Vertragsrecht im Einkauf: Praxisorientierter Wegweiser nach der Schuldrechtsreform [1 ed.] 9783886405244, 9783886401246

Mitarbeiter im Einkauf werden zunehmend mit komplexen Vertragsabschlüssen konfrontiert. Unter ständigem Zeitdruck ist es

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Vertragsrecht im Einkauf: Praxisorientierter Wegweiser nach der Schuldrechtsreform [1 ed.]
 9783886405244, 9783886401246

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Herausgeber: Professor Dr. Horst Hartmann

Praxisreihe

Einkauf Materialwirtschaft Band 14 Helmut Renner

Vertragsrecht im Einkauf Praxisorientierter Wegweiser nach der Schuldrechtsreform

Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH

Vertragsrecht im Einkauf

Helmut Renner

Vertragsrecht im Einkauf

Praxisorientierter Wegweiser nach der Schuldrechtsreform

Band 14 Praxisreihe Einkauf/Materialwirtschaft herausgegeben von Professor Dr. Horst Hartmann

Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH , Gernsbach

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikationen in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnd.ddb.de/ abrufbar

© Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach 2007 Gesamtherstellung: Stückle Druck, Ettenheim Umschlaggestaltung: Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach ISBN: 978-3-88640-124-6

Inhaltsverzeichnis Vorwort

19

Erster Abschnitt Einführung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Schuldrechtsmodernisierung 2002 Europäische Richtlinien Ende der parallelen Rechtsanwendung Grundsätze kaufmännischer Partnerschaft Einkaufsrecht als Gesetzes- und Richterrecht Einkaufsrecht und AGB Fallbeispiele

21 21 22 22 23 23 24

Zweiter Abschnitt Vertragsrechtliche Grundlagen 1. 1.1 1.2 1.3

Vertragspartner Verbraucher Unternehmer Kaufmann

25 25 25 26

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Verträge Was regeln Verträge? Verbindliche Vereinbarung Vorausplanung Verhandlungsgrundsätze Paradoxon des Protagoras

26 26 27 27 27 27

3. 3.1 3.2 3.3

Vertragsfreiheit Elemente der Vertragsfreiheit Grenzen der Vertragsfreiheit Formfreiheit kontra Formzwang

28 28 29 29

4. 4.1 4.2 4.3

Gesetzliche Formvorschriften Beurkundung Gesetzliche Schriftform Elektronische Form

30 30 30 30

5

4.4 4.5 4.5.1 4.5.2

Gewillkürte Schriftform Textform Telekommunikative Übermittlung Arten der Textform

31 32 32 32

5.

Elektronischer Geschäftsverkehr

33

Dritter Abschnitt Vertragsabschluss und Abschlusstörungen

34

1. 1.1 1.2 1.3

Vor Verhandlungsbeginn Gewerberegisterauskunft Handelsregisterauskunft Bonitätsauskunft

34 34 34 36

2. 2.1 2.2 2.3

Im Vorfeld des Vertrages Letter of Intent Vorvertragliche Nebenpflichten Vorvertrag

36 36 37 37

3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.7 3.8 3.9

Vertragsabschluss Aufforderung zum Angebot Angebot Annahme oder Ablehnung Schweigen im Rechtsverkehr Auftragsbestätigung Zugang von Willenserklärungen Briefkasteneinwurf Gewerblicher Empfänger Zugangsvereitelung Zugangsnachweis Konkludentes Verhalten Empfängerhorizont Auslegung

37 37 38 38 39 39 40 40 40 40 41 42 42 43

4. 4.1 4.2 4.2.1

Vertretungshandeln Vorbemerkung Vertretungsverhältnisse Juristische Personen

43 43 43 43

6

4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3

Handelsgesellschaften Sonstige Vertretungsverhältnisse Handelsregistereintragung Vertretungsumfang Duldungs- und Anscheinsvollmacht Rechtsfolgen von Störungen

44 44 44 44 45 45

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.4.7 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4

Einigungsmängel Offener Einigungsmangel Versteckter Einigungsmangel Falschbezeichnung Irrtum und Täuschung Einführung Arten des Irrtums Arglistige Täuschung Anfechtungsfrist Anfechtungsfolge Kein Anspruch bei Kenntnis Gesamtnichtigkeit Verschulden bei Vertragsabschluss Vertragsähnliches Vertrauensverhältnis Gesetzliche Regelung Anspruchsvoraussetzungen cic und Anspruchskonkurrenz

46 46 47 47 48 48 48 50 51 51 51 52 52 52 52 52 53

Vierter Abschnitt Schuldverhältnis und Vertragsstörungen 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Schuldverhältnisse Begriff des Schuldverhältnisses Inhaltliche Bestimmtheit Grundlage der Vertragstypen Leistungspflicht Obliegenheiten

54 54 54 54 54 55

2. 2.1 2.2 2.3

Pflichtverletzung Begriff der Pflichtverletzung Arten der Pflichtverletzung Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

56 56 56 57

7

2.4 2.5 2.6 2.7

Schadensersatz statt der Leistung Angemessene Fristsetzung Begriff der Nacherfüllung Reaktion des Gläubigers §§ 323ff BGB

57 58 58 59

3. 3.1 3.2

Gläubigerverzug Begriff Zahlungsklage

59 59 60

4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

Unmöglichkeit Unmöglichkeit der Leistung § 275 BGB Regelungsumfang Voraussetzungen Rechtsfolgen Auswirkung auf die Gegenleistung

60 60 60 61 62 62

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8

Schuldnerverzug Vorbemerkung Verzugseintritt durch Mahnung Verzugseintritt durch gerichtliche Maßnahmen Verzugseintritt ohne Mahnung Verschulden und Haftungsumfang Fixtermin Mitwirkungspflichten des Gläubigers Gläubigerrechte im gegenseitigen Vertrag

63 63 63 63 63 64 64 64 65

6. 6.1 6.2 6.3

Zahlungsverzug Gesetzlicher Verzugsbeginn Mahnung in Versform Verzugszinsen

65 65 66 67

7. 7.1 7.2 7.3

Mangelhafte Leistung Vorbemerkung Begriff des Sachmangels Rechtsfolgen

67 67 67 68

8. 8.1 8.2

Positive Vertragsverletzung Vorbemerkung Gesetzliche Regelung

68 68 68

8

9. 9.1 9.2 9.3 9.4

Störung der Geschäftsgrundlage Unzumutbare Änderung Begriff der Geschäftsgrundlage Gesetzliche Neuregelung Rechtsfolge

69 69 69 69 69

10.

Vertragsstrafe

70

11. 11.1 11.2 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.4 11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4 11.6 11.6.1 11.6.2 11.6.3 11.6.4

Schadensersatz Funktion des Schadensersatzes Ursache und Verschulden Art und Umfang des Schadensersatzes Naturalrestitution Geldersatz Schmerzensgeld Schadensersatz und Mitverschulden Geschützte Interessen Vertrauensschaden und negatives Interesse Erfüllungsschaden und positives Interesse Mangelschaden Mangelfolgeschaden Schadensberechnung Konkrete Schadensberechnung Abstrakte Schadensberechnung Vorteilsausgleichung Mehrwertsteuer

71 71 71 72 72 72 72 72 73 74 74 75 75 75 75 75 76 76

Fünfter Abschnitt Gesetzliche Vertragstypen 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

Kaufvertrag §§ 433 ff. BGB Vorbemerkung Rechtsmängel Sachmängelhaftung Rechtsfolgen von Sachmängeln Geltendmachung von Mängelrechten Kenntnis des Käufers Kosten der Nacherfüllung Unzumutbarkeit der Nacherfüllung

78 78 78 79 79 80 81 81 82

9

1.9 1.10 1.11

Fehlgeschlagene Nacherfüllung Verkäufergarantie Verjährung der Sachmängelrechte

82 82 84

2. 2.1 2.2

Werklieferungsvertrag § 651 BGB Vorbemerkung Anwendung von Kaufrecht

84 84 84

3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Werkvertrag Vorbemerkung Mangelbegriff Mängelrechte Haftungsausschluss Mangelverjährung Zurückbehaltungsrecht

85 85 85 85 86 86 86

Sechster Abschnitt Vertragsabwicklung und -beendigung 1.

Abnahme und Übergabe

88

2. 2.1 2.2 2.3 2.4

Erfüllungsort und Gefahrtragung Holschuld Bringschuld Versandkostenklausel Versendungskauf

88 88 89 89 89

3.

Erfüllung

89

4.

Anfechtung und Rücktritt

89

5.

Kündigung

90

6. 6.1 6.2 6.3 6.4

Verjährung Gesetzliche Neuregelung Begriff der Verjährung Wirkung der Verjährung Gegenstand der Verjährung

90 90 90 90 90

10

6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11

Verjährungsbeginn Verjährungsfristen Deckelung der Verjährung Hemmung Neubeginn Arglist und Verjährung Unzulässige Vereinbarungen

91 91 92 92 92 93 93

7.

Verwirkung

93

Siebter Abschnitt Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 1.

Einführung

94

2.

Gesetzliche Regelung

94

3.

Schutzzweck von AGB

94

4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

AGB-Begriff und Verwender Vertragsgestaltung Vorformulierte Bedingungen Erscheinungsform Verwender Gestellte Bedingungen

95 95 95 95 95 96

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Vorrang der Individualabrede § 305 BGB Aushandeln AGB und Individualvereinbarung Regelungsbereiche Leistungsbeschreibungen Abwicklungsbestimmungen

96 96 96 97 97 98

6. 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3

AGB und Unternehmer Anwendungsbereich Einbeziehung von AGB Erleichterte Einbeziehung Einbeziehungszeitpunkt AGB und Auftragsbestätigung

98 98 98 98 99 100

11

6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4

Branchenübliche AGB Inhaltskontrolle Generalklausel Unwirksamkeitskataloge Unwirksamkeit gem. Unwirksamkeit gem.

100 101 101 102 103 103

7. 7.1 7.2. 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10 7.11 7.12 7.13

AGB-Klauseln auf dem Prüfstand Interessenlage Einkäufer – Verkäufer Anwendungsklauseln Vorbemerkung Einfache Geltungsklauseln Ausschließlichkeitsklauseln Abwehrklauseln Praktische Auswirkungen Änderungsvorbehalte Lieferfristen und -termine Eigentumsvorbehalt Haftungsfreizeichnung Haftungsbeschränkung für Verschulden Begrenzung der Schadenshöhe Abkürzung der Verjährungsfrist Ausschluss des CISG Schriftformklauseln Salvatorische Klauseln Gerichtsstandsvereinbarung

103 103 104 104 104 104 104 105 106 106 107 109 109 109 110 110 111 112 112

8. 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5

Verstöße gegen AGB-Recht Ausschluss und Unwirksamkeit Keine Gesamtnichtigkeit Keine Klauselerhaltung Zwingende Ersetzung Umgehungsversuche

113 113 113 113 114 114

9. 9.1 9.2 9.3 9.4

Kollision von AGB – gilt das letzte Wort? Austausch widersprechender AGB Theorie des letzten Wortes Konsens-Dissens Lösung Abgestufte BGH-Lösung

115 115 115 115 116

12

Achter Abschnitt Sondervorschriften für Kaufleute 1. 1.1 1.2 1.3

Einführung Handelsrecht Verhältnis zum BGB Adressatenkreis

117 117 117 117

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Kaufmannsbegriff Rechtliche Voraussetzungen Nichtkaufmann Istkaufmann Kaufmann kraft Eintragung Formkaufmann

117 117 118 118 119 119

3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.7.1 3.7.2 3.8 3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4 3.10 3.10.1 3.10.2

Unternehmenshaftung Vorbemerkung Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Gesellschaft bürgerlichen Rechts mbH Offene Handelsgesellschaft (ohG) Kommanditgesellschaft und GmbH & Co. KG Aktiengesellschaft (AG) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Durchgriffshaftung Fallgestaltungen Vorgründungsgesellschaft der GmbH Ausländische Kapitalgesellschaften Besloten Vennotschap (BV) Limited Company (Ltd.) Eintragung ins Handelsregister Reformbestrebungen Pflichtangaben im Geschäftsverkehr Geschäftsbriefe Angabenpflichtige Daten

120 120 120 120 121 121 121 121 121 122 122 123 123 123 124 124 125 125 126

4. 4.1 4.2

Wirkung des Handelsregisters Negative Publizität § 15 Abs. 1 HGB Positive Publizität

126 126 127

13

5.

Firma

127

6.

Schweigen und rechtsgeschäftliche Wirkung

127

7. 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Kaufmännisches Bestätigungsschreiben Handelsbräuche Deklaratorische Wirkung Ergänzungen und Widerspruch AGB und Bestätigungsschreiben Widerspruchsfrist

128 128 128 129 129 130

8.

Vertragsstrafe

130

9.

Handelsgeschäft

130

10.

Kaufmännische Sorgfaltspflicht

130

11.

Formfreiheit

131

12.

Fälligkeits- und Kontokorrentzinsen

131

13. 13.1 13.2 13.3

Handelskauf Rechtsgrundlagen Begriff des Handelskaufs Annahmeverzug

132 132 132 132

14.

Fixhandelskauf

132

15. 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8

Untersuchungs- und Rügeobliegenheit Zweck der Obliegenheit Erkennbare Sachmängel Untersuchung bei Ablieferung Unverzügliche Anzeige Prüfungsmaßstäbe Bestimmtheit der Mängelrüge Zwischenhandel Genehmigungsfiktion

133 133 133 135 136 137 139 141 141

14

Neunter Abschnitt Just-in-Time-Lieferbeziehungen (JIT) und Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) 1.

Ursachen und Begriff der JIT

142

2.

Begriff der Qualitätssicherung

142

3. 3.1 3.2 3.3 3.4

Ziele der Qualitätssicherung Rationalisierungsfunktion Präventivfunktion Perpetuierungssfunktion Haftungsverteilungsfunktion

143 143 143 143 143

4.

Aufbau eines Qualitätssicherungssystemes

143

5. 5.1 5.2 5.3

Vertragsgestaltung Rahmenverträge Teil-(Sukzessiv-)Lieferungsverträge Anwendung von AGB-Recht

144 144 144 145

6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Vertragsinhalte Verlagerung der Entwicklungskosten Verlagerung der Qualitätssicherung Verlagerung der Wareneingangsprüfung Verlagerung der Vorratshaltung Gewährung von Kontrollrechten

145 145 146 146 146 146

7. 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.6

Rechtsprobleme der QSV Einführung Gesetzeslage Technischer Widerspruch Verkehrssicherungspflicht Versicherungsfragen Betriebshaftpflichtversicherung Produkthaftpflichtversicherung Rückrufkostenversicherung Stand der Rechtsprechung

146 146 147 147 148 148 148 149 150 151

15

Zehnter Abschnitt Know-How- und Werkzeugklauseln 1.

Vorbemerkung

153

2. 2.1 2.2

Überlassung von Know-How und Lizenzen Branchenübliche Formulierungen Rechtliche Argumentation

153 153 154

3. 3.1 3.2

Regelungen über Werkzeuge Branchenübliche Formulierungen Rechtliche Argumentation

154 154 155

4.

Rechtliches Fazit

155

Elfter Abschnitt Produkt- und Produzentenhaftung 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12

Produkthaftung Produktsicherheit Produkthaftpflichtgesetz Anspruchsberechtigte Haftungsgrund Produkt Fehler Hersteller und Quasihersteller Haftungsumfang Ausschluss der Ersatzpflicht Einschränkung der Ersatzpflicht Beweislast Verjährung

156 156 156 157 157 157 158 158 158 159 159 159 159

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Produzentenhaftung Rechtsgrundlage Anspruchsberechtigte Haftungsgrund Haftungsumfang Beweislast Verjährung

160 160 160 160 162 163 163

16

Zwölfter Abschnitt Internationale Vertrags- und AGB-Anwendung 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13. 1.13.1 1.13.2 1.13.3 1.13.4

Anwendung von UN-Kaufrecht Wiener Übereinkommen – CISG Territoriale Geltung Sachliche Geltung CISG und AGB Internationale Warenlieferungen Begriff des Vertragsstatuts Anwendungsvoraussetzungen Hauptleistungspflichten Lieferverpflichtungen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit Gefahrübergang Aufhebung des Vertrages Kritik am UN-Kaufrecht Beschränkter Regelungsinhalt Lückenfüllung Offene Rechtsfragen Kein Welthandelsrecht

165 165 165 165 165 166 166 167 167 168 168 169 169 169 169 169 170 171

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Internationales Privatrecht EG-Übereinkommen von 1980 Kollisionsregeln des EGBGB Freie Rechtswahl Stillschweigende Rechtswahl Ohne Rechtswahl anzuwendendes Recht Mehrstufige Prüfung

171 171 172 172 173 174 174

3. 3.1 3.2 3.2

Internationale Handelsklauseln Vorbemerkung Trade Terms Incoterms

175 175 175 176

4. 4.1 4.2 4.3

Internationale Schiedsgerichte Vorbemerkung Nationale Schiedsgerichte Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

176 176 176 177

17

Anhang Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

18

178 180 182

Vorwort Als Mitarbeiter im Einkauf werden Sie zunehmend mit komplexen Vertragsabschlüssen konfrontiert. Unter ständigem Zeitdruck ist es oftmals unmöglich, zur Klärung der vertragsrechtlichen Fragen einen Juristen einzuschalten. Man hofft, trotz juristischer Defizite und Zweifel „unbeschadet über die Runden“ zu kommen. Wenn andererseits Ihr Verhandlungspartner professionell vorbereitet ist, kann er aus dieser Überlegenheit Vorteile ziehen. Verschaffen Sie sich deshalb eine solide Kenntnisgrundlage im Einkaufsrecht! Der vorliegende Wegweiser, von einem erfahrenen Fachmann und Praktiker verfasst, macht Sie nach der Schuldrechtsreform fit für die wichtigsten Rechtsfragen wie: • • • • • • • • • • •

Gesetzliche Regelung vorvertraglicher Pflichten Reaktionen auf Lieferverzug Sachmängel, Nacherfüllung und Schadenersatz Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten Neuregelung der Verjährungsvorschriften Recht der Geschäftsbedingungen Abgrenzung von Leistungsbestimmung und AGB Sonderrecht der Kaufleute Rechtsprobleme bei Qualitätssicherungsvereinbarungen Grundzüge der Produkt- und Produzentenhaftung Einführung in das internationale Kaufrecht

Viele der aktuellen Rechtspraxis entnommenen Beispiele erleichtern dem interessierten Leser das Verständnis für vertragsrechtliche Regelungen und Zusammenhänge. Das Buch ist in einer auch für Nichtjuristen „lesbaren“ Sprache abgefasst, unumgängliche Rechtsbegriffe werden erläutert. So wird alles Wissenswerte, was Sie beim Einkauf rechtlich beachten sollten, auf leicht verständliche Weise vermittelt. Das als Band 14 in der Schriftenreihe Einkauf/Materialwirtschaft herausgegebene Fachbuch ist deshalb ein Muss für alle beruflich im Einkauf und Verkauf tätigen Personen, aber auch für Studierende mit dem Schwerpunkt Einkauf/Logistik. Herausgeber Prof. Dr. H. Hartmann

19

Erster Abschnitt Einführung 1.

Schuldrechtsmodernisierung 2002

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und Handelsgesetzbuch (HGB) gelten seit 1900, beide Gesetze sind auch künftig die wesentlichen Rechtsgrundlagen des deutschen Kauf- und Werkvertragsrechts. Entscheidende Zäsur für die aktuelle Rechtsanwendung war die Umsetzung von drei Richtlinien1 der Europäischen Union (EU) durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) mit Wirkung ab 01.01.2002 in nationales deutsches Recht. Im BGB sind durch diese Schuldrechtsreform mehr als 200 Vorschriften geändert worden, in Anlehnung an das UN-Kaufrecht (CISG) wurde für Leistungstörungen der zentrale Begriff der Pflichtverletzung übernommen und das zuvor eigenständige AGB-Gesetz in das BGB integriert. 2.

Europäische Richtlinien

EU-Richtlinien gem. Art. 249 EGV2 sind europäische Rahmengesetze, die innerhalb von 3 Jahren durch die Mitgliedsstaaten in Landesrecht umgesetzt werden müssen. Dabei hat der nationale Gesetzgeber einen gewissen Regelungsspielraum sowie die freie Wahl von Form und Mittel, er darf aber nicht hinter zwingenden Vorgaben der EU zurückbleiben. Beispiel:

Ansprüche aus Gewährleistung wegen des Verkaufs von mangelhaften beweglichen Sachen verjähren gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in 2 Jahren. § 475 Abs. 2 BGB verbietet für den Kauf durch einen Verbraucher (Verbrauchsgüterkauf) dem beteiligten Unternehmer die

1 2

Die Zahlungsverzugs-, E-Commerce- und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft von 1957, seither mehrfach geändert und ergänzt

21

rechtsgeschäftliche Erleichterung seiner bevor ihm ein Mangel mitgeteilt wurde.

Gewährleistung,

Eine nationale Regelung, die trotz dieses Schutzes aus der Verbrauchsgüter-Richtlinie z.B. eine Verkürzung der Gewährleistungsdauer durch AGB des Unternehmers auf weniger als 2 Jahre zuließe, würde gegen EU-Recht verstoßen. 3.

Ende der parallelen Rechtsanwendung

Das reformierte Dienst-, Kauf-, Werklieferungs- und Werkvertragsrecht gilt seit 01.01.2002 für neu abgeschlossene Rechtsgeschäfte. Parallel ist auf die vor dem Stichtag geschlossenen Verträge, soweit daraus vertragliche Ansprüche unverjährt sind, weiterhin das alte Recht anzuwenden. Bis auf die immer weniger werdenden Vertragsverhältnisse, deren Verjährungsfristen durch Rechtshandlungen gehemmt oder mit der Folge eines Neubeginns der Verjährung unterbrochen wurden, läuft die lange 5-jährige Gewährleistungsdauer aus „alten“ Bauwerkverträgen Ende 2006 ab. Für Zahlungsansprüche galt von Anfang als Übergangsregelung, dass nicht die altrechtliche 4-Jahresfrist für Vergütungsforderungen unter Gewerblichen, sondern die kürzere 3-jährige Regelverjährung des neuen § 195 BGB zur Anwendung kommt. 4.

Grundsätze kaufmännischer Partnerschaft

Auch Geschäftspartner, die im besten Einverständnis eine Kauf- und Lieferbeziehung eingehen, von deren Win-Win-Situation3 beide Seiten profitieren sollen, sind auf einen qualifizierten und ihre Interessen angemessen berücksichtigenden Vertrag angewiesen. Während der problemlosen Geschäftsabwicklung und solange die Parteien zur Beilegung von Leistungsstörungen miteinander reden können, bleibt der Vertrag „in der Schublade“. Er wird herausgeholt, wenn die

3

Neudeutsches Schlagwort für eine Geschäftssituation, von der beide Seiten profitieren.

22

Störungen so gravierend werden, dass keine Verhandlungsbereitschaft mehr besteht. Wer Gegenstrategien entwickeln und seine Rechte geltend machen muss, benötigt den Vertrag wieder als Regelungsgrundlage. Dies gilt auch für Geschäftspartner, die eine gerichtliche Klärung als letztes Mittel sehen und noch im Streit vorrangig eine wirtschaftliche Lösung suchen. Erfolgversprechend agieren kann nur, wer seine Rechtsposition kennt. 5.

Gesetzes- und Richterrecht

Das Einkaufsrecht ist abgesehen von Handelsbräuchen ein stark reguliertes Gesetzesrecht. Kann bei Vertragsstörungen außerprozessual kein Kon sens mehr hergestellt werden, müssen die Gerichte unter Anwendung des Gesetzesrechtes entscheiden. Auch ohne Überfrachtung mit juristischer Diktion sind Grundkenntnisse der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zum Verständnis erforderlich. BGB, HGB, das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) und das CISG sollten für die Lektüre zur Verfügung stehen.4 6.

Einkaufsrecht und AGB

Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das ohne eigene AGB oder solche seines Verbandes Rechtsgeschäfte abschließt. Um Fehlentwicklungen und Wildwuchs zu beseitigen, ist 1977 das AGBGesetz in Kraft getreten. In einem Zwischenfazit hat die Vorauflage5 eines Großkommentars festgestellt, dass von 1977 bis 1993 zum AGB-Gesetz etwa 200 meist obergerichtliche Entscheidungen pro Jahr ergangen sind. Im Vertragsrecht hat der Besteller als Partner oder Widerpart den Lieferanten bzw. Verkäufer mit seinen AGB. Die Streitgkeiten kommentiert der deutsche „AGB-Papst“6, 4 5 6

Die einschlägigen Gesetze enthält die NWB-Textausgabe „Wichtige Gesetze des Wirtschaftsprivatrechts“ Münchener Kommentar, 3. Auflage, Rn. 13 Einleitung AGBG von Westphalen, Allgemeine Einkaufsbedingungen, S.1 Ziff. I Einleitung

23

Entscheidungen zur Wirksamkeitskontrolle von Einkaufs-AGB – im Verhältnis zur Inhaltskontrolle von Verkaufs-AGB – sind ausgesprochen selten. Dies ist ...darauf zurückzuführen, dass sich Einkäufer mit ihren Lieferanten leichter „arrangieren“ als im umgekehrten Fall. Die Gewissheit, dass Einfluss hat, wer über die Kasse verfügt, macht offenbar gefügig... 7.

Fallbeispiele

Die Beispiele sind überwiegend aus veröffentlichter Rechtsprechung und Kommentaren übernommen, die Sachverhalte möglichst gekürzt. Zwangsläufig stammen nicht alle Fälle aus dem Einkaufsrecht oder sind hochtechnischer Art. So bietet die BGH-Rechtsprechung zur Frage der wirksamen Verlagerung der Wareneingangskontrolle durch AGB vom Einkäufer auf den Lieferanten nur ein Urteil über die Lieferung von Dauersalami für die Herstellung von Pizzen.

24

Zweiter Abschnitt Vertragsrechtliche Grundlagen 1.

Vertragspartner

1.1 Verbraucher Der Verbraucher wird in den Rechtsbeziehungen des Einkäufers kaum als Partner auftreten, seine Definition dient aber zur Unterscheidung gegenüber gewerblichen Geschäftspartnern. Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu eigenen „privaten“ Zwecken abschließt ohne gewerblich oder selbstständig tätig zu werden. Dem Verbraucherschutz dienen die §§ 312 über Haustürgeschäfte, 312b über Fernabsatzverträge und 474 ff. BGB über den Verbrauchsgüterkauf. 1.2 Unternehmer Unternehmer gem. § 14 BGB sind vor allem natürliche oder juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften wie z.B. die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG), die bei Abschluss des Rechtsgeschäftes in Ausübung ihrer gewerblichen (oder selbstständigen) Tätigkeit handeln. Gewerbe wird definiert als eine erlaubte, auf Dauer mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte selbstständige Tätigkeit. Der Geschäftsführer als Organvertreter der GmbH oder der Komplementär als persönlich haftender Gesellschafter einer KG, die außerberuflich für private Zwecke einkaufen, bleiben Verbraucher. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die häufig im Geschäftsleben anzutreffen ist, kann im Einzelfall Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sein und sich deshalb auf die Schutzvorschriften des Verbraucherrechts berufen. In Abweichung zur früheren Rechtsprechung ist die GbR7 rechts7

Grundsatzurteil des BGH in NJW 2002, 1207

25

fähig, aber trotzdem keine juristische Person wie etwa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Entscheidend für die Abgrenzung ist der Zweck des einzelnen Geschäftes, eine Tätigkeit im gewerblichen Bereich würde die Unternehmereigenschaft8 begründen. Die Einordnung von Einkäufern und Lieferanten als Unternehmer im rechtsgeschäftlichen Verkehr ist von Bedeutung im AGB-Recht, das bezüglich der Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen von AGB zwischen Unternehmern und Verbauchern unterscheidet. 1.3 Kaufmann Gem. § 1 HGB gilt die widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass jeder Ge werbetrieb Handelsgewerbe ist und jeder Kaufmann, der ein solches Handelsgewerbe betreibt. Ein Unternehmer, der ein Kleingewerbe betreibt und nicht im Handelsregister eingetragen ist, kann aber gem. Abs. 2 Halbsatz 2 HGB den Nachweis führen, dass sein Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Der Begriff wird bei den Sondervorschriften für Kaufleute erörtert. Die Unterscheidung zwischen Unternehmern und Kaufleuten ist für die Anwendung der HGB-Vorschriften, z.B. über die Handelsgeschäfte und die Zulässigkeit von Gerichtsstandvereinbarungen von Bedeutung.

2.

Verträge

2.1 Was regeln Verträge? Man könnte sagen, Verträge regeln beinahe das gesamte menschliche, sowohl berufliche wie private Leben rund um die Uhr, von Schlafzeiten abgesehen. Eine gewerbliche Tätigkeit jedenfalls ist ohne Verträge nicht möglich.

8

Schulze/Dörner ua. Rn. 34 zu § 705 BGB

26

2.2 Verbindliche Vereinbarung Deshalb ist im Unterschied zur Gefälligkeit der Vertrag eine verbindliche Vereinbarung, die das Recht auf Erfüllung und Pflichten begründet, während im Rahmen einer Gefälligkeit dem anderen „nur“ kein Schaden zugefügt werden darf. Beispiel:

Sie gießen während seines Urlaubs die Blumen des Nachbarn

2.3 Vorausplanung Parteien müssen Leistung und Gegenleistung sowie die Vertragsabwicklung bis zur Erfüllung regeln und dabei bedenken, dass häufig Störungen bei Abschluss und Durchführung des Vertrages auftreten können. 2.4 Verhandlungsgrundsätze Grundsätzlich sollte jede Partei vor Vertragsverhandlungen klären (01) (02) (03) (04)

den zu regelnden Sachverhalt, ihre konkrete Interessenlage, die eigene Vorgehensweise und realistische Verhandlungsziele. 9

2.5 Paradoxon des Protagoras Als Philosoph wurde der griechische Rechtsgelehrte PROTAGORAS durch die Aussage berühmt, der Mensch ist das Maß aller Dinge, den Juristen ist er in Erinnerung durch das folgende Paradoxon des PROTAGORAS: Der Rechtsgelehrte PROTAGORAS vereinbarte mit einem armen Studenten, ihm die Ausbildungskosten zu stunden. Sowie der Schüler nach Abschluss des Studiums aber seinen ersten Rechtsfall gewinnen würde, müsse er die Ausbildungskosten an Protagoras zahlen.

9

Zur Vertiefung die „10 Ratschläge zum Vertragsabschluß“, IHK-Info „Recht“-Nr. 63 Stand August 1999; www.karlsruhe.ihk.de/files/info 63.pdf

27

Der Schüler nahm nach Ende seines Studiums keinen Rechtsfall an. Deshalb verklagte PROTAGORAS ihn nach mehr als einem Jahr auf Zahlung. Vor Gericht argumentieren beide so: Schüler: Gewinne ich den Prozess, muss ich aufgrund des Gerichts urteils nicht zahlen. Verliere ich, habe ich meinen ersten Fall nicht gewonnen und muss nach der Vereinbarung erst recht nicht an meinen Lehrer zahlen. Egal, ob ich gewinne oder verliere, ich muss nicht zahlen! PROTAGORAS: Verliert mein Schüler den Prozess, muss er aufgrund des Urteils an mich zahlen, denn darum geht es vor Gericht. Gewinnt er, so hat er seinen ersten Fall gewonnen und schuldet mir vereinbarungsgemäß die gestundeten Ausbildungskosten. Egal, ob ich gewinne oder verliere, ich bekomme mein Geld! Der Streitfall ist im Widerspruch zwischen der Rechtsfolge aus der Vereinbarung und der Rechtskraft des Urteils nicht lösbar, wobei in der juristischen Wirklichkeit die Rechtskraft eines Urteils einer Vereinbarung vorgeht. Der Rechtsgelehrte hatte vergessen, die für seinen Zahlungsanspruch aufschiebende Bedingung des gewonnenen ersten Rechtsfalles mit einer Befristung für das Tätigwerden des ehemaligen Studenten zu verknüpfen. Nachdenkliche Richter pflegen wegen der Grenzen menschlicher Erkenntnis zu sagen, erwarten Sie von mir ein Urteil, aber keine Gerechtigkeit. 3.

Vertragsfreiheit

3.1 Elemente der Vertragsfreiheit Im deutschen Recht gilt der Grundsatz der 3-stufigen Vertragsfreiheit, wonach jedermann frei entscheiden kann, (01)

ob er und mit wem Verträge schließen will (Abschlussfreiheit);

(02)

welchen Inhalt seine Verträge haben sollen (Gestaltungsfreiheit);

28

(03)

ob er Verträge formlos schließt, solange nicht als Ausnahme gesetzlich die Schriftform vorgeschrieben wird (Formfreiheit).

3.2 Grenzen der Vertragsfreiheit Die Vertragsfreiheit endet dort, wo sie gegen die Rechtsordnung verstoßen würde. So hat die (01)

Abschlussfreiheit ihre Grenze durch das Diskriminierungsverbot für Versorgungsmonopole und marktbeherrschende Unternehmen;

Beispiel:

(02)

Der gemeindeeigene Müllentsorgungsbetrieb, die Bahn oder Post AG benötigen einen Sachgrund wie Nichtzahlung durch den Kunden, um ihm gegenüber eine Leistung zu verweigern.

Gestaltungsfreiheit ihre Grenze z.B. durch das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte gem. § 138 BGB oder durch gesetzliche Verbote im Sinne von § 134 BGB.

Beispiel:

Die Bank darf keine überhöhten (wucherischen) Zinsen entgegen § 138 BGB berechnen; der Arbeitgeber Jugendliche nicht unter Verstoß gegen § 23 Jugendarbeitsschutzgesetz im Akkord beschäftigen.

3.3 Formfreiheit kontra Formzwang Im privaten Lebensbereich schließen wir beinahe täglich formfreie Verträge. Formfreiheit gilt nach wie vor als Regel und Formzwang als Ausnahme, obwohl kluge Köpfe behaupten, in der BRD würden angeblich über 900 Vorschriften für mehr als 3.900 rechtsgeschäftliche Regelungen die Einhaltung der Schriftform10 fordern.

10

creditreform, 2001 Heft 12, Editorial

29

4.

Gesetzliche Formvorschriften

4.1 Beurkundung Die strengste Form ist die notarielle Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 BGB, erforderlich für die wirksame Verpflichtung, Grundstückseigentum zu übertragen oder zu erwerben. 4.2 Gesetzliche Schriftform Schriftlich abgefasst werden muss z.B. der Gründungsbericht einer Aktiengesellschaft gem. § 32 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG), gem. § 766 BGB muss die nicht kaufmännische Bürgschaft schriftlich erklärt werden. Zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform ist gem. § 126. Abs. 2 BGB die Unterzeichnung durch beide Vertragsparteien auf derselben Urkunde notwendig oder der Austausch gleichlautender Mehrfertigungen, unterschrieben vom jeweils anderen Vertragspartner. § 766 Satz 2 BGB lautet, Die Erteilung der Bürgschaftserklärung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. 4.3 Elektronische Form Gem. §§ 126 Abs. 3, 126a [Elektronische Form] BGB kann die Schriftlichkeit durch elektronische Form gewahrt werden, „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“ wie im zitierten § 766 Satz 2 BGB für die Bürgschaftserklärung. Die technische Übermittlung von Willenserklärungen ist dem BGB laut § 147 Abs. 1 Satz 2 bekannt, aber beschränkt auf die Aussage, mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung. Es war notwendig, die Formerfordernisse u.a. dem wachsenden elektronischen Geschäftsverkehr (Stichwort E-commerce) anzupassen. Für Erklärungen per Internet wurde eine qualifizierte (zertifizierte) elektronische Signatur11 entwickelt, die als Unterschrift einer bestimmten Person 11

Signatur-Gesetz ab 1997 mit späteren Änderungen

30

zugerechnet sowie durch digitale Ver- und Entschlüsselung gesichert werden kann. Obwohl die digitale Signatur der herkömmlichen Unterschrift auf Papier gesetzlich beinahe gleichgestellt ist, haben sich die ab 2000 geäußerten Erwartungen, die elektronische Dokumentenübermittlung werde im gewerblichen Rechtsverkehr, für öffentliche Ausschreibungen sowie die Kommunikation zwischen Bürgern und öffentlich-rechtlichen Körperschaften bald flächendeckend zur Anwendung kommen, bis heute nicht erfüllt. 4.4 Gewillkürte Schriftform Darunter wird gem. § 127 [Vereinbarte Form] BGB verstanden, dass die Vertragsparteien ohne gesetzliches Erfordernis sich auf diese über die Mündlichkeit hinausgehende Form einigen. Gem. § 127 BGB kann so vereinbart werden die Einhaltung der • • • (01)

Schriftform elektronischen Form Textform

Bei umfangreichen, inhaltlich komplizierten Vereinbarungen und vor allem dann, wenn es „richtig um Geld geht“, ist es sinnvoll, ohne gesetzlichen Zwang zu Beweiszwecken (Dokumentation) schriftliche Vereinbarungen zu treffen. Auch bei Schriftverträgen gibt es Streit über Auslegungsfragen. Umso schwieriger wird die Suche nach der richtigen Vertragsauslegung dann, wenn mangels Schriftlichkeit versucht werden muss, einen konkreten Regelungsinhalt aus unrichtigen und unvollständigen Zeugenaussagen zu rekonstruieren.

(02)

Es ist aber zu beachten, dass aufgrund der gewählten Schriftlichkeit, selbst wenn zuvor mündlich alle Details eines Rechtsgeschäftes übereinstimmend geklärt wurden, so lange kein Vertrag zustande kommt, bis beide Partner unterschrieben haben.

31

4.5

Textform

4.5.1 Telekommunikative Übermittlung Falls kein gesetzlicher Schriftzwang besteht, enthält § 127 Abs. 2 BGB eine Erleichterung, wonach auch ohne digitale Signatur rechtsgeschäftliche Erklärungen durch „telekommunikative Übermittlung12“ gem. § 126b [Textform] BGB abgegeben und Vereinbarungen geschlossen werden können. Es handelt sich um den neu geschaffenen Formtyp der lesbaren, aber unterschriftslosen Erklärung.13 Diese telekommunikative Übermittlung hat folgende Konsequenzen: (01)

Der Text muss so zugehen, dass er auf Dauer aufbewahrt und vom Empfänger ein Ausdruck angefertigt werden kann;

(02)

eine eigenhändige Unterschrift unter der telekommunikativ übermittelten Erklärung ist nicht erforderlich. Aus der Erklärung muss aber zweifelsfrei ersichtlich sein, wer sie abgegeben hat;

(03)

für einen formgültigen Vertragsabschluss genügt ein Briefwechsel, wobei auch ausreichend ist ein Brief des einen Vertragspartners und eine Antwort per Telegramm/Fax/Mail des anderen.

4.5.2 Arten der Textform Es gibt nur einige wenige gesetzliche Vorschriften, die auf die Textform Bezug nehmen, z.B. für die Information der Arbeitnehmer vor einem Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 5 BGB. Die Textform kann Schriftlichkeit dort ersetzen, wo die Beteiligten auf die Informations- und Dokumentationsfunktion Wert legen. Senden, Empfang und Aufbewahrung von Erklärungen in Textform erforden keinen Aufwand. Häufigste Formen sind die telekommunikative Übermittlung per

12 13

Textform-Gesetz seit 01.08.2001 Palandt Rn. 1 zu § 126b BGB

32

• •

5.

Telegramm, Telex, Telekopie (Fax); Computerfax oder Mail, mit oder ohne (eingescannte) Unterschrift.

Elektronischer Geschäftsverkehr

Mit § 312e BGB werden Unternehmern, die am elektronischen Geschäftsverkehr teilnehmen, entsprechende Pflichten durch Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie der EU auferlegt. § 312e BGB kommt zur Anwendung, wenn ein Unternehmen zum Zwecke des Vertragsabschlusses über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen Tele- (z.B. Telebanking) oder Mediendienste (z.B. Teleshopping) einsetzt. Ergänzend gilt das Teledienstgesetz, dessen Zweck es ist, einheitliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste zu schaffen. Bund und Länder beabsichtigen eine gesetzliche Neuregelung zur weiteren Vereinheitlichung des elektronischen Geschäftsverkehrs.

33

Dritter Abschnitt Vertragsabschluss und Abschlussstörungen 1.

Vor Verhandlungsbeginn

Vor oder bei Kontaktaufnahme mit neuen Geschäftspartnern besteht Bedarf nach einer einfachen und schnellen Grundinformation, die der Lieferant zur Einschätzung der Seriosität eines Bestellers und der Einkäufer über die Leistungsfähigkeit des Lieferanten benötigt. 1.1 Gewerberegisterauskunft Gem. § 14 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) muss jeder, der ein Gewerbe beginnt oder aufgibt, seinen Betrieb verlegt, den Gegenstand des Gewerbes wechselt oder diesen auf Waren und Leistungen ausdehnt, die im Rahmen der bisherigen Anmeldung nicht geschäftsüblich sind, diese Umstände der zuständigen Ortsbehörde gleichzeitig anzeigen. Gem. § 14 Abs. 8 GewO können auch private Anfrager (...nicht-öffentliche Stellen) beim Gewerberegister eine Auskunft über den Namen, die betriebliche Anschrift und die angezeigte Gewerbetätigkeit einholen. Die Auskunft ist wenig ergiebig. Zudem sagt § 14 Abs. 1 Halbsatz 2 GewO, es müsse ...der Auskunftsbegehrende ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Daten glaubhaft machen. Dies ist weniger als ein rechtliches Interesse. An die Begründung und die Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses werden von den Gemeinden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Meist wird die Schilderung eines wirtschaftlichen Interesses genügen. 1.2 Handelsregisterauskunft Durch Handelsregisterauskunft können weitergehende Informationen eingeholt werden. Die Ausführungen stehen im Zusammenhang zu den kaufmännischen Sondervorschriften14 über die Wirkung des Registers.

14

Achter Abschnitt in Ziff. 4. Wirkung des Handelsregisters

34

(01)

Es ist Aufgabe dieses Registers, vor allem die an Handel, Gewerbe und Industrie beteiligten Kreise über die Kaufmannseigenschaft eines gewerblichen Unternehmens und dessen wichtigste Rechtsverhältnisse zu informieren.

(02)

Das Handelsregister ist öffentlich. Gem. § 9 Abs. 1 HGB wird die Einsicht der zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke jedem zu Informationszwecken gestattet, ein berechtigtes Interesse ist nicht erforderlich. Bei den erwähnten Schriftstücken handelt es z.B. um die Gesellschaftsverträge, die Gesellschafterliste einer GmbH und die Unterschriftszeichnungen. Anstatt einer persönlichen Einsicht können gem. Abs. 2 Abschriften gefordert werden. Es fallen geringe Gebühren und Kopierkosten an.

(03)

Durch das Internet ist ein neuer Servicezweig entstanden. Mit kürzerer Bearbeitungszeit bei unterschiedlichen Kosten können Registerauskünfte auf diesem Wege eingeholt werden.

(04)

Das Handelsregister wird, zuständige Abteilung ist das Registergericht, bei den Amtsgerichten geführt. Örtlich und sachlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Einzelkaufmann seine Niederlassung bzw. das handelsrechtliche Unternehmen seinen Sitz hat.

(05)

In Abteilung A (HRA...) werden die Einzelkaufleute und Personengesellschaften, in Abteilung B (HRB...) die Kapitalgesellschaften geführt. Die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister muss in notariell (öffentlich) beglaubigter Form erfolgen.

(06)

Die eintragungspflichtigen Tatsachen für das Handelsregister finden sich im HGB, aber auch in gesellschaftsrechtlichen Sondergesetzen wie AktG, GmbHG, Genossenschaftsgesetz usw. Eintragungspflichtige Tatsachen sind u.a.: • •

die Kaufmannseigenschaft; die Anmeldung von Handelsgesellschaften;

35



• • • •

spätere Änderungen der Firmierung, Verlegung des Firmensitzes, Wechsel von Gesellschaftern, Auflösung oder Liquidation der Gesellschaft; Änderungen der Haftungsverhältnisse unter den Gesellschaftern, Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen; Satzungsänderungen, die Bestellung und Abberufung von Organvertretern; die Erteilung und Löschung von Prokura; Umwandlungen, Übertragungen und Verschmelzungen, Unternehmensverträge.

1.3 Bonitätsauskunft Weitergehende Auskünfte mit höheren Kosten können bei (über-)regional tätigen Handels- und Wirtschaftsauskunfteien15 eingeholt werden. Im Datenaustausch mit ihren Mitgliedern und Vertragspartnern sowie aus eigenen Erhebungen speichern diese Auskunfteien Informationen über die Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit = Bonität einschließlich sog. negativer Kreditmerkmale von Unternehmen (und Privatpersonen). Große Auskunfteien bieten einen „Rundumservice“ aus Kreditinformation, Inkasso und Warenkreditversicherung, deren Abschluss zumindest bei geschäftlichen Erstkontakten und absehbar größeren wirtschaftlichen Risiken sinnvoll sein kann.16 2.

Im Vorfeld des Vertrages

2.1 Letter of Intent Durch Vertragsverhandlungen, auch als „geschäftliche Kontakte“ bezeichnet, entstehen für die Beteiligten normalerweise keine Bindungen. Dies gilt auch für den sog. Letter of Intent, falls er während der Vertragsverhandlungen ausgetauscht wird.

15 16

U.a. Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG; Euler Hermes Kreditversicherungs-AG Nach dem „Motto“ Lieferung und Leistung sofort, Bezahlung erst später, hat die deutsche Wirtschaft ihren Kunden bereits in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts jährlich überschlägige Lieferantenkredite von ca. DM 300 Mrd. mit Ausfallrisiko eingeräumt. Das Volumen war größer als die gesamten kurzfristigen Kredite der deutschen Banken.

36

Der Letter of Intent, aus dem Angelsächsischen ins deutsche Recht eingeführt, hat hauptsächlich zwei Funktionen, die Dokumentation des Verhandlungsstandes und die Formulierung von Verhandlungsabsichten. Nach Vertragsschluß können diese Erklärungen zur Auslegung des gewollten Vertragsinhaltes herangezogen werden. Vorher haben sie in der Regel keine Bindungswirkung. 2.2 Vorvertragliche Nebenpflichten Schon im frühen Stadium können Nebenpflichten aus einem vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis mit Aufklärungs-, Sorgfalts- und Schutzpflichten entstehen, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche auslöst. Gem. §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB, ...entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten... auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. 2.3 Vorvertrag Vor dem Hauptvertrag kann evtl. ein Vorvertrag geschlossen werden. Es handelt sich um die schuldrechtliche Verpflichtung für eine oder beide Parteien zum späteren Abschluss des Hauptvertrages. (01)

Begründet wird eine Art „Abschlusszwang“ auf vertraglicher Grundlage. Voraussetzung ist die Einigung über den wesentlichen Inhalt des später abzuschließenden Hauptvertrages, wobei die Einigung noch nicht alle Einzelheiten erfassen muss.

(02)

Sind wichtige Punkte nicht geregelt oder ist ein ausdrücklicher Vorbehalt erklärt worden, bleibt der Bindungswille, einen Vertrag abschließen zu wollen im Zweifel.

3.

Vertragsabschluss

3.1 Aufforderung zum Angebot Gemeint sind das Angebot (im BGB bezeichnet als Antrag) und die Annahme. Häufig geht eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten voraus.

37

Beispiele: Bildschirmtext, (Versandhaus-)Kataloge, Plakatwerbung, Preislisten, Auslagen und Preisauszeichnungen in Schaufenstern, Speisekarten und Zeitungsanzeigen sind noch keine Angebote, sondern Aufforderungen, Angebote abzugeben. Während das Angebot bereits einen individualisierten Adressaten hat, wird im Unterschied dazu die Aufforderung an einen noch unbestimmten Kreis von Interessenten gerichtet. Wer auf der Grundlage von Plakatwerbung oder Speisekarten bestellt, macht selbst ein Angebot. 3.2 Angebot Der Antrag/das Angebot muss erkennbar mit Bindungswillen erklärt werden. Darin liegt die Bereitschaft, den unterbreiteten Vorschlag für den Fall der Annahme als Vertrag mit dem angebotenen Inhalt anzuerkennen. Ein Angebot muss deshalb so klar und eindeutig sein, dass es „schlicht und einfach“ mit Ja beantwortet und angenommen werden kann. (01)

Ein Bindungswille fehlt, wenn die Erklärung mit Klauseln wie unverbindlich oder freibleibend oder sonstigen Widerrufsvorbehalten abgegeben wird.

(02)

Die verspätete oder abändernde Annahme des Angebots gilt gem. § 150 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot.

3.3 Annahme oder Ablehnung Das Angebot erlischt gem. § 146 BGB, wenn es abgelehnt oder nicht fristgemäß angenommen wird. (01)

Das in Anwesenheit oder per Telefon gemachte Angebot kann nur sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 BGB). Die Gesprächspartner können sich abweichend von der gesetzlichen Wirkung am Telefon oder unter Anwesenden auf eine Annahmefrist einigen.

(02)

Eine Willenserklärung (Angebot) gegenüber einem Abwesenden wird mit Zugang wirksam. Danach ist eine Annahme gem. § 147 Abs. 2 BGB nur innerhalb angemessener Frist möglich

38

Die Angemessenheit der Frist ist gesetzlich nicht definiert, sie kann sich nach Branchen- oder Handelsüblichkeit richten, im gewerblichen Umgang wird meist eine Annahmefrist oder ein -termin konkret vereinbart. 3.4 Schweigen im Rechtsverkehr § 130 Abs. 1 BGB stellt klar, dass eine Willenserklärung verständlicherweise erst dann wirksam wird, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugeht. Zudem ist bekannt, dass für einen Vertragsabschluss zwei übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) erforderlich sind. Trotzdem existiert das verbreitete Missverständnis, bloßes Schweigen würde Zustimmung bedeuten. Schweigen ist erklärungsneutral, es bedeutet aber Ablehnung und nur in Ausnahmefällen Zustimmung.17 3.5 Auftragsbestätigung Mit der Auftragsbestätigung „macht der Kaufmann das Geschäft perfekt“, sie ist die definitive Annahme des Angebots. Oft erfolgt die Annahme des Angebots bzw. die Bestätigung der Bestellung schriftlich mit ausdrücklicher Bezeichnung als Auftragsbestätigung. Enthält die Erklärung gegenüber der Bestellung wesentliche Änderungen, liegt trotz der Bezeichnung ein Gegenangebot nach § 150 Abs. 2 BGB vor. Beispiel:

Der Einkäufer EK schreibt an den Lieferanten L ...Auf Grundlage Ihrer Preisliste bestellen wir 300 Kaffeemaschinen zum Einzelpreis von netto 18 bei Lieferung bis 30.11. Wir bitten um Bestätigung. Der Lieferant L antwortet mit ...Auftragsbestätigung: Auf Ihr Schreiben vom... teilen wir mit, dass wir nur noch 200 Kaffeemaschinen vorrätig haben. Wir bestätigen hiermit Ihre Bestellung und liefern diese 200 Geräte zum Preis von netto 20 bis 15.12.

17

Achter Abschnitt in Ziff. 6. Schweigen und rechtsgeschäftliche Wirkung

39

Diese „Auftragsbestätigung“ weicht in allen wesentlichen Punkten von der Bestellung ab. Sie bestätigt nichts, es handelt sich um ein Gegenangebot des Lieferanten. 3.6 Zugang von Willenserklärungen Streit über den Zugang von Willenserklärungen, ob überhaupt und wann, der Zeitpunkt kann schließlich über eine Fristeinhaltung entscheiden, beschäftigt häufig die Gerichte. Rechtsgeschäftliche Erklärungen wie Angebot, Auftragsbestätigung, Kündigung oder Rücktritt können keine Wirkung entfalten, solange sie den Adressaten nicht erreichen. 3.6.1 Briefkasteneinwurf Der Einwurf in einen Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Einzelnen abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren18. Nach neuer, aber streitiger Auffassung gehen bis 18.00 Uhr eingeworfene Briefe am gleichen Tage auch noch Privatpersonen zu. 19 3.6.2 Gewerblicher Empfänger Bei geschäftlichen Erklärungen per Telegramm, Telex, Telefax oder Boten gegenüber gewerblich Tätigen ist der Zugang an Arbeitstagen bis 24.00 Uhr ausreichend, wenn die Beteiligten zuvor nichts anderes vereinbart haben. 3.6.3 Zugangsvereitelung Zu Lasten desjenigen, der den Empfang einer Willenserklärung vereitelt, wird ihr Zugang fingiert20.

18 19 20

BGH in NJW 2004, 1320 Palandt Rn. 6 zu § 130 BGB; anders LAG Brandenburg in MDR 1999, 368, wonach das bei einer Behörde gegen 18.00 Uhr eingehende Fax nicht fristwahrend sein soll BGH in NJW 1983, 929

40

Im entschiedenen Sachverhalt ging es um ein geschäftliches Schreiben, mit dessen Zugang der gewerbliche Empfänger rechnen musste. Das BAG21 hat gegen einen Arbeitnehmer bei Zugangsverzögerung durch Angabe einer falschen Adresse ebenso entschieden: Der Empfänger müsse sich so behandeln lassen, als ob er die Kündigung rechtzeitig erhalten habe, jedenfalls sei sein Berufen auf einen verspäteten des Schreibens rechtsmissbräuchlich. 3.6.4

Zugangsnachweis

Beispiel:

Im Prozess streiten sich die Parteien darüber, ob die Auftragsbestätigung (AB) des Lieferanten (L) dem Einkäufer (EK) zugegangen ist oder nicht. L behauptet, er habe die AB als

(01)

Einschreiben mit Rückschein an EK gerichtet. Der Briefträger habe EK zwar nicht angetroffen, aber nachweisbar einen Benachrichtigungsschein in den Briefkasten von EK geworfen mit der Aufforderung, die Sendung innerhalb einer bestimmten Frist bei der Post abzuholen;22

(02)

Fax an EK gesandt. Zum Beweis für den Zugang könne L den Sendebericht mit „OK-Vermerk“ über die ordnungsgemäße Übermittlung vorlegen;23

(03)

mail an EK übermittelt. Den Ausdruck der Mail „als gesendet“ könne L zum Beweis vorlegen.24 Kann L jeweils den Zugang seiner Auftragsbestätigung nachweisen?

Nach der herrschenden Meinung, soweit der Rechtsprechung des BGH folgend, gibt es keinen Erfahrungssatz und damit auch keinen Anscheinsbeweis, dass eine Postsendung, egal ob es sich um einen einfachen Brief oder ein Einschreiben handelt, den Empfänger erreicht. 21 22 23 24

Urteil vom 22.09.2005 – 2 AZR 366/04, www.bundesarbeitsgericht.de OLG Brandenburg in FamRZ 2005, 1854 BGH in NJW 1995, 665 AG Bonn in CR 2002, 301

41

Gleiches gilt für die Übermittlung per Fax oder Mail. Auch das Fax-Sendeprotokoll mit ok-Vermerk (streitig) bzw. beim Mailverkehr die Eingangsoder Lesebescheinigung soll kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Willenserklärung sein. Dies wird mit der technischen Manipulierbarkeit oder nicht auszuschliessenden technischen Störungen begründet. Nachgewiesen werden könne damit nur, dass zwischen den Geräten eine technische Verbindung hergestellt worden sei. In keinem der Fälle (01) bis (03) kann der Absender den Zugang der Erklärung beim Adressaten beweisen. Hinweis:

Zweifel lassen sich dadurch ausräumen, dass der Absender eines Faxes oder einer Mail den Adressaten auffordert, ihm den Zugang der Erklärung mit Datum unter inhaltlicher Bezugnahme (evtl. in gleicher Übermittlungsart) zu bestätigen. Alternativ könnte sich der Absender beim Geschäftspartner die telefonische Bestätigung über den Erhalt der Erklärung einholen und darüber eine Aktennotiz fertigen.

3.7 Konkludentes Verhalten Rechtlich wird von stillschweigenden Willenserklärungen gesprochen. Es geht um die Fälle, in denen zum Vertragsabschluss keine vorgeschriebene Form erforderlich ist und eine der Parteien keine explizite Erklärung abgibt, sondern sich so verhält, dass daraus ein mittelbarer Rückschluß auf den Rechtsfolgewillen des Handelnden möglich ist. Beispiel:

Der Passagier steigt in die Straßenbahn, obwohl er weiß, dass die Beförderung nur gegen Bezahlung erfolgt.

3.8 Empfängerhorizont Vermeintlich eindeutige Willenserklärungen sind häufig mehrdeutig oder sogar missverständlich, Verträge ebenso häufig nur lückenhaft oder widersprüchlich formuliert.

42

Es ist ein wichtiger Grundsatz des deutschen Vertragsrechts, dass Willenserklärungen nicht nach möglicherweise subjektiv unrichtigen Vorstellungen des Erklärenden auszulegen sind, sondern entscheidend für das Verständnis ist, wie der Erklärungsempfänger sie objektiv verstehen durfte. Man spricht vom Empfängerhorizont. 3.9 Auslegung Somit sind gem. §§ 133, 157 BGB mehrdeutige Willenserklärungen und Verträge auszulegen, Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte sind zu berücksichtigen. Generelle Regeln lassen sich nicht aufstellen, jede Auslegung ist durch die Umstände des Einzelfalles geprägt. Vielfach sind die Vertretungsverhältnisse von außen nicht ohne weiteres zu erkennen. Nicht immer werden auf den Geschäftsbögen von juristischen Personen die Vertretungsverhältnisse angegeben. OHG-Gesellschafter, Komplementäre, Geschäftsführer, Vorstände und Pro kuristen sind ins Handelsregister einzutragen. 4.

Vertretungshandeln

4.1 Vorbemerkung Wenn nicht gerade ein Einzelkaufmann selbst agiert, erfolgen rechtsgeschäftliche Erklärungen und Handlungen im fremden Namen. Es treten Rechtsfragen über die Vertretung, deren Umfang und Außenwirkung auf. 4.2 Vertretungsverhältnisse Die allgemeine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht) ist in §§ 164ff. BGB geregelt, die Vertretung der Handelsgesellschaften in §§ 114ff., 164 HGB und für juristische Personen bezüglich ihrer Vertretungsorgane in den einschlägigen Gesetzen wie §§ 6 GmbHG, 78 AktG, für die Genossenschaft, die Kaufmann kraft Gesetzes ist, in § 24 GenG. 4.2.1 Juristische Personen Juristische Personen haben Vertretungsorgane zum Handeln „nach außen“. Die GmbH wird vertreten durch den oder die Geschäftsführer, AG und die Genossenschaft werden vertreten durch den Vorstand.

43

4.2.2 Handelsgesellschaften Die KG wird durch den Komplementär, den persönlich haftenden Gesellschafter, vertreten. Bei der OHG erscheint jeder Gesellschafter nach außen vertretungsberechtigt erscheint, es sei denn, dem Außenstehenden ist die Erteilung der Vertretungsmacht für einen oder einzelne Gesellschafter bekannt. Letzteres gilt auch für nicht kaufmännische Personengesellschaft der GbR, die nach neuerer Rechtsprechung rechtsfähig ist. Die „Verwandtschaft“ der beiden Gesellschaftsarten zeigt § 105 Abs. 3 HGB, wonach für die OHG ergänzend die Vorschriften des BGB über die GbR Anwendung finden. 4.2.3 Sonstige Vertretungsverhältnisse Zur Vertretung können Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte bestellt werden. Üblichicherweise wird in der Korrespondenz bei Unterzeichnung durch Abkürzungen auf die Vertretungsverhältnisse hingewiesen. (01)

Der Prokurist zeichnet gem. § 51 HGB üblicherweise mit dem Zusatz ppa. vor seinem handgeschriebenen Namen.

(02)

Der Zusatz zur Schlußzeichnung i.V. steht für „in Vollmacht“. Mit i.V. zeichnet gem. § 57 HGB üblicherweise der Handlungsbevollmächtigte, auch sonstige ständige Vertreter oder der für den Verhinderungsfall bestellte Vertreter.

(03)

Mit dem Zusatz i.A. für „im Auftrag“ unterschreiben die Zeichnungsbefugten mit sog. abgeleitetem Zeichnungsrecht, die nicht befugt sind, i.V. zu zeichnen.

4.2.4 Handelsregistereintragung Die Organvertretung, die Vertretung der Handelsgsellschaten sowie die Prokura sind im Handelsregister einzutragen. 4.2.5 Vertretungsumfang Da Verteter auch nach außen Dritten gegenüber verbindlich tätig werden, sind regelmäßig, wenn die Einschränkung ihrer Befugnisse nicht auf

44

Gesetz beruht, interne Vollmachtsbeschränkungen wie z.B. gem. §§ 50 Abs. 1, 54 Abs. 4 HGB extern wirkungslos, es sei denn, sie wären dem Geschäftspartner bekannt. 4.2.6 Duldungs- und Anscheinsvollmacht Es geht um die Rechtsscheinwirkung dem gutgläubigen Geschäftspartner gegenüber aus dem Auftreten von Personen, die ohne vom Vertretenen befugt zu sein, als dessen Vertreter rechtsgeschäftlich erklären oder handeln. (01)

Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der „Vertretene“ das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, bei pflichtgemäßer Sorgfaltsanwendung es hätte aber erkennen und verhindern können.

Beispiel:

(02)

Während der zuständige Sachbearbeiter im Urlaub ist, schließt ein Auszubildender telefonisch Verträge ab. Der Firmeninhaber hat die Urlaubsvertretung des Sachbearbeiters nicht geregelt.

Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es trotz Kenntnis geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt. Die Vollmachtswirkung setzt Geschäftsfähigkeit des Duldenden voraus.

Beispiel:

Obwohl der Firmeninhaber von Geschäftspartnern über das Verhalten des Auszubildenden informiert worden ist, verhindert er es nicht. Der Auszubildende agiert bei weiteren Anfragen wie der Urlaubsvertreter des Sachbearbeiters.

4.3

Rechtsfolgen von Störungen

(01)

Eigene Verpflichtung Wer nicht zu erkennen gibt, dass er namens und in Vollmacht für einen Dritten Erklärungen abgeben oder handeln will, wird selbst verpflichtet, wenn die Bevollmächtigung dem Geschäftspartner nicht bekannt ist.

(02)

Vollmachtloses Handeln Wer umgekehrt entgegen seiner Behauptung für einen Dritten ohne Vollmacht erklärt oder handelt, haftet für Vertragserfüllung oder

45

Schadensersatz gem. § 179 BGB als sog. Vertreter ohne Vertretungsmacht. (03)

Wirkung gegen den Vertretenen Dagegen sind Rechtsgeschäfte, die ohne Vertretungsmacht abgeschlossen werden, gegenüber dem angeblich Vertretenen unwirksam, es sei denn, er muss sich Erklärungen aus einer Duldungs oder Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.

5.

Einigungsmängel

5.1 Offener Einigungsmangel Die Vertragsparteien übersehen gem. § 154 BGB, dass sie nicht über alle aus ihrer Sicht wesentlichen Punkte eine Einigung herbeigeführt haben. Beispiel

Bei Vertragsschluß bestellt der Käufer mit Lieferzeit 3 Monate, der Verkäufer bestätigt Lieferzeit 3 Monate unverbindlich; die Parteien schließen einen Kaufvertrag. Sie vereinbaren Beschaffenheit und Menge der Ware, Erfüllungsort, Lieferzeit und Eigentumsvorbehalt des Lieferanten, nicht aber den Kaufpreis. Sind Verträge zustande gekommen?

Wenn dem Käufer die 3-monatige Lieferzeit erkennbar wichtig ist, haben sich die Parteien über einen wesentlichen Punkt nicht geeinigt, es kommt kein Vertrag zustande. Das Gesagte gilt umso mehr für den fehlenden Kaufpreis. Trotzdem hat ein Gericht sich den Ausreißer geleistet, von einem wirksamen Vertragsabschluß auszugehen mit der Begründung, im Streitfalle hätte ein Sachverständiger den Kaufpreis nach Branchenüblichkeit schätzen können. Dem liegt ein Denkfehler oder Unkenntnis zugrunde: Richtig ist, dass §§ 612 für den Dienst- und 632 BGB für den Werkvertrag den allgemeinen Grundsatz festlegen, niemand könne Kostenlosigkeit erwarten, wenn er eine gewerbliche Leistung, in Anspruch nimmt, die normalerweise nur gegen Vergütung erbracht wird.

46

Weiter ist in §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB geklärt, dass mangels einer Vergütungsvereinbarung die (orts-)übliche Vergütung geschuldet wird. Beispiel:

Sie beauftragen wegen eines Feuchtigkeitsschadens am Flachdach ihres Bürogebäudes eiligst, ohne den Werklohn zu vereinbaren, einen Handwerker mit der Reparatur. Der Dachdecker rechnet als Werklohn korrekterweise den ortsüblichen Stundensatz von 38 € zuzüglich MwSt ab.

Eine vergleichbare Regelung existiert gerade im Kaufrecht nicht, ein Kaufvertrag ohne Kaufpreis kommt nicht zustande wegen fehlender Einigung. 5.2 Versteckter Einigungsmangel Er liegt gem. § 155 BGB vor, wenn Angebot und Annahme im Wortlaut übereinstimmen, die verwendeten Begriffe jedoch objektiv mehrdeutig sind. Beispiel:

Arbeitgeber und Bewerber schließen einen neuen Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber sagt dem auswärtigen Bewerber eine Umzugshilfe zur Arbeitsstätte zu. Der Arbeitgeber versteht darunter, dass er 1 LKW und 2 Mitarbeiter zur Verfügung stellt. Der Bewerber meint, der Arbeitgeber wolle die Kosten für eine Spedition übernehmen?

Beim versteckten Dissens gilt der geschlossene Vertrag, wenn anzunehmen ist, die Parteien hätten sich auch ohne diesen Streitpunkt geeinigt. Hier wäre also entscheidend, ob für den Bewerber der Umzug durch eine Spedition im Vordergrund oder der neue Arbeitsplatz, so dass für ihn die Art der Überführung seines Hausrats nachrangig ist. 5.3 Falschbezeichnung Beispiel: Versehentlich verwenden die Parteien in einem Kaufvertrag mehrfach den Begriff Mietzins statt Kaufpreis. Rechtsfolgen? Bei der Auslegung ist nicht am buchstäblichen Wortsinne „zu kleben“, sondern der wirkliche Wille der Beteiligten zu erforschen. Im Beispielsfall ist

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die Falschbezeichnung Mietzins anstelle des Kaufpreises ohne weiteres erkennbar und unschädlich. Es ist unzweifelhaft, was die Parteien wirklich wollten, die Falschbezeichnung hat keine Auswirkungen. 5.4

Irrtum und Täuschung

5.4.1 Einführung Es ist in §§ 119 ff. BGB geregelt, dass derjenige, der im rechtsgeschäftlichen Verkehr eine irrige Willenserklärung mit Rechtsfolge abgibt, sich unter gewissen Voraussetzungen von der nicht gewollten Erklärung durch Anfechtung wieder lösen kann. § 123 BGB schützt gegen die arglistige Täuschung des Geschäftspartners, die ursächlich für einen Vertragsabschluss ist. 5.4.2 Arten des Irrtums Das BGB gestattet die Anfechtung bei vier Varianten. Dies sind der Irrtum (01)

über den Erklärungsinhalt § 119 Abs. 1 Satz 1 BGB;

Beispiel:

Der Textilaufkäufer bestellt mehrere Ballen Kattun (Baumwolle) in der Meinung, damit Leinenstoffe zu ordern.

Der Besteller irrt sich über die in der Branche und für den Lieferanten eindeutige Materialbezeichnung; Beispiel:

Der Rohbauunternehmer vereinbart für ein Projekt einen Pauschalpreis und stellt während des Bauvorhabens fest, dass er damit nicht einmal kostendeckend arbeiten kann.

Es geht um das nicht einheitlich gelöste Problem des Kalkulationsirrtums, bei dem der ErklärungsInhalt auf einer unrichtigen Rechenoperation basiert. Es sind zwei Sachverhalte zu unterscheiden: Hat der Rohbauunternehmer den Betrag nur als Ergebnis seines internen Rechenvorganges mitgeteilt, sei keine Irrtumsanfechtung möglich, dies falle in das unternehmerische Risiko. Legt der Bauunternehmer die Kalkulation offen oder ist sie gar gemeinsam aus einem höheren Angebot mit Einheitspreisen auf

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einen Pauschalpreis heruntergerechnet worden, soll eine Anfechtung zulässig sein. Es ist auch eine Lösung über den neu geschaffenen § 313 Abs. 1 BGB wegen anfänglich gestörter Geschäftsgrundlage denkbar; (02)

in der Erklärungshandlung § 119 Abs. 1 Satz 2 BGB;

Beispiel:

die Reederei will für eine Schiffsfracht den Preis in Kubikmetern anbieten, bietet aber ungewollt in Quadratmetern ohne räumliche Höhenbeschränkung an;

Der Reeder kennt den Unterschied, er hat sich auch nicht verkalkuliert, verwendet aber ungewollt die falsche Maßangabe; (03)

über verkehrswesentliche Eigenschaften § 119 Abs. 2 BGB;

Beispiel:

Das Auktionshaus kauft weitgehend wertloses Porzellan, das nach Form, Farbe und Markenzeichen ähnlich aussieht wie ein Essgeschirr aus Meißener Porzellan, das eigentlich gekauft werden sollte.

Es geht um die Eigenschaft der wertbildenden Herkunft der Kaufsache als Meißener Porzellan. Der Wert des gekauften Essgeschirrs selbst ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft. Keinen Anfechtungsgrund hätte das Auktionshaus, wenn es in „spekulativer Absicht“ den Satz Porzellan mit Risikobewusstsein gekauft hätte, mit der Erwartung, ein Schnäppchen zu machen. Wäre dem Auktionator „Meißener Porzellan“ verkauft worden, hätte er je nach Sachverhalt ein Anfechtungsrecht aus arglistiger Täuschung oder Sachmängelansprüche gem. §§ 634 ff. BGB; (04)

in der Übermittlung § 120 BGB,

Beispiel:

Der Einkäufer übermittelt seine Bestellung per Telegramm. Er gibt am Telefon die gewünschte Menge von 83,0 t Armierungsstahl richtig auf. Durch ein Versehen der Post wird das Komma nicht gesetzt, im Telegramm stehen 830 t Armierungsstahl.

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Der Einkäufer kann die unrichtige Erklärung anfechten. Gleiches würde gelten, wenn die Post versehentlich die Bestellung einem anderen Stahllieferanten als falschem Adressaten übermitteln und dieser guten Glaubens mit einer Auftragsbestätigung reagieren würde. Die Post als „Erklärungsbote“ muss in beiden Fällen für den Schaden des Bestellers haften; (05)

jedoch nicht beim Motivirrtum.

Beispiel:

Der Brautvater bestellt 4 Wochen vor der Hochzeit der Tochter Bettwäsche mit den eingestickten Initialien der künftigen Eheleute. Nachdem die Bettwäsche hergestellt worden ist, erklärt der Auftraggeber, er fechte die Bestellung wegen Irrtums an, der Bräutigam habe die Hochzeit abgesagt.

Der Brautvater hat durch Bestellung die beabsichtigte Erklärung abgegeben, es liegt keine zur Anfechtung berechtigende Irrtumsvariante vor. Lediglich das Motiv für den Aufftrag ist nachträglich weggefallen. 5.4.3 Arglistige Täuschung Als Anfechtungstatbestand wird vorausgesetzt, dass ein Vertragspartner durch arglistige Zusicherung oder arglistiges Verschweigen von für den Vertragsschluß wesentichen Fakten zum Abschluss der Vereinbarung veranlasst worden ist. Beispiel:

Um seinen Betrieb verkaufen zu können, „frisiert“ ein Unternehmer die Bilanzen der letzten Jahre, behauptet einen nicht vorhandenen Auftragsbestand von mehreren Monaten und verweist auf seinen großen Kundenstamm, obwohl zuletzt Geschäftsbeziehungen wegen mangelhafter Leistungen abgebrochen worden sind. Der Betriebsnachfolger stellt all dies kurze Zeit nach Vertragsabschluss fest.

Der Unternehmenskäufer kann anfechten gem. § 123 Abs. 1 BGB.

50

5.4.4 Anfechtungsfrist Eine Irrtumsanfechtung muss gem. § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erklärt bzw. abgesandt werden. Es wird eine Überlegungsfrist zugebilligt, die Obergrenze für die Anfechtungsfrist ab Kenntnis der wesentlichen Umstände liegt aber bei 2 Wochen. Anders aber im Falle der arglistigen Täuschung, hier hat der Getäuschte gem. § 124 BGB ab Kenntnis ein Jahr Zeit. 5.4.5 Anfechtungsfolge Die durch Irrtum oder Täuschung zustande gekommene Willenserklärung gilt zunächst, bis sie durch „Anfechtung“ vernichtet wird. Als Rechtsfolge der Anfechtung wird das Geschäft gem. § 142 Abs. 1 BGB mit Rückwirkung als von Anfang an nichtig angesehen. Der Regelfall der anfänglichen Nichtigkeit führt zu einer Rückabwicklung, also zur Rückgabe der gegenseitig ausgetauschten Leistungen. Nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechtes müssen auch erhaltene Nutzungsvorteile entschädigt werden. Durch die wirksame Anfechtung entstehen Schadensersatzansprüche: (01)

Wenn aufgrund seines Irrtum der Erklärende wirksam anfechten kann, schuldet er dem anderen Vertragspartner den Vertrauensschaden (sog. negatives Interesse).25

(02)

Kann der arglistig Getäuschte wirksam anfechten, hat er Anspruch auf Befreiung von der Vertragspflicht und auf Ersatz seines gesamten Schadens, er ist zu stellen, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre (sog. positives Interesse).25

5.4.6 Kein Anspruch bei Kenntnis Ein Schadensersatzanspruch als Folge der Irrtumsanfechtung ist ausgeschlossen, wenn der „geschädigte“ Erklärungsempfänger gem. § 122 Abs. 2 BGB den Irrtum kannte oder hätte erkennen müssen.

25

Erläuterung im vierten Abschnitt in Ziff. 11.5 Geschützte Interessen

51

5.4.7 Gesamtnichtigkeit § 139 [Teilnichtigkeit] BGB formuliert die Vermutung, das ganze Rechtsgeschäft sei nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen würde. Die Vermutung des § 139 BGB gilt, ungeachtet ob ein Formverstoss gegen das gesetzliche oder gewillkürte Schriftformerfordernis vorliegt, gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen wurde, ob das Rechtsgeschäft wegen Irrtums oder Täuschung angefochten wird. § 139 BGB enthält aber auch eine Auslegungsregel. Diejenige Vertragspartei, die sich darauf beruft, das Geschäft wäre nach übereinstimmendem Willen auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden, trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast.26 5.5

Verschulden bei Vertragsabschluss

5.5.1 Vertragsähnliches Vertrauensverhältnis Zwar entstehen durch Vorverhandlungen keine Vertragspflichten im Sinne primärer Leistungspflichten, jedoch beiderseitige Verhaltenspflichten (Sorgfaltspflichten) zur gegenseitigen „Rücksicht, Fürsorge und Loyalität“, deren Verletzung zur Haftung aus culpa in contrahendo (Abkürzung cic) = Verschulden bei Vertragsverhandlung führen kann. Derjenige, der gegen solche Verhaltenspflichten verstößt, haftet sozusagen für enttäuschtes Vertrauen im Rahmen gesteigerter sozialer Kontakte. 5.5.2 Gesetzliche Regelung Es handelt sich um einen durch Rechtsfortbildung entwickelten Grundsatz, der jetzt in §§ 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB formuliert worden ist. 5.5.3 Anspruchsvoraussetzungen Die Haftung aus cic ist unabhängig davon, ob ein Vertrag zustande kommt oder nicht, weswegen zwei Fallgestaltungen denkbar sind: (01)

26

Es kommt ein Vertrag zustande, der vom Zweck her fehlschlägt, weil der Geschädigte Vertragspartner bei der Anbahnung schuldhaft falsch beraten wird.

Schulze/Dörner u.a. Rn. 13 zu § 139 BGB

52

Beispiel:

(02)

Eine Firma will die Buchhaltung auf EDV umstellen. Der beratende Anbieter schlägt Hard- und Software zur Problemlösung vor, mit Leistungszusagen, die in der Praxis von der EDVAnlage nicht an nähernd erreicht werden können.

Es kommt kein Vertrag zustande, obwohl der Verhandlungspartner in zurechenbarer Weise Vertrauen in das Zustandekommen eines Abschlusses erweckt hat, dann aber ohne triftigen Grund die Verhandlungen abbricht oder einräumen muss, dass auf seiner Seite der Erfüllung unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen27.

Beispiel:

Ein Grundstückseigentümer veranlasst einen Bauträger zur Planung für die Bebauung seines Grundstückes. Dabei versichert der Eigentümer gegenüber dem Bauträger, die Fragen der Bebaubarkeit und Genehmigungsfähigkeit seien geklärt, obwohl ihm längst bekannt ist, dass für sein Grundstück ein Bauverbot gilt.

5.5.4 cic und Anspruchskonkurrenz Bis zum Zeitpunkt eines Vertragsabschlusses hat der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, der den Erfüllungsschaden einschließt, von ihm aber nicht begrenzt wird.27a Kommt durch Verschulden bei Vertragsverhandlung aber ein Vertrag zustande, gelten ab diesem Zeitpunkt die vertragstypischen Sachmängelhaftungs- und Schadensersatzansprüche, z.B. aus Dienst-, Kauf-, Mietoder Werkvertrag.

27

Zur Pflicht des Grundstückseigentümers, sich vor Abschluss eines Vertrages mit dem Architekten oder Unternehmer selbst über die Bebaubarkeit zu informieren, BGH in VersR 1972, 457 27a Schulze/Dörner u.a. Rn. 26 zu § 311 BGB

53

Vierter Abschnitt Schuldverhältnis und Vertragsstörungen 1.

Schuldverhältnis

1.1 Begriff des Schuldverhältnisses In § 311 Abs. 1 BGB heißt es lapidar, zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung... ist ein Vertrag erforderlich. Das Schuldverhältnis ist eine durch Vertrag begründete Rechtsbeziehung zwischen mindestens 2 Personen zum gegenseitigen Leistungsaustausch. Vertrag und Rechtsgeschäft sind nicht identisch, ein Rechtsgeschäft kann aus mehreren Verträgen bestehen. 1.2 Inhaltliche Bestimmheit Die wesentlichen Elemente des Vereinbarungsinhaltes müssen ausreichend bestimmt oder zumindest mit Hilfe gesetzlicher Vorschriften oder Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) bestimmbar sein. 1.3 Grundlage der Vertragstypen Auf den Grundlagen der §§ 311 [Rechtsgeschäftliche... Schuldverhältnisse] und 241 [Pflichten aus dem Schuldverhältnis] BGB bauen die einzelnen Vertragstypen auf, der Kaufvertrag in §§ 433 ff., Mietvertrag gem. §§ 535 ff., Dienstvertrag in §§ 611 ff. und der Werkvertrag gem. §§ 631 ff. BGB, ebenso die durch Rechtsfortbildung geschaffenen Mischformen wie Factoring-, Giro- und Leasingverträge. 1.4 Leistungspflicht Der Begriff Schuldverhältnis klärt „aus sich heraus“ nicht, ob die Leistung sich nur bezieht auf die Vornahme der geschuldeten (Leistungs-)Handlung wie beim Dienstvertrag

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oder zusätzlich auf das geschuldete Ergebnis der Leistungshandlung (den Leistungserfolg)28 wie beim Werkvertrag. Beispiel:

Der Nachhilfelehrer (Dienstleister) genügt seiner Leistungspflicht, wenn er sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Verbesserung der Sprachkenntnisse des Nachhilfeschülers bemüht, dieser aber trotzdem am Jahresende nicht versetzt wird; der Dachdecker (Werkvertrag) muss auftragsgemäß das Dach abdichten. Es genügt es nicht, sich darauf zu berufen, er habe vergeblich die anerkannten Regeln der Bautechnik eingehalten.

1.5 Obliegenheiten Unter einer Obliegenheit versteht man das Rechtsgebot, in eigenem Interesse tätig zu werden, sie ist keine Verpflichtung. Dem Träger der Obliegenheit steht ihre Wahrung frei, er hat jedoch die Folgen der Nichtbeachtung zu tragen, auch wenn der „Vertragsgegner“ die Erfüllung der Obliegenheit rechtlich nicht verlangen kann.29 Beispiele. Obliegenheiten sind z.B. die Gebote, in der Kfz-Haftpflicht einen Unfall binnen Wochenfrist der Versicherung zu melden oder beim beiderseitigen Handelsgeschäft als Empfänger offenkundige Sachmängel der Lieferware unverzüglich zu rügen. Wird die Obliegenheit versäumt, verschlechtert sich die Rechtsstellung des Säumigen, er kann Rechte verlieren.

28 29

Schulze/Dörner u.a. Rn. 9 zu § 241 BGB Köbler, Stichwort Obliegenheit

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2.

Pflichtverletzung

2.1. Begriff der Pflichtverletzung Die Schuldrechtsreform hat zur weitgehenden Anpassung an die Grundsätze des europäischen Vertragsrechts sowie des UN-Kaufrechts und damit zu einer Vereinfachung geführt. Dies betrifft im Recht der Leistungsstörungen vor allem die Einführung des einheitlichen Tatbestandes der Pflichtverletzung mit der Folge einer Schadensersatzpflicht (§ 280 BGB) nach dem Muster des UN-Kaufrechts (CISG) mit dem Kernbegriff der Vertragsverletzung...30 Ziel war es dabei, einen Gesetzestatbestand zu schaffen, der alle Formen der Leistungsstörung, also die Verletzung von Haupt- und Nebenleistungspflichten sowohl aus gesetzlichen als auch aus vertraglichen Schuldverhältnissen umfasst. 2.2. Arten der Pflichtverletzung § 280 BGB gilt deshalb für die (01)

Nichtleistung, der Schuldner liefert die bestellte Ware überhaupt nicht;

(02)

verzögerte Leistung, der Schuldner liefert die bestellte Ware mit Verzug;

(03)

Schlechtleistung, der Schuldner liefert eine mangelhafte Ware;

(04)

Verletzung von Schutzpflichten.

Beispiele: Der beauftragte Flaschner zerstört während seiner Arbeiten fahrlässig eine Fensterscheibe (Haftung aus vertraglichem Anspruch); der Erbe muss dem Vermächtnisnehmer eine kostbare chinesische Vase herausgeben, die er für den Transport fahrlässig so 30

Schulze/Dörner u.a. Rn 9 vor §§ 241 – 853 BGB

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schlecht verpackt, dass sie unterwegs zerbricht (Haftung auf gesetzlicher Grundlage aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823ff. BGB). 2.3 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung § 280 BGB Die §§ 280 ff. BGB regeln die Rechte des Bestellers als (Leistungs-)Gläubigers gegen den Schuldner. § 280 BGB ist die zentrale Haftungsgrundlage für Schadensersatzansprüche, sein Abs. 1 lautet, Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gäubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Das gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Mit Fettschreibung soll der Unterschied zwischen objektiver Pflichtverletzung und verschuldeter Pflichtverletzung hervorgehoben werden: Erst wenn zur Pflichtverletzung als objektive Vertragwidrigkeit zusätzlich ein Vertretenmüssen, also wenigstens fahrlässiges Verschulden hinzu kommt, entsteht neben oder anstatt dem Nachleistungsanspruch ein Schadensersatzanspruch. Deshalb verweisen § 280 Abs. 2 und 3 BGB auf die zusätzlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches. 2.4 Schadensersatz statt der Leistung §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 und 2 BGB stellen für den Schadensersatzanspruch neben der Pflichtverletzung und dem Verschulden eine weitere Tatbestandsvoraussetzung auf. Der Grundsatz lautet ...kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat... Salopp spricht man vom „Prinzip der zweiten Chance“. Wer schuldhaft verzögert oder mangelhaft leistet, soll gleichwohl einen angemessenen Zeitraum erhalten, dieses Vertragsdefizit auszugleichen. Gem. § 281 Abs. 2 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.

57

2.5 Angemessene Fristsetzung Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit wird vom Gesetz nicht erläutert. Sie richtet sich einzelfallorientiert nach der beiderseitigen Interessenlage. Die Frist soll ausreichen, dass der Schuldner eine schon begonnene Leistung fertigstellen kann, sie muss aber nicht so lange sein, dass der Lieferant eine noch gar nicht begonnene Leistung rechtzeitig nachholen kann. Beispiele: Bei seriell gefertigten, möglicherweise auf Lager gehaltenen beweglichen Sachen ohne hohen technischen Anspruch wird die Frist wesentlich kürzer sein, als wenn an einem Bauwerk unter schwierigen bauphysikalischen Bedingungen die mangelhafte Schalldämmung in Ordnung gebracht werden muss. Bestimmt der Gläubiger eine zu kurze Frist zur Nacherfüllung, wird dadurch eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. Eine Ablehnungsandrohung für den Fall des vergeblichen Fristablaufs muss nicht mehr gesetzt werden. Unterbleibt aber eine Fristsetzung, entsteht wegen Schuldnerbenachteiligung kein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. 2.6 Begriff der Nacherfüllung Auch dieser Begriff bzw. Anspruch ist durch die Schuldrechtsreform in Anlehnung an das UN-Kaufrecht eingeführt worden. Die Nacherfüllung wird z.B. in den §§ 281 [Schadensersatz] Abs. 1 BGB, 323 [Rücktritt] Abs. 1, Kaufvertrag in § 439 und beim Werkvertrag in § 635 BGB geregelt. Der Anspruch auf Nacherfüllung ist „verschuldensfrei“, es handelt sich um einen modifizierten Erfüllungsanspruch, dessen Voraussetzung nur eine vorangehende objektiv pflichtwidrige Erfüllungshandlung ist. Als Nacherfüllung wird alternativ Mangelbeseitigung oder Lieferung einer mangelfreien Sache bzw. Neuherstellung eines mangelfreien Werkes geschuldet.

58

2.7 Reaktion des Gläubigers Es geht um Dienst-, Kauf- und Werkvertrag als gegenseitige Verträge: Hier findet ein Austausch von Leistung (Dienst, Kaufsache oder Werk) und Gegenleistung (Vergütung, Kaufpreis oder Werklohn) statt. (01)

§§ 323, 324 und 326 BGB regeln insbesondere durch Rücktritt das Schicksal der Gegenleistung des Gläubigers gegenüber dem vertragsuntreuen Schuldner.

(02)

Als Voraussetzung genügt die Versäumung einer Nebenpflicht, die Verletzung einer Hauptpflicht ist nicht erforderlich.

(03)

Als sinnvolle Neuerung der Schuldrechtsreform läßt § 325 BGB im gegenseitigen Vertrag auf Gläubigerseite kumulativ den Rücktritt vom Vertrag und die Geltendmachunbg von Schadensersatzansprüchen zu.

Beispiel:

Das begonnene Bürogebäude hat Baumängel, zudem stellt der Bauunternehmer seine Arbeiten ein. Nach Verstreichen einer angemessenen Frist zur Mangelbeseitigung und Fortführung der Arbeiten erklärt der Auftraggeber den Rücktritt vom Vertrag und macht später die Mehrkosten, die der Folgeunternehmer berechnet, als Schadensersatz geltend.

Das alte BGB enthielt die unbefriedigende Alternative, den Rücktritt erklären oder Schadensersatz fordern zu können. 3.

Gläubigerverzug

3.1 Begriff Der Annahme- oder Gläubigerverzug ist geregelt in den §§ 293 ff. BGB. Er liegt vor, wenn der Gläubiger einer Leistung sich weigert, die vom Lieferanten fristgemäß angebotene Ware abzunehmen. Die Abnahme einer Leistung, hier der bestellten Sache, ist keine Hauptpflicht (dies wäre die Bezahlung der vereinbarten Vergütung), sondern in der Regel eine vertragliche Nebenpflicht.

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Beispiel:

Lieferant und Einkäufer vereinbaren, dass EK die Ware am 28.09. bei L abzuholen und zu bezahlen hat. Obwohl ihm L die Bereitstellung am 21.09. mitteilt, wird sie von EK nicht abgeholt, trotz Mahnung durch L auch nicht bis 15.10. EK meint, die Abholung der Ware sei keine vertragliche Hauptpflicht, ohne Abnahme müsse er deshalb den Kaufpreis nicht bezahlen?

3.2 Zahlungsklage Der Schuldner der Lieferungsleistung und gleichzeitig Gläubiger des Zahlungsanspruches (Gegenleistung) kann nach unbegründeter Abnahmeverweigerung auf Zahlung klagen. Im Rechtsstreit wird als Vorfrage geklärt, ob der Gläubiger der Warenlieferung die Annahme verweigern durfte oder dies zu Unrecht getan hat. 4.

Unmöglichkeit

4.1 Unmöglichkeit der Leistung § 275 BGB Sie ist geregelt im neuen § 275 [Ausschluß der Leistungspflicht] BGB als Grundnorm. 4.2 Regelungsumfang Die Vorschrift erfasst nunmehr alle denkbaren Sachverhalte, nämlich die (01)

anfängliche Unmöglichkeit;

(02)

nachträgliche Unmöglichkeit;

(03)

subjektive Unmöglichkeit, der Schuldner (Lieferant) kann nicht leisten. Aber auch in seiner Person muss eine echte/wirkliche Unmöglichkeit vorliegen;

Beispiel:

60

Ein Unternehmer, der Gummiwalzen herstellt, kann einem Abnehmer Andruckwalzen für Schreibmaschinen nicht liefern, weil er mit seinen alten Bearbeitungsmaschinen die Maßtoleranz nicht einhalten kann, die als maximal vereinbart wurden.

Es liegt ein Organisationsverschulden des Unternehmers vor, er schuldet Nacherfüllung, eventuell Schadensersatz, er kann sich nicht auf eine schuldbefreiende Unmöglichkeit berufen. (04)

objektive Unmöglichkeit, die Leistung ist für jedermann unmöglich, praktisch eher selten und nur beim Stückkauf denkbar;

Beispiel:

(05)

praktische (faktische) Unmöglichkeit, der Leistungsaufwand des Schuldners (Lieferanten) steht in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers (Bestellers);

Beispiel: (06)

Der goldene Ring liegt mehrere 100 Metern tief im Meer.

Unzumutbarkeit, wenn die Leistung persönlich erbracht werden muss;

Beispiel:

(07)

Ein Unikat, z.B. ein Kunstwerk, wird nach Verkauf aber vor Lieferung durch einen Brand zerstört.

Der für ein Seminar verpflichtete Dozent weigert sich, sein Referat zu halten, weil ein nahes Familienmiglied lebensgefährlich erkrankt ist oder verletzt wurde.

unverschuldete und verschuldete Unmöglichkeit.

4.3 Voraussetzungen Das neue Schuldrecht hat die komplizierte Unterscheidung verschiedener Unmöglichkeitsgründe aufgegeben. Es sind nur noch zwei Fragen zu prüfen: (01)

Ist die vertraglich geschuldete Leistung (objektiv) unmöglich? Ist sie für den Schuldner schlechthin unmöglich, wird er von seiner Hauptleistungspflicht befreit.

(02)

Ist die Unmöglichkeit vom Schuldner (fahrlässig oder vorsätzlich) zu vertreten?

61

Die Antwort ist Maßstab für Ansprüche gegen den Schuldner, z.B. für eventuelle Schadensersatzansprüche. 4.4 Rechtsfolgen Danach ist der Gläubiger berechtigt, (01)

vom Vertrag zurückzutreten (ohne Verschulden) und/oder

(02)

Schadensersatz (bei Verschulden) zu fordern oder

(03)

anstelle des Schadensersatzes für seine vergeblichen Aufwendungen Ersatz zu verlangen.

Trotz der Unmöglichkeit bleibt der abgeschlossene Vertrag wirksam, jedoch ist je nach Sachverhalt der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen (Variante § 275 Abs. 1 BGB) bei der echten Unmöglichkeit, während in den Fällen der Unzumutbarkeit aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen (Varianten § 275 Abs. 2 und 3 BGB) ein Leistungsverweigerungsrecht besteht, das durch Erhebung einer Einrede ausgeübt werden muss. Unter den Voraussetzungen des neuen § 311a [Leistungshindernis bei Vertragsschluß] Abs. 2 BGB kann der Gläubiger (Besteller) Schadens- oder Aufwendungsersatz fordern. 4.5 Auswirkung auf die Gegenleistung Als Grundsatz gilt, dass bei Unmöglichkeit der Leistung/Lieferung gem. § 326 Abs. 1 BGB auch die Gegenleistung entfällt, also der Gläubiger (Besteller) z.B. den vereinbarten Kaufpreis oder Werklohn nicht bezahlen muss.

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5. Schuldnerverzug 5.1 Vorbemerkung In Ergänzung von § 280 regelt § 286 BGB den Verzug des Schuldners. § 286 Abs. 3 BGB regelt den Sonderfall, dass der Schuldner einer Entgeltforderung nicht rechtzeitig zahlt. Durch § 286 Abs. 4 ist geklärt, dass die Verzögerung einer Leistung, die der Schuldner nicht zu vertreten hat, keinen Verzug begründet. 5.2 Verzugseintritt durch Mahnung Bloßer Zeitablauf oder das Verstreichen einer einseitig vom Gläubiger erklärten Fristvorgabe begründet keinen Verzug. Ohne vereinbarten Liefertermin sind gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB Voraussetzungen des Leistungsverzuges kumulativ: (01)

Der Anspruch auf eine noch erbringbare Leitung wurde nicht erfüllt,

(02)

die Leistung des Schuldners ist bereits fällig und

(03)

der Gläubiger spricht eine Mahnung aus.

Eine Mahnung muss nicht so bezeichnet werden, jedoch aus ihrer Formulierung heraus als solche unmissverständlich sein. Sinnvoller Weise ist eine angemessene Frist zur Nachholung der Leistung zu setzen. Ohne „bemessene“ Frist wird eine angemessene in Lauf gesetzt. 5.3 Verzugseintritt durch gerichtliche Maßnahmen Dem Zugang einer Mahnung stellt § 286 Abs. 1 Satz BGB die Zustellung einer Klage oder eines Mahnbescheides gleich. 5.4 Verzugseintritt ohne Mahnung Einer Mahnung bedarf es nur dann nicht, wenn gem. § 286 Abs. 2 BGB insbesondere der Leistungszeitpunkt kalendarisch bestimmt ist oder der Schuldner die Leistung schon ernsthaft verweigert hat.

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5.5 Verschulden und Haftungsumfang § 286 Abs. 4 BGB stellt klar, dass kein Verzug eintritt, so lange der Schuldner die verspätete Leistung nicht zu vertreten hat. Auf den Verzugsschaden wegen Leistungsverzögerung sind die §§ 280 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 286 BGB anzuwenden. Für andere Verzugsfolgen wie Haftungsverschärfung und Verzugszinsen kommt unmittelbar § 286 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 287, 288 BGB zur Anwendung. Zum Verzugsschaden gehören z.B. auch die Rechtsverfolgungskosten, die eine Vertragspartei aufwenden muss, um die verspätete Lieferung oder Zahlung zu bewirken. 5.6 Fixtermin Beim Fixgeschäft ist wesentlicher Vertragsinhalt die Erfüllung zu einem bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist. Das Geschäft „steht oder fällt“ mit der Einhaltung der Leistungszeit, obwohl dem Schuldner eine nachträgliche Leistungserbringung möglich wäre. Der Zeitpunkt kann durch entsprechende Klauseln wie „genau, fix, präzise“ bestimmt werden, aber auch stillschweigend, wenn durch die Art des Geschäfts der Charakter als Fixgeschäft offenbar wird. Beispiele sind (01)

Anforderung eines Taxis zum Flughafen,

(02)

Lieferung von Weihnachtsartikeln oder

(03)

Bestellung von Gegenständen, wenn der Vertragspartner weiß, dass sie zu Beginn einer Messe benötigt werden.

5.7 Mitwirkungspflichten des Gläubigers Der Leistungsschuldner (Lieferant) kann sich in speziellen Sachverhalten gegenüber dem Besteller auf dessen verzugshemmende Mitwirkungspflicht berufen, gesetzlich z.B. geregelt in §§ 642, 643 BGB. Beispiel:

L schuldet Käufer K ein EDV-System, bestehend aus Hard- und Software mit Leistungsdokumentation (Handbuch). Die EDV hatte L am 15.05. bis auf das Handbuch geliefert.

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L lässt eine Nachfrist bis 31.05. verstreichen und wendet im Prozess ein, trotz mehrfacher Aufforderung habe K unstreitig die Kontenrahmen und Provisionsstaffeln nicht mitgeteilt, zudem Formularentwürfe nicht freigegeben. Ohne die Mitwirkungshandlung von K habe L Software und Handbuch nicht fertigstellen können, also sei kein Verzug eingetreten. Will der Schuldner für eine Verzögerung seiner Leistung nicht unter Verzugsgesichtspunkten haften, muss er darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat. Ein Argument können auch für die Leistungserfüllung erforderliche, aber vom Auftraggeber nicht erfüllte Mitwirkungspflichten sein. Der Lieferant beruft sich hier begründeterweise darauf, dass er ohne Mitwirkung des Einkäufers seine Vertragsleistung nicht fertigstellen könne. Der Lieferant befindet sich nicht in Leistungsverzug, da er diesen Umstand nicht schuldhaft zu vertreten hat. 5.8 Gläubigerrechte im gegenseitigen Vertrag Auch beim Schuldnerverzug kommen die §§ 323, 325 und 326 BGB zur Anwendung, in denen die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht des Bestellers (Gläubigers) und seine Befreiung von der eigenen Zahlungsverpflichtung geregelt werden. 6.

Zahlungsverzug

6.1 Gesetzlicher Verzugsbeginn Üblicherweise werden in gewerblichen Verträgen die Zahlungsmodalitäten vereinbart. Auch bei Geldschulden kann nach Fälligkeitseintritt durch Mahnung Verzug begründet werden. Ohne Vereinbarung gilt für Entgeltforderungen zusätzlich § 286 Abs. 3 BGB. Zwischen Unternehmern gerät der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet.

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Durch den Begriff Entgeltforderung wird klargestellt, dass die gesetzliche Verzugsregelung nur auf Geldforderungen zur Vergütung einer Leistung, in der Regel also auf eine Kaufpreis- oder Werklohnforderung anzuwenden ist. Nicht unter diese Vorschrift fallen Schadensersatzansprüche (streitig), Zahlungsansprüche als Folge eines Rücktritts und der Anspruch auf Herausgabe von Geld aus Geschäftsbesorgung oder Treuhand. 6.2 Mahnung in Versform Juristen wird als prägender Charakterzug Humorlosigkeit nachgesagt. Ein Richter am LG Frankfurt hat im Streit über die Wirksamkeit einer in Versen ausgesprochenen Mahnung mit seinem Urteil das Gegenteil bewiesen: Leitsatz: Auch eine Mahnung in Versen begründet Verzug; Der Gläubiger muss nur deutlich genug darin dem Schuldner sagen, das Ausbleiben der Leistung werde Folgen haben. Tatbestand und Entscheidungsgründe: Maklerlohn begehrt der Kläger mit der Begründung, dass nach reger Tätigkeit er dem Beklagten Räume nachgewiesen, die behagten. Nach Abschluss eines Mietvertrages habe er seine Rechnung eines Tages dem Beklagten übersandt; der habe darauf nichts eingewandt. Bezahlt jedoch habe der Beklagte nicht. Deshalb habe er an ihn ein Schreiben gericht’: „Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst! Sie werden’s oft am eigenen Leib verspüren. Man will das Geld, doch will man auch die Gunst des werten Kunden nicht verlieren. Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch, ein kurz’ Gesuch bei Ihnen einzureichen:

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Sie möchten uns, wenn möglich heute noch, die unten aufgeführte Schuld begleichen“... Trotz vordergründiger Heiterkeit fehlt es hier nicht an Ernstlichkeit...31 6.3 Verzugszinsen Die Vorschrift des § 288 BGB bestimmt als Verzugszins 5 bzw. 8 Prozentpunkte über Basiszins, je nachdem, ob ein Unternehmer oder eine Privatperson (Verbraucher) Schuldner ist. Es kann aber z.B. auf Grundlage einer Bankbestätigung ein höherer als der gesetzlich geschuldete Zinssatz gefordert werden. 7.

Mangelhafte Leistung

7.1 Vorbemerkung Es werden die Grundzüge der Sachmängelhaftung dargestellt, die Rechtsmängel im Kaufrecht abgehandelt. 7.2 Begriff des Sachmangels Die Störung liegt in einer mangelhaften Dienst- oder Werkleistung oder in der Übergabe einer mangelhaften Kaufsache. Der Fehlerbegriff als Voraussetzung für Ansprüche aus Sachmängelhaftung in Kauf- und Werkverträgen wird definiert als Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit. Die Sollbeschaffenheit ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung, die Istbeschaffenheit ist Ergebnis der sorgfältigen Wareneingangskontrolle. In § 434 BGB wird der Begriff des Sachmangels erweitert auf nichteingehaltene Werbungszusagen, die vereinbarte, aber unterlassene Montage oder die mangelhafte Montageanleitung. Übernommen aus dem gestrichenen § 378 HGB wurde als Sachmangel im Kaufrecht die Lieferung einer falschen Sache (sog. aliud) oder einer Fehlmenge, beide im neuen § 434 Abs. 3 BGB. 31

LG Frankfurt in NJW 1982, 650, gekürzt

67

7.3 Rechtsfolgen Leistungsmängel begründen Nacherfüllungs- und unter zusätzlichen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche. Diese Mangelfolgen sind bei den Vertragstypen gesetzlich geregelt, sie werden beim Kaufvertrag vertieft. 8.

Positive Vertragsverletzung

8.1 Vorbemerkung Es gab bisher einen gesetzlich ungeregelten Bereich solcher Pflichtverletzungen, die nicht unter die allgemeinen Leistungsstörungen (Unmöglichkeit oder Verzug) und die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften fielen. Angesprochen sind die Fälle nur fahrlässiger Schlechtleistung oder, ähnlich wie bei der cic, die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten. 8.2 Gesetzliche Regelung Wie der Rechtsgedanke der cic ist auch die positive Vertragsverletzung als Folge einer gesetzlichen Regelungslücke von der Rechtsprechung entwickelt worden. Jetzt ist die positive Vertragsverletzung (PVV) im neuen § 241 Abs. 2 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 BGB formuliert. Beispiel:

EK und Lieferant schließen eine Qualitätssicherungsvereinbarung mit Informationspflicht bei Produktänderungen. Aus Anlaß einer Änderung findet bei L eine Auditierung statt. EK erfährt dabei Geschäftsgeheimnisse von L, die er einem Wettbewerber mitteilt. L erklärt, durch die Verletzung der vereinbarten Geheimhaltung sei das Vertrauensverhältnis zerstört.Nach Treu und Glauben sei ihm eine Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten. L verweigert die weitere Vertragsdurchführung und fordert von EK Schadensersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages einschließlich des entgangenen Gewinns?32

32

Reese/Spohrer, 43

68

Aufgrund des Vertrauensverlustet kann der Lieferant die Vertragsdurchführung verweigern und Schadensersatz einschließlich des entgangenen Gewinns verlangen. 9.

Störung der Geschäftsgrundlage

9.1 Unzumutbare Änderung Der Grundsatz der Vertragseinhaltung wird durchbrochen, wenn sich die Vertragslage nach Abschluss durch den Eintritt nicht vorhersehbarer Tatsachen so nachhaltig ändert, dass ein Festhalten am ursprünglichen Vertragsinhalt missbräuchliche Rechtsausübung wäre. 9.2 Begriff der Geschäftsgrundlage Geschäftsgrundlage ist die gemeinsame Vorstellungen, welche die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages vom Vorhandensein oder vom künftigen Eintritt bestimmter Umstände hatten. Die Erwartung muss so selbstverständlich sein, dass eine Formulierung als Vertragsinhalt unterblieben ist. 9.3 Gesetzliche Neuregelung Auch das Institut der Geschäftsgrundlage war bisher gesetzlich nicht geregelt, es ist wie cic und PVV von Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelt worden. Zu unterscheiden war und ist zwischen der Änderung und dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die gesetzliche Neuregelung befindet sich in § 313 [Störung der Geschäftsgrundlage] BGB. 9.4 Rechtsfolge Vorrangiges Ziel der Vertragsparteien bei Störung der Geschäftsgrundlage muss Vertragsanpassung sein. Deshalb führt der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht grundsätzlich zur Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht. Nur wenn gem. § 313 Abs. 4 BGB eine Anpassung nicht möglich nicht zumutbar ist, so kann der benachteiligte Geschäftspartner vom Vertrag zurücktreten. Beispiel:

Der Hersteller verpflichet sich zur Lieferung von aus Metalllegierungen zu fertigenden Behältern. Durch eine anhaltende Nachfrageerhöhung am Weltmarkt „explodieren“ die Einkaufspreise für die erforderlichen Rohmaterialien auf ein Mehrfaches dessen, was sich die Vertrags-

69

parteien in Kenntnis der damals aktuellen Preise vorgestellt haben. Der Lieferant zahlt bei jeder abgerufenen Lieferung „drauf“. Nachdem der Auftraggeber in Verhandlungen eine Erhöhung des Verkaufspreises abgelehnt hat, erklärt der Lieferant den Rücktritt vom Vertrag; ein Textilunternehmen mietet Räumlichkeiten als Lager und Showroom für seine Kollektionen an. Nach Jahren erfolgreicher Tätigkeit entscheidet sich die Firma wegen eines Umsatzrückganges zur Betriebsaufgabe. Das Unternehmen schreibt dem Vermieter, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage werde das Mietverhältnis gekündigt. Der Metallwaren-Lieferant beruft sich rechtens auf § 313 BGB, die Textilfirma versucht rechtsgrundlos ihre unternehmerische Entscheidung über die Geschäftsgrundlage zu begründen. 10.

Vertragsstrafe

Die Überschreitung des vereinbarten Leistungszeitpunktes/der Leistungsfrist, z.B. von Ausführungsfristen gem. § 5 Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB Teil B) kann einen Anspruch auf Vertragsstrafe auslösen. Der Anspruch ergibt sich nicht aus Gesetz, er muss vereinbart werden. (01)

Die vereinbarte Vertragsstrafe muss eindeutig und unmissverständlich sein. Erfolgt sie in AGB, z.B. durch Anrechnung eines anteiligen Betrages pro Tag der Verzögerung aus dem Vertragspreis, ist eine Begrenzung der Höhe nach erforderlich. Vertragsstrafen als Druckmittel zur Einhaltung vereinbarter Ausführungsfristen werden häufig in Bauwerkverträgen festgelegt, entsprechend häufig muss die Rechtsprechung über Streitigkeiten aus Vertragsstrafenabreden entscheiden.

Beispiel:

70

Nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass eine Vertragsstrafe von 0,25 % pro Tag der Fristüberschreitung und insgesamt maximal 5 % aus der Auftragssumme wirksam vereinbart werden kann.

Die für das Baurecht entwickelten Grundsätze können auf Vertragsstrafen im Handels- und Handelsvertreterrecht übertragen werden. (02)

Nach Gesetz muss bei der Abnahme einer Leistung der Anspruch, die Vertragsstrafe geltend machen zu wollen, ausdrücklich vorbehalten werden.

(03)

Die Vertragsstrafe ist auf einen eventuellen höheren Schadensersatzanspruch des Gläubigers wie ein „Sockelbetrag“ anzurechnen.

11.

Schadensersatz

11.1 Funktion des Schadensersatzes Die Zielsetzung des deutschen Schadensersatzrechtes lässt sich in drei Aussagen zusammenfassen: Die Leistung von Schadensersatz (01)

durch Wiederherstellung (Naturalrestitution) oder Geldzahlung, soll dem Geschädigten entstandene Nachteile ausgleichen;

(02)

hat im deutschen Recht keinen Strafcharakter33;

(03)

soll keine Bereicherung des Geschädigten bewirken.

11.2 Ursache und Verschulden Der Schadensersatzanspruch wird durch die ursächliche (kausale), schuldhafte und rechtswidrige Verletzung eines geschützten Rechtsgutes ausgelöst, sei es durch ein Handeln oder Unterlassen des Schädigers. Beispiel:

Der Schädiger haftet für die Körperverletzung als Folge des unterlassenen Sicherheitshinweises zur Bedienung seiner neu gelieferten Stanzmaschine, nicht aber dafür, dass anschließend dem Arzt ein Behandlungsfehler unterläuft.

Die Verletzung selbst ist „adäquat kausal“, beim ärztlichen Fehler handelt es sich um keinen vorhersehbaren Geschehensablauf. 33

Anders in den USA, wo der Schädiger zusätzlich zum Schadensausgleich mit einer Art Strafschadensersatz, den sog. punitive damages, belegt werden kann. Diese finanzielle Strafe, die auch potenzielle Nachahmer warnen soll, ist häufig um ein Mehrfaches höher als die eigentliche Kompensationszahlung

71

11.3

Art und Umfang des Schadensersatzes

11.3.1 Naturalrestitution Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Ersatzerpflichtete den ursprünglichen Zustand vor dem schädigenden Ereignis wieder herzustellen. 11.3.2 Geldersatz Gem. § 249 Abs. 2 BGB kann wegen Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache der Geschädigte statt dessen den zur Herstellung erforderlichen Geldersatz verlangen. Schadensersatz durch Geldzahlung ist praktisch der Regelfall. 11.3.3 Schmerzensgeld Seit der Schadensersatzreform von 2002 gibt § 253 BGB in den gesetzlich bestimmten Fällen auch einen vertraglichen Schmerzensgeldanspruch. Es geht um den Ersatz des immateriellen Schadens, laut § 253 Abs. 1 BGB der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist. Gemeint ist die rechtswidrig schuldhafte Beeinträchtigung des Körpers und der physischen oder psychischen Gesundheit, die einen Anspruch auf Schmerzensgeld auslösen. Die bekannteste gesetzliche Regelung dürfte die Kommerzialisierung fehlgeschlagener Urlaubsfreude im Reisevertragsrecht mit dem Schadensersatzanspruch gem. § 651aff. BGB sein. 11.4 Schadensersatz und Mitverschulden § 254 BGB regelt das Mitverschulden des Geschädigten, aufgrund dessen der Schädiger einwenden kann, er müsse nicht den vollen Schaden tragen. Mitverschulden liegt vor, wenn der Geschädigte selbst durch schuldhaft rechtswidriges Verhalten einen ursächlichen Schadensbeitrag geliefert hat, aber auch wenn er es ...unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen.

72

Beispiel:

Die Beklagte hat für ca. 28.000 DM einen EDV-Drucker von der Klägerin gekauft. Im Wartungsvertrag hat sich die Klägerin verpflichtet, alle an diesem Drucker auftretenden Funktionsstörungen zu beseitigen. Vor und nach Vertragsabschluss hat die Klägerin die Beklagte darauf hingewiesen, der Drucker sei technisch störanfällig und trotz des Wartungsvertrages die Bereithaltung eines Ersatzgerätes zur Vermeidung von Ausfällen erforderlich. Die Beklagte befolgt diesen Rat nicht. Der Drucker fällt aus, die Klägerin ist nicht in der Lage, ihn sofort funktionsfähig zu machen. Die Beklagte fordert einen Ausfallschaden von täglich 22.600 DM, den sie vertraglich ihrer Auftraggeberin erstatten müsse.34

Das OLG hat die Schadensersatzforderung der Beklagten abgewiesen, weil sie gem. § 254 BGB ein zweifaches Mitverschulden treffe. Trotz Beratung habe die Beklagte kein Ersatzgerät beschafft, was im Verhältnis zwischen Anschaffungspreis und Ausfallschaden geboten gewesen wäre, außerdem habe sie bei Abschluss des Wartungsvertrages die Klägerin nicht auf den drohenden Schaden von über 22.000 DM pro Ausfalltag hingewiesen. § 254 Abs. 2 Sarzt 1 letzter Halbsatz BGB sieht ein Mitverschulden des Geschädigten auch darin, wenn dieser zumutbare Maßnahmen zur Schadensabwendung unterlässt oder gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt. Beispiel:

Der Unfallgeschädigte muss rechtzeitig einen Arzt aufsuchen, er kann nicht zuwarten, bis sich sein Gesundheitszustand „hoffentlich“ verschlechtert. Er hat sich bei zwei gleichwertigen Reparaturmaßnahmen für die preiswertere zu entscheiden.

11.5 Geschützte Interessen Hier unterscheidet das Gesetz zwischen der Verletzung von Nebenpflichten und des Leistungsanspruches sowie zwischen direkten und mittelbaren Schäden. 34

OLG Hamm in NJW-RR 1998, S.380

73

11.5.1 Vertrauensschaden und negatives Interesse Man spricht auch vom Bestandsinteresse. Darunter wird der Anspruch des Geschädigten verstanden, dass ihm der Wert seines Vermögens erhalten bleibt. Wer ein Rechtsgeschäft wegen eines von ihm verursachten Irrtums wirksam anficht, ist dem Vertragspartner gem. § 122 BGB auch ohne Verschulden zum Schadensersatz verpflichtet. Er schuldet den Ersatz des Vertrauenschadens, das sog. negative Interesse. Die andere Partei muss so gestellt werden, als ob der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Der Schaden umfasst die vergeblich aufgewandten Vertragsabschlusskosten wie Porti, Telefon- und Reisekosten, aber auch die Nachteile durch das Nichtzustandekommen eines möglichen anderen Geschäftes. Hat der Anfechtende den Irrtum fahrlässig verschuldet, haftet er ebenso wie derjenige, der sich eine Drohung oder arglistige Täuschung zurechnen lassen muss, die zur wirksamen Vertragsanfechtung führt, aus Verschulden. Dieser Schadensersatzanspruch kann nach streitiger Auffassung auch den Erfüllungsschaden (entgangener Gewinn), umfassen. Bei Vertragsverhandlungen und im Vertragsverhältnis sind Nebenpflichten zu beachten. Die Verletzung von Aufklärungs-, Loyalitäts-, Obhuts- und Sorgfaltspflichten können Schäden verursachen und Ersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsabschluss oder positiver Vertragsverletzung begründen. 11.5.2 Erfüllungsschaden und positives Interesse Kann der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, geht es um das sog. Geschäftsinteresse. Wahrung des Geschäftsinteresses bedeutet die Verpflichtung des Schuldners, seine Hauptleistungspflicht (Herstellung, Lieferung, Zahlung usw.) ordnungs- und fristgemäß zu erbringen und das Geschäft seines Vertragspartners zu fördern. Der Gläubiger hat Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag ordnungsgemäß abgewickelt worden wäre. Ersatzfähig sind sämtliche Schäden, die sich aus dem endgültigen Ausbleiben der Leistung ergeben. Der Ersatzanspruch umfasst z.B. die Kosten eines Deckungskaufes und den entgangenen Gewinn.

74

11.5.3 Mangelschaden Darunter wird der Schaden verstanden, der darin liegt, dass der Kauf- oder der Werkgegenstand, obwohl der Mangel durch Nacherfüllung beseitigt werden kann, den Käufer bzw. Besteller im Vergleich zu einer mangelfreien Sache schlechter stellt, wie z.B. der verbleibende kaufmännische oder technische Minderwert und der erforderliche Reparaturaufwand. 11.5.4 Mangelfolgeschaden Damit wird derjenige Schaden bezeichnet, der auch durch eine ordnungsgemäße Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden kann und durch den andere Rechtsgüter als der Kaufgegenstand oder die Werksache selbst geschädigt wurden. Dazu gehören Nutzungsausfall, Gutachter- und Rechtsverfolgungskosten, Schäden an Körper und Gesundheit, an anderen Sachen, Kosten der Betriebsunterbrechung oder eines Rückrufs sowie Gewinnentgang. 11.6

Schadensberechnung

11.6.1 Konkrete Schadensberechnung Eine mögliche Feststellung, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist, erfolgt auf der Grundlage der Differenztheorie. Die Differenztheorie (Vorher-Nachher-Vergleich) ist konkret zu errechnen. Danach beziffert sich der Schaden als Subtraktion, in welcher hypothetischen Vermögenslage sich der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis befinden würde und der tatsächlichen, reduzierten Vermögenslage, die durch das Schadensereignis (zumindest mit-) verursacht worden ist35 (konkrete Schadensberechnung). 11.6.2 Abstrakte Schadensberechnung Diese Alternative bietet sich für Berechnung „gewerblicher“ Schäden an. § 252 BGB sagt dazu aus ... Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

35

BGH-Urteil in NJW 97, Seite 2378

75

Durch die abstrakte Schadensberechnung der Höhe des entgangenen Gewinns erhält der Geschädigte eine Beweiserleichterung, die durch § 287 [Schadensermittlung] ZPO ergänzt wird, wonach im Streitfalle das Gericht ...hierüber unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheidet. Das Gericht hat die Möglichkeit, zur Schadensermittlung einen Sachverständigen, z.B. einen Wirtschaftsprüfer heranzuziehen, oder wenn nach Auffassung des Gerichts ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte wie Umsatzzahlen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen aus den Vorjahren vorhanden sind und die eigene Sachkunde ausreicht, die Schadensschätzung ohne Sachverständigenbeweis selbts vorzunehmen. Der Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung ist eine Art Anscheinsbeweis, den die Rechtsprechung für die gewöhnlichen Geschäftsabläufe von Kaufleuten anerkannt hat. 11.6.3 Vorteilsausgleichung Wer als Folge vorzeitiger Vertragsbeendigung sonst anfallende Kosten nicht aufzubringen hat, wie ein bauleitender Architekt, muss sich ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen. Es gilt der Grundsatz, dass der Geschädigte nicht am Schadensfall verdienen soll. Beispiel:

Der Mieter zerstört nach neun Jahren fahrlässig einen Teppichboden. Vergleichbare Bodenbeläge haben eine Lebensdauer von zwölf Jahren. Vom neuen Teppichboden hat der Vermieter anteilige 75% selbst zu tragen.

11.6.4 Mehrwertsteuer Gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB wird die Umsatzsteuer als Teil des Schadens nur geschuldet, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Beispiel:

76

Der Verbraucher, dessen Pkw durch einen Verkehrsunfall beschädigt ist, wird aus der Reparaturrechnung auch mit der erstattungsfähigen Mehrwertsteuer belastet;

rechnet er nur auf Gutachtensbasis ohne Reparatur ab, kann er keinen Ersatz der Umsatzsteuer fordern. Der geschädigte Unternehmer, der vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann regelmäßig nur den Nettoschaden geltend machen.

77

Fünfter Abschnitt Gesetzliche Vertragstypen 1.

Kaufvertrag §§ 433 ff BGB

1.1 Vorbemerkung Im Kaufrecht hat die Schuldrechtsreform zu wesentlichen Änderungen bei der Definition des Sachmangels, der Neuregelung der Sachmängelansprüche und der Verjährung geführt. Der Verkäufer hat gem. § 433 [Vertragstypische Pflichten] Abs. 1 BGB zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Kaufvertrages drei Hauptpflichten einzuhalten. Er muss dem (01)

Käufer die Sache übergeben, ihm

(02)

das Eigentum an der Sache verschaffen und zwar

(03)

frei von Sach- und Rechtsmängeln.

Das Forderung nach Mangelfreiheit erscheint selbstverständlich, sie ist aber erst durch die Schuldrechtsreform zur Hauptpflicht des Käufers erklärt worden. 1.2 Rechtsmängel Diese Art des Mangels wird vorab behandelt, der rechtliche Schwerpunkt liegt im Sachmangelrecht. § 435 BGB definiert den Rechtsmangel. Er liegt vor, wenn Dritte Rechte an der Kaufsache haben, die deren Gebrauch beeinträchtigen können. Beispiele sind das allgemeine Persönlichkeitsrecht und Namensrechte, Vorkaufsrechte, Hypotheken und Grunddienstbarkeiten, Rechte aus Mietund Pachtverträgen, zum Thema vor allem Gebrauchsmusterschutz-, Lizenz-, Patent- und Urheberrechte. Betroffen sein können Kaufgüter wie chemische Stoffe, mechanische und

78

elektrische Geräte aus serieller Herstellung, Software, Schaltungen, alle Produktionsgüter der Informationstechnologie (IT). Für Rechtsmängel gelten die gleichen Haftungsvorschriften gem. § 437 ff. BGB wie bei Sachmängeln. 1.3 Sachmängelhaftung Der bis zur Schuldrechtsreform verwendete und aussagekräftige Begriff der Gewährleistung wurde durch Mängelansprüche in §§ 434, 633 BGB ersetzt. Der Begriff der Gewährleistung nach der Schuldrechtsreform im BGB nicht mehr verwendet... Die Neufassung des Mangelbegriffs bewirkt zunächst vom Grundsatz her... eine Haftungsverschärfung zulasten des Auftragnehmers.36 Die VOB spricht vom Auftragnehmer, auf das Einkaufsrecht übertragen ist gemeint der Lieferant bzw. Verkäufer. Der Begriff Wandelung ist in Rücktritt vom Vertrag, die zugesicherten Eigenschaften wurden in vereinbarte Beschaffenheit umbenannt. 1.4 Rechtsfolgen von Sachmängeln § 437 BGB ist eine Verteilungsnorm der Rechte als Folge eines Sachmangels. Die Käuferrechte bei Mängeln sind erweitert worden auf (01)

die Nacherfüllung nach § 439 BGB als Wahlrecht des Käufers zwischen Mangelbeseitigung oder Neuherstellung;

(02)

den Rücktritt nach §§ 440, 323, 326. Abs. 5 BGB;

(03)

den Schadensersatz nach §§ 440, 289, 281, 283, 311a BGB;

(04)

die Minderung nach § 441 BGB; zusätzlich oder alternativ

(05)

den Ersatz vergeblicher Aufwendungen aus § 284 BGB.

36

Ingenstau/Korbion Rn. 168 und 170 zu § 13 VOB/B

79

1.5 Geltendmachung von Mängelrechten Bei der Rüge von Sachmängeln sind drei Erklärungen erforderlich: (01)

80

Eine möglichst konkrete Beschreibung der objektiven Fehlerfolge des Mangels, z.B. ...an der nordwestlichen Ecke des Flachdachs dringt Wasser ein. Beschrieben wird der Sollzustand.

(02)

die Forderung auf Nacherfüllung;

(03)

die Setzung einer möglichst angemessenen Frist.

1.6 Kenntnis des Käufers § 442 BGB Im Allgemeinen verliert bei Kenntnis der Geschäftspartner, hier der Käufer, seine Schutzwürdigkeit gegenüber Rechts- und Sachmängeln und es soll das Vertragsrisiko des Verkäufers vermindert werden.37 Der Käufer kann keine Nacherfüllung wegen Mängeln der Sache geltend machen, die ihm bei Vertragsabschluss bekannt waren oder wegen grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. Im Streit trägt der Verkäufer, der sich durch diesen Einwand aus seiner Haftung befreien will, die Beweislast für die Kenntnis oder die aus grober Fahrlässigkeit zu vertretende Unkenntnis des Käufers. Das Gesetz ist eindeutig: Kein Verlust der Gewährleistungsansprüche, wenn der Käufer trotz nach Vertragsabschluss erlangter Kenntnis der Mängel rügelos abnimmt38. 1.7 Kosten der Nacherfüllung Wie früher die Gewährleistungsrechte kommen auch die Grundsätze der Sachmängelhaftung „ohne Ansehung des Preises“ auf Kaufsachen zur Anwendung. § 439 Abs. 2 BGB bestimmt deshalb, dass der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat. Insbesondere heißt in der Gesetzessprache, dass es sich um keinen abschließenden Kostenkatalog, sondern nur um die Aufzählung von Regelbeispielen handelt. Bei einer Neulieferung sind die Kosten zum Ausbau der mangelhaften und zum Einbau der mangelfreien Sache nicht nach § 439 Abs. 2 BGB zu erstatten, sie fallen, wenn der Verkäufer die Kostenursache zu verantworten hat, in den Schadensersatzanspruch des Käufers. 37 38

Palandt Rn. 1 zu § 442 BGB Schulze/Dörner ua. Rn. 4 zu § 442 BGB

81

Da der Lieferant die Nacherfüllungskosten zu erstatten hat, ungeachtet, ob sie wesentlich höher sind als der niedrigere Verkaufspreis seiner Ware und ebenso wenig die Geringfügigkeit eines vorhandenen Mangels gegen die Kostenbelastung eingewendet werden kann, begründen diese Kosten häufig ein Verlustgeschäft. 1.8 Unzumutbarkeit der Nacherfüllung Gemäß § 439 Abs. 3 BGB muss der Lieferant die Opfergrenze nicht überschreiten, unter gewissen Voraussetzungen kann er die Nacherfüllung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit verweigern und den Käufer auf nachrangige Rechte wie Minderung oder Schadensersatz verweisen. Jedoch ...richtet die Unverhältnismäßigkeit der Kosten gem. § 439 Abs. 3 BGB sich nicht nach dem Verhältnis der Nacherfüllungskosten zum Kaufpreis, sondern nach dem Verhältnis zu der durch die Nacherfüllung für den Käufer zu erzielende Werterhöhung.39 1.9 Fehlgeschlagene Nacherfüllung Die besonderen Bestimmungen des § 440 BGB verzichten auf eine ergebnislose Fristsetzung als Voraussetzung für Rücktritt und Schadensersatz, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. Der lange Streit darüber, wann sich der Käufer auf ein Fehlschlagen der Gewährleitungsversuche berufen kann, ist per Gesetz entschieden. Wenn nicht besondere Umstände (insbesondere...) hinzutreten, hat der Lieferant nur zwei „Fehlversuche“, dann verliert er sein Recht auf Eigennachbesserung. 1.10 Verkäufergarantie Der Verkäufer hat für eine Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie zu haften. Es handelt sich um eine sog. unselbstständige Garantie. Der Lieferant muss aber die durch Garantie übernommenen Zusagen einhalten und kann sich nicht auf die gesetzliche Sachmängelhaftung zurückziehen,

39 OLG Karlsruhe in ZGS 2004, 432, Leitsatz Nr. 2

82

wenn diese z.B. für die Einhaltung von Toleranzen, an die Laufruhe und Haltbarkeit eines Produkts geringere Maßstäbe anlegt. Beispiel:

Ein Lieferant von Ablaufventilen und Wasserhähnen, die er über Großhandelsketten und Baumärkte vertreibt, legt seinen Artikeln in den geschlossenen Verpackungen ein „ZERTIFIKAT für alle Armaturen“ bei. Darin heißt es, wir geben 5 Jahre Garantie auf Dichtheit der Armaturenkörper und die Verchromung der Oberfläche... 2 Jahre Garantie auf nicht verchromte und farbige Oberflächen, auf die Funktionsfähigkeit der Ablaufgarnitur, auf flexible Anschlussschläuche und Kupferrohre für den Wasseranschluss... usw.

Bei dieser Ware handelt es sich um seriell hergestellte, vertretbare Gegenstände, für die das Kaufrecht gilt und die – sei es bei der ursprünglichen Errichtung oder späteren Reparaturen – gem. § 438 Abs. 1 Nr.2. lit. b) BGB entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet werden folglich der 5-jährigen Gewährleistung unterliegen. So gesehen gewährt das Zertifikat keine über die gesetzliche Sachmängelhaftung hinausgehende Garantie, bezüglich der 2-jährigen Garantie

83

liegt sogar der Versuch einer unzulässigen Gewährleistungsverkürzung vor. 1.11 Verjährung der Sachmängelrechte Es gilt gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB eine Grundverjährung von 2 Jahren für bewegliche Kaufsachen und gem. Abs. 1 Nr. 2 für den Kauf von Bauwerken bzw. von Bauwerkteilen eine Frist von 5 Jahren. Einer Verkürzung der „Bauwerkverjährung“ steht § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB entgegen. Nach dieser Bestimmung darf die Regelverjährung von 2 Jahren höchstens auf 1 Jahr verkürzt werden. Ausnahmsweise ist wie hier eine Verbraucherschutzvorschrift auch auf Unternehmer anzuwenden39a. 2.

Werklieferungsvertrag § 651 BGB

2.1 Vorbemerkung Hat der Leistungsschuldner eine zu liefernde Sache herzustellen, wird hier die Weiche zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht gestellt. Der Begriff Werklieferungsvertrag wird im Gesetz nicht verwendet. Die Schuldrechtsreform bezweckt, auf Verträge mit „Materialbeschaffungspflicht“ des Lieferanten soweit möglich Kaufrecht anzuwenden. 2.2 Anwendung von Kaufrecht Grundsätzlich gilt gem. § 651 BGB das Kaufrecht für Verträge, (01)

die eine Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sog. vertretbare Sachen;

während es beim Werkvertragsrecht bleibt für (02)

unkörperliche Werke wie die Architektenplanung, Reparaturarbeiten und unbewegliche Sachen wie ein Bauwerk40, sog. nicht vertretbare Sachen.

Beispiel:

39a 40

84

Geld, Wertpapiere, Serienmöbel, „gängige“ Maschinen, allgemein verwendbare Kleinteile wie Schrauben, Nägel, Elektroden usw . sind bewegliche (vertretbare) Sachen.

Palandt Nr. 77 zu § 309 BGB Schulze/Dörner ua. Rn. 2 zu § 651 BGB

Entscheidend ist, ob sie als Gegenstände handwerklicher oder fabrikmäßiger Fertigung „beliebig“ austauschbar sind. Dagegen sind Kunstgegenstände wie das bestellte Gemälde, die Sonderanfertigung eines Serienmotorrades, Einbauküchen, Prospekte und Werbematerial für ein bestimmtes Unternehmen, die für einen bestimmten Raum oder Betrieb angepassten Maschinen usw. bewegliche, aber nicht vertretbare Sachen. 3.

Werkvertrag

3.1 Vorbemerkung Das Recht des BGB-Werkvertrages ist durch die Schuldrechtsreform im wesentlichen unverändert geblieben. Die gesetzliche Regelung befindet sich weiterhin in den §§ 631 ff BGB. 3.2 Mangelbegriff Der Unternehmer/Auftragnehmer hat gem. § 633 Abs. 1 BGB dem Auftraggeber/Besteller seine Werkleistung „frei von Sach- und Rechtsmängeln“ zu verschaffen. Auch hier gilt, dass ein Sachmangel vorliegt bei einer Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Die Vorgaben für die Freiheit von Sachmängeln werden in § 633 Abs. 2 und Abs. 3 BGB definiert. Die Begriffe sind nahezu identisch mit denjenigen in §§ 434 [Sachmangel], 435 [Rechtsmangel] BGB des Kaufrechts. 3.3 Mängelrechte Die sechs unterschiedlichen, für den Besteller erweiterten Gewährleistungsansprüche sind in der „Verteilungsnorm“ des § 634 BGB aufgelistet. Außerdem enthält die Vorschrift Rechtsgrundverweisungen auf die in den §§ 635 ff BGB erläuterten einzelnen Gewährleistungsansprüche. Dies sind: (01)

Nacherfüllung § 635 BGB Der neue Gesetzesbegriff der Nacherfüllung gibt gem. Abs. 1 dem Unternehmer Wahlfreiheit zwischen Mangelbeseitigung oder Neuherstellung.

85

(02)

Rücktritt und Schadensersatz § 636 BGB Der Paragraph verweist weiter auf die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts in §§ 281, 323 BGB.

(03)

Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz § 637 BGB Lässt der Auftragnehmer eine Frist zur Nacherfüllung verstreichen oder hat er die Leistung endgültig verweigert, ist die Nacherfüllung fehl geschlagen oder dem Besteller unzumutbar, kann der Auftragnehmer den Mangel durch Ersatzvornahme auf Kosten seines Vertragspartners beseitigen. Gem. § 637 Abs. 3 BGB kann der Auftraggeber für die voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung einen Vorschuss verlangen.

(04)

Minderung § 638 BGB Anstelle des Rücktritt hat der Besteller auch die Gestaltungsmöglichkeit, den Werklohn durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer zu mindern. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass mehrere „berechtigte Besteller“ die Minderung nur gemeinsam (und natürlich auch nicht in mehrfacher Höhe) fordern können.

3.4 Haftungsausschluss Eine zulässige Beschränkung oder Freizeichnung von den Gewährleistungsansprüchen ist dem Besteller gegenüber unwirksam, wenn der Unternehmer einen Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie übernommen hat. 3.5 Mangelverjährung Das Werkvertragsrecht hat eine neue Verjährungsregelung erhalten, die unter den in § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgezählten Voraussetzungen 2 Jahre, für Bau- und Planungsleistungen 5 Jahre beträgt, ansonsten auf die 3-jährige Regelverjährung des § 195 BGB hinausläuft. 3.6 Zurückbehaltungsrecht Leistungsmängel aus Werkvertrag berechtigen den Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer mit der Nachbesserung in Verzug gerät,

86

(01)

zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes. Der Auftraggeber kann seine Gegenleistung (Werklohnzahlung) bis zur Bewirkung der Leistung verweigern, es sei denn er wäre selbst zur Vorleistung verpflichtet;

(02)

§ 320 BGB enthält für gegenseitige Verträge die Einrede des nichterfüllten Vertrages;

(03)

als Druckmittel für die Mangelbeseitigung kann der Auftraggeber nach der Rechtsprechung den 3-fachen Betrag der voraussichtlichen Nachbesserungskosten einbehalten.

87

Sechster Abschnitt Vertragsabwicklung und -beendigung 1. Abnahme und Übergabe In der Praxis wird häufig übersehen, dass die Übergabe der zur Lieferung geschuldeten Sache bzw. die Abnahme der (als im Wesentlichen) vertragsmäßig hergestellten Werkleistung wichtige Rechtsfolgen auslöst: (01)

Es wird der Zustand der Vertragserfüllung beendet,

(02)

gesetzlich tritt Fälligkeit der Vergütung ein,

(03)

die Gefahrtragung für Beschädigung und Zerstörung des Leistungsgegenstandes geht vom Schuldner auf den Gläubiger über,

(04)

die Gewährleistungsfristen beginnen usw.

2.

Erfüllungsort und Gefahrtragung

2.1 Holschuld Als Grundregel bestimmt § 269 BGB den Leistungsort: Wenn nichts anderes vereinbart ist oder aus den speziellen gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Vertragstyps sich ergibt, hat der (01)

Lieferant/Verkäufer am Ort seiner Niederlassung zu leisten,

(02)

Besteller/Einkäufer die Ware dort abzuholen (Holschuld).

(03)

Der Lieferant genügt seiner Erfüllungspflicht durch Bereitstellung zur Abholung und Mitteilung hierüber an den Käufer.

(04)

Der Transport der geschuldeten Sache erfolgt auf Kosten und Gefahr des Käufers.

Der Erfüllungsort wird vertraglich meist bei der Leistungsbeschreibung individuell geregelt, hier würde die Klausel heißen ab Werk, ab Lager oder ab Fabrik.

88

2.2 Bringschuld Durch Vereinbarung eines von § 269 BGB abweichenden Erfüllungsortes wird eine Bringschuld begründet: Der Lieferant muss die geschuldete Sache an den vereinbarten Ort „bringen“, Kosten und Gefahr des Transports gehen zu seinen Lasten. Dies wäre z.B. die Klausel frei Bestimmungsort. 2.3 Versandkostenklausel Bei Anwendung von § 269 Abs. 3 BGB spricht man von einer Versandkostenklausel. Sie ändert nichts am gesetzlichen Erfüllungsort. Der Lieferant übernimmt nur die Kosten des Transports, die Gefahr von Beschädigung oder Untergang bleibt beim Käufer. Die entsprechende Klausel könnte lauten frachtfrei oder frei Haus. 2.4 Versendungskauf Davon zu unterscheiden ist der Versendungskauf gem. §§ 447, 448 BGB. (01)

Die Kosten der Zusendung trägt der Käufer. Der Versendungsverkäufer wird von der Gefahrtragung frei, sobald er den Liefergegenstand einem Spediteur zur Versendung übergeben hat.

(02)

Die Kosten der Transportversicherung fallen jedoch nicht unter § 448 BGB, es sei denn, dass der Abschluss einer Transportversicherung zur ordnungsgemäßen Versendung der Ware erforderlich und handelsüblich ist oder die Parteien etwas Abweichendes vereinbart haben.

3. Erfüllung § 362 Abs. 1 BGB bestimmt, Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. 4. Anfechtung und Rücktritt Nach wirksamer Erklärung von Anfechtung oder Rücktritt schulden sich die Vertragsparteien keine Leistungen mehr, im Gegenteil sind erhaltene Leistungen rückabzuwickeln. Nach erfolgter Abwicklung ist das Vertragsverhältnis beendet.

89

5. Kündigung Durch die Kündigung werden Dauerschuldverhältnisse, im Falle der ordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist (= gesetzliche Kündigungsfristen), bei der fristlosen Kündigung sofort beendet. Da bisher nur in § 626 BGB eine Regelung für Dienst- und Arbeitsverträge existierte, hat die Schuldrechtsreform für die anderen Dauerschuldverhältnisse mit § 314 BGB eine Grundlage geschaffen. Bildhaft ist die Kündigung ein „Schnitt durch das Vertragsverhältnis“. (01)

Dauerschuldverhältnisse sind z.B. Arbeits-, Lehrgangs-, Miet- und Sukzessivlieferungsverträge.

(02)

Mängelhaftungs- und Schadensersatzansprüche aus der bis dahin erbrachten Leistung bleiben von der Kündigung unberührt.

6.

Verjährung

6.1 Gesetzliche Neuregelung Die Überarbeitung der gesetzlichen Verjährungsvorschriften ist neben dem Kaufrecht und dem Recht der Leistungsstörungen ein Schwerpunkt der Schuldrechtsreform. 6.2 Begriff der Verjährung Der Grundsatz Rechtssicherheit vor Gerechtigkeit gilt nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Verjährungsfrist. 6.3 Wirkung der Verjährung Durch Verjährungseintritt geht die geschuldete Leistung nicht unter, Verjährung begründet eine Einrede: Der Schuldner muss erklären, dass er die Leistung verweigert. 6.4 Gegenstand der Verjährung Gem. § 194 BGB kann der gesetzliche oder vertragliche Anspruch verjähren, ein Tun oder Unterlassen von einem Dritten zu verlangen.

90

6.5 Verjährungsbeginn Voraussetzungen sind also kumulativ zwei Kriterien, nämlich das (01)

objektive Merkmal der Fälligkeit, ausgelöst durch Erbringung z.B. der zu vergütenden Leistung, in Ausnahmefällen wie der HOAI oder VOB/B erst nach zusätzlicher Abrechnung in prüfbarer Form;

(02)

subjektive Merkmal des Zeitpunktes der Kenntnis des Gläubigers über die anspruchsbegründenden Tatsachen der Forderung, die der Verjährung unterliegt, einschließlich der Person des Schuldners, hilfsweise des Zeitpunktes, in dem der Forderungsgläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis hätte erlangen müssen (also grob fahrlässig nicht erlangt hat).

(03)

Die Verjährung beginnt dann gem. § 199 Abs. 1 BGB am Ende des Entstehungsjahres (Ultimoverjährung).

Beispiel:

Der Hersteller oder Lieferant erbringt seine vergütungspflichtige Leistung 2006. Abnahme oder Übergabe begründen Fälligkeit. Auch ohne dass eine Rechnung gestellt oder eine Mahnung ausgesprochen wird, beginnt der Lauf der Verjährung für den Vergütungsanspruch am 01.01.2007 und endet mit Verjährungseintritt am 31.12.2009.

Anderes gilt für das Architektenhonorar und den Werklohnanspruch aus dem VOB-Werkvertrag. Gem. §§ 8 Abs. 1 HOAI, 14 Nr. 1 VOB/B muss eine prüfbare Schlußrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung überreicht werden. 6.6 Verjährungsfristen Nach § 195 BGB beträgt jetzt die Regel-Verjährungsfrist 3 Jahre, abweichend sind die Gewährleistungsfristen im Kauf- und Werkvertrag geregelt. § 199 Abs. 2 und 3 BGB bestimmt als Höchstdauer für die genannten Schadensersatzansprüche eine Frist von 30 Jahren.

91

6.7 Deckelung der Verjährung Für alle Ansprüche, also für Vergütungs- und Schadensersatzansprüche gibt es (wesentliche Ausnahmen die Verletzung des Körpers und der Gesundheit mit einer Frist von 30 Jahren) eine zeitliche und kenntnisunabhängige Deckelung von 10 Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch durch die schädigende Handlung entstanden ist. 6.8 Hemmung Verhandlungen oder gerichtliche Maßnahmen begründen nach §§ 203, 204 BGB nur noch eine Hemmung der Verjährung anstatt der früheren Unterbrechung. Die Hemmung endet, die im Hemmungszeitraum „stillstehende“ Verjährung beginnt neu zu laufen, 6 Monate nach der letzten Verfahrenshandlung im Prozess, im Mahnverfahren oder im gerichtlichen Beweisverfahren. Beispiel:

Der Verkäufer liefert seriell hergestellte Kleinteile (vertretbare Kaufsachen). Nach Ablieferungt rügt der Käufer frist- und ordnungsgemäß nach § 377 BGB an der Lieferware vorhandene Mängel. Der Verkäufer tritt im Einvernehmen mit dem Käufer in eine Prüfung der Beanstandungen ein, u.a. wird ein Privatsachverständiger mit einem Gutachten beauftragt. Die Parteien verhandeln darüber, ob die Lieferware mangelhaft ist und welche Gewährleistungsrechte dem Käufer zustehen. 5 Monate nach Zugang der Mängelrügen bricht der Verkäufer die Verhandlungen ab. Seine Ware sei mangelfrei geliefert, er bestreitet jeden Anspruch aus Sachmängelhaftung.

Die Dauer der Verhandlungen von fünf Monaten wird, gesetzliche Verjährungsfrist unterstellt, den 2 Jahren gem. § 438 [Verjährung der Mängelansprüche] Abs. 1 Nr. 3 BGB hinzugezählt. 6.9 Neubeginn Zu einem Neubeginn der Verjährung gem. § 212 BGB führen nur noch Anerkenntnis des Schuldners, Zahlungen und Sicherheitsleistungen auf die Forderung sowie die Vornahme oder Beantragung von gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungsmaßnahmen.

92

6.10 Arglist und Verjährung Bei arglistigem Verschweigen eines Mangels durch den Verkäufer beginnt die 3-jährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB erst ab Kenntniserlangung von der Arglist. 6.11 Unzulässige Vereinbarungen Die Verjährung wegen Vorsatzes kann nicht erleichtert oder abbedungen, die 30-jährige Frist des § 197 BGB nicht verlängert werden. 7.

Verwirkung

Auch für die Verwirkung ist der Grundsatz von Treu und Glauben Grundlage. Wie die Verjährung begründet die Verwirkung eine Einrede, die erklärt werden kann, wenn ein Recht so verspätet geltend gemacht wird, dass der Verpflichtete mit einer Geltendmachung nicht mehr rechnen musste (Vertrauensschutz). Auf der Grundlage dieses Vertrauens muss z.B. der Zahlungsschuldner besondere Dispositionen getroffen haben, etwa eine Auslandsreise, die er ansonsten nicht unternommen hätte, so dass er auch um den ersparten Zahlungsbetrag nicht mehr bereichert ist. Entgegen landläufiger Ansicht genügt der reine Zeitablauf für den Eintritt der Verwirkung nicht. Eine Verwirkung vor Ablauf der „kurzen“ Verjährungsfristen von 2, 3 oder 5 Jahren ist kaum denkbar.

93

Siebter Abschnitt Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 1.

Einführung

AGB haben ihren Ursprung Mitte des 19. Jahrhunderts. Die in Großbritannien beginnende industrielle Produktion anstelle der üblichen handwerklichen Einzelanfertigung sowie die Mengengeschäfte von Banken und Versicherungen führten zur Überlegung, Einheitsbestimmungen für die Vielzahl ähnlicher und gleichartiger Rechtsgeschäfte zu formulieren. Die deutschen Gerichte, voran Reichsgericht und Bundesgerichtshof, haben eine Fülle von Streitigkeiten über AGB entschieden, bis der Gesetzgeber mit dem Argument des Marktversagens versuchte, weil sich ungeachtet der Rechtslage regelmäßig der wirtschaftlich Stärkere gegen den Schwächeren durchgesetzt und diesem häufig stark benachteiligende Geschäftsbedingungen aufgezwungen hatte, durch das Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBG) Ordnung in den Dschungel zu bringen. Wie bei Gesetzen üblich, wurden alte Rechtsprobleme gelöst und neue geschaffen. 2.

Gesetzliche Regelung

Das AGBG wurde 2002 nach einigen inhaltlichen Änderungen durch die Schuldrechtsreform mit den §§ 305 – 310 in das BGB integriert. 3.

Schutzzweck von AGB

Wie die strengen Einbeziehungsvorschriften in 305 Abs. 2 BGB erforderlich sind ein ausdrücklicher Hinweis auf die beabsichtigte Einbeziehung von AGB und die Möglichkeit, in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen unter Berücksichtigung einer erkennbaren körperlichen Behinderung der anderen Vertragspartei41, zusammen mit dem umfangreichen Katalog von unwirksamen AGB-Klauseln in §§ 308, 309 BGB (vorbe-

41

Palandt Rn. 40 zu § 305 BGB, Analphabetismus ist keine Behinderung

94

haltlich eines Zählfehlers rund vierzig Verbote) belegen, dient das AGBRecht vorrangig dem Verbraucherschutz. 4.

AGB-Begriff und Verwender

4.1 Vertragsgestaltung Es muss sich um Vertragsbedingungen handeln, die den Vertragsinhalt gestalten sollen. Nicht erforderlich ist, dass sie wirklich Vertragsinhalt werden. 4.2 Vorformulierte Bedingungen Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, die für eine vielfache Verwendung in Verträgen vorgesehen und irgendwie gespeichert sind, wobei schon das „Speichern im Gedächtnis“ des Verwenders genügt. Der Streit, ob erst nach 3 oder mehr Anwendungsfällen AGB-Klauseln vorliegen, ist Vergangenheit. Es genügt die konkrete Absicht einer künftigen und mehrfachen Verwendung in Verträgen, damit bereits beim ersten Mal AGB-Recht gilt. 4.3 Erscheinungsform Aus eigener Erfahrung erwartet man, AGB seitenlang ausformuliert, möglichst kleingedruckt und schlecht lesbar anzutreffen. Jedoch ist bereits das auf einem Geschäftsbogen abgedruckte Wort Gerichtsstand eine AGBKlausel. 4.4 Verwender Als Verwender wird derjenige Vertragspartner bezeichnet, der die AGB aufstellt. Dies setzt nicht voraus, dass der Verwender die Bedingungen selbst formuliert hat, es genügt, dass er die Einbeziehung von Geschäftsbedingungen in den Vertrag fordert. Verwender kann ausnahmsweise auch der wirtschaftlich Schwächere sein. Die Unwirksamkeit von in den Vertrag einbezogenen AGB wirkt sich nur gegen den Verwender aus: Beispiel:

Der Verwender kann sich nicht zu seinem Vorteil auf die Unwirksamkeit von Klauseln berufen, die er selbst in den Vertrag eingeführt hat.

95

4.5 Gestellte Bedingungen Die Bedingungen müssen von einer Vertragspartei gestellt werden. Deshalb hat auch der vom Notar für den Bauträger als Verkäufer vorformulierte und zur mehrfachen Verwendung gedachte Wohnungskaufvertrag AGBCharakter. 5.

Vorrang der Individualabrede

5.1 Aushandeln Charakteristisch für die Individualabrede gem § 305 BGB ist es, dass diese Vertragsbestimmung zwischen den Vertragsparteien einzeln ausgehandelt wird. Dies gilt auch für jede Klausel, die als Bestandteil eines Formularvertrages tatsächlich ausgehandelt wurde. Aushandeln ist aber mehr als bloßes Verhandeln. Es genügt nicht, dass die fragliche Textstelle mit dem Geschäftspartner nur zum Anschein erörtert wird ohne die Absicht, den Passus wirklich zu ändern. Das Aushandeln der Individualabrede, die eine Anwendung des AGBRechts ausschließt, erfordert, dass dem Vertragspartner42 Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt wird mit der zumindest realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Bei der Inhaltskontrolle ist jede Klausel gesondert zu prüfen, ob eine ausgehandelte Individualbrede oder eine AGB-Bestimmung vorliegt. 5.2 AGB und Individualvereinbarung Bei einem inhaltlichen Widerspruch mit einer AGB-Klausel hat die Individualabrede Vorrang. Beispiel:

Einkäufer EK bestellt beim VK, dessen AGB gelten, Computerteile. Vereinbart wird „Lieferzeit 4 Wochen nach Bestellung“. Nach 6 Wochen mahnt EK die Leistung an. VK bestreitet Verzug mit der Begründung, seine AGB enthielten eine Klausel, wonach Liefertermine unverbindlich seien.

42

BGH in NJW 1992, 1107 und NJW-RR 1993, 504

96

Die individuelle vereinbarte Lieferzeit kann nicht durch AGB ausgehebelt werden. 5.3 Regelungsbereiche Innerhalb des Vertrages erfolgt eine Aufteilung zwischen Individualabreden und AGB durch die Unterscheidung zwischen (01)

Leistungsbeschreibungen, welche die Hauptleistungen samt deren Ergänzungen regeln und

(02)

Abwicklungsbestimmungen in Form von AGB für diejenigen Punkte, die nicht in jedem Vertrag „individuell und neu“ geregelt werden müssen.

5.4 Leistungsbeschreibungen Auch als Leistungsbestimmung bezeichnet, sind es die Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhaltes ein wirksamer Vertrag nicht angenommen werden könnte. Unter Leistungbeschreibung fallen die Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. 43 Die Leistungsbestimmung oder -beschreibung erfasst alle Daten, die beim Vertragsabschluss zur Individualisierung der Vertragspartner und Spezifizierung der geschuldeten Leistung sowie der Gegenleistung erforderlich sind, also • • • • •

die Vertragsparteien, die Lieferware oder den Herstellungsgegenstand, den geschuldeten Kaufpreis oder Werklohn, die Lieferfrist oder denLiefertermin, die Art der Lieferung (z.B. Versendungskauf), mit Klärung der Kostentragung, • den Erfüllungsort. 43

Wörlen/Metzler-Müller, 17 lit.b) aa) Ziff.(2); BGH-Urteil, 12.06.2001 -XI ZR 274/00, 9, www. bundesgerichtshof.de; Palandt Rn. 57 zu § 307 BGB

97

Die Leistungsbeschreibungen haben als Individualabreden gem. § 305b BGB Vorrang vor den AGB. Sie unterliegen deshalb nicht der Inhaltskontrolle. Weitere Beispiele sind Ausschreibungstexte, Baubeschreibungen, DINund andere technische Normen, Kataloge und Prospekt. Der Grund ist hier allerdings, dass es sich um Bestimmungen gem. § 307 Abs. 3 BGB handle, durch die keine von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart würden. 5.5 Abwicklungsbestimmungen Der verbleibende Formularbereich von Geltung der AGB bis Gerichtsstandsvereinbarung wird durch vorformulierte Geschäftsbedingungen geregelt. 6.

AGB und Unternehmer

6.1 Anwendungsbereich Da zwischen Unternehmern kein Verbraucherschutz erfolgt, entfallen die strengen Regeln über die Einbeziehung von AGB und die unmittelbare Anwendung des Verbotskataloges in §§ 308, 309 BGB bei der Inhaltskontrolle von Geschäftsbedingungen. 6.2 Einbeziehung von AGB 6.2.1 Erleichterte Einbeziehun Auch zwischen Unternehmern werden AGB nicht ohne Einbeziehung Vertragsbestandteil, sie ist aber erleichtert. Beispiel:

Einkäufer A weist bei seiner Bestellung darauf hin, dass er das Geschäft nur unter Geltung seiner Einkaufs-AGB schließen will, ohne diese AGB beizufügen oder darauf hinzuweisen, dass sie auf seiner Homepage nachgelesen werden können; Einkäufer B unterlässt bei der Bestellung den Hinweis auf seine AGB, druckt seine Einkaufsbestimmungen aber rückseitig auf der Bestellung ab oder fügt sie mit gesonderter Urkunde bei. In beiden Fällen kommt es zum Streit mit dem Lieferanten, der im Prozess einwendet, er habe zwar nicht widersprochen, trotzdem seien die Geschäftsbedingungen der Einkäufer nicht Vertragsinhalt geworden.

98

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung44 muss gegenüber einem Unternehmer zur Einbeziehung ein Hinweis auf die eigenen AGB erfolgen, wobei es ausreicht, wenn der Geschäftspartner die Möglichkeit zumutbarer Kenntnis hat.45 Eingeschränkt wird diese Aussage nur soweit, als die Möglichkeit zumutbarer Kenntnis... nicht für die Einbeziehung solcher Klauseln genügt, die die Geltung der Bedingungen für künftige Verträge regeln.46 Einkäufer B hat es falsch, Einkäufer A nach der Rechtsprechung richtig gemacht, seine AGB sind vereinbart. Beim Versuch, richterliche Gedankengänge nachzuvollziehen, fragt man sich allerdings, wieso die unübersehbare Beifügung eigener Einkaufsbedingungen, die in der Regel mit dem Firmennamen des Geschäftspartners und als AGB gekennzeichnet sind, keine Rechtswirkung haben soll? 6.2.2 Einbeziehungszeitpunkt Der Hinweis muss bei Vertragsabschluss erfolgen. Beispiel:

Der Einkäufer bestellt Ware. Keine Seite weist auf eigene Geschäftsbedingungen hin. 1 Woche später liefert der Verkäufer. Bei Übergabe der Lieferware händigt sein Angestellter ein Dokument aus, das überschrieben ist Auftragsbestätigung/Lieferschein/Rechnung. Am Ende des Textes heißt es, wir leisten unter ausschließlicher Geltung unserer Liefer-AGB.

Die AGB des Verkäufers werden nicht (mehr) einbezogen durch Lieferschein oder Rechnung, da diese Urkunden dem Geschäftspartner nicht bei, sondern nach Vertragsabschluss ausgehändigt werden, im Beispiel sogar erst mit der Erfüllungshandlung durch den Lieferanten.

44 45 46

BGH in NJW 1982, 1749 BGH in NJW 1995, 665 BGH in NJW 1992, 1232

99

6.2.3 AGB und Auftragsbestätigung Mit der Auftragsbestätigung schließt der Unternehmer das per Angebot vorbereitete Geschäft ab, macht also den „Vertrag perfekt“. Beispiel:

Der Lieferant hat aufgrund einer Anfrage des Käufers ein Angebot gemacht. Der Käufer bestellt daraufhin „ohne Abweichung“, verweist aber auf die Geltung seiner AGB.

Die Anfrage war eine Aufforderung an den Lieferanten, ein Angebot zu unterbreiten, die Bestellung des Einkäufers somit eine Auftragsbestätigung, wegen des Verweises auf seine AGB gilt aber § 150 Abs. 2 BGB. Durch den unmissverständlichen Hinweis in der „echten Auftragsbestätigung“ kann die Einbeziehung der eigenen AGB in den Vertrag noch erreicht werden, aber nur für den augenblicklichen Geschäftsabschluss, nicht mit Wirkung für zukünftige Geschäfte. Verweist der Verwender erstmals wie hier in der echten Auftragsbestätigung auf seine AGB, liegt darin eine Modifizierung nach § 150 Abs. 2 BGB. Die AGB können deshalb nur Vertragsinhalt werden, wenn (01)

der andere Teil keine Abwehrklausel verwendet und

(02)

widerspruchslos liefert oder die Leistung entgegennimmt,

(03)

wobei auf die Leistungshandlung bzw. -annahme abgestellt wird, nicht auf das „bloße Schweigen“ des Vertragspartners.

Wenn nämlich der Geschäftspartner auf die späte Einführung der AGB schweigt, liegt darin vorrangig eine Ablehnung dieser „nachgeschobenen“ Bedingungen, weswegen zu prüfen ist, ob die spätere widerspruchslose Vertragsabwicklung als Einverständnis zu verstehen ist.47 6.2.4 Branchenübliche AGB Ist die Verwendung von AGB branchenüblich, weiß also der unternehmerische Vertragspartner oder müsste wissen, dass sein Gegenüber ohne diese AGB kein Geschäft mit ihm abschließt, kann ausnahmsweise eine 47

Von Westphalen, Allgemeine Einkaufsbedingungen, 18/19 lit. e) zur modifizierten Auftragsbestätigung

100

schlüssige und wirksame Einbeziehung in den Individualvertrag ohne besonderen Hinweis stattfinden. Solche Branchenüblichkeit wird angenommen für AGB im Banken- und Versicherungswesen, den einfachen Eigentumsvorbehalt in Liefer-AGB der Textilindustrie, die Bedingungen von Flughafenunternehmen, sie ist streitig für die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp). 6.3 Inhaltskontrolle AGB unterliegen auch zwischen Unternehmern einer uneingeschränkten gerichtlichen Inhaltskontrolle. Grundsätzlich sagt § 307 Abs. 3 BGB aus, die Inhaltskontrolle nach den Absätze 1 und sowie den §§ 308 und 309 gelte nur für Bestimmungen in AGB, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Die Aussage in § 310 Abs. 1 BGB, die Klauseln in §§ 308, 309 BGB, die Verbrauchern gegenüber immer unwirksam sind, finden keine Anwendung auf AGB, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, steht mehr auf dem Papier, als dass sie rechtlich wirkt. 6.3.1 Generalklausel Der § 307 Abs. 2 BGB enthält eine gegegenüber Unternehmern anwendbare Generalklausel über die Unwirksamkeit von Bestimmungen, mit denen eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bezweckt ist. Eine solche Benachteiligung ist anzunehmen, wenn die Bestimmung • nicht klar und verständlich ist (als Verstoß gegen das Transparenzgebot); Der Verwender ist nach Treu und Glauben48 verpflichtet, seine Vertragsklauseln so zu gestalten, dass eine 48

BGH-Urteil vom 12.06.2001 – XI ZR 274/00, www.bundesgerichtshof.de

101

Klausel aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners in ihrer Formulierung verständlich sein muss; • mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist; Beispiel:

Unwirksam ist z.B. in Maklerverträgen eine Klausel, die einen erfolgsunabhängigen Provisionsanspruch begründen soll;

• wesentliche Rechte oder Pflichten aus der Natur des Vertrages so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist; Beispiel:

Die Versuche von Anlagevermittlern und Banken, sich von Auskunfts- und Beratungspflichten sowie von der Prospekthaftung frei zu zeichnen, sind deshalb unwirksam.

6.3.2 Unwirksamkeitskatalog Die Vorschriften, die nur gegenüber Verbrauchern unmittelbar anwendbar sind, enthalten eine Auflistung unwirksamer Einzelklauseln. Die umfangreiche Lektüre lohnt sich, weil die Verbote doch indirekt als Prüfungsmaßstab gegenüber Unternehmern herangezogen werden. (01)

§ 308 BGB enthält Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit. Das heißt, dass es um Klauseln mit unbestimmten Rechtsbegriffen geht wie unangemessen lange, nicht hinreichend bestimmte Fristen, zumutbar oder unverzüglich, die das Gesetz nicht erklärt.

(02)

§ 309 BGB enthält Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, also ohne unbestimmte Rechtsbegriffe.

(03)

Trotz des Anwendungsausschlusses in § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB sollen bei der Inhaltskontrolle von AGB im unternehmerischen Verkehr die Wertungen der §§ 308, 309 BGB mittelbar in die Inhaltskontrolle einfließen.49

49

Schulze/Dörner u.a. Rn. 2 zu § 310 BGB; sinngemäß Palandt Rn. 41 zu § 307 BGB über § 308 BGB

102

6.3.3 Unwirksamkeit gem. § 308 BGB Die Klauselverbote des § 308 sind in der Regel auf den Verkehr zwischen Unternehmern übertragbar, weil in ihren Wertungsspielräumen die kaufmännischen Besonderheiten berücksichtigt werden können. 6.3.4 Unwirksamkeit gem. § 309 BGB Mit den Verboten des § 309 BGB kann nicht so pauschal verfahren werden. Soweit aber die unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 309 BGB durch Klauseln des § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert wird, sind sie grundsätzlich auch im Verkehr zwischen Unternehmern zu beachten, da der Verstoß ein Indiz für die Unwirksamkeit der Klausel ist.50 7.

AGB-Klauseln auf dem Prüfstand

7.1 Interessenlage Einkäufer – Verkäufer Es werden AGB-Klauseln beider Seiten erörtert, die sich aus dem Spannungsverhältnis widerstreitender Interessen von Einkäufern und Lieferanten ergeben. Der Einkäufer will kurze und exakte Lieferfristen, hohe Vertragsstrafen, uneingeschränkte Sachmängelhaftung und Schadensersatzansprüche, ein Vertretenmüssen des Verkäufers für leichte Fahrlässigkeit sowie bei Mängeln und Schäden die ungekürzte gesetzliche Verjährungsdauer. Der Lieferant will unverbindliche Liefertermine, keine Vertragsstrafen, den Ausschluß von Gewährleistung für unwesentliche Mängel, Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit, die Begrenzung von Schadensersatz der Höhe nach auf den vorhersehbaren Schaden sowie die kürzest möglichen Verjährungsfristen.

50

Palandt Rn. 41 zu § 307 BGB mit weiteren Nachweisen

103

7.2

Anwendungsklauseln

7.2.1 Vorbemerkung Der Lieferant/Verkäufer wird, soweit er AGB verwendet, bereits durch Hinweis im Angebot oder spätestens bei Übersendung seiner Auftragsbestätigung versuchen, seine AGB zum Vertragsbestandteil zu machen und widersprechende AGB des Bestellers abzulehnen, der seinerseits die gleichen Klauseln „zur Auswahl“ hat. 7.2.2 Einfache Geltungsklauseln Sie lauten etwa, wir bestellen/liefern unter Geltung unserer AGB. 7.2.3 Ausschließlichkeitsklauseln. Der Verwender formuliert so oder ähnlich, Beispiel:

Gegenüber Unternehmern gelten ausschließlich unsere Einkaufs-/Lieferbedingungen.

7.2.4 Abwehrklauseln Die Formulierung lautet so oder ähnlich, Beispiel:

Unsere Einkaufsbedingungen gelten auch dann, wenn wir in Kenntnis widersprechender oder von unseren Einkaufsbedingungen abweichenden Bedingungen des Verkäufers seine Lieferung vorbehaltlos annehmen.51 [Unsere Lieferbedingungen gelten auch dann, wenn wir in Kenntnis widersprechnder oder von unseren Lieferbedingungen abweichenden Bedingungen des Bestellers vorbehaltlos liefern]. Widersprechende oder abweichende AGB des Lieferanten/ Bestellers erkennen wir nicht an, es sei denn, wir hätten deren Geltung ausdrücklich und schriftlich zugestimmt.

51

Von Westphalen, Allgemeine Einkaufsbedingungen, 1 Ziff.II § 1 Abs. (1)

104

7.2.5

Praktische Auswirkungen

Beispiel:

Käufer EK bestellt beim Lieferanten L 500 Türen. Auf der ersten Seite seiner Bestellung erklärt er deutlich hervorgehoben, „Geschäftsbedingungen der Lieferanten werden nicht anerkannt. Es gelten ausschließlich unsere EinkaufsAGB“. L antwortet mit einer Auftragsbestätigung, in der es formularmäßig heißt, „Wir danken Ihnen für den Auftrag, den wir unter Zugrundelegung unserer Liefer- und Zahlungsbedingungen bestätigen“. Die Parteien streiten vor Gericht über Gewährleistungsansprüche von EK. Es stellt sich heraus, dass EK zwar Liefer-, aber keine Einkaufsbedingungen hat.

Im unveröffentlichten Urteil eines langjährigen Rechtsstreit vor dem LG Stuttgart wird die Auffassung vertreten, auch ohne eigene Einkaufsbedingungen des Käufers könne der Lieferant auf diese Bestellung nicht mehr erwarten, dass der Käufer sei bereit, seine Lieferbedingungen zu akzeptieren. Diese Rechtsauffassung als richtig unterstellt, hat sie die weitreichende Auswirkung, dass zwei einfache, aber unmissverständliche Sätze genügen, um die Lieferanten-AGB zu blockieren. Obergerichtlich52 entschieden ist die Blockadewirkung von Abwehrklauseln: Da beide Parteien ihren AGB Abwehrklauseln vorangestellt haben, gelten die beiderseitigen Geschäftsbedingungen nur insoweit, als sie übereinstimmen. Als Fazit ist nicht nur eine „schwache“ Geltungsklausel, sondern die Verknüpfung einer Auschließlichkeits- mit einer Abwehrklausel geboten. Tref-

52

BGH in NJW 1991, 1604

105

fen solche Klauseln beider Seiten aufeinander, werden sie nicht Vertragsbestandteil, gem. § 306 Abs. 2 BGB richtet sich der Vertrag nach den gesetzlichen Vorschriften. Diese Auswirkung ... ist für den Besteller deshalb vorteilhaft, weil die Bestimmungen des dispositiven (Gesetzes-)Rechts regelmäßig käuferfreundlich sind.53 7.3 Änderungsvorbehalte Es geht um eine Bedingung im Lieferanteninteresse. Die Bestimmung gilt für Verträge und geschuldete Leistungen jeder Art, auch Geldschulden fallen unter die Vorschrift. Solche Änderungen sind nur wirksam, wenn sie dem Vertragspartner zumutbar sind. Beispiel:

Zulässig ist der Vorbehalt, mit handelsüblichen Farb- und Strukturabweichungen zu liefern; unzulässig sind Änderungsvorbehalte, die die Zumutbarkeit als Maßstab entfallen lassen, z.B. um dem Mieter andere Räumlichkeiten zuzuweisen, entgegen der Vereinbarung Teilleistungen zu erbringen, beliebig einen Fahrplan zu ändern.

§ 308 Nr. 4 [Änderungsvorbehalt] BGB ist im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern grundsätzlich anwendbar. Den Zumutbarkeitsmaßstab geben §§ 242, 315 BGB, mit den unbestimmten Rechtsbegriffen Treu und Glauben sowie billiges Ermessen allerdings wenig präzise. 7.4 Lieferfristen und -termine Lieferfristen werden beinahe ausnahmslos individuell vereinbart. Deren Verbindlichkeit kann nicht durch AGB-Klauseln ausgeschlossen oder relativiert werden. Durch AGB lassen sich wirksam Vorgaben für Abwicklungsfragen machen, wonach die Abklärung aller technischen Fragen durch den Besteller und die Erfüllung von Mitwirkungspflichten Voraussetzung für die Einhaltung des Liefertermines sind.

53

Von Westphalen, Allgemeine Einkaufsbedingungen, 27 lit. c am Ende

106

Problematisch sind AGB-Bestimmungen, die unter Verweis auf die Mitwirkungspflicht des Bestellers den Beginn des Laufs einer Lieferfrist so lange hinausschieben, bis der Besteller alle technischen Vorgaben erfüllt hat. Beispiel:

Ist eine bestimmte Lieferzeit vereinbart, beginnt diese erst nach Eingang der vom Auftraggeber beizubringenden Unterlagen und nach Vorliegen der verbindlichen Maße im Lieferwerk sowie deren schriftliche Bestätigung durch den Hersteller.

Der BGH hat im Verbrauchervertrag die Bestimmung wegen Verstoßes gegen § 10 Nr. 1 AGBG, jetzt identisch mit § 309 Nr. 1 [Annahme- und Leiferfrist] BGB, für unwirksam erklärt. Zumindest dadurch, dass der Fristbeginn von der schriftlichen Bestätigung des Herstellers abhängig sein solle, werde der Fristenlauf nicht mehr berechenbar. Auch in der gewerblichen Geschäftsbeziehung könnte darin eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB liegen. Nicht zu beanstanden ist es nach dem BGH, wenn der Fristbeginn und damit der Fristenlauf davon abhängig gemacht wird, dass der Einkäufer/Besteller Unterlagen beibringt und Maße mitteilt. 7.5 Eigentumsvorbehalt Der Lieferant hat ein wirtschaftliches Sicherungsinteresse, bis seine ausgelieferte Ware bezahlt wird. Gängiges Sicherungsinstrument für bewegliche Sachen ist der Eigentumsvorbehalt54 als • einfacher Vorbehalt, Formulierungsbeispiel folgt, wobei sich der Verkäufer das Eigentum an der Kaufsache bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehält; • erweiterter Vorbehalt, mit dem der Verkäufer sämtliche Forderungen aus der Geschäftsverbindung sichern will;

54

Formulierungsvorschlag bei von Westphalen, Allgemeine Verkaufsbedingungen, 6 § 8

107

• verlängerter Vorbehalt, der die Sicherung auf die Fälle der Verarbeitung der Lieferware und deren Weiterveräußerung erstreckt; • Konzernvorbehalt, mit der Absicht, auch Forderungen Dritter, insbesondere von rechtlich verbundenen Unternehmen zu sichern. Vom Verkäufer gestellt, ist der in ABG enthaltene Konzernvorbehalt wegen Verstoßes gegen § 449 Abs. 3 BGB ohne weiteres nichtig, wobei der Kauf oder Werkvertrag bestehen bleibt. Der Eigentumsvorbehalt in AGB des Lieferanten bleibt trotz der Verwendung einer Abwehrklausel durch den Einkäufer zumindest als einfacher Vorbehalt bestehen, wenn dieser branchenüblich ist, wie in der Textilbranche.55 Ein einfacher Eigentumsvorbehalt könnte lauten: Beispiel:

1. Die gelieferte Ware bleibt bis zur Zahlung des vollständigen Kaufpreisses samt allen Nebenforderungen (Finanzierungskosten, Wechselkosten, Zinsen) aus diesem Vertrag durch den Käufer unser Eigentum. 2. Der Käufer verptlichtet sich, bis zur Zahlung des vollständigen Kaufpreises weder durch Verkauf, Sicherungsübereignung, Verpfändung, Vermietung, Verleihung oder in sonstiger Weise über die gelieferte Ware zu verfügen. 3. Bei vertragswidrigem Verhalten des Käufers, insbesondere bei Zahlungsverzug, sind wir berechtigt, die gelieferte Ware zurückzunehmen. In der Rücknahme durch uns liegt kein Rücktritt vom Vertrag, es sei denn, dass wir diesen ausdrücklich schriftlich erklären. 4. Nach Rücknahme können wir die Kaufsache verwerten. Der Verwertungserlös ist auf die Verbindlichkeiten des Käufers aus diesem Vertrag, abzüglich angemessener Verwertungskosten, anzurechnen.

55

LG Marburg in NJW-RR 1993, 1505; als Handelsbrauch verneint in der Lebensmittelbranche; möglicherweise zu bejahen auch für den verlängerten Eigentumsvorbehalt, wenn er branchenüblich ist, BGH in NJW-RR 2004, 555 für eine Windkraftanlage

108

Die Auskünfte der örtlich zuständigen IHK und des Gesamtverbandes der Textilindustrie in der BRD, wonach ein einfacher Eigentumsvorbehalt auch ohne gesonderte Vereinbarung regelmäßig Vertragsinhalt werde, hatten das Gericht von der Existenz eines entsprechenden Handelsbrauches überzeugt. 7.6 Haftungsfreizeichnung Eine völlige Freizeichnung von Mängelhaftung und Schadensersatz könnte im Einzelfall per Individualvereinbarung wirksam sein, sie ist nicht zulässig durch Lieferanten-AGB. 7.7 Haftungsbeschränkung für Verschulden Von Lieferanten wird versucht, bei Körperschäden die Haftung für leichte Fahrlässigkeit sowie für sonstige Schäden das Vertretenmüssen wegen einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung, zumindest beim Handeln von Erfüllungsgehilfen, auszuschließen: • Der erste Sachverhalt fällt unter das Verbot des Haftungsausschlusses bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit des § 309 Nr. 7. lit.a) BGB, wonach auch für leichte Fahrlässigkeit zu haften ist, • in der zweiten Variante verstößt der Haftungsausschluss gegen § 309 Nr. 7 lit.b) [Grobes Verschulden] BGB. Solche Freizeichnungsversuche sind unwirksam, die Vorschrift ist auch auf den gewerblichen Rechtsverkehr anzuwenden.56 7.8

Begrenzung der Schadenshöhe

Beispiel:

In AGB des Lieferanten heißt es, ...Haben wir bei Vertragsabschluss vom Besteller keinen Hinweis gem. § 254 Abs. 2 BGB erhalten, ist unsere Haftung der Höhe nach auf den Schaden begrenzt, der typischerweise im Rahmen der Vertragserfüllung vorhersehbar ist.

In seinen Muster-AGB bezweifelt von Westphalen57 den praktischen Wert von Freizeichnungs- und Begrenzungsklauseln auch zur Höhe.

56 57

Palandt Rn. 48 zu § 309 BGB Von Westphalen, Allgemeine Verkaufsbedingungen, 143, lit. g)

109

Der als Beispiel zitierte Formulierungsvorschlag geht in der Begründung weiter. § 254 Abs. 2 BGB sieht es als Fall des Mitverschuldens an, wenn der andere Vertragspartner, hier der Käufer/Besteller, es unterlässt, auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. 7.9

Abkürzung der Verjährungsfrist

Beispiel:

Die Architektenleistung unterliegt dem Werkvertragsrecht. Nach alter wie jetzt neuer Regelung gem. § 634a Abs. 1 Nr. 2. BGB gilt eine Verjährungsdauer von 5 Jahren „bei einem Bauwerk“ und bei „Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür“. Die Bundesarchitektenkammer hat nach altemn Recht versucht, mit einem Muster-Formularvertrag die 5-jährige Haftung auf zwei Jahren zu reduzieren.

Der Rechtsprechung hat diese Haftungsverkürzung generell als unwirksam abgelehnt, auch im Verhältnis zweier Kaufleute. § 309 Nr. 8. lit.b) ff) [Erleichterung der Verjährung] BGB erklärt AGBBestimmungen für unwirksam, durch die bei Verträgen über neu hergestellte Sachen und Werkleistungen die Sachmängelhaftung der §§ 438 Abs. 1 Nr. 2, 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB von 5 Jahren überhaupt verkürzt oder die ansonsten zwei Jahre betragende Verjährungsdauer auf weniger als ein Jahr reduziert werden soll. 7.10 Ausschluss des CISG Die Vertragsparteien können nach deutschem Recht und europäischem Privatrecht auch bei internationalen Handelsverträgen eine freie Rechtswahl treffen. Art. 6 CISG lässt es zu, die Anwendung dieses Übereinkommens (also das UN-Kaufrecht) auszuschließen. Der Ausschluss ist durch AGB möglich. Unternehmen, die ohne Vorkenntnisse oder rechtliche Beratung das Auslandsgeschäft aufnehmen, realisieren möglicherweise nicht, dass die Wahl deutschen Rechts gegenüber einem ausländischen Partner, der von einem Land aus tätig wird, das wie die BRD das CISG ratifiziert hat, „automa-

110

tisch“ zur vorrangigen Anwendung des UN-Kaufrechts führt, soweit dessen Regelungsinhalt reicht. Es kann also in den AGB formuliert werden, dass deutsches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts (CISG) angewendet werden soll. 7.11

Schriftformklauseln

Beispiel:

Alle Bestimmungen zur Abwicklung des Vertrages sind schriftlich niederzulegen. Mündliche Nebenabreden bestehen bei Vertragsabschluss nicht. Alle Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform. Künftige Nebenabreden werden erst wirksam, wenn auch sie schriftlich bestätigt worden sind. Auch dieses Schriftformerfordernis kann nur schriftlich aufgehoben werden.

Diese „Krone juristischer Formulierungskunst“ grenzt zumindest in ihrer vermeintlichen Perfektion, die Geltung der Schriftformklausel gegen Mündlichkeit zu „sichern“, an groben Unfug. Das AGB-Recht kennt kein Schriftformerfordernis. Eine mündliche Vereinbarung, mit der die Schriftformklausel aufgehoben werden soll, kann als Individualabrede im Sinne von § 305b BGB der AGB-Schriftform vorgehen. Diese Wirkung kann nicht durch das gewillkürte Schriftformerfordernis für die Aufhebung der Klausel gesperrt werden. Mag noch im Streit sein, ob eine Schriftformklausel, die auf den Zeitpunkt des Vertragschlusses abstellt, wirksam sein könnte mit der Erklärung, es sei alles schriftlich geregelt, so ist die Teilklausel mit Schriftformerfordernis über für künftige Änderungen, Ergänzungen und Nebenabreden mit Sicherheit unwirksam.58 Der Autor bezweifelt deshalb den Sinn und Zweck von Schriftformklauseln. Sie seien in Einkaufs-AGB wenig hilfreich.59 58 59

Von Westphalen, Allgemeine Verkaufsbedingungen, 33, Abs. (2) mit Rechtsprechungsnachweisen Von Westphalen, Allgemeine Einkaufsbedingungen, 35 lit.c)

111

7.12

Salvatorische Klauseln

Beispiel:

Die Vertragsparteien sind sich einig, unwirksame Klauseln durch wirksame Bestimmungen zu ersetzen, die dem Vertragszweck rechtlich und wirtschaftlich am Nächsten kommen.

Salvatorische oder Ersetzungsklauseln sind regelmäßig unwirksam. In § 306 Abs. 2 BGB heißt es zwingend, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richtet, soweit Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Die salvatorische Klausel stellt einen Umgehungsversuch dar, der gemäß § 306a BGB unwirksamen ist. 7.13

Gerichtsstandsvereinbarung

Beispiel:

In Einkaufs- oder Verkaufsbedingungen heißt es, ...Gegenüber Kaufleuten wird für alle Streitigkeiten aus beiderseitigen Handelsgeschäften oder wenn der Vertragspartner keinen allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik hat, der Gerichtsstand ausschließlich durch unsere Niederlassung bestimmt. Wir sind jedoch berechtigt, den Vertragspartner wahlweise an seinem Gerichtsstand zu verklagen.

Für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung (Prorogation) per AGB genügt es ausnahmsweise nicht, dass beide Geschäftspartner Unternehmer gem. § 14 BGB sind. Grund ist die spezialgesetzliche Regelung in § 28 [Zugelassene Gerichtsstandsvereinbarung] Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), die abgekürzt lautet, ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute ...sind. Die ZPO bestimmt, dass abgesehen von Ausnahmen am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten, dies wird regelmäßig sein Firmensitz oder seine Niederlassung sein, geklagt werden muss. Gegenstand einer solcher Prorogation kann die Vereinbarung einer örtlichen, sachlichen oder internationalen Zuständigkeit sein. Die sachliche

112

Zuständigkeit, bestimmt durch die Streitwerthöhe, wird kaum eine Rolle spielen, sehr wohl aber die örtliche Gerichtszuständigkeit. Es kann von Vorteil sein, Prozesse am Gerichtsstand der eigenen Niederlassung zu führen, sei es, weil man die Auffassung des Gerichts zu verschiedenen Rechtsfragen kennt oder nur, um mehrfach zeitraubende Anund Rückfahrten „quer durch die Republik“ zu einem auswärtigen Gericht zu vermeiden. Die Ausschließlichkeit des zu vereinbarenden Gerichtsstandes muss betont werden, weil es sich sonst je nach Rechtsauffassung nur um einen unter mehreren Wahlgerichtsständen handeln könnte. Unbeschränkt prorogationsfähig sind Kaufleute, Handelsgesellschaften und juristische Personen (Kapitalgesellschaften) gem. §§ 1 Abs. 2, 2, 3 Abs. 2, 5 und 6 HGB, nicht aber Kleingewerbetreibende. Abweichend von Abs. 1 lässt § 38 Abs. 3 Nr.1. ZPO aber zu, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit ... schriftlich geschlossen werden kann. 8.

Verstöße gegen AGB-Recht

8.1 Ausschluss und Unwirksamkeit Mehrdeutige oder überraschende Klauseln, die gegen § 305c BGB verstoßen, werden nicht Vertragsbestandteil. Klauseln, die gegen die Verbote der §§ 308, 309, soweit sie gegenüber Unternehmern mittelbar anzuwenden sind oder gegen die Generalklausel des § 307 BGB verstoßen, sind unwirksam. 8.2 Keine Gesamtnichtigkeit Dagegen bleibt der übrige Vertrag gem. § 306 Abs. 1 BGB entgegen der sonstigen Nichtigkeitsvermutung des § 139 BGB grundsätzlich wirksam. 8.3 Keine Klauselerhaltung Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist eine geltungserhaltende Reduktion des Klauselinhalts, bis eine noch zulässige „Restregelung“ verbleibt, ausgeschlossen.

113

Gemeint ist der Grundsatz der Vollunwirksamkeit. Eine zu beanstandende Klausel kann in der Regel auch nicht dadurch gerettet werden, dass von mehreren Auslegungsmöglichkeiten die für den Verwender günstigste gewählt wird, um die Bestimmung zu erhalten. Beispiele: Der von einer Bank per AGB geforderte Zinssatz von wucherischen 30% p.a. kann nicht gerichtlich auf z.B. 12% abgesenkt werden, damit die Klausel mit einem zulässigen Inhalt fortbesteht; In § 5 Abs. 2 eines Formularvertrages (AGB) über eine Mietkaution werden gegenüber einem Verbraucher in den ersten drei Sätzen Anlagekonto, Zinshöhe und der Anspruch des Mieters auf die Zinsen geregelt. Satz 4 fordert unter Verstoß gegen § 551 Abs. 2 BGB, ...die Sicherheitsleistung ist mit Abschluss des Vertrages zu erbringen Die Sätze sind im Beispiel durch Interpunktion getrennt, Absatz 2 lässt sich sprachlich und inhaltlich in einzelne Formularbestimmungen aufteilen, die aus sich heraus verständlich sind. Satz 4 ist unwirksam, ohne die Wirksamkeit der vorangehenden drei eigenständigen Klauseln zu berühren.60 8.4 Zwingende Ersetzung Gem. § 306 Abs. 2 BGB richtet sich der „Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften“, soweit Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Anstelle der nicht anzuwendenden Klausel gilt grundsätzlich Gesetzesrecht mit „käuferfreundlichen Folgen“. 8.5 Umgehungsversuche In der Praxis wird dies meist versucht durch sog. Salvatorische Klauseln oder die Vereinbarung, eventuell unwirksame Klauseln sollten durch Auswechslung mit bereits vorformulierte Ersatz-AGB ersetzt werden.

60

BGH-Urteil vom 25.06.2003-VIII ZR 344/02, www.bundesgerichtshof.de

114

9.

Kollision von AGB – gilt das letzte Wort?

9.1 Austausch widersprechender ABG Da beinahe alle gewerblich Beteiligten ihre sich widersprechenden AGB in die Verträge einbeziehen wollen, führt dies zur „Realsatire“, dass Besteller und Lieferant vom ersten Kontakt bis zur Vertragserfüllung bei jeder Handlung oder Willenserklärung auf ihre eigenen AGB Bezug nehmen und abwechselnd deren Einbeziehung, Geltung oder Ausschließlichkeit behaupten. 9.2 Theorie des letzten Wortes Der BGH fand in der Vergangenheit keine bessere Lösung des Kollisionsproblems als die über § 150 Abs. 2 BGB: Danach blieb der Vertragsabschluss zunächst offen. Es setzte sich diejenige Partei mit ihren AGB durch, welche zuletzt vor Lieferung/Leistung auf ihre Bestimmungen verwiesen hatte, sofern die andere Seite die vertragliche geschuldete Lieferung/Leistung widerspruchs- und vorbehaltlos entgegengenommen bzw. erbracht hatte. 9.3 Konsens-Dissens Lösung Der BGH hat diese unbefriedigende Rechtsprechung 1985 zugunsten einer „Konsens-Dissens-Prüfung“ aufgegeben. (01)

Ziel der Konsens-Dissens-Regelung ist es, den abgeschlossenen Vertrag trotz widersprüchlicher AGB soweit wie möglich aufrechtzuerhalten.

(02)

Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages trotz solcher Widersprüche ist die (mögliche) Auslegung des beiderseitigen Parteiwillens dahin, dass der Abschluss des Vertrages mit den wesentlichen Leistungsbestimmungen wie Liefergegenstand, Preis, Lieferzeit und Ort gewollt war. Eine Vertragsbindung ist „im Zweifel“ anzunehmen, wenn die Parteien ungeachtet ihrer Widersprüche mit der tatsächlichen Vertragsdurchführung beginnen.

115

(03)

Die Berufung auf § 150 Abs. 2, 154, 155 BGB, es liege ein Erklärungsdissens vor, ist dann nach § 242 BGB unzulässig.

9.4 Abgestufte BGH-Lösung Nach jetziger BGH-Rechtsprechung gelten für die inhaltliche Klärung von Vertragsbeziehungen bei sich widerstreitenden AGB in dieser Reihenfolge (01)

die gegenseitigen AGB, soweit sie übereinstimmen (sog. Kongruenz- oder Deckungsprinzip);

(02)

Handelsbräuche und branchenübliche AGB61, soweit den letzteren nicht ausdrücklich widersprochen wurde;

(03)

im Übrigen gilt (dispositives) Gesetzesrecht.

61

Z.B. der Banken, Versicherungen, der einfache Eigentumsvorbehalt in der Textilbranche, die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) – streitig

116

Achter Abschnitt Sondervorschriften für Kaufleute 1.

Einführung

1.1 Handelsrecht Handelsrecht ist das Sonderrecht für Kaufleute und wirtschaftlich tätige Unternehmen. Wichtiger Bestandteil ist das Recht des Handelsregisters. Das Handelsrecht als Sonderprivatrecht der Kaufleute ist auf die Bedürfnisse des Handelsverkehrs zugeschnitten. 1.2 Verhältnis zum BGB Das Handelsrecht enthält Ausnahmeregelungen und ergänzende Vorschriften, es ist zwar mit dem BGB verknüpft, geht ihm aber als Sonderrecht vor. 1.3 Adressatenkreis Es geht um die Rechte und Pflichten des Kaufmanns. Das Handelsgesetzbuch (HGB) ist 1998 reformiert worden. Die griffige Bezeichnung „Vollkaufmann“ verwendet das Gesetz nicht mehr, andererseits hat es die Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften teilweise auch auf die nicht kaufmännischen Kleingewerbetreibenden (früher als Minderkaufleute bezeichnet) ausgedehnt, was zu Abgrenzungsschwierigkeiten und Zweifeln bei der Rechtsanwendung führen kann. 2.

Kaufmannsbegriff

2.1 Rechtliche Voraussetzungen Wie bei den Kaufleuten als Vertragspartnern62 angesprochen, gibt es drei alternative oder auch kumulative Voraussetzungen, Kaufmann zu sein: (01)

62

Die Ausübung eines Handelsgewerbes mit einem in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb gemäß § 1 Abs. 2 HGB;

Zweiter Abschnitt in Ziff. 1.3

117

(02)

die Eintragung eines gewerblichen Unternehmens in das Handelsregister gemäß § 2 HGB;

(03)

die Rechtsform von Handelsgesellschaften und juristischen Personen gemäß § 6 HGB.

2.2 Nichtkaufmann § 1 Abs. 2 HGB enthält eine widerlegbare gesetzliche Vermutung. Mit dem Argument, er verfüge nicht über einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, kann ein Unternehmer den Einwand erheben, er sei nicht Kaufmann, die Sonderregeln bzw. die kaufmännische Rügepflicht des § 377 HGB seien ihm gegenüber nicht zu verwenden. Dies führt zu einer gewissen Rechtsunsicherheit. Der kaufmännische Geschäftspartner muss sich in Zweifelsfällen überlegen, ob sein Gegenüber durch die Merkmale seiner Tätigkeit als Nicht- oder als Istkaufmann qualifiziert wird. Wertungskriterien für den in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb können sein der Grad kaufmännischer Professionalität, der Umfang der Geschäftstätigkeit, eine überregionale Geschäftstätigkeit, die Zahl der Mitarbeiter,63 Betriebskapital und Umsatz. Geklärt ist, dass das Halten eines GmbH-Anteils und die Geschäftsführung einer GmbH keine gewerbliche Tätigkeit im handelsrechtlichen Sinne darstellen.64 Die Verwaltung eigenen Vermögens kann als bloße Kapitalanlage nichtgewerblich, andererseits nach Umfang und Anzahl der rechtsgeschäftlichen Vorgänge mit einem regelmäßigen Bürobetrieb eine gewerbliche Tätigkeit darstellen. 2.3 Istkaufmann Kaufmann ist gem. § 1 HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Als Handelsgewerbe gilt gem. § 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass ein „in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich“ ist. An Kaufleute werden im Geschäftsverkehr strengere Maßstäbe angelegt. 63 64

Siems 1296 Siems 1297

118

2.4 Kaufmann kraft Eintragung Wer unter § 1 Abs. 2, § 2 HGB fällt, ist sogenannter Kannkaufmann. Er wird durch Eintragung seiner Firma in das Handelsregister gem. § 5 HGB dem Istkaufmann gleichgestellt. Die Eintragung macht auch denjenigen, der nur eigenes Vermögen verwaltet, gemäß § 105 Abs. 2 Alt. 2 HGB zum Kaufmann, das Problem der Differenzierung zwischen gewerblich und nichtgewerblich entfällt. Für den Kannkaufmann gelten wie für den Istkaufmann nach Registereintragung uneingeschränkt §§ 343, 344 HGB über Handelsgeschäfte und § 377 HGB über Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten bei Warenlieferungen. Dies ist Folge der gesetzlichen Vermutung, dass der eingetragene Kannkaufmann ein Handelsgewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 HGB betreibt. 2.5 Formkaufmann § 6 HGB ist überschrieben mit [Handelsgesellschaften; Formkaufmann]. (01)

Gemeint sind einmal die juristischen Personen, die kraft Gesetzes in das Handelsregister eingetragen werden müssen, so die Aktiengesellschaft (AG) gem. § 3 AktG, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gem. § 13 Abs. 3 GmbHG, die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) gem. §§ 278 Abs. 3, 3 AktG und vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften wie britische (Ltd.) oder niederländische (BV) Gesellschaften mit beschränkter Haftung.65

(02)

Weiter sind geregelt die Personenhandelsgesellschaft, die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG). Durch den Begriff Handelsgesellschaft wurde bisher vorausgesetzt, dass solche Gesellschaften gewerblich tätig sind. Dies ist durch die HGB-Reform nicht mehr erforderlich.

65

OLG Düsseldorf in NJW-RR 95, 1184 für die amerikanische Incorporation (AG)

119

§ 105 Abs. 2 BGB eröffnet auch Kleingewerbetreibenden und Vermögensverwaltungen die Eintragung in das Handelsregister mit entsprechender Rechtsfolge. 3.

Unternehmenshaftung

3.1 Vorbemerkung Gesetze sollen praktikabel sein und um die Anwendung auf eine Vielzahl von Sachverhalten möglich zu machen, abstrakt-generell formuliert. Ob eine konkrete rechtsgeschäftliche Erklärung oder Handlung unter das Gesetz fällt, muss geprüft und im Streitfall gerichtlich entschieden werden. Findige Köpfe versuchen seit je her, durch Gestaltungsmöglichkeiten, an die der Gesetzgeber nicht gedacht hat, die Schutzwirkung für Dritte zu unterlaufen oder den Schutz für eigenes Handeln auszuweiten. Aktuelle Beispiele derzeit sind die GbRmbH sowie das Auftreten von „nichtdeutschen GmbHs“ wie der BV und der Limited (Ltd.). 3.2 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Die GbR ist in den §§ 705 ff. BGB geregelt. Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gesamtschuldnerisch mit ihrem persönlichen Vermögen. 3.3 GbRmbH und Haftung Der Versuch, die GbR mit beschränkter Haftung im Verkehr durchzusetzen, zielt darauf ab, eine gewerbliche Tätigkeit ohne die Form der OHG, somit weitgehend ohne Anwendung der Regelungen des HGB durchzusetzen, und das Haftungsprivileg einer GmbH, also die Haftungsbeschränkung auf das Firmenkapital, zu erreichen. Dabei wird auch auf die rechtliche Unkenntnis der Geschäftspartner gesetzt. Der BGH66 hat entschieden, dass auch bei einer GbRmbH deren Mitglieder wie „normale Gesellschafter einer GbR“ haften. Der Versuch einer Haftungsbeschänkung durch die gesellschaftsrechtliche Regelung und der Zusatz mbH sei nach Dritten gegenüber unbeachtlich.

66

BGH-Urteil vom 27.09.1999 – II ZR 371/98, www.bundesgerichtshof.de

120

Um den „GmbH-Effekt“ zu erreichen, müsse die GbR mit dem jeweiligen Vertragspartner haftungsausschließende oder -beschränkende Vereinbarungen treffen. 3.4 Offene Handelsgesellschaft (OHG) Die OHG ist der kaufmännische „Bruder“ der GbR. Auch die Gesellschafter der OHG haften gesamtschuldnerisch mit ihrem persönlichen Vermögen. Gem. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB sind die Vorschriften zur GbR in §§ 705 ff. BGB ergänzend heranzuziehen. 3.5 Kommanditgesellschaft und GmbH & Co. KG Im Unterschied zur OHG hat die Kommanditgesellschaft (KG) einen persönlich haftenden Gesellschafter, den sog. Komplementär. Um in zulässiger Weise eine Haftungsbeschränkung auf das eigentliche Firmenvermögen herbeizuführen, ist die Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG entwickelt worden. 3.6 Aktiengesellschaft (AG) Die AG haftet gem. § 1 Abs. 1 Satz Aktiengesetz (AktG) nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Das Grundkapital muss gem. § 7 AktG mindestens 50.000 € betragen. Vor der Eintragung ins Handelsregister besteht die AG rechtlich nicht. Wer vor der Eintragung im Namen der AG handelt, haftet gem. § 41 Abs. 1 AktG persönlich. 3.7 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Wie der Name der GmbH als juristischer Person schon aussagt, haftet sie gem. § 13 Abs. 2 GmbH-Gesetz (GmbHG) für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur mit dem Gesellschaftsvermögen. 3.7.1 Durchgriffshaftung Weil die generelle Haftungsbeschränkung, so ist z.B. die im Verhältnis zu den hohen Umsätzen ihrer Geschäftstätigkeit mit einem viel zu geringen Firmenvermögen ausgestattete unterkapitalisierte GmbH zum Schlagwort geworden, zum Missbrauch verleitet, hat die Rechtsprechung entgegen der gesetzlichen Regelung im Einzelfall eine Durchgriffshaftung auf das Vermögen der Gesellschafter zugelassen.

121

3.7.2 Fallgestaltungen Ein allgemein anerkanntes und einheitliches Rechtsinstitut des Durchgriffs hat sich bisher nicht herausgebildet. Beispiel:

Ein Gesellschafter verfügt über das Mindeststammkapital der GmbH und legt stattdessen einen Scheck ein. Sowie die GmbH von einem Gläubiger über 25.000 € in Anspruch genommen wird, zieht der Gesellschafter den Scheck ab, oder es stellt sich heraus, dass er keine Deckung hat.

Abgesehen von Ansprüchen der GmbH gegen den Gesellschafter und der strafrechtlichen Wertung seines Verhaltens hat der Gläubiger gegen ihn einen Haftungsdurchgriff spätestens bei Insolvenz der GmbH.67 Beispiel:

Ein vermögender Gesellschafter erteilt den Auftrag für aufwändige Sanierungsarbeiten an seinem Hausgrundstück namens der notleidenden GmbH. Der Handwerker kann in der Folge seinen Werklohn nicht gegen die GmbH realisieren.

Der Gesellschafter schiebt die GmbH „vor“, man spricht von Rechtsformmissbrauch, der Handwerker hat einen Durchgriffsanspruch gegen den Auftraggeber.68 3.8 Vorgründungsgesellschaft der GmbH Im Vorfeld der Gründung einer Kapitalgesellschaft, z.B. der GmbH, sind die besonderen Rechtsverhältnisse der Vorgründungsgesellschaft zu beachten. Sie wird regelmäßig nicht alle Voraussetzungen eines kaufmännischen Handelsgewerbes erfüllen. Mit Abschluss des auf die Gründung der Kapitalgesellschaft gerichteten Vertrages entsteht somit in der Regel eine GbR, deren Mitglieder, insbesondere ihre Vertretungspersonen nach außen, für die vor Entstehen der Kapitalgesellschaft begründeten Verbindlichkeiten weiterhin persönlich haften. Eine GmbH in Gründung müsste normaler weise mit dem Zusatz i.Gr. oder iGr. gekennzeichnet werden. Im Vertrauen darauf, dass die Geschäftspartner „nicht täglich“ ins Handelsregister sehen, wird der an sich erforderliche Zusatz zur Täuschung im Geschäftsverkehr häufig weggelassen. 67 68

Baumbach/Hueck Rn. 6 zu § 5 GmbHG Baumbach/Hueck Rn. 15 zu § 13 GmbHG

122

3.9 Ausländische Kapitalgesellschaften Die zunehmende Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraumes durch Gesetzgebung und Rechtsprechung der EU führt seit Jahren zum gewerblichen Auftreten von ausländischen juristischen Personen, 69 mit denen es möglich ist, die Haftung im Vergleich zur deutschen GmbH wesentlich weiter einzuschränken.70 3.9.1 Besloten Vennotschap (BV) EuGH und BGH71 haben für eine nach niederländischem Recht eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BV) entschieden, dass es europäischem Recht widerspricht, wenn einer solchen Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsgemäßen Sitz hat, gegründet worden ist und dann ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt, ihr dort die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit vor den nationalen Gerichten abzusprechen. 3.9.2 Limited Company (Ltd.) Die aktuelle Variante ist die Gründungsform einer Limited Company in Großbritannien, so der Werbeslogan, um damit das angeblich unternehmerfeindliche deutsche Gesellschaftsrecht zu umgehen. Diese Trade Ltd. bietet das Recht freier Namenswahl, die Möglichkeit eines Grundkapitals ab 1,50 € (in der Regel 15 bis 150 €), geringere bürokratische Anforderungen des englischen Gesellschaftsrecht und das Auslagern von Betriebsrisiken, dies alles bei einer Gründungsdauer von weniger als 2 Wochen, erforderlichenfalls gegen Aufpreis binnen 24 Stunden oder 2 Tagen. Mit Hilfe des Internets hat sich zur schnellen und problemlosen Gründung von Limiteds ein neuer Geschäftszweig etabliert.72 Angeblich sollen seit Ende 2002 ca. 30.000 neue Limiteds in Deutschland tätig sein, seither wurden etwa 2.500 Insolvenzanträge über Limiteds mit deutschem Verwaltungssitz in der BRD gestellt.

69 70 71 72

Zur Vertiefung Mellert, 8ff. Limited macht GmbH den Garaus, Rheinische Post vom 28.04.2004 EuGH-Urteil in NJW 2002, 3614 und BGH-Urteil vom 13.03.2003 – VII ZR 370/98, www.bundesgerichtshof.de Müller, 837ff.

123

Die Limited scheint trotz der anderslautenden Propaganda nicht der „perfekte Problemlöser“ zu sein. Fragen der persönlichen Haftung sind ungelöst, auch wegen der Unklarheit der Anwendung englischen oder deutschen Rechts, wobei diese Haftung im englischen Gesellschaftrecht strenger geregelt ist. Es fallen bei einer Tätigkeit in Deutschland Kosten für Übersetzungen, Register- und Veröffentlichung an, häufig durch doppelte Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Steuerliche Vorteile durch eine deutsche Betriebsstätte sind nicht ersichtlich73. Mehr noch als bei einer GmbH wird keine Bank der Ltd. Kredite ohne persönliche Haftung der handelnden Personen oder sonstige Sicherheit gewähren, vorsichtige Lieferanten werden Vorkasse fordern. 3.9.3 Eintragung ins Handelsregister Wer hier rechtsfähig ist, muss die in der BRD tätige Hauptniederlassung oder Zweigstelle nach §§ 8 ff., 29 [Anmeldepflicht] HGB beim Handelsregister zur Eintragung anmelden, evtl. auch die Eintragung in die Handwerksrolle nachweisen.74 Wird dies versäumt, ist kein Berufen auf die haftungsbeschränkende Wirkung der Rechtsform möglich. 3.9.4 Reformbestrebungen Unter der Überschrift Zeit für Gründer – die GmbH-Reform75 wird die beabsichtigte Reform des GmbH-Rechts vorgestellt. Mit ca. 1 Million GmbHs ist diese juristische Person die Rechtsform des deutschen Mittelstands, die seit der „grenzöffnenden“ Rechtsprechung des EuGH durch die Tätigkeit verwandter Gesellschaftsformen aus anderen Mitgliedstaaten der EU in Deutschland unter Konkurrenzdruck steht. Kernpunkte der Reform sind die Beschleunigung der Unternehmensgründung und der Registereintragung sowie die Absenkung des Mindestkapi73 74 75

Römermann, 2069 Römermann, 2067 Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 29.05.2006

124

tals auf 10.000 €, wovon nur hälftige 5.000 € aktuell bei Gründung aufgebracht werden müssen. 3.10 Pflichtangaben im Geschäftsverkehr Im Interesse der Rechtssicherheit und Haftungsklarheit müssen Unternehmen von der Rechtsform abhängige Pflichtangaben auf ihren Geschäftsbriefen machen. 76 Die Angaben sind an verkehrsüblicher Stelle auf dem geschäftlichen Briefkopf anzubringen, häufig geschieht dies in einer sog. Fußleiste. 3.10.1 Geschäftsbriefe Geschäftsbriefe sind alle von einem Unternehmen ausgehenden schriftlichen Mitteilungen, die geschäftliche Erklärungen gegenüber Dritten beinhalten und an bestimmte Adressaten gerichtet sind. Darunter fallen z.B. • • • • • • • • •

Schreiben, auch als Fax oder Telebrief, geschäftliche Rundschreiben, gleichförmige Kaufangebote, Bestellscheine, Preislisten, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine (streitig), Rechnungen und Quittungen, Postschecks;77

nicht aber • Mitteilungen an Gesellschafter, • Telegramme, • Informationen an einen unbestimmten Adressatenkreis durch Zeitungsanzeigen, Werbeschriften, Postwurfsendungen. Auch E-Mails fallen unter den Begriff der Geschäftskorrespondenz.

76 77

www.stuttgart.ihk24.de Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen mit Musterbriefbögen, LG Detmold in GmbHR 1991, 23

125

3.10.2 Angabepflichtige Daten Kleingewerbetreibende ohne Eintragung im Handelsregister müssen gem. § 15b Gewerbeordnung (GewO) ihren vollständigen Namen angeben, sie dürfen Geschäftsbezeichnungen hinzufügen, nicht aber firmenrechtliche Zusätze, die den Eindruck handelsrechtlicher Eintragung erwecken. § 15b GewO gilt auch für die GbR. Es sind die Namen aller Gesellschafter anzugeben, eine Geschäftsbezeichnung ist zulässig, jedoch keine irreführende Firmierung oder ein handelsrechtlicher Zusatz wie ...& Co. Einzelkaufleute müssen gem. § 37a HGB den Rechtsformzusatz eingetragene(r) Kaufmann/Kauffrau oder die Kürzel e. K., E. Kfm. oder Krf. verwenden. Für kaumännische Gesellschaften ist die zentrale Vorschrift § 125a [Angaben auf Geschäftsbriefen] HGB, die für die einzelne Rechtsformen durch spezielle Vorschriften ergänzt wird. Die Pflichtangaben der AG richten sich nach § 80 AktG, der GmbH nach § 35a GmbHG, der KG nach §177a HGB, der OHG nach § 125a HGB direkt, der Genossenschaft nach § 25a Abs. 1 GenG und der Partnerschaftsgesellschaft nach §§ 5 Abs. 1, 3 Abs. 2 PartGG. 4.

Wirkung des Handelsregister

4.1 Negative Publizität § 15 Abs. 1 HGB besagt, dass eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache Dritten, es sei denn, dass diese auf andere Weise von ihr Kenntnis haben, nicht entgegen gehalten werden kann, so lange sie nicht eingetragen und bekannt gemacht ist. Ein Unternehmen, das seinen Geschäftsführer als Organvertreter abgesetzt oder einem Prokuristen die Prokura entzogen hat, kann sich darauf als Argument, ein mit diesen „Vertretern“ abgeschlossenes Geschäft sei mangels Vertretungsmacht unwirksam, nicht berufen, so lange kumulativ Eintragung und Bekanntmachung nicht erfolgt sind. Ordnungsgemäße Bekanntmachung heißt gem. § 10 HGB, dass die Ein-

126

tragung im Bundesanzeiger und mindestens in einem anderen Blatt78 bekannt gemacht werden muss. 4.2 Positive Publizität § 15 Abs. 2 und 3 HGB bestimmen die positive Publizität zulasten des Dritten, der nicht aus anderer Quelle Kenntnis über die eintragungspflichtigen Daten hat, denn eintragungspflichtige Tatsachen werden gem. § 15 Abs. 2 HGB ab dem 16. Tage nach Eintragung und Bekanntmachung als „allgemein bekannt“ vorausgesetzt. 5.

Firma

Kaufleute sind verpflichtet, gem. § 17 HGB eine Firma anzunehmen und sie gem. § 29 ff HGB beim Handelsregister zur Eintragung anzumelden. Der Kaufmann hat das Gebot der Unterscheidbarkeit der Firmennamen gem. § 30 HGB zu beachten, er kann unter seiner Firmierung klagen und verklagt werden. 6.

Schweigen und rechtsgeschäftliche Wirkung

Auch unter Kaufleuten hat Schweigen einen „neutralen Erklärungswert“ und bedeutet eher Ablehnung als Zustimmung. Davon gibt es Ausnahmen: Schweigen ist z.B. Zustimmung (01)

per Gesetz gem. § 455 S. 2 [Billigungsfrist] BGB beim Kauf auf Probe. Hat der Käufer einen Gegenstand auf Probe oder Besichtigung erhalten und erklärt er sich innerhalb einer vereinbarten oder vom Verkäufer bestimmten angemessenen Frist nicht, so gilt sein Schweigen als Billigung;

(02)

per Gesetz gem. § 362 [Schweigen des Kaufmanns auf Anträge] HGB. § 362 HGB ist eine der wenigen Ausnahmevorschriften, die bestimmen, dass das kaufmännische Schweigen als Annahme des Antrages gilt.

78

Z.B. im örtlichen Amtsblatt

127

Die Ausnahme gilt aber nur für den eingeschränkten Bereich der Geschäftsbesorgung, nämlich für Kommissionäre, Lagerhalter, Frachtführer und Spediteure sowie für Treuhänder und die Durchführung von Bankgeschäften. Einfache Verkaufs-, Kauf- oder Kreditangebote fallen nicht79 unter den Anwendungsbereich des § 362 HGB; (03)

nach Handelsbrauch auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das den Inhalt von Vertragsverhandlungen korrekt und ohne wesentliche Abweichung wiedergibt;

7.

Kaufmännisches Bestätigungsschreiben

7.1 Handelsbräuche § 346 HGB bestimmt, dass unter Kaufleuten auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen ist. Der Handelsbrauch als Verkehrssitte des Handels ist für die Auslegung von Willenserklärungen sowie für die Rechtsfolgen von Handlungen und Unterlassungen des Kaufmanns von Bedeutung.80 Das kaufmännische Bestätigungsschreiben und seine Wirkung sind Handelsbrauch. 7.2 Deklaratorische Wirkung Anders als die Auftragsbestätigung setzt das kaufmännische Bestätigungsschreiben voraus, dass nach kaufmännischer Praxis ein formlos geschlossener Vertrag gegenüber der anderen Seite zu Beweiszwecken schriftlich bestätigt werden soll. Dabei handelt es sich um eine Beweisurkunde, die bei widerspruchsloser Hinnahme durch den Empfänger eine unwiderlegbare Vermutung für den Abschluss und den Mindestinhalt des im Schreiben wiedergegebenen Vertrages schafft.

79 80

Koller/Roth/Morck Rn. 6 zu § 362 HGB Koller/Roth/Morck Rn. 1 zu § 346 HGB

128

Das unwidersprochene Bestätigungsschreiben stellt Abschluss und Inhalt eines Vertrages verbindlich (Beweisfunktion!) fest, nicht aber, wenn die Bestätigung Aussagen enthält, (01)

die wesentlich sind, aber so nicht besprochen wurden;

(02)

die dem erklärten

(03)

oder erkennbaren Willen des Vertragspartners widersprechen.

Notwendigerweise müssen Vertragsverhandlungen bis zu einer grundsätzlichen Einigung vorangegangen sein. Das Bestätigungsschreiben muss sich also auf mündliche, telefonische, telegrafisch per Fax oder Mail getroffene Vereinbarungen beziehen. Zudem ist Wirksamkeitsvoraussetzung, dass die Parteien eine schriftliche Bestätigung vereinbart haben. 7.3 Ergänzungen Seine Wirkung soll nach der Rechtsprechung das Bestätigungsschreiben auch dann haben, wenn der (mündliche) Vereinbarungsinhalt in Nebenpunkten ergänzt wird. 7.4 AGB und Bestätigungsschreiben Verweist das Schreiben erstmalig auf AGB, so werden sie ohne Widerspruch des Adressaten auch dann Vertragsinhalt, wenn diese AGB nicht Gegenstand der vorangegangenen Vertragsverhandlungen oder dem Bestätigungsschreiben nicht beigefügt waren. Auch hier gilt, dass erhebliche Abweichungen im Schreiben von der mündlichen Vereinbarung der Parteien nicht gedeckt sind und Schweigen deshalb keine Zustimmung bedeutet. Beispiel:

EK erhält vom Lieferanten ein Bestätigungsschreiben, in dem der Liefertermin, Stückzahl und Einzelpreis korrekt wiedergegeben werden. Zusätzlich heißt es noch, ...Wir weisen daraufhin, dass wir nur auf der Grundlage unserer beigefügten Verkaufsbedingungen liefern...

129

Bei der mündlchen Vereinbarung haben die Parteien nicht über die Anwendung von AGB gesprochen. Ohne Widerspruch des kaufmännischen Erklärungsempfängers werden die AGB des Lieferanten einbezogen. 7.5 Widerspruchsfrist Die Regelfrist für einen wirksamen Widerspruch beträgt 1–2 Tage, ein Widerspruch nach Wochenfrist ist regelmäßig verspätet. 8.

Vertragsstrafe

Der Kaufmann kann keine richterliche Herabsetzung einer ihm unangemessen erscheinenden Vertragsstrafe fordern. 9.

Handelsgeschäft

(01)

Nach § 343 Abs. 1 sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte des Kaufmannes, die zum Betriebe des Handelsgewerbes gehören;

(02)

gem. § 344 Abs. 1 HGB besteht die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung, dass geschäftliche Tätigkeiten eines Kaufmanns zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören.

Diese Vermutung gilt für den Ist- wie für den eingetragenen KannKaufmann. Die Vermutung ist widerlegt, wenn aufgrund objektiver Umstände – der private Charakter eines Geschäfts ist z.B. für den Geschäftspartner erkennbar – oder einer ausdrücklichen Vereinbarung die fehlende betriebliche Veranlassung geklärt ist. 10.

Kaufmännische Sorgfaltspflicht

§ 347 HGB bestimmt, dass derjenige, dessen Geschäft, auf seiner Seite ein Handelsgeschäft ist, dem anderen (gegenüber ...) für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen hat. Die Vorschrift begründet keine eigene Anspruchsgrundlage gegen den Kaufmann. In Ausübung eines Handelsgeschäftes unterliegt er jedoch

130

strengeren Sorgfaltsanforderungen als im allgemeinen Rechtsverkehr, wobei ein branchenüblicher oder auf den Vertrag bezogener Maßstab gilt. Beispiel:

Der Kaufmann ist zur ordnungsgemäßen Organisation seiner Korrespondenz, ungeachtet des jeweiligen Kommunikationsmittels wie Brief, Fax, Mail oder Telefon, verpflichtet. Er darf z.B. nicht um 18 Uhr beim Verlassen seiner Niederlassung das „Fax abstellen“. Er hat Fristen zu beachten, bei geschäftlicher Abwesenheit Sorge zu tragen, dass Willenserklärungen ordnungsgemäß zugehen können. Zulasten des Kaufmanns gelten strenge Anforderungen bei der Duldungsvollmacht, er muss darauf achten, dass mit seinen Geschäftsbögen und Firmenstempeln kein Missbrauch getrieben wird.

11.

Formfreiheit

Gem. § 350 HGB kann der Kaufmann eine Bürgschaft, ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis im Betriebe seines Handelsgewerbes formfrei erklären. 12.

Fälligkeits- und Kontokorrentzinsen

Gem. § 353 HGB sind Kaufleute untereinander berechtigt, vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern, die gem. § 352 Abs. 2 HGB 5% betragen. Dahinter steht die Überlegung, ein „seriöser“ Kaufmann solle nicht von einer willentlich verspäteten Zahlung profitieren. Die Geltendmachung des kaufmännischen Fälligkeitszinses hat sich nicht durchgesetzt, da sie regelmäßig zur Verstimmung beim Geschäftspartner führen dürfte. Hier ist auf den Kontokorrentzins des § 355 HGB hinzuweisen, wonach bei der Saldierung zwischen Kaufleuten derjenige, für den sich durch den Rechnungsabschluss ein Überschuss ergibt, von diesem Tage an Zinsen fordern kann.

131

13.

Handelskauf

13.1 Rechtsgrundlagen Kauf ist gem. §§ 433ff. BGB die Veräußerung von Sachen und Rechten gegen Geld, ergänzt durch §§ 373 ff. HGB. 13.2 Begriff des Handelskaufs Ein Handelskauf liegt gem. §§ 373ff. HGB liegt vor (01)

bei einem ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB,

(02)

an dem wenigstens ein Kaufmann beteiligt ist, der ein Handelsgeschäft gem. § 343 Abs. 1 HGB ausführt,

(03)

dessen Gegenstand Waren oder Wertpapiere sind gem. §§ 373 Abs. 1, 381 Abs. 1 HGB.

13.3 Annahmeverzug § 373 Abs. 1 HGB über den Annahmeverzug des Käufers ergänzt §§ 293ff. BGB um zusätzliche Lieferantenrechte. Der Verkäufer kann (01)

die nicht abgenommene Ware an jedem sicheren Ort, z.B. im Lagerhaus eines Spediteurs, hinterlegen;

(02)

die Waren, sofern nicht verderblich, und Wertpapiere durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler freihändig verkaufen oder öffentlich versteigern lassen.

14.

Fixhandelskauf

Die kaufmännischen Regelungen gelten für das sog. relative Fixgeschäft. Davon wird ausgegangen, wenn die Einhaltung der Leistungszeit für die kaufmännischen Parteien so wesentlich ist, dass mit ihrer Einhaltung der Vertrag als Ganzes steht oder fällt.81 Es handelt sich um Geschäfte, bei denen nach Ablauf des Fixtermines die Erfüllung tatsächlich noch möglich wäre, für den Einkäufer aber keinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Sinn mehr macht. 81

Koller/Roth/Morck Rn. 1 zu § 376 HGB

132

15.

Untersuchungs- und Rügeobliegenheit

15.1 Zweck der Obliegenheit § 377 HGB belegt den Käufer mit einer Rügeobliegenheit bei der Lieferung erkennbar mangelhafter Ware, um zu vermeiden, dass diese kraft gesetzlicher Fiktion als ordnungsgemäß angesehen wird. Die häufige rechtstheoretische Klarstellung, die in § 377 Abs. 1 HGB angesprochene Untersuchung habe nur eine Hilfsfunktion für die Rügeobliegenheit, ist überflüssig: Wer nicht, verspätet oder nicht nach dem für sein Handelsgeschäft geltenden Sorgfaltsmaßstab untersucht, kann keine Rüge aussprechen. Die Rügeobliegenheit dient dem allgemeinen Interesse des Handelsverkehrs nach einer schnellen und endgültigen Abwicklung der Handelsgeschäfts, Ziel ist eine sachgerechte Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer.82 Der Kaufmann muss beim beiderseitigen Handelskauf gem. §§ 343, 344 HGB erhaltene Ware jedenfalls unverzüglich prüfen und dabei erkennbare Mängel ebenso unverzüglich rügen. 15.2 Erkennbare Sachmängel Es gibt verschiedenste Beanstandungen. Zu beachten sind die Sachmängel in § 434 Abs. 3 BGB, die den früheren § 378 HGB ersetzen. (01)

Der kaufmännische Begriff des Sachmangels wird seit der Schuldrechtsreform im Wesentlichen durch § 434 BGB bestimmt. Auch hier liegt ein Sachmangel vor bei einer Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit.

(02)

Unter den Sachmangelbegriff fallen auch erkennbare Transportschäden.

(03)

In der schadhaften oder fehlenden Verpackung liegt dann ein Sachmangel, wenn sie die Weiterverwendung oder den Weiterverkauf

82

Koller/Roth/Morck Rn. 1 und 2 zu § 377 HGB

133

erschwert oder dadurch der Wert der gelieferten Ware beeinträchtigt wird.83 (04)

Gem. § 434 Abs. 3 BGB liegt ein Sachmangel in der Lieferung einer anderen Sache als der vereinbarten Leistung (sog. Falschlieferung).

Beispiel:

Ein Möbelhaus kauft beim Hersteller Büroeinrichtungen aus finnischer Fichte und erhält stattdessen, ansonsten von der Verarbeitung und Funktionsfähigkeit her nicht zu beanstandende, Büromöbel aus polnischer Fichte. Das Möbelhaus rügt eine Falschlieferung.

Es besteht ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, nämlich von Einrichtungsgegenständen aus finnischer Fichte, wobei es sich um einen Gattungs- und nicht um einen Stückkauf (der Gegenstand müsste sonst so individualisiert sein, dass es „keinen zweiten“ davon gibt) handelt. Eine Nachbesserung ist nicht denkbar. (05)

Ebenfalls nach § 434 Abs. 3 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn eine zu geringe Menge geliefert wird. Seit der Geltung des BGB war der Schuldner gem. § 266 nicht zur Teilleistung berechtigt, musste der Gläubiger sie nicht akzeptieren. Die Mindermenge wird meist nach den verschiedenen Prüfungsmöglichkeiten erkennbar sein, fehlende Rüge fingiert dann die Lieferung der vereinbarten Menge, der volle Kaufpreis ist ohne Anspruch auf Nachlieferung geschuldet. Den Fall der Zuviellieferung regelt § 434 Abs. 3 BGB nicht, die Rechtsfolgen sind streitig, sie soll von der Genehmigungsfiktion des § 377 HGB nicht erfasst sein.84

83 84

BGH-Urteil in BGHZ 66, 212; 87, 91 Schulze/Dörner u.a. Rn. 22 zu § 434 BGB; anderer Ansicht Koller/Roth/Morck: Es liegt ein Mangel vor, Rn 19e zu § 377 HGB

134

Liegt kein Mangel vor, hat der Lieferant einen Herausgabeanspruch, hilfsweise einen Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812ff. BGB für die Mehrmenge. 15.3 Untersuchung bei Ablieferung Bei der Ablieferung handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Sie liegt vor, wenn der Käufer bei objektiver Betrachtung die Verfügungsmöglichkeit über die Lieferware anstelle des Verkäufers erlangt. Die Ablieferung muss am rechten Ort, zur rechten Zeit und im Wesentlichen vollständig erfolgen. Beispiel:

Für den Handelskauf der Parteien gilt Holschuld. Der Lieferant teilt dem Käufer mit, die Ware sei auf dem Betriebsgelände des Lieferanten frist- und ordnungsgemäß zur vereinbarten Zeit zur Abholung bereit gestellt. Der Käufer reagiert nicht, er reagiert auch nicht auf Nachfristsetzungen mit dem Hinweis, er befinde sich im Annahmeverzug und werde aufgefordert, die seit Wochen bereit stehende Lieferung abzuholen. Der Lieferant schreibt daraufhin an den Käufer, dieser habe inzwischen durch Zeitablauf seine Rügeobliegenheit aus § 377 HGB verwirkt, egal was eine spätere Untersuchung noch ergeben könne, gelte die nicht abgeholte Warenlieferung als sachmangelfrei.

Richtig ist, dass sich der Käufer in Annahmeverzug befindet. Dies ist im Hinblick auf § 377 HGB aber ohne Auswirkungen, da es zu einer tatsächlichen Übergabe im Sinne einer Ablieferung nicht gekommen ist. Gem. Abs. 5 kann sich der Verkäufer nicht auf § 377 HGB berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Gleiche Pflichten gelten beim Werklieferungsvertrag gem. §§ 651 Satz 2 BGB (vertretbare Sachen), 381 Abs. 2 HGB (nicht vertretbare Sachen).

135

15.4 Unverzügliche Anzeige Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen „zulässige Dauer“ vom Gesetz nicht angegeben wird. Beispiele: Der Einkäufer (EK) bestellt beim Lieferanten (L) 500 Türen. Als Oberfläche wird eine kratzfeste, haltbar mit dem Holz verbundene rotbraune Lackierung vereinbart. L liefert die Türen an die Baustelle, je 10 Stück auf einer Palette in durchsichtige Folie verpackt. EK nimmt die Türen entgegen, lagert sie und baut sie später ein. 3 Wochen nach Anlieferung erklärt EK folgende Mängelrügen: 1.

Die Farbe weicht deutlich vom bestellten Rotbraun ab.

2.

Ca. 50 Türen haben sichtbare Schäden durch zu straff gespannte Kunststoffbänder und abgeschlagene Ecken.

3.

Zwei Tage vor diesen Rügen wird eine Türe versehentlich verkratzt. Die Untersuchung ergibt, dass die Oberflächenlackierung nicht fest am Holz haftet und sich leicht lösen lässt.

4.

Beim Einbau fehlen Türen, es wurden nur 470 geliefert.

Der Sachverhalt ist gerichtlich nach altem Recht entschieden worden, aber für die Anwendung der §§ 377 HGB in Verbindung mit 434 Abs. 3 BGB anschaulich. Bei der Farbabweichung gem. Rüge Ziff. 1. und den Transportschäden gem. Rüge Ziff. 2. handelt es sich um erkennbare Mängel. Die Mängelrügen sind drei Wochen nach Anlieferung verfristet, nicht jedoch die erst vor zwei Tagen getroffene Feststellung, dass die Oberflächenlackierung sich entgegen der Zusage der Haltbarkeit und Kratzfestigkeit leicht vom Holz lösen läßt. Im Rahmen der geschuldeten Nacherfüllung zur Schaffung der festhaftenden Oberflächenlackierung (im entschiedenen Fall wurden aus technischen und Kostengründen die alten Türen entsorgt und neue hergestellt) sind Farbabweichung und Transportschäden „mit zu erledigen“.

136

Da es sich bei der Mindermenge gem. Rüge Ziff. 4., um einen Sachmangel handelt, der ohne weiteres erkennbar war, bleibt diese Rüge verfristet und der Einkäufer wird per Fiktion so gestellt, als habe er 500 Türen geliefert bekommen. Die Mängelanzeige hat unverzüglich zu erfolgen. Mit diesem unbestimmten Rechtsbegriff wird keine „starre Frist“ gesetzt, sondern die Zeitspanne wird von den Umständen des Einzelfalls vorgegeben. Beispiel:

Bei sofort überprüfbaren Mängeln wie der fehlenden IBMKompabilität einer EDV-Anlage ist eine Rüge 11 Tage nach Ablieferung verspätet;85 bei Mängeln, die so offenkundig sind, dass es eigentlich keiner Untersuchung bedarf, reduziert sich die Rügefrist auf 1 bis 2 Tage;86 im Obst- und Gemüsehandel auf Stunden.87

Statt brieflicher Korrespondenz kann aus Zeitgründen eine Rüge per Telefon, Fax oder Mail notwendig sein. 15.5 Prüfungsmaßstäbe Zu beachten sind folgende Grundsätze: (01)

Es besteht die Obliegenheit zur „tunlichen“ Untersuchung , also z.B. eines Reibeversuches auf Oberflächen-Farbechtheit88,

(02)

zu prüfen ist jede Lieferung, auch beim Kauf auf Probe und beim Sukzessivlieferungsvertrag;

(03)

erforderlich ist eine zumindest stichprobenartige Prüfung mit der zur Feststellung von Mängeln erforderlichen Genauigkeit bei großen Liefermengen.

85 86 87 88

OLG München in CR 1991, 19 OLG Koblenz in NJW-RR 2004, 1553 Baumbach/Hopt Rn. 35 zu § 377 HGB am Ende BGH in NJW 1976, 625

137

Es gibt statistische Verifizierungsmethoden, die DIN-gestützt den Anspruch erheben, die Genauigkeit einer „Volluntersuchung“ bei der Warenannahmekontrolle zu erreichen. Beispiele: Die Untersuchung von nur 5 aus 2.400 Pilzkonserven genügt, wenn alle 5 untersuchten Dosen mangelhaft sind; die Untersuchung von nur 15 bis 20 aus insgesamt 20.000 Disketten reicht nicht aus, da die Disketten ohne Einbuße von Wert und Verkaufstätigkeit getestet und auf ihre Lesbarkeit geprüft werden konnten.89 Steitig ist im Einzelnen die heranzuziehende Methode zur Bestimmung des Anteils der großen Liefermenge in Stückzahlen oder Prozent, der untersucht werden muss, um eine repräsentative Stichprobe zu erreichen. L liefert eine große Menge Tiefkühlfleisch. EK untersucht die Ware nach Erhalt stichprobenartig: Dazu werden 10 Kartons aufgerissen und eine Sichtkontrolle durchgeführt, „ob das Gefrierfleisch richtig eingelagert war, also die Fleischstränge durch Zwischenfolien getrennt wurden“. Das Fleisch war aber bei Lieferung schon teilweise ungenießbar verdorben, wie sich 2 Wochen später herausstellt. Zur Feststellung wäre es laut Gutachter erforderlich gewesen, „einige der tiefgefrorenen Rippenstücke aufzutauen, um das Fleisch in gebrauchsfertigem Zustand zu untersuchen. Nur so kann der Verderbnisgeruch wahrgenommen werden“. Der Zeitaufwand für EK sei nicht unzumutbar, der notwendige Teilverbrauch hätte nur zu geringen Verlusten geführt. EK verweigert die Zahlung des völlig ungenießbaren Gefrierfleisches, L erhebt Zahlungsklage . Das Urteil folgte der Auffassung des Gutachters, EK muss zahlen, weil er die richtige und zumutbare Prüfung nicht durchgeführt hat. 89 90 91

OLG Köln in NJW-RR 1999, 565 OLG Oldenburg in BB 98, 395/396 Vgl. OLG Karlsruhe in BB 98, 393

138

Einen ähnlichen Sachverhalt (Lieferung selbstklebender Schutzfolien) hatte ein anderes OLG mit gleichem Ergebnis unter Geltung von UN-Kaufrecht (CISG) zu entscheiden. Fazit:

Auch bei langjähriger Geschäftsbeziehung ist die stichprobenartige Prüfung gelieferter Waren stets zumutbar. Zur Untersuchungspflicht gehört eine Probeverarbeitung, wenn der Mangel, auf den hin untersucht werden soll, nur nach Verarbeitung festgestellt werden kann. „Mittelwert“ für die Untersuchungsfrist gem. Art 38 Abs. 1 CISG sind auch bei dauerhaften Gütern 3 bis 4 Tage, Abweichungen je nach Sachverhalt denkbar.

(04)

zu berücksichtigen sind erforderliche technische Kenntnisse, Vorbereitungen und Verfahren (z.B. durch chemische Analysen);

(05)

ebenso die notwendige Zuziehung Dritter (z.B. eines Sachverständigen),

(06)

ein bestehender Handelsbrauch kann Art und Umfang der Rügepflicht beeinflussen... jedoch nicht von jeder Untersuchungspflicht entbinden;89

(07)

sind schon früher Mängel an gleicher oder ähnlicher Ware des Lieferanten aufgetreten oder ist aus sonstigen Gründen mit Mängeln zu rechnen, besteht eine verschärfte Untersuchungspflicht;

(08)

die Abwägung, ob bei vorgesehener Weiterverarbeitung hohe Mangelschäden denkbar/wahrscheinlich sind;

15.6 Bestimmtheit der Mängelrüge Eine nur pauschal wertende, aber die Fehlerfolge, in der sich die Ist-Abweichung zeigt, nicht konkretisierende Rüge wie Beispiel:

... derselbe Mist wie beim letzten Mal...

genügt nicht.90 89 90

BGH, 17.09.2002 – X ZR 248/00, Internet-Ausdruck OLG Düsseldorf in NJW-RR 01, 822

139

Die folgende Beanstandung ist sachlicher, aber auch zu pauschal, um die Fiktion von § 377 HGB auszuschließen. Beispiel:

EK erhält eine Lieferung mit vielen technischen Geräten. Diese Einzelgegenstände haben unterschiedlichste Mängel wie fehlende Stromaufnahme, Neigung zur Überhitzung und Kurzschlüssen, die Thermostate der Geräte lassen sich nicht regeln. EK spricht schriftlich folgende Rüge aus: …hat ein Großteil Ihrer Lieferung bedauerlicherweise erhebliche technische Defekte, weswegen wir Abnahme und Zahlung verweigen.94

Gerade bei vielen Einzelstücken und verschiedenen Mängeln ist näher anzugeben, welche Menge mit welchen Mängeln behaftet ist. Ein neueres Urteil hat die strengen Anforderungen an ausreichende konkrete Mängelrügen des Käufers bestätigt. Beispiel:

Ein Blumengeschäft hatte vier Lieferungen mit detaillierten Rechnungen erhalten und die gelieferten Blumen bemängelt. Es war ein beiderseitiges Handelsgeschäft. Aud die erste Lieferung beanstandete die Abnehmerin, die Rosen hätten den Kopf hängen lassen, das Papier sei komplett durchweicht gewesen, die Einzelrosen hätten absolut nicht den Qualitätsstandards der Firmengruppe H… entsprochen, die Eimer seien mit schmieriger Pampe überzogen gewesen, die Gerberas hätten teilweise Borreliose aufgewiesen. Der mangelbedingt aus zu sondernde Teil der Lieferung habe ca. 50% ausgemacht… usw.

Laut OLG95 waren die Rügeanforderung des § 377 HGB nicht erfüllt: Es könne zwar nicht erwartet werden, zu jeder Blume einzeln vorzutragen, dennoch müsse die Mängelanzeige so strukturiert 94 95

OLG Köln in BB 1998, 396 OLG Brandenburg, 19.07.2006-7 U 194/05; www.brandenburg.de

140

und detailliert sein, dass erkennbar sei, welche Warengruppe in jeder Lieferung aus welchen Gründen beanstandet sei. Angesichts der Rechnung… hätte sich die Mängelanzeige… auf die dort ausgewiesenen 14 Positionen beziehen müssen… usw; 15.7 (09)

Zwischenhandel beim Streckengeschäft hat der Zwischenhändler91 meist keine eigene Prüfungspflicht, wohl aber sein (End-)Abnehmer, dessen Verhalten dem Zwischenhändler zugerechnet wird, weswegen eine Absprache zwischen diesen beiden Vertragsparteien erfolgen muss, wer untersucht und bei erkennbaren Mängeln rügt,92 um die knappe Frist des § 377 HGB einzuhalten.

15.8 Genehmigungsfiktion Bei verspäteter oder unterlassener Untersuchung bzw. Rüge eines erkennbaren (offensichtlichen) Fehlers „gilt die Ware als genehmigt“ (Fiktion).

92 92

OLG Koblenz , 21.11.1997 – 2 U 1064/96, Internet-Ausdruck Baumbach/Hopt, Rn. 9 und 34 zu § 377 HGB Deutsches Institut für Normung: DIN-TERM. Qualitätsmanagement, Statistik, Zertifizierung. Begriffe aus DIN-Normen, 1995, S 261 + 266 Ensthaler, Haftungsrechtliche Bedeutung von QSVen, in NJW 1994, 817ff

141

Neunter Abschnitt Just-in-Time-Lieferveziehungen (JIT) und Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) 1.

Ursachen und Begriff der JIT

(01)

Zunehmender Konkurrenz- und Kostendruck auf dem internationalen (durch „global players“) Markt führt zu Rationaliserungsmaßnahmen auf allen Stufen des betrieblichen Leistungsprozesses.

(02)

Zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit reorganisieren Endhersteller nach dem japanischen Kanban-System ihre Beschaffungskonzepte zu einer „takt- und sequenzgenauen Belieferung, d.h. zur Lieferung der Teile in exakter Einbaureihenfolge zum exakten Einbauzeitpunkt am exakten Einbauort (z.B. richtiges Montageband)“, was den Charakter der Just-in-Time-Lieferbeziehungen (JIT) definiert.

(03)

Funktionsvoraussetzung ist die vertiefte und längerfristige Verzahnung der technischen und rechtlichen Beziehungen zwischen Hersteller und Zulieferer, besonders ausgeprägt in sog. Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV). Dies gilt um so mehr, je komplizierter das Endprodukt ist.

2.

Begriff der Qualitätssicherung

Qualitätssicherung (QS) wird definiert als Gesamtheit aller geplanten und systematischen Tätigkeiten, die notwendig sind, um ein angemessenes Vertrauen zu schaffen, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung die gegebenen Qualitätsanforderungen erfüllen wird. Innerhalb eines Unternehmens dient die Qualitätssicherung als Führungsinstrument, während sie in Lieferverträgen Vertrauen der Kunden in den Leistungsstandard des Lieferanten schafft. QS ist eine Aufgabe aller organisatorischen Gruppen und Bereiche des Unternehmens.

142

3.

Ziele der Qualitätssicherung

Qualitätssicherungs-Vereinbarungen (QSV) verfolgen 4 wesentliche Ziele, die 3.1

Rationalisierungsfunktion, eine Kosten-Nutzen-optimale Verteilung und Abstimmung der einzelnen Sicherungsmaßnahmen im gesamten Produktionsprozess und damit die Vermeidung von Mehrfachprüfungen;

3.2

Präventivfunktion, die Schaffung der Voraussetzung für sichere Fertigungsprozesse beim Zulieferer;

3.3

Perpetuierungsfunktion, eine Anhebung der generellen Qualitätsfähigkeit des Zulieferers und der Aufbau einer jederzeit aktivierbaren Bezugsquelle (JIT) zur Schaffung von dauerhaften Versorgungsbeziehungen;

3.4

Haftungsverteilungsfunktion, eine Festlegung der Verantwortungsbereiche bzw. Haftungsrisiken im Verhältnis zwischen Besteller und Zulieferer, häufig in Abweichung von der gesetzlichen Regelung .

Die Zusammenarbeit zwischen Besteller und Zulieferer auf dem Gebiet der Qualitätssicherung diene der Optimierung der Qualität, nicht der Risikoverlagerung93, eine Aussage, die in der Praxis bezweifelt werden muss. 4.

Aufbau eines Qalitätssicherungssystemes

Der Aufbau erfordert in zeitlicher Abfolge diese Maßnahmen : (01) (02) (03)

93

Lieferantenauswahl, Kriterien für eine QS-Nachweisprüfung, Formulierung technischer Lieferbedingungen,

Steckler, Qualitätsicherungsvereinbarungen – Produktsicherheit, Haftungsrisiken und Vertragsgestaltung, Auflage 1997, S. 16 mit weiteren Nachweisen. Masing (Hrsg), Handbuch der Qualitätssicherung, 1988, hier: Franke, Qualitätssicherung von Zulieferungen

143

(04) (05) (06) (07) (08) (09)

Abschluss von Qualitätssicherungsvereinbarungen, Erstmusterprüfung, Nullserienprüfung und Produktionsfreigabe, Qualitätsprüfung im Wareneingang, Beurteilung der Serienqualität, System-Audit.

5.

Vertragsgestaltung

5.1 Rahmenverträge Bei umfangreichen Leistungen oder langfristigen Vertragsbeziehungen werden Rahmenverträge abgeschlossen. Vereinbarungen über Qualitätssicherung, Warenprüfungen, Art der Bevorratung, Transport, Versicherungen, Informations- und Kontrollrechte bis hin zum Werkzugang beim Zulieferer sowie Vorgaben über die im jeweiligen Bezugszeitraum geplante Gesamtbestellung und vertragliche Regelungen der Teilmengen, Abrufzeiträume und -Termine können Gegenstand eines solchen Rahmenvertrages sein. Rahmenverträge sollen eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen. Sie begründen regelmäßig noch keine unmittelbaren Liefer-, Abnahme- und Zahlungsverpflichtungen, da sie mangels Bestimmtheit der noch abzuschließenden Einzelverträge keine Vorverträge darstellen. Die einzelnen oder mehrere konkreten Bestellungen erfolgen durch Abruf. 5.2 Teil-(Sukzessiv-)Lieferungsverträge Der Sukzessivlieferungsvertrag ist ein einheitlicher Kauf- oder Werklieferungsvertrag, der gerichtet ist auf die Erbringung von Leistungen in zeitlich aufeinander folgenden Raten. (01)

Beim Ratenlieferungsvertrag wird eine von vornherein konkret bestimmte Leistungsmenge geschuldet, die in Teilen zu liefern ist. Es handelt sich um einen „zeitlich gestreckten“ Kauf- oder Werklieferungsvertrag: Der Teilehersteller übernimmt die Lieferung einer vertraglich bestimmten Warenmenge in Teilleistungen, die vom Endhersteller nach Lieferung gezahlt werden.

144

Da das Merkmal „ständiger Leistungsbereitschaft“ fehlt, handelt sich um kein typisches Dauerschuldverhältnis,94 einzelne Regeln für Dauerschuldverhältnisse wie das Kündigungsrecht aus § 314 BGB können angewendet werden. (02)

Der Bezugsvertrag (Dauerlieferungsvertrag) wird auf unbestimmte, aber längere Zeit ohne Festlegung einer Liefermenge geschlossen. Die Teil- und Gesamtmenge richten sich nach dem Bedarf des Abnehmers wie beim „klassischen Zuliefervertrag“,95 der meist mit einer Qulitätssicherungsvereinbarung verbunden wird (ein anderes Beispiel ist der Bierlieferungsvertrag). Der Zulieferer hält eine „fertige“ Leistung bereit, für die der Käufer die Fälligkeit der Lieferung durch Abruf bestimmt. Die „ständige Leistungsbereitschaft“ begründet ein Dauerschuldverhältnis.

5.3 Anwendung von AGB-Recht Ungeachtet, welche Variante für die Rechtsbeziehung gewählt wird, ist regelmäßig eine Qualitätssicherungsvereinbarung beinhaltet. Die Vereinbarung richtet sich einseitig nach den Forderungen des Abnehmers/Endherstellers, sie ist in der Regel für den Zulieferer nicht verhandelbar, sondern wiederholt sich gegenüber demselben Zulieferer über „vertikal“ über längere Zeit oder „horizontal“ gegenüber mehreren Zulieferern mit eher technischen Differenzierungen. Die QSV als Kernstück hat deshalb meist den Rechtscharakter von AGB. 6.

Vertragsinhalte

6.1 Verlagerung der Entwicklungskosten Soweit der Teilehersteller die Funktion eines „Systemanbieters“ erreicht, versucht der Endhersteller, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten als sog. Sowieso-Kosten auf den Zulieferer als Voraussetzung einer längeren Geschäftsbeziehung zu verlagern. 94 95

Palandt Überblick vor § 311 BGB Rn. 27 Palandt aaO. Rn. 28

145

6.2 Verlagerung der Qualitätssicherung Es soll das Problem der Qualitätssicherung vom Endhersteller auf den Teilehersteller verlagert werden, der sich verpflichtet nach vereinbarten Qualitätsstandards und technischen Normen zu liefern, eventuell mit vorgeschriebenen Materialien, jedenfalls mit konkreten Fertigungsprozessen. Grundsätzlich steht es Vertragsparteien frei, ihre eigenen Qualitätsstandards zu schaffen und die Wege zur Zielerreichung gemeinsam festzulegen. Für die rechtliche Beurteilung ist jedoch zu beachten, dass der Lieferant auch ohne gesonderte Absprachen „einwandfreie Ware“ herzustellen und zu liefern hat. 6.3 Verlagerung der Wareneingangsprüfung „Hand in Hand“ mit der Qualitätssicherung wird die gesetzliche Wareneingangsprüfung (Qualitäts- und Quantitätsprüfung) des Abnehmers gegenüber dem Zulieferer reduziert oder völlig auf diesen verlagert. 6.4 Verlagerung der Vorratshaltung Die Vorratshaltung der vereinbarten Teilwerkleistung liegt beim Zulieferer. 6.5 Gewährung von Kontrollrechten Es wird ein ständiger Informationsfluss zwischen Endhersteller und Zulieferer vereinbart. Letzterer muss regelmäßig die Ergebnisse seiner Materialprüfung, eventuelle Änderungen der Produktionsabläufe usw. dem Endhersteller mitteilen. Dieser behält sich häufig Kontrollzutritte im Werk des Zulieferers vor. 7.

Rechtsprobleme der QSV

7.1 Einführung Die unbestreitbaren Probleme der Qualitätssicherung werden in der juristischen Fachliteratur häufig „schön geredet bzw. geschrieben“. Das Fehlen aktueller Entscheidungen von Obergerichten zur Problematik indiziert, dass die Vertragspartner einer QSV ihre Konflikte unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten außergerichtlich beilegen.

146

Dass solche Konflikte zwischen Zulieferern und Subunternehmern einerseits sowie Endlieferanten andererseits im den Branchen der Automobilindustrie, von Haushaltsgeräten und Freizeitartikeln laufend auftreten, lässt sich der Tagespresse entnehmen, wobei es häufig um große Stückzahlen, wirtschaftlich spürbare Kosten einschließlich der Rückrufaktionen und nachhaltige Imageschäden geht. Es entsteht der Eindruck, dass die Beteiligten keine gerichtliche Überprüfung ihrer Vertragswerke wünschen. 7.2 Gesetzeslage Die völlige Freizeichnung des Einkäufers von der gesetzlichen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im Wareneingang mittels AGB ist bisher vom BGH nicht als wirksam „abgesegnet“. Zwar geht das 1897/1900 kodifizierte und mit seinen Wurzeln bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende HGB von anderen Voraussetzungen aus: Geregelt wurde der handwerkliche und kaufmännische Warenaustausch von Einzelwaren oder manuell gefertigten Kleinserien (falls dieser Begriff verwendet werden kann), nicht die Produktion und der Vertrieb von industriell und seriell hergestellten Teilen in Großmengen. Dies ist aber kein Argument gegen die bisherige Rechtsprechung. Solange der Gesetzgeber trotz veränderter Produktions- und Lieferumstände keinen Handlungsbedarf zur Gesetzesänderung sieht, sind die Gerichte an die aktuelle Gesetzeslage gebunden. Dazu gehört § 377 HGB. 7.3 Technischer Widerspruch Bedenklich ist der Versuch, die gesetzliche Wareneingangskontrolle des Einkäufers zu reduzieren oder völlig auszuschließen und auf den Lieferanten zu verlagern, denn es besteht ein technischer Widerspruch: Je positiver die Qualitätssicherung sich auswirkt, um so weniger „Ausschuss“ ist zwar zu befürchten, wäre logischerweise gleichzeitig ein größerer technischer Prüfungsaufwand erforderlich, um Leistungsmängel aufzuspüren. Jedoch wird gleichfalls die Warenausgangskontrolle des Lieferanten beschränkt, indem die Prüfung von Großmengen nur noch durch Stichproben mit statistischer Verifizierung erfolgt.

147

7.4 Verkehrssicherungspflicht Was geschieht nach Verlagerung auf den Lieferanten und deshalb vom Abnehmer vernachlässigter Untersuchungsobliegenheit mit nicht erkannten Transportschäden, die Folgeschäden an Eigentum und Gesundheit Dritter verursachen? Der Einkäufer/Endhersteller, der eine gesetzliche Obliegenheit missachtet, macht sich wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch Unterlassung nach den Regeln der deliktischen Produzentenhaftung gem. §§ 823 ff. [Unerlaubte Handlung] BGB schadensersatzpflichtig. Da der Endhersteller die Produkt- und Produzentenhaftung gegenüber seinen Kunden durch AGB nicht ausschließen kann, wird er eine Freistellung von Regressansprüchen Dritter durch den Zulieferer im Innenverhältnis vereinbaren. 7.5

Versicherungsfragen

7.5.1 Betriebshaftpflichtversicherung Unter Haftpflicht ist die Verpflichtung des Versicherungsträgers zum Schadensersatz bei der Verletzung fremder Rechtsgüter – bei Unternehmen im Rahmen der Betriebshaftpflicht – zu verstehen. Die Haftpflicht kann auf Gesetz oder Vertrag beruhen. Gem. §§ 149, 150 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) hat der Versicherer zwei Leistungen zu erbringen, (01)

den Versicherungsnehmer (VN) von Schadensersatzansprüchen freizustellen, sog. Befreiungsanspruch und

(02)

gegen den VN unberechtigt erhobene Ansprüche abzuwehren, sog. Rechtsschutzanspruch.

Versichert sind Personenschäden, Sachschäden und Vermögensschäden. Beispiel:

148

Beim Personenschaden z.B. der Verdienstausfall; bei der Beschädigung eines Pkw die Abschleppkosten, die Kosten eines Sachverständigengutachtens und eines Mietwagens.

Je stärker der Zulieferer über die gesetzlichen Vorgaben hinaus durch eine die Obliegenheit des § 377 HGB „ersetzende“ Verpflichtung das Risiko für Mangelfreiheit seines Produktes übernimmt, um so größer die Gefahr, wegen des entsprechenden Ausschlusses in § 4 [Ausschlüsse] Abs. I Nr. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) keinen Deckungsanspruch zu haben. Abs. I. 1 lautet, ...bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf: Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder besonderer Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers hinausgehen. Vereinbart der Versicherungsnehmer als Zulieferer im Rahmen einer QSV mit seinem Abnehmer den Verzicht auf dessen Wareneingangskontrolle, so verlieren er selbst und wegen § 67 [Übergang von Ersatzansprüchen] VVG der für ihn gegebenenfalls leistungspflichtige Versicherer nicht nur den Einwand aus § 377 HGB, sondern darüber hinaus auch den eines etwaigen Mitverschuldens des Abnehmers im Rahmen von Ansprüchen aus deliktischer Produzentenhaftung gem. § 823 BGB.96 7.5.2 Produkthaftpflichtversicherung Die Produkthaftpflicht ist 2002 im Rahmen der Schadensersatzrechtsreform verschärft worden. Hinzu kommen deutlich gesteigerte Risiken durch immer kurzlebigere Produktzyklen und Just-in-time-Lieferungen. Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass die Produkthaftpflichtrisiken bzw. der daraus resultierende Schaden häufig den Wert des Produktes selbst um ein Vielfaches übersteigt.97 Bereits 1973 wurde das Produkt-Haftpflichtmodell für Industrie- und Handelsbetriebe geschaffen und zuletz 2002 vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) überarbeitet. Eine ausführliche Erörterung würde den Rahmen sprengen, es sollen Hinweise genügen:

96 97

van Bühren § 9 Allgemeine Haftpflichtversicherung Rn. 141 van Bühren aaO. Rn. 121 + 122

149

(01)

Es werden die konventionellen Produkthaftpflichtrisiken versichert, die nach Inverkehrbringen der Erzeugnisse durch den Versicherungsnehmer entstehen können.

(02)

Versichert sind Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers wegen solcher Kosten, die unmittelbar aus einem Produktionsausfall entstehen können.

(03)

In gewissem Umfang sind die Kosten Dritter für die Weiterverarbeitung oder Weiterbearbeitung mangelhafter Produkte versichert.

(04)

Auch unter Geltung des Produkthaftpflicht-Modells ist zur Deckung von Auslandsrisiken eine gesonderte Vereinbarung erforderlich.

7.5.3 Rückrufkostenversicherung Spektakuläre und „medienwirksame“ Rückrufaktionen zeigen in den zurückliegenden Jahren laut Statistik eine stark ansteigende Tendenz.98 Die Kosten von Rückrufaktionen sind nicht durch die übliche Betriebs- und Produktionshaftpflicht gedeckt. Seit 1981 werden Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für... (den) ...Rückruf von Kraftfahrzeugen angeboten. Seit 1998 gibt es ein GDV-Modell für Hersteller, Händler und Zulieferer anderer Branchen. Die Kfz-Rückrufversicherung ist eine Regressdeckung für Zulieferer, die von Autoherstellern als Abnehmer in Anspruch genommen werden. Gedeckt sind die Vermögensschäden, die bei Ruckruf wegen Mängeln oder konkret zu vermutender Mängel an der Leistung der Zulieferer präventiv zur Vermeidung von Sach- und Personenschäden durch das Endprodukt entstehen.

98

Das Kraftfahrbundesamt (KBA) registrierte 2003 über 150 Rückrufe; laut ADACmotorwelt 2004, Nr. 12 Seite 42, rief DaimlerChrysler 2004 weltweit insges. 680 000 Fahrzeuge zurück; laut Handelsblatt vom 08.07.2005 musste Fujitsu Siemens im Monat zuvor aus 36 Ländern 250.000 Akkus einer LaptopLinie zurückrufen; laut FAS vom 06.02.2006 hatte Bosch wegen fehlerhafter Dieseleinspritzpumpen prophylaktisch einen Produktionsstopp und Leerschichten von knapp 45.000 Mitarbeitern bei 2 großen deutschen Automobilherstellern zu verantworten, in den Medien als „Boschpause“ bezeichnet

150

Als Versicherungsfall gilt der begründete Fremdrückruf durch den Endhersteller oder eine Behörde mit der Befugnis aus dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG).99 Der Anspruch des Herstellers kann sich aus Vertrag oder als Folge der Produkrbeobachtungspflicht im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zur Vermeidung von deliktischen Ansprüchen aus Produzentenhaftung ergeben. Nicht als Versicherungsfall gilt der „Imagerückruf“ des Herstellers zur Markenpflege nach dem Motto, ...die tun was. 7.6

Stand der Rechtsprechung

Beispiel:

Eine Firma lieferte im März Salami an den Abnehmer „PizzaItaliana“ mit der Zusicherung, die Wurstware sei „mindestens 9 Monate ab Lieferdatum haltbar“, Nach einer Verkostung Ende April beanstandete der Abnehmer, die Salami schmecke teilweise ranzig, weswegen er ca. 69 000 Pizzen nicht verkaufen könne, sondern entsorgen müsse, für deren Herstellung er die mangelhafte Wurstlieferung bereits verwendet habe. Im Prozess beruft sich „Pizza-Italiana“ darauf, durch ihre AGB, die unstreitig Vertragsinhalt sind, sei die Untersuchungs- und Rügepflicht aus § 377 HGB auch „bei offenen Mängeln“ abbedungen. Hilfsweise beruft sich „Pizza-Italiana“ auf die weitere AGBKlausel, „Wir können der Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB noch jeweils bei unserer nächsten, auf die Lieferung folgenden Routineverkostung nachkommen, die wir einmal monatlich durchführen“. Diese sei Ende April erfolgt.

Es ist nach AGB-Recht nicht zu beanstanden, wenn der Zulieferer die Untersuchung seiner Waren im Wege einer Qualitätsendkontroll durchführt.

99

Steckler/Pepels 10. Rechtsfragen der Versicherung Ziff. 10.5.2

151

Ein gleichzeitiger Verzicht auf die kaufmännische Wareneingangsuntersuchung als Obliegenheit des Abnehmers kann in Qualitätsicherungsvereinbarungen, die regelmäßig nur die Rechtsqualität von AGB haben, nicht wirksam zu Lasten des Lieferanten erfolgen.100 Beide AGB-Regelungen, also auch die Erstreckung der Untersuchung auf einen Zeitraum von mehreren Wochen, scheitern bei der Inhaltskontrolle Sinne gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB am Widerspruch gegen § 377 HGB.101

100 101

Sina, S. 334; von Westphalen, Rechtsprobleme, S. 567 BGH in BB 1991, 1372; NJW 1991, 2633

152

Zehnter Abschnitt Know-How- und Werkzeugklauseln 1.

Vorbemerkung

Einkaufsbedingungen enthalten zunehmend Klauseln, in der Literatur bisher kaum erörtert, mit denen der Lieferant verpflichtet werden soll, dem Auftraggeber sein Know-how zu überlassen oder seine im Rahmen eines Auftrags gefertigten Werkzeuge zu übereignen102 und zwar nach Möglichkeit nur gegen geringe oder ohne zusätzliche Vergütung. Grundlage ist häufig die Nachfragemacht des Auftraggebers. Dieser nutzt seine Marktmacht bei Gestaltung von Vertragsbeziehungen dazu, Risiken im Innenverhältnis soweit möglich auf den Zulieferer zu verlagern. Bei den hier angesprochenen Klauseln kommt noch das Verlangen hinzu, fremde Entwicklungsleistungen gezielt ausnutzen und verwerten zu wollen. Dabei ist auf den erstaunlichen Umstand hinzuweisen, dass aus den Bereichen der Risikoverlagerung und Verwendung fremder Entwicklungsleistungen bisher so gut wie keine Streitfälle bisher vor die Gerichte kommen. Eine abschließende Beurteilung über die rechtliche Wirkung von Werkzeug- und Know-how-Klauseln ist deshalb nur schwer möglich. 2.

Überlassung von Know-how und Lizenzen

2.1 Branchenübliche Formulierungen Wenn Regelungen schriftlich erfolgen, dann durch Einkaufs-AGB. Dabei werden die nachfolgenden oder ähnliche Formulierungen gewählt: (01)

102

Der Lieferant hat die Entwicklungsergebnisse an den zu liefernden Teilen unverzüglich hinsichtlich ihrer Schutzrechtsfähigkeit, insbesondere Patentfähigkeit, zu überprüfen und den Abnehmer darüber in Kenntnis zu setzen. Der Abnehmer kann verlangen, dass ihm alle diesbezüglichen Rechte übertragen werden. Der Lieferant hat insoweit keinen Anspruch auf gesonderte Vergütung. Soweit der Liefe-

Wellenhofer-Klein, Seite 1121

153

rant bereits für ihn bestehende Schutzrechte in die Vertragsbeziehung mit einbringt, muss er dies dem Abnehmer anzeigen. (02)

Der Arbeitnehmer erwirbt mit Vertragsabschluss das Recht, alle mit den Liefergegenstände verbundenen Entwicklungsergebnisse und Rechte in unbeschränktem Umfang, insbesondere auch für andere Produktionen oder im Ausland, zu nutzen. Muss zu diesem Zweck auf Schutzrechte des Lieferanten zurückgegriffen werden, die diesem bereits vor Vertragsabschluss zustanden, so kann der Lieferant eine angemessene Lizenzgebühr verlangen.

(03)

Nach Vertragsbeendigung steht dem Abnehmer das Recht zu, die zu liefernden Teile von dritter Seite fertigen zu lassen. Soweit hierfür Vorlagen des Lieferanten benötigt werden, sind sie gegen eine angemessene Lizenzgebühr zur Verfügung zu stellen.

2.2 Rechtliche Argumentation In Verträgen der Automobilindustrie mit ihren Zulieferern wird von den Auftraggebern/Herstellern damit argumentiert, nur über die Verpflichtung zur Know-how-Überlassung könne ihre volle Versorgungssicherheit, auch in zeitlicher Hinsicht, gewährleistet werden. 3.

Regelungen über Werkzeuge

3.1 Branchenübliche Formulierungen Zur rechtlichen Regelung dienen diese oder ähnlicher Formulierung: Sämtliche vorhandenen oder während der Laufzeit des Vertrages angeschafften Werkzeuge und sonstige Fertigungsmittel, die speziell für die Fertigung der zu liefernden Teile notwendig sind und vom Abnehmer unmittelbar oder mittelbar bezahlt werden, gehen in den Besitz und das Eigentum des Abnehmers über. Zum Zwecke des Eigentumsübergangs wird vereinbart, dass der Vertragspartner die Fertigungsmittel als Entleiher für den Abnehmer besitzt. Die Fertigungsmittel sind auf geeignete Weise und deutlich sichtbar als Eigentum des Abnehmers zu kennzeichnen.

154

Die Fertigungsmittel dürfen nicht für die Erfüllung von Lieferaufträgen anderer Kunden eingesetzt werden, es sei denn, der Abnehmer stimmt schriftlich zu. 3.2 Rechtliche Argumentation Solche Bestimmungen, die regelmäßig die Rechtsqualität von AGB haben, sind Bestandteil von Zulieferverträgen in der Automobilindustrie. Auch hier wird von den Auftraggeber erklärt, bezweckt sein lediglich Unabhängigkeit vom Zulieferer und Versorgungssicherheit. 4.

Rechtliches Fazit

Durch die jeweiligen Einkaufs-AGB der Auftraggeber werden quasi mit der für die beauftragten Leistungen üblichen Vergütung zusätzliche Schutzrechte der Lieferanten für ihre Entwicklungen, deren künftige Nutzung durch den Auftraggeber und der Ausschluss von Lieferungen an Dritte nach Vertragsende abgegolten. Da die Zulieferer und ihre Interessenvereinigungen... bislang kaum Klagetätigkeit entfaltet haben... wird massiv in die Rechtsstellung der Lieferanten eingegriffen.103

103

Wellenhofer-Klein, S. 1124.

155

Elfter Abschnitt

Produkt- und Produzentenhaftung 1.

Produkthaftung

1.1 Produktsicherheit Das neue GPSG ist 2004 in Kraft getreten, es hat die bisherigen Gesetze über Geräte- und Produktsicherheit zusammengeführt. Ziel des Gesetzes ist der Schutz von Sicherheit und Gesundheit der (End-) Verbraucher und Arbeitnehmer. Adressaten sind Hersteller und Teilehersteller (Zulieferer), es soll ein Sicherheitsstandard für die Vermarktung technischer Produkte gesetzt werden. Hersteller, Importeure und Händler dürfen nur sichere Geräte in den Verkehr bringen. Es wird eine „öffentlich-rechtliche Messlatte“ angelegt, der Sicherheitsstandard orientiert sich dabei an EU-Richtlinien und europäischen Normen. Das GPSG ist Hoheitsrecht, es wirkt ein auf die Produkthaftung, auf Vertrags-, Vertriebs-, Wettbewerbs-, Versicherungs- und Strafrecht. Behörden müssen aktiv eingreifen, wenn sie von Sicherheitsrisiken Kenntnis erhalten. Gem. § 12 GPSG kann die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin präventiv bewerten, ob von Produkten Sicherheitsrisiken ausgehen. § 2 Abs. 17 GPSG definiert den Rückruf. Danach ist Rückruf jede Maßnahme, die auf Erwirkung der Rückgabe eines bereits in den Verkehr gebrachten Produktes durch den Verwender abzielt. 1.2 Produkthaftungsgesetz In der BRD ist die EG-Richtlinie zur „Verbesserung des Verbraucherschutzes und zur Harmonisierung der Produkthaftpflicht“ Anfang 1990 durch das Produkthaftungsgesetz [ProdHaftG] in nationales Recht umgesetzt und zuletzt 2002 modernisiert worden.

156

Gehaftet wird für Personen- und Sachschäden, nicht aber für Vermögensschäden. 1.3 (01)

Anspruchsberechtigte Jeder Benutzer, Verwender oder unbeteiligte Dritte, der durch ein Produkt unmittelbar an Körper oder Gesundheit geschädigt wird, ist anspruchsberechtigt.

(02)

Mittelbar Geschädigte haben gem. § 7 ProdHaftG nur Ansprüche, wenn ihnen durch Tötung das Recht auf Unterhalt entzogen wird oder Beerdigungskosten enstehen.

(03)

Sachschäden sind gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdhaftG nur zu ersetzen, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird, diese ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt ist sowie ein privater (End-)Verbraucher im Sinne von § 13 BGB geschädigt wird.

(04)

Sachschäden im beruflichen, geschäftlichen und gewerblichen Bereich fallen nicht104 in den Schutzbereich des ProdHaftG, denkbar sind Ansprüche aus deliktischer Produzentenhaftung.

1.4

Haftungsgrund

(01)

Produkthaftung ist die Haftung des Herstellers für Folgeschäden aus der Benutzung eines fehlerhaften Produkts, die er in den Verkehr gebracht hat.

(02)

Geschützt ist das sog. „Integritätsinteresse“ des Endverbrauchers (Schutz vor Verletzungen). Produkthaftung ist eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung.

1.5 Produkt Produkte sind gem. § 2 ProdHaftG alle beweglichen Sachen. Inzwischen sind als Folge des BSE-Skandals landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht mehr vom Produktbegriff ausgenommen.

104

Palandt Rn. 7 zu § 1 ProdHaftG

157

1.6 Fehler Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es im „Zeitpunkt des in den Verkehrbringens“ einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler aufweist oder von einer fehlerhaften Instruktion begleitet wird. 1.7 Hersteller und Quasihersteller Hersteller im Sinne der Produkthaftung ist gem. § 4 ProdHaftG jeder, der das Endprodukt oder ein Teilprodukt fertigt, also auch der Zulieferer und der Importeur des Produkts in die Europäische Gemeinschaft (EU). Mehrere Hersteller, die nebeneinander zum Schadensersatz verpflichtet sind, haften als Gesamtschuldner. 1.8

Haftungsumfang

(01)

Der Hersteller haftet zwar für „Ausreißer“ (unvermeidbare Fehler an einem Einzelstück), nicht aber für „Weiterfresserschäden“.

Beispiel:

Betonarbeiter spannen Armierungsstäbe (Drähte) in eine Schalung ein. Sie verwenden Spannkupplungen des Herstellers H. An einer Kupplung zerbricht plötzlich die Spannhülse (das Gehäuse). Der Draht springt aus der Schalung heraus und verletzt einen Arbeiter schwer. Kann H seine Haftung mit der Begründung abwenden, ein Bruch der Spannhülse sei äußerst selten, aber trotz Endkontrolle nicht völlig zu vermeiden. H treffe kein Verschulden?105

Es besteht eine Ersatzpflicht aus Gefährdungshaftung, ein Verschulden als Anspruchsvoraussetzung liegt nicht vor und ist auch nicht Anspruchsvoraussetzung. (02)

105

Die Produkthaftung gibt seit 2002 gem. § 8 Satz 2 ProdHaftG auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld.

BGH in NJW 1975, 1827

158

1.9

Ausschluss der Ersatzpflicht

(01)

Der wichtigste Enthaftungsgrund liegt darin, dass der Hersteller für Entwicklungsfehler (gemeint sind Konstruktions-, nicht Fabrikationsfehler) nicht haftet, wenn sie gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 5 nach „Stand der Wissenschaft und Technik“ nicht erkannt werden konnten.

(02)

Gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 2 ProdHaftG sind weitere den Hersteller entlastende Umstände Transportsschäden, falsche Lagerung und unsachgemäße Behandlung durch den Produktnutzer, höhere Gewalt und Verschleiß, der trotz Einhaltung der berechtigten Sicherheitserwartungen nicht zu vermeiden sei.106

(03)

Die Haftung des Zulieferers (Hersteller eines Teilprodukts) ist zusätzlich ausgeschlossen, wenn der Fehler durch die Konstruktion des Endprodukts oder Anleitungen des Endherstellers verursacht wird.

1.10 Einschränkung der Ersatzpflicht Die §§ 6ff ProdHaftG enthalten eine Haftungsminderung, Schadenshöchstgrenzen und eine Selbstbeteiligung bei Produktschäden. 1.11

Beweislast

(01)

Der Geschädigte muss darlegen und beweisen, dass ihm objektiv und ursächlich durch ein Industrieerzeugnis ein Personen- oder Sachschaden entstanden ist. Zur Ursächlichkeit kann er sich meist auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.

(02)

Dagegen muss der Hersteller darlegen und beweisen, dass er sich auf einen der Enthaftungstatbestände gem. § 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG berufen kann (Beweislastumkehr).

1.12 Verjährung Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre ab Kenntnis oder dem Kennen müssen der wesentlichen Schadensumstände. 106

Münchener Kommentar, 4. Auflage, Rn. Nr. 35ff. zu § 1 ProdHaftG

159

2.

Produzentenhaftung

2.1 Rechtsgrundlage In Unterscheidung zur Produkthaftung heißt die „außer- oder nebenvertragliche“ Einstandspflicht des Herstellers gem. §§ 823ff. BGB aus „unerlaubter (deliktischer) Handlung“ Produzentenhaftung. 2.2 Anspruchsberechtigte Alle deliktisch an Sachen, Körper oder Gesundheit Geschädigten. 2.3 Haftungsgrund Schadensursache muss eine fahrlässige oder vorsätzliche (schuldhafte) Verletzung einer dem Hersteller obliegenden Verkehrs-(Sicherungs-)Pflicht sein. Deliktisch haftet der Hersteller für die Folgen von (01)

Planungs- und Konstruktionfehlern. Planungs- und Konstruktionfehler betreffen nicht nur Einzelstücke einer Produktion, sondern sie erfassen die gesamte Serie. Sie liegen vor, wenn der Hersteller bei den vorbereitenden Überlegungen oder der Zusammensetzung einer Sache den Nutzer im Rahmen des technisch Möglichen nicht sorgfältig genug vor den mit der Benutzung der Sache verbundenen Gefahren schützt.

Beispiel:

(02)

Feuerhemmende Schutzkleidung, die für Schweißarbeiten gedacht ist, geht wegen der Verwendung einer falschen Materialzusammensetzung bei Funkenflug „in Flammen auf“.

Fabrikations- und Kontrollfehlern. An die Planung und Konstruktion schließt die Fabrikation an. Fabrikationsfehler können auf einer einzelnen Fehlleistung beruhen, sich aber auf eine Vielzahl von Produkten auswirken. Wer Sachen herstellt oder weiter verarbeitet, den trifft eine produktionsspezifische Pflicht zur „Warenausgangskontrolle“, bevor seine Waren das Werk verlassen.

160

Beispiel:

(03)

Die Schutzkleidung wäre ,zwar bestimmungsgemäß feuerhemmend, versehentlich wird aber eine Schicht aus Teflongewebe nicht eingearbeitet, was vor Auslieferung unerkannt bleibt, weil keine Funktionskontrolle erfolgt.

Instruktionsfehlern. Darunter wird verstanden die Verletzung von Hinweis- und Aufklärungspflichten. Diese Pflichten werden je nach Produkt erfüllt durch ordnungsgemäße Einweisung in eine Maschinenfunktion, durch Bedienungs-, Gebrauchs- und Montageanleitungen sowie durch spezielle Aufklärungs- und Warnhinweise.

Beispiel:

In der Gebrauchsanleitung für die Schutzkleidung fehlt der Warnhinweis, dass sie zwar feuerhemmend, aber nicht feuerfest ist.

An zwei Sachverhalten kann aufgezeigt werden, dass die US-Rechtsprechung zur Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch Instruktionsfehler zumindest im Einzelfall rational nicht mehr nachvollziehbar ist, während die deutsche Gerichtsbarkeit einen pragmatischvernünftigen Maßstab zugrunde legt. Beispiel:

Der amerikanische Lenker eines Wohnmobils verließ bei ca. 110 km/h den Fahrersitz, um in der hinteren Kabine Kaffee zu kochen. Das Mobil geriet ins Schleudern und überschlug sich. Der Fahrzeuglenker klagte gegen den Hersteller Winnebago, dieser habe in der Gebrauchsanleitung nicht ausdrücklich auf einen solchen Fall hingewiesen. Der Kläger erhielt 1,75 Mio. $ und ein neues Wohnmobil. Winnebago änderte das Handbuch für das Fahrzeug und nahm einen Warnhinweis in Text auf.107

Die Entscheidung bedarf außer Kopfschütteln keines Kommentars.

107

FOCUS 2002 Heft Nr. 51

161

Beispiel:

Der 15-jährige Sohn eines Kältemechanikers inhalierte, um sich dadurch zu berauschen ein flüssiges Kältemittel (sog. sniffing) und starb an den Folgen. Die Eltern klagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld: Der Hersteller habe nicht vor der Inhalation des giftigen Mittels gewarnt.

Das Gericht108 wies die Klage ab. Der Hersteller habe die üblichen und ausreichenden schriftlichen Hinweise erteilt. Die Warn- und Hinweispflicht gehe aber nur soweit, wie ein auch im weitesten Sinne bestimmungsmäßiger Gebrauch des Erzeugnisses in Frage steht. Der BGH führte noch aus, ein Hinweis auf die berauschende Wirkung des Mittels hätte erst einen Anreiz zum Missbrauch bilden und damit mehr Schaden als Nutzen stiften können. (04)

Produktbeobachtungs- und Warnpflichten. Diese Pflichten hat der Hersteller ab dem Zeitpunkt des „in den Verkehrbringens“ seines Produkts zu beachten. Die Pflichten beziehen sich nicht nur auf neue Produkte, sondern auch auf Erzeugnisse, die schon längere Zeit im Verkehr sind. Gründe sind die technische Entwicklung, eventuelle schädliche Nebenwirkungen, die Unverträglichkeit mit Zubehörteilen und vorzeitiger Verschleiß, der berechtigten Sicherheitserwartungen widerspricht.109

2.4 (01)

Haftungsumfang Der Anspruch geht auf Ersatz schuldhaft verursachter Schäden an Leben, Körper, Gesundheit oder Sachen von Endverbrauchern und gewerblich Tätigen.

(02)

Die Produzentenhaftung umfasst die „Weiterfresserschäden“.

Beispiel:

108 109

L veräußert die von ihm hergestellte Reinigungsanlage mit dem eigebauten Schwimmerschalter eines Subunternehmers an EK. Nach Inbetriebnahme durch EK gerät das Schmutzöl in der

BGH in NJW 1981, 2514 Zu den Pflichten des Produzenten Schlegelmilch, Ziff. II. 2. lit. a) bis d)

162

Anlage in Brand, weil der Schalter überhitzte Heizdrähte nicht rechtzeitig abschaltet.110 Zwischen Mangel (fehlerhafter Schalter) und „Weiterfresserschaden“ am Eigentum von EK (die Reinigungsanlage wird durch den Brand zerstört) besteht keine „Stoffgleichheit“. Egal ob der Schalter defekt (Fabrikationsfehler) oder an sich fehlerfrei aber von seiner Leistung her für die Anlage zu schwach ist (Konstruktionsfehler), L hat aus Verletzung seiner eigenen Verkehrssicherungspflicht für die Eigentumsverletzung an der Anlage von EK zu haften, es denn, VK kann sich damit entlasten, ihn treffe kein Verschulden (Fahrlässigkeit). Beispiel:

Ein Teilhersteller baut Keramik-Kondensatoren in elektronische Regler ein, die wiederum vom Abnehmer in ABS-Bremssysteme von PKWs eingebaut werden. Wegen der fehlerhaften Kondensatoren funktionieren die Regler im ABS nicht. Ihr Ausbau zur Mangelbeseitigung ist unmöglich, ohne dass andere Teile der bereits produzierten AB-Systeme beschädigt werden.111

Im Ergebnis entsteht ein „Fremdschaden“. Auch hier hat der BGH eine schuldhafte Eigentumsverletzung durch den Teilhersteller angenommen, wenn sich dieser nicht exkulpieren kann, weil fremdes Eigentum zwangsläufig zerstört werde. (03)

Auch die deliktische Produzentenhaftung begründet einen Anspruch auf Schmerzensgeld.

2.5 Beweislast Ist der Schaden eines Dritten objektiv auf ein Produkt zurückzuführen, muss dessen Produzent den Entlastungsbeweis erbringen, dass ihn kein Verschulden trifft (Beweislastumkehr). 2.6 Verjährung Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre ab Kenntnis der wesentlichen Schadensumstände. 110 111

BGH in NJW 1977, 379 BGH in NJW 1992, 1225

163

Konkurrenz von Sachmängel-, Produkt- und Produzentenhaftung

164

Zwölfter Abschnitt Internationale Vertrags- und AGB-Anwendung 1.

Anwendung von UN-Kaufrecht

1.1 Wiener Übereinkommen – CISG 1988 ist in Wien das Kaufrechtsübereinkommen „United Nations Conventions on Contracts for the International Sale of Goods“ verabschiedet worden, für das sich die Abkürzung „CISG“ durchgesetzt hat. 1.2 Territoriale Geltung Das UN-Kaufrecht gilt inzwischen in 68 Staaten, so in allen wichtigen europäischen Staaten mit Ausnahme von Großbritannien112. In Deutschland gilt das CISG seit Anfang 1991. 1.3 (01)

Sachliche Geltung Unter das CISG fallen Kauf- und Werklieferungsverträge, die einem geschäftlichen Zweck dienen und direkten Auslandsbezug haben, keine Dienstleistungen

(02)

Art. 28 CISG nimmt auf die Besonderheiten des englischen und US-amerikanischen Zivilrechts Rücksicht, wonach es keine gerichtliche Durchsetzung von Erfüllungsansprüchen gibt.

1.4 (01)

CISG und AGB Das CISG hat Regelungslücken. Es befasst sich nicht mit dem Problem sich widersprechender AGB (battle of forms).

(02)

Unter der Geltung des CISG wird deshalb gemäß Art. 19 [Ergänzungen, Einschränkungen und sonstige Änderungen zum Angebot] versucht, das Problem kollidierender AGB zu lösen. Eine „Dissens-Konsens-Lösung“ wie nach der neueren BGHRechtsprechung ist aus dem Gesetz unmittelbar nicht möglich,

112

Stand 24.10.2006, www.cisg.law.pace.edu/cisg/countries/cntries.html

165

weswegen unklare Zustände nach der früheren Theorie des „letzten Wortes“ zu befürchten sind. (03)

Lösungsversuche gehen dahin, dass bei Einigkeit der Parteien über die wesentlichen Bestimmungen zu Leistung und Durchführung des Vertrages angenommen werden könne, der Vertrag sei unter Verzicht auf sich widersprechende AGB nach den Regeln des CISG mit Geltung der übereinstimmenden AGB-Klauseln geschlossen.

1.5 Internationale Warenlieferungen Das CISG stellt die bedeutendste Rechtsgrundlage für Kaufverträge im Außenhandel, zumindest im außereuropäischen Handel dar. Bis vor kurzem war es für deutsche Firmen mit Außenhandelskontakten beinahe üblich, ohne weitere Rechtsprüfung über eine AGB-Klausel die Anwendung des UN-Kaufrechts auszuschließen. 1.6 Begriff des Vertragsstatuts Dies wird der Bedeutung des CISG nicht gerecht. Über die Rechtsanwendung zwischen internationalen Vertragspartnern entscheidet das sog. Vertragsstatut, als das auf den Vertrag anwendbare Recht, welches über alle materiellrechtlichen Fragen entscheidet, die bei der Begründung der Abwicklung oder Nichterfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen auftreten können.113 Gem. Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 27ff. des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) gehen im Rahmen der freien Rechtswahl völkerrechtliche Vereinbarungen wie das UN-Kaufrecht dem BGB und dem europäischen Recht vor. Deshalb gilt im internationalen Rechtsverkehr deutscher Unternehmen mit ihren wichtigsten Handelspartnern aus Signatarstaaten des CISG-Übereinkommens unmittelbar das UN-Kaufrecht für Export- wie Importgeschäfte, wenn im Liefervertrag deutsches Recht vereinbart wird.

113

Piechowiak 6

166

1.7 Anwendungsvoraussetzungen Das CISG ist anzuwenden (01)

auf Kaufverträge und Werklieferungsverträge über Waren;

(02)

zwischen Vertragsparteien, die ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben;

(03)

bei Berührung eines Vertragsstaates mit dem UN-Kaufrecht;

(04)

sofern das UN-Kaufrecht von den Vertragsparteien nicht ausgeschlossen worden ist.

1.8 Hauptleistungspflichten Das UN-Kaufrecht kennt keine differenzierten Regelungen über Leistungsstörungen, sondern setzt wie das angelsächsische Recht einen einheitli chen Begriff der Vertragsverletzung voraus, ohne das bei Leitstungsstörungen ein Verschulden der Vertragsparteien geprüft wird. Dem vergleichbar ist seit der Schuldrechtsreform § 280 BGB als allgemeine Grundlage für die Prüfung von Vertragsverletzungen. Im UN-Kaufrecht sind Maßstab für Vertragsverletzungen die Hauptleistungspflichten des Verkäufers gem. Art. 30 CISG: (01)

Lieferung der Ware;

(02)

Übergabe der zu den Waren gehörenden Dokumente;

(03)

Übertragung des Eigentums an der Ware.

Der Verkäufer verletzt seine Hauptleistungspflichten, wenn er die Ware überhaupt nicht, verspätet oder unvollständig liefert. Der Käufer/Besteller kann weiterhin Vertragserfüllung und eventuell Schadensersatz fordern und unter den Voraussetzungen des § 49 CISG die Aufhebung des Vertrages (den Rücktritt) erklären.

167

1.9 Lieferverpflichtungen Gem. Art. 35 CISG hat der Verkäufer Ware zu liefern, die nach Art, Menge und Qualität sowie hinsichtlich der Verpackung oder des Behältnisses den vertraglichen Anforderungen entspricht. Zur näheren Beschreibung der Verkäuferpflichten nach Leistungsort, Leistungszeit, Beförderungs- und Versicherungspflichten usw. können die Incoterms114 1990 einbezogen werden. Auf dieser Grundlage ist die Ware, wenn die Parteien keine zusätzlichen Vereinbarungen treffen, vertragsgemäß und mangelfrei, wenn (01)

sie sich für die Zwecke eignet, für die Ware der gleichen Art gewöhnlich gebraucht wird;

(02)

sie sich für den vom Verkäufer ausdrücklich bekannt gegebenen Zweck eignet, falls der Käufer auf die Sachkenntnis des Verkäufers vertrauen konnte;

(03)

die Eigenschaften einer Ware besitzt, die der Verkäufer dem Käufer als Probe oder Muster vorgelegt hat und sie

(04)

in der für die Ware üblichen oder angemessenen Art verpackt ist.

Auch nach UN-Kaufrecht liegt eine Vertragsverletzung vor, wenn die Ware in ihrer Istbeschaffenheit von der geschuldeten Istbeschaffenheit abweicht. 1.10 Untersuchungs- und Rügeobliegenheit Vergleichbar dem § 377 HGB muss der Käufer/Besteller die Ware spätestens nach deren Eintreffen am Bestimmungsort innerhalb kürzester Frist untersuchen und eine eventuelle Vertragswidrigkeit innerhalb angemessener Frist dem Verkäufer gem. Art. 38, 39 CISG anzeigen. Danach kann der Käufer/Besteller vom Verkäufer weiterhin die ordnungsgemäße Vertragserfüllung verlangen, z.B. durch Nachbesserung mangelhafter Ware oder Nacherfüllung bei einer Minderlieferung. Das Wahlrecht 114

Im gleichen Abschnitt unter Ziff. 3.3

168

zwischen Nachbesserung oder Minderung kann der Käufer nach Art. 50 CISG ausüben. 1.11 Gefahrübergang Art. 66 ff. CISG verbinden den Gefahrübergang mit der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Käufer bleibt zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, selbst wenn die Ware nach Gefahrübergang untergeht oder beschädigt wird115. 1.12 Aufhebung des Vertrages Die kann der Käufer/Besteller unter den Voraussetzungen des § 49 CISG fordern, wenn (01)

die Nichterfüllung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt oder

(02)

im Falle einer Nichtlieferung der Verkäufer die Ware nicht innerhalb der vom Käufer gesetzten Nachfrist liefert.

1.13 Kritik am UN-Kausfrecht 1.13.1 Beschränkter Regelungsinhalt Das CISG ist gewolltermaßen ein puristisches Kaufrecht. Dies hat zur Folge, dass eine Vielzahl von Rechtsfragen, die schon beim Abschluss, der Vertragsabwicklung und dem Auftreten von Leistungsstörungen auftreten können, im UN-Kaufrecht nicht geregelt werden. Das UN-Kaufrecht muss, um seine einheitlichen Anwendungsvoraussetzungen zu sichern, selbst die Grenzen seiner Anwendbarkeit abstecken und als Preis für die Rechts- verteilung auf die Normierung zahlreicher Kaufprobleme verzichten.116 1.13.2 Lückenfüllung Zwar sieht das CISG gem. Art. 7 Abs. 2 vor, zur Lückenfüllung (gapfilling) müsse vor der Heranziehung nationaler Rechtsvorschriften versucht werden, eine Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen des Übereinkom115 116

Insgesamt Steckler, Qualitätssicherungsvereinbarungen 55ff. Ziff. 2.2.4. Piechowiak 5

169

mens durchzuzführen. Diese Maßgabe hilft aber meist nicht weiter, mit dem aus der Sicht des vertragsschließenden unerwünschten Nebeneffekts, dass trotz der Anwendung des UN-Kaufrechts anschließend über das Internationale Privatrecht (IPR) geklärt werden muss, mit welcher ergänzenden Rechtsanwendung die im CISG nicht geregelte Streitfrage gelöst werden kann. Beispiel:

Eine Kapitalgesellschaft aus den Niederlanden und ein deutscher Einzelkaufmann schließen einen Vertrag über Warenlieferung, der mangels Ausschluss des UN-Kaufrechtes unter die Anwendung des CISG fällt. Zwischen den Vertragspartnern entstehen Meinungsverschiedenheiten, der deutsche Lieferant bestreitet die Rechtsfähigkeit der niederländischen Kapitalgesellschaft, diese bestreitet, dass der deutsche Kaufmann geschäftsfähig und bei den Verhandlungen ordnungsgemäß durch einen Bevollmächtigten vertreten worden ist. Schließlich streiten sich die Parteien über die Wirksamkeit einzelner AGB-Klauseln, die die niederländische Kapitalgesellschaft als Verwender gestellt hat.

Sämtliche Fragen lassen sich nicht aus dem CISG heraus lösen, sondern es muss über die Kollisionsnormen des IPR geprüft werden, welches nationale – deutsche oder niederländische – Recht anzuwenden ist. 1.13.3 Offene Rechtsfragen Im UN-Kaufrecht – sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgende Rechtsfragen – nicht geregelt: (01)

170

Vertragsabschluss • Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen; • Rechtsfähigkeit; • gesetzliche (gemeint ist die Organvertretung juristischer Personen) und rechtsgeschäftliche (also vereinbarte) Vertretung; • Eigentumsvorbehalte; • pauschalisierter Schadensersatz; • Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit;

• •

Unwirksamkeit wegen Willensmängeln (Irrtumsanfechtung); Wirksamkeit von AGB.

(02)

Erlöschen von Vertragspflichten • Aufrechnung; • die Wirkung der Hinterlegung; • Verjährung und Verwirkung

(03)

Ergänzende Regelungen • Akkreditive und Bürgschaften; • Forderungsabtretung; • Produkthaftung und deliktische Produzentenhaftung; • Vertragsstrafen; • Wertpapiere und Zahlungsmittel; • Geltung von Prozessrecht; • Vollstreckung aus Urteilen und Schiedssprüchen.117

1.13.4 Kein Welthandelsrecht Es ist kein dogmatisches Argument, dennoch überlegenswert: Das CISG ist ein „Kind“ der Vereinten Nationen mit dem Ziel, ein weltweit, zumindest in möglichst vielen Mitgliedsländern geltendes Kaufrecht zu schaffen. Die UN haben 191 Mitgliedsstaaten118, von denen bisher nur 67 Mitgliedsländer das UN-Kaufrecht eingeführt haben, einige Staaten mit dem Vorbehalt gem. Art.92 CISG, dass die Vorschriften über den Abschluss des Vertrages gem. Teil II und/oder über den Warenkauf gem. Teil III nicht zur Anwendung kommen sollen. Das CISG ist bis heute kein „Welthandelsrecht“. 2.

Internationales Privatrecht

2.1 EG-Übereinkommen von 1980 Grundlage ist das „EG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (EVÜ)“ von 1980, in der BRD 1981 in Kraft getreten. 117 118

Piechowiak 5 Stand 25.03.2006, http://de.wikipedia.org/wiki/UNO-Mitgliedstaaten

171

Es gilt in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien; seit April 2006 im Verhältnis zur BRD auch in den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Malta, Polen, Slowenien, der Slowakischen Republik, Tschechien, Ungarn und Zypern.119 Grundlage für die neu hinzugekommenen Staaten ist das 4. Beitrittsübereinkommen von 2005, das EVÜ selbst soll durch eine EG-Verordnung abgelöst werden. 2.2 Kollisionsregeln des EGBGB Wesentlicher Bestandteil des EGBGB ist das „Internationale Privatrecht (IPR)“. Das deutsche IPR ist durch die Gerichte von Amts wegen anzuwenden, also nicht nur, wenn sich die Parteien ausdrücklich darauf berufen. Das IPR bestimmt die maßgebliche Privat-Rechtsordnung bei Sachverhalten mit Auslandsberührung. Es besteht aus sog. Kollisionsnormen, die für vertragliche Schuldverhältnisse, z.B. für Kauf- und Werklieferungsverträge mit Auslandsberührung. über das anzuwendende (Landes-)Recht bestimmen. 2.3

Freie Rechtswahl

(01)

Das in Art. 27ff geregelte deutsche internationale Schuldvertragsrecht geht vom Grundsatz der freien Rechtswahl aus.

(02)

Gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EG-IPR unterliegt der mit einem Ausländer abgeschlossene Vertrag „dem von den Parteien gewählten Recht“. Die Parteien können bei Vertragsabschluss oder später auf die anzuwendende Rechtsordnung verweisen, z.B. auf deutsches, englisches oder französisches Recht usw.

(03)

119

Für das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung gelten gem. Art. 27 Abs. 4 EG-IPR dieselben Regeln

Palandt, 66. Auflage, Vorbemerkung Rn. 1 zu Art. 27 EGBGB

172

wie für den Hauptvertrag, insbesondere auch für die Rechtswahlklauseln, die in AGB enthalten sind. 2.4

Stillschweigende Rechtswahl

(01)

Gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EG-IPR „muss die Rechtswahl ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben“.

(02)

Auslegungsprobleme über die „richtige“ Rechtsanwendung treten auf, wenn es an einer ausdrücklichen Vereinbarung fehlt. Voraussetzung für eine stillschweigende Rechtswahl ist eine „tatsächliche Willensübereinkunft der Parteien“. Dieser sog. „hypothetische Parteiwille“ muss anhand von Indizien geprüft werden. Als solche Beweisanzeichen kommen vorrangig in Betracht: •

Vereinbarung eines einheitlichen Gerichtsstandes, wobei ein formularmäßiger Vermerk auf der Rechnung nicht genügt;



Vereinbarung eines Schiedsgerichts mit ständigem Sitz;



Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes, wobei die Vereinbarung einer bloßen Zahlstelle nicht genügt;



Vereinbarung der AGB einer Vertragspartei;



Verwendung von Formularen, die auf einem bestimmten Recht aufbauen, es sei denn, sie sind wie z.B. im Seefrachtverkehr international üblich und deshalb nicht als Indiz geeignet.

Da Vertragsparteien regelmäßig davon ausgehen, dass gewählte Gerichte oder Schiedsgerichte „ihr eigenes Recht“ anwenden, kommen der Vereinbarung von Gerichtsstand- und Schiedsklauseln vorrangige Bedeutung zu. Eine Gerichtsstandsvereinbarung wird deshalb als stillschweigende Rechtswahl nach Art. 27 EG-IPR gewertet.

173

(03)

Der Ort des Vertragsschlusses, die gewählte Vertragssprache (man denke an die weltweite Verbreitung von Englisch und Französisch) oder die gewählte Währung reichen für sich alleine nicht als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl aus.

2.5 (01)

Ohne Rechtswahl anzuwendendes Recht Art. 28 EG-IPR kommt zur Anwendung, wenn die Vertragsparteien keine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl getroffen haben.

(02)

Die Grundregel lautet gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EG-IPR, dass „...der Vertrag dem Recht des Staates unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist“. Es gilt also das Recht des Staates,

(03)



in dem die Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt (bei juristischen Personen die Hauptverwaltung) hat,



welche die charakteristische Leistung erbringt. Vertragstypische (charakteristische) Leistungen sind beim Kauf die Warenlieferung, beim Dienstvertrag die Dienstleistung selbst beim Werkvertrag die Herstellung.

Ohne vertragliche Rechtswahl wird „Verkäuferrecht“ angewendet.

2.6 Mehrstufige Prüfung Die Bestimmung des Schuldstatuts (der Rechtsanwendung) zwischen Vertragspartnern bei Geschäften „mit Auslandsberührung“ in der EG ist so durchzuführen: (01)

Erste Prüfung:

Kommt UN-Kaufrecht (CISG) zu Anwendung? Wenn nicht, ist

(02)

174

Zweite Prüfung:

gem. Art 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB durch übereinstimmenden, ausdrücklichen Parteiwillen die Rechtswahl erfolgt?

Wenn nicht, ist (03)

Dritte Prüfung:

gem. Art 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB durch übereinstimmenden, stillschweigenden Parteiwillen die Rechtswahl erfolgt? Wenn nicht, gilt

(04)

Vierte Prüfung:

3.

Internationale Handelsklauseln

gem. Art 28 Abs. 1 und 2 EGBGB für den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verkäufers, Herstellers (Werk- oder Werklieferungsvertrag) oder Dienstleisters (Dienstvertrag) welches Ortsrecht?

3.1 Vorbemerkung Im Handelsverkehr wird eine Vielzahl von Klauseln verwendet, teilweise durch Kürzel wie FOB (frei an Bord ...benannter Verschiffungshafen) oder DES (geliefert ab Schiff ...benannter Bestimmungshafen), die eine standardisierte, oftmals durch den internationalen Handelsverkehr geprägte Bedeutung haben. 3.2 Trade Terms In direkter Übersetzung bedeutet der Begriff Handelsbedingungen. Trade Terms ist eine von der internationalen Handelskammer in der Fassung von 1953 veröffentlichte Aufzeichnung von wichtigen, im Handelsverkehr üblichen Klauseln wie zB. ab Werk/Lager, Freiwaggon, wobei dies nationale Lieferklauseln (National Trade Terms) sind. Zwar wurden diese Terms zwischen den verschiedenen Ländern, in denen sie verwendet werden, formal angeglichen und können als eine Art „Weltsprache des Warenhandels“120 angesehen werden, haben aber keine einheitliche Auslegung. Zwischen Handelspartnern verschiedener Nationalität kann dies zu Mißverständnissen führen, darüber hinaus kann es dann zweifelhaft sein, welche nationalen Lieferklauseln auf das Geschäft anzuwenden sind. 120

Wörlen/Metzler-Müller 39

175

3.3 Incoterms Diese internationalen Handelsklauseln (International Commercial Terms) sind eine Zusammenstellung der gebräuchlichsten Handelsbedingungen durch die Internationale Handelskammer. Ihr Vorteil besteht darin, dass sie mit Auslegungsregeln verbunden sind, die eine einheitliche Bedeutung festlegen.121 4.

Internationale Schiedsgerichte

4.1 Vorbemerkung Souveräne Staaten haben für ihr Territorium die Rechtsprechungshoheit (Gerichtsbarkeit) von Staats wegen. Eine Ausnahme ist die Schiedsgerichtsbarkeit, die aufgrund Vereinbarung zwischen den Beteiligten außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit entscheidet. Voraussetzung ist eine wirksame Schiedsvereinbarung. 4.2 Nationale Schiedsgerichte In Handelskreisen werden häufig die angeblichen Vorzüge der Schiedsgerichtsbarkeit im Vergleich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit „gepriesen“. Dies begegnet Bedenken. Die staatliche Gerichtsbarkeit hat Handelskammern, deren Berufsrichter sich ausschließlich mit Rechtsfragen aus dem kaufmännischen Bereich befassen. In der Praxis gibt es immer wieder langwierige Streitigkeiten, bis ein Kollegialschiedsgericht mit z. B. drei Schiedsrichtern besetzt werden kann, weil die Schiedsparteien versuchen, das Schiedsgericht mit ihnen genehmen Fachleuten zu besetzen, was dann zur Ablehnung durch die Gegenpartei führt. Schließlich kann ein Schiedsgericht seinen Schiedsspruch oder Vergleich nicht selbst vollstrecken. Akzeptiert die unterlegene Partei den Schiedsspruch nicht oder leistet auf einen einverständlich geschlossenen Vergleich nicht, muss die staatliche Gerichtsbarkeit bemüht werden, um vollstrecken zu können.

121

Wörlen/Metzler-Müller, Seite 39ff., 74ff., 84ff.; Baumbach/Hopt Rn. 39ff. zu § 346 HGB mit einer alphabetischen Auflistung

176

4.3 Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Können sich die Vertragsparteien eines internationalen Handelsgeschäftes nicht im Wege der Rechtswahl auf die Anwendung des nationalen Rechts einer Seite oder auf die Anwendung des UN-Kaufrechts einigen, empfiehlt sich dagegen die Vereinbarung auf die Schiedsordnung eines internationalen Schiedsgerichtes. Unter der Vielzahl ständiger internationaler Schiedsgerichte ist das 1923 gegründete Schiedsgericht der internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce - ICC) in Paris besonders bekannt. Dieses hat sich zu einer weltweit führenden Institution der Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt. Auch international ist für die Anwendung einer Schiedsordnung eine Vereinbarung, also eine vertragliche Schiedsklausel erforderlich. Das ICC empfiehlt als Minimalklausel folgende Vereinbarung: Alle aus dem gegenwärtigen Vertrag sich ergebenden Streitigkeiten werden nach der Vergleichs- und Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer von einem oder mehreren gemäß dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden.122

122

Wörlen/Metzler-Müller 26

177

Abkürzungsverzeichnis

aaO. ADSp AGB AGBG AHB AktG BB BGH BGHZ BV cic CISG CR EGBGB FamRZ GbR GbRmbH GewO GmbH GmbHG GmbHR GPSG HGB ICC Incoterms IPR JIT KG LG Ltd. MDR NJW NJW-RR

178

am angegebenen Ort Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB-Gesetz Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Aktiengesetz Der Betriebs-Berater Bundesgerichtshof BGH Entscheidungen in Zivilsachen Besloten Vennotschap (culpa in contrahendo) Verschulden bei Vertragsverhandlung UN-Kaufrecht Computer und Recht Einführungsgesetz zum BGB Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR mit beschränkter Haftung Gewerbeordnung Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz GmbH Rundschau Geräte- und Produktsicherheitsgesetz Handelsgesetzbuch International Chamber of Commerce International Commercial Terms Internationales Privatrecht Just-in-Time-Lieferbeziehung Kommanditgesellschaft Landgericht Limited Company Monatsschrift für Deutsches Recht Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

OHG OLG ProdHaftG QSV Rn. VersR VOB ZGS ZPO

Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Produkthaftungsgesetz Qualitätssicherungsvereinbarung Randnote Versicherungsrecht Verdingungsordnung für Bauleistungen Zeitschriften für das gesamte Schuldrecht Zivilprozessordnung

179

Literaturverzeichnis

Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Deutsches Institut für Normung Ensthaler Köbler Koller/Roth/Morck Mellert

Müller

Münchener Kommentar Münchener Kommentar Palandt Piechowiak Reese/Spohrer Römermann Schlegelmilch Schulze/Dörner u.a. Siems

Sina

180

Handelsgesetz.Buch, 32. Auflage 2006, C.H. Beck GmbH-Gesetz, 17. Auflage 2000, C.H. Beck DIN-TERM. Qualitätsmanagement, Statistik, Zertifizierung. Begriffe aus DIN-Normen, 1995 Haftungsrechtliche Bedeutung von Qualitätssicherungsvereinbarungen, NJW 1994, 817ff. Juristisches Wörterbuch, 11. Auflage 2002, Franz Vahlen Handelsgesetzbuch, 5. Auflage 2005, C.H. Beck Ausländische Kapitalgesellschaften als Alternative zur AG und GmbH eine Synopse, MDR 2006, 8 Die englische Limited in Deutschland – für welche Unternehmen ist die tatsächlich geeignet? MDR 2006, 837 Band 1, AGB-Gesetz, 3. Auflage 1993, C.H. Beck Band 5, ProdHaftG, 4. Auflage 2004, C.H. Beck Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage 2006 C.H. Beck Vertragsstatut und UN-Kaufrecht, 2003, www.recht.uni-jena.de Vorteilhafte Vertragsgestaltung für erfolgreiches Einkaufen, 1993, Deutscher Betriebswirte-Verlag Die Limited in Deutschland – eine Alternative zur GmbH? NJW 2006, 2065 Produkthaftung in der anwaltlichen Praxis, ZAP, Fach 2, 45 Bürgerliches Gesetz.Buch, 4. Auflage 2005, Nomos Fünf Jahre neuer Kaufmannsbegriff – Eine Bestandsaufnahme der Rechtsprechung, NJW 2003, 1296 Qualitätssicherung – Einordnung und Rechtsfolgen, MDR 1994, 334

Steckler Steckler

Steckler/Pepels (Hrsg.)

van Bühren von Westphalen

Wellenhofer-Klein Wörlen/Metzler-Müller Zöller Zwernemann/Lißner

Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, Boorberg Qualitätsvereinbarungen, 1997, Boorberg Vertragsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2002, Internetausdruck Handbuch für Rechtsfragen im Unternehmen Band II: Einkaufsrecht, 2002, Neue WirtschaftsBriefe Handbuch Versicherungsrecht, 2002, C.H. Beck Rechtsprobleme des „Just-in Time-Delivery“, CR 1990, 567 Allgemeine Einkaufsbedingungen nach neuem Recht, 4. Auflage 2003, C.H. Beck; Allgemeine Verkaufsbedingungen nach neuem Recht, 5. Auflage 2003, C.H. Beck Werkzeug- und Know-how-Klauseln in Einkaufsbedingungen, BB 1999, 1121 ff. Handelsklauseln im nationalen und internationalen Warenverkehr 1997, Boorberg Zivilprozessordnung, 24. Auflage 2004, Dr. Otto Schmidt UN-Kaufrecht, 8. Auflage 2004, IHK Region Stuttgart

181

Stichwortverzeichnis Abnahme 59f., 71, 88, 91, 140 Abwehrklauseln 104f. AGB 19, 21ff., 24, 26, 54, 70, 94ff., 129f., 145, 147f., 151ff., 165f., 170f., 173 Allgemeine Geschäftsbedingungen siehe AGB Anfechtung 48ff., 89 Angebot 37ff., 47f., 100, 104, 165 Annahmeverzug 132, 135 Anscheinsvollmacht 45f. Auftragsbestätigung 39ff., 50, 99f., 104f., 128 Auslegung 37, 43, 47, 115, 128, 169, 175 Ausschließlichkeitsklauseln 104 Beschaffenheit 67, 79, 168 Bestätigungsschreiben128f. Beweislast 52, 81, 159, 163 Bonitätsauskunft 36 Bringschuld 89

Erfüllungsort 46, 88f., 97 Europäische Richtlinien 21 Falschbezeichnung 47f. Fehlerbegriff 67 fehlgeschlagene Nachbesserung 168f, Fixgeschäft 64, 132 Formkaufmann 119 freie Rechtswahl 110 Freizeichnung 86, 109, 147 Garantie 82f., 86 Gefahrtragung 88f. Geltungsklauseln 104 Genehmigungsfiktion 134 Gerichtsstandvereinbarung 98, 112 Geschäftsgrundlage 49, 69f. Gewerberegisterauskunft 34 GmbH 25f., 35f., 43, 118f., 126

Differenztheorie 75 Dissens 47, 115, 165 Duldungsvollmacht 45, 131 Durchgriffshaftung 121

Haftung 26, 52, 56f., 81, 103, 109f., 119ff., 123f., 157ff. Haftungsausschluss 86, 109 Handelsbrauch 108, 128, 139 Handelsgeschäft 55, 130, 132f., 140 Handelskauf 132f., 135 Handelsklauseln 175f. Handelsregisterauskunft 34 Holschuld 88, 135

EGBGB 166, 172, 174f., 178 Einigungsmängel 46f. Elektronische Form 30 Erfüllung 27, 53, 55, 64, 89, 106, 132, 155

ICC 177 Incoterms 176, 178 Individualabrede 96, 111 Inhaltskontrolle24, 96, 98, 101f., 152

CISG 21, 23, 56, 110f., 139, 165ff., 174, 178

182

Instruktionsfehler 161 Irrtum 48, 51, 74 Istkaufmann 118f. Kaufleute 19, 26 110, 112f., 117f., 127, 131 Kaufmann 26, 39, 43, 117ff., 126f., 130ff., 170 Kaufvertrag 46f., 54, 58, 68, 78, 132 KG 25, 36, 44, 119, 121, 126 Know-how-Klauseln 153 Kollision von AGB 115 Konsens 115, 165 Kündigung 40f., 90 Leistungsverzug 65 Letter of Intent 36f. Lieferfristen 103, 106 Lieferklauseln 175 Mahnung 60, 63, 65f., 91 Mangelbeseitigung 58f., 79, 85ff., 163 Mangelfolgeschäden 75 Minderung 79, 82, 86, 169 Nachbessserung 86, 134, 168f. Nacherfüllung 190, 57f., 61, 75, 79, 81f., 85f., 136, 168 Nebenpflichten 19, 37, 68, 73f. negatives Interesse 51, 74 Neulieferung 81 Nichtkaufmann 118 Obliegenheit 55, 133, 137, 148f., 152 Ortsrecht 175 positives Interesse 51, 74

Produktbegriff 157 Produkthaftpflichtversicherung 149 Produkthaftung 156ff., 160, 171 Produzentenhaftung 19, 148f., 151, 156f., 160, 162ff., 171 Qualitätsssicherung 142ff., 146f. Rahmenverträge 144 Regelungsbereiche 97 Rücktritt 40, 58f. 70, 79, 82, 86, 89, 108, 167 Rügeobliegenheit 133, 135, 147, 168 Sachmangel 19, 55, 67, 85, 133f., 137,164 Schaden 27, 50, 72ff., 103, 109, 136, 149, 162f. Schadensersatz 46, 57ff., 61f., 68f., 71f., 74, 79, 82, 86, 103, 109, 148, 158, 162, 167, 170 Schmerzensgeld 72, 158, 162f. Schriftform 29ff., 111 Schuldrechtsmodernisierung 21 Schweigen 38, 100, 127, 129 Sorgfaltspflicht 130 Textform 31f. Transportschäden 133, 136, 148 Unmöglichkeit 60ff., 68 Unternehmer 21, 25f., 50, 53, 60, 67, 77, 84ff., 98ff., 112, 118 Unzumutbarkeit 61f., 82 Verbraucher 21, 25, 67, 114, 156f. Verhandlungsgrundsätze 27 Verjährung 22, 78, 84, 90ff., 110, 159, 163, 171

183

Verkäufergarantie 82 Verkehrssicherungspflicht 148, 151, 163 Versandkostenklausel 89 Verschulden 52f., 57, 62, 64, 91, 74, 109, 158, 163, 167 Versendungskauf 89, 97 Vertragsabschluss 32, 34, 37, 39, 42, 48, 50, 52, 73f., 81, 97, 99, 109, 111, 115, 154, 170, 172 Vertragsfreiheit 28f. Vertragsstatut 166 Vertragsstrafe 70f., 130 Vertragsverletzung 56, 68, 74, 167ff.

184

Vertretungsverhältnisse 43f. Verzug 63ff., 68, 86, 96 Vollmacht 43ff. Vorvertrag 37 Wahlrecht 79, 168 Werklieferungsvertrag 84, 135, 144, 175 Werkvertrag 46, 53ff., 55, 58f. 85f., 91, 108, 174 Willenserklärungen 30, 39f., 42f., 128, 131 Zurückbehaltungsrecht 86