Videokonferenz in der Strafvollstreckung: Eine rechtliche und empirische Analyse [1 ed.] 9783428545759, 9783428145751

Videokonferenzen werden in der strafvollstreckungsrechtlichen Praxis seit Jahren eingesetzt. Erst 2013 hat der Gesetzgeb

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Videokonferenz in der Strafvollstreckung: Eine rechtliche und empirische Analyse [1 ed.]
 9783428545759, 9783428145751

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Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Band 63

Videokonferenz in der Strafvollstreckung Eine rechtliche und empirische Analyse

Von Matthias Eichinger

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS EICHINGER

Videokonferenz in der Strafvollstreckung

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von C l a u s K r e ß, M i c h a e l Ku bi c i e l , C o r n e l iu s Ne s t l e r F r a n k Ne u b a c h e r, Jü r g e n S e i e r, M i c h a e l Wa l t e r (†) M a r t i n Wa ßm e r, T h o m a s We i g e n d Professoren an der Universität zu Köln

Band 63

Videokonferenz in der Strafvollstreckung Eine rechtliche und empirische Analyse

Von Matthias Eichinger

Duncker & Humblot · Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Sommersemester 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 978-3-428-14575-1 (Print) ISBN 978-3-428-54575-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84575-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Inhaltsverzeichnis Einleitung  23 A. Forschungsanlass und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Die Anhörung mittels Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im wissenschaftlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Erstes Kapitel Videokonferenz und Strafvollstreckung – Begriffsbestimmungen  33 A. Der Begriff „Videokonferenz“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Der Begriff „Videokonferenz“ im juristischen Sprachgebrauch außerhalb der Strafvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Der Begriff „Videokonferenz“ in anderen Wissenschaftsdisziplinen . . 36 III. Begriffsdefinition der „Videokonferenz im Strafvollstreckungsverfahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Der Begriff „Strafvollstreckung“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Zweites Kapitel

Die historische Entwicklung der Videokonferenz  40

A. Die historische Entwicklung der Videokonferenz in Praxis und Judikatur sowie die Reaktion des Rechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Drittes Kapitel

Rechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Rahmen der Anhörung  45

A. Die Gesetzeslage vor dem Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Ver­ fahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Die Videokonferenz bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen . . . . . 46 1. Entscheidungen des Widerrufs der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO) . . . 47

6 Inhaltsverzeichnis a) Die Anhörung mittels Videokonferenz als mündliche Anhörung . 47 aa) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (1) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (3) Entstehungsgeschichtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 52 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Verzichtsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Der Begriff des „Verzichtes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Mündliche Anhörung und die Disposition des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (a) Einfachgesetzliche Vorgaben und Grenzen des Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (b) Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen eines Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (c) Rechtsfolge des Verzichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (3) Hinwirken des Gerichtes auf den Verzicht . . . . . . . . . . 63 (4)  Bindungswirkung des Verzichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 1 S. 3 StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Die Anhörung mittels Videokonferenz als mündliche Anhörung . 69 aa) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (3) Entstehungsgeschichtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 70 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 cc) Verzichtsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (1) Einfachgesetzliche Vorgaben und Grenzen des Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen eines Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (3) Rechtsfolge des Verzichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (4) Hinwirken des Gerichtes auf einen Verzicht . . . . . . . . 79 (5) Bindungswirkung des Verzichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Inhaltsverzeichnis7 II.

Die Videokonferenz bei fakultativ-mündlichen Anhörungen . . . . . . . . 82 1. Die Normen der fakultativ-mündlichen Anhörung im Einzelnen . . 83 a) § 453 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO . 83 c) § 462 Abs. 2 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Die Anhörung mittels Videokonferenz als Anhörung . . . . . . . . . . . 84 a) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) § 453 Abs. 1 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 2 StPO . . . 85 cc) § 462 Abs. 2 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 dd) Die weitere Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . 85 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Entstehungsgeschichtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) § 453 Abs. 1 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 2 StPO . . . 87 cc) § 462 Abs. 2 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

B. Vom Entwurf zum Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Video­ konferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Ver­fahren . . 89 I. Die erste Gesetzesinitiative – 16. Wahlperiode des Bundestages . . . . 89 1. Der Entwurf und Beschluss des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) § 453 StPO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) § 454 StPO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) § 462 StPO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Die Stellungnahme der Bundesregierung und das Scheitern des ersten Entwurfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Die zweite Initiative – 17. Wahlperiode des Bundestages . . . . . . . . . . 93 1. Der Beschluss des Bundesrates vom 12. Februar 2010 . . . . . . . . . 94 2. Einbringen in den Bundestag und Stellungnahme der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Der Entwurf im Plenum des Bundestages – die erste Beratung . . 95 4. Expertenanhörung und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5. Der Entwurf im Plenum des Bundestages – die zweite und dritte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6. Die Unterrichtung des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7. Die Verkündung des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaft­ lichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

8 Inhaltsverzeichnis C. Die Gesetzeslage nach dem Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Viertes Kapitel

Besonderheiten der Videokonferenz im Rahmen der Jugendstrafvollstreckung  104

A. Die Videokonferenz bei obligatorisch-mündlichen Ä ­ußerungen gemäß § 88  JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Die Äußerung mittels Videokonferenz als Gelegenheit zur mündlichen Äußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Entstehungsgeschichtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Verzichtsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Einfachgesetzliche Vorgaben und Grenzen des Verzichtes auf die mündliche Äußerungsmöglichkeit gemäß § 88 Abs. 4 JGG . 113 aa) Die Auswirkungen des Sinn und Zwecks des § 88 Abs. 4 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Die Auswirkungen des Erziehungsgedankens auf den Einsatz von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (1) Anwendbarkeit des Erziehungsgedankens . . . . . . . . . . . 114 (2) Begriff des „Erziehungsgedankens“ . . . . . . . . . . . . . . . 114 (3) Der Erziehungsgedanke als limitierender Faktor im Rahmen der Anhörung bei Vollstreckungsentscheidungen über jugendrechtliche Sanktionen mittels Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Die Auswirkungen des Grundsatzes der Vollzugsnähe auf den Einsatz von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Vollzugsnähe . . . 119 (2) Regelungsgehalt des Grundsatzes der Vollzugsnähe . . 120 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Die Auswirkungen des Gebotes „Vermeidung der Benachteiligung Jugendlicher gegenüber Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Inhaltsverzeichnis9 B. Die Videokonferenz bei § 83 Abs. 1 JGG i. V. m. § 462a StPO und § 463 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Fünftes Kapitel

Empirische Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung  123

A. Empirische Erkenntnisse und ihre Verwertbarkeit für das Recht . . . . . . . . . 123 B. Erkenntnisinteresse und forschungsleitende Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . 125 C. Die Befragung – Aufbau und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Der Aufbau des Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Stichprobenbeschreibung und Durchführung der Befragung . . . . . . . . 130 1. Fragebogen an die Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Fragebogen an die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten . . . . . 132 3. Keine Befragung von Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D. Die Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Art der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Statistische Kennzahlen und Aufbereitung der Daten . . . . . . . . . . . . . 135 1. Methoden der deskriptiven Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Top-2-Box und Low-2-Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Mittelwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Standardabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Methoden der schließenden Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Chi-Quadrat-Signifikanz-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Kontingenzkoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Korrelation (nach Pearson) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Statistische Merkmale der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Bundesland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Anteil der Jugendrichterinnen und -richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Alter der befragten Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Weitere Erläuterungen zu den statistischen Merkmalen der Befragten . 143 IV. Nutzung und Bewertung von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . 143 1. Nutzung nach Art der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Befürwortung der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Ausstattung und Befürwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4. Häufigkeit der allgemeinen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5. Zusammenhang von Befürwortung und Nutzung . . . . . . . . . . . . . . 149

10 Inhaltsverzeichnis V.

Vor- und Nachteile des Einsatzes der Videokonferenztechnik . . . . . . . 153 1. Vorteil des Einsatzes der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Allgemeine Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Differenzierung nach Befürwortung und Ablehnung . . . . . . . . . 156 c) Differenzierung nach Häufigkeit der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Differenzierung nach Altersgruppen (nur Richter) . . . . . . . . . . . 161 e) Auswertung offener Antwortmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Nachteile des Einsatzes der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . 164 a) Allgemeine Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Differenzierung nach Befürwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Differenzierung nach Häufigkeit der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Differenzierung nach Altersgruppen (nur Richter) . . . . . . . . . . . 172 e) Auswertung offener Antwortmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Zusammenfassung der Vor- und Nachteile von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 VI. Allgemeiner Nutzen der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 VII. Die Videokonferenztechnik in konkreter Verwendung . . . . . . . . . . . . . 179 1. Fragen zur konkreten Durchführung von Videokonferenzen  . . . . . 179 a) Fragenbatterie Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Fragenbatterie Anstalten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Die Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Anwesende und Bedienung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Der Anwalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5. Die Technik – Zufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 6. Die Technik – technische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 VIII. Die Videokonferenz in der Strafvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Zeitersparnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Gründe für den Einsatz von Videokonferenztechnik (nur Richter) . 203 4. Entfernung zwischen Gericht und Anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. Verzicht und die Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Der Verzicht des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Fakultativ-mündliche und obligatorisch-mündliche Anhörung per Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Hinwirken des Gerichtes auf den Verzicht – Initiator der Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Die Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 6. Bestehen auf unmittelbarer Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 7. Meinung des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 8. Weitere Anmerkungen der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Inhaltsverzeichnis11 IX. Zusammenfassung der Erkenntnisse zu den aufgestellten Hypothesen . 220 X. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sechstes Kapitel

Die richterliche Prognose und der persönliche E ­ indruck – Nonverbale Kommunikation und ­Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungsverfahren  225

A. Nonverbale Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 B. Die Übertragung nonverbaler Kommunikation durch Videokonferenzen . . . . 228 C. Die richterliche Prognose – die Bedeutung von nonverbaler Kommunika­ tion und persönlichem Eindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Zusammenfassung: Ergebnisse, Fazit und Ausblick 

236

A. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 B. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Fragebögen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Fragebogen Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Antworten Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Antworten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Anzahl der befragten Gerichtsbezirke in den jeweiligen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Tabelle 2: Rücklauf durch Richterinnen und Richter, die in der Strafvollstreckung tätig sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Tabelle 3: Rücklauf durch die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten . . . . . . 133 Tabelle 4: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Richter – Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tabelle 5: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Anstalten – Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Tabelle 6: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, Richter – Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Tabelle 7: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, JVA / JSA – Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Grafikenverzeichnis Grafik 1: Richterinnen und Richter nach Bundesländern (Prozentwerte). . . . . 140 Grafik 2: JVA / JSA nach Bundesländern (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Grafik 3: Alter der befragten Richterinnen und Richter (Prozentwerte). . . . . . 142 Grafik 4: Nutzung von Videokonferenzanlagen in Gerichten (Prozentwerte). . 144 Grafik 5: Nutzung von Videokonferenzanlagen in Anstalten (Prozentwerte). . 145 Grafik 6: Befürwortung der Nutzung von Videokonferenztechnik (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Grafik 7: Befürwortung und Ausstattung mit Videokonferenztechnik, Richter (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Grafik 8: Befürwortung und Ausstattung mit Videokonferenztechnik, JVA / JSA (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Grafik 9: Allgemeine Nutzung der Videokonferenztechnik (Prozentwerte). . . 149 Grafik 10: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Richter (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Grafik 11: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Anstalten (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Grafik 12: Vorteile der Videokonferenztechnik, allgemein, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Grafik 13: Vorteile der Videokonferenztechnik, allgemein, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Grafik 14: Vorteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, Richter (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Grafik 15: Vorteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, JVA / JSA (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Grafik 16: Zusammenhang Befürwortung und Vorteile, Richter (Korrelation). . 159 Grafik 17: Zusammenhang Befürwortung und Vorteile, JVA / JSA (Korrelation). 159 Grafik 18: Vorteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, Richter (Mittelwerte). . 160 Grafik 19: Vorteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, JVA / JSA (Mittelwerte). 161 Grafik 20: Befürwortung der Videokonferenztechnik nach Altersgruppen, Richter (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

14 Grafikenverzeichnis Grafik 21: Vorteile der Videokonferenz nach Altersgruppen, Richter (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Grafik 22: Nachteile der Videokonferenztechnik, allgemein, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Grafik 23: Nachteile der Videokonferenztechnik, allgemein, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Grafik 24: Nachteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, Richter (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Grafik 25: Nachteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, JVA / JSA (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Grafik 26: Zusammenhang Befürwortung und Nachteile, Richter (Korrelation). 169 Grafik 27: Zusammenhang Befürwortung und Nachteile, JVA / JSA (Korrelation). 170 Grafik 28: Nachteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, Richter (Mittelwerte). 171 Grafik 29: Nachteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, JVA / JSA (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Grafik 30: Nachteile der Videokonferenz nach Altersgruppen, Richter (Mittelwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Grafik 31: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Grafik 32: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Grafik 33: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Grafik 34: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, JVA / JSA (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Grafik 35: Das „Setting“ der Videokonferenz, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . 182 Grafik 36: Das „Setting“ der Videokonferenz, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . 184 Grafik 37: Die Darstellung des Gesprächspartners, Richter (Prozentwerte). . . . 185 Grafik 38: Die Darstellung des Gesprächspartners, JVA / JSA (Prozentwerte). . 185 Grafik 39: Die Anwesenheit Dritter beim Gesprächspartner, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Grafik 40: Die Anwesenheit Dritter beim Gesprächspartner, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Grafik 41: Bedienung der Videokonferenztechnik, JVA / JSA (Prozentwerte). . . 188 Grafik 42: Die Videokonferenztechnik in Anwesenheit eines Verteidigers, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Grafikenverzeichnis15 Grafik 43: Die Videokonferenztechnik in Anwesenheit eines Verteidigers, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Grafik 44: Ort der Anwesenheit des Anwaltes, Richter (Prozentwerte). . . . . . . 191 Grafik 45: Akustische Wahrnehmung einer Absprache, Richter (Prozentwerte). 192 Grafik 46: Zufriedenheit mit der Videokonferenztechnik, Richter (Prozentwerte). 193 Grafik 47: Zufriedenheit mit der Videokonferenztechnik, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Grafik 48: Verbindungsabbrüche während der Durchführung von Videokonferenzen, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Grafik 49: Verbindungsabbrüche während der Durchführung von Videokonferenzen, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Grafik 50: Scheitern des Verbindungsaufbaus einer Videokonferenz, Richter (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Grafik 51: Scheitern des Verbindungsaufbaus einer Videokonferenz, JVA / JSA (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Grafik 52: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen, Richter (Prozentwerte). 200 Grafik 53: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Grafik 54: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen mittels Videokonferenz, Richter und Anstalten (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Grafik 55: Gründe für den Einsatz von Videokonferenztechnik, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Grafik 56: Entfernung zwischen Gericht und Anstalt, Richter (Prozentwerte). . 205 Grafik 57: Entfernung zwischen Anstalt und Strafvollstreckungskammer, JVA /  JSA (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Grafik 58: Entfernung zwischen Anstalt und Oberlandesgericht, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Grafik 59: Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz, Richter (Pro­ zentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Grafik 60: Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz, JVA / JSA (Prozentwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Grafik 61: Art der Aufklärung, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Grafik 62: Art der Aufklärung, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Grafik 63: Gefangener bestand auf unmittelbare Anhörung, Richter (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Grafik 64: Gefangener bestand auf unmittelbare Anhörung, JVA / JSA (Prozentwerte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Grafik 65: Inwieweit treffen folgende Aussagen zu?, Richter (Prozentwerte). . 219

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Beispiel einer 5-Likert-Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Abbildung 2: Beispiel einer Top-2-Box und einer Low-2-Box . . . . . . . . . . . . 136 Abbildung 3: Frage A. VIII.: Bundesland der Tätigkeit – Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Abbildung 4: Frage A. VI.: Bundesland des Standortes – JSA / JVA . . . . . . . . 140 Abbildung 5: Frage A. VI.: Tätigkeit als Jugendrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Abbildung 6: Frage A. VII.: Alter der Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . 142 Abbildung 7: Frage A. I.: Einsatz von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . 143 Abbildung 8: Frage A. II.: Befürwortung der Videokonferenztechnik . . . . . . . 145 Abbildung 9: Frage B. I.: Allgemeine Nutzung der Videokonferenztechnik . . 148 Abbildung 10: Frage A. III.: Vorteile der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . 154 Abbildung 11: Frage A. IV.: Nachteile der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . 164 Abbildung 12: Frage A. V.: Bewertung des allgemeinen Nutzens von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Abbildung 13: Frage B. II.: Das „Setting“ der Videokonferenz, Richter . . . . . . 180 Abbildung 14: Frage B. II.: Das „Setting“ der Videokonferenz, JVA / JSA . . . . 183 Abbildung 15: Frage B. III.: Die Darstellung des Gesprächspartners . . . . . . . . 185 Abbildung 16: Frage B. IV.: Die Perspektive des Gesprächspartners . . . . . . . . 186 Abbildung 17: Frage B. V.: Die Anwesenheit Dritter beim Gesprächspartner, Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Abbildung 18: Frage B. VI.: Bedienung der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . 188 Abbildung 19: Frage B. VII.: Die Videokonferenztechnik in Anwesenheit eines Verteidigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Abbildung 20: Frage B. VIII.: Ort der Anwesenheit des Anwaltes, Richter . . . 191 Abbildung 21: Frage B. IX.: Akustische Wahrnehmung einer Absprache, Richter  192 Abbildung 22: Frage B. X. (Richter) – B. VIII. (JVA / JSA): Zufriedenheit mit der Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abbildung 23: Frage B. XI. (Richter) – B. IX. (JVA / JSA): Verbindungsabbrüche während der Durchführung von Videokonferenzen . . . . . . . 195

Abbildungsverzeichnis17 Abbildung 24: Frage B. XII. (Richter) – B. X. (JVA / JSA): Scheitern des Verbindungsaufbaus einer Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 25: Frage B. XIII. (Richter): Abbruch einer Videokonferenz durch die Richterin / den Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Abbildung 26: Frage B. XIV. (Richter): Gründe für den Abbruch einer Videokonferenz durch die Richterin / den Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Abbildung 27: Frage C. I. (Richter): Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Abbildung 28: Frage C. I. (JVA): Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen . 200 Abbildung 29: Frage C. II.: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen mittels Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abbildung 30: Frage C. III.: Zeitersparnis pro Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . 203 Abbildung 31: Frage C. IV. (nur Richter): Gründe für den Einsatz von Videokonferenztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Abbildung 32: Frage C. V. (Richter): Entfernung zwischen Gericht und Anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Abbildung 33: Frage C. IV. (JVA / JSA): Entfernung zwischen Anstalt und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Abbildung 34: Frage C. VI. (Richter): Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Abbildung 35: Frage C. VI. (JVA / JSA): Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Abbildung 36: Frage C. VII. (Richter) – C. V. (JVA / JSA): Regelmäßiger ­Initiator der Videokonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Abbildung 37: Frage C. VIII. (Richter) – C. VII. (JVA / JSA): Art der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abbildung 38: Frage C. IX. (Richter) – C. VIII. (JVA / JSA): Die Aufklärung . 214 Abbildung 39: Frage C. X.: (Richter) – C. IX. (JVA / JSA): Gefangener bestand auf unmittelbare Anhörung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abbildung 40: Frage C. XI. (Richter): Inwieweit treffen folgende Aussagen zu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz ACP

Applied Cognitive Psychology

a. F.

alte Fassung

a. M.

am Main

AnwBl. Anwaltsblatt ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz Art. Artikel Aufl. Auflage Aufzeichnungsmögl. Aufzeichnungsmöglichkeit B Berlin Bd. Band BDVR-   Rundschreiben

Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen-Rundschreiben

BeckOK

Beck’scher Online-Kommentar

BeckRS Beck-Rechtsprechung Behav. Sci. Law

Behavioral Sciences and the Law

BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BR-Drucks. Bundesrats-Drucksache BSGE

Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BT-Drucks. Bundestags-Drucksache BtMG Betäubungsmittelgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

CR

Computer und Recht

DB

Der Betrieb: Betriebswirtschaft, Steuerrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht

d. h.

das heißt

DRB

Deutscher Richterbund

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

Abkürzungsverzeichnis19 DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVJJ

Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

ErfK

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht

etc.

et cetera

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

eventl. eventuell f.

folgende [Seite]

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

folgende [Seiten]

FG Finanzgericht FGO Finanzgerichtsordnung FS

Forum Strafvollzug / Festschrift

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls grdl. z.

grundlegend zu

GVG Gerichtsverfassungsgesetz HB

Freie Hansestadt Bremen

HH

Freie und Hansestadt Hamburg

HRRS

Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht

Hrsg. Herausgeber i-com

Zeitschrift für interaktive und kooperative Medien

i. d. F.

in der Fassung

i. d. R.

in der Regel

indiff. indifferent i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JGG Jugendgerichtsgesetz JICLT

Journal of International Commercial Law and Technology

JR

Juristische Rundschau

JSA Jugendstrafanstalt

20 Abkürzungsverzeichnis JuS

Juristische Schulung; Zeitschrift für Studium und praktische Ausbildung

JVA Justizvollzugsanstalt JZ

Juristen Zeitung

KJ

Kritische Justiz

KK-StPO

Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung

km Kilometer LG Landgericht m. E.

meines Erachtens

MünchKomm-BGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report

nützl. nützlich NZI

Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

OLG Oberlandesgericht o.V.

ohne Verfasserangaben

OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz pers. persönlicher P&W

Polizei & Wissenschaft

RdA

Recht der Arbeit

RGBl. Reichsgesetzblatt RLJGG

Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz

Rn. Randnummer S.

Seite / Satz

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

SGB Sozialgesetzbuch SGG Sozialgerichtsgesetz sic!

wirklich so

StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StPO-E Strafprozessordnung-Entwurf StraFo

Strafverteidiger Forum

Abkürzungsverzeichnis21 StrÄndG Strafrechtsänderungsgesetz StV Strafverteidiger StVK Strafvollstreckungskammer tech. technische u. a.

und andere

überh. überhaupt Übertragungsqual. Übertragungsqualität usw.

und so weiter

v. vom Var. Variante VBlBW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg

Verh. d. BR

Verhandlungen des Bundesrates

Verh. d. BT

Verhandlungen des Bundestages

VG Verwaltungsgericht vgl. vergleiche Vol. Volume Vorbem. Vorbemerkung VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Wahlp. Wahlperiode z. B.

zum Beispiel

ZfJ

Zentralblatt für Jugendrecht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

ZJJ

Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe

ZPO Zivilprozessordnung ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung A. Forschungsanlass und Problemstellung Am 12. Oktober 2007 veröffentlichte das Hessische Ministerium der Justiz eine Presseinformation mit dem Titel „Moderne Justiz – Videokonferenz­ technik“.1 Am selben Tage stellte der damalige Justizminister Jürgen Banzer den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren im Bundesrat vor.2 Der Entwurf war ein Versuch der Verrechtlichung bis dahin vereinzelt gelebter Praxis bei Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen. Von einer solchen Nutzung der Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen informierte am 16. April 2003 erstmals das Rheinland-pfälzische Ministerium der Justiz die Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits in der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt Rohrbach Videokonferenztechnik bei Anhörungen von Gefangenen eingesetzt.3 In der Folgezeit der Presseerklärung des Hessischen Ministeriums der Justiz erging eine überschaubare Anzahl von Entscheidungen zum Einsatz von Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen.4 Die frühe Gesetzesinitiative des Landes Hessens wurde jedoch kein Gesetz. Sie fand ihr Ende mit den Wahlen zum neuen Bundestag am 27. Oktober 2009. Weniger als zwei Monate später startete das Bundesland Hessen eine erneute Initiative für ein Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat.5 Diese sah bei strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen gemäß den §§ 453, 454 und 462 StPO die Nutzung von Videokonferenzen vor.6 Letztendlich wurde die Verwendung der Technik nur bei Entscheidungen nach § 462 StPO gesetzlich geregelt. Am 1. November 2013 trat das Gesetz in Kraft.7 Die Videokonferenz1  Hessisches

Ministerium der Justiz, Presseinformation Nr. 213, v. 12.10.2007. d. BR., 837. Sitzung v. 12.10.2007, S. 340 (D); zum Gesetzentwurf vgl. BR-Drucks. 643 / 07. 3  Vgl. Fundstelle bei Esser, NStZ 2003, 464 (464). 4  Beispielhaft und eine der ersten Entscheidungen für die Behandlung von Videokonferenzen in der Rechtsprechung OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013. 5  BR-Drucks. 902 / 09. 6  BR-Drucks. 902 / 09 und BT-Drucks. 17 / 1224, S. 9. 7  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, S. 935. 2  Verh.

24 Einleitung

technik fristet in der Strafvollstreckung jedoch nach wie vor ein Schattendasein. Nur vereinzelt werden Anhörungen in der Strafvollstreckung mittels Videokonferenztechnik überhaupt publik, zudem ist der rechtliche Rahmen von Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen weiterhin äußerst ungewiss. Sollte angesichts dieser Ungewissheit der gegenwärtige Einsatz nicht gerade das Interesse der Rechtswissenschaft finden? – Mit wenigen Ausnahmen ist aber eine rechtswissenschaftliche Aufarbeitung bisher ausgeblieben. Durch die zunehmenden Möglichkeiten der Technik8 und die dadurch angestrebte Reduktion von Kosten wird das Thema Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen zukünftig auch an Bedeutung gewinnen.9 Daher ist eine tief gehende Auseinandersetzung mit der Videokonferenztechnik und den rechtlichen Möglichkeiten des Einsatzes in der Strafvollstreckung geboten. Die vorliegende Arbeit soll zunächst den rechtlichen Rahmen der Nutzung von Videokonferenztechnik bei strafvollstreckungsrechtlichen Anhörungen untersuchen. Dabei wird auch auf die genannte Gesetzesänderung einzugehen sein. Immer wieder wird im Laufe dieser Untersuchung deutlich werden, dass eine ausschließlich rechtswissenschaftliche Untersuchung schnell an ihre Grenzen stößt und die tatsächlichen Gegebenheiten der Videokonferenztechnik, aber auch der Anhörung als solcher, beleuchtet werden müssen. Zu den juristischen Aspekten werden demnach solche der Empirie und der Kommunikationswissenschaft treten. Erst unter Zuhilfenahme dieser weiteren Disziplinen lässt sich ein abschließendes rechtliches Urteil über den Einsatz von Videokonferenztechnik fällen. Gleichwohl birgt dieses Vorgehen Risiken, sodass die Arbeit mit Blick auf die anderen Disziplinen an ihre Grenzen stoßen kann. Will man ein fundiertes rechtliches Ergebnis zu videokonferenzgeführten Anhörungen erreichen, ist ein solches interdisziplinäres Vorgehen dennoch unumgänglich. Die Arbeit erhält dadurch eine gewisse Breite, die dazu zwingt, sie thematisch einzugrenzen. Vorliegend sollen ausschließlich rechtliche Aspekte des Strafvollstreckungsverfahrens berücksichtigt werden, bei denen überhaupt eine Anhörung oder eine Gelegenheit zur Äußerung vorgesehen ist.10 Denn in allen anderen Fällen steht der Einsatz von Videokonferenztechnik im Ermessen der beteiligten Personen.11 Strafvollstreckung wird dabei grob als das „Ob“ der Umsetzung einer rechtskräftigen strafjustiziellen Anord8  Scholz, DRiZ 2011, 78 (78); vgl. insoweit auch den Einsatz von Videokonferenztechnik am VG Sigmaringen Heckel, VBlBW 2001, 1 (1). 9  Vgl. zum generellen Einsatz von Videotechnik Prütting, AnwBl. 2013, 330 (330). 10  Folglich entfällt auch § 35 BtMG. 11  Denkbar wäre die Klärung von Unstimmigkeiten in der Akte, etc.



B. Anhörung mittels Videokonferenz im wissenschaftlichen Kontext25

nung verstanden.12 Damit ausgeschlossen ist das Vollstreckungsverfahren von Ordnungswidrigkeiten. Weiterhin findet aufgrund der Besonderheit des Verfahrens das Begnadigungsrecht, die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie von Zuchtmitteln keine Berücksichtigung. Sie erfordern vielmehr eine eigene wissenschaftliche Untersuchung, die jedenfalls den vorliegenden Rahmen übersteigen würde. Erweitert wird der Themenbereich allerdings um den Aspekt des Strafvollstreckungsverfahrens von Jugendstrafen. Denn sollte die Technik und der Umgang mit videokonferenzgeführten Anhörungen geübte Praxis werden, stellte sich auch die Frage nach der Zulässigkeit bei Strafvollstreckungssachen von Jugendlichen, da das Strafvollstreckungsverfahren in Teilen gleichläuft und auch durch die Gewöhnung an die Technik eine Ausweitung der Nutzung zu erwarten ist. Es wird in dieser Untersuchung aufzuzeigen sein, dass gerade bei Jugend­ lichen einige Besonderheiten gelten, die den Einsatz von Videokonferenztechnik rechtlich erschweren oder gar unmöglich machen.

B. Die Anhörung mittels Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im wissenschaftlichen Kontext In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich weder eine tief greifende Auseinandersetzung mit der Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung noch empirische Erkenntnisse zur videokonferenzvermittelten Anhörung in Strafvollstreckungssachen.13 Im Strafverfahrensrecht sind hingegen bezogen auf den Zeitraum bis zur formellen Rechtskraft einige Untersuchungen erfolgt, insbesondere die Untersuchung von Rieck14 zur Videovernehmung von Zeugen gemäß § 247a StPO und zur Entstehungsgeschichte dieser Norm. Kritik übt der Autor auch an einer mangelnden empirischen Absicherung kritischer Stellungnahmen zum Videokonferenzeinsatz im Strafverfahren.15 Dem folgend richten sich die Studien von Hasdenteufel, Dieckerhoff und Scheumer auf kindliche Opferzeugen aus.16 Ihnen ist gemeinsam, dass sie den Videokonferenzeinsatz bei Zeugen prozessrechtlich aufarbeiten. Dieckerhoff stützt die Untersuchungen empirisch ab und geht 12  Laubenthal, Strafvollzug, S. 10; Laubenthal / Nestler, Strafvollstreckung, S. 1; freilich wird auf den Begriff der Strafvollstreckung noch näher einzugehen sein. 13  Vgl. ausschließlich Esser, NStZ 2003, 464, welcher das Thema Videokonferenz im Rahmen von § 454 StPO behandelt hat. 14  Rieck, „Substitut oder Komplement?“ 15  Rieck, „Substitut oder Komplement?“, S. 108. 16  Hasdenteufel, Die Strafprozeßordnung als Grenze des Einsatzes von Videotechnologie bei sexuell mißbrauchten Kindern; Dieckerhoff, Audiovisuelle Vernehmung kindlicher Opferzeugen sexuellen Missbrauchs im Strafverfahren; Scheumer, Videovernehmung kindlicher Zeugen.

26 Einleitung

der Frage nach den Einflussfaktoren für die Videokonferenznutzung durch Strafverfolgungsbehörden nach.17 Letztendlich sei laut Dieckerhoff die Schaffung weiterer Beweismittel treibende Kraft.18 Die Literatur im Bereich des Strafverfahrensrechtes nimmt aber nicht nur Bezug auf den Einsatz von Videokonferenztechnik bei zumeist kindlichen Opferzeugen. Norouzi erörtert etwa die Videovernehmung von Auslandszeugen.19 Er hält Mängel der Videokonferenztechnik für ausgleichbar und ermutigt zum Einsatz der Technik.20 Grundlegender angelegt ist hingegen die Schrift von Swoboda.21 Sie befasst sich neben der Videovernehmung in der Hauptverhandlung (§ 247a StPO) und der Erreichbarkeit von Auslandszeugen auch mit der Nutzung von Videotechnik im gesamten Strafverfahren.22 Im Ergebnis wird die Technik als zusätzliches Beweissicherungsmittel gesehen.23 Weiterhin werden von Leitner überblicksartig Videodokumentationsmöglichkeiten im Strafverfahren überprüft.24 Diese Untersuchungen eignen sich allerdings nur bedingt,25 um sie auf das Strafvollstreckungsverfahren zu übertragen. Denn schon hinsichtlich der Verfahrensgrundsätze unterscheidet sich das Strafverfahren bis zur formellen Rechtskraft der justiziellen Anordnung vom weiteren Strafvollstreckungsverfahren erheblich. Diese rechtlichen Besonderheiten müssen gerade in einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung berücksichtigt und die tatsächlichen Gegebenheiten des Strafvollstreckungsverfahrens durch empirische Studien untersucht werden. Über das Strafprozessrecht hinausgehend gibt es eine Reihe von rechtswissenschaftlichen Publikationen zu Videokonferenzen in anderen Rechtsgebieten, welche ebenfalls im Wesentlichen nicht auf die Strafvollstreckung übertragbar sind.26 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Einsatz von Videokonferenztechnik in 17  Dieckerhoff, Audiovisuelle Vernehmung kindlicher Opferzeugen sexuellen Missbrauchs im Strafverfahren, S. 113. 18  Dieckerhoff, Audiovisuelle Vernehmung kindlicher Opferzeugen sexuellen Missbrauchs im Strafverfahren, S. 233. 19  Norouzi, Die audiovisuelle Vernehmung von Auslandszeugen. 20  Norouzi, Die audiovisuelle Vernehmung von Auslandszeugen, S. 264. 21  Swoboda, Videotechnik im Strafverfahren. 22  Swoboda, Videotechnik im Strafverfahren. 23  Swoboda, Videotechnik im Strafverfahren, S. 453 und S. 461 f. 24  Eher überblicksartig Leitner, Videotechnik im Strafverfahren. 25  Mit der Ausnahme der ausschnittartigen Untersuchung von Esser, NStZ 2003, 464 zu § 454 StPO. 26  Nur beispielhaft sei hier genannt Jansen, Die elektronische Kommunikation in der Betriebsverfassung; für das Zivilprozessrecht Glunz, Psychologische Effekte beim gerichtlichen Einsatz von Videotechnik; auszugsweise auch Sauerwein, Die Anwendung moderner Kommunikationstechnologie im nationalen und internationalen Zivilverfahrensrecht; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit; Leopold, NZS 2013, 847–854.



B. Anhörung mittels Videokonferenz im wissenschaftlichen Kontext27

der Strafvollstreckung noch immer eine terra incognita in der Rechtswissenschaft darstellt. Insofern besteht aus rechtswissenschaftlicher Sicht erheb­ licher Forschungsbedarf. Unabhängig von den rechtswissenschaftlichen Erkenntnissen ist zu klären, inwieweit empirischer Forschungsbedarf beim Einsatz von Videokonferenztechnik unter den besonderen Umständen der Strafvollstreckung besteht. Zwar sind eine Reihe von empirischen Forschungen zum Einsatz von Videokonferenzen zu finden. So führte 1992 Schwan eine Untersuchung zum Einfluss von medialen Eigenschaften auf den Kommunikationsprozess durch.27 Gegen eine Übernahme der gefundenen Ergebnisse spricht, dass die Studie der technischen Entwicklung nicht mehr standhalten kann. Studien zu technischen Gegebenheiten haben bei erheblich fortschreitender Technik nur für einen kurzen Zeitraum generelle Aussagekraft. Diese Grenze muss auch für die vorliegende Untersuchung gelten. Es wird versucht, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Gleichwohl werden auch diese vom technischen Fortschritt relativiert. Begrenzt von Nutzen sind deshalb auch die Untersuchungen von Weinig28 und Rangosch-du Moulin29, welche nicht die Besonderheiten in der Strafvollstreckung berücksichtigen und nicht mehr aktuell sind. Eine weitere empirische Fallstudie findet sich bei Braun30, welche jüngeren Ursprungs ist. Nutzbar für die vorliegende Untersuchung dürfte die Feststellung sein, dass Videokonferenztechnik durch eine verzögerte Tonübertragung Schwierigkeiten für den Gesprächsverlauf bietet.31 Gegenstand der Untersuchung ist allerdings eine gedolmetschte Videokonferenz. Im europäischen Kontext sind zwei weitere Studien zu erwähnen. Braun und Taylor haben den Einsatz von Videotechnik zum Dolmetschen im Strafverfahren untersucht.32 Die Ergebnisse zeigen ein gemischtes Bild der Videokonferenztechnik. Auf der einen Seite gibt es Teilnehmer, welche die Eigenschaften der Videokonferenz (wie Klangqualität und Bildschärfe) positiv bewerten.33 Auf der anderen Seite existieren aber auch Probanden, welche die gleichen Eigenschaften negativ

27  Schwan, Die Konsequenzen medialer Eigenschaften für den Kommunikationsprozeß am Beispiel der reduzierten Bildwiedergabefrequenz beim Bildtelefon. 28  Weinig, Wie Technik Kommunikation verändert. 29  Rangosch-du Moulin, Videokonferenzen als Ersatz oder Ergänzung von Geschäftsreisen. 30  Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen? 31  Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen?, S. 25, 31, 54 und 56. 32  Braun / Taylor, Video-mediated interpreting in criminal proceedings: two European surveys. 33  Braun / Taylor, Video-mediated interpreting in criminal proceedings: two European surveys, S. 81.

28 Einleitung

beurteilen.34 Dieses diametrale Ergebnis sei nach Braun und Taylor zum Teil auf verschiedene technische Ausstattungen zurückzuführen und die subjektiven Empfindungen der Befragten.35 Die zweite zu erwähnende Untersuchung stammt von Landström, Granhag und Hartwig36, die den Einfluss von Videotechnik auf die Zeugenaussagen erforscht haben. Sie fanden heraus, dass die örtlich anwesenden Zeugen im Vergleich zu denjenigen, die per Videokonferenz zugeschaltet wurden, als signifikant ehrlicher empfunden werden.37 Bei letztgenannter Form der Befragung verließen sich die Teilnehmer bei der Bewertung der Aussagen des Gesprächspartners stärker auf verbale Ausführungen und weniger auf nonverbale.38 Im angloamerikanischen Raum gibt es hingegen eine Reihe von empirischen Untersuchungen, die zumindest den Einsatz von Videokonferenztechnik im gerichtlichen Verfahren erforschen. Beispielsweise sei hier die Studie von Doherty-Sneddon und McAuley erwähnt, welche den Einfluss von Videoübertragung bei der Vernehmung kindlicher Zeugen untersucht hat.39 Darin wurden diverse Schwierigkeiten bei der Zeugenbefragung festgestellt. Etwa gingen bedingt durch die Videokonferenztechnik nonverbale Informationen verloren.40 Dieser Teil der Kommunikation habe jedoch für normale Interaktionen hohe Bedeutung.41 Eine weitere empirische Studie von Dunn und Norwick untersucht den Einsatz von Videokonferenzsystemen an den Berufungsgerichten der Vereinigten Staaten von Amerika.42 Mittels Interviews von Richterinnen und Richtern kamen sie zu dem Schluss, dass primärer Grund für die Nutzung von Videokonferenzen die Zeit- und Kostenersparnis sei.43 Die Probanden der Studie führten auch Probleme mit der Videokonferenztechnik an. In der Gesamtschau überwogen jedoch die Vorteile die Nachteile.44 Dem thematischen Bezug dieser Arbeit näher ist die 34  Braun / Taylor, Video-mediated interpreting in criminal proceedings: pean surveys, S. 81. 35  Braun / Taylor, Video-mediated interpreting in criminal proceedings: pean surveys, S. 81 und S. 83. 36  Landström / Granhag / Hartwig, ACP 2005, 913–933. 37  Landström / Granhag / Hartwig, ACP 2005, 913 (930). 38  Landström / Granhag / Hartwig, ACP 2005, 913 (929). 39  Doherty-Sneddon / McAuley, ACP 2000, 379–392. 40  Doherty-Sneddon / McAuley, ACP 2000, 379 (390). 41  Doherty-Sneddon / McAuley, ACP 2000, 379 (379). 42  Dunn / Norwick, Report of a Survey of Videoconferencing in the Appeals. 43  Dunn / Norwick, Report of a Survey of Videoconferencing in the Appeals, S. 1 und S. 8. 44  Dunn / Norwick, Report of a Survey of Videoconferencing in the Appeals, S. 16.

two Eurotwo Euro-

Courts of Courts of Courts of



B. Anhörung mittels Videokonferenz im wissenschaftlichen Kontext29

Untersuchung von Treadway Johnson und Wiggins zum Einsatz von Videokonferenzen im Strafverfahren.45 Dort wurde rechtlichen und empirischen Fragestellungen anhand von Untersuchungen anderer Autoren nachgegangen. Auch hier zeigte sich, dass die Befürworter des Videokonferenzeinsatzes ihre Argumentation insbesondere auf die damit einhergehende Zeit- und Kostenersparnis stützen.46 Die Gegner der Technik sehen hingegen eine Beschränkung fundamentaler Rechte,47 die Einflussmöglichkeit Dritter,48 mangelnde Übertragung von Gestik und Mimik49 sowie eine erschwerte Verteidigung50 als Hauptkritikpunkte. Weiterhin gibt es eine Studie zur materiellen Ausstattung von Gerichten mit Videokonferenztechnik.51 Den genannten rechtlichen und empirischen Untersuchungen ist gemeinsam, dass sie die besonderen Umstände und Verhältnisse in der Strafvollstreckung nicht berücksichtigen. Gerade in Strafvollstreckungsverfahren kommt es auf besondere Einzelaspekte der Kommunikation an, wie noch zu zeigen sein wird. Die Wirkung dieser veränderten Kommunikation geht daher von einer anderen Grundlage aus als beispielsweise die Kommunikation bei unternehmerischen Aktivitäten oder polizeilichen sowie gerichtlichen Zeugenvernehmungen. Im Ergebnis werden jedoch Grundeinsichten und einige Fragestellungen der Studien für die vorliegende Untersuchung brauchbar sein. Die Besonderheiten des Strafvollstreckungsverfahrens zwingen aber dennoch zu einer eigenen empirischen Erhebung und Analyse. Der vorstehende Überblick zum Stand der wissenschaftlichen Forschung über den Einsatz von Videokonferenztechnik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er bildet vielmehr lediglich einen Querschnitt ab. Videokonferenztechnik ist mittlerweile allgegenwärtig vertreten,52 sodass auch die Forschungsgebiete zu dieser Technik erheblich an Breite gewonnen haben.53 45  Treadway

Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211. Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (211 f.). 47  Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (212). 48  Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215). 49  Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215). 50  Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (216 f.). 51  Hofer, The Rise of Courtroom Technology and its Effect on the Federal Rules of Evidence & the Federal Rules of Civil Procedure. 52  Vgl. Schmundt, Der Spiegel, Nr. 5, 2011, 112 (113); ein Beispiel für den Einsatz in der Rechtspraxis ist die Richtlinie 2010 / 64 / EU des Europäischen Parlaments und Rates v. 20.10.2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, Nr. 28; stellvertretend für den Einsatz in deutschen Gerichten sei hier Geiger, ZRP 1998, 365 erwähnt. 53  Nicht unerwähnt bleiben soll die Forschung zum praktischen Einsatz von Videokonferenztechnik des Kompetenzzentrum für Videokonferenzdienste der Technischen Universität Dresden, Empfehlungen zur Vorbereitung einer Videokonferenz. 46  Treadway

30 Einleitung

Ein vollständiger Überblick ist daher nicht möglich. Gleichwohl zeigen die angegebenen Studien zum Einsatz in der Strafvollstreckung auf, dass erheblicher Forschungsbedarf gerade im Hinblick auf den Einsatz von Videokonferenztechnik in der besonderen Situation des Strafvollstreckungsverfahrens besteht. Das gilt nicht nur in empirischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht. Zu diesem speziellen Einsatzgebiet ist derzeit keine Studie vorhanden. Diese Lücke soll nun durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden.

C. Gang der Untersuchung Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es erstens zu klären, ob der Einsatz von videokonferenzgeführten Anhörungen in der Strafvollstreckung rechtlich zulässig ist und zweitens in welchem Umfang die Technik bereits heute eingesetzt wird. Dabei gilt es nicht nur die rechtlichen Schwierigkeiten des Videokonferenzeinsatzes darzustellen, sondern auch, welche Auswirkungen diese Art der Kommunikation auf die Anhörung hat. Um diese Ziele zu erreichen, werden zunächst die zentralen Begriffe der Arbeit geklärt. Das dient dem Grundverständnis der im Folgenden behandelten Fragestellungen. Begriffe wie die „Videokonferenz“ finden zwar im Alltag Verwendung, ihre Bedeutung ist aber häufig auch unter Juristen nur laienhaft bekannt. So liegt dem Begriff der „Videokonferenz“ zumeist nur eine Allgemeinvorstellung zugrunde. Ein fest umrissener Rechtsbegriff existiert hingegen bislang noch nicht.54 Nach der grundlegenden Begriffsklärung wird überblicksartig auf die technisch-historische Entwicklung der Videokonferenztechnik einzugehen sein. Dieses historische Wissen ist für die Auslegung der Gesetzesnormen notwendig. Zusätzlich wird dem Leser ein Einblick in die Schnelligkeit der Entwicklung von Videokonferenztechnik geboten. Im Anschluss an die technisch-historische Darstellung wird die Gesetzeslage zum Einsatz von Videokonferenzen in Strafvollstreckungsverfahren vor dem am 1. November 2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren aufgezeigt. Die strafvollstreckungsrechtlichen Regelungen lassen sich dabei in obligatorisch-mündliche und fakultativ-mündliche Anhörungen unterteilen. Nach diesem Abschnitt wird sich dem erstmals 2007 durch das Bundesland Hessen initiierten Gesetzgebungsverfahren gewidmet. Der Entwurf enthielt Regelungen zum Einsatz von Videokonferenztechnik im Strafvollstreckungsverfahren. Der Werdegang dieser Änderungsvorschläge durch das Gesetzgebungsverfahren wird skizziert. Im Bundesgesetzblatt 54  Vgl.

auch zur Begriffsbildung Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 5.



C. Gang der Untersuchung31

wurde letztlich nur eine die Strafvollstreckung betreffende Änderung des § 462 StPO verkündet.55 Die rechtliche Bedeutung dieser Änderung bleibt in einem letzten Abschnitt zu untersuchen. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Neueinfügung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO die Rechtslage tatsächlich geändert hat oder ihr bloß deklaratorische Funktion zukommt. Hinsichtlich aller anderen Normen gelten die gewonnenen Erkenntnisse zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren fort. Im Anschluss an die Prüfung der Normen der Strafvollstreckung von Strafen gegen Erwachsene sollen die Besonderheiten des Jugendstrafvollstreckungsverfahrens aufgezeigt und diese im Hinblick auf ihre Bedeutung für eine videokonferenzgeführte Äußerungsmöglichkeit bedacht werden. Zweck der obligatorisch-mündlichen Anhörungen in Strafvollstreckungsverfahren bei Jugendstrafen, aber auch im Strafvollstreckungsverfahren bei Strafen gegen Erwachsene, ist die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks vom Verurteilten beziehungsweise Angeklagten56 durch den Vollstreckungsleiter.57 Diese Verfahren weisen folglich Besonderheiten auf, die insbesondere auf den Kommunikationsprozess zwischen dem Richter und dem Gefangenen abzielen. Um zu erkennen, wie die Videokonferenztechnik auf diese Form der Anhörung beziehungsweise Äußerungsmöglichkeit wirkt, wäre eine kritische Auseinandersetzung mit den bereits vorhandenen empirischen Erhebungen notwendig. Wie bereits in der Einführung dargelegt, sind solche Ergebnisse für den Einsatz von Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungsverfahren nicht vorhanden. Ein Rückgriff auf die Ergebnisse von empirischen Untersuchungen zum allgemeinen Einsatz von Videokonferenztechnik ist dabei nur bedingt geeignet, aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Sie berücksichtigen die noch aufzuzeigenden rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Strafvollstreckungsverfahrens nicht. Die Besonderheiten des Strafvollstreckungsverfahrens verlangen eine eigenständige Untersuchung. Ziel der vorliegenden Arbeit wird es demgemäß auch sein, eine eigene empirische Untersuchung durchzuführen und die Wirkung von Videokonferenztechnik auf die Entscheidungsfindung in Strafvollstreckungssachen zu analysieren. Hierzu wurden alle Justizministerien der Bundesländer 55  Siehe Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, 935 (936). 56  Vgl. zu den Begriffen § 453 StPO und § 454 StPO. 57  Vgl. etwa Meyer-Goßner, StPO, § 454 Rn. 16; Eisenberg, JGG-Kommentar, § 88 Rn. 27.

32 Einleitung

angeschrieben und um ihre Zustimmung zu einer Fragebogenerhebung gebeten. Mit Ausnahme des Bundeslandes Brandenburg, welches unter Verweis auf die besonders erhöhte Arbeitsbelastung der Justiz und eine Vielzahl von anderen Studien die Umfrage ablehnte, haben alle Länder ihre Zustimmung zur Erhebung gegeben. Im Anschluss wurden in allen Bundesländern (mit Ausnahme von Brandenburg) die Strafvollzugsanstalten angeschrieben und ihnen der im Rahmen dieser Untersuchung erstellte Fragebogen zugesendet. Durch Letzteren wurden insbesondere die Ausstattung mit Videokonferenztechnik und die aufgetretenen technischen Probleme ermittelt. Weiterhin wurden Richterinnen und Richter, welche in der Strafvollstreckung tätig sind, zu ihrer persönlichen Auffassung zur Nutzung der Videokonferenztechnik und ihre Erfahrung befragt. Aufgrund der Vielzahl von Richterinnen und Richtern, die in der Strafvollstreckung tätig sind, wurde in den Ländern Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen eine Stichprobe von Richterinnen und Richtern ausgewählt. Eine Befragung von Inhaftierten, die an einer Anhörung oder Äußerungsmöglichkeit in Strafvollstreckungssachen mittels Videokonferenztechnik teilgenommen haben, konnte nicht durchgeführt werden. Hindernis war insbesondere die aufgrund der geringen Anzahl von durchgeführten Videokonferenzen bestehende Schwierigkeit videokonferenz­ erfahrene Gefangene für eine Befragung zu ermitteln. Hinzu kommt der in der Natur der strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidung liegende Umstand der möglichen Entlassung von Gefangenen aus der Vollzugsanstalt. In einem abschließenden Kapitel werden die gefundenen rechtlichen Besonderheiten beim Einsatz von Videokonferenztechnik mit den Ergebnissen der Fragebogenerhebung zusammengeführt. Aus den gewonnenen Erkenntnissen soll die Bildung eines umfassenden Urteils über den Einsatz von Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen ermöglicht werden.

Erstes Kapitel

Videokonferenz und Strafvollstreckung – Begriffsbestimmungen Das folgende Kapitel dient der Darlegung und der Definition der beiden zentralen Begriffe dieser Untersuchung – der Videokonferenz und der Strafvollstreckung. Erst durch deren Festlegung wird ein anschlussfähiger Begriff für diese Untersuchung geschaffen, welcher zum einen der Eingrenzung und zum anderen dem Verständnis des Themas dient. Die Definitionen bilden folglich das „Fundament“, auf dem die nachfolgende Untersuchung aufbauen kann. Von entscheidender Bedeutung wird dabei der juristische Begriff der „Strafvollstreckung“ sein. Er dient zugleich der Abgrenzung zum Begriff des Strafvollzugs. Weiterhin wird dem, in vielen Facetten auftauchenden „Videokonferenz“-Begriff im Rahmen dieser Untersuchung erhebliche Bedeutung zukommen. Letzterer ist kein nur der Jurisprudenz eigener Begriff, sondern vor allem eine in der Alltagssprache und anderen Wissenschaften verwendete Bezeichnung. Die Relativität der Begriffsbestimmung erfordert jedoch eine eigene Definition, die dem der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegenden Zweck gerecht werden muss.1 Ohne Klarheit über die juristische Bedeutung und folglich über den Untersuchungsgegenstand wird eine spätere Differenzierung zu anderen Formen der Anhörung in Strafvollstreckungsverfahren nicht gelingen.

A. Der Begriff „Videokonferenz“ Die Begriffsbildung der Jurisprudenz ist von der Alltagssprache und der Sprache anderer Wissenschaften nicht völlig losgelöst. Es soll nun analytisch vorgegangen und der Sprachgebrauch des Gesetzes, der Rechtswissenschaft sowie anderer Wissenschaften untersucht werden.2 Ziel ist die Festsetzung eines eigenen Videokonferenzbegriffs, welcher die Besonderheiten in der Strafvollstreckung berücksichtigt. Eine Definition hat der Gesetzgeber weder in seinen verschiedenen Entwürfen des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und 1  Wank, 2  Vgl.

S. 69.

Die juristische Begriffsbildung, S. 110 f. zum analytischen Vorgehen auch Wank, Die juristische Begriffsbildung,

34

1. Kap.: Videokonferenz und Strafvollstreckung – Begriffsbestimmung

staatsanwaltschaftlichen Verfahren vorgenommen noch hat er in der verkündeten Änderung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO eine Legaldefinition eingeführt.3 Die Legislative hat zwar zum 1. November 2013 die grundsätzliche Zulässigkeit von Videokonferenzen bei Anhörungen gemäß § 462 StPO neu geregelt. Der Regelungsgehalt des Abs. 2 S. 2 zielt jedoch auf die Klarstellung der möglichen Anhörungsformen ab und nicht im Speziellen auf die Festlegung des „Videokonferenz“-Begriffs: Ordnet das Gericht eine mündliche Anhörung an, so kann es bestimmen, dass sich der Verurteilte dabei an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.

Der Regelungsgehalt umfasst nur, dass unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit eine Anhörung durchgeführt werden kann (das „Ob“).4 Der Gesetzgeber nimmt hingegen keinen direkten Bezug darauf, wie dies geschehen kann, z. B. in Form einer Videokonferenz. Deren Begriff hat der Gesetzgeber folglich ungeregelt gelassen. Als Arbeitsdefinition zur Videokonferenz scheidet die Formulierung daher aus. Möglicherweise finden sich jedoch außerhalb der strafvollstreckungsrechtlichen Regelungen oder in der Rechtswissenschaft Hinweise auf das Begriffsverständnis der „Videokonferenz“.

I. Der Begriff „Videokonferenz“ im juristischen Sprachgebrauch außerhalb der Strafvollstreckung Die Strafprozessordnung erwähnt bei der Vernehmung von Zeugen, bei denen eine dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl besteht (§ 247a StPO), erneut die Videokonferenz: Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton […] übertragen.5 Der Gesetzestext nimmt hier nur Bezug auf die zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton. Nicht näher beschrieben wird jedoch die Funktionsweise der Videokonferenztechnik. Eine Definition muss jedoch alle wesentlichen Merkmale erfassen. § 247a StPO verfolgt, wie schon § 462 Abs. 2 S. 2 StPO, ein anderes Ziel: Die Videokonferenz wird nicht näher definiert, sondern ihr Anwendungsbereich eröffnet. Insoweit sind zwar die genannten Merkmale für die spätere eigene Definition 3  BT-Drucks.

17 / 1224. 17 / 1224, S. 2. 5  Vgl. § 247a S. 3 StPO und ähnlich auch § 128a Abs. 1 S. 2 ZPO, dazu auch Schultzky, NJW 2003, 313 (315); Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14 / 6036, S. 119; auch als wechselseitige Kommunikation bezeichnet von Busch / Remmert / Rüntz / Vallender, NZI 2010, 417 (421). 4  BT-Drucks.



A. Der Begriff „Videokonferenz“35

nutzbar, sie beschreiben die Videokonferenz dessen ungeachtet nicht abschließend. In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich hingegen ausführliche Definitionsversuche. So wird Videokonferenz beschrieben „als eine besondere Form der Telekommunikation, bei der mit Hilfe von Mikrofonen, Kameras, Lautsprechern und Bildwiedergabemedien eine audio-visuelle Verbindung zwischen zwei oder mehreren Konferenzteilnehmern hergestellt und so ein entsprechender wechselseitiger Informationsaustausch ermöglicht wird“6. Der Begriffskern gleicht auch hier wieder dem des gesetzlichen Verständnisses: die synchrone Übertragung von Bild und Ton. Hinzu tritt die technische Beschreibung der Videokonferenz. Dabei erlaubt der Einsatz der Videokonferenztechnik nicht nur die zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton, sondern den Teilnehmern an verschiedenen Orten die ununterbrochene beiderseitige Wahrnehmung.7 Allerdings berücksichtigt diese Definition nicht die besondere Situation des Strafvollstreckungsverfahrens. Sinn und Zweck des Verfahrens der Anhörung beziehungsweise der Äußerungsmöglichkeit des Jugendgerichtsgesetzes ist es nicht, für eine gegenseitig gleichberechtigte Kommunikation zu sorgen, sondern insbesondere die Prognose des Richters zu ermöglichen8. Zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten ist daher eine Übernahme des Begriffs nicht ohne Weiteres möglich. Denn stets ist der Sinn und Zweck einer Regelung zu berücksichtigen.9 Dieser Sinn und Zweck kann beispielsweise bei Anhörung in finanzgerichtlichen Verfahren, in denen die Sachaufklärung maßgeblich ist,10 und bei strafvollstreckungsrechtlichen Verfahren, in denen die Prognose des Richters über den Verurteilten bedeutsam ist,11 erheblich voneinander abweichen. Insoweit können aus der aufgezeigten Definition wieder nur die wesentlichen Merkmale verallgemeinert werden. Erst im Anschluss daran ist eine auf die Strafvollstreckung angepasste Definition zu ermitteln. Bevor dies geschieht, sollen ebenfalls aus den Definitionen in der Literatur die wesentlichen Merkmale extrahiert werden. Diese Definitionskerne der unterschiedlichen Disziplinen und der Rechtswissenschaft dienen dann als Basis des eigenen strafvollstreckungsrechtlichen Videokonferenzbegriffs. 6  Glunz, Psychologische Effekte beim gerichtlichen Einsatz von Videotechnik, S. 11. 7  Jansen, Die elektronische Kommunikation in der Betriebsverfassung, S. 76; Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211; vgl. auch Schmidt, Videokonferenzen als Aufsichtsratssetzungen, S. 46; ähnlich auch Knauer, Strafvollzug und Internet, S. 137. 8  Vgl. zur Notwendigkeit einer (neuen) Prognose Fischer, StGB, § 56f Rn. 11 und § 57 Rn. 12. 9  Vgl. Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 111; Börner, in: FS Hartmann, S. 80. 10  Vgl. Dieckmann, DB 2002, S. I–I. 11  So beispielsweise Spaniol, FS 2012, 253 (257); KK-StPO / Appl, § 454 Rn. 2b.

36

1. Kap.: Videokonferenz und Strafvollstreckung – Begriffsbestimmung

II. Der Begriff „Videokonferenz“ in anderen Wissenschaftsdisziplinen Der Begriff der „Videokonferenz“ ist auch in anderen Wissenschaften verwendet worden. Soweit ersichtlich ist dort die Zahl der Definitionsversuche jedoch überschaubar geblieben. Ziel der folgenden Darstellung wird es sein, ein gemeinsames Substrat dieser Definitionen aufzufinden. Die daraus gewonnen Merkmale können sodann als wesentlich angesehen und verallgemeinert werden. Eine besonders weite Definition findet sich beispielsweise in der Kommunikationswissenschaft, nach der „Videokonferenzen […] eine technische Variante herkömmlicher face-to-face-Konferenzen“12 sind. Aus einer solch breiten Definition ergeben sich jedoch tatsächliche Abgrenzungsschwierigkeiten zur „face-to-face“-Kommunikation mit technischen Hilfsmitteln, wie dem Hörgerät oder dem Mikrofon. Denn auch dies stellt Kommunikation in einer technikgestützten Variante dar. Die Bezeichnung ist folglich nicht hinreichend präzisiert. In einer Veröffentlichung des Kompetenzzentrums für Videokonferenzdienste der Technischen Universität Dresden wird daher die Videokonferenz ausführlich beschrieben als „ein audiovisuelles Kommunikationsverfahren, in dem Bewegtbild [sic!] und Ton sowie optionale Anwenderdaten (zum Beispiel Dokumente oder Computerdarstellungen) zwischen zwei oder mehreren Standorten übertragen werden. Die Eingabegeräte sind daher Kamera und Mikrofon sowie ein eventuelles Präsentationsmedium, die Ausgabegeräte sind Monitor (oder andere Anzeigegeräte) und Lautsprecher.“13 Dem Erkenntnisinteresse der Disziplin folgend ist die Bezeichnung hier technisch ausgerichtet.14 Präzision gewinnt die Definition durch die Merkmale der Nutzung eigener Übertragungswege von Ton und Bild zwischen verschiedenen Standorten. Ganz ähnlich wurde der Begriff auch innerhalb einer Forschungsarbeit der Linguistik verstanden: Bei der „Videokonferenz handelt es sich um eine audiovisuelle Fernverbindung, die eine Audioverbindung zur Sprachübertragung und Sprachkommunikation sowie eine Videoverbindung zur Übertragung von Bewegtbildern [sic!] und zur visuellen Kommunikation einschließt. Mithilfe entsprechender Datenleitungen werden Ton und Videobild von einem Standort zum anderen übertragen.“15 Wesentlich für die Videokonferenz ist aber nicht nur die reine Übertragung von Bild und Ton, sondern die Abfolge der gegenseitigen Übertragung in zeitlicher Synchro12  Weinig,

Wie Technik Kommunikation verändert, S. 57. Kategorisierung und Evaluierung von Videokonferenzen, S. 2. 14  Nicht zu verwechseln mit einem technisch-wissenschaftlichen Begriff, vgl. dazu Plischka, Technisches Sicherheitsrecht, S. 18 f. 15  Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen?, S. 8; so auch Rhodes, Videoconferencing for the Real World, S. 3. 13  Meyer,



A. Der Begriff „Videokonferenz“37

nität. Dieses wesentliche Merkmal greift der folgende wirtschaftsgeographische Definitionsversuch heraus: „Videoconferencing ist Zweiweg-Kommunikation in Echtzeit, d. h. die Gesprächspartner können beide als Sender und Empfänger von Bildern, Tönen, Grafiken, etc. auftreten und müssen, wie beim Telefongespräch, zeitgleich kommunizieren“16. Erst diese Echtzeitkommunikation zwischen zwei oder mehreren Gesprächspartner ermöglicht gerade eine Gesprächssituation in Anlehnung an die „zeitsynchrone Kommunikation ohne räumliche Trennung der Gesprächspartner von Angesicht zu Angesicht“17 (im Folgenden auch kurz als „face-to-face“-18 oder auch „vis-à-vis“-19Kommunikation bezeichnet). Auch für die vorstehenden Begriffsbestimmungen gilt, dass sie nicht ohne Weiteres in die Rechtswissenschaft, konkret in das Strafvollstreckungsrecht übernommen werden können. Daran hindert – wie schon dargelegt – die Relativität der Begriffsbildung. Denn jeder Begriff „erhält einen Sinn nur relativ zu einem bestimmten Erkenntnisinteresse“.20 Wissenschaftler anderer Disziplinen oder Teildisziplinen werden regelmäßig ein anderes Vorverständnis über den Bedeutungsgehalt eines Begriffes haben.21 So akzentuieren manche Wissenschaften beispielsweise die technische Ausgestaltung von Videokonferenzsystemen, während für andere Wissenschaften das Interesse an den Bedingungen eines gelingenden Kommunikationsprozesses bei Videokonferenzen im Mittelpunkt steht. Eine „blinde“ Übernahme solcher Begriffsdefinitionen kann daher nicht erfolgen, sondern es bedarf einer Transformation in das Strafvollstreckungsrecht.22 Nachfolgend werden daher die wesentlichen Eigenschaften herausgefiltert und zu einem Kernbegriff zusammengefasst. Videokonferenz ist demnach ein kommunikationstechnisches System zur zeitgleichen Übertragung von Bild und Ton an den jeweils anderen Ort.23 Im Einzelnen haben die Autoren die dargestellten treffenden Definitionen lediglich um die Merkmale des jeweiligen Erkenntnisinteresses ihrer Disziplin erweitert. Diese sollen vorliegend nicht weiter berücksichtigt werden. 16  Rangosch-du Molin, Videokonferenzen als Ersatz oder Ergänzung von Geschäftsreisen, S. 63. 17  Schwan, Die Konsequenzen medialer Eigenschaften für den Kommunikationsprozeß am Beispiel der reduzierten Bildwiedergabefrequenz beim Bildtelefon, S. 5. 18  Vgl. beispielsweise Kielholz, Online-Kommunikation, S. 14. 19  Vgl. zum Begriff Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen?, S. 8. 20  Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 143. 21  Siehe auch Bergmann / Jahn / Knoblauch / Krohn / Pohl / Schramm, Methoden transdisziplinärer Forschung, S. 56 und S. 53, welche treffend Fachbegriffe stets vor dem Hintergrund der jeweiligen wissenschaftlichen Theorien betrachten. 22  Vgl. Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 143. 23  Angelehnt an Möller, Quality Engineering, S. 75.

38

1. Kap.: Videokonferenz und Strafvollstreckung – Begriffsbestimmung

III. Begriffsdefinition der „Videokonferenz im Strafvollstreckungsverfahren“ Es wurde bereits festgestellt, dass das wesentliche Merkmal der Videokonferenz im Unterschied zur „face-to-face“-Kommunikation eine zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton an den jeweils anderen Ort darstellt.24 Dieser Kern findet sich in allen ausreichend präzisen Definitionsversuchen wieder. Gleichwohl weist dieser Definitionsteil alleine eine gewisse Lücke auf, denn die Übermittlung des Bildes und des Tons muss notwendigerweise mittels Informationstechnik geschehen. Neben diesem Merkmal muss die hiesige Definition die Besonderheiten des Strafvollstreckungsverfahrens berücksichtigen. So findet die Videokonferenz im Rahmen einer Anhörung statt, bei der eine Richterin / ein Richter und der Verurteilte / Angeklagte beteiligt sind. Insofern muss die für die Strafvollstreckung angepasste Definition wie folgt lauten: Videokonferenz ist die zeitgleiche informationstechnisch basierte Übertragung von Bild und Ton des Richters und des Verurteilten / Angeklagten sowie die ununterbrochene akustisch und visuell wahrnehmbare Darstellung des jeweils anderen Anhörungsbeteiligten.

Die dargelegte Definition soll in der Folge nun Grundlage der Untersuchung sein. Im weiteren Verlauf der Untersuchung werden Abwandlungen des Begriffs Videokonferenz genutzt. So sollen die Begriffe „Videokonferenztechnik“, „Videokonferenzsystem“ sowie „Videotechnik“ die technische Anlage der Videokonferenz beschreiben. Der reine Begriff „Videokonferenz“ soll hingegen einen kommunikativen Akt bezeichnen, der mithilfe der Videokonferenztechnik erfolgt. Insofern ist der Begriff der „Videokonferenz“ umfassender als der Technikbegriff. Im Einzelnen geht die Bedeutung des Begriffes auch aus seinem Kontext hervor.

B. Der Begriff „Strafvollstreckung“ Die Anwendbarkeit der Videokonferenz soll hier im Rahmen der Strafvollstreckung geprüft werden. Was die Strafvollstreckung auszeichnet, wird im Folgenden kurz dargelegt. Die Strafvollstreckung ist im Gegensatz zum Strafvollzug Teil des Strafverfahrens.25 Die Strafvollstreckung umfasst bei Freiheitsstrafen die Einleitung einer Unterbringung, deren Überwachung, 24  Vgl. auch zur technischen Ausgestaltung Miller / Clark / Veltkamp u. a., Behav. Sci. Law 2008, 301 (310). 25  Laubenthal / Nestler, Strafvollstreckung, S.  2 f.



B. Der Begriff „Strafvollstreckung“39

das mögliche vorzeitige Ende und die Beendigung im Allgemeinen.26 Regelungen zur Strafvollstreckung finden sich im ersten Abschnitt des Siebten Buches der Strafprozessordnung. Die Regelungen sind allerdings nicht abschließend, es gibt eine Vielzahl weiterer Strafvollstreckungsvorschriften außerhalb der Strafprozessordnung (beispielsweise § 82 JGG und § 35 BtMG). Zusammenfassend lässt sich die Strafvollstreckung auch als das „Ob“ der Sanktionsverwirklichung verstehen.27

26  Spaniol,

FS 2012, 253 (253). Strafvollstreckung, S.  2 f.

27  Laubenthal / Nestler,

Zweites Kapitel

Die historische Entwicklung der Videokonferenz Aussagen über die Zulässigkeit von Videokonferenzen in der Strafvollstreckung haben eine zeitlich begrenzte Relevanz. Deutlich wird dies insbesondere vor dem Hintergrund einer rasanten Entwicklung der Kommunikationstechnik. Im folgenden Abschnitt soll daher die historische Entwicklung der Videokonferenztechnik kurz dargestellt werden. Im Verlaufe dieser Untersuchung wird sich zeigen, dass auch der Gesetzgeber nicht frei vom Einfluss dieser Evolution der Technik ist. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werden daher bei der abschließenden Bewertung der Videokonferenz in der Strafvollstreckung und der Gesetzesauslegung ein nicht zu unterschätzendes Gewicht haben.

A. Die historische Entwicklung der Videokonferenz in Praxis und Judikatur sowie die Reaktion des Rechtes Die Anfänge der Videokonferenztechnik reichen weit zurück. Ihr voraus ging die telegrafische Kommunikation, die erstmals im Jahre 1833 innerhalb Göttingens praktiziert wurde1. Es folgte kaum 40 Jahre später die Anmeldung des Telefons zum Patent.2 Bis zur ersten Videokonferenz sollten mehr als 60 Jahre vergehen. Im Jahr 1936 fand eine solche zwischen Gesprächspartnern in Berlin und Leipzig statt.3 Nicht nur die anfänglich hohen Kosten ließen den Ausbau scheitern, sondern auch die folgenden Jahre des Zweiten Weltkrieges. Erst 1984 führte die damalige Deutsche Bundespost den Videokonferenzdienst ein, dieses Mal auf Basis einer digitalen Übertragungstechnik.4 Ihr wirklicher Durchbruch gelang, als ISDN (Integrated 1  Stern, Denkrede auf Carl Friedrich Gauß zur Feier seines hundertjährigen Geburtstages 1877, S. 285. 2  Reuter, Telekommunikation, S. 89. 3  Zwischen 1936 und 1940 betrieb die Deutsche Reichspost einen öffentlichen Bildfernsprechdienst, dieser wurde später noch bis München erweitert, vgl. Meier, Neue Medien – neue Kommunikationsformen?, S. 196; Reuter, Telekommunikation, S. 210. 4  Zusammenfassend Weinig, Wie Technik Kommunikation verändert, S. 61.



A. Die historische Entwicklung der Videokonferenz41

Services Digital Network) und kurz danach das Internet – in Form des World Wide Webs – Verbreitung fanden.5 Heute sind Videokonferenzsysteme aus vielen geschäftlichen und auch privaten Bereichen nicht mehr wegzudenken.6 Diese Entwicklung wird gestützt durch einen stetigen Preisverfall der Übertragung und der Technik. Der Einsatz der Videokonferenztechnik in einem deutschen Strafprozess sollte jedoch bis 1995 dauern. Das Mainzer Landgericht setzte diese Technik zur Befragung kindlicher Opferzeugen von Sexualstraftaten ein.7 Das Gericht hatte in einem Verfahren wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs beschlossen, die Vernehmung der geschädigten Kinder aus einem Nebenzimmer mittels Videokonferenz in den Gerichtssaal zu übertragen.8 Begründet wurde dies mit der Vermeidung von zusätzlichen psychischen Belastungen der Kindeszeugen.9 Der Prozess fand in Öffentlichkeit, Rechtsprechung und Wissenschaft viel Aufmerksamkeit.10 Besonders umstritten an diesem Verfahren war, dass der Kammervorsitzende während der Videokonferenz sich beim Opfer aufhielt und somit die Verhandlungsleitung im Gerichtssaal (§ 238 Abs. 1 StPO) faktisch nicht ausüben konnte.11 Nicht zuletzt durch das Mainzer Verfahren und die folgende öffentliche Diskussion sah sich der Gesetzgeber zum Handeln gezwungen. Bereits am 4. März 1998 wurde das Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes (Zeugenschutzgesetz – ZSchG) beschlossen.12 5  Jansen, Die elektronische Kommunikation in der Betriebsverfassung, S. 76; Reuter, Telekommunikation, S. 214. 6  Jansen, Die elektronische Kommunikation in der Betriebsverfassung, S. 76; zur Nutzung solcher Kommunikationsangebote Joisten, Multimediale Gespräche in Skype: Hybridisierung von Gebrauchsweisen in der interpersonalen Kommunikation, S.  149 ff. 7  LG Mainz v. 15.5.1995 – 302 Js 21307 / 94 jug KLs, StV 1995, 354. 8  Siehe hierzu ausführlich Mehle, StraFo 1996, 2; den Aufbau beschreibend Scheumer, Videovernehmung kindlicher Zeugen, S. 20. 9  Mehle, StraFo 1996, 2 (2). 10  Beispielhaft für die breite Diskussion Laubenthal, JZ 1996, 335; LG Mainz v. 15.5.1995 – 302 Js 21307 / 94 jug KLs, StV 1995, 354; Swoboda, Videotechnik im Strafverfahren; Scheumer, Videovernehmung kindlicher Zeugen; o.V., FAZ v. 24.11.1994, S. 9; vgl. zur damals erheblich größeren Problematik bei kindlichen Zeugen in Großbritannien und zu den folgenden „Criminal Justice Acts“ v. 1988 und 1991; zum Einsatz von Videokonferenzen im Gerichtsverfahren mit Opferzeugen Köhnken, StV 1995, 376 (377 f.); Bohlander, ZStW 1995, 82. 11  Strate, StraFo 1996, 2 (4). 12  Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zu Verbesserung des Opferschutzes; Zeugenschutzgesetz – ZSchG) v. 30.4.1998, BGBl. I, S. 820 ff.; zusammenfassend zum Gesetzgebungsverfahren und späteren Änderungen Hartz, KJ 2006, 74 ff.

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2. Kap.: Die historische Entwicklung der Videokonferenz

Wesentliche Neuerung war die kodifizierte Möglichkeit der Vernehmung von gefährdeten Zeugen per Videokonferenz.13 In der Folgezeit hielt die Videokonferenz auch in anderen deutschen Prozessordnungen Einzug. Den Anfang machte die Finanzgerichtsordnung zum 1. Januar 2001 und ermöglichte durch § 91a FGO und § 93a FGO den Videokonferenzeinsatz.14 Seit 2002 gibt es diese Möglichkeit auch innerhalb des Zivilprozesses (§ 128a ZPO).15 Über § 173 VwGO gilt diese Regelung des Zivilprozesses auch im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit16 und gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Auch die Sozialgerichte haben die Möglichkeit erhalten, diese Technik gemäß § 202 SGG zu nutzen. In der Strafvollstreckung lief die Entwicklung leicht abweichend.17 Bei Anhörungen des Verurteilten in der Strafvollstreckung ist der entscheidende technische Unterschied zum „Mainzer Modell“ die räumliche Entfernung der Videokonferenzteilnehmer.18 So verwundert es nicht, dass es bis zur ersten Videokonferenz in Deutschland19 im Rahmen einer Anhörung in Strafvollstreckungssachen erheblich mehr Zeit bedurfte. Im Januar 2003 wurde diese zwischen der JVA Rohrbach und dem Landgericht Mainz durchgeführt.20 In den Folgejahren wurden Anhörungen in der Strafvollstreckung mittels Videokonferenz auch in anderen Bundesländern abgehalten. Es blieb daher nicht aus, dass sich die Oberlandesgerichte mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Videokonferenzeinsatzes zu befassen hatten. Aufgrund einer sofortigen Be13  Vgl. dazu Beulke, ZStW 2001, 709 ff.; Swoboda, Videokonferenztechnik im Strafverfahren, S. 19; zum Gesetz selbst Dieckerhoff, Audiovisuelle Vernehmung kindlicher Opferzeugen sexuellen Missbrauchs im Strafverfahren. 14  Zweites Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2. FGOÄndG) v. 19.12.2000, BGBl. I, 1757 ff.; zusammenfassend Dieckmann, DB 2002, S. I–I; als eine Art Erfahrungsbericht im Modellversuch vgl. Geiger, ZRP 1998, 365ff und den Bericht vom FG Köln in Schaumburg, ZRP 2002, 313. 15  Vergleiche dazu auch die Beiträge von Schultzky, NJW 2003, 313 und Borchert, CR 2002, 854, sowie innerhalb der Europäischen Union im Rahmen der zivilprozessualen Rechtshilfe in Beweissachen in Knöfel, EuZW 2008, 267. 16  Zum Pilotprojekt beim Verwaltungsgericht Pressemitteilung des VG Sigmaringen, BDVR-Rundschreiben 2000, 155. 17  Überblicksartig zur Entwicklung des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Strafverfahren Leitner, Videotechnik im Strafverfahren, S. 111 f. 18  So in der Gesetzesinitiative des Landes Hessens als „Möglichkeit webbasierender Bild- und Tonübertragung“ bezeichnet, BR-Drucks. 643 / 07, S. 12. 19  Vgl. den schon 1995 berichteten Videokonferenzeinsatz bei Inhaftierten in den USA von Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (213); Rhodes, Videoconferencing for the Real World, S. 22 f. und NIC Jails Division, Use of Interactive video for court proceedings: Legal status and use nationwide. 20  Esser, NStZ 2003, 464 (464); Thomsen, SchlHA 2004, 285 (286).



A. Die historische Entwicklung der Videokonferenz43

schwerde eines Verurteilten musste im Januar 2005 das Oberlandesgericht Karlsruhe über den Videokonferenzeinsatz bei strafvollstreckungsrechtlichen Anhörungen entscheiden.21 Vorausgegangen war eine Anordnung der Strafvollstreckungskammer, die den Gefangenen bei einer Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 StPO per Videokonferenz anhören wollte.22 Dieser Form der Anhörung verweigerte sich der Verurteilte und bestand auf eine mündliche Anhörung.23 Die Strafvollstreckungskammer lehnte daraufhin die Aussetzung der Reststrafe ab.24 In der Entscheidung über die Beschwerde des Verurteilten kam der Karlsruher Senat zu der Überzeugung, dass gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit des Strafgefangenen und des Richters notwendig ist und nur mit Zustimmung des Gefangenen eine Videokonferenz stattfinden darf.25 Dreizehn Monate später wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Beschwerde eines Gefangenen gegen die Anhörung mittels Videokonferenztechnik im Rahmen des § 454 Abs. 1 StPO zurück.26 Die Richter hatten über die Beschwerde eines Gefangenen zu entscheiden, der nach vorheriger Zustimmung mittels Videokonferenz durch die Strafvollstreckungskammer angehört worden war.27 Das Gericht sah die Zustimmung zur Konferenz als Ausdruck der Disposi­ tionsmöglichkeit des Gefangenen, auf sein Recht einer unmittelbar mündlichen Anhörung zu verzichten.28 Die Richter erkannten keinen Verstoß gegen die mündliche Anhörungspflicht des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO.29 Kurz darauf bekräftigte derselbe Senat seine Auffassung in einem erneuten Beschluss.30 Dem zugrunde lag eine Anhörung mittels Videokonferenztechnik gemäß § 454 Abs. 1 StPO, allerdings ohne Nachweis einer Verzichtserklärung des Gefangenen.31 Im Mai 2012 folgt dann eine weitere und bisher letzte Ent21  OLG

Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013). Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013). 23  OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013). 24  OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013). 25  OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013). 26  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357. 27  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357). 28  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357). 29  Das Gericht führt dazu aus, dass der Gefangene anerkanntermaßen auf sein Recht auf mündliche Anhörung verzichten kann. Wenn die Anhörung in Gänze zur Disposition des Gefangen steht, so muss ein einschränkender Verzicht aus dem argumentum a maiore ad minus dem Gefangenen eine einschränkende Videokonferenz­ anhörung ermöglichen, so OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZRR 2006, 357 (357). 30  OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris. 31  OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris, Rn. 8. 22  OLG

44

2. Kap.: Die historische Entwicklung der Videokonferenz

scheidung eines Oberlandesgerichts zu Videokonferenznutzung in Strafvollstreckungsverfahren.32 Das Oberlandesgericht Stuttgart verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurück; die Kammer hatte zuvor keinen ausdrücklichen Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung eingeholt.33 Ohne diese ausdrückliche Erklärung und eine umfassende Aufklärung des Verurteilten über seinen Anspruch einer mündlichen Anhörung hatte das Oberlandesgericht das Verfahren zu beanstanden.34 Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Videokonferenznutzung in Strafvollstreckungssachen verwundert es daher kaum, dass sich auch der Gesetzgeber mit dem Thema Videokonferenzen in der Strafvollstreckung befasste. Die Hessische Landesregierung brachte eine erste Gesetzesinitiative 2007 in den Bundesrat ein.35 Ziel der Initiative war unter anderem den Videokonferenzeinsatz in der Strafvollstreckung zu regeln.36 Diese Gesetzesinitiative und die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen werden im Rahmen der rechtlichen Untersuchung noch genauer zu betrachten sein.

B. Zusammenfassung Die Videokonferenz wurde bereits 1936 genutzt. Jedoch fand diese Art der Kommunikation erst mit Verbreitung der ISDN-Technik und des Internets ihren Durchbruch. Auch das Strafvollstreckungsverfahren konnte sich dieser Entwicklung nicht versperren. Im Januar 2003 erfolgte in Deutschland dann eine Anhörung zwischen einer Haftanstalt und Strafvollstreckungskammer mittels Videokonferenztechnik. In den Folgejahren ergingen wenige oberlandesgerichtliche Entscheidungen zur Nutzung dieser Technik in Strafvollstreckungsverfahren. Unter anderem zur Verrechtlichung der Videokonferenznutzung in diesen Verfahren wurde 2007 auf Initiative der Hessischen Landesregierung ein Gesetzesentwurf in den Bundesrat eingebracht. Im folgenden Kapitel wird daher die bisherige Rechtslage zu untersuchen sein und die Auswirkungen der Rechtsprechung sowie des Gesetzgebungsverfahrens auf diese. Immer wieder wird im Verlaufe der weiteren Untersuchung auf die historische Entwicklung Bezug zu nehmen sein.

32  OLG

Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 34  OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 35  Hessisches Ministerium der Justiz, 36  BR-Drucks. 643 / 07, S. 2. 33  OLG

66 / 12; BeckRS 2012, 11714. 66 / 12; BeckRS 2012, 11714. 66 / 12; BeckRS 2012, 11714. Presseinformation Nr. 213, v. 12.10.2007.

Drittes Kapitel

Rechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Rahmen der Anhörung Die rechtliche Untersuchung der Zulässigkeit des Videokonferenzeinsatzes im Rahmen der Anhörung teilt sich in drei Abschnitte auf. Um die aktuelle Gesetzeslage und Entwicklung deuten zu können, ist in einem ersten Abschnitt die Rechtslage bis zum in Kraft getretenen Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren am 1. November 2013 zu untersuchen.1 In einem zweiten Abschnitt sollen die verschiedenen Stadien des Gesetzesentwurfes und die damit einhergegangenen Reformdiskussionen analysiert werden. Erst vor dem Hintergrund der in diesen beiden Abschnitten gewonnen Erkenntnisse kann die Rechtslage ab dem 1. November 2013 erforscht werden. Innerhalb dieser Untersuchung wird sich zeigen, dass bei allen Verfahren die rechtliche Situation unverändert – mit Ausnahme des deklaratorischen Satzes in § 462 Abs. 2 S. 2 StPO – ist und die im ersten Abschnitt gewonnen Erkenntnisse über die Zulässigkeit von Videokonferenzen bei strafvollstreckungsrechtlichen Anhörungen auch über den 1. November 2013 hinaus fortgelten. In engem Zusammenhang zum Einsatz von Videokonferenztechnik ist der Sinn der Notwendigkeit einer Anhörung bei Entscheidungen im Strafvollstreckungsverfahren zu sehen. Die Anhörungen in der Strafvollstreckung haben gleichermaßen zwei Funktionen. Sie dienen dem Gericht, wie auch dem Verurteilten / Angeklagten. Dem Gericht vermittelt eine Anhörung einen Eindruck vom Verurteilten / Angeklagten und erweitertet die Prognosegrundlage.2 Dem Verurteilten / Angeklagten bietet eine Anhörung die Möglichkeit gegen ihn erhobene Vorwürfe zu entkräften.3 Damit verwirklicht eine Anhörung auch die – aus dem „fair-trial“ Gebot entspringende – Verpflich1  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, S. 935–937. 2  OLG Frankfurt v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357. 3  Bespielsweise für die Anhörung bei § 453 StPO vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 453 Rn. 7.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

tung einer möglichst umfassenden Aufklärung.4 Durch diese umfassende Aufklärung wird erst die Wahrung der Freiheitsrechte des Verurteilten (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit möglich.5 Im Speziellen wird hierauf noch bei den Auslegungen der einzelnen Normen einzugehen sein.

A. Die Gesetzeslage vor dem Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren Bei den zu untersuchenden Normen zeichnen sich zwei wesentliche Unterscheidungskriterien ab. Es gibt Normen, die eine mündliche Anhörung erfordern; diese sollen im Folgenden als obligatorisch-mündliche Anhörung bezeichnet werden. Der Gesetzgeber hat weiterhin Normen erlassen, die ausschließlich eine Anhörung voraussetzen; diese werden hier fakultativmündliche Anhörungen genannt. Im Rahmen der letztgenannten wird freilich auf die fakultative Mündlichkeit näher einzugehen sein.

I. Die Videokonferenz bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen Zu obligatorisch-mündlichen Anhörungen zählen die mündlichen Anhörungen bei Entscheidungen des Widerrufs der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO). Die übrigen Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung (§ 453 Abs. 1 S. 2 StPO) unterfallen nicht den obligatorisch-mündlichen Anhörungen, dort ist die Mündlichkeit der Anhörung bloß fakultativ. Diese Entscheidungen werden folglich in einem eignen Abschnitt zu untersuchen sein. Weiterhin zählen zu den obligatorisch-mündlichen Anhörungen diejenigen in Verfahren zur Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 1 S. 1, 2 und 3 StPO). Fraglich ist, ob Videokonferenztechnik als Mittel der obligatorisch-mündlichen Anhörung in der Strafvollstreckung zulässig ist. Findet sich in der Strafprozessordnung keine positive Bestätigung der Anhörung mittels Videokonferenztechnik, so ist zu erwägen, ob diese Technik dennoch im „Einvernehmen“ mit dem Verurteilten in der Anhörung Anwendung finden kann. Schließlich bleibt zu prüfen, ob das Gericht auf eine solche Form der Anhörung mittels Videokonferenz auch hinwirken darf. 4  BVerfG v. 11.2.1993 – 2 BvR 710 / 91, NJW 1993, 2301 (2302–2303); OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013). 5  Esser, NStZ 2003, 464 (466).



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung47

1. Entscheidungen des Widerrufs der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO) Gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO soll es [das Gericht] dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Der Richter erhält durch die Sollvorschrift ein intendiertes Ermessen und kann nur in atypischen Fällen von dem Regelfall der mündlichen Anhörung abweichen.6 Solche atypischen Fälle können vorliegen, wenn keine weitere Aufklärung durch die Anhörung zu erwarten ist oder die Anhörung in Anbetracht des Widerrufsgrundes nicht ins Gewicht fällt.7 Ist in diesen begrenzten Fällen die mündliche Anhörung auch nicht vorgeschrieben, so lassen sich doch weder durch den Wortlaut noch durch die historische, teleologische oder systematische Auslegung Gründe gegen die Form der Anhörung mittels Videokonferenz finden. Vorstellbar ist eine solche Konstellation insbesondere dann, wenn nur noch formale Fragen bestehen, die aufgrund des atypischen Falls auf den Entscheidungsprozess selbst keinerlei Einfluss mehr nehmen könnten. Von den wenigen atypischen Fällen abgesehen, ist in der Regel die Mündlichkeit der Anhörung obligatorisch. a) Die Anhörung mittels Videokonferenz als mündliche Anhörung Im Verfahren des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO wird der Verurteilte sich regelmäßig auf freiem Fuß befinden, die Videokonferenz daher eine untergeordnete Rolle spielen. Sie ist dennoch denkbar, wenn beispielsweise gegen den Verurteilten ein Sicherungshaftbefehl (§ 453c StPO) ergangen ist und in der Anstalt Videokonferenztechnik vorhanden ist. Damit die mündliche Anhörung mittels Videokonferenztechnik durchgeführt werden kann, muss diese vermittelte Art der Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO zulässig sein. Ausdrücklich ist die Zulässigkeit von Videokonferenzen bei Entscheidungen über den Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen in der Strafprozessordnung nicht geregelt.8 Eine solche Regelung findet sich auch nicht in der Strafvollstreckungsordnung, die als bloße Verwaltungsvorschrift ohnehin die 6  Zur Soll-Vorschrift und Ermessen vgl. BVerwG v. 10.9.1992 – 5 C 39 / 88, NZA 1993, 76 (76); zur Ermessenslehre insgesamt Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S.  177 ff. 7  OLG Jena v. 15.7.1997 – 1 Ws 150 / 97, NStZ 1998, 216; Meyer-Goßner, StPO, § 453 Rn. 7; KK-StPO / Appl, § 453 Rn. 7. 8  Entgegen der hessischen Gesetzesinitiative BT-Drucks. 17 / 1224, S. 9.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Gerichte nicht binden kann.9 So bleibt nur die Möglichkeit, sich dem Sinngehalt der Norm durch Auslegung des Begriffes „mündliche Anhörung“ zu nähern und so die mögliche Zulässigkeit von Videokonferenzen zu untersuchen.10 aa) Auslegung Anerkannt sind die vier Auslesungsmethoden nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und nach dem Sinn und Zweck. Dabei stehen die Auslegungskriterien selbst nicht in einem ausschließenden Verhältnis zueinander, vielmehr sind stets alle Auslegungskriterien zu prüfen.11 (1) Auslegung nach dem Wortlaut Als Maßstab für die Auslegung des Wortsinnes lassen sich zwei Bedeutungen ermitteln: Der Wortsinn kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach seiner juristischen Fachbedeutung bestimmt werden. Welche Auslegung heranzuziehen ist, bleibt dabei in der Literatur häufig diffus und widersprüchlich.12 Gegen die Auslegung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch spricht jedenfalls, dass die Semantik eines Begriffs kaum unabhängig vom (juristischen) Kontext bestimmt werden kann, denn jedes Wort gewinnt seine Bedeutung doch erst im Kontext seiner (juristischen) Verwendung.13 Dem entsprechend ist dem allgemeinen Sprachgebrauch seine Konturenlosigkeit entgegenzuhalten,14 sodass eine einheitliche Wortbedeutung selten gegeben ist. Folglich ist die juristische Fachbedeutung der vorzugswürdige Maßstab der Auslegung des Wortlautes. Der Wortlaut des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO bestimmt eine „mündliche Anhörung“. Wie die mündliche Anhörung definiert ist, wird in der Strafprozessordnung nicht näher geregelt. Es finden sich jedoch in anderen Verfahweiteren Fundstellen BVerfGE 29, 315; Esser, NStZ 2003, 464 (465). auch für die Videokonferenz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 146. 11  Wank, ZGR 1988, 315 (326). 12  Vgl. zum Beispiel die Ausführungen von Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, S. 120 f. Demnach werde der Wortsinn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ermittelt, aber an späterer Stelle wird wiederrum ausgeführt, dass der Wortsinn vornehmlich nach der juristischen Fachbedeutung zu ermitteln sei. Anders Wank, ZGR 1998, 315 (326), der ausschließlich auf den juristischen Wortsinn abstellt und sich kritisch gegen die Auslegung nach dem Wortsinn im allgemeinen Sprachgebrauch stellt (S. 316 f.). 13  Wank, ZGR 1988, 317 f.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 41 f. 14  Wank, ZGR 1988, 317 f. 9  Mit 10  So



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung49

rensordnungen zumindest Erläuterungen des Begriffs „Anhörung“. Nach § 24 Abs. 1 SGB X bedeutet Anhörung, dass „bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, […] diesem Gelegenheit zu geben [ist], sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern“15. Abs. 2 dieser Norm gibt hierfür den Begriff der Anhörung vor. Ein solches Verständnis der Anhörung findet sich auch in der wortgleichen Fassung des § 28 Abs. 1 VwVfG.16 Ein einfacher Schluss auf die Begriffsbedeutung im Strafprozessrecht lässt sich hieraus aufgrund der Relativität der Begriffsbildung des Gesetzgebers nicht ziehen.17 Jedoch lässt sich erkennen, dass der Gesetzgeber in diesen Verfahrensordnungen bemüht ist, den Begriff der Anhörung einheitlich zu verstehen. In der Literatur wird die Anhörung des § 453 Abs. 1 StPO daher verstanden als Gelegenheit, die Vorwürfe zu entkräften.18 Inhaltlich sind die Anhörungsbegriffe insofern deckungsgleich, als ihnen gemein ist, dass der Begriff der Anhörung als wechselseitige Kommunikation in einem laufenden Verfahren zu verstehen ist.19 Eine Videokonferenz kann ebenfalls die wechselseitige Kommunika­ tion ermöglichen.20 Der in § 453 Abs. 1 S. 3 StPO verwendete Begriff Anhörung ist folglich neutral zum Einsatz von Videokonferenztechnik im Rahmen von Anhörungen. Zu prüfen ist weiterhin, ob der Anhörungsbegriff in seiner Bedeutung durch das Attribut der Mündlichkeit verengt wird und so vielleicht den Einsatz von Videokonferenz ausschließt. Die Mündlichkeit ist Gestaltungsmerkmal des Strafverfahrens und in diesem ein weitgehend feststehender Begriff, der dort den Einsatz von Videokonferenztechnik begrenzt.21 Gegen einen inhaltsgleichen Begriff in der Strafvollstreckung spricht, dass die Mündlichkeit im Strafverfahren durch den Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 250 StPO geprägt ist.22 Dieser Grundsatz findet in der Strafvollstreckung keine Anwendung.23 Ein Argument für die Zulässigkeit von videokonferenz15  Bartels,

Die Anhörung Beteiligter im Verwaltungsverfahren, S. 19. weiteren spezialgesetzlichen Regelungen vgl. die Ausführungen von Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht und zu § 28 Abs. 1 VwVfG vgl. Nöhmer, Das Recht auf Anhörung im europäischen Verwaltungsverfahren, S. 272. 17  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 45. 18  Meyer-Goßner, StPO, § 453 Rn. 7. 19  Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und europäi­ schen Verwaltungsrecht, S. 48; ähnlich auch Mandelartz, DVBl. 1983, 112 (113). 20  Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 145. 21  Vgl. zu weiteren Ausführungen Esser, NStZ 2003, 464 (465). 22  Esser, NStZ 2003, 464 (465); vgl. zum Unmittelbarkeitsgrundsatz und Videosimultanübertragungen (gemäß § 247 a StPO) Ostendorf, Strafprozessrecht, S. 204. 23  Vgl. den Wortlaut des § 250 Abs. 1 S. 1 StPO. 16  Zu

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

geführten Anhörungen lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Für die Strafvollstreckung bleibt festzustellen, dass dem Zusatz der „Mündlichkeit“ einer Anhörung ein Mehr zu entnehmen ist, als dem reinen Anhörungsbegriff. In diesem Sinne ist durch die Rechtsprechung und Literatur in der Strafvollstreckung unbestritten, dass eine schriftlich oder fernmündlich geführte Anhörung für diese obligatorisch-mündliche Anhörung nicht ausreicht.24 Der bloße Anhörungsbegriff ohne Zusatz der „Mündlichkeit“ stellt hingegen keine besondere Anforderung an die Form der Anhörung.25 Sie kann beispielsweise auch schriftlich erfolgen.26 Entgegen einiger Stimmen in der Literatur27 ist somit festzustellen, dass eine durch Videokonferenz vermittelte Anhörung nicht dem Wortlaut des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO entspricht. (2) Systematische Auslegung Die systematische Auslegung gebietet, den Begriff der mündlichen Anhörung im gesetzlichen Kontext zu betrachten.28 Der Begriff der mündlichen Anhörung des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO steht im Normengefüge der Strafprozessordnung. Die Strafprozessordnung konkretisiert den Grundsatz der Mündlichkeit in § 261 StPO. Die Norm befindet sich im sechsten Abschnitt des Zweiten Buches der Strafprozessordnung und ist überschrieben mit „Hauptverhandlung“. Dieser Grundsatz gilt daher nur für das Hauptverfahren und ist somit nicht Teil der Strafvollstreckung.29 Eine systematische Auslegung zwischen den hier verwendeten Begriffen der Mündlichkeit verbietet sich somit zwischen diesen beiden Normen. Im siebten Buch der Strafprozessordnung, das das Verfahren regelt, findet sich aber an einer weiteren Stelle der Begriff der mündlichen Anhörung. Gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO ist die mündliche Anhörung bei einer Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes durchzuführen. Eine Konkretisie24  Meyer-Goßner,

StPO, § 453 Rn. 7 mit Verweis auf § 454 Rn. 34. zur bloßen Anhörung die aufgeführten Normen der fakultativ-mündlichen Anhörung; vgl. Bringewat, NStZ 1996, 17 (20), der die mündliche Anhörung in der Strafvollstreckung als Verfahren eigener Art sieht und zumindest eine Anlehnung an das Grundmodell der mündlichen Anhörung erkennt. 26  Meyer-Goßner, StPO, § 462 Rn. 3. 27  Esser, NStZ 2003, 464 (465); Meyer-Goßner, StPO, § 453 Rn. 7 mit Verweis auf § 454 Rn. 34; Thomsen, SchlHA 2004, 285 (286); so auch Heckel, VBlBW 2001, 1 (2); anders und für die hier vertretene Ansicht KK-StPO / Appl, § 454 Rn. 17a; OLG Frankfurt v. 31.08.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357; Knauer, Strafvollzug und Internet, S. 137 f., der die Videokonferenz einer Fernmündlichkeit gleichsetzt. 28  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 439; Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, Rn. 180. 29  KK-StPO / Schoreit, § 261 Rn. 1. 25  Vgl.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung51

rung des Begriffs enthält diese Norm ebenso wenig.30 Eine systematisch positive Abgrenzung innerhalb der Strafprozessordnung ist folglich nicht möglich. Der Begriff „mündliche Anhörung“ lässt sich aber negativ abgrenzen. Die Strafprozessordnung kennt innerhalb der Regelungen zur Strafvollstreckung die Begrifflichkeit der bloßen „Anhörung“.31 Dieser Begriff der „Anhörung“ lässt sich systematisch abgrenzen von dem Begriff der „mündlichen Anhörung“. Die Anhörung gemäß § 462 Abs. 2 S. 1 StPO kann mündlich, im Wege des Schriftverkehrs oder gemäß § 462 Abs. 2 S. 2 StPO per Videokonferenz erfolgen.32 Bei Nutzung des Schriftverkehrs wird der Austausch nicht im unmittelbaren Gespräch, sondern über ein Medium33 (beschriebenes Papier) vollzogen.34 Der gedankliche Austausch erfolgt somit nicht unmittelbar in einem Gespräch, sondern mittelbar durch den verfassten Schriftverkehr.35 Wesentliches Unterscheidungskriterium der „mündlichen Anhörung“ von der „Anhörung“ ist also das Fehlen eines Mediums. Beim Einsatz von Videokonferenztechnik wird eben diese unmittelbare Kommunikation in elektronische Daten verwandelt, die wechselseitig zu einem anderen Videokonferenzteilnehmer übertragen werden. Die Kommunikation erfolgt somit wieder über ein Medium. Die Kommunikation mittels Videokonferenz stellt folglich keine unmittelbare Art der Kommunikation da.36 Weiterhin hat der Gesetzgeber durch die Einführung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO auch in der Strafvollstreckung die Möglichkeit des Videokonferenzeinsatzes bei einigen Anhörungen kodifiziert. Ein systematisches Argument für den Videokonferenzeinsatz bei Anhörungen gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO lässt sich aus dieser Regelung jedoch nicht ziehen. Im Gegenteil spricht die Einführung einer Regelung bei den in der Tragweite eher unbedeutenden fakultativ-mündlichen Anhörungen des § 462 StPO gerade gegen den Videokonferenzeinsatz bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen. Sonst hätte der Gesetzgeber im selben Zuge auch die Videokonferenz bei § 453 StPO einführen können.37 30  Vgl.

hierzu im Folgenden die Ausführungen zur Auslegung von § 453 StPO. § 462 Abs. 2 S. 1 StPO. 32  Meyer-Goßner, StPO, § 462 Rn. 3; § 462 Abs. 2 S. 2 StPO. 33  Der Begriff des Mediums soll hier nicht im physikalischen Sinne verstanden werden, sondern als Kommunikation unter Zuhilfenahme von nicht einfach durch Schallwellen übertragener Kommunikationsmittel. 34  Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 149. 35  Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 149. 36  Vgl. zur Mittelbarkeit auch die Ausführungen in Schröder, Vereinbarkeit von Asylanhörungen mittels Videokonferenztechnik mit den Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes, S. 10. 37  Vgl. auch zum Gesetzgebungsverfahren die Initiative für § 453 StPO BTDrucks. 17 / 1224, S. 9, welche letztendlich gescheitert ist. 31  Vgl.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Die systematische Auslegung beschränkt sich nicht nur auf die Auslegung der Norm im konkreten Gefüge der Teildisziplin. Die systematische Auslegung ist vielmehr von dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung geprägt; deshalb muss in ihr harmonisch interpretiert werden.38 Dies bedeutet ein verfassungsrechtliches Gebot, eine Kontinuität der Begriffe in den Verfahrensordnungen herzustellen.39 In anderen Verfahrensordnungen hat der Gesetzgeber in jüngerer Zeit Normen zur Verhandlung im Wege der Bildund Tonübertragung erlassen. So in § 128a ZPO, der den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 StPO) im Zivilprozess durchbricht. Gemäß § 173 VwGO gilt diese Regelung auch im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG im Verfahren vor dem Arbeitsgericht, selbiges gilt nach § 202 SGG für die Sozialgerichte. Die Finanzgerichtsordnung enthält ebenso Regelungen zum Einsatz von Videokonferenztechnik (§ 91a FGO und § 93a FGO). Ob der Gesetzgeber durch die Einführung von Regelungen zur Durchführung von Videokonferenzen in den Verfahrensordnungen eine Durchbrechung des mündlichen Verfahrens erst ermöglichen wollte oder diese Normen bloße Konkretisierung zur Durchführung einer Videokonferenz im Prozess darstellen, kann dahinstehen. Wesentliches Abgrenzungskriterium der anderen Verfahrensordnungen ist der dortige Grundsatz der Mündlichkeit, der sich in der Strafvollstreckung gerade nicht widerspiegelt. Selbst bei Durchbrechung des Grundsatzes ist daher der Regelungsgehalt der Mündlichkeit zwischen der Strafvollstreckung und anderen Verfahrensordnung inkompatibel. Eine systematische videokonferenzfreundliche Auslegung der mündlichen Anhörung ist aus der Systematik der Regelungen zur Strafvollstreckung abzulehnen. (3) Entstehungsgeschichtliche Auslegung Der Begriff der mündlichen Anhörung wurde mit Inkrafttreten des 23. StrÄndG vom 13. April 1986 in § 453 Abs. 1 S. 3 StPO eingeführt.40 Nähere Ausführungen, wie der historische Gesetzgeber den Begriff verstehen wollte, sind in den historischen Gesetzgebungsmaterialien nur andeutungsweise zu entdecken. So findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien ein nicht eingeführter Satz 4, der die Vorführung des Verurteilten ermöglichen 38  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 440; vgl. auch zur Heranziehung anderer Gesetze bei der Auslegung von Begriffen Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 33. 39  Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 223 und S. 226. 40  Vgl. hierzu BT-Drucks. 10 / 2720, S. 6; nähere Ausführungen hierzu auch KKStPO / Appl, § 453 Rn. 7.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung53

sollte.41 Begründet hat die damalige Bundesregierung eine Vorführung damit, dass sie ein Gespräch zwischen Richter und Verurteiltem im Rahmen der mündlichen Anhörung für unverzichtbar hielt.42 Wird hier ein historisches Verständnis der mündlichen Anhörung angedeutet, ist zugleich seine argumentative Verwendung problematisch. Denn im Umkehrschluss könnte die Nicht-Einführung dieses Satzes 4 bedeuten, dass der historische Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Schluss gekommen ist, dass er die mündliche Anhörung gerade für verzichtbar hielt. In den Gesetzgebungsmaterialien findet sich jedoch noch ein anderer Hinweis auf die historische Bedeutung des Begriffs: Durch die Änderungen des § 453 Abs. 1 StPO sollen die Sachaufklärung und die Einwirkungsmöglichkeit auf den Verurteilten verbessert werden.43 Eine Sachverhaltsaufklärung unter Nutzung der Videokonferenztechnik ist zweifelsohne möglich. Ob ein gewünschtes Einwirkungsgespräch unter Nutzung von technisch vermittelter Kommunikation möglich ist, bleibt im Folgenden noch zu klären. Jedenfalls scheint nach der entstehungsgeschichtlichen Auslegung im engeren Sinne der Einsatz von Videokonferenztechnik im Rahmen von mündlichen Anhörungen nicht gänzlich ausgeschlossen. Ebenso lässt sich in der Entstehungsgeschichte im weiteren Sinne kein Anhaltspunkt für die Ausgestaltung einer münd­ lichen Anhörung finden.44 Zwar hätten die am Gesetzgebungsverfahren des 23. StrÄndG Beteiligten die Videokonferenztechnik berücksichtigen können, denn es gab diese Technik schon vor dem 23. StrÄndG. Jedoch fand die Videokonferenztechnik keine große Verbreitung und führte eher ein Schattendasein.45 Weiterhin nimmt die entstehungsgeschichtliche Auslegung Bezug auf die Entwicklungsgeschichte, also die Interpretation, die das Gesetz nach seiner Verkündung erfahren hat.46 Der heutige Gesetzgeber geht dabei selbst nicht davon aus, dass der Terminus „mündliche Anhörung“ im Rahmen des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO eine mittels Videokonferenz geführte Anhörung umfassen kann. Eine solche Ansicht ergibt sich aus dem Umkehrschluss des gescheiterten Gesetzesvorhabens des Landes Hessens: Dieses wollte im Rahmen des § 453 Abs. 1 StPO eine gesonderte Regelung zur Zulässigkeit von über eine Videokonferenz geführten Anhörungen erlassen.47 Der Gesetzesent41  Zum

Wortlaut des S. 4: BT-Drucks. 10 / 2720, S. 6. 10 / 2720, S. 14. 43  BT-Drucks. 10 / 2720, S. 14. 44  Vgl. dazu die im Folgenden durchgeführte historische Auslegung zum Begriff „mündliche Anhörung“ bei § 454 StPO, sowie BT-Drucks. 7 / 550, S. 309; ablehnend zur entstehungsgeschichtlichen Auslegung im weiteren Sinne Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, S. 55. 45  Weinig, Wie Technik Kommunikation verändert, S. 61. 46  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 67. 47  BT-Drucks. 17 / 1224, S. 9. 42  BT-Drucks.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

wurf stellte klar, dass durch diese Regelung die Handlungsmöglichkeiten des Gerichtes erweitert werden würden, ein Einsatz der Videokonferenztechnik folglich ermöglicht werden würde.48 Insofern hätte diese Regelung nicht nur klarstellenden Charakter gehabt, sondern einen selbstständigen neuen Regelungsgehalt. Letzen Endes wurde dieser Vorschlag jedoch abgelehnt.49 Die Begründung der Ablehnung weist erneut daraufhin, dass der Gesetzgeber auch heute die Videokonferenz nicht von dem Begriff der mündlichen Anhörung umfasst wissen will.50 Nach historischer Auslegung ist folglich nicht davon auszugehen, dass der Begriff der mündlichen Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO eine videokonferenzvermittelte Anhörung umfasst. (4) Teleologische Auslegung Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der mündlichen Anhörung das Ziel verfolgt, die Anzahl der Fälle, in denen von einem Widerruf der Strafaussetzung abgesehen werden kann, zu erhöhen.51 Dieses Ziel sollte mithilfe einer verbesserten „Sachaufklärung und Einwirkungsmöglichkeit auf den Verurteilten“52 durch eine mündliche Anhörung erreicht werden. Der persönliche Kontakt wird somit als Garant für eine niedrigere Anzahl von Widerrufen gesehen. Weitere Anhaltspunkte für eine enge Auslegung des Begriffs „mündliche Anhörung“ unter Ausschluss der per Videokonferenz geführten Anhörungen können sich aus den Grundrechten des Betroffenen und der Allgemeinheit ergeben sowie aus der „Natur der Sache“53. Durch eine direkte mündliche Anhörung wird dem Betroffenen und dem Richter die Möglichkeit der vollständigen Sachverhaltsaufklärung gegeben. Erfolgt diese nicht, kann der Betroffene durch einen möglicherweise ungerechtfertigten Widerruf der Strafaussetzung in seinem Freiheitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG verletzt werden. Der Eröffnung des Schutzbereichs des Freiheitsrechts steht dabei nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht erteilte Auflagen, die zu einem Widerruf führen können, nicht an Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG misst, 48  BT-Drucks. 49  Verh.

17 / 1224, S. 14. d. BT, 17. Wahlp., S. 27633 (D) und BT-Drucks. 17 / 12418, S. 10 und

S. 20. 50  Für die Ablehnung durch die Bundesregierung: BT-Drucks. 16 / 7956, S. 17 und BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18; beispielhaft für die Abgeordneten: Verh. d. BT., 17.  Wahlp., S. 11057; für den Rechtsausschuss: BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 51  BT-Drucks. 10 / 2720, S. 14. 52  BT-Drucks. 10 / 2720, S. 14. 53  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 69.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung55

denn Auflagen sind bloß mittelbare Beschränkungen,54 hingegen ist der erfolgte Widerruf der Strafaussetzung eine tatsächliche Freiheitsbeschränkung. Im gegenläufigen Fall, in dem tatsächlich ein Widerruf der Strafaussetzung nötig ist und diese durch mangelnde oder fälschliche Sachverhaltsaufklärung unterbleibt, könnte die Sicherheit der Allgemeinheit gefährdet und möglicherweise gar verletzt werden. Ziel der Anhörung muss die vollständige Sachverhaltsaufklärung sein, denn nur so kann eine gesetzesrichtige und sachgerechte Entscheidung erfolgen. Dieses Ziel wird durch eine unverfälschte unmittelbare Kommunikation eher erreicht als durch eine per Videokonferenztechnik vermittelte. (5) Ergebnis Eine Auslegung des Begriffs der „mündlichen Anhörung“, die die Anhörung mittels Videokonferenztechnik beinhaltet, ist in der Gesamtschau aller Auslegungsmethoden nicht möglich. Der Einsatz von Videokonferenztechnik ist bei nachträglicher Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 453 Abs. 1 S. 2 und 3 StPO nicht gedeckt.55 bb) Rechtsfortbildung Die Durchführung einer Videokonferenz ist ebenfalls nicht durch grundsätzlich zulässige gesetzesimmanente Rechtsfortbildung begründbar. Zwar unterliegen die Regelungen zur Strafvollstreckung nicht dem „Analogieverbot“ des Art. 103 Abs. 2 GG beziehungsweise des § 1 StGB,56 aber es spricht doch bereits der durch den Gesetzgeber gegebene Sinn und Zweck der unmittelbaren persönlichen Kontaktaufnahme gegen eine planwidrige Unvollständigkeit.57 Die planwidrige Unvollständigkeit ist aber Voraussetzung für eine Gesetzeslücke. Besteht schon keine Gesetzeslücke, so bleibt grundsätzlich für eine Rechtsfortbildung kein Raum.58 54  BVerfG

v. 9.8.2011 – 2 BvR 507 / 11, NJW 2011, 3508. insoweit auch die Gesetzesbindung des Richters über Art. 20 Abs. 3 GG bei audiovisuellen Anhörungen Wasserberg, Bemerkungen zur audiovisuellen Vernehmung, S. 550. 56  BGH v. 25.11.2006 – 1 BGs 184 / 2006, HRRS 2007 Nr. 197. 57  Vgl. zum Verhältnis von Auslegung und Rechtsfortbildung Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 91; Näheres zur notwenigen Planwidrigkeit der Gesetzeslücke Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 497. 58  Vgl. dazu mit weiteren Ausführungen Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 494. 55  Vgl.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

cc) Verzichtsmöglichkeit Wie bereits durch die Auslegung gezeigt, lässt sich die videokonferenzgeführte Anhörung nicht unter dem vom Gesetzgeber in § 453 Abs. 1 S. 3 StPO verwendeten Begriff der „mündlichen Anhörung“ durchführen. Gänzlich ausgeschlossen ist eine Anhörung mittels Videokonferenz dennoch nicht. Sofern der Verurteilte auf die unmittelbare Anhörung verzichtet und einer Anhörung mittels Videokonferenztechnik zustimmt, könnte Videokonferenztechnik doch noch zum Einsatz in Strafvollstreckungssachen kommen. Zu klären ist daher, was rechtstechnisch ein solcher sogenannter Verzicht ist und ob dieser Verzicht auf die Anhörung überhaupt zulässig ist. (1) Der Begriff des „Verzichtes“ Eine einheitliche Begriffsbestimmung des Verzichtes existiert über alle Rechtsgebiete hinweg nicht. Es bietet sich daher an, die verschiedenen Begriffe überblicksartig darzulegen und den ihnen gemeinsamen wesentlichen Kern herauszuarbeiten. Dieser Kern wird für die Definition des Verzichtes in der Strafvollstreckung nutzbar sein. Im Zivilprozessrecht wird der Verzicht beispielsweise definiert als eine Erklärung, sich des prozessualen Rechts endgültig begeben zu wollen.59 So können Parteien des Zivilprozesses beispielsweise gemäß § 515 ZPO auf die Berufung verzichten. Dieser Wille muss klar und eindeutig geäußert werden.60 Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt den Verzicht beispielsweise in § 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB und bezeichnet ihn „als einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung […], die den Herausgabewillen des Schuldners erkennen lässt.“61 Stellvertretend für das öffentliche Recht sei hier beispielhaft der Verzicht im Verwaltungsrecht angeführt. Der Bürger kann einem Eingriff durch den Staat zustimmen, mit der Folge der Aufgabe einer Rechtsposition.62 Dabei muss die Rechtsposition zur Disposition des Bürgers stehen.63 Anders hingegen wird im öffentlichen Recht der Grundrechtsverzicht verstanden. Der Grundrechtsverzicht stellt im Sinne des dargelegten Verzichtsbegriffes keinen „echten“ Verzicht dar. Der Grundrechtsträger kann eben nicht durch eine einseitige Willenserklärung oder Vertrag das Grundrecht wirksam ver59  Musielak / Ball, ZPO, § 515 Rn. 2; Germelmann / Matthes / Prütting / Germelmann, ArbGG, § 64 Rn. 115. 60  Musielak / Ball, ZPO, § 515 Rn. 2. 61  MünchKomm-BGB / Fetzer, § 376 Rn. 3. 62  Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 34. 63  Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 34.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung57

lieren.64 Damit unterscheidet sich der sogenannte Grundrechtsverzicht grundlegend von dem hier dargelegten „echten“ Verzicht, da der Erklärende bei einem „echten“ Verzicht durch seine Erklärung der Rechtsposition verlustig wird. Im Strafrecht kann auf disponible Rechtsgüter durch Einwilligung in den Eingriff des Täters verzichtet werden.65 Als Einwilligung wird im Strafrecht ein Eingriff in die Rechtsgüter einer Person mit deren Willen verstanden.66 Neben der Disponibilität des Rechtsgutes muss der Einwilligende einsichtsfähig sein, er muss die Einwilligung vorher getätigt haben und sie darf keinem Willensmangel unterliegen.67 Die Strafvollstreckung ist überwiegend in der Strafprozessordnung geregelt. Ein Verzicht findet sich auch in der Strafprozessordnung. Der Beschuldigte kann gemäß § 302 Abs. 1 StPO auf ein Rechtsmittel verzichten. Dabei wird eine Prozesshandlung vorgenommen, die zum Verlust des Rechtsmittels führt.68 Voraussetzung ist Verhandlungsfähigkeit des Erklärenden und die schriftliche Erklärung oder Abgabe zu Protokoll.69 Es zeigt sich, dass ein einheitlicher für die Strafvollstreckung nutzbarer Begriff des Verzichtes nicht besteht. Der Kern des „echten“ Verzichtes setzt jedoch stets dasselbe voraus, ein Berechtigter verfügt über sein Recht, indem er es willentlich aufgibt.70 Folglich stellen sich zwei Anschlussfragen für die mündliche Anhörung: Ist der Verurteilten zum Verzicht auf die mündliche Anhörung berechtigt? Oder anders formuliert: Steht die mündliche Anhörung zur Disposition des Verurteilten? Und: Erfolgt die Erklärung des Verzichtes frei von Willensmängeln, wenn das Gericht auf den Verzicht hinwirkt? (2) Mündliche Anhörung und die Disposition des Verurteilten Bezeichnet der Begriff des Verzichtes eine Willenserklärung des Inhabers einer Rechtsposition mit dem Willen, dieser Rechtsposition verlustig zu 64  BeckOK-Grundgesetz / Hillgruber,

Art. 1 Rn. 74. Der Verzicht des Beschuldigten auf Verfahrensrechte im Strafprozessrecht, S. 103. 66  Kindhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 1. 67  Kindhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 10 ff. 68  KK-StPO / Paul, § 302 Rn. 1. 69  KK-StPO / Paul, § 302 Rn. 2 und Rn. 8. 70  Bohnert, NStZ 1983, 344 (346); Friehe, Der Verzicht auf Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, S. 99–102. 65  Zimmerlin,

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

werden,71 so ist die rechtliche Folge der Erklärung eine Rechtsentäußerung.72 Die Rechtsentäußerung kann jedoch nur wirksam geschehen, wenn die zu entäußernde Rechtsposition alleine zur Disposition des Erklärenden steht. Disponieren kann der Verurteilte über die mündliche Anhörung, wenn die Rechtsposition ein Individualrechtsgut betrifft und nicht auch öffentlichen Interessen dient.73 Der Dispositionsbefugnis des Verurteilten könnten einfachgesetzliche Regelungen der Strafprozessordnung entgegenstehen und, soweit einfachgesetzlich nicht berücksichtigt, auch verfassungsrechtliche Vorgaben. (a) E  infachgesetzliche Vorgaben und Grenzen des Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO Eine Verzichtsmöglichkeit auf die mündliche Anhörung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 453 StPO selbst nicht. Indes könnte der Sinn und Zweck der Norm gegen eine Dispositionsbefugnis des Verurteilten sprechen. Wie bereits dargelegt, dient die mündliche Anhörung der Sachaufklärung als auch der Einwirkungsmöglichkeit des Gerichts auf den Gefangenen (objektiv-rechtliches Element).74 Es besteht nämlich ein öffentliches Interesse, auf den Verurteilten Einfluss zu nehmen, um ihn von künftigen Straftaten abzuhalten. Ferner besteht ein objektiv-rechtliches Ziel des Gerichtes darin, eine möglichst umfassende Sachverhaltsaufklärung vorzunehmen, um eine gesetzeskonforme und gerechte Entscheidung treffen zu können.75 Das beschriebene objektiv-rechtliche Element verschränkt sich mit dem subjektiv-rechtlichen Individualinteresse des Verurteilten, den Sachverhalt darzulegen oder zu korrigieren.76 Dessen Ziel wird es regelmäßig sein, das Gericht durch eine für ihn günstige Sachverhaltsdarlegung vom Absehen des Widerrufes der Strafaussetzung zu überzeugen und eine Inhaftierung zu vermeiden. Ein Verzicht auf das subjektiv-rechtliche Element ist zweifelsohne möglich, denn der Verurteilte muss sich vor Gericht nicht äußern und Angaben zum Sachverhalt machen. Das objektiv-rechtliche Element der Sachverhaltsaufklärung und Einwirkungsmöglichkeit steht hingegen nicht zur Disposition des Verurteilten, da dies nicht nur der Wahrung seiner Interessen, sondern auch gerade derjenigen der Allgemeinheit dient.77 71  Krausbeck,

Konfrontative Zeugenbefragung, S. 139. Konfrontative Zeugenbefragung, S. 139. 73  Bohnert, NStZ 1983, 344 (346). 74  BT-Drucks. 10 / 2720, S. 14. 75  BeckOK-Grundgesetz / Radtke / Hagemeier, Art. 103 Rn. 2. 76  Bartels, Die Anhörung Beteiligter im Verwaltungsverfahren, S. 36. 77  Stelkens / Bonk / Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 5 Rn. 37. 72  Krausbeck,



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung59

Die Nutzung der Videokonferenztechnik ist damit aber nicht ausgeschlossen, denn auch sie bietet die Möglichkeit, Sachverhalte zu klären und Einwirkungen vorzunehmen. Sie unterscheidet sich nur durch die fehlende unmittelbare Mündlichkeit. Für den Videokonferenzeinsatz ist daher entscheidend, ob die Übertragung dem Gericht zur Sachverhaltsaufklärung und Einwirkung ausreicht. Ist dies der Fall, wird das objektiv-rechtliche Element nicht beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu kann es Fälle geben, in denen es dem Gericht aber gerade auf die unmittelbare („face-to-face“) Einwirkung und Sachverhaltsaufklärung ankommt. Dann kann der Verurteilte zwar auf das subjektivrechtliche Element der „face-to-face“-Sachverhaltsdarlegung verzichten. Dieser Verzicht hat aber keine Wirkung, da das objektiv-rechtliche Element in diesen Fällen nicht durch die Videokonferenztechnik ersetzt werden kann. Der Verurteilte ist folglich weiterhin „face-to-face“ zu hören. Verweigert sich der Verurteilte einer „face-to-face“-Anhörung, so hat das Gericht allerdings keine Möglichkeit diese durchzusetzen. Die Strafprozessordnung sieht hierfür keine zwangsweise Vorführung des Verurteilten vor. Eine solche Möglichkeit war vom Gesetzgeber ursprünglich in einem Satz 4 vorgesehen,78 entfiel jedoch durch die Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses79. Der Gefangene muss allerdings, wenn er zur Anhörung nicht erscheint, damit rechnen, dass es zum Widerruf der Strafaussetzung kommt. Eine weitere Grenze der Verzichtsmöglichkeit auf eine mündliche „faceto-face“-Anhörung könnte der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO sein. Jedoch gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz, wie bereits dargelegt, gerade in der Strafvollstreckung nicht.80 Ebenfalls gilt in der Strafvollstreckung nicht der Öffentlichkeitsgrundsatz gemäß § 169 GVG, der sich nur auf die Hauptverhandlung beschränkt und ohnehin nicht zwingend durch den Einsatz von Videokonferenztechnik beschränkt wäre.81 Eine Einschränkung der Verzichtsmöglichkeit ergibt sich somit weder aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz noch aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz. Ebenso verhält sich der Grundsatz der Amtsermittlung gemäß § 244 Abs. 2 StPO. Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet zwar, dass das Gericht sich um einen bestmöglichen Beweis bemüht.82 Der bestmögliche Beweis wäre nicht eine möglicherweise 78  BT-Drucks.

10 / 2720, S. 6. 10 / 4391, S. 19. 80  Esser, NStZ, 2003, 464 (466); zur Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch Videokonferenztechnik im Strafverfahren vgl. Norouzi, Die audiovisuelle Vernehmung von Auslandszeugen, S. 16. 81  BeckOK-StPO / Allgayer, § 169 GVG Rn. 3 und zur Videovernehmung ohne Beschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes Weider, Videovernehmung von V-Leu­ ten gemäß § 247a StPO unter optischer und akustischer Abschirmung, S. 53. 82  Beulke, Strafprozessrecht, S.  271; Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, S. 237 f. 79  BT-Drucks.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

technisch bedingt eingeschränkte Kommunikation, sondern die „face-toface“-Anhörung.83 Jedoch gilt der Amtsermittlungsgrundsatz ebenso nicht im Verfahren der Strafvollstreckung.84 Einfachgesetzlich ist damit festzustellen, dass gestützt auf die historische Auslegung im engeren Sinne und den Sinn und Zweck der Norm eine Verzichtsmöglichkeit auf die mündliche Anhörung anzunehmen ist, soweit die Übertragung dem Gericht zur Sachverhaltsaufklärung und Einwirkung ausreicht. Diese greift jedoch nur dann, wenn dem Verzicht auf einfachgesetzliches Recht kein Verfassungsrecht entgegensteht. (b) Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen eines Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO Ein Verzicht auf die einfachgesetzlich ausgestaltete mündliche Anhörung des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO unter gleichzeitiger Zustimmung zur Durchführung der Anhörung mittels Videokonferenz ist nur möglich, wenn diesem keine weiteren, über die einfachgesetzlich konkretisierten hinausgehenden, verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüberstehen. Dem Verzicht auf die in § 453 Abs. 1 S. 3 StPO geregelte mündliche Anhörung könnte das grundrechtsgleiche Recht85 des Art. 103 Abs. 1 GG entgegenstehen.86 Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Schutzbereich umfasst dabei auch das Strafvollstreckungsverfahren.87 Jedoch beinhaltet Art. 103 Abs. 1 GG nur das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu tätigen, ein Anspruch des Verurteilten oder eine Verpflichtung des Staates zur Durchführung einer mündlichen Anhörung besteht hingegen nicht.88 Art. 103 Abs. 1 GG steht einem Verzicht folglich nicht entgegen. Gegen die Zulässigkeit eines solchen Verzichtes könnte jedoch das Freiheitsrecht des Verurteilten gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sprechen.89 Denn 83  Vergleich hierzu die dargelegten Einschränkungen der Videokonferenztechnik bei der Vernehmung von V-Leuten durch Wieder, StV 2000, 48 (52 f.); zu den generellen Einschränkungen Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 185. 84  Esser, NStZ, 2003, 464 (464). 85  Sodan, Grundgesetz Kommentar, Art. 103 Rn. 14. 86  OLG Hamm v. 25.8.2009 – 2 Ws 221 / 09, NStZ-RR 2010, 153. Vgl. zum Verzicht auf rechtsstaatliche Garantien Bleckmann, Probleme des Grundrechtsverzichtes, JZ 1988, 57 (59 ff.). 87  Dreier / Schulze-Fielitz, Grundgesetz Kommentar, Art. 103 I Rn. 16. 88  So schon BVerfG v. 13.11.1956 – 1 BvR 513 / 56, NJW 1957, 17 und Wilms, Staatsrecht II, S. 331. 89  Ähnlich auch Esser, NStZ 2003, 464 (469).



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung61

die Entscheidung des Widerrufs der Strafaussetzung bei Verstößen gegen Auflagen und Weisungen gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO kann unmittelbar zur Inhaftierung des Verurteilten führen und so in die Freiheit des Verurteilten eingreifen. Gemäß Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG hat über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden90. Diese Entscheidung des Richters muss laut Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG unter Beachtung der im förmlichen Gesetz vorgeschriebenen Formen erfolgen. Wie bereits dargelegt umfasst § 453 Abs. 1 S. 3 StPO nur eine „face-toface“-Anhörung und gerade keine videokonferenzgeführte Anhörung. Wird eine Anhörung mittels Videokonferenz durchgeführt und widerruft der Richter durch ein verfälscht übermitteltes Bild von der Persönlichkeit des Verurteilten die Strafaussetzung, dann wird grundsätzlich ohne Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form in die Freiheitsrechte des Verurteilten eingegriffen. Allerdings liegt ein Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit nur vor, sofern sie gegen den Willen des Verurteilten geschehen würde.91 Hat der Verurteilte auf eine unmittelbare mündliche Anhörung verzichtet, so willigt er zwar nicht gleichzeitig in den Eingriff in seine Freiheit ein, er nimmt sich aber die Möglichkeit, gleichwirksam auf die Entscheidung einzuwirken. Insofern ist eine möglicherweise verfälschte oder unvollständige Prognosegrundlage des Richters gerade Auswirkung der Entscheidung des Verurteilten. Nicht anders läge der Fall, wenn tatsächlich von einem Widerruf abgesehen werden könnte, der Verurteilte in der Anhörung bewusst etwaige negative Eindrücke des Gerichtes nicht revidiert oder zu diesen schweigt. Hat der Verurteilte diese Prognose herbeigeführt, kann ein Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit nicht vorliegen, sondern der folgende Widerruf ist gerade Ausfluss des Verhaltens des Verurteilten. Folglich liegt ein Eingriff in die Freiheitsrechte des Verurteilten durch seinen Verzicht auf die mündliche Anhörung nicht vor, wenn der Verurteilte vorher in diese Form der Anhörung eingewilligt hat. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. Art. 104 GG stehen einem Verzicht somit nicht entgegen. Das Gebot des fairen Verfahrens („fair-trial“) ist weder in seiner Reichweite noch in seiner gesetzlichen Verankerung abschließend bestimmt.92 Hergeleitet wird dieses Verfahrensrecht nicht-verfassungsrechtlich aus Art. 6 EMRK und verfassungsrechtlich aus Art. 20 Abs. 3 GG, teilweise unter Hinzuziehung von Art. 2 Abs. 1 GG.93 Da das Gebot des fairen Verfahrens 90  Vgl.

Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG.

91  BeckOK-Grundgesetz / Radtke,

Art. 104 Rn. 3. StraFo 2000, 400 (404); Hasdenteufel, Die Strafprozeßordnung als Grenze des Einsatzes von Videotechnologie in Strafverfahren bei sexuell mißbrauchten Kindern, S. 117. 93  BVerfGE 38, 105 (111), NJW 1975, 103 ff. 92  Rieck,

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

auch in der Verfassung verortet ist, kann dahinstehen, ob Art. 6 EMRK das Strafvollstreckungsverfahren umfasst oder durch den eindeutigen Wortlaut eine Beschränkung auf das strafrechtliche Hauptverfahren erfährt.94 Aus dem Gebot des fairen Verfahrens resultiert, dass die dem Verurteilten bestmögliche „Verteidigung“ garantiert wird. Dazu gehört die Möglichkeit eines Fragerechtes zumindest durch den Verteidiger des Verurteilten.95 Ein gänzlicher Verzicht auf die mündliche Mitwirkung bei Durchführung eines schriftlichen Verfahrens ist als zulässig anerkannt.96 Im Vergleich dazu wird durch den Einsatz von Videokonferenztechnik mit ausreichender Qualität das Fragerecht des Verurteilten oder seines Verteidigers jedoch weniger intensiv beschränkt als bei einer Durchführung eines bloß schriftlichen Verfahrens. Denn der Verurteilte oder sein Vertreter haben bei videokonferenzgeführten Anhörungen einen direkten und unmittelbaren Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens. Folglich wird das Gebot eines fairen Verfahrens zumindest so lange nicht durch den Einsatz von Videokonferenztechnik beeinträchtigt, wie die Qualität der Übertragung für die vollumfängliche Stellungnahme zu den aufgeworfenen Fragen ausreichend ist. Das Gebot des fairen Verfahrens wird somit nicht durch den Einsatz von Videokonferenztechnik verletzt. Der Verzicht auf die Mündlichkeit könnte ferner durch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ausgeschlossen sein. Dieses Gebot gewährt dem Verurteilten einen Anspruch auf wirksame und möglichst wirkungsvolle gerichtliche Kontrolle der vorliegenden Nachtragsentscheidung über die Strafaussetzung.97 Adressat dieses Anspruchs ist nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Rechtsprechung, sie darf den Anspruch nicht leer laufen lassen.98 Durch den Einsatz von Videokonferenz94  Siehe Rzepka, Zur Fairness im deutschen Strafverfahren, S. 31 und S. 331, die Art. 6 EMRK hauptsächlich auf das Strafverfahren beschränkt und für eine weitere Sichtweise Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 6 Rn. 27, der zumindest auch das Strafvollzugsverfahren einschließt; ausführlich auch Krausbeck, Konfrontative Zeugenbefragung, S. 62  ff. und ohne Begründung bejahend Wegener, Das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer nach der Strafprozessordnung unter besonderer Berücksichtigung der Anhörung der Verfahrensbeteiligten, S. 67; zur weiten Auslegung des Art. 6 EMRK auch Nöhmer, Das Recht auf Anhörung im europäischen Verwaltungsverfahren, S. 113 ff., S. 116 f. und zur Reichweite der Garantie S. 122. 95  Vgl. dazu die Ausführungen im Strafverfahren von Rieck, StraFo 2000, 400 (405); Esser, NStZ, 2003, 464 (469). 96  Vgl. mit weiteren Fundstellen Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, S. 340. 97  Zu den Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG: BeckOK-Grundgesetz / Enders, Art. 19 Rn. 74. 98  BeckOK-Grundgesetz / Enders, Art. 19 Rn. 78.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung63

technik könnte die Anhörung erheblich behindert werden oder gänzlich leer laufen.99 Eine solche Konstellation ist allerdings nicht von Art. 19 Abs. 4 GG umfasst, denn der Schutzbereich erschöpft sich im Zugang zu den Gerichten, nicht aber auf das Verfahren vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG).100 Davon unabhängig könnte ein Anspruch keine Verpflichtung des Verurteilten auslösen. Es lässt sich folglich feststellen, dass dem Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung – unter gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz – keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. (c) Rechtsfolge des Verzichtes Der Begriff der mündlichen Anhörung schließt grundsätzlich eine per Videokonferenz geführte Anhörung aus. Erst ein Verzicht des Verurteilten auf die Mündlichkeit kann zu einer solch technisch vermittelten Anhörung führen. Voraussetzung ist dann jedoch, dass dem Gericht die Übertragung per Videokonferenz für die Sachverhaltsaufklärung und Einwirkungsmöglichkeit (objektiv-rechtliches Element) ausreicht. Ist dem so, schließt sich die Frage an, ob die Strafvollstreckungskammer auf einen solchen Verzicht unter gleichzeitiger Zustimmung zur Anhörung mittels Videokonferenz auch hinwirken darf. (3) Hinwirken des Gerichtes auf den Verzicht Fraglich ist, ob das Gericht auf einen solchen Verzicht des Verurteilten hinwirken darf, indem es ihn ausdrücklich anspricht und welche Folgen dies für die Wirksamkeit der Verzichtserklärung des Verurteilten hat. Die Beantwortung dieser in sich zusammenhängenden Fragestellung dürfte für die Praxis von hoher Relevanz sein, da die Anbahnung einer Anhörung mittels Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen regelmäßig vom anhörenden Gericht ausgehen wird. Der Bundesgerichtshof hat einen – auf den ersten Blick – ähnlich gelagerten Fall bereits entschieden. So darf das Gericht im Wege einer Absprache im Strafprozess nicht auf einen Rechtsmittelverzicht hinwirken.101 Diese Entscheidung ist jedoch in Gänze nicht auf das Hinwirken in der 99  Kussel,

Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 155. Grundrechte, Rn. 1099. 101  BGH v. 3.3.2005 – GSSt 1 / 04 (LG Lüneburg, LG Duisburg), NStZ 2005, 1440; BVerfG v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628 / 10, 2 BvR 2883 / 10 und 2 BvR 2155 / 11, Rn. 120. 100  Pieroth / Schlink,

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Strafvollstreckung übertragbar. Denn im Kern teilt der Bundesgerichtshof die Sorge, dass bei einem Hinwirken auf einen Rechtsmittelverzicht das urteilende Gericht „in der Erwartung, seine Entscheidung werde nicht mehr überprüft, […] [die] notwendige Sorgfalt bei der prozessordnungsgemäßen Ermittlung des Sachverhaltes […] fehlen lassen werde“102. Das Hinwirken im Strafprozess unterscheidet sich in seiner Wirkung deutlich vom Hinwirken auf den Verzicht der mündlichen Anhörung im Strafvollstreckungsverfahren. Im Strafvollstreckungsverfahren ändert dieses Hinwirken des Gerichtes und die aus ihr folgende Verzichtserklärung nicht den Beschwerdeweg oder verkürzt diesen gar.103 Die Entscheidung bleibt weiterhin durch die Beschwerde angreifbar und somit (teilweise) überprüfbar.104 Es besteht folglich nicht die Sorge, das entscheidende Gericht würde vor dem Hintergrund der Immunisierung seiner eigenen Entscheidung es an der notwendigen Sorgfalt der Sachverhaltsaufklärung in der Anhörung fehlen lassen. Dem Hinwirken des Gerichtes könnte aber ein anderer Umstand entgegenstehen, denn die Verzichtserklärung des Verurteilten hat freiwillig105 zu erfolgen. Wirkt das Gericht auf einen Verzicht des Verurteilten hin, beeinträchtigt dies möglicherweise die Freiwilligkeit und damit die Wirksamkeit der Verzichtserklärung des Verurteilten. Das Merkmal der Freiwilligkeit ist allerdings in der Literatur umstritten.106 Für das Erfordernis der Freiwilligkeit ist einzuwenden, dass dieses Merkmal entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Verzicht und Entzug eines Rechtes ist.107 Ohne die Freiwilligkeit liegt kein Verzicht, sondern vielmehr ein Entzug des Rechtes vor.108 Einem wirksamen Verzicht muss folglich eine freie Entscheidung des Verurteilten zwingend vorausgehen. Freiwillig ist die Abgabe der Verzichtserklärung, wenn nicht auf den Willen eingewirkt worden ist.109 Durch den Vorschlag des Richters, eine Videokonferenz durchzuführen, könnte die Entscheidungsfreiheit des Verurteilten bereits beeinflusst sein. Wird die Entscheidungsfreiheit des Verurteilten in unzulässiger Weise beeinträchtigt, 102  BGH v. 3.3.2005 – GSSt 1 / 04 (LG Lüneburg, LG Duisburg), NStZ 2005, 1440 (1444). 103  Vgl. § 453 Abs. 2 StPO. 104  Pfeiffer, StPO, § 453 Rn. 5. 105  Vgl. Fischinger, JuS 2007, 808 (809); ErfK / Schmidt, Einleitung zum Grundgesetz, Rn. 65. 106  Vgl. zum Streitstand Friehe, Der Verzicht auf Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, S. 103–105. 107  Vgl. Fischinger, JuS 2007, 808 (809). 108  Vgl. Fischinger, JuS 2007, 808 (809) und zur Erforderlichkeit der freien Entscheidung zwischen Videokonferenz und unmittelbarer Anhörung in der Strafvollstreckung OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3014). 109  Fischinger, JuS 2007, 808 (810).



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung65

dann muss zwingend das Hinwirken des Gerichtes rechtswidrig sein. Die Entscheidungsfreiheit des Verurteilten scheint aus verschiedenen Gründen fraglich. Der Verurteilte wird sich unmittelbar vor der Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer in einer emotionalen beziehungsweise generell psychischen Sondersituation befinden,110 denn für den Verurteilten geht es um nicht weniger als den drohenden Widerruf der Strafaussetzung. Schlussendlich geht es um einen möglichen Verlust der persönlichen Freiheit. Wird in dieser Situation der Verurteilte vom Gericht aufgefordert, auf das Recht der mündlichen Anhörung zu verzichten, wird man unter solchen Umständen einen die Tragweite erkennenden komplexen Abwägungsvorgang zwischen einer „face-to-face“-Anhörung und einer Anhörung mittels Videokonferenz vom Verurteilten nicht erwarten können.111 Der Abwägungsvorgang erfordert von dem Verurteilten weitreichende Kenntnisse von der Videokonferenztechnik, sodass ihm die Grenzen bei der Vermittlung eines persönlichen Eindrucks klar sind.112 Der Gefangene hat jedoch in dem Abwägungsvorgang nicht nur diese technischen Eigenschaften einzubeziehen, sondern auch zu bedenken, ob bei Anhörung mittels Videokonferenztechnik seine Rechte ausreichend gewahrt werden.113 Zudem ist der Gefangene bei der Entscheidung regelmäßig nicht anwaltlich vertreten.114 Zweifel an der Freiwilligkeit der Erklärung ergeben sich weiterhin aus der Stellung des Gerichtes.115 Das Gericht entscheidet später über die Freiheit des Verurteilten, es hat folglich eine überlegene Stellung inne.116 Es ist nicht auszuschließen, dass der Verurteilte in nachvollziehbarer Weise davon ausgeht, er müsse der Kammer gefällig gegenübertreten, um eine für ihn günstige Entscheidung zu erwirken. Schlägt die Kammer die Videokonferenz vor, kann aus Sicht des Verurteilten diese Form der Anhörung für das Gericht günstiger sein, da es sich auf die Verfahrensweise eingestellt hat. Dieses gilt insbesondere, wenn der Verurteilte erst vor der Kamera nach einem Verzicht gefragt wird. Hier wäre eine erneute Terminierung der Anhörung und somit zusätzlicher Arbeitsaufwand unausweichlich, wenn der Verurteilte auf eine mündliche 110  Gaede / Rübenstahl, HRRS 2004, 342 (346); d’Alquen / Daxhammer / Kudlich, Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes eines jugendlichen Angeklagten unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung?, S. 1. 111  OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12; BeckRS 2012, 11714; Gaede /  Rübenstahl, HRRS 2004, 342 (346). 112  Vgl. fünftes Kapitel, D.X. 113  OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12; BeckRS 2012, 11714. 114  Vgl. zur Häufigkeit der anwaltlichen Vertretung Grafik 39 und Grafik 40. 115  Vgl. auch OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12; BeckRS 2012, 11714. 116  Ähnlich für die Absprache im Strafverfahren Gaede / Rübenstahl, HRRS 2004, 342 (346).

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Anhörung bestehen würde. Ein unbefangenes Bild über die Tragweite des Verzichtes wird dem Verurteilten unter diesen Umständen nur schwer möglich sein.117 Er wird unter solchen Eindrücken kaum der Videokonferenz widersprechen. Die überlegene Stellung des Gerichtes kann folglich zulasten der Entscheidungsfreiheit des Verurteilten gehen.118 Neben der Stellung der Strafvollstreckungskammer kann die Entscheidung des Verurteilten aus einem weiteren Grund unfrei sein. Der Verzicht setzt stets voraus, dass er in ausreichender Kenntnis der Sachlage erklärt wird.119 Dem Verurteilten muss folglich in groben Zügen bekannt sein, auf welche Rechtspositionen er verzichtet.120 Für den Verzicht auf die mündliche Anhörung bedeutet dies, dass der Verurteilte zumindest sein Recht auf die Durchführung einer mündlichen Anhörung kennen muss. Folglich lässt sich zumindest dann eine Verzichtserklärung des Verurteilten als grundsätzlich frei ansehen, wenn der Verurteilte seine Rechte kennt, er in zeitlicher Entfernung zum Anhörungstermin auf die Möglichkeit einer Videokonferenz vom Gericht aufmerksam gemacht wird und das Gericht keine eigene Präferenz für eine Verfahrensweise vorgibt. (4)  Bindungswirkung des Verzichtes Fraglich ist allerdings, ob ein wirksam erklärter Verzicht den Verurteilten bindet. Dieses scheint bei der Videokonferenz problematisch zu sein, da die Sachverhaltsaufklärung zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung durch das Gericht nicht abgeschlossen ist. Vielmehr beginnt sie erst oder dauert noch fort. Der Verurteilte und der Richter wissen folglich nicht, ob eine bloße Videoanhörung ausreicht, den Sachverhalt vollständig darzulegen beziehungsweise zu ermitteln.121 Wird der Sachverhalt allerdings nicht vollständig ermittelt, so bleibt für eine positive Entscheidung in der Regel kein Raum. Dieser Umstand könnte gegen eine endgültige Bindungswirkung sprechen. Auch ergibt sich aus dem Gebot des fairen Verfahrens („fair-trial“) gemäß Art. 20 Abs. 3 GG (i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG), dass der Verurteilte bei Gaede / Rübenstahl, HRRS 2004, 342 (346). Gaede / Rübenstahl, HRRS 2004, 342 (346). 119  Vgl. dazu die Voraussetzungen zum Grundrechtsverzicht ErfK / Schmidt, Einleitung zum Grundgesetz, Rn. 65; Bleckmann, JZ 1988, 57 (61) und zum Verzicht auf Rechtsmittel im Strafverfahren BeckOK-StPO / Cirener, § 302 Rn. 19; Krausbeck, Konfrontative Zeugenbefragung, S. 141; zur Notwendigkeit der Erklärung des Verzichtes: OLG Hamm v. 11.2.2010 – 3 Ws 69, 70 / 10, NStZ 2011, 119 (120). 120  Schmid, Die „Verwirkung“ von Verfahrensrügen im Strafprozeß, S. 113 und S. 115. 121  Vgl. hierzu die Ausführungen von Seher, JZ 2005, 634 (636) zur Problematik beim Rechtsmittelverzicht. 117  Vgl. 118  Vgl.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung67

der Aufklärung des Sachverhaltes bestmöglich zu beteiligen ist.122 Würde der Verurteilte an den einmal erklärten Verzicht gebunden sein, so könnte der Verurteilte nicht mehr bestmöglich sich an der Sachverhaltsaufklärung beteiligen, denn es mag Situationen geben, in denen der Verurteilte erst später feststellt, dass der Sachverhalt komplexer ist oder aus sonstigen Gründen ein persönlicher Kontakt zum Gericht erforderlich ist. Würde man den Verurteilten unter solchen Umständen an seine Verzichtserklärung binden, würde er zum Objekt eines Verfahrens, auf dessen Ausgang er keinen ausreichenden Einfluss mehr nehmen könnte. Dieser Umstand würde für eine Möglichkeit der beliebigen Rücknahme sprechen. Gegen diese Ansicht der freien Rücknahme der Verzichtserklärung steht eine Auffassung in der Literatur, die dem erklärten Verzicht Bindungswirkung zukommen lassen will.123 Die Verzichtserklärung solle nach den zivilrechtlichen Regeln des Widerrufs oder der Anfechtung lediglich Ihre Bindungswirkung entfallen lassen.124 Gegen diese Auffassung kann jedoch angeführt werden, dass das Gericht durch den Verzicht lediglich Zeit- und Kostenersparnis als Interesse heranführen kann. Diese Interessen alleine stellen aber kein schutzwürdiges legitimes Interesse – im Gegensatz zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung – an der Videokonferenz dar. Fehlt es an diesem, so können die Regelungen über den Widerruf und die Anfechtung gerade nicht einschlägig sein, denn diese schützen das Interesse des Empfängers am Bestand der Willenserklärung.125 Mit anderen Worten: Wenn der Verurteilte sachliche Gründe vorzuweisen hat, die Videokonferenz abzubrechen und eine stattdessen mündliche Anhörung durchzuführen, dann entfällt die Bindung an seine Verzichtserklärung.126 Hat der Verurteilte jedoch keine sachlichen Gründe vorzuweisen, so steht sein willkürliches Interesse nicht über den Interessen der Zeit- und Finanzersparnis des Gerichtes. b) Zusammenfassung Voraussetzung für die Nutzung der Videokonferenz anstelle einer mündlichen Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO ist, dass dem Gericht die Videokonferenz zur Sachaufklärung und Einwirkung ausreicht und der Ver122  Vgl. dazu die Ausführungen im Strafverfahren von Rieck, StraFo 2000, 400 (405); Esser, NStZ, 2003, 464 (469). 123  Vgl. für den Verzicht im Strafverfahren Krausbeck, Konfrontative Zeugenbefragung, S. 145. 124  Krausbeck, Konfrontative Zeugenbefragung, S. 146; Spieß, Der Grundrechtsverzicht, S.  41 f. 125  Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 6 Rn. 23. 126  Vgl. beim Rechtsmittelverzicht die Bindungswirkung Krey, Deutsches Strafverfahrensrecht, § 38 Rn. 1053; weitergehend gar Bleckmann, JZ 1988, 57 (59).

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

urteilte auf die mündliche Anhörung des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO – unter gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz – verzichtet hat. Des Weiteren ist der Verzicht des Verurteilten nur wirksam, wenn er freiwillig geschieht. Die Freiwilligkeit setzt voraus, dass das entscheidende Gericht in zeitlichem Abstand zum geplanten Videokonferenztermin den Verurteilten über seine Rechtsposition ausführlich aufklärt, die Möglichkeit der Videokonferenz benennt und selbst keine Präferenz erklärt. Grundsätzlich bindet dann ein einmal erklärter Verzicht den Verurteilten. Liegen jedoch sachliche Gründe für den Abbruch der Videokonferenz vor, so kann der Verurteilte dennoch auf eine „face-to-face“-Anhörung bestehen. 2. Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 1 S. 3 StPO) Die Anhörung bei Entscheidungen über die Aussetzung des Strafrestes gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO ist in der Regel obligatorisch-mündlich.127 Von der Anhörung kann aus den nicht abschließenden Gründen des § 454 Abs. 1 S. 4 StPO abgesehen werden.128 Die Durchführung einer Videoanhörung stellt keinen in § 454 Abs. 1 S. 4 StPO benannten Grund des Absehens dar. Nicht benannte Gründe, die ein Absehen von der mündlichen Anhörung rechtfertigen können, sind solche, die sich aus der Person oder dem Zeitpunkt der Antragsstellung ergeben und wenn die Anhörung reine Formsache wäre.129 Ein Absehen des Gerichts von der Mündlichkeit der Anhörung ohne Zustimmung des Verurteilten und unter gleichzeitiger Anberaumung einer Videokonferenz ist von diesen Gründen nicht umfasst. Von dieser Fallgruppe zu unterscheiden und noch zu prüfen ist die Frage, wenn der Verurteilte auf die mündliche Anhörung verzichtet.130 In diesem Fall liegt ein Umstand vor, der in der Person des Verurteilten begründet ist; und eine nicht benannte Ausnahme des § 454 Abs. 1 S. 4 StPO führt zum Absehen von der mündlichen Anhörung.131 Stimmt der Verurteilte nach seinem Verzicht der Durchführung einer Videoanhörung zu, so steht dies dem § 454 Abs. 1 S. 4 StPO nicht entgegen. Die Anhörung mittels Videokonferenztechnik ist aber nicht Teil des Regelungsgehaltes von § 454 Abs. 1 S. 4 StPO. 127  Meyer-Goßner,

StPO, § 454 Rn. 16 f. StPO, § 454 Rn. 24. 129  Vgl. insoweit die Aufzählung der Gründe bei KK-StPO / Appl, § 454 Rn. 24 ff.; BGH v. 5.5.1995 – 2 StE 1 / 94 – StB 15 / 95, NStZ 1995, 610 (610 f.). 130  Vgl. unten den Punkt Verzichtsmöglichkeit. 131  BGH v. 28.1.2000 – 2 StE 9 / 91 (Stuttgart), NJW 2000, 1663 (1663); OLG Düsseldorf v. 10.11.1987 – 1 Ws 928 / 87, NStZ 1988, 243 (243); Pfeiffer, StPO, § 454 Rn. 5 und 8. 128  Meyer-Goßner,



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung69

Die Anhörung auf Hinwirken des Gerichtes unter Einsatz von Videokonferenztechnik ist im Rahmen des § 454 Abs. 1 StPO nicht geregelt.132 a) Die Anhörung mittels Videokonferenz als mündliche Anhörung Wie bei der Anhörung in Verfahren der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO, ist auch hier durch Auslegung zu ermitteln, ob eine videokonferenzgeführte Anhörung zulässig ist. aa) Auslegung Die Auslegung erfolgt kumulativ anhand des Wortlautes, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck. (1) Auslegung nach dem Wortlaut Der Wortlaut des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO schreibt eine mündliche Anhörung vor, er ist insoweit deckungsgleich mit dem Wortlaut des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO. Er umfasst ebenfalls keine Anhörung mittels Videokonferenztechnik, da der Begriff der mündlichen Anhörung ein Mehr darstellt als der ebenfalls verwendete Begriff Anhörung in den Regelungen zur Strafvollstreckung. Diese Mündlichkeit meint somit eine Unmittelbarkeit der Anhörung.133 Der Wortlaut gebietet eine direkte mündliche Anhörung unter Ausschluss der Videokonferenztechnik. (2) Systematische Auslegung Der § 454 Abs. 1 S. 3 StPO steht im Normengefüge der Rechtsordnung und ist in diesem Zusammenhang auszulegen.134 Die Auslegung des Begriffs mündliche Anhörung hat schon im Rahmen des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO ergeben, dass eine mittels Videokonferenz geführte Anhörung begrifflich nicht eine mündliche Anhörung ist.135 Diese erfolgt grundsätzlich136 132  Vgl. auch die gescheiterten Bemühungen des Landes Hessens zur Einführung des Videokonferenzeinsatzes BT-Drucks. 17 / 1224, S. 9. 133  Vgl. I.1.a)aa). 134  Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, S. 123. 135  Vgl. I.1.a)bb). 136  Die Vermittlung mittels eines Mediums, welches dem Inhaftierten die unmittelbare Wahrnehmung erleichtert, wie z. B. ein Hörgerät, ist nicht ausgeschlossen. Dieses Hilfsmedium hat bloß eine unterstützende Aufgabe und dient nicht als Ersatz.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

ohne vermittelndes Medium. Die Videokonferenz stellt aber gerade ein vermittelndes und einschränkendes Medium dar. Aus der in der Rechtsprechung gebilligten Anhörung durch nicht voll besetzte Kammern lässt sich ebenfalls kein Argument für eine Zulässigkeit der per Videokonferenz vermittelten Anhörung herleiten,137 denn auch bei nicht voll besetzten oder vertretenen Kammern haben der Gefangene und der Richter einen persönlichen Eindruck erhalten oder erwirkt.138 Die systematische Auslegung legt die Unzulässigkeit des Einsatzes von Videokonferenztechnik nahe. (3) Entstehungsgeschichtliche Auslegung Die mündliche Anhörung des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO wurde im Jahr 1974 in die StPO aufgenommen.139 Eine subjektive Vorstellung über die mündliche Anhörung mittels Videokonferenztechnik hatte der Gesetzgeber im Frühjahr 1974 nicht.140 Maßstab der historischen Auslegung ist jedoch nicht die subjektive Sicht des Gesetzgebers,141 sondern entsprechend der historisch-genetischen Auslegung der objektivierte Wille des Gesetzgebers, der in den Gesetzesmaterialien zu ergründen ist.142 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) sieht „als wichtigste Änderung eine Vorschrift über die zwingende mündliche Anhörung des Verurteilten [vor]. Dadurch soll[te] erreicht werden, daß die Strafvollstreckungskammer den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten der Strafanstalt aufnimmt“143, weiterhin wird die mündliche Anhörung als Umstand eines „nützlichen Kontakt[es]“144 gesehen. Die negative Abgrenzung des Begriffs der mündlichen Anhörung vom Begriff der bloßen Anhörung hat im Rahmen der systematischen Auslegung gezeigt, dass die Videokonferenz nur eine mittelbare Kommunikation ermöglicht.145 Eine unmittelbare Anhörung, wie im Gesetzentwurf der Bundesregierung gefordert, stellt die per Videokonferenz vermittelte Anhörung jedenfalls weiteren Quellen Meyer-Goßner, StPO, § 454 Rn. 21. auch Esser, NStZ 2003, 464 (466). 139  Esser, NStZ 2003, 464 (465). 140  Esser, NStZ 2003, 464 (465). 141  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 65 f. 142  BVerfGE 11, 126 (131); Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 147; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 67; Wank, ZGR 1988, 314 (328); Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, S. 122. 143  BT-Drucks. 7 / 550, S. 309, sowie zum Wortlaut der Änderung S. 49. 144  BT-Drucks. 7 / 550, S. 309. 145  Vgl. bb) und I.2.a)aa)(2). 137  Mit 138  So



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung71

nicht dar. Die historisch-genetische Auslegung spricht folglich gegen den Einsatz von Videokonferenztechnik bei mündlichen Anhörungen des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO. Ebenfalls ist die Entwicklung der Interpretation bedeutsam, die das Gesetz seit seinem Inkrafttreten genommen hat.146 Die Rechtsprechung kommt häufig zur Zulässigkeit der Videokonferenz, allerdings erkennt sie an, dass das Prinzip der mündlichen Anhörung einer Zulässigkeit der videokonferenzgeführten Anhörung entgegenstehen würde.147 Um dem auszuweichen, wählte die Rechtsprechung das Konstrukt des Verzichtes des Gefangenen auf eine unmittelbare mündliche Anhörung.148 Auch der Gesetzgeber geht, wie bei § 453 Abs. 1 S. 3 StPO, nicht davon aus, dass die Videokonferenz vom Begriff der mündlichen Anhörung bereits umfasst ist. So hatte das Bundesland Hessen in der Folge einen Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren in den Bundesrat eingebracht.149 Dieser Gesetzesentwurf – auf den später noch ausführlich einzugehen sein wird – zielte auf die Einführung eines Satzes 4 in § 454 Abs. 1 StPO, der die Zulässigkeit einer videokonferenzgeführten Anhörung ausdrücklich regeln sollte.150 Die Regelung des § 453 Abs. 1 S. 4 StPO-E scheiterte jedoch im Bundestag.151 Begründet wurde die Ablehnung mit dem Zweck der Anhörung, den unmittelbaren Kontakt und höchstpersönlichen Eindruck vom Gefangenen zu ermöglichen, hierfür sei gerade die Videokonferenz nicht geeignet.152 Die historische Auslegung lässt eine Einordnung der Videokonferenz als mündliche Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO folglich nicht zu. (4) Teleologische Auslegung Die teleologische Auslegung nähert sich dem Regelungszweck der Norm. Dieser Zweck kann sich aus den amtlichen Begründungen einer Gesetzes146  Wank,

Die Auslegung von Gesetzen, S. 67. Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013; OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357; OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris. 148  Beispielhaft: OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013; OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357; OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris. 149  BT-Drucks. 17 / 1224. 150  BT-Drucks. 17 / 1224, S. 9. 151  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20 und Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27663 (D). 152  Beispielsweise BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18 und BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 147  OLG

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

änderung ergeben.153 Der in der siebten Wahlperiode des Bundestages ergangene Gesetzentwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch der Bundesregierung bezeichnet als Zweck der mündlich geführten Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO, dass die „Strafvollstreckungskammer den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten in der Strafanstalt“154 aufnehmen soll. Dahinter steht das Motiv durch den unmittelbaren Kontakt den persönlichen Eindruck vom Gefangenen zu stärken.155 Hierzu muss das Gericht alle für die Prognose wichtigen Eindrücke vermittelt bekommen. Darunter fallen – wie sich im letzten Kapitel noch zeigen wird – auch Gestik und Mimik des Verurteilten. Die Übertragung solcher Eindrücke per Videokonferenz wird in Literatur und Rechtsprechung angezweifelt; dort wird vielfach davon ausgegangen, dass der Gefangene durch den Einsatz von Videokonferenzsystemen in seiner Ausdrucksweise durch Ängste oder Hemmungen eingeschränkt werden kann.156 Das Gericht hat durch die zutreffende Prognose die Interessen des Gefangenen nach Freiheit und Resozialisierungserfolg, sowie den Schutz der Allgemeinheit vor erneuten Straftaten anzuzielen.157 Die Prognose kann jedoch grundsätzlich nur dann gelingen, wenn dem Gericht eben alle nötigen Eindrücke der Persönlichkeit des Gefangenen zur Verfügung stehen. Eine Videokonferenz ist hierfür nicht ausreichend geeignet, da sie nicht den unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit des Gefangenen widerspiegelt. Folglich kann die per Videokonferenz geführte Anhörung nicht die widerstreitenden Interessen auflösen und den Zweck der Regelung erfüllen. Das Interesse der Kosten- und Zeitersparnis und somit die mögliche Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens kann die Bedenken gegen eine möglicherweise fehlerhafte Prognoseentscheidung nicht aufwiegen.158 Denn eine fehlerhafte Entscheidung aufgrund unzutreffender Prognose kann den Gefangenen in seinen Rechten stärker beeinträchtigen als ein möglicherweise längeres Verfahren. Der Sinn und Zweck des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO spricht gegen eine Auslegung der Videokonferenz als mündliche Anhörung. 153  Wank,

Die Auslegung von Gesetzen, S. 69. 7 / 550, S. 309. 155  OLG Nürnberg v. 11.6.1997 – Ws 615 / 97, NStZ 1998, 376 (376); OLG Hamm v. 9.12.2008 – 5 Ws 423 / 08, NStZ-RR 2009, 223 (224) und so auch Esser, NStZ 2003, 464 (466). 156  Beispielhaft für viele: OLG Frankfurt v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357; Geiger, ZRP 1998, 365 (365); Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen, S. 27 f., 31, 40 ff., 54, 56 und 63; Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215); Doherty-Sneddon / McAuley, ACP 2000, 379 (390). 157  So auch Esser, NStZ 2003, 464 (466). 158  Vgl. zum Kosten- und Zeitersparnis Argument Splietorp, AnwBl. 1996, 160, der dieses undifferenziert und in einer Art selbstverfassten Werbeberichts behauptet. 154  BT-Drucks.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung73

(5) Ergebnis Die Auslegung des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO im Sinne einer zulässigen mündlichen Anhörung mittels Videokonferenz ist nicht möglich. Die mündliche Anhörung muss unmittelbar („face-to-face“) geschehen.159 bb) Rechtsfortbildung Eine grundsätzlich zulässige gesetzesimmanente Rechtsfortbildung kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Gesetzgeber bei Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 1 S. 3 StPO) den Zweck der unmittelbaren Kontaktaufnahme benannt hat.160 Der Einsatz von Videokonferenztechnik würde diesem Zweck gerade zuwiderlaufen. cc) Verzichtsmöglichkeit Wie bereits dargelegt ist ein Absehen des Gerichts von der Mündlichkeit der Anhörung ohne Zustimmung des Verurteilten, unter gleichzeitiger Anberaumung einer Videokonferenz, nicht möglich.161 Fraglich ist jedoch, ob der Verurteilte auf die mündliche Anhörung verzichten und einer per Videokonferenz geführten Anhörung zustimmen kann. Der Disposition des Verurteilten könnten einfachgesetzliche Regelungen oder – soweit nicht einfachgesetzlich konkretisiert – verfassungsrechtliche Regelungen entgegenstehen. (1) E  infachgesetzliche Vorgaben und Grenzen des Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO Einem Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung unter gleichzeitiger Zustimmung zu einer Videokonferenz könnten einfachgesetzliche Vorgaben und Grenzen entgegenstehen. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die Gründe, aus denen das Gericht von der mündlichen Anhörung absehen kann, in § 454 Abs. 1 S. 4 StPO genannt sind und der Verzicht des Verurteilten hier nicht ausdrücklich erwähnt wird. Allerdings sind die in der vorgenannten Regelung benannten Gründe nicht abschließend. Anerkannt ist, dass auch der vollständige Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung ein nicht benannter Grund für das Absehen von 159  Andere nicht näher ausgeführte Ansicht Dölling / Duttge / Rössner / Pflieger, Gesamtes Strafrecht, § 454 Rn. 7. 160  Vgl. zur Rechtsfortbildung und deren Zulässigkeit drittes Kapitel, A.I.1.a)bb); zum Zweck drittes Kapitel, A.I.2.a)aa)(4). 161  Ebenso OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12; BeckRS 2012, 11714.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

der Anhörung des § 454 Abs. 1 StPO ist.162 Trifft das Gericht die Entscheidung auf Antrag des Verurteilten und nicht von Amts wegen, muss es auch die Entscheidung des Verurteilten bleiben, sich am Verfahren zu beteiligen. Ein vollständiger Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung muss daher zumindest bei diesen Entscheidungen möglich sein. Darüber hinaus kann die Anhörung, welche auf die Anbahnung von Kommunikation abzielt,163 ihren Zweck ohnehin nur erreichen, wenn der Verurteilte bereit ist zu kommunizieren. Das Gericht kann den unmittelbaren Kontakt aber nicht erzwingen, da die Strafprozessordnung keine zwangsweise Vorführung des Verurteilten vorsieht.164 Auf diese Weise ist es dem Verurteilten allerdings möglich, dem Gericht die Prognosegrundlage – insbesondere über seine Persönlichkeit – zu entziehen.165 Die Strafvollstreckungskammer kann dann ihre Entscheidung nicht mehr auf alle gesetzlich vorgeschriebenen Merkmale stützen (vgl. § 57 Abs. 1 S. 2 StGB und § 57a Abs. 1 S. 2 StGB). Das Gericht würde bei einer positiven Aussetzungsentscheidung folglich contra legem handeln. Daher darf die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung nicht vornehmen, wenn der Verurteilte von sich aus auf einen unmittelbaren Kontakt zum Gericht vollständig verzichtet.166 Fraglich ist jedoch, ob ein Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung unter gleichzeitiger Zustimmung zu einer Videokonferenz trotzdem möglich ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt führt hierzu aus, dass sich aus dem argumentum a maiore ad minus die Verzichtsmöglichkeit des Verurteilten auf mündliche Anhörung unter gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz ergeben würde.167 Diese Begründung greift jedoch zu kurz, weil dann auch die Folge des vollständigen Verzichtes greifen müsste, die darin besteht, dass das Gericht dann in diesen Fällen keine positive Aussetzungsentschei162  BGH v. 28.1.2000 – 2 StE 9 / 91 (Stuttgart), NJW 2000, 1663 (1663); OLG Düsseldorf v. 10.11.1987 – 1 Ws 928 / 87, NStZ 1988, 243 (243); OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013); Meyer-Goßner, StPO, § 454 Rn. 30. 163  Mandelartz, DVBl. 1983, 113. 164  OLG Düsseldorf v. 3.2.1983 – 1 Ws 13 / 83, StV 1983, 511 (511); OLG Düsseldorf v. 10.11.1987 – 1 Ws 928 / 87, NStZ 1988, 243 (243); Meyer-Goßner, StPO, § 454 Rn. 30. 165  Esser, NStZ 2003, 464 (468); bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit ist eine Videokonferenz nicht angebracht: Jansen / Humbert, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, S. 553; anders: Hermanutz / Adler, P & W 1 / 2011, S. 3 die gar eine Steigerung der Wahrheitsfindung erkennen wollen, wenn die Gestik und Mimik nicht übertragen werden. 166  Esser, NStZ 2003, 464 (468). 167  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357).



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung75

dung treffen kann.168 Bei einem Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung unter gleichzeitiger Zustimmung zu einer Videokonferenz ist jedoch fraglich, ob auch hier die Aussetzungsentscheidung durch das Gericht zwingend negativ ausfallen muss. Die Beantwortung dieser Frage hängt von der technischen Ausgestaltung der Videokonferenztechnik ab. Genügt die Übertragung der Videokonferenztechnik um den Zweck der mündlichen Anhörung zu erfüllen, ist eine positive Aussetzungsentscheidung dennoch möglich. Genügt sie hingegen nicht, so muss stets eine negative Aussetzungsentscheidung ergehen. Aus dem Zweck der mündlichen Anhörung folgt unter anderem die Pflicht des Gerichts, sich einen Gesamteindruck von der Persönlichkeit des Verurteilten zu verschaffen (vgl. für die Aussetzungsentscheidung einer zeitigen Freiheitsstrafe § 57 Abs. 1 S. 2 StGB und gemäß § 57a Abs. 1 S. 2 StGB für die lebenslange Freiheitsstrafe).169 Dieses Ziel der Anhörung soll durch die Ausweitung der Prognosegrundlage des Gerichts durch unmittelbaren Kontakt zum Verurteilten erreicht werden.170 Im Rahmen der Prognose soll das Gericht dann das Interesse des Verurteilten an der Reso­ zialisierung und die (vermeintlich widerstreitenden) Sicherheitsbelange der Allgemeinheit gegeneinander abwägen.171 Die Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit wird für die Aussetzung des Strafrests einer zeitigen Freiheitsstrafe in § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB und für die lebenslange Freiheitsstrafe durch den Verweis aus § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB vorgeschrieben. Grundlage dieser richterlichen Prognose über die Persönlichkeit des Inhaftierten ist neben dem gesprochenen Wort auch die Wahrnehmung von Gestik und Mimik des Gegenübers.172 Ob die Prognosegrundlage ausreichend ist, hängt daher entscheidend von der technischen Ausgestaltung der Videokonferenz ab. Werden Gestik und Mimik in ausreichender Qualität übertragen, so ist die Grundlage für die Persönlichkeitsprognose nicht beeinauch Esser, NStZ 2003, 464 (468). v. 24.10.1999 – 2 BvR 1538 / 99, NStZ 2000, 109 (110); OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357); Esser, NStZ 2003, 464 (467). 170  Vgl. insbesondere OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905, 906 / 06, BeckRS 2007, 01610; OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357); OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12, BeckRS 2012, 11714 und oben drittes Kapitel, A.I.2.a)aa)(4). 171  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357); Esser, NStZ 2003, 464 (467). 172  Vgl. insbesondere OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905, 906 / 06, BeckRS 2007, 01610 und vergleichbar die Prognose im Strafverfahren Edinger, DRiZ 1996, 290 (290); Norouzi, Die audiovisuelle Vernehmung von Auslandszeugen, S.  251 f.; Diemer, NStZ 2001, 393 (396) der die wesentlichen Reaktionen des Gegenüber für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung vermisst und Krummenacher / Giger / Oswald, P&W 3 / 2010, 8 die zumindest für die Glaubhaftigkeitseinschätzung non- und paraverbale Merkmale heranziehen. 168  So

169  BVerfG

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

trächtigt. Überträgt die Videokonferenz Gestik und Mimik hingegen nur eingeschränkt, so kommt es darauf an, ob die geschmälerte Prognosegrundlage des Gerichtes dem Sinn und Zweck der Anhörung zuwiderläuft. Die Frage der technischen Ausgestaltung der Videokonferenz ist allerdings umstritten173 und grenzt sich von der rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit ab. Sie soll daher in einem gesonderten Kapitel untersucht werden.174 Unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung der Videokonferenztechnik lässt sich feststellen, dass die durch die Videokonferenztechnik vermittelte Prognosegrundlage zumindest dann ausreichend ist, wenn es gerade auf diese prognoserelevanten Faktoren im konkreten Fall nicht ankam.175 Entscheidend hierfür ist, ob die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine vollständige Prognosegrundlage über die Persönlichkeit erfordern.176 Dies ist stets bei der Aussetzung hoher Strafreste oder besonders schweren Strafen im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO der Fall.177 In allen anderen Fällen kann die Videokonferenz ausreichen, soweit der Verurteilte auf die unmittelbar mündliche Anhörung verzichtet hat und durch die Videokonferenz alle der Prognose dienenden Umstände des § 57 Abs. 1 S. 2 StGB ausreichend übertragen werden. Sodann muss das Gericht aus der Übertragung beurteilen können, ob eine mögliche Gefahr durch den Verurteilten für die Allgemeinheit (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) weiterhin besteht.178 Liegen diese Voraussetzungen der Videokonferenztechnik vor, kann das Gericht auch eine positive Aussetzungsentscheidung treffen. Eine weitere Begrenzung der Verzichtsmöglichkeit kann sich ebenso wenig, wie bereits im Rahmen der Entscheidungen des Widerrufs der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO) gezeigt, aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO),179 Amtsermittlungsgrundsatz (§ 244 Abs. 2 StPO), Grundsatz des bestmöglichen Beweises oder dem Öffentlichkeitsgrundsatz aus § 169 GVG ergeben.180 Diesen Vorschriften ist gemein, dass sie im Verfahren der Strafvollstreckung keine Anwendung finden. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK findet seinen Anwendungsbereich im Erkenntnisverfahren, begrenzt sich zugleich 173  Beispielsweise Schwan, Die Konsequenzen medialer Eigenschaften für den Kommunikationsprozeß, S. 53, 65 und 66. 174  Vgl. hierzu fünftes Kapitel, D.X. und sechstes Kapitel, D. 175  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357). 176  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357). 177  OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12, BeckRS 2012, 11714; Esser, NStZ 2003, 464 (470). 178  Esser, NStZ 2003, 464 (471). 179  Vgl. auch OLG Hamburg v. 17.1.1977 – 2 Ws 8 / 77. 180  Vgl. zu allen Punkten: drittes Kapitel, A.I.1.a)cc)(2)(a).



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung77

durch den Wortlaut auf dieses und findet somit nicht im Strafvollstreckungsverfahren Anwendung.181 Der Regelung in der Konvention ist die Anhörung in der Strafvollstreckung dennoch nicht gänzlich entzogen. Der Wortlaut der Europäischen Menschenrechtskonvention eröffnet in Art. 5 Abs. IV EMRK für sich in Strafhaft Befindende das Recht auf gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Freiheitsentziehung.182 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist jedoch uneinheitlich, ein genereller Anspruch auf Überprüfung einer Strafhaft aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes wird vom Gerichtshof nicht angenommen.183 Hingegen wird ein Anspruch angenommen, wenn dem Inhaftierten auf unbestimmte Dauer die Freiheit entzogen ist.184 Eine Verallgemeinerung der Rechtsprechung lässt sich nicht ableiten, sie ist vorliegend auch nicht nötig. Denn formale Verpflichtungen an die Durchführung einer Überprüfung der Inhaftierung ergeben sich weder aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte noch aus der Konvention selbst.185 Eine Mündlichkeit der Anhörung ist somit nicht gefordert. Jedoch könnte der Grundsatz der Vollzugsnähe den Verzicht begrenzen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Entscheidungen, die den Strafvollzug betreffen, sondern auch der in Strafvollstreckungssachen entscheidende Richter soll einen engen Kontakt zum Strafvollzug haben.186 Dem Richter soll so eine sachgerechte und den Bedürfnissen des Gefangenen entsprechende Entscheidung ermöglicht werden.187 Diesem Grundsatz kommt zwar eine mündliche Anhörung in der Haftanstalt näher,188 sie ist aber nicht zwingend. Dem Vollzugsnähegrundsatz ist bereits mit der Einrichtung von Strafvollstreckungskammern für Erwachsene in örtlicher Nähe zur Vollzugsanstalt Rechnung getragen.189 Folglich grenzt dieser Grundsatz ebenfalls nicht den Verzicht des Erwachsenen ein. 181  Rzepka,

Zur Fairness im deutschen Strafverfahren, S. 31 und S. 331. Art. 5 EMRK Rn. 24; Esser, NStZ 2003, 464 (470). 183  EGMR v. 20.1.2004, 39753 / 98 Nr. 19 – König / Slowakei; EGMR v. 18.6.1971, Nr. 76 – De Wilde, Ooms und Versysp / Belgien. 184  Zumindest bei psychisch Kranken EGMR v. 24.10.1995 Nr. 30 – Iribarne Perez / Frankreich; EGMR v. 25.4.1992, 63 / 1991 / 315 / 386, Nr. 22 (a) – M / Deutschland, NStZ 1993, 148 (148) und EGMR v. 25.3.1999, 24557 / 94, Nr. 43 – Musial /  Polen, NJW 2000, 2727 (2728). 185  Esser, NStZ 2003, 464 (470); Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, S.  259 f. 186  Peters, JR 1977, 397 (400), vgl. zum Geltungsbereich auch KK-StPO / Appl, § 454 Rn. 17; Laubenthal / Nestler, Strafvollstreckung, S. 29. 187  Peters, JR 1977, 397 (400). 188  KK-StPO / Appl, § 454 Rn. 17. 189  Vgl. zur Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer § 462a Abs. 1 S. 1 StPO und zur Wahrung des Grundsatzes der Vollzugsnähe durch Einrichtung von 182  KK-StPO / Schädler,

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Im Ergebnis stehen einfachgesetzliche Vorgaben dem Verzicht auf die mündliche Anhörung unter gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz bei der Aussetzungsentscheidungen über besonders hohe Strafreste oder bei besonders schweren Strafen im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO entgegen. In allen anderen Fällen reicht die Videokonferenz aus, soweit der Verurteilte auf die unmittelbar mündliche Anhörung verzichtet hat und durch die Videokonferenz alle der Prognose dienenden Umstände des § 57 Abs. 1 S. 2 StGB ausreichend übertragen werden und eine mögliche Gefahr durch den Verurteilten für die Allgemeinheit (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) beurteilt werden kann. (2) V  erfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen eines Verzichtes auf die mündliche Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO Einfachgesetzlich konkretisiertes Verfassungsrecht stellt die Regelung des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO dar. Sie konkretisiert einerseits das Freiheitsrecht des Verurteilten gemäß Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG und bietet ihm ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG.190 Andererseits gewährleistet das Strafaussetzungsverfahren die Schutzpflicht des Staates gegenüber der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger vor erneuten Straftaten (Art. 2 Abs. 1, 2 S. 1 GG).191 Weiterreichende Grenzen oder Vorgaben über das einfachgesetzlich konkretisierte Verfassungsrecht hinaus sind für den Verzicht aus Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG oder aus Art. 2 Abs. 1, Art. 2 S. 1 GG nicht ersichtlich. Eine zwingende Vorgabe für eine mündliche Anhörung ergibt sich auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG, denn der Anspruch auf rechtliches Gehör setzt keine Mündlichkeit voraus.192 Weiterhin ist § 454 Abs. 1 StPO die Verfahrensausgestaltung des grundrechtsgleichen Rechtes aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, welcher fordert, dass die Freiheit der Person […] nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen Strafvollstreckungskammern in der Nähe zur Vollzugsanstalt BT-Drucks. 7 / 918, S. 84. 190  OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905, 906 / 06, BeckRS 2007, 01610. 191  OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905, 906 / 06, BeckRS 2007, 01610; ablehnend Esser, NStZ 2003, 464 (469) der die Ansicht verfolgt, dass der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG keine Verpflichtung zu einem konkreten Verfahren beinhalten kann. Dem ist zu begegnen, dass aus der Schutzpflicht des Staates zumindest ein „Tätigwerden“ verlangt wird. Vgl. insoweit auch die Ausführungen von Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 74 und S. 75 f. der die Verpflichtung zum Eingreifen des Staates darlegt. 192  Vgl. dazu die Ausführungen zu § 453 StPO, sowie Maunz / Dürig / SchmidAßmann, Grundgesetz Kommentar, Art. 103 I Rn. 81 ff.; Dreier / Schulze-Fielitz, Grundgesetz Kommentar, Art. 103 I Rn. 56.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung79

beschränkt werden [kann]. § 454 Abs. 1 S. 3 StPO fordert, den Verurteilten mündlich zu hören. § 454 Abs. 1 S. 4 StPO sieht hiervon, wie bereits bei den einfachgesetzlichen Vorgaben und Grenzen erörtert, nicht abschließende Absehensgründe vor. Ein solcher nicht kodifizierter Grund ist der Verzicht des Verurteilten auf eine Anhörung. Die videovermittelte Anhörung ist, wie dargelegt, als weniger einschneidender Verzicht möglich. Die durch das förmliche Gesetz vorgegebene Form wird folglich eingehalten, wenn der Verurteilte auf die mündliche Anhörung verzichtet und stattdessen eine videokonferenzgeführte Anhörung wünscht. Aus über die einfachgesetzlichen Vorgaben und Grenzen hinausgehenden Gründen erfährt der Verzicht auf die mündliche Anhörung, unter gleichzeitiger Zustimmung zur videokonferenzgeführten Anhörung, keine weiteren Einschränkungen durch Verfassungsrecht. (3) Rechtsfolge des Verzichtes Die mündliche Anhörung gebietet eine unmittelbare Anhörung, sie umfasst begrifflich keine per Videokonferenz vermittelte. Verzichtet der Verurteilte auf die mündliche Anhörung unter gleichzeitiger Zustimmung zu einer Videokonferenz, dann kann diese grundsätzlich anstatt der mündlichen Anhörung abgehalten werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Technik alle der Prognose dienenden Umstände des § 57 Abs. 1 S. 2 StGB ausreichend überträgt und eine mögliche Gefahr durch den Verurteilten für die Allgemeinheit (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) beurteilt werden kann. Dies hängt von der tatsächlichen Qualität der Übertragung von Gestik und Mimik ab. Ist diese ausreichend, so kann die Kammer eine Prognose erstellen. Ist die Übertragungsqualität nicht ausreichend, so ist die Prognosegrundlage nicht vollständig, eine positive Aussetzungsentscheidung kommt dann de lege lata nicht in Betracht. Welche Qualität die Videokonferenztechnik aufweist, ist noch zu untersuchen. Stets nicht ausreichend ist die Videokonferenz zur Beurteilung der Gefahr für die Allgemeinheit bei Aussetzungsentscheidungen über besonders hohe Strafreste oder bei besonders schweren Strafen im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO. (4) Hinwirken des Gerichtes auf einen Verzicht Ist der Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung zulässig, so schließt sich die Frage an, ob das Gericht auf einen solchen Verzicht hinwirken darf. Wirksam ist der Verzicht nur, wenn der inhaftierte Verurteilte den Verzicht freiwillig und rechtlich verbindlich erklärt hat.193 Die Freiwil193  Wilms,

Staatsrecht II, S. 65; Fischinger, JuS 2007, 808 (809 f.).

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

ligkeit des Verzichtes ist ebenso wie im Rahmen des § 453 StPO fraglich, wenn das Gericht darauf hingewirkt hat. Es können sich insbesondere dann Anhaltspunkte für eine unfreie Verzichtserklärung ergeben, wenn das Gericht in zeitlicher Nähe oder unmittelbar vor der Anhörung auf den Verzicht hinwirkt. Denn der Inhaftierte wird sich angesichts der noch nicht erfolgten Entscheidung zur Strafaussetzung in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Gericht sehen.194 Unter diesen Umständen wird der Inhaftierte regelmäßig dem Wunsch des Gerichts entsprechen und einer per Videokonferenz geführten Anhörung zustimmen.195 Er wird dem Gericht keine Umstände bereiten wollen, die aus seiner subjektiven Sicht die Strafaussetzung gefährden könnten. Das Hinwirken des Gerichtes auf einen Verzicht in zeitlicher Nähe zum Anhörungstermin ist bei der Aussetzung des Strafrechtes besonders problematisch. Für den Inhaftierten stellt die Entscheidung über den Verzicht auf die mündliche Anhörung gemäß § 454 Abs. 1 S. 1 StPO einen komplexen Abwägungsvorgang dar.196 Im Gegensatz zu § 453 StPO verfolgt die mündliche Anhörung bei der Aussetzung des Strafrechtes einen abweichenden Sinn und Zweck. Die mündliche Anhörung des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO dient dem Verurteilten zur Darstellung seiner Persönlichkeit; eben dieser Eindruck von der Persönlichkeit des Verurteilten ist dem Gericht Prognosegrundlage der Aussetzungsentscheidung gemäß § 57 Abs. 1 S. 2 StGB.197 Wird die Prognosegrundlage des persönlichen Eindrucks durch die Videokonferenztechnik beschränkt oder entfällt sie gar, ist eine positive Strafaussetzungsentscheidung nicht zu treffen198. Diese Folge eines Verzichtes auf die mündliche Anhörung wird der Inhaftierte in der Regel nicht absehen können. Damit der Verzicht wirksam erklärt wird, muss der Verurteilte seine Rechtsposition jedoch zumindest laienhaft kennen.199 Es muss für ihn folglich eine tatsächliche Wahlmöglichkeit bestehen. Hierzu muss das Gericht den Verurteilten umfassend vorab aufklären. Irrtümer des Verteilten über seine Rechtsposition gehen dabei zulasten des Gerichtes.200 Ob der Inhaftierte tatsächlich freiwillig über den Verzicht entschieden hat, bleibt auch hier eine Frage des Einzelfalls. Wirkt das Gericht aber ohne Aufklärung und unmittelbar vor der geplanten Videokonferenz auf einen 194  Vgl. zum Abhängigkeitsverhältnis während eines Rechtsmittelverzichts im Strafverfahren: Seher, JZ 2005, 634 (636). 195  OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12, BeckRS 2012, 11714. 196  So auch OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12; BeckRS 2012, 11714. 197  Vgl. auch Esser, NStZ 2003, 464 (468). 198  Esser, NStZ 2003, 464 (468). 199  Schmid, Die Verwirkung von Verfahrensrügen im Strafprozeß, S. 113 und S. 115. 200  Zimmerlin, Der Verzicht des Beschuldigten auf Verfahrensrechte im Strafprozess, S. 108 Rn. 336.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung81

Verzicht hin, so ist aus normativer Sicht regelmäßig von einer unwirksamen Verzichtserklärung auszugehen. Der regelmäßigen Unwirksamkeit kann das Gericht nur entgegenwirken, wenn es den Verurteilten in zeitlichem Abstand zur geplanten Videokonferenz über sein Recht auf eine mündliche Anhörung aufklärt, die Möglichkeit einer Videokonferenz benennt, selbst aber keine Präferenz abgibt. Dabei hängt der Umfang dieser Aufklärung nicht von starren formellen Vorgaben ab, sondern hat sich nach der Verständnisfähigkeit jedes einzelnen Verurteilten zu richten. (5) Bindungswirkung des Verzichtes Wie beim Hinwirken auf den Verzicht auf die mündliche Anhörung im Rahmen des § 453 StPO, so ist auch bei der Aussetzung des Strafrechtes zu klären, ob die Verzichtserklärung des Verurteilten frei widerruflich ist201 oder ob der einmal erklärte Verzicht Bindungswirkung entfaltet.202 Treten während einer Videokonferenz Probleme auf oder hat der Verurteilte den Eindruck, dass das Gericht den persönlichen Eindruck von ihm nicht korrekt erhält, so hat das Gericht auf Wunsch des Verurteilten die Videokonferenz abzubrechen und eine „face-to-face“-Anhörung zu terminieren. Im Übrigen können auch sonstige sachliche Gründe die Bindungswirkung der Verzichtserklärung aufheben, wie im Rahmen von § 453 StPO sind hier insbesondere technische Unwägbarkeiten denkbar. Erklärt der Verurteilte, dass er aus sachlichen Gründen die Videokonferenz im Laufe der Durchführung ablehne, so hat das Gericht die Videokonferenz vollständig abzubrechen und eine „face-to-face“-Anhörung anzuberaumen. Der Rücknahme einer Verzichtserklärung steht auch nicht der mögliche Mehraufwand des Gerichtes entgegen, denn schon das Interesse des Gerichtes an der Bestandskraft des Verzichtes ist nicht schutzwürdig. Das Gericht kann für die Bestandskraft lediglich die Interessen der weiteren Zeitersparnis und terminlichen Flexibilität heranführen. Diese stellen jedoch keine rechtlich schützenswerten Interessen dar. Eine Grenze für die freie Rücknahme der Verzichtserklärung durch den Inhaftierten folgt jedoch aus dem Verbot des widersprüchlichen Verhaltens.203 Der Verurteilte kann nicht aus Willkür nach einem einmal erklärten Verzicht eine „face-to-face“-Anhörung verlangen. Es besteht folglich für den Verurteilten insoweit Bindungswirkung an seine Verzichtserklärung, dass er sich nicht ohne sachliche Gründe von ihr lösen kann. 201  Vgl. für den Grundrechtsverzicht beispielsweise Sachs, Verfassungsrecht II. Grundrechte, S. 111. 202  So beispielsweise Krausbeck, Konfrontative Zeugenbefragung, S. 146. 203  Vgl. Krey, Deutsches Strafverfahrensrecht, S. 166 Rn. 1052 ff.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

b) Zusammenfassung Der Einsatz von Videokonferenztechnik bei Aussetzungsentscheidungen gemäß § 454 StPO wäre stets zulässig, wenn der Verurteilte dieser zustimmen würde, auf die unmittelbar mündliche Anhörung verzichtet hätte und die Technik alle der Prognose dienenden Umstände ausreichend übertragen würde. Hierzu zählen neben dem gesprochenen Wort auch Gestik und Mimik des Verurteilten. Inwieweit die Technik diese Umstände überträgt, wird noch in der empirischen Untersuchung zu ermitteln sein. Beeinträchtigt jedoch die Übertragung die Prognose der Strafvollstreckungskammer, so ist die Videokonferenz stets bei Aussetzungsentscheidungen hoher Strafreste oder besonders schweren Straftaten im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO ausgeschlossen, da bei diesen Entscheidungen eine vollständige Prognosegrundlage über die Persönlichkeit erforderlich ist. In allen anderen Fällen kann die Videokonferenz dann noch ausreichen, soweit der Verurteilte auf die unmittelbar mündliche Anhörung verzichtet hat und durch die Videokonferenz alle der Prognose dienenden Umstände des § 57 Abs. 1 S. 2 StGB ausreichend übertragen werden. Das Gericht muss auf dieser Grundlage eine mögliche Gefahr durch den Verurteilten für die Allgemeinheit beurteilen können. Kann es das, so besteht auch die Möglichkeit, eine positive Aussetzungsentscheidung zu treffen. In allen genannten Fällen hat ein Verzicht des Verurteilten freiwillig zu erfolgen. Wirkt das Gericht ohne vorherige umfassende Aufklärung und in zeitlicher Nähe auf den Verzicht des Verurteilten hin, ist die Freiwilligkeit regelmäßig nicht gegeben und die Verzichtserklärung unwirksam. Führt die Strafvollstreckungskammer dennoch die Anhörung mittels Videokonferenz durch, wird die gesetzlich vorgegebene Form der Anhörung nicht beachtet.

II. Die Videokonferenz bei fakultativ-mündlichen Anhörungen Die Strafprozessordnung kennt eine Reihe von Strafvollstreckungsentscheidungen, die nicht einer zwingenden mündlichen Anhörung des Verurteilten bedürfen. Gleichwohl ist eine mündlich geführte Anhörung durch den Spruchkörper in diesen Fällen nicht unzulässig.204 Die Mündlichkeit der Anhörungen ist mithin für das entscheidende Gericht fakultativ. Diese Anhörungen werden im Folgenden daher auch als fakultativ-mündliche bezeichnet.205 Nachfolgend wird untersucht, ob diese Form der Anhörung durch eine Videokonferenz – ohne Zustimmung des Inhaftierten – erfolgen kann. Dazu werden die einzelnen Normen kurz skizziert (1.) und soweit Meyer-Goßner, StPO, § 462 Rn. 3, § 454a Rn. 5 und § 453 Rn. 2. zum Begriff auch BT-Drucks. 17 / 1224, S. 14.

204  Beispielhaft 205  Vgl.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung83

nicht schon Teil des Regelungsgegenstandes der Norm, wird anschließend die Zulässigkeit von Anhörungen per Videokonferenz untersucht (2.). 1. Die Normen der fakultativ-mündlichen Anhörung im Einzelnen Zu den Normen der fakultativ-mündlichen Anhörungen zählt insbesondere das Verfahren bei gerichtlicher Entscheidung gemäß § 462 Abs. 1 und 2 StPO. Mittelbar stellt sich die Frage der Zulässigkeit von per Videokonferenz geführten Anhörungen auch im Rahmen der nachträglichen Entscheidung, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen, gemäß § 453 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO, und bei Aufhebung der Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe gemäß § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO. Bei der letztgenannten Entscheidung dürfte der Anwendungsbereich der Videokonferenz zwar klein sein, da der Verurteilte sich häufig wieder in Freiheit befinden wird, ausgeschlossen ist sie dennoch nicht. Eine Zuschaltung des Verurteilten über seinen Anwalt, aus der Untersuchungshaft wegen einer erneuten Straftat oder aus dem Polizeigewahrsam kann ein möglicher Anwendungsbereich der Videokonferenz auch hier sein. a) § 453 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO Ist die Strafe durch Urteil zur Bewährung ausgesetzt (§ 57 StGB) oder wurde die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) ausgesprochen, so ergeht mit diesem Urteil ein Beschluss über die Ausgestaltung der Strafe.206 Soll dieser Beschluss wegen nachträglich hervorgetretener Umstände abgeändert werden, ist der Anwendungsbereich des § 453 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO eröffnet. Der Angeklagte ist dann zu hören (§ 453 Abs. 1 S. 2 StPO). Auch bei dieser Anhörung ist die Mündlichkeit nicht ausgeschlossen.207 Solange das Gericht nicht über den Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen entscheidet, ist eine mündliche Anhörung gemäß (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO) jedoch nicht explizit vorgeschrieben. Eine Anhörung im Wege der Videokonferenz ist nicht ausdrücklich zulässig. b) § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO Ist bereits ein rechtskräftiger Aussetzungsbeschluss des Strafrestes der Freiheitsstrafe zur Bewährung gemäß § 454 StPO ergangen und stellen sich 206  KK-StPO / Appl, 207  Meyer-Goßner,

§ 453 Rn. 1. StPO, § 453 Rn. 2.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

noch vor der Entlassung des Inhaftierten nachträglich neue oder bis dahin unbekannte Tatsachen heraus, die die Aufhebung der Aussetzung rechtfertigen, ist § 454a Abs. 2 StPO anzuwenden. § 454a Abs. 2 S. 1 StPO verweist dabei auf die Regelungen der Anhörung des § 454 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO. Nicht erfasst von der Verweisung ist die obligatorisch-mündliche Anhörung des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO. Somit trifft das Gericht die Entscheidung grundsätzlich ohne mündliche Anhörung, sie ist aber auch hier nicht unzulässig.208 Die Anhörung ist folglich fakultativ-mündlicher Art. Nähere Ausführungen zur Durchführung der Anhörung mittels Videokonferenztechnik sind nicht getroffen. c) § 462 Abs. 2 S. 1 StPO § 462 StPO stellt die Grundnorm aller gerichtlichen Verfahren in der Strafvollstreckung dar. Ausnahmen bilden hiervon die speziell geregelten Verfahren nach §§ 453 und 454 StPO. Gemäß § 462 Abs. 2 S. 1 StPO sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Die Anhörung des Verurteilten kann schriftlich oder mündlich geschehen.209 Bis zum 1. November 2013 ist eine Anhörung per Videokonferenz auch nicht ausdrücklich geregelt gewesen. 2. Die Anhörung mittels Videokonferenz als Anhörung Die dargestellten Normen enthalten keine expliziten Regelungen zum Einsatz von Videokonferenztechnik. Dennoch ist auch bei diesen fraglich, ob Videokonferenztechnik eingesetzt werden kann. Hierfür entscheidend ist das Verständnis des Begriffs der Anhörung. Dem Verständnis des Begriffs der Anhörung muss man sich also mittels Auslegung nähern. Für die § 453 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO, § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO und § 462 Abs. 2 S. 1 StPO ist im folgenden Abschnitt, soweit möglich, die Auslegung zusammengefasst. a) Auslegung nach dem Wortlaut Der Wortlaut der einzelnen fakultativ-mündlichen Anhörungen, die hier untersucht werden, variiert nur hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten, nicht jedoch hinsichtlich der Ausgestaltung der Anhörung. 208  Meyer-Goßner,

StPO, § 454a Rn. 5. Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, S. 569; Meyer-Goßner, StPO, § 462 Rn. 3 und § 462 Abs. 2 S. 2 StPO; Dölling / Duttge / Rössner / Pflieger, Gesamtes Strafrecht, § 462 Rn. 2. 209  Hahn,



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung85

aa) § 453 Abs. 1 S. 2 StPO So heißt es in § 453 Abs. 1 S. 2 StPO […] [die] Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. Eine Konzeption hinsichtlich der Anhörungsmodalität ist diesem Wortlaut nicht zu entnehmen. bb) § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 2 StPO Bei der Entscheidung über die Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist dem Wortlaut nur ein Verfahrensbeteiligter mehr zu entnehmen. Ausführungen zur Modalität der Anhörung finden sich auch hier im Gesetzeswortlaut nicht: Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. cc) § 462 Abs. 2 S. 1 StPO Der Wortlaut des § 462 Abs. 2 S. 1 StPO erfordert die Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten. Weitere Vorgaben hinsichtlich der Modalität enthält auch diese Vorschrift nicht. dd) Die weitere Auslegung nach dem Wortlaut Dem Wortlaut der drei vorliegenden Normen ist somit gemein, dass eine Modalität der Anhörung nicht zu entnehmen ist. Insoweit die Gesetzesnormen keine explizite Regelung treffen, ist bei der Auslegung nach dem Wortlaut auf die juristisch fachspezifische Wortbedeutung abzustellen.210 Der Begriff der Anhörung wird vom Gesetzgeber beispielsweise im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 28 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 VwVfG) und in einer Vielzahl von Spezialgesetzen als wechselseitige Kommunikation verstanden.211 Ebenso wird der Begriff in der Literatur verstanden.212 Videokonferenztechnik ermöglicht gerade diese wechselseitige Übertragung von Bild und Ton, von Rede und Gegenrede. Nicht entscheidend ist dabei, ob die Kommunikation in Echtzeit geschieht. Auch Kommunikation, die in deutlichem zeitlichen Abstand geschieht, kann wechselseitige Kommunikation 210  Rüthers / Fischer / Birk,

Rechtstheorie, S. 437. den Spezialgesetzen vgl. Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, S. 48. 212  Beispielhaft Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, S. 48; Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 147. 211  Zu

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

darstellen. Der Einsatz von Videokonferenztechnik ist folglich vom Wortlaut der Anhörung erfasst. b) Systematische Auslegung Der Sinn des Begriffs „Anhörung“ und seine Modalität können sich auch aus dem Gesetzeskontext ergeben.213 Wie bereits im Rahmen der systematischen Auslegung von § 453 Abs. 1 S. 3 StPO festgestellt, lässt sich eine positive Abgrenzung des Begriffs „Anhörung“ in der Strafprozessordnung nicht treffen.214 Der Begriff Anhörung lässt sich aber negativ vom Begriff der mündlichen Anhörung abgrenzen. Die Strafprozessordnung verwendet den Begriff der mündlichen Anhörung zum Beispiel im Rahmen von § 453 Abs. 1 S. 3 StPO. Dort bezeichnet er eine unmittelbare Kommunikation, die nicht durch ein künstliches Medium übermittelt wird.215 Der Anhörungsbegriff als solcher schließt hingegen künstliche Medien nicht aus, wie zum Beispiel das schriftliche Verfahren.216 Ein solches künstliches Medium stellt auch die Videokonferenztechnik dar, welche Ton und Bild digitalisiert übertragen kann. Eine wechselseitige Übertragung der Anhörung mittels Videokonferenztechnik ist folglich vom Begriff der Anhörung umfasst. c) Entstehungsgeschichtliche Auslegung Die entstehungsgeschichtliche Auslegung bedient sich als Ausgangspunkt der historischen Aussagen des Gesetzgebers, um den Sinn und Zweck der Norm zu ermitteln.217 Die einzelnen Normen wurden zu unterschiedlichen Zeiten in die Strafprozessordnung eingeführt, sie sollen daher nachfolgend wieder getrennt betrachtet werden. aa) § 453 Abs. 1 S. 1 StPO Der Bundestag hat in seiner ersten Legislaturperiode mit dem dritten Strafrechtsänderungsgesetz (Strafrechtsbereinigungsgesetz) vom 4. August 1953 die Strafaussetzung zur Bewährung in das Strafgesetzbuch sowie die dadurch notwendig werdende nachträgliche Entscheidung in die Strafpro213  Rüthers / Fischer / Birk,

Rechtstheorie, S. 439. drittes Kapitel, A.I.1.a)aa)(2). 215  Vgl. drittes Kapitel, A.I.1.a)aa)(2). 216  Vgl. etwa zum schriftlichen Verfahren bei § 462 StPO KK-StPO / Appl, § 462 Rn. 6a. 217  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 468. 214  Vgl.



A. Die Gesetzeslage vor der Neuregelung87

zessordnung eingeführt.218 Dem Entwurf zu diesem Gesetz ist zu entnehmen, dass die Rechte des Angeklagten durch die Anhörung gewahrt werden sollen.219 Genauere Ausführungen über die Modalität der Anhörung sind den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen. bb) § 454a Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 2 StPO § 454a StPO wurde zum 1. Mai 1986 durch das 23. Strafrechtsänderungsgesetz (23. StrÄndG) in die Strafprozessordnung eingeführt.220 Ob die Anhörung auch das Mittel der Videokonferenz umfasst, erschließt sich weder aus der Begründung des Gesetzes noch aus den Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf. cc) § 462 Abs. 2 S. 1 StPO Schon mit Erlass der Strafprozessordnung zum 1. Februar 1877 wurde diese Grundnorm vieler Strafvollstreckungsverfahren eingeführt.221 Sie enthielt bereits zum Inkrafttreten, wenn auch nicht wortgleich mit der heutigen Regelung, die Verpflichtung des Gerichtes, dem Verurteilten Gelegenheit zu geben, „Anträge zu stellen und zu begründen“222. Bei den Verhandlungen der Kommission zur Schaffung einer einheitlichen Strafprozessordnung wurde deutlich, dass „Anträge zu stellen und zu begründen“ mündlich oder schriftlich geschehen sollte.223 Dieses Recht war dem Verurteilten allerdings erst im späteren Beratungsverlauf eingeräumt worden.224 Die Regelung wurde nach Wegfall einer allgemeinen Anhörungspflicht nötig.225 In der dann in Kraft getretenen Norm war freilich mangels Absehbarkeit die Videokonferenztechnik nicht spezieller Regelungsgegenstand.

218  Drittes Strafrechtsänderungsgesetz (Strafrechtsbereinigungsgesetz) v. 4.8.1953, BGBl. I, S. 735 ff.; zum Strafrechtsbereinigungsgesetz vgl. auch Vorwort in: Schwarz, Strafprozessordnung. 219  BT-Drucks. 1 / 3713, S. 55. 220  23. Strafrechtsänderungsgesetz – Strafaussetzung zur Bewährung – (23. StrÄndG) v. 13.4.1986, BGBl. I, S. 395. 221  Vgl. § 494 StPO in der Fassung vom 1.2.1877, verkündet in RGBl. 1877, S. 253 (343). 222  Vgl. § 494 StPO in der Fassung vom 1.2.1877. 223  Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, S. 569. 224  Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, S. 1136. 225  Vgl. die Ausführungen zu § 27 und die allgemeine Anhörungspflicht in Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, S. 569 und S. 1136.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

dd) Zwischenergebnis Bei den genannten Normen finden sich keinerlei Hinweise auf die tatsächliche Ausgestaltung oder Eingrenzung der Anhörung hinsichtlich Videokonferenztechnik. Der Begriff der „Anhörung“ ist nach historischer Auslegung folglich als zumindest für die Videokonferenz offen zu betrachten. d) Teleologische Auslegung Dafür, dass die Durchführung einer Videokonferenz begrifflich von der Anhörung umfasst ist, spricht, dass dem Angeklagten bzw. Verurteilten so eine bessere Einwirkungsmöglichkeit auf die Entscheidung gegeben wird. Er bekommt die Möglichkeit, eventuelle Widersprüche des Sachverhaltes sofort aufklären zu können und sie nicht Teil des Entscheidungsprozesses werden zu lassen. Zumal Verurteilte und eventuell Inhaftierte oft vor erheblichen Schwierigkeiten stehen, sich im Wege der Anhörung schriftlich zu äußern.226 Insofern kann die Videokonferenz als Mittel der Anhörung dazu beitragen, die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte gemäß Art.  2 Abs. 2 S. 2 GG des Verurteilten und eventuell zusätzlich Inhaftierten zu bestärken, wenn er vor weiterer oder erneuter Haft verschont bleibt. Gleichwohl impliziert die Videokonferenz als Anhörung auch die Gefahr für den Verurteilten, den Entscheidungsprozess des Gerichtes negativ zu beeinflussen. Liegen die Gründe der negativen Beeinflussung im Verhalten oder in der Person des Verurteilten, werden allerdings keine grundrechtlich geschützten Rechtspositionen des Verurteilten beeinträchtigt. Sind die Gründe der negativen Beeinflussung der Entscheidung aber durch die Übertragungsqualität des Videokonferenzsystems beeinflusst, kann der Verurteilte durchaus in grundrechtlichen Rechtspositionen beeinträchtigten werden. Allerdings besteht diese Gefahr der negativen Wirkung bei fehlerhafter Übertragung auch im schriftlichen Verfahren. Der Verurteilte hat auch im schriftlichen Anhörungsverfahren häufig gegenüber den entscheidenden Richtern keinerlei Möglichkeit, die Wirkung seiner mehr oder minder geglückten Ausführungen zu überprüfen. Der Einsatz von Videokonferenztechnik bei fakultativ-mündlichen Anhörungen fördert den Sinn und Zweck der Anhörung. Nach teleologischer Auslegung ist davon auszugehen, dass die Videokonferenz vom Begriff der „Anhörung“ umfasst ist.

226  Walter,

Strafvollzug, Rn.  431 ff.



B. Vom Entwurf zum Gesetz89

3. Zusammenfassung Alle anerkannten Auslegungsmethoden kommen zu dem Ergebnis, dass die Videokonferenz zumindest vom Begriff der „Anhörung“ nicht ausgeschlossen ist. Die Sinnhaftigkeit von Videokonferenztechnik als fakultativmündliche Anhörungen wird zudem deutlich, wenn die Betrachtung auf die Weite und Tiefe der Grundrechtsbeeinträchtigungen abstellt. Nicht wenigen Verurteilten wird die Abfassung von schriftlichen Erläuterungen im Wege der Anhörung Schwierigkeiten bereiten. Die Videokonferenztechnik kann hier Abhilfe schaffen und die Grundrechte des Verurteilten eher zur Geltung bringen.

B. Vom Entwurf zum Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren Am 25. April 2013 hat der deutsche Bundespräsident das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren ausgefertigt.227 Es trat am 1. November 2013 in Kraft und hat einen mehr als sechsjährigen Gesetzgebungsprozess abgeschlossen. Dieses Gesetz enthält eine Vielzahl von Änderungen, von denen jedoch nur die des § 462 StPO die Strafvollstreckung betrifft. Weiterreichende Regelungsvorschläge für den Einsatz von Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung enthielt das Änderungsgesetz nicht. Dabei war durch die beiden Gesetzesentwürfe des Landes Hessens vom 19. September 2007 und 23. Dezember 2009 der Videokonferenzeinsatz durch die Strafvollstreckungskammern deutlich umfangreicher vorgesehen.228 Im Folgenden wird auf diese Entwürfe und die Änderungen im Gesetzgebungsverfahren eingegangen, es werden jedoch nur die strafvollstreckungsrechtlichen Aspekte des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt.

I. Die erste Gesetzesinitiative – 16. Wahlperiode des Bundestages Eine erste Gesetzesinitiative zur Regelung des Videokonferenzeinsatzes in der Strafvollstreckung ergriff am 19. Oktober 2007 das Bundesland Hessen. Dazu brachte das Land eine Gesetzesinitiative zum verstärkten Einsatz von 227  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, 935. 228  BR-Drucks. 643 / 07 und BR-Drucks. 902 / 09.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Videokonferenztechnik in den Bundesrat ein.229 Primäres Ziel der Initiative war laut des Hessischen Ministeriums der Justiz, „die rechtlichen Möglichkeiten des Einsatzes der Videokonferenztechnik auszuweiten, damit dieses kostensparende, beschleunigende und bürgerfreundliche Medium stärker eingesetzt werden kann“230. Als änderungsbedürftig wurde vor allem das grundsätzliche Zustimmungserfordernis der Beteiligten zum Einsatz von Videokonferenztechnik gesehen.231 Dabei stellte das Ministerium jedoch fest, dass die Videokonferenztechnik nur dann in der Strafvollstreckung eingesetzt werden soll, „wenn es nicht auf den persönlichen Eindruck der anzuhörenden Person ankommt“232. Im eingebrachten Gesetzesantrag des Landes Hessens im Bundesrat finden sich sodann Änderungen der Strafprozessordnung.233 Genannt waren die nachträgliche Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 453 StPO-E),234 des Weiteren die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 454 StPO-E) und das Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen (§ 462 StPO-E). Dass es gerade bei den Verfahren nach § 453 und § 454 StPO auf den persönlichen Eindruck vom Verurteilten / Angeklagten ankommt, wurde bereits in der Untersuchung der bisherigen Gesetzeslage aufgezeigt. Im Folgenden wird auf die Änderungen, die die Strafvollstreckung betreffen, eingegangen. Zur Gewinnung eines besseren Überblicks wird dem historischen Ablauf der Gesetzgebungsvorhaben gefolgt. 1. Der Entwurf und Beschluss des Bundesrates a) § 453 StPO-E Der erste Änderungsvorschlag des Gesetzesentwurfes betraf die Anhörung des Verurteilten bei nachträglicher Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 453 StPO. Hierzu sollte durch den Entwurf in Abs. 1 ein S. 3 neu eingeführt werden: 229  BR-Drucks.

643 / 07. Ministerium der Justiz, Presseinformation Nr. 213, v. 12.10.2007; anstelle von „Bürgerfreundlichkeit“ spricht der Gesetzesentwurf von einem „Service­ angebot im Sinne einer kundenorientierten Justiz“, vgl. dazu BR-Drucks. 643 / 07, S. 3. Zu dieser sprachlich eher misslungenen Umdeutung des Gefangenen vgl. Rehn, Anmerkungen zur Situation des Strafvollzuges, S. 80. 231  Hessisches Ministerium der Justiz, Presseinformation Nr. 213, v. 12.10.2007. 232  Hessisches Ministerium der Justiz, Presseinformation Nr. 213, v. 12.10.2007. 233  Vgl. zum Gesetzesantrag: BR-Drucks. 643 / 07, S. 6 ff. 234  BR-Drucks. 643 / 07, S. 7. 230  Hessisches



B. Vom Entwurf zum Gesetz91 „Das Gericht kann anordnen, dass die Anhörung des Verurteilten unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.“235

Laut Begründung des Landes Hessen sah die Regelung des § 453 StPO zwar ein rechtliches Gehör vor, jedoch nicht deren Form.236 Das Gericht sollte die Videokonferenz auch beim drohenden Widerruf der Strafaussetzung einsetzen können.237 In dem Beschluss des Bundesrates wurde ohne nähere Begründung lediglich die Bezeichnung des „Verurteilten“ durch den des „Angeklagten“ ausgetauscht, obwohl sich der einzufügende Satz auf § 453 Abs. 1 S. 3 StPO und damit auf den Verurteilten bezog. Der endgültige Wortlaut des Bundesrates lautete nun wie folgt: „Das Gericht kann anordnen, dass die Anhörung des Angeklagten unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Angeklagte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.“238

Die Einsatzmöglichkeit der Videotechnik entsprach folglich der ersten Fassung. b) § 454 StPO-E Die Videokonferenztechnik sollte ebenso, ohne Zustimmung des Verurteilten, bei Aussetzung der Vollstreckung von Restfreiheitsstrafen Einzug erhalten.239 Die Initiative beabsichtigte daher, in § 454 StPO nach Abs. 1 S. 3 folgenden Satz einzufügen: „Das Gericht kann anordnen, dass die Anhörung des Verurteilten unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.“240

Neben dem Verurteilten hätten auch Sachverständige per Videokonferenz angehört werden können.241 Der Gesetzesinitiator machte durch diese Möglichkeiten erhebliche Einsparungspotenziale geltend.242 Die Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates, unter Federführung des Rechtsausschusses, regte jedoch die Eingrenzung dieser Vorschrift an. Bei Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 454 Abs. 2 oder § 463 Abs. 3 S. 3 StPO empfahl der Rechtsausschuss, keine Videokonferenzen abzuhalten, da die Entscheidung 235  BR-Drucks. 236  BR-Drucks. 237  BR-Drucks. 238  BR-Drucks. 239  BR-Drucks. 240  BR-Drucks. 241  BR-Drucks. 242  BR-Drucks.

643 / 07, S. 7. 643 / 07, S. 22. 643 / 07, S. 22. 643 / 07 (Beschluss), S. 7. 643 / 07, S. 22. 643 / 07, S. 7. 643 / 07, S. 22. 643 / 07, S. 22.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

für den Verurteilten und für die öffentliche Sicherheit von hoher Bedeutung seien.243 Auch der Sachverständige sollte weiterhin mündlich angehört werden, soweit die Verfahrensbeteiligten nicht auf diese Form der Anhörung ausdrücklich verzichteten.244 Die Änderungen wurden vom Bundesrat angenommen,245 der entsprechende Regelungsgehalt wurde nun wie folgt gefasst: „Das Gericht kann anordnen, dass die Anhörung des Verurteilten unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird; dies gilt nicht in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1.“246

c) § 462 StPO-E § 462 StPO stellt in der Strafvollstreckung die grundlegende Verfahrensvorschrift für nachträgliche Entscheidungen dar, mit Ausnahme der bereits oben erwähnten §§ 453 und 454 StPO.247 Im Rahmen dessen besteht für das Gericht grundsätzlich eine Pflicht zur Anhörung der Verfahrensbeteiligten gemäß § 462 Abs. 2 S. 1 StPO. Eine mündliche Anhörung ist jedoch vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben, ebenso wenig ausgeschlossen. Infolgedessen ist sie im Rahmen von § 462 StPO nur fakultativ.248 Der letzte Änderungsvorschlag bezog sich auf § 462 Abs. 2 S. 1 StPO, dort wollte das Land Hessen folgenden Satz ergänzen:249 „Ordnet das Gericht eine Anhörung an, so kann sie unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Verurteilten zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen werden.“250

Die Begründung des Gesetzesentwurfes gibt an, dass durch die Einführung des Satzes die Videokonferenz auch bei den übrigen gerichtlichen Strafvollstreckungsverfahren eingesetzt werden könnte und zugleich eine Chance für den Einsatz eröffnet würde.251 In diesem Wortlaut nahm der Bundesrat schließlich die Gesetzesänderung des § 462 StPO an.252 243  BR-Drucks.

643 / 1 / 07, S. 6. 643 / 1 / 07, S. 6–7. 245  Verh. d. BR, 840. Sitzung v. 20.12.2007, S. 442. 246  BR-Drucks. 643 / 07 (Beschluss), S. 7. 247  KK-StPO / Appl, § 462 Rn. 1. 248  Meyer-Goßner, StPO, § 462 Rn. 3. 249  BR-Drucks. 643 / 07, S. 8. 250  BR-Drucks. 643 / 07, S. 8. 251  BR-Drucks. 643 / 07, S. 22. 252  BR-Drucks. 643 / 07 (Beschluss), S. 7. 244  BR-Drucks.



B. Vom Entwurf zum Gesetz93

2. Die Stellungnahme der Bundesregierung und das Scheitern des ersten Entwurfes Der Gesetzesentwurf wurde am 20. Dezember 2007 vom Bundesrat beschlossen und anschließend durch die Bundesregierung in den Bundestag eingebracht.253 In ihrer Stellungnahme erhob die Bundesregierung jedoch Bedenken gegen die Neuregelungen des § 453 und § 454 StPO-E. Sie sah durch den Einsatz von Videokonferenztechnik die Gefahr einer Verzerrung des persönlichen Eindrucks vom Verurteilten und lehnte daher diese Änderungen ab.254 Zustimmung fand hingegen die Regelung zum Einsatz von Videokonferenztechnik bei Verfahren gemäß § 462 StPO-E.255 Anschließend erfolgte die erste Lesung im Bundestag. Der Entwurf scheiterte jedoch am 27. Oktober 2009 mit dem Zusammentritt des 17. Deutschen Bundestages.256 Denn die sachliche Diskontinuität gemäß § 125 S. 1 GOBT gebietet, dass unter anderem Gesetzesentwürfe, die nicht abschließend im Bundestag behandelt worden sind, als erledigt gelten.257 Daraufhin brachte das Land Hessen gut zwei Jahre später, am 23. Dezember 2009, den Entwurf erneut in den Bundesrat ein.258

II. Die zweite Initiative – 17. Wahlperiode des Bundestages Damit der 17. Bundestag sich erneut mit dem Entwurf befassen konnte, musste er formgerecht neu in das Parlament eingebracht werden.259 Folglich veranlasste das Land Hessen am 23. Dezember 2009 ein erneutes Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat über den Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren.260 Inhaltlich entsprach der Entwurf dem der ersten Gesetzesinitiative mit Stand der Beschlussfassung des Bundes­ rates vom 20. Dezember 2007.261 In der Strafvollstreckung betraf dieser Entwurf erneut die nachträgliche Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 453 StPO-E), die Ent253  BT-Drucks.

16 / 7956. 16 / 7956, S. 17. 255  BT-Drucks. 16 / 7956, S. 17. 256  Zum Ende einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages siehe Art. 39 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG. 257  Vgl. § 125 S. 1 GOBT und Maunz / Dürig / Maunz / Klein, GG, Art. 39 Rn. 53 f. 258  BR-Drucks. 902 / 09. 259  Maunz / Dürig / Maunz / Klein, GG, Art. 39 Rn. 53 f. 260  BR-Drucks. 902 / 09. 261  BR-Drucks. 643 / 07 (Beschluss). 254  BT-Drucks.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

scheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 454 StPO-E) und das Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen (§ 462 StPO-E).262 In der Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens soll auch hier dem historischen Ablauf gefolgt werden. 1. Der Beschluss des Bundesrates vom 12. Februar 2010 In seiner 866. Sitzung nahm der Bundesrat den Gesetzesentwurf Hessens an. Eine Aussprache fand nicht statt; Änderungen gab es, abweichend vom ersten Beschluss des Bundesrates, nicht.263 Zugrunde lag dem Beschluss der bereits oben kurz skizzierte und im Bundesrat bereits schon einmal beschlossene Gesetzesentwurf des Landes Hessen vom 19. Oktober 2007.264 Gemäß Art. 76 Abs. 1 GG ist der Gesetzesentwurf anschließend dem Bundestag zugeleitet worden.265 2. Einbringen in den Bundestag und Stellungnahme der Bundesregierung Die Bundesregierung hat gemäß Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG den Gesetzesentwurf des Bundesrates dem Bundestag zugeleitet.266 Sie musste diesen gemäß Art. 76 Abs. 3 S. 2 GG mit einer eigenen Stellungnahme versehen. In ihr erhob die Bundesregierung Bedenken gegen den Einsatz von Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungsverfahren.267 Bei Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO) hat sich nach Auffassung der Bundesregierung das Gericht einen „unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten“268 zu machen. Ebenfalls Bedenken äußert die Regierung gegenüber dem Einsatz von Videokonferenztechnik bei Anhörungen zur Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 1 S. 3 StPO). Auch hier komme es laut Bundesregierung auf einen unmittelbaren Kontakt zum Verurteilten und den persönlichen Eindruck von ihm an.269 In der Stellungnahme zum Gesetzesentwurf wurden daher beide Änderungsvorschläge abgelehnt. Einzig bei gerichtlichen Entscheidungen nach § 462 StPO stimmte die Bun262  BR-Drucks.

902 / 09 mit Verweis auf BR-Drucks. 643 / 07, S. 7–8. d. BR, 866. Sitzung v. 12.2.2010, S. 10. 264  Vgl. BR-Drucks. 902 / 09 und den dortigen Verweis auf den Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 20. Dezember 2007 – BR-Drucks. 643 / 07. 265  BR-Drucks. 902 / 09. 266  BT-Drucks. 17 / 1224. 267  BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18. 268  BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18. 269  BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18. 263  Verh.



B. Vom Entwurf zum Gesetz95

desregierung inhaltlich den Änderungsvorschlägen des Bundesrates zu, forderte jedoch eine sprachliche Überarbeitung.270 Weitere Erläuterungen hierzu erfolgen nicht. Den von § 462 StPO umfassten Entscheidungen ist jedoch immanent, dass der Eingriff gegenüber § 453 Abs. 1 S. 3 StPO und § 454 Abs. 1 S. 3 StPO grundsätzlich geringer ausfällt. Bei Entscheidungen gemäß § 462 StPO kommt es grundsätzlich nicht auf den persönlichen Eindruck vom Verurteilten an. Es lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Bundesregierung Anhörungen mittels Videokonferenztechnik in der Strafvoll­ streckung grundsätzlich ablehnend beurteilte und nur im Rahmen des § 462 StPO von einer Nutzungsmöglichkeit ausging. 3. Der Entwurf im Plenum des Bundestages – die erste Beratung In seiner 96. Sitzung hat das Plenum des Deutschen Bundestages über den hessischen Gesetzesentwurf in seiner ersten Lesung beraten.271 In der Debatte wurden durch Abgeordnete Zeit- und Kostenersparnisse sowie erhöhte Sicherheit durch wegfallende Gefangenentransporte als Vorteile der Videokonferenztechnik benannt.272 Andere wiesen auf die besondere Bedeutung des höchstpersönlichen Eindrucks bei Entscheidungen in der Strafvollstreckung hin.273 Sie sahen daher die Nutzung in der Strafvollstreckung kritisch. Der beste Schutz vor einem regen Einsatz von Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen sei weiterhin ein Zustimmungserfordernis des Verurteilten zur Durchführung.274 Im Anschluss an die Debatte verwies das Plenum den Gesetzesentwurf an den Innenausschuss und federführend in den Rechtsausschuss. 4. Expertenanhörung und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Der Rechtsausschuss empfahl, die ursprünglich hessischen Vorschläge zu den § 453 StPO-E und § 454 StPO-E entfallen zu lassen.275 Die Änderungen des § 462 Abs. 2 S. 1 StPO-E wurden durch den Ausschuss sprachlich überarbeitet und wie folgt gefasst: „Ordnet das Gericht eine mündliche Anhörung an, so kann es bestimmen, dass sich der Verurteilte dabei an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die 270  BT-Drucks.

17 / 1224, S. 18. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055–11060. 272  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055–11057. 273  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11057. 274  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11058. 275  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 10. 271  Verh.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.“276

Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ging eine Expertenanhörung voraus. Die Experten standen dem verstärkten Einsatz von Videokonferenztechnik grundsätzlich offen gegenüber.277 Die Motive hierfür waren vielfältig, so wurden Videokonferenzen als Mittel zur Dokumentation der Aussage gesehen,278 zur Stärkung des Anhörungsrechts bei nicht obligatorischen Anhörungen,279 zur Beschleunigung des Verfahrens,280 in Verbindung mit der Einsparung von Ressourcen281 und zum Anschluss an internationale Standards282. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen in der Strafvollstreckung spalteten sich die Experten hingegen in zwei Lager. Ein Teil begrüßte auch hier die Möglichkeit des Videokonferenzeinsatzes. Die Befürworter sahen grundsätzlich keine Bedenken gegen Videokonferenzen bei Anhörungen gemäß § 453 StPO oder § 454 StPO.283 Wimmer gab in seiner Stellungnahme zu bedenken, dass bei den Entscheidungen gemäß § 453 StPO eine Anhörung per Videokonferenz nur bei großen Entfernungen Sinn machen würde.284 Köbler sah den Einsatz zumindest dann als sinnvoll an, wenn das Gericht ohnehin den Widerrufsantrag zurückweisen will.285 Für die Verfahren gemäß § 454 StPO sahen Wimmer und Köbler erhebliche Verfahrenserleichterungen und einen Sicherheitsgewinn durch entfallende Gefangenentransporte.286 Weiterhin sei die Videokonferenztechnik in der Lage, einen ausreichenden persönlichen Eindruck zu liefern.287 Deshalb sollte laut Köbler der Videokonferenzeinsatz gerade in das Ermessen des Gerichtes gestellt werden.288 Dem gegenüber lehnte ein anderer Teil der Experten den Entwurf der § 453 und § 454 StPO-E strikt ab. Begründet wurde die Ablehnung der Videokonferenzen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen in der Strafvollstreckung von Deckers. Zum einen sei die Tätigkeit der Richterinnen 276  BT-Drucks.

17 / 12418, S. 10. d. BT-Rechtsauschuss, 17. Wahlp., Protokoll Nr. 111. 278  Bockemühl, Stellungnahme, S. 4; Stahlmann-Liebelt, Stellungnahme, S.  1 ff. 279  Deckers, Stellungnahme, S. 1. 280  Gaede, Stellungnahme, S. 1. 281  Hermann, Stellungnahme, S. 1; Köbler, Stellungnahme, S. 1; Schwenkert, Stellungnahme, S. 1; Wimmer, Stellungnahme, S. 2. 282  Schierholt, Stellungnahme, S. 1. 283  Stahlmann-Liebelt, Stellungnahme, S. 4. 284  Wimmer, Stellungnahme, S. 7. 285  Köbler, Stellungnahme, S. 4. 286  Wimmer, Stellungnahme, S. 7; Köbler, Stellungnahme, S. 1. 287  Wimmer, Stellungnahme, S. 7. 288  Köbler, Stellungnahme, S. 5. 277  Verh.



B. Vom Entwurf zum Gesetz97

und Richter von erheblicher Bedeutung für die weitere Vollstreckung der Strafe, zum anderen solle dem Verurteilten Gelegenheit zur persönlichen und unmittelbaren Äußerung gegeben werden.289 Erst durch diese persönliche Äußerungsmöglichkeit gewinne die Richterin oder der Richter einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Gefangenen.290 In Zusammenhang mit der Anhörung gemäß § 453 StPO hat Gaede darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Strafaussetzung sonst der Hauptverhandlung mit ihrem strengen Anwesenheitsprinzip gemäß § 231 StPO vorbehalten sei.291 Der im Entwurf vorgesehene Videokonferenzeinsatz gemäß § 453 und § 454 StPO-E sei aus diesem Grund zurückzuweisen. Weitestgehend Einigkeit bestand zwischen den beiden Lagern nur hinsichtlich der Entwurfsfassung des § 462 StPO-E. Der dortige Videokonferenzeinsatz bedeute laut breiter Ansicht eine Verstärkung der fakultativen Anhörung.292 Im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses legte Gaede noch einen Alternativvorschlag hierzu vor, welcher die Notwendigkeit eines Verzichtes durch den Verurteilten vorsah.293 Letztendlich konnte er sich mit diesem Vorschlag nicht durchsetzen. Der Bericht des Rechtsausschusses griff die Ergebnisse der Expertenanhörung auf und empfahl dem Bundestag, die § 453 und § 454 StPO-E abzulehnen.294 Der federführende Ausschuss verwies bei diesen strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen auf die Notwendigkeit des unmittelbaren höchstpersönlichen Eindrucks.295 Wie auch die Fachleute, so hatte der Rechtsausschuss bei den übrigen gerichtlichen Entscheidungen in der Strafvollstreckung gemäß § 462 StPO keine Bedenken gegenüber dem Einsatz von Videokonferenztechnik. 5. Der Entwurf im Plenum des Bundestages – die zweite und dritte Beratung Die überarbeitete Fassung wurde am 21. Februar 2013 im Bundestag zum zweiten Mal beraten. Hinsichtlich der Fragen des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung wurde inhaltlich Bezug auf die Änderungsvorschläge des Rechtsausschusses genommen. Es wurde betont, 289  Deckers,

Stellungnahme, S. 5. Stellungnahme, S. 5; Gaede, Stellungnahme, S. 12. 291  Gaede, Stellungnahme, S. 12. 292  Deckers, Stellungnahme, S. 1–2; Wimmer, Stellungnahme, S. 8; Gaede, Stellungnahme, S. 1 und S. 12. 293  Gaede, Stellungnahme, S. 13. 294  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 295  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 290  Deckers,

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

dass durch Videokonferenzen der unmittelbare persönliche Eindruck vom Verurteilten nicht ersetzt werden könne.296 Daher stimmten die Abgeordneten einhellig der Ablehnung von § 453 Abs. 1 S. 4 StPO-E und § 454 Abs. 1 S. 4 StPO-E zu. Die Videokonferenztechnik sollte folglich keinen Einsatz bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen erhalten. Hinsichtlich des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO-E sahen die Abgeordneten eine Stärkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Möglichkeiten der Videokonferenz.297 Mit den Stimmen der CDU / CSU- und SPD-Fraktionen wurde der überarbeitete Entwurf angenommen.298 Enthalten hatte sich die Fraktion der Grünen. Gegenstimmen erhielt der Entwurf durch die Fraktion DIE LINKE.299 Die dritte Beratung durch den Bundestag erfolgte im unmittelbaren Anschluss. Der Entwurf wurde betreffend der Strafvollstreckung in der Fassung des Rechtsausschusses angenommen.300 6. Die Unterrichtung des Bundesrates Der Bundesrat wurde im Anschluss an die dritte Beratung des Bundestages unterrichtet. Die Länderkammer hat in ihrer 908. Sitzung darauf verzichtet, gemäß Art. 77 Abs. 2 GG den Vermittlungsausschuss anzurufen.301 Die Änderung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO-E konnte folglich verkündet werden. 7. Die Verkündung des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren Das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren wurde vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 25. April 2013 im Bundesgesetzblatt verkündet.302 Damit trat zum 1. November 2013 auch die Änderung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO in Kraft.303 Die Videokonferenz erhielt folglich erstmals gesetzlich kodifiziert Einzug in das strafvollstreckungsrechtliche Verfahren. 296  Verh.

d. BT, 17. Wahlp., S. 27661 (B), S. 27662 (B). d. BT, 17. Wahlp., S. 27662 (D). 298  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27663 (D). 299  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27663 (D). 300  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27663 (D); BR-Drucks. 164 / 13, S. 5. 301  BR-Drucks. 164 / 13 (Beschluss). 302  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, S. 935–937. 303  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, S. 936 und S. 937. 297  Verh.



B. Vom Entwurf zum Gesetz99

III. Zusammenfassung Der Gesetzgeber konnte sich nach einem mehr als sechsjährigen Gesetzgebungsprozess zur Regelung des Einsatzes von Videokonferenzen in Strafvollstreckungsverfahren durchringen. Von dem ursprünglich vorgesehenen weiten Einsatz von Videokonferenztechnik auch bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen wich das verkündete Gesetz deutlich ab. Aufgrund des fehlenden oder zumindest verringerten persönlichen Eindrucks vom Verurteilten wurde im Gesetzgebungsprozess von solchen Regelungen abgesehen. Die § 453 Abs. 1 S. 4 StPO-E und § 454 Abs. 1 S. 4 StPO-E konnten sich folglich nicht durchsetzten. Geblieben ist der Einsatz von Videokonferenzen bei fakultativ-mündlichen Anhörungen des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO. Die abgeschwächten Änderungen in der Strafvollstreckung stehen auch im Einklang mit den in der Literatur vorgebrachten Bedenken. Denn früh wurde am Entwurf kritisiert, dass Entscheidungen in der Strafvollstreckung oft vom persönlichen Eindruck des Verfahrensbeteiligten abhängen.304 Gerade dieser persönliche Eindruck wäre nur schwierig beim Einsatz von Videokonferenztechnik zu gewinnen.305 Hinzu träten erhebliche Probleme der Betroffenen, sich sprachlich zu artikulieren, die durch die Videokonferenz noch verstärkt würden.306 In der Literatur fand hingegen die vorgenommene Änderung des § 462 StPO Zustimmung.307 Generell wurde jedoch bezweifelt, dass Videokonferenzen zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen würden.308 Doch welche Erkenntnis lässt sich aus der Änderung des Gesetzes nun ziehen? Ist der Videokonferenzeinsatz trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in vielen Strafvollstreckungsverfahren zulässig? Hat

304  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 4; Deutscher Anwaltsverein, Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren des Bundesrates (BT-Drucks. 17 / 1224, Stand 24.03.2010), S. 7; Bundesrechtsanwaltskammer, Entwurfes eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren (BT-Drucks. 17 / 1224), S. 7. 305  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 4; Deutscher Anwaltsverein, Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren des Bundesrates (BT-Drucks. 17 / 1224, Stand 24.03.2010), S. 7; Bundesrechtsanwaltskammer, Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren (BT-Drucks. 17 / 1224), S. 7. 306  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 4; vgl. ausführlicher zu solchen Schwierigkeiten von Gefangenen Walter, Strafvollzug, Rn.  431 ff. 307  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 4. 308  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 1.

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3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

die Änderung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO eine bloß deklaratorische Wirkung? Diesen Fragen soll im kommenden Abschnitt nachgegangen werden.

C. Die Gesetzeslage nach dem Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren Erstmals hat der Gesetzgeber durch sein Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren309 den Videokonferenzeinsatz in Teilen der Strafvollstreckung kodifiziert. Durch diese Gesetzesänderung wurde § 462 Abs. 2 S. 2 StPO neu eingeführt: Ordnet das Gericht eine mündliche Anhörung an, so kann es bestimmen, dass sich der Verurteilte dabei an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.

Aus der seit dem 1. November 2013 bestehenden Möglichkeit des Gerichtes, eine per Videokonferenz geführte Anhörung anordnen zu können, hat sich der Gesetzgeber eine Stärkung des Anhörungsrechtes der Betroffenen erhofft.310 Doch schon vor der Gesetzesänderung war die Videokonferenz bei allen fakultativ-mündlichen Anhörungen und so auch bei Verfahren gemäß § 462 StPO, uneingeschränkt zulässig.311 Die Auslegung des Begriffs Anhörung hat gezeigt, dass diese im Gegensatz zum rein schriftlichen Verfahren ein „Mehr“ darstellt.312 Ist die Videokonferenz vom Begriff der Anhörung bereits umfasst, muss die Form der Anhörung schon gemäß § 462 Abs. 2 S. 1 StPO im Ermessen der Strafvollstreckungskammer stehen. Inhaltlich haben die Richterinnen und Richter durch die Gesetzänderung daher keine zusätzliche Möglichkeit erhalten. Die Gesetzesänderung hat folglich eine reine deklaratorische Funktion. An der Gesetzesänderung erscheint allerdings der neu eingeführte Wortlaut des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO problematisch. Durch die Beratung des Rechtsausschusses wurde unter anderem der Passus der mündlichen Anhörung eingefügt.313 Dieser beschlossene Wortlaut setzt die mündliche Anhö309  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, 935 (936). 310  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27662 (D); BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20 und BTDrucks. 17 / 1224, S. 14. 311  Vgl. drittes Kapitel, A.II.3. 312  Vgl. drittes Kapitel, A.II.3. 313  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 10.



C. Die Gesetzeslage nach der Neuregelung101

rung mit der Anhörung mittels Videokonferenz gleich. Denn das Gericht soll laut Gesetz eine mündliche Anhörung anordnen und innerhalb dieser den Videokonferenzgebrauch bestimmen können. Eine solche Gleichsetzung verbietet jedoch schon der Begriff der mündlichen Anhörung, der begrifflich eben keine Videokonferenz umfasst. Insoweit sei hier auf die Auslegung des Begriffes bei § 453 StPO und § 454 StPO verwiesen.314 Wesentliches ­Unterscheidungskriterium der mündlichen Anhörung ist, dass sie sich eben nicht eines zusätzlichen (künstlichen) Übertragungsmediums bedient.315 Dies sah selbst der Rechtsausschuss, aus dessen Feder die jetzige Formulierung entstammt, so. Ziel des Ausschusses war es, eine „zusätzliche fakultative Möglichkeit einer Videokonferenz neben der Möglichkeit der unmittelbaren persönlichen mündlichen Anhörung zu schaffen“316. Eine Gleichstellung der Videokonferenz mit der mündlichen Anhörung sollte keineswegs erreicht werden. Dieses spiegelt sich auch bei der ablehnenden Haltung des Rechtsausschusses zur Videokonferenznutzung bei den obligatorisch-mündlichen Anhörungen der § 453 Abs. 1 und § 454 Abs. 1 StPO wieder. Die mündliche Anhörung wird hier vom Ausschuss als Folge der Notwendigkeit eines unmittelbaren höchstpersönlichen Eindrucks verstanden, die Videokonferenzen ausschließt.317 Aufgrund der eindeutigen Begründung und den klaren Auslegungsergebnissen zu den mündlichen Anhörungen der § 453 Abs. 1 und § 454 Abs. 1 StPO ergeben sich praktische Folgen aus der ungenauen Formulierung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO indes nicht. Der Gesetzgeber täte jedoch gut daran, die Verständlichkeit des Gesetzes zu fördern, und dem unterschiedlichen Regelungsgehalt auch durch verschiedene Begrifflichkeiten Rechnung zu tragen. Weitere die Strafvollstreckung betreffende Regelungen wurden durch das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren nicht geändert.318 Fraglich ist, ob für die übrigen Normen die Rechtslage vor dem 1. November 2013 uneingeschränkt fortgelten kann. Dagegen könnte sprechen, dass im Verlaufe des Gesetzgebungsprozesses mehrfach betont wurde, Videokonferenzen könnten einen unmittelbar persönlichen Eindruck nicht ersetzen.319 Dies hat auch die Untersuchung der Rechtslage vor dem 1. November 2013 ergeben. Ein eingeschränkter persönlicher Eindruck schließt die Videokon314  Vgl.

drittes Kapitel, A.I.1.a)aa) und A.I.2.a)aa). drittes Kapitel, A.I.1.a)aa)(2). 316  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 317  BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 318  Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013, BGBl. I, 935 (936). 319  Beispielsweise in den Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27661 (B) und S. 27662 (B). 315  Vgl.

102

3. Kap.: Zulässigkeit von Videokonferenztechnik bei der Anhörung

ferenznutzung jedoch nicht grundsätzlich aus. Die Technik kann bei § 453 Abs. 1 S. 3 StPO genutzt werden, wenn dem Gericht die Videokonferenz zur Sachaufklärung und Einwirkung ausreicht und so ein mittelbar persönlicher Eindruck genügt. Bei Entscheidungen gemäß § 454 StPO kann die Technik eingesetzt werden, wenn keine vollständige Prognosegrundlage über die Persönlichkeit erforderlich ist. Nicht zulässig sind Videokonferenzen dann stets bei Aussetzungsentscheidungen hoher Strafreste oder besonders schweren Straftaten im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO. Neben diesen Voraussetzungen muss in beiden Fällen der Verurteilte auf die unmittelbare mündliche Anhörung wirksam verzichtet haben. Im Ergebnis gilt damit die Rechtslage vor der Gesetzesänderung fort. Der Gesetzgeber hat in § 462 Abs. 2 S. 2 StPO lediglich eine deklaratorische Regelung zum Videokonferenzeinsatz getroffen.

D. Ergebnis Videokonferenzen sind in der Strafvollstreckung nicht generell ausgeschlossen. Bei fakultativ-mündlichen Anhörungen kann der Einsatz von Videokonferenztechnik eine direktere Kommunikation zwischen dem Verurteilten und dem Gericht fördern. Der Einsatz von Videokonferenztechnik steht bei diesen Anhörungen im freien Ermessen des entscheidenden Gerichtes, da die gesetzlichen Regelungen keine Vorgaben über die Art und die Durchführung der Anhörung statuieren. Nur in § 462 StPO hat der Gesetzgeber erstmals den Einsatz von Videokonferenzen bei fakultativ-mündlichen Anhörungen geregelt. Inhaltlich hat er die Einsatzmöglichkeiten der Videokonferenztechnik damit nicht erweitert, da bei fakultativ-mündlichen Anhörungen diese bereits im Ermessen des Gerichtes gestanden haben. § 462 Abs. 2 S. 2 StPO kommt daher eine bloß klarstellende Funktion zu. Der Einsatz von Videokonferenzen bei fakultativ-mündlichen Anhörungen bietet sich zumindest an, wenn ein schriftliches Verfahren mangels Lese- oder Schreibkompetenzen des Verurteilten / Angeklagten zu erheblichen Problemen führt. Hier kann die Videokonferenztechnik wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation zwischen dem Gericht und dem Verurteilten/Angeklagten beitragen. Das Anhörungsverfahren kann so verbessert und die Rechte des Verurteilten / Angeklagten gestärkt werden. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen sind Videokonferenzen grundsätzlich nicht zulässig. Eine Ausnahme bilden atypische Fälle der Anhörung nach § 453 Abs. 1 S. 3 StPO: Dort kann die mündliche Anhörung unterbleiben, wenn beispielsweise keine weitere Aufklärung des Sachverhaltes zu erwarten ist oder die Anhörung in Anbetracht des Widerrufsgrundes nicht mehr ins Gewicht fällt. Kann das Gericht in solchen atypischen Fällen von



D. Ergebnis103

der grundsätzlich obligatorisch-mündlichen Anhörung absehen, steht es in seinem Ermessen, ersatzweise eine Videokonferenz durchzuführen oder auf die Anhörung gänzlich zu verzichten. Im typischen Fall der obligatorischmündlichen Anhörung (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO und § 454 Abs. 1 S. 3 StPO) ergibt sich für die Gerichte weder aus der Auslegung der entsprechenden Normen noch durch Rechtsfortbildung eine Möglichkeit, videokonferenzgeführte Anhörungen selbstständig anzuberaumen. Ausgeschlossen sind Videokonferenzen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen dennoch nicht, wenn der Verurteilte auf die mündliche Anhörung verzichten könnte und einer Videokonferenz zustimmen würde. Bei einem Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO kann die mündliche Anhörung durch eine Videokonferenzanhörung ersetzt werden, wenn dem Gericht die Videokonferenz zur Sachaufklärung und Einwirkung ausreicht und der Verurteilte auf die mündliche Anhörung des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO – unter gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz – verzichtet hat. Bei Aussetzungsentscheidungen gemäß § 454 StPO wäre die Videokonferenz stets zulässig, wenn die Technik alle der Prognose dienenden Umstände ausreichend übertragen würde und der Verurteilte dieser – unter Verzicht auf die mündliche Anhörung – zustimmen würde. Teil der Prognose über die Persönlichkeit des Verurteilten sind auch seine Gestik und Mimik während der Anhörung. Ob die Videokonferenztechnik diese ausreichend überträgt, soll im empirischen Teil dieser Untersuchung geklärt werden. Tut sie das nicht, sind Videokonferenzen stets bei Aussetzungsentscheidungen hoher Strafreste oder besonders schweren Straftaten im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO ausgeschlossen. Bei diesen Entscheidungen ist zwingend eine vollständige Prognosegrundlage über die Persönlichkeit erforderlich. In allen anderen Fällen kann die Videokonferenz ausreichen, soweit diese die Prognosegrundlage des § 57 Abs. 1 S. 2 StGB noch ausreichend überträgt, die Strafvollstreckungskammer daraufhin eine mögliche Gefahr durch den Verurteilten für die Allgemeinheit beurteilen kann und der Verurteilte auf die unmittelbar mündliche Anhörung – bei gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz – verzichtet hat. Auf einen Verzicht darf das Gericht jedoch weder bei § 453 Abs. 1 S. 3 StPO noch bei § 454 Abs. 1 S. 3 StPO hinwirken. Tut es das, ist der erklärte Verzicht in der Regel nicht frei und mithin unwirksam. Dieses kann die Strafvollstreckungskammer nur verhindern, wenn sie zuvor den Verurteilten umfänglich über sein Recht auf eine mündliche Anhörung aufklärt sowie auf mögliche Folgen der Nutzung der Technik hinweist. Tatsächlich ist damit der Anwendungsbereich von Videokonferenztechnik in der obligatorischmündlichen Anhörung deutlich begrenzt.

Viertes Kapitel

Besonderheiten der Videokonferenz im Rahmen der Jugendstrafvollstreckung Obwohl der Einsatz von Videokonferenztechnik im Rahmen der strafvollstreckungsrechtlichen Anhörung von Erwachsenen bei fakultativ-mündlichen Anhörungen grundsätzlich und bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen nur mit Zustimmung des Erwachsenen zulässig ist, lässt sich hieraus noch kein direkter Rückschluss auf das Vollstreckungsverfahren von jugendstrafrechtlichen Sanktionen ziehen. Denn das Vollstreckungsverfahren bei Jugendlichen weicht nicht nur inhaltlich von demjenigen bei Erwachsenen ab, sondern es besteht auch eine divergierende Zuständigkeit. Gemäß § 82 Abs. 1 S. 1 JGG ist der Jugendrichter Vollstreckungsleiter. Der Jugendrichter übernimmt auch die Aufgaben, welche die Strafprozessordnung der Strafvollstreckungskammer zuweist (§ 82 Abs. 1 S. 2 JGG). Zu den Entscheidungen, die der Jugendrichter nach Anhörung eines Jugendlichen trifft, zählen unter anderem die Aussetzung der Jugendstrafe nach Teilverbüßung zur Bewährung (§ 88 JGG) und alle weiteren Aufgaben, die sonst der Strafvollstreckungskammer zugewiesen sind (§ 83 JGG i. V. m. § 462a StPO). Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob auch bei Entscheidungen im Jugendstrafvollstreckungsverfahren die Videokonferenztechnik eingesetzt werden kann. Nicht Gegenstand der Untersuchung sind Entscheidungen bei weiteren Straftatfolgen, wie den Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie den Zuchtmitteln. Diese unterfallen der Einschränkung des hiesigen Untersuchungsgegenstandes.1 Ebenso nicht berücksichtigt werden Vollstreckungsentscheidungen, die eine zwingende Anhörung gesetzlich nicht vorsehen, da hier eine Videokonferenz unzweifelhaft zulässig wäre.2 Vergleichbar zu der Strafvollstreckung von Sanktionen gegen Erwachsene finden sich 1  Vgl. die Verweisung des § 83 Abs. 1 JGG auf § 463 Abs. 1 StPO und die Ausführungen zu den zulässigen Maßregeln der Besserung und Sicherung durch Ostendorf, Jugendstrafrecht, Rn. 258. 2  Hier sei beispielhaft erwähnt § 86 JGG, der die Entscheidung einer möglichen Umwandlung von Freizeitarrest in Kurzarrest regelt und § 87 Abs. 3 JGG, der die Entscheidung betrifft, ob von der Vollstreckung von Jugendarrest aus erzieherischen Gründen ganz oder teilweise abgesehen werden kann. Gleichwohl kann hier eine Anhörung gemäß § 33 Abs. 2, 3 StPO erfolgen; vgl. hierzu auch KK-StPO / Maul, § 33 Rn. 10.



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG105

auch bei Entscheidungen in der Vollstreckung von jugendstrafrechtlichen Sanktionen obligatorisch-mündliche Anhörungen und solche, die nur fakultativ-mündlich sind.3 Die Anhörungen im Rahmen dieser Entscheidungen müssen dabei in besonderem Maße dem jugendlichen Verurteilten Rechnung tragen. So sind einige beschränkende Grundsätze des Jugendstrafverfahrens und des Jugendstrafvollzuges auch in der Strafvollstreckung zu berücksichtigen. Diese Grundsätze sollen im Anschluss an die Darstellung der betreffenden Normen näher erörtert und dabei ihre einschränkende Wirkung für das Vollstreckungsverfahren bei Jugendlichen aufgezeigt werden.

A. Die Videokonferenz bei obligatorisch-mündlichen ­Äußerungen gemäß § 88 JGG Gemäß § 88 Abs. 1 JGG kann der Vollstreckungsleiter den Rest einer Jugendstrafe nach Teilverbüßung zur Bewährung aussetzen. Dazu hat er die Staatsanwaltschaft und den Vollzugsleiter anzuhören, sowie dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben (§ 88 Abs. 4 JGG). Der Einsatz von Videokonferenztechnik zur Durchführung der mündlichen Äußerungsmöglichkeit des Verurteilten ist nicht explizit normiert. Möglicherweise unterfällt jedoch auch die videokonferenzgestützte Äußerungsmöglichkeit dem § 88 Abs. 4 S. 2 JGG. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob die „mündliche Äußerung“ eine Videokonferenz umfasst.

I. Die Äußerung mittels Videokonferenz als Gelegenheit zur mündlichen Äußerung Zur Klärung, ob der Begriff der „mündlichen Äußerung“ auch die videokonferenzgestützte Äußerung umfasst, muss er ausgelegt werden. 1. Auslegung Kriterium für die Auslegung sind im Wesentlichen die vier anerkannten Auslegungsmethoden des Wortlauts, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und des Sinns und Zwecks.4 3  Vgl. für obligatorisch-mündliche Anhörungen beispielsweise § 83 Abs. 1 i. V. m. § 88 Abs. 1 und Abs. 4 S. 2 JGG; für die fakultativ-mündlichen Anhörungen sei beispielhaft verwiesen auf § 57 Abs. 1 S. 1 und S. 2 JGG, wo eine mündliche Anhörung nicht vorgeschrieben, aber auch nicht unzulässig ist, vgl. dazu Eisenberg, JGG-Kommentar, § 57 Rn. 15. 4  Vgl. dazu Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 39.

106

4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

a) Auslegung nach dem Wortlaut Für die Auslegung des Wortlauts ist nicht der allgemeine Sprachgebrauch, sondern die juristische Fachbedeutung maßgeblich.5 Gemäß § 88 Abs. 4 S. 2 JGG ist dem Verurteilten „Gelegenheit zur mündlichen Äußerung“ zu geben. Der Teilbegriff einer Äußerung schließt gewiss nicht die Videokonferenztechnik aus, da der Verurteilte seine Äußerungen auch vermittelt über das Medium der Videokonferenz vor dem Vollstreckungsleiter vortragen kann. Einschränkungen könnten jedoch aus dem Begriff des Mündlichen herrühren. Eine mündliche Äußerungsmöglichkeit erfolgt typischerweise direkt zwischen den Gesprächspartnern. Mündlich meint, wie bei der nachträglichen Entscheidung über Strafaussetzungen bei Erwachsenen (§ 454 Abs. 1 S. 3 StPO), eben nicht eine Äußerung vermittelt durch ein Medium, wie zum Beispiel der Brief im schriftlichen Verfahren. Gerade diese Mittelbarkeit durch ein Medium ist also Abgrenzungskriterium zu den sonstigen Äußerungsmöglichkeiten, wie der schriftlichen oder telefonischen Äußerung.6 Der Begriff der Mündlichkeit schließt folglich die über ein Medium vermittelte Äußerung aus und somit auch die mittels Videokonferenz übermittelte Äußerung des Inhaftierten. Die mündliche Äußerung ist in ihrer Form ein Mehr zu den anderen Äußerungsmöglichkeiten.7 b) Systematische Auslegung Systematisch lässt sich der Begriff der „mündlichen Äußerung“ in § 88 Abs. 4 S. 2 JGG von der einfachen Anhörung in § 88 Abs. 4 S. 1 JGG abgrenzen. § 88 Abs. 4 S. 1 JGG erfordert für die gleiche Entscheidung nur die Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Vollzugsleiters durch den Vollstreckungsleiter. Hingegen setzt die Äußerungsmöglichkeit des Verurteilten die Mündlichkeit gemäß § 88 Abs. 4 S. 2 JGG voraus. Hätte der Gesetzgeber zwischen den beiden Formen der mündlichen Äußerung und der einfachen Anhörung nicht unterscheiden wollen, so hätte er den Verurteilten in die Aufzählung des § 88 Abs. 4 S. 1 JGG mit aufgenommen. Letzteres ist nicht geschehen, daher ist den beiden Sätzen ein anderer Regelungsgehalt zugewiesen worden. Der Begriff „mündlich“ qualifiziert folglich die Äußerungsform im Gegensatz zu § 88 Abs. 4 S. 1 JGG. Ist die Form der Äußerung qualifiziert, so kann nicht jedes Mittel umfasst sein, 5  Siehe

dazu drittes Kapitel, A.I.1.a)aa)(1). wird zutreffend grundsätzlich eine Anhörung durch einen anderen ­Jugendrichter abgelehnt, vgl. dazu Eisenberg, JGG-Kommentar, § 88 Rn. 27. 7  Vgl. zur Auslegung des Wortlautes „Mündlichkeit“ auch die entsprechenden Ausführungen zur strafvollstreckungsrechtlichen Anhörung von Erwachsenen. 6  Insofern



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG107

welches im Rahmen des § 88 Abs. 4 S. 1 JGG zulässig ist. Eine schriftliche Äußerung, die im ersten Satz zulässig ist, muss demnach ausgeschlossen sein, da sie die Äußerungsmöglichkeit mit den geringsten Anforderungen an die Form ist. Entscheidendes Merkmal einer schriftlichen Äußerung ist die Übertragung der Äußerung durch ein Medium. Nichts anderes geschieht aber auch bei der Videokonferenz, sie vermittelt dem Vollstreckungsleiter kein zeitlich unmittelbares Bild vom Verurteilten während seiner Äußerung, sondern nur ein per Medium transportiertes Bild. Dieses Ergebnis wird bestärkt durch die Betrachtung des Begriffs der „mündlichen Anhörung“ in der Strafprozessordnung.8 Dort umfasst der Begriff keine videokonferenzvermittelte Anhörung.9 Im Wege der systematischen Auslegung kann dieses Begriffsverständnis der Strafprozessordnung für die Abgrenzung herangezogen werden. Die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes einer Jugendstrafe ist zwar abschließend in § 88 JGG geregelt,10 dennoch entzieht sich diese Regelung nicht der systematischen Auslegung im Kontext der anderen Normen im Jugendgerichtsgesetz. Über die Verweisung des § 83 Abs. 1 JGG i. V. m. § 462a Abs. 1 StPO nimmt das Jugendgerichtsgesetz Bezug zu den allgemeinen Strafvollstreckungsvorschriften in der Strafprozessordnung. Insofern ist § 88 JGG auch hinsichtlich dieser Vorschriften auslegungsfähig, mit dem Ergebnis, dass eine Videokonferenz auch bei § 88 Abs. 4 S. 2 JGG ausgeschlossen sein muss. Für eine solche, mit dem Strafvollstreckungsrecht für Erwachsene konforme Auslegung spricht überdies auch das Gebot der Vermeidung von Benachteiligung Jugendlicher bei gleicher Verfahrenslage gegenüber Erwachsenen.11 Dieses Gebot beruht auf dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und verbietet eine ungerechtfertigte Gleich- oder Ungleichbehandlung.12 Ein sachlicher Grund, warum Jugendliche anders als Erwachsene im Strafvollstreckungsverfahren lediglich durch Videokonferenzen ihre Äußerungen tätigen können sollen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann eine Altersdifferenzierung (etwa wegen des verbreiteten alltäglichen Umgangs mit Technik durch jüngere Menschen) nicht durchgreifen, da sie eine pauschale Behauptung darstellt, ohne den konkreten Einfluss auf das Gesprächsverhalten bei elektronischer Kommunikation zu berücksichtigen. 8  Vgl. zur Auslegung des Begriffs „mündliche Anhörung“ der Strafprozessordnung drittes Kapitel, A.I.1.a)aa)(2). 9  Vgl. drittes Kapitel, A.I.2.b). 10  Eisenberg, JGG-Kommentar, § 88 Rn. 12. 11  Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S.  306 ff. 12  Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S. 307.

108

4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

Nach der systematischen Auslegung des § 88 Abs. 4 JGG ist die videokonferenzgeführte Äußerung folglich nicht vom Begriff der „mündlichen Äußerung“ umfasst. c) Entstehungsgeschichtliche Auslegung § 88 Abs. 4 JGG wurde durch das erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGGÄndG) aus dem Jahre 1990 ohne inhaltliche Änderungen verschoben.13 Bei der Neubekanntmachung des Jugendgerichtsgesetzes im Jahre 1953 war die Äußerungsmöglichkeit des Jugendlichen noch in § 88 Abs. 3 JGG geregelt.14 Inhaltlich geht die heutige Fassung somit auf das 1953 neu bekannt gemachte bundesdeutsche Jugendgerichtsgesetz zurück. In der Begründung und in den parlamentarischen Vorgängen zur Neubekanntmachung finden sich jedoch keine Anhaltspunkte für den Begriff der „mündlichen Äußerung“.15 In den ersten Entwürfen eines bloß überarbeiteten Jugendgerichtsgesetzes war eine Äußerungsmöglichkeit des Jugendlichen bei einer Entlassung zur Bewährung bei festbestimmter oder unbestimmter Jugendstrafe nicht explizit vorgesehen.16 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde erst aufgrund des schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht das Jugendgerichtsgesetz völlig überarbeitet und eine „mündliche Äußerung“ des Verurteilten eingeführt.17 Begründet wurde die Einführung der „mündlichen Äußerung“ nicht, es wurde lediglich pauschal auf Änderungswünsche des Bundesrates verwiesen.18 Nähere Ausführungen zu den Änderungswünschen und somit zur „mündlichen Äußerung“ bei der Strafaussetzung zur Bewährung finden sich – soweit ersichtlich – weder in den Bundestags- noch in den Bundesratsdrucksachen.19 Nicht bundesdeutsche Vorgänger hatte die Regelung bereits in den §§ 58, 59 RJGG i. d. F. v. 10.11.1943.20 Diese regelten die Strafaussetzung einer 13  Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes v. 5.9.1990, BGBl. I, S. 1853 (1857). 14  Jugendgerichtsgesetz v. 4.8.1953, BGBl. I, S. 751 (763). 15  Vgl. beispielsweise BT-Drucks. 1 / 4437, S. 11 und S. 28; Verh. d. BT, 1. Wahlp., S.  8851 ff. und S.  13537 ff. 16  Vgl. hierzu BT-Drucks. 1 / 3264, S. 30. 17  Siehe BT-Drucks. 1 / 4437, S. 28; vgl. zum geschichtlichen Werdegang des JGG in der Bundesrepublik Walter / Neubacher, Jugendkriminalität, S. 33 ff. 18  Vgl. BT-Drucks. 1 / 4437, S. 11. 19  Vgl. BR-Drucks. 50 / 52, S. 1 ff.; Verh. d. BR, 79. Sitzung v. 29.2.1952, S. 62 ff.; Verh. d. BR, 112. Sitzung v. 3.7.1953, S. 344 f.; Verh. d. BT, 1. Wahlp., S. 8851 ff. und S.  13537 ff.



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG109

bestimmten Jugendstrafe oder die Entlassung aus einer unbestimmten Jugendstrafe auf Probe, eine mündliche Äußerungsmöglichkeit war jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Und schon vor dem nationalsozialistischen Reichsjugendgerichtsgesetz wurde aus § 11 Abs. 2 RJGG i. d. F. v. 16.2.1923 eine Strafrestaussetzung zur Bewährung zumindest herausgelesen.21 Über das Verfahren einer Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 11 Abs. 2 RJGG i. d. F. v. 16.2.1923 sah das Reichsjugendgerichtsgesetz von 1923 über die Verweisung der Verfahrensvorschriften § 34 RJGG i. V. m. § 18 RJGG i. d. F. v. 16.2.1923 auf die allgemeine Strafprozessordnung und im Speziellen auf § 494 Abs. 2 StPO i. d. F. v. 1.9.1879 zwar vor, dem Jugendlichen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, eine mündliche Äußerung war jedoch auch hier nicht explizit vorgesehen.22 Die Entstehungsgeschichte liefert folglich für die Auslegung des Begriffs der „mündlichen Äußerung“ keine näheren Anhaltspunkte. 20

d) Teleologische Auslegung Laut Bundesverfassungsgericht ist der Sinn und Zweck einer Norm aus dem in ihr zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zu ermitteln.23 Dieser Wille kann sich konkret aus den Gesetzgebungsmaterialien ergeben.24 Vorliegend finden sich – soweit ersichtlich – in den Gesetzgebungsmaterialien zum Jugendgerichtsgesetz keine Hinweise auf den Sinn und Zweck des Begriffs der „mündlichen Äußerung“. Fehlt es an solchen Hinweisen, muss der Sinn und Zweck aus der Regelung selbst erschlossen werden.25 Die Strafaussetzung zur Bewährung hat zum Ziel, dem Jugendlichen den Übergang aus dem Strafvollzug in die Freiheit zu vereinfachen und diesen Weg des Jugendlichen durch die Bewährungshilfe zu begleiten.26 Dadurch soll ein Rückfall des Jugendlichen möglichst vermieden werden.27 Zum erfolgreichen Gelingen der Bewährung ist zwingend die Bereitschaft des Jugendlichen vorausgesetzt. Der Strafvollstreckungsleiter 20  Ostendorf, JGG-Kommentar, Grdl. z. §§ 88 und 89a Rn. 2; Reichsjugendgerichtsgesetz v. 10.11.1943, RGBl. I, S. 637 (646). 21  Ostendorf, JGG-Kommentar, Grdl. z. §§ 88 und 89a Rn. 2. 22  Kiesow, JGG, S.  206; Meyer-Reil, Strafaussetzung zur Bewährung, S. 112 Fn. 68. 23  BVerfG v. 26.2.1980 – 2 BvR 752 / 78, NJW 1980, 1677 (1677); Wank, ZGR 1998, 315 (329); Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 69. 24  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 69; zum Regelungsgehalt des § 88 Abs. 4 JGG vgl. Diemer / Schatz / Sonnen, JGG-Kommentar § 88 Rn. 20. 25  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 69. 26  Ostendorf, JGG-Kommentar, Grdl. z. §§ 88 und 89a Rn. 3. 27  Ostendorf, JGG-Kommentar, Grdl. z. §§ 88 und 89a Rn. 3.

110

4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

wird folglich dem Jugendlichen Gelegenheit geben, persönlich die wesentlichen Gründe, die aus Sicht des Verurteilten für eine Strafaussetzung sprechen, zu erläutern.28 Unter anderem auf diese Erörterungen des Jugendlichen stützt der Richter dann seine Entlassungsprognose über das Risiko eines Rückfalls.29 Die Regelung zur Möglichkeit der „mündlichen Äußerung“ des Jugendlichen hat folglich das Ziel, eine sachgerechte Entscheidung des Richters zu ermöglichen. Würde diese Äußerungsmöglichkeit des Jugendlichen per Videokonferenztechnik übermittelt, so wäre eine Darlegung der Motivation durch den Verurteilten zwar möglich, jedoch würde dem Richter für eine Prognose eine persönliche Wahrnehmung des Jugendlichen fehlen oder zumindest diese stark eingeschränkt sein.30 Nach der teleologischen Auslegung ist daher davon auszugehen, dass eine videokonferenzgeführte Äußerung des Jugendlichen vom Begriff der „mündlichen Äußerung“ nicht umfasst ist. e) Zusammenfassung Die Auslegung nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Telos kommen einheitlich zu dem Ergebnis, dass eine Videokonferenz als mündliche Äußerungsmöglichkeit abzulehnen ist. Nur die historische Auslegung liefert kein klares Ergebnis, welches auf die fehlenden Erörterungen zur Einführung der Mündlichkeit zurückzuführen ist. In der Gesamtschau aller Auslegungsmethoden ist im Ergebnis die videokonferenzgeführte Äußerungsmöglichkeit nicht mit dem Begriff der „mündlichen Äußerung“ vereinbar. Durch Auslegung kann die Videokonferenztechnik folglich gegenwärtig nicht zulässig im Strafvollstreckungsverfahren von Jugendstrafen angewendet werden. 2. Rechtsfortbildung Wie gerade gezeigt, ist eine per Videokonferenz gegebene Äußerungsmöglichkeit des Verurteilten aufgrund der Auslegung der Norm nicht zulässig. Fraglich ist, ob die Videokonferenztechnik dennoch in die Strafvollstreckung von Jugendstrafe Einzug halten kann. Möglicherweise kann durch Rechtsfortbildung die Videokonferenztechnik in der Strafaussetzungsentscheidung gemäß § 88 JGG genutzt werden. Damit eine zulässige Rechts28  Eisenberg,

JGG-Kommentar, § 88 Rn. 27. JGG-Kommentar, Grdl. z. §§ 88 und 89a Rn. 3. 30  Zum Bedeutungsgehalt der Augenbinde von Justitia Baer-Henney, JA 1997, 610 (613). 29  Ostendorf,



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG111

fortbildung durch die Gerichte vorgenommen werden kann, muss eine Lücke im Gesetz bestehen.31 Die Lücke ist dabei eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes.32 Maßstab dieser Unvollständigkeit ist die Gesamtrechtsordnung beziehungsweise eine angleichende Interpretation von Norm- und Wertungswidersprüchen.33 Die Strafvollstreckungsentscheidungen bei Jugendstrafe lehnen sich in weiten Teilen an die strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen bei Strafen gegen Erwachsene an. Dort ist, wie bereits gezeigt, die Videokonferenztechnik nur durch einen Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung möglich – oder anders formuliert: Die Videokonferenztechnik ist grundsätzlich unzulässig. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn bei strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen der Reststrafenaussetzung bei Erwachsenen eine Videokonferenz grundsätzlich unzulässig wäre und bei der Aussetzungsentscheidung einer Reststrafe im Strafvollstreckungsverfahren von Jugendstrafen eine Gesetzeslücke gesehen würde. Das Argument der harmonischen Interpretation innerhalb der Gesamtrechtsordnung spricht ebenfalls gegen eine nachträgliche (sekundäre) Gesetzeslücke. Konnte der Gesetzgeber bei Erlass eines Gesetzes die sich ändernden technischen Möglichkeiten nicht vorhersehen, so könnte grundsätzlich dennoch eine nachträgliche Gesetzeslücke gegeben sein.34 Bei Erlass des Jugendgerichtsgesetzes konnte der Gesetzgeber zumindest die Möglichkeiten der Videokonferenztechnik nicht vollends vorhersehen. Es spricht aber gegen eine sekundäre Gesetzeslücke, dass es dem Gesetzgeber mit Blick auf die Gesamtrechtsordnung gerade auf den persönlichen Kontakt ankommt. Dieser persönliche Kontakt ist aber durch die Videokonferenztechnik nicht in gleichem Maße gegeben. Verstärkt wird dieses Argument durch den Blick auf eine andere technische Entwicklung in der Strafvollstreckung von Strafen gegen Erwachsene. Als das 23. Strafrechtsänderungsgesetz35 im Jahre 1986 die „mündliche Anhörung“ in § 453 StPO einführte, war die fernmündliche Kommunika­ tionstechnik bereits bekannt. Trotzdem ist diese Technik nicht explizit im Gesetzestext ausgeschlossen worden. Vielmehr ergab sich ein Ausschluss bereits durch die Begründung des Gesetzgebers, der das persönliche Ge31  Rüthers / Fischer / Birk,

Rechtstheorie, S. 497. Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 39; ausführlich zum Begriff der Lücke Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 70. 33  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 497 und S. 502. 34  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 508. 35  Vgl. dazu 23. Strafrechtsänderungsgesetz – Strafaussetzung zur Bewährung – (23. StrÄndG) v. 13.4.1986, BGBl. I, S. 393 ff. 32  Canaris,

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4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

spräch zwischen Richter und Verurteiltem als Vorgabe formulierte.36 Daher erübrigen sich Ausführungen zur Konsequenz technischer Entwicklungen durch den Gesetzgeber, da sie für ihn keine Beachtung in der Strafvollstreckung finden sollten. Diese Entwicklung lässt sich ebenfalls auf Entscheidung in der Strafvollstreckung von Jugendstrafen übertragen. Dem Gesetzgeber sind technische Änderungen und Änderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Kommunikationsmöglichkeiten bei Entscheidung einer Strafaussetzung zur Bewährung bekannt, er wollte aber gerade das persönliche Gespräch. Insoweit hat er folgerichtig keinen zusätzlichen Bezug auf mögliche technische Änderungen genommen, sondern ist von einem „face-to-face“-Gespräch ausgegangen. Eine Gesetzeslücke liegt somit nicht vor. Liegt aber schon keine Gesetzeslücke vor, so bleibt kein Raum für eine zulässige Rechtsfortbildung durch die Gerichte. Die Videokonferenztechnik kann folglich auch nicht durch grundsätzlich zulässige Rechtsfortbildung Einzug in das Verfahren zur Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung erhalten. 3. Verzichtsmöglichkeit Das Verfahren zur Aussetzung des Restes der Jugendstrafe gemäß § 88 Abs. 4 JGG umfasst, wie bereits dargelegt, nicht den Einsatz von Videokonferenztechnik. Ist der Einsatz dieser Technik gesetzlich nicht vorgesehen, so bedeutet das nicht, dass sie grundsätzlich ausgeschlossen ist. Wie in der Strafvollstreckung von Strafen nach dem Erwachsenenstrafrecht könnte ein Verzicht37 des jugendlichen Verurteilten auf die Gelegenheit zur mündlichen Äußerung grundsätzlich den Einsatz von Videokonferenztechnik ermöglichen. Der Verzicht setzt dabei unter anderem voraus, dass die mündliche Äußerungsmöglichkeit in Gänze zur Disposition des jugendlichen Verurteilten steht.38 Der Dispositionsbefugnis des Jugendlichen können schon einfachgesetzliche Regelungen entgegenstehen. Bei der Strafvollstreckung von Jugendstrafen sind im Besonderen Grundsätze des Jugendgerichtsgesetzes zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten zum Teil bereits im Strafverfahren und könnten ihre Anwendung auch in der Strafvollstreckung finden. Tun sie dieses, so könnten sich hieraus limitierende Faktoren für den Verzicht und schlussendlich auch für den Einsatz von 36 Vgl. dazu die Auslegung bei § 453 Abs. 1 S. 3 StPO, drittes Kapitel, A.I.1.a)aa). 37  Vgl.

zum Begriff des Verzichts drittes Kapitel, A.I.1.a)cc). dazu die Einführung zur Verzichtsmöglichkeit in der Strafvollstreckung von Strafen gegen Erwachsene bei § 453 Abs. 1 S. 3 StPO, drittes Kapitel, A.I.1.a) cc). 38  Vgl.



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG113

Videokonferenztechnik ergeben. Nachfolgend soll daher untersucht werden, welche Grundsätze des Jugendgerichtsgesetzes in der Strafvollstreckung von Jugendstrafen Anwendung finden und inwiefern sie den Einsatz der Videokonferenztechnik begrenzen. a) Einfachgesetzliche Vorgaben und Grenzen des Verzichtes auf die mündliche Äußerungsmöglichkeit gemäß § 88 Abs. 4 JGG Die Disposition des jugendlichen Verurteilten über die mündliche Äußerungsgelegenheit könnte insbesondere durch den Sinn und Zweck des § 88 Abs. 4 JGG, den Erziehungsgedanken und den Grundsatz der Vollzugsnähe, eingeschränkt sein. aa) Die Auswirkungen des Sinn und Zwecks des § 88 Abs. 4 JGG Nach Teilverbüßung der Jugendstrafe besteht für den Vollstreckungsleiter die Möglichkeit, die Reststrafe des Jugendlichen zur Bewährung auszusetzen, wenn die Entwicklung des Jugendlichen dieses zulässt und auch die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit bei dieser Abwägung berücksichtigt worden sind. Der Vollstreckungsleiter soll dazu den Verurteilten grundsätzlich selbst mündlich hören und ihm die Möglichkeit gewähren, die wesentlichen Gründe für eine positive Strafaussetzungsentscheidung vorzutragen.39 Der Richter erhält dadurch ein eigenständiges und umfängliches Bild zur Grundlage für seine Aussetzungsentscheidung. Der Jugendliche muss aber nicht in die Aussetzung seiner Strafe einwilligen.40 Das Vortragen von Gründen, die für die Strafrestaussetzung sprechen könnten, durch den Verurteilten könnte durch den Einsatz von Videokonferenztechnik getrübt werden. Jedoch sind die hervorgebrachten Gründe des Jugendlichen für die Strafaussetzungsentscheidung des Richters selbst nicht bindend. Denn selbst dann, wenn der Jugendliche eine Aussetzung der Reststrafe ablehnt, hat der Jugendrichter trotzdem die Möglichkeit, die Reststrafe auszusetzen. Auf den Umstand einer Videokonferenz übertragen hieße das, selbst wenn der Jugendrichter ein möglichweise verzerrtes Bild über die Gründe des Jugendlichen erhält, ist er nicht an diese gebunden. Berücksichtigt der Richter bei einer möglichen Äußerungsmöglichkeit per Videokonferenz das veränderte „Setting“ des Gespräches, so steht diesem der Sinn und Zweck des § 88 Abs. 4 JGG jedenfalls nicht entgegen. 39  Eisenberg, 40  Eisenberg,

JGG-Kommentar, § 88 Rn. 27. JGG-Kommentar, § 88 Rn. 27.

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4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

bb) Die Auswirkungen des Erziehungsgedankens auf den Einsatz von Videokonferenztechnik Die videokonferenzgeführte Äußerungsmöglichkeit im Rahmen der Jugendstrafvollstreckung könnte durch den Erziehungsgedanken eingeschränkt sein, da dieser Gedanke auch in der Strafvollstreckung Anwendung findet. (1) Anwendbarkeit des Erziehungsgedankens Ist im Urteil Jugendstrafe ergangen, so schließt sich als Teil des Strafverfahrens die Strafvollstreckung an.41 Sodann betreffen die ergehenden Strafvollstreckungsentscheidungen des Jugendrichters die weitere Vollstreckung der Strafe. Gemäß § 2 Abs. 1 JGG gilt der Erziehungsgedanke für das gesamte Verfahren. Insoweit lebt der Erziehungsgedanke auch in der Strafvollstreckung wieder auf.42 Dieses wird besonders an der gesetzlichen Ausformung des Vollstreckungsverfahrens deutlich, welches anders als im Strafvollstreckungsverfahren von Strafen gegen Erwachsene nicht der Staatsanwaltschaft (§ 451 Abs. 1 StPO) obliegt, sondern dem nach erzieherischen Aspekten entscheidenden Jugendrichter (§ 82 Abs. 1 JGG).43 Der Erziehungsgedanke ist folglich auch in der Strafvollstreckung bei Strafen gegen Jugendliche anzuwenden. (2) Begriff des „Erziehungsgedankens“ Ist die Anwendung des Erziehungsgedankens in der Strafvollstreckung angezeigt, ergibt sich hieraus noch nicht der Sinngehalt des Begriffs „Erziehungsgedanke“. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Erziehungsgedankens mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze 2008 in § 2 Abs. 1 S. 2 JGG normiert.44 Jedoch wurde der Gedanke der Erziehung selbst nicht legaldefiniert oder näher konkretisiert,45 außer dass er dem Ziel der Individualprävention bei den Rechtsfolgen und dem Verfahren zu dienen hat.46 Diese vom Gesetzgeber genannte Zielvorgabe der Individualprävention bindet auch in der Strafvollstreckung.47 Wie dieses 41  Laubenthal / Nestler,

Strafvollstreckung, S. 23. Nürnberg v. 17.11.2009 – 2 Ws 410 / 09, BeckRS 2010, 02716. 43  Walter / Neubacher, ZfJ 2003, 1 (3). 44  Zweites Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze v. 13.12.2007, BGBl. I, 2894 ff. 45  Walter, Sanktionsmuster der jugendrichterlichen Praxis oder Über den jugendrichterlichen Umgang mit dem Erziehungsbegriff des Jugendgerichtsgesetzes, S. 19. 46  Ostendorf, JGG, § 2 Rn. 1. 47  Ostendorf, JGG, § 2 Rn. 8. 42  OLG



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG115

Ziel konkret durch Erziehung zu erreichen ist und welches Verständnis der Gesetzgeber dem Begriff Erziehung beimisst, bleibt häufig diffus.48 In der Literatur finden sich vielfältige Interpretationen, so etwa die, Erziehung sei eine „staatliche Institution des Normenlernens, die erzieherische und sank­ tionierende Mittel unter Berücksichtigung aller sozialen Formen der sozialen Kontrolle“49 anwendet oder kurz: „Erziehung meint positive Individual(Spezial-)Prävention“50. Andere verstehen unter dem Erziehungsgedanken nicht nur das Ziel der Erreichung von Legalbewährung, sondern vielmehr das Bemühen eines „breiter angelegten Sozialisationsprozesses“51. In diesem würde persönliche Kommunikation mit dem Jugendlichen eine wesentliche Rolle spielen.52 Mag ein solcher Sozialisationsprozess positive Absichten verfolgen, ist er indes einfachgesetzlich und auch verfassungsrechtlich – über die Legalbewährung hinaus – nicht haltbar.53 Eine solche Erziehung würde zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit des Gefangenen und das Erziehungsrecht der Eltern unverhältnismäßig eingreifen. Eine über diesen juristischen Begriff des Erziehungsgedankens im Jugendgerichtsgesetz hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Erziehungsbegriff soll hier allerdings nicht erfolgen, sie ist stattdessen den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen vorbehalten.54 Festzustellen bleibt, dass den verschiedenen Interpretationen gemein ist, als Mindestmaß ein Normenlernen durch den Gedanken der Erziehung erreichen zu wollen. Dieses Lernen ist umso wirkungsvoller, je früher es 48  Vgl. dazu ausführlicher und zur geschichtlichen Entwicklung Cornel, Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht: Historische Entwicklungen, S. 455 (455); Toprak, Brauchen wir eine erzieherische Mission im Jugendstrafrecht?, S. 3 und S. 7; Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S. 59; vgl. dazu auch Walter, Der Erziehungsgedanke im Jugendrecht – Abschied oder Reformulierung?, S. 55, der die Offenheit des Begriffes positiv wertet; so auch Walter, DVJJ-Journal 1993, 165 (166). 49  Meier / Rössner / Trüg / Wulf / Rössner, JGG, § 2 Rn. 5; ähnlich Hinz, ZRP 2005, 192 (193); vgl. für weitere Fundstellen und ähnliche Interpretationen Eisenberg, JGG-Kommentar, § 2 Rn. 5. 50  Diemer / Schatz / Sonnen / Sonnen, JGG, § 2 Rn. 1; so auch Ostendorf, JGG, § 2 Rn. 5; Cornel, Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht: Historische Entwicklung, S. 455 (455); Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S. 60; kritisch hierzu Kaiser, Ist der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht wirklich veraltet?, S. 9. 51  Bietz, ZRP 1981, 212 (213) mit weiteren Ansichten zum Erziehungsbegriff. 52  Bietz, ZRP 1981, 212 (213). 53  BT-Drucks. 16 / 13142, S. 6 f. 54  Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S. 59; kritisch hierzu Dollinger, ZJJ 2010, 409 (415), der aber beim juristischen Begriff des Erziehungsgedankens die Ausgrenzung von Generalprävention verwischt.

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4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

beginnt und je stärker der persönliche Bezug zu dem Jugendlichen ist.55 Welche Bedeutung dieser persönliche Bezug für den Verzicht auf die „mündliche Äußerung“ und stattdessen die Durchführung einer videokonferenzgestützten Äußerung hat, soll im kommenden Abschnitt untersucht werden. (3) D  er Erziehungsgedanke als limitierender Faktor im Rahmen der Anhörung bei Vollstreckungsentscheidungen über jugendrechtliche Sanktionen mittels Videokonferenz Ist der persönliche Bezug zum Jugendlichen für die erziehungsgeleitete Erreichung der Legalbewährung entscheidend, könnte sich hieraus ein limitierender Faktor für den Videokonferenzeinsatz im Rahmen der Aussetzungsentscheidung von Jugendstrafe nach Teilverbüßung zur Bewährung gemäß § 88 JGG ergeben. Denn die Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe verfolgt unter Beachtung des Erziehungsgedankens die Einschränkung der Vollstreckung.56 Dass der persönliche Bezug für den Erziehungsgedanken entscheidend ist, hat bereits die Begriffsklärung des Erziehungsgedankens gezeigt. Waren die Auffassungen über den Begriff Erziehung nicht einheitlich, so lag doch allen Meinungen der persönliche Bezug zum Jugendlichen zugrunde.57 Wird bei der Aussetzungsentscheidung durch den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter die Äußerungsmöglichkeit des Jugendlichen nicht mittels eines persönlichen Kontaktes gewährt, wird der Erziehungsgedanke nicht berücksichtigt. Dass es dem Gesetzgeber gerade auf diese enge persönliche Bindung ankam, zeigt sich an zwei weiteren Regelungen im Jugendgerichtsgesetz. So ist, im Gegensatz zur Strafvollstreckung von Strafen gegen Erwachsene, gemäß § 82 Abs. 1 S. 1 JGG Vollstreckungsleiter der Jugendrichter. Durch diese Zuständigkeitsverteilung wird dem Jugendlichen eine personelle Kontinuität des Entscheidungsträgers gewährt.58 Sie verdeutlicht, welchen Stellenwert der Gesetzgeber dem persönlichen Bezug gegeben hat, andernfalls wäre die Regelung überflüssig. An einer weiteren Stelle im Jugendgerichtsgesetz wird die Bedeutung des aus dem Erziehungsgedanken herrührenden persönlichen Bezuges nochmals verdeutlicht: Gemäß § 85 Abs. 2 S. 1 JGG geht die Zuständigkeit für die Strafvollstreckung einer Jugendstrafe auf den Jugendrichter über, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet. Zum einen soll der Jugendrichter als 55  Meier / Rössner / Trüg / Wulf / Rössner,

JGG, § 2 Rn. 8. ZfJ 2003, 1 (4). 57  Vgl. viertes Kapitel, A.I.3.a)bb)(2) und Eisenberg, JGG-Kommentar, § 2 Rn. 9 und 10, der eine emotionale Beziehung als Ausfluss der Erziehung verlangt. 58  Laubenthal / Baier / Nestler, Jugendstrafrecht, Rn. 882. 56  Walter / Neubacher,



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG117

Vollstreckungsleiter so einen engen persönlichen Kontakt zum Vollzugsleiter haben,59 zum anderen aber zum Jugendstrafvollzug insgesamt und somit auch zum Jugendlichen selbst.60 Auch hier ist der Sinn der Regelung der persönliche Bezug zwischen Jugendrichter und Jugendlichem. Deutlich wird dieser persönliche Bezug auch in den Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RLJGG). Den persönlichen Kontakt verlangen auch diese Richtlinien. Dem Jugendrichter wird ein Vertrautmachen mit dem Jugendlichen und seiner Entwicklung im Vollzug abverlangt.61 Diesem persönlichen Bezug oder Kontakt widerspricht die Videokonferenztechnik, denn sie ermöglicht nicht, ortsgebundenen und persönlichen Kontakt aufzunehmen. Bei grundsätzlicher Zulässigkeit der Videokonferenztechnik wäre eine gesetzliche Regelung, wie § 85 Abs. 2 S. 1 JGG sie trifft, zum Übergang der Strafvollstreckungsleitung nicht erforderlich gewesen. Sie war allerdings erforderlich, denn der videokonferenzvermittelte Kontakt stellt keinen persönlichen („face-toface“-)Kontakt da, der durch den Gedanken der Erziehung auch in der Strafvollstreckung erforderlich ist. Insoweit hat auch heute der Übergang der Vollstreckungsleitung große Bedeutung. Der persönliche Kontakt zwischen Vollstreckungsleiter und Jugendlichem soll den Jugendlichen ermutigen, seine Rechte und Pflichten selbstständig wahrzunehmen62. Der Jugendliche könnte aber gerade durch den Einsatz von Videokonferenztechnik in seiner Äußerungsfähigkeit eingeschränkt sein und so seine Rechte und Pflichten nicht gleich wirksam wahrnehmen können.63 Ob diese Videokonferenzen tatsächlich den persönlichen Kontakt einschränken, bleibt noch in den Kapiteln fünf und sechs64 zu klären. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Erziehungsgedanke nur durch einen engen persönlichen („face-to-face“-)Kontakt zum Jugendlichen 59  Eisenberg,

JGG-Kommentar, § 2 Rn. 9. Die Vollstreckung von Jugendstrafen im Bezirk des Amtsgerichtes Tiergarten, S. 65; Laubenthal / Baier / Nestler, Jugendstrafrecht, Rn. 888. 61  Vgl. zu §§ 82 bis 85 VI. 7. Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RLJGG). 62  Eisenberg, JGG-Kommentar, § 2 Rn. 8. 63  Vgl. dazu Hauber, i-com 2008, 51 (51); Glunz, Psychologische Effekte beim gerichtlichen Einsatz von Videotechnik, S. 92–104; Weinig, Wie Technik Kommunikation verändert, S. 158–161; Kompetenzzentrum für Videokonferenzdienste der Technischen Universität Dresden, Empfehlungen zur Vorbereitung einer Videokonferenz, S. 1–1; Borchert, CR 2002, 854 (855); Edinger, DRiZ 1996, 290 (290) und vgl. die Untersuchung von Schwan, Die Konsequenzen medialer Eigenschaften für den Kommunikationsprozeß, S. 19; demnach haben 67 % der Befragten Videokonferenzteilnehmer geantwortet, dass sich das Verhalten bei einer Videokonferenz ändere; Rieck, StraFo 2000, 400 (403); vgl. zur Entstehung des Erziehungsgedankens auch Grunewald, Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht, S.  20 ff. 64  Vgl. fünftes Kapitel, D.X. und sechstes Kapitel, B. 60  Cronenberg / Frenzel,

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4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

verwirklicht werden kann. Daraus ergibt sich allerdings noch nicht ein limitierender Faktor für den Verzicht auf die mündliche Äußerungsmöglichkeit und den Einsatz der Videokonferenztechnik. Der Verzicht des Jugendlichen ist erst dadurch limitiert, dass der Erziehungsgedanke nicht zu seiner Disposition steht. Ein Anhaltspunkt für den limitierenden Charakter des Erziehungsgedankens ergibt sich aus der – nicht unumstrittenen – Mitwirkungspflicht an der Erziehung, wie in den verschiedenen Strafvollzugsgesetzen der Länder gefordert. Im hamburgischen Strafvollzugsgesetz (HmbStVollzG) zum Beispiel findet sich in § 5 Abs. 1 S. 1 HmbStVollzG eine Mitwirkungspflicht des Gefangenen am Vollzugsziel, dieses ist als Erziehungsziel in § 2 S. 1 HmbStVollzG geregelt. Zwar betrifft diese Regelung nur den Strafvollzug, es wäre jedoch widersinnig, wenn der Gefangene bei der strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe auf den persönlichen Bezug, als Ausfluss des Erziehungsgedankens in der Strafvollstreckung, verzichten könnte, zugleich aber im Strafvollzug an der Verwirklichung des Erziehungsgedankens mitwirken muss. Ist der persönliche Kontakt und folglich auch die Gelegenheit zur mündlichen Äußerung ein Ausfluss des Erziehungsgedankens, spricht noch ein weiterer Grund gegen die Disponibilität des Erziehungsgedankens durch den jugendlichen Gefangenen. Die mündliche Äußerung gemäß § 88 Abs. 4 JGG könnte, anders als die mündliche Anhörung der Aussetzungsentscheidung bei Erwachsenen, nicht zur Disposition des Gefangenen stehen, wenn der Erziehungsgedanke auch öffentlichen Interessen dient. Dient der Erziehungsgedanke öffentlichen Interessen, so steht die mündliche Äußerungsgelegenheit in Gänze nicht zur Disposition des jugendlichen Gefangenen.65 Dass der Erziehungsgedanke auch öffentlichen Interessen dient, wird deutlich, wenn man sich das Ziel des Erziehungsgedankens erneut vergegenwärtigt. Ziel soll die Legalbewährung des inhaftierten Jugendlichen sein.66 Die erfolgreiche Legalbewährung dient dem Jugendlichen und der Sicherheit der Bürger.67 Genau diese weiteren Erziehungsziele sind bei der Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe maßgeblich, so soll die Strafe gemäß § 88 Abs. 1 StGB nur zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen und unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit […] verantwortet werden kann. Insbesondere das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit ist ein öffentliches Interesse und steht damit, wie auch der Erziehungsgedanke insgesamt, nicht zur Disposi65  Vgl.

drittes Kapitel, A.I.1.a)aa)(3) und A.I.1.a)cc)(2). zum Erziehungsgedanken im öffentlichen Interesse auch die Ausführungen von Walter / Wilms, NStZ 2004, 600 (601), die Erziehung im JGG als kriminalrechtlichen Rechtsgüterschutz für die Allgemeinheit sehen. 67  Vgl. dazu die Ausführung des BVerfG v. 31.5.2006 – 2 BvR 1673 / 04 und 2 BvR 2402 / 04, NJW 2006, 2093 (2095). 66  Vgl.



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG119

tion des jugendlichen Inhaftierten. Der Jugendliche kann folglich nicht wirksam auf den Erziehungsgedanken und seine daraus folgenden Ziele verzichten. (4) Zwischenergebnis Der Erziehungsgedanke steht nicht zur Disposition des jugendlichen Gefangenen. Als Ausfluss des Erziehungsgedankens steht der persönliche Kontakt zwischen dem Gefangenen und dem Jugendrichter damit ebenfalls nicht zur Disposition des Jugendlichen. Teil des persönlichen Kontaktes in der Strafvollstreckung ist die Gelegenheit zur mündlichen Äußerung des Gefangenen, auch auf sie kann der Jugendliche nicht verzichten. Mag dieses Ergebnis auf den ersten Blick verwundern, der Jugendlichen wird hier ja zum persönlichen Kontakt mit dem Jugendrichter gezwungen, so überzeugt es doch. Der Jugendliche wird nicht gezwungen, mündliche Äußerungen von sich zu geben, er wird aber gezwungen, den persönlichen Kontakt zum Richter zu halten. Nur dieser Umgang und das Auseinandersetzen mit dem Gefangenen können den Erziehungsgedanken letztendlich verwirklichen. cc) Die Auswirkungen des Grundsatzes der Vollzugsnähe auf den Einsatz von Videokonferenztechnik Der Erziehungsgedanke ist, wie oben dargelegt, ein limitierender Faktor für den Einsatz von Videokonferenzen bei Entscheidungen in der Strafvollstreckung. Gleichfalls könnte der Grundsatz der Vollzugsnähe eine solche Begrenzung der Verzichtsmöglichkeit ergeben. Dazu müsste dieser Grundsatz aber ebenfalls Anwendung in Strafvollstreckungssachen finden und zudem die Möglichkeit begrenzen, auf eine mündliche Äußerung zu verzichten. (1) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Vollzugsnähe Der Grundsatz der Vollzugsnähe findet in der Vollstreckung von Strafen gegen Jugendliche über § 85 Abs. 2 JGG Anwendung. Die Regelung des Abs. 2 verfolgt das Ziel, den Jugendrichter möglichst nahe am Vollzug zu verorten und so einen engen Bezug zu seinen Aufgaben im Vollzug und in der Vollstreckung zu gewährleisten.68 Sie ist als Pendant zur strafvollstreckungsrechtlichen Regelung der Einrichtung von Strafvollstreckungskam68  Laubenthal / Baier / Nestler, Jugendstrafrecht, S. 375; Eisenberg, JGG-Kommentar, § 85 Rn. 9; Laubenthal / Nestler, Strafvollstreckung, S. 29.

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4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

mern für Erwachsene zu sehen. Letztere verfolgen ebenfalls das Ziel, eine räumliche Nähe zur Anstalt und zum Inhaftierten zu schaffen und so den Grundsatz der Vollzugsnähe zu verwirklichen.69 Gemäß § 82 Abs. 1 JGG nimmt der Jugendrichter auch diese Aufgaben der Strafvollstreckungskammern war. Der Grundsatz der Vollzugsnähe findet somit auch in der Vollstreckung von Jugendstrafen Anwendung. (2) Regelungsgehalt des Grundsatzes der Vollzugsnähe Ist der Grundsatz der Vollzugsnähe auch bei Entscheidungen in der Strafvollstreckung anwendbar, ergibt sich hieraus noch nicht seine Weite. Der Grundsatz der Vollzugsnähe soll dem Richter nicht nur Bedürfnisse des Strafvollzuges, sondern auch menschliche Situationen des Inhaftierten näher bringen, umso eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.70 Es reicht daher nicht, einen nur theoretischen Überblick über die konkrete Haftanstalt zu haben.71 Der Jugendrichter muss einen umfassenden und persönlichen Eindruck von der Haftanstalt und den betroffenen Inhaftierten haben. Um einen solchen persönlichen Eindruck vom inhaftierten Jugendlichen zu erhalten und mögliche Fragen während einer Äußerung des Jugendlichen alsbald zu klären, kommt eine persönliche Äußerungsmöglichkeit in der Vollzugsanstalt dem Gedanken der Vollzugsnähe zwar näher72 als eine per Videokonferenz geführte, allerdings ist dem Grundsatz der Vollzugsnähe bereits durch die Schaffung von örtlich nahen Vollstreckungsgerichten Rechnung getragen. Eine konkrete Ausgestaltung des einzelnen Verfahrens kann sich aus dem Grundsatz der Vollzugsnähe jedenfalls nicht ableiten lassen. Dass eine solche Einräumung der Äußerungsmöglichkeit aber keinen zwingend örtlichen Bezug haben muss, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen nicht in der Regel eine mündliche Äußerungsmöglichkeit vorsehen, sondern solche Entscheidungen in der Strafvollstreckung überwiegen, die keine mündliche Äußerungsmöglichkeit voraussetzen.73 Der Grundsatz der Vollzugsnähe hingegen gilt uneingeschränkt für alle Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen. Eine Pflicht zur Einräumung einer mündlichen Äußerung des Jugendlichen aus dem Grundsatz der Vollzugsnähe besteht nicht. 69  BT-Drucks. 7 / 918, S. 84; Laubenthal, Strafvollzug, S. 484; für den Vollzug Peters, JR 1977, 397 (398); Fritsche, Vollzugslockerungen und bedingte Entlassungen im deutschen und französischen Strafvollzug, S. 65. 70  Peters, JR 1977, 397 (400). 71  Peters, JR 1977, 397 (400). 72  KK-StPO / Appl, § 454 Rn. 17; Koeppel, Kontrolle des Strafvollzuges, S. 97. 73  Vgl. etwa § 89a und § 89b JGG.



A. Die Videokonferenz bei § 88 JGG121

Der Grundsatz der Vollzugsnähe gebietet folglich keine Eingrenzung des Verzichtes auf die mündliche Äußerungsmöglichkeit zwischen dem inhaftierten Jugendlichem und dem Jugendrichter und würde eine Videokonferenz grundsätzlich nicht ausschließen. (3) Zwischenergebnis Die Vollzugsnähe wird durch den Jugendrichter in der Nähe der Vollzugsanstalt gewährleistet. Zwar kommt eine mündliche Äußerungsmöglichkeit dem Grundsatz der Vollzugsnähe näher. Der Grundsatz der Vollzugsnähe kann aber dennoch nicht den Verzicht auf die konkrete mündliche Äußerungsmöglichkeit beschränken. b) Die Auswirkungen des Gebotes „Vermeidung der Benachteiligung Jugendlicher gegenüber Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage“74 Das Gebot der „Vermeidung der Benachteiligung Jugendlicher gegenüber Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage“75 kann die Verzichtsmöglichkeit des Jugendlichen nicht begrenzen, denn es findet seinen Ursprung in Art. 3 Abs. 1 GG, welcher selbst ein subjektives Recht darstellt.76 Insoweit steht dieses Gebot zur Disposition des Jugendlichen und kann schon deshalb den Einsatz von Videokonferenztechnik als Äußerungsmöglichkeit nicht beschränken.

II. Zusammenfassung Entscheidet der Jugendrichter über die Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe, kann er dem Jugendlichen nicht nur eine Gelegenheit zur Äußerung mittels Videokonferenztechnik einräumen. Wie die Auslegung des Begriffs der „mündlichen Äußerung“ ergeben hat, ist nur eine „face-toface“-Äußerung mit § 88 Abs. 4 S. 2 JGG vereinbar. Dieses Ergebnis ist bis dahin deckungsgleich mit den obligatorisch-mündlichen Anhörungen im Strafvollstreckungsrecht von Strafen gegen Erwachsene. Der Jugendliche kann jedoch nicht wirksam auf die „mündliche Äußerung“ verzichten. Der 74  Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S. 306. 75  Nothacker, „Erziehungsvorrang“ und Gesetzesauslegung im Jugendgerichtsgesetz, S. 306. 76  Zwar nicht mehr unumstritten, aber wohl (noch) vorherrschend, vgl. dazu Maunz / Dürig / Scholz, Grundgesetzkommentar, Art. 3 Rn. 275.

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4. Kap.: Die Videokonferenz in der Jugendstrafvollstreckung

Erziehungsgedanke verlangt zwingend einen persönlichen Kontakt zwischen dem Jugendrichter und dem Jugendlichen. Der Gedanke der Erziehung dient darüber hinaus einem öffentlichen Interesse, der Jugendliche soll nur eine Aussetzung seiner Reststrafe erhalten, wenn dieses gemäß § 88 Abs. 1 JGG im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit […] verantwortet werden kann. Dem Erziehungsgedanken kommt insoweit eine Doppelfunktion zu, durch die Unterstützung auf dem Weg zu künftiger Legalbewährung wird die Sicherheit der Allgemeinheit geschützt und durch die erzieherische Auseinandersetzung mit dem Jugendlichen soll die positive Entwicklung des Jugendlichen gefördert werden. Folglich steht der Erziehungsgedanke im öffentlichen Interesse und ein Verzicht des Jugendlichen ist somit ausgeschlossen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Jugendrichter zwingend in persönlichen Kontakt mit dem Jugendlichen treten muss. Den gesetzlichen Anforderungen genügt eine Äußerungsmöglichkeit per Videokonferenz nicht.

B. Die Videokonferenz bei § 83 Abs. 1 JGG i. V. m. § 462a StPO und § 463 StPO Der § 83 Abs. 1 JGG verweist nicht nur auf das Jugendgerichtsgesetz, sondern auch auf die §§ 462a und 463 StPO. § 463 StPO bezieht sich auf Maßregeln der Besserung und Sicherung und gehört damit nicht zum Gegenstand dieser Untersuchung. § 462a StPO enthält selbst keine Regelung zur Anhörung und verweist seinerseits wiederum auf die „allgemeinen“ Vollstreckungsvorschriften, welche bereits untersucht worden sind. Insoweit sei auf die Ausführungen oben verwiesen.

C. Ergebnis Abweichend vom Strafvollstreckungsverfahren von Strafen gegen Erwachsene ist im Strafvollstreckungsverfahren von Jugendstrafen ein Verzicht des Jugendlichen auf die „mündliche Äußerung“ stets unzulässig. Der Verzicht wird durch den Erziehungsgedanken eingeschränkt, welcher seinerseits einen persönlichen Bezug zwischen dem Jugendrichter in der Strafvollstreckung und dem inhaftierten Jugendlichen erfordert. Ein Einsatz von Videokonferenztechnik bei solchen Entscheidungen gegen Jugendliche ist unzulässig.

Fünftes Kapitel

Empirische Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung Der Einsatz von Videokonferenzen in gerichtlichen Verfahren wird sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Rechtswissenschaft kontrovers diskutiert. Während einige im generellen Einsatz von Videokonferenztechnik ein erhebliches Potenzial für Arbeits- und Kosteneinsparungen sehen1 und sogar von einer „Win-Win-Situation“ und einer „kundenorientierten Justiz“ sprechen2, befürchten andere wegen des fehlenden direkten persönlichen Eindrucks vom Verurteilten bei der Durchführung einer Videokonferenz eine Gefahr für die Güte der richterlichen Prognose.3 Dabei wird auf die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung zum generellen Einsatz von Videokonferenztechnik kaum Bezug genommen. Grundlage dieser Debatten stellen vielmehr Mutmaßungen oder bloße Einzelfälle dar, von denen auf eine gewisse Regelhaftigkeit geschlossen wird – auch als anekdotische Evidenz bezeichnet.4 Für eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung reichen solche Meinungen freilich nicht aus. Dafür sind objektive Erkenntnisse notwendig. Solche Erkenntnisse liegen für den Einsatz von Videokonferenztechnik im Strafverfahren in überschaubarer Anzahl vor; die Besonderheit des Strafvollstreckungsverfahrens gebietet jedoch, nicht pauschal diese Ergebnisse zu übernehmen, sondern dem speziellen Erkenntnisinteresse dienende Einsichten zu erlangen. Eine eigene empirische Untersuchung ist daher unumgänglich.

A. Empirische Erkenntnisse und ihre Verwertbarkeit für das Recht Die empirische Sozialforschung kann verwertbare Erkenntnisse für die Rechtsdogmatik liefern. So kann unter Zuhilfenahme empirischer Methoden 1  Vgl. beispielsweise Thomsen, SchlHA 2004, 285 (285; 287); anders Kodek, Modern Communications and Information Technology and the Taking of Evidence, S. 261 (277). 2  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055 (C). 3  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 1 ff. 4  Pfarr / Bothfeld / Bradtke / Kimmich / Schneider / Ullmann, RdA 2004, 193 (193).

124

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

die Rechtswirklichkeit erforscht werden.5 Dies erkannte bereits Eugen Ehrlich als Begründer der Rechtstatsachenforschung. Ehrlich stellte fest, dass Gesetze die gesellschaftlichen Gegebenheiten nur sehr lückenhaft und unvollkommen erfassen.6 Vielmehr wird das gesellschaftliche Zusammenleben von Regeln geprägt, welche die Menschen für sich als verbindlich anerkennen.7 Das nannte Eugen Ehrlich das lebende Recht.8 Will man dieses praktizierte Recht verstehen, so ist die Erforschung mittels der Methoden der empirischen Sozialforschung unumgänglich.9 Die nachfolgende Untersuchung soll genau hier ansetzen. Es soll ermittelt werden, wie und unter welchen Bedingungen in der Praxis Videokonferenzen eingesetzt werden. Zweck der Erforschung ist aber nicht nur das bloße Verstehen des gelebten Rechtes, sondern auch auf dieses reagieren zu können. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Rechtswirklichkeit sollen daher für die vorliegenden rechtsdogmatischen und in geringerem Umfang auch rechtspolitischen Fragestellungen dienlich gemacht werden.10 Deshalb werden in einem abschließenden Kapitel die gewonnenen empirischen Erkenntnisse mit den rechtlichen Ausführungen zu den Regelungen der Anhörung in der Strafvollstreckung zusammengeführt. Weiterhin kann die empirische Sozialforschung, die in der Praxis eingesetzten Mittel auf Ihre Wirksamkeit zur Erreichung der gesetzgeberischen Zwecke hin überprüfen.11 Auf diese Untersuchung übertragen, stellt sich entsprechend die Frage, ob der vorrangige gesetzgeberische Zweck von obligatorisch-mündlichen Anhörungen in der Strafvollstreckung – das Verschaffen eines persönlichen Eindrucks des Gerichts vom Verurteilten –12 mit der derzeitigen Videokonferenztechnik erreicht werden kann.13 Die Überprüfung einer solchen Zweck-Mittel-Beziehung ist mit den Methoden empirischer Sozialforschung möglich.14 Auch dies soll in der vorliegenden Untersuchung Berücksichtigung finden. Insgesamt kann die empirische Sozialforschung damit wichtige Erkenntnisse zur Rechtsanwendung durch die Praxis und für die Rechtsetzung des Gesetzgebers liefern. 5  Rüthers / Fischer / Birk,

Rechtstheorie, S. 187 f. Gesetz und lebendes Recht, S. 228–230. 7  Ehrlich, Gesetz und lebendes Recht, S. 233. 8  Ehrlich, Gesetz und lebendes Recht, S. 233. 9  Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 74. 10  Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 17. 11  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 187 f. 12  Vgl. drittes Kapitel und BVerfG v. 11.2.1993 – 2 BvR 710 / 91, NStZ 1993, 355 (357); OLG Nürnberg v. 11.6.1997 – Ws 615 / 97, NStZ 1998, 376. 13  Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen zur richterlichen Überzeugungsbildung mittels Videokonferenz und der Notwendigkeit empirischer Forschung von Eisenberg, StV 2012, 65 (67). 14  Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 280. 6  Ehrlich,



B. Erkenntnisinteresse und forschungsleitende Hypothesen125

B. Erkenntnisinteresse und forschungsleitende Hypothesen Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden empirischen Untersuchung ergibt sich schon aus der Aufgabe der Rechtstatsachenforschung. Es soll die Rechtswirklichkeit der Anhörung mittels Videokonferenz in der Strafvollstreckung ermittelt werden. Um den Untersuchungsgegenstand möglichst vollständig abbilden zu können, soll die empirische Untersuchung offen gehalten werden. Zu Beginn werden daher forschungsleitende Hypothesen aufgestellt. Im Verlaufe der Untersuchung werden sich weitere Fragestellungen ergeben, deren Überprüfung möglichst unmittelbar erfolgen soll. Zentrale Fragen hinsichtlich der Videokonferenztechnik, die es zu überprüfen gilt, haben die vorherigen Kapitel bereits aufgeworfen. Erstens ist angesichts der grundsätzlichen Zulässigkeit von Videokonferenzen bei fakultativmündlichen Anhörungen und mittels Verzicht des Verurteilten auch bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen, sowie der gegenwärtigen Praxis von Anhörungen per Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen geboten, zu klären, in welchem Umfang Videokonferenzen genutzt werden. Zweitens muss untersucht werden, wie der Inhaftierte seinen Verzicht auf die mündliche Anhörung erklärt. Drittens gilt es zu ermitteln, welche Vereinfachungen oder Probleme durch die Benutzung der Technik entstehen. Viertens welche Faktoren von der Nutzung der Videokonferenztechnik abhalten oder zu ihr führen. Zum Teil haben vorherige Untersuchungen diese Fragestellungen schon behandelt und können zum Ausgangspunkt genommen werden, um daraus forschungsleitende Hypothesen herzuleiten. Diese Studien wurden im Rahmen der Darstellung des Forschungsstandes der hiesigen wissenschaftlichen Abhandlung bereits überblicksartig wiedergegeben. Deren Inhalte sollen kurz in Erinnerung gerufen und daran anschließend die forschungsleitenden Hypothesen formuliert werden.15 Die Reihenfolge der dargestellten Hypothesen erfolgt von den allgemeinen zu den spezielleren. Ausnahmen von diesem Grundsatz erfolgen, wenn der Aufbau des Fragebogens eine andere Reihenfolge notwendigerweise vorgibt. Zu den Studien und den daraus hergeleiteten forschungsleitenden Hypothesen im Einzelnen: Der Deutsche Richterbund lehnte in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Landes Hessen den Einsatz von Videokonferenztechnik im Strafvollstreckungsverfahren ab.16 Fraglich ist, ob die befragte Richterschaft die Ansicht teilt. 15  Vgl. zur Notwendigkeit von Hypothesen Nerdinger / Blickle / Schaper, Arbeitsund Organisationspsychologie, S. 27 f. 16  Vgl. auch Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 4.

126

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

– Hypothese 1: Die in der Strafvollstreckung tätigen Richterinnen und Richter lehnen im Mittel den Videokonferenzeinsatz eher ab. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat während des Gesetzgebungsverfahrens des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren eine Expertenanhörung durchgeführt. Auf diese Anhörung ist im dritten Kapitel unter B. II.4 näher eingegangen worden. Die angehörten Sachverständigen Wimmer und Köbler sahen durch entfallende Gefangenentransporte eine erhebliche Erleichterung für die Anstalten.17 Sollten videokonferenzgeführte Anhörungen erhebliche Verfahrenserleichterungen für die Anstalten mit sich bringen, läge es nahe, dass die Anstalten den Videokonferenzeinsatz befürworten würden. – Hypothese 2: Die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten befürworten im Mittel eher den Einsatz von Videokonferenztechnik. Sollten einzelne Richterinnen / Richter und Anstalten die Videokonferenz befürworten, liegt es ebenfalls nahe, dass sie die Technik auch einsetzen. Trifft die Annahme nicht zu, könnten äußere Faktoren (wie die Aus­ stattung) den Videokonferenzeinsatz verhindern. Zuerst soll jedoch der obigen Annahme nachgegangen werden. – Hypothese 3: Wer die Videokonferenz befürwortet, der nutzt die Technik auch. Neben der Ausstattung der Gerichte und Anstalten können persönliche Gründe von der Nutzung der Videokonferenztechnik abhalten. Ein Grund könnte eine geringere Vertrautheit älterer Menschen mit informationstechnischen Medien sein. In der Literatur wird von erheblichen Schwellenängsten älterer Menschen gegenüber dem Umgang mit elektronischen Medien berichtet.18 Fraglich ist, ob diese Annahme auch auf ältere Richterinnen und Richter zutrifft. – Hypothese 4: Junge Richterinnen und Richter stimmen der Videokonferenz eher zu. Empirische Sozialforschung kann die Eignung der Videokonferenztechnik im Hinblick auf die gesetzgeberischen Zwecke überprüfen. Ein solcher gesetzgeberischer Zweck ist auch bei Anhörungen in der Strafvollstreckung gegeben, da sich das Gericht vom Verurteilten einen persönlichen Eindruck machen soll.19 Bereits in der Einleitung wurde hierzu die Studie 17  Wimmer,

Stellungnahme, S. 7; Köbler, Stellungnahme, S. 1. beispielsweise Prütting, AnwBl. 2013, 330 (330). 19  Beispielsweise BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20. 18  Vgl.



B. Erkenntnisinteresse und forschungsleitende Hypothesen127

von Treadway Johnson / Wiggins vorgestellt. Die Autoren weisen daraufhin, dass Gegner des Videokonferenzeinsatzes eine eingeschränkte Übertragung von nonverbalen Äußerungen bemängeln.20 Insbesondere sei die Darstellung von Gestik und Mimik durch die Videokonferenztechnik gemindert.21 Fehlt die vollständige Übertragung aller kommunikativen Aspekte, wird der persönliche Eindruck vom Verurteilten eingeschränkt.22 Aus dieser Annahme lässt sich die fünfte Hypothese ableiten. – Hypothese 5: Als stärkster Nachteil der Videokonferenz wird die eingeschränkte Wahrnehmung eines persönlichen Eindrucks vom Verurteilten gesehen. Die erste und zweite Hypothese hat sich mit der Befürwortung des Videokonferenzeinsatzes in Strafvollstreckungsverfahren befasst. Dabei ist die Videokonferenztechnik nicht mehr auf den beruflichen Alltag beschränkt, auch im Privatleben haben Videokonferenztechnik und kostenlose Videokonferenzdienste23 Verbreitung gefunden. Wer die Technik in seinem privaten Umfeld nutzt, könnte in der Strafvollstreckung den Einsatz ebenso befürworten. Es liegt folglich nahe zu vermuten, dass die Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen mit der Bewertung des allgemeinen Nutzens in Zusammenhang steht. Aus dieser Vermutung lässt sich die sechste Hypothese ableiten. – Hypothese 6: Zwischen der Befürwortung des Einsatzes von Videokon­ ferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen und der Be­ wertung des allgemeinen Nutzens der Videokonferenztechnik besteht ein ­Zusammenhang. In der Darstellung des Forschungsstandes ist von Problemen bei der Nutzung von Videokonferenztechnik berichtet worden. Regelmäßig genannt wurden Schwierigkeiten durch eine asynchrone Übertragung von Sprache und Bild. Die Fallstudie von Braun zur Kommunikation bei der Videokonferenznutzung konnte diese Feststellung belegen.24 Fraglich ist, ob die hiesigen Untersuchungsteilnehmer die technisch bedingte asynchrone 20  Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215); so auch DohertySneddon / McAuley, ACP 2000, 379 (390). 21  Sauerwein, Die Anwendung moderner Kommunikationstechnologie im nationalen und internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 159. 22  Sensburg, DRiZ 2013, 126 (127). 23  Beispielsweise Skype. 24  Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen, S. 19–20; bespielsweise auch Sossin / Yetnikoff, I Can See Clearly Now: Videoconfernence Hearings and the Legal Limit on How Tribunals Allocate Resources, S. 257.

128

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Übertragung von Sprache und Bild ebenfalls feststellen und ob diese ein Problem für sie darstellt. Um diesen Fragen nachgehen zu können, wurde eine siebte Hypothese gebildet. – Hypothese 7: Die Videokonferenz überträgt Sprache und Bild asynchron und dieses stellt ein Problem für die Mehrheit der Untersuchungsteilnehmerinnen und -teilnehmer dar. Videokonferenztechnik kann in den unterschiedlichsten Verfahrensstadien und Prozessordnungen genutzt werden. Zentraler Forschungsanlass dieser Untersuchung war jedoch herauszufinden, ob die Technik in der Strafvollstreckung genutzt wird. Von einer solchen unterrichtete das Rheinlandpfälzische Ministerium der Justiz im April 2003 die Öffentlichkeit. Das Ministerium teilte damals mit, dass Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen eingesetzt wurde.25 Es ist daher für die vorliegende Untersuchung von erheblichem Interesse, ob die hiesigen Befragten Video­konferenztechnik in Deutschland in der Strafvollstreckung nutzen. – Hypothese 8: Die Videokonferenztechnik wird in Deutschland bereits in der Strafvollstreckung genutzt. Ebenfalls zu Beginn dieser wissenschaftlichen Abhandlung wurde ein häufig angeführtes Argument für die Videokonferenznutzung genannt. Der Einsatz dieser Technik soll Zeitersparnis und darauf basierend Kostenersparnis bringen. Jedenfalls vertritt das Land Hessen als Initiator der Gesetzesänderung diese Auffassung.26 Dieses Argument ist auch bei einigen internationalen Untersuchungen zum Videokonferenzeinsatz von den Befürwortern der Technik benannt worden.27 Fraglich ist, ob Zeitersparnis auch bei Strafvollstreckungsverfahren auftritt. Dieser Frage soll anhand der neunten Hypothese nachgegangen werden. – Hypothese 9: Videokonferenztechnik spart Zeit ein. Nicht alle Hypothesen wurden jedoch in wissenschaftlichen Beiträgen zuvor behandelt. Einige Fragestellungen haben sich erst im Laufe der hiesigen rechtlichen Untersuchung ergeben. Ein zentrales Ergebnis ist, 25  Vgl. Fundstelle bei Esser, NStZ 2003, 464 (464); vgl. auch Hessisches Ministerium der Justiz, Videotechnik beschleunigt Gerichtsverfahren und spart Kosten, v. 22.3.2013; OLG Hamm v. 11.2.2010 – 3 Ws 69, 70 / 10, NStZ 2011, 119 (119–120); OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris. 26  Vgl. BT-Drucks. 17 / 1224, S. 1. 27  Zum generellen Zeiteinsparungspotenzial durch Videokonferenzen vgl. beispielsweise Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (211); Srinivasaraghavan, Behav. Sci. Law 2008, 249 (250); Miller / Clark / Veltkamp u. a., Behav. Sci. Law 2008, 301 (309).



C. Die Befragung – Aufbau und Durchführung129

dass der Videokonferenzeinsatz in Strafvollstreckungssachen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen grundsätzlich unzulässig ist. Nur ein Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung kann Videokonferenz zulässig werden lassen. Für die Wirksamkeit der Verzichtserklärung ist die Freiwilligkeit entscheidend. Auf eine unfreie Erklärung kann hindeuten, wenn das Gericht Initiator der Verzichtserklärung ist. In der empirischen Untersuchung ist von besonderem Interesse, auf wen regelmäßig die Videokonferenznutzung zurückgeht. Die wenigen obergerichtlichen Entscheidungen deuten darauf hin, dass die Gerichte diese Rolle einnehmen.28 – Hypothese 10: Das Gericht ist regelmäßiger Initiator der Videokonferenz. Im Verlauf der Auswertung werden sich weitere interessante Fragestellungen und Aussagen ergeben. Deren Untersuchung soll unmittelbar erfolgen. In einem abschließenden Kapitel werden dann die gewonnenen empirischen Erkenntnisse mit den rechtlichen Anforderungen an die Anhörung in der Strafvollstreckung verglichen und notwendige Schlussfolgerungen für den Videokonferenzeinsatz gezogen.

C. Die Befragung – Aufbau und Durchführung Die Befragung richtete sich an Richterinnen und Richter, die zum Erhebungszeitpunkt in der Strafvollstreckung tätig waren, und an alle Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten.

I. Der Aufbau des Fragebogens Bei den beiden Befragtengruppen wurde je ein standardisierter Fragebogen eingesetzt; die beiden Versionen waren jedoch weitestgehend inhaltsgleich. Sie wichen nur dann voneinander ab, wenn Besonderheiten der jeweiligen Gruppe berücksichtigt werden mussten. Der Fragebogen an die Richterinnen und Richter umfasste insgesamt 33 Fragen und die Beantwortung nahm ca. 10–15 Minuten in Anspruch. Der Fragebogen unterteilte sich in einen Bereich zur generellen Ausstattung der Gerichte und zur persönlichen Einstellung der Richterinnen und Richter zur Videokonferenztechnik. Daran anschließend wurden nur noch die Richterinnen und Richter befragt, die tatsächliche eine Videokonferenz in den vergangenen zwölf Monaten durchgeführt hatten. Dabei wurden sie nach der Häufigkeit der Durchfüh28  OLG Frankfurt a. M. v. 31.8.2006 – 3 Ws 811 / 06, NStZ-RR 2006, 357 (357); OLG Karlsruhe v. 28.7.2005 – 3 Ws 218 / 05, NJW 2005, 3013 (3013); OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12; BeckRS 2012, 11714.

130

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

rung und zum „Setting“ ihrer Videokonferenz befragt. Im dritten Abschnitt des Fragebogens ist näher auf die Besonderheiten der Videokonferenzen in der Strafvollstreckung eingegangen worden, hier interessierten insbesondere die rechtliche Aufklärung des Verurteilten und die persönlichen Erfahrungen des Richters. Abschließend hatten die Richterinnen und Richter die Möglichkeit, eigene Anmerkungen zu formulieren. Die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten erhielten einen nur geringfügig geänderten Fragebogen. Sofern die Anstalten Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung bereits nutzten, waren 25 Fragen zu beantworten. Der Aufbau folgte dem Fragebogen der Richterinnen und Richter. Weggelassen wurden schließlich solche Fragen, die spezifisch auf die Eigenschaft des Richters zugeschnitten waren. Ebenfalls nicht gestellt wurden Fragen zur Person. Dadurch sollte die Anonymität der Anstaltsleitung gewahrt werden und für die Untersuchung waren diese Fragen bei den Anstalten auch nicht notwendig. Innerhalb der Ergebnisdarstellung wird näher auf die einzelnen Fragen und die Gestaltung des Fragebogens Bezug genommen.

II. Stichprobenbeschreibung und Durchführung der Befragung Zur erleichterten Durchführung der Befragung wurden in der zweiten Jahreshälfte 2011 Genehmigungen der jeweils zuständigen Landesjustizministerien und Unterstützungszusagen der Gerichtspräsidenten / -direktoren eingeholt. Diese wurden den angeschriebenen Richterinnen, Richtern und Anstalten in einem Begleitschreiben zum Fragebogen mitgeteilt. Das Anschreiben erläuterte weiterhin die Ziele der Untersuchung und die Handhabung des Fragebogens. Insgesamt wurden zwischen Ende 2011 bis Anfang 2012 687 Fragebögen versendet. Für den Rückversand wurde ein anonymisierter und frankierter Rückumschlag beigelegt. Die gesamte Befragung erfolgte freiwillig und anonym, ein Rückschluss auf einzelne Befragte ist nicht möglich. 1. Fragebogen an die Richterinnen und Richter Dieser Fragebogen wurde an 423 Richterinnen und Richter versendet, welche zum Zeitpunkt der Erhebung in der Strafvollstreckung tätig waren. Hierzu wurden in einer bewussten Auswahl von Bundesländern in den dortigen obergerichtlichen Bezirken Gerichte mittels Los ausgewählt und angeschrieben. Die Auswahl von Bundesländern und Gerichtsbezirken wurde notwendig, da die bundesweite Befragung aller in der Strafvollstreckung tätigen Richterinnen und Richter zeitlich-organisatorisch und finanziell den



C. Die Befragung – Aufbau und Durchführung131 Tabelle 1 Anzahl der befragten Gerichtsbezirke in den jeweiligen Bundesländern Bundesland

Bezirk

Berlin

1 Kammergerichtsbezirk

Bremen

1 Oberlandesgerichtsbezirk

Mecklenburg-Vorpommern

1 Oberlandesgerichtsbezirk

Nordrhein-Westfalen

3 Oberlandesgerichtsbezirke

Rheinland-Pfalz

2 Oberlandesgerichtsbezirke

Saarland

1 Oberlandesgerichtsbezirk

Thüringen

1 Oberlandesgerichtsbezirk

Rahmen des Forschungsvorhabens überstiegen hätte. Dennoch lag die schriftliche Unterstützung zur Erhebung, mit Ausnahme des Landes Brandenburgs, von allen Justizministerien vor. Um die Vergleichbarkeit mit der Umfrage der Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten zu gewährleisten, sollte die Länderauswahl ein Querschnitt des Bundesgebietes darstellen. Die Bundesländer-Stichprobe wurde gebildet aus den Ländern Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen. Die Bundesländer Berlin und Bremen wurden gewählt, um die spezifischen Eigenschaften eines Stadtstaates in der Erhebung zu haben, insbesondere die vergleichsweise kurzen Wege zu den Anstalten. Dazu ist Bremen ein norddeutsches Bundesland. Hingegen wurde Mecklenburg-Vorpommern als Bundesland mit erwartungsgemäß größeren Wegen befragt sowie als Bundesland im östlichen Teil Deutschlands. Nordrhein-Westfalen wurde wegen seiner westlichen Lage und des nahen örtlichen Bezuges ausgesucht. Rheinland-Pfalz wurde gewählt, da hier die Videokonferenztechnik seit längerer Zeit bereits in der Strafvollstreckung eingesetzt wird. Das Saarland wurde ebenfalls aufgrund seiner westlichen Lage und angespannten Haushaltslage ausgesucht. Der Freistaat Thüringen soll die südöstlichen Länder vertreten. Insgesamt wurde darauf geachtet, dass die Landesregierungen sich politisch zum Erhebungszeitpunkt in den einzelnen Bundesländern unterschieden, um mögliche parteipolitische Einflüsse hieraus zu vermeiden. Angeschrieben wurden in Bremen und Rheinland-Pfalz alle ordentlichen Gerichte. In den übrigen Ländern wurden alle Oberlandesgerichte und Landgerichte angeschrieben, sowie ein nach dem Zufall ausgewählter Landgerichtsbezirk, in dem auch die Amtsgerichte erfasst worden sind. Um die Anzahl der betref-

132

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Tabelle 2 Rücklauf durch Richterinnen und Richter, die in der Strafvollstreckung tätig sind 29

Anzahl der angeschriebenen Richterinnen und Richter

Anzahl der Rückläufe

Rücklaufquote

48 / 10

 26

44,83 %

Mecklenburg-Vorpommern

 52

 12

23,08 %

Nordrhein-Westfalen

163

 57

43,97 %

Rheinland-Pfalz

110

 34

30,91 %

Saarland

  4

  4

100,00 %

Thüringen

 36

  8

22,22 %

Insgesamt

423

141

33,33 %

Bundesland

Berlin / Bremen29

fenden Richterinnen und Richter zu ermitteln, wurden die Gerichtspräsidenten / -direktoren vorab kontaktiert und um Nennung der Anzahl der Richterinnen und Richter gebeten, die Aufgaben in der Strafvollstreckung wahrnehmen. Den Gerichten wurde dann die entsprechende Anzahl Fragebögen und Rückumschläge geschickt und um Zuleitung an die entsprechenden Richterinnen und Richter gebeten. Dieses geschah im Zeitraum Oktober 2011 bis Januar 2012. Von den angeschriebenen Richterinnen und Richtern wurden 141 Fragebögen zurückgesandt, was einer Rücklaufquote von 33,33 %30 entspricht. Die Höhe der Rückläufe wurde möglicherweise beeinträchtigt, da die Fragebögen durch die Gerichte verteilt werden mussten und nicht direkt an die in der Strafvollstreckung tätigen Richterinnen und Richter versendet werden konnten. Nicht auszuschließen ist daher, dass einige Fragebögen so nie die entsprechenden Adressaten erreichten. 2. Fragebogen an die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten Mithilfe der zweiten Fragebogenversion sollten alle Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten des Bundesgebietes (Vollerhebung) befragt werden. 29  Die Stadtstaaten wurden zusammengefasst, um die Anonymität der Befragten zu gewährleisten. 30  Vgl. Tabelle 2.



C. Die Befragung – Aufbau und Durchführung133

Mangels Zustimmung des brandenburgischen Ministeriums der Justiz konnte in diesem Bundesland aber keine Befragung durchgeführt werden.31 Tabelle 3 Rücklauf durch die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten32 33 34 35 36

Bundesland

Baden-Württemberg

Anzahl der angeschriebenen Anstalten

Anzahl der Rückläufe

Rücklaufquote

36 (3733)

 17

  47,22 %

40

 19

  47,50 %

8 / 3 / 4

 11

  73,33 %

Bayern Berlin / Bremen / Hamburg34 Brandenburg

hat nicht an der Befragung teilgenommen

Hessen

20

 15

  75,00 %

Mecklenburg-Vorpommern

5

  2

  40,00 %

Niedersachsen

(4535)

 12

  27,91 %

Nordrhein-Westfalen

59

 28

  42,37 %

Rheinland-Pfalz

11

 10

  90,91 %

Saarland

(436)

  3

100,00 %

Sachsen

11

  8

  72,73 %

Sachsen-Anhalt

8

  6

  75,00 %

Schleswig-Holstein

7

  6

  85,71 %

Thüringen

6

  5

  83,33 %

keine Angabe



  2



264

144

  54,55 %

Insgesamt 31  Begründet

43

3

wurde dieses mit einer erheblichen Arbeitsbelastung der Anstalten. Anschriften wurden der bundesweit geführten Liste des Landes NRW mit Stand 01.01.2011 entnommen, abbrufbar unter: http: /  / www.justiz.nrw.de / Gerichte_ Behoerden / anschriften / justizanschriften / bundesweit / justizvollzugsbehoerden.pdf. 33  An die Außenstelle Kenzingen der JVA Offenburg konnte postalisch nicht zugestellt werden. 34  Die Stadtstaaten wurden zusammengefasst, um die Anonymität der Befragten zu gewährleisten. 35  Die Abteilung Göttingen und die Sozialtherapeutische Anstalt Alfeld sind geschlossen. 36  Die Außenstelle St. Ingbert wurde zum 1. Juli 2011 geschlossen. 32  Die

134

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Auf die übrigen Anstalten des Bundesgebietes entfielen 264 versendete Fragebögen. Die Versendung an die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten geschah nach Eingang der Genehmigungen im Zeitraum September 2011 bis Januar 2012. Von den versendeten Fragebögen an die Anstalten fanden 144 ihren Rückweg, welches eine Rücklaufquote von 54,55 % ergibt. Nicht befragt wurden Abschiebehaftanstalten, Haftkrankenhäuser und Jugendarrest­ anstalten, da die Strafvollstreckung dort insoweit keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. 3. Keine Befragung von Verurteilten Weiterhin nicht befragt werden konnten Verurteilte, die an einer Videokonferenz teilgenommen haben. Aufgrund der Natur der Entscheidungen in der Strafvollstreckung befinden sich viele Verurteilte nach der mündlichen Anhörung nur noch kurz in Haft. Ein Erreichen dieser Personen in genügender Anzahl erschien daher aussichtslos.

D. Die Ergebnisse Im folgenden Abschnitt sollen die Ergebnisse der Auswertung beider Fragebogenversionen dargestellt werden. Bevor auf diese eingegangen wird, sollen die gewählte Darstellung erläutert und die gewählten Methoden der Auswertung veranschaulicht werden.

I. Art der Darstellung Die Ergebnisse der Befragungen der Richterinnen und Richtern sowie der Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten werden grundsätzlich zusammen dargestellt. Dabei wird der Reihenfolge der Fragen gefolgt, soweit nicht mehrere Fragestellungen unmittelbar zusammenhängen. Um die Übersicht zu wahren, sind Fragestellungen des Erhebungsbogens stets mit „Abbildung“ überschrieben. Aufgeführt werden zuerst die Resultate der Richterinnen und Richter und anschließend die der Anstalten. Spezifische Fragestellungen, die in den beiden Fragebogenversionen nicht korrespondieren, werden separat abgehandelt. Es wird in folgender Reihenfolge vorgegangen: − Darstellung der statistischen Merkmale der Befragten; − grundlegende Informationen zur Fragestellung, Antwortmöglichkeiten (verwendete Skalen, Ankreuzmöglichkeiten oder Textangaben); − Anzahl der antwortenden Befragten; − Präsentation der zentralen Auswertungsergebnisse;



D. Die Ergebnisse135

− Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse; − soweit erforderlich: differenzierte Auswertung der Daten. Wenn möglich, erfolgt eine grafische Aufbereitung der Ergebnisse. Denn grafische Darstellungen erlauben die übersichtliche Wiedergabe von zentralen Tendenzen, Besonderheiten bestimmter Gruppen etc. Die Darstellung dieser Ergebnisse wurde stets mit „Grafik“ überschrieben. Wenn eine übersichtliche grafische Darstellung aufgrund der Komplexität der Ergebnisse nicht möglich ist (zu viele Antwortoptionen, große Anzahl der betrachteten Gruppen), werden die Ergebnisse in Tabellenform aufbereitet.37 Um dem Leser eine Einordnung der Ergebnisse zu ermöglichen, wird im Anschluss an die jeweilige Darstellung stets versucht eine Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse vorzunehmen. Nach jedem Abschnitt sind die gewonnenen Erkenntnisse und Interpretationen noch einmal überblicksartig zusammengefasst.

II. Statistische Kennzahlen und Aufbereitung der Daten Für die Analyse der Daten wurden Methoden der deskriptiven und der schließenden Statistik genutzt. Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mittels IBM SPSS 20® und Microsoft Excel 2013®. 1. Methoden der deskriptiven Statistik Für die Datenanalyse wurden folgende statistische Kennzahlen und Indikatoren der deskriptiven Statistik verwendet: a) Top-2-Box und Low-2-Box In der zugrunde liegenden Befragung sind die Teilnehmer unter anderem nach ihrer persönlichen Meinung zum Einsatz von Videokonferenztechnik befragt worden sowie nach der Einschätzung von Vor- und Nachteilen der Videokonferenz. Zur Befragung sind hier jeweils 5er-Likert-Skalen verwendet worden. Dies wird nachfolgend am Beispiel der zweiten und auszugsweise der dritten Frage beider Fragebögen dargestellt: Ist zwischen zwei solchen Merkmalen mit Methoden der schließenden Statistik gerechnet worden, so sind die Antworten der Befragten in drei Gruppen zusammengefasst: 37  Zur allgemeinen Darstellung von empirischen Daten vgl. Bortz / Schuster, Statistik, S. 39–47.

136

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

II.

Befürworten Sie die Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs/Strafvollstreckungssachen? Sie können Ihr Urteil wie in der Schule von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) abstufen.

Ich befürworte die Nutzung

1 III.

Ich befürworte die Nutzung nicht

2

3

4

5

Welche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/Strafvollstreckungssachen?

voll und ganz zutreffend

1

Kostenersparnis

überhaupt nicht zutreffend

2

3

4

5

Abbildung 1: Beispiel einer 5-Likert-Skala

Top-2-Box Wert auf der Likert-Skala Gruppe

Low-2-Box

1 und 2

3

4 und 5

ja

indifferent

nein

Abbildung 2: Beispiel einer Top-2-Box und einer Low-2-Box

Die Zusammenfassung des Antwortverhaltens in eine Top-2-Box und Low-2-Box erleichtert die Darstellung und vermittelt dem Leser einen übersichtlichen und vollständigen Blick auf die Zusammenhänge zwischen den untersuchten Merkmalen. b) Mittelwert Weiterhin wurden Mittelwerte einzelner Antworten errechnet. Durch diese Mittelwerte werden zentrale Tendenzen der Befragung abgebildet.38 In der vorliegenden Untersuchung werden ausschließlich Mittelwerte nach dem arithmetischen Mittel39 bestimmt. Dieses Mittel eignet sich besonders zur Verdichtung der Ergebnisse und damit zur Verdeutlichung und Analyse. Allerdings kann das arithmetische Mittel nicht die Streuung der Antworten abbilden. 38  Bortz / Schuster, 39  Benninghaus,

Statistik, S. 25. Deskriptive Statistik, S. 49.



D. Die Ergebnisse137

c) Standardabweichung Um die Streuung des Antwortverhaltens aufzuzeigen, wurde in geeigneten Fällen die Standardabweichung berechnet. Denn die Streuung des Antwortverhaltens (oder auch Variabilität) kann gerade durch die Standardabweichung angegeben werden. Sie bildet „eine ‚repräsentative‘ Abweichung vom Zentrum der Verteilung“40 ab. Die Standardabweichung kann damit, anders als das arithmetische Mittel, über die Verteilung des Antwortverhaltens der Befragten Auskunft geben. 2. Methoden der schließenden Statistik Weiterhin wurden die folgenden Methoden der schließenden Statistik verwendet: a) Chi-Quadrat-Signifikanz-Test Der Chi-Quadrat-Signifikanz-Test dient der Überprüfung von Häufigkeitsverteilungen.41 Es wird dabei getestet, ob ein einzelnes Merkmal häufiger auftritt als zu erwarten gewesen wäre.42 Also häufiger als der Zufall die Merkmale verteilt hätte. Des Weiteren können mehrere Merkmale dahin gehend überprüft werden, ob sie unabhängig sind oder ein Zusammenhang naheliegt.43 b) Kontingenzkoeffizient Die Stärke eines Zusammenhangs zweier nominal- oder ordinalskalierter Merkmale zueinander wird mittels des Kontingenzkoeffizienten berechnet.44 Der Wert des Kontingenzkoeffizienten kann zwischen 0 und 1 liegen, wobei 0 keine Beziehung und 1 eine perfekte Beziehung der Merkmale zueinander charakterisiert.45

40  Bortz / Schuster,

Statistik, S. 31. Deskriptive Statistik, S. 104 f.; Bortz / Schuster, Statistik, S. 137. 42  Bortz / Schuster, Statistik, S. 137. 43  Bortz / Schuster, Statistik, S. 137. 44  Bortz / Schuster, Statistik, S. 180. 45  Benninghaus, Deskriptive Statistik, S. 66. 41  Benninghaus,

138

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

c) Korrelation (nach Pearson) Die Korrelation dient dazu, Aussagen über den statistischen Zusammenhang zwischen zwei intervallskalierten Variablen zu treffen. Die Korrela­ tion misst dabei den linearen Zusammenhang zwischen diesen gewählten Merkmalen.46 Im Unterschied zum Kontingenzkoeffizienten gibt der Korrelationskoeffizient nicht nur die Stärke, sondern die Richtung des Zusammenhangs an. Der Korrelationskoeffizient kann Werte zwischen –1 und +1 annehmen.47 Bei einem Wert von 0 besteht kein statistischer Zusammenhang, bei einem Wert von +1 und –1 wird von einem perfekt positiven beziehungsweise perfekt negativen Zusammenhang der untersuchten Variablen gesprochen.48 Je höher also der Wert des Koeffizienten, desto stärker ist der Zusammenhang.49 Die Richtung wird wie folgt ausgedrückt: Ist der Korrelationskoeffizient positiv, so stehen hohe Werte der einen Variablen hohe Werte der anderen gegenüber.50 Dieses gilt ebenfalls für niedrige Werte der einen Variablen, dieser stehen dann niedrige Werte der anderen Variablen gegenüber.51 Fällt der Wert negativ aus, so ist die Beziehung entgegengesetzt (hohe Werte der einen Variablen entsprechen niedrige Werte der anderen Variable).52 3. Zusammenfassung Die aufgezeigten deskriptiven statistischen Kennzahlen geben eine schnelle und zuverlässige Übersicht über die Ergebnisse. Die Methoden der schließenden Statistik dienen dazu, Fragestellung („Fragen an die Daten“, „Hypothesen“) zu beantworten beziehungsweise weiterführende Fragestellungen aufzuwerfen.

46  Bortz / Schuster,

Statistik, S. 156. Forschungsmethoden und Evaluation, S. 732. 48  Bortz / Schuster, Statistik, S. 157; vgl. auch zum generellen Aufbau einer solchen Untersuchung Nerdinger / Blickle / Schaper, Arbeits- und Organisationspsychologie, S. 31; Field, Discovering Statistics Using IBM SPSS, S. 266 f. 49  Bortz / Döring, Forschungsmethoden und Evaluation, S. 732. 50  Bortz / Döring, Forschungsmethoden und Evaluation, S. 732. 51  Bortz / Döring, Forschungsmethoden und Evaluation, S. 732. 52  Bortz / Döring, Forschungsmethoden und Evaluation, S. 732. 47  Bortz / Döring,



D. Die Ergebnisse139

III. Statistische Merkmale der Befragten Bevor nun auf einzelne Ergebnisse zur Videokonferenztechnik eingegangen wird, werden überblicksartig die statistischen Merkmale der Befragten dargelegt. 1. Bundesland Alle Teilnehmer der Untersuchung wurden gebeten, das Bundesland ihrer Tätigkeit anzugeben. a) Richterinnen und Richter Von den antwortenden Richterinnen und Richterinnen gaben alle 141 an, in welchem Bundesland sie tätig sind. Wie bereits dargelegt, wurden nicht in allen Bundesländern Richterinnen und Richter angeschrieben, sondern eine bewusste Auswahl getroffen. Folglich verteilen sich die Ergebnisse nur über die getroffene Auswahl aus sieben Bundesländern. Wie Grafik 1 zu entnehmen ist, kam mit 40 %53 der überwiegende Teil der Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen, mit Abstand gefolgt von Rheinland-Pfalz mit 24 %. Weiterhin verteilt sich der Teilnehmerkreis in dieser Reihenfolge auf die Stadtstaaten, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Der geringste prozentuale Anteil der antwortenden Richterinnen und Richter war im Saarland tätig.

VIII.

In welchem Bundesland sind Sie Richter? (Hinweis: Um Ihre Anonymität zu wahren, wurden die Stadtstaaten zusammengefasst.) Baden-Württemberg



Bayern



Brandenburg



Hessen



Stadtstaat (B/HB/HH)



Mecklenburg-Vorpommern



Niedersachsen



Nordrhein-Westfalen



Rheinland-Pfalz



Saarland



Sachsen



Sachsen-Anhalt



Schleswig-Holstein



Thüringen



Abbildung 3: Frage A. VIII.: Bundesland der Tätigkeit – Richterinnen und Richter 53  In

den folgenden Ausführungen sind Prozentwerte auf ganze Werte gerundet.

140

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik 50

40

40 30 20

24 18 9

10

3

6

0

n = 141

Grafik 1: Richterinnen und Richter nach Bundesländern (Prozentwerte)

b) Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten Bei den Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten (JSA / JVA) antworteten 144 Befragte. Keine Angaben zum Bundesland wurden in zwei Fragebögen gemacht. Mit Ausnahme des Landes Brandenburg wurden in allen Bundesländern Anstalten befragt. (Als einziges Bundesland verweigerte Brandenburg, mit Hinweis auf die hohe Arbeitsbelastung seiner Anstalten, die Zustimmung zur Durchführung dieser Untersuchung.) Aus allen übrigen Ländern kamen Fragebögen zurück.

VI.

In welchem Bundesland liegt Ihre Justizvollzugsanstalt/Jugendstrafanstalt? (Hinweis: Um Ihre Anonymität zu wahren, wurden die Stadtstaaten zusammengefasst.) Baden-Württemberg



Bayern



Brandenburg



Hessen



Stadtstaat (B/HB/HH)



Mecklenburg-Vorpommern



Niedersachsen



Nordrhein-Westfalen



Rheinland-Pfalz



Saarland



Sachsen



Sachsen-Anhalt



Schleswig-Holstein



Thüringen



Abbildung 4: Frage A. VI.: Bundesland des Standortes – JSA / JVA



D. Die Ergebnisse141 50 40 30 20

20 12

10

13

11 0

0

8

8 1

7

2

6

4

4

4

n = 142

Grafik 2: JVA / JSA nach Bundesländern (Prozentwerte)

Wie schon bei der zuvor genannten Befragtengruppe, so lieferte auch hier Nordrhein-Westfalen mit 20 % die meisten Fragebögen. Aufgrund der höchsten Einwohnerzahl im Ländervergleich und dadurch bedingt entsprechend hoher Anzahl von Anstalten verwundert dieses Ergebnis kaum. Die Verteilung steht weiterhin in Abhängigkeit zur Rücklaufquote des Fragebogens, so antworteten im Saarland 100 % der Anstalten, im Vergleich dazu betrug die Rücklaufquote aus Niedersachsen nur knapp unter 28 %. Besonders erfreulich war auch der mit über 90 % hohe Rücklauf aus Rheinland-Pfalz, da in diesem Bundesland bereits die Videokonferenz in Strafvoll­streckungssachen durchgeführt wird. Im Verhältnis zu den insgesamt zurückgesendeten Fragebögen ergibt sich für Rheinland-Pfalz dadurch ein Anteil von 7 %. 2. Anteil der Jugendrichterinnen und -richter Die Richterinnen und Richter wurden weiterhin gefragt, ob sie zum Zeitpunkt der Erhebung Jugendrichter waren.

VI.

Sind Sie Jugendrichter? Ja



Nein



Abbildung 5: Frage A. VI.: Tätigkeit als Jugendrichter

142

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Von den befragten Richterinnen und Richtern gaben alle 141 an, ob sie Jugendrichter waren. Mit 33 % war der Anteil von Jugendrichtern unerwartet hoch. 3. Alter der befragten Richterinnen und Richter Die Richterinnen und Richter wurden ebenfalls nach ihrem Alter gefragt. Da die Frage höchstpersönlicher Natur ist, wurde den Teilnehmern der Befragung freigestellt zu antworten. Von der Möglichkeit, nicht zu antworten, machte kein Befragter Gebrauch. Um einen direkten Rückschluss auf einzelne Teilnehmer auszuschließen, wurden zudem Altersgruppen gebildet, die sich wie folgt verteilten: VII.

Wie alt sind Sie?

20-30 Jahre

31-40 Jahre

41-50 Jahre

51-60 Jahre

61 oder mehr Jahre

keine Angabe













Abbildung 6: Frage A. VII.: Alter der Richterinnen und Richter

Die mittels dieser Untersuchung befragten Richterinnen und Richter zeichnen über die prozentuale Altersgruppenverteilung fast eine Glocke nach. Mit 35 % nahm die Altersgruppe der 41- bis 50-Jährigen am häufigsten teil.

20-30 Jahre

7

31-40 Jahre

29

41-50 Jahre

35

51-60 Jahre

24

61 oder mehr Jahre

5

keine Angabe n = 141

0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

Grafik 3: Alter der befragten Richterinnen und Richter (Prozentwerte)



D. Die Ergebnisse143

4. Weitere Erläuterungen zu den statistischen Merkmalen der Befragten Die Frage nach der Altersgruppenzugehörigkeit wurde in den Fragebögen für die Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten nicht gestellt, da das Alter der Antwortenden hier irrelevant ist. Im Gegensatz zu den Richterinnen und Richtern sind die Anstalten weisungsgebunden und können nicht frei über den Videokonferenzeinsatz entscheiden. Die Frage A. VI. (Eigenschaft als Jugendrichter) der Richterversion erübrigt sich somit für die Anstalten.

IV. Nutzung und Bewertung von Videokonferenztechnik Nachdem diese persönlichen Eigenschaften der Befragten erfasst waren, setzten beide Fragebogenversionen mit zwei identischen Fragen fort. Die Teilnehmer wurden erstens befragt, ob Videokonferenztechnik in dem Gericht oder der Anstalt eingesetzt wird beziehungsweise ob der Einsatz geplant ist und zweitens nach der persönlichen Befürwortung des Einsatzes der Videokonferenztechnik. 1. Nutzung nach Art der Technik Die Fragestellung war in beiden Versionen nahezu identisch: Fragestellung an die Richter: I.

Haben Sie in Ihrem Gericht die Möglichkeit, Videokonferenztechnik einzusetzen bzw. planen Sie dies in der nächsten Zeit? wird bereits genutzt

Nutzung ist in Vorbereitung

ist nicht geplant

weiß ich nicht

eigene Videokonferenzanlage









mobiles Videokonferenzsystem des Justizministeriums









mobiles Videokonferenzsystem einer anderen Behörde/Stelle









Fragestellung an die Anstalten: I.

Haben Sie in Ihrer JVA/JSA die Möglichkeit, Videokonferenztechnik einzusetzen bzw. planen Sie dies in der nächsten Zeit? – Die Antwortmöglichkeiten entsprachen der obigen Fragebogenversion –

Abbildung 7: Frage A. I.: Einsatz von Videokonferenztechnik

144

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

eigene Anlage

44

22

29 wird genutzt

mobiles System JM

29

in Vorbereitung

70

nicht geplant weiß nicht

mobiles System andere

18

20

62 n = 129

0%

20%

40%

60%

80% 100%

Grafik 4: Nutzung von Videokonferenzanlagen in Gerichten (Prozentwerte)

Wie Grafik 4 zeigt, gaben von den antwortenden Richterinnen und Richtern 44 % (57 Befragte / n = 129) an, dass eine eigene Videokonferenzanlage des Gerichts genutzt wird und laut 5 % der Antwortenden (7 Befragte) ist die eigene Videokonferenzanlage in Vorbereitung. Mobile Systeme sind mit 18 % in deutlich geringerem Maße in Gebrauch. Mit 1 % finden Systeme des Justizministeriums kaum Verwendung. Nicht geplant ist der Einsatz eigener Videokonferenzanlagen immerhin bei 22 % der Befragten (28 der 129 Befragten). Im Bereich der Anstalten (JVA / JSA) werden Videokonferenzanlagen in etwas geringerem Umfang eingesetzt: 16 % nutzen eigene Anlagen und 2 % mobile Systeme anderer Behörden / Stellen (das sind 23 bzw. 2 der 140 Antwortenden). 4 % der Befragten planen zukünftig einen Einsatz einer Videokonferenzanlage in der Anstalt und 3 % der Befragten geben an, zukünftig den Einsatz eines mobilen Systems zu planen. Insgesamt überraschte die Ausstattungsdichte mit Videokonferenztechnik an den Gerichten. 44 % der Richterinnen und Richter haben eine Videokonferenzanlage in ihrem Gericht und mehr als die Hälfte der Antwortenden hat insgesamt Zugang (auch durch mobile Systeme) zu dieser Technik. Diese hohe Ausstattungsdichte der Gerichte unterstreicht daher noch einmal die praktische Relevanz dieser Studie. Bei den Anstalten ist die Verbreitung deutlich geringer, so haben nur 16 % der Anstalten eine eigene Anlage und weitere 2 % können ein mobiles System nutzen.



D. Die Ergebnisse145

eigene Anlage

16

78

wird genutzt mobiles System JM

61

in Vorbereitung

19

nicht geplant weiß nicht mobiles System andere

75

21 n = 140

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Grafik 5: Nutzung von Videokonferenzanlagen in Anstalten (Prozentwerte)

2. Befürwortung der Videokonferenztechnik Im Anschluss an die Eingangsfrage zur eingesetzten Videokonferenztechnik wurde nach der persönlichen Einstellung zum Einsatz im Bereich des Strafvollzuges / in Strafvollstreckungssachen gefragt. Diese Frage zielte auf die Überprüfung der beiden ersten Hypothesen ab und war, wie oben bereits erwähnt, in beiden Fragebögen identisch: II.

Befürworten Sie die Nutzung von Videokonferenztechnik im Strafvollzug/in der Strafvollstreckung? Sie können Ihr Urteil wie in der Schule von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) abstufen.

Ich befürworte die Nutzung

1

Ich befürworte die Nutzung nicht

2

3

4

5

Abbildung 8: Frage A. II.: Befürwortung der Videokonferenztechnik

Zum ersten Mal wurde hier eine Likert-Skala verwendet. Die Befragten konnten so ihr Urteil von 1 („Ich befürworte die Nutzung“) bis 5 („Ich befürworte die Nutzung nicht“) abstufen. Daraus ergibt sich, dass die Werte „1 und 2“ auf der Skala eine Befürwortung der Technik darstellen, die Werte „4 und 5“ eine Ablehnung. Die „3“ als mittlerer Wert beschreibt eine indifferente („weder noch“) Haltung zum Einsatz von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen.

146

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

In Grafik 6 wurde die prozentuale Befürwortung der Nutzung von Videokonferenztechnik durch die Befragten mittels Top-2-Box und Low-2-Box abgebildet. Aus dem Kreis der Richterinnen und Richter haben 6 Personen diese Frage nicht beantwortet, im Bereich JVA / JSA 9 Teilnehmer. Die Befürwortung der JVAs / JSAs liegt mit 41 % deutlich höher als bei den Richtern mit 25 %. Mit 34 % fällt der Anteil derjenigen Anstalten, die die Technik ablehnen, entsprechend geringer aus als bei den Richterinnen und Richtern mit 51 %. Der Anteil der indifferenten Stimmen liegt mit 25 % (JVA / JSA) beziehungsweise 24 % (Richter) etwa gleich auf. Betrachtet man die Mittelwerte für die Befürwortung der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen, dann ergibt sich, dass die befragten Richterinnen und Richter (auf einer Skala von 1–5) mit 3,52 im Durchschnitt den Einsatz von Videokonferenztechnik in diesen Verfahren eher ablehnen (bei einer Standardabweichung von 1,43). Folglich trifft die Hypothese 1 zu: Die in der Strafvollstreckung tätigen Richterinnen und Richter lehnen im Mittel den Videokonferenzeinsatz eher ab. Für die Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten ergibt sich, dass (auf einer Skala von 1–5) mit einem Mittelwert von 2,95 (Standardabweichung 1,39) die Anstalten den Einsatz neutral bis sehr leicht zustimmend bewerten. Die zweite Hypothese (Die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten befürworten im Mittel eher den Einsatz von Videokonferenztechnik) kann daher nicht bestätigt werden. Die Anstalten stehen dem Einsatz eher neutral gegenüber. Auf diese Fragestellung nach der Befürwortung beziehungsweise der Nicht-Befürwortung von Videokonferenztechnik wird im weiteren Verlauf

41

ja

25

25

indifferent

JVA/JSA n = 132

24

Richter n = 135

34

nein

51 0

20

40

60

80

100

Grafik 6: Befürwortung der Nutzung von Videokonferenztechnik (Prozentwerte)



D. Die Ergebnisse147

der Auswertung der Befragungsergebnisse noch häufiger zurückgegriffen werden. Die Darstellung der Befürwortung soll dann weiterhin mithilfe der bereits erwähnten und dargestellten Top-2-Box und Low-2-Box geschehen. Diese ermöglicht eine differenzierte Betrachtung nach Befürworten, NichtBefürwortern und indifferenten Befragten. So soll Aufschluss darüber geben werden, welche Faktoren die Verwendung der Videokonferenztechnik begünstigen und welche dies eher verhindern. 3. Ausstattung und Befürwortung Möglicherweise hat die tatsächliche Ausstattung des Gerichtes oder der Anstalt (Frage A. I.) Einfluss auf die Befürwortung der Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen (A. II.). Denn wer mit dieser Technik in seinem Alltag konfrontiert wird, zum Beispiel durch Nutzungserfahrungen in seinem Umfeld, bewertet den Nutzen der Technik eventuell anders. Dazu wurde erneut die Top-2-Box und Low-2-Box (ja, indifferent und nein) der Befürwortung verwendet und den tatsächlichen Ausstattungen gegenübergestellt. Sowohl bei den befragten Richterinnen und Richtern als auch bei den Anstalten ergibt sich kein klares Verteilungsbild. Es finden sich unter allen Befürwortergruppen (ja, indifferent und nein) sämtliche Ausstattungsvarianten (wird genutzt, in Vorbereitung, nicht geplant und weiß ich nicht). Diese Verteilung lässt drauf schließen, dass die Einstellung der Befragten nicht abhängig von der tatsächlichen Ausstattung ihres Gericht oder ihrer Anstalt ist.

nein

0,3

indifferent

0,3

ja

1,4

0

26,7

13,2 11,1

weiß ich nicht

15,3

5,2

nicht geplant in Vorbereitung

4,9

4,9

wird genutzt

8,3 8,3

10

20

30

40

Grafik 7: Befürwortung und Ausstattung mit Videokonferenztechnik, Richter (Prozentwerte)

148

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik 4,9 nein

31,1

0,3 1,2

weiß ich nicht

2,7 indifferent

21,0

1,2 0,9

in Vorbereitung wird genutzt

6,1 ja

1,2

0

nicht geplant

24,4

4,9 10

20

30

40

Grafik 8: Befürwortung und Ausstattung mit Videokonferenztechnik, JVA / JSA (Prozentwerte)

4. Häufigkeit der allgemeinen Nutzung Bevor auf einen Zusammenhang zwischen der Befürwortung und Nutzung von Videokonferenztechnik eingegangen werden kann, ist die allgemeine Nutzung von Videokonferenztechnik (beispielsweise im Strafverfahren oder in der Strafvollstreckung) zu erörtern. Die Richter und Anstalten wurden jeweils gefragt: I.

In wie vielen Fällen haben Sie die Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten insgesamt genutzt? in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Sollten Sie die Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten nicht genutzt haben, fahren Sie bitte mit Abschnitt D fort.

Abbildung 9: Frage B. I.: Allgemeine Nutzung der Videokonferenztechnik

Von den befragten Richterinnen und Richtern haben 89 % in den vergangenen 12 Monaten keine Videokonferenz im Rahmen ihrer Tätigkeit durchgeführt.54 Bei den Anstalten zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, dort gaben 54  Nicht ausgeschlossen sind die mittlerweile weit verbreiteten privaten Videokonferenzen.



D. Die Ergebnisse149 85 89

in keinem Fall 1-5 mal

4 3

6-10 mal

4 2

JSA/JVA n = 142

0 1

11-20 mal 21-50 mal

4 2

häufiger als 50 mal

3 3 0

Richter n = 141

20

40

60

80

100

Grafik 9: Allgemeine Nutzung der Videokonferenztechnik (Prozentwerte)

85 % der befragten Anstalten an, keine Videokonferenzen im zurückliegenden Jahr durchgeführt zu haben. Die übrigen Teilnehmer haben die Videokonferenztechnik in unterschiedlicher Häufigkeit genutzt. Im nächsten Schritt soll nun auf den Zusammenhang zwischen Befürwortung und Nutzungsverhalten eingegangen werden. 5. Zusammenhang von Befürwortung und Nutzung Es wurde aufgezeigt, dass die Richterschaft im Mittel dem Einsatz von Videokonferenzen eher ablehnend gegenübersteht. Bei den befragten Anstalten ergibt sich eine eher neutrale bis minimal zustimmende Meinung zum Einsatz von Videokonferenztechnik. Des Weiteren wurde dargelegt, dass ein Teil der Richterschaft und auch der Anstalten die Videokonferenztechnik tatsächlich einsetzt. Für beide Befragtengruppen ist jedoch fraglich, ob zwischen der Zustimmung beziehungsweise der Ablehnung und dem allgemeinen Nutzungsverhalten ein Zusammenhang besteht. Dieses soll im Folgenden untersucht werden. Um einen besseren Überblick zu gewährleisten, wurden dazu in Grafik 10 und Grafik 11 die Fälle der Nutzung von Videokonferenztechnik in Gruppen zusammengefasst. Wenn in keinem Fall eine Videokonferenz in den vergangenen 12 Monaten durchgeführt worden ist, wurden diese in der Gruppe „nie“ erfasst. Wurde im selben Zeitraum zwischen 1- bis 10-mal die Videokonferenz durchgeführt, so sind die Fälle in der Gruppe „selten“ vereint. Alle Fälle, in denen mehr als 11-mal eine Videokonferenz innerhalb der letzten 12 Monate durchgeführt worden ist, teilen sich die Gruppe

150

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

„häufig“. Diesen drei Gruppen wurde dann in Grafik 10 und Grafik 11 die Befürwortung / Ablehnung der Befragten gegenübergestellt.55 Für die Richterschaft ergibt sich aus Grafik 10: Wenn Richterinnen und Richter die Videokonferenztechnik häufig einsetzen, dann befürworten sie durchweg die Nutzung von Videokonferenztechnik. Dieses gilt in der vorliegenden Untersuchung für 8 Richterinnen und Richter. Dass Richterinnen und Richter, die häufig Videokonferenztechnik einsetzen, diese befürworten, ist zudem hochplausibel, denn wenn der Befragte frei über den Einsatz der Technik entscheiden kann, so wird er sie nur bei eigener Zustimmung einsetzen. In der Gruppe der seltenen Nutzer von Videokonferenztechnik finden sich mit 29 %56 immerhin ein beträchtlicher Anteil an Richterinnen und Richtern, die die Videokonferenz 1–10-mal im zurückliegenden Jahr genutzt haben, den Einsatz aber eigentlich ablehnen. Und selbst bei den Richterinnen und Richtern, die keine Videokonferenztechnik nutzen, findet sich ein Anteil von 20 %, der den Einsatz grundsätzlich befürwortet. Mittels Chi-Quadrat-Test lässt sich zwischen Befürwortung und Nutzung ein höchst signifikanter Zusammenhang ( χ² = 0,001) aufzeigen (vgl. hierzu auch Tabelle 1). Hieraus lässt sich allerdings noch nicht auf die Stärke des Zusammenhangs schließen. Der Grad des Zusammenhangs zwischen der Befürwortung und Nutzung lässt sich mittels des Kontingenzkoeffizienten ermitteln, dieser liegt bei 0,505. Es besteht folglich ein statistischer Zusammenhang zwischen Befürwortung und Nutzung. Will man weiterhin Aussagen über die Richtung des Zusammenhangs machen, so ist dieses mittels Korrelation nach Pearson möglich. Dabei hängt die Häufigkeit der Nutzung von der Zustimmung ab. Je mehr die Richterinnen und Richter den Einsatz von Videokonferenztechnik befürworten, desto mehr nutzen die Richterinnen und Richter die Videokonferenztechnik. Allerdings ist diese Korrelation mit –0,40557 nur gering ausgeprägt. Zu fragen ist, ob sich dieser Zusammenhang zwischen Befürwortung und Nutzung auch bei den Anstalten findet. Dazu wurde in Grafik 11 ebenfalls die Nutzungshäufigkeit der Befürwortung gegenübergestellt. Es fällt auf, dass sich bei den Anstalten selbst unter den häufigen Nutzern der Videokonferenztechnik 11 % befinden, die eigentlich den Einsatz der Technik ablehnen (das entspricht allerdings nur einer befragten Person). Weitere 55  Der Anteil der Befürworter wird im Folgenden jeweils durch die von links ersten Teile der Balken dargestellt (jeweils mit Angabe des Prozentwertes). Der mittlere Balkenteil ist der Anteil, der indifferent antwortete und der rechte Teil sind die Nicht-Befürworter. Der Aspekt mit der höchsten Zustimmung ist jeweils oben angeordnet, der mit der geringsten am unteren Ende. 56  Valide Prozentwerte: Berechnung auf Basis aller Bewertungen. 57  Die Korrelation ist negativ, weil die Skala umgekehrt ist (häufiger = höher, nie = 1, >50 = 6).



D. Die Ergebnisse151

häufig

100

selten

29

nie

42

20

24

56

25

0

29

50 Prozent (Valide) ja

indiff.

75

100

nein

Grafik 10: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Richter (Prozentwerte)

Tabelle 4 Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Richter – Zusammenhänge Chi-Quadrat-Test

 0,001

Kontingenzkoeffizient

 0,505

Korrelation (Pearson)

–0,40558

11 % (also eine weitere Person) stehen dem Einsatz indifferent gegenüber und nur 78 % stimmen ihm zu. Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick erklärungsbedürftig. Im Gegensatz zu der Richterschaft sind die Anstalten jedoch weisungsgebunden und können eben nicht frei über den Einsatz von Videokonferenztechnik entscheiden. Dem gegenüber steht ein Anteil von 34 %, der den Einsatz von Videokonferenztechnik begrüßt, ihn aber nicht nutzt. Der Wert ist 14 % höher als bei den Richtern. Insgesamt finden sich unter allen Nutzern beziehungsweise Nicht-Nutzern Befürworter und Ablehner der Videokonferenztechnik. 58

58  Die Korrelation ist negativ, weil die Skala umgekehrt ist (häufiger = höher, nie  = 1, >50 = 6).

152

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

78

häufig

11 89

selten 34

nie 0

11 27

25

39

50 Prozent (Valide) ja

11

indiff.

75

100

nein

Grafik 11: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Anstalten (Prozentwerte)

Der Zusammenhang bei den Anstalten zwischen Befürwortung und Nutzung ist signifikant (χ² = 0,012). Die Signifikanz fällt allerdings geringer aus, da viele Nicht-Nutzer in allen Gruppen vorhanden sind. Tabelle 5 Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Anstalten – Zusammenhänge 59

Chi-Quadrat-Test

0,012

Kontingenzkoeffizient

0,439

Korrelation (Pearson)

–0,31459

Zu Beginn der Auswertung dieser Befragung wurden Hypothesen aufgestellt. Die dritte Hypothese lautet: Wer die Videokonferenz befürwortet, der nutzt die Technik auch.

Wie sich in Grafik 10 und Grafik 11 gezeigt hat, ist die Befürwortung nicht alleine entscheidend für die Nutzung. In der Regel werden äußere Umstände, wie die technische Ausstattung der Beteiligten oder der Wunsch des Richters von erheblicher Bedeutung für die Nutzung sein. Es findet sich aber in beiden befragten Gruppen ein statistischer Zusammenhang zwischen der Befürwortung und der Häufigkeit der Nutzung. Insofern muss die Hypothese korrigiert werden: Die Befürworter von Videokonferenztechnik nutzen diese häufiger. 59  Die Korrelation ist negativ, weil die Skala umgekehrt ist (häufiger = höher, nie  = 1, >50 = 6).



D. Die Ergebnisse153

Doch von welchen Gründen hängt die Befürwortung der Technik ab? Auf diese Frage soll im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden.

V. Vor- und Nachteile des Einsatzes der Videokonferenztechnik Beinahe standardmäßig werden in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur Argumente für und gegen den Einsatz von Videokonferenztechnik vorgebracht. Für den Einsatz wird die Möglichkeit der Kostenersparnis60, Zeitersparnis61, Flexibilität,62 erhöhte Sicherheit63 und die Aufzeichnungsmöglichkeit64 erwähnt. Gegen den Einsatz werden regelmäßig die Argumente der schlechten Übertragungsqualität65, des fehlenden persönlichen Eindrucks66, Zeitverzögerung der Tonübertragung67, technische Schwierigkeiten68, Datensicherheit69, fehlende Aufzeichnungsmöglichkeit70 und mangelnde Akzeptanz71 bei den Beteiligten angeführt. Eine empirische Überprüfung 60  BT-Drucks. 17 / 1224, S. 3; Thomsen, SchlHA 2004, 285 (285); Stadler, Hürden für den Einsatz der Videokonferenztechnik müssen abgebaut werden; Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (211 f.); vgl. auch Hessisches Ministerium der Justiz, Videotechnik beschleunigt Gerichtsverfahren und spart Kosten, v. 22.03.2013. 61  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055 (11056A); Scholz, DRiZ 2011, 78 (79); Pressemitteilung des VG Sigmaringen, BDVR-Rundschreiben 2000, 155 (155); Sensburg, DRiZ 2013, 126 (127); Leopold, NZS 2013, 847 (852). 62  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055 (11056B). 63  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055 (11056A); Sossin / Yetnikoff, I Can See Clearly Now: Videoconference Hearings and the Legal Limit on How Tribunals Allocate Resources, S. 257. 64  Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 11055 (11056D). 65  Schwan, Die Konsequenzen medialer Eigenschaften für den Kommunikationsprozeß am Beispiel der reduzierten Bildwiedergabefrequenz beim Bildtelefon, S. 51; Diemer, NJW 1999, 1667 (1671); Diemer, NStZ 2001, 393 (396). 66  Thomsen, SchlHA 2004, 285 (286); Sauerwein, Die Anwendung moderner Kommunikationstechnologie im nationalen und internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 159; Jansen / Humpert, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, § 125 Rn. 21b; Thomas / Putzo / Reichold, Zivilprozessordnung, § 128a Rn. 4; Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S. 4; Esser, NStZ 2003, 464 (469); aus der Sicht des Verurteilten: OLG Stuttgart v. 3.5.2012 – 4 Ws 66 / 12BeckRS 2012, 11714; Edinger, DRiZ 1996, 290 (290); Sensburg, DRiZ 2013, 126 (127). 67  Rhodes, Videoconferencing for the Real World, S. 81. 68  Jansen, Die elektronische Kommunikation in der Betriebsverfassung, S. 88. 69  Kompetenzzentrum für Videokonferenzdienste der Technischen Universität Dresden, Empfehlungen zur Vorbereitung einer Videokonferenz, S. 5–5. 70  Kompetenzzentrum für Videokonferenzdienste der Technischen Universität Dresden, Empfehlungen zur Vorbereitung einer Videokonferenz, S. 5–5. 71  Diemer, NStZ 2001, 393 (396).

154

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

dieser Argumente ist jedoch bisher ausgeblieben. Die vorliegende Untersuchung soll diese Lücke nun schließen. Hierzu wurden die vertretenen Argumente in zwei Blöcke aufgespalten: die Vorteile und die Nachteile. Anschließend wurden die Befragten um eine Bewertung gebeten.

1. Vorteil des Einsatzes der Videokonferenztechnik Beiden Befragtengruppen wurden die fünf in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur angesprochenen Vorteile zur Bewertung vorgelegt. Die Antworten konnten erneut auf einer 5er-Likert-Skala zwischen voll und ganz zutreffend und überhaupt nicht zutreffend abgestuft werden. Darüber hinaus konnten die Befragten noch eigene Vorteile ergänzen:

III.

Welche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzug-/Strafvollstreckungssachen? voll und ganz zutreffend

überhaupt nicht zutreffend

Kostenersparnis

1

2

3

4

5

Zeitersparnis

1

2

3

4

5

Flexibilität

1

2

3

4

5

erhöhte Sicherheit

1

2

3

4

5

Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz

1

2

3

4

5

Sonstiges:

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________ 3. __________________________________________________________________

Abbildung 10: Frage A. III.: Vorteile der Videokonferenztechnik

Aus dem Kreis der Richterinnen und Richter haben vier Personen nicht alle Aspekte bewertet. Im Falle der Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten waren es neun Befragte. a) Allgemeine Ergebnisse Die grundlegenden Ergebnisse der Bewertungen der Vorteile des Einsatzes von Videokonferenztechnik sind im Folgenden wieder grafisch (Top-2Box, indifferent, Low-2-Box) dargestellt.



D. Die Ergebnisse155 Kosten

52

Zeitersparnis

35

Sicherheit

34

Flexibilität

32

Aufzeichnungsmögl.

17 20

45

30

36

22

28 0

31

46

26 25

46 50

75

100

Prozent (Valide) ja

indifferent

nein

Grafik 12: Vorteile der Videokonferenztechnik, allgemein, Richter (Prozentwerte)

Von einer Mehrzahl der Richterinnen und Richter werden nur die Kosten als Vorteil gesehen (52 %72).73 Immerhin 31 % der Befragten erkennen bei den Kosten aber keinen Vorteil (indifferent: 17 %). Bereits der am zweithäufigsten als Vorteil benannte Aspekt – die Zeitersparnis – findet nur noch bei einer Minderheit Anerkennung: 35 % gegenüber 45 % der Befragten, die hier keinen Vorteil sehen. Bei dem in Literatur und Gesetzgebung verbreiteten Argument der erhöhten Sicherheit (durch entfallende Verschubungen des Gefangenen) sieht eine Mehrheit von 36 % keinen Vorteil mehr. Anders sieht das noch eine Minderheit von 34 % der Befragten und 30 % der Antwortenden sind sich unschlüssig. Im Falle der Flexibilität sind es 46 %, die keinen Vorteil sehen gegenüber 32 %, die einen Vorteil bekunden. Der Aspekt der Aufzeichnungsmöglichkeit wird von den wenigsten Befragten als Vorteil benannt (28 %). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mehrheit der befragten Richterinnen und Richter mit Ausnahme der Kostenersparnis keines der vorgebrachten Argumente für den Einsatz von Videokonferenztechnik akzeptiert. Obwohl, wie zu sehen war (vgl. IV.1. Nutzung nach Art der Technik), im Bereich JVA / JSA Videokonferenztechnik in deutlich geringerem Umfang 72  Valide

Prozentwerte: Berechnung auf Basis aller Bewertungen. Anteil der Befürworter wird im Folgenden jeweils durch die von links ersten Teile der Balken dargestellt (jeweils mit Angabe des Prozentwertes). Der mittlere Balkenteil ist der Anteil derer, die indifferent antworteten und der rechte Teil derjenige der Nicht-Befürworter. Der Aspekt mit der höchsten Zustimmung ist jeweils oben angeordnet, der mit der geringsten am unteren Ende. 73  Der

156

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Zeitersparnis Kosten

39

26

35 0

28

21

51

Aufzeichnungsmögl.

29

14

57

Flexibilität

21

19

60

Sicherheit

21

15

64

25

50

75

100

Prozent (Valide) ja

indifferent

nein

Grafik 13: Vorteile der Videokonferenztechnik, allgemein, JVA / JSA (Prozentwerte)

vorhanden ist, wird die Technik von diesen deutlich vorteilhafter bewertet. Mit Ausnahme der Aufzeichnungsmöglichkeit werden alle abgefragten Aspekte eher als Vorteil der Videokonferenztechnik gesehen. Fast zwei Drittel der befragten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten (64 %) sehen die Zeitersparnis als größten Vorteil, gefolgt von Kosten und Sicherheit. Auch die Flexibilität wird noch von einer Mehrheit der Befragten als Vorteil angegeben (51 %). Die Darstellungen in den Grafiken Grafik 12 und Grafik 13 zeigen, dass die Mehrheit der Richterinnen und Richter nur die Kostenersparnis als Vorteil beim Einsatz der Videokonferenztechnik sehen, während die Anstalten deutlich mehr Vorteile erkennen. Ein differenzierteres Bild ergibt sich, wenn diese Stellungnahmen mit der grundsätzlichen Einstellung zum Einsatz dieser Technik korreliert werden. b) Differenzierung nach Befürwortung und Ablehnung Die Teilnehmer wurden bereits befragt, ob sie die Nutzung von Videokonferenztechnik im Strafvollzug / in der Strafvollstreckung befürworten (siehe IV.2. Befürwortung der Videokonferenztechnik). Aus diesem Ergebnis konnten drei Gruppen gebildet werden. Sie untereilten sich in die Befürworter der Technik (Siglum ja), die indifferenten Befragten (Siglum indiff.) und die Nicht-Befürworter (Siglum nein). Welche Motive die jeweiligen Gruppen bei der Bewertung von Frage IV.2. nach der Befürwortung der Video-



D. Die Ergebnisse157

Grafik 14: Vorteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, Richter (Mittelwerte)

konferenztechnik zugrunde legten, konnte bisher nicht beantwortet werden. Dieser Frage soll nun nachgegangen werden. Es ist folglich zu untersuchen, wie stark die einzelnen Gruppen – der Befürwortung des Nutzens von Videokonferenztechnik – die Vorteile der Videokonferenztechnik bewerten. Dazu erfolgt die grafische Darstellung nun auf Basis von Mittelwerten. Diese ermöglichen eine übersichtliche und signifikante Darstellung des Vergleichs. Es ergibt sich ein ganz anderes Bild, als im Falle der allgemeinen Ergebnisse. Jetzt wird sichtbar, dass das allgemeine Ergebnis eindeutig durch die Nicht-Befürworter geprägt wird. Betrachtet man nur die Befürworter (untere Balken mit Siglum „ja“), dann überzeugen insbesondere die Aspekte:74 − Zeitersparnis, − Flexibilität und − Kosten. Bei allen drei Aspekten ergeben sich Mittelwerte deutlich unterhalb des Wertes „2“ („1“ = voll und ganz zutreffend). Die Befürworter der Videokonferenztechnik sehen diese Aspekte also ganz eindeutig als Vorteile; die Nicht-Befürworter sehen dies ganz anders (speziell im Fall Zeitersparnis 74  Anordnung der Aspekte nach Größe der Differenz der Bewertungen (zwischen Befürwortern und Nicht-Befürwortern), Aspekt mit größtem Unterschied oben angeordnet.

158

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

und Flexibilität Werte um beziehungsweise über „4“ („5“ = überhaupt nicht zutreffend). Auch der Aspekt Sicherheit wird von den Befürwortern noch als Vorteil gesehen (Wert „noch“ deutlich unterhalb von „3“). Befürworter und Nicht-Befürworter weisen fast durchgängig eine diametral unterschiedliche Sichtweise auf. Das Ergebnis ist dabei hoch plausibel: Die Befürworter sehen mehr Vorteile, die Nicht-Befürworter sehen diese Vorteile dagegen eher nicht. Im Bereich Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten ist das Ergebnis nahezu identisch:

Grafik 15: Vorteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, JVA / JSA (Mittelwerte)

Allerdings sind die Bewertungen fast ausnahmslos positiver als die der Richterschaft. Da sich beide Ergebnisse ähneln, spricht vieles dafür, eine allgemeine Aussage ableiten zu können: Wenn die Videokonferenztechnik befürwortet wird, werden die Vorteile Zeitersparnis, Flexibilität und Kosten gesehen. Werden diese Attribute der Technik nicht zugesprochen, wird diese auch nicht befürwortet.

Dieser aufgestellte Zusammenhang lässt sich auch durch statistische Kennzahlen (Korrelationskoeffizient nach Pearson) erhärten. Für die Vorteile der Flexibilität, Zeitersparnis und die Kosten ergibt sich gleichmäßig über beide befragten Gruppen eine mittlere bis hohe Korrelation, ebenso für den Zusammenhang der Sicherheit und Befürwortung durch die Anstalten. Für



D. Die Ergebnisse159

alle weiteren Aspekte ergibt sich eine sehr geringe bis geringe Korrelation. Es lässt sich hieraus jedoch eine allgemeingültige Aussage treffen: Je mehr die Befragten die Technik befürworten, desto mehr sehen sie auch deren Vorteile.

Grafik 16: Zusammenhang Befürwortung und Vorteile, Richter (Korrelation)

Grafik 17: Zusammenhang Befürwortung und Vorteile, JVA / JSA (Korrelation)

160

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Wiederum ergibt sich für beide Befragtengruppen ein nahezu identisches Resultat. Mithin kann das Ergebnis als valide angesehen werden. c) Differenzierung nach Häufigkeit der Nutzung In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse differenziert betrachtet, je nachdem wie häufig die Befragten die Videokonferenztechnik (beispielsweise in der Strafvollstreckung und im Strafverfahren (siehe IV.4. Häufigkeit der allgemeinen Nutzung) gebrauchen. Dazu wurden folgende Nutzergruppen gebildet: − nie (0-mal eingesetzt), − selten (1- bis 10-mal eingesetzt), − häufig (mehr als 10-mal eingesetzt). Diesen genannten Nutzergruppen sind in Grafik 18 die Vorteile erneut gegenübergestellt worden. Die Darstellung erfolgt nun unter Zuhilfenahme von Mittelwerten:

Grafik 18: Vorteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, Richter (Mittelwerte)

Es wird deutlich, dass vor allem diejenigen Richterinnen und Richter, die die Videokonferenztechnik häufig einsetzten, darin Vorteile sehen (insbesondere Kosten, Flexibilität und Zeitersparnis, aber auch Sicherheit). Die Aufzeichnungsmöglichkeit wird hingegen von den „Intensivnutzern“ gar nicht



D. Die Ergebnisse161

als Vorteil bewertet. Die Untersuchungsteilnehmerinnen und Untersuchungsteilnehmer, die die Videokonferenz nie nutzen, sehen nur in der Kostenersparnis einen geringen Vorteil, alle anderen Aspekte werden von dieser Gruppe nicht als Vorteil gesehen. Es zeigt sich erneut, was später auch noch zu sehen sein wird: Die Befürworter der Vorteile dieser Technik setzten sie auch häufig(er) ein. Nicht wesentlich anders verhält es sich mit den Antworten der befragten Anstalten:

Grafik 19: Vorteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, JVA / JSA (Mittelwerte)

Im Unterschied zu der Richterschaft sehen allerdings auch die „seltenNutzer“ und „nie-Nutzer“ alle Aspekte als Vorteil, nur die Aufzeichnungsmöglichkeit wird nicht als ein solcher gesehen. Wie bereits bei der Befürwortung der Videokonferenztechnik (siehe IV.2. Befürwortung der Videokonferenztechnik) zeigt sich hier ein weiteres Indiz dafür, dass sich unter den befragten Anstalten auch viele Befürworter finden, die diese Technik zurzeit noch nicht nutzen können. d) Differenzierung nach Altersgruppen (nur Richter) Im Folgenden soll die Befürwortung von Videokonferenztechnik nach Altersgruppen dargestellt werden. Ausschließlich in der Fragebogenversion

162

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Grafik 20: Befürwortung der Videokonferenztechnik nach Altersgruppen, Richter (Mittelwerte)

für die Richter wurde das Alter der Befragten erfasst. Hingegen wurde auf die Frage des Alters der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den JVAs / JSAs bewusst verzichtet. In den Anstalten wird der Einsatz von Videokonferenztechnik regelmäßig von äußeren Faktoren abhängen und nicht von persönlichen Umständen des Befragten.75 Die Richterinnen und Richter haben im Mittel über alle Altersgruppen hinweg die generelle Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzug- / Strafvollstreckungsverfahren mit 3,52 (1 = ich befürworte die Nutzung; 5 = ich befürworte die Nutzung eher nicht) eher ablehnend bewertet. Wie Grafik 20 zeigt, unterscheidet sich die Bewertung in den gebildeten Altersgruppen kaum. Folglich kann die aufgestellte Hypothese 4 (Junge Richterinnen und Richter stimmen der Videokonferenz eher zu) als widerlegt angesehen werden. Betrachtet man hingegen die in der Literatur und vom Gesetzgeber vorgetragenen Vorteile der Videokonferenztechnik, so zeichnet sich ein differenzierteres Bild nach Altersgruppen ab. Vor allem die Kosten für den Einsatz der Videokonferenztechnik sehen die unter 31-Jährigen als Vorteil, während die über 60-Jährigen dieses für überhaupt nicht zutreffend halten. Zeitersparnis hingegen sehen beide Altersgruppen als nicht zutreffend an, während die übrigen Altersgruppen diesen Aspekt der Videokonferenztechnik eher neutral bewerten. 75  Vgl. hierzu auch Grafik 10: Nutzung der Videokonferenztechnik und Befürwortung der Richter (Prozentwerte).



D. Die Ergebnisse163

Grafik 21: Vorteile der Videokonferenz nach Altersgruppen, Richter (Mittelwerte)

Überraschenderweise hat das Alter der Richterinnen und Richter keinen maßgeblichen Einfluss auf die Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungsverfahren. Lediglich einzelne Aspekte (wie die Aufzeichnungsmöglichkeit) werden von jüngeren Befragten positiver bewertet. Die vierte Hypothese ist somit widerlegt. e) Auswertung offener Antwortmöglichkeiten Alle Untersuchungsteilnehmerinnen und -teilnehmer hatten die Möglichkeit, weitere Vorteile zu nennen. Unter den Richterinnen und Richtern wurden insgesamt 13 zusätzliche Argumente genannt (vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter). Besonders interessant war die erneute und wiederholte Nennung der Aufzeichnungsmöglichkeit als Vorteil, während eine andere Person diese Möglichkeit strikt ablehnte. Dieser Befragte verwies darauf, dass eine Aufzeichnung zur „unangemessenen Kontrolle jeder Geste führen“76 würde. Für die befragten Anstalten wurden ebenfalls 13 weitere Angaben getätigt. Als weitere Vorteile sind die Nennung von Personaleinsparungen im Fahrdienst und der 76  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, A. III.

164

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Einsatz bei besonders gefährlichen Straftätern hervorzuheben.77 Jedoch ergab sich aus den offenen Antworten kein wesentlicher und konsistenter neuer Vorteil. 2. Nachteile des Einsatzes der Videokonferenztechnik Wie bereits einleitend erwähnt, finden sich in Literatur, Rechtsprechung und in den Gesetzgebungsmaterialien nicht nur typische Vorteile, sondern es wird regelmäßig auch auf die Nachteile der Videokonferenztechnik verwiesen. Diese – oben bereits ausgeführten – häufig anzutreffenden Nachteile wurden den Richterinnen und Richtern sowie den Anstalten zur Bewertung vorgelegt. Wie bei den Vorteilen, so konnten auch hier die Befragten auf einer 5er-Likert-Skala abstufen (1 = voll und ganz zutreffend, 5 = überhaupt nicht zutreffend). Die Fragestellung unterschied sich nicht zwischen beiden Versionen des Fragebogens: IV.

Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/Strafvollstreckungssachen?

voll und ganz zutreffend

überhaupt nicht zutreffend

schlechte Übertragungsqualität

1

2

3

4

5

fehlender persönlicher Eindruck

1

2

3

4

5

Zeitverzögerung der Tonübertragung

1

2

3

4

5

technische Schwierigkeiten

1

2

3

4

5

Datensicherheit

1

2

3

4

5

Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz

1

2

3

4

5

mangelnde Akzeptanz bei den Beteiligten

1

2

3

4

5

Sonstiges:

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________ 3. __________________________________________________________________

Abbildung 11: Frage A. IV.: Nachteile der Videokonferenztechnik

Von den 141 Richterinnen und Richtern haben 24 nicht alle Nachteile bewertet. Bei den Anstalten waren es 19 Befragte.

77  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, A. III.



D. Die Ergebnisse165

a) Allgemeine Ergebnisse Wie die Vorteile, so sollen auch die Nachteile im Folgenden grafisch dargestellt werden. Dazu wurde zur übersichtlichen Darstellung ebenfalls die Top-2-Box, indifferent und Low-2-Box genutzt:

pers. Eindruck

6

85

Akzeptanz tech. Schwierigkeiten

22

Übertragungqual.

21

Aufzeichnungsmögl.

20

0

39

33

28

Ton

29

31

40

Datensicherheit

28

26

46

50

28

46

33

49

31

25

50 Prozent (Valide)

ja

9

indifferent

75

100

nein

Grafik 22: Nachteile der Videokonferenztechnik, allgemein, Richter (Prozentwerte)

Der fehlende persönliche Eindruck wird von 85 % der Befragten Richterinnen und Richter als deutlicher Nachteil der Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen gesehen. Nur 9 % nehmen in dem Fehlen des persönlichen Eindrucks keinen Nachteil wahr (indifferent: 6 %). Innerhalb der Vorteile und Nachteile ist der fehlende persönliche Eindruck somit der mit Abstand am stärksten bewertete Aspekt. Weitaus weniger nachteilig wird die mangelnde Akzeptanz bei den Beteiligten gesehen, die als zweitstärkster Grund benannt wurde. 46 % der befragten Richterinnen und Richter bewerteten die mangelnde Akzeptanz als Nachteil (28 % sehen keinen Nachteil, 26 % bewerten diesen indifferent). Im Weiteren wurden von immerhin noch 40  % der teilnehmenden Richterschaft technische Schwierigkeiten als Nachteil gesehen (29 % sehen keinen Nachteil, 31 % indifferent). Die Datensicherheit, Zeitverzögerung des Tons, schlechte Übertragungsqualität und die Aufzeichnungsmöglichkeit78 werden – entgegen vieler Ansichten in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung – nur 78  Die Aufzeichnungsmöglichkeit wird nicht nur in der Literatur sowohl als Vorwie als Nachteil der Videokonferenztechnik bezeichnet, sondern dieses Ergebnis

166

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

noch von einer Minderheit als Nachteil der Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen bewertet. Bei den Anstalten ergibt sich ein ähnliches Bild: pers. Eindruck

76

Akzeptanz

13

53

Datensicherheit Aufzeichnungsmögl.

28

tech. Schwierigkeiten

28

Ton

37

35

31

41

34

14

0

32

26

21

Übertragungqual.

18

29

42

45

50

36

25

50 Prozent (Valide)

ja

11

indifferent

75

100

nein

Grafik 23: Nachteile der Videokonferenztechnik, allgemein, JVA / JSA (Prozentwerte)

Eine große Mehrheit (76 %) der Anstalten sieht den fehlenden persönlichen Eindruck als bedeutendsten Nachteil der Videokonferenz in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen. Die Anstalten bewerten den fehlenden persönlichen Eindruck folglich ähnlich gewichtig wie die befragte Richterschaft. Damit kann Hypothese 5 (Als stärkster Nachteil der Videokonferenz wird die eingeschränkte Wahrnehmung des persönlichen Eindrucks vom Verurteilten gesehen.) als bestätigt angesehen werden. Auch bei der Akzeptanz der Videokonferenztechnik unter den Verfahrensbeteiligten sehen die befragten Anstalten mit 53 % einen großen Nachteil. Weiterhin sieht die Mehrheit der Anstalten in der geringeren Datensicherheit einen Nachteil (42 % ja, 26 % indifferent, 32 % nein). Dieses ist erstaunlich, denn die befragten Richterinnen und Richter haben hier entgegengesetzt geurteilt. Sie nehmen mit einer Mehrheit von 39 % keinen Nachteil war (33 % indifferent, 28 % ja). Ein umgekehrtes Bild ergibt sich bei den technischen Schwierigkeiten, dort sieht nur eine Minderheit der Anstalten einen Nachteil fand sich ebenfalls in den offenen Antwortmöglichkeiten wieder (vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, A. III.).



D. Die Ergebnisse167

– jedoch ein großer Teil der Richterinnen und Richter. Über den Grund lässt sich nur spekulieren, vielleicht setzen die Anstalten den regelmäßigen Aufwand für Verschubungen mit den technischen Schwierigkeiten der Videokonferenztechnik ins Verhältnis und kommen daher zu einer anderen Bewertung. Möglicherweise hat auch die befragte Person Einfluss auf dieses Ergebnis, denn die Anstaltsleitung nimmt, im Gegensatz zu den Richtern, nicht unmittelbar an der Videokonferenz teil. Das Gericht wird folglich eher von technischen Schwierigkeiten unmittelbar betroffen sein. Keine Nachteile sehen die meisten Anstalten jedoch in der Zeitverzögerung der Tonübertragung, der Übertragungsqualität und der Aufzeichnungsmöglichkeit. b) Differenzierung nach Befürwortung Aufschluss über die Motivlage der Befragten liefert erneut eine Differenzierung ihres Antwortverhaltens. Hierzu wurden die Bewertungen der Nachteile nach den Gruppen der allgemeinen Befürworter der Videokonferenztechnik, Nicht-Befürwortern und Indifferenten (vgl. IV.2. Befürwortung der Videokonferenztechnik) differenziert betrachtet. Zur besseren Übersicht und Vergleichbarkeit erfolgt die grafische Darstellung wieder mittels arithmetischer Mittelwerte.

Grafik 24: Nachteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, Richter (Mittelwerte)

168

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Die Bewertung der Nachteile wird eher durch die Nicht-Befürworter aus den Reihen der Richterinnen und Richter geprägt. Betrachtet man nur diese Gruppe (unterer Balken mit Siglum „nein“), dann werden die Aspekte des persönlichen Eindrucks, der Akzeptanz, der Datensicherheit und der technischen Schwierigkeiten von den Nicht-Befürwortern als Nachteil gesehen. Bei den Befürwortern (Siglum „ja“) ist es ausschließlich der fehlende persönliche Eindruck, der als Nachteil gewertet wird. Bei allen anderen vorgebrachten Argumenten gegen die Videokonferenztechnik sehen die Befürworte unter den Befragten keine gewichtigen Nachteile. Die weiteren zur Bewertung gestellten Nachteile werden durch alle Befragten neutral bis leicht nicht zutreffend gesehen. Für die Anstalten findet sich die Differenzierung der Nachteile nach Befürwortern der Videokonferenztechnik, Indifferenten und Nicht-Befürwortern in Grafik 25:

Grafik 25: Nachteile der Videokonferenztechnik, Befürwortung, JVA / JSA (Mittelwerte)

Ein Blick auf das Antwortverhalten der Anstalten nach Befürwortern, Indifferenten und Nicht-Befürwortern (Grafik 25) zeigt, dass auch hier der fehlende persönliche Eindruck von allen Gruppen als Nachteil gesehen wird. Bei den Nicht-Befürwortern wird dieser Grund am stärksten als Nachteil („voll und ganz zutreffend“) gesehen (Mittelwert 1,2). Die Befürworter hingegen bewerten diesen Nachteil nicht ganz so stark (Mittelwert 2,6). Alle weiteren abgefragten Nachteile werden von den Befürwortern neutral bis nicht zutreffend gesehen. Von den Nicht-Befürwortern der Videokonfe-



D. Die Ergebnisse169

renztechnik werden hingegen alle Gründe als Nachteil gesehen, mit Ausnahme der Übertragungsqualität (Mittelwert 3,1). Insgesamt ergibt sich damit zumindest hinsichtlich des fehlenden persönlichen Eindrucks ein klares Bild: Egal ob Richter oder Anstalt, ob Befürworter, Indifferenter oder Nicht-Befürworter, alle sehen den fehlenden persönlichen Eindruck bei einer Videokonferenz als Nachteil. Aus der Grafik 24 und Grafik 25 geht jedoch noch nicht hervor, ob die Bewertung der Nachteile einen statistisch nachweisbaren Einfluss auf die Ablehnung der Videokonferenzen im Strafvollzug oder in der Strafvollstreckung hat. Es fiel bei den Richtern (Grafik 24) lediglich auf, dass je mehr die Befragten den fehlenden persönlichen Eindruck und die fehlenden Akzeptanz der Technik als Nachteil sehen, desto eher lehnen sie die Videokonferenztechnik ab (Nicht-Befürworter). Ein möglicher statistischer Zusammenhang zwischen der Befürwortung und der Bewertung der Nachteile lässt sich mittels Korrelation überprüfen. In Grafik 26 wurden für die Richterschaft die Korrelationskoeffizienten (nach Pearson) berechnet, in Grafik 27 für die Anstalten.

Grafik 26: Zusammenhang Befürwortung und Nachteile, Richter (Korrelation)

Bei den Richterinnen und Richtern zeigt sich, dass je stärker die Nachteile des fehlenden persönlichen Eindrucks und der Akzeptanz gesehen werden, desto mehr wird der Einsatz von Videokonferenztechnik abgelehnt. Ein ähnliches Bild, wenn auch vor allem begrenzt auf den persönlichen Eindruck, ergibt sich auch für die befragten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten:

170

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Grafik 27: Zusammenhang Befürwortung und Nachteile, JVA / JSA (Korrelation)

Je negativer der fehlende persönliche Eindruck gewertet wird, desto mehr führt dieses zur Ablehnung (Nicht-Befürwortung) der Videokonferenztechnik. Hinsichtlich der Bewertung des Nachteils des fehlenden persönlichen Eindrucks und der Folge der Nicht-Befürwortung ergibt sich bei beiden befragten Gruppen ein ähnliches Resultat. Auch dieses Ergebnis erscheint daher äußerst valide. c) Differenzierung nach Häufigkeit der Nutzung Geben die vorherigen Darstellungen Auskunft über die generelle Einschätzung der Gerichte und Anstalten, so dürfte die Darstellung in Beziehung zur tatsächlichen Nutzung von besonderem Interesse sein. Wie schon bei den Vorteilen, so wurden auch hier drei Gruppen gebildet: − nie (0-mal eingesetzt), − selten (1- bis 10-mal eingesetzt), − häufig (mehr als 10-mal eingesetzt). Entscheidend für die Einordnung in eine Gruppe war die Nutzung von Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten vor der Befragung. In Grafik 28 sind sodann die Ergebnisse der Richterinnen und Richter abgebildet:



D. Die Ergebnisse171

Grafik 28: Nachteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, Richter (Mittelwerte)

Es zeigt sich erneut ein Bild wie schon bei den Vorteilen der Technik. Diejenigen Richter, die die Videokonferenztechnik häufig nutzen, sehen keinen einzigen der abgefragten Nachteile als gewichtig an. Jene, die die Technik ein bis zehnmal in den vergangenen 12 Monaten eingesetzt haben oder nicht genutzt haben, sehen den fehlenden persönlichen Eindruck und die fehlende Akzeptanz dieser Kommunikationstechnik als Nachteil. Weiterhin sehen die Nicht-Nutzer auch in den technischen Schwierigkeiten einen leichten Nachteil. Keine der Gruppen erblickt hingegen in der Aufzeichnungsmöglichkeit, Übertragungsqualität und Datensicherheit einen relevanten Nachteil. Für die Richterinnen und Richter lässt sich Grafik 28 auch wie folgt zusammenfassen: Je gravierender die Nachteile der Videokonferenztechnik gesehen werden, desto seltener wird diese Technik genutzt und wer keine gewichtigen Nachteile sieht, der nutzt die Technik auch häufig. Bei den befragten Justizvollzugs- und Jugendarrestanstalten fällt die Bewertung in Abhängigkeit zur Nutzung insgesamt positiver aus. Die Aufzeichnungsmöglichkeit, technische Schwierigkeiten, Übertragungsqualität und der Ton werden von keiner der befragten Nutzergruppen

172

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Grafik 29: Nachteile der Videokonferenztechnik, Nutzung, JVA / JSA (Mittelwerte)

als Nachteil gesehen. Der fehlende persönliche Eindruck wird von den häufig- und nie-Nutzern als Nachteil gesehen. Überraschenderweise sehen die seltenen-Nutzer diesen Aspekt neutral. Bei der Akzeptanz und der Datensicherheit zeichnet sich ein indifferentes Bild. Insgesamt ergibt sich bei der Bewertung durch die nutzenden Anstalten kein klarer Trend. Dieser Befund könnte erneut daraufhin deuten, dass die Anstalten beim Einsatz der Technik nicht frei sind, sondern sich den Gegebenheiten durch die Gerichte und Ministerien anpassen müssen. Zusammenfassen lässt sich, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Nutzung bei den Richterinnen und Richtern und der Bewertung der Nachteile gibt. Wer keine Nachteile der Technik sieht, der nutzt sie auch häufig. Bei den Anstalten ist das Bild nicht so eindeutig. d) Differenzierung nach Altersgruppen (nur Richter) Die Nachteile der Videokonferenztechnik werden möglicherweise je nach Alter der Befragten unterschiedlich eingeschätzt. Um dieses zu überprüfen, wurden in (Grafik 30) die Befragten in Altersgruppen eingeteilt und das Antwortverhalten dieser Gruppe als Mittelwerte dargestellt. Es wird erkennbar, dass insbesondere die über 60-jährigen Richterinnen und Richter technische Schwierigkeiten und die Akzeptanz der Videokonferenztechnik als besonders gravierenden Nachteil sehen. Dass besonders



D. Die Ergebnisse173

Grafik 30: Nachteile der Videokonferenz nach Altersgruppen, Richter (Mittelwerte)

Personen des gehobenen Alters technische Schwierigkeiten wahrnehmen, dürfte ein gesamtgesellschaftliches Phänomen sein. In einem Punkt sind sich dann alle Altersgruppen wieder einig, die fehlende Vermittlung des persönlichen Eindrucks durch Videokonferenztechnik wird von allen als bedeutender Nachteil empfunden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass verstärkt Richterinnen und Richter mit mehr Lebensjahren Nachteile in der Videokonferenztechnik sehen. Für eine Differenzierung des Antwortverhaltens nach Altersgruppe und allgemeiner Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik sei hier noch auf Grafik 20 verwiesen.

174

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

e) Auswertung offener Antwortmöglichkeiten Im Rahmen der Frage nach den Nachteilen des Einsatzes von Videokonferenztechnik konnten die Umfrageteilnehmer weitere nennen. Hiervon machte ein Teil der befragten Richter Gebrauch und gab 16 weitere Nachteile an. Besonders hervorzuheben ist der Einwand, dass es zum Zeitpunkt der Umfrage keine verlässliche Gesetzesgrundlage für den Einsatz von Videokonferenztechnik gebe.79 Insofern unterstreicht diese Antwort die Notwendigkeit der nun erfolgten Klarstellung durch den Gesetzgeber80 und eine Auseinandersetzung der Jurisprudenz mit der Videokonferenz. Ein weiterer Einwand betraf die spezifische Situation in Stadtstaaten, denn üblicherweise fallen dort nur kurze Wege an, sodass die Investitionskosten der Videokonferenzanlagen in keinem Verhältnis zu den geringen Reisekosten stehen würden.81 Hierauf wird in der Auswertung noch einmal besonders einzugehen sein, da im Rahmen der Umfrage auch die durchschnittliche Entfernung zwischen Anstalten und Gerichten abgefragt worden ist.82 Von den befragten Anstalten wurden weitere 13 Nachteile genannt. Sechs Antworten unterstrichen den Nachteil des fehlenden persönlichen Kontaktes. Eine Antwort berichtete von mangelnder Akzeptanz einer vorhandenen Anlage, welche innerhalb von zwei Monaten einmal genutzt worden sei.83 Für die Beschaffung von Videokonferenzanlagen sind solche Nachteile, insbesondere vor dem Hintergrund von stets angespannten Haushaltslagen, sicherlich von entscheidender Bedeutung. 3. Zusammenfassung der Vor- und Nachteile von Videokonferenztechnik Sowohl die befragten Richterinnen und Richter (85 %) als auch die befragten Anstalten (76 %) sehen den fehlenden persönlichen Eindruck als mit Abstand größten Nachteil des Videokonferenzeinsatzes in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen. Hingen sehen 52 % der Richterinnen und Richter die Kostenersparnis als stärksten Vorteil. Die befragten Anstalten haben hingegen Zeitersparnis (64 %), Kostenersparnis (60 %), erhöhte Si79  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, A. IV. 80  Vgl. insofern BR-Drucks. 164 / 13. 81  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, A. IV. 82  Vgl. für die Richter Frage C. V. und für die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten C. IV. 83  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, A. IV.



D. Die Ergebnisse175

cherheit (57 %) und Flexibilität (51 %) als Vorteile gesehen. Dieses Bild passt auch zur Befürwortung / Ablehnung insgesamt. Auf einer 5er-LikertSkala lehnen im Mittel die Richterinnen und Richter den Einsatz von Videokonferenztechnik mit 3,52 eher ab, während die Anstalten dem Einsatz eher neutral (Mittelwert 2,95) gegenüberstehen. Es lässt sich festhalten, dass die in Literatur und Gesetzgebung genannten Vorteile – mit Ausnahme der Aufzeichnungsmöglichkeit – von einer Mehrzahl der befragten Anstalten ebenso gesehen werden. Bei den Richterinnen und Richtern ist es ausschließlich der Kostenvorteil. Hingegen werden rund die Hälfte der üblicherweise genannten Nachteile auch von den Untersuchungsteilnehmern als solche gesehen.

VI. Allgemeiner Nutzen der Videokonferenztechnik Im Anschluss an die Frage zur Befürwortung sowie zu den Vor- und Nachteilen der Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungssachen wurde nach dem allgemeinen Nutzen dieser Technik gefragt. Ziel der Fragestellung war es, herauszufinden, ob sich die Bewertung der Videokonferenztechnik im Allgemeinen von der Bewertung des Technikeinsatzes in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungsverfahren unterscheidet. Die Fragestellung wurde identisch den Richterinnen und Richtern und den Anstalten vorgelegt. V.

Wie bewerten Sie den allgemeinen Nutzen von Videokonferenztechnik?

sehr nützlich

1

überhaupt nicht nützlich

2

3

4

5

Abbildung 12: Frage A. V.: Bewertung des allgemeinen Nutzens von Videokonferenztechnik

Von den befragten Richterinnen und Richter beantworteten 139 diese Frage. Zur übersichtlichen Darstellung wurden erneut Top-2- und Low2-Boxen gebildet. Eine relative Mehrheit von 43 % der befragten Richterinnen und Richter sieht die Videokonferenztechnik im Allgemeinen als sehr nützlich an, nur eine Minderheit von 20 % findet sie überhaupt nicht nützlich. Immerhin 37 % stehen der Videokonferenz generell neutral gegenüber. Von den angeschriebenen Anstalten gaben 135 zu dieser Frage ihre Bewertung ab.

176

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

43

Allgemeiner Nutzen VK

0

37

25

50

20

75

100

Prozent (Valide) ja

indifferent

nein

Grafik 31: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen, Richter (Prozentwerte)

46

Allgemeiner Nutzen VK

0

30

25

50

24

75

100

Prozent (Valide) ja

indifferent

nein

Grafik 32: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen, JVA / JSA (Prozentwerte)

Der Anteil derjenigen, die die Technik im Allgemeinen als sehr nützlich bewerten, liegt mit 46 % etwas höher. Ebenso erhöht ist auch der Anteil derer, welche die Videokonferenzen als überhaupt nicht nützlich sehen. Das primäre Erkenntnisinteresse war jedoch nicht zu klären, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen (zum Beispiel in ihrem Alltag) bewerten. Die Fragestellung sollte vielmehr der Überprüfung von Hypothese 6 dienen. Sie zielte also drauf ab, ob zwischen der Bewertung des allgemeinen Nutzens und der Bewertung von Videokonferenzen in Strafvollzugs-, beziehungsweise Strafvollstreckungssachen (vgl. hierzu Fragestellung A. II., ausgewertet in IV.2. Befürwortung der Videokonferenztechnik), ein Zusammenhang besteht. Hierzu wurde die Bewertung des allgemeinen Nutzens mit der Befürwor-



D. Die Ergebnisse177 überh. nicht nützl. (5)

100

4

26

3

8

2

74

32

60

43

25

sehr nützlich (1)

32

59

0

25

14

50

27

75

100

Prozent (Valide) ja

indifferent

nein

Grafik 33: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, Richter (Prozentwerte)

tung der Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen verglichen. Für die Befürwortung sind erneut Top-Boxen (ja, indifferent und nein) verwendet worden. Schon der erste Blick auf Grafik 33 zeigt, dass zwischen der Bewertung des allgemeinen Nutzens und der Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen ein Zusammenhang besteht. Immerhin 100 % der befragten Richterinnen und Richter, die die Videokonferenztechnik im Allgemeinen auch nicht nützlich finden, lehnen auch den Einsatz in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungssachen ab. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die die Videokonferenztechnik im Allgemeinen sehr nützlich finden, befürwortet eine Mehrheit (59 %) auch die Nutzung in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungssachen. Dieser erste Eindruck lässt sich mittels Chi-Quadrat-Test prüfen. Der Zusammenhang zwischen Bewertung des allgemeinen Nutzens und Befürwortung ist höchst signifikant: Tabelle 6 Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, Richter – Zusammenhänge Chi-Quadrat-Test

0,000

Kontingenzkoeffizient

0,560

Korrelation (Pearson)

0,494

178

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

überh. nicht nützl. (5)

9

4

91

14

3

86

8

54

2

38

76

sehr nützlich (1)

22

2

100

0

25

50

75

100

Prozent (Valide) ja

indifferent

nein

Grafik 34: Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, JVA / JSA (Prozentwerte)

Für die Anstalten ergibt sich ein ähnliches Bild, auch hier zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Bewertung und Befürwortung. Dieser Zusammenhang wird aus Grafik 34 deutlich. Wieder fällt auf, dass die Befragten, die Videokonferenztechnik im Allgemeinen als sehr nützlich bewerten, zu 100 % den Einsatz im Strafvollzug / in der Strafvollstreckung befürworten. Die Berechnung der Signifikanz mittels Chi-Quadrat-Test zeigt, dass auch bei den befragten Anstalten ein höchst signifikanter Zusammenhang zwischen der Bewertung des allgemeinen Nutzens und der Befürwortung des Einsatzes in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen besteht. Tabelle 7 Nutzen der Videokonferenztechnik im Allgemeinen und Befürwortung, JVA / JSA – Zusammenhänge Chi-Quadrat-Test

0,000

Kontingenzkoeffizient

0,756

Korrelation (Pearson)

0,807

Es lässt sich folgern, dass eine Mehrheit (es handelt sich nicht um eine absolute Mehrheit) beider befragten Gruppen die Videokonferenztechnik im Allgemeinen als nützlich einstuft. Zwischen der Bewertung der allgemeinen



D. Die Ergebnisse179

Nützlichkeit und der Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang. Hypothese 6 ist damit in der vorliegenden Untersuchung bestätigt worden.

VII. Die Videokonferenztechnik in konkreter Verwendung Der erste Teil des Fragebogens bezog alle Untersuchungsteilnehmer ein. Die Fragen waren unabhängig von einer tatsächlichen Nutzung zu beantworten. Im Anschluss an diesen ersten Komplex wurden dann nur noch diejenigen Personen befragt, die in den vergangen 12 Monaten eine Videokonferenz durchgeführt hatten. Bei den Richterinnen und Richtern haben 16 Befragte angegeben, in dem genannten Zeitraum eine solche Konferenz abgehalten zu haben. Bei den JVAs / JSAs fiel die Anzahl mit 20 befragten Anstalten leicht höher aus. Diese niedrigen Fallzahlen sind nicht unerwartet, denn gegenwärtig stellen Videokonferenzen in der Justiz (noch) eine seltene Ausnahme dar. Aufgrund dieser erwartungsgemäß geringen Fallzahl wird in den folgenden Darstellungen auf eine tiefer gehende statistische Untersuchung verzichtet werden müssen. Es können nur Einzelaspekte84 der Erfahrungen mit Videokonferenzen beleuchtet und Tendenzen aufgezeigt werden. 1. Fragen zur konkreten Durchführung von Videokonferenzen Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Untersuchung, die eine Videokonferenz in den vergangenen 12 Monaten genutzt haben, wurde also eine Reihe von Fragen zum „Setting“ der Videokonferenz gestellt. Hierbei sollten allgemeine Probleme der Technik herausgefiltert werden. Technische Schwierigkeiten können möglicherweise die Verständigung zwischen den Nutzern oder beispielsweise gar die Güte der richterlichen Prognose beeinträchtigen. Viele dieser möglichen Probleme wurden bereits in bisherigen Publikationen aufgeworfen; die dort aufgestellten Behauptungen wurden aber regelmäßig nicht durch empirische Untersuchungen belegt.85 Einige der aufgeworfenen Fragen richten sich nur an die Richterinnen und Richter.

84  Von besonderem Interesse sind hier die Möglichkeit der Erklärung des Verzichtes durch den Verurteilten und die allgemeine technische Ausgestaltung der Videokonferenz. 85  Vgl. zur Übersicht auch Borchert, CR 2002, 854 (854 f.).

180

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

a) Fragenbatterie Richterinnen und Richter Die Fragenbatterie zielte auf typische in der Literatur beschriebene Probleme der Videokonferenzen. II.

Falls Sie Videokonferenzen durchführen: ja

nein

Schaut der auf dem Bildschirm Dargestellte (Gefangene/Anwalt) Ihnen überwiegend in die Augen?





Können Sie die Kameraperspektive zoomen?





Wird der gesamte Raum, in dem sich der Gefangene befindet, gefilmt?





Sehen Sie Ihr eigenes (lokales) Bild auf Ihrem Bildschirm?





Gibt es eine Verzögerung der Tonübertragung?





Falls es eine Verzögerung der Tonübertragung gibt: Stellt diese ein Problem dar?





Haben Sie den Eindruck, dass Gesprochenes nicht immer bei der Gegenseite ankommt?





Ist das Bild grobkörnig (verpixelt)?





Ist das Bild des auf dem Bildschirm Dargestellten (Gefangenen/Anwalt) ausreichend hell?





Ist die Wiedergabe des Bildes flüssig?





Erkennen Sie Hautrötungen der Person?













Haben Sie nach einer Videokonferenz das Gefühl, alle wichtigen Fragen seien beantwortet?





Haben Sie das Gefühl, dass Sie alle erwarteten Informationen nach einer Videokonferenz haben?





Stellen Sie bei einer Videokonferenz mehr Fragen als bei einer unmittelbaren („face -to-face“) Befragung?





Haben Sie Probleme beim Unterbrechen des Redners?





Haben Sie Probleme, den Gesprächsverlauf zu steuern?





Bekommen Sie bei einer Videokonferenz den gleichen Eindruck von Ihrem Gegenüber wie bei einer unmittelbaren („face-to-face“) Befragung?





Nutzen Sie die Videokonferenz auch zur Übertragung von Dokumenten (Aktenauszüge, etc.)? Verhalten sich Gefangene aus Ihrer Sicht bei einer Videokonferenz anders als wenn diese persönlich anwesend sind?

Abbildung 13: Frage B. II.: Das „Setting“ der Videokonferenz, Richter

Aus Grafik 35 wird deutlich, dass durch die Nutzer direkte Fragen zur technischen Umsetzung einer Videokonferenz nur selten negativ beantworten werden. So haben von 16 Richterinnen und Richter nur 6 % (also nur einer) angegeben, dass das Bild verpixelt sei. Auch die Helligkeit und Flüssigkeit der Wiedergabe wurde von eben diesem Anteil moniert. Immerhin 63 % der befragten Videokonferenznutzer konnten bei ihrem Gesprächspart-



D. Die Ergebnisse181

ner keine Hautrötungen erkennen. Hingegen gaben 75 % der Befragten an, dass die Gesprächspartner Ihnen überwiegend in die Augen schauen. Dieser Wert scheint allerdings sehr hoch, da die Kamera grundsätzlich nicht in direkter Blickrichtung montiert werden kann. Sie wird stattdessen leicht versetzt um den Bildschirm angeordnet.86 Eine weitere Eigenheit der Videokonferenz ist die technisch bedingte Zeitverzögerung.87 Diese asynchrone Wiedergabe von Bild und Ton merkten lediglich 44 % der Befragten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die zeitliche Verzögerung für die Mehrheit nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dies bestätigten die Befragten im Anschluss selbst, denn ein Problem stellte die technisch bedingte Verzögerung lediglich für 33 % der Befragten dar. Damit kann die siebte Hypothese nicht bestätigt werden. Bedenklich hingegen ist, dass nur 50 % (8 Personen) der Richterinnen und Richter den gesamten Raum einsehen konnten. So kann das Gericht eine Beeinflussung des Gefangenen durch Dritte nicht vollständig ausschließen. Allerdings dürfte aufgrund der Natur der Aussetzungsentscheidungen – es geht alleine um die Freiheit des Inhaftierten – ein Beeinflussungswille durch Dritte nur selten vorkommen. Insgesamt können solch technischen Gegebenheiten den Gesprächsverlauf beeinflussen. Allerdings gab nur eine Minderheit von 25 % der untersuchten Richterinnen und Richter an, Probleme mit der Gesprächsführung zu haben und 31 % meinten, den Redner nicht ohne Probleme unterbrechen zu können. Für 36 % der Befragten ergab sich aus der Videokonferenz nicht der gleiche Eindruck wie aus einer unmittelbaren Befragung. In der Mehrzahl von 69 % haben die Richterinnen und Richter jedoch alle nötigen Informationen aus der Videokonferenz gewonnen, und gar für ⅔ der Befragten waren alle wichtigen Fragen beantwortet.

86  Braun, 87  Braun,

Kommunikation unter widrigen Umständen, S. 18. Kommunikation unter widrigen Umständen, S. 19.

Ja

6

25

31

37

50

69

75

Nein

36

Grafik 35: Das „Setting“ der Videokonferenz, Richter (Prozentwerte)

Bekommen Sie bei einer Videokonferenz den gleichen Eindruck von Ihrem Gegenüber, wie bei einer unmittelbaren ("face-to-face") Befragung?

Haben Sie Probleme den Gesprächsverlauf zu Steuern?

Haben Sie Probleme beim Unterbrechen des Redners?

Stellen Sie bei einer Videokonferenz mehr Fragen, als bei einer unmittelbaren ("face-to-face") Befragung?

Haben Sie das Gefühl, dass Sie alle erwarten Informationen nach einer Videokonferenz haben?

Haben Sie nach einer Videokonferenz das Gefühl, alle wichtigen Fragen seien beantwortet?

Verhalten sich Gefangene aus Ihrer Sicht bei einer Videokonferenz anders als wenn diese persönliche anwesend sind?

Nutzen Sie die Videokonferenz auch zur Übertragung von Dokumenten (Aktenauszüge, etc.)?

Erkennen Sie Hautrötungen der Person?

94

94

100

94

81

94

44

69

Ist die Wiedergabe des Bildes flüssig?

6

12

33

50

75

Ist das Bild des auf dem Bildschirm Dargestellten (Gefangenen/Anwalt) ausreichend hell?

Ist das Bild grobkörnig (verpixelt)?

Haben Sie den Eindruck, dass Gesprochenes nicht immer bei der Gegenseite ankommt?

Falls es eine Verzögerung der Tonübertragung gibt: Stellt dieses ein Problem da?

Gibt es eine Verzögerung der Tonübertragung?

Sehen Sie Ihr eigenes (lokales) Bild auf dem Bildschirm?

Wird der gesamte Raum, in dem sich der Gefangene befindet, gefilmt?

Können Sie die Kameraperspektive zoomen?

Schaut der auf dem Bildschirm Dargestellte (Gefangene/Anwalt) Ihnen überwiegend in die Augen?

88

75 64

69

63

67

56

50

50

31

31

25

25

19

6

6

182 5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik



D. Die Ergebnisse183

b) Fragenbatterie Anstalten Für die Anstalten wurde die Fragenbatterie verkürzt, da die Befragten regelmäßig nicht selbst an einer Videokonferenz teilnehmen. II.

Falls Sie Videokonferenzen durchführen: ja

nein

Hat der Gefangene die Möglichkeit, direkten Blickkontakt zu seinem Gegenüber (Richter/Anwalt) aufzunehmen?





Ist die Kameraperspektive zoombar?





Wird der gesamte Raum, in dem sich der Gefangene befindet, gefilmt?





Sieht der Gefangene sein eigenes (lokales) Bild auf dem Bildschirm?





Gibt es eine Verzögerung der Tonübertragung?





Falls es eine Verzögerung der Tonübertragung gibt: Stellt diese ein Problem da?





Ist das Bild grobkörnig (verpixelt)?





Ist das Bild des Gegenübers ausreichend hell?





Ist die Wiedergabe des Bildes flüssig?





Abbildung 14: Frage B. II.: Das „Setting“ der Videokonferenz, JVA / JSA

Nach Auswertung des obigen Fragenblocks (Grafik 36) ergibt sich für die Anstalten ein nahezu identisches Antwortverhalten zu dem der Richterschaft. Eine Ausnahme hiervon stellt die Übermittlung des gesamten Raumes, in dem sich der Gefangene befindet, an die Richterin oder den Richter dar. 26 % der Anstalten gaben an, dass der gesamte Raum gefilmt werden würde, hingegen waren es bei den Richterinnen und Richtern noch 50 %. Die asynchrone Tonübertragung wurde weiterhin von einer größeren Zahl (88 %) der Anstalten als unproblematisch eingestuft. Bei den Richterinnen und Richtern hatten hierin noch 33 % ein Problem wahrgenommen. Dieser Unterschied lässt sich wohl auf die spezifische Rolle während der Durchführung zurückführen. Mag für die Richterschaft das Verständnis einzelner Worte von Bedeutung sein, wird dieses für die Anstalten erst zum Problem, wenn es Rügen hinsichtlich der Qualität durch die Nutzer gibt. Wie bei der Richterschaft muss auch hier die siebte Hypothese verworfen werden, denn für die Mehrheit der Befragten stellt die asynchrone Übertragung von Bild und Ton kein Problem dar. Aus den Antworten aller Teilnehmer bleibt festzuhalten, dass die technischen Voraussetzungen und der Ablauf einer Videokonferenz von der Mehrzahl der befragten Nutzer nicht als problematisch wahrgenommen werden.

184

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Möglichkeit direkten Blickkontakt zum Gegenüber (Richter/Anwalt) aufzunehmen?

100

Ist die Kameraperspektive zoombar?

75

Wird der gesamte Raum, in dem sich der Gefangene befindet, gefilmt? Sieht der Gefangene sein eigenes (lokales) Bild auf dem Bildschirm?

74

83

Gibt es eine Verzögerung der Tonübertragung?

17

26

Falls es eine Verzögerung der Tonübertragung gibt: Stellt dieses ein Problem da? Ist das Bild verpixelt?

25

26

74

12

88

5

95

Ist das Bild des Gegenübers ausreichend hell?

95

5

Ist die Wiedergabe des Bildes flüssig?

95

5

Ja

Nein

Grafik 36: Das „Setting“ der Videokonferenz, JVA / JSA (Prozentwerte)

2. Die Perspektive Mag die Perspektive der Darstellung des Gesprächspartners auf den ersten Blick nicht von Bedeutung sein, so verschiebt sich diese Wertung, wenn man sich die Grundlagen der richterlichen Prognose vergegenwärtigt. Neben anderen Gründen ist sowohl bei dem Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f StGB) als auch bei Aussetzung des Strafrestes (§ 57 StGB) die Persönlichkeit des Verurteilten Grundlage der Prognose. Dabei hat die Strafvollstreckungskammer stets ihre eigene Prognose zu erstellen.88 Einen Eindruck von der Persönlichkeit bekommt die Kammer unter anderem durch die mündliche Anhörung des Verurteilten.89 Für den persönlichen Eindruck vom Verurteilten sind gerade die Gestik und Mimik entscheidend.90 Wenn durch die gewählte Perspektive Gestik und Mimik nur eingeschränkt wahrgenommen werden können, kann das Einfluss auf die Prognosefindung des Gerichtes haben.91 Bei der videovermittelten Darstellung wird entweder der Oberkörper gezeigt – dann bleibt die Körpersprache der Beine (und vielleicht auch der Arme) unsichtbar – oder es wird der ganze Körper gezeigt – dann wird die Wahrnehmung der Gestik und besonders der Mimik durch die Verkleinerung am Bildschirm in ihren Details eingeschränkt. Auflösen kann dieses Spannungsfeld eine variable Einstellung nur zum Teil. Interessante Details werden dann möglicherweise nicht wahrgenommen, weil gerade ein anderer Einstellungsmodus gewählt worden ist. 88  Spaniol,

FS 2012, 253 (257). insoweit auch § 453 StPO und § 454 StPO. 90  Edinger, DRiZ 1996, 290 (290); anders die Ausführungen des Sachverständigen Wimmer, Schriftliche Stellungnahme, S. 7. 91  Vgl. auch Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (216). 89  Vgl.



D. Die Ergebnisse185

Über die Ausstattung wurden die Richterinnen und Richter wie auch die Anstalten wortgleich befragt: III.

Wie sehen Sie die auf dem Bildschirm dargestellte Person (Richter/Gefangener/Anwalt)? ganzer Körper



nur Oberkörper

nur Gesicht



anders:



Abbildung 15: Frage B. III.: Die Darstellung des Gesprächspartners

Der überwiegende Teil der Richterschaft (71 %) und der Anstalten (75 %) sieht nur den Oberkörper des Gesprächspartners. Nur ein geringer Anteil von Befragten konnte den ganzen Körper sehen oder hatte die Möglichkeit, zwischen mehreren Ansichtsmodi zu wechseln.

29

ganzer Körper nur Oberkörper nur Gesicht

71

anders/variable Einstellung

n = 14

Grafik 37: Die Darstellung des Gesprächspartners, Richter (Prozentwerte)

20

5

ganzer Körper nur Oberkörper nur Gesicht 75

anders/variable Einstellung

n = 20

Grafik 38: Die Darstellung des Gesprächspartners, JVA / JSA (Prozentwerte)

186

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Neben der obigen Fragestellung zielte auch die folgende auf die Perspektive der Videokonferenz ab: IV.

Aus welcher Perspektive sehen Sie die auf dem Bildschirm dargestellte Person (Richter/Gefangener/Anwalt)? frontal anders:



seitlich



Abbildung 16: Frage B. IV.: Die Perspektive des Gesprächspartners

Die Richterinnen und Richter gaben zu 100 % an, den Videokonferenzteilnehmer frontal zu sehen. Bei den Anstalten sahen 95 % ihr Gegenüber frontal. Die restlichen 5 % gaben an, auf die Einstellung Einfluss nehmen zu können. Folglich sieht die überwiegende Zahl der Befragten frontal nur den Oberkörper des Konferenzteilnehmers. Zusammenfassend lässt sich die Perspektive der Videokonferenzteilnehmer als regelmäßig frontal und mit Sicht auf den Oberkörper beschreiben. Durch eine solche Darstellung wird die Wahrnehmung von Gestik und Mimik eingeschränkt. Um die Wirkung dieser Einschränkung zu untersuchen, wurden die Fragebogenteilnehmer zu ihrer persönlichen Wertung der Übertragung von Gestik und Mimik befragt.92 3. Anwesende und Bedienung Die Hälfte der Richterinnen und Richter können mittels Videokonferenz den Anstaltsraum überblicken.93 Befinden sich weitere Personen in dem Raum, können diese unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf den Gefangenen und den Verlauf der Anhörung nehmen. Der Gefangene wird unter Anwesenheit Dritter regelmäßig einen anderen persönlichen Eindruck hinterlassen. Die folgende Frage sollte daher ermitteln, ob sich eine weitere Person und wer sich gewöhnlich mit dem Gefangenen in einem Raum befindet. Die Anstalten erhielten die Fragestellung lediglich um das Item „weiß ich nicht“ gekürzt. Im Unterschied zu der Richterschaft können die Vollzugseinrichtungen vor Ort beurteilen, ob Dritte im Videokonferenzraum anwesend sind. Aus Grafik 39 und Grafik 40 geht hervor, dass im Videokonferenzraum in der überwiegenden Anzahl der Fälle Dritte anwesend sind. Die Richte92  Vgl. dazu auch die Auswertung der Fragen in diesem Abschnitt fünftes Kapitel, D.VII.5. und D.VII.7. 93  Vgl. hierzu Grafik 36 und die Ausführungen.



D. Die Ergebnisse187

rinnen und Richter gaben an, dass nur bei 25 % der Fälle der Verurteilte alleine oder mit seinem Anwalt an der Videokonferenz teilnimmt. Bei den befragten Anstalten lag diese Zahl mit 12 % noch einmal deutlich niedriger. Rückschlüsse aus dem Vergleich des Antwortverhaltens beider befragten Gruppen verbieten sich jedoch aufgrund der geringen Fallzahl. V.

Wer befindet sich gewöhnlich mit dem Gefangenen im Raum? Mehrfachantworten sind möglich. ein Bediensteter



sein Anwalt



weiß ich nicht



niemand



andere Person:

Abbildung 17: Frage B. V.: Die Anwesenheit Dritter beim Gesprächspartner, Richter

Bediensteter Anwalt

6

weiß Richter nicht

19

niemand

50

6

sonstige

19

Bediensteter+Anwalt n = 16

Bediensteter+Anwalt+ Sachverst./Arzt

Grafik 39: Die Anwesenheit Dritter beim Gesprächspartner, Richter (Prozentwerte)

Bediensteter Anwalt

38 50

niemand sonstige

6 6

Bediensteter+Anwalt n = 18

Grafik 40: Die Anwesenheit Dritter beim Gesprächspartner, JVA / JSA (Prozentwerte)

188

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Ist eine dritte Person während der Videokonferenz anwesend, so ist weiterhin ihre Funktion von Interesse: VI.

Wer bedient die Videokonferenztechnik während der Durchführung? der Gefangene



andere Person:

ein Bediensteter



Abbildung 18: Frage B. VI.: Bedienung der Videokonferenztechnik

Aus Grafik 41 ist zu entnehmen, dass bei den befragten Anstalten zu 95 % Bedienstete die Videokonferenzanlage bedienen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass der Verurteilte während einer Videokonferenz nur selten alleine anwesend ist.

5 Gefangener

Bediensteter sonstige/niemand 95

n = 19

Grafik 41: Bedienung der Videokonferenztechnik, JVA / JSA (Prozentwerte)

In der Frageversion der Richterinnen und Richter war das Item „der Gefangene“ lediglich durch „ich“ ersetzt. Hierbei ergab sich, dass zu 71 % die Befragten die Technik selbst bedienen und bei 29 % ein Bediensteter zur Steuerung der Technik präsent ist. In der Literatur stößt die Anwesenheit von Justizvollzugsbediensteten im Anhörungsverfahren auf Bedenken. Betritt der Gefangene den Gerichtssaal, erlebe er einen Übergang der Kontrolle auf den Richter.94 Dieser Kontroll­ übergang bestärke die Wahrnehmung der Strafvollstreckungskammer als eine neutrale Institution.95 Verbleibt der Gefangene jedoch in der Haftan94  Treadway 95  Vgl.

Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215). Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215).



D. Die Ergebnisse189

stalt, stehe er weiterhin unter der Kontrolle der Justizvollzugsbediensteten und erlebe so die Strafvollstreckungskammer nicht als unabhängige Institution.96 Diesem Einwand dürfte mit wenig Aufwand zu begegnen sein. Der Gefangene sollte sich während der Videokonferenzen in einem separierten Raum befinden und ohne anwesende Justizvollzugsbedienstete der Anhörung beiwohnen können. 4. Der Anwalt Die befragten Richterinnen, Richter und Anstalten haben angegeben, dass Videokonferenzen auch mit anwaltlicher Vertretung des Verurteilten stattfinden.97 Ist ein Anwalt des Verurteilten bei der Videokonferenz anwesend, so stellt sich die Frage, wie eine Konferenz mit drei Personen technisch umgesetzt wird. Deshalb wurden beide Teilnehmergruppen gebeten, Auskunft über die technischen Details dieser spezifischen Videokonferenz zu geben: VII.

Wie geschieht die Darstellung, falls drei Personen an der Videokonferenz teilnehmen (Richter, Gefangener und Anwalt)? der Bildschirm wird geteilt (Split Screen)



die Personen werden auf zwei getrennten Bildschirmen dargestellt



der Gefangene/Bedienstete kann manuell zwischen den Personen wählen



es wird automatisch die gerade sprechende Person dargestellt



ist noch nicht vorgekommen



Abbildung 19: Frage B. VII.: Die Videokonferenztechnik in Anwesenheit eines Verteidigers

Die Fragenversion an die Richterinnen und Richter war inhaltlich gleich. Sie wurde entsprechend durch den Austausch der Person formuliert. 10 % der Anstalten gaben an, dass in Dreipersonenvideokonferenzen der Gefangene einen geteilten Bildschirm („Split Screen“) sehen würde.98 In beiden befragten Gruppen fanden sich sodann einige, die manuell zwischen den Beteiligten wählen konnten oder bei denen automatisch der jeweils Sprechende ausgewählt wurde. Der mit Abstand höchste Anteil kreuzte jedoch das Item „ist noch nicht vorgekommen“ an. Sowohl die befragten Gerichte (71 %) als auch die Anstalten (78 %) gaben zu einem beinahe Treadway Johnson / Wiggins, Law & Policy 2006, 211 (215). Grafik 39 und Grafik 40. 98  Vgl. dazu auch die Folgefrage dieser Untersuchung. Der Anwalt ist teilweise beim Gericht anwesend. 96  Vgl. 97  Vgl.

190

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

identischen Anteil an, dass eine Videokonferenz im Dreipersonenverhältnis nicht vorgekommen sei. Auf den ersten Blick muten diese Zahlen sehr hoch an. Bei genauerer Betrachtung dürften Inhaftierte regelmäßig, wie auch in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz,99 nicht anwaltlich vertreten sein. Ein Rückschluss, dass Videokonferenzen eher ohne anwaltliche Vertretung durchgeführt werden, ist aus den gegebenen Daten jedoch nicht möglich.

7

Split Screen 22

zwei Bildschirme manuell automatisch

71

kommt nicht vor n = 14

Grafik 42: Die Videokonferenztechnik in Anwesenheit eines Verteidigers, Richter (Prozentwerte)

10

6

Split Screen 6

zwei Bildschirme manuell

78

automatisch kommt nicht vor n = 18

Grafik 43: Die Videokonferenztechnik in Anwesenheit eines Verteidigers, JVA / JSA (Prozentwerte)

Geben die Anstalten an, dass der Gefangene die beiden weiteren Konferenzteilnehmer im „Split Screen“-Modus sieht, so muss der Anwalt sich an einem anderen Ort (möglicherweise in seiner Kanzlei oder am Gericht) befinden. Um den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Anwaltes herauszufinden, wurden die Richterinnen und Richter weiterhin gefragt: 99  Vgl. BVerfG v. 30.11.2011 – 2 BvR 2358 / 11, BeckRS 2011, 56808; siehe hierzu auch Bachmann, ZIS 2012, 545 (547) und Weißbrodt, FS 2012, 260 (260).

VIII.

D. Die Ergebnisse191 Falls ein Anwalt anwesend ist: An welchem Ort befindet sich dieser in der Regel? bei mir beim Gefangenen



bei keinem von beiden





ein Anwalt ist nie anwesend



Abbildung 20: Frage B. VIII.: Ort der Anwesenheit des Anwaltes, Richter

In der Mehrheit der Fälle (50 %) ist die anwaltliche Vertretung beim Gefangenen anwesend. 14 % der Richterinnen und Richter (2 Personen) gaben jedoch an, dass der Anwalt sich während der Anhörung regelmäßig bei ihnen aufhält. Dieses Ergebnis überrascht, ist eine anwaltliche Vertretung doch durch grundsätzliche Vertraulichkeit zum Mandanten geprägt. Die Wahrnehmung eines vertraulichen Austausches mit dem Verurteilten erscheint so besonders erschwert. Ist der Anwalt beim Gericht anwesend, so dürfte die Richterin / der Richter das Gespräch zwischen Verurteiltem und Anwalt unmittelbar wahrnehmen können.

29

14 7

50

beim Richter bei keinem beim Gefangenen nie anwesend n = 14

Grafik 44: Ort der Anwesenheit des Anwaltes, Richter (Prozentwerte)

Das Problem eines vertraulichen Austausches zwischen Verurteiltem und anwaltlicher Vertretung könnte bei der Videokonferenz grundsätzlicher Natur sein. Denn aus der Durchführung einer Videokonferenz bei Anwesenheit eines Anwaltes können sich weitere Probleme ergeben. Insbesondere ist es möglich, dass auch das beratende Gespräch zwischen Gefangenem und Anwalt akustisch wahrgenommen werden kann. Ob die Richterinnen und Richter eine Absprache tatsächlich hören, sollte durch folgende Frage erfasst werden:

192 IX.

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Falls ein Anwalt anwesend ist: Können Sie Absprachen zwischen dem Gefangenem und seinem Anwalt akustisch wahrnehmen? Ja



Nein



ein Anwalt ist nie anwesend



Abbildung 21: Frage B. IX.: Akustische Wahrnehmung einer Absprache, Richter

Wenn ein Rechtsbeistand anwesend ist, gaben rund 2 / 3 der befragten Richterinnen und Richter an, die Absprache zwischen ihm und dem Gefangenen akustisch wahrnehmen zu können. Zumeist wird das Gericht auch bei einer unmittelbaren Anhörung die Absprache des Gefangenen mit seinem Rechtsvertreter hören können. Jedoch dürfte die Qualität der Wahrnehmung durch die Videokonferenztechnik gestärkt werden. In diesem Fall besteht jedoch wie auch bei einer unmittelbaren Anhörung die Möglichkeit, die Videokonferenz zu unterbrechen. Hiervon sollte der Rechtsanwalt des Gefangenen gegebenenfalls Gebrauch machen. Die Videokonferenz zwingt die Beteiligten hier lediglich zu bewussten Unterbrechungen der Anhörung.

14

Ja 43

43

ein Anwalt ist nie anwesend Nein n = 14

Grafik 45: Akustische Wahrnehmung einer Absprache, Richter (Prozentwerte)

5. Die Technik – Zufriedenheit Neben dem konkreten „Setting“ bei der Durchführung einer Videokonferenz interessierte ebenso, wie die Nutzer die Eigenschaften der Technik bewerten. Hierzu wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmer erneut eine Fragenbatterie angeboten; sie konnten ihre Antworten auf einer 5er-LikertSkala abstufen. Gefragt wurde nach der Zufriedenheit der Übermittlung von Gestik und Mimik, Qualität der Übertragung, Stabilität, Übertragungssicher-



D. Die Ergebnisse193

heit und der Zuverlässigkeit im Allgemeinen. Von den Teilnehmern der Untersuchung, die in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal die Videokonferenztechnik genutzt haben, haben 16 Richterinnen und Richter und 20 befragte Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten die Eigenschaften der Videokonferenztechnik beurteilt. VIII.

Wie zufrieden sind Sie mit folgenden Eigenschaften der Videokonferenztechnik?

sehr zufrieden

sehr unzufrieden

Übermittlung der Gestik und Mimik

1

2

3

4

5

Qualität der Übertragung

1

2

3

4

5

Übertragungsstabilität

1

2

3

4

5

Übertragungssicherheit

1

2

3

4

5

Zuverlässigkeit im Allgemeinen

1

2

3

4

5

Abbildung 22: Frage B. X. (Richter) – B. VIII. (JVA / JSA): Zufriedenheit mit der Videokonferenztechnik

In den folgenden grafischen Darstellungen (Grafik 45 und Grafik 46) sind die Items abgestuft nach Zufriedenheit. Wie schon zuvor bei der Bewertung der Zufriedenheit wurden auch hier Top- und Low-Boxen gebildet (sehr zufrieden, indifferent und sehr unzufrieden). Ausnahmslos alle Items wurden von der Mehrheit der Nutzer als „sehr zufrieden“ bewertet.

Zuverlässigkeit

73

Übertragung

69

Übertragungsstabilität

69

Gestik und Mimik

7 25

12

54

0

6

19

63

Übertragungssicherheit

20

25

23

25

50

13

23

75

100

Prozent (Valide) sehr zufrieden

indifferent

sehr unzufrieden

Grafik 46: Zufriedenheit mit der Videokonferenztechnik, Richter (Prozentwerte)

194

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Übertragungsstabilität

5

90

Übertragungssicherheit

5

16

84

Zuverlässigkeit

80

Übertragung

80

15

5

Gestik und Mimik

80

15

5

0

25

20

50

75

100

Prozent (Valide) sehr zufrieden

indifferent

sehr unzufrieden

Grafik 47: Zufriedenheit mit der Videokonferenztechnik, JVA / JSA (Prozentwerte)

Insgesamt fällt die Bewertung der Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten noch positiver aus. Dieser Umstand dürfte sich aus der nur mittelbaren Beteiligung der Anstalten an den Anhörungen ergeben. Sie halten die Anhörungen ab, dürften jedoch selbst regelmäßig nicht Nutzer der Technik sein. Bei beiden befragten Gruppen ist bemerkenswert, dass noch eine Mehrheit der Untersuchungsteilnehmer (63 % Richter und 80 % JVA / JSA) mit der Übermittlung von Gestik und Mimik zufrieden ist. Im Vergleich zu den übrigen Items erfährt die Übermittlung von Gestik und Mimik jedoch durch die Nutzer eine geringere Zustimmung. Diese Tendenz deckt sich mit der Bewertung der Nachteile des fehlenden persönlichen Eindrucks aller Befragten, denn Teil des persönlichen Eindrucks vom Verurteilten ist seine Körpersprache.100 Die Mehrheit aller Befragten (Nutzer und nicht-Nutzer) haben den fehlenden persönlichen Eindruck als Nachteil der Videokonferenz gesehen (vgl. Grafik 22 und Grafik 23). Eine darüber hinaus reichende Generalisierung des Ergebnisses ist aufgrund der niedrigen Fallzahlen jedoch auch hier nicht möglich.

100  Sauerwein, Die Anwendung moderner Kommunikationstechnologie im nationalen und internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 159.



D. Die Ergebnisse195

6. Die Technik – technische Probleme Die Nutzer wurden auch nach konkret erfahrener Unzuverlässigkeit der Technik gefragt. Dazu wurden den Richterinnen und Richtern vier und den Anstaltsleiterinnen und -leitern zwei Fragen gestellt. XI.

In wie vielen Fällen brach die Verbindung der Videokonferenzen in den vergangenen 12 Monaten ab oder musste erneut aufgebaut werden?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Abbildung 23: Frage B. XI. (Richter) – B. IX. (JVA / JSA): Verbindungsabbrüche während der Durchführung von Videokonferenzen

Bei einem nicht unerheblichen Anteil der Befragten brach die Verbindung während einer Videokonferenz in den vergangen 12 Monaten ab. Von den befragten Richterinnen und Richtern gaben mehr als 74 % an, eine solche Situation bereits erlebt zu haben (siehe Grafik 48).

in keinem Fall 26

26

1-5 mal 6-10 mal 11-20 mal

26

22

21-50 mal häufiger als 50 mal n = 16

Grafik 48: Verbindungsabbrüche während der Durchführung von Videokonferenzen, Richter (Prozentwerte)

Unter den nutzenden Anstalten fanden sich 10 % (Grafik 49), die bereits einen Abbruch und / oder eine notwendige Neuverbindung der Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten erlebt haben. Im Gegensatz zu den Richterinnen und Richtern gaben nur wenige Anstalten einen Abbruch an, auch die berichtete Häufigkeit fiel erheblich geringer aus. Auch dieses Antwortverhalten der Anstalten dürfte auf die nicht unmittelbare Beteiligung der befragten Personen an Videokonferenzen zurückzuführen sein.

196

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in keinem Fall 1-5 mal

10

6-10 mal 11-20 mal 21-50 mal

90

häufiger als 50 mal n = 20

Grafik 49: Verbindungsabbrüche während der Durchführung von Videokonferenzen, JVA / JSA (Prozentwerte)

Die Häufigkeit von Abbrüchen in Abhängigkeit zu erfolgreich durchgeführten Videokonferenzen ließ sich aufgrund der niedrigen Fallzahlen nicht ermitteln. Abbrüche der Videokonferenztechnik scheinen jedenfalls keine Ausnahme zu sein, da ein Großteil der Richterinnen und Richter sie bereits erlebt hat. Bei einer Videokonferenz kann nicht nur die Verbindung abbrechen, sondern es kann auch überhaupt keine Verbindung zustande kommen. Im Unterschied zu Abbrüchen muss das Gericht bei einem Ausbleiben der Verbindung eine neue Anhörung terminieren. Die Anstalten und das Gericht müssen folglich neue Aufwendungen für diese Anhörung tätigen. Dadurch müssen die Beteiligten erneut Arbeitszeit investieren. Es ist daher von besonderem Interesse, ob die Nutzer eine solche Erfahrung bereits gemacht haben. Um dies zu eruieren, wurde die folgende Frage den Richterinnen, Richter und den Anstalten gestellt: XII.

In wie vielen Fällen gelang der Verbindungsaufbau der Videokonferenz in den vergangenen 12 Monaten überhaupt nicht?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Abbildung 24: Frage B. XII. (Richter) – B. X. (JVA / JSA): Scheitern des ­Verbindungsaufbaus einer Videokonferenz

Keinen Erfolg beim Verbindungsaufbau zum Videokonferenzteilnehmer hatten 71 % der befragten Richterinnen und Richtern in den vergangenen 12 Monaten (Grafik 50).



D. Die Ergebnisse197

in keinem Fall 29

29

7 29

1-5 mal 6-10 mal 11-10 mal 21-50 mal häufiger als 50 mal n = 16

Grafik 50: Scheitern des Verbindungsaufbaus einer Videokonferenz, Richter (Prozentwerte)

in keinem Fall 1-5 mal

25

6-10 mal 11-10 mal 75

21-50 mal häufiger als 50 mal n = 20

Grafik 51: Scheitern des Verbindungsaufbaus einer Videokonferenz, JVA / JSA (Prozentwerte)

Bei den Anstalten haben von einem Nichtgelingen des Verbindungsaufbaus immerhin 25 % der Befragten berichtet (Grafik 51). Wieder lässt sich aufgrund der niedrigen Fallzahlen kein prozentualer Anteil von Abbrüchen im Verhältnis zu Erfolgen berechnen. Jedenfalls sind Verbindungsfehler von einem Großteil der Richterinnen und Richter berichtet worden. Der niedrige Anteil bei den Anstalten könnte auch hier auf die Gruppe der Befragten zurückzuführen sein, denn die Anstaltsleiterinnen und -leiter werden nicht in jedem Fall von dem Ausbleiben einer Verbindung erfahren. Neben der technischen Seite kann es auch weitere Gründe geben, eine bereits begonnene Videokonferenz abzubrechen. Hierzu wurden die Richterinnen und Richter ebenfalls befragt:

198

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

XIII.

Haben Sie von sich aus schon einmal eine Videokonferenz abgebrochen? Ja



Nein



Abbildung 25: Frage B. XIII. (Richter): Abbruch einer Videokonferenz durch die Richterin / den Richter

Von den Befragten gaben 13 % (2 Personen) an, eine Videokonferenz schon einmal abgebrochen zu haben. Auf die Gründe für den Abbruch wurde sodann in der folgenden Frage eingegangen: XIV.

Aus welchen Gründen haben Sie eine Videokonferenz schon einmal abgebrochen?

Abbildung 26: Frage B. XIV. (Richter): Gründe für den Abbruch einer Videokonferenz durch die Richterin / den Richter

Eine befragte Person gab an, dass die Technik nicht funktioniert hat.101 Die andere Person gab an, dass der anzuhörende Häftling schlechte Sprachkenntnisse hatte und die Idee einer Videokonferenz nicht verstand.102 Insgesamt ergaben sich aus diesen beiden Fragen jedoch keine wesentlich neuen Erkenntnisse. 7. Zusammenfassung Mehrheitlich sind die Nutzer der Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungssachen mit dieser sehr zufrieden. Die Zufriedenheit fällt bei den nutzenden Richterinnen und Richtern etwas geringer aus als bei den Anstalten. Technische Eigenheiten der Videokonferenztechnik (z. B. Tonverzögerung) werden von der Mehrheit der befragten Nutzer nicht als Problem empfunden, nur eine Minderheit der Richterinnen und 101  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, C. I. 102  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, C. I.



D. Die Ergebnisse199

Richter hat Probleme den Gesprächsverlauf zu steuern oder den Redner zu unterbrechen. Während einer Videokonferenz sind in der Mehrzahl der Fälle Dritte (meist Bedienstete / selten ein Anwalt) anwesend. Problematisch erscheint, dass viele Befragte bereits technische Probleme der Videokonferenztechnik erlebt haben.

VIII. Die Videokonferenz in der Strafvollstreckung Auch im vorletzten Teil des Fragebogens wurden nur noch diejenigen befragt, die Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen genutzt hatten. Hier interessierte nicht nur die Häufigkeit der Nutzung und die Gründe dafür, sondern vor allem, wer regelmäßiger Initiator der Videokonferenz gewesen ist. Denn die Problematik um den Verzicht hatte sich bereits im dritten Kapitel dieser Untersuchung abgezeichnet, ohne einen freien Verzicht des Verurteilten kann die Videokonferenztechnik bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen in der Strafvollstreckung nicht eingesetzt werden. Eine Initiierung des Verzichtes durch das Gericht kann ein Indiz für eine unfreie Verzichtserklärung des Verurteilten darstellen. Zuvor soll jedoch auf die generelle Nutzung in der Strafvollstreckung und ihre Gründe eingegangen werden. 1. Nutzung Von den Richterinnen und Richtern, die in den vergangenen 12 Monaten eine Videokonferenz durchgeführt haben, haben 9 Befragte die nachfolgende Fragestellung beantwortet: I.

In wie vielen Fällen haben Sie in den vergangenen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen (mit und ohne Videokonferenztechnik) entschieden? in keinem Fall

1-20 mal

21-40 mal

41-60 mal

61-80 mal

81-100 mal

häufiger als 100 mal















Abbildung 27: Frage C. I. (Richter): Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen

Aus Grafik 52 wird ersichtlich, dass die Mehrheit der Richterinnen und Richter mehrfach in Strafvollstreckungssachen entschieden hat.

200

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

häufiger als 50 mal

11

21-50 mal

11

11-20 mal

22

6-10 mal

22

1-5 mal

23

in keinem Fall n=9

11 0

10

20

30

40

50

Grafik 52: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen, Richter (Prozentwerte)

Die Frage an die Anstalten wurde auf ihre spezifische Rolle in Strafvollstreckungssachen angepasst: A.

Wie oft haben Sie in Strafvollstreckungssachen in den vergangenen 12 Monaten einen Gefangenen zum Gericht fahren müssen oder ist der Richter in der Anstalt erschienen?

weiß ich nicht

keinen

1-20 mal

21-40 mal

41-60 mal

61-80 mal

81-100 mal

häufiger als 100 mal

















Abbildung 28: Frage C. I. (JVA): Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen

Fast alle Anstalten mussten in den zurückliegenden 12 Monaten einen Gefangenen zur Anhörung führen. Ein Drittel aller Anstalten mussten in diesem Zeitraum gar in mehr als 100 Fällen einen Gefangenen zu Gericht fahren, beziehungsweise die Richterin oder der Richter erschien in der Anstalt. Strafvollstreckungsrechtliche Anhörungen sind folglich in Vollzugsan­ stalten eher regelmäßiger Alltag als eine Besonderheit. Im Anschluss sollte dann herausgefunden werden, ob die Richterschaft und die Anstalten in gewisser Häufigkeit diese Anhörungen mittels Videokonferenztechnik durchführen. Zugleich diente die Frage der Überprüfung der achten Hypothese: Die Videokonferenztechnik wird in Deutschland bereits in der Strafvollstreckung genutzt.



D. Die Ergebnisse201 häufiger als 100 mal

34

81-100 mal 61-80 mal

11

41-60 mal

6

21-40 mal

11

1-20 mal

6

keinen

17

weiß ich nicht

17 0

n = 18

10

20

30

40

50

Grafik 53: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen, JVA / JSA (Prozentwerte)

Fragestellung an die Richter: II.

In wie vielen Fällen haben Sie in den vergangenen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen entschieden und dabei Videokonferenztechnik verwendet?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Sollten Sie die Videokonferenztechnik in den vergangen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen nicht genutzt haben, fahren Sie bitte mit Abschnitt D fort.

Fragestellung an die Anstalten: II.

In wie vielen Fällen haben Sie die Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen in den vergangenen 12 Monaten genutzt? – Die Antwortmöglichkeiten entsprachen der obigen Fragebogenversion –

Abbildung 29: Frage C. II.: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen mittels Videokonferenz

Acht der befragten Richterinnen und Richter, die allgemein in den vergangenen 12 Monaten Videokonferenztechnik genutzt haben, haben diese Technik auch in Verfahren der Strafvollstreckung genutzt. Folglich kann Hypothese 8 als belegt angesehen werden. Bei der Nutzungshäufigkeit der Videokonferenztechnik durch die Richterschaft ergibt sich kein einheitliches

202

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

häufiger als 50 mal

11

21-50 mal

11

21 16

0

11-20 mal

22 11

6-10 mal

22

1-5 mal

22

in keinem Fall 10

Richter n=9

26 26

12 0

JVA n = 19

20

30

40

50

Grafik 54: Entscheidungen in Strafvollstreckungssachen mittels Videokonferenz, Richter und Anstalten (Prozentwerte)

Bild. Nicht anders sieht es bei den Anstalten aus, dort reichen die Nutzungen von keinem Fall bis zu häufiger als 50-mal. Eine belastbare Aussage zur Verteilung der Nutzungshäufigkeit zwischen per Videokonferenz geführten Anhörungen und „face-to-face“-Anhörungen ließ sich auch hier aufgrund der niedrigen Fallzahl nicht ermitteln. 2. Zeitersparnis Als zentrales Argument für den Einsatz von Videokonferenztechnik wird in großer Regelmäßigkeit die damit angeblich verbundene Zeitersparnis genannt.103 Eine empirische Überprüfung dieser Annahme ist – soweit ersichtlich – bis jetzt vollständig ausgeblieben. Um diese Forschungslücke zu schließen, wurden sowohl die Richterschaft als auch die Anstalten gebeten, zu schätzen, wie hoch ihre Zeitersparnis pro Anhörung ist. Die Fragestellung wich entsprechend der befragten Gruppe leicht ab (Abb. 30). Zwölf Richterinnen und Richter gaben eine Antwort auf die Frage ihrer durchschnittlichen Zeitersparnis. Von den Befragten haben fünf angegeben, keine Zeitersparnis zu haben und sieben gaben im Schnitt 16 Minuten Zeitersparnis an. Für alle befragten Richterinnen und Richter, die die Technik in der Strafvollstreckung einsetzen, ergibt sich damit eine durchschnittliche Ersparnis von 9,4 Minuten pro Anhörung. Bei den Anstalten machten 14 Personen dazu Angaben, von denen fünf keine Zeitersparnis geltend machten. Neun Befragte votierten für eine Zeiter103  Beispielhaft:

BT-Drucks. 17 / 1224, S. 1; Leopold, NZS 2013, 847 (852).



D. Die Ergebnisse203

Fragestellung an die Richter: III.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Zeitersparnis pro Anhörung?

es gibt keine Zeitersparnis



Minuten:

Fragestellung an die Anstalten: III.

Wie hoch schätzen Sie die Zeitersparnis der JVA/JSA pro Videokonferenz? – Die Antwortmöglichkeiten entsprachen der obigen Fragebogenversion –

Abbildung 30: Frage C. III.: Zeitersparnis pro Videokonferenz

sparnis, durchschnittlich betrug die Ersparnis 98 Minuten. Für alle befragten Anstalten, die die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen einsetzen, bedeutet dies eine Ersparnis von 62,9 Minuten pro Videokonferenzanhörung. Zu Beginn der Untersuchung wurde Hypothese 9 aufgestellt und angenommen, dass die Videokonferenzen Zeit ersparen würde. Diese Hypothese wird durch die Befragung bestätigt, allerdings ist die Zeitersparnis bei den Richterinnen und Richtern mit 9,4 Minuten gering. Bei den Anstalten ist die Zeitersparnis hingegen mit mehr als einer Stunde deutlich. 3. Gründe für den Einsatz von Videokonferenztechnik (nur Richter) Wie gezeigt, ist die Zeitersparnis der Richterinnen und Richter durch eine Videokonferenz sehr gering. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Motive dann für die Nutzung der Videokonferenztechnik ausschlaggebend sind. Um diese Motive erfassen zu können, wurde den Richterinnen und Richter die folgende Frage gestellt: IV.

Warum haben Sie in Strafvollstreckungsverfahren Videokonferenztechnik eingesetzt? Mehrfachantworten sind möglich. Kostenersparnis Zeitersparnis Flexibilität



erhöhte Sicherheit





Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz





Personalmangel der JVA/JSA



Sonstige Gründe:

Abbildung 31: Frage C. IV. (nur Richter): Gründe für den Einsatz von Videokonferenztechnik

204

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Kostenersparnis erhöhte Sicherheit

8

8

8

Zeitersparnis Aufzeichnungsmöglichkeit

8

Flexiblität 17

Personalmangel JVA/JSA sonstiges

50

Kostenersparnis/erhöhte Sicherheit/Flexiblität Kosten- u. Zeitersparnis Kosten- u. Zeitersparnis/Flexibilität/Personalmangel JVA/JSA n = 12

Flexiblität/Personalmangel JVA/JSA Kosten- u. Zeitersparnis/erhöhte Sicherheit

Grafik 55: Gründe für den Einsatz von Videokonferenztechnik, Richter (Prozentwerte)

Den befragten Richterinnen und Richtern war es dabei freigestellt, auch Mehrfachantworten zu geben. Von dieser Möglichkeit, Motivbündel anzugeben, machten die Befragten regen Gebrauch. Mit 50 % am häufigsten wurde ein solches Bündel an Motiven genannt: Kosten-/Zeitersparnis / Flexibilität und Personalmangel der Anstalten. Weitere 18 % gaben nur die Kosten- und Zeitersparnis als Grund an. Vor dem Hintergrund der geringen Zeitersparnis durch die Richterinnen und Richter erstaunt dieses Ergebnis. Jedoch könnte nicht nur die eigene Zeitersparnis ein Motiv für die Nutzung der Videokonferenztechnik sein, die Gerichte könnten ebenso Zeit Dritter einsparen wollen. Dieses Motiv könnte insbesondere auf die Anstalten abzielen, denn dort besteht ein erhebliches Potenzial für Zeitersparnis. Betrachtet man den über alle Motivbündel hinweg am häufigsten genannten Grund für eine Videokonferenz, so gaben 58 % der Richterinnen und Richter einen Personalmangel der Justizvollzugs- / Jugendstrafanstalten an. Spart die Richterin / der Richter Zeit für die Anstalten ein, so kann die Entscheidung möglicherweise flexibler und schneller getroffen. Das Gericht muss nicht erst auf freie Kapazitäten zur Verschubung des Gefangenen warten. Es liegt mithin nahe, dass die Richterinnen und Richter Zeit für die Anstalten einsparen wollten. 4. Entfernung zwischen Gericht und Anstalt Ein Faktor für Zeit- und Kostenersparnis ist die Distanz zwischen Anstalten und Gerichten. Denn die Videokonferenzsysteme sind insbesondere zur schnellen Überwindung von räumlichen Distanzen zwischen den Teilnehmern geeignet. Dabei können je nach Nutzungshäufigkeit auch Kosten



D. Die Ergebnisse205

eingespart werden. Für die Befragung war somit von Interesse, durch welche Entfernung das jeweils zuständige Gericht von der Anstalt getrennt ist. Hierzu sind beide Gruppen befragt worden. Für die Richterinnen und Richter beantworteten 13 Personen die folgende Frage: V.

Wie weit ist die Haftanstalt, für die Sie zuständig sind, von Ihrem Gericht entfernt? 0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

21-30 km

31-50 km

51 km oder mehr















Abbildung 32: Frage C. V. (Richter): Entfernung zwischen Gericht und Anstalt

Die Richterinnen und Richter gaben am häufigsten (38 %) an, dass die Entfernung zwischen Gericht und Anstalten nicht mehr als 5 km entspricht. Die absolute Mehrheit der Anstalten liegt mit 61 % nicht weiter als 15 km von dem Gericht entfernt. 50

n = 13 40

38

30

23 20

15

10

15 8 0

0 0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

0 21-30 km

31-50 km

51 km und mehr

Grafik 56: Entfernung zwischen Gericht und Anstalt, Richter (Prozentwerte)

Die Gruppe der Anstalten wurden daraufhin konkreter befragt, in welcher Entfernung sich Land- und Oberlandesgericht befinden. Zu der Entfernung zur Strafvollstreckungskammer am Landgericht machten 14 Anstalten Angaben, zu der Entfernung zum Oberlandesgericht 13.

206

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

IV.

Wie weit befindet sich die Haftanstalt von den für Sie in der Regel zuständigen Gerichten entfernt?

Strafvollstreckungskammer: 0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

21-30 km

31-50 km

51 km oder mehr















0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

21-30 km

31-50 km

51 km oder mehr















Oberlandesgericht:

Abbildung 33: Frage C. IV. (JVA / JSA): Entfernung zwischen Anstalt und Gericht

Die Strafvollstreckungskammer befindet sich laut Befragten in 44 % der Fälle zwischen 0 und 5 km entfernt (Grafik 57). Bei 65 % der befragten Anstalten liegen die Strafvollstreckungskammern im maximalen Umkreis von nicht mehr als 15 km entfernt. Erheblich weiter sind die meisten Oberlandesgerichte entfernt (Grafik 58). 77 % der Befragten gaben an, dass das zuständige Oberlandesgericht 51 oder mehr Kilometer entfernt ist. Die Entfernung zwischen Gericht und Anstalt gab die Mehrheit der Befragten (Richter 61 %; JSA / JVA zur Strafvollstreckungskammer 65 %) mit nicht mehr als 15 km an. Lediglich die Oberlandesgerichte waren in der 45

44

n = 14

40 35 30 25 20

14

15

7

10

14

14 7

5

0

0 0-5 km

6-10 km

11-15 km 16-20 km 21-30 km 31-50 km

51 km oder mehr

Grafik 57: Entfernung zwischen Anstalt und Strafvollstreckungskammer, JVA / JSA (Prozentwerte)



D. Die Ergebnisse207 90

n = 13

80

77

70 60 50 40 30 20 10

15 8

0 0-5 km

0

0

6-10 km

11-15 km

0

0

16-20 km 21-30 km

31-50 km

51 km mehr oder

Grafik 58: Entfernung zwischen Anstalt und Oberlandesgericht, JVA / JSA (Prozentwerte)

Mehrzahl der Fälle weiter entfernt. Ausschlaggebend für eine Zeitersparnis durch die Videokonferenztechnik dürfte demnach sein, ob das Gericht die Anhörung in der Anstalt durchführt oder ob die Inhaftierten dafür zum Gericht transportiert werden müssen. Im zweiten Fall wird der erhebliche zeitliche Aufwand insbesondere von der Vorbereitung des Inhaftieren zum Transport verursacht (beispielsweise durch dessen Durchsuchung). 5. Verzicht und die Aufklärung Im ersten Teil dieser Untersuchung wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Videokonferenzeinsatzes in der Strafvollstreckung ermittelt. Für obligatorisch-mündliche Anhörungen ergibt sich ein rechtlich zulässiger Einsatz nur, soweit der Verurteilte auf eine „face-to-face“-Anhörung verzichtet. Nun soll im empirischen Teil der vorliegenden Untersuchung ermittelt werden, wie in der Praxis der Einsatz von Videokonferenztechnik abläuft – oder genauer, wie und unter welchen Umständen der Verurteilte seinen Verzicht erklärt. Zuvor soll jedoch untersucht werden, ob in der Strafvollstreckungspraxis Videokonferenzen auch in obligatorisch-mündlichen oder nur in fakultativ-mündlichen Anhörungen stattfinden. a) Der Verzicht des Verurteilten Der folgende Abschnitt soll dabei in einen ersten erfassenden Teil untergliedert werden. In diesem soll untersucht werden, ob die Videokonferenztechnik auch bei obligatorisch-mündlichen oder nur bei fakultativ-mündli-

208

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

chen Anhörungen eingesetzt wird. Dass diese Unterscheidung von erheblicher Bedeutung ist, wurde bereits im dritten Kapitel aufgezeigt. Die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen steht bei fakultativ-mündlichen Anhörungen im Ermessen des Gerichts. Hingegen ist der Einsatz bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen grundsätzlich unzulässig, es sei denn, der Verurteilte hätte frei auf eine „face-to-face“-Anhörung verzichtet. Ein Indiz für eine unfreie Verzichtserklärung kann das Hinwirken des Gerichts auf diese sein. Die Befragung hatte daher in einem weiteren Abschnitt zum Ziel, den regelmäßigen Initiator herauszufinden. Im Anschluss daran geht es konkret um die Verzichtserklärung des Verurteilten, insbesondere um die Art und Protokollierung der rechtlichen Aufklärung durch das Gericht. aa) Fakultativ-mündliche und obligatorisch-mündliche Anhörung per Videokonferenz Die nutzenden Richterinnen und Richter wurden gefragt, bei welchen Anhörungen sie die Videokonferenztechnik nutzen und ob sie den Gefangenen rechtlich aufklären. Hierzu wurde den Richterinnen und Richter die folgende Fragenbatterie gestellt: VI.

Wenn Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen durchführen: ja

nein

Führen Sie die Videokonferenz bei obligatorisch „mündlichen“ Anhörungen in Strafvollstreckungssachen durch?





Führen Sie die Videokonferenz bei fakultativen Anhörungen in Strafvollstreckungssachen durch?





Nutzen Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im Dreipersonenverhältnis (zwischen Richter, Gefangenem und dem Anwalt des Gefangenen)?





Wird die gesamte Videokonferenz aufgezeichnet?





Wird der Gefangene vor der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen rechtlich aufgeklärt?





Wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht der unmittelbaren Anhörung („face-to-face“) bei obligatorischen Anhörungen aufgeklärt?





Wird die Aufklärung des Gefangenen in einem Protokoll festgehalten?





Abbildung 34: Frage C. VI. (Richter): Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz

Auf die Fragen antworteten 12 Richterinnen und Richter. Von Ihnen gaben 100 % an, die Videokonferenz auch bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen in Strafvollstreckungssachen zu nutzen. 33 % der Richterinnen und



D. Die Ergebnisse209 Führen Sie die Videokonferenz bei obligatorisch „mündlichen“ Anhörungen in Strafvollstreckungssachen durch?

100

Führen Sie die Videokonferenz bei fakultativen Anhörungen in Strafvollstreckungssachen durch? Nutzen Sie die Videokonferenz im Dreipersonenverhältnis (zwischen Richter, Gefangenem und dem Anwalt des Gefangenen)?

75 9

25 91 100

Wird die gesamte Videokonferenz aufgezeichnet? Wird der Gefangene vor der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen rechtlich aufgeklärt?

67

Wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Anhörung („face-to-face“) bei obligatorischen Anhörungen aufgeklärt?

33

75

Wird die Aufklärung des Gefangenen in einem Protokoll festgehalten?

25

58 Ja

42

Nein

Grafik 59: Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz, Richter (Prozentwerte)

Richter klärten die Gefangenen vor der Videokonferenz nicht über ihre Rechte auf. Von denen, die rechtlich aufklären, gaben 58 % an, diese Aufklärung des Inhaftierten auch zu protokollieren. Den Inhaftierten nicht über sein Recht auf eine mündliche Anhörung aufgeklärt haben 25 % der befragten Richterschaft (3 Personen). Den Anstalten wurde die Fragenbatterie verkürzt gestellt: VI.

Falls Sie Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen durchführen: ja

nein

Nutzen Sie die Videokonferenz in Jugendstrafvollstreckungssachen?





Nutzen Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im Dreipersonenverhältnis (zwischen Richter, Gefangenem und dem Anwalt des Gefangenen)?













Wird die Aufklärung des Gefangenen in einem Protokoll festgehalten?





Wird die gesamte Videokonferenz aufgezeichnet?





Wird der Gefangene vor der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen rechtlich aufgeklärt? Wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Gehörs bei obligatorischen Anhörungen aufgeklärt?

Abbildung 35: Frage C. VI. (JVA / JSA): Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz

210

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Nutzen Sie die Videokonferenz in Jugendstrafvollstreckungssachen?

8

Nutzen Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im Dreipersonenverhältnis (zwischen Richter, Gefangenem und dem Anwalt des Gefangenen)?

21

Wird der Gefangene vor der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen rechtlich aufgeklärt?

71

Wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Gehörs bei obligatorischen Anhörungen aufgeklärt?

64

Wird die Aufklärung des Gefangenen in einem Protokoll festgehalten?

38

Wird die gesamte Videokonferenz aufgezeichnet?

8

92

79

29

36

62

92 Ja

Nein

Grafik 60: Fragenbatterie zur Durchführung einer Videokonferenz, JVA / JSA (Prozentwerte)

Es ergibt sich ein ganz ähnliches Bild wie bei den Richterinnen und Richtern. 29 % der befragten Anstalten gaben an, dass der Inhaftierte vor der Videokonferenz nicht rechtlich aufgeklärt wird. Bei obligatorischmündlichen Anhörungen, die anstelle der unmittelbaren Mündlichkeit per Videokonferenz erfolgten, gaben 33 % an, dass der Inhaftierte über seinen Verzicht auf die mündliche Anhörung nicht aufgeklärt wird. Ein Protokoll über die Aufklärung des Gefangenen wurde nur gelegentlich (38 %) angefertigt. Aufgezeichnet haben 8 % (1 Person) die Videokonferenz, obwohl eine Aufzeichnung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dreiviertel der befragten Richterinnen und Richter die Videokonferenztechnik in fakultativ-mündlichen Verfahren nutzen. Hier steht die Nutzung der Technik im Ermessen des Gerichtes und stellt ein Mehr zur bloß schriftlichen Anhörung des Verurteilten dar. Der Einsatz dieser Technik ist somit bei fakultativ-mündlichen Anhörungen für den Gefangenen ein Gewinn. Weiterhin setzen alle befragten Richterinnen und Richter die Videokonferenztechnik auch bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen ein. Eine rechtliche Aufklärung geschieht durch die meisten Richterinnen und Richter, jedoch unterbleibt sie durch rund ein Drittel der befragten Strafvollstreckungskammern. Das Unterlassen der rechtlichen Aufklärung ist besonders kritisch zu sehen, da eine umfängliche Aufklärung Indiz für eine freie Verzichtserklärung sein kann.104 Darauf soll in den folgenden Fragen noch näher eingegangen wer104  Vgl.

drittes Kapitel, D.



D. Die Ergebnisse211

den. Anzumerken ist noch, dass 8 % der Anstalten geantwortet haben, die Videokonferenz auch im Jugendstrafvollstreckungsverfahren einzusetzen. Sollten auch im Rahmen des § 88 JGG Anhörungen mittels Videokonferenztechnik stattfinden, so wäre dieses rechtswidrig.105 bb) Hinwirken des Gerichtes auf den Verzicht – Initiator der Videokonferenz Eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Verurteilten kann nicht nur durch eine fehlende rechtliche Aufklärung gegeben sein; das Gericht verstärkt den Eindruck der Unfreiheit, wenn es selbst auf den Verzicht hingewirkt hat.106 Der regelmäßige Initiator einer Videokonferenz sollte daher durch die nachfolgende Frage genauer ermittelt werden. Die Frage richtet sich nun wieder an beide befragten Gruppen. VII.

Wer schlägt in der Regel die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen vor? Richter Staatsanwaltschaft JVA/JSA



Gefangener





Anwalt des Gefangenen





sonstige:

Abbildung 36: Frage C. VII. (Richter) – C. V. (JVA / JSA): Regelmäßiger Initiator der Videokonferenz

Die Richterinnen und Richter gaben zu 92 % an, dass sie selbst regelmäßig die Videokonferenz initiieren, in den übrigen 8 % der Fälle waren es die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten. Die befragten Anstalten gaben ein ähnliches Bild wieder, in 14 % der Fälle gaben sie selbst sich als Initiator an und 86 % der Videokonferenzen würden durch die Richterinnen und Richter initiiert. Der Gefangene, sein Anwalt oder die Staatsanwaltschaft107 hatten in keinem Fall eine Videokonferenz vorgeschlagen. Es lässt sich festhalten, dass der Verurteilte regelmäßig nicht auf eine Videokonferenz hinwirkt, sondern diese ausschließlich von der Strafvollstreckungskammer und den Anstalten initiiert wird. Die Hypothese 10 kann folglich als bestätigt angesehen werden. Dieses Ergebnis erscheint jedoch bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen zumindest bedenklich, darf die 105  Vgl.

viertes Kapitel, A. drittes Kapitel, A.I.1.a)cc)(3) und A.I.2.a)cc)(4). 107  Die Staatsanwaltschaft ist anzuhörende Beteiligte im Verfahren, vgl. beispielsweise § 454 Abs. 1 S. 2 StPO. 106  Vgl.

212

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Videokonferenz dort doch nur nach einer Verzichtserklärung des Gefangenen stattfinden. Dabei hat der Verzicht des Verurteilten frei zu sein.108 Geht regelmäßig die Videokonferenz von den Gerichten und Anstalten aus, so kann von einem grundsätzlich frei ausgeübten Verzicht keine Rede sein. Viel mehr besteht die Besorgnis, dass die Gerichte dem Gefangenen keine wirkliche Wahlfreiheit lassen. Denn Wahlfreiheit setzt voraus, dass der Gefangene ohne „Zwang“ und in Kenntnis der Rechtslage entscheiden kann. Dazu gehört also auch die generelle rechtliche Aufklärung. Selbst diese wird jedoch von 29 % der Richterinnen und Richter unterlassen. Ist die Wirksamkeit des Verzichtes eine Frage des Einzelfalls, so wird aus der vorliegenden Untersuchung jedenfalls deutlich, dass der Verzicht häufig unwirksam sein dürfte. cc) Die Aufklärung Schon zu Beginn dieses Abschnittes wurde deutlich, dass laut Aussage der Mehrheit der Befragten der Verurteilte rechtlich aufgeklärt wird, bevor eine Videokonferenz stattfindet. So gaben 75 %109 der befragten Richterinnen / Richter und 64 %110 der untersuchten Anstalten an, dass der Gefangene über seinen Verzicht auf die speziell unmittelbare („face-to-face“-)Anhörung aufgeklärt wird. Wie aber geschieht diese Aufklärung im Einzelnen? Dieser Frage soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden. In beiden Fragebogenversionen fand sich hierzu die folgende Fragestellung: Entsprechend der Fragestellung sollten nur die Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer antworten, die eine Aufklärung des Gefangenen vorgenommen haben. Pro Befragtengruppe waren dies jeweils 10 Personen. Von diesen gaben sowohl 60 % der befragten Richterschaft als auch der Anstalten an, dass der Gefangene mündlich aufgeklärt wurde. Eine Richterin oder ein Richter antwortete, dass die Aufklärung mündlich und durch ein schriftliches Formular geschieht, eine weitere Person gab die Aufklärung per Formular an. Bei den Anstalten teilten zwei Befragte mit, dass der Gefangene per Formular aufgeklärt würde. In beiden Befragtengruppen fanden sich jeweils zwei Befragte, die nicht wussten, in welcher Form die Verurteilten aufgeklärt wurden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine knappe Mehrheit der Befragten die Aufklärung mündlich vollzog.

108  Vgl.

drittes Kapitel. Grafik 58. 110  Vgl. Grafik 59. 109  Vgl.



D. Die Ergebnisse213

Fragestellung an die Richter: VIII.

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird: Wie wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht einer unmittelbaren Anhörung („face-toface“) aufgeklärt? Mehrfachantworten sind möglich. mündlich schriftlich



Formular





weiß ich nicht



anders:

Fragestellung an die Anstalten: VII.

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird: Wie wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Gehörs aufgeklärt? Mehrfachantworten sind möglich.

– Die Antwortmöglichkeiten entsprachen der obigen Fragebogenversion –

Abbildung 37: Frage C. VIII. (Richter) – C. VII. (JVA / JSA): Art der Aufklärung mündlich Formular

10

schriftlich

20

weiß ich nicht 60 10

anders mündlich/formular/schriftlich n = 10

Grafik 61: Art der Aufklärung, Richter (Prozentwerte)

mündlich

20

Formular schriftlich

20

60

weiß nicht anders n = 10

Grafik 62: Art der Aufklärung, JVA / JSA (Prozentwerte)

214

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Im Anschluss an die Frage nach der Form der Aufklärung sollten die Befragten eingehender und mit eigenen Worten ausführen, wie die Aufklärung geschieht: IX.

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird, beschreiben Sie bitte ausführlich, wie der Gefangene aufgeklärt wird:

Abbildung 38: Frage C. IX. (Richter) – C. VIII. (JVA / JSA): Die Aufklärung

Insgesamt beschrieben fünf Mitglieder der mit Strafvollstreckung befassten Kammern und Senate die Aufklärung des Verurteilten näher. Zwei Richterinnen / Richter gaben an, dass der Gefangene am Anfang der Videokonferenz nach seinem Einverständnis gefragt würde.111 Eine weitere Person erklärte, dass der Gefangene eine Woche vor der geplanten Konferenz schriftlich informiert werde und auch während der Videokonferenz darauf hingewiesen werde, dass er jederzeit auf einer mündlichen Anhörung bestehen könne.112 Und noch eine Person gab schriftlich an, dass dem Gefangenen zu Beginn erklärt würde, er könne auch die Vorführung vor dem Gericht verlangen.113 Sieben befragte Anstalten gaben durchweg unterschiedliche Antworten. Am häufigsten wurde die Aufklärung zu Beginn der Videokonferenz angegeben.114 Einmal wurde erklärt, dass der Gefangene unterrichtet würde, er könne auf die Anhörung gänzlich verzichten und die Kammer ihn dann nur noch bei eventuellem Klärungsbedarf anhören würde.115 Eine Anstalt händigt dem Gefangenen zuvor ein Formular aus, in dem er die Form der Anhörung wählen kann.116 111  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, C. IX. 112  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, C. IX. 113  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, C. IX. 114  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, C. VIII. 115  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, C. VIII. 116  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, C. VIII.



D. Die Ergebnisse215

In beiden befragten Gruppen gibt es keine einheitliche Praxis, jedoch erfolgt die Aufklärung laut einer Mehrheit der Befragten erst zu Beginn der Videokonferenz. Einer freien Verzichtserklärung des Verurteilten ist eine solche Praxis jedoch nicht zuträglich. Ganz im Gegenteil wird sich der Verurteilte durch dieses Vorgehen regelmäßig subjektiv gezwungen fühlen. Selbst bei entgegenstehendem Willen wird dieser subjektiv empfundene Zwang eine Forderung des Abbruches einer Videokonferenz verhindern. Der Verurteilte wird sich häufig nicht zur Wehr setzen. Diese Zwangslage wird bestärkt, wenn dem Verurteilten zusätzlich mitgeteilt wird, dass von einer unmittelbar mündlichen Anhörung auch gänzlich abgesehen werden könne und das Gericht dann nur bei Klärungsbedarf anhören würde. Für die Ausübung einer freien Willensentscheidung förderlich dagegen ist es, wenn der Verurteilte in deutlichem zeitlichen Abstand zur geplanten Videokonferenz über eine solche Möglichkeit informiert wird. b) Zusammenfassung Es lässt sich festhalten, dass die Verurteilten regelmäßig nicht auf eine Videokonferenz hinwirken, sondern diese ausschließlich von Strafvollstreckungskammern, Senaten und Anstalten initiiert wird. Zwar ist die Prüfung der Freiheit der Willenserklärung, die ja bei einem Verzicht auf die obligatorisch-mündliche Anhörung notwendig ist, nur im Einzelfall möglich, aber ein deutliches Indiz für die mangelnde Freiheit der Verzichtserklärung117 ist jedenfalls in einer fehlenden Aufklärung und dem Hinwirken der Kammern, Senate oder Anstalten zu sehen. Ist anstelle einer obligatorisch-mündlichen Anhörung eine Videokonferenz geplant, wird der Gefangene beinahe in einem Drittel aller Fälle nicht über sein Recht auf eine mündliche Anhörung aufgeklärt. Wird er aufgeklärt, so sind die Ausgestaltung und die Art der Aufklärung sehr unterschiedlich. Die Aufklärung wird nur in rund der Hälfte der Fälle protokolliert. Unabhängig von jedem Einzelfall sollten die Strafvollstreckungskammern und die mit der Strafvollstreckung befassten Senate dem Verdacht der Unwirksamkeit des Verzichtes in ihrem eigenen Interesse entgegentreten und eine Initiierung der Videokonferenz zeitnah zur Anhörung unterlassen. Der Verurteilte ist deutlich vor Beginn der Videokonferenz rechtlich aufzuklären und die Erklärung des Anzuhörenden ist zu protokollieren.

117  Zur Notwendigkeit des Verzicht vgl. auch die Ausführungen des Sachverständigen Gaede, Schriftliche Stellungnahme, S. 12.

216

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

6. Bestehen auf unmittelbarer Anhörung Wird die Entscheidungsfreiheit des Gefangenen hinsichtlich der Durchführung einer Videokonferenz tatsächlich durch äußere Umstände beeinträchtigt, so wäre hierfür ein weiteres Indiz der Anteil der Verurteilten, die auf einer unmittelbaren Anhörung bestehen. Hierzu wurden die Richterinnen und Richter sowie Anstalten um Angabe der Anzahl dieser Fälle gebeten. Im Richterfragebogen sollte durch die Frage C. X. und bei den Anstalten durch die Frage C. IX. die Anzahl ermittelt werden: X.

Falls Sie die Videokonferenz durchführen wollten: In wie vielen Fällen haben Gefangene in den vergangenen 12 Monaten auf einer unmittelbaren („face-to-face“) Anhörung bestanden?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Abbildung 39: Frage C. X. (Richter) – C. IX. (JVA / JSA): Gefangener bestand auf unmittelbare Anhörung

Mit einer Mehrheit von 55 % gaben die befragten Richterinnen und Richtern an, dass bei ihnen – in den vergangenen 12 Monaten – kein Gefangener auf einer unmittelbaren („face-to-face“-)Anhörung bestanden hat. Die übrigen Befragten dieser Gruppe haben im selben Zeitraum ein- bis fünfmal einen Gefangenen erlebt, der auf der unmittelbaren Anhörung bestanden hat. Bei den befragten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten fiel das Ergebnis noch deutlicher aus: Es antworteten 72 %, dass in den vergangenen 12 Monaten kein Gefangener auf einer unmittelbaren Anhörung bestanden hat. Lediglich 28 % berichteten, dass Gefangene eine unmittelbare Anhörung gefordert hätten. in keinem Fall 1-5 mal 6-10 mal 45

55

11-20 mal 21-50 mal häufiger als 50 mal n = 11

Grafik 63: Gefangener bestand auf unmittelbare Anhörung, Richter (Prozentwerte)



D. Die Ergebnisse217 in keinem Fall

7

1-5 mal

14

6-10 mal 11-20 mal

7 72

21-50 mal häufiger als 50 mal n = 14

Grafik 64: Gefangener bestand auf unmittelbare Anhörung: JVA / JSA (Prozentwerte)

Die Mehrheit in beiden befragten Gruppen gab an, dass Gefangene bei ihnen nicht auf einer mündlichen Anhörung bestanden hätten. Dies kann bedeuten, dass die Gefangenen generell einer Videokonferenz offen gegenüberstehen oder dass die Gefangenen sich ihrer Entscheidungsfreiheit nicht bewusst sind. Für Letzteres spricht, dass eine Aufklärung nicht durch alle Befragten erfolgt und, soweit sie erfolgt, wird sie regelmäßig erst zu Beginn einer Videokonferenz durchgeführt. 7. Meinung des Richters Zum Abschluss der Befragung sollten die Nutzer unter den Richterinnen und Richtern zusammengefasst die wichtigsten Gründe für oder gegen die Nutzung von Videokonferenzen in der Strafvollstreckung bewerten. Insbesondere sollten sie Auskunft geben, ob ihrer Meinung nach die Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung ausgebaut werden sollte und ob sie die Technik auch weiterhin einsetzen würden. Hierzu wurde erneut eine Fragenbatterie eingesetzt. Die Befragten konnten auf einer 5er-Likert-Skala zwischen 1 „trifft zu“ und 5 „trifft nicht zu“ ihre Bewertung abgeben (Abb. 40). Die vorgegebenen Aussagen bewerteten 12 in der Strafvollstreckung tätige Richterinnen und Richter, die die Videokonferenztechnik bereits genutzt haben. Die Technik würden 92 % von Ihnen auch künftig in der Strafvollstreckung einsetzen. Der gleiche Anteil sieht auch durch die Videokonferenz eine Geldersparnis und noch 75 % sehen auch eine persönliche Zeitersparnis in dem Einsatz der Technik. Es überrascht daher kaum, dass 83 % einen weiteren Ausbau der Technik in der Strafvollstreckung begrüßen würden. Erwartungsgemäß fällt der Anteil an Zustimmung (1 „trifft zu“) zu negativen Aussagen über die Videokonferenztechnik durch die Nutzer der Technik gering aus. Immerhin 27 % der Nutzer sehen jedoch die Gestik und Mimik in nicht ausreichender Qualität übertragen.

218 XI.

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Inwieweit treffen Ihrer Meinung nach die folgenden Aussagen auf den Einsatz von Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung zu?

trifft zu

trifft nicht zu

„Durch Videokonferenzen habe ich Zeitersparnisse.“

1

2

3

4

5

„Die Videokonferenztechnik ist schwierig zu bedienen.“

1

2

3

4

5

„Die Qualität der Videokonferenz ist für die Übertragung von Gestik und Mimik ausreichend.“

1

2

3

4

5

„Ich habe durch die Videokonferenz zusätzliche Beweismittel.“

1

2

3

4

5

„Die Videokonferenztechnik ist technisch nicht ausgereift.“

1

2

3

4

5

„Der Ausbau der Videokonferenztechnik ist auch in der Strafvollstreckung zu begrüßen.“

1

2

3

4

5

„Die Nutzung der Videokonferenztechnik ist für eine Anhörung ungeeignet.“

1

2

3

4

5

„Durch die Videokonferenz wird insgesamt Geld gespart.“

1

2

3

4

5

„Der Einsatz von Videokonferenzen ist ein adäquater Ersatz für eine unmittelbare („face-to-face“) Anhörung.“

1

2

3

4

5

„Ich würde auch zukünftig Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen durchführen.“

1

2

3

4

5

Abbildung 40: Frage C. XI. (Richter): Inwieweit treffen folgende Aussagen zu?

0

25

17

17

25 trifft zu

58

64

75

50

75

75

75

indifferent

Prozent (Valide)

91

Grafik 65: Inwieweit treffen folgende Aussagen zu?, Richter (Prozentwerte)

„Ich habe durch die Videokonferenz zusätzliche Beweismittel.“

9

8

„Die Videokonferenztechnik ist technisch nicht ausgereift.“

„Die Videokonferenztechnik ist schwierig zu bedienen.“

8

„Die Nutzung der Videokonferenztechnik ist für eine Anhörung ungeeignet.“

„Der Einsatz von Videokonferenzen ist ein adäquater Ersatz für einen unmittelbare (,face-to-face‘) Anhörung.“

„Die Qualität der Videokonferenz ist für die Übertragung von Gestik und Mimik ausreichend.“

„Durch Videokonferenzen habe ich Zeitersparnis.“

83

17

75 trifft nicht zu

9

8

25

27

17

17

8

92

„Durch die Videokonferenz wird insgesamt Geld erspart.“

„Der Ausbau der Videokonfernztechnik ist auch in der Strafvollstreckung zu begrüßen.“

8

92

„Ich würde auch zukünftig Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen durchführen.“

100

D. Die Ergebnisse219

220

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

8. Weitere Anmerkungen der Befragten Am Ende des Fragebogens hatten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Untersuchung die Möglichkeit, weitere Anmerkungen zu machen. Die Gelegenheit wurde rege genutzt. Besonders interessante Aussagen in diesem Zusammenhang oder solche, die in gewisser Regelmäßigkeit vorkamen, sollen im Folgenden wiedergegeben werden. Von den befragten Richterinnen und Richter gaben 14 Teilnehmer zu bedenken, dass der persönliche Eindruck unter einer Videokonferenz leiden würde.118 Dem stimmten auch drei teilnehmende Anstalten zu.119 Die Aussagen decken sich mit den Erkenntnissen dieser Befragung, in der die nicht ausreichende Übermittlung des persönlichen Eindrucks von den Befragten in großer Mehrheit gerügt worden ist. Eine Richterin / ein Richter sah das gerichtliche Verfahren gar zu einer „TVShow“ verkommen.120 Ein weiterer nannte die Zeit und Aufmerksamkeit gegenüber Menschen eine Form des Respektes.121 Ein Befragter gab entgegen dieser Ansichten zu bedenken, dass das Verfahren mittels Videokonferenz weniger förmlich wirke und nach seinem Eindruck die Gefangenen diese vorziehen würden.122 Neben technischen Vor- und Nachteilen wurde von den Befragten auf die regionalen Besonderheiten Bezug genommen. Entsprechend der Situation in den drei Stadtstaaten fanden sich in beiden Gruppen Stimmen, die den dortigen Einsatz von Videokonferenztechnik aufgrund der kürzeren Wege für wenig sinnvoll erachteten.123 Insgesamt haben sich in den offenen Antworten viele Einzelaspekte der Videokonferenztechnik wiedergefunden, auf die auch schon im Fragebogen eingegangen worden ist.

IX. Zusammenfassung der Erkenntnisse zu den aufgestellten Hypothesen Zu Beginn des fünften Kapitels wurden zehn Hypothesen aufgestellt. Diese konnten in der vorangegangenen Untersuchung teilweise bestätigt 118  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, D. 119  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, D. 120  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, D. 121  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, D. 122  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter, D. 123  Vgl. Anhang, Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten, Richter D.; Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, D.



D. Die Ergebnisse221

werden. Andere Hypothesen wurden widerlegt oder mussten modifiziert werden. Zum Abschluss dieser Untersuchung sollen die Ergebnisse zu den einzelnen Hypothesen kurz zusammengefasst werden: − Hypothese 1: Die in der Strafvollstreckung tätigen Richterinnen und Richter lehnen im Mittel den Videokonferenzeinsatz eher ab. Ergebnis: Die befragten Richterinnen und Richter lehnen mit 3,52 im Durchschnitt den Einsatz von Videokonferenztechnik eher ab (vgl. S. 146). Die Hypothese trifft folglich zu. − Hypothese 2: Die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten befürworten im Mittel eher den Einsatz von Videokonferenztechnik. Ergebnis: Die befragten Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten stehen dem Einsatz der Videokonferenztechnik eher neutral (Mittelwert 2,95) bis sehr leicht zustimmend gegenüber (vgl. S. 146). Die Hypothese trifft daher nicht zu. − Hypothese 3: Wer die Videokonferenz befürwortet, der nutzt die Technik auch. Ergebnis: Die Befürwortung war nicht alleine entscheidende für die Nutzung der Technik. Auch äußere Umstände, wie die technische Ausstattung der Beteiligten oder der Wunsch des Richters nach Nutzung, waren von erheblicher Bedeutung. Die Hypothese musste folglich leicht modifiziert werden: Befürworter der Technik nutzen diese häufiger (vgl. S. 152). − Hypothese 4: Junge Richterinnen und Richter stimmen der Videokonferenz eher zu. Ergebnis: Die Bewertung der Richterinnen und Richter unterscheidet sich in den gebildeten Altersgruppen kaum (vgl. S. 162). Die vierte Hypothese ist damit widerlegt. − Hypothese 5: Als stärkster Nachteil der Videokonferenz wird die eingeschränkte Wahrnehmung eines persönlichen Eindrucks vom Verurteilten gesehen. Ergebnis: Der fehlende persönliche Eindruck wird von 85 % der befragten Richterinnen und Richter und von 76 % der befragten Anstalten als deutlicher Nachteil der Videokonferenztechnik gesehen (vgl. S. 165 und S. 166). Die Hypothese wurde folglich bestätigt. Im Fortgang der Auswertung zeigte sich, dass der fehlende persönliche Eindruck ein gravierendes Problem der Videokonferenztechnik darstellt. − Hypothese 6: Zwischen der Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen und der Bewer-

222

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

tung des allgemeinen Nutzens der Videokonferenztechnik besteht ein ­Zusammenhang. Ergebnis: Zwischen der Bewertung der allgemeinen Nützlichkeit und der Befürwortung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang (vgl. S. 177 f.). Hypothese 6 ist damit bestätigt. − Hypothese 7: Die Videokonferenz überträgt Sprache und Bild asynchron und dieses stellt ein Problem für die Mehrheit der Untersuchungsteilnehmerinnen und -teilnehmer dar. Ergebnis: Eine asynchrone Wiedergabe von Bild und Ton bemerkten nur 44 % der Befragten (vgl. S. 181), obwohl sie technisch bedingt vorhanden ist. Ein Problem stellt die Verzögerung lediglich für 33 % der Befragten dar (vgl. S. 181). Damit kann die siebte Hypothese so nicht bestätigt werden. – Hypothese 8: Die Videokonferenztechnik wird in Deutschland bereits in der Strafvollstreckung genutzt. Ergebnis: Die Hypothese konnte bestätigt werden: Videokonferenztechnik wird in der Strafvollstreckung auch in Deutschland eingesetzt (vgl. S. 200) und dies schon vor Inkrafttreten der deklaratorischen Regelung in § 462 StPO. – Hypothese 9: Videokonferenztechnik spart Zeit ein. Ergebnis: Die Annahme findet in der vorliegenden Untersuchung Bestätigung. Allerdings ist die Zeitersparnis bei den Richterinnen und Richtern mit 9,4 Minuten gering (vgl. S. 202). Bei den Anstalten ist die Zeitersparnis hingegen mit mehr als einer Stunde deutlich (vgl. S. 202). – Hypothese 10: Das Gericht ist regelmäßiger Initiator der Videokonferenz. Ergebnis: 92 % der Videokonferenzen sind, nach Angabe der Richterinnen und Richter, durch sie selbst initiieren worden, die übrigen 8 % geschahen auf Veranlassung der Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten (vgl. S. 211). Auch die befragten Anstalten antworteten ähnlich, 14 % der Videokonferenzen initiierten sie selbst und 86 % die Richterinnen und Richter (S. 211). Die Hypothese gilt daher als belegt. Die Richterinnen und Richter sind in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle Initiator der Videokonferenzen. Die Untersuchung brachte nicht nur Klarheit über die Hypothesen, sondern ergab darüber hinaus weitere interessante Ergebnisse. Daher sollen die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammen dargestellt werden.



D. Die Ergebnisse223

X. Zusammenfassung der Ergebnisse Schon heute finden sich unter den Richterinnen und Richtern sowie den Anstalten Nutzer der Videokonferenztechnik bei Strafvollstreckungssachen. Allerdings wird die Technik derzeit noch von wenigen in diesem Verfahrensabschnitt verwendet. Dabei hat ein nicht unerheblicher Teil (44 %) der befragten Richterschaft an seinem Arbeitsplatz Zugang zu Videokonferenzsystemen. Die Ausstattung der Anstalten mit dieser Technik ist hingegen noch eher eine Ausnahme (16 %). Jedoch stehen die meisten Richterinnen und Richter dem Einsatz der Technik eher ablehnend gegenüber. Die Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten sehen den Einsatz von Videokonferenzen eher neutral. Zwischen dem Vorhandensein von Videokonferenzanlagen und der Zustimmung zu ihrer Nutzung in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungssachen besteht jedoch kein Zusammenhang. Es kann folglich nicht gefolgert werden, dass eine weitere Verbreitung und Nutzung der Technik zu mehr Zustimmung führen würde. Wer allerdings von den Richterinnen und Richtern die Technik nutzt, der befürwortet durchweg den Einsatz. Bei den Vollzugseinrichtungen gibt es hingegen auch unter den Nutzenden Ablehnung und Befürwortung. Für den Einsatz der Technik wird in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung häufig ein bunter Strauß an Vorteilen genannt. Die Befragten nennen nur einige dieser Vorteile. Die Mehrheit der Richterinnen und Richter sieht ausschließlich die Kostenersparnis als Vorteil der Videotechnik. Nur die Anstalten zeigen sich offener für die vorgebrachten Argumente und halten neben der Kostenersparnis auch die Zeitersparnis, Sicherheit und Flexibilität für Vorteile. Als entscheidender Nachteil der Videokonferenz zieht sich der fehlende persönliche Eindruck vom Gefangenen durch alle Gruppen und die gesamte Befragung. Selbst die Nutzer der Konferenztechnik sehen hierin einen Nachteil. Neben diesem Mangel wird regelmäßig die fehlende Akzeptanz unter den Verfahrensbeteiligten und die fehlende gesetzliche Grundlage benannt. Eine weitere Vermutung, dass die Befürwortung des Einsatzes der Technik in der Strafvollstreckung / im Strafvollzug vom Alter der befragten Richterinnen und Richter abhänge, konnte durch diese Untersuchung widerlegt werden. Allerdings sehen ältere befragte Richterinnen und Richter eher technische Schwierigkeiten und sonstige Nachteile der Videokonferenztechnik. Werden Videokonferenzen in der Strafvollstreckung genutzt, dann gaben alle Richterinnen und Richter an, dass sie die Technik auch bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen nutzen. Des Weiteren findet sie bei einer Mehrheit der Befragten ihren Einsatz in fakultativ-mündlichen Anhörungen und in geringer Zahl sogar im Strafvollstreckungsverfahren von Jugendstrafen. Die Gründe der Strafvollstreckungskammern oder der mit der

224

5. Kap.: Untersuchung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Strafvollstreckung befassten Senate für die Nutzung der Technik sind vielfältig, in der Mehrzahl war es – unter Nennung weiter Gründe – auch der Personalmangel der Anstalten (58 %). Neben diesem Merkmal taucht in Motivbündeln für die Nutzung auch die Zeitersparnis auf, obwohl die durchschnittliche Ersparnis pro Ereignis für die Richterin / den Richter unter 10 Minuten beträgt. Für die Anstalten ist die zeitliche Ersparnis mit knapp über einer Stunde erheblich höher. Insgesamt dürfte die Zeitersparnis nicht aus reiner Fahrzeit resultieren, denn 61 % der Richterschaft und 65 % der Anstalten gab die zurückzulegende Entfernung mit nicht mehr als 15 km an. Ein besonderer Schwerpunkt der Befragung lag auf dem Verzicht des Verurteilten. Es sollte herausgefunden werden, wie die Möglichkeit der Entscheidung zum Verzicht gestaltet ist und wer regelmäßig die Initiative für die Videokonferenz ergreift. Der Anstoß zu einer Videokonferenz geht zumeist vom Gericht aus (befragte Richter: 92 % Richter; befragte JVA / JSA: 86 % Richter). Keine befragte Person gab an, dass die Initiative vom Verurteilten selbst ausgehen würde. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen ist ein Verzicht des Verurteilten auf die Mündlichkeit für die Wirksamkeit der Anhörung zwingend erforderlich. Die Verzichtserklärung muss zudem frei abgegeben werden. In der Mehrzahl der Fälle wird der Gefangene erst zu Beginn der Videokonferenz über sein Recht auf eine „face-to-face“-Anhörung mündlich aufgeklärt (befragte Richter: 75  % Aufklärung; befragte JVA / JSA: 64 % Aufklärung). Dass hierdurch die Freiheit des Verurteilten beeinträchtigt wird, liegt nahe, ist letztendlich aber immer im Einzelfall zu prüfen. Damit die mit der Strafvollstreckung befassten Gerichte nicht den Eindruck der Unfreiheit des Verurteilten bei der Entscheidung für einen Verzicht hervorrufen, sollten sie im deutlichen zeitlichen Abstand zur geplanten Videokonferenz über diese Möglichkeit und die der unmittelbaren „face-to-face“-Anhörung unterrichten. Findet dann eine Videokonferenz statt, so ist der Gefangene nur in seltenen Fällen alleine im Raum, in der Regel wird die Technik von einem Bediensteten bedient. Problematisch erscheint, dass die befragten Richterinnen und Richter zu 50 % angegeben haben, nicht den gesamten Raum in der Vollzugseinrichtung überblicken zu können. Eine Beeinflussung durch Dritte kann folglich nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Ähnlich bedenklich ist auch, dass 43 % dieser Gruppe bei Anwesenheit eines Anwaltes die Absprache zwischen diesem und dem Gefangenen wahrnehmen können. Wird die Technik erst einmal genutzt, so würden fast alle richterlichen Nutzer (98 %) diese auch in Zukunft einsetzen. Einem weiteren Ausbau der Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung stehen 83 % der befragten Nutzer aus dem Kreise der Richterinnen und Richter aufgeschlossen gegenüber.

Sechstes Kapitel

Die richterliche Prognose und der persönliche E ­ indruck – Nonverbale Kommunikation und ­Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungsverfahren Die Eignung eines Kommunikationsmediums ist stets in Abhängigkeit von der kommunikativen Situation, in der es benutzt wird, zu beurteilen.1 Daher wurden in dieser Untersuchung zunächst in einem ersten Teil die rechtlichen Anforderungen an die Gesprächssituation der Anhörung in der Strafvollstreckung herausgearbeitet. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen hat sich der unmittelbare persönliche Eindruck des Richters vom Inhaftierten als besonders bedeutsam herausgestellt. Dieser enge Bezug zum Inhaftierten soll die Güte der richterlichen Prognose gewährleisten. Denn Grundlage der Prognose sind eben auch „Erscheinungsbild, Verhalten, Auftreten, Mimik und Körpersprache“2 des Verurteilten. Im zweiten empirischen Teil dieser Arbeit ist dann unter anderem nach der Eignung des Kommunikationsmediums Videokonferenz gefragt worden. Ein wesentliches Ergebnis der Befragung war, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Videokonferenztechnik bei der Vermittlung eines persönlichen Eindrucks nur als begrenzt geeignet ansehen. Deshalb soll im nun abschließenden Kapitel geklärt werden, welchen Einfluss die genannte Technik auf die Möglichkeit der Wahrnehmung nonverbaler Kommunikation hat und ob die Güte der richterlichen Prognose durch dieses Kommunikationsmedium so erheblich beeinträchtigt wird, dass die Anforderungen an diese nicht erfüllt werden. In einem ersten Schritt soll nun dargelegt werden, was nonverbale Kommunikation ist und welche Bedeutung sie für den persönlichen Eindruck hat. Anschließend ist der Einfluss, den die Videokonferenzübertragung auf sie hat, zu untersuchen und nach deren Bedeutung für die richterliche Prognoseentscheidung zu fragen. Erst dann ist ein abschließendes Urteil über die Anwendung der Videokonferenztechnik möglich. 1  Braun,

Kommunikation unter widrigen Umständen?, S. 65. Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris, Rn. 6. 2  OLG

226

6. Kap.: Die richterliche Prognose und der persönliche Eindruck

A. Nonverbale Kommunikation Um die Bedeutung nonverbaler Kommunikation für das Gelingen einer Anhörung bemessen zu können, ist es wichtig, Kommunikation als solche zu verstehen. Einfache Modelle der Kommunikation beschreiben diese in einem simplen Sender-Empfänger-Verhältnis, ein Sender (z. B. der Inhaftierte) sendet eine Information zum Empfänger (z. B. Richter).3 Während eines Gespräches kann jede der beteiligten Personen die Rolle des Senders oder Empfängers annehmen. Dieses Verständnis greift jedoch zu kurz. Denn Kommunikation besteht nicht nur aus gesendeten Sachinhalten, sondern beinhaltet neben diesen auch Beziehungs- (wie steht der Sender zum Empfänger), Selbstoffenbarungs- (Informationen über die Befindlichkeit des Senders) und Appellaspekte (Einflussnahme auf den Empfänger).4 Auf all diese Aspekte muss der Empfänger der Nachricht reagieren,5 um den gesamten Inhalt einer Nachricht deuten und verstehen zu können. Die Kommunikation der Gesprächspartner beschränkt sich dabei nicht auf linguistisch-lexikalische Elemente.6 Stattdessen werden zwischen den Kommunikationspartnern weitere zielgerichtete kommunikative Signale ausgetauscht. Solche Signale lassen sich in nonverbale (z. B. Gestik und Mimik) und paraverbale (z. B. Lautstärke) einteilen.7 Jedes dieser Elemente kann für sich erneut die genannten vier Aspekte der Kommunikation (Sachinhalt, Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellaspekt) aufnehmen.8 Im Verlaufe eines Gespräches wird eine Vielzahl dieser Aspekte durch nonverbale, paraverbale und natürlich verbale Elemente ausgetauscht.9 Eine verbale Information kann dabei durch nonverbale und paraverbale Hinzufügungen völlig unterschiedliche Bedeutung erhalten.10 So kann ein und dieselbe Aussage durch nonverbale oder paraverbale Informationen beispielsweise zynisch oder ironisch geäußert werden.11 Neben solchen nonverbalen Codierungen der Information können weiterhin Aspekte über die Persönlichkeit des Kommunizierenden, so zum Beispiel seine inneren Einstellungen, Ge-

3  Gelléri / Kanning,

Kommunikation und Interaktion, S. 331. von Thun, Miteinander reden, S. 14. 5  Schulz von Thun, Miteinander reden, S. 16. 6  Winkler, Anwendung phonetischer Methoden für die Analyse von Face-toFace-Situationen, S. 9; Schulz von Thun, Miteinander reden, S. 37. 7  Gelléri / Kanning, Kommunikation und Interaktion, S. 332. 8  Schulz von Thun, Miteinander reden, S. 38. 9  Vgl. mit weiteren Quellen Gelléri / Kanning, Kommunikation und Interaktion, S. 332. 10  Gelléri / Kanning, Kommunikation und Interaktion, S. 332. 11  Gelléri / Kanning, Kommunikation und Interaktion, S. 332. 4  Schulz



A. Nonverbale Kommunikation227

fühle und Reaktionen vermittelt werden.12 So wird insbesondere der Beziehungsaspekte durch nonverbale Elemente ausgedrückt.13 Doch was genau sind nonverbale Informationen und warum sind sie für das Gelingen der Kommunikation wichtig? Definieren lassen sie sich so: „Nonverbal communication includes all those kinds of human behavior that are not strictly linguistic but convey meaning, i. e., a set of behaviors (e. g., gestures) with a specific referential value and a function“14. Nonverbale Informationen haben den Vorteil, dass sie häufig einfacher zu verstehen sind als verbale Informationen und so das Verstehen des Gegenübers erleichtern.15 So lassen sich beispielsweise aus Haltung, Orientierung und Bewegung des Körpers der emotionale Zustand und die innere Einstellung des Interaktionspartners eher ableiten.16 Nonverbale Informationen können aber auch maskiert oder verändert werden.17 Dann sollen dem Gesprächspartner bewusst andere nonverbale Informationen vorgespielt werden. Jedoch ist die Kapazität des Menschen zur Kontrolle von nonverbalen Verhaltensweisen beschränkt.18 So bleibt es nicht aus, dass der Gesprächspartner trotzdem Kenntnis über die Persönlichkeit, inneren Einstellungen, Gefühlslagen oder Reaktionen erhält. Durch dieses nonverbale Durchsickern weiterer Informationen (leakage-clues) ist es dem aufmerksamen Empfänger möglich, Hinweise auf Täuschungen zu erhalten.19 In der Konsequenz kann durch eine nonverbale Äußerung die verbale widerlegt werden.20 Nonverbale Kommunikation ist folglich für das Ob und das Wie des Verstehens aller kommunikativen Aspekte von zentraler Bedeutung. Was aber kann die Videokonferenztechnik davon übertragen und welchen Einfluss hat die Videotechnik auf das Gelingen von Kommunikation? Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt nachgegangen werden.

12  Frey / Hirsbrunner / Pool / Daw, Das Berner System zur Untersuchung nonverbaler Interaktion, S. 204. 13  Schulz von Thun, Miteinander reden, S. 30. 14  Fernández-Dols, Nonverbal communication: origins, adaptation, and functionality, S. 69; ähnlich mit weiteren Fundstellen auch Matsumoto / Frank / Hwang, Reading People, S. 4. 15  Gelléri / Kanning, Kommunikation und Interaktion, S. 334; so auch Altmann, Synchronisation nonverbalen Verhaltens, S. 41. 16  Altmann, Synchronisation nonverbalen Verhaltens, S. 41. 17  Scherer, Kommunikation, S. 17. 18  Scherer, Kommunikation, S. 17. 19  Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 184. 20  Scherer, Die Funktionen des nonverbalen Verhaltens im Gespräch, S. 27.

228

6. Kap.: Die richterliche Prognose und der persönliche Eindruck

B. Die Übertragung nonverbaler Kommunikation durch Videokonferenzen Dass funktionierende Videokonferenztechnik verbale Kommunikation zwischen den Gesprächspartner überträgt, ist unzweifelhaft. Wie eben festgestellt, ist jedoch für gelingende Kommunikation nicht nur das Gesagte von großer Bedeutung. Ebenso kommt es auf die nonverbalen Signale an, die das Gesagten stützen oder ihm auch eine völlig andere Bedeutung geben können. Inwiefern die bewegten Bilder der Videokonferenztechnik Gestik und Mimik übertragen, wurde im empirischen Teil dieser Arbeit und in der allgemeinen Literatur zur Videokonferenztechnik bereits ausgiebig untersucht. Die gefundenen empirischen Erkenntnisse zur Videokonferenztechnik sollen nun jedoch mit den Einsichten zur Bedeutung von nonverbalen Signalen für den Ablauf der Kommunikation verknüpft werden. Dazu werden Einzelaspekte der Videokonferenztechnik und die aus ihr resultierenden Einschränkungen aufgezeigt, sowie die Bedeutung dieser Einschränkungen für den Kommunikationsprozess dargestellt. Für das Verstehen einer Äußerung ist ja nicht nur das Gesagte entscheidend, sondern ebenso, wie es gesagt wird. Zwar stellen sich die Gesprächspartner auf die Kommunikationssituation ein, so kann auch am Telefon ein Gespräch gelingen. Aber die Videokonferenz bringt besondere Schwierigkeiten mit sich, denn sie überträgt nicht nur verbale, sondern auszugsweise auch non- und paraverbale Kommunikation. Diese gelangt allerdings nur sehr eingeschränkt zum Gesprächspartner und ist zudem technisch bedingt zeitversetzt. Aus diesem Umstand können Schwierigkeiten des Gespräches resultieren.21 In der hier erfolgten Befragung hat die Mehrheit der Nutzer unter den Richterinnen / Richtern und Vollzugsanstalten die Übermittlung von Gestik und Mimik als zufriedenstellend bezeichnet, es war aber das Item mit der geringsten Zufriedenheit unter den Nutzern.22 Die Verzögerung von Bild und Ton merkten immerhin 44 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, ein Problem stellte diese aber nur für 33 % dar.23 Insgesamt erscheint die Zeitverzögerung für rund ein Drittel Probleme zu bereiten, die Mehrheit jedenfalls sieht hier keine. Aber auch unabhängig von der Tatsache der zeitversetzten Übertragung bleibt zu beachten, dass die nonverbalen Signale im Gespräch wesentliche 21  Doherty-Sneddon / McAuley, ACP 2000, 379 (390); Geiger, ZRP 1998, 365 (365); Chapman / Rowe, International Journal of Selection and Assesment 2002, 185 (186); Wasserburg, in: FS Richter, S. 547 (551); anderer Ansicht ist Burkhard, DStZ 2003, 639 (643–644). 22  Vgl. Grafik 46, Grafik 47 und Grafik 65. 23  Vgl. Grafik 35.



B. Übertragung nonverbaler Kommunikation durch Videokonferenzen 229

Aufgaben wahrnehmen. So können sie der Gesprächssteuerung dienen,24 etwa das Ende eines verbalen Beitrags einleiten oder das Fortsetzen dieses Beitrags signalisieren. Dies kann zum Beispiel durch einen die Aussage abschließenden Blick des Senders geschehen.25 Fehlen diese Signale, so kann es zu Problemen in der Führung des Gesprächsverlaufes kommen. Davon berichteten in der vorliegenden Untersuchung einige Richterinnen und Richter. 31 % dieser Befragtengruppe gab an, dass sie Probleme beim Unterbrechen des Redners haben.26 Für 25 % stellt sich dies auch als Problem beim Steuern des Gesprächsverlaufes dar.27 Daneben werden nonverbal auch Kommunikationsaspekte mitgeteilt, die auf die Beziehung zwischen den Gesprächspartnern abstellen und solche, in denen sich die Person selbst zu erkennen gibt. Für das Verstehen der Person des Gegenübers sind somit auch die nonverbal kommunizierten Nachrichten von Bedeutung. Ein Aspekt nonverbaler Kommunikation ist der Blick des Gesprächspartners. Der Blick dient zum einen der Gewinnung von nonverbalen Informationen und er ist zugleich selbst ein Signal an den Gesprächspartner.28 Vermehrter Blickkontakt und hinzutretende weitere Signale, wie geringe räumliche Distanz oder das Vorbeugen des Oberkörpers können eine positive Einstellung zum Gesprächspartner erkennen lassen.29 Hingegen kann eine geringe Rate von Blickkontakten auf einen Täuschungsversuch des Senders gegenüber dem Empfänger hinweisen.30 Zumindest werden die Reduktion von nonverbalem Verhalten und die Vermeidung von Blickkontakten durch den Gesprächspartner häufig als Hinweis auf eine Lüge interpretiert.31 Bei der Videokonferenztechnik kann der Blick nur sehr eingeschränkt übertragen werden. Das Fehlen des Blickkontaktes ist technisch bedingt, da die Kamera nicht im Blickfeld zum Monitor sitzt. Regelmäßig ist sie leicht oberhalb des Monitors angebracht. Die Mehrheit der Befragten dieser Untersuchung gab jedoch an, dass der feh% der befragten lende Blickkontakt kein Problem darstellt.32 Sogar 75  Richterinnen und Richter teilten mit, dass der Gefangene ihnen überwiegend in die Augen schauen würde.33 Es ist also möglich, dass dem Emp24  Matsumoto / Frank / Hwang,

Reading People, S. 7. Körpersprache und Kommunikation, S. 231. 26  Vgl. Grafik 35. 27  Vgl. Grafik 35. 28  Argyle, Körpersprache und Kommunikation, S. 217. 29  Mit weiteren Quellen Altmann, Synchronisation nonverbalen Verhaltens, S. 41. 30  Argyle, Körpersprache und Kommunikation, S. 232. 31  Mit weiteren Quellen Altmann, Synchronisation nonverbalen Verhaltens, S. 41. 32  Braun, Kommunikation unter widrigen Umständen?, S. 54. 33  Vgl. Grafik 35. 25  Argyle,

230

6. Kap.: Die richterliche Prognose und der persönliche Eindruck

fänger die Feststellung, der Sender versuche ihm in die Augen zu schauen, ausreicht.34 Neben dem Blick können auch weitere Gestik und Mimik dem Empfänger Auskunft über Absichten oder das Befinden des Senders geben. So besteht die Möglichkeit, die Intensität eines emotionalen Zustandes durch die Betrachtung von Gesten (z. B. Handzittern) und Mimik (z. B. ängstlicher Gesichtsausdruck) zu erkennen.35 Solche oder ähnliche nonverbale Äußerungen bei Videokonferenzen nicht erkennen zu können, gaben 63 % der Richterinnern und Richter an.36 Sieht die Richterin oder der Richter die nonverbal kommunizierten Absichten, Gefühle und Beziehungen nicht, so liegt es nahe, dass die Videokonferenz unpersönlich und distanziert wirkt.37 Wenn die Richterinnen und Richter den genauen emotionalen Zustand des Verurteilten nicht erkennen können, dürfte dem Einwand in der Literatur, dass Videokonferenz keine Vertrauensbasis schaffen kann,38 nichts entgegenzusetzen sein. Die verbale und nonverbale Kommunikation hat nicht nur die Funktion, Nachrichten auszutauschen. Die gesendeten Informationen werden vom Empfänger decodiert und hinterlassen auch einen persönlichen Eindruck vom Sender. Gespeist wird der persönliche Eindruck vor allem durch die Beziehungs- und Selbstoffenbarungsaspekte der gesendeten Nachricht, welche regelmäßig durch nonverbale Elemente geprägt werden.39 Gerade bei der Übertragung eines persönlichen Eindrucks machen die hier Befragten jedoch Schwächen der Videokonferenztechnik aus. In der Befragung gaben 85 % der Richterinnen und Richter und 76 % der Justizvollzugsanstalten und Jugendstrafanstalten das Fehlen eines persönlichen Eindrucks während Videokonferenzen als größten Nachteil der Technik an.40 Selbst unter den Befürwortern des Einsatzes benennt eine Mehrheit den fehlenden persönlichen Eindruck im Mittel als Nachteil.41 Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick nicht recht einleuchten, war doch eine Mehrheit der befragten Nutzerinnen und Nutzer mit der Übermittlung von Gestik und Mimik zufrieden. Gerade sie sind für den persönlichen Eindruck von besonderer Wichtigkeit. Wie aber erkennt nun die Mehrheit in der Übertragungsqualität dieses Ein34  Braun,

Kommunikation unter widrigen Umständen?, S. 54. Körpersprache und Kommunikation, S.  246 f. 36  Vgl. Grafik 35. 37  Hauber, i-com 2008, 51 (51). 38  Kilian-Herklotz, Einsatz von Videotechnik im deutschen Strafprozess und richterliche Glaubwürdigkeitsbeurteilung – ein Paradoxon?, S. 198. 39  Schulz von Thun, Miteinander reden, S. 30. 40  Vgl. Grafik 22 und Grafik 23. 41  Vgl. Grafik 24 und Grafik 25. 35  Argyle,



C. Bedeutung nonverbaler Kommunikation und persönlichem Eindruck 231

drucks einen Mangel? Eine Erklärung könnte sein, dass die Befragten vornehmlich bei Gestik und Mimik an deutlich erkennbare Zeichen des Körpers dachten und die vielen weiteren nonverbalen Ausdrücke des Körpers bei ihrer Antwort nicht bedacht haben. Dies allerdings ist spekulativ. Hierfür dürfte allerdings sprechen, dass in der Literatur die Technik nutzende Gerichte auf den Wahrnehmungsrückgang von Körpersprache und dadurch bedingt einen Rückgang des unmittelbaren Eindrucks vom Gesprächspartner verweisen.42 Auf gesichertem Boden lässt sich im Ergebnis nur festhalten: Die Videokonferenztechnik überträgt den persönlichen Eindruck des Gegenübers nicht ausreichend. Welche Bedeutung der persönliche Eindruck für die richterliche Prognose hat, soll im Folgenden erläutert werden.

C. Die richterliche Prognose – die Bedeutung von nonverbaler Kommunikation und persönlichem Eindruck Die Anhörung eines Verurteilten kann in zwei generell verschiedenen kommunikativen Situationen geschehen. Zum einen kann es sich um eine fakultativ-mündliche Anhörung in der Strafvollstreckung handeln. Bei dieser Art der Befragung des Verurteilten / Angeklagten gibt die Strafprozessordnung de lege lata keine weiteren Bedingungen an die Form der Anhörung vor. Hier spricht folglich nichts gegen den Einsatz der Videokonferenztechnik, da sie in kommunikativer Hinsicht ein Mehr darstellt gegenüber einer bloß schriftlich durchgeführten Anhörung. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen stellen die Regelungen zur Strafvollstreckung hingegen einige Bedingungen an die Form der Anhörung. Diese Bedingungen konkretisieren folglich die kommunikative Situation der Anhörung. So soll sich das Gericht bei Entscheidungen des Widerrufs der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO regelmäßig und bei Entscheidungen über die Aussetzung des Strafrestes gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO stets einen unmittelbaren persönlichen Eindruck43 vom Verurteilten / Angeklagten machen. Bei Aussetzungsentscheidungen gemäß § 454 Abs. 1 StPO und § 57 StGB ist zudem eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung des Verurteilten zu stellen.44 Diese richterliche Prognose ist Voraussetzung für die Aussetzung des Strafrestes. 42  Geiger,

ZRP 1998, 365 (365). § 453 Abs. 1 S. 3 StPO vgl. Pleglau, GA 2004, 288 (290); BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18 und für § 454 Abs. 1 S. 3 StPO vgl. BT-Drucks. 17 / 1224, S. 18; BT-Drucks. 17 / 12418, S. 20; BT-Drucks. 7 / 550, S. 309; Meyer-Goßner, StPO, § 454 Rn. 16. 44  Fischer, StGB, § 57 Rn. 12. 43  Für

232

6. Kap.: Die richterliche Prognose und der persönliche Eindruck

Die möglichen Grundlagen der Prognose hat der Gesetzgeber in § 57 Abs. 1 StGB für den Zweidritteltermin und weiter in § 57 Abs. 2 StGB für den Halbstrafentermin geregelt. Zu ihnen zählen erneut die Persönlichkeit des Inhaftierten und weitere benannte Umstände. Dabei kommt es auch auf die Äußerungen des Verurteilten während der Anhörung an und für wie glaubwürdig das Gericht die Vorträge des Verurteilten hält. Geht es um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Personen, so bilden die Richterinnen und Richter regelmäßig ihr Urteil intuitiv.45 In Teilen der Wissenschaft stößt diese Art der Gewinnung jedoch auf Kritik.46 Allerdings scheinen auch andere Formen der Beurteilung keine genauere Prognosegrundlage zu ermöglichen.47 Für die Videokonferenz von besonderer Bedeutung ist, dass die Intuitivprognose der Richterinnen und Richter unter anderem auf Signale der Körpersprache gestützt wird.48 Beispielsweise sei hier genannt die Rötung des Gesichtes, Schweißperlen, Zunahme des Kontaktes der eigenen Hand mit dem Gesicht, Handzuckungen oder Verkrampfungen.49 Ob jedoch das Gericht bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung des Verurteilten auf nonverbale Signale abstellen sollte, ist umstritten. Es finden sich in der Literatur Stimmen, die zwar keine gesetzmäßige Ableitung aus nonverbalen Signalen erkennen, aber aus dem gesamten Auftreten des Verurteilten in der konkreten Situation Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit ziehen wollen.50 Für die Beurteilung des Verhaltens werden verschiedene nonverbale Signale, wie der Blick, Stimme, Bewegungen des Kopfes, Hände und der Arme herangezogen.51 Problematisch erscheint aber, dass ein Eindruck nicht selten trügt. Dieselben körperlichen Anzeichen können sowohl Ausfluss einer Lüge sein oder auch eines bloßen Erregungszustandes anderen Ursprungs.52 Daher wird eingewandt, dass nonverbale Signale 45  Fischer,

NStZ 1994, 1 (5). NStZ 1994, 1 (5). 47  Fischer, NStZ 1994, 1 (4). 48  OLG Frankfurt a. M. v. 19.9.2006 – 3 Ws 905 – 906 / 06, 3 Ws 905 / 06, 3 Ws 906 / 06, juris, Rn. 6. 49  Zusammenfassung mit weiteren Fundstellen: Sauerwein, Die Anwendung moderner Kommunikationstechnologie im nationalen und internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 155; solche und andere Merkmale werden von den Personen, die die Glaubwürdigkeit zu beurteilen haben, auch in Studien benannt: Landström / Granhag / Hartwig, ACP 2005, 913 (914). 50  Zusammenfassend Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 64; nach Kilian-Herklotz, Einsatz von Videotechnik im deutschen Strafprozess und richterliche Glaubwürdigkeitsbeurteilung – ein Paradoxon?, S. 202–203, werden Gestik und Mimik für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung überbewertet. 51  Zusammenfassend Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 67. 52  Undeutsch, Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen, S. 117; Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 69 und S. 91. 46  Fischer,



D. Schlussfolgerung233

zumindest alleine keinen Rückschluss auf den Wahrheitsgehalt einer Aussage zulassen.53 Es bedarf also einer tiefen inhaltsanalytischen Auseinandersetzung mit den verbalen Äußerungen des Verurteilten und seiner Akte. Unwahrheiten können regelmäßig erst durch zusätzliche Informationen hieraus aufgedeckt werden.54 Gleichwohl wird bei keiner Abhandlung zu forensischen Glaubwürdigkeitsbeurteilungen auf die Beachtung nonverbaler Signale verzichtet.55 Es lässt sich folglich festhalten, dass unabhängig von ihrem Stellenwert nonverbale Signale des Körpers bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch die Gerichte eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Wie hoch dieser Stellenwert von nonverbalen Signalen für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist, kann jedenfalls dahinstehen, denn neben der Glaubwürdigkeitsbeurteilung des Verurteilten verfolgt die mündliche Anhörung im Strafvollstreckungsverfahren weitere Ziele. Sinn der unmittelbaren persönlichen Kommunikation ist nämlich nicht nur die Aufdeckung von Widersprüchen in den Äußerungen und eine anschließende Prognose über künftiges Verhalten des Inhaftierten. Für diese Prognoseentscheidung aber muss der Richter einen persönlichen Eindruck von der anzuhörenden Person gewinnen. Dazu sind nonverbale Signale von erheblicher Relevanz. Sie können – neben der verbalen Äußerung – weitere Informationen transportieren, die Erkenntnisse über die Einstellungen, Gefühlslagen, Täuschungsabsichten usw. der Person geben. Diese Signale können zumindest das Verstehen der Persönlichkeit des Verurteilten erleichtern. Folglich können nonverbale Signale alleine die Glaubwürdigkeit eines Verurteilten nicht infrage stellen. Nonverbale Signale können neben anderen kommunikativen Signalen aber einen Hinweis auf die Glaubwürdigkeit des Verurteilten liefern und so eine besser begründete Prognose ermöglichen. Für den persönlichen Eindruck vom Verurteilten sind nonverbale Signale also von erheblicher Bedeutung, weil sie Hinweise auf die innere Einstellung und Gefühlslage des Verurteilten liefern können.

D. Schlussfolgerung Im Punkt A. dieses Kapitels wurde festgestellt, dass sich die Kommunikation zwischen Personen in vier Botschaften aufteilen lässt. Für einen persönlichen Eindruck von erheblicher Bedeutung sind dabei die Botschaf53  Vrij, Nonverbal Communication and Deception, S. 341 und 345; für eine Gesamtschau plädierend auch Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 75. 54  Vrij, Nonverbal Communication and Deception, S. 342. 55  Zusammenfassend Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 59– 131.

234

6. Kap.: Die richterliche Prognose und der persönliche Eindruck

ten mit Beziehungs- und Selbstoffenbarungsaspekten. Diese Botschaften können – wie alle andere auch – verbalen und nonverbalen Bestandteilen enthalten. Aus allen diesen Botschaften entsteht letztendlich der persönliche Eindruck vom Verurteilten. Dem Gericht ist die Gewinnung eines solchen persönlichen Eindrucks bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen durch den Gesetzgeber vorgeschrieben worden. Zugleich dient dieser Eindruck dem Gericht auch für die Prognoseentscheidung. Die Videokonferenztechnik ermöglicht jedoch den persönlichen Eindruck nur begrenzt. Diese Feststellung wurde in der Literatur bereits belegt und fand seine Bestätigung in der hier durchgeführten Befragung.56 Der fehlende persönliche Eindruck wurde von 85 %57 der befragten Richterinnen und Richter und 76 %58 der Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten als stärkster Nachteil der Videokonferenztechnik benannt. Selbst von den Befürwortern aus diesen beiden befragten Gruppen wurde dies als Nachteil gesehen.59 Für die rechtliche Bewertung der Videokonferenzen bedeutet dies, dass wie schon im dritten Kapitel festgestellt rechtlich Videokonferenzen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen nur in engen Grenzen und nur durch einen Verzicht des Verurteilten / Angeklagten auf die mündliche Anhörung zulässig sind.60 Für eine positive Widerrufs- oder Strafaussetzungsentscheidung sieht der Gesetzgeber jedoch einen persönlichen Kontakt zwischen dem Gericht und dem Verurteilten vor. Dieser persönliche Kontakt ist für die zu treffende Prognoseentscheidung des Gerichtes erheblich. Eine Videokonferenz kann den persönlichen Kontakt nur sehr eingeschränkt simulieren, denn die für den persönlichen Kontakt entscheidenden nonverbalen Signale werden nur sehr begrenzt übertragen. In der Folge wird auf ihrer Grundlage eine für den Verurteilten positive Widerrufsentscheidung nur ergehen können, wenn dem Gericht die Übertragung zur Sachverhaltsaufklärung und Einwirkung ausreicht. Eine positive Aussetzungsentscheidung kann ergehen, wenn die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine vollständige Prognosegrundlage über die Persönlichkeit nicht erfordert. Bei besonders hohen 56  Reichling / Kreth / Roller / Caspari, Stellungnahme des DRB, S.  4; Deutscher Anwaltsverein, Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren des Bundesrates (BT-Drucks. 17 / 1224, Stand 24.03.2010), S. 7; Bundesrechtsanwaltskammer, Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren (BT-Drucks. 17 / 1224), S. 7; Verh. d. BT, 17. Wahlp., S. 27661 (B), S. 27662 (B); andere Ansicht Wimmer, Stellungnahme, S. 7. 57  Vgl. Grafik 22. 58  Vgl. Grafik 23. 59  Vgl. Grafik 24 und Grafik 25. 60  Vgl. dazu S. 36 ff.



D. Schlussfolgerung235

Strafresten oder schweren Straftaten im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO erfordert das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit stets eine vollständige Prognosegrundlage. In diesen Fällen kann die Videokonferenzkonferenztechnik nicht eingesetzt werden. Diesem Ergebnis steht auch nicht die Rechtsprechung zur Teilnahme blinder Richterinnen und Richter an anderen Gerichtsverfahren entgegen.61 Zwar hängt die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks nicht maßgeblich vom Sehvermögen der Richterin oder des Richters ab,62 aber dennoch ist es der blinden Richterin oder dem Richter möglich, sich durch andere (geschärfte) Sinneswahrnehmungen einen persönlichen Eindruck vom Gegenüber zu machen. Bei Videokonferenzen werden auch diese Sinneswahrnehmungen durch die technische Übertragung eingeschränkt.63 Folglich sollten sowohl aus rechtlichen als auch aus kommunikativen Gründen Videokonferenzen zumindest dann nicht eingesetzt werden, wenn die Glaubwürdigkeit oder der persönliche Eindruck entscheidend sind64. Für die fakultativ-mündlichen Anhörungen hingegen haben die getroffenen Feststellungen keine Bedeutung, da die fakultativ-mündliche Anhörung per Videokonferenz nicht nur ein rechtliches,65 sondern auch ein kommunikatives „Mehr“ darstellt. Insofern ist gerade bei dieser Form der Anhörung ein Videokonferenzeinsatz zu begrüßen, wenn die Alternative ein bloß schriftliches Verfahren ist.

61  Vgl. zur übersichtlichen Darstellung der Rechtsprechung Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 44 ff. 62  BSGE, 23, 184 ff. (187) und weitere Ausführungen dazu auch bei Schneider, Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst, S. 44. 63  Vgl. dazu die Ergebnisse aus der Befragung: Grafik 35; Grafik 36; Grafik 46 und Grafik 47. Die Videokonferenz wird von einigen Befragten hinsichtlich Qualität der Übertragung und Verzögerung der Tonübertragung nicht positiv bewertet. 64  So auch Jansen / Humbert, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, S. 552–553; Thomas / Putzo / Reichold, Zivilprozessordnung, § 128a Rn. 4. 65  Vgl. dazu folgenden Abschnitt dieser Arbeit: Die Videokonferenz bei fakultativ-mündlichen Anhörung, S. 61.

Zusammenfassung: Ergebnisse, Fazit und Ausblick Zum Abschluss dieser Abhandlung sollen die wesentlichen Ergebnisse noch einmal zusammengefasst werden. Ausgangspunkt der Arbeit war das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren. Dieses trat am 1. November 2013 in Kraft und regelt erstmals den Videokonferenzeinsatz im Rahmen des Strafvollstreckungsverfahrens. Seitdem sind in § 462 StPO Anhörungen per Videokonferenz kodifiziert. In dieser Arbeit wurde jedoch nicht nur der Neuerung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO Rechnung getragen, sondern sie setzte sich auch mit den übrigen bestehenden strafvollstreckungsrechtlichen Anhörungen auseinander. Um die rechtliche Untersuchung in tatsächlicher Hinsicht abzusichern, sind bundesweit die Jugendstraf- und Justizvollzugsanstalten sowie eine nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Gruppe in der Strafvollstreckung tätiger Richterinnen und Richter zur Nutzung der Videokonferenztechnik und ihrer Einstellung befragt worden. Antworten gingen von 144 Anstalten (Rücklaufquote 55 %) und 141 Richterinnen und Richtern (Rücklaufquote 33 %) ein. Es zeigte sich, dass von einigen Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmern Videokonferenzsysteme in Strafvollstreckungsverfahren bereits eingesetzt wurden. Darunter fanden sich nicht nur die fakultativ-mündlichen Verfahren des § 462 StPO, sondern auch rechtlich problematische Fälle der obligatorisch-mündlichen Anhörungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO und § 454 Abs. 1 S. 3 StPO).

A. Ergebnisse In der rechtlichen Analyse konnte herausgearbeitet werden, dass Videokonferenzen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO und § 454 Abs. 1 S. 3 StPO) grundsätzlich unzulässig sind und nur in Ausnahmefällen eine solche Zulässigkeit bejaht werden konnte. Anstelle der mündlichen Anhörung beim Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO ist eine Videokonferenzanhörung nur zulässig, soweit dem Gericht die Übertragung zur Sachverhaltsaufklärung und Einwirkung ausreicht und der Verurteilte auf die unmittelbare mündliche Anhörung – unter gleichzeitiger Zustimmung zur Videokonferenz – frei verzichtet hat. Bei Verfahren zur Ausset-



A. Ergebnisse237

zung des Strafrestes gemäß § 454 Abs. 1 StPO ist die Videokonferenztechnik nur sehr eingeschränkt einsetzbar. Die Aussetzungsentscheidung erfordert eine Prognose über die Persönlichkeit des Inhaftierten (vgl. § 57 Abs. 2 StGB und § 57a Abs. 1 S. 2 StGB). Wie sich im empirischen Teil dieser Untersuchung jedoch gezeigt hat, vermittelt die Videokonferenztechnik gerade keinen ausreichenden Eindruck von der Persönlichkeit des Gegenübers. Der Verurteilte kann daher auf die mündliche Anhörung – unter Zustimmung zur Videokonferenz – nur verzichten, wenn es für die Prognoseentscheidung im konkreten Fall nicht auf alle Faktoren (wie Gestik und Mimik) ankommt. Entscheidend hierfür ist, ob die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine vollständige Prognosegrundlage über die Persönlichkeit des Verurteilten erfordern. Bei Aussetzungen besonders hoher Strafreste oder besonderes schwerer Strafen im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO ist jedenfalls stets eine vollständige Prognosegrundlage erforderlich und somit ein Verzicht auf die unmittelbar mündliche Anhörung unter Zustimmung zur Videokonferenz ausgeschlossen. Auf einen Verzicht darf die Strafvollstreckungskammer nur in sehr engen Grenzen hinwirken. Sie darf den Verurteilten über die Möglichkeit der Videokonferenz unterrichten, muss ihm jedoch eine freie Wahlmöglichkeit zwischen unmittelbarer mündlicher Anhörung und Videokonferenz lassen. Zu dieser freien Wahlmöglichkeit gehört auch, dass das Gericht den Verurteilten auf sein Recht einer unmittelbaren mündlichen Anhörung ausreichend hinweist. Für einen freien Verzicht kann es weiterhin sprechen, wenn die Aufklärung in deutlicher zeitlicher Trennung zum Anhörungstermin erfolgt. In der hier durchgeführten Befragung zeigte sich, dass eine Initiative für den Videokonferenzeinsatz in keinem Fall durch den Verurteilten selbst ausging. In den deutlich überwiegenden Fällen war die Initiative von der Richterin / dem Richter und nur selten von der Anstalt ergriffen worden. Eine rechtliche Aufklärung des Verurteilten / Angeklagten unterblieb in rund einem Drittel aller Fälle (Richter: 33 %; JSA / JVA: 29 %). Erfolgte eine Aufklärung, so geschah diese in 40 % der Fälle unmittelbar zu Beginn der Videokonferenz. Die Praxis einiger Richterinnen und Richter, den Inhaftierten gar nicht oder nur unmittelbar zu Beginn der Videokonferenz aufzuklären, lässt erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des jeweiligen Verzichtes aufkommen. Letztendlich bleibt es jedoch eine Entscheidung des Einzelfalls. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass viele tatsächlich praktizierte Videokonferenzen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen in Strafvollstreckungssachen somit schon aus formalen Gründen unzulässig sind. Neben solchen formalen Gründen können auch inhaltliche Gründe gegen den Videokonferenzeinsatz bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen spre-

238

Zusammenfassung: Ergebnisse, Fazit und Ausblick

chen. Aus solchen Gründen entschied sich auch die Legislative im Gesetzgebungsverfahren gegen Videokonferenzen bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen. Dem Gesetzgebungsverfahren lag eine Initiative des Landes Hessen zugrunde. Der damals eingebrachte Entwurf sah die Videokonferenz noch bei obligatorisch-mündlichen Verfahren vor. Letztendlich setzten sich diese Regelungen nicht durch. Es wurde im Verfahren stets die besondere Bedeutung des persönlichen Eindrucks für die obligatorisch-mündlichen Anhörungen betont. Diese Bedenken des Gesetzgebers hinsichtlich der Inkompatibilität von Videokonferenzen und der Gewinnung eines persönlichen Eindrucks wurden auch von den Befragten dieser Untersuchung geteilt. Sowohl 85 % der befragten Richterinnen und Richter als auch 76 % der Anstalten sahen den fehlenden persönlichen Eindruck als mit Abstand größten Nachteil der Technik. Für die obligatorisch-mündlichen Anhörungen in der Strafvollstreckung bleibt daher festzustellen, dass der Videokonferenzeinsatz grundsätzlich unzulässig ist, das Ziel der mündlichen Anhörung verfehlt wird und daher insgesamt der Videokonferenzeinsatz abzulehnen ist. Bei fakultativ-mündlichen Anhörungen sind Videokonferenzen hingegen uneingeschränkt zulässig. Die Videokonferenz stellt bei allen fakultativmündlichen Anhörungen der Strafvollstreckung ein rechtliches und kommunikatives „Mehr“ da. Gegenüber dem derzeit üblichen schriftlichen Verfahren kann der Verurteilte / Angeklagte so einfacher mit der Strafvollstreckungskammer kommunizieren. Er wird sein Anliegen verständlicher formulieren können, ohne durch mögliche eigene Schwierigkeiten bei der schriftlichen Kommunikation gehindert zu sein. Durch die Einführung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO hat der Gesetzgeber den Technikeinsatz ausschließlich klargestellt. Einen wirklich neuen Regelungsgehalt hat diese Initiative bei Strafvollstreckungsverfahren indes nicht erbracht. Für die fakultativ-mündlichen Anhörungen in der Strafvollstreckung lässt sich abschließend folgern, dass der Videokonferenzeinsatz eine Stärkung des Anhörungsrechtes darstellt und somit uneingeschränkt zu begrüßen ist. Aufgrund der Besonderheiten des Verfahrens hat sich diese Arbeit auch mit den Anhörungen in der Vollstreckung von Jugendstrafen befasst. Abweichend zur Strafvollstreckung von Strafen gegen Erwachsene ist diese Strafvollstreckung durch die besondere örtliche Nähe des Strafvollstreckungsleiters und dem Fortwirken des Erziehungsgedankens geprägt. Ziel ist ein persönlicher Bezug zum Jugendlichen. Wie bereits festgestellt, ist die Nutzung von Videokonferenztechnik inkompatibel zur Gewinnung eines persönlichen Eindrucks. Kann aber schon kein persönlicher Eindruck durch die Videokonferenz gewonnen werden, kann erst recht kein persönlicher Bezug zum Jugendlichen entstehen. Die Videokonferenz würde folglich den obli-



A. Ergebnisse239

gatorisch-mündlichen Äußerungsmöglichkeiten des § 88 JGG zuwiderlaufen. Auf die Äußerungsmöglichkeit des Jugendlichen und den persönlichen Bezug kann dieser – im Gegensatz zu Erwachsenen – nicht wirksam verzichten. Denn der persönliche Bezug zum Jugendlichen ist unter anderem Ausfluss des Erziehungsgedankens und steht folglich nicht zur Disposition des Jugendlichen. Eine Videokonferenz ist folglich bei § 88 JGG nicht zulässig. Selbst wenn der rechtliche Rahmen der Videokonferenznutzung in Strafvollstreckungssachen mit dieser Arbeit als geklärt gelten kann, wird daraus kein Rückschluss auf die tatsächliche Nutzung der Technik gezogen werden können. Deshalb wurde neben den rechtlichen Gesichtspunkten in der Befragung auch denen der Verbreitung und Akzeptanz sowie den Vor- und Nachteilen der Technik nachgegangen. Die bedeutendsten Ergebnisse sollen hier noch einmal dargestellt und eingeordnet werden. Für den praktischen Einsatz der Videokonferenztechnik ist in besonderem Maße ihre Verbreitung bedeutsam. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass ein erheblicher Anteil der befragten Richterinnen und Richter (44 %) Zugang zu Videokonferenzanlagen in ihrer Dienststelle hat. Bei den Anstalten waren es noch 16 %. Videokonferenzausstattung ist damit in der deutschen Justiz noch kein Regelfall, jedoch auch keine Ausnahmeerscheinung mehr. Die Technik wird auch von wenigen schon heute in Strafvollstreckungssachen genutzt. Allerdings steht die Mehrheit der Richterinnen und Richter dem Einsatz in der Strafvollstreckung eher ablehnend gegenüber (Mittelwert: 3,52 / Skala: 1 [„Ich befürworte die Nutzung“] bis 5 [„Ich befürworte die Nutzung nicht“]) und selbst die Anstalten sehen den Einsatz nur neutral (Mittelwert: 2,95 / Skala: 1 [„Ich befürworte die Nutzung“] bis 5 [„Ich befürworte die Nutzung nicht“]). Dabei können gerade die Anstalten einen erheblichen zeitlichen Vorteil durch Videokonferenzen erlangen. Pro Anhörung ersparen sie im Mittel 62,9 Minuten Arbeitszeit. Bei den Richterinnen und Richter sind es hingegen nur 9,4 Minuten. Es überrascht daher, dass die Anstalten den Videokonferenzeinsatz nicht stärker befürworten. Die befragten Anstalten und die Richterinnen / Richter sehen jedoch Nachteile bei der Nutzung der Videokonferenzanlagen. Insbesondere der fehlende persönliche Eindruck ist für die Mehrzahl der Richterinnen und Richter (85 %) und für die Anstalten (76 %) der gewichtigste Nachteil. Der persönliche Eindruck ist gerade dort entscheidend, wo viel Arbeitszeit aufgewendet werden muss. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen wird der Gefangene regelmäßig ins Gericht transportiert. Allerdings sind gerade bei diesen Verfahren Videokonferenzen regelmäßig unzulässig. Es besteht hingegen eine andere rechtlich uneingeschränkt zulässige Möglichkeit, Zeit einzusparen. Die Richterin oder der Richter könnte sich in die Haftanstalt begeben und dort die Anhörung abhalten. Dadurch würde dem Gericht zwar zusätz-

240

Zusammenfassung: Ergebnisse, Fazit und Ausblick

liche Wegezeit zur Haftanstalt entstehen, diese Fahrzeit dürfte jedoch gering sein. Immerhin 61 % der Richterinnen und Richter gaben an, dass sich die Haftanstalt im Umkreis von maximal 15 km zum Gericht befindet und sogar in 38 % der Fälle nur 5 km entfernt ist. Würde das Gericht für die mündliche Anhörung in Strafvollstreckungssachen zum Inhaftierten fahren, so würde sich ein weiterer Grund für die Nutzung der Videokonferenztechnik erübrigen: Personalmangel der Anstalten. Findet die obligatorischmündliche Anhörung in der Haftanstalt statt, wird Arbeitszeit des Personals für den aufwendigen Transport des Häftlings zum Gericht eingespart. Bei fakultativ-mündlichen Anhörungen ergeben sich durch die Videokonferenztechnik – gegenüber einem rein schriftlichen Verfahren – keine Nachteile. Es kommt bei diesen Anhörungen gerade nicht auf den persönlichen Eindruck an. Auch die weiteren Eigenheiten des Videokonferenzeinsatzes, wie die technisch bedingte Zeitverzögerung bei der Übertragung, Übertragungsabbrüche, Anwesenheit von Bediensteten zur Steuerung der Anlage im Videokonferenzraum oder sonstige in Literatur und Rechtsprechung genannte Nachteile, spielten für die Befragten dieser Untersuchung jedenfalls keine entscheidende Rolle.

B. Fazit und Ausblick Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass Videokonferenzen in der Strafvollstreckung nicht generell abzulehnen sind. Vielmehr kann die Technik bei fakultativ-mündlichen Anhörungen die Kommunikation der Verfahrensbeteiligten erleichtern. Der Gesetzgeber hat mit der Klarstellung in § 462 Abs. 2 S. 2 StPO einen Schritt in die richtige Richtung unternommen. Diese Regelung wäre aus rechtlichen Gesichtspunkten allerdings nicht nötig gewesen. Es bleibt aber zu hoffen, dass durch die Klarstellung des Gesetzgebers die Akzeptanz von Videokonferenzen bei fakultativ-mündlichen Verfahren wächst. Diese Hoffnung gilt bei allen fakultativ-mündlichen Anhörungen, also auch über die Anhörung nach dem § 462 StPO hinaus. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen ist die Videokonferenz hingegen grundsätzlich unzulässig. Sie kann nur nach einem freien Verzicht eines erwachsenen Verurteilten durchgeführt werden. Bei Entscheidungen über den Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen (§ 453 Abs. 1 S. 3 StPO) muss dem Gericht zudem die Videokonferenz zur Sachverhaltsaufklärung und Einwirkung auf den Verurteilten (objektiv-rechtliche Elemente) ausreichen. Aussetzungsentscheidungen eines Strafrestes (§ 454 StPO) können nur mittels Videokonferenz erfolgen, soweit die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht alle Prognosegrundlagen über die Persönlichkeit (insbesondere Gestik und Mimik) erfordern.



B. Fazit und Ausblick241

Eine Videokonferenz scheidet damit stets bei hohen Strafresten oder besonders schweren Straftaten im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO aus. Dennoch sollten Videokonferenzen grundsätzlich sowohl aus rechtlichen als auch aus kommunikativen Gründen unterbleiben, zumal das Hinwirken auf einen Verzicht und die fehlende rechtliche Aufklärung durch manche in der Strafvollstreckung tätigen Richterinnen und Richter den gesetzlichen Rahmen verlässt. Um den Anstalten Zeit und Kosten zu ersparen, wäre es bei solchen Verfahren stattdessen empfehlenswert, dass sich die Richterin oder der Richter regelmäßig zur Anhörung in die Haftanstalt begibt. Weil viele technische Errungenschaften weiter entwickelt werden, sind auch die Ergebnisse dieser Untersuchung vergänglich. Es ist nicht auszuschließen, dass bei einem Fortschreiten des Stands der Technik die Videokonferenztechnik eines Tages auch den persönlichen Eindruck ausreichend simulieren kann. In greifbarer Zukunft dürfte eine solche Entwicklung der Videokonferenzen jedoch nicht stattfinden.1 Solange muss man sich mit dem gefundenen Ergebnis abfinden: Videokonferenzen sind in der Strafvollstreckung bei fakultativ-mündlichen Anhörungen stets zulässig. Bei obligatorisch-mündlichen Anhörungen sind sie grundsätzlich unzulässig.

1  Vgl. zu räumlichen Videokonferenzansätzen Hauber, i-com 2008, 51 (51  f.); zur Reduktion der Asynchronität Fraunhofer IIS, Pressemitteilung: HD Videokommunikation für die ganze Familie.

Anhang Anhang

Anhang Fragebögen

Fragebögen Fragebögen Fragebogen Richter

Fragebogen Richter Fragebogen Richter A. A.

Im folgenden Abschnitt finden Sie Fragen zur generellen Ausstattung und NutIm folgenden Abschnitt finden Sie Fragen zur generellen Ausstattung und Nutzung von Videokonferenztechnik zung von Videokonferenztechnik

I. I.

Haben Sie in Ihrem Gericht die Möglichkeit, Videokonferenztechnik einzusetzen Haben Sie inSie Ihrem die Möglichkeit, bzw. planen diesGericht in der nächsten Zeit? Videokonferenztechnik einzusetzen bzw. planen Sie dies in der nächsten Zeit?

eigene Videokonferenzanlage eigene Videokonferenzanlage mobiles Videokonferenzsystem des mobiles Videokonferenzsystem des Justizministeriums Justizministeriums mobiles Videokonferenzsystem einer mobiles Videokonferenzsystem einer anderen Behörde/Stelle anderen Behörde/Stelle

II. II.

wird bereits wird bereits genutzt genutzt

Nutzung ist in Nutzung ist in Vorbereitung Vorbereitung

ist nicht geist nicht plant geplant

weiß ich weiß nichtich nicht

   

   

   

   

 

 

 

 

Befürworten Sie die Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/ StrafBefürworten Sie die Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/ Strafvollstreckungssachen? vollstreckungssachen? Sie können Ihr Urteil wie in der Schule von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) abstufen. Sie können Ihr Urteil wie in der Schule von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) abstufen.

Ich befürworte die Nutzung Ich befürworte die Nutzung

1 1

III. III.

2 2

Ich befürworte die Nutzung nicht Ich befürworte die Nutzung nicht

3 3

4 4

5 5

Welche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in StrafvollWelche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/Strafvollstreckungssachen? zugs-/Strafvollstreckungssachen?

Kostenersparnis Kostenersparnis Zeitersparnis Zeitersparnis Flexibilität Flexibilität

voll und ganz zutrefvoll und ganz zutreffend fend

1 1 1 1 1 1

2 2 2 2 2 2

3 3 3 3 3 3

überhaupt nicht zutrefüberhaupt nicht zutreffend fend

4 4 4 4 4 4

5 5 5 5 5 5



Fragebogen Richter243 erhöhte Sicherheit

1

2

3

4

5

Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz

1

2

3

4

5

Sonstiges:

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________ 3. __________________________________________________________________

IV.

Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/Strafvollstreckungssachen?

voll und ganz zutreffend

überhaupt nicht zutreffend

schlechte Übertragungsqualität

1

2

3

4

5

fehlender persönlicher Eindruck

1

2

3

4

5

Zeitverzögerung der Tonübertragung

1

2

3

4

5

technische Schwierigkeiten

1

2

3

4

5

Datensicherheit

1

2

3

4

5

Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz

1

2

3

4

5

mangelnde Akzeptanz bei den Beteiligten

1

2

3

4

5

Sonstiges:

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________ 3. __________________________________________________________________

V.

Wie bewerten Sie den allgemeinen Nutzen von Videokonferenztechnik?

sehr nützlich

überhaupt nicht nützlich

1

VI.

VII.

2

3

4

5

Sind Sie Jugendrichter?

Ja



Nein



Wie alt sind Sie?

20-30 Jahre

31-40 Jahre

41-50 Jahre

51-60 Jahre

61 oder mehr Jahre

keine Angabe

Nein



244 Anhang VII.

Wie alt sind Sie?

20-30 Jahre

31-40 Jahre

41-50 Jahre

51-60 Jahre

61 oder mehr Jahre

keine Angabe













VIII.

In welchem Bundesland sind Sie Richter? (Hinweis: Um Ihre Anonymität zu wahren, wurden die Stadtstaaten zusammengefasst.)

B.

Baden-Württemberg



Bayern



Brandenburg



Hessen



Stadtstaat (B/HB/HH)



Mecklenburg-Vorpommern



Niedersachsen



Nordrhein-Westfalen



Rheinland-Pfalz



Saarland



Sachsen



Sachsen-Anhalt



Schleswig-Holstein



Thüringen



Der Abschnitt B behandelt die Durchführung und den Aufbau einer Videokonferenz

I.

In wie vielen Fällen (Strafvollstreckung und Strafverfahren) haben Sie insgesamt die Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten genutzt? in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Sollten Sie die Videokonferenztechnik in den vergangen 12 Monaten nicht genutzt haben, fahren Sie bitte mit Abschnitt D fort.



Fragebogen Richter245

II.

Falls Sie Videokonferenzen durchführen:

ja

nein

Schaut der auf dem Bildschirm Dargestellte (Gefangene/Anwalt) Ihnen überwiegend in die Augen?





Können Sie die Kameraperspektive zoomen?





Wird der gesamte Raum, in dem sich der Gefangene befindet, gefilmt?





Sehen Sie Ihr eigenes (lokales) Bild auf Ihrem Bildschirm?





Gibt es eine Verzögerung der Tonübertragung?





Falls es eine Verzögerung der Tonübertragung gibt: Stellt diese ein Problem dar?





Haben Sie den Eindruck, dass Gesprochenes nicht immer bei der Gegenseite ankommt?





Ist das Bild grobkörnig (verpixelt)?





Ist das Bild des auf dem Bildschirm Dargestellten (Gefangenen/Anwalt) ausreichend hell?





Ist die Wiedergabe des Bildes flüssig?





Erkennen Sie Hautrötungen der Person?





Nutzen Sie die Videokonferenz auch zur Übertragung von Dokumenten (Aktenauszüge, etc.)?





Verhalten sich Gefangene aus Ihrer Sicht bei einer Videokonferenz anders als wenn diese persönliche anwesend sind?





Haben Sie nach einer Videokonferenz das Gefühl, alle wichtigen Fragen seien beantwortet?





Haben Sie das Gefühl, dass Sie alle erwarteten Informationen nach einer Videokonferenz haben?





Stellen Sie bei einer Videokonferenz mehr Fragen, als bei einer unmittelbaren („face-to-face“) Befragung?





Haben Sie Probleme beim Unterbrechen des Redners?





Haben Sie Probleme den Gesprächsverlauf zu steuern?





Bekommen Sie bei einer Videokonferenz den gleichen Eindruck von Ihrem Gegenüber, wie bei einer unmittelbaren („face-to-face“) Befragung?





246 Anhang III.

IV.

Wie sehen Sie die auf dem Bildschirm dargestellte Person (Gefangener/Anwalt)?

ganzer Körper



nur Oberkörper

nur Gesicht



anders:



Aus welcher Perspektive sehen Sie die auf dem Bildschirm dargestellte Person (Gefangener/Anwalt)?

frontal



seitlich



anders:

V.

Wer befindet sich gewöhnlich mit dem Gefangenen im Raum? Mehrfachantworten sind möglich.

ein Bediensteter weiß ich nicht



sein Anwalt





niemand



andere Person:

VI.

Wer bedient die Videokonferenztechnik während der Durchführung?

ich



ein Bediensteter



andere Person:

VII.

Wie geschieht die Darstellung falls drei Personen an der Videokonferenz teilnehmen (Sie, Gefangener und Anwalt)? der Bildschirm wird geteilt (Split Screen)



die Personen werden auf zwei getrennten Bildschirmen dargestellt



ich kann manuell zwischen den Personen wählen



es wird automatisch die gerade sprechende Person dargestellt



ist noch nicht vorgekommen





Fragebogen Richter247

VIII.

Falls ein Anwalt anwesend ist: An welchem Ort befindet sich dieser in der Regel?

bei mir beim Gefangenen

IX.

X.



bei keinem von beiden





ein Anwalt ist nie anwesend



Falls ein Anwalt anwesend ist: Können Sie Absprachen zwischen dem Gefangenem und seinem Anwalt akustisch wahrnehmen? Ja



Nein



ein Anwalt ist nie anwesend



Wie zufrieden sind Sie mit folgenden Eigenschaften der Videokonferenztechnik?

sehr zufrieden

sehr unzufrieden

Übermittlung der Gestik und Mimik

1

2

3

4

5

Qualität der Übertragung

1

2

3

4

5

Übertragungsstabilität

1

2

3

4

5

Übertragungssicherheit

1

2

3

4

5

Zuverlässigkeit im allgemeinen

1

2

3

4

5

XI.

In wie vielen Fällen brach die Verbindung der Videokonferenzen in den vergangenen 12 Monaten ab oder musste erneut aufgebaut werden?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













XII.

In wie vielen Fällen gelang der Verbindungsaufbau der Videokonferenz in den vergangenen 12 Monaten überhaupt nicht?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













248 Anhang XIII.

Haben Sie von sich aus schon einmal eine Videokonferenz abgebrochen?

XIV.

Ja



Nein



Aus welchen Gründen haben Sie eine Videokonferenz schon einmal abgebrochen?

C.

Abschnitt C befasst sich mit der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen

I.

In wie vielen Fällen haben Sie in den vergangenen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen (mit und ohne Videokonferenztechnik) entschieden? in keinem Fall

1-20 mal

21-40 mal

41-60 mal

61-80 mal

81-100 mal

häufiger als 100 mal















II.

In wie vielen Fällen haben Sie in den vergangenen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen entschieden und dabei Videokonferenztechnik verwendet?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Sollten Sie die Videokonferenztechnik in den vergangen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen nicht genutzt haben, fahren Sie bitte mit Abschnitt D fort.

III.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Zeitersparnis pro Anhörung?

es gibt keine Zeitersparnis Minuten:





Fragebogen Richter249

IV.

Warum haben Sie in Strafvollstreckungsverfahren Videokonferenztechnik eingesetzt? Mehrfachantworten sind möglich.

Kostenersparnis



erhöhte Sicherheit



Zeitersparnis



Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz



Flexibilität



Personalmangel der JVA/JSA



Sonstige Gründe:

V.

VI.

Wie weit ist die Haftanstalt, für die Sie zuständig sind, von Ihrem Gericht entfernt? 0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

21-30 km

31-50 km

51 km oder mehr















Wenn Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen durchführen: ja

nein

Führen Sie die Videokonferenz bei obligatorisch „mündlichen“ Anhörungen in Strafvollstreckungssachen durch?





Führen Sie die Videokonferenz bei fakultativen Anhörungen in Strafvollstreckungssachen durch?





Nutzen Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im Dreipersonenverhältnis (zwischen Richter, Gefangenem und dem Anwalt des Gefangenen)?





Wird die gesamte Videokonferenz aufgezeichnet?





Wird der Gefangene vor der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen rechtlich aufgeklärt?





Wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht der unmittelbaren Anhörung („face-to-face“) bei obligatorischen Anhörungen aufgeklärt?





Wird die Aufklärung des Gefangenen in einem Protokoll festgehalten?





250 Anhang VII.

Wer schlägt in der Regel die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen vor?

Sie Staatsanwaltschaft JVA/JSA

VIII.



Gefangener





Anwalt des Gefangenen





sonstige:

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird: Wie wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht einer unmittelbaren Anhörung („face-toface“) aufgeklärt? Mehrfachantworten sind möglich.

mündlich



Formular



schriftlich



weiß ich nicht



anders:

IX.

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird, beschreiben Sie bitte ausführlich, wie der Gefangene aufgeklärt wird:

X.

Falls Sie die Videokonferenz durchführen wollten: In wie vielen Fällen haben Gefangene in den vergangenen 12 Monaten auf einer unmittelbaren („face-to-face“) Anhörung bestanden?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal















Fragebogen Richter251

XI.

Inwieweit treffen Ihrer Meinung nach die folgenden Aussagen auf den Einsatz von Videokonferenztechnik in der Strafvollstreckung zu?

trifft zu

trifft nicht zu

„Durch Videokonferenzen habe ich Zeitersparnisse.“

1

2

3

4

5

„Die Videokonferenztechnik ist schwierig zu bedienen.“

1

2

3

4

5

„Die Qualität der Videokonferenz ist für die Übertragung von Gestik und Mimik ausreichend.“

1

2

3

4

5

„Ich habe durch die Videokonferenz zusätzliche Beweismittel.“

1

2

3

4

5

„Die Videokonferenztechnik ist technisch nicht ausgereift.“

1

2

3

4

5

„Der Ausbau der Videokonferenztechnik ist auch in der Strafvollstreckung zu begrüßen.“

1

2

3

4

5

„Die Nutzung der Videokonferenztechnik ist für eine Anhörung ungeeignet.“

1

2

3

4

5

„Durch die Videokonferenz wird insgesamt Geld gespart.“

1

2

3

4

5

„Der Einsatz von Videokonferenzen ist ein adäquater Ersatz für eine unmittelbare („face-to-face“) Anhörung.“

1

2

3

4

5

„Ich würde auch zukünftig Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen durchführen.“

1

2

3

4

5

252 Anhang D.

Weitere Anmerkungen

Hinweis:

Ein ausreichend frankierter Rückumschlag liegt diesem Schreiben bei. Bitte senden Sie den ausgefüllten Fragebogen in diesem, ohne Angabe des Absenders, bis zum [Datum] zurück. So bleibt Ihre Anonymität gewahrt!



Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten253 Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten Fragebogen Justizvollzugsund Jugendstrafanstalten Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten

A. A.

Im folgenden Abschnitt finden Sie Fragen zur generellen Ausstattung und NutIm folgenden Abschnitt finden Sie Fragen zur generellen Ausstattung und Nutzung von Videokonferenztechnik zung von Videokonferenztechnik

I. I.

Haben Sie in Ihrer JVA/JSA die Möglichkeit, Videokonferenztechnik einzuHaben Sie in Ihrer JVA/JSA die Möglichkeit, Videokonferenztechnik einzusetzen bzw. planen Sie dies in der nächsten Zeit? setzen bzw. planen Sie dies in der nächsten Zeit?

eigene Videokonferenzanlage eigene Videokonferenzanlage mobiles Videokonferenzsystem des mobiles Videokonferenzsystem des Justizministeriums Justizministeriums mobiles Videokonferenzsystem einer mobiles Videokonferenzsystem einer anderen Behörde/Stelle anderen Behörde/Stelle

II. II.

wird bereits wird bereits genutzt genutzt

Nutzung ist in Nutzung ist in Vorbereitung Vorbereitung

ist nicht geist nicht geplant plant

weiß ich nicht weiß ich nicht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Befürworten Sie die Nutzung von Videokonferenztechnik im Strafvollzug/in der Befürworten Sie die Nutzung von Videokonferenztechnik im Strafvollzug/in der Strafvollstreckung? Strafvollstreckung? Sie können Ihr Urteil wie in der Schule von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) abstufen. Sie können Ihr Urteil wie in der Schule von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) abstufen.

Ich befürworte die Nutzung Ich befürworte die Nutzung

1 1

III. III.

2 2

Ich befürworte die Nutzung nicht Ich befürworte die Nutzung nicht

3 3

4 4

5 5

Welche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in StrafvollWelche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzug-/Strafvollstreckungssachen? zug-/Strafvollstreckungssachen? voll und ganz zutrefvoll und ganz zutreffend fend Kostenersparnis Kostenersparnis Zeitersparnis Zeitersparnis Flexibilität Flexibilität erhöhte Sicherheit erhöhte Sicherheit Aufzeichnungsmöglichkeit der VideoAufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz konferenz

Sonstiges:

überhaupt nicht zutrefüberhaupt nicht zutreffend fend

1 1 1 1 1 1 1 1

2 2 2 2 2 2 2 2

3 3 3 3 3 3 3 3

4 4 4 4 4 4 4 4

5 5 5 5 5 5 5 5

1 1

2 2

3 3

4 4

5 5

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________ 3. __________________________________________________________________

IV.

Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/Strafvollstreckungssachen?

Sonstiges:

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________

3. __________________________________________________________________ 254 Anhang

IV.

Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs-/Strafvollstreckungssachen?

voll und ganz zutreffend

überhaupt nicht zutreffend

schlechte Übertragungsqualität

1

2

3

4

5

fehlender persönlicher Eindruck

1

2

3

4

5

Zeitverzögerung der Tonübertragung

1

2

3

4

5

technische Schwierigkeiten

1

2

3

4

5

Datensicherheit

1

2

3

4

5

Aufzeichnungsmöglichkeit der Videokonferenz

1

2

3

4

5

mangelnde Akzeptanz bei den Beteiligten

1

2

3

4

5

Sonstiges:

1. __________________________________________________________________ 2. __________________________________________________________________ 3. __________________________________________________________________

V.

Wie bewerten Sie den allgemeinen Nutzen von Videokonferenztechnik?

sehr nützlich

1

VI.

überhaupt nicht nützlich

2

3

4

5

In welchem Bundesland liegt Ihre Justizvollzugsanstalt/Jugendstrafanstalt? (Hinweis: Um Ihre Anonymität zu wahren, wurden die Stadtstaaten zusammengefasst.)

B.

I.

Baden-Württemberg



Brandenburg

Bayern



Stadtstaat (B/HB/HH)



Hessen





Mecklenburg-Vorpommern



Niedersachsen



Nordrhein-Westfalen



Rheinland-Pfalz



Saarland



Sachsen



Sachsen-Anhalt



Schleswig-Holstein



Thüringen



Der Abschnitt B behandelt die Durchführung und den Aufbau einer Videokonferenz

In wie vielen Fällen haben Sie die Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten insgesamt genutzt?





Nordrhein-Westfalen



Rheinland-Pfalz



Saarland



Sachsen



Sachsen-Anhalt



Schleswig-Holstein



Thüringen



Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten255

Der Abschnitt B behandelt die Durchführung und den Aufbau einer Videokonferenz

B.

I.

In wie vielen Fällen haben Sie die Videokonferenztechnik in den vergangenen 12 Monaten insgesamt genutzt? in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Sollten Sie die Videokonferenztechnik in den vergangen 12 Monaten nicht genutzt haben, fahren Sie bitte mit Abschnitt D fort.

II.

Falls Sie Videokonferenzen durchführen: ja

nein

Hat der Gefangene die Möglichkeit, direkten Blickkontakt zu seinem Gegenüber (Richter/Anwalt) aufzunehmen?





Ist die Kameraperspektive zoombar?





Wird der gesamte Raum, in dem sich der Gefangene befindet, gefilmt?





Sieht der Gefangene sein eigenes (lokales) Bild auf dem Bildschirm?





Gibt es eine Verzögerung der Tonübertragung?





Falls es eine Verzögerung der Tonübertragung gibt: Stellt diese ein Problem da?





III.

IV.

Ist das Bild grobkörnig (verpixelt)?





Ist das Bild des Gegenübers ausreichend hell?





Ist die Wiedergabe des Bildes flüssig?





Wie sieht der Gefangene die auf dem Bildschirm dargestellte Person?

ganzer Körper



nur Oberkörper

nur Gesicht



anders:

Aus welcher Perspektive sieht der Gefangene die auf dem Bildschirm dargestellt Person?

frontal



seitlich

anders:

V.



Wer befindet sich gewöhnlich mit dem Gefangenen im Raum? Mehrfachantworten sind möglich.



nur Gesicht

anders:



256 Anhang IV.

Aus welcher Perspektive sieht der Gefangene die auf dem Bildschirm dargestellt Person?

frontal



seitlich



anders:

V.

Wer befindet sich gewöhnlich mit dem Gefangenen im Raum? Mehrfachantworten sind möglich.

ein Bediensteter niemand

VI.



sein Anwalt



andere Person:



Wer bedient die Videokonferenztechnik während der Durchführung?

der Gefangene



ein Bediensteter



andere Person:

VII.

Wie geschieht die Darstellung falls drei Personen an der Videokonferenz teilnehmen (Richter, Gefangener und Anwalt)?

der Bildschirm wird geteilt (Split Screen)



die Personen werden auf zwei getrennten Bildschirmen dargestellt



der Gefangene/Bediensteter kann manuell zwischen den Personen wählen



es wird automatisch die gerade sprechende Person dargestellt



ist noch nicht vorgekommen





Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten257

VIII.

Wie zufrieden sind Sie mit folgenden Eigenschaften der Videokonferenztechnik?

sehr zufrieden

sehr unzufrieden

Übermittlung der Gestik und Mimik

1

2

3

4

5

Qualität der Übertragung

1

2

3

4

5

IX.

Übertragungsstabilität

1

2

3

4

5

Übertragungssicherheit

1

2

3

4

5

Zuverlässigkeit im allgemeinen

1

2

3

4

5

In wie vielen Fällen brach die Verbindung der Videokonferenzen in den vergangenen 12 Monaten ab oder musste erneut aufgebaut werden?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













X.

In wie vielen Fällen gelang der Verbindungsaufbau der Videokonferenz in den vergangenen 12 Monaten überhaupt nicht?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Abschnitt C befasst sich mit der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen

C. I.

Wie oft haben Sie in Strafvollstreckungssachen in den vergangenen 12 Monaten einen Gefangenen zum Gericht fahren müssen oder ist der Richter in der Anstalt erschienen? weiß ich nicht

keinen

1-20 mal

21-40 mal

41-60 mal

61-80 mal

81-100 mal

häufiger als 100 mal

















258 Anhang II.

In wie vielen Fällen haben Sie die Videokonferenztechnik in Strafvollstreckungssachen in den vergangenen 12 Monaten genutzt?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Sollten Sie die Videokonferenztechnik in den vergangen 12 Monaten in Strafvollstreckungssachen nicht genutzt haben, fahren Sie bitte mit Abschnitt D fort.

III.

Wie hoch schätzen Sie die Zeitersparnis der JVA/JSA pro Videokonferenz?

es gibt keine Zeitersparnis



Minuten:

IV.

Wie weit befindet sich die Haftanstalt von den für Sie in der Regel zuständigen Gerichten entfernt?

Strafvollstreckungskammer: 0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

21-30 km

31-50 km

51 km oder mehr















0-5 km

6-10 km

11-15 km

16-20 km

21-30 km

31-50 km

51 km oder mehr















Oberlandesgericht:

V.

Wer schlägt in der Regel die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen vor?

Richter



Gefangener



Staatsanwaltschaft



Anwalt des Gefangenen





sonstige:

JVA/JSA



Fragebogen Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten259

VI.

Falls Sie Videokonferenzen in Strafvollstreckungssachen durchführen: ja

nein

Nutzen Sie die Videokonferenz in Jugendstrafvollstreckungssachen?





Nutzen Sie die Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen im Dreipersonenverhältnis (zwischen Richter, Gefangenem und dem Anwalt des Gefangenen)?





Wird der Gefangene vor der Videokonferenz in Strafvollstreckungssachen rechtlich aufgeklärt?





Wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Gehörs bei obligatorischen Anhörungen aufgeklärt?





Wird die Aufklärung des Gefangenen in einem Protokoll festgehalten?





Wird die gesamte Videokonferenz aufgezeichnet?





VII.

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird: Wie wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Gehörs aufgeklärt? Mehrfachantworten sind möglich.

mündlich schriftlich



Formular





weiß ich nicht



anders:

VIII.

Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird, beschreiben Sie bitte ausführlich, wie der Gefangene aufgeklärt wird:

260 Anhang IX.

D.

Falls Sie die Videokonferenz durchführen wollten: In wie vielen Fällen haben Gefangene in den vergangenen 12 Monaten auf einer unmittelbaren („face-to-face“) Anhörung bestanden?

in keinem Fall

1-5 mal

6-10 mal

11-20 mal

21-50 mal

häufiger als 50 mal













Weitere Anmerkungen

Hinweis: Ein ausreichend frankierter Rückumschlag liegt diesem Schreiben bei. Bitte senden Sie den ausgefüllten Fragebogen in diesem, ohne Angabe des Absenders, bis zum [Datum] zurück. So bleibt Ihre Anonymität gewahrt!



Antworten Richter261

Dokumentation der wiedergegebenen offenen Antworten Antworten Richter Frage A. III.: Welche Vorteilte sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen? Nachteil: Von den VU werden im Anhörungstermin oft wichtige Unterlagen über zuletzt durchgeführte Maßnahmen in der JVA vorgelegt, die im Falle der Video-Anhörung erst nachträglich angefordert werden müssten. Entscheidungsprozess würde verlängert. Bei der Anhörung wird ein Protokoll gefertigt, welches von dem Angehörten und dem Richter unterschrieben wird (bei Videokonferenz nicht möglich). Mangel des Sachverständigen kann gemindert werden Die mit „3“ beurteilten Aspekte begründen m. E. ggf. Vorteile für die jeweilige JVA und nicht für meinen Tätigkeitsbereich i. e. S.; die Aufzeichnungsmöglichkeit ist sicherlich interessant, begründet m. E. aber keinen Vorteil. nur in Ausnahmefällen anzuwenden Kostenersparnis ist fraglich; einen Aufzeichnungsmöglichkeit wird strikte abgelehnt das würde nämlich zu einer unangemessenen Kontrolle jeder Geste führen und zu anschließenden viele Seiten langen schriftliche Übertragen des Protokolls. Angesicht der geringen Entfernung zwischen Gericht und JVA’en werden die Verurteilten im Gerichtsgebäude aufgeklärt. ich halte von diesem Vorschlag gar nichts; ich mache seit ca. 5 Jahren StVK-Anhörungen In Bewährungssachen wohnen die Probanden oft weit vom Gericht entfernt und haben kein Geld für die Fahrt zur Anhörung. Videokonferenz bei Heimatgerichten ermöglicht erst die persönliche Anhörung. für Jugendrichter / Jugendschöffengericht besteht aus meiner Sicht schon kein Bedarf, jedenfalls dann, wenn keine JVA vor Ort (= kein Vollzugleiter während des JVA-Aufenthaltes) im Rahmen der jugendrichterlichen Tätigkeit außerhalb der JSA-Zuständigkeiten keinerlei Vorteile Flexibilität nicht erhöht, da meistens Verteidiger mitwirken Zeitersparnis nicht für den Richter Frage A. IV.: Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen? Der entscheidende Nachteil im Strafvollstreckungsverfahren wäre m. E. der fehlende persönliche Eindruck von Videokonferenzen. es sollte eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geben Problematik, wenn der Angehörige durch einen RA vertreten wird, der bei der Anhörung anwesend sein will, event. auch der zuständige Staatsanwalt

262 Anhang Frage A. IV.: Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen? mangelnde Seriosität; Anhörung wird vom Gefangenen ggf. weniger ernst genommen Kann ich nicht beantworten. Wir haben keine Anlage. Kostenaufwand; im Stadtstadt mit kurzem Transportweg unsinnig fehlender persönlicher Kontakt zum Gefangenen, sodass keine Beziehungsebene im Gespräch hergestellt werden kann Aufzeichnungen sind in Strafvollstreckungsangelegenheiten i. d. R. nicht erforderlich keine Erfahrungen daher nicht beantwortet Entfallen einer weiten Anreise des Verurteilten, wo das pädagogisch erwünscht ist Eine normale Gesprächsatmosphäre entsteht bei Nutzung von Videotechnik nicht; die Technik steht nur in wenigen, bestimmten Räumen zur Verfügung. organisatorischer Aufwand für Richter viel höher als herkömmliche Anhörung Entpersonalisierung des Gesprächs zwischen Verurteiltem und Richter. Verurteilter wird noch mehr in die Rolle des Vollzugsobjektes gedrängt, die im persönlichen Gespräch oft aufgebrochen werden kann Gesprächsatmosphäre Bei der Beantwortung möchte ich anmerken, dass hier von beim Gerichtsbezirk kein Gebrauch gemacht wird, Punkte wie Qualität, Zeitersparnis, technische Schwierigkeiten etc. sind deshalb von mir nicht beantwortet. Dürfte m. E. von den finanziellen Mitteln in der Qualität der Anlage abhängen. Besonderheiten in X [Stadtstaat]: sehr kurze Wege zwischen JVA und Gericht, die Anzuhörenden werden ins Gericht gebraucht, funktioniert reibungslos [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert] Frage B. XIV.: Aus welchen Gründen haben Sie eine Videokonferenz schon einmal abgebrochen? Technik hat nicht funktioniert ein sehr alter Häftling mit schlechter Sprachkenntnissen verstand die Idee der Videokonferenztechnik nicht Frage C. IV.: Warum haben Sie in Strafvollstreckungsverfahren Videokonferenztechnik eingesetzt? [es wurden keine Eintragungen getätigt] Frage C. VIII.: Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird: Wie wird der Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht einer unmittelbaren Anhörung („face-to-face“) aufgeklärt? [es wurden keine Eintragungen getätigt]



Antworten Richter263 Frage C. IX.: Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird, beschreiben Sie bitte ausführlich, wie der Gefangene aufgeklärt wird: Er muss sein Einverständnis mit der Video-Anhörung erklären und die korrekte Bild- und Tonwiedergabe bestätigen. Dem Gefangenen wird erklärt, dass es sich um eine freiwillige Anhörung handelt, er keine Angaben machen brauch, wenn er dies nicht will und er wird gefragt, ob er mit einer Anhörung per Video einverstanden ist, oder ob er eine persönliche Anhörung wünscht. Er wird zu Beginn gefragt, ob er mit einer Anhörung per Videokonferenz einverstanden ist. Der Gefangene wird i. d. R. min. 1 Woche vorher schriftlich informiert, dass eine Videoanhörung erfolgen soll. Zu Beginn befrage ich den Gefangenen zur Verbindungsqualität und weise daraufhin, dass er jederzeit und auch noch im weiteren Verlauf des Gesprächs eine persönliche Anhörung beanspruchen kann, falls er den Eindruck erlangt, seine Aussagen unter diesen Anhörungsbedingungen nicht ausreichend vorbringen zu können. Der Gefangene wird zu Beginn der Anhörung darauf hingewiesen, dass er anstelle der Videoanhörung die Vorführung an Gerichtsstelle verlangen kann. Das Einverständnis sowie die Feststellung das einwandfreie Empfangen von Bild u. Ton wird im Protokoll vermerkt. D.: Weitere Anmerkungen Sehr problematisch habe ich die Nutzung der Videovernehmung von Zeugen (insb. kindlichen Zeugen) empfunden, dass der Zeuge nicht seinem Befrager gegenüber sitzt sondern einem Monitor, also keine persönliche Befragungssituation aufgebaut werden konnte. Ich halte den persönlichen unmittelbaren Eindruck von Verurteilten bei Anhörungen in Strafvollstreckungssachen für unverzichtbar und durch Videokonferenz nicht hinreichend vermittelbar. Sehr wichtig ist der persönliche Eindruck, der bei Videokonferenzen nicht zu erhalten ist. Die Zeitersparnis läge darin, dass sie alle 2 Wochen 40 Minuten Fahrzeit erübrigen würden. Unklar wäre, wer die Videoanlage bedient. Der persönliche Eindruck ist für mich von zentraler Bedeutung; die „sterile“ Anhörungssituation mit Videotechnik wird der Bedeutung der Anhörung sowie dem Gefangenen nicht gerecht. nicht beantwortet, da keine Zuständigkeit in StVK Der persönliche Kontakt zu dem Anzuhörenden geht verloren. Sehr wichtig ist auch der direkte Kontakt mit den Mitarbeitern der Anstalt, insbesondere zu dem Sozialdienst u. psycholog. Dienst, aber auch zum allgem. Vollzugsdienst. Die Einsichtnahme in schriftliche Unterlagen (Therapieplatzbeteiligung, Arbeitsplatzzeugnis, u. ä.) wird erschwert, insb. wenn diese Schriftstücke übergeben bzw. zu den Akten genommen werden. Ich halte den Einsatz der Videokonferenztechnik im Rahmen der Anhörungen in Strafvollstreckungssachen nicht für sinnvoll, weil es bei der zutreffenden Prognoseentscheidung auch maßgeblich auf den unmittelbaren persönlichen Eindruck ankommt. Bislang war die Videokonferenz in der Strafvollstreckung des hiesigen Landgerichts kein Thema. In einigen Fällen, z. B. auch bei längerer Verschubung, wäre die in Zukunft aber zu Prüfen.

264 Anhang D.: Weitere Anmerkungen Die VK ist in Strafverfahren sinnvoll, nicht jedoch in den von Ihnen angedachten Bereichen. Unabhängig von dem Aufwand für den Richter ist die erforderliche Interaktion in der Anhörungssituation bei einer Videokonferenz nicht gegeben. Vorteile bringt es für die Fahrdienste, aber nicht für die Richter. Warum sollte eine Videokonferenz Zeit sparen. Ein Abspielen des Videos habe ich bisher nicht vermisst, da ich die Beschlüsse unmittelbar im Anschluss an die Anhörung absetze. Mit Blick auf die Zuständigkeitskonzentration des § 462a StPO und der geringen Entfernungen im LG-Bezirk X dürfte dort die Videokonferenztechnik nicht vorrangig in Betracht kommen. [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert] Grundsätzlich erscheint mir die V-Technik kein wirklicher Ersatz für die persönliche Anhörung. Die Beteiligung / Zuschaltung von Sachverständigen halte ich aber i. d. Regel für sinnvoll, da Kosten u. Zeitersparnis Stünde mir diese Technik zur Durchführung in StVK-Sachen zur Verfügung, würde ich sie sicherlich nutzen; für besonders wichtig halte ich die Einführung allerdings nicht. Ich halte die persönliche Kontakte auch zu den Mitarbeitern der zahlreichen Kliniken und der JVA für wichtig als zusätzliche Komponente bei den Entscheidungen. Die Gefangenen werden zur Anhörung ins Gericht gebracht, sodass sich für die Richter durch Videokonferenztechnik keinerlei Zeitersparnis ergibt. Ich bin als besonderer Vollstreckungsleiter für die Insassen der Jugendstrafanstalt X zuständig, die ich jederzeit dort oder aber sehr kurzfristig im Gericht anhören kann. Somit ist derzeit hier ein Bedarf der Videokonferenztechnik nicht ersichtlich. [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert] Die Haftanstalt, für die ich am häufigsten zuständig bin, ist nicht weit vom Gerichtsort entfernt. Die Vorführungen klappen reibungslos. Anlass zur Nutzung der Videokonferenztechnik hat sich noch nicht ergeben. Zeitersparungsmöglichkeit sehe ich nicht − allenfalls für den Verurteilten; ich halte es zudem für wichtig, dass der Verurteilte einem Menschen gegenübersteht, der ihm seine Zeit u. Aufmerksamkeit widmet und − ihm gegenüberstehend − mit ihm spricht − eine Form Respekt. In meiner spez. Zuständigkeit als Vollstreckungsleiter in X des Maßregelvollzugs mit Terminen, an denen z. T. viele Beteiligte (Pflegepers., Betreuer, Familie, JVA, GutA, StA…) teilnehmen, halte ich d. Einsatz v. Videotechnik nicht für angebracht. [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert] Es fehlt der unmittelbare Eindruck; das gerichtliche Verfahren verkommt immer mehr zur TV-Show, weil sich jeder (auch Richter) vor einer Kamera anders verhalten als in der realen Gesprächssituation; die Zeit-u.-Kostenersparnis ist äußerst gering, weil hier das Gericht (Kammer) an d. jeweiligen Tagen ca. 18–20 Anhörungen nacheinander durchführt und dazu i. d. psych. Klinik fährt; außerdem: wer bedient die Technik? Auch das kostet Geld! Was ist, wenn nur einer von 20 Probanden nicht per Video will! dann muss die Kammer trotzdem hinfahren oder ihn vorführen lassen = keine Ersparnis. Die Videokonferenz sollte m. E. die absolute Ausnahme bleiben. Grundlage der Entscheidung sollte stets die mündliche Anhörung sein, anderenfalls könnte man konsequenterweise gleich im „schriftlichen Verfahren“ bzw. nach Aktenlage entscheiden.



Antworten Richter265 D.: Weitere Anmerkungen Da der persönliche Eindruck im Gespräch von erheblicher Bedeutung ist − gerade auch im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Angaben, sollte die VK nur in Ausnahmefällen (Sicherheitsaspekte − b. insbesondere Maßregelvollzug) in Betracht gezogen werden. Videokonferenzen in Vollstreckungs- / Vollzugssachen in X [Stadtstaat] nicht erforderlich, da Gefangene / Untergebrachte hier in das (zentrale) Kriminalgericht vorgeführt werden. Mithin wird hier (in der Sondersituation des Stadtstaates) Videokonferenz (aus Richtersicht) ohne Vorteil sein. Die Ausgangslage ist in Flächenstaaten natürlich eine andere. [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert] Als (Strafvollstreckungs-)Richter in einem Staatstadt halte ich es für besser, die Anhörungen unter persönlicher Anwesenheit durchzuführen, zumal die Anhörungen im Gerichtsgebäude stattfinden. Videokonferenzen bei Anhörungen vermitteln nicht den notwendigen persönlich Eindruck; Videovernehmung von Zeugen zu deren Schutz jedoch sinnvoll Grds. bin ich ausgesprochenen technik-affin und nutze diese, so oft es geht. Videokonferenztechnik im Anhörungstermin d. Strafvollstr. od. o, Strafvollzug halte ich für ausgesprochen ungeeignet, da es gerade nicht nur um den Austausch von bloßen Argumenten geht, sondern auch darum „dem Gefangenen etwas klar zu machen“. Dazu muss ich im Gespräch auch einen Beziehungsebene herstellen können. Dies ist m. E. bei d. Videokonferenztechnik ausgeschlossen, da beide Gesprächspartner dort auf einen Bildschirm schauen. Als Anwältin in einer Großkanzlei habe ich solche Technik auch genutzt u. habe auch dort festgestellt, dass − wenn die Besprechung sich „festgefahren“ hatten − an diesem Zustand nichts mehr zu ändern war. Bei persönlichen Meetings klappte das m. E. wesentlich besser. Ich halte in Strafvollstreckungssachen den persönlichen Kontakt zum Anzuhörenden für zwingend erforderlich in dem Bemühen um eine möglichst wirksame Verbrechensbekämpfung. Ich werde in dieser Sache (anders als in einer Hauptverhandlung) keine Videokonferenztechnik einsetzen. Bei uns werden die Gefangenen zu den Anhörungsterminen der StVK grundsätzlich im Gericht vorgeführt oder sie kamen selbst im Rahmen von Lockerungen. Die größte Zeit- und Kostenersparnis läge somit im Fall von Videokonferenzen nicht beim Gericht / Richter, sondern im Wegfall der Gefangenentransporte. Ich bin zuständig in der Beschwerdeinstanz (OLG). Videokonferenz ist bei Anhörungen in Strafvollstreckungssachen vorm OLG akzeptiert. In erstinstanzlichen Verfahren, in denen der Senat eine Videokonferenz ins Ausland vorgenommen hat, sehe ich erhebliche Schwierigkeiten. Videokonferenzen werden nur mit Gefangenen im geschlossenen Vollzug durchgeführt. In der hier betroffenen Haftanstalt werden i. d. R. nur Haftstrafen bis 3 Jahre vollstreckt. Sehr oft hat sich kein sich keine Verteidiger für das Vollstreckungsverfahren bestellt. Meinem Eindruck nach bevorzugt ein Großteil der Gefangenen eine Videoanhörung gegenüber einer persönlichen, offenbar teils auch weil vielen „das Verfahren“ weniger förmlich erscheint. Der Einsatz bietet sich m. E. am ehesten bei großer räumlicher Entfernung an und entlastet dann in erster Linie den Verurteilten, bzw. den ersuchten Richter. Die Videokonferenz ist m. E. kein adäquater Ersatz für eine Anhörung in Anwesenheit der Beteiligten im selben Raum. Sollte eine solche Anhörung nicht mehr für erforderlich gehalten werden kann man auf die mündliche Anhörung auch verzichten.

266 Anhang D.: Weitere Anmerkungen M. E. Videokonferenz dann zweckmäßig, wenn hierdurch merkliche Zeitersparnis, was i. d. R. Jedoch nicht der Fall ist. In Einzelfällen ist eine Videokonferenz jedoch von Vorteil. Wenn der Richter kein „Reiserichter“ ist, ergibt sich für ihn auch keine Zeitersparnis. Insgesamt ergeben sich aber deutliche Vorteile durch d. Wegfall von Transporten und den Vorführungsdienst, der entfällt. Das persönliche Gespräch wird von den Verurteilten als persönlicher „Freiheit,“ im Vollstreckungsverlauf angesehen und in dieser Eigenschaft auch seitens des Gerichts genutzt, um den Verurteilten in dieser Atmosphäre des persönlichen Zugangs konkrete Zukunftschancen besonders effektiv nahebringen zu können. Bei Strafvollstreckungssachen sehe ich keinen Vorteil in der Videokonferenztechnik, da die Verurteilten im Regelfall ins Gericht gebracht und dort angehört werden. Eine Zeitersparnis wäre durch die Videotechnik nicht möglich. Zudem sind Terminierungen ohne Videotechnik im Zweifel flexibler möglich, da ein Vorlauf von 1–2 Tagen genügt. Da bei § 57-iger Entscheidungen häufig die Akten kurzfristig vorgelegt werden, ist eine Beschleunigung, die solche kurzen Terminierungsfristen erfordern, notwendig. Nur in Ausnahmefällen bei gefährlichen Gefangenen, muss die Anhörung in der JVA stattfinden, bei mir ist das 1x in 2 Jahren vorgekommen. Im Strafverfahren halte ich dagegen die Videotechnik (z. B. § 247 + §247a StPO) für sehr vorteilhaft und sie stellt, insbesondere im Fall des § 247 StPO − eine große Arbeitserleichterung dar, und einen großen Vorteil für den Angeklagten, wenn er eine Zeugenvernehmung „live“ am Bildschirm mit verfolgen kann und sie nicht nur später vom Vorsitzenden „nacherzählt“ bekommt. Ich bin im OLG Bezirk X tätig. Die im Rahmen meiner Tätigkeit durchzuführenden Anhörungen sind in der Regel nicht mit langen Anreisen der Verurteilten verbunden. [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert] In X sind die m. E. entscheidenden Faktoren für den Einsatz dieser Technik (Kosten- und Zeitersparnis) von deutlich geringerer Bedeutung als in anderen Bundesländern. Ein Fax am Nachmittag reicht in Eilfällen problemlos aus, um am nächsten Morgen eine Anhörung durchzuführen. Der organisatorische Aufwand (Transport von der JVA ins Gericht, Vorführung durch Wachtmeister) geschieht für den Richter fast unbemerkt − auch wenn er natürlich entsteht. M. E. ist der Nutzen der persönlichen Anhörung sehr groß. Ich nehme mir üblicherweise 30–60 Minuten Zeit, um die Situation mit dem Verurteilten ausführlich zu erörtern. Oft sind Bewährungshelfer, manchmal Angehörige dabei. Die Atmosphäre ist förmlich (Anhörung im Sitzungssaal, ich sitze erhöht auf der Richterbank), aber ich spreche die Verurteilten sehr direkt an und fordere sie auf, eigene Ideen für die Entlassungsvorbereitung / Bewährungszeit / Schaffung der Voraussetzungen für Lockerungen einzubringen, was meist auch geschieht. Wenn die Voraussetzungen für eine Reststrafenaussetzung offensichtlich nicht vorliegen, erklärt der Verurteilte oft schon in der JVA durch Formblatt, dass er einer Reststrafenaussetzung nicht zustimmt. In diesen Fällen findet keine mündliche Anhörung statt. Ich würde auf die persönliche Anhörung nur in Ausnahmefällen verzichten wollen. Dies gilt gleichermaßen für Fälle, wo die Entlassung ansteht, wie für Fälle, in denen eine Rechtsstrafenaussetzung nicht gewährt wird. Oft gelingt es nämlich, in der Anhörung Akzeptanz für die Entscheidung zu schaffen und Perspektiven zu eröffnen. [zum Schutz der Anonymität wurde der Ort geändert]



Antworten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten267

Antworten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten Frage A. III.: Welche Vorteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen? Aufzeichnung ist technisch möglich, wird aber nicht genutzt Einsparung von Personal (Fahrdienst); reduzierte Fluchtgefahr Anhörungen erfolgen auch jetzt schon überwiegend in der JVA ersetzt eventl. Vorführung zur Rechtsantragsstelle − bezüglich Verfahren gem. §§ 109 ff. StVollzG In unserer JVA kommen die Richter zu Anhörungen in die JVA. Dies ist aus verschiedenen Gründen der Videokonferenztechnik vorzuziehen. Sozialkontakte schaffen, die ansonsten nicht möglich wären Problematik des Datenschutzes Einsatz im Vollzug der Untersuchungshaft in aufwändigen und sicherheitsrelevanten Verfahren Einsparung von Personal durch Wegfall der Ausführungen in Strafvollstreckungssachen Nachteil: Der persönliche Kontakt entfällt! sinnvoll bei gefährlichen Straftätern, darüber hinaus wird aus fachdienstlicher Sicht auf Grund der Anonymisierung Videotechnik nicht befürwortet Personal und zeitaufwendige Vorführung von Gefangenen können entfallen reduzierter Personalaufwand Frage A. IV.: Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen? Entfremdung der richterlichen Arbeit − Grundlage zur Erhöhung von Pensionen? Aufzeichnung führt zu weiteren Verrechtlichung. im Fall der Nutzung mit Bewährungshelfern entsteht unweigerlich nicht die erforderliche Anbindung, damit ein Inhaftierter Vertrauen fasst der unmittelbare Eindruck fehlt; der Gefangene ist und bleibt mit der Situation überfordert; erhöhte Gefahr von Kommunikationsfehlern Seit ca. 2 Monaten ist die Anlage technisch einsatzbereit. Bislang hat nur ein Gefangener die Videovernehmung gewünscht. zusätzliche Kosten für die Anschaffung der Technik Raum einrichten im Verwaltungstrakt und Vorführen; Einhaltung des „Unmittelbarkeitsgrundsatz“: persönlicher Eindruck Entscheidung liegt beim Gericht − kein Einfluss durch JVA; Problem Rechtsanwalt: Sitzt beim Gefangenen, möchte eventl. aber auch beim Richter sein, ggf. auch bei Anschlusstermin für anderen Gefangenen

268 Anhang Frage A. IV.: Welche Nachteile sehen Sie in der Nutzung von Videokonferenztechnik in Strafvollzugs- / Strafvollstreckungssachen? persönlicher unmittelbarer Kontakt fehlt − Gerichtsatmosphäre fehlt − d. h. Inszenierung unabhängiges Gericht fehlt Beteiligte = Strafgefangene mir ist die Ausgestaltung nicht im einzelnen bekannt Kein Eindruck der Gesamtperson, kein Blickkontakt, Distanz birgt Gefahr der unvollständigen Einschätzung; Entpersönlichung wichtiger Entscheidungen, Erleben von Staat und Urteil als außerhalb von mir wird gefördert Hemmschwelle niedrig, da persönlicher Kontakt fehlt (Beleidigungen, etc.), schafft Distanz Eine VK kann m. E. den persönlichen Eindruck nie vermitteln, der im unmittelbaren und direkten Gespräch entsteht. bislang wurden nur mit 2 Gerichten (= Strafvollstreckungskammern) kommuniziert Frage C. VII.: Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird: Wie wird der ­Gefangene über einen möglichen Verzicht auf sein Recht des unmittelbaren Gehörs aufgeklärt? [es wurden keine Eintragungen getätigt] Frage C. VIII.: Falls der Gefangene rechtlich aufgeklärt wird, beschreiben Sie bitte ausführlich, wie der Gefangene aufgeklärt wird: Rechtspfleger weist den Gefangenen daraufhin, dass die Möglichkeit des unmittelbaren Gehörs besteht, die Videokonferenz letztendlich nur der Vorbereitung dient Mit Aufforderung der StVK an die JVA zur Stellungnahme wird darum gebeten, diese Stellungnahme dem Gefangenen auszuhändigen. Dabei wird ein Formular benutzt zur Äußerung des Gefangene: − ich äußere mich hierzu wie folgt: − ich möchte mich hierzu nicht äußern − ich bin ausdrücklich mit der Anhörung vor dem Landgericht … per Videoschaltung einverstanden − …  nicht einverstanden Der Gefangene wird darüber aufgeklärt, dass er wählen kann, ob er eine Anhörung über Videokonferenz oder unmittelbar vor Gericht bevorzugt. Er muss seine ausdrückliche Zustimmung bzw. Nichtzustimmung zu einer Anhörung per Videokonferenz erklären, ggf. nach Rücksprache mit seiner anwaltlichen Vertretung. Der Gefangene wird durch den Richter via Videokonferenz aufgeklärt. Der Gefangene wird unterrichtet, dass er auf die Anhörung verzichten kann. Er wird informiert, dass die Kammer bei beabsichtigt persönlicher Entscheidung und klarer Sachlage von der Anhörung absehen kann und dass sie bei eventuellem Klärungsbedarf anhören wird. mündliche Belehrung durch Richter der StVK − Intensität und Protokollierung ist Sache des Gerichts ist mir nicht bekannt Am Anfang jeder Videokonferenz wird der Inhaftierte durch Gericht darüber aufgeklärt, warum diese VK stattfindet und ob er damit einverstanden ist.



Antworten Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten269 D.: Weitere Anmerkungen Ich halte den persönlichen unmittelbaren Eindruck für unabdingbar für den Richter und den Gefangenen. Videokonferenz wird für Schulprüfungen genutzt „Fehlanzeige“ Die Angaben unter IX beziehen sich nur auf die ca. 2 Monate, in welchem das System zur Verfügung stand. Wie bei allem neuen wird es einige Zeit brauchen bis alle Beteiligten sich dran gewöhnt haben, und ohne Hemmungen und Beklemmungen die Technik nutzen. In den mir bekannten Anstalten finden gerichtliche Anhörungen innerhalb der Anstalt statt. Sollten in anderen Ländern bei gerichtlichen Anhörungen Vorführungen stattfinden, würde ich den Einsatz der Videokonferenztechnik positiv beurteilen. Vor Jahren bereits Videotechnik ausprobiert ständig technische Schwierigkeiten, sodass Gericht keine VK-Anhörungen mehr durchführen wollte; Richter stehen der VK-Technik bei Anhörungen in Strafvollstreckungsangelegenheiten kritisch gegenüber − mehrere Richter (insgesamt 10) zuständig in Strafvollstreckungskammer einer lehnt ab, anderer stimmt event. zu Die Anlage funktioniert bestens. Problem ist die fehlende Bereitschaft der Richter / Richterinnen, die Anlage zu nutzen. Die Vorzüge, die Videokonferenz in der freien Wirtschaft haben mögen, sehe ich aktuell im Vollzug nicht. Ich vermag aktuell nicht einzuschätzen, ob der Zeitvorteil von Videokonferenz wett gemacht werden kann mit den gesamten Vorbereitungshandlungen, die damit verbunden sich, diese Technik beherrschen zu können und letztlich auch anzuschaffen (Zeit- und Kostenfaktor). Zudem habe ich Zweifel daran, dass eine persönliche Besprechung (die ohnehin schon weniger abgehalten werden als sinnvoll erscheint) noch mehr verzichtet werden kann. Ich sehe den Wunsch nach Einführung von Videokonferenzen sehr skeptisch! kein Wissenstand − keine Planung In Strafvollstreckungssachen bei einem Einzelrichter kommt dieser i. d. R. in die Anstalt und führt die Anhörung durch. Lediglich bei Anhörungen durch die Große StVK müssen Gefangene transportiert werden − ein eingespieltes und gut funktionierendes Verfahren! VK böte sich m. E. für Besprechungen zwischen Behörden, z. B. Aufsichtsbehörde und untergeordnete Geschäftsbereich an. Innerhalb einer Behörde (hier JVA) überwiegen aus meiner Sicht die Nachteile. Die VK-Technik macht Sinn, um Vorführungen zu vermeiden. In jedem Fall vorzugswürdig ist es aber, wenn die Richter die Gefangenen in der JVA aufsuchen. Das hält die Kosten gering, gewährleistet optimale Sicherheit, ist für alle Beteiligten effektiv und flexibel. Ein sehr wertvoller Nebeneffekt ist, dass die Richter einen persönlichen Eindruck von der JVA erhalten und vielem Dinge direkt besprochen werden können. Die Videokonferenzanlage kam bisher im Kontakt mit Bewährungshilfe zum Einsatz. Der Vollstreckungsleiter (Jugendstrafanstalt!) kommt regelmäßig in die Anstalt. Fehlende Übertragbarkeit auf den Strafvollzug → persönliches Erscheinen der Inhaftierten erforderlich (Unmittelbarkeitsprinzip)

270 Anhang D.: Weitere Anmerkungen Keine Akzeptanz bei den Gerichten, Anlage wird daher kaum genutzt. Anlage innerhalb des Geschäftsbereichs wenig präsent, sodass Nutzung zwischen den Anstalten de facto auch nicht erfolgt − obwohl angezeigt. Im Vollzug der Jugendstrafe dürfte sich der Bedarf an Videokonferenzen im Hinblick auf die Nähe der Vollstreckungsleitung in Grenzen halten, wenn sie nicht zur Vorbereitung vollzugsöffnender Maßnahmen und der Entlassungsvorbereitung eingesetzt wird. Hier wäre ein Bedarf insoweit denkbar, als die Justizvollzugsanstalten für den Vollzug der Jugendstrafe landesweit entlassen und daher landesweit Arbeitsagenturen, Optionskommunen, Arbeitgebern, etc. Kontakt aufnehmen und sich die Gefangenen z. B. mit einem erheblichen Aufwand an Fahrtkosten etc. vorstellen müssen. Für den Bereich der Untersuchungshaft dürfte sich wegen der typischen Straftaten von Heranwachsenden ebenfalls nur wenig Bedarf ergeben. Der Nutzen von VK liegt m. E. im Bereich der Zusammenarbeit zwischen JVA und Gericht. Vorführungen der Gefangenen zu Gerichtsterminen würden reduziert und damit Personal und Zeit eingespart. Der persönliche Eindruck und die unmittelbare Kommunikation zwischen den Anhörungsbeteiligten sind im Jugendstrafvollzug nicht verzichtbar. Früher kam die Strafvollstreckungskammer zu Anhörungen in die Anstalt. Mit Einführung der Videokonferenz verlagerte sich der Aufwand der JVA von der Vorführung ins Anhörungszimmer zur Vorführung ins Videokonferenzzimmer. Hinzu trat die Bedienung und Beserviceung [sic!] der Videotechnik. Bei Störungen wird Fachpersonal der JVA ad hoc aus dem regulären Dienstbetrieb zur Störungsbeseitigung abgezogen. Hinzu kommt die Belastung durch kurzfristig, außerhalb des generell vereinbarten Zeitfensters anberaumte VK, die dem Gericht größtmögliche Flexibilität gewähren, dessen Fahraufwand jedoch zu Ungunsten des Organisationsaufwandes der JVA verlagern. Das vom Gefangenen übertragene Bild lässt den Richter keinesfalls nonverbale Reaktionen, wie erröten, schwitzen, zittern erkennen, soweit diese Nuancen auftreten, sodass ein Gesamteindruck von dem anzuhörenden Gefangenen nicht entsteht und Schlüsse auf seinen Glaubwürdigkeit nur ohne Verwertung von solchen wahrnehmbaren aber im Bild nicht übertragenen Körperäußerungen möglich sind. bisher wenig praktische Erfahrungen mit dem Terminal, da erst 4 x angewendet (3 x eine entfernte StVK mit hiesigen Gefangenen) 1 x hiesige StVK mit Gefangenen einer anderen Anstalt Der Nutzen für interne Besprechungen erscheint mir größer. Im Außenverhältnis bzw. für grundrechtlich relevante Entscheidungen sollten die Inhaftierten die Möglichkeit haben, die Entscheider unmittelbar zu erleben. Der Pilotprojektzeitraum betrug lediglich etwas mehr als 2 Monate, über eine weitergehende Verwendung wird nach Auswertung entschieden. Die Anhörung bei Gericht hat auch eine hohe symbolische Bedeutung für den Inhaftierten. Monetäre Erwägungen sollen diesen Gesichtspunkt nicht unbedingt überlagern. Im Stadtstaat ist der Einsatz von Videokonferenzen nicht sinnvoll, da die Anhörung unproblematisch in den Anstalten stattfinden könnte.

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Sachverzeichnis Anhörung  24–25, 30–35, 38, 42–92, 96–97, 100–107, 116, 122, 124–126, 129, 134, 186, 189, 191–192, 196, 200, 202, 207–208, 210, 212, 214–217, 224–226, 231, 235–242, 244, 246–250, 252–255, 275–284 Anwalt  83, 187, 189–191, 199, 211 Auflagen  46–47, 54, 61, 69, 76, 83, 103, 231, 236, 240 Ausstattung  29, 32, 126, 129, 147–148, 152, 185, 221–222 Bedienung  186, 188, 284 Befürwortung  127, 143, 145–153, 156–159, 161–163, 167–170, 173, 175–179, 221, 223 Beschleunigung des Verfahrens  96, 99 Beschluss  43, 83, 90–94, 98, 251 Beschwerde  43, 64 Bewährung  55, 83, 85–87, 90, 93–94, 104–105, 108–109, 111–113, 116, 118, 249 Bewertung  28, 40, 76, 127, 143, 154, 156, 162, 164, 167–172, 175–178, 193–194, 217, 221, 234 Bindungswirkung des Verzichtes  66, 81 Bundesgerichtshof  18, 63 Bundesland  23, 30, 71, 89, 131–133, 139, 140–141 Bundesrat  23, 44, 71, 90, 92–94, 98, 247 Bundesregierung  53–54, 70, 72, 93–94, 251 Bundestag  23, 71, 86, 93–94, 97, 253 Bundesverfassungsgericht  18, 54, 109 Chi-Quadrat-Signifikanz-Test  137 deskriptive Statistik  135 Diskontinuität  93

Disposition  43, 56–58, 73, 112–113, 118, 119, 121, 239 Dokumentation  96, 163, 164, 166, 174, 198, 214, 218, 220, 275 Entfernung  42, 66, 174, 204–207, 223, 275, 279 Entstehungsgeschichtliche Auslegung  52, 70, 86, 108 Erkenntnisinteresse  36, 37, 123, 125, 176 Erziehungsgedanke  114–117, 119, 121, 244, 245, 247, 254 Expertenanhörung  95–97, 126 face-to-face  36, 38, 59, 61, 65, 68, 73, 81, 112, 117, 121, 202, 207, 208, 212, 216, 224, 276 fakultativ-mündliche Anhörungen  30, 46, 50, 83, 89, 105, 235 Freiheitsstrafe  75, 83, 85 Gesetzesinitiative  23, 42, 44, 47, 89, 93, 247 Gesetzgebungsverfahren  23, 30, 41, 51, 53, 89, 93, 238 Gestik und Mimik  29, 72, 74, 75, 79, 82, 103, 127, 184, 186, 192, 194, 217, 226, 228, 230, 232, 237, 240 Grundrecht  56 Halbstrafentermin  232 Hessen  23, 30, 71, 89, 91–94, 125, 128, 133, 238, 251 Hinwirken  63–64, 69, 79–81, 208, 211, 215, 241 Hypothese  126–129, 146, 152, 162–163, 166, 176, 179, 181, 183, 200–201, 203, 211, 220–222

286 Sachverzeichnis Jugendliche  107, 113–114, 117, 119, 121, 122, 244 Jugendrichter  104, 106, 113–116, 119, 120–122, 141–143, 275 Jugendstrafanstalten  126, 129, 130–134, 146, 156, 158, 164, 169, 174, 193–194, 204, 211, 214, 216, 220–223, 230, 267, 281 Justizvollzugsanstalten  140, 143, 146, 154, 221, 230, 234, 236, 284 Kommunikation  26–30, 34–38, 40–41, 44, 49, 51, 53, 55, 60, 70, 72, 74, 85, 86, 102, 107, 115, 117, 127, 153, 181, 225–231, 233, 238, 240, 242–243, 246, 247, 251–252, 254, 284 Korrelation  138, 150–152, 158, 159, 169, 170, 177, 178 Korrelationskoeffizient  138, 158 Kostenersparnis  28, 67, 128, 153, 155, 156, 161, 174, 204, 223, 275, 278, 279 Landgericht  20, 41, 42, 205, 282 lebenslange Freiheitsstrafe  75 Low-2-Box  135, 136, 146, 147, 154, 165 Maßregeln der Besserung und Sicherung  25, 104, 122 Methoden der schließenden Statistik  135, 137, 138 Mittelwert  136, 146, 168, 175, 221, 239 mündliche Anhörung  34, 43, 46–48, 50, 53, 54, 57, 58, 60, 61, 63, 66–74, 77–79, 81–84, 92, 95, 100–103, 105, 107, 111, 118, 125, 129, 184, 209–210, 215, 231, 233–236, 240, 243, 278–280 Nachteil  127, 165–166, 168–169, 171–172, 174, 194, 221, 223, 230, 234, 238–239, 253, 275, 281 Nachtragsentscheidung  62 nonverbale Signale  232, 233

Oberlandesgericht  20, 43, 74, 205–207 obligatorisch-mündliche Anhörung  46, 50, 84, 105, 208, 215, 240 persönliche Eindruck  98–99, 127, 165, 168, 170, 172, 218, 221, 223, 225, 230, 234–235, 239, 275, 277, 279, 284 Perspektive  184, 186 Plenum  95, 97 Prognose  35, 61, 72, 75, 78–79, 82, 103, 110, 123, 179, 184, 225, 231, 233, 237, 250 Rechtsfolge des Verzichtes  63, 79 Rechtsfortbildung  55, 73, 103, 110, 111–112, 244, 254 Rechtskraft  25, 248 Rechtsmittelverzicht  63, 66–67, 244 Rheinland-Pfalz  32, 131–133, 139, 141 Richter  31, 32, 38, 43, 47, 53, 54, 61, 66, 70, 77, 97, 100, 110, 112–113, 119, 120, 126, 129, 130, 132, 134, 139, 140–142, 144, 146–148, 150–151, 154–157, 159, 160–163, 165–177, 179–183, 185–224, 226, 228, 229–230, 232, 234–239, 241, 254, 256, 275–276, 278, 279–284 Sinn und Zweck  35, 48, 55, 58, 60, 69, 72, 76, 80, 86, 88, 109, 113 sofortige Beschwerde  43 Staatsanwaltschaft  84, 85, 105–106, 114, 211 Standardabweichung  137, 146 statistische Kennzahlen  135, 158 Stellungnahmen  25, 87, 156, 242, 244, 246–248, 252–253, 255 Strafaussetzung  46–47, 54, 55, 58–59, 61–62, 65, 69, 76, 80, 83, 86–87, 90–91, 93–94, 97, 103, 108–109, 111–112, 184, 231, 236, 240, 249 Strafvollstreckung  24–25, 27, 29–35, 38–40, 42, 45–46, 49–52, 55–57, 59,

Sachverzeichnis287 64, 69, 76–77, 84, 89, 92–93, 95–97, 99, 100–102, 104, 110–112, 114, 116, 118–119, 120, 122–132, 134, 146, 148, 156, 160, 169, 178, 199–202, 207, 214–215, 217, 220, 222–223, 224–225, 231, 236, 238–241, 249, 277 Strafvollstreckungskammer  21, 43, 44, 62, 63, 65, 70, 72, 74, 77, 82, 100, 103, 104, 184, 188, 205–206, 211, 237–238, 253, 254, 283, 284 Strafvollstreckungsordnung  47 Strafvollstreckungssachen  23–25, 31–32, 42, 56, 63, 77, 95, 119–120, 125, 127–129, 141, 145–147, 165–166, 174–179, 198–203, 208, 221, 222, 237, 239, 275, 277, 279–281, 283 Strafvollzug  19, 25, 35, 38, 50, 77, 88, 99, 109, 118, 120, 156, 162, 169, 178, 223, 246, 248, 251, 253, 254, 279, 283 systematischen Auslegung  70, 86, 107, 108 Technik  23–27, 29–30, 36, 40–42, 44, 46, 53, 79, 82, 102–103, 107, 111, 112, 117, 125–128, 143–147, 150, 152, 153, 155–156, 158–159, 161–169, 171–172, 175–176, 179, 188, 192, 194–195, 198, 201–202, 210, 217, 221–225, 230, 238–241, 254, 276, 278, 279–281, 283 technische Probleme  195, 199 teleologische Auslegung  71 Top-2-Box  135–136, 146–147, 154, 165 Übertragung  29, 34, 36, 37, 38, 41, 59–63, 72, 75, 79, 82, 85, 86, 88, 107, 127, 183, 186, 192, 228, 230, 234, 235, 236, 240 Übertragungssicherheit  193 Verbindung  19, 35, 96, 195–197 Verkündung  53, 98

Vermeidung der Benachteiligung Jugendlicher  121 Verschubungen  155, 167 Verstoß  43 Verurteilte  34, 38, 43, 47, 56, 58–62, 65, 66, 68, 73–79, 81–85, 88, 91–92, 95, 100–103, 106, 134, 187, 188, 207, 208, 211, 212, 215, 236, 238, 278, 280 Verzicht  34, 43, 44, 56–68, 73, 74, 77–82, 91–92, 103, 111–112, 116, 118, 121–122, 125, 129, 199, 207, 210–212, 215, 224, 234, 237, 240, 246, 255, 276, 282 Videokonferenz  25, 27, 29, 30, 33, 34, 36, 37, 38, 40,–42, 44, 46–56, 60–61, 63–74, 78–84, 87–89, 91, 92, 96, 98–107, 110–111, 113, 116–117, 120–129, 134–135, 141, 148–149, 152–153, 161–163, 166–167, 169, 173–175, 179–184, 186–192, 194–199, 201–204, 208–212, 214–218, 221–225, 228, 230, 232, 234–238, 240, 24–245, 247–248, 250, 253–254, 275–280, 282–284 Videokonferenztechnik  23 vis-à-vis  37 Vollstreckung  25, 74, 83, 91, 97, 104, 105, 114, 116, 117, 119, 238, 244 Vollstreckungsentscheidungen  104, 116 Vollzug  117, 119, 120, 254, 279, 281, 283, 284 Vollzugsnähe  77, 113, 119, 120, 121 Vorteile  28, 95, 154–165, 175, 223, 275, 278, 280 Wahlperiode  21, 72, 89, 93 Weisungen  46, 47, 61, 69, 76, 83, 103, 231, 236, 240, 254 Widerruf  47, 54, 59, 61, 65, 67, 69, 83, 91, 94, 103, 184, 236, 240 Wortlaut  47–50, 53, 58, 62, 69–70, 77, 84–85, 91–92, 100, 106, 110

288 Sachverzeichnis Zeitersparnis  72, 81, 128, 153, 155, 156–158, 160, 162, 174, 202–204, 207, 217, 222–223, 275–278, 280 Zufriedenheit  192

Zulässigkeit  25, 34, 40, 45, 47, 49, 53, 60, 70, 71, 73, 76, 83, 117, 125, 236, 254 Zuständigkeit  77, 104, 116, 277, 278 Zuverlässigkeit  193