemeinschaft und Familie einher, die sich im Gleichklang mit bürgerlichen Entwicklungen herausbildeten. Seit dem 18. Jahrhundert entstanden Kaffeekränzchen, in denen sich Frauen um den Kaffeetisch herum trafen, oder die Familie fand sich am Kaffeetisch zum gemeinsam Genuss von Kaffee und/oder Tabak ein. Für bürgerliche Familien ließ sich ermitteln, dass der Kaffeekonsum die Frühstückssitten veränderte, und dies ist – zumindest in Nordwestdeutschland – auch bei wohlhabenderen Dorfbewohnern anzunehmen. Hinzu kamen die anregende (Kaffee) bzw. beruhigende (Tabak) Wirkung beider Genussmittel. Sie dienten – zumindest bei einem Teil der Bevölkerung – als Ersatz für andere Genussmittel wie Alkohol, während zur gleichen Zeit auch der Branntweinkonsum zunahm. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Genuss von Kaffee dem Alkoholkonsum generell entgegenwirkte.319 Der Konsum beider Genussmittel könnte eine Reaktion auf steigende ökonomische Anforderungen gewesen sein, die sozial unterschiedliche Gestalt annahm.

319 Kaiser 1995, S. 126 f.; Menninger 2007, Sp. 249 f.; Menninger 2008, S. 348 f., S. 352.

4 Der Umbau der ländlichen Gesellschaft (1820–1880)

4.1 Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Basis agrarischen Wirtschaftens von Grund auf. Die Agrarreformen hoben die Feudalgesellschaft auf, die nun entstehende bürgerliche Gesellschaft gründete auf Privatbesitz. Durch die Ablösung der Feudalabgaben wurden die agrarischen Produzenten zu Eigentümern des von ihnen bewirtschafteten Bodens. Flurbereinigungen und Allmendteilungen lösten die Einbindung in die traditionellen Regelungen des gemeinschaftlichen Wirtschaftsverbandes auf, nominell waren die Hofbesitzer nun in der Lage, jede von ihnen gewünschte Wirtschaftsweise einzuführen. Eine wesentliche ökonomische Antriebskraft für die Transformation der Landwirtschaft bildete die starke Ausweitung des Marktgeschehens. Von 1816 bis 1880 wuchs die Bevölkerung im Gebiet des 1871 gegründeten Deutschen Reichs von 24,8 Millionen auf 45,1 Millionen Einwohner an.1 Im Unterschied zu den vorherigen Jahrhunderten, in denen die Bevölkerungszahlen v. a. auf dem Land anstiegen, wurde die Bevölkerungszunahme im 19. Jahrhundert durch ein starkes Städtewachstum getragen, sodass ein immer kleiner werdender Anteil der Menschen in der Landwirtschaft tätig war. Diese musste nun einen immer größeren Überschuss produzieren, um die städtische Bevölkerung zu ernähren. Ferner begünstigte die Revolution der Transportmittel die Ausweitung der Marktaktivtäten. Verbesserte der zunächst erfolgende Ausbau von Chausseen und Kanälen bereits die Transportmöglichkeiten, so erfolgten mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes ab den 1840er-Jahren eine enorme Beschleunigung sowie eine quantitative und räumliche Ausweitung der Transporte.2 Diese Verbesserungen der Infrastruktur weiteten nicht nur den ökonomischen Handlungsrahmen aus, in Kultur und Politik entwickelten sich neue Orientierungspunkte und Wertmuster. Die Menschen begannen sich als Teil einer Nation zu fühlen, den sie als ihren räumlichen, kulturellen und politischen Handlungsrahmen empfanden. Die Staaten, die während der napoleonischen Zeit durch die Auflösung der geistlichen Territorien, der Reichsstädte und der Reichsritterschaften neue Gebiete hinzugewonnen hatten, mussten diese administrativ integrieren. Dadurch erhielt die flächenhafte Durchdringung der Staatsgebiete seitens der Verwaltung einen neuen Anschub. Die staatlichen Zentralgewalten drangen mit ihrem Verwaltungshandeln unmittelbar in den dörflichen Bereich ein, mit den Agrarreformen veränderten sie die innere Physiognomie der Staaten und es gelang ihnen zusehends, das Leben vor Ort unmittelbar zu gestalten.3 1 Marschalck 1984, S. 145  ; Ehmer 2004, S. 17. 2 Popplow, Europa 2008  ; Popplow, Landtransport 2008, Sp. 574–578  ; Sieferle 2008, S. 25–30. 3 Stauber 2008, Sp. 1071  ; Raphael 2000  ; Dörner/Franz/Mayr 2001.

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Der Umbau der ländlichen Gesellschaft (1820–1880)

Diese Ausweitung des Verwaltungshandelns führte zu einer neuen Kooperation zwischen Staat und Bürgern. Ian F. McNeely hebt hervor, dass die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, in der sich Liberalismus und Nationalismus entfalteten, nicht durch eine ideologische Setzung erfolgte, sondern dass sie auf einem inneren Lernprozess beruhte.4 Die Dorfgemeinde erlangte dadurch eine neue Bedeutung  : Sie war nicht nur gehalten, staatliche Vorgaben vor Ort umzusetzen, sondern durch die Umwandlung von einem Verband miteinander Wirtschaftender zur Einwohnergemeinde wurde sie zu einem integralen Teil dieses Staates bzw. der Nation, deren unterste organisatorische Einheit sie bildete. Die Nation bot damit ein neues Identifikationsmodell von enormer Anziehungskraft. Nach Dieter Langewiesche begann „das nationale Gruppenbewusstsein (…) zu einem Massenphänomen zu werden, und es verbinden sich damit neue Zielvorstellungen, die ‚Nation‘ und ‚Nationalstaat‘ zu Hoffnungsworten werden lassen, mit deren Suggestionskraft keine der anderen Emanzipationsideologien bis heute konkurrieren konnte“.5 Jenseits seiner reaktionären Elemente, die sich im Ausschluss alles Fremden verbanden, erlangte der Nationalismus v. a. für die unteren Gruppen der Gesellschaft Attraktivität, weil sie sich erstmals als gleichberechtigte Glieder dieser einen Nation verstehen durften.6 Erst das erklärt die breite Aufnahme des Nationalismus durch eine Landbevölkerung, die sonst gegenüber Ideen, die von außen kamen, spröde reagierte. 4.1.1 Umsetzung der Agrarreformen – Motor der agrarischen Entwicklung  ?

Elemente der Agrarreformen Die Agrarreformen umfassten eine ganze Reihe von Maßnahmen, die die agrarischen Produzenten von den traditionellen rechtlichen Fesseln ihrer Wirtschaft befreien sollten.7 Zunächst betrafen sie die Aufhebung der feudalrechtlich begründeten Besitzverhältnisse. Hinzu kamen Maßnahmen zur Beseitigung feudalrechtlicher Belastungen wie die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Ablösung der Frondienste, der Grundlasten und des Zehnten. Schließlich gehörte hierzu auch die Aufhebung von Organisationsstrukturen der bäuerlichen Wirtschaft, die nur partiell feudalrechtliche Grundlagen besaßen  : die Aufhebung der Weideservitute, die Privatisierung der Flächen in Gemeinschaftsbesitz (Allmendteilung, Gemeinheitsteilung) und die Zusammenlegung der Felder. Seit dem 19. Jahrhundert hat die deutsche Geschichtswissenschaft Verlauf und Auswirkungen der Agrarreformen intensiv diskutiert.8 Für sie war lange Zeit die von Georg Friedrich Knapp zur Kennzeichnung der preußischen Agrarreformen eingeführte Bezeichnung Bauernbefreiung ge4 McNeely 2003. 5 Langewiesche 2000, S. 22. 6 Vgl. Langewiesche 2000, S. 31 f. 7 Zum Überblick über die Reformgesetze siehe Dipper 1980, deren kritische Diskussion bei Achilles 1993, S. 120–162. 8 Brakensiek/Mahlerwein 2005, Sp. 125.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

bräuchlich. Walter Achilles kritisierte jedoch an diesem Begriff, dass er die eigentlichen Hintergründe dieser Maßnahmen verschleiere, bei denen es in erster Linie darum gegangen sei, die Staatseinnahmen zu steigern.9 Zunächst richteten die Historiker ihren Blick auf Preußen, aber seit den 1970er-Jahren widmeten sie sich auch der Durchführung der Reformen in den übrigen deutschen Staaten. Im Mittelpunkt ihrer Erörterungen standen lange Zeit die Entwicklung der Gesetzgebung und die Frage des Ablösungsmodus. Reformgesetze Im 18. Jahrhundert hatten bereits zahlreiche Initiativen zur Auflösung feudalrechtlicher Bindungen und Belastungen eingesetzt, aber bis 1800 waren erst wenige Reformen realisiert worden. Nach einem kurzen Gesetzgebungsschub in der Zeit der napoleonischen Kriege10 waren die Reformen ab 1821 ins Stocken geraten, und es dauerte bis zu den Revolutionen von 1830 (Hannover, Baden, Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Sachsen) bzw. von 1848 (Preußen, Württemberg, Bayern), bis die Ablösung der Feudalrechte endgültig geregelt wurde.11 In jeder Region lagen unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen vor, für die die Gesetzgeber jeweils eigene Lösungen finden mussten. Das grundlegende Problem, feudalrechtlich begründete Ansprüche nach den Prinzipen der Eigentümergesellschaft neu zu definieren, lösten sie dadurch, dass sie sie als Besitzrechte definierten, die als solche abzulösen waren.12 Doch obwohl die Staaten durch eine Ausschaltung der Adeligen als bisheriger intermediärer Gewalten eine Stärkung ihrer eigenen Position erreichen konnten, zögerten sie vor Eingriffen in private Eigentumsrechte zurück, denn z. T. waren sie auch selbst als Inhaber der Staatsdomänen von diesen Eingriffen betroffen.13 Zusammen mit den Widerständen des Adels konnte dieses Zögern zu einer längerfristigen Blockade der Reformgesetzgebung führen. Die zeitgenössischen Diskussionen um die Durchführung der Agrarreformen drehten sich in erster Linie um die Frage, in welcher Weise die grundherrlichen Ansprüche abgelöst werden konnten und wie hoch diese Abfindung sein sollte. Am häufigsten war die Ablösung durch Geldzahlungen. In der Regel setzten die Gesetzgeber die Zahlung des 25-fachen Betrags des durchschnittlichen Jahreswertes der Abgaben fest (Preußen, Sachsen, Hannover), in Bayern entschied man sich für den 18-fachen, in Württemberg für den 16-fachen Betrag, was für die ablösungspflichtige Landbevölkerung sehr günstige Bedingungen bot. Wie sehr die Ablösungszahlungen als eine Belastung empfunden wurden, hing auch vom Zeitpunkt ab. Der durchschnittliche Jahreswert der Abgaben orientierte  9 Achilles 1993, S. 136 f. 10 Hippel 1977  ; Fleck 1982  ; Weis 1984  ; Schulz 1991  ; Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften München 1992–2005  ; Koselleck 1967  ; Vogel 1980. 11 Dipper 1980, S. 63–66, S. 74–85  ; Achilles 1993, S. 137–142, S. 144–146, S. 150–162  ; Hippel 1977, S. 330–368, S. 480–505. 12 Hippel 1977, S. 306. 13 Achilles 1993, S. 111–113, S. 122–123.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820 Abb. 40  : Schema einer Schuldverschreibung der Paderbornischen Tilgungskasse (1836).

sich nämlich an den Getreidepreisen in den Jahren vor dem Ablösungsantrag. Von 1797 bis 1820 waren die Roggenpreise relativ hoch gewesen und sanken in den folgenden Jahren wieder ab. Wenn Hofbesitzer ihre Ablösung zu Beginn der 1820er-Jahre beantragten, wurde die Ablösungssumme aufgrund der relativ hohen Getreidepreise berechnet, obwohl sie in den Jahren der Ablösungszahlungen für ihr Getreide weitaus geringere Erlöse erzielten. Umgekehrt profitierten sie, wenn sie die Ablösung in den 1830er-Jahren beantragten, von vergleichsweise niedrigen Ablösungssummen und der nun wieder günstigeren Getreidepreiskonjunktur.14 Soziale Auswirkungen In der Forschung sind die Folgen des in Preußen für einen Teil der Hofbesitzer vorgeschriebenen Weges der Ablösung durch Landabtretung besonders intensiv diskutiert worden. Diesen Modus kritisierte Georg Friedrich Knapp im 19. Jahrhundert bereits als Ursache dafür, dass viele Bauern einen sozialen Abstieg erleiden mussten und z. T. sogar 14 Achilles 1993, S. 114–115, S. 134–162.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

ihren Hof verloren.15 Mittlerweile besteht unter Agrarhistorikern Konsens, dass sich die Frage, ob eine Ablösung durch Geldzahlung oder durch Landabtretung für die Hofbesitzer günstiger war, nicht eindeutig klären lässt. In jedem Fall führte die Ablösung durch Landabtretung dazu, dass umfangreiche Landmengen den Besitzer wechselten. Der von Friedrich Lütge angegebene Betrag von einer Million ha Kulturland, das die Bauern an die Gutsbesitzer abtraten, ist nach Hartmut Harnisch nur als Mindestsatz anzusehen.16 Für die Hofbesitzer bestand die Gefahr, dass sie aufgrund der Landabtretungen ihr Arbeitskräftepotenzial nicht voll ausschöpfen konnten, zumal sie neue Anbaumethoden in größerem Umfang erst nach den Flächenseparationen, die jedoch meist erst später erfolgten, einführen konnten.17 Die Frage, ob die Höfe durch die Landverluste so stark geschwächt wurden, dass sie nicht mehr wirtschaftlich waren, muss für jeden einzelnen Fall gesondert behandelt werden. Die meisten Höfe überstanden diese Belastungsphase, ohne dass es zu einem Besitzwechsel kam. Doch es stellt sich auch die Frage, inwiefern die Gutsbesitzer das ihnen zugefallene Land überhaupt bewirtschaften konnten. Einen merklichen Gewinn konnten sie erst mit dem Anstieg der Getreidepreise ab den 1830er-Jahren erzielen.18 Zahlreiche Gutsbesitzer haben daher einen Teil des neu gewonnen Landes verkauft. Ferner nahm die Zahl der kleinen Hofstellen infolge der preußischen Agrarreformen deutlich zu. Durch den Wegfall der Frondienste beschäftigten die Güter vermehrt Landarbeiter, von denen viele etwas Boden erwarben, um ihren schon existierenden kleinen Betrieb zu vergrößern oder um einen neuen Hof zu gründen. Einen ähnlichen Effekt hatten in Westfalen die Allmendteilungen, denn die großen Hofbesitzer siedelten auf den ihnen zugeteilten Landstücken Heuerlinge oder Erbpächter an.19 Bodenmarkt Nicht in jedem Fall führten die Agrarreformen zu einer Ausweitung des Bodenmarktes. Im Königreich Hannover gingen die zuvor zu Meierrecht besessenen Höfe nicht in volles Eigentum über, weil die meierrechtlichen Bestimmungen, v. a. das Verbot der Hofteilung, weiter bestehen blieben.20 Insgesamt orientierte sich die Entwicklung des Bodenmarktes v. a. an seiner bisher bereits existierenden Ausformung.21 Dennoch gaben Entwicklungen des 19. Jahrhunderts wie z. B. das Ausgreifen der Städte in ihr Umland dem Bodenmarkt neue Impulse.22 15 Dipper 1980, S. 11. 16 Harnisch 1984, S. 145. 17 Achilles 1993, S. 140. 18 Achilles 1993, S. 142. 19 Harnisch 1984, S. 108–110  ; Brakensiek 1991, S. 156  ; Mooser, Ländliche Klassengesellschaft 1984, S. 126. 20 Achilles 1993, S. 158 f. 21 Brakensiek 2003  ; Fertig 1999  ; Fertig/Bracht/Pfister 2010. 22 Zückert 2003, S. 424.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Abb. 41  : Sparkassenbuch der Sparkasse zu Vieselbach bei Weimar, 1869–1876. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden auch in Dörfern zunehmend Sparkassen für den Bedarf der Landbevölkerung gegründet, wie die 1857 gegründete Sparkasse von Vieselbach.

Die Untersuchung der Belastung der bäuerlichen Haushalte durch die Ablösungszahlungen wird vielfach mit der Frage verbunden, ob und ab wann die Landbevölkerung Zugang zu staatlichen Krediten mit relativ günstigen Zahlungsbedingungen besaß. Es wird davon ausgegangen, dass die Einrichtung staatlicher Kreditkassen für Hofbesitzer den Ablösungsprozess förderte.23 Solche Institute sind jedoch erst allmählich ab den 1820er-Jahren eingerichtet worden. Auch das Sparkassenwesen entwickelte sich seit dem frühen 19. Jahrhundert erst ganz allmählich und konzentrierte sich zunächst auf den städtischen Finanzmarkt.24 Durch eine genaue Analyse der Herkunft des Kapitals für die Ablösungen in den drei westfälischen Dörfern Löhne, Borgeln und Oberkirchen-Westfeld hat Johannes Bracht jüngst nachgewiesen, dass sich die Hofbesitzer bei der Finanzierung der Ablösungen eine Fülle von Finanzierungsarten erschlossen, wie Kredite, Landverkäufe und Sparguthaben, und dass für Westfalen „die These, mangelnder Kredit habe die Entwicklung 23 Strunz-Happe 2003, S. 137–157  ; Blömer 1990, S. 79  ; Dipper 1980, S. 124. 24 Jachmich 1995, S. 8–13  ; Kaufhold 2001, S. 36–59, S. 136–150  ; Menzel 1998, S. 22–33.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

der Ablösungen behindert“ nur schwer aufrechterhalten lässt.25 Kreditinstitutionen eigens für die Landbevölkerung entwickelten sich nur langsam, unter anderem deshalb, weil viele bürgerliche Zeitgenossen die Vorstellung hegten, Krediterleichterungen seien für die Bauern schädlich.26 Neuere Studien ergaben jedoch, dass im 19. Jahrhundert für bäuerliche Schuldner durchaus privates Kapital vorhanden war. Allerdings war allgemein ein Wandel der Kreditkultur zu konstatieren  : Konnten die Schuldner mit ihren Gläubigern bis ins 18. Jahrhundert noch über die Rückzahlung verhandeln, bestanden Letztere im 19. Jahrhundert rigoros auf die Zahlung von Zinsen und Tilgungen.27 Daher waren in einigen Territorien wie z. B. Hessen jüdische Geldleiher für die Landbevölkerung von zentraler Bedeutung, weil sie oftmals auch jenen Personen noch Geld liehen, denen christliche Geldleiher keinen Kredit mehr gewähren wollten. Dies führt allerdings auch dazu, dass diese Geschäfte für die jüdischen Geldleiher überaus prekär waren, weil die Schuldner ihnen das Geld oft nicht zurückzahlten. Die entsprechend höheren Zinssätze unterstützten den traditionellen Vorwurf des jüdischen Wuchers.28 Die Frage nach dem Erfolg der Agrarreformen Doch haben die Agrarreformen ihre Ziele erreicht  ? Hinsichtlich des Übergangs von einer Feudalgesellschaft zu einer bürgerlichen Gesellschaft auf der Grundlage des Privateigentums kann diese Frage auf den ersten Blick positiv beantwortet werden. Dieses positive Fazit trifft aber nur eingeschränkt zu, denn die Agrarreformen vermochten nicht, die Entstehung eines freien Bodenmarktes herbeizuführen, der das Land zum „besseren Wirte“ führte und dadurch die agrarische Produktion anregte. Darüber hinaus sind die unmittelbaren ökonomischen Erfolge der Agrarreformen differenziert zu behandeln. Die ältere, von liberalen Grundsätzen ausgehende Agrargeschichtsschreibung betrachtete die Agrarreformen als entscheidenden Anstoß für die Einführung neuer Methoden in Ackerbau und Viehzucht und damit für den landwirtschaftlichen Aufschwung im 19. Jahrhundert. Doch sowohl Dipper als auch Achilles wiesen bereits vor vielen Jahren darauf hin, dass dieser Aufschwung nicht ausschließlich auf die Agrarreformen zurückgeführt werden kann.29 Eine noch konsequentere Position nehmen Harnisch und Kopsidis ein, nach denen im ostelbischen Preußen und in Westfalen der Anstoß zur Intensivierung der Landwirtschaft eher durch Entwicklungen am Markt als durch die Agrarreformen erfolgte.30 Eine genaue Analyse der Durchführung des Reformprogramms zeigt, dass die angestrebten ökonomischen Veränderungen nicht nur ein Ergebnis der Reformgesetze waren, 25 Bracht 2006, S. 45. 26 Bracht 2006, S. 55 f.; Blömer 1990, S. 77. 27 Dipper 2008, S. 257  ; Brakensiek, Beobachtungen 2008, S. 260 f., S. 264. 28 Demandt 1980, S. 47 f.; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 122. 29 Dipper 1980, S. 129  ; Achilles 1993, S. 160. 30 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 362–372  ; Kopsidis, Ernteerträge 2006, Sp. 492  ; Harnisch 1984, S. 45 f., S. 192 f.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Abb. 42  : Die Steigerung der agrarischen Produktion wurde auch durch den Einsatz neuer Maschinen, wie der 1785 von James Cooke entwickelten Sämaschine, möglich. Diese neuen Geräte waren aber teuer und konnten nur von Inhabern sehr großer Betriebe mit einer guten Marktanbindung erworben werden.

sondern durch ein ganzes Bündel ökonomischer und sozialer Faktoren beeinflusst, vorangetrieben oder auch gehemmt wurden. Durch die Aufteilung des in Gemeindebesitz befindlichen Landes zu Privateigentum und die Aufhebung der Weiderechte auf Feldern und Wiesen sollten diese Flächen einer intensiveren Nutzung zugeführt werden. Diesen Schritt waren zahlreiche Inhaber von Hofstellen jedoch schon vor den Reformen des 19. Jahrhunderts gegangen, indem sie selbst mit der Aufteilung der Allmenden begonnen hatten. Sie verfolgten damit jedoch nicht das Ziel, ihr gesamtes Wirtschaftssystem auf Stallfütterung umzustellen, wie es die Agrarreformer forderten, sondern sie führten einzelne Flächen einer intensiveren Bewirtschaftung zu.31 Das ermöglichte nur eine langsame Ausbreitung der Innovationen, aber aufgrund ihrer begrenzten ökonomischen Handlungsspielräume war dies für die agrarischen Produzenten oftmals der einzig gangbare Weg. Ferner behinderten auch die Besitzer oder Pächter großer Güter die Einführung von Innovationen auf den Höfen. Sowohl in Sachsen als auch in Südniedersachsen erwiesen sich die herrschaftlichen Schafweiderechte als erhebliche Hindernisse für die Durchführung der Agrarreformen.32 Die Bedeutung der Agrarreformen sollte also nicht überschätzt werden. Sicherlich schufen sie einen neuen rechtlichen Rahmen, der den agrarischen Produzenten größere Handlungsfreiheit verschaffte als bisher. Sie waren aber nicht der einzig ausschlaggebende 31 Prass 2000. 32 Achilles 1993, S. 150 f.; Prass 1997, S. 116–123.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Faktor für den landwirtschaftlichen Aufschwung und nicht einmal der wichtigste. Das zeigt bereits der Umstand, dass zahlreiche Innovationen schon vor der Durchführung der Agrarreformen eingeführt und dass schon vor dem 19. Jahrhundert eine Produktionssteigerung erreicht wurde. Dies belegten zuerst britische Historiker33 und in den letzten Jahren wiesen auch deutsche Historiker nach, dass die Befreiung des Bodens von feudalrechtlichen Bindungen und genossenschaftlichen Nutzungen nicht automatisch zur Einführung intensiverer Wirtschaftsmethoden führte. Dieser Übergang erfolgte erst, wenn er den agrarischen Produzenten aufgrund weiterer ökonomischer und sozialer Faktoren sinnvoll erschien.34 Bei Besitzern mittlerer und größerer Höfe konnte ein solcher Anreiz aus der Entwicklung der agrarischen Märkte und der Verbesserung der Transportmöglichkeiten resultieren, bei Inhabern kleinerer Höfe konnte sie eine Konsequenz ihrer prekären ökonomischen Situation sein. Gerade die Besitzer kleiner Stellen betrieben oftmals eine höchst intensive Landwirtschaft, um von ihrem Land leben zu können, und z. T. beteiligten sie sich auch am Marktgeschehen. Diese Zusammenhänge sind in Zukunft noch weiter zu vertiefen, es wird danach zu fragen sein, in welchem Maße die verschiedenen rechtlichen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Faktoren das Handeln der agrarischen Produzenten in dieser Umbruchphase beeinflussten. 4.1.2 Der agrarische Aufschwung im 19. Jahrhundert

Bevölkerungsentwicklung Die zur Bevölkerungsentwicklung im 19. Jahrhundert vorliegenden Zahlen legen nahe, dass diese in einem ungleichen Rhythmus verlief. Doch bei der Interpretation dieser Zahlen ist Vorsicht geboten. Während Marschalck für die Zeit von 1816 bis 1825 noch von einem sehr starken realen Anstieg ausgeht, weist Ehmer darauf hin, dass sich hierin womöglich auch das Ergebnis einer effizienteren administrativen Erfassung der Bevölkerung widerspiegelt.35 Hinzu kommt, dass für den Beginn des 19. Jahrhunderts lediglich Schätzungen vorliegen. Dennoch weist vieles darauf hin, dass sich die Bevölkerungszunahme des 18. Jahrhunderts im 19. Jahrhundert fortsetzte und sogar noch beschleunigte. Hinter den jährlichen Durchschnittszahlen verbergen sich sehr komplexe soziale und kulturelle Prozesse, die sich u. a. in regional sehr unterschiedlichen Wachstumsraten niederschlugen. Der stärkste Bevölkerungsanstieg war im Rheinland, in Westfalen, Sachsen, Berlin/Brandenburg und – bis zur Jahrhundertmitte – in den preußischen Ostprovinzen zu beobachten, während er in Süddeutschland gering blieb.36 In diesen regionalen Unterschieden kamen konkrete Veränderungen in der Arbeitsorganisation der Landwirtschaft 33 Havinden 1961  ; Yelling 1977  ; Turner 1986  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 222–225. 34 Kopsidis 1995, S. 167–169  ; Kopsidis 1996, S. 322  ; Prass 1997, S. 366–369. 35 Marschalck 1984, S. 27  ; Ehmer 2004, S. 7. 36 Ehmer 2004, S. 7–9  ; Marschalck 1984, S. 27 f.; Kraus 1980.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

wie auch die zunehmende Verstädterung zum Tragen. So mussten die Besitzer der großen Güter in den preußischen Ostprovinzen durch die Ablösung der Frondienste ihren Arbeitskräftebedarf vollständig durch Tagelöhner decken, was zu einem Anwachsen der Tagelöhnerstellen führte.37 Es bleibt noch zu klären, ob auch größere und mittlere Höfe durch die neuen Anbaumethoden einen größeren Bedarf an Arbeitskräften aufwiesen. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren für die unterbäuerlichen, auf Tagelohn angewiesenen Landbewohner so prekär, dass sie bald bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu suchen begannen. Seit der Jahrhundertmitte reisten immer mehr Tagelöhnerfamilien aus den preußischen Ostprovinzen in die USA aus, während zuvor v. a. Familien von Inhabern kleiner Stellen aus Südwestdeutschland nach Nordamerika ausgewandert waren.38 Tabelle 5  : Bevölkerungsentwicklung in Deutschland, 1816–1880 Jahr

Bevölkerung (in Mio.)

1816

24,8

Wachstum (in %)

1820

26,1

1830

29,4

12,6

1840

32,8

11,0

1850

35,3

 8,2

1860

37,6

 6,5

1870

40,8

 8,5

1880

45,1

10,5

(Quelle  : Ehmer 2004, S. 17.)

Städtewachstum und veränderte Nachfragestruktur Ein Großteil des Bevölkerungswachstums mündete in ein beschleunigtes Wachstum der Städte. Seit dem frühen 19. Jahrhundert wuchsen Zahl und Größe der Städte in Deutschland so stark an, dass von 1816 bis 1880 der Anteil der Landbevölkerung von 73,9% (Preußen) auf 58,6% (Deutsches Reich) sank.39 Betraf die Zunahme im 18. Jahrhundert v. a. das Land, dessen Bevölkerung den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu einem nicht geringen Maße durch eine Intensivierung der Anbaumethoden, d. h. einen erhöhten Einsatz an Arbeitskraft, decken konnte, wuchs nun der Bevölkerungsanteil stark an, der von der Landwirtschaft mit versorgt werden musste. Doch der Nachfragedruck auf die Landwirtschaft stieg nicht nur durch 37 Harnisch 1984, S. 108–110, S. 255. 38 Marschalck 1984, S. 27–34. 39 Marschalck 1984, S. 181.

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Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Tabelle 6  : Entwicklung der Städte in Deutschland, 1816–1880

Jahr

Anteil der ländlichen ­ evölkerung an der Gesamt­ B bevölkerung (Gemeinden bis 2.000 Einwohner) in %

Zahl der Städte überhaupt

Zahl der Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern

Preußen 1816

73,9

935

1

1834

73,9

972

1

1852

73,2

981

2

1871

67,5

1.200

4

Deutsches Reich 1871

63,9

2.328

8

1880

58,6

2.707

14

(Quelle  : Marschalck 1984, S. 181)

das Wachstum der Bevölkerungszahlen. Auch die Struktur der nachgefragten Produkte änderte sich, die agrarischen Produzenten mussten sich somit auf ganz neue Nahrungsgewohnheiten einstellen. In der Ernährung der Arbeiterfamilien spielten Kartoffeln, aber auch Reis und Zucker eine zentrale Rolle. Hinzu kamen stimulierende Genussmittel wie Kaffee, Tee und Schnaps. In bürgerlichen Familien stieg der Fleischkonsum vor der Jahrhundertmitte deutlich an. In Arbeiterfamilien war diese Entwicklung erst nach 1850 zu beobachten, während sie in der Zeit davor wenn überhaupt sehr wenig Fleisch aßen.40 Um diesen sich wandelnden Bedarf der städtischen Bevölkerung zu decken, musste die Landwirtschaft sowohl die Produktion quantitativ steigern als auch Produkte von höherer Qualität herstellen. So belegt die Zunahme des Weizenanbaus eine steigende Orientierung am städtischen Markt. Ebenso war eine Steigerung der Fleischproduktion zu konstatieren, um die wachsende städtische Nachfrage zu befriedigen.41 Parallel hierzu fanden beim Nahrungsmittelvertrieb wichtige Veränderungen statt. Seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelte sich eine Lebensmittelindustrie, die sich zunächst auf die Verarbeitung von Zucker und Zichorien, von Tabak und Öl, auf das Bierbrauen und Schnapsbrennen konzentrierte. Nach 1850 setzte der Aufschwung der Konserven- und Margarineindustrie ein.42 In einzelnen Bereichen gingen Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie eine enge Verflechtung ein. Das betraf v. a. die Zuckerrübenindustrie, die sich seit den 1840er40 Krug-Richter/Zimmermann 2006, Sp. 481 f.; Montanari 1999, S. 186. 41 Bittermann 1956, S. 25, S. 34, S. 38, S. 44. 42 Ellerbrock 1993, S. 171–198, S. 318–320  ; Teuteberg/Wiegelmann 2005, S. 81–84.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820 Abb. 43  : Warenzeichen des ersten Zichorienkaffees (1769). Seit dem 18. Jahrhundert wurde Kaffee aus den Wurzeln der Zichorie als Ersatz für den teuren Bohnenkaffee hergestellt. Die Devise „Ohne euch gesund und reich“ verweist darauf, dass der Genuss von Zichorienkaffee die Einfuhr von „echtem Bohnenkaffee“ aus den Kolonien überflüssig machte. Statt nach England, Frankreich oder in die Niederlande abzufließen, blieb das Geld im Lande und kam dem deutschen Landwirt zugute.

Jahren dauerhaft in Mitteldeutschland, Hannover, Braunschweig und Süddeutschland etablierte.43 Der Anbau von Zuckerrüben machte nur dann Sinn, wenn zugleich nahgelegene Fabriken gegründet wurden, in denen die Verarbeitung der Rüben erfolgte. Nach einer ersten Anlaufphase, in der Kaufleute Rübenzuckerfabriken gründeten, begannen sich ab dem Ende der 1840er-Jahre in Mitteldeutschland, Hannover und Braunschweig Aktiengesellschaften zu etablieren, deren Anteile die Landbesitzer hielten, die auch die Fabrik mit Zuckerrüben belieferten.44 Indem die agrarischen Produzenten selbst zu Inhabern dieser Fabriken wurden, erfolgte eine enge „Verflechtung von Landwirtschaft und Industrie“,45 die agrarischen Produzenten waren unmittelbar in die industrielle Verarbeitung der von ihnen gelieferten Rohstoffe eingebunden. Doch auch für die Landwirtschaft bot der Zuckerrübenanbau zahlreiche Vorteile, denn die für die Zuckerrüben nötige intensive Bearbeitung und Düngung des Bodens steigerte auch die Bodenfruchtbarkeit, was den nachfolgenden Früchten zu Gute kam. Die Abfallprodukte der Zuckerverarbeitung lieferten einen wertvollen Dünger und der Rübenanbau bescherte den Landwirten ein hochwertiges Tierfutter.46 Entwicklung von Produktion und Erträgen Die Steigerung der Agrarproduktion wurde durch günstige ökonomische Rahmenbedingungen gefördert. Zwar sanken die Getreidepreise zu Beginn der 1820er-Jahre aufgrund 43 Schaal 2005, S. 32–41  ; Müller 1979  ; Wallbaum 1998, S. 53–59  ; Gebhardt 1904. 44 Schaal 2005, S. 88, S. 161 f. 45 Mende 1985, S. 108. 46 Prass 1997, S. 364.

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Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

einiger günstiger Ernten stark ab, und die Landbevölkerung war durch die Belastungen in den napoleonischen Kriegen und die daraus entstandene Notwendigkeit, ihren Viehbestand wieder aufzustocken, zunächst hoch verschuldet. Ab dem Ende der 1820er-Jahre stiegen die Getreidepreise jedoch wieder an und dies machte eine Steigerung der Produktion ökonomisch attraktiv. Diese günstige Konjunktur endete erst in den 1870er-Jahren, als die USA und Russland aufgrund der verbesserten Transportmöglichkeiten begannen, Weizen zu niedrigeren Preisen zu exportieren.47 Tabelle 7  : Steigerung der Gesamterträge des Ackerbaus von 1800 bis 1870/75 (Angaben in Millionen Tonnen) Brotgetreide (Weizen, Spelz, Roggen)

Futtergetreide (Gerste, Hafer, Mischgetreide)

Futterpflanzen (Getreidewert)

Kartoffeln

1800

1870/75

1800

1870/75

1800

1870/75

1800

1870/75

5,3

9,8

3,9

8,2

2,2

28

1,0

6,5

(Quelle  : Henning 1988, S. 83.)

Die Landwirte erreichten einen Anstieg ihrer Produktion zunächst durch eine Ausweitung der Ackerbauflächen auf Kosten der Grünlands.48 Doch nicht in jeder Region konnten sie die Nutzfläche in größerem Maße ausdehnen. Während in Pommern, Westfalen und Rheinhessen noch genügend Reserveflächen vorhanden waren, um eine Produktions­ steigerung über eine Ausdehnung der Ackerflächen zu erreichen,49 waren in anderen Gegenden die Landressourcen bereits weitgehend ausgeschöpft. Dort setzte eine Produk­ tionssteigerung die Veränderung der inneren Struktur von Ackerbau und Viehzucht voraus. Die Landwirte schafften die Brache ab, bauten neue Pflanzen an und erreichten eine bessere Futterversorgung. Aufgrund der Bodenqualität konnten sie nicht in allen Regionen die Brache vollständig abschaffen, weshalb sie seit dem frühen 19. Jahrhundert Brachfrüchte z. T. auch auf den Sommerfeldern anbauten.50 Ein weiterer Schritt bestand in der besseren Versorgung des Viehs mit Futter und einer umfangreichen – wenn auch nicht durchgehenden – Umsetzung der Stallhaltung des Viehs.

47 Abel 1978, S. 228–229, S. 237–239, S. 278 f. 48 Bittermann 1956, S. 29. 49 Buchsteiner 2001, S. 28  ; Kopsidis 2004, S. 330  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 325  ; Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 136 f.; Mahlerwein 2001, S. 172. 50 Prass 1997, S. 198.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820 Abb. 44  : Zur Entwässerung von Kulturflächen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zahlreiche Drainagesysteme angelegt.

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Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Agrarische Intensivierungen und divergierende Handlungsspielräume Die Landwirte konnten diese Veränderungen nicht überall vollständig durchführen, sondern nur in dem Maße, in dem die Rahmenbedingungen dies begünstigten, d. h. wo die naturräumlichen Bedingungen der Intensivierung nicht im Wege standen oder wo die Absatzbedingungen den nötigen Arbeitsaufwand vertretbar erscheinen ließen. Neben räumlichen sind auch soziale Unterschiede zu berücksichtigen. Die hohen Anfangsinvestitionen für die Einführung der ganzjährigen Stallfütterung konnten sich die kleineren Hofbesitzer oft nicht leisten. Ferner bedeuteten die Maßnahmen zur Be- und Entwässerung der Felder, die nach Allmendteilungen und Feldzusammenlegungen durchgeführt wurden, eine zum Teil übermäßige finanzielle Belastung. Auch konnten sich nicht alle Landwirte das neue Saatgut und die neuen Tierzüchtungen leisten, die erheblich zu den Ertragssteigerungen beitrugen. Die Folge war, dass die ökonomischen Handlungsmöglichkeiten der Hofbesitzergruppen auseinander drifteten und dass sich die sozialen Unterschiede in den Dörfern vergrößerten. Ackerbau Die genannten Veränderungen führten nicht überall zu einer Auflösung der traditionellen Fruchtfolge. Ein Übergang zu der von den meisten Agrarwissenschaftlern geforderten Fruchtwechselwirtschaft, einem mehrjährigen Feldumlauf, bei dem auf ein Jahr Getreidebau der Anbau einer Blattfrucht folgte, war nur relativ selten – wie z. B. in der badischen Rheinpfalz51 – zu beobachten. Auch weiterhin dominierte die verbesserte Dreifelderwirtschaft mit weitgehend besömmerter Brache, denn sie war den örtlichen Bedingungen oft am besten angepasst.52 In Orten mit besonders intensiver Landwirtschaft gab es dagegen Tendenzen, die Feldfolge gänzlich aufzulösen und zu einer freien Bewirtschaftung überzugehen.53 Tabelle 8  : Entwicklung der Erträge pro ha 1800–1878/82 im Deutschen Reich (Angaben in dt/ha) Getreideart

1800

1848/52

1863/67

Weizen

10,3

12,3

14,0

14,6

Roggen

 9,0

10,7

12,5

11,9

Gerste

 8,1

11,2

14,8

15,8

Hafer

 6,8

10,9

12,8

14,1

(Quelle  : Bittermann 1956, S. 34.)

51 Grüne 2011, S. 141. 52 Achilles 1993, S. 197–199  ; Harnisch 1984, S. 204. 53 Mahlerwein 2001, S. 179  ; Prass 1997, S. 205.

1878/82

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Der Getreideanbau blieb zwar weiterhin das Rückgrat des Ackerbaus, aber die eigentliche Dynamik resultierte aus einer starken Ausweitung des Anbaus von Hackfrüchten, v. a. von Kartoffeln, und einer deutlichen Vermehrung des Futterkräuterbaus.54 Die Attraktivität des Kartoffelanbaus lag bei einer – gegenüber dem Getreideanbau – wesentlich höheren Ertragsfähigkeit bei intensiverem Arbeitseinsatz. Diese hohe Ertragsfähigkeit existierte bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts und nahm bis 1878 nur mäßig um 20% zu.55 Wenn die Kartoffelproduktion in absoluten Zahlen sehr viel stärker zunahm als die Getreideproduktion, so lag dies also an der Ausweitung der mit Kartoffeln bebauten Fläche. Verantwortlich war dafür v. a. die Bevölkerung mit geringem Landbesitz, die sich hierdurch von ihrem kleinen Landstück besser versorgen konnte. Größere Betriebe bauten die Kartoffeln v. a. zur Viehmast und Herstellung von Branntwein und Stärke an.56 Doch mit der Ausweitung des Kartoffelkonsums sowohl in der proletarischen, als auch in der bürgerlichen Küche, wurde die Kartoffel zu einem marktgängigen Produkt.57 Der Vorteil des Kartoffelanbaus bestand nicht nur darin, dass Landwirte von einer kleineren Fläche mehr Menschen ernähren konnten, sondern auch, dass sie beim Hackfruchtanbau durch eine intensive Bodenbearbeitung eine Steigerung der Bodenerträge insgesamt erreichten. Das gleiche gilt für den Futterbau, der ihnen nicht nur eine bessere Tierhaltung ermöglichte, sondern auch die Bodenfruchtbarkeit steigerte. Von 1800 bis 1870/75 stieg die Produktion von Futtergetreide um 110%, die von Futterpflanzen um 550%.58 Ferner eröffnete sich die Landwirtschaft einen wichtigen Absatzbereich durch den Anbau von Handelsgewächsen. In der badischen Pfalz und der Vorderpfalz nahmen sie ein Fünftel bzw. ein Viertel der Produktionsfläche ein, während man sich im rheinhessischen Bergland auf die Produktion hochwertiger Nahrungsmittel (Getreide, Fleisch) spezialisiert hatte.59 Am unteren Neckar erlebte der Tabakanbau im 19. Jahrhundert einen großen Aufschwung. Da Tabak hohe monetäre Gewinne abwarf, wurde sein Anbau in der Rheinpfalz v. a. für kleine Stelleninhaber zur wichtigsten Einkommensgrundlage.60 In anderen Regionen entwickelte sich der Zuckerrübenbau zur wichtigsten Antriebskraft für den Übergang in eine marktorientierte Landwirtschaft. Hier ist v. a. an die Magdeburger Börde zu denken aber auch in anderen Regionen Nord-, Mittel- und Süddeutschlands gingen vom Zuckerrübenanbau wichtige Impulse aus.61 Schließlich sei noch der Raps erwähnt, eine in Europa schon lange Zeit bekannte Ölfrucht, die seit dem 18. 54 Bittermann 1956, S. 25 f., S. 37. 55 Achilles 1993, S. 224. 56 Achilles 1993, S. 225  ; Konersmann/Mahlerwein 2007, Sp. 404 f. 57 Krug-Richter/Zimmermann 2006, Sp. 481–482. 58 Henning 1988, S. 83. 59 Grüne 2011, S. 143–145. 60 Grüne 2011, S. 149–156. 61 Müller 1979  ; Schaal 2005  ; Wallbaum 1998.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs Abb. 45  : Für die Einführung einer ganzjährigen Stallhaltung war der Bau neuer Stallungen nötig. Die Landwirtschaftsvereine veröffentlichten Vorschläge zur Einrichtung zweckmäßiger Stallungen, wie die hier gezeigten Skizzen aus dem Jahr 1878.

Jahrhundert in zahlreichen Regionen in den Feldumlauf integriert und deren Anbau im 19. Jahrhundert stark ausgedehnt wurde.62 Bis zum Import von Erdöl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Rapsöl als Brennmaterial für Öllampen genutzt  ; beim Pressen fielen faserhaltige Reste ab, sog. Rapskuchen, die als ein wertvolles Viehfutter Verwendung fanden. Viehhaltung Neben einer intensiveren Bodenbearbeitung war der wichtigste Weg zur Steigerung der Ackerbauerträge die Steigerung der Düngerzufuhr.63 Durch die zunehmende Haltung der Tiere im Stall konnten die agrarischen Produzenten deren Exkremente besser auffangen, kompostieren und als Mist auf die Felder bringen. Da Güter und Höfe mehr Vieh hielten, erhöhte sich auch der Düngeranfall.64 Aufgrund der Ausdehnung der Ackerbauflächen 62 Grüne 2011, S. 140, S. 144  ; Mahlerwein 2001, S. 201, S. 211–213  ; Prass 1997, S. 204. 63 Radkau 2000, S. 96  ; Sieferle u. a. 2006, S. 42–45  ; Krausmann 2006. 64 Bittermann 1956, S. 39 f.

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Abb. 46  : Die Entwicklung der Schafbestände in Deutschland und der Berliner Wollpreisindex (1810– 1913).

und der steigenden Arbeitsbelastung durch die intensivere Bodenbearbeitung sowie infolge des Einsatzes neuer Pflüge mit stählernem Streichbrett stockten die Landwirte ihren Bestand an Zugtieren auf. Dieser neue Pflug krümelte den Boden intensiver, wodurch sich der Wurzelraum der Pflanzen um das Doppelte bis Dreifache vergrößerte, sodass den Pflanzen weit mehr Nährstoffe zugänglich gemacht wurden. Pferde eigneten sich am besten für die neuen Pflüge, denn sie zogen diese nicht nur schneller als Ochsen und Kühe, sondern sie ermöglichten auch einen größeren Tiefgang.65 Die Inhaber kleiner Höfe verwendeten dagegen Kühe als Zugtiere, wodurch sie nicht mehr von der Pflughilfe größerer Hofbesitzer abhängig waren.66 Mit der Zunahme des Fleischkonsums begannen die Landwirte mehr Rinder und Schweine zu halten. Waren Schweine bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch die wichtigsten Fleischlieferanten gewesen, so konsumierten die Menschen in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr Rindfleisch. Doch auch der Konsum von Milchprodukten stieg in dieser Zeit an.67 Lediglich die Schafhaltung ging – nach einem starken Aufschwung in der ersten Jahrhunderthälfte – ab den 1860er-Jahren deutlich zurück. Das war v. a. eine Folge sinkender Wollpreise. Die Konkurrenz ausländischer Wolle und die Entwicklung technischer Möglichkeiten, auch nicht so feine Wolle maschinell zu verarbeiten, drückten auf die Wollpreise. Daher reduzierten die Produzenten die Zahl der Schafe und sie stellten ihre Schafhaltung auf Fleischproduktion um.68 Zentren der 65 Achilles 1993, S. 250. 66 Prass 1997, S. 213. 67 Achilles 1993, S. 202–204  ; Bittermann 1956, S. 56  ; Teuteberg/Wiegelmann 2005, S. 92, S. 131  ; Teuteberg 1973, S. 327. 68 Achilles 1993, S. 205 f.; Bittermann 1956, S. 61.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Schafhaltung waren nach Walter Achilles die preußischen Ostprovinzen und Sachsen, aber auch im südlichen Niedersachsen hatten sich zahlreiche Güter und Hofbesitzer auf die Produktion von Wolle spezialisiert.69 Die Zunahme der Zahl gehaltener Tiere reichte nicht aus, um den steigenden Bedarf an tierischen Produkten zu decken  ; hierzu mussten die Agrarproduzenten auch das Schlachtgewicht und die Milchproduktion pro Tier steigern.70 Beides erreichten sie durch eine bessere Ernährung und Haltung der Tiere sowie durch eine gezielte Zucht leistungsfähigerer Rassen. Umstellung der energetischen Grundlagen Die vorindustrielle Landwirtschaft, die auf der alleinigen Verwertung der Sonnenenergie beruhte, funktionierte zwar in der Form eines nachhaltig wirtschaftenden Kreislaufs. Diese Wirtschaftsform besaß jedoch eindeutige Wachstumsgrenzen, die durch die Menge der zur Verfügung stehenden Energie bestimmt wurden. Fridolin Krausmann, der zur Schule der Sozialen Ökologie gehört, stellt in einer Studie zu drei österreichischen Dörfern fest, dass die Hofbesitzer die Entwicklungsmöglichkeiten der vorindustriellen Landwirtschaft bis zu ihrem Optimum vorantrieben. Erst durch die Zuführung künstlichen Düngers aus der Industrie gelang es den Landwirten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, diese Grenze zu überschreiten und die Erträge erheblich zu steigern. Auf diesem Weg durchbrachen sie den bisherigen Energiekreislauf und überführten die Landwirtschaft in ein neues Energiesystem, in dem die Nutzung fossiler Energieträger bisher ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten eröffnete.71 Schon die Agrarwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, die nach einer wissenschaftlichen Erklärung für die Nährstoffversorgung der Pflanzen und nach Möglichkeiten zur Optimierung der Düngung suchten, waren sich dieser Vorgänge bewusst.72 Nach Justus Liebig können Pflanzen zwar mineralisierte Stoffe aufnehmen, diese sind aber im Boden schon vorhanden oder werden ihm zugeführt. Das Problem war jedoch, dass die agrarische Produktion kein in sich geschlossenes System bildete, sondern dass der Verkauf von Waren auf dem Markt der Landwirtschaft Nährstoffe und damit Energie entzog. Mit der Ausdehnung der Marktbeziehungen wurde dieses Problem immer drängender. Der drohenden Bodenverarmung konnten die agrarischen Produzenten dadurch begegnen, dass sie den Feldern mineralischen Dünger von außen zuführten.

69 Achilles 1993, S. 204 f.; Prass 1997, S. 309. 70 Achilles 1993, S. 204  ; Bittermann 1956, S. 46. 71 Krausmann 2006. 72 Achilles 1993, S. 231–239  ; Radkau 2000, S. 24–27.

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Einflüsse der Transportrevolution Wesentliche Impulse erhielt die agrarische Produktion durch die Ausweitung der Transportmöglichkeiten,73 durch die Agrarprodukte über weitere Entfernungen kostengünstiger transportiert werden konnten. Das hatte nicht nur eine räumliche Ausdehnung der Marktbeziehungen und damit eine quantitative Vermehrung gehandelter Produkte zur Folge, sondern auch eine strukturelle Umgestaltung der Landwirtschaft. Wo sie nicht schon zuvor vorwiegend für den überregionalen Markt produzierte, war die Landwirtschaft bis dahin relativ kleinräumig organisiert  : In der Regel versorgte die Landwirtschaft die Märkte der nahe gelegenen Städte, deren Handwerker und Händler die Bewohner der umliegenden Dörfer wiederum mit Produkten versorgten, die diese nicht selbst herstellten. Mit dem Ausbau des Transportwesens wurde die Landwirtschaft in ein überregionales Marktgeschehen eingebunden und das hatte zur Folge, dass an die Stelle kleinräumiger Vielfalt eine „großräumige Segregation agrarischer Nutzungen“ trat.74 So kam es rund um das Ruhrgebiet oder um Berlin zur Ausbildung einer großräumigen Arbeitsteilung, bei der die Landwirtschaft in einem immer weiter werdenden Radius die Versorgung dieser wachsenden urbanen Zentren sicherte. Nun hatte es auch schon vorher solche Formen der Arbeitsteilung gegeben. Bis dahin hatten die Landwirte den Produktionszuwachs jedoch weitgehend durch eine Ausweitung der Zufuhr tierischen Düngers und die Umstellung der Anbausysteme erreicht. Durch die Anwendung von Kunstdünger und die Erschließung neuer Märkte kam es aber nicht nur zu einer quantitativen Steigerung, sondern auch zu einer qualitativen Veränderung der agrarischen Produktion. Denn die Entwicklung städtischer Märkte eröffnete der Landwirtschaft Wachstumsmöglichkeiten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Hierdurch konnten bisher nicht rentable Produktionszweige Gewinne abwerfen und die Produktion sich quantitativ ausweiten und entsprechend der geänderten Konsumbedürfnisse verändern. Ausweitung der Marktanbindungen Auch weiterhin kamen in der Entwicklung der Marktanbindung bedeutende regionale Unterschiede zum Tragen. Die im 19. Jahrhundert zu beobachtende Steigerung der Ernteerträge fiel aufgrund der regional stark divergierenden Grundlagen agrarischen Wirtschaftens sehr unterschiedlich aus. In den Ländern rund um die Nordsee, zu denen auch Teile Norddeutschlands gehörten, waren sie um 1800 mit einem Ertrag von zehn bis zwölf Körnern pro Saatkorn (17–20 hl/ha) bereits relativ hoch, während die Gebiete zwischen Rhein, Weichsel und Donau einen Körnerertrag von fünf bis sieben aufwiesen (10–13 hl/ ha).75 Hinzu kam, dass die Nähe zu Zentren starker urbaner Entwicklung auch weiterhin 73 Popplow, Europa 2008  ; Popplow, Landtransport 2008, Sp. 574–578  ; Sieferle 2008, S. 25–30. 74 Sieferle u.a. 2006, S. 59. 75 Kopsidis, Ernteerträge 2006, Sp. 493 f.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Abb. 47  : Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Mitteleuropa 1855. Die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Fernverbindungen wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch ein immer dichteres Netz von Regionalverbindungen ergänzt.

die Ausbildung einer kommerziellen Landwirtschaft förderte, wie in Westfalen, Brandenburg und Pommern zu beobachten war. Das dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass die dortige Landwirtschaft mit der Bevölkerungsentwicklung Schritt halten konnte und dass die Landwirte aus Pommern und Brandenburg einen Teil ihrer Produktion exportierten.76 Sowohl in Brandenburg und Pommern als auch in Württemberg77 hatte vor dem 19. Jahrhundert bereits eine exportorientierte Landwirtschaft bestanden, auf deren Grundlage sich die Landwirtschaft weiter entwickeln konnte. In Westfalen und der Pfalz entstand dagegen eine kommerzialisierte Landwirtschaft überhaupt erst, als sich neue Ver-

76 Harnisch 1984, S. 213, S. 265  ; Buchsteiner 2001  ; Kopsidis 2004, S. 329. 77 Walter 1990, S. 318–359.

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marktungsmöglichkeiten eröffneten78. Doch nicht überall reichten die Marktimpulse aus, um die Etablierung einer intensiveren Landwirtschaft zu garantieren. So behinderten im Sauerland ungünstige klimatische und Bodenbedingungen die Einführung einer intensiven Landwirtschaft, die das Ruhrgebiet hätte mitversorgen können.79 Hieraus resultierte eine weitere räumliche Ausdifferenzierung der Landwirtschaft. War sie schon vor dem 19. Jahrhundert durch funktionale Ausdifferenzierung und großräumige Verflechtung geprägt, so erweiterten sich durch die dynamischen Entwicklungen im 19. Jahrhundert die Austauschprozesse und es entstanden neue räumliche Spezialisierungen.80 Vielfach lässt sich eine Reagrarisierung der ländlichen Ökonomie beobachten, weil die älteren ländlichen Gewerbe durch die neu entstehende Fabrikindustrie zunächst an den Rand gedrängt und später völlig ersetzt wurden. Zum einen wurden bereits bestehende landwirtschaftliche Spezialisierungen weiter ausgebaut, wie zum Beispiel der Weinbau oder überhaupt erst entwickelt, wie im Fall des Zuckerrübenbaus. Zum anderen handelte es sich um eine Konzentration auf einen Teilbereich der Landwirtschaft, wie der Versorgung städtischer Zentren mit Getreide, Milchprodukten oder Obst. Transfer agrarischen Wissens Zahlreiche Institutionen förderten die Einführung agrarischer Neuerungen.81 Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten sich Landwirtschaftsgesellschaften als halb private Vereinigungen gegründet, die sich die Förderung der Landwirtschaft zum Ziel gesetzt hatten. Zu Beginn entfalteten diese Assoziationen nur geringe praktische Wirkung, doch ab der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte mit der Gründung von Provinzial-, Kreis- und Lokalvereinen ein wichtiger institutioneller Wandel ein, der die Wirkungsmöglichkeiten der Landwirtschaftsgesellschaften deutlich erweiterte.82 Der Vorsitz befand sich zwar weiterhin in der Hand bürgerlicher oder adliger Honoratioren, aber nun traten zusehends mehr bäuerliche Mitglieder den Vereinen bei. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Angehörige der dörflichen Oberschicht, während die Mitgliedschaft kleinerer Hofbesitzer die Ausnahme blieb. Für die kleinbäuerlichen Mitglieder war meist eine passive Rolle charakteristisch, d. h. sie beteiligten sich nicht an den Diskussionen, und z. T. erwarben sie die Mitgliedschaft nur, um daraus sich ergebende finanzielle Vorteile zu nutzen. Auch in der Förderungspraxis gingen die Landwirtschaftsgesellschaften seit den 1840er-Jahren neue Wege. An die Stelle von Prämien und Informationsbroschüren traten nun direktere Maßnahmen. Ganz allgemein ist zwischen der Bildungsarbeit und einer direkten Förderungspraxis zu unterscheiden. Erstere erfolgte über die Bereitstellung von 78 Kopsidis 1995, S. 140  ; Konersmann 2004, S. 27 f.; Konersmann 2009, S. 232. 79 Kopsidis 1995, S. 142  ; Selter 1995, S. 374–376. 80 Sieferle u.a. 2006, S. 101 f. 81 Popplow, Ökonomische Aufklärung 2010, S. 30–33. 82 Pelzer 2002, S. 25–28  ; Pelzer 2000  ; Prass 1997, S. 291 f.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Abb. 48  : Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche lokale und regionale Landwirtschaftsvereine, wie der landwirtschaftlich-gewerbliche Verein Badbergen, der sich 1839 seine ersten Statuten gab.

Fachliteratur und die Einrichtung von Schulen. Inwiefern die Mitglieder jedoch das Literaturangebot rezipierten, ist umstritten. Während die Mitglieder zweier Lüneburger Vereine ihre Bibliothek kaum nutzten,83 gab es in südniedersächsischen Vereinen Lesezirkel, über die Bücher in den ländlichen Haushalten zirkulierten.84 In der nordwestdeutschen Gemeinde Badbergen bildeten Lesezirkel und Leihbibliothek zunächst sogar den Mittelpunkt der Vereinstätigkeit und über die Hälfte der Mitglieder gehörte dem Verein an, weil sie die Lektüremöglichkeiten nutzen wollten.85 Auf welche Weise die einzelnen Personen die ausgeliehenen Bücher verwendeten, konnte bisher nicht geklärt werden. Die direkten Fördermaßnahmen reichten von Hofregulierungen, d. h. der Erstellung eines Gutachtens, wie ein Hof am besten zu führen und welche Fruchtfolge anzuwenden war, über finanzielle Unterstützungen bei der Einführung konkreter Neuerungen wie Futterbau und Stallfütterung, Wiesenbewässerung und Drainagen bis hin zur Organisation von Landwirtschaftsausstellungen.86 Die Landbevölkerung nahm dieses Beratungsangebot jedoch nur selektiv wahr, was zu Klagen seitens der Vereine führte, dass die Hofbesitzer ihre Vorstellungen nicht akzeptieren wollten.87 83 Pelzer 2000, S. 128. 84 Prass 1997, S. 294. 85 Pelzer 2002, S. 124–129. 86 Pelzer 2002, S. 157–174, S. 197–199  ; Pelzer 2000  ; Prass 1997, S. 295 f. 87 Prass 1997, S. 297.

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Die Inhaber größerer Höfe schufen sich mit der Mitgliedschaft in den Landwirtschaftsvereinen ein privilegiertes Netzwerk, wie es die Mennoniten in der Pfalz zuvor bereits besessen hatten.88 Dieses Netzwerk führte über die älteren Informationskanäle des Dorfs und der Nachbarschaft hinaus und war durch die privilegierte Verbreitung von Kenntnissen über Neuerungen geeignet, die sozialen Unterschiede innerhalb den Gemeinden noch weiter zu vertiefen. In den 1870er-Jahren begannen dann einzelne Vereine, die Interessen ihrer Mitglieder auch politisch zu vertreten. So traten die landwirtschaftlichen Verbände in Westfalen und im Rheinland für eine Neugestaltung des preußischen Steuersystems ein, das die Grundbesitzer bis dahin stärker belastete als die Industrie.89 Agrarrevolution  ? Der enorme Produktivitätszuwachs der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert wird in der Literatur auch als Agrarrevolution bezeichnet.90 Dieser schon zeitgenössisch geprägte Begriff wird seit den 1960er-Jahren dazu genutzt, die Bedeutung der Entwicklung in der Landwirtschaft gegenüber der Industriellen Revolution herauszustreichen, die erst durch diese Agrarrevolution möglich geworden sei.91 Michael Kopsidis, der zurzeit wichtigste Vertreter der These einer Agrarrevolution, verweist zur Begründung auf die permanente Zunahme der Ernteerträge. In England setzte diese bereits im 17. Jahrhundert ein, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern ist sie seit dem späten 18. Jahrhundert zu beobachten.92 Der Beurteilung dieser Entwicklungen als einer Agrarrevolution widersprach zuletzt Walter Achilles. Er wies darauf hin, dass die agrarische Produktion aufgrund der umfassenden Verwendung von Landwirtschaftsmaschinen erst nach 1951 deutlich zu steigen begann, während der Produktionsanstieg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lediglich als eine „Anlaufphase“ zu betrachten sei.93 Ein wesentlicher Grund für die unterschiedliche Beurteilung der agrarischen Entwicklung besteht darin, dass beide Autoren divergierende Zeitpunkte als Ausgangspunkt ihrer Beurteilung wählen  : Während Kopsidis die Entwicklung von ihrem Anfang im 17. bzw. 18. Jahrhundert her betrachtet, von dem aus die vor der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten Produktionszuwächse beachtlich waren, beurteilt Achilles die Entwicklung vom Ende – in diesem Fall den frühen 1990er-Jahren – aus. Die angeführten Argumente verweisen in erster Linie auf eine quantitative Entwicklung. Sehr viel wichtiger für eine Beurteilung des Wandels im 19. Jahrhundert sind jedoch die qualitativen Veränderungen, wobei deren Geschwindigkeit keine Rolle spielt.94 Hier 88 Mahlerwein 2001, S. 251. 89 Pyta 1991, S. 39–49. 90 Konersmann, Agrarrevolution 2005, Sp. 131. 91 Bairoch 1985. 92 Kopsidis, Ernteerträge 2006, Sp. 493 f.; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006. 93 Achilles 1993, S. 223. 94 Boehler 2003, S. 118.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

sind zunächst die geänderten Rahmenbedingungen agrarischen Handelns zu nennen  : der Übergang von feudalrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen zu einer Eigentümergesellschaft sowie die Auflösung der genossenschaftlichen Organisationsstrukturen. Hinzu kamen die agrartechnischen Neuerungen wie die weitgehende Abschaffung der Brache, der Anbau neuer Feldfrüchte, die zu einem Großteil als Viehfutter genutzt wurden und die Etablierung einer weitgehenden Stallfütterung. Sie bewirkten nicht nur eine erhebliche Steigerung der agrarischen Produktion, die Landwirte begannen auf diesem Weg den bisherigen agrarischen Produktionsrahmen aufzubrechen. Die Vertreter der sozialen Ökologie weisen freilich darauf hin, dass sich diese Entwicklungen zum großen Teil noch im Rahmen des solarenergiebasierten Regimes bewegten, das erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts seine Kapazitätsgrenzen erreicht habe.95 Darüber hinaus wurde die europäische Landwirtschaft in einem bisher nicht gekannten Maße in das Marktgeschehen integriert, was überhaupt erst den Anreiz dazu bot, die agrarische Produktion über die bisher bekannten Grenzen hinaus auszuweiten. 4.1.3 Die Grenzen der Natur überwinden

Veränderte Wahrnehmung der „Natur“ Innerhalb des öffentlichen Diskurses über die Entwicklung der Landwirtschaft dominierte im 19. und 20. Jahrhundert eine Vorstellung von Fortschrittlichkeit, getragen von Profitmaximierung und Verwissenschaftlichung.96 Zunächst hatte Albrecht Daniel Thaer mit seiner Formulierung, die Landwirtschaft sei ein Gewerbe, das den höchsten reinen Gewinn erzielen müsse, diese Tendenz auf den Begriff gebracht, der bis heute zutrifft. Auch der Umgang mit den natürlichen Ressourcen wurde diesem Ziel untergeordnet, sodass die traditionelle Logik der naturalen Ökonomie den Vertretern dieses Fortschrittsdenkens als Schlendrian erschien.97 Dieser revolutionäre Umbruch spiegelte sich auch in einem veränderten Verhältnis zur Umwelt und der Massivität der daraus resultierenden Eingriffe in die Natur. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich der seit dem 18. Jahrhundert propagierte Gedanke, die Natur sei ein Warenhaus, das die Menschen nach dem Nützlichkeitsprinzip für ihre Ernährung verwenden sollten, allgemein durch. Bürgerliche Reformer und Techniker betrachteten dabei die „Natur“ als eine widerspenstige Ressource, deren Widerstand zu überwinden und die nach menschlichen Bedürfnissen zu formen sei.98 Dieser Kampf wurde zu einer Angelegenheit fortschrittlicher Männer wie auch die Einführung neuer Methoden in der

95 Sieferle u.a. 2006, S. 208. 96 Gudermann 2001, S. 67. 97 Ditt/Gudermann/Rüße, Einleitung 2001, S. 2  ; Gudermann 2001, S. 67 f. 98 Gudermann, Morastwelt 2000, S. 112–114  ; Ditt/Gudermann/Rüße, Einleitung 2001, S. 2 f.

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Landwirtschaft mit Fortschrittlichkeit in Verbindung gebracht wurde99 – so zumindest die „männliche“ Selbstdarstellung agrarischen Fortschritts.100 Agrarpionierinnen Dabei trugen Frauen ebenso wie Männer zur Durchsetzung neuer Entwicklungen in der Landwirtschaft bei. So ließ z. B. Kurfürstin Luise Henriette von Nassau-Oranien, die Gattin des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, bereits im 17. Jahrhundert im Garten ihres Guts Oranienburg Kartoffeln anbauen.101 Die Gutsbesitzerin Helene Charlotte von Friedland und ihre Tochter Henriette Charlotte von Itzenplitz führten um 1800 auf ihren Besitzungen zahlreiche neue Pflanzen und Anbaumethoden ein. Über ihre Experimente standen sie auch mit Albrecht Daniel Thaer in engem Kontakt, der ihr Wissen sehr schätzte. Dass die Leistungen dieser Frauen lange Zeit unbeachtet blieben, liegt an der „Entautorisierung“ (Gerda Lerner) der Frauen in der Landwirtschaft  : Spätestens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts drängten die Männer – im Zuge der Neuorientierung der Landwirtschaft auf Gelderwerb und Gewinnmaximierung – die Frauen aus den Bereichen fortschrittsorientierter Landwirtschaft heraus.102 Die im 19. Jahrhundert erfolgende akademische Institutionalisierung der Agrarwissenschaften und Professionalisierung der Agrarberufe forcierte diese Entwicklung. Gleichwohl beschäftigten sich weiterhin auch Frauen mit neuen agrarischen Methoden, aber das geschah oft im Verborgenen. Henriette Charlotte von Itzenplitz achtete darauf, dass ihre Leistungen anonym blieben, weil sie dem zeitgenössischen Frauenbild nicht entsprachen. Doch über diese am Fortschritt der Agrarwissenschaften beteiligt „Pionierinnen“ hinaus sollten wir auch die Intensivierungsleistungen der kleinbetrieblichen Landwirtschaft nicht vergessen, die ohne die Frauen, die sich im Rahmen der Arbeitsteilung innerhalb der Familien v. a. um die Landwirtschaft kümmerten, nicht denkbar gewesen wären. Technischer Fortschritt und Streben nach Kontrolle der Natur Im Gefolge der Fortschritte der Naturwissenschaften und ihrer Etablierung an den Universitäten setzte sich eine Verwissenschaftlichung des Denkens über Landwirtschaft durch. Landwirtschaftliche Akademien wurden gegründet und neue Unterrichtsformen für die Landbevölkerung etabliert. Eng damit verbunden stieg der Einfluss von Technikern wie Landvermessern oder Kartografen. Diese Berufe hatten sich bereits seit der Frühen Neuzeit herausgebildet, seit dem 18. Jahrhundert getragen von den Fachschulen zur Ausbildung von Offizieren und Beamten in technischen Fächern. Im Zuge der Agrarreformen  99 Blackbourn, Conquest 2007, S. 3 f.; Vivier 2003, S. 245. 100 Inhetveen/Schmitt 2000  ; Inhetveen 2002. 101 Biereigel 2005, S. 51 f. 102 Krug-Richter 1998, S. 43.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

erkannten die Regierungen die Notwendigkeit, Spezialbehörden wie die preußischen Generalkommissionen oder das Landesökonomiekollegium zu Celle einzurichten. Sie legten im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konkrete Ausbildungsstandards z. B. für Feldmesser und Wasserbaukommissare fest, die bei diesen Behörden eine Anstellung suchten. Diese Entwicklung führte zum Entstehen einer selbstbewussten Gruppe technischer Beamter, die ehrgeizige Programme einer Umgestaltung der Natur als konkrete Fortschrittsprogramme propagierten.103 Mit den technischen Neuerungen ging die Verheißung einher, die bisher unkontrollierbaren Elemente der Natur unter menschliche Kontrolle zu bringen und die agrarische Produktion unbegrenzt zu steigern.104 Insbesondere die Beherrschung des Wassers stand im Fokus der Reformer und Techniker, und so kam es im 19. Jahrhundert zu einer ganzen Reihe umfassender Eingriffe in natürliche Wasserläufe. Dies betraf z. B. die Regulierung des Oberrheins105 oder umfangreiche Be- und Entwässerungsprojekte, wie sie in Westfalen zu beobachten waren.106 Dadurch griffen die Techniker in den Wasserhaushalt ein, um neues Acker- und Grünland zu gewinnen. Doch diese Programme führten vielfach zu Veränderungen im Wasserhaushalt, die die Techniker nicht vorhergesehen hatten und die sogar eine Degradierung vorher fruchtbarer Böden verursachen konnten. Das hatte Nachbesserungen zur Folge, die die Kosten für die betroffenen Landbesitzer, die selbst oft nur unter Zwang zur Teilnahme an den Meliorationsmaßnahmen gebracht worden waren, erheblich erhöhten. Die Begradigung des Oberrheins bewirkte erhebliche Veränderungen in Flora und Fauna, und die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit führte zu bisher unbekannten Überschwemmungsgefahren, die weitere Schutzmaßnahmen erforderten.107 Diese unvorhergesehenen Konsequenzen dürften dazu geführt haben, dass im 19. Jahrhundert auch Forderungen nach einem Wirtschaften im Einklang mit der Natur zu hören waren.108 Diese Maximen entsprachen freilich eher einem romantischen Bild von Natur und Landleben, als dass sie zu einer kritischen Analyse des Verhältnisses von Natur und Ökonomie führten. Auswirkungen der Meliorationen Darüber hinaus sind zahlreiche kleinere Maßnahmen zu berücksichtigen, die in ihrer Summe umfassende Veränderungen im Landschaftsbild bewirkten. Durch die Allmendteilungen gingen Weideflächen verloren und viele Wälder, die bisher lichte Hudewälder oder Mittel- und Niederwälder zur Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung mit Brenn103 Lundgreen 1987, S. 294–299  ; Blackbourn, Conquest 2007, S. 85, S. 94, S. 105  ; Gudermann, Morastwelt 2000  ; Prass 1997, S. 150 f., S. 301. 104 Gudermann, Morastwelt 2000, S. 181. 105 Blackbourn, Conquest 2007, S. 78–95. 106 Gudermann, Morastwelt 2000, S. 290–332. 107 Blackbourn, Conquest 2007, S. 106–111. 108 Blackbourn, Conquest 2007, S. 66  ; Ditt/Gudermann/Rüße, Einleitung 2001, S. 1.

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stoff waren, wurden zu Hochwäldern umgestaltet, die der Gewinnung von Bauholz auch für weiter entfernt lebende Abnehmer dienten.109 Mit den Verkoppelungen verbanden die Landwirte oft Drainagemaßnahmen, die den regionalen Wasserhaushalt und das Landschaftsbild stark beeinflussten.110 Die daraus folgende Veränderung von Flora und Fauna führte nicht notwendig zu einem Rückgang der Artenvielfalt. Neu angelegte Uferbefestigungen und im Rahmen der Verkoppelungen gepflanzte Hecken bewirkten sogar eine Vervielfältigung der Flora und boten Tieren neue Lebensräume,111 ja es entstanden ganz neue Formen von Biotopen.112 Auch die Landwirtschaft konnte zu einer Steigerung der Biodiversität führen, wie in der westfälischen Senne gut zu beobachten ist.113 Auf der anderen Seite verursachten Meliorationsmaßnahmen eine Austrocknung des Binnenlandes und den Verlust von Feuchtgebieten. Ganz verheerend wirkte sich die Trockenlegungen von Sümpfen aus, wenn der Grundwasserspiegel soweit gesenkt wurde, dass es „zur Vermullung des Niedermoorbodens kam, d. h. der Zersetzung der Oberfläche bei Luftzutritt“.114 Wenn Vertreter der sozialen Ökologie wie Krausmann bei ihren Untersuchungen der Entwicklung von Energieflüssen erörtern, in welcher Weise die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt wurden,115 birgt diese Darstellung auch die – von den Vertretern dieser Schule sicher nicht intendierte – Gefahr, dass die Entwicklung der Landwirtschaft zu sehr als ‚Erfolgsgeschichte‘ geschrieben wird. Die eingeführten Neuerungen zeigten durchaus problematische Züge. Da sie die Brachbesömmerung immer stärker ausdehnten, mussten die Landwirte die Düngerzugaben ausweiten, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten.116 Im 18. Jahrhundert nutzten sie verstärkt den schon seit dem Mittelalter bekannten Mergel und seit den 1840er-Jahre begannen sie mineralischen Dünger einzusetzen, der in den 1880er-Jahren seinen endgültigen Durchbruch erlebte.117 Die unsachgemäße Anwendung dieser Düngemittel barg große Gefahren. So verlor der Boden bei einer zu starken Anwendung von Mergel langfristig an Nährkraft. Dieser Effekt war den agrarischen Produzenten schon seit Langem bekannt,118 ihre Zurückhaltung bei der Einführung der von Agrarreformern propagierten Methoden hatte ihre Grundlage auch in solchen Erfahrungen. Die Einführung neuer Pflanzen und weiterer Düngemittel stellte die agrarischen Produzenten somit vor die Herausforderung, lernen zu müssen, auch diese sachgemäß anzuwenden.119 109 Gudermann, Mitbesitz 2000, S. 97–99  ; Grewe 2001, S. 235–240  ; Selter 1995, S. 321–333, S. 361– 364. 110 Gudermann, Mitbesitz 2000, S. 99–102  ; Gudermann 2001, S. 78. 111 Küster 2001, S. 480–483. 112 Gudermann 2001, S. 80. 113 Harteisen 2001, S. 361. 114 Gudermann, Mitbesitz 2000, S. 103. 115 Krausmann 2006, S. 30–34  ; Sieferle u.a. 2006, S. 215–222. 116 Radkau 2000, S. 96. 117 Hansen 1999, S. 165, S. 183. 118 Radkau 2000, S. 96 f. 119 Achilles 1993, S. 238.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

4.1.4 Entwicklung der sozialen Beziehungen in den Dörfern und die Lage der unterbäuerlichen Bevölkerung

Herausbildung ländlicher Klassengesellschaften  ? Durch die Agrarreformen wurden die Inhaber ländlicher Hofstellen zu Eigentümern ihrer Höfe und Ländereien. Trotz der enormen finanziellen Belastungen, die mit der Ablösung der Feudallasten verbunden waren, konnten die Besitzer großer und mittlerer Höfe ihre sozio-ökonomische Position in der Mehrzahl halten und nach Abschluss der Ablösungen gingen sie gestärkt aus dem Reformprozess hervor. Es stellt sich nun die Frage, wie sich dieser Statuswandel auf das soziale Leben in den Dörfern ausgewirkt hat. Josef Mooser und David Sabean gehen davon aus, dass die ländlichen Gesellschaften sich im 19. Jahrhundert zu Klassengesellschaften entwickelten. Hofbesitzer hätten mit dem Landbesitz das zentrale Produktionsmittel in ihren Händen konzentriert und die Nichtbesitzenden seien hierdurch in ökonomische und soziale Abhängigkeit geraten. Durch die Agrarreformen erhielten die Hofbesitzer unbegrenzte Verfügungsgewalt über den Boden und durch die Aufteilung der Allmenden verloren die unterbäuerlichen Gruppen eine wichtige Grundlage ihrer Ökonomie des Notbehelfs. Hinzu kam, dass die Gruppe der Hofbesitzer sich sozial abschloss und Bauernsöhne fast ausschließlich Bauerstöchter heirateten. Daher entwickelten sich nach Mooser und Sabean Hofbesitzer und unterbäuerliche Bevölkerung zu zwei unterschiedlichen Klassen, von denen erstere die ökonomische und die soziale Macht in den Dörfern in ihren Händen konzen­ trierte.120 Die allgemeine Gültigkeit dieses sehr eingängigen Entwurfs wurde mittlerweile infrage gestellt. Jürgen Schlumbohm weist darauf hin, dass die landlosen Heuerlinge im Osnabrücker Kirchspiel Belm den Hofbesitzern (Kolonen) nicht einfach ausgeliefert waren.121 Zwar waren sie darauf angewiesen, bei den Kolonen ein kleines Haus und etwas Land zu pachten. Durch ihre eigene kleine Landwirtschaft konnten sie sich aber eine gewisse Eigenständigkeit erhalten, die noch dadurch verstärkt wurde, dass sie die von ihnen gewebten Leinenstoffe selbst verkauften. Ferner war die Beziehung zwischen einem Kolonen und „seinen“ Heuerlingen nicht stabil und unentrinnbar, die Heuerlinge wechselten immer wieder den Hof, auf dem sie ein Haus und Land pachteten. Somit waren die Landbewohner „eingewoben in ein komplexes Geflecht von vertikalen und horizontalen Beziehungen. Je nach Zeit und Umständen traten die einen oder die anderen mehr oder weniger hervor, doch selten, so scheint es, wurden die einen zugunsten der anderen ganz vernachlässigt“.122 Auf die Einbindung der Heuerlingsbevölkerung in komplexe soziale 120 Mooser, Klassengesellschaft 1984, S. 194–209, S. 350–354  ; Sabean 1999, S. 428–431, S. 444, S. 449–489. 121 Schlumbohm 1994, S. 615–620. 122 Schlumbohm 1994, S. 620.

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Beziehungen, durch die sie einen gewissen Handlungsspielraum erlangen konnten, weisen auch die Ergebnisse einer Münsteraner Arbeitsgruppe unter Leitung von Ulrich Pfister hin.123 Christine Fertig, die in dieser Gruppe mitarbeitet, rekonstruiert in ihrer Studie von Heirats- und Patenschaftsbeziehungen in den beiden westfälischen Dörfern Löhne und Borgeln zwei unterschiedlich strukturierte Systeme sozialer Beziehungen  : Während sie in dem agrarisch geprägten Borgeln eine schärfere Trennung zwischen bäuerlichen Familien und Unterschichtsangehörigen feststellt, zeichnete sich das protoindustriell geprägte Löhne durch eine stärkere Integration der Heuerlingsfamilien in die bäuerlichen Patenschafts- und Heiratsnetzwerke aus.124 Vor diesem Hintergrund ist kaum davon auszugehen, dass sich in dieser Zeit in jedem Dorf eine soziale Struktur mit zwei voneinander getrennten Klassen herausbildete. Lebensbedingungen der unterbäuerlichen Bevölkerung Bis zur Jahrhundertmitte nahm mit dem allgemeinen Bevölkerungswachstum auch der Anteil der Landbewohner zu, die kaum oder gar kein Land besaßen und von Tagelohn oder einer gewerblichen Tätigkeit (fast) vollständig abhängig waren. Ihre Lebensbedingungen erfuhren in dieser Zeit einen grundlegenden Wandel. Zunächst entzog die Teilung der Allmenden den unterbäuerlichen Dorfbewohnern eine wesentliche ökonomische Ressource. Dies betraf jedoch nicht alle Regionen in gleichem Maße, sondern v. a. jene Dörfer, in denen Landlosen und Landarmen ein Nutzungsrecht an der Allmende lediglich zugestanden worden war. In Südwestdeutschland waren es sogar gerade die Kleinbauern, die gegen den Widerstand der Besitzer größerer Höfe eine Allmendteilung durchsetzten. In Hessen-Darmstadt erfolgte dagegen die Teilung in Reaktion auf die zunehmende Nutzung der Allmenden durch die armen Bevölkerungsgruppen. Diese gelangten dadurch zwar in den Besitz eines Landstücks, doch nachfolgende Generationen waren von nun an von der Allmendnutzung ausgeschlossen.125 Dort, wo die unterbäuerliche Bevölkerung infolge der Allmendteilungen einen spürbaren Ressourcenverlust erlebte, wie das z. B. in Westfalen der Fall war, konnte es infolge der Reformen zu erheblichen sozialen Konflikten kommen.126 Doch es ist genau darauf zu achten, wer das aufgeteilte Land letztlich erhielt. Im westfälischen Löhne gelangte es z. B. zu einem großen Prozentsatz durch Verkäufe an „Neubauern aus der Unterschicht“. Somit profitierte auch ein Teil der unterbäuerlichen Bevölkerung von den Reformen.127 In Teilen Frankens, Badens und Württembergs wurden die Allmenden dagegen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht aufgeteilt. Die Gemeinden verpachteten das Land an 123 124 125 126 127

Fertig/Bracht/Pfister 2010. Fertig 2012. Zimmermann 1989  ; Prass, Reformen 2001, S. 76–80. Mooser, Furcht 1984  ; Brakensiek 1991, S. 66–73. Fertig 2001, S. 405, S. 410–412.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

landarme und landlose Dorfbewohner, es bildete somit für sie eine wichtige Grundlage für die Etablierung einer eigenständigen Landwirtschaft.128 Krise des ländlichen Gewerbes Seit Beginn des 19. Jahrhunderts verschlechterten sich die Einkommensmöglichkeiten der in einem Gewerbe tätigen Landbewohner. Bereits während der Napoleonischen Kriege hatten sich die Absatzbedingungen für das Leinengewerbe verschlechtert, und in den 1820er-Jahren ging diese Absatzkrise in eine Strukturkrise über. Veränderte Absatzbedingungen auf den internationalen Märkten und die zunehmende Mechanisierung der Verarbeitungsgänge führten dazu, dass die heimgewerbliche Weberei gegenüber den in Fabriken hergestellten Waren nicht mehr konkurrenzfähig war. Zur gleichen Zeit suchten immer mehr Menschen ein Auskommen im ländlichen Gewerbe, sodass die individuellen Einkommensmöglichkeiten noch weiter schrumpften.129 Zusammen mit dem Anstieg der Getreidepreise seit den 1830er-Jahren führte dies zur Verarmung eines großen Teils der auf dem Land lebenden Bevölkerung, die in der Mitte des Jahrhunderts unter dem Begriff Pauperismus intensiv diskutiert wurde.130 Einzelne Regionen konnten sich durch eine Umstellung ihrer Produktion an die geänderten Produktionsbedingungen anpassen,131 aber im Großen und Ganzen löste sich die vielfach typische Verflechtung von Heimgewerbe und Landwirtschaft auf, die gewerbliche Produktion wanderte in Fabriken ab, die sich zumeist in Städten konzentrierten.132 In zahlreichen Regionen wie dem südlichen Niedersachsen, Franken oder Minden-Ravensberg konzentrierte sich die Landbevölkerung nun auf die Produktion von Nahrungsmitteln.133 Dieser „Reagrarisierungsprozess“ wurde durch die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln seitens der wachsenden nichtagrarischen Bevölkerung sowie durch die stärkere Marktorientierung und Intensivierung der agrarischen Produktion möglich. Dieser Prozess sollte jedoch nicht als Verbäuerlichung bezeichnet werden, wie dies Robert von Friedeburg vorschlägt,134 denn dieser Begriff verbindet soziale und ökonomische Aspekte mit traditionellen Vorstellungen „bäuerlichen“ Lebens, die auf einem unrealistischen Bild des 19. Jahrhunderts beruhen.135

128 129 130 131 132 133 134 135

Friedeburg 2001, S. 158 f., S. 167. Flügel 1997, S. 96–99. Sokoll 2009, Sp. 946 f.; Abel 1974, S. 302–308. Medick 1996, S. 264–273. Flügel 1997, S. 100 f. Achilles, Bedeutung 1975, S. 121  ; Fried 1975, S. 193  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 321 f. Friedeburg 2001, S. 151. Rouette 2001  ; Rouette 2003, S. 155 f.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Landarbeiter Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion brachte einen steigenden Bedarf an agrarischen Arbeitskräften mit sich. Auch wenn in den deutschen Realteilungsgebieten der Bedarf an außerfamiliären Arbeitskräften relativ gering war, stellten kleine und mittlere Betriebe in der Pfalz vermehrt Lohnarbeiter an. Noch größer war der Bedarf an Lohnarbeit in den norddeutschen Regionen mit großen Höfen und in den Gutsbezirken.136 Durch die Ablösung der Frondienste auf den Gütern und die Intensivierung bzw. Umstellung der Anbauweisen stieg gerade hier der Bedarf nach Arbeitskräften stark an. Zudem entstanden in den mittel- und norddeutschen Gebieten des Zuckerrübenanbaus neue Ziele für Wanderarbeiter.137 Lange Zeit versuchte die historische Forschung, die Landarbeiter nach ihrem rechtlichen Status in verschiedene Gruppen zu untergliedern.138 Die Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen von Landarbeitern sind jedoch wesentlich besser zu erfassen durch eine Analyse der verschiedenen Möglichkeiten, die sich ihnen bei der Nutzung ländlicher Ressourcen boten und die ihre Lebensbedingungen wesentlich prägten.139 Einen zentralen Faktor bildete der Besitz oder zumindest die Pacht eines eigenen Stück Landes. Die Bearbeitung einer eigenen Parzelle gab ihnen eine gewisse ökonomische Unabhängigkeit, durch die sie Einkommensausfälle in anderen Bereichen zumindest teilweise kompensierten. Daher strebten Angehörige der unterbäuerlichen Bevölkerungsgruppen ständig danach, ein eigenes kleines Stück Land zu erwerben.140 Über die materielle Absicherung hinaus hatte Bodenbesitz bis ins 20. Jahrhundert den Vorteil, dass er innerhalb der dörflichen Gemeinschaft soziales Prestige brachte.141 Jene Landarbeiter, die kein Land erwerben oder pachten konnten, waren in ihrer ökonomischen Existenz vollständig von ihren Arbeitgebern abhängig. Ferner bedingten das Ausmaß und die Art der Arbeitsverpflichtung gegenüber ihren Dienstherren sowie die Art ihrer Entlohnung, die sowohl in Naturalien als auch in Geld erfolgen konnte, die Lebensbedingungen der Landarbeiter und ihrer Familien.142 In einigen Regionen wie Hessen oder der Magdeburger Börde sanken die Inhaber kleinbäuerlicher Stellen auf den Status von Landarbeitern ab. Plaul sieht diese Entwicklung als Folge der Krise in den 1870er-Jahren, doch seine Interpretation greift zu kurz, denn sie berücksichtigt ausschließlich ökonomische Aspekte.143 Friedeburg weist für Hessen nach, dass es sich um eine langfristige Entwicklung handelte, die im 17. Jahrhundert 136 137 138 139 140 141 142 143

Schildt 1996, S. 3 f., S. 9 f.; Konersmann 2009  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 280 f. Rach 1990. Flemming 1986, S. 390–395. Plaul 1979, S. 90–98. Friedeburg 1997, S. 76  ; Flemming 1986, S. 394  ; Schildt 1996, S. 7. Kaschuba/Lipp 1982, S. 89–92. Flemming 1986, S. 392 f., S. 409–412  ; Plaul 1979, S. 111–117. Plaul 1979, S. 84.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Abb. 49  : Zur Unterbringung der Tagelöhner wurden in den Zentren saisonaler Arbeit Kasernen errichtet, wie die hier abgebildete „Kleine Kaserne“ in Peseckendorf (Magdeburger Börde), die Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde.

begann.144 In diesem Prozess spiegelten sich neben ökonomischen auch soziale Entwicklungen, die auf der zahlenmäßigen Zunahme der Bevölkerung wie dem Abschluss der größeren Landbesitzer gegenüber den Inhabern von Kleinstellen beruhten. Letztere wandten sich nichtagrarischen Tätigkeiten zu, doch als diese Einkommensmöglichkeit zu schwinden begann, fingen sie an, als Tagelöhner zu arbeiten. Wanderungsbewegungen Ein großer Teil der landlosen und landarmen Dorfbewohner arbeitete in der Mitte des 19. Jahrhunderts beim Eisenbahnbau, und ab den 1860er-Jahren wanderten sie in die aufstrebenden urbanen Zentren der Industrialisierung ab, wo sie bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen fanden als auf den Dörfern.145 Von der historischen Forschung blieb die Option einer temporären Arbeitswanderung in die Städte lange unberücksichtigt.146 Dabei pendelten viele Arbeiter entweder täglich vom Land in die Städte, oder sie gingen 144 Friedeburg 1997, S. 46  ; Schildt 1996, S. 12 f. 145 Flemming 1986, S. 405. 146 Friedeburg 2001.

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im Frühjahr dorthin und kamen im Herbst wieder auf die Dörfer zurück. Sie verließen somit das Land nicht dauerhaft und versuchten durch den Erwerb von Grundbesitz ihrer Arbeiterexistenz eine sichere ökonomische und soziale Basis zu geben. Diese Form des Lebens und Arbeitens zwischen Land und Stadt war in den Mittelgebirgsregionen Hessens, Frankens und Badens weit verbreitet, während sie für große Teile Nord- und Ostdeutschlands untypisch gewesen sein dürfte. Schließlich wanderten viele Angehörige der unterbäuerlichen Schicht im Laufe des 19. Jahrhunderts in die USA aus  : Von 1820 bis 1930 machten sich ca. 5,9 Millionen Deutsche auf den Weg über den Atlantik. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die meisten Auswanderer aus Südwestdeutschland, doch im Laufe des Jahrhunderts stieg der Anteil der aus West- und Nordwestdeutschland kommenden Personen an. Die Auswanderung erfolgte meist im Familienverband, wobei sich ihre soziale Zusammensetzung regional deutlich unterschied  : Aus dem Südwesten wanderten v. a. Inhaber kleiner Stellen aus, aus dem Westen und Nordwesten v. a. Angehörige der unterbäuerlichen Schicht. Ab der Jahrhundertmitte begannen aus dem Nordosten Tagelöhner und Knechte auszuwandern.147 Durch diese Wanderungsbewegungen verringerte sich die Zahl der Landarbeiter, sodass die Besitzer von Gütern oder großen Höfen in den Rübenbaugebieten und die Besitzer ostelbischer Güter ab den 1860er-Jahren begannen, polnische Saisonarbeiter anzuwerben.148 Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Landmaschinen entwickelt, die die agrarische Arbeit beschleunigen und die Produktivität steigern sollten.149 Die Erfolge des Maschineneinsatz dürfen nicht überbewertet werden. Zum einen vermochte er nicht den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen,150 zum anderen weist Ulrich Bentzien für Mecklenburg nach, dass die Ertragssteigerungen weniger durch den Einsatz von Maschinen als durch Meliorationsmaßnahmen erreicht wurden. Allerdings wirkte sich die Einführung der Maschinen, v. a. von Mäh- und Dreschmaschinen, direkt auf Arbeitsbedingungen und Lohngefüge der Gutstagelöhner aus. Ihre Versuche, die Einführung dieser Maschinen zu verhindern, blieben jedoch erfolglos.151

147 148 149 150 151

Rößler 1993, S. 148 f. Schildt 1996, S. 10–12  ; Hagen 2002, S. 641 f. Achilles 1993, S. 240–252  ; Bentzien 1983, S. 122–137. Schildt 1996, S. 10. Bentzien 1983, S. 95–116, S. 119, S. 137–140.

Agrarische Entwicklung während des langen Aufschwungs

Abb. 50  : Mit solchen Dreschmaschinen wie der Breitdreschmaschine von Garrett (ca. 1850) sollte der sehr arbeitsaufwendige Dreschvorgang rationalisiert werden.

Güter Die Entwicklung einer marktorientierten Landwirtschaft führte auch zu Veränderungen im ökonomischen Handeln der adeligen Gutsbesitzer.152 Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts markierten im kollektiven Gedächtnis der Adeligen eine Zeit des Niedergangs, in der sie traditionelle herrschaftliche Rechte verloren. Vielfach wehrten sie sich gegen den Verlust ihrer sozialen und ökonomischen Vormachtstellung und in Preußen konnten sie die Reformgesetze so beeinflussen, dass sie davon profitierten. So gelang es dem Adel, weiterhin an der Spitze der ländlichen Gesellschaft zu bleiben. Zwar übernahmen auch viele Bürgerliche Güter, aber nirgends errangen sie eine hegemoniale Stellung innerhalb der ländlichen Gesellschaft. Landadel und Bürgertum bildeten – zumindest in Brandenburg – sozial getrennte Sphären. Auch Adelige entwickelten sich zu Agrarunternehmern, die ihre Betriebe nach modernen Prinzipien einer am Markt orientierten Betriebsführung organisierten bzw. von ihren Verwaltern organisieren ließen. Sie erwiesen sich damit als weitaus anpassungsfähiger, als ihnen viele Kritiker zugebilligt haben.

152 Hagen 2002, S. 612  ; Schiller 2003, S. 499–512.

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Die jüdische Bevölkerung Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert war geprägt von der Integration in die moderne Gesellschaft. Die Emanzipation der Juden und ihr sozialer Aufstieg ins Bürgertum bildeten – neben dem Aufkommen des Antisemitismus – die zentralen von der Geschichtswissenschaft behandelten Themen.153 Die beiden erstgenannten Aspekte betrafen v. a. die in den Städten lebenden Juden. Doch ein Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte weiterhin auf dem Land. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung an der gesamten deutschen Bevölkerung stieg von 1,1% im Jahr 1816 auf 1,2% im Jahr 1871 leicht an.154 Auch weiterhin sind große regionale Unterschiede zu beobachten. Die meisten Juden lebten in Preußen, aber wegen der dortigen liberalen Ansiedlungspolitik wohnten sie überwiegend in den Städten. Nur in Oberschlesien und in der preußischen Rheinprovinz war ein relativ hoher Anteil an Landjuden zu finden. Weitere Zentren jüdischer Siedlung waren Bayern, Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Baden und Württemberg, wo sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts v. a. auf dem Land wohnten. In Hessen z. B. machten die Juden 3% der Gesamtbevölkerung aus, während in Sachsen der Anteil der jüdischen Bevölkerung nur 0,5% betrug.155 Die Landjuden waren weiterhin v. a. als Händler und Geldverleiher aktiv.156 Dieses Beharren auf ihren traditionellen Aktivitäten widersprach dem Ziel der z. B. in Kurhessen oder Franken verfolgten Emanzipationspolitik, die jüdische Bevölkerung zu einem Engagement in Landwirtschaft und Handwerk zu bewegen und sie auf diesem Weg in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren.157 Das Festhalten an ihren angestammten Aktivitäten hatte auch ökonomische Gründe. Der von ihnen betriebene Handel und Geldverleih erfüllte eine zentrale Funktion beim Übergang zur Marktwirtschaft des 19. Jahrhunderts.158 In einigen Regionen verkauften die Juden die Produkte vom Lande auf den städtischen Märkten, sie versorgten die agrarischen Produzenten mit städtischen Produkten. Weiterhin übernahmen die jüdischen Viehhändler eine wichtige Funktion für die Versorgung der Städte mit tierischen Produkten. Die jüdischen Geldverleiher gehörten zu jenem Netzwerk des privaten Kredits, das die Landbevölkerung vor der Einrichtung eines umfangreichen Systems von Spar- und Darlehenskassen mit dem nötigen Kapital versorgte.159 Nach Monika Richarz vergaben sie an die Landbewohner auch Kleinkredite, zu denen die Kreditinstitutionen nicht bereit waren. Auf diese Weise ermöglichten sie die Finanzierung der Agrarreformen und die Umstellung der Höfe auf eine marktwirtschaftliche Produktion.160 Im Unterschied zu dieser These Richarz’ 153 154 155 156 157 158 159 160

Volkov 1994, Toury 1977  ; Rürup 1987. Rürup 1984, S. 106  ; Volkov 1994, S. 5. Toury 1977, S. 9–20  ; Jersch-Wenzel 1987  ; Volkov 1994, S. 5. Richarz 1981  ; Endres 1989, S. 57. Richarz 1981, S. 101  ; Rürup 1987, S. 28–30  ; Endres 1989, S. 57. Richarz 1981, S. 104. Clemens/Reupke 2008  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 120-122  ; Demandt 1980, S. 47. Richarz 1981, S. 99.

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arbeiteten Clemens und Reupke in einer Studie zur saarländischen Kleinstadt Merzig heraus, dass die jüdischen Geldverleiher nur ein geringes Interesse an unsicheren Kleinkrediten hatten. V. a. Kirchengemeinden halfen der Landbevölkerung in finanziell schwierigen Situationen, während die jüdischen Geldverleiher größere Summen verliehen, die sie nur für kurze Zeit bis zu einem genau festgelegten Termin ausgaben. Diese Geldgeschäfte waren oft mit Vieh- oder Getreidegeschäften verbunden, woraus Clemens und Reupke schließen, dass sich die jüdischen Geldgeschäfte vor allem am Markt orientierten.161 Doch diese Ergebnisse sollten nicht ungeprüft auf andere Gegenden übertragen werden, denn die örtlichen Kreditnetzwerke stellten sich in jeder Region anders dar. Die Verknüpfung von Geld- und Warengeschäften konnte bereits für das 18. Jahrhundert festgestellt werden.162 Monika Richarz weist darauf hin, dass die Landbevölkerung die jüdischen Geldverleiher für Probleme mit der neuen Marktwirtschaft verantwortlich machte, weil diese aufgrund ihrer Geldgeschäfte als Repräsentanten der neuen ökonomischen Ordnung angesehen wurden.163 Deshalb äußerten sich krisenhafte Situationen im 19. Jahrhundert auch in anti-jüdischen Ausschreitungen  : Erste gewaltsame Krawalle gab es 1819, doch einen Höhepunkt erreichten sie während der Revolutionen von 1830 und 1848.164 Im Zuge der Ausbildung des Parteiensystems gelang es dem politischen Antisemitismus, sich eine institutionelle Basis zu verschaffen, und in einigen Regionen wie in Hessen fanden antisemitischen Parteien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts großen Zuspruch.165

4.2 Regionale Entwicklungspfade Die Durchführung der Agrarreformen und die Transformation der ländlichen Gesellschaften verliefen in den verschiedenen Gegenden Deutschlands auf unterschiedlichen Wegen. Hierfür waren nicht nur die Unterschiede in der Reformgesetzgebung verantwortlich, auch die Unterschiede der sozialen Strukturen der ländlichen Gesellschaften sowie des Entwicklungsstands und der -möglichkeiten der Landwirtschaft – hier wäre z. B. die Existenz städtischer Zentren als Absatzmärkte zu nennen – bildeten weitere Rahmenbedingungen, innerhalb deren sich die Akteure dieser Transformation, d. h. die Feudalherren, Hofbesitzer und übrigen Dorfbewohner, ihren Weg in eine neue, am Markt orientierte Ökonomie ebnen mussten. Im Folgenden werden drei Regionen vorgestellt, die für einen je eigenen Weg des Umbaus der ländlichen Gesellschaften stehen. Auch wenn diese drei Beispiele stellvertretend für größere Regionen innerhalb Deutschlands stehen, werden damit nicht alle möglichen Modelle des Wandels aufgezeigt. Es soll vielmehr an 161 162 163 164 165

Clemens/Reupke 2008, S. 230–234. Bracht 2006  ; Fertig/Bracht/Pfister 2010  ; Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 124. Rohrbacher/Schmidt 1991, S. 101  ; Richarz 1981, S. 103. Wirtz 1981  ; Rürup 1987, S. 17  ; Volkov 1994, S. 38 f.; Richarz 1981, S. 102. Friedeburg 1997, S. 258–263  ; Volkov 1994, S. 50 f.

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typischen Beispielen gezeigt werden, wie unterschiedlich die Transformationsprozesse im 19. Jahrhundert ablaufen konnten. 4.2.1 Brandenburg  : Große Güter und bäuerliche Betriebe

Umstellung der Güter-Ökonomien Wie in Kapitel 2.2.1 dargelegt, bestimmten große Güter das ökonomische, soziale und politische Leben zahlreicher deutscher Regionen, die v. a. – aber nicht nur – östlich der Elbe zu finden waren. In Brandenburg erfolgte der Übergang zu einer weitgehend auf den Markt bezogenen Landwirtschaft auf verschiedenen sozialen Ebenen. Die Gutsbetriebe, die schon lange eine marktorientierte Landwirtschaft betrieben, dominierten weiterhin das Bild der ländlichen Ökonomie in dieser Region. Doch im Zuge der Agrarreformen änderten sich die Rahmenbedingen ökonomischen Handelns. So brachte die Umstellung von Frondiensten auf Tagelohn nicht nur die Notwendigkeit mit sich, die geleistete Arbeit zu entlohnen, sondern erforderte auch die Anschaffung von Zugvieh und Gerätschaften, die bisher die Dienstpflichtigen stellen mussten. Da die Gutsbesitzer seit dem 18. Jahrhundert begonnen hatten, immer mehr Tagelöhner zu beschäftigen, bildeten diese Umstellungen vielfach eine überschaubare Belastung.166 Den im Zuge der Ablösungen hinzugewonnenen Landbesitz konnten die Güter jedoch nicht vollständig bewirtschaften, weshalb sie einen Teil verkauften oder an Tagelöhner verpachteten. Der hierdurch erzielte Kapitalzufluss erlaubte die Finanzierung der notwendigen Betriebsumstellung. Auch wenn die Gutsbesitzer zu einem großen Teil gegen die Agrarreformen opponierten und die Rentabilität der Gutswirtschaften durch die Abschaffung der Frondienste gefährdet sahen, stellten sie sich auf die neuen Wirtschaftsbedingungen rasch ein. Bei der Bewerkstelligung dieses Übergangsprozesses waren zwar nicht-adelige Gutsverwalter, die den u. a. von Thaer propagierten liberalen Wirtschaftsprinzipien folgten, von erheblicher Bedeutung.167 Ihr Wirken wäre jedoch ohne die Akzeptanz und das Mitwirken der adeligen Gutsbesitzer nicht möglich gewesen. Zur gleichen Zeit erwarben Bürgerliche zahlreiche kleinere Güter, deren Bewirtschaftung sie ebenfalls umstellten.168 Die Marktsituation beeinflusste diesen Übergang in erheblichem Maße. Zwar erwiesen sich die ersten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts aufgrund der Kriegslasten und der niedrigen Getreidepreise in den 1820er-Jahren für sämtliche Betriebe als überaus schwierig, aber ab den 1830er-Jahren konnten sie von der günstigen Konjunktur für Agrarprodukte profitieren. Aufgrund der zunehmenden Nachfrage nach Lebensmitteln v. a. im schnell wachsenden Berlin stieg die landwirtschaftliche Produktion bis in die zweite Hälfte des 166 Hagen 2002, S. 600, S. 612–616. 167 Hagen 2002, S. 612, S. 627. 168 Schiller 2003, S. 502.

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19. Jahrhunderts deutlich an. Die Güter gerieten erst in den 1870er-Jahre infolge der wachsenden Getreideimporte aus Russland und den USA ökonomisch unter Druck.169 Bei der Ausweitung ihrer Produktion beschritten die Gutsbesitzer die von den Verfechtern einer „rationellen Landwirtschaft“ propagierten Wege  : Sie stockten ihre Viehhaltung auf, führten die neuen Pflanzen ein, nutzten das Intensivierungspotenzial ihrer Betriebe und beteiligten sich an Meliorationen.170 Die Separationen, in deren Rahmen gemeinschaftliche Weiderechte und andere Nutzungsregelungen aufgehoben wurden, erleichterten den Anbau neuer Pflanzen. Diese Umstellungen waren nicht selbstverständlich. So führte der Verwalter von Gut Stavenow den Anbau von Klee aufgrund der ungünstigen Bedingungen vor Ort erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein.171 Bäuerliche Landwirtschaft Obwohl die meisten bäuerlichen Hofbesitzer aufgrund der Ablösungen ungleich größere Belastungen zu tragen hatten als die Güter, gelang auch ihnen der Übergang in die neue Wirtschaftsweise. Dies belegen sowohl die steigenden Produktionszahlen als auch der Umstand, dass die meisten Höfe in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch existierten.172 Von einem massenhaften „Höfesterben“ kann also keine Rede sein. Auch die Hofbesitzer profitierten von der günstigen Marktsituation, die nach Harnisch der eigentliche Motor für den Übergang zu einer marktorientierten Produktionsweise war.173 Doch die Hofbesitzer vollzogen den Übergang langsamer als die Güter, weil sie über einen geringeren finanziellen Spielraum verfügten. Tagelöhner Mit der Umstellung der Güter auf Lohnarbeit war ein Wandel des Verhältnisses zwischen Gutsbesitzer und Tagelöhner verbunden. Wurden Letztere noch bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts mit Naturalien entlohnt und vertraten die Gutsherren auch weiterhin den Anspruch, eine persönliche Beziehung zu „ihren“ Arbeitern zu unterhalten, wandelte sich das Verhältnis Herr–Arbeiter im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem reinen Lohnarbeitsverhältnis. Viele Gutsherren verpachteten überschüssiges Land, das sie nicht bewirtschaften konnten, an Tagelöhner, die darauf Kleinstellen einrichteten, die ihnen neben dem Lohneinkommen noch eine zusätzliche Absicherung erlaubten. Trotz dieser Umstellungen blieben die Arbeitsbedingungen auf dem Land im Vergleich zur Fabrikarbeit in den Städten durch die unmittelbare Kontrolle der Arbeiter und die niedri169 170 171 172 173

Schiller 2003, S. 81 f., S. 166 f. Hagen 2002, S. 619, S. 625–627  ; Schiller 2003, S. 81  ; Harnisch 1984, S. 208, S. 223–225. Hagen 2002, S. 626. Harnisch 1984, S. 208–211, S. 226–231  ; Hagen 2002, S. 632. Harnisch 1984, S. 45 f., S. 192 f.

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geren Löhne unattraktiv, sodass sie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in die städtischen Zentren, nach Berlin oder ins Ruhrgebiet, abwanderten. Das führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem dauerhaften Mangel an Arbeitskräften.174 4.2.1 Westfalen  : Der Ausbau des Ruhrgebiets und das Entstehen einer marktorientierten Landwirtschaft

Die Krise des Leinengewerbes In vielen deutschen Regionen führten die Krise des ländlichen Gewerbes und der damit eng verbundene Pauperismus zu einem grundlegenden Wandel der ökonomischen und sozialen Strukturen. Hand in Hand damit begannen die Hofbesitzer vielfach damit, ihre Landwirtschaft auf eine Produktion für die attraktiver werdenden städtischen Märkte zu orientieren. Diese Entwicklungen können in Westfalen besonders gut nachgezeichnet werden. In der Grafschaft Ravensberg hatte sich die Zahl der Webstühle und Leinwandstücke von 1790 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch verdoppelt. Nun brach aber die heimindustrielle Leinenfertigung zusammen und die Bielefelder Leinenkaufleute wurden zu Unternehmern, die Fabriken errichteten, in denen Leingarn gesponnen und zu Leinwand verwebt wurde.175 Damit verlor die Heuerlingsbevölkerung ihre wichtigste ökonomische Basis. Die Krise traf diejenigen besonders hart, die ausschließlich vom Gewerbe lebten, während jene Heuerlinge, die nebenbei eine kleine Landwirtschaft betrieben, die Krise eher abzufedern vermochten. Im gegebenen Rahmen überstehen konnten diese Strukturkrise jedoch nur diejenigen, die Arbeit und Einkommen in einer der Nachfolgeindustrien fanden. Daher begannen die Heuerlinge in großer Zahl nach Amerika auszuwandern.176 Entstehung des Ruhrgebiets und Ausbau der Landwirtschaft In der Landwirtschaft setzte sich der agrarische Intensivierungsprozess fort, indem sich die Inhaber der großen und mittleren Höfe zusehends auf die agrarische Produktion konzentrierten.177 Die Entwicklung des Ruhrgebiets zur wichtigsten Wachstumsregion Deutschlands im 19. Jahrhundert förderte diesen Prozess. Doch stärker noch als auf die Landwirtschaft der Grafschaft Ravensberg wirkte sich der Aufschwung des Ruhrgebiets auf die unmittelbar benachbarten Regionen im westlichen Westfalen aus, denen Michael Kopsidis mehrere Studien gewidmet hat.178 174 175 176 177 178

Hagen S. 641 f.; Schildt 1996, S. 10–12. Mager 1982, S. 471 f.; Flügel 1997, S. 95, S. 99–101. Mager 1982, S. 471. Brakensiek 1991, S. 184  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 322. Kopsidis 1996  ; Kopsidis 1995  ; Kopsidis 2001  ; Kopsidis, Agrarentwicklung 2006.

Regionale Entwicklungspfade

Kopsidis untersucht die regionalen Formen dieser Entwicklung mithilfe des Modells der Thünenschen Ringe  : Er weist nach, dass der Grad der Intensivierung und die Art der Agrarproduktion in enger Beziehung zur Entfernung zum städtischen Markt stehen. Den Intensitätskern bildete das Ruhrgebiet selbst mit einer gartenbauähnlichen Landwirtschaft. Es war von einem inneren Ring ebenfalls intensiver Landwirtschaft umgeben, zu dem der Hellweg und das Niedersauerland zählen. Daran schloss sich ein äußerer Ring an, der das Kern- und das Sandmünsterland, das Sauer- und das Siegerland umfasste.179 Ausdehnung und Spezialisierung dieser Produktionskreise wurden durch die Transportkosten bestimmt  : Die Produkte, deren Transport am billigsten war, wurden in den äußeren Kreisen hergestellt, hier konzentrierten sich Forst- und Viehwirtschaft. Umgekehrt führten die Hofbesitzer bei günstigen Absatzchancen auch dort eine intensive Landwirtschaft ein, wo geologische und klimatische Bedingungen eher ungünstig hierfür waren. In den äußeren Ringen spielten dagegen Bodengüte und Bevölkerungsdichte eine entscheidende Rolle dafür, wie die Hofbesitzer ihre Produktion ausgestalteten.180 Innere Mechanismen sozialer und ökonomischer Entwicklung Kopsidis’ Hauptaugenmerk gilt den inneren sozialen und ökonomischen Mechanismen, die der Entwicklung der Marktwirtschaft zugrunde lagen. In seinen ersten Arbeiten stellt er heraus, dass der entscheidende Anstoß zur Entwicklung der Landwirtschaft durch die Nachfrage – in diesem Fall also die Entwicklung des städtischen Marktes im Ruhrgebiet – erfolgte.181 Das stetig hohe Preisniveau ließ letztlich erst die kostspieligen Intensivierungen interessant werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Nachfrage sich direkt auf die Landwirtschaft auswirken konnte, war eine gute Verkehrsanbindung. Sie wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes gewährleistet.182 Als Ausdruck der Entwicklung hin zu einer intensiveren, marktorientierten Landwirtschaft sieht Kopsidis, dass die Brache allgemein zurückging, über 5% des Landes mit Kartoffeln bebaut wurde, außerhalb des Ruhrgebietes der Kleeanbau stark zunahm, der Weizenanbau überall Fuß fasste, sich die Anbaustrukturen überall diversifizierten und die Thünenschen Ringe sich räumlich immer stärker ausweiteten.183 In neueren Publikationen hat Kopsidis dieses Modell unter Verwendung entwicklungstheoretischer Ansätze um die Erörterung der inneren Mechanismen der ländlichen Gesellschaft, die die Entwicklung zu einer marktorientierten Ökonomie förderten, erweitert. Anders als noch in seinen ersten Studien räumt er der rechtlichen Situation eine wichtige Bedeutung ein  : Durch ihr günstiges Besitzrecht besaßen die Hofinhaber recht große Hand179 180 181 182 183

Kopsidis 1995, S. 147–149  ; Kopsidis 2001. Kopsidis 2004, S. 322–327. Kopsidis 1996  ; Kopsidis 1995. Kopsidis 1996, S. 322, S. 326–337. Kopsidis 1995, S. 150 f.

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lungsfreiheit und der Mehrwert wurde nicht so stark abgeschöpft wie in anderen Regionen. Hinzu kam, dass die Inhaber der großen und mittleren Höfe das Heuerlingssystem zu ihren Gunsten gestalten konnten, indem sie die interlocked market factors dominierten und damit die für sie günstigsten ökonomischen Strategien verfolgen konnten.184 Kopsidis unterscheidet zwischen zwei Entwicklungsphasen, deren Wendepunkt er in den 1840er-Jahren sieht. In der ersten Phase bildete das quantitative Wachstum der Bevölkerung die Grundlage der Produktionssteigerung und der Getreidebau stand im Zentrum der agrarischen Produktion. In der zweiten Phase erhöhte sich zudem die Nachfrage pro Kopf der Bevölkerung und die tierische Produktion gewann an Bedeutung, was den Handlungsspielraum der agrarischen Produzenten weiter vergrößerte.185 Die zur Deckung des steigenden Bedarfs nötigen Intensivierungsmaßnahmen beruhten auf einer gesteigerten Arbeitsleistung, die der Landbevölkerung durch die damit verbundenen Gewinnaussichten profitabel erschienen. Ein Großteil der gesteigerten Arbeitsleistung erbrachten Familienmitglieder, die kostengünstiger und Dank des Eigeninteresses mit größerer Motivation arbeiteten.186 Kopsidis’ Modell ist durch seine Verbindung externer und interner Faktoren überaus anregend und es hat viel zur Erhellung der Marktmechanismen in der Landwirtschaft vorindustrieller Gesellschaften beigetragen. Es bleibt jedoch kritisch anzumerken, dass es die kulturelle Orientierungsmuster zu wenig berücksichtigt  : Der handelnde Mensch erscheint recht eindimensional als rationaler homo oeconomicus. Das Modell scheint zwar für die großen und mittleren Höfe Westfalens sehr gut zu passen, der Beleg seiner Anwendbarkeit auf das ökonomische Handeln der Inhaber kleiner Höfe in Mittel- und Südwestdeutschland steht allerdings noch aus. 4.2.3 Mittelgebirgsregionen  : Die Kommerzialisierung klein- und mittelbetrieblicher Landwirtschaft

Wie in Kapitel 3.2.3 dargelegt, herrschte in großen Teilen Mittel- und Südwestdeutschlands eine klein- und mittelbetriebliche Landwirtschaft vor, wobei die Rahmenbedingungen ökonomischen Handelns wie z. B. Besitzstruktur oder Marktanbindung sich von Region zu Region stark unterschieden, sodass die Ausgestaltung der Landwirtschaft sehr unterschiedliche Formen aufwies. Ein gemeinsames Merkmal dieser gesamten Region war jedoch, dass die Hofbesitzer einen geringeren ökonomischen Handlungsspielraum besaßen als in Gebieten großbetrieblicher Landwirtschaft. Innovationen fielen ihnen schwerer, und dennoch veränderte sich auch hier die Landwirtschaft grundlegend. Als ein Beispiel für die konkrete Umsetzung agrarischer Innovationen unter den Bedingungen einer kleinbis mittelbetrieblichen Landwirtschaft werden im Folgenden die Entwicklungen im südlichen Niedersachsen dargestellt. 184 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 285–318. 185 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 282. 186 Kopsidis, Agrarentwicklung 2006, S. 340–342.

Regionale Entwicklungspfade Abb. 51  : Durch den Anbau der Industriepflanze Raps, die in erster Linie der Gewinnung von Öl diente, machten die Landwirte im südlichen Niedersachsen im 19. Jahrhundert einen ersten wichtigen Schritt zur industriellen Landwirtschaft.

Durchführung der Agrarreformen Ab den 1830er-Jahren konnten dort die Hofbesitzer die Feudallasten ablösen, während die Frondienste der Domänenbauern bereits im 18. Jahrhundert in Rentenzahlungen umgewandelt worden waren.187 Ab 1850 wurden die Allmenden vollständig aufgeteilt (Gemeinheitsteilung) und der in kleine Parzellen zersplitterte Landbesitz zusammengelegt (Verkoppelung). Den Gemeinheitsteilungen war ein langer, bis ins 17. und 18. Jahrhundert zurückreichender Prozess voran gegangen, in dessen Verlauf die Landbevölkerung von sich aus gemeinschaftlich genutztes Land zur individuellen Nutzung aufgeteilt hatte.188 Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer immer größeren Zahl von Gemeinheitsteilungen, die vor allem von den Besitzern kleinerer Höfe beantragt wurden, weil sie Ackerland hinzugewinnen wollten. Dem widersetzten sich die Inhaber der größeren Höfe, die einen wachsenden Viehbestand auf die Weideflächen schickten.189 Ab der Mitte des 187 Schneider 1992, S. 218 f., S. 273–288  ; Prass 1997, S. 191 f. 188 Prass, Reformen 2000, S. 75–78  ; Prass 1997. 189 Prass 1997, S. 219–222.

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19. Jahrhunderts änderte sich das Bild. Nun setzten sich vor allem die Besitzer der größeren Höfe für eine vollständige Aufteilung der Allmenden ein, die mit Unterstützung staatlicher Beamter und Landvermesser konsequent durchgesetzt wurden.190 Zwar waren auch im südlichen Niedersachsen die Agrarreformen nicht die Ursache für die zu beobachtende agrarischen Intensivierung, aber sie schufen günstige Rahmenbedingungen. Art und Umfang der Produktions- und Produktivitätssteigerung hingen von der Landesnatur, von der ökonomischen und sozialen Situation sowie von den finanziellen Möglichkeiten der Landwirte sowie von marktökonomischen Anreizen ab. Schon im 18. Jahrhundert hatten die agrarischen Produzenten begonnen, neue Pflanzen anzubauen und ihre Ackerflächen auszuweiten. Ein wesentlicher Schrittmacher des Fortschritts war der Anbau von Kartoffeln, die sowohl als Nahrungsmittel verwendet, als auch in Schnapsbrennereien verarbeitet wurden. Das Getreide, dessen Erträge die Landwirte ebenfalls steigerten, blieb die wichtigste in dieser Region angebaute Frucht. Den höchsten Ertragszuwachs erzielten die Landwirte beim Weizen, den sie v. a. für den Verkauf auf städtischen Märkten anbauten.191 Intensivierung der Landwirtschaft Die Zentren dieser Intensivierung bildeten die stadtnahen Gemeinden, in denen eine ausreichende Käuferschaft den Hofbesitzern genug Anreiz bot, den dafür notwendigen Arbeitseinsatz zu erbringen. Umgekehrt bot das umliegende Bergland keine adäquaten geologischen und klimatischen Voraussetzungen für die Einführung eines intensiveren Ackerbaus. Hier spezialisierten sich die Hofbesitzer auf die Viehzucht, was die allgemein durchgeführten Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen ökonomisch unsinnig ­machte.192 Schließlich führte der Bau der Eisenbahn zu einer Ausweitung des Marktgebietes und damit der ökonomischen Aktivitäten. Verkauften die Hofbesitzer die landwirtschaftlichen Produkte bisher fast ausschließlich auf den regionalen Märkten, so erhielten ihre Marktbeziehungen nun europäische Dimensionen. Auch Obst konnten sie nun überregional vermarkten.193 Man kann also festhalten, dass die Hofbesitzer im südlichen Niedersachsen die gleichen Intensivierungswege beschritten, die auch in anderen Regionen zu beobachten waren. Da sie über einen geringen finanziellen Handlungsspielraum verfügten, setzten sie die Intensivierungen in kleineren Schritten und damit allmählicher um als die Hofbesitzer in Regionen mit einer mittel- oder großbäuerlichen Landwirtschaft. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erweiterten sie v. a. über die Besömmerung der Brache, die sie immer weiter ausdehnten, ohne jedoch in jedem Fall die gesamte Brachfläche zu 190 191 192 193

Prass 1997, S. 254 f., S. 312–335. Prass 1997, S. 198–203, S. 306 f. Prass 1997, S. 285. Prass 1997, S. 307 f.

Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft

bebauen. Neben dem Kartoffelanbau dehnten sie den Anbau von Klee, Raps und Rüben weiter aus.194 Die Gemeinden hatten die zum Ackerbau nutzbaren Allmenden bis ins 18. Jahrhundert so weit aufgeteilt, dass sie nur noch eine unbedeutende Landreserve bildeten. Gleichwohl waren die Gemeinheitsteilungen wichtig, denn mit ihnen wurden die Weiderechte, v. a. die herrschaftlichen Schafweiderechte, aufgehoben. Im Zuge der parallel durchgeführten Verkoppelungen erfolgte ferner in einer ganzen Reihe von Gemarkungen die Einrichtung von Be- und Entwässerungsanlagen.195 Zentraler Intensivierungsmechanismus war auch hier die Verbesserung der Viehhaltung, d. h. der Anbau von Futterkräutern und die Einführung der Stallfütterung. Doch da sich die meisten Hofbesitzer die Investitionen für eine ganzjährige Stallfütterung nicht leisten konnten, praktizierten sie die sog. halbe Stallfütterung, d. h. sie ließen die Tiere für eine gewisse Zeit noch auf die Weide. Daher wiesen Landbesitzer nach durchgeführter Gemeinheitsteilung oft eine größere Parzelle als gemeinschaftliche Weidefläche aus. Gleichwohl gewannen sie vermehrt Dünger und sie konnten auch die tierische Produktion aufgrund von Neuzüchtungen steigern.196 Begannen die Landwirte mit dem Anbau von Raps bereits die Sphäre der Nahrungsmittelproduktion zu verlassen, so markierte die Einführung des Zuckerrübenanbaus ab den 1870er-Jahren den endgültigen Übergang zu einer kapitalistischen Landwirtschaft.197 Diese relativ spät gegründeten Zuckerfabriken befanden sich durchweg im Besitz der agrarischen Produzenten. Zunächst handelte es sich um Besitzer und Pächter großer Güter, doch gegen Ende der 1870er-Jahre kam die Idee der Gründung von Bauernfabriken auf, die in den 1880er-Jahren dann auch realisiert wurden.198 Die Landwirtschaft im Umland von Göttingen war zu diesem Zeitpunkt somit unmittelbar in den Industrialisierungsprozess eingebunden, aus dem sie weitere Intensivierungsimpulse erhielt.

4.3 Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert Rechristianisierung und Intensivierung religiösen Lebens Obwohl sich im 19. Jahrhundert zahlreiche neue politische und intellektuelle Strömungen entwickelten, die zu einer Säkularisierung weiter Lebensbereiche führten, war das Leben in dieser Epoche zugleich noch wesentlich durch Religion und Kirche geprägt.199 Nach einer 194 195 196 197 198 199

Prass 1997, S. 197 f., S. 204. Prass 1997, S. 357 f. Prass 1997, S. 212 f., S. 358, S. 360. Wallbaum 1998, S. 134 f. Prass 1998, S. 363 f. Lehmann 1997  ; Nipperdey 1983, S. 403–430.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Krise der Religiosität in der Zeit um 1800 setzte ab 1815 eine Intensivierung kirchlichen Lebens ein, die dazu führte, dass die Konfessionskirchen sich wieder stärker voneinander abgrenzten und die Konflikte zwischen den Konfessionen ab 1830 einen ausgesprochen polemischen Charakter annahmen. Einen ihrer bekanntesten Höhepunkte erlebte dieser aggressive Konfessionalismus im Kulturkampf der 1870er-Jahre. Thomas Nipperdey führt als Erklärung für das Wiederaufleben der Religiosität ihren antirevolutionären Charakter und die Tendenz des Obrigkeitsstaats zum Bündnis von „Thron und Altar“ an.200 Diese Aspekte beziehen sich aber auf Entwicklungen innerhalb der gesamten bürgerlichen Gesellschaft. Neuere Studien zeigen, dass die ländlichen Gesellschaften dieser Entwicklung bis zu einem gewissen Grad folgten, dass sie zugleich aber auch ganz eigene Wege gingen.201 Auch bei der ländlichen Bevölkerung war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine verstärkte Hinwendung zur Religion zu beobachten. So begaben sich Katholiken wieder in zunehmendem Maße auf Wallfahrten und ihre Kirche unterstützte sie darin. Unter den Protestanten erstarkten pietistische Bewegungen.202 Zwar besaß die Aufklärung – zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – im Katholizismus wie im Protestantismus noch großen Einfluss und der liberale Protestantismus war von hoher Bedeutung, aber beide erreichten im Grunde nur das gebildete Bürgertum, während konservative Strömungen sich in der städtischen und ländlichen Bevölkerung zu Massenbewegungen ausweiteten. Darüber hinaus entwickelten sich Glaube und Frömmigkeit im 19. Jahrhundert mehr und mehr zu einer Sache der Frauen. Dies hatte sich schon seit dem 18. Jahrhundert mit einem deutlich erkennbaren Rückzug der Männer aus dem Kirchenleben angedeutet und verstärkte sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zusehends. So spielten Frauen in der Ravensberger Erweckungsbewegung eine besondere Rolle und katholische Autoren veröffentlichten eigene Andachtsbücher für Frauen.203 Zwar ging die Rechristianisierung v. a. in der katholischen Kirche mit einer starken Einbindung religiösen Lebens in die Konfessionskirchen einher,204 doch stellt sich die Frage, ob die Landbevölkerung mit ihrer Religiosität nicht auch ganz eigene Ziele verfolgte. In den protestantischen Kirchen, in denen die liberalen Strömungen im gebildeten Bürgertum den konservativen Strömungen der Orthodoxen und Pietisten gegenüberstanden, ist diese Differenz deutlich zu erkennen. Die auf dem Land sich entwickelnde Erweckungsbewegung verfolgte nicht nur eine Abkehr von der modernen Welt hin zu einer intensiv gelebten innerlichen Frömmigkeit. Josef Mooser hat für Minden-Ravensberg gezeigt, dass die dort v. a. von ländlichen Unterschichten getragene Erweckungsbewegung eine Reaktion auf die Krise des ländlichen Heimgewerbes war. Der Erlösungsglaube barg für die frommen Angehörigen der unterbäuerlichen Schicht, die eine schwere ökonomi200 Nipperdey 1983, S. 405. 201 Dietrich 2004  ; Pahl 2006. 202 Schlögl 1995, S. 26  ; Mooser 1989. 203 Schlögl 1995, S. 20–26  ; Saurer 1991  ; Mooser 1989, S. 23. 204 Nipperdey 1983, S. 411.

Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft

sche und soziale Krise zu bewältigen hatten, die Möglichkeit, ein positives Selbstbild zu entwickeln. Mit ihrer Forderung nach einer „christlichen Behandlung“ kritisierten sie das Eindringen von Marktmechanismen in die sozialen Beziehungen im Dorf und durch die Formulierung des Primats der Religion über die Wirtschaft gaben sie ihrem Streben nach Sicherung ihrer Subsistenz eine moralische Grundlage.205 Eine neue Dynamik der Entwicklung eigenständiger Ausdrucksformen gelebten Glaubens lässt sich auf katholischer Seite im Kulturkampf beobachten. Gottfried Korff konstatiert bei seiner Untersuchung der Marienerscheinung in Marpingen (Saarland), die Mitte der 1870er-Jahre in der deutschen Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregte, dass die dortige Verehrung eines Wunders nicht von der Kirche selbst ausging, sondern dass seine Dynamik aus den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung erwuchs. Die neuen Frömmigkeitsstile gingen somit im 19. Jahrhundert nicht nur von der katholischen Kirche aus, sondern sie entwickelten sich auch aus „den Energien regionaler und lokaler Kultüberlieferungen“.206 Doch diese Marienerscheinung war nicht nur aus politischen Gründen umstritten. Die in ihrem Umkreis zu beobachtenden „Ausbrüche der Volksreligiosität“ beunruhigten zahlreiche Kleriker  ; die Kirchenhierarchie wahrte Distanz.207 Vor allem die reservierte Haltung des Klerus verhinderte die Etablierung von Marpingen als deutschem Lourdes, nicht so sehr die staatlichen Versuche, diese Wallfahrt zu unterdrücken. Doch zugleich fällt es nach Korff schwer, in dieser Marienerscheinung eine „populäre Spontanaktion“ zu sehen, denn „die Bindungen an offizielle Kultfigurationen schlagen zu stark durch, als daß von einer Kultform des Volkes die Rede sein kann“.208 Ein „Zweites Konfessionelles Zeitalter“  ? Von der Beobachtung ausgehend, dass sich ab den 1820er-Jahren der Tonfall in den Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen verschärfte und diese in polemischem Ton ausgetragen wurden, formulierte Olaf Blaschke die These, dass dem „Zeitalter der Toleranz […] ein konfessionelles Zeitalter der Intoleranz“ folgte, das als Zeitalter einer zweiten Konfessionalisierung zu verstehen sei.209 Er untermauert diese These mit der Beobachtung, dass bei gleichzeitiger Säkularisierung im 19. Jahrhundert eine Rechristianisierung einsetzte und dass die Amtskirchen nach einer Uniformierung des Kirchenlebens strebten, die schließlich auch zu einer uniformen Volksfrömmigkeit führte. Diese Intensivierung und Uniformierung kirchlich-religiösen Lebens wurde nach seiner Einschätzung in unterschiedlichsten Lebensbereichen wie Politik oder Vereinsleben so wirksam, dass sie diese zu einem großen Teil bestimmten.210 205 Mooser 1989, S. 32 f., S. 38. 206 Korff 1986, S. 138, 141 f. 207 Blackbourn, Marpingen 2007, S. 235–243, S. 247–251, S. 395–399. 208 Korff 1986, S. 146. 209 Blaschke 2002, S. 13. 210 Blaschke 2002.

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Obwohl der Begriff des zweiten konfessionellen Zeitalters mittlerweile breiten Eingang in die Forschung gefunden hat, wurde der ihm zugrunde liegenden These heftig widersprochen.211 Blaschkes These hat zwar die Forschung auf die kirchlich-religiöse Prägung vielfältiger Bereiche des Lebens aufmerksam gemacht, aber es erscheint problematisch, dass sie große Teile des 19. Jahrhunderts einem einzigen Aspekt unterordnet und dabei sowohl den Blick auf die parallel vorhandenen Entwicklungen zu verstellen als auch eigenständige Erscheinungsformen religiösen Lebens „von unten“ zu verdecken droht. So sind die Ergebnisse der Untersuchungen Tobias Dietrichs über das Zusammenleben verschiedener Konfessionen in westeuropäischen Dörfern – wie Blaschke selbst einräumt – wenig dazu geeignet, seine These zu stützen.212 Zwar konstatiert Dietrich, dass sich die Kirchenbindungen bei den Konfessionsangehörigen, die ihren Glauben auch wirklich praktizierten, verstärkte und so zu einer gegenseitigen Abgrenzung bis hin zu hart ausgeführten Konflikten führte. Aber zugleich gingen die Angehörigen verschiedener Konfessionen in einem Dorf im Alltagsleben auf pragmatische Weise miteinander um und konzentrierten ihre Konfessionalität auf die Sonntage. Darüber hinaus konnten die Pfarrer nur jene Dorfbewohner beeinflussen, die am Kirchenleben aktiv teilnahmen.213 Ließe sich aus Dietrichs Ergebnissen noch die Notwendigkeit von Modifikationen der These von einem zweiten konfessionellen Zeitalter ableiten, widerspricht ihr Henning Pahl vehement. Trotz des verstärkten Zulaufs, den die pietistische Bewegung in den vom ihm untersuchten württembergischen Dörfern erhielt, und trotz des Bedeutungszuwachses, den das Religiöse allgemein erlebte, stellt er fest, dass im Vereinswesen dieser Dörfer andere Deutungsangebote dominierten. Hieraus schließt Pahl, dass die ländliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert durch eine Segmentierung gekennzeichnet war. Innerhalb dieser Segmente herrschten immer stärker einzelne Wissensbestände vor, auf die sich die Menschen bezogen. Damit verlor die kirchlich-religiöse Weltdeutung ihre Vormachtstellung und wurde ganz auf ihren Kern, das spirituelle Leben im Glauben, reduziert. Das erkläre, wieso es den Menschen im Laufe des 19. Jahrhunderts in zunehmendem Maße möglich wurde, situativ zwischen verschiedenen Deutungsangeboten zu wählen.214 Nationalismus So überzeugend Pahls Ausführungen zur Segmentierung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert sind, wird die Wahlfreiheit zwischen diesen Segmenten bei weitem nicht so groß gewesen sein wie postuliert. Gegen eine große Wahlfreiheit spricht der starke Druck, der innerhalb eines Segmentes auf seine Mitglieder ausgeübt wurde. Gleichwohl entwickelten sich unterschiedliche Deutungsangebote und damit auch Segmente innerhalb der deut211 Kretschmann/Pahl 2003. 212 Blaschke 2002, S. 55. 213 Dietrich 2004, S. 394–399. 214 Pahl 2004  ; Pahl 2006.

Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft

schen Gesellschaft, die je eigene Wissensbestände un4d Deutungswelten hervorbrachten. Neben der gerade behandelten Religion gehörte der Nationalismus zu den im 19. Jahrhundert attraktivsten Deutungsangeboten. Obwohl er in seinen Anfängen protestantische Züge trug, war er nicht eindeutig konfessionell geprägt.215 Nun ist die große Anziehungskraft des Nationalismus für die deutsche Bevölkerung im 19. Jahrhundert unbestreitbar, die Frage aber, welchen Einfluss der Nationalismus in der Landbevölkerung besaß, ist schwer zu beantworten. Wichtige Foren des Nationalismus waren die Schützen- und Kriegervereine, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Dörfern große Verbreitung fanden.216 Allerdings gab es regional unterschiedliche Verbreitungsmuster  : Während z. B. in der Magde­ burger Börde die ersten Vereine in den Dörfern entstanden, gingen ihre Gründung in Schleswig-Holstein von den Städten aus. Zunächst gründeten junge Männer diese Vereine, um gemeinsame Erfahrungen in Krieg und Militärzeit zu verarbeiten, aber nach der Reichsgründung 1871 gerieten die Vereine in nationalistisch-chauvinistisches Fahrwasser und dienten dazu, nationalistisches Gedankengut zu verbreiten. Obwohl die Vereine zentrale Elemente ihrer Festkultur der bürgerlichen Kultur entliehen, wäre es „kurzschlüssig, [ihre] Ausbreitung … als einen quasi gewaltsamen Einbruch bürgerlicher Lebensweise in ein intaktes kulturelles System zu interpretieren“.217 Nach den Untersuchungen E. Wallners im Landkreis Heidelberg konnten Vereine in „intakten Bauerndörfern“ nicht Fuß fassen, während sie in Dörfern mit zunehmender sozialer Differenzierung und in großer Stadtnähe neue soziale Funktionen erfüllten. Gleichwohl war auch hier eine spezifische ländliche Rezeption des vom städtischen Bürgertum entwickelten Vereinswesens festzustellen, denn die Dorfbewohner fügten die Vereine in existierende Netzwerke familiärer, verwandtschaftlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen ein.218 Schulwesen Der aufflammende Nationalismus hatte auch mit dem wachsenden staatlichen Einfluss auf das kulturelle und politische Handlungsfeld Dorf zu tun.219 Dies zeigt sich unter anderem im Schulwesen. Formell drängten die Staatsbehörden Kirchen und Gemeinden aus der Kontrolle des Schulwesens heraus  : Die Etatisierung des Schulwesens erfolgte im Wesentlichen über die staatliche Kontrolle der Anstellung und Ausbildung der Lehrer. Dagegen verblieb den Gemeinden nur noch die Aufgabe, die Schulen zu finanzieren  ; die Kirchen wurden aus ihrer traditionellen Kontrollfunktion gänzlich heraus gedrängt.220 Das betraf vor allem die katholische Kirche, denn die evangelischen Schulen waren schon 215 Langewiesche 2000, S. 22  ; Blaschke 2002, S. 41. 216 Sievers 1990. 217 Sievers 1990, S. 165. 218 Sievers 1990, S. 156 f. 219 Dörner/Franz/Mayr 2001. 220 Dillmann 1995, S. 210–221  ; Nipperdey 1983, S. 464.

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seit dem 16. Jahrhundert staatlicher Kontrolle unterworfen gewesen, weil der Landesherr zugleich auch oberster Kirchenherr (summus episcopus) war. Doch obwohl staatliches Handeln das Geschehen in den Dörfern immer stärker beeinflusste, standen dem umfassenden staatlichen Kontrollanspruch weiterhin begrenzte Möglichkeiten gegenüber, diesen Anspruch zu realisieren. In der alltäglichen Praxis konnten die Kirchen in der Person des Pfarrers ebenso die schulische Realität beeinflussen wie sich eine ganze Reihe weiterer lokaler und regionaler Einflüsse wie z. B. der Vermögensstand der Dorfbewohner, variierende Möglichkeiten des Kontakts zur städtischen Kultur oder soziale Spannungen innerhalb der Dörfer auf die konkrete Ausgestaltung der Schulen auswirkte. Die „Volksschule [blieb] vielfältigen Einflüssen ausgesetzt […], die die offizielle zentralstaatliche Politik z. T. konterkarierten, z. T. jedoch auch den offiziellen Politikvorgaben entgegenkamen“.221 Eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung des schulischen Reformprogramms spielten die Lehrer, deren Position sich im Laufe des 19. Jahrhunderts erheblich veränderte. In Preußen stieg die Zahl der staatlichen Seminare zur Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen von 45 im Jahr 1837 auf 111 im Jahr 1880. In Sachsen befanden sich die Seminare dagegen überwiegend in privater Hand, doch auch hier mussten alle angehenden Lehrer eine staatliche Prüfung bestehen.222 Die Seminare besaßen freilich nicht nur die Funktion, den Lehrern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen, sondern sie auch in einem konservativen Geist zu erziehen.223 Aber auch im 19. Jahrhundert besuchte nur ein Teil der Landschullehrer die Seminare  ; vielfach erlernten sie ihren Beruf auch weiterhin, indem sie zu einem älteren Kollegen in die Lehre gingen und danach eine Schule übernahmen. Erst nach mehreren Jahren Schulpraxis konnten einige von ihnen ein Seminar besuchen.224 Doch im Laufe des 19. Jahrhunderts stellten die Lehrer an sich selbst immer höhere Anforderungen und in Auseinandersetzung mit pädagogischen Theorien entwickelten sie ein positives professionelles Selbstbild. Der Zusammenschluss in Lehrervereinen, in denen sich die Lehrer fort- und weiterbildeten, und die sie zugleich als Orte des Austauschs und der Kommunikation nutzten, stärkte dieses Selbstbewusstsein weiter.225 Schulunterricht Obwohl die Schulhistoriker in der Entwicklung des Landschulwesens deutliche Fortschritte ausmachen, blieb dieses deutlich hinter den städtischen Schulen zurück. FrankMichael Kuhlemann beschreibt sie als Institutionen in einer Übergangsepoche, die z. T. noch alten Strukturen verhaftet waren, z. T. aber schon neue Elemente integriert hatten. Daher seien die Landschulen in dieser Zeit durch eine große strukturelle Offenheit ge221 Kuhlemann 1992, S. 348. Siehe auch Moderow 2007, S. 460  ; Nipperdey 1983, S. 466–468. 222 Sauer 1998, S. 60–63, 75  ; Moderow 2007, S. 461. 223 Kesper-Biermann 2001, S. 150. 224 Dillmann 1995, S. 274  ; Kesper-Biermann 2001, S. 146. 225 Moderow 2007, S. 460  ; Kesper-Biermann 2001, S. 198.

Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft

kennzeichnet gewesen.226 Lange ging die Schulgeschichte davon aus, dass das preußische Volksschulwesen in deutschen Territorien am weitesten vorangeschritten war, und dass es den anderen Staaten als Vorbild diente. Mittlerweile weisen jüngere Historikerinnen und Historiker jedoch darauf hin, dass sich die Situation in Preußen nicht auf die Entwicklung des Schulsystems in anderen deutschen Staaten übertragen lässt.227 Doch auch zwischen einzelnen Regionen im preußischen Staat waren große Unterschiede auszumachen, die auf ihren jeweiligen sozio-ökonomischen Entwicklungsstand zurückgingen. Für den Regierungsbezirk Trier stellt Dillmann fest, dass die Volksschulen in den stärker industrialisierten Gebieten recht fortschrittlich waren, während sie in agrarischen Regionen noch große Defizite aufwiesen.228 Doch zunächst einmal musste überhaupt eine flächendeckende Schulversorgung gewährleistet werden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Landbevölkerung noch nicht in ihrer Gesamtheit mit Schulen versorgt. Nach Nipperdey stieg die Zahl der Schulen von 1816 bis 1846 um 18%. Bei den Landschulen handelte es sich in der Regel um einklassige Schulen, die zudem überfüllt waren. Nipperdey gibt an, 1816 habe ein Lehrer im Schnitt 54 bis 70 Schüler unterrichten müssen, 1848 seien es 90 Schüler gewesen und 1864 immer noch 83 Schüler.229 Diese Zahlen weisen auf ein weiteres Problem hin  : In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg zwar die Zahl der beschäftigten Lehrer, aber die Zahl der Schüler und Schülerinnen wuchs noch weitaus stärker an. Erst ab den 1870er-Jahren kehrte sich dieser Trend um.230 Tendierten somit die inneren Verhältnisse in den Schulen bis in die zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Überfüllung, die die Organisation des Unterrichts erschwerte, scheint sich die Schulversorgung in einer anderen zentralen Frage verbessert zu haben. Im Regierungsbezirk Trier konnte die reine Winterschule, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch die Regel war, abgeschafft werden, und die Behörden erzielten in ihrem Bestreben, einen im Winter und Sommer durchgehenden Schulbesuch durchzusetzen, immer größere Erfolge. Dabei waren auch in diesem Zusammenhang innerhalb Preußens große regionale Entwicklungsunterschiede festzustellen, die diesen Prozess in einigen Regionen wie der Eifel bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts andauern ließen. Vor allem die ärmere Landbevölkerung schickte ihre Kinder nicht das ganze Jahr in die Schule, weil sie deren Arbeitskraft benötigte.231

226 Kuhlemann 1992, S. 348. 227 Moderow 2007, S. 466. 228 Dillmann 1995, S. 26. 229 Nipperdey 1983, S. 465. 230 Sauer 1998, S. 74. 231 Dillmann 1995, S. 224 f., S. 235 f., S. 243, S. 245  ; Kuhlemann 1992.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

Tabelle 9  : Schulbesuchsquoten in einzelnen preußischen Provinzen (Angaben in Prozent) Provinz

1816

1846

1864

Sachsen

84,00

95,00

95,10

Brandenburg

70,78

85,49

93,80

Westfalen

69,28

84,40

87,70

Rheinland

49,05

86,35

90,20

Pommern

61,55

77,58

86,00

Ostpreußen

61,37

75,27

84,00

Westpreußen

42,60

73,21

84,00

Posen

21,66

69,86

88,90

(Quelle  : Angaben nach Kuhlemann 1992, S. 107 f.)

Schließlich unterlag der Unterricht selbst deutlichen Veränderungen. Das betraf zunächst weniger den Unterrichtsstoff  : Die isolierte Betrachtung der Stundenpläne könnte zu der Annahme führen, dass die Bedeutung des Religionsunterrichts zurückging. In der Tat widmeten die Lehrerinnen und Lehrer einen größeren Teil des Zeitpensums dem Unterricht in deutscher Sprache, und Realien fanden ebenfalls Eingang in den Landschulunterricht. Aber der Sprachunterricht war oft noch mit religiösen Inhalten versetzt, und bis 1872 waren die Lehrer frei in der Gestaltung des Unterrichts, sodass die Vermittlung christlicher Inhalte weiterhin eine zentrale Position einnahm.232 Hinzu kam, dass bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine allgemein verbindlichen Schulbücher eingesetzt wurden, sodass die Einführung neuer Bücher lokalen Initiativen vorbehalten blieb. Wichtiger noch als solche Veränderungen in den Unterrichtsinhalten erscheinen jedoch Veränderungen der allgemeinen Orientierung des Unterrichts. Nach Nipperdey wurden die Schulen nach 1848 bis in die 1870er-Jahre zu Instrumenten nationaler Integration. Die neuen Anforderungen von Industrie und Militär gaben den Schulen eine neue Legitimation, Disziplinierung und Leistungsfähigkeit wurden zentrale Ziele des Unterrichts.233 Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft auf die Landbevölkerung Ein drittes Segment gesellschaftlicher Entwicklung im 19. Jahrhundert, die eine Ausformung eigener Wissensbestände implizierte, diskutierten Wolfgang Jacobeit, Josef Mooser und Bo Stråth Anfang der 1990er-Jahre. Sie stellten die Frage nach einem möglichen Einfluss „bürgerlicher“ Elemente auf die Entwicklung der ländlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert, um die Vorstellung einer Dichotomie zwischen städtischer Moderni232 Dillmann 1995, S. 257  ; Moderow 2007, S. 460 f. 233 Nipperdey 1983, S. 469  ; Dillmann 1995, S. 314 f.; Moderow 2007, S. 461.

Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft

sierung und traditioneller ländlicher Welt, die bis dahin vielfach vorgeherrscht hatte, zu überwinden. Konkret fragten sie nach der Macht und dem Einfluss des modernen Bürgertums auf andere, nicht-bürgerliche Gruppen. Beide Elemente seien Indikatoren für die Bürgerlichkeit einer Gesellschaft, deren Untersuchung Hinweise auf die „strukturellen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Unterschiede […] zwischen Stadt und Land im Formierungsprozess der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft“ erbringen sollte.234 Doch die zur Diskussion dieser Verbürgerlichungsthese eingeladenen Wissenschaftler zeigten sich skeptisch gegenüber dessen Anwendbarkeit. So mussten Jacobeit, Mooser und Stråth selbst eingestehen, dass die Einführung einer marktorientierten Landwirtschaft zwar zu einer zunehmenden Verflechtung bürgerlicher und bäuerlicher Interessen führte, dass aber trotzdem noch viele bäuerliche Besonderheiten bestehen blieben, und dass daher besser von einer Entbäuerlichung zu sprechen sei.235 Das gleiche gilt mit Blick auf die Einflüsse der bürgerlichen auf die ländliche Kultur. Helmut Ottenjann stellte bezüglich der ländlichen Sachkultur in Nordwestdeutschland fest, dass diese sich schon seit dem 16. Jahrhundert in einer Wechselbeziehung mit adeliger und städtischer Kultur entwickelt hatte, und die Landbewohner sich eher an adeligen Vorbildern orientierten. Anstelle eines einseitigen Einflusses der Stadt auf das Land geht er von der These mehr oder weniger großer Kulturräume (im geografischen Sinne) aus, an deren Ausgestaltung die Landbevölkerung beteiligt gewesen war.236 Monika Richarz stellt für die jüdische Landbevölkerung fest, dass sie aufgrund ihrer Kontakte zur städtischen Welt bürgerliche Konsumprodukte kennenlernte und auf die Dörfer brachte.237 Doch angesichts der besonderen Position der jüdischen Bevölkerung in den Dörfern, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusehends verschlechterte, stellt sich die Frage, ob sie anderen Dorfbewohner als Vorbilder für die Übernahme bürgerlicher Güter und Werte dienen konnte. Anders sieht es hingegen bei den Kriegervereinen aus. Sie kamen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts als neue Elemente in die Dörfer, die „auf traditionale Verhaltensweisen zurückgreifen konnten, die sie freilich auf ihre Weise spezifisch überformten“.238 Nun führten diese Vereine zwar eine neue Symbolik und Formsprache in die Dörfer ein, doch sie verbreiteten eher ein nationalistisch-militaristisches als ein bürgerliches Gedankengut, und daher eignen sie sich kaum als Beleg einer Verbürgerlichung. Trotz dieser Vorbehalte gegenüber einer Verbürgerlichung des Landes ist der Einfluss städtischer kultureller Elemente auf dem Land zu konstatieren. Neben dem Eindringen neuer Möbel- und Kleidermoden oder dem Vereinswesen sind hier vor allem eine wachsende Vernetzung mit den Städten, das Vordringen neuer Verkehrs- und Kommunikationstechniken, neuer Medien und das weitere Vordringen der Schriftkultur in die 234 Jacobeit/Mooser/Stråth 1990, S. 10 f. 235 Jacobeit/Mooser/Stråth 1990, S. 13. 236 Ottenjann 1990. 237 Richarz 1990. 238 Sievers 1990, S. 159.

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Ländliche Gesellschaften zwischen 1750 und 1820

ländlichen Gesellschaften zu nennen.239 Diese Entwicklungen als Verbürgerlichung zu bezeichnen, erscheint jedoch insofern als problematisch, als damit der bürgerlichen Gesellschaft alleine ein Modernisierungspotenzial zugebilligt wird, das wie ein Fremdkörper in die Dörfer eindrang. Doch die Landbevölkerung entwickelte einen eigenständigen, ihren Lebensbedingungen angepassten Umgang mit den neuen kulturellen Elementen. Schriftlichkeit Das zeigt sich u. a. in der Schriftkultur. Im 19. Jahrhundert stieg auch auf dem Land der Buchkonsum an, und mit dem Entstehen neuer Literaturgenres wie dem Roman oder dem Kinderbuch lernte die Landbevölkerung auch neue Formen des Umgangs mit dieser Literatur.240 Ebenso fanden Zeitungen und im späten 19. Jahrhundert auch Zeitschriften immer größere Verbreitung bei der Landbevölkerung.241 Die Bewohner badischer Dörfer konsumierten Ende des 19. Jahrhunderts sehr unterschiedliche Lesestoffe. Sie wurden zwar noch weitgehend von traditionellen Inhalten bestimmt, die überwiegend aus religiös-kirchlichen Kontexten stammten und überkommende Moralvorstellungen und Hierarchien manifestierten, aber auch aktuellere Lesestoffe – Tageszeitungen, Zeitschriften und Romanliteratur – fanden nun Eingang in den Lesekanon der badischen Landbevölkerung. Damit war eine Individualisierung der Lesepraxis verbunden, die mit einer gleichwohl zu beobachtenden Einbindung in soziale Zusammenhänge konkurrierte und korrespondierte. Das zeigt u. a. sich in geschlechtsspezifischen Unterschieden des Leseverhaltens  : Frauen lasen v. a. Romanliteratur, Männer nutzten stärker die Chance, Gelesenes im Wirtshaus zu diskutieren.242 Darüber hinaus wuchs mit der endgültigen Etablierung des Verwaltungsstaats, der Herrschaft mittels Schrift ausübte, im 19. Jahrhundert der Kontakt der Landbevölkerung mit Verwaltungsschriftlichkeit. Das seit dem 17. Jahrhundert zu beobachtende kontinuierliche Eindringen von Schriftlichkeit in die ländliche Alltagswelt führte dazu, dass die Dorfbewohner dieses Medium zu ihren eigenen Zwecken zu nutzen lernten, und dieser Umgang intensivierte sich im 19. Jahrhundert mit der quantitativen Zunahme der Schriftstücke.243 Ferner ließ die Ausweitung des Marktgeschehens es für Hofbesitzer ebenso wie für Landhandwerker immer notwendiger erscheinen, durch die Anlage von Schreibebüchern einen besseren Überblick über ihre Geschäfte zu behalten.244 Dazu gehörte u. a. die Anlage von Arbeitsjournalen, die ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei pfälzischen Bauernkaufleuten wie auch auf holsteinischen Gütern zu beobachten ist und in denen 239 Troßbach/Zimmermann 2006, S. 215–217, S. 219 f., S. 225–230. 240 Lyons 1999, S. 457–459  ; Messerli 2002. 241 Schulz 2005, S. 205 f.; Zimmermann 2006, S. 22. 242 Sanz-Lafuente 2010. 243 Vgl. Raphael 2000, S. 81–85  ; McNeely 2003, S. 165–175. 244 Konersmann 2008, S. 165–167  ; Kopsidis 1996, S. 396–422  ; Ottenjann 1982, S. 155–165.

Rechristianisierung, Nationalismus und die Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft

die Hof- bzw. Gutsbesitzer Arbeitsleistung und Entlohnung von familienfremden Arbeitskräften genau festhielten.245 Hier bleibt noch zu untersuchen, inwiefern die Tagelöhner selbst in diese Verschriftlichung der Arbeitsbeziehungen einbezogen wurden und ob sie eigene Arbeitsjournale besaßen. Für die reinen Schreibebücher dagegen brachten die kulturellen Entwicklungen des späten 18. Jahrhunderts und frühen 19. Jahrhunderts keine Anstöße. Jan Peters sieht dieses Genre sogar durch die Bevormundungsbestrebungen der Volksaufklärer in seiner eigenständigen Entwicklung gehemmt.246 Interessanter ist das im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu konstatierende Vordringen der Briefkultur in die verschiedenen sozialen Gruppen in den Dörfern. Die kulturelle Praxis des Briefeschreibens, deren weite Verbreitung in bürgerlichen Kreisen des 18. Jahrhunderts allgemein anerkannt ist, war auch unter den reicheren Bauern Nordwestdeutschlands üblich.247 Im 19. Jahrhundert war das Briefeschreiben in Europa schließlich eine Praxis, die alle sozialen Gruppen übten. Auch Angehörige unterbäuerlicher Gruppen wie die nordwestdeutschen Heuerlinge begannen, Briefe zu schreiben und entsprechend ihrer spezifischen Bedürfnisse zu nutzen.248 In diesen Entwicklungen zeigt sich ein Näherrücken von Elementen städtischer und ländlicher Kultur. Doch auch wenn somit neue kulturelle Impulse aus den Städten in die Dörfer kamen, behielten die Dorfbewohner weiterhin ganz eigenständige Formen des Umgangs damit bei.249 Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Lebensbedingungen auf den Dörfern weiterhin grundsätzlich von jenen in den Städten unterschieden, und dass die Landbewohner die neu übernommenen Formen kulturellen Lebens ihren spezifischen Lebensbedingungen anpassten.

245 Konersmann 2008, S. 172 f.; Kramer 1982. 246 Peters 2000, S. 104. 247 Ziessow 1999, S. 330 f. 248 Vincent 2000, S. 1 f.; Schlumbohm 1999, S. 176–180. 249 Ottenjann 1990, S. 103  ; Zimmermann 1998, S. 148  ; Troßbach/Zimmermann 2006, S. 212 f.

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Abbildungsnachweis Abb. 1  : Bayerische Staatsbibliothek München, Einbl. V,8 a-102. Abb. 2  : Staatliche Graphische Sammlung München. Abb. 3  : Hessisches Staatsarchiv Marburg, H 317, S. 90. Abb. 4  : Bayerische Staatsbibliothek München, Einbl. II,22. Abb. 5  : Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, 3. erneuerte Auflage, Hamburg/Berlin 1978, S. 162. Abb. 6  : Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, 3. erneuerte Auflage, Hamburg/Berlin 1978, S. 164. Abb. 7  : Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg (BNUS), MS 630, pl. XIII. Abb. 8  : Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg (BNUS), MS 630, pl. VII. Abb. 9  : Martin Zeiller/Matthaeus Merian, Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae …: das ist Beschreibung der Vornembsten und bekantisten Stätte und Plätz in dem hochlöblichsten Churfürstenthum und March Brandenburg, und dem Hertzogtum Pommeren, Frankfurt am Main 1652 (ND Braunschweig 2005), S. 10. Abb. 10  : W. Feske, Charakterbilder aus dem Luch, Nauen 1939, S. 20, wieder abgedruckt in  : Rita Gudermann, Morastwelt und Paradies. Ökonomie und Ökologie in der Landwirtschaft am Beispiel der Meliorationen in Westfalen und Brandenburg (1830–1880), Paderborn 2000, S. 339. Abb. 11  : Titelblatt aus Johann Caspar Nägeli, Des Lehrnbegierigen und Andächtigen Landmanns Wegweiser, Zürich 1738 (ND  : Stuttgart Bad-Canstatt 1992). Abb. 12  : Wichtige Systeme der saisonalen Arbeitsmigration in Europa um 1800, in  : Jan Lucassen/ Leo Lucassen  : Artikel ‚Arbeitsmigration‘, in  : Friedrich Jaeger (Hrsg.), Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 1, Stuttgart 2005, Sp. 549–557, hier Sp. 553–554. Abb. 13  : Jan Peters, Märkische Lebenswelten. Gesellschaftsgeschichte der Herrschaft PlattenburgWilsnack, Prignitz 1550–1800, Berlin 2007, S. 852, Abb. 97. Abb. 14  : Hartmut Zückert, Die sozialen Grundlagen der Barockkultur in Süddeutschland, Stuttgart/New York 1988, S. 106. Abb. 15  : Holger Böning, Volksaufklärung und Kalender. Zu den Anfängen der Diskussion über die Nutzung traditioneller Volkslesestoffe zur Aufklärung und zu ersten praktischen Versuchen bis 1780, in  : Archiv für Geschichte des Buchwesens 56, 2002, S. 79–107, hier S. 93. Abb. 16  : Real rent per hectare in Holland, France and England, 1441/75–1801/25 (in litres of wheat), in  : Jan Luiten van Zanden, The development of agricultural productivity in Europe, 1500–1800, in  : Bas J. P. van Bavel/Erik Thoen (Hrsg.), Land Productivity and Agro-Systems in the North-Sea-Area (Middle Ages–20th Century). Elements of Comparison, Turnhout 1999, S. 357–375, S. 363. Abb. 17   : Staats- und Landesbibliothek Dresden, http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/ dlf/88/865/cache.off  ?tx_dlf[double]=0&cHash=9bf5ea80377b9674ed008ab065783670 (Zugriff  : 22.10.2015). Abb. 18  : Radierung „Bei Sendling“ von Johann Adam Klein (1845), in  : Helmut Ottenjann/Karl

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Abbildungsnachweis

Heinz Ziessow (Hrsg.), Landarbeit und Kinderwelt. Das Agrarwesen in pädagogischer Literatur, 18. bis 20. Jahrhundert, Cloppenburg 1994, S. 91. Abb. 19  : Johann Heinrich Gottlob von Justi, Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten  ; oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, Königsberg/Leipzig 1760. Abb. 20  : Rudolf Zacharias Becker, Noth= und Hülfs=Büchlein für Bauersleute, oder lehrreiche Freuden= und Trauer=Geschichte des Dorfs Mildheim, Gotha/Leipzig 1788, S. 100. Abb. 21  : http://commons.wikimedia.org/wiki/File  :Cleaned-Illustration_Trifolium_pratense.jpg? uselang=de (Zugriff  : 22.10.2015). Abb. 22  : Wolfgang Prange, Die Anfänge der großen Agrarreformen in Schleswig-Holstein bis um 1771, Neumünster 1971, S. 38. Abb. 23  : Johann Hieronymus Kniphof, Lebendig Officinal Kräuter=Buch, Erfurt 1733, Reprint Rudolstadt / Jena 1996, Abb. 199. Abb. 24  : http://commons.wikimedia.org/wiki/File  :Illustration_Zea_mays0_clean.jpg  ?uselang=de (Zugriff  : 22.10.2015). Abb. 25  : Johann Andreas Christian Loehr, Erste Lehren und Bilder, oder unterhaltende Verstandesbeschäftigungen zunächst für Kinder, welche noch nicht lesen, 3. Auflage, Leipzig 1823 (1. Auflage 1805), Abb. 30 (nach S. 68). (http://www.bbf.dipf.de/retro-digibuch/ad05426/ad05426. pdf ) (Zugriff  : 22.10.2015). Abb. 26  : urn  :nbn  :de  :hbz  :061  :2-171262 Francisci Philippi Florini … Oeconomus prudens et legalis oder allgemeiner, klug- und rechts-verständiger Haus-Vatter, Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Abb. 27  : Hans-Jürgen Rach, Landarbeiterkaten, Bauernhäuser und „Rübenpaläste“. Ländliches Bauen in der Magdeburger Börde vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum frühen 20. Jahrhundert, in  : Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 54/1, 2006, S. 50–71, hier S. 55. Abb. 28  : Lithographie aus der „Gartenlaube“, Berlin 1895 http://commons.wikimedia.org/wiki/ File  :Die_Gartenlaube_(1895)_b_281.jpg (Zugriff  : 22.10.2015). Abb. 29  : Jost Amman / Hans Sachs, Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden, hoher und nidriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten Handwercken und Händeln, Frankfurt am Main 1568, [S. 116] http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/89/De_ St%C3%A4nde_1568_Amman_117.png (Zugriff  : 22.10.2015). Abb. 30  : Jan Peters, Märkische Lebenswelten. Gesellschaftsgeschichte der Herrschaft PlattenburgWilsnack, Prignitz 1550–1800, Berlin 2007, S. 836, Abb. 79. Abb. 31  : Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, Signatur A-88578. Abb. 32  : [Rudolph Zacharias Becker], Noth= und Hülf=Büchlein für Bauersleute, Gotha und Leipzig 1788 (ND Dortmund 1980). Abb. 33  : Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 100, Nr. 2298. Abb. 34  : Hans-Jürgen Rach, Landarbeiterkaten, Bauernhäuser und „Rübenpaläste“. Ländliches Bauen in der Magdeburger Börde vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum frühen 20. Jahrhundert, in  : ZAA 54/1, 2006, S. 50–71, hier S. 58. Abb. 35  : Heinrich Stiewe, Ländliches Bauen zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit. Ergebnisse und offene Fragen zum älteren Hausbau in Nordwestdeutschland, in  : ZAA 54/1, 2006, S. 9–37, hier S. 27. Abb. 36  : Privatbesitz  : Werner Sickmann. Abb. 37  : Privatbesitz  : Rüdiger Voges.

Abbildungsnachweis

Abb. 38  : Museumsdorf Cloppenburg. Abb. 39  : Schlossmuseum Jever. Abb. 40  : Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten (1836), No. 1743. Abb. 41  : Ruth Menzel/Eberhard Menzel, Die Geschichte der Sparkasse Erfurt 1823–1998, Erfurt 1998, S. 25. Abb. 42  : Klaus Herrmann, Pflügen, Säen, Ernten. Landarbeit und Landtechnik in der Geschichte, Reinbek bei Hamburg 1985, S. 129. Abb. 43  : Gerhart Söhn, Von Mokka bis Espresso, Hamburg 1957, S. 211. Abb. 44  : Rita Gudermann, Morastwelt und Paradies. Ökonomie und Ökologie in der Landwirtschaft am Beispiel der Meliorationen in Westfalen und Brandenburg (1830–1880) (Forschungen zur Regionalgeschichte 35), Paderborn 2000, S. 394. Abb. 45  : Marten Pelzer, Landwirtschaftliche Vereine in Nordwestdeutschland. Das Beispiel Badbergen. Eine Mikrostudie zur Vereins- und Agrargeschichte im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Cloppenburg 2002, S. 191. Abb. 46  : René Schiller, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz. Ökonomische und soziale Transformationsprozesse der ländlichen Eliten in Brandenburg im 19. Jahrhundert, Berlin 2003, S. 156. Abb. 47  : James Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches 1763–1850, Berlin 1994, S. 431. Abb. 48  : Marten Pelzer, Landwirtschaftliche Vereine in Nordwestdeutschland. Das Beispiel Badbergen. Eine Mikrostudie zur Vereins- und Agrargeschichte im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Cloppenburg 2002, S. 60. Abb. 49  : Hans-Jürgen Rach, Landarbeiterkaten, Bauernhäuser und „Rübenpaläste“. Ländliches Bauen in der Magdeburger Börde vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum frühen 20. Jahrhundert, in  : Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 54/1, 2006, S. 50–71, hier S. 66. Abb. 50  : Klaus Herrmann, Pflügen, Säen, Ernten. Landarbeit und Landtechnik in der Geschichte, Reinbek bei Hamburg 1985, S. 204. Abb. 51  : Hermann Adolf Köhler, Köhlers Medizinal-Pflanze in naturgetreuen Abbildungen und kurz erläuterndem Texte…., Gera 1887 https://commons.wikimedia.org/wiki/File  :Brassica_­ Napus_oleifera_%28K%C3%B6hler%29.jpg (Zugriff  : 22.10.2015).

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Register

Orte

Alsheim, Gemeinde (Rheinhessen) 25 Altmark 136 Amerika 118, 188 Amsterdam, Stadt 30 Artland 141, 146 Augsburg, Stadt 42, 44, 110, 111 Badbergen, Kirchspiel (Osnabrück) 142, 171 Baden 25, 39, 81, 86, 89, 100, 112, 122, 151, 178, 182, 184 Baden-Durlach, Markgrafschaft 62, 67, 88 Bamberg, Hochstift 45 Bardewisch, Kirchspiel (Oldenburg) 135 Bayern 16, 18, 25, 38, 107, 140–141, 184 Bayern, Königreich 86, 151 Bayerischer Wald 109 Belgien 94–96 Bellersen, Gemeinde (Paderborn) 61 Belm, Kirchspiel (Osnabrück) 29, 177 Bentheim, Grafschaft 145 Berg, Großherzogtum 86 Bergholz, Gemeinde (Uckermark) 18 Berlin, Stadt 33, 117, 157, 166, 168, 186, 188 Bielefeld, Stadt 57, 119, 134, 188 Bodensee 51 Borgeln, Gemeinde (Mark) 154 Brackwede, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 96 Brandenburg 14–16, 18, 21–22, 25, 31–34, 42, 46, 59, 62, 68, 77, 89, 90, 95, 115–116, 157, 169, 183, 186, 200 Braunschweig(-Wolfenbüttel), Herzogtum 22, 25, 27, 62, 88, 124, 160 Bremen, Stadt 35, 135, 147 Brökeln, Gemeinde (Niedersachsen) 14 Bromberg, Regierungsbezirk 136 Burgau, Markgrafschaft 110 Butjadingen 35, 135 Celle, Stadt 82, 175

Corvey, Stift 136 Dänemark 23 Damsdorf, Gemeinde (Holstein) 88 Dargardt, Gemeinde (Prignitz) 114 Daspe, Gemeinde (Niedersachsen) 14 Donau 95, 168 Eich, Gemeinde (Rheinpfalz) 31 Eichsfeld 134 Eifel 199 Elbe 38, 46, 47, 98, 113, 116, 186 Elde 116 Elsass 13–14, 16, 19, 21–22, 25, 31, 38, 91–92, 97, 100 Enger, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 57 England 30, 75, 84, 94–96, 118, 160, 172 Erfurt, Stadt 31 Erzgebirge 107 Flandern 100 Franken 32, 42, 122, 140–141, 178–179, 182, 184 Frankfurt an der Oder, Stadt 32 Frankreich 30, 42, 55, 65, 75, 81, 94–96, 118, 160 Freepsum, Gemeinde (Ostfriesland) 144 Göttingen, Stadt 112, 123, 125, 136, 193 Gohfeld, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 60 Groß-Leppin, Gemeinde (Prignitz) 116 Graubünden 110 Habsburgermonarchie 42 Halberstadt, Stift 136 Halle, Stadt 65 Hamburg, Stadt 113 Hannover, Königreich 71, 114, 153 Hannover, Kurfürstentum 28, 81, 87, 125, 151, 160

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Register Harpstedt, Kirchspiel (Oldenburg) 135 Havel 36, 47 Havelbruch 32 Heepen, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 57, 95 Hehlen, Gemeinde (Niedersachsen) 14, 19–20 Heidelberg, Landkreis 197 Hellweg 189 Herford, Stadt 57 Hessen 19, 28, 39, 87,107, 122,155, 180, 182, 184–185 Hessen-Darmstadt, Landgrafschaft/Großherzogtum 86, 151, 178, 184 Hessen-Kassel, Landgrafschaft/Kurfürstentum 42, 151, 184 Heßloch, Gemeinde (Rheinhessen) 142 Hildesheim, Fürstentum 124, 136 Hohenfurth, Herrschaft (Böhmen) 72 Hohenlohe 16, 18, 22, 29, 54–55, 60, 87, 107, 126, 141 Hohenpeißberg, Wallfahrtsort (Bayern) 61 Holland 30, 75, 107, 109 Holstein 9, 77, 202 Île de France 99 Irland 94 Italien 94, 96 Jöllenbeck, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 57, 68, 130, 131, 137 Killertal (Schwaben) 39 Klein-Rodensleben, Gemeinde (Magdeburger Börde) 105 Köln, Stadt 136 Kupferzell, Gemeinde (Hohenlohe) 84, 132 Kursachsen 42, 62 Laichingen, Gemeinde (Württemberg) 60, 64, 143–145 Landsberg, Bezirk (Oberbayern) 14 Leinetal 124 Leonberg, Stadt (Württemberg) 62 Lettwitz, Gemeinde (Sachsen-Anhalt) 18 Lippe, Grafschaft 40, 140 Löhne, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 154, 178

Lourdes, frz. Wallfahrtsort 194 Lüneburg, Fürstentum 87, 88, 171 Lüneburger Heide 32 Magdeburg, Stadt 136 Magdeburger Börde 138, 141, 164, 180, 197 Main 23 Mainz, Stadt 31 Mark, Grafschaft 43, 81, 88 Marpingen, Gemeinde (Saarland) 195 Mecklenburg 9, 48, 90, 114, 182 Mecklenburg-Schwerin, Herzogtum 75 Memmingen, Stadt 54 Menslage, Gemeinde (Osnabrück) 132–133 Merzig, Stadt (Saarland) 185 Minden, Fürstentum 58 Minden-Ravensberg 118–119, 130, 136, 179, 194 Mitteldeutschland 160, 164, 190 Mitteleuropa 26, 70, 72, 77, 100, 169 Mittelhausen, Gemeinde (Elsass) 14 Mosel 23 Münster, Hochstift 59 Münsterland 39, 59, 143, 145 Nahe 23 Neckar 23, 164 Neckarhausen, Gemeinde (Württemberg) 15, 29, 89, 108, 109 Neckarkreis (Baden) 75 Niedenstein, Stadt 43–44 Niederhessen 136 Niederlande 40, 84, 94–96, 118, 147, 160 Niedersachsen 122, 125, 167, 179, 190, 191, 192 Nordamerika 42, 158 Nordeuropa 92 Nordfrankreich 95 Nordhessen 14, 22, 42 Nordsee, Küstenregion 25, 35, 75, 95, 135, 168 Nordwestdeutschland 40, 42, 95, 132, 139, 141–142, 146, 148, 182, 201, 203 Northeim, Stadt 123, 125 Nortrup, Gemeinde (Osnabrück) 146 Oberbayern 14–15, 17, 19, 20, 21, 39, 61 Oberkirchen-Westfeld, Gemeinde (Herzogtum Westfalen) 154

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Register Oberlausitz 48 Oberpfalz 107 Oberrhein 175 Oberschlesien 184 Oder 33–34 Oderbruch 32–34 Österreich 81, 94, 109, 167 Oldenburg, Stadt 42 Oldenburger Nordseemarschen 30 Oranienburg, Stadt 174 Osnabrück, Fürstentum 28, 72, 87–88, 146 Osteuropa 75 Ostfriesland 30, 42 Ostschwaben 20, 24, 51, 107 Ostschweiz 51–52 Ottobeuren, Benediktinerabtei 14–15, 18–19, 51–54 Paderborn, Hochstift 58, 61, 152 Paris, Stadt 99 Peseckendorf, Gemeinde (Magdeburger Börde) 181 Pfalz 9, 16, 21, 68, 82, 114, 122, 164, 169 Pfalz-Zweibrücken, Herzogtum 59–60 Pfersee, Gemeinde (Schwaben) 44 Plattenburg-Wilsnack, Herrschaft (Prignitz) 11, 47–48, 60, 113–116 Polen 21, 23, 96, 182 Pommern 161, 169, 200 Preußen 39, 81, 83, 86, 109, 151, 152, 155, 158, 159, 183, 184, 198–199 Prignitz (Brandenburg) 19, 27, 46, 47, 48, 112–116, 118 Ravensberg, Grafschaft 56–57, 88, 95, 120–121, 188, 194 Ravensburg, Stadt 110 Reckahn, Gemeinde (Brandenburg) 129 Rhein 23, 52, 95, 107, 168 Rheinhessen 25, 27, 78, 90, 92, 95, 97, 108, 139, 143, 161, 164 Rheinland 28, 42, 107, 157, 172, 200 Rheinpfalz (Baden) 31, 90, 92, 95, 163, 164 Rheinprovinz 184 Rott, Gemeinde (Oberbayern) 29–30 Ruhrgebiet 168, 170, 188, 189 Russland 118, 161, 187

Saarland 185, 195 Sachsen 24, 38–39, 48, 97, 107, 114, 136, 151, 156, 157, 167, 184, 200 Sachsen-Gotha, Herzogtum 58, 62, 63 Sauerland 185, 195 Schaumburg, Grafschaft 108 Schildesche, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 57, 95 Schlesien 42, 107 Schleswig-Holstein 68, 80–81, 88, 132, 197 Schmalkalden, Grafschaft 136 Schönweide, Gutsbezirk (Schleswig-Holstein) 138 Schwaben 15, 51, 110, 141 Schwäbische Alb 24, 77 Schwarzwald 74 Schweden 21, 51, 95 Schweiz 52–53, 55, 109, 114, 133 Seckenheim, Gemeinde (Baden) 89 Senne 90 Siegerland 107, 189 Spanien 94, 96, 97 Spenge, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 57 Stausebach, Gemeinde (Hessen) 13, 15, 19, 58 Stavenow, Herrschaft (Prignitz) 18, 47, 48, 113–115, 187 Stift Quernheim, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 108 Süddeutschland 42, 56, 109, 140, 141, 157, 160, 164 Südeuropa 92 Südniedersachsen 14, 19, 20, 92, 107–108, 122, 156, 171 Südwestdeutschland 18, 19, 38–39, 81, 87, 108, 158, 178, 182, 190 Tambora (Vulkan in Indonesien) 78 Teutoburger Wald 57 Thüringen 39, 122, 132 Thüringer Wald 39 Tirol 109–110 Triberg, Gemeinde (Schwarzwald) 72 Trier, Regierungsbezirk 136, 199 Uckermark 27, 81, 92, 93 Ulevern, Gemeinde (Jeverland) 147 Ungarn 23

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Register Unterfinning, Gemeinde (Oberbayern) 27, 29, 39 USA 158, 161, 182, 187 Vechta, Stadt 40 Vieselbach, Gemeinde (Thüringen) 154 Vogesen 31 Vorarlberg 51, 109–110 Vorderpfalz 164 Weende, Gemeinde (Fürstentum Göttingen) 123 Weichsel 95, 168 Weimar, Stadt 154 Werraregion 14 Werther, Gemeinde (Minden-Ravensberg) 57 Weserbergland 58, 123 Westeuropa 39, 57, 77, 100, 196

Westfalen 9, 24, 29, 73–74, 97–98, 107, 112, 140, 153–157, 175, 161, 169, 188, 190, 200 Westphalen, Königreich 86 Westpreußen, preußische Provinz 200 Wiesbaden, Regierungsbezirk 136 Wildberg, Gemeinde (Schwarzwald) 110 Wittenberge, Stadt 30 Worms, Stadt 31 Württemberg 16, 18, 28, 38, 39–40, 72, 81, 86– 87, 97, 107, 110, 151, 169, 178, 184, 196 Würzburg, Stadt 112 Wuppertal 57 Zehden, Gemeinde (Brandenburg) 33 Zernikow, Vorwerk (Prignitz) 114–117 Zürich, Stadt 53, 119

Personen

Amman, Jost (1539–1591, Kupferstecher) 111 Arndt, Johannes (1555–1621, Pfarrer und Verfasser populärer Werke zur religiösen Erbauung) 65 Barmutz, Friedrich Adam Wilhelm (bildender Künstler, tätig im frühen 19. Jahrhundert) 147 Becker, Rudolf Zacharias (1752–1822, Journalist, Verfasser von Schriften der Volksaufklärung) 83, 127, 128 Beckmann, Johann (1739–1811, Professor der Ökonomie) 82 Blumenthal, Joachim Friedrich v. (1607–1657, brandenburgischer Staatsmann) 47, 48 Bräker, Ulrich (1735–1798, Landwirt und Weber aus dem Toggenburg, Autor v. a. autobiographischer Schriften) 133 Campe, Johann Heinrich (1746–1818, Pädagoge, Schriftsteller und Verleger) 132 Carl Friedrich, Markgraf von Baden (1728–1811) 81 Castrup (Rechnungsführer der Kirchengemeinde Jöllenbeck) 68 Dilly, Caspar (1805–1841, Scherenschnittkünstler aus Löningen, Oldenburg) 142, 144, 146

Ernst I., Herzog von Sachsen-Gotha (1601–1675) 58 Faust, Bernhard Christoph (1755–1842, Arzt und Volksaufklärer) 128 Felbiger, Johann Ignaz (1724–1788, katholischer Geistlicher und Schulreformer in der Habsburgermonarchie) 130 Friedland, Helene Charlotte v. (1754–1803, Gutsbesitzerin und Agrarexpertin) 174 Friedrichs II., König in Preußen (1712–1786) 113 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (1620–1688) 58, 174 Garve, Christian (1742–1798, Professor der Philosophie, Übersetzer und Autor der Spätaufklärung) 86, 102 Heberle, Hans (1597–1677, Bauer und Schuhmacher, Chronist) 11 Heidegger, Heinrich (1738–1823, Verleger und Autor der Aufklärung) 132 Hitzker, Hans (17. Jh., Hüfner in Legde, Prignitz) 11 Hoffbauer, Caspar Johann Florens (1734–1800, Superintendent in Bielefeld, Ravensberg) 134

245

Register Hornemann, Andreas (17. Jh., Pfarrer in Legde, Prignitz) 11 Itzenplitz, Henriette Charlotte v. (1772–1848, Gutsbesitzerin und Agrarexpertin) 174 Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (1741–1790) 81 Justi, Johann Heinrich Gottlob v. (1717–1771, Kameralist und Autor agrarwissenschaftlicher Werke) 80 Kempis (v. Kempen), Thomas a (15. Jh., Augustiner-Chorherr und Autor geistlicher Schriften) 65 Kleist, Andreas Joachim v. (1678–1738, preußischer Obrist und Gutsherr) 48 Knatz, Anna Christine (18. Jh., Bürgerin in Niedenstein) 44 Lavater, Johann Caspar (1741–1801, reformierter Pfarrer, Populärphilosoph und Schriftsteller) 132 Liebig, Justus (1803–1873, Professor der Chemie an der Universität Gießen, Begründer der Agrochemie) 167 Luise Henriette von Nassau-Oranien, Kurfürstin von Brandenburg (1627–1667) 174 Mayer, Johann Friedrich (1719–1798, Pfarrer in Kupferzell und Autor von Landwirtschaftsschriften) 84, 126, 132 Menocchio, eigentlich Domenico Scandella (1532–1599, Müller aus Montereale Valcellina im Friaul) 66 Meyer, Ludwig (18. Jh., Pächter von Gut Stavenow, Prignitz) 18 Möllmann, Bernhard (1760–1839, Pfarrer in Menslage, Vorsitzender der örtlichen Lesegesellschaft) 132 Nägeli, Johann Caspar (1696–1742, Pfarrer und Autor der Volksaufklärung) 35, 37, 126 Preis, Caspar (um 1600–1667, hessischer Bauer,

Verfasser der Stausebacher Chronik) 11, 13, 15, 19, 23, 58 Riehl, Wilhelm Heinrich (1823–1897, Journalist, Begründer der deutschen Volkskunde) 70 Riek-Autenrieth, Anna (18. Jh., Tagelöhnerin in Laichingen, Württemberg) 145 Rochow, Friedrich Eberhard v. (1734–1805, Gutsbesitzer, Aufklärungspädagoge, Schulbuchautor) 129, 130 Rohr, Julius Bernhard v. (1688–1742, Kameralist und Autor, Verfasser eines „Hausvaters“) 35, 126 Saldern v. (Adelsgeschlecht auf der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack, Prignitz) 47, 50, 112 Schwager, Johann Moritz (1738–1804, Pfarrer in Jöllenbeck, Autor der Spätaufklärung) 131 Schwerz, Johann Nepomuk Hubert v. (1759– 1844, Agrarwissenschaftler, Gründer der landwirtschaftlichen Lehranstalt Hohenheim) 44, 45 Schubarth, Johann Christian (1734–1787, seit 1784: Edler von dem Kleefelde, Agrarreformer und Autor landwirtschaftlicher Reformschriften) 84 Smith, Adam (1723–1790, Moralphilosoph, Aufklärer, Begründer der Nationalökonomie) 80 Sturzenegger, Ulrich (1714–1781, Verleger, Herausgeber des Appenzeller Kalenders) 126 Tauler, Johannes (um 1300–1361, Theologe, Prediger des Dominikanerordens) 65 Thaer, Albrecht Daniel (1752–1828, Arzt, Leiter des Landwirtschaftlichen Akademie Möglin, Begründer der Agrarwissenschaft in Deutschland) 85, 86, 173, 174, 186 Tobler, Johannes (1696–1765, Verleger, erster Herausgeber des Appenzeller Kalenders) 132 Wolthaus, Lübcke (frühes 19. Jh., Bauer in Nortrup, Fürstentum Osnabrück) 146 Wolff, Christian (1679–1754, Jurist, Naturrechtslehrer, Mathematiker, Aufklärungsphilosoph) 35, 126

GRUNDZÜGE DER AGR ARGESCHICHTE (BAND 1–3) HERAUSGEGEBEN VON STEFAN BRAKENSIEK, ROLF KIESSLING, WERNER TROSSBACH UND CLEMENS ZIMMERMANN

Das vorliegende Werk erzählt in drei Bänden die Agrargeschichte vom Mittelalter bis in die Moderne neu. Es behandelt klassische wirtschaftsgeschichtliche Aspekte wie die Steigerung der Produktivität und setzt neue Akzente – etwa durch vielseitige Wechselbezüge zwischen Land- und Stadtökonomien oder durch kulturgeschichtliche Schwerpunkte. Umweltgeschichtliche Themen wie der Klimawandel und sozialgeschichtlichen Themen werden bis in die Gegenwart hinein verfolgt. BAND 1:

BAND 3:

ROLF KIESSLING, FRANK KONERSMANN,

GUNTER MAHLERWEIN

WERNER TROSSBACH

DIE MODERNE (1880–2010)

VOM SPÄTMITTELALTER BIS ZUM

2016. 230 S. 18 S/W-ABB. UND KT.

DREISSIGJÄHRIGEN KRIEG (1350–1650)

GB. | ISBN 978-3-412-22228-4

2016. 329 S. 54 S/W-ABB. UND KT. GB. | ISBN 978-3-412-22226-0

2016. 3 BDE. 804 S. 123 S/W-ABB. UND KT. GB. | ISBN 978-3-412-22225-3

BAND 2: REINER PRASS VOM DREISSIGJÄHRIGEN KRIEG BIS ZUM BEGINN DER MODERNE (1650–1880) 2016. 245 S. 51 S/W-ABB. UND KT. GB. | ISBN 978-3-412-22227-7

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

UMWELTHISTORISCHE FORSCHUNGEN HERAUSGEGEBEN VON FRANZ-JOSEF BRÜGGEMEIER, BERND HERRMANN, CHRISTIAN PFISTER, JOACHIM RADK AU, ROLF PETER SIEFERLE, MARTIN KNOLL, VERENA WINIWARTER UND BERND-STEFAN GREWE BD. 1 | BERND-STEFAN GREWE DER VERSPERRTE WALD RESSOURCENMANGEL IN DER BAYERISCHEN PFALZ (1814–1870) 2004. 508 S. 59 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-10904-2 BD. 3 | MARTIN STUBER WÄLDER FÜR GENERATIONEN KONZEPTIONEN DER NACHHALTIGKEIT IM KANTON BERN (1750–1880) 2008. 394 S. 44 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-31705-8

BD. 5 | CHRISTOPH BERNHARDT IM SPIEGEL DES WASSERS EINE TRANSNATIONALE UMWELTGESCHICHTE DES OBERRHEINS (1800–2000) 2016. CA. 504 S. CA. 11 FARB. ABB. GB. ISBN 978-3-412-22155-3 BD. 6 | MICHAEL ZEHETER DIE ORDNUNG DER FISCHER NACHHALTIGKEIT UND FISCHEREI AM BODENSEE (1350–1900) 2014. 204 S. 14 S/W-ABB. 2 KARTEN. GB.

BD. 4 | CHRISTIAN ROHR

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ISBN 978-3-412-20042-8

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