Geltungserhaltende Reduktion: Richterliche Ersatzregelbildung im schweizerischen Vertragsrecht. Dissertationsschrift 9783161552755, 316155275X

Der Begriff 'geltungserhaltende Reduktion' steht im kontinentaleuropäischen Diskurs für eine komplexe Rechtsfi

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German Pages 313 [333] Year 2017

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Geltungserhaltende Reduktion: Richterliche Ersatzregelbildung im schweizerischen Vertragsrecht. Dissertationsschrift
 9783161552755, 316155275X

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
B. Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?
C. Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege eines zeitgeistgebundenen Phänomens?
D. Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite der AGB-Inhaltskontrolle?
E. Geltungserhaltende Reduktion: Abschied von einem unfassbaren Wesen mit fragwürdiger Wirkung
F. Ergebnisse der Untersuchung
Literaturverzeichnis
Materialienverzeichnis
Entscheidregister
Stichwortverzeichnis

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 381 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Alessia Dedual

Geltungserhaltende Reduktion Richterliche Ersatzregelbildung im schweizerischen Vertragsrecht

Mohr Siebeck

Alessia Dedual, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich; Doktoratsstudium an der Universität Zürich und der Humboldt-Universität zu Berlin; Assistentin am Lehrstuhl für Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Rechtstheorie und Privatrecht an der Universität Zürich; Forschungsaufenthalte an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Max Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn; Assistentin am Lehrstuhl für Römisches Recht, Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Zürich.

ISBN 978-3-16-155275-5 ISSN  0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­ graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­r ufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­t ung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­t ronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und gebunden.

Vorwort Diese Arbeit ist im Frühjahrssemester 2017 als Dissertation von der Rechts­ wissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich angenommen worden. Für die Drucklegung wurde sie leicht überarbeitet; Rechtsprechung und Literatur konnten bis Mai 2017 berücksichtigt werden. Das Manuskript habe ich hauptsächlich während meiner Anstellung am Lehrstuhl für Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Rechtstheorie und Privatrecht (Prof. Dr. Andreas Thier M. A.) an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich verfasst. Betreut wurde ich hierbei von Prof. Dr. Ulrike ­Babusiaux und Prof. Dr. Andreas Thier M. A. Ihnen beiden gebührt mein ­größter Dank, denn ohne ihre Unterstützung hätte ich dieses Buch nicht schreiben ­können. Bedanken möchte ich mich nicht nur für die zahlreichen Ideen und Verbesserungsvorschläge, die sie an mich herangetragen haben, sondern ebenso für das Vertrauen in meine Person, das mich sehr bestärkt hat. Ihre ansteckende Begeisterung für die Grundlagen der Rechtswissenschaft hat meine Heran­ gehensweise an die Thematik maßgeblich beeinflusst und mir insbesondere die Reflexion der herkömmlichen Dogmatik aus historischer Perspektive nähergebracht. Besonderer Dank gilt auch MLaw Olivia Biehal, Dr. Carsten Fischer und MLaw Hanno Menges. Sie sind mir in verschiedenen Phasen der Textentstehung mit kritischen Anmerkungen zum Untersuchungsgegenstand zur Seite gestanden und haben das Manuskript sorgfältig geprüft. Für ihre jederzeitige Ansprechbarkeit, ihren Rat und Zuspruch danke ich ihnen von Herzen. Finanziell wurde dieses Projekt durch den Forschungskredit der Universität Zürich, Verfügung Nr. FK-14-004, gefördert. Der großzügige Jahresbeitrag hat es mir ermöglicht, mehrmonatige Forschungsaufenthalte in Berlin und Bonn zu absolvieren. An der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin habe ich am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Ökonomik (Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL.M.) geforscht. Für die herzliche Aufnahme, die Hilfe und den Ansporn bedanke ich mich bei Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL.M. Er hat mir in zahlreichen Fachgesprächen und durch den Einblick in seine Arbeiten den Zugang zur ökonomischen Analyse des Rechts wesentlich erleichtert und damit meinen Blick aufs Recht grundlegend verändert. Auf Einladung von

VI

Vorwort

Prof. Dr. Christoph Engel konnte ich das Wissen zur Ökonomischen Analyse des Rechts anschließend in Bonn am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern vertiefen, wofür ich mich ebenfalls bedanke. Von der interdisziplinären Diskussionskultur zwischen Juristen, Ökonomen und Psychologen, die hier in enger Zusammenarbeit die verhaltenswissenschaftlichen Aspekte der Ökonomik untersuchen, konnte ich stark profitieren. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Reinhard Zimmermann danke ich sehr herzlich für seine freundliche Bereitschaft, diese Arbeit in die Schriftenreihe „Studien zum internationalen und ausländischen Privatrecht“ aufzunehmen. Die Drucklegung haben Daniela Taudt und Clara Vogel vom Verlag Mohr Siebeck und die Mitarbeitenden der Abteilung Redaktionen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg stets geduldig, umsichtig und hilfsbereit betreut. Auch ihnen sei gedankt. Während meiner Dissertationszeit sind mir darüber hinaus immer wieder Menschen begegnet, die meine gedankliche Arbeit in vielerlei Hinsicht bereichert haben oder mir ganz praktisch zur Seite gestanden sind. Besonderer Dank gebührt (in alphabetischer Reihenfolge): Marcus Bsaisou, Prof. Dr. Franca Contratto, Prof. Dr. Stephan Dusil M. A., Prof. Dr. Stefan Geyer, Holger Grefrath, M. Jur., Tatjana Holter, MLaw Klemens Jansen, MLaw Elena Koch, Dr. Ana Kolarov, Peter McColgan, BLaw Annine Sawalt und Dr. Christian Tannò, LL.M. Sie alle haben Anteil am Erscheinen dieses Buches. Mein innigster Dank gilt neben meinen Eltern und meinen drei Schwestern, die mich seit jeher in jeglicher Hinsicht unterstützt haben, auch Daniel Kohler. Ihre Liebe, ihre humorvolle Art und ihre Zuversicht haben mich beflügelt und über die Zeit getragen. Der Dank, den ich für sie empfinde, lässt sich nicht in Worte fassen. Schließlich möchte ich meine Großväter, Lino Albertin und Eduard Dedual, besonders erwähnen. Sie zeigten ein stetes Interesse an meinem Werdegang und unterstützten ihn nach Kräften. Den Abschluss der Dissertation haben beide leider nicht mehr erlebt. Ihrem Andenken ist dieses Buch in tiefer Verbundenheit gewidmet. Zürich, im Mai 2017

Alessia Dedual

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. II.

Renaissance einer ungeklärten Fragestellung . . . . . . . . . 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

B. Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff? 15 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 III. Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß . 19 IV. Gesetzliche Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . 34 V. Funktionsverwandte Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . . . 52 VI. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

C. Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege eines zeitgeistgebundenen Phänomens? . . 101 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Die Behandlung von vertraglichem Übermaß in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 104 IV. AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 V. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

VIII

Inhaltsübersicht

D. Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite der AGB-Inhaltskontrolle? . . . . . . . . . . 221 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Grundannahmen zum rationaltheoretischen Verhaltensmodell des homo oeconomicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 III. Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB aus ökonomischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 IV. Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . 237 V. Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion auf das noch Zulässige . . . . . . . . . . . . . . . 252 VI. Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle unter besonderer Berücksichtigung von Art.  8 UWG . . . . . . . . 261

E. Geltungserhaltende Reduktion: Abschied von einem unfassbaren Wesen mit fragwürdiger Wirkung . . . . . . . . . 275 F. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Entscheidregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Renaissance einer ungeklärten Fragestellung . . . . . . . . . . 2 1. Ausgangspunkt: Revision des Art.  8 UWG . . . . . . . . . . . 2 2. Sprachliche Neuschöpfung für ein altbekanntes Problem . . . 4 3. Begriffsentwicklung in der deutschen AGB-Diskussion . . . . 6 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands und Terminologie 12

B. Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff? 15 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Einseitig übermäßige Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Äquivalenzstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 III. Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß . 19 1. Prozedurale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 a) Restriktive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 b) Partielle Teilunwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 c) Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 d) Instrument sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 e) Richterliche Vertragsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . 27 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Materiale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Variables Reduktionsmaß im Individualvertrag . . . . . . . 29 b) Festes Reduktionsmaß für AGB . . . . . . . . . . . . . . . 31 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

X

Inhaltsverzeichnis

IV. Gesetzliche Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Einzelne Reduktionsnormen im OR . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Inhaltskorrektur als gemeinsames Merkmal . . . . . . . . 37 b) Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Regelungstendenzen einer Restgültigkeit . . . . . . . . . . . 38 a) Art.  20 Abs.  2 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Art.  21 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Verbotsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Art.  8 UWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Exkurs: Zivilprozessuale Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . 48 a) Leistungs-, Gestaltungs- oder Feststellungsurteil . . . . . . 48 b) Antragserfordernis oder Feststellung des Übermaßes von Amtes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

V. Funktionsverwandte Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . . . 52 1. Modifizierte Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Gesetzlicher Regelfall: schlichte Teilnichtigkeit . . . . . . . 54 aa) Voraussetzung: die Teilbarkeit des Vertrags . . . . . . 55

(1) „[E]inzelne Teile des Vertrages“ gemäß Art.  20 Abs.  2 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (2) „Bestimmung“ im Sinne von §  306 BGB . . . . . . 57 (a) Formeller Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (b) Materieller Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . 58 (c) Formelle und materielle Ansatzpunkte in Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (3) Klauselteilung als Alternative . . . . . . . . . . . 59 bb) Grenzen der schlichten Teilnichtigkeit . . . . . . . . . 60 (1) Nichtigkeit vertraglicher Nebenpunkte . . . . . . . 61 (2) Nichtigkeit vertraglicher Hauptpunkte . . . . . . . 62 (a) Objektiv-wesentliche Vertragspunkte . . . . . . 62 (b) Subjektiv-wesentliche Vertragspunkte . . . . . . 63 (3) Synallagmatische Verträge . . . . . . . . . . . . . 64 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Teilnichtigkeit mit Ersatzregel . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Formen der Ersatzregelbildung . . . . . . . . . . . . . 66 (1) Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (2) Dispositives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Richterliche Ersatzregel . . . . . . . . . . . . . . 69 (4) Verhältnis der einzelnen Ersatzregeln untereinander 70

Inhaltsverzeichnis

XI

bb) Verhältnis zu den Kriterien der schlichten Teilnichtigkeit 71 (1) Die Maßgeblichkeit des hypothetischen Parteiwillens 71 (2) Teilbarkeit des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . 72 (3) Selbständigkeit des Rests . . . . . . . . . . . . . . 73 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Richterliche Vertragsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Lücke im Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Ergänzungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Ergänzungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Objektive Ergänzungsmittel . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Hypothetischer Parteiwille als subjektives Ergänzungsmittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 d) Rangordnung der Ersatzregeln . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Dispositivnorm vor richterlicher Ersatzregel . . . . . . 87 bb) Primäre Orientierung am hypothetischen Parteiwillen . 88 cc) Vermittelnde Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . 89 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 e) Grenzen der Vertragsergänzung . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Objektiv-wesentliche Vertragspunkte . . . . . . . . . . 93 bb) Subjektiv-wesentliche Vertragspunkte . . . . . . . . . 94 f) Sonderproblematik AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

VI. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

C. Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege eines zeitgeistgebundenen Phänomens? . . 101 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Die Behandlung von vertraglichem Übermaß in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Einseitig übermäßige Bindungen als absolutes Übermaß . . . . 104 a) Allgemeines vertragsrechtliches Schrankenkonzept . . . . 104 b) Gesetzlich nicht fixierte Zulässigkeitsschranken . . . . . . 109 aa) Reduktion übermäßiger Konventionalstrafen . . . . . . 111 (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

XII

Inhaltsverzeichnis

(2) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (a) Die Rechtslage zu Art.  182 aOR (1881) . . . . . 112 (b) Die Rechtslage zu Art.  163 Abs.  3 OR . . . . . . 115 (3) Vorgehensweise i. w. S. . . . . . . . . . . . . . . . 120 (a) Reduktionsmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (b) Rechtsgrundlagen und Reduktionsvorgang . . . 123 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Reduktion übermäßiger Mietzinse . . . . . . . . . . . 124 (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (2) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (a) Absolute Anpassungskriterien . . . . . . . . . . 129 (b) Relative Anpassungskriterien . . . . . . . . . . 130 (c) Verhältnis der einzelnen Kriterien untereinander 131 (3) Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) . . . . . . . . . . . 131 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Reduktion übermäßiger Konkurrenzverbote . . . . . . 132 (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (2) Rechtslage gemäß aOR (1881): Gültigkeit oder Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (3) Differenzierte Rechtslage nach Inkrafttreten des OR 1912 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (a) Dienstvertragliche bzw. arbeitsvertragliche Konkurrenzverbote . . . . . . . . . . . . . . . 140 (i) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . 140 (ii) Vorgehensweise i. w. S. . . . . . . . . . . . 143 (a) Reduktionsmaß . . . . . . . . . . . . 143 (b) Rechtsgrundlagen und Reduktionsvorgang 148 (b) Gewerbliche Konkurrenzverbote . . . . . . . . 150 (i) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . 150 (ii) Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) . . . . . . . 151 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 dd) Reduktion übermäßiger Mäklerlöhne unter Berücksichtigung der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung 157 (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (a) Rechtslage zum aOR (1881) . . . . . . . . . . . 158 (b) Rechtslage zu (a)Art.  417 OR . . . . . . . . . . 159 (3) Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) . . . . . . . . . . . 162

Inhaltsverzeichnis

XIII

(4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 ee) Reduktion überlanger Dauerschuldverhältnisse . . . . . 164 (1) Zeitlich begrenzte Bindungen . . . . . . . . . . . . 164 (2) Bindungen auf unbestimmte Zeit . . . . . . . . . . 171 (a) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (b) Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) . . . . . . . . . 174 (i) Bei Fehlen einer Kündigungsregel . . . . . 174 (ii) Im Falle der Nichtigkeit der vertraglichen Kündigungsregel . . . . . . . . . . . . . . 176 (iii) Zur Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Besonderen . . . . . . . . 177 (3) Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ff) Reduktionen im Falle des allgemeinen Übermaßverbots nach Art.  27 Abs.  2 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (2) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 gg) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Kriterien zur Feststellung des Übermaßes als Anknüpfungspunkt für eine geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) . . . . . . . . . . . 187 (4) Sonderfall AGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Gesetzlich fixierte Zulässigkeitsschranken . . . . . . . . . 189 aa) Reduktion von Darlehenszinsen . . . . . . . . . . . . 189 bb) Reduktion von Freizeichnungsklauseln . . . . . . . . . 192 (1) Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Gewährleistungsausschluss . . . . . . . . . . . . . 195 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Äquivalenzstörungen als relatives Übermaß . . . . . . . . . . 198 a) Reduktion eines offenbaren Missverhältnisses gemäß Art.  21 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Vorgehensweise i. w. S. (Reduktionsmaß und -vorgang) 202 b) Reduktion im Falle der laesio enormissima im System des Art.  17 aOR (1881) und Art.  20 OR . . . . . . . . . . . . . 207 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

XIV

Inhaltsverzeichnis

IV. AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

2. Rechtsprechungsänderung durch das Urteil des Bundesgerichts BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008? . . . . . . . . . 210 a) Übermaßkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Sonderfall AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Die Rechtsfolgenfrage des Art.  8 UWG im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Ansichten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Missverständnisse in der bisherigen Diskussion . . . . . . . 218

V. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

D. Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite der AGB-Inhaltskontrolle? . . . . . . . . . . 221 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Grundannahmen zum rationaltheoretischen Verhaltensmodell des homo oeconomicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Methodologischer Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Ressourcenknappheit, Restriktionen und Präferenzen . . . . . 226 3. Das Wahlverhalten des homo oeconomicus . . . . . . . . . . 227 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB aus ökonomischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Ausgangspunkt: Konzept des vollständigen Vertrags . . . . . 229 2. Regulatorische Eingriffe in den Vertragsmechanismus . . . . . 230 3. AGB-Kontrolle im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 IV. Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Regulierungsmodelle im Falle übermäßiger Vertragsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesamtunwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regulierungsmodelle zur Vertragserhaltung . . . . . . . .

237 238 241

Inhaltsverzeichnis

XV

aa) Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der begünstigten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Reduktion auf ein angemessenes Maß . . . . . . . . . 242 cc) Reduktion auf das noch zulässige Maß . . . . . . . . . 243 2. Verhalten des homo oeconomicus im Modell . . . . . . . . . . 243 a) Risikoallokation unter vollkommener Information . . . . . 243 b) Risikoallokation unter Informationsasymmetrie und Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Reduktion auf das noch zulässige Maß . . . . . . . . . 246 bb) Reduktion auf ein angemessenes Maß . . . . . . . . . 248 cc) Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der begünstigten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 dd) Gesamtunwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

V. Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion auf das noch Zulässige . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Fehlende Voraussehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Altrechtliche Verträge: Gesetzes- oder Praxisänderung 255 bb) Gesetzlich nicht fixierte Zulässigkeitsschranken . . . . 256 b) Geltungserhaltende Reduktion zugunsten des Kunden . . . 257 aa) Betrachtung ex post . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Betrachtung ex ante (Art.  2 Abs.  2 ZGB) . . . . . . . . 257 c) Gutgläubigkeit/Bösgläubigkeit der AGB-Verwenderin . . . 258 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 VI. Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle unter besonderer Berücksichtigung von Art.  8 UWG . . . . . . . . . 261 1. Ziele der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. AGB-Kontrollstufen im schweizerischen Recht . . . . . . . . 262 a) Geltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Auslegungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 c) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Allgemeine vertragsrechtliche Inhaltskontrolle . . . . . 267 bb) Inhaltskontrolle gemäß Art.  8 UWG . . . . . . . . . . 268 (1) Rechtslage zum aArt.  8 UWG . . . . . . . . . . . 268 (2) Rechtslage zum Art.  8 UWG . . . . . . . . . . . . 269 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Zielerreichung mittels der richtigen Rechtsfolgenwahl für Art.  8 UWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

XVI

Inhaltsverzeichnis

E. Geltungserhaltende Reduktion: Abschied von einem unfassbaren Wesen mit fragwürdiger Wirkung . . . . . . . . . 275 F. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Entscheidregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. M. aAGBG

anderer Ansicht am angegebenen Ort am Main Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Dezember 1976 (BGBl. I S.  3317), das durch Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 (BGBl. I S.  946) neugefasst und durch das Gesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 aufgehoben worden ist aArt. aufgehobener Artikel AB Amtliches Bulletin Abs. Absatz aBV (1874) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (aufgehoben) AcP Archiv für die civilistische Praxis AG Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingung(en) AJP Allgemeine Juristische Praxis Al. Alinéa (Absatz) aOR (1881) Bundesgesez (sic) über das Obligationenrecht vom 14. März 1881 (aufgehoben) AS Amtliche Sammlung des schweizerischen Bundesrechts Aufl. Auflage AVG Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz) vom 6. Oktober 1989 (SR 823.11) AZR Aktenzeichen Recht B2B Business-to-Business (Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen) B2C Business-to-Consumer (Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Privatperson) BAG (Deutsches) Bundesarbeitsgericht BB Der Betriebs-Berater BBl. Schweizerisches Bundesblatt Bd. Band bearb. bearbeitet BGB Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S.  42, 2909; 2003 I S.  738), das durch das Gesetz vom 6. Juni 2017 (BGBl. I S. 1495) mit Wirkung vom 10. Juni 2017 geändert worden ist

XVIII BGBB

Abkürzungsverzeichnis

Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 (SR 211.412.11) BGBl. (Deutsches) Bundesgesetzblatt BGE Leitentscheid des schweizerischen Bundesgerichts BGer Entscheid des schweizerischen Bundesgerichts BGH Bundesgerichtshof (der Bundesrepublik Deutschland) BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BJM Basler Juristische Mitteilungen BK Berner Kommentar BR Baurecht BR Bundesrat BRB Bundesratsbeschluss BSK Basler Kommentar bspw. beispielsweise BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) bzw./bezw. beziehungsweise CC Code civil suisse du 10 décembre 1907 (RS 210) CHF Schweizer Franken Chi. L. Rev. The University of Chicago Law Review CHK Handkommentar zum Schweizer Privatrecht CO Loi fédérale complétant le Code civil Suisse (Livre cinquième: Droit des obligations) du 30 mars 1911 (RS 220) Code Consom. Loi numéro 93-949 du 26 juillet 1993 relative au code de la consommation Cogn. Psych. Cognitive Psychology CSLE Center for the Study of Law and Economics d. h. das heißt DB Der Betrieb ders. derselbe dies. dieselbe(n) D. Digesten Diss. Dissertation DZWiR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht E-Art. Entwurf eines Artikels EER European Economic Review Einl. Einleitung et. al. et alii (und andere) etc. et cetera (und so weiter) FG Festgabe FIFA Fédération Internationale de Football Association FS Festschrift GewO Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S.  202), die durch das Gesetz vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822) mit Wirkung vom 26. Juni 2017 geändert worden ist GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1), das durch Gesetz

Abkürzungsverzeichnis

XIX

vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) mit Wirkung vom 1. Januar 2015 geändert worden ist Habil. Habilitation HAVE Haftung und Versicherung HGB Handelsgesetzbuch in der Fassung der Bekannmachung vom 10. Mai 1897 (RGBl. I S. 217), das durch das Gesetz vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) mit Wirkung vom 26. Juni 2017 geändert worden ist HKK Historisch-kritischer Kommentar zum BGB HLS Historisches Lexikon der Schweiz Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben Hs. Halbsatz i. Br. im Breisgau i. Ü. im Üechtland i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinn JA Juristische Arbeitsblätter JEL Journal of Economic Literature JEP Journal of Economic Perspectives JLE Journal of Law and Economics JLE&O Journal of Law, Economics, & Organization JPE Journal of Political Economy JR Juristische Rundschau JuS Juristische Schulung JZ JuristenZeitung KKG Bundesgesetz über den Konsumkredit vom 23. März 2001 (SR 221.214.1) KuKo Kurzkommentar LCD Loi federal contre la concurrence déloyale du 19 décembre 1986 (RS 241) m. E. meines Erachtens m. w. H. mit weiteren Hinweisen MRA MietRecht aktuell MüKo Münchener Kommentar N. Note(n) NJW Neue Juristische Wochenschrift NR Nationalrat NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht OFK Orell Füssli Kommentar OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivil­ gesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (SR 220) PauRG Bundesgesetz über Pauschalreisen vom 18. Juni 1993 (SR 944.3) RS Recueil systématique de droit fédéral QJE Quarterly Journal of Economics recht Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis RGBl. Reichsgesetzblatt des Deutschen Reiches RIW Recht der internationalen Wirtschaft

XX

Abkürzungsverzeichnis

Rz. Randziffer(n) S. Seite(n) s. siehe SGK St. Galler Kommentar SHK Stämpflis Handkommentar SJ La Semaine Judiciaire SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung sog. so genannt SPR Schweizerisches Privatrecht SR Ständerat SR Systematische Sammlung des schweizerischen Bundesrechts ST Der Schweizer Treuhänder SVIT Schweizerischer Verband der Immobilienwirtschaft SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht u. a. unter anderem/anderen Ulp. Ulpian USA United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) UWG Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986 (SR 241) vgl. vergleiche VKKG Verordnung zum Konsumkreditgesetz vom 6. November 2002 (SR 221.214.11) VMWG Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen vom 9. Mai 1990 (SR 221.213.11) VVG Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) vom 2. April 1908 (SR 221.229.1) Wisc. L. Rev. Wisconsin Law Review WiStrG Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 1975 (BGBl. I S.  1313), das zuletzt durch das Gesetz vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) mit Wirkung vom 1. Juli 2017 geändert worden ist WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Yale L. Journ. The Yale Law Journal z. B. zum Beispiel ZBJV Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210) ZK Zürcher Kommentar ZPO Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung) vom 19. Dezember 2008 (SR 272) ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht

A. Einleitung Tragender Gedanke des schweizerischen Privatrechts ist die Privatautonomie.1 Das Privatrecht geht dem Grundsatz nach davon aus, dass die einzelnen Akteure ihre Verhältnisse selbstbestimmt angemessen regeln.2 Zwar erwähnt die schweizerische Bundesverfassung die Privatautonomie nicht ausdrücklich als verfassungsmäßiges Recht, doch wird sie durch verschiedene Freiheitsrechte, insbesondere die Wirtschaftsfreiheit (Art.  27 BV) und die Eigentumsgarantie (Art.  26 BV), vorausgesetzt und erhält damit selbst Verfassungsrang.3 Im Schuldrecht findet die Zulässigkeit privatautonomer Rechtsgestaltung ihren Ausdruck in der Vertragsfreiheit. Sie umfasst die Abschlussfreiheit, die Partnerwahlfreiheit, die Inhaltsfreiheit, die Formfreiheit und die Aufhebungsfreiheit.4 Als privatautonomer Akt ist die Selbstgestaltung des Rechtsverhältnisses in einem Vertrag nicht nur für die beteiligten Parteien verbindlich, sondern auch vom Gericht zu beachten. Das heißt, das Gericht ist grundsätzlich nicht befugt, in den Vertragsinhalt einzugreifen.5 Das subjektive Recht auf selbstbestimmte Verpflichtung und die Möglichkeit, die vertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten gerichtlich durchzusetzen, werden in diesem Lichte treffend als „Normsetzungsbefugnis“ der Privaten charakterisiert.6 Privatrecht befasst sich der Idee nach also vorwiegend mit der Koordination privater Interessen. Allerdings kommen diesem Rechtsbereich zunehmend andere Funktionen sozialer Gestaltung zu. Es versteht sich von selbst, dass der Gesetzgeber Verträge mit widerrechtlichem oder sittenwidrigem Inhalt nicht anerkennen kann (vgl. Art.  20 OR und Art.  27 ZGB).7 Damit die Freiheit des Einen im Rahmen der Vertragsaushandlung nicht zur Unfreiheit des Anderen

1 SGK-Vallender,

Art.  27 BV N.  44. Bucher, OR AT, 87; Richter, 12 f. 3 SGK-Vallender, Art.  27 BV N.  45; BSK-Uhlmann, Art.  27 BV N.  10; vgl. auch BGE 113 Ia 126 E. 8c S.  139; 130 I 26 E. 4.3 S.  41; 131 I 333 E. 4. S.  339. 4 SGK-Vallender, Art.  27 BV N.  4 4. 5 Vgl. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 24–27; Fastrich, 12 f. 6 SGK-Vallender, Art.  27 BV N.  4 4 m. w. H. 7  Bucher, OR AT, 87. 2 

2

A. Einleitung

verkommt, wird der eigentlich tragende Gedanke des schweizerischen Privatrechts, die Privatautonomie, daher an entscheidenden Punkten durchbrochen.8 Aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen der Privatautonomie und ihren normativen Grenzen werden dem Gericht als rechtsprechender Gewalt im Staat verschiedene Rollen zuteil. Einerseits ist das Gericht der Durchsetzung der Verträge als privatautonom geschaffener Rechtsordnung zwischen den Parteien verpflichtet. Andererseits bedingt dies die verbindliche Festlegung des Vertragsinhalts durch Auslegung und die Prüfung des Auslegungsergebnisses auf seine Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung. Wird der Vertragsinhalt von der Rechtsordnung nicht gebilligt, hat das Gericht auf Ebene der Inhaltskontrolle von Gesetzes wegen in den Vertragsinhalt einzugreifen.9 Auf Rechtsfolgenseite bieten sich hierfür insbesondere die Nichtigkeit oder die geltungserhaltende Reduktion des missbilligten Vertragsteils an. Wird der Vertragsteil für nichtig befunden, entfällt er ersatzlos (vgl. Art.  20 Abs.  2 OR). Als Gegenkonzept dazu wird im kontinentaleuropäischen Diskurs eine Rückführung auf das zulässige Maß diskutiert, wenn eine eigentlich unwirksame vertragliche Vereinbarung einen legitimen Kern enthält. Im Falle der Bejahung einer geltungserhaltenden Reduktion führt dies dazu, dass die übermäßig bindende Klausel ihre Geltung behält und die Nichtigkeitsfolge mittels geltungserhaltender Reduktion auf den überschießenden Teil begrenzt wird.10 Dadurch wird der gerichtliche Eingriff in den Vertragsinhalt teilweise zurückgenommen. Die Frage nach einer geltungserhaltenden Reduktion übermäßiger Vertragsinhalte spiegelt damit das Dilemma des Richters, einerseits der Vertragsfreiheit verpflichtet zu sein und andererseits die zwingenden Grenzen des Gesetzesrechts einhalten zu müssen.11

I.  Renaissance einer ungeklärten Fragestellung 1.  Ausgangspunkt: Revision des Art.  8 UWG Die Diskussion um die Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion hat sich in der Schweiz im Zuge der Revision des Art.  8 UWG im Jahr 2012 aktualisiert.12 Dieser Artikel bestimmt auf Tatbestandsseite, dass „unlauter“ insbeVgl. zum Ganzen auch Canaris, in: AcP 200 (2000), 273 ff. Fastrich. 10 Vgl. Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-­ Klauselwerke, N.  16 m. w. H. 11 Vgl. Häsemeyer, in: FS Ulmer, 1097, 1098. 12  Zur Entstehungsgeschichte s. Kramer/Probst/Perrig, N.  292–311, sowie die Einzelnach­ weise unten S.  41 ff. 8 

9 Grundlegend:

I.  Renaissance einer ungeklärten Fragestellung

3

sondere derjenige handelt, der „allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen“. Zu den vertraglichen Rechtsfolgen, die ein unlauteres Handeln nach sich zieht, schweigt die Bestimmung. Die damit einhergehende Erwartungsunsicherheit hat in der Schweiz eine Diskussion über die „richtige“ Rechtsfolge entzündet, in deren Rahmen auch über die geltungserhaltende Reduktion debattiert wird.13 Vom Bundesgericht wurde diese Frage bislang noch nicht entschieden. Der überwiegende Teil der Lehre geht von der Nichtigkeit der betroffenen Klausel(n) bzw. von der Teilnichtigkeit des Vertrags aus.14 Die dadurch entstandene Lücke soll sodann anhand von dispositivem Gesetzesrecht bzw. mittels richterlicher Vertragsergänzung gefüllt werden.15 Diese Rechtsfolge wird der geltungserhaltenden Reduktion gegenübergestellt, gemäß welcher übermäßige Klauseln in begrenztem Umfange anwendbar blieben. Wie zu zeigen sein wird, entpuppt sich im Rahmen dieser Diskussion das der geltungserhaltenden Reduktion zugrunde gelegte Begriffsverständnis als uneinheitlich.16 Da „geltungserhaltende Reduktion“ kein Gesetzesbegriff ist17 und dennoch als feststehender Rechtsbe13 

S. dazu sogleich die Hinweise in Kap. A Fn.  14. Bieri, in: Jusletter 24. Oktober 2011, Rz. 10; ders., in: Bohnet, 47, N.  29 f.; Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  160; Dupont, in: Bohnet, 99, N.  70; Ehle/ Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 160 f.; Maissen, N.  342–345; Pichonnaz, in: BR 3/2012, 140, 144; Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 61 f.; Rusch/Bornhauser, in: AJP 10/2012, 1228, 1238; Schmid, in: ZBJV 1/2012, 1, 16; Schott, in: ST 2/2012, 78, 80; Schwenzer, OR AT, N.  46.09; Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21; Sutter/Lörtscher, in: recht 4/2012, 93, 101; Thouvenin, in: Jusletter 29. Oktober 2012, Rz. 10; Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; Walker, 167 f.; Widmer, N.  323–325 mit Verweis auf N.  155 f. (Teilweise) befürwortet wird die geltungserhaltende Reduktion dagegen von Bouverat, N.  1103; Koller T., in: Emmenegger, 17, 66 f.; Kuonen, in: SJ II 1/2014, 1, 29–31; Kut/Stauber, in: ­Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; Marchand, in: HAVE 3/2011, 328, 331; Schaller, in: AJP 1/2012, 56, 65; Vischer, in: AJP 7/2014, 964, 975; Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1210 f.; Jenny, 65 f.; Schnyder, in: Brunner/Schnyder/Eisner-­K iefer, 39, 73; Wetzel/Grimm/ Mosimann, in: MRA 1/2013, 3, 11 f. Offengelassen wurde die Frage nach der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion in der Botschaft des Bundesrates zur Änderung des UWG. Dort wird die geltungserhaltende Reduktion zurück­haltend als „in der Praxis und Lehre umstritten“ bezeichnet, s. Botschaft zur Änderung des UWG, BBl. 2009, 6151, 6180. 15  In diesem Sinne Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Buser-Gora, 157; Carron, in: Carron/ Müller, 95, N.  161; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Gauch/Schluep/Schmid/­Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Jenny, 66. 16  S. im Einzelnen unten S.  19 ff. 17  Zum Gesetzesbegriff Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, N.  204. 14 S.

4

A. Einleitung

griff verwendet wird, ohne dass er für den schweizerischen Diskurs allerdings je ex professo bestimmt worden wäre, entstehen in dieser Diskussion folgenschwere Missverständnisse.18

2.  Sprachliche Neuschöpfung für ein altbekanntes Problem Dass sich die Debatte über die geltungserhaltende Reduktion in der Schweiz im Kontext des Art.  8 UWG momentan als schwierig erweist, liegt mitunter daran, dass der Begriff anfangs der 1980er-Jahre nicht im Hinblick auf die AGB-Problematik Eingang in die Literatur fand, sondern als Synonym für ein allgemeineres Problem diente: die quantitative Teilnichtigkeit.19 Unter diesem Ausdruck wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Schweiz vor allem mit Blick auf Art.  20 Abs.  2 OR die Frage diskutiert, ob ein Vertrag, der allein aufgrund seines Übermaßes, wie zum Beispiel einer zu langen vertraglichen Laufzeit oder einer übermäßigen Leistungsverpflichtung, gesetzes- oder sittenwidrig ist, unabhängig davon, ob er individuell ausgehandelt oder vorformuliert wurde, aufrechterhalten werden kann.20 Diese Frage wurde nicht nur mit Blick auf die vertraglichen Hauptleistungspflichten diskutiert, sondern ebenso für Nebenpflichten wie die Haftungsfreizeichnung und den Gewährleistungsausschluss.21 Die Diskussion um eine richterliche Leistungsreduktion war allerdings auch damals nicht neu. Es ist evident, dass Verträge in einer Rechtsordnung ihrem Inhalt nach normative Grenzen über- oder unterschreiten können.22 Die Übermaßkorrektur durch das Gericht bietet, unabhängig von ihrem sprachlichen Gewand, eine Möglichkeit, um darauf auf Rechtsfolgenseite zu reagieren. Dementsprechend war bereits der Begriff „quantitative Teilnichtigkeit“ eine sprachliche Neuschöpfung für das dahinterstehende, viel ältere Problem der richterlichen Leistungsreduktion, die über das bloße Wegstreichen einzelner Vertragsteile hinausging und damit einer wertenden Korrektur durch das Gericht bedurfte. Der Zweckgedanke, der sich hinter dieser wechselnden Terminologie verbirgt, lässt sich in seinem Grundgehalt bis zur gemeinrechtlichen Maxime utile 18 

S. im Einzelnen unten S.  218 f. S. hierzu Herzog; vgl. hierzu auch Hürlimann, N.  261. 20  Zuweilen wird der Begriff auch in Deutschland im Zusammenhang der §§  134, 138 BGB gebraucht, doch die Rechtsprechung ist diesbezüglich uneinheitlich. Vgl. hierzu Bechtold, 303 m. w. H.; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 359; zur Forderung einer geltungserhaltenden Reduktion auch im Gefüge der §  134, 138 BGB s. Canaris, in: FS Steindorff, 519, 520 ff.; ders., in: DB 18/2002, 930, 932 f. 21  Alternativ zu „quantitativer Teilnichtigkeit“ wurde die Problematik auch unter dem Stichwort des „richterlichen Moderationsrechts“ diskutiert, vgl. hierzu Schweingruber; Scherrer; s. auch Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449 ff.; ders., in: ZBJV 12/1952, 497 ff. 22  Herzog, 13. 19 

I.  Renaissance einer ungeklärten Fragestellung

5

per inutile non vitiatur zurückverfolgen,23 wobei diese im antiken römischen Recht allerdings nur für die Stipulation 24 und für das Erbrecht25 nachgewiesen ist. Im 19. Jahrhundert hat sich die gemeinrechtliche Maxime der Restgültigkeit sodann als allgemeine Regel etabliert.26 Zwar fand die Regelung weder Eingang ins OR noch etwa ins BGB, doch wurde der Begründungsbedarf für die Abweichung von Art.  20 OR bzw. §  139 BGB, die beide eine schlichte Teilnichtigkeit27 vorsehen, dennoch erst im fortschreitenden 20. Jahrhundert erkannt.28 Damit spiegelt sich in der Diskussion um eine geltungserhaltende Reduktion die Renaissance einer ungelösten Fragestellung. Dass der Begriff in den 1980er-Jahren Eingang in die Literatur fand, lag daran, dass das Bundesgericht (damals in Erweiterung der schlichten Teilnichtigkeit) begann, übermäßige Vertragsklauseln durch dispositives Gesetzesrecht und, wo solches fehlte, durch eine richterliche Regel zu ersetzen.29 In der Literatur wurde diese richterliche Vertragskorrektur unter dem Stichwort der sog. „modifizierten Teilnichtigkeit“ behandelt. „Geltungserhaltende Reduktion“ diente hierbei als Ausdruck, um das Vorgehen des Gerichts zu benennen. Das Bundesgericht hat den Begriff

23  S. Ulp.  48 ad Sab. D. 45.1.1.5: „Sed si mihi Pamphilum stipulanti tu Pamphilum et ­ tichum spoponderis, Stichi adiectionem pro supervacuo habendam puto: nam si tot sunt S stipulationes, quot corpora, duae sunt quodammodo stipulationes, una utilis, alia inutiles, neque vitiatur utilis per hanc inutilem.“ Damit war gemeint, dass, wenn der Gegner die Stipulationsfrage „Versprichst Du, A zu geben?“ mit „A und B“ beantwortete, B zwar nicht stipuliert wurde, das Leistungsversprechen A davon allerdings nicht berührt wurde. Das heißt, der Stipulationsgegner hatte dieses gegen sich gelten zu lassen. Vgl. hierzu Kaser/ Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, §  9 N.  4, die betonen, dass sich Art.  20 Abs.  2 OR aus der auf der Grundlage dieser Digesten-Stelle abgeleiteten gemeinrechtlichen Maxime ent­ wickelt habe; s. auch Honsell, Römisches Recht, 39. Im Einzelnen Seiler, in: FS Kaser, 127 ff., der nachweist, dass das Prinzip mit Blick auf den Vertrag dem römischen Recht unbekannt war, s. ders., insbesondere 144 f. ebenda. Im römischen Recht fand die geltungserhaltende Reduktion also nur auf der Ebene der Willenserklärung statt (vgl. Art.  25 Abs.  2 OR sowie hierzu Spiro, in: ZBJV 12/1952, 497, 501–513). 24 Vgl. Honsell, in: ZSR 2/2011, 5, 15. 25 Grundlegend Staffhorst. 26  HKK-Dorn, §§  134–137 BGB N.  19; ders., §§  139–141 N.  2 ff.; HKK-Hellwege, §§  305– 310 (II) N.  29, je m. w. H. 27  Zum Begriff der „schlichten Teilnichtigkeit“ s. unten S.  54 f. 28  HKK-Hellwege, §§  305–310 (II) N.  30 m. w. H. 29  Diese Rechtsprechung etablierte sich seit dem Grundsatzentscheid BGE 107 II 216. In einer Urteilsbesprechung prägte Gauch den Ausdruck der „modifizierten Teilnichtigkeit“, in welche er auch die geltungserhaltende Reduktion einbettete, s. ders., in: recht 3/1983, 95 ff.; Hürlimann übernimmt ihn dann in seiner Dissertation, s. ders., N.  275; später taucht er prominent auf bei BK-Kramer, Art.  19/20 z. B. N.  362.

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A. Einleitung

zum ersten Mal in einem Grundsatzentscheid im Jahr 1997 verwendet und arbeitet seither kontinuierlich damit.30 Mit der Rechtsfolgendebatte zu Art.  8 UWG hat die Literatur der Diskussion nun eine neue Stoßrichtung gegeben. Während die richterliche Vertragsergänzung im Falle übermäßiger AGB ausdrücklich zulässig sein soll, wird die geltungserhaltende Reduktion vor allem im Lichte der Prävention abgelehnt.31 Indem suggeriert wird, geltungserhaltende Reduktion und richterliche Vertragsergänzung seien zwei nebeneinander stehende Rechtsinstrumente, ist im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt der geltungserhaltenden Reduktion momentan eine Begriffsverengung im Gange. Damit ergibt sich der Befund, dass die geltungserhaltende Reduktion zwar einen festen Platz im schweizerischen Vertragsrecht besetzt, ohne jedoch in ihren Geltungsgrundlagen und ihrer Reichweite näher konturiert zu sein. Die vorliegende Studie will diese Lücke schließen. Hierfür könnte sich ein Vergleich mit dem deutschen Recht anbieten: Die momentan in der Schweiz geführte Debatte zur Rechtsfolge von Art.  8 UWG zeigt nämlich deutliche Parallelen zu einer Auseinandersetzung in Deutschland, die in den 1970er-Jahren im Zuge der Einführung des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (aAGBG) stattgefunden hat.32

3.  Begriffsentwicklung in der deutschen AGB-Diskussion „Geltungserhaltende Reduktion“ ist eine relativ junge Begrifflichkeit, die in der deutschen AGB-Debatte der 1970er-Jahre aufkam.33 Ziel des aAGBG aus dem Jahr 1976 war es, mittels einer Inhaltskontrolle die Angemessenheit von AGB 30 

BGE 123 III 292; in jüngerer Zeit BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008. Bieri, in: Bohnet, 47, N.  30; Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Eisner-Kiefer, in: Brunner/ Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Jenny, 65; Jung, in: Brunner/ Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 161 f.; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  377; Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; Maissen, N.  343; Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 62; Rusch/Huguenin, in: SZW 1/2008, 37, 47; Schnyder, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 39, 73; Schott, in: ST 2/2012, 78, 80; Schwenzer, OR AT, N.  32.45; Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21; KuKo-Thier A., Art.  100 OR N.  7; Widmer, N.  155. Das in Deutschland ebenfalls verfochtene Transparenz-Argument wird in der Schweiz von folgenden Autoren vorgebracht: CHK-Furrer/Wey, Art.  100 OR N.  18; Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 161 f.; Schwenzer, OR AT, N.  46.09. 32  Für einen ersten Überblick s. Hager, 63–66; Staudinger-Schlosser, §  306 BGB N.  22a), je m. w. H. 33  Wie in der Schweiz existiert die Diskussion um die Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion – unter wechselnder Begrifflichkeit – auch in Deutschland nicht nur mit Blick auf AGB, sondern auch für den Individualvertrag. S. hierzu Zimmermann; Canaris, Gesetzliches Verbot; Hager; Bürge; Stürner; Berjasevic; Bergmann. 31 

I.  Renaissance einer ungeklärten Fragestellung

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sicherzustellen.34 Mit Blick auf die Rechtsfolgenseite dieser besonderen, auf AGB ausgerichteten Inhaltskontrolle wurde damals zum Teil sehr emotional über die Frage diskutiert, ob eine inhaltlich bloß partiell übermäßige AGB-Klausel insgesamt unwirksam sei oder auf ein gesetzlich noch zulässiges Maß reduziert werden könne.35 Terminologisch geprägt wurde der Begriff der „geltungserhaltenden Reduk­ tion“, der sich für diese Frage etabliert hat, von Joachim Schmidt-Salzer. Er sprach in seiner Dissertation zum Thema „Das Recht der Allgemeinen Geschäfts- und Versicherungsbedingungen“ aus dem Jahr 1967 im Falle eines übermäßigen Inhalts von AGB in Analogie zur Gesetzesauslegung von einer „teleologischen Reduktion der AGB“.36 In seiner darauf aufbauenden Monografie „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ aus dem Jahr 1971 diskutierte Schmidt-Salzer das Problem sodann unter dem Schlagwort „teleologische Restriktion der AGB“.37 Die Übertragung der teleologischen Reduktion aus dem Instrumentarium der juristischen Methodenlehre auf AGB begründete er wider Erwarten weder unter Bezugnahme auf den ihnen vor allem damals zugeschriebenen gesetzesähnlichen Charakter noch mit Blick auf den Vertrag als das Gesetz zwischen den Parteien.38 Vielmehr leitet er die Zulässigkeit der Übermaßkorrektur aus §  133 BGB39 her. Nach Schmidt-Salzer dürfen AGB aufgrund der Unklarheitenregel zwar nicht extensiv ausgelegt werden. Eine teleologische Reduktion, also eine „Beschränkung […] auf den ihrem Sinn und Zweck entsprechenden Anwendungsbereich“ hielt er dagegen für zulässig. Dabei handele es sich nicht um eine „den Kunden begünstigende Auslegung“, sondern um die „Durchführung des in §  133 BGB positivrechtlich normierten obersten Auslegungsgrundsatzes“.40 In der damaligen Debatte wurden mehrere Lösungen für das Übermaßproblem in Zusammenhang mit AGB diskutiert. Das Rechtsfolgenregime des §  306 BGB (früher: §  6 aAGBG) lässt diese Frage offen.41 Zunächst sprach sich die Literatur für eine geltungserhaltende Reduktion aus.42 Diese Tendenz hat sich 34 

Im Einzelnen HKK-Hellwege, §§  305–310 (II) BGB N.  31. Neumann, 21; Uffmann, 1, 213–215. 36  S. hierzu Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, 250. 37  Im Einzelnen Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  276. 38  Schmidt-Salzer lehnte dieses damals vertretene Verständnis von allgemeinen Geschäftsbedingungen explizit ab, s. ders., Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  18–20 m. w. H. 39  §  133 BGB, Auslegung einer Willenserklärung: „Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“ 40  Zum Ganzen Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, 250 f. 41 Vgl. Pauly, in: JR 9/1997, 357, 358. 42 Vgl. Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 785; Ebel, in: DB 41/1979, 1973, 1975; Götz, in: NJW 35 

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A. Einleitung

jedoch bald in ihr Gegenteil verkehrt.43 Der deutsche Bundesgerichtshof lehnt diesen Ansatz bei AGB seit 1982 in ständiger Rechtsprechung ab.44 Bis auf wenige Ausnahmen votierte alsdann auch der weit überwiegende Teil der Lehre gegen eine geltungserhaltende Reduktion. Das Verbot wird in Deutschland im Falle von AGB im Rahmen der Inhaltskontrolle nach §§  307–309 BGB bis heute weitgehend hochgehalten.45 Die Ablehnung einer geltungserhaltenden Reduktion wird hauptsächlich auf drei Argumentationslinien gestützt: (1) Es wird vorgebracht, der Richter mache sich bei einer Übermaßkorrektur zum Sachwalter der Interessen der Verwenderin (einseitige Vertragshilfe).46 (2) Der Vertragspartner könne sich nicht mehr aus den AGB über seine Rechte und Pflichten informieren, wie es das aAGBG und heute die §§  305–310 BGB bezweckten (Transparenz).47 (3) Zudem werde der Verwenderin durch die geltungserhaltende Reduktion das Risiko der Unwirksamkeit der übermäßigen Bestimmung genommen, wodurch kein Anreiz bestehe, angemessene AGB zu stellen. Dies laufe dem gesetzlichen Steuerungsziel zuwider (Prävention).48 Unwidersprochen blieb das Dogma in Deutschland zwar nie, gleichwohl konnten die in der Literatur geäußerten Gegenstimmen diese „selbstgeschmie-

44/1978, 2223, 2226 f.; Garrn, in: JA 3/1981, 151, 154; Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäfts­ bedingungen, N.  279; ders., in: BB 33/1980, 1701, 1705 f. 43  Im Überblick: Ulmer, in: NJW 38/1981, 2025, 2027–2031; Löwe, in: BB 3/1982, 152, 153; Sonnenschein, in: NJW 32/1980, 1713, 1720; Lindacher, in: BB 3/1983, 154, 156 f.; ­Hensen, in: JA 3/1981, 133, 137; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 358. 44  Bemerkenswert ist, dass in BGHZ 84, 109, der als Leitentscheid des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion gilt, die Begrifflichkeit vom Bundesgerichtshof noch gar nicht aufgenommen wurde, sondern erst in der Folgezeit; s. BGH WM 1983, 916; BGH NJW 1984, 48; BGH NJW 1985, 53, 55 f.; BGHZ 91, 375; 92, 312. 45  Vgl. die Übersichten bei MüKo-Basedow, §  306 BGB N.  11–14; Staudinger-Schlosser, §  306 BGB N.  22a) f.; Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  16, je m. w. H. 46 Vgl. Boemke-Albrecht, 93; Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  33; Canaris, in: FS Steindorff, 519, 547; Schmidt, 184 f.; Sonnenschein, in: NJW 32/1980, 1713, 1720; Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 789 m. w. H. 47  Canaris, in: NJW 20/1988, 1243, 1244; Canaris, in: FS Steindorff, 519, 547; Canaris, in: DB 18/2002, 930, 931; Häsemeyer, in: FS Ulmer, 1097, 1097; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 358; Schmidt, 187–189; a. A. Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 788. 48  Lindacher, in: BB 3/1983, 154, 155; Canaris, in: NJW 20/1988, 1243, 1244; Medicus, in: Heinrichs/Löwe/Ulmer, 83, 88 f.; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 360 f.; Pfeiffer, in: DZWirR 4/1998, 154, 157; Koch, in: JZ 19/1999, 922, 926 f.; Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  16; Neumann, 72; Schmidt, 185–187; Canaris, in: DB 18/2002, 930, 931; kritisch MüKo-Basedow, §  306 BGB N.  13; Boemke-Albrecht, 49; Richter, 168; Staudinger-Schlosser, §  306 BGB N.  24b) m. w. H.

I.  Renaissance einer ungeklärten Fragestellung

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dete Kette“49 zur Begründung des Verbots bislang nicht aufbrechen. Das Thema wurde aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet50 und auch immer wieder ­monografisch abgehandelt.51 Wiedemann fasst den gegenwärtigen status quo im deutschen Diskurs dahingehend zusammen, dass „[n]ahezu einheitlich […] die Auffassung vertreten [wird], daß eine geltungserhaltende Reduktion nicht gewährt werden soll“52. Während abgelehnt wird, eine übermäßige AGB-Klausel auf ein zulässiges Maß zu reduzieren, soll es dagegen zulässig sein, die in den §§  307–309 BGB angeordnete Rechtsfolge der Unwirksamkeit auf den unangemessenen Teil einer inhaltlich und sprachlich „geteilten“ Klausel zu beschränken oder an die Stelle der übermäßigen und daher insgesamt unwirksamen Bestimmung unter bestimmten Voraussetzungen eine angemessene Ersatzregel zu setzen.53 Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion wird damit von zwei funktionsverwandten Rechtsinstrumenten flankiert: der Teilunwirksamkeit und der richterlichen Vertragsergänzung.54 In jüngerer Zeit hat Katharina Uffmann eine Rechtsprechungsänderung im Arbeitsrecht, welche seit 2003 eine geltungserhaltende Reduktion auch in Formulararbeitsverträgen verbietet,55 zum Anlass genommen, sich in ihrer Dissertation „Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ der Thematik erneut zu nähern.56 Hierbei kommt sie zu erstaunlichen Ergebnissen und enttarnt das in den letzten 40 Jahren ritualisierte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion als einen Mythos.57 Uffmann weist überzeugend nach, dass es die geltungserhaltende Reduktion zurzeit gar nicht gibt. Der Begriff legt weder einen einheitlichen Begründungsweg zur Übermaßkorrektur offen noch definiert er ein einheitliches Reduktionsmaß. Die Studie zeigt, dass die Grenzen der geltungserhaltenden Reduktion als Vorgang der Rechtsanwendung im Verhältnis zur Teilunwirksamkeit und zur richterlichen Vertragsergänzung fließend sind. Zudem ist die Debatte um das „richtige“ Reduktionsmaß von einem je unterschiedlichen Vorverständnis der Autoren geprägt: Während die Befürworter einer geltungsvon Mettenheim, in: FS Piper, 937, 950. S. die in Kap. A Fn.  42 f. angegebenen Literaturstellen. 51  Witte; Schmidt; Neumann; Boemke-Albrecht; Roth; Mayer; Kolmsee; Uffmann; Mitterer. 52  Wiedemann, in: FS Canaris, 1281, 1284. 53  Fastrich, 356–358; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 363; ablehnend Graf von Westphalen/ Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  16, die vertreten, dass „[d]urch solch ein Vorgehen […] die Präventionsfunktion der Nichtigkeitsfolge in noch erheblicherer Weise ad absurdum geführt [wird] als durch eine geltungserhaltende Reduk­ tion [Hervorhebung im Original]“. 54  Uffmann, 3. 55  S. BAG 8 AZR 196/03; BAG 8 AZR 328/03; BAG 8 AZR 344/03. 56  Uffmann, 3–7. 57  Zu den Ergebnissen s. Uffmann, 286–289. 49 

50 

10

A. Einleitung

erhaltenden Reduktion auf das Angemessene als „richtiges“ Reduktionsmaß abstellen, hält die Gegenseite weiterhin am gesetzlich noch Zulässigen fest. Damit weist Uffmann nach, dass die Frage nach der Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion stets mit der Definition des Reduktionsmaßes korreliert.58 Da dieses unterschiedliche Begriffsverständnis bis anhin oftmals nicht offengelegt wurde, verkam die Diskussion über die geltungserhaltende Reduktion zu einer Scheindebatte.59 Ebenfalls mit Blick auf die Rechtsprechungsänderung im Arbeitsrecht sah sich Bayreuther 2004 zur Frage veranlasst, ob man diesem „partiell in Auflösung begriffenen Rechtsinstitut“ möglicherweise zu Unrecht neues Leben eingehaucht habe.60 Der Stand dieser Diskussion, die grundsätzliche Ablehnung der geltungserhaltenden Reduktion, wird zuweilen polemisch als „juristischer Psychoterror“61 oder als „Strafexekution“62 betitelt. Die in der deutschen Literatur geäußerten, teilweise diametral entgegengesetzten Ansichten machen deutlich, dass das Rechtsfolgenproblem des Art.  8 UWG nicht einfach unter Bezugnahme auf den deutschen Diskurs gelöst werden kann. Dies wird zuweilen aber versucht.63 Die Schweiz hat selbst ihren Anteil zu leisten, um die geltungserhaltende Reduktion aus der juristischen Grauzone zu holen. Der Blick nach Deutschland ist hier freilich wertvoll, um sich der auch im hiesigen Diskurs im Aufbau befindenden Missverständnisse bewusst zu werden. Sind diese einmal aufgelöst, kann das Augenmerk auf das eigentliche Problem gerichtet werden: die „richtige“ Rechtsfolge im Umgang mit übermäßigen AGB.

II.  Gang der Untersuchung 1. Vorgehensweise Um die Stellung der geltungserhaltenden Reduktion in der aktuellen Privatrechtsdogmatik umfassend – sowohl für den Individualvertrag als auch für AGB – zu klären, ist die Thematik zunächst aus einer weiteren dogmatischen Perspektive zu betrachten. Unter Rückgriff auf die Lehrmeinungen aus Deutschland wird der Rechtsbegriff auf seine Tauglichkeit hin untersucht. Dabei geht es nicht darum, einen eigentlichen Rechtsvergleich herzustellen; vielmehr soll die Im Einzelnen Uffmann, 225–229. Uffmann, 229–232. 60  Bayreuther, in: NZA 17/2004, 953, 953. 61  Schmidt-Salzer, in: BB 33/1980, 1701, 1706. 62  Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 788. 63  S. hierzu unten S.  215 ff. 58 

59 Vgl.

II.  Gang der Untersuchung

11

Studie um Argumente und Sichtweisen bereichert werden, die in der schweizerischen Debatte bis anhin fehlten.64 Ebenso ist ein Erkenntnisgewinn aus einer Analyse der einzelnen Reduktionsnormen im OR (Art.  163 Abs.  3; Art.  270 f.; Art.  340a Abs.  2; Art.  406h; Art.  417) zu erwarten. Eckpunkte dieser Analyse bilden die modifizierte Teilnichtigkeit und die richterliche Vertragsergänzung, da diese beiden Rechtsinstitute im Gegensatz zur geltungserhaltenden Reduk­ tion nach dem neuesten Stand der Diskussion zulässig sein sollen. Hinsichtlich dieser beiden flankierenden Rechtsinstitute kann auf mehrere Monografien65 und Aufsätze sowie auf die breite Kommentarliteratur zu Art.  18 und 20 OR66 zurückgegriffen werden (Teil B). Sodann werden die Erscheinungsfelder der geltungserhaltenden Reduktion in historischer Perspektive anhand einer Einzelfallanalyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung seit 1885 aufgearbeitet. Untersuchungsgegenstand sind Urteile zu synallagmatischen Verträgen, die einen übermäßigen Inhalt aufweisen. Hierbei werden ausschließlich endogene Vertragsproblematiken in den Blick genommen. Nicht Betrachtungsgegenstand sind exogene Störungen, die den Vertrag etwa im Sinne einer clausula rebus sic stantibus als anpassungs­ bedürftig erscheinen lassen.67 Für die Auswahl der Entscheide spielte weder der Vertragsabschlussmodus – Individualvertrag oder AGB – noch die Qualifika­ tion der am Vertrag beteiligten Parteien als Konsumenten oder Unternehmer eine Rolle. Eine Beschränkung fand nur insofern statt, als das Übermaß von den Parteien konsentiert und vom Bundesgericht festgestellt sein musste. Aus der Untersuchung werden geltungserhaltende Reduktionen im Falle irrtümlicher Willenserklärungen nach Art.  26 Abs.  2 OR folglich ausgeklammert. Ebenso sind Gesellschaftsverträge nicht Gegenstand dieser Studie. Anhand einer Dis­ positiv­analyse der seit 1885 ergangenen Privatrechtsrechtsprechung des Bundes­ gerichts konnten so rund 300 relevante amtlich publizierte Entscheide ermittelt werden. Im Rahmen der Einzelfallanalyse werden diese in mehreren Fallgruppen zusammengefasst. Aus dem so gewonnenen Bild soll einerseits ermittelt werden, woran die geltungserhaltende Reduktion in der bundesgericht­lichen Rechtsprechung knüpft und ob sich anhand der Vorgehensweise des Bundes­ gerichts die dogmatischen Inkonsistenzen ausräumen lassen. Andererseits sol-

64  Prägend für die Diskussion ist insbesondere Canaris, s. ders., in: DB 18/2002, 930 ff.; ders., in: FS Steindorff, 519 ff.; ders., in: NJW 20/1988, 1243 ff.; ders., in: JZ 21/1987, 993 ff.; ders., in: WM 37/1981, 978 ff.; ders., in: ZIP 9/1980, 709 ff. 65  Hadžimanović; Hürlimann; Huguenin; Tandogan. 66 Neuerdings ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR; vgl. zudem BSK-Huguenin, Art.  19/20 OR; BK-Kramer, Art.  19/20 OR. 67  Zu dieser Abgrenzung Stöckli H., N.  71 f., 417–420, 412.

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A. Einleitung

len aus der Rechtsprechungsanalyse auch erste Rückschlüsse zur Rechtsfolge des Art.  8 UWG gewonnen werden (Teil C). Schließlich ist das Phänomen der Übermaßkorrektur aus einem steuerungstheoretischen Blickwinkel zu dekodieren. Eine nur dem Dogmatischen verpflichtete analytische Perspektive zur Beantwortung der Frage nach der „richtigen“ Rechtsfolge ist grundsätzlich limitiert. Hinzu kommt, dass die geltungs­ erhaltende Reduktion in der Schweiz in erster Linie aus Präventionsüberlegungen abgelehnt wird. Es wird vertreten, dass diese Rechtsfolgenanordnung im Vergleich zur richterlichen Vertragsergänzung die „falschen“ Anreize setze.68 Daher gilt es zu untersuchen, welche Wirkungsdimension die geltungserhaltende Reduktion im Individualvertrag und bei AGB aus Präventionsüberlegungen im Vergleich zu alternativen Rechtsfolgen entfaltet. Für diese ökonomischen Er­ wägungen bietet sich neben einer wachsenden Anzahl von Beiträgen im europäischen Kontext die reiche Literatur aus dem angloamerikanischen Rechtskreis an. Aufbauend auf den so gewonnenen Erkenntnissen dient die Untersuchung nicht nur dazu, die geltungserhaltende Reduktion dogmatisch zu konturieren. Vielmehr soll auch die Frage beantwortet werden, ob Individualverträge und AGB auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle gleich zu behandeln sind oder nicht. Indem die aus der ökonomischen Analyse gewonnenen Ergebnisse auf die aktuelle Privatrechtsdogmatik zur AGB-Kontrolle in der Schweiz rücküber­ tragen werden, soll abschließend die Rechtsfolgenseite des Art.  8 UWG aus vertraglicher Perspektive geklärt werden (Teil D).

2.  Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands und Terminologie Nichtigkeit, Teilnichtigkeit oder Anfechtbarkeit bilden, je nach anwendbarer Bestimmung, die traditionelle Alternative zur geltungserhaltenden Reduktion. Artikel 20 OR sieht im Gesetzestext die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit als Rechtsfolge des mangelhaften Vertrags vor. Der Tatbestand der Übervorteilung in Art.  21 OR verbindet indes den in Art.  20 OR erwähnten Inhaltsmangel mit einem Willensmangel, welcher in einer Notlage, der Unerfahrenheit oder dem Leichtsinn der übervorteilten Partei liegt (vgl. zu den klassischen Willensmängeln Art.  23–31 OR).69 Aufgrund der Verschiedenheit des dem Vertrag anhaftenden Mangels unterscheiden sich Art.  20 und 21 OR in ihrer Rechtsfolge: Art.  21 OR sieht im Unterschied zur Nichtigkeit in Art.  20 OR die Anfechtbar-

68  69 

S. unten S.  214 ff. BGE 84 II 107 E. 4 S.  113.

II.  Gang der Untersuchung

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keit des Vertrags vor. Die Unterscheidung dieser Ungültigkeitsformen geht auf die Ursache der Widerrechtlichkeit zurück.70 Die Nichtigkeit folgt aus einem Verstoß gegen die Rechtsordnung, die Ausdruck des öffentlichen Interesses ist. Ein Vertrag, der dagegen verstößt, kann nicht toleriert werden und ist ipso iure, das heißt von Rechts wegen, nichtig. Nichtigkeit bedeutet, dass der Vertrag ex tunc und für alle Zeiten keine Wirkungen entfaltet. Dies bedarf weder einer Erklärung noch einer richterlichen Beurteilung. Soweit dem Gericht ein Vertrag zur Prüfung vorgelegt wird, stellt es dessen Nichtigkeit von Amtes wegen fest. Es ist ihm außerhalb der Anwendungsfälle einer geltungserhaltenden Reduktion nicht gestattet, die Rechtslage zu gestalten. Das Gericht kann dem Vertrag im Falle seiner Nichtigkeit also selbst dann keine Gültigkeit zuerkennen, wenn dies dem tatsächlichen Parteiwillen entspricht.71 Als Anfechtung gilt die Befugnis einer Partei, in einer gesetzlich bestimmten Frist ihren Willen zu äußern, dass sie das Rechtsverhältnis aufheben will. Diese Befugnis folgt aus der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts einer Vertragspartei.72 Die Gegenseite hat die neue rechtliche Situation anzuerkennen.73 Die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit tritt jedoch erst nach der Erklärung des Gestaltungsberechtigten ein. Sodann gilt der Vertrag ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Erklärung als nichtig.74 Das Gericht ist auch im Falle der Anfechtung nicht zur Gestaltung der Rechtslage berechtigt, sondern an den Willen des Übervorteilten gebunden.75 Grundsätzlich zeitigen also beide Rechtsfolgen dieselbe Wirkung, sie führen zur Unwirksamkeit des Vertrags, doch ist diese in ihrer zeitlichen Dimension verschoben.76 In beiden Fällen ist der Vertrag zwar von Anfang an unwirksam, entweder ipso iure oder nach Ausübung des Anfechtungsrechts. Während die Nichtigkeit aber von Anfang an und zeitlich unbegrenzt gilt, befindet sich der wucherische Vertrag zunächst in einem Schwebezustand. Da das Anfechtungsrecht befristet ist, gilt der Vertrag mit Fristablauf als genehmigt.77 70  Diese Unterscheidung der verschiedenen Ungültigkeitsformen geht zurück auf Savigny, System IV, 536–549; s. auch Coing, Europäisches Privatrecht, 446. 71  Grebieniow, N.  106. 72 Vgl. Grebieniow, N.  107 73  Im Einzelnen Grebieniow, N.  91–94 m. w. H. 74  Grebieniow, N.  107 f.; so bereits Merz, in: ZBJV 12/1959, 465, 470; BGE 29 II 655 E. 5 S.  662. 75  Bereits in BGE 84 II 107 E. 4 S.  113 wurde festgestellt, dass dem Übervorteilten die Fortsetzung des Vertrags mit geändertem Inhalt nicht vom Gericht aufgezwungen werden kann. 76  Grebieniow, N.  102. 77  Im Einzelnen Grebieniow, N.  102–145.

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A. Einleitung

Die geltungserhaltende Reduktion stellt eine alternative Rechtsfolge sowohl zur Nichtigkeit und Teilnichtigkeit als auch zur Anfechtbarkeit des Vertrags unter der Voraussetzung der erfolgten Anfechtungserklärung dar. Dadurch, dass die vorliegende Untersuchung nur auf die Rechtswirkungen fokussiert, welche zeitlich nach der, wenn überhaupt, erforderlichen Anfechtungserklärung ein­ treten, erscheint es zweckmäßig, sowohl mit Blick auf Art.  20 als auch 21 OR von einer einheitlichen Terminologie auszugehen. Vorliegend bietet es sich an, die Begrifflichkeiten „Unwirksamkeit“ bzw. „Teilunwirksamkeit“ zu verwenden. Von „Nichtigkeit“ oder „Anfechtbarkeit“ wird in Sinnzusammenhängen gesprochen, die sich explizit auf eine der beiden Kategorien beziehen, wobei die Ausführungen zur Nichtigkeit nach Art.  20 OR zumindest analog auch für Art.  21 OR gelten.

B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff? I. Ausgangslage Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsfragen bedingt die Klarheit der verwendeten Begriffe. Ohne einen abgrenzbaren, inhaltlich definierten Gehalt ist eine zielführende Debatte nicht möglich.1 Ein fehlendes einheitliches Verständnis, das auf eine abweichende, aber nicht offengelegte Prämissensetzung der Autoren zurückgeht, kann nämlich dazu führen, dass damit in Zusammenhang stehende normative Fragen nur scheinbar unterschiedlich beantwortet werden. Dies zeigt sich am Beispiel der Diskussion über die Rechtmäßigkeit der geltungserhaltenden Reduktion besonders deutlich. Der Begriff wird oft als terminus technicus verwendet, ohne je näher umschrieben zu werden. Ein solches Vorgehen bietet auf mehreren Ebenen Anlass für Missverständnisse. In der Debatte über ihre Zulässigkeit wird nämlich weder geklärt, woran die geltungserhaltende Reduktion eigentlich knüpft, noch offengelegt, dass der Begriff einen ambivalenten Bedeutungsgehalt aufweist.2 Im Zuge der Definitionskontroverse entpuppt sich die geltungserhaltende Reduktion damit als ein unbekanntes, vielgestaltiges Wesen, dessen Zulässigkeit aufgrund der fehlenden Nominaldefini­ tion oft vom Vorverständnis des jeweiligen Autors abhängt. Aufgrund dessen bedarf die Frage nach der Rechtmäßigkeit der geltungserhaltenden Reduktion zunächst einer begrifflichen Umschreibung. Um die Begrifflichkeit zu klären, ist in einem ersten Schritt die Phänomenologie der geltungserhaltenden Reduktion herauszuarbeiten. In einem zweiten Schritt werden die hierfür vorgeschlagenen Begründungswege diskutiert. Sodann sind in einem dritten Schritt ihre gesetzlichen Anknüpfungspunkte darzulegen und schließlich ist das Phänomen zur näheren Umschreibung in einem vierten Schritt zu funktionsverwandten Rechtsinstrumenten in Beziehung zu setzen.

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, N.  198. Uffmann, 213.

1 Vgl. 2 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

II. Phänomenologie Geltungserhaltende Reduktion ist zunächst als Kurzbezeichnung bzw. „Codewort“3 für die Frage zu verstehen, ob ein übermäßiger Vertragsinhalt anstatt gerichtlich kassiert auf ein zulässiges Maß reduziert werden darf.4 Die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion knüpft an einen vertraglichen Inhaltsmangel, der im Rahmen der Inhaltskontrolle durch das Gericht festgestellt wird. Anders als etwa bei Willensmängeln haben die Parteien im Falle von Inhaltsmängeln zwar einen bestimmten Konsens gefunden, doch erweist sich dieser ob seines Umfanges als gesetzes- oder sittenwidrig. Auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle bietet sich in diesen Fällen – unabhängig von einer bestimmten Rechtsordnung – grundsätzlich die Unwirksamkeit oder die Teilunwirksamkeit des Vertrags an. Damit eine Übermaßkorrektur durch die Gerichte im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion als alternative Rechtsfolge angedacht werden kann, muss die Klausel einen zulässigen, die Wirksamkeitsgrenzen des Gesetzes wahrenden Kern enthalten.5 Negativ formuliert heißt dies, dass die geltungserhaltende Reduktion dort nicht als alternative Rechtsfolgenanordnung zur Verfügung steht, wo das Rechtsgut nicht disponibel ist.6 „Reduzierbares“ Übermaß liegt dagegen vor, wenn ein Vertrag zumindest eine der Parteien übermäßig bindet, das Regelungsanliegen aber einen von der Rechtsordnung bis zu einem gewissen Grad gedeckten, wirksamkeitswahrenden Kern hat, oder wenn er eine Leistungsinäquivalenz birgt, deren Ausmaß ausgleichsbedürftig bzw. -fähig erscheint.7 3  Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klausel­ werke, N.  16. 4  Obwohl der Begriff in Deutschland, wie eingangs erwähnt, der AGB-Diskussion entstammt (s. oben S.  6 f.), dient er zunehmend auch im Rahmen der §§  134, 138 BGB als Anknüpfungspunkt für die Diskussion einer zur Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit alternativen Rechtsfolge. Vgl. hierzu etwa Bechtold, 301 f. 5 Vgl. Canaris, in: NJW 20/1988, 1243, 1243. 6 Zu den verschiedenen Kategorien der Vertragsunwirksamkeit s. die Kasuistik unten S.  104 ff. Ob die geltungserhaltende Reduktion darüber hinaus bei jeglichen Rechtsgeschäften greift, also bspw. auch im Falle einer einseitigen Willenserklärung, die mit einer Übermaßproblematik behaftet ist, bildet nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 7  Vgl. zum Verhältnis von übermäßiger Bindung und Leistungsinäquivalenz BGE 80 II 327 E. 3b S.  332: „Ein das erlaubte Mass übersteigender Zins braucht Leistung und Gegenleistung nicht notwendig in ein offenbares Missverhältnis zu bringen. Er mag mitunter eine durchaus gerechtfertigte Risikoprämie sein. Gleichwohl ist er als solcher unzulässig, ohne Rücksicht auf sachliche Besonderheiten und unabhängig auch von den subjektiven Erfordernissen des Art.  21 OR. Der Zinsbezug in verbotener Höhe kann eine Übervorteilung einschliessen, muss es aber nicht. Damit erscheint er als der weitere Tatbestand.“ Vgl. zum Ganzen auch Scherrer, 1 f.

II.  Phänomenologie

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Das Bundesgericht verhält sich in seiner Kategorisierung der geltungserhaltenden Reduktion als Alternative zur Unwirksamkeit bzw. Teilunwirksamkeit schwankend. In BGE 123 III 292 definiert es sie nicht als alternative Rechtsfolgemöglichkeit, sondern behandelt sie als Oberbegriff für die Aufrechterhaltung des mangelhaften Vertrags, was auch die Teilunwirksamkeit einschließt: „Das Gesetz selbst sieht geltungserhaltende Reduktionen verbreitet vor, etwa in Art.  20 Abs.  2 OR mit der blossen Teilnichtigkeit unmöglicher, rechts- oder sittenwidriger Verträge […].“8 Zwar könnte die schlichte Teilunwirksamkeit im Falle eines weiten Begriffsverständnisses in der Tat als Unterfall der geltungserhaltenden Reduktion verstanden werden, doch liegt der vorliegenden Untersuchung ein anderes Konzept zugrunde, nämlich die Leistungsfähigkeit des Begriffs im Hinblick auf die wertende Vertragsinhaltskorrektur durch das Gericht bei Übermaßproblematiken. Da die Teilunwirksamkeit dies aufgrund des bloßen Wegstreichens von Vertragsteilen nicht zu leisten vermag,9 bietet sich vorliegend ein engeres Begriffsverständnis an.

1.  Einseitig übermäßige Bindung Die übermäßige vertragliche Bindung einer Partei, mithin eine Adäquanzproblematik, ist zu bestimmen, ohne die versprochene Gegenleistung der anderen Partei mit in den Blick zu nehmen.10 Allein das Leistungsversprechen einer Partei wird aufgrund ihres Umfanges von der Rechtsordnung nicht gebilligt; die gegenseitigen Rechtspositionen werden zur Feststellung des Übermaßes nicht abgewogen. Es ist also denkbar, dass beide Parteien durch den gleichen Vertrag übermäßig gebunden werden. Eine übermäßige Bindung lässt sich nur anhand eines außervertraglichen, gesetzlichen Referenzrahmens ermitteln.11 Das schweizerische Vertragsrecht kennt allgemeine und besondere Schranken zum Schutz der Persönlichkeit.12 Die richterliche Vertragsinhaltskontrolle richtet sich insbesondere nach den Art.  19 f. und Art.  100 f. OR, Art.  2 und Art.  27 ZGB sowie nach den zwingenden Bestimmungen des besonderen Teils des Obligationenrechts sowie des Zivil­prozessrechts (zum Beispiel unzulässige Gerichtsstandsvereinbarungen in 8 

BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  298; abweichend BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3. 9  Zur „schlichten Teilnichtigkeit“ im Einzelnen unten S.  54 ff. 10  In diesem Sinne auch BGE 123 III 292 E. 2e/bb S.  299, wo das Bundesgericht davon spricht, dass ein „wucherische[s] Geschäft zugleich eine inhaltsbeschränkende Verbotsnorm verletzen“ könne. 11 Vgl. Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 94. 12  S. im Einzelnen unten S.  109 ff.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Konsumentenverträgen; vgl. Art.  31 Abs.  1 i. V. m. Art.  35 Abs.  1 lit.  a ZPO). Sowohl AGB als auch Individualvereinbarungen sind in ihrer Geltung beschränkt, soweit ihr Inhalt über eine derartige absolute normative Grenze hinausgeht.13

2.  Äquivalenzstörungen Die Frage einer geltungserhaltenden Reduktion stellt sich auch bei Äquivalenzstörungen, also in Bezug auf die vertraglich vereinbarte Leistung und Gegenleistung, die in einem Missverhältnis zueinander stehen. Um festzustellen, ob ein synallagmatischer Vertrag ein Missverhältnis enthält, ist in einem ersten Schritt der Wert der versprochenen Leistungen zu bestimmen. Hierfür bedarf es nicht zwingend eines außervertraglichen Referenzrahmens. Soweit es sich um nicht quantifizierbare Leistungen handelt, weil sie nicht zahlenmäßig ausgedrückt werden können bzw. keinen Marktwert haben, ist der Wert einer Leistung nach dem innervertraglichen Referenzrahmen, mithin den Umständen des Einzelfalles, zu bestimmen. Um in einem zweiten Schritt ein allfälliges Ungleichgewicht festzustellen, müssen die versprochenen Leistungen einander sodann gegenübergestellt und saldiert werden; das Missverhältnis entspricht der Differenz der vereinbarten Leistungen. Der wucherische Vertrag ist von der übervorteilten Partei gemäß Art.  21 OR innert Jahresfrist anzufechten.

3.  Zwischenergebnis Phänomenologisch lässt sich die geltungserhaltende Reduktion im Falle eines absoluten und eines relativen Übermaßes festmachen. Wenn im Folgenden von einer übermäßigen Bindung, einem übermäßigen Vertragsinhalt oder etwa von einer übermäßig bindenden Vertragsklausel gesprochen wird, sind, sofern in einem bestimmten Sinnzusammenhang nichts anderes gesagt wird, beide Kategorien gemeint. Die hier gewählte Terminologie beschränkt sich somit nicht nur auf Anwendungsfälle des Art.  27 Abs.  2 ZGB, wo explizit von einer einseitig übermäßigen Bindung gesprochen wird.

13 Vgl.

Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1138.

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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III. Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß „Geltungserhaltende Reduktion“ ist kein im Gesetz enthaltener Begriff. Es handelt sich um einen Rechtsbegriff, der in der Literatur und Rechtsprechung verwendet wird, wobei er zwei Bedeutungsebenen aufweist. Einerseits beschreibt er ein Ergebnis, nämlich den gerichtlich reduzierten Leistungsumfang einer Vertragsklausel. Auf der anderen Seite benennt der Begriff ein Vorgehen, einen Prozess, mit welchem zum Ergebnis der Leistungsreduktion zu gelangen ist.14 Auf beiden Ebenen ist der Begriff wiederum mit unterschiedlichem Sinn besetzt. Im Folgenden werden die vorgeschlagenen Begründungsversuche sortiert und diskutiert.

1.  Prozedurale Ebene Die geltungserhaltende Reduktion wird vielfach nicht als Ergebnis, sondern als ein dem Ergebnis vorausgehender Vorgang eingeordnet. Die Verortung dieses Vorgangs in den dogmatischen Zusammenhang von Vertragsanpassung, Vertragskontrolle und Vertragsauslegung geschieht dabei äußerst vielfältig und indiziert bemerkenswerte Unsicherheit bzw. Unklarheit. Unterschieden werden die restriktive Auslegung, die partielle Teilunwirksamkeit, die Konversion, das Instrument sui generis und die richterliche Vertragsergänzung. Die Autorinnen und Autoren der einschlägigen Literaturstellen nehmen zum Wesen der geltungserhaltenden Reduktion nur andeutungsweise Stellung; eine vertiefte Auseinandersetzung mit der prozeduralen Ebene der geltungserhaltenden Reduktion fehlt insbesondere in der neueren Literatur vollständig. a)  Restriktive Auslegung Der Vorgang der geltungserhaltenden Reduktion wird von einem Teil der Lehre mit der restriktiven Auslegung assoziiert. Nach dem Restriktionsprinzip wird widerlegbar vermutet, dass die Parteien einer allgemein gehaltenen Klausel keine allgemeine Bedeutung beimessen wollten.15 Dieses Prinzip wird oft als Besonderheit der AGB-Auslegung genannt, gilt aber allgemein.16 Die restriktive Auslegung entspricht, wie eingangs dargelegt, dem originären Bedeutungsgehalt der geltungserhaltenden Reduktion auf prozeduraler Ebene nach Schmidt-­Salzer.17 Uffmann, 213; vgl. auch die Übersicht bei Mayer, 28–78. Koller A., OR AT, §  23 N.  70 m. w. H. 16  S. BGE 87 II 85 E. 3 S.  87 f. 17  S. oben S.  7. 14 Vgl. 15 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Er nahm Anleihen aus dem Instrumentarium der juristischen Methodenlehre und insbesondere der teleologischen Reduktion von überschießenden Gesetzestexten,18 um mittels restriktiver Auslegung ebenso die Aufrechterhaltung einer übermäßigen Vertragsklausel zu begründen.19 Das Gericht soll hiernach eine dem Wortlaut nach uneingeschränkte oder inhaltlich zu weitgehende Klausel im Wege restriktiver Auslegung insoweit aufrechterhalten, als sie die Grenzen des Rechts wahrt.20 Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, ist der Klausel ein Anwendungsbereich zu geben, „der die berechtigten Interessen auch des Kunden berücksichtigt, so daß die Klausel anerkannt werden kann“.21 Der Klauselinhalt ist mit anderen Worten um einschränkende Tatbestandsmerkmale zu erweitern, die die Unwirksamkeitsfolge vermeiden.22 Dieses Verständnis einer geltungserhaltenden Reduktion wird in Deutschland auch heute noch vertreten 23 und hat ebenso Eingang in die schweizerische Diskussion gefunden. Von einer „teleologischen Reduktion auf das erlaubte Mass“ sprechen etwa Eisner-Kiefer und Stucki in ihren Beiträgen zur geltungserhaltenden Reduktion.24 Interessant ist die Analogie zur teleologischen Reduktion, die hier gezogen wird. Als teleologische Reduktion bezeichnet man das Gegenteil der Analogie. Hier wird – aus dem Gedanken heraus, dass das Gesetz mit einer 18  Grundlegend zur teleologischen Reduktion aus der deutschen und österreichischen Methodenlehre Canaris, Lücken im Gesetz, 151 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 375 ff.; Brandenburg; Bydlinski, Methodenlehre, 480 f.; vgl. für die Schweiz insbesondere BGE 128 I 34 E. 3b S.  40–42; 131 III 97 E. 3.1 S.  103; 61 E. 2.2 S.  65, sowie Kramer, Methodenlehre, 233 ff.; ders., in: ZSR Beiheft 15, 65 ff.; Jaun, in: ZBJV 1/2001, 21 ff. 19  Hierbei lehnte sich Schmidt-Salzer auch terminologisch an die Gesetzesauslegung an, nannte er die Vorgehensweise im Jahr 1967 zunächst doch „teleologische Reduktion der AGB“, s. ders., Das Recht der Allgemeinen Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, 250, im Jahr 1971 „teleologische Restriktion der AGB“, s. ders., Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  276, und 1980 sprach er von „geltungserhaltender Restriktion“, s. ders., in: BB 33/1980, 1701, 1704–1706. Bevor sich in der Methodenlehre der von Larenz entwickelte Begriff „teleologische Reduktion“ etabliert hat, wurden hierfür ebenfalls Ausdrücke wie „einschränkende Auslegung“, „Gesetzesbeschränkung“, „restriktive Interpretation“, „wertende Gebotsberichtigung“ und „Restriktion“ verwendet. Zum Ganzen Uffmann, 219, welche Schmidt-Salzer vor diesem Hintergrund als „Erfinder“ des modernen Begriffs der geltungserhaltenden Reduk­ tion nennt. Obwohl damit eine unverkennbare begriffliche Nähe zwischen Vertrags- und ­Gesetzeskorrektur besteht, muss an dieser Stelle offenbleiben, wie weit die methodischen Parallelen tatsächlich reichen; vgl. hierzu auch Uffmann, 215. 20  Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  276. 21  Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  279. 22  Vgl. zum Ganzen Uffmann, 218 f. 23 Vgl. Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2583; Stoffels, AGB-Recht, N.  596; kritisch bezüglich dieses Ansatzes Schmidt, 116. 24  Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110; ähnlich Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21; in diesem Sinne auch ZK-Schönenberger/Jäggi, Art.  1 OR N.  499.

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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Regelung einen bestimmten Zweck verfolgt – die Rechtsfolge einer Norm nicht angewendet, obwohl der Wortsinn der Norm den Sachverhalt unzweifelhaft erfassen würde. Der Gesetzestext ist nicht zu eng, sondern plan­widrig zu weit geraten. Im Lichte der Erkenntnis des mit dem Gesetz verfolgten Ziels wird der eigentliche Normsinn, der hinter dem engsten möglichen Wortsinn zurückbleibt, herausgearbeitet. Diese Lückenfüllung ist keine schöpferische, freie Rechtsetzung durch den Rechtsanwender. Vielmehr wird über das Erfordernis der Planwidrigkeit sichergestellt, dass der historische Gesetzgeberwillen beachtet wird. Grundlage der Lückenfüllung ist also immer das Gesetz.25 Fraglich ist vor diesem Hintergrund, an welchen Leitlinien sich das Hinzu- oder Wegdenken einschränkender Tatbestandsmerkmale im Zuge der restriktiven Auslegung zu orientieren hat, um den „reduzierten“ Anwendungsbereich der übermäßig bindenden Vereinbarung zu gewährleisten. Ohne diese Leitlinien näher zu umschreiben, erweist sich die Idee, die geltungserhaltende Reduktion als Vorgang der restriktiven Auslegung zu betrachten, somit als nicht sachgerecht. Die Rechtsprechung setzt sich bei dieser Vorgehensweise dem Vorwurf der Beliebigkeit aus. b)  Partielle Teilunwirksamkeit In der Schweiz wurde die richterliche Vorgehensweise im Falle einer vertraglichen Übermaßkorrektur, schon bevor sich der Begriff „geltungserhaltende Reduktion“ überhaupt etabliert hatte, methodologisch als Unterfall der Teilunwirksamkeit26 begriffen. Dieses Verständnis geht zurück auf Spiro, der in einem vielzitierten Aufsatz aus dem Jahr 1952 argumentierte, den Parteien stehe es gemäß Art.  19 OR grundsätzlich frei, „einen beliebigen Inhalt des Vertrages zu vereinbaren, beliebige Bindungen in beliebigem Umfang einzugehen (Art.  19 OR)“. Nur wenn ihre Verpflichtungen rechtswidrig oder unsittlich seien, versage ihnen das Gesetz den Rechtsschutz. Nehme man aber an, dass eine bestimmte Rechtsfolge nur eintrete, „wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben, Verträge nur nichtig sind, wenn sie gegen Recht, gute Sitten oder die Freiheit der Person verstossen“, so entspreche es dem „Gebot der Logik“, auch anzunehmen, dass die Rechtsfolge nur eintrete, „soweit ihre Voraus­setzungen gegeben, Verträge auch nur nichtig sind, soweit sie gegen Recht, gute Sitten oder die Freiheit der Person verstossen [Hervorhebungen im Original]“.27 Spiro stützt die ÜberZum Ganzen Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 375 ff. Bezugnahme auf Herzog wird diesbezüglich zuweilen von einer „quantitativen Teilnichtigkeit“ gesprochen. Da sich der Begriff für diesen Reduktionsweg nicht durchgesetzt hat und er impliziert, es finde nur eine rein rechnerische-quantitative geltungserhaltende Reduktion statt, bezeichne ich diese Methode als „partielle Teilunwirksamkeit“. 27  Zum Ganzen Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 459. 25 

26  Unter

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

maßkorrektur damit offensichtlich auf Normzweck­erwägungen, die es recht­ fertigen sollen, die Unwirksamkeit als Rechtsfolge einer mangelhaften Abrede allein auf ihren unzulässigen Teil zu beschränken. Spiro äußert sich in seiner Begründung der Übermaßkorrektur nicht dazu, wie die Herabsetzung durch das Gericht eigentlich zu erfolgen hat. Er tut lediglich kund, wie die Leistungsreduktion nicht erfolgen kann; damals und früher vertretene Erklärungsversuche zum Reduktionsvorgang lehnt er allesamt ab. Zum einen lässt er nicht gelten, dass eine Übermaßkorrektur dadurch zu erreichen sei, dass der übermäßige Klauselinhalt, in mehrere Einzelverpflichtungen unterteilt, aufsummiert der ursprünglichen Vereinbarung entspreche.28 Eine solche Aufteilung – zum Beispiel eine Abrede über einen 100-jährigen Bierlieferungsvertrag, aufgegliedert in fünf Abreden mit je 20-jähriger Laufzeit – hält er für variabel und fiktiv, weil der Vertrag eben gerade nicht aus mehreren solcher Abreden bestehe. Zudem kritisiert er daran, dass mehrere selbständige Abreden, je mit zulässigem Umfang, aufgrund ihrer Selbständigkeit konsequenterweise zu schützen wären. Ebenso hält er die Teilung einer übermässigen Klausel in eine Abrede mit zulässigem Inhalt, zum Beispiel ein Darlehen zu einem angemessenen Zins, und eine weitere Abrede, etwa mit einem weiteren, wucherischen Zins, für willkürlich. Diese Auffassung verkenne „die Einheit der causa“ oder lasse womöglich die „‚zusätzliche‘ Abrede überhaupt ohne solche“.29 Ferner äußert er sich auch zu der von Herzog30 begründeten und in der Schweiz von Schweingruber31 übernommenen Teilung einer übermäßigen Abrede in eine Grundabrede über die Leistung und eine Ergänzungsabrede über deren konkreten Umfang (konkrete Dauer der Verpflichtung, Höhe des Entgelts). Die Grundabrede soll nach dieser Idee zulässig sein, wohingegen die übermäßige Ergänzungsabrede gegebenenfalls vom Richter gemäß Art.  2 OR zu ersetzen sei. Spiro hält dies sowohl theoretisch als auch praktisch für nicht umsetzbar. Auf theoretischer Ebene beurteilt er diese Vorgehensweise als unbefriedigend, weil es keine Abreden „über eine Leistung schlechthin, sondern nur Abreden über bestimmte, konkrete, eben durch ihren Umfang individualisierte Leistungen“ gebe, und praktisch, weil die Lösung Herzogs konsequent angewendet dazu führen müsste, „dass die Verpflichtung nicht im maximal möglichen, sondern nur im unter Umständen wesentlich geringeren Umfang, wie er sich etwa auf Grund einer dispositiven Gesetzesbestimmung ergibt, bestehen“ bleiben müsste.32 Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 454. Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 455. 30  Herzog, 23–29. 31  Schweingruber, 196 f., 201; neuerdings ebenfalls befürwortet von Grebieniow, N.  329. 32  Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 455 f. 28  29 

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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Soweit das Bundesgericht zu seiner Vorgehensweise bei der Vertragsanpassung Stellung genommen hat, ist es Spiros Begründung und Verständnis einer geltungserhaltenden Reduktion bis heute immer wieder gefolgt.33 Es teilte die übermäßigen Abreden im Bestreben darum, die Unwirksamkeit im Sinne des favor negotii auf das Minimum zu beschränken, regelmäßig in einen gültigen und einen ungültigen Teil auf. In BGE 93 II 189 beurteilte es etwa eine unsitt­ liche Zinsabrede lediglich als in jenem Umfang für teilunwirksam, um welchen sie den Höchstzinssatz von 18 % überstieg.34 Der von Spiro geprägte Bedeutungsgehalt wird auch sonst von Stimmen in der schweizerischen Lehre ver­ treten.35 Allerdings ist dieses Verständnis seit den 1980er-Jahren im Zuge der Diskussion über die sog. modifizierte Teilnichtigkeit einer verstärkten Kritik ausgesetzt.36 Wie zu zeigen sein wird, hat dies dazu geführt, dass die geltungserhaltende Reduktion auf der prozeduralen Ebene vermehrt als richterliche Vertragsergänzung konstruiert wird. 33  Im Einzelnen zur Rechtsprechungsanalyse unten S.  104 ff. Siehe insbesondere auch BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  299: „Leitgedanke ist dabei allemal, dass, wo blosses Übermass als unzulässig erscheint, die rechtliche Missachtung sich auf das Übermass beschränkt, mithin die Rechtsfolge der Unwirksamkeit, beruhe sie auf Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit, in solchen Fällen nicht zwingend qualitativ, sondern vorerst quantitativ zu beachten und zu beheben ist […].“ sowie BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.2.1: „Es bleibt somit dabei, dass eine das gesetzlich erlaubte Höchstmass übersteigende Verpflichtung nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens grundsätzlich auf das erlaubte Mass zu reduzieren ist.“ 34  BGE 93 II 189 E. b S.  192. 35 S. Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1209 f.; Schott, in: ST 2/2012, 78, 80; so bereits von Thur/Peter, OR AT, 262; vgl. auch Maissen, die sich unter dem Stichwort „geltungserhaltende Reduktion“ mit der Frage befasst, „ob bei einem Verstoss gegen die Gültigkeitsvorgaben von einer umfassenden Nichtigkeit der Verlängerung auszugehen ist oder ob sich diese auf die einzelnen, abtrennbaren Bestimmungen beziehen kann“, dies., N.  345. Bei gewissen Stimmen in der schweizerischen Literatur ist indes nicht ganz klar, ob sie die geltungserhaltende Reduktion auf prozeduraler Ebene ebenfalls als partielle Teilunwirksamkeit verstehen. Huguenin etwa verortet die Problematik in Art.  20 Abs.  2 OR und spricht von einem „spe­ziellen Fall der Lückenhaftigkeit“, für den allerdings „keine Ersatzregel kreiert“ werde, sondern stattdessen „die mangelhafte Abrede insoweit aufrechterhalten [wird], als dies rechtlich noch zulässig ist“. Indem sie von einem, wenn auch „speziellen Fall der Lückenhaftigkeit“ spricht, scheint sie sich gedanklich in der Methodologie der richterlichen Vertragsergänzung zu bewegen. Eher für die partielle Teilunwirksamkeit spricht dagegen der Umstand, dass nach ihrer Ansicht auf die Ersatzregelbildung verzichtet werden kann, womit eine lückenbildende Unwirksamkeit also gar nicht erst entsteht. Zum Ganzen Huguenin, OR AT/BT, N.  438. Auch Kut/Stauber bleiben mit Blick auf die Methode unspezifisch, wenn sie vorsichtig fragen, ob „eine geltungserhaltende Reduktion (Teilnichtigkeit) der AGB-Klausel zulässig [Her­vor­hebung im Original]“ sein soll, s. dies., in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131. 36 Vgl. Hürlimann, N.  160 m. w. H.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Das von Spiro der geltungserhaltenden Reduktion unterstellte Verständnis findet sich auch im deutschen Schrifttum, so etwa bei Roth: „Die geltungserhaltende Reduktion verwirklicht das mit ihr angestrebte Ziel der bloßen Teilunwirksamkeit von übermäßigen Klauseln methodisch durch Rechtsfolgeneinschränkung und nicht im Wege der ihr vorgehenden Auslegung.“37 Ausgangspunkt dieser Auffassung ist, dass sich die in den §§  307–309 BGB angeordnete Unwirksamkeit nach der teleologischen Auslegung nicht auf die ganze Klausel bezieht, sondern nur auf deren inhaltlich unangemessene Aspekte.38 Die nur teilweise Unwirksamkeit der unangemessenen Bestimmung wird durch eine Einschränkung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs der gesetzlichen Inhaltskontrolle auf Rechtsfolgenseite zu erreichen versucht. Die Inhaltskontrolle durch das Gericht wird so im Ergebnis zurückgenommen.39 Es kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass es bei dieser Eliminierung des rechtswidrigen Teils im Vertrag einer wertenden Korrektur durch Umformulierung des Klauselinhalts bedarf. Diese Vorgehensweise wird von der schlichten Teilnichtigkeit abgegrenzt, die aufgrund der Teilbarkeit des Klausel­ inhalts durch bloßes mechanisches Wegstreichen zu bewerkstelligen ist.40 Wie die Korrektur tatsächlich zu erfolgen hat, wird allerdings offengelassen. Die Vertreter dieses Verständnisses einer geltungserhaltenden Reduktion lassen den Leser gerne im Glauben, dass sich die partielle Teilunwirksamkeit gleichsam wie eine Folie über den übermäßigen Vertragsinhalt legen lasse. Hieran ist zu kritisieren, dass die normativen Zulässigkeitsgrenzen oftmals nicht leicht zu erkennen sind, sondern durch Auslegung ermittelt werden müssen. c) Konversion In der Literatur wird vereinzelt auch vertreten, die Konversion bilde das Mittel zur geltungserhaltenden Reduktion übermäßiger Klauselinhalte.41 Während die Roth, 27. Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 786 f.; Garrn, in: JA 3/1981, 151, 154; Lindacher, in: BB 3/1983, 154, 155; Roth, in: JZ 9/1989, 411, 411; ders., 27; Mayer, 6–11; Boemke-Albrecht, 28 f.; von Mettenheim, in: FS Piper, 937, 951; Häsemeyer, in: FS Ulmer, 1097 ff.; Basedow, in: AcP 182 (1982), 335, 359; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 358; Witte, 113. 39 Kritisch Zimmermann, 76 f. 40  Stoffels, AGB-Recht, N.  596; Staudinger-Coester, Eckpfeiler des Zivilrechts, E. Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  72; Bunte, in: NJW 41/1982, 2298, 2299; Schmidt, 118; zum Ganzen Uffmann, 219 f.; Boemke-Albrecht, 73 f. Auch terminologisch bietet sich daher eine Abgrenzung zur schlichten Teilnichtigkeit an, für welche mit Absicht die semantische Doppelung „partielle Teilunwirksamkeit“ gewählt wurde. 41  Im deutschen Schrifttum wird dies vertreten von Ebel, in: DB 41/1979, 1973, 1974 f.; Pfeiffer, in: DZWirR 4/1998, 154, 157; im schweizerischen wird dies angedeutet bei von Thur/Peter, OR AT, 254. 37 

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III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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Konversion in der Schweiz positiv-rechtlich nicht verankert ist, wird sie im BGB unter der Bezeichnung „Umdeutung“ in §  14042 geregelt. Zwar wäre mit diesem Verständnis eine lückenbildende Unwirksamkeit ebenfalls zu verhindern, doch stellen sich andere dogmatische Fragen. So ist etwa unklar, was im Vorgang der Konversion geschieht. Vertreten wird, die Aufrechterhaltung des Vertragsinhalts werde im Zuge der Auslegung vollzogen, die Konversion stelle als qualitative Teilunwirksamkeit 43 einen Unterfall der Teilnichtigkeit dar oder sie sei ein Instrument sui generis.44 Insoweit als das Verständnis der Konversion selbst keinen eigenständigen Begründungsweg offenlegt, methodisch originär also nichts leistet, umfasst sie als bloßer Überbegriff parallele Herangehens­ weisen zur restriktiven Auslegung sowie zur partiellen Teilunwirksamkeit. Die Konversion hat nach diesem Verständnis zwar insofern einen weiteren Anwendungsbereich, als sie nicht nur der Vertragsanpassung im Falle der Verletzung inhaltlicher Zulässigkeitsschranken dient, sondern ebenso bei Verstoß gegen formelle. Da es bei der geltungserhaltenden Reduktion jedoch nur um materielle Aspekte des Vertrags geht, vermag sie das prozedurale Verständnis der geltungserhaltenden Reduktion um keine eigenständigen Aspekte zu erweitern. d)  Instrument sui generis Wie bereits Uffmann für den deutschen Diskurs festgestellt hat, vermitteln auch die in der Schweiz insbesondere zu Art.  8 UWG verfassten Beiträge regelmäßig den Eindruck, die geltungserhaltende Reduktion bilde ein Instrument sui generis auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle.45 Das heißt, sie reiht sich in ihrer Funktionsweise und -begründung dogmatisch eigenständig ein. Während in §  140 BGB, Umdeutung: „Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.“ 43  Koller etwa unterteilt die geltungserhaltende Reduktion in eine quantitative und eine qualitative Vertragsanpassung. Diese können ineinander übergehen. Verstößt ein Vertrag beispielsweise gegen Art.  334 Abs.  3 OR, der vorsieht, dass „[n]ach Ablauf von zehn Jahren […] jede Vertragspartei ein auf längere Dauer abgeschlossenes befristetes Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines Monats kündigen [kann]“, so wird die Vertragsdauer einerseits auf zehn Jahre reduziert (quantitative Änderung) und andererseits in einen Vertrag auf unbestimmte Dauer umgewandelt (qualitative Änderung). Eine rein qualitative Vertragsänderung, die nach ihm allerdings ebenfalls eine geltungserhaltende Reduktion darstellt, sieht Koller im Falle eines mietvertraglichen Verrechnungsausschlusses, der gegen Art.  256 OR verstößt. Der Verrechnungsausschluss sei insoweit anzuerkennen, „als mit Gegenforderungen, die nicht aus dem Mietverhältnis stammen, nicht verrechnet werden kann“. Zum Ganzen ders., OR AT, §  13 N.  139 f. m. w. H. 44  Uffmann, 221 Fn.  55 m. w. H. 45  Uffmann, 217 m. w. H. 42 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Deutschland zuweilen ausdrücklich betont wird, es handele sich um ein positiv-­ rechtlich nicht verankertes Institut,46 liegt diese Wertung der Diskussion in der Schweiz meist stillschweigend zugrunde. Die Formulierungen variieren zwar, doch sind sie durch den Gedanken geeint, dass der reduzierte Klauselinhalt „im Wege der geltungserhaltenden Reduktion“47 gefunden wird bzw. dass die übermäßige Vertragsklausel „auf das erlaubte Mass zu reduzieren ist (sog. geltungserhaltende Reduktion)“48. Im französischen Sprachgebrauch hat sich bislang kein einheitlicher Terminus zur Beschreibung einer geltungserhaltenden Reduktion durchgesetzt, weshalb der Begriff oft in deutscher Sprache angeführt wird. Die ansonsten uneinheitliche Terminologie lässt aber auch hier erkennen, dass sie zumeist als Instru­ ment sui generis verstanden wird, indem das Zuschneiden der übermäßigen Bestimmung anstelle der Ersetzung betont wird. Pichonnaz beispielsweise umschreibt die richterliche Vorgehensweise auf prozeduraler Ebene als „retrancher les aspects abusifs, pour ne garder que le contenu qui est conforme aux règles de la bonne foi et de l’équité“49 und an anderer Stelle schlicht als „réduire la clause pour la rendre licite (geltungserhaltende Reduktion, salvatory reduction) [Hervorhebungen im Original]“50. Ähnliche Ausdrucksweisen finden sich bei Carron („modifier la clause abusive“ „pour permettre [le] mantien [du contrat]“)51, ­Gobet („adapter la clause pour la rendre compatible avec l’article 8 LCD“) 52 , Bouverat („ramener à une mesure [à peine] admissible une clause“)53 und ­Tandogan („la réduction d’un prix excessif à la limite prévue“)54. Obwohl die geltungserhaltende Reduktion sowohl in den genannten deutschals auch französischsprachigen Beiträgen offensichtlich als Instrument sui generis der Vertragskorrektur verstanden wird, bleibt unklar, worin ihre Eigenart Schmidt, 85, 117 f.; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 361; Roth, 27; Stoffels, AGB-Recht, N.  596; Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  16. 47  Schwenzer, OR AT, N.  32.44; ähnlich Vischer, in: AJP 7/2014, 964, 975. 48  Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 61; in diesem Sinne auch Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Koller T., in: Emmenegger, 17, 66 f.; Rusch/Bornhauser, in: AJP 10/2012, 1228, 1237 f.; Schaller, in: AJP 1/2012, 56, 65; Schnyder, in: Brunner/Schnyder/ Eisner-Kiefer, 39, 73; Walker, 168; Wetzel/Grimm/Mosimann, in: MRA 1/2013, 3, 12; Widmer, N.  155; auch für den Individualvertrag zum selben Ergebnis kommend Koller A., OR AT, §  13 N.  137, 148. 49  Pichonnaz, in: BR 3/2012, 140, 144. 50  Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; in diesem Sinne auch Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Kuonen, in: SJ II 1/2014, 1, 29–31. 51  Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  160. 52  Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; ähnlich Marchand, in: HAVE 3/2011, 328, 331. 53  Bouverat, N.  1099. 54  Tandogan, 95. 46 

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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in Abgrenzung zu anderen Begründungswegen eigentlich liegt. Ihr Verständnis als Instrument sui generis wird oft sogar nur durch den Verweis auf ihre apodiktische Abgrenzung zur richterlichen Vertragsergänzung indiziert. In der deutschen Literatur findet sich dieser Verweis schon lange,55 in der Schweiz hingegen erst jüngst im Zusammenhang mit der Revision des Art.  8 UWG und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgendebatte übermäßiger bzw. missbräuchlicher AGB.56 Dass die geltungserhaltende Reduktion als In­strument sui generis behandelt wird, offenbart einen besonders krassen Ausdruck eines dogmatischen Blindflugs, denn der richterliche Vertragseingriff bedarf stets einer gesetzlichen Legitimation, die hier fehlt. e)  Richterliche Vertragsergänzung Eine richterliche Vertragsergänzung knüpft bei einer Vertragslücke an.57 In der Schweiz wird die geltungserhaltende Reduktion funktional oft als richterliche Vertragsergänzung aufgefasst. Die übermäßige Bindung mündet nach diesem Verständnis in einer lückenbildenden Unwirksamkeit, welche durch das Gericht zu ergänzen ist. Bei Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger heißt es hierzu lehrbuchhaft, dass die übermäßig bindende Vertragsabrede „sicher nichtig [ist], und zwar ungeteilt als Ganzes“.58 An die Stelle der nichtigen Abrede trete jedoch eine auf das erlaubte Maß reduzierte „Verpflichtung“, falls anzunehmen sei, dass die Parteien bei Kenntnis der erwähnten Nichtigkeit den Vertrag als vernünftige und korrekte Vertragspartner mit diesem Inhalt abgeschlossen hätten. Die Aufrechterhaltung des Vertrags mit einer reduzierten Leistungspflicht sei nichts anderes als eine modifizierte Teilnichtigkeit, für die man den Ausdruck „Reduktion“ verwenden könne. Die „Reduktion“ bestehe allerdings nicht in einer „Abänderung“ der mangelhaften Klausel (die partiell aufrechterhalten würde), sondern im Ersatz der insgesamt nichtigen durch eine zulässige Bestimmung.59 Dieses Begriffsverständnis unterstellen diverse Autoren in der Schweiz ihren Ausführungen zur geltungserhaltenden Reduktion.60 Bieri spricht etwa von „remplacer les clauses problématiques“.61 Auch Kramer führt hinsichtlich des Vorgangs der Leistungsreduktion aus: „Genau besehen geht es nämlich gar nicht um die partielle Aufrechterhaltung einer nichtigen Abrede in reduzierter Uffmann, 217 f. m. w. H. Vgl. unten S.  41 ff. 57  Zum Meinungsstreit hinsichtlich der Rangfolge der Ergänzungsmittel s. unten S.  86 ff. 58  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  706. 59 Zum Ganzen Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  706; ebenso Keller/ Schöbi, Vertragsrecht, 151; Grebieniow, N.  370. 60  Im Einzelnen Hürlimann, N.  263 und 266–275. 61  Bieri, in: Bohnet, 47, N.  30. 55 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Form […], sondern um die völlige Nichtigkeit dieses Vertragsteils […], der dann wiederum – insgesamt! – durch eine Ersatzregel ersetzt wird […].“62 In den zwei Urteilen, in denen das Bundesgericht die geltungserhaltende Reduktion explizit erwähnt, lehnt es dieses Verständnis ab.63 Doch kommt es zum Schluss, dass die partielle Teilunwirksamkeit und die richterliche Vertragsergänzung zu ähnlichen Ergebnissen führen, wenn man berücksichtige, dass, wie von den Vertretern einer richterlichen Vertragsergänzung vorgesehen, „an die Stelle der ein gesetzliches Höchstmass überschreitenden und daher nichtigen Abrede nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens in einem zweiten Schritt eine auf das erlaubte Mass reduzierte Verpflichtung zu setzen sei […].“64 Für die richterliche Vertragsergänzung im Gefüge der geltungserhaltenden Reduktion spricht auf den ersten Blick, dass sie im Gegensatz zu den anderen Vorgehensweisen die wertende Textkorrektur gerade vermeidet, da das Gericht selbst eine Ersatzregel findet. In der gedanklichen Operation der richterlichen Vertragsergänzung eröffnen sich jedoch verschiedene neue Problematiken. So ist etwa strittig, in welcher Reihenfolge die möglichen Ergänzungsmittel, insbesondere das dispositive Gesetzesrecht und eine Ersatzregel im Sinne des hypothetischen Parteiwillens, zur Vertragsergänzung heranzuziehen sind. Nach der herrschenden Lehre greift die richterliche Vertragsergänzung nämlich erst dann, wenn das dispositive Gesetzesrecht keine inhaltlich passende Ersatzregel zur Verfügung stellt. Die Mindermeinung wiederum ist uneins bezüglich der Frage, ob der hypothetische Parteiwillen objektiv oder subjektiv zu ermitteln ist.65 f)  Zwischenergebnis Diese Übersicht zur Funktionsweise der geltungserhaltenden Reduktion als Vorgang der Rechtsanwendung zeigt, dass dem Begriff auf prozeduraler Ebene ein wechselnder Bedeutungsgehalt zugeschrieben wird. Die schweizerischen Autorinnen und Autoren orientieren sich hierbei stark am deutschen Diskurs, wobei aufgrund der knappen Ausführungen zuweilen nur gemutmaßt werden kann, welchem Begriffsverständnis sie sich tatsächlich anschließen. Die skizzierten Vorgehensweisen haben mit Ausnahme der richterlichen Vertragsergänzung eines gemeinsam: Mit dem Begriff wird stets ein Vorgehen verbunden, das eine lückenbildende, ausfüllungsbedürftige Unwirksamkeit ver62 BK-Kramer,

Art.  19/20 OR N.  362. Spiro folgend implizit in BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  298; explizit in seinem Urteil BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.1. 64  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.1. 65  Im Einzelnen zu den angedeuteten Problematiken unten S.  82 ff. 63 

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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meidet.66 Nur im Falle der richterlichen Vertragsergänzung hat das Gericht eine Ersatzregel zu finden, welche die im Zuge der geltungserhaltenden Reduktion entstandene Lücke ausfüllt. Das Bundesgericht benennt den Prozess der geltungserhaltenden Reduktion in den zwei Entscheiden, in welchen es explizit auf den Reduktionsvorgang Bezug nimmt, als partielle Teilunwirksamkeit. Wie die detaillierte Rechtsprechungsanalyse allerdings zeigt, erwirkt es die Übermaßkorrektur im Einzelfall auf vielfältige Art und Weise.67 Indem sich mithin keine einheitliche Funktionsweise offenlegen lässt, wird deutlich, dass es die geltungserhaltende Reduktion auf prozeduraler Ebene nicht gibt. Wie Hager nachgewiesen hat, bleibt dies jedoch mit Blick auf das Ergebnis ohne praktische Auswirkungen, da die verschiedenen dogmatischen Instrumente zur teilweisen Aufrechterhaltung oder Ersetzung unwirksamer Klauseln im Ergebnis weitgehend austauschbar oder teilweise sogar identisch sind.68 Dennoch erscheint diese Vielzahl an dogmatischen Zuordnungsversuchen symptomatisch dafür, dass die angebotenen Begründungswege auf das Phänomen, welches eine geltungserhaltende Reduktion erforderlich macht, offensichtlich nicht optimal zugeschnitten sind.

2.  Materiale Ebene Die geltungserhaltende Reduktion knüpft bezüglich ihrer weiteren Begriffsfacette, ihres Bedeutungsgehalts auf der materialen Ebene, an die überkommene Streitfrage an, auf welches Maß das Gericht den übermäßig bindenden Vertragsinhalt zu reduzieren hat. Hierzu haben sich zwei Sichtweisen herausgebildet: die Reduktion auf das noch Zulässige und die Rückführung auf das Angemessene. a)  Variables Reduktionsmaß im Individualvertrag Wie eingangs erwähnt, besetzt die geltungserhaltende Reduktion in der schweizerischen Rechtsprechung und Literatur einen Platz in der Diskussion um die Anpassung sowohl des Individualvertrags als auch von AGB.69 Im Falle von Individualverträgen konnte sich bislang kein einheitliches Reduktionsmaß durchsetzen. Dieses uneinheitliche Bild ergibt sich unter anderem aufgrund der Uffmann, 222. S. die Rechtsprechungsanalyse unten S.  111 ff. 68 Grundlegend Hager, 31–59, 125–129, 154–164, der die Lösungsvorschläge einer geltungserhaltenden Reduktion sowohl aus der Perspektive der deutschen Judikatur wie auch der Literatur untersucht und ordnet; dem folgend Canaris, in: NJW 20/1988, 1243, 1243; ders., in: DB 18/2002, 930, 932. 69  S. oben S.  4 ff. 66  67 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

unterschiedlichen Bezugnahme auf den hypothetischen Parteiwillen. Im Zusammenhang des Art.  20 OR sprechen etwa Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger von einer auf das „erlaubte Mass reduzierten ‚Verpflichtung‘“. Dies scheint eine Reduktion auf die gesetzliche Obergrenze als „richtig“ zu implizieren. Anschließend relativieren Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger dieses Ergebnis anhand des hypothetischen Parteiwillens allerdings dahingehend, dass der Vertrag auch mit einer reduzierten Verpflichtung weitergelten könne, „die das erlaubte Höchstmass (etwa einen erlaubten Höchstzinssatz) unterschreitet [Hervorhebung im Original]“, sofern der hypothetische Parteiwille dies hergibt.70 Kramer kritisiert dieses Ergebnis. Er hält den unter anderem von Gauch/ Schluep/Schmid/Emmenegger vertretenen verobjektivierten hypothetischen Parteiwillen, der Rekurs auf redliche Vertragspartner nimmt, für bedenklich, da es durchaus auch unredliche Vertragspartner gebe.71 Entsprechend lehnt er eine Reduktion auf das Angemessene ausdrücklich ab.72 Stattdessen setzt er sich für eine möglichst „individuelle Prüfung“ des hypothetischen Parteiwillens ein.73 Das heißt, dass sich der angepasste Klauselinhalt „grundsätzlich möglichst eng am ursprünglich Vereinbarten orientieren sollte“.74 Entsprechend erblickt ­Kramer die Ersatzregel im Falle inhaltlich übermäßiger Vertragsbestimmungen in derjenigen Regel, welche dem „von den beiden konkreten Parteien erzielten Konsens“ am nächsten kommt, also regelmäßig im maximal zulässigen Preisoder Zinssatz.75 Kramer will den Parteien die so gefundene Ersatzregel aber nicht in jedem Fall aufzwingen. Es kann seines Erachtens nach nämlich sein, dass eine Regel, auch wenn sie dem Parteikonsens soweit als möglich nachempfunden ist, von der durch die teilweise Aufrechterhaltung des Vertrags benachteiligten Vertragspartei hypothetisch abgelehnt wird, da sie die übermäßig bindende Abrede als conditio sine qua non des Vertragsschlusses angesehen hatte, sodass daraus nach Art.  20 Abs.  2 OR dessen Ganznichtigkeit folgen muss.76 Huguenin wählt einen Mittelweg. Sie zieht den hypothetischen Parteiwillen zwar ebenfalls heran, tut dies aber nur zur Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen ist. Falls der hypothe­ tische Parteiwille für eine Vertragsinhaltskorrektur anstatt seiner Ganznichtig70  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  706; in diesem Sinne auch Keller/ Schöbi, Vertragsrecht, 151. 71 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  359. Zum unterschiedlichen Verständnis des hypothe­ tischen Parteiwillens unten S.  83 ff. 72  In diesem Sinne etwa Hürlimann, N.  264 f. 73 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  363 ff. 74 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  362. 75 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  359. Gemäß Kramer gibt es allerdings Fälle, in denen der „Konsens als Orientierungsmittel versagt“, s. ders., Art.  19/20 OR N.  376 ff. 76 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  360.

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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keit spricht, will sie die mangelhafte Abrede im Umfang des gesetzlich noch Zulässigen aufrechterhalten.77 Während die herrschende Lehre den hypothetischen Parteiwillen im Falle von übermäßig bindenden Individualvereinbarungen auf unterschiedliche Art und Weise berücksichtigt, ist die Bezugnahme im Falle von gemäß Art.  21 OR wucherischen Verträgen offen. Der Gesetzestext sieht nur die Anfechtbarkeit eines offenbaren Missverhältnisses vor. Da dies ein Tätigwerden der übervorteilten Partei bedingt, bleibt der hypothetische Parteiwille unerwähnt. Zudem wird die Korrektur von offenbaren Äquivalenzstörungen dogmatisch unterschiedlich begründet,78 weshalb sich daraus nicht unbedingt eine Analogie zur Korrektur übermäßiger Verträge im Gefüge des Art.  20 Abs.  2 OR ableiten lässt. Das Bundesgericht hat das Reduktionsmaß für Wucherverträge nicht fixiert. Als Leitgedanken formulierte es, dass, „wo blosses Übermass als unzulässig erscheint, die rechtliche Missachtung sich auf das Übermass beschränkt“.79 Huguenin etwa lehnt eine Reduktion auf das noch Zulässige bei Wucherverträgen dagegen ausdrücklich ab und plädiert für einen auf das Angemessene reduzierten Klauselinhalt. Dieses Abweichen von der von ihr im Übrigen vertretenen Ansicht begründet sie damit, dass an die Stelle der mangelhaften Klausel gemäß Art.  20 Abs.  2 OR grundsätzlich jene Ersatzregel zu treten habe, die der unwirksamen Abrede am nächsten kommt, doch führte dies im Falle von Wucherverträgen dazu, dass das Gericht etwa anstelle des wucherischen den gesetzlich gerade noch zulässigen, allenfalls aber immer noch inäquivalenten Preis einsetzen müsste. Diese Lösung trüge dem Schutzzweck von Art.  21 OR nicht genügend Rechnung.80 Auch Kramer setzt sich – in Analogie zu seiner Argumentation im Falle von AGB – dafür ein, dass eine wucherische Verpflichtung auf das marktübliche Durchschnittsentgelt reduziert wird.81 Damit ist festzustellen, dass das Reduktionsmaß bei wucherischen Verträgen nicht auf das noch zulässige Maß reduziert werden soll, sondern zu einer angemessenen Ersatzregel hin tendiert. b)  Festes Reduktionsmaß für AGB Die Rechtsprechung und herrschende Lehre möchten die geltungserhaltende Reduktion in der Rechtsfolgendebatte zu übermäßigen AGB ohne nähere Begründung mit einer Herabsetzung auf das gesetzlich gerade noch Zulässige verHuguenin, OR AT/BT, N.  438; vgl. zum Ganzen auch Roth, in: JZ 9/1989, 411 ff. Vgl. unten S.  39. 79  BGE 123 III 292 E. 2e/bb. 80 BSK-Huguenin, Art.  21 OR N.  16. 81 BK-Kramer, Art.  21 OR N.  52. 77  78 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

bunden wissen.82 Während sich in der deutschsprachigen Literatur hierfür eine einheitliche Begrifflichkeit herausgebildet hat, nämlich das „gesetzlich (gerade) noch Zulässige“ – zuweilen wird alternativ vom „erlaubten Mass“ gesprochen –,83 zeigt sich die französischsprachige Literatur vielfältiger. Synonym wird etwa vom „seuil admissible“84, von der Reduktion „à la limite du tolérable“85, „à un niveau devenant acceptable“86 oder „à une mesure (à peine) admissible“87 gesprochen. An anderer Stelle heißt es, „[l]e juge ne peut pas […] modifier la clause abusive de telle sorte qu’elle devienne juste tolérable“88 oder „le juge ne pourra pas adapter la clause pour la rendre compatible avec l’article 8 LCD“89. Die Reduktion auf das gesetzlich noch Zulässige entspricht auch dem traditio­ nellen Begriffsverständnis in Deutschland. Hiernach besteht die geltungserhaltende Reduktion darin, die nach dem Recht der §§  305 ff. BGB zulässige Obergrenze zu ermitteln und die Klausel in diesem Umfang aufrechtzuerhalten.90 Ein solches Begriffsverständnis ist negativ besetzt. Richterliche Inhaltskorrektur in der Kategorie der geltungserhaltenden Reduktion bedeutet somit nämlich, dass als Rechtsfolge der übermäßig bindenden Klausel vom Gericht eine Ersatzregel aufzustellen ist, die sich ausschließlich am Interesse der AGB-Verwenderin orientiert, womit eine Benachteiligung des Vertragspartners einhergeht.91 Wie zu zeigen sein wird, zeitigt dieses aus Deutschland herkommende negative Vorverständnis, welches in der Schweiz unbesehen übernommen wird, weitreichende Folgen für die Rechtsfolgenseite der AGB-­Kontrolle.92 Bucher, OR AT, 348; CHK-Furrer/Wey, Art.  100 OR N.  18; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  377; KuKo-Thier A., Art.  100 OR N.  7; BSK-Wiegand, Art.  100 OR N.  4, je m. w. H. Alternativ schlägt nur Jenny vor: „Zu prüfen ist, ob eine nach Art.  8 UWG missbräuchliche Klausel ungeteilt und gänzlich nichtig ist oder nur soweit diese wirtschaftlich ungerechtfertigte Forderungen begründet“, ders., 64. 83  Jenny, 64; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Eisner-Kiefer, in: Brunner/ Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110; unklar ist, wo sich Berger einordnet, der von einer Reduk­ tion auf das „lautere Mass“ spricht, ders., Allgemeines Schuldrecht, N.  965. 84  Bahar, in: Thévenoz/Bovet, 99, 135. 85  Bieri, in: Bohnet, 47, N.  30. 86  Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69. 87  Bouverat, N.  1099. 88  Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  161. 89  Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541. 90  S. die Übersicht bei Uffmann, 225 Fn.  77; vgl. etwa auch Wiedemann, in: FS Canaris, 1281, 1285; Pfeiffer, in: DZWirR 4/1998, 154, 157; Sonnenschein, in: NJW 32/1980, 1713, 1720; Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 785; abweichend Roth, in: JZ 9/1989, 411, 414; MüKo-­ Basedow, §  306 BGB N.  14. 91  Uffmann, 226 m. w. H. 92  S. im Einzelnen unten S.  218 f. 82 

III.  Bedeutungsgehalte: Reduktionsvorgang und Reduktionsmaß

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Im Gegensatz dazu verbindet ein anderer Teil der Lehre nichts Negatives mit der geltungserhaltenden Reduktion. Namentlich Canaris hat das Begriffsverständnis der herrschenden Lehre als „unzweckmäßig“ kritisiert.93 Ebenso wie Roth untermauert er seine Kritik mit Verweisen auf die gesetzlich geregelten Reduktionsnormen in §§  343 und 656 BGB und §  74a HGB. Da das Gericht in diesen Bestimmungen dazu berufen wird, eine übermäßige Abrede auf das Angemessene zurückzuführen, könne dies als gesetzliche Bestätigung dafür gelesen werden, dass das Gericht auch bei unangemessenen AGB entsprechend vorzugehen habe.94 Nach diesem Begriffsverständnis hat die geltungserhaltende Reduktion nichts Parteiisches; das Gericht interveniert nicht einseitig zugunsten der AGB-Verwenderin, sondern nimmt ebenso die Interessen der anderen Vertragspartei in den Blick.95 Eine solchermaßen verstandene geltungserhaltende Reduktion wird von Rechtsprechung und Lehre anerkannt, nämlich unter dem Begriff der richterlichen Vertragsergänzung.96 Trotzdem ist die Idee von der Rückführung auf das Angemessene bislang nicht breit rezipiert worden. Ein erster, 1988 in der Schweiz von Hürlimann in diese Richtung getätigter Ruf verhallte weitgehend ungehört.97 c)  Zwischenergebnis Dass die Begriffsbildung der geltungserhaltenden Reduktion uneinheitlich ist, zeigt sich auch bei der Bestimmung des „richtigen“ Reduktionsmaßes. Die Definitionskontroverse lässt im Hinblick auf AGB und Individualverträge unterschiedliche Unschärfen erkennen. Bei der Anpassung von Individualverträgen wird gleichermaßen ein flexibles, am Einzelfall orientiertes und ein festes Reduktionsmaß vertreten, welches überdies unterschiedlich stark an den hypothetischen Parteiwillen gekoppelt ist. Im Falle von AGB stehen sich hingegen zwei unversöhnliche Lager gegenüber, die beide für ein festes Reduktionsmaß eintreten: Die herrschende Lehre stellt auf das gesetzlich gerade noch Zulässige ab, während der andere Teil der Lehre übermäßige Vertragsinhalte auf ein angemessenes Maß zurückführen will. Damit ist festzustellen, dass dem Begriff der geltungserhaltenden Reduktion weder auf prozeduraler noch auf materialer Ebene ein einheitliches Verständnis zugrunde liegt. 93  Im Einzelnen Canaris, in: FS Steindorff, 519, 549–551; in diesem Sinne auch Hager, 199–211. 94  Canaris, in: FS Steindorff, 519, 549 f.; Roth, 35; vgl. auch Neumann, 21. 95  Uffmann, 227. 96  S. unten S.  75 ff.; vgl. auch die Übersicht bei Staudinger-Coester, Eckpfeiler des Zivil­rechts, E. Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  73. 97  Hürlimann, N.  275.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte Auch wenn die Unklarheiten in der Begründung der geltungserhaltenden Reduktion, wie ausgeführt,98 im Ergebnis ohne praktische Konsequenzen bleiben mögen, ist der fehlende einheitliche Begründungsweg problematisch. Die richterliche Vertragsanpassung im Wege der geltungserhaltenden Reduktion ist nämlich bemerkenswert und problematisch zugleich. Im gewaltenteiligen Staat besteht die Aufgabe des Gerichts in erster Linie darin, die Gesetze anzuwenden;99 im Speziellen im Privatrecht wird diese Aufgabe durch die Vertragsanwendung ergänzt. Im Falle von Vertragsstreitigkeiten sind die Zivilgerichte grundsätzlich dazu berufen, Verträge auszulegen, zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen. Die Gesetzesanwendung wird im Privatrecht durch den Vertrag als private Rechtsordnung partiell überlagert. Dass Gerichten in diesem System die Befugnis zur Rechtsfortbildung zukommt, ist heutzutage im Bereich der Schließung von Gesetzeslücken unbestritten.100 Im Falle der Vertragsinhaltskorrektur wird aber nicht (nur) lückenhaftes Gesetzesrecht fortgebildet, sondern ein übermäßiger Vertragsinhalt durch das Gericht korrigiert.101 Das Prinzip der Privatautonomie, das Leitmotiv der Privatrechtsordnung, wird davon tangiert – vergleichbar mit der Kollision von richterlicher Gesetzesfortbildung und Gesetzgebungskompetenzen vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung.102 Um dieses Spannungsverhältnis einzudämmen, bedarf es für den richterlichen Eingriff in den Vertrag also einer Ermächtigungsgrundlage. Damit eine solche ausgemacht werden kann, bedarf es jedoch wiederum einer klaren Begründung. Insofern werden im Falle der geltungserhaltenden Reduktion die Probleme des fehlenden einheitlichen Begriffsverständnisses gesteigert durch die besondere Problemlage des richterlichen Eingriffs in die Privatautonomie. Der Gedanke einer geltungserhaltenden Reduktion findet im OR – auch wenn es sich nicht um einen Gesetzesbegriff handelt – in einzelnen Reduktionsnormen Ausdruck. Die konkreten Reduktionsnormen werden im Folgenden auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht, um herauszufinden, ob sich der Begriff der geltungserhaltenden Reduktion aus Gesetzesperspektive schärfen lässt. Sodann ist zu ermitteln, ob sich im schweizerischen Vertragsrecht eine außerhalb dieser Reduktionsnormen liegende allgemeine gesetzliche S. oben S.  19 ff.; vgl. insbesondere Hager, 31–59, 125–129, 154–164. Uffmann, 13. 100  Anstatt aller Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1248–1279; Schwenzer, OR AT, N.  34.01–34.07; Koller A., OR AT, §  10 N.  1–45. 101  S. zum Meinungsstreit, ob die richterliche Vertragsergänzung als Rechtsfortbildung oder Vertragsfortbildung zu verstehen ist, unten Kap. B Fn. 323 sowie 373. 102  Uffmann, 13 f. 98 

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IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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Grundlage zur Leistungsreduktion durch das Gericht findet, welche den richterlichen Eingriff in den Vertrag auch über die Anwendungsbereiche der einzelnen Reduktionsnormen hinaus legitimieren könnte. Schließlich ist fraglich, ob eine solche Grundlage für Individualverträge und AGB gleichermaßen tragfähig sein kann.

1.  Einzelne Reduktionsnormen im OR Vertragsrechtliche Reduktionsnormen weisen das Gericht an, auf Antrag oder von Amtes wegen eine übermäßige Vertragsleistung auf ein angemessenes oder ein noch zulässiges Maß zu reduzieren. Im OR lassen sich die folgenden Reduktionsnormen verorten: die Herabsetzung einer übermäßig hohen Konventionalstrafe gemäß Art.  163 Abs.  3, die Herabsetzung des Anfangsmietzinses oder während der Mietdauer des missbräuchlichen Mietzinses nach Art.  270 f., die Herabsetzung des übermäßigen Konkurrenzverbots im Arbeitsvertrag in Art.  340a Abs.  2, die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vergütung oder Kosten im Falle des Auftrags zur Ehe- oder zur Partnerschaftsvermittlung nach Art.  406h sowie die Herabsetzung des unverhältnismäßig hohen Mäklerlohns zur Vermittlung eines Einzelarbeitsvertrags oder eines Grundstückkaufs gemäß Art.  417. Im deutschen Recht finden sich ebenfalls vertragsrechtliche Bestimmungen, welche das Gericht zu einer geltungserhaltenden Reduktion anweisen, sie sind jedoch spärlicher. Das BGB regelt die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe in §  343 BGB sowie die Reduktion eines unverhältnismäßig hohen Mäklerlohns für private Personalvermittler in §  655 BGB. Nach §  110 S.  2 GewO ist §  74a Abs.  1 HGB, der die Herabsetzung eines in örtlicher, zeitlicher oder gegenständlicher Hinsicht übermäßigen Wettbewerbsverbots vorsieht, sodann auch auf arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbote sinngemäß anwendbar.103 Der Vergleich dieser Normen zeigt, dass sowohl im schweizerischen als auch im deutschen Vertragsrecht die Kriterien der Unverhältnismäßigkeit, der übermäßigen Höhe oder der Missbräuchlichkeit einer Vertragsleistung, die eine geltungserhaltende Reduktion von Gesetzes wegen auslösen, nur im Falle des arbeitsvertraglichen Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsverbots konkretisiert sind. Die Zulässigkeit des Konkurrenzverbots gemäß Art.  340 Abs.  2 OR knüpft an das Interesse des Arbeitgebers; das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, soweit dem Arbeitnehmer im Zuge seiner Anstellung Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse verschafft werden und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte. Zu103 

Uffmann, 12 Fn.  6 f. m. w. H.; Canaris, in: FS Steindorff, 519, 536 f.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

dem ist das Konkurrenzverbot nach Art.  340a Abs.  1 OR „nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu begrenzen, so dass eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeitnehmers ausgeschlossen ist“. Konkretisiert wird die Einschränkung nur in zeitlicher Hinsicht: Gemäss Art.  340a Abs.  1 OR in fine darf das Konkurrenzverbot „nur unter besonderen Umständen drei Jahre überschreiten“. Ähnlichen inhaltlichen Vorgaben entspricht die Regelung des §  74a Abs.  1 HGB. Auch hier ist ein „berechtigtes Interesse“ des Prinzipals erforderlich und das Wettbewerbsverbot muss in dreifacher Hinsicht beschränkt sein, sodass das wirtschaftliche Fortkommen des Gehilfen nicht „unbillig erschwert“ wird (S.  2), wobei die zeitliche Höchstgrenze hier allerdings bei zwei Jahren liegt (S.  3).104 In der Schweiz ist auf Verordnungsstufe zudem in extenso geregelt, in welchem Rahmen Mietpreise für Wohn- und Geschäftsräume festgesetzt werden dürfen, ohne missbräuchlich zu sein.105 Ansonsten verbleibt die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe in beiden Rechtsordnungen beim Gericht. Doch nicht nur die Tatbestandsmerkmale des Übermaßes bleiben in diesen Bestimmungen unspezifisch, sondern auch die Rechtsfolgenseite, insbesondere der Vorgang der Herabsetzung sowie das Reduktionsmaß. Weder ist geklärt, inwieweit der hypothetische Parteiwille in die richterliche Ersatzregelbildung hineinspielt, noch inwiefern sich das Reduktionsmaß im Falle der Zulässigkeit und der Angemessenheit unterscheidet. Während nach §§  343 und 655 BGB das Gericht die Herabsetzung nur auf Antrag und durch Urteil vornimmt, schweigen die Bestimmungen des OR dazu, ob es eines Urteils und damit eines richterlichen Eingriffs zur Herabsetzung überhaupt bedarf. Bezüglich des Antrags sind die Bestimmungen des OR sodann uneinheitlich ausgestaltet. Ein solcher ist gemäß Gesetzestext im Falle der Herabsetzung nach Art.  270 f., Art.  406h und Art.  417 OR erforderlich; Art.  163 Abs.  3 OR und Art.  340a Abs.  2 OR erwähnen ihn dagegen nicht. Dem Wortlaut der Bestimmung entsprechend hat das Gericht die Herabsetzung übermäßig hoher Konventionalstrafen und übermäßiger Konkurrenzverbote von Amtes wegen vorzunehmen.106

Uffmann, 12. In Deutschland wird die Problematik des Mietwuchers strafrechtlich durch §  5 WiStrG flankiert. Die Rechtsprechung nimmt auf dieser gesetzlichen Grundlage im Ergebnis eine Herabsetzung des wucherischen Mietzinses auf das noch zulässige Maß vor; s. etwa BGHZ 89, 316, insbesondere 320 ff.; kritisch Canaris, in: FS Steindorff, 519, 529 f. 106  S. hierzu unten S.  48 ff. 104  105 

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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a)  Inhaltskorrektur als gemeinsames Merkmal Die dargestellten Rechtsnormen beschränken die Privatautonomie in unterschiedlichen vertragsrechtlichen Kontexten durch ein Herabsetzungsrecht des Gerichts. Gemeinsam ist ihnen, dass sie zwingend ausgestaltet sind. Das heißt, der Schuldner kann nicht im Voraus auf die Herabsetzung des übermäßigen Vertragsinhalts verzichten. Strittig ist, ob die richterliche Herabsetzung des Vertragsinhalts lediglich feststellende oder gestaltende Wirkung hat.107 Unabhängig davon, wie diese Frage prozessrechtlich zu entscheiden ist, griffe es zu kurz, die Reduktionsnormen „schlicht als gesetzlich geregelte Fälle einer geltungserhaltenden Reduktion“108 zu verstehen, zumal der Gesetzgeber den Begriff nicht verwendet.109 Die Gemeinsamkeit der angeführten Normen liegt auf Rechtsfolgenseite darin, dass die Vertragsinhaltskontrolle nicht die umfassende Gültigkeit oder Unwirksamkeit des in Frage stehenden Vertrags oder Vertragsteils nach sich zieht, sondern eine Vertragsinhaltskorrektur. Insofern erweist sich die richterliche Mitgestaltung am Vertragsinhalt in den beschriebenen Konstellationen als das prägende Merkmal mit Blick auf die geltungserhaltende Reduktion. Es ist also eine übermäßig hohe Konventionalstrafe herabzusetzen, ein missbräuchlicher Mietzins anzupassen oder ein verhältnismäßiger Mäklerlohn festzusetzen, sollte das Gericht hier einen vertraglich vereinbarten Interessenausgleich zwischen den Parteien feststellen, der die gesetzlichen Schranken nicht einhält. b)  Unterschiede Die referierten Normen offenbaren zwar den gemeinsamen Gedanken einer richterlichen Inhaltskorrektur übermäßig bindender Verträge. Zu kritisieren sind an der gesetzlich vorgesehenen Vertragsgestaltung durch die Gerichte die fehlenden Kriterien zur richterlichen Ersatzregelbildung. Die Herabsetzung auf das angemessene Maß, wie sie etwa der ausdrücklichen Rechtsfolgeanordnung von Art.  406h OR entspricht, sowie die an anderer Stelle erwähnte Herabsetzung nach Ermessen des Richters, etwa in Art.  340a OR, vermögen keine valide Grundlage dafür zu bieten, wie das Gericht bei der Vertragsinhaltskorrektur im Allgemeinen vorzugehen hat. Das Unbehagen, das gegenüber dieser Vorgehensweise geäußert wird, findet bei Zimmermann seinen stärksten Ausdruck. Er ver107 

S. zu den in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Meinungen unten Kap.  B S.  48 f. Fn.  160. 108  So etwa BSK-Pietruszak, Art.  406h OR N.  13 für das Herabsetzungsrecht im Auftragsrecht der Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung; ähnlich auch für den Arbeitsvertrag SHK-Aubry Girardin, Art.  340a OR N.  20. 109  Uffmann, 13.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

ficht, dass das angemessene Maß keinerlei Anhaltspunkte für eine korrekte Entscheidung liefere und die Gerichte damit zu jedem Ergebnis gelangen könnten.110 Auf der anderen Seite steht die abweichende Denkfigur, wonach es nur eine angemessene Entscheidung gibt.111 Beide Ansätze sind zu drastisch, doch wird daran deutlich, dass eine richterliche Vertragsinhaltskorrektur wegen der weitreichenden Möglichkeiten zur Gestaltung privatrechtlicher Beziehungen der Legitimation, und damit auch einer Bestimmung ihrer Grenzen, und gleichzeitig im Einzelfall einer transparenten Begründung bedarf.

2.  Regelungstendenzen einer Restgültigkeit Auch jenseits solcher Reduktionsnormen stellt sich die Frage nach der Legitimität eines richterlichen Eingriffs in den Vertragsinhalt. a)  Art.  20 Abs.  2 OR Die geltungserhaltende Reduktion entspricht dem Gedanken des favor negotii, wonach mangelhafte Verträge weitestmöglich aufrechtzuhalten sind. Im Falle der schlichten Teilnichtigkeit findet der Gedanke des favor negotii unbestrittenermaßen in Art.  20 Abs.  2 OR Ausdruck. Mit unterschiedlicher Begründung wird auch die modifizierte Teilnichtigkeit und – als ihr Unterfall – die geltungserhaltende Reduktion in dieser Bestimmung verortet.112 Strittig ist, ob sich der Gedanke der Vertragsinhaltskorrektur im Falle von Übermaßproblematiken mittels Auslegung unmittelbar aus Art.  20 Abs.  2 OR gewinnen lässt oder ob hier eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzestexts, eine Lücke, vorliegt, die durch richterliche Rechtsfortbildung – etwa aus einer Gesamtanalogie der referierten Reduktionsnormen – geschlossen werden kann. Die Autoren, welche die geltungserhaltende Reduktion in den 1980er-Jahren als Unterfall der modifizierten Teilnichtigkeit definiert haben, betrachten die Frage nach der Zulässigkeit einer richterlichen Ersatzregelbildung als „erledigt“.113 Dies mag für den Individualvertrag im Lichte des in Art.  20 Abs.  2 OR verankerten hypothetischen Parteiwillens überzeugen. Wenn zwei Parteien im Rahmen ihrer Verhandlungen einen Konsens gefunden haben, erscheint es richtig, diesen auch im Falle seines Übermaßes grundsätzlich soweit als möglich zu erhalten. Damit greift das Gericht zwar ebenfalls autoritativ in den Vertrag ein, bindet sein Tun aber weitestmöglich an die Privatautonomie zurück. Zimmermann, 180. Im Einzelnen Westermann, 22–30. 112  S. unten S.  65 f. 113  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 97 f. 110  111 

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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Zwar trifft das OR mit Blick auf die Behandlung von AGB und Individualverträgen in Bezug auf die Vertragsinhaltskontrolle keine Unterscheidung, doch erscheint der hypothetische Parteiwille zur Anpassung von AGB als dünne Rechtfertigungsbasis für eine geltungserhaltende Reduktion, zumal sie defini­ tionsgemäß gerade nicht das Ergebnis einer Vertragsaushandlung sind. Auch schon früher wurde in der Schweiz zuweilen erkannt, dass sich die Vertrags­ inhaltskorrektur bei AGB aufgrund dessen als Sonderfall erweist,114 ohne dass allerdings je geklärt worden wäre, welche dogmatischen Unterschiede daraus folgen. b)  Art.  21 OR Im Falle der Übervorteilung sieht Art.  21 OR vor, dass bei Vorliegen eines offenbaren Missverhältnisses zwischen der Leistung und der Gegenleistung in einem Vertrag, „dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, […] der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären [kann], dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen“ (Abs.  1). Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrags zu laufen (Abs.  2). Obwohl der Gesetzestext die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduk­ tion nicht erwähnt, wurde sie von der herrschenden Lehre lange Zeit gefordert115 und im Jahr 1997 vom Bundesgericht zuerkannt.116 Die in der Literatur angebotenen Begründungen dieses Ergebnisses sind vielfältig. Das Bundesgericht beruft sich auf den „pragmatischen Methodenpluralismus“, ohne den Weg zur geltungserhaltenden Reduktion im Falle der Übervorteilung allerdings schlüssig nachzuzeichnen.117 Ohne die angebotenen Begründungswege kritisch hinter­f ragen zu können, ist festzustellen, dass eine geltungserhaltende Reduk­ tion im Gefüge des Art.  21 OR stets an die Anfechtungserklärung der übervorteilten Partei knüpft. Der Gesetzestext stellt es ins Belieben der übervorteilten Partei, sich vom Vertrag loszusagen. Dasselbe muss für die teilweise Unverbindlichkeit gelten.118

Hürlimann, N.  275. Vgl. die Übersicht bei BK-Kramer, Art.  21 OR N.  49; BSK-Huguenin Jacobs, Art.  21 OR N.  16, 2.  Aufl.; Bucher, OR AT, 234 f.; Gauch/Schluep, OR AT, N.  754 f., 6.  Aufl.; Engel, Traité des obligations en droit suisse, 305 f. 116  Grundlegend zu dieser Frage: BGE 123 III 292. 117  S. zur Begründung dieses Ergebnisses und der daran geübten Kritik im Einzelnen unten S. 200 ff. 118  S. zu den Wirkungen der Anfechtung oben S.  12 f. 114 

115 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

c)  Verbotsnormen Auch über die einzelnen Reduktionsnormen und Art.  20 f. OR hinaus lässt das OR eine allgemeine Tendenz zur Restgültigkeit mangelhafter Verträge erkennen. Die herrschende Lehre und Rechtsprechung gehen davon aus, dass sich die Rechtsfolge eines mangelhaften Vertrags und damit auch einer geltungserhaltenden Reduktion unmittelbar aus der verletzten Verbotsnorm ergibt.119 Als Verbotsnormen werden gemeinhin gesetzliche Bestimmungen verstanden, die die Möglichkeit des rechtsgeschäftlichen Handelns begrenzen.120 Das OR enthält an verschiedenen Stellen Einschränkungen der Privatautonomie. Hierbei ist insbesondere an das zwingende Recht zum Schutz der typischerweise schwächeren Partei zu denken, etwa im Miet- oder Arbeitsrecht (vgl. zum Beispiel das Verbot des Verjährungsverzichts in Art.  141 Abs.  1 OR, das Verbot des Verrechnungsverzichts in Art.  265 OR oder das Verbot des Gerichtsstandsverzichts zulasten des Konsumenten in Art.  31 Abs.  1 i. V. m. Art.  35 Abs.  1 lit.  a ZPO). Im ZGB findet sich in Art.  27 Abs.  2 eine Norm zum Schutz der Persönlichkeit vor übermäßiger Bindung, wonach sich niemand „seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken [kann]“. Das Verbot stellt eine Verhaltensnorm dar, deren Sanktion bei Nichtbeachtung präzisiert werden muss.121 Als Sanktion für solche Regelverstöße sind die Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit ebenso denkbar wie eine geltungserhaltende Reduktion.122 Fraglich ist, inwieweit Art.  20 OR vor diesem Hintergrund im Falle der Übermaßkorrektur überhaupt ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt.123 Die Rechtsfolgenanordnung des Art.  20 OR bezieht sich nämlich nicht auf einen konkreten Tatbestand. Soweit sich die Rechtsfolge einer verletzten Verbotsnorm also aus dem Gesetzestext ergibt, handelt es sich um eine lex perfecta, die als Spezial­norm dem Art.  20 OR vorgeht und diesen insofern nicht braucht. Doch 119 

BGE 123 III 292 E. 2c/aa S.  298 f.; 121 IV 365 E. 9a S.  371; 119 II 222 E. 2 S.  224; BSK-Huguenin, Art.  19/20 OR N.  61; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  345–347; Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 459. 120 Kritisch Flume, BGB AT, 342 f. 121  Grebieniow, N.  190. 122 Vgl. auch BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  321 f. m. w. H.; vgl. auch Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 787. 123  Insbesondere zum umstrittenen Verhältnis zu Art.  27 Abs.  2 ZGB: BSK-Huguenin, Art.  27 ZGB N.  8 m. w. H. Rechtsprechung und herrschende Lehre behandeln die Persönlichkeitsrechtswidrigkeit gemäß Art.  27 Abs.  2 ZGB als Unterfall der Sittenwidrigkeit im Sinne von Art.  20 OR: BGE 106 II 369 E. 4 S. 377; 84 II 355 E. 3 S.  366 f.; Gauch/Schluep/Schmid/ Emmenegger, OR AT, N.  656; Hürlimann, N.  132; a. A. BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  92 und 162–166, welcher die Fälle von Art.  27 Abs.  2 ZGB vollständig aus dem Anwendungsbereich von Art.  20 OR ausklammert.

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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selbst wenn die Rechtsfolge einer Verbotsnorm aus ihrem Normzweck abgeleitet wird und ein darüberhinausgehender Gesetzeswortlaut etwa mittels teleologischer Reduktion angepasst werden muss,124 wird die Rechtsfolge nicht aus Art.  20 OR gewonnen. Im Bereich des zwingenden Privatrechts scheint dieser Bestimmung und den dort statuierten Voraussetzungen, insbesondere dem hypothetischen Parteiwillen, im Bereich des zwingenden Rechts damit kein eigenständiger Anwendungsbereich zu verbleiben. Insofern überzeugt die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach die „blosse Teilunwirksamkeit […] unmittelbar aus der Verbotsnorm [folgt], und ein entsprechender hypothetischer Parteiwille […] dem Grundsatz der Teilnichtigkeit nicht vorausgesetzt [ist]“.125 Spezialgesetzlich wird der hypothetische Parteiwille nämlich nirgends erwähnt. Zugleich wird aufgrund der Nichtbeachtung des hypothetischen Parteiwillens das Problem umschifft, dass sich die eine, meist stärkere Vertragspartei unter Berufung auf diesen vom aufgrund seines reduzierten Umfangs unerwünschten Vertrag lossagen kann.126 Die eigentliche Bedeutung des Art.  20 OR scheint daher bei denjenigen Verbotsnormen zu liegen, die nicht dem Zivilrecht angehören und auch bloß außerzivilrechtliche Sanktionen aussprechen, wie etwa Art.  8 UWG. Erst Art.  20 OR scheint solche Verbotsnormen zu zivilrechtlichen leges perfectae zu machen.127 d)  Art.  8 UWG? Die Diskussion um eine geltungserhaltende Reduktion auch im Falle von AGB hat sich in der Schweiz seit der Revision des Art.  8 UWG verschärft. Zwar wurde auch schon über mögliche Rechtsfolgen der Bestimmung in ihrer früheren Fassung diskutiert,128 doch blieb diese aufgrund der Voraussetzung, dass AGB „in irreführender Weise“ verwendet werden mussten, um einer besonderen Inhaltskontrolle zu unterfallen, toter Buchstabe.129 Durch die Streichung des Irreführungskriteriums im Revisionsprozess erhofft sich die schweizerische Lehre nun 124 

BGE 123 III 292 E. 2c/aa S.  299. BGE 123 III 292 E. 2c/aa S.  299. 126  Einen alternativen Ordnungsvorschlag zum Verhältnis von Art.  19 und 20 OR, welcher die Eigenständigkeit von Art.  20 OR gewährleistet, bietet Abegg, in: AJP 9/2005, 1113, 1120– 1124. 127  Vgl. zum Ganzen Medicus, BGB AT, N.  6 44–646; grundlegend zur lex perfecta und lex imperfecta Savigny, System IV, 549–551. 128  Aufgehobener Art.  8 UWG, Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen: „Unlauter handelt insbesondere, wer vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei: a. von der unmittelbar oder sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abweichen oder b. eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen.“ 129  Koller T., in: AJP 8/2008, 943, 943. 125 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

eine griffige Inhaltskontrolle von AGB auf Grundlage des Art.  8 UWG.130 Entsprechend hat auch die Rechtsfolgendiskussion neuen Aufschwung bekommen. Art.  8 UWG bestimmt, dass unlauter handelt, „wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen“. Das UWG äußert sich nur insofern zur Rechtsfolge, die eine Verletzung des Art.  8 nach sich zieht, als den Aktivlegitimierten gegen unlautere Verhaltensweisen die Klagerechte der Art.  9 f. UWG zustehen.131 In der Schweiz vertritt der überwiegende Teil der Lehre, dass eine Verletzung des Art.  8 UWG zusätzlich zu den lauterkeitsrechtlichen auch vertragsrechtliche Folgen zeitige.132 In Art.  9 Abs.  3 UWG wird denn auch ausdrücklich auf das OR verwiesen, doch erfasst der Verweis nur Ansprüche auf Schadenersatz, Genugtuung und Gewinnabschöpfung. Da der systematische Zusammenhang zwischen dem OR und UWG nicht geklärt ist, besteht in der Literatur Unsicherheit darüber, ob ein Verstoß gegen Art.  8 UWG weitere vertragliche Rechtsfolgen nach sich zieht und gegebenenfalls welche.133 In der Sache herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine gemäß Art.  8 UWG missbräuchliche Klausel unwirksam sein soll. Die dogmatischen Begründungen variieren jedoch erheblich. Sie reichen von der Anfechtbarkeit des Vertrags nach Art.  21 Abs.  1 (Übervorteilung) oder Art.  28 OR (absichtliche Täuschung) über die Unwirksamkeit der Klausel nach Art.  19 f. OR bis hin zu einem Schadenersatzanspruch auf Beseitigung der Klausel oder einer wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsklage gemäß Art.  9 Abs.  1 lit.  b UWG.134 Teilweise wird der Verwenderin auch die Berufung auf die missbräuchliche Klausel nach Treu und Glauben im Sinne des Art.  2 Abs.  1 ZGB versagt.135 130 

S. hierzu im Einzelnen unten S.  269 f. Aeschimann, in: Jusletter 1. September 2014, Rz. 17; Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner­ Kiefer, 129, 159; Koller A., OR AT, §  23 N.  75. 132  Anstatt aller Koller A., OR AT, §  23 N.  75 f.; kritisch: Kuonen, SJ II 1/2014, 1, 30 f.; Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 130; offengelassen von CHK-Ferrari-Hofer/ Vasella, Art.  8 UWG N.  7. 133 Vgl. Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1156; Mülbert, in: AJP 6/1995, 723, 731 f. m. w. H.; offengelassen in BGE 119 II 443 E. 1c S.  448. 134  Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 160 f. m. w. H.: „Die Beseitigung der bestehenden Verletzung nach Art.  9 Abs.  1 lit.  b UWG ist zwar im Falle eines Verstosses gegen Art.  8 UWG, bei dem es anders als sonst im Lauterkeitsrecht gerade auch um den unlaute­ ren Inhalt des Vertrages und damit einen während der Vertragsdurchführung und bis zur Verjährung allfälliger Ansprüche fortdauernden Störungszustand geht, ausnahmsweise auf die Beseitigung der unlauteren Klauseln gerichtet.“ S. zum Ganzen auch Schwenzer, OR AT, N.  46.05; Huguenin, OR AT/BT, N.  636, je m. w. H. 135  Mülbert, in: AJP 6/1995, 723, 732. 131 

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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Die heute herrschende Lehre geht von der Unwirksamkeit der missbräuch­ lichen Klausel bzw. der Teilunwirksamkeit des Vertrags nach Art.  20 Abs.  2 OR aus.136 Nach dieser Ansicht sind AGB, welche gemäß Art.  8 UWG als missbräuchlich beurteilt werden, widerrechtlich im Sinne des Art.  2 UWG, was zugleich einen Inhaltsmangel nach Art.  19 f. OR darstelle.137 Der systematische Zusammenhang zwischen Art.  8 UWG und Art.  19 f. OR wird hier allerdings nicht problematisiert und bleibt damit weiterhin ungeklärt.138 Die von der herrschenden Meinung vertretene Unwirksamkeit der missbräuchlichen Klausel(n) Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Walker, 167 f.; Widmer, N.  323–325 mit Verweis auf N.  155 f. ebenda; Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-­ Kiefer, 83, 110; Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 160 f.; Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 61 f.; Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21; Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  160; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Bieri, in: Bohnet, 47, N.  29 f.; Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Dupont, in: Bohnet, 99, N.  70; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  377; Maissen, N.  342–345; Pichonnaz, in: BR 3/2012, 140, 144; Rusch/Bornhauser, in: AJP 10/2012, 1228, 1238; Schmid, in: ZBJV 1/2012, 1, 16; Schott, in: ST 2/2012, 78, 80; Schwenzer, OR AT, N.  46.09; Sutter/Lörtscher, in: recht 4/2012, 93, 101; Thouvenin, in: Jusletter 29. Oktober 2012, Rz. 10; Bieri, in: Jusletter 24. Oktober 2011, Rz. 10; Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; offengelassen bei Bahar, in: Thévenoz/ Bovet, 99, 135; mit Vorbehalten Jenny, 65 f.; Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1210 f.; Berger, Allgemeines Schuldrecht, N.  965, welcher betont, dass „[j]e nach den konkreten Verhältnissen des einzelnen Falls […] stattdessen auch eine geltungserhaltende Reduk­tion […] sachgerecht sein [kann]“. Die Unwirksamkeit der Klausel entsprach im Übrigen bereits der herrschenden Ansicht zu aArt.  8 UWG, s. etwa Koller A., OR AT, §  23 N.  75 f.; SHK-Probst, Art.  8 UWG N.  67 f. m. w. H.; Rusch/Huguenin, in: SZW 1/2008, 37, 47; ab 7.  Aufl. Gauch/ Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1156, 7.  Aufl. m. w. H.; a. A. noch Gauch, in: BR 3/1987, 51, 57 f. 137  Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; SHK-Probst, Art.  8 UWG N.  68 m. w. H.; in diesem Sinne auch Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  158; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155; Jenny, 64; Huguenin, OR AT/ BT, N.  636. 138  Schon früh gefordert wurde eine Klärung von Kramer, in: SJZ 3/1985, 33, 36; aktuell Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 161, welcher sodann aus lauterkeitsrechtlichen Erwägungen eine geltungserhaltende Reduktion verneint: „Die Positionierung der offenen Inhaltskontrolle von AGB im UWG dürfte auf der Rechtsfolgenseite immerhin zur Klärung einer klassischen Streitfrage beitragen: Die gebotene lauterkeitsrechtliche Auslegung von Art.  8 UWG streitet nämlich gegen die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduk­ tion, da es aus der Sicht des Wettbewerbsrechts nicht darauf ankommen kann, dass eine AGB-Klausel in reduziertem Umfang noch mit dem Vertragsrecht vereinbar ist. Vielmehr bleibt es auch dann bei dem für sich als unlauter zu qualifizierenden und lediglich im konkreten Fall gescheiterten Versuch, eine für den Vertragspartner erheblich und ungerechtfertigt nachteilige Klausel möglichst weitreichend zur Anwendung zu bringen. Die geltungserhaltende Reduktion würde zudem das lauterkeitsrechtliche Klarheitsgebot verletzen, da nach der geltungserhaltenden Interpretation auf eine andere als die bei Vertragsschluss erkenn­bare Bedeutung der betreffenden Klausel abgestellt würde.“, ders., a. a. O., 161 f. 136 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

entspricht der klassischen Nichtigkeit, welche von den Gerichten von Amtes wegen zu beachten ist.139 Es bedarf also keiner besonderen Klage von Seiten des Konsumenten, etwa auf Grundlage des Art.  9 Abs.  1 lit.  b UWG.140 Fraglich ist allerdings, ob die Gerichte bei der Feststellung der Teilunwirksamkeit den hypothetischen Parteiwillen zu ermitteln haben oder nicht.141 In Abweichung zu diesem traditionellen Verständnis hat Huguenin den ­Begriff der so genannten „flexiblen Ungültigkeit“ geprägt. Hiernach sind die ­einzelnen Begriffsmerkmale der Nichtigkeit, wie etwa der zugelassene Klägerkreis, der Eintrittszeitpunkt der Ungültigkeitsfolgen, die trotz Nichtigkeit möglicherweise entstandenen Rechtswirkungen des Vertrags oder die Heilungs­ möglichkeit des Mangels, „erst im Kontext der verletzten Norm zu bestimmen“.142 Huguenin expliziert jedoch nicht, welche Merkmale im Rahmen von Art.  8 UWG relevant werden. Meines Erachtens ist diese Ansicht interessant, führt aber gerade mit Blick auf Art.  8 UWG zu Problemen. Denn die Feststellung eines Missverhältnisses im Sinne der Bestimmung erfordert einen – außerhalb des Art.  8 UWG liegenden – gesetzlichen Referenzrahmen.143 Unklar ist, ob als Schutznorm zur Ermittlung der „flexiblen Ungültigkeit“ nun Art.  8 UWG selbst gelten soll oder ob sie im Lichte der im Einzelfall durch die AGB verletzte(n) Norm(en) zu bestimmen ist. Sowohl im Falle der klassischen Nichtigkeit als auch der flexiblen Ungültigkeit stellt sich sodann die Frage, wie mit der dadurch entstandenen Lücke im Vertrag umzugehen ist. Grundsätzlich wird zur Ersatzregelbildung auf das dispositive Gesetzesrecht verwiesen.144 Strittig ist allerdings, wie vorzugehen ist, 139  S. etwa Pichonnaz, in: BR 3/2012, 140, 144; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155a; Jenny, 64; Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 160. 140  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155a; a. A. wohl Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541. 141 Bejahend Jenny, 65 f.; vgl. auch die abweichende Argumentation zu den Verbotsnormen oben S.  40 f. 142  Huguenin, OR AT/BT, N.  636 i. V. m. N.  433; zum Begriff der flexiblen Ungültigkeit, der zuweilen auch unter dem Stichwort der „relativen Nichtigkeit“ diskutiert wird, s. auch BSK-Huguenin, Art.  19/20 OR N.  55; Acocella, in: SJZ 19/2003, 494, 494 f. Mit Blick auf die Beschränkung des Klägerkreises im vorliegenden Fall übereinstimmend Carron, in: Carron/ Müller, 95, N.  159, der vertritt, dass die „[nullité absolue] peut être invoquée par le consommateur et par tout tiers intéressé“. 143  S. oben S.  18. 144  Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Buser-Gora, 157; Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  161; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541, die hier allerdings von „les règles usuelles“ spricht; Jenny, 66, nach dem das dispositive Gesetzesrecht jedoch nur zur Anwendung kommt, soweit die unwirksame Klausel nicht „ersatzlos gestrichen“ werden kann, weil der Vertrag auch ohne sie zu einer „angemessenen Lösung der beteiligten Interessen führt“.

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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wenn solches – auch in Analogie – fehlt, was insbesondere bei Vorliegen eines Innominatkontraktes sui generis regelmäßig zutrifft. Einige Autoren verweisen für diesen Fall auf die am hypothetischen Parteiwillen ausgerichtete richterliche Vertragsergänzung,145 andere bevorzugen eine Vorgehensweise nach Art.  1 Abs.  2 ZGB146. In Abgrenzung zur Unwirksamkeit der AGB-Klausel wird vereinzelt die geltungserhaltende Reduktion als alternative Rechtsfolge befürwortet. Eine voll­ um­fängliche, von Amtes wegen zu berücksichtigende geltungser­haltende Reduktion vertreten in Zusammenhang mit Art.  8 UWG wohl nur ­Bouverat147, Marchand148, Schaller149, Vischer150 und Kuonen151. Andere Autoren erachten 145  Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269 m. w. H.; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Jenny, 66. 146  Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  161; BSK-Thouvenin, Art.  8 UWG N.  147, je m. w. H. 147  Bouverat, N.  1103: „La doctrine allemande affirme aussi que la nullité partielle conduirait à une solution dont aucune partie en voulait. Cette affirmation laisse entendre que chacune des solutions ‚extrêmes‘ (maintien en l’état ou suppression totale) a au moins le mérite de correspondre à la volonté d’une des parties. Cet argument n’est pas pertinent, puisque seule une volonté hypothétique commune des parties peut être opérante. Dans cette optique, force est de constater que, des trois solutions possibles – maintien, suppression totale ou adaption de la clause – seule cette dernière est susceptible de constituer un compromis acceptable pour les deux parties.“ 148  Marchand äußert sich ohne nähere Begründung wie folgt zur Rechtsfolge des Art.  8 UWG: „De même, le projet ne traite pas de la question de savoir si le juge confronté à des conditions générales abusives peut, à l’instar de ce que font les juges en cas d’intérêts usu­ raires […], les adapter plutôt que d’en constater la nullité. L’adaption d’une clause abusive est pourtant une mesure souvent plus favorable au consommateur que la nullité pure et simple.“, ders., in: HAVE 3/2011, 328, 331. 149  Mit Blick auf Freizeichnungen in AGB führt Schaller aus: „Eine Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit wird auch im Bereich der Vermögensverwaltung grundsätzlich als zulässig erachtet, wobei die Rechtslage höchstgerichtlich (noch) ungeklärt ist. Die Rechtsfolge einer überschiessenden Freizeichnung liegt indes (in aller Regel) nicht in einer Vollnichtigkeit, sondern in einer Reduktion auf zulässiges Mass (sog. ‚geltungserhaltende Reduktion‘).“, ders., in: AJP 1/2012, 56, 65 m. w. H. 150  Vischer, in: AJP 7/2014, 964, 975 m. w. H.: „Die Teilnichtigkeit kann wie üblich bei Art.  20 OR auch eine modifizierte Teilnichtigkeit, also eine Vertragsergänzung und damit Vertragsmodifizierung mittels Ersatz der nichtigen AGB-Bestimmung durch eine Ersatzbestimmung gemäss dem hypothetischen Parteiwillen, sein, auch eine mittels geltungserhaltender Reduktion einer AGB-Bestimmung.“ Vischer hatte diese Frage früher mit Blick auf Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen noch offengelassen, s. ders., in: SJZ 8/2012, 177, 181. 151 Auch Kuonen will eine geltungserhaltende Reduktion nicht per se ausschließen, doch ist er skeptisch, ob eine Verletzung des Art.  8 UWG überhaupt zu vertragsrechtlichen Folgen führen sollte, s. zum Ganzen ders., in: SJ II 1/2014, 1, 29–31. Mit Blick auf Haftungs­ freizeichnungen nach Art.  100 OR ebenfalls für eine geltungserhaltende Reduktion BSK-­ Wiegand, Art.  100 OR N.  4.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

sie ausnahmsweise für zulässig, soweit die Missbräuchlichkeit ­einer Klausel nicht auf die Verletzung einer Schutznorm zurückgeht152 , wenn sie den Konsumenten besserstellt als das dispositive Gesetzesrecht153 oder wenn sie von Konsumentenseite verlangt wird154. Vom Bundesgericht wurde diese Frage bislang nicht entschieden. Auch ein Blick in die Gesetzgebungsmaterialen des Art.  8 UWG vermag nicht zu klären, ob eine geltungserhaltende Reduktion übermäßiger Vertrags­ inhalte in AGB zulässig sein soll oder nicht. Entsprechend der herrschenden Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1211 m. w. H.: „Eine geltungserhaltende Reduktion einer Klausel ist im Einzelfall abzulehnen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der AGB-Verwender bewusst mit dieser Rechtsfolge spekuliert, wenn es also nahe liegt, dass versucht werden soll, eine Schutznorm zu unterlaufen. Eine solche Annahme darf jedoch nicht leichthin angenommen werden.“ In diesem Sinne auch Wetzel/Grimm/Mosimann, in: MRA 1/2013, 3, 11 f. 153  Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131: „[E]ine geltungserhaltende Reduktion ist aus Gründen der Prävention ausgeschlossen, sofern sie nicht ausnahmsweise den Interessen des Konsumenten besser dient.“ So auch Schnyder, in: Brunner/Schnyder/Eisner-­ Kiefer, 39, 73; SHK-Probst, Art.  8 UWG N.  68 m. w. H; Jenny, 65. Letzterer äußert sich allerdings widersprüchlich mit Blick auf die richterliche Vertragsergänzung: „Soweit der Versicherungsvertrag ohne die nichtige Klausel fortbestehen kann und zu einer angemessenen Lösung der beteiligten Interessen führt, wird die nichtige Klausel grundsätzlich ersatzlos gestrichen. Andernfalls tritt an die Stelle der nichtigen Klausel das dispositive Recht. Ist ein solches nicht vorhanden, hat der Richter den Vertrag nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens zu ergänzen. Im Bereich Risikobegrenzungen muss sich der Richter dabei möglichst nahe an den ursprünglichen Deckungsumfang halten.“, ders., a. a. O., 66 m. w. H.; ähnlich Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Buser-Gora, 157; Schwenzer, OR AT, N.  46.09, die allerdings keine Nachrangigkeit verlangt; relativierend Widmer, N.  326 m. w. H.: „Bei einer unwirksamen Abbedingung von zwingendem bzw. dispositivem Gesetzesrecht wird dieses an die Stelle der nichtigen Bestimmung treten. In Bereichen, wo es keine gesetzliche Regelung gibt, soll der Richter beim Entscheid, ob und welche Ersatzbestimmung eingefügt wird, den hypothetischen Parteiwillen berücksichtigen. Dass unter der AGB-Inhaltskontrolle eine geltungserhaltende Reduktion aus Präventionsgründen nicht in Betracht gezogen werden kann, wird bei der vertraglichen Lückenfüllung entsprechend zu berücksichtigen sein.“ Nur bei Innominatverträgen auf den hypothetischen Parteiwillen abstellend Gauch/ Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; dagegen bei Lücken im Gesetz den Vertrag immer nach Art.  1 Abs.  2 ZGB korrigierend Pichonnaz, in: BR 3/2012, 140, 144; Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21. 154  Koller T., in: Emmenegger, 17, 66 f. m. w. H.: „Die Verwenderin kann daher nicht geltend machen, wenn die umstrittene AGB-Klausel gegen Art.  8 UWG verstosse, sei sie trotzdem noch anwendbar, wenn auch bloss in reduziertem, d. h. gerade noch erlaubtem Umfang. Eine solche AGB-Klausel ist vielmehr vollumfänglich unwirksam, wenn sich die Kundin auf die Nichtigkeit beruft. Möglich ist dagegen eine geltungserhaltende Reduktion, wenn die Kundin eine solche beansprucht, weil sie für sie günstiger ist als die Anwendung dispositiven Gesetzesrechts. Die gegen eine geltungserhaltende Reduktion vorgebrachten rechtspolitischen Bedenken kommen diesfalls nicht zum Tragen.“ 152 

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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Meinung wird in der Botschaft zwar konstatiert, dass eine gemäß Art.  8 UWG missbräuchliche Klausel widerrechtlich sei im Sinne von Art.  20 OR und damit vertragsrechtliche Folgen zeitige. Welche Rechtsfolge angemessen wäre, lässt die Botschaft allerdings offen, da die Frage, „[o]b einzelne AGB-Klauseln auf das zulässige Mass zu reduzieren sind“, in Praxis und Lehre „umstritten“ sei.155 Auch die Voten in der parlamentarischen Beratung erhellen in dieser Frage nicht. Bundesrat Johann Schneider-Ammann äußerte sich zwar dezidiert für eine Teilunwirksamkeit der Klausel.156 Im Ständerat wurden dagegen Stimmen laut, die befürchteten, durch eine AGB-Inhaltskontrolle würde das UWG „zu einem Parallelgesetz des Obligationenrechts“.157 Ständerat Hermann Bürgi konterte das „Aushebeln des Obligationenrechts“ unter Hinweis darauf, der Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs führe „nicht automatisch zur Nichtigkeit des Vertrages“. Vielmehr stünden neben den Rechtsbehelfen des UWG „insbesondere die Artikel 23 bis 31 OR zur Verfügung“: „Wer sich also auf die Bestimmungen über unlauteren Wettbewerb beruft, muss mit den obligationenrecht­ lichen Mitteln zur Irrtumsanfechtung greifen; das ist sein Rechtsbehelf.“158 Der Gesetzgeber hat demnach offensichtlich darauf verzichtet, eine Rechtsfolgenregelung zur Inhaltskontrolle aufzunehmen, die das Gericht eindeutig dazu ermächtigte, im Falle fehlenden dispositiven Rechts eine sachgerechte Regelung „nach der Natur des Vertrags“ aufzustellen, die an die Stelle der unwirksamen AGB treten soll. Nach der herrschenden Lehre bietet die richterliche Vertragsergänzung scheinbar eine hinreichende Begründungsbasis für einen entsprechenden Vertragseingriff. Die nach der Inhaltskontrolle gegebenenfalls bestehende Regelungslücke sollte das Gericht also mithilfe dieses Instruments ausfüllen und zwar durch eine von ihm aufzustellende sachgerechte Regelung des Interessenwiderstreits. Wiedemann hat dieses Konzept des Gesetzgebers zu Recht – zwar mit Blick auf §  306 BGB, aber ebenso zutreffend für die schweizerische Lösung – dahingehend umschrieben, dass der „Richter […] als Ersatzgesetzgeber zum Bauplan einer Inhaltskontrolle“ dazugehöre.159

155 

Botschaft zur Änderung des UWG, BBl. 2009, 6151, 6180. Votum BR Johann Schneider-Ammann, AB 2011, 229: „Was passiert, wenn der Richter zum Schluss kommt, die Klausel sei missbräuchlich? Eine Klausel, die gegen Artikel 8 verstösst, ist nichtig. Sie beziehungsweise ihr Inhalt ist widerrechtlich im Sinne von Artikel 20 des Obligationenrechts. Sie entfaltet deshalb keine Rechtswirkung.“ 157  Votum SR Bruno Frick, AB 2010, 934. 158  Votum SR Hermann Bürgi, AB 2010, 937. 159  Wiedemann, in: FS Canaris, 1281, 1287. 156 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

3.  Exkurs: Zivilprozessuale Einzelfragen a)  Leistungs-, Gestaltungs- oder Feststellungsurteil Mit Blick auf die geltungserhaltende Reduktion von einer „richterlichen“ Ersatzregelbildung zu sprechen, ist aus prozessualer Perspektive insofern ungenau, als in der Lehre umstritten ist, ob die Überschreitung einer gesetzlichen Zulässigkeitsgrenze, an welche die geltungserhaltende Reduktion knüpft, zu einem Gestaltungs- oder – je nach Verteilung der Parteirollen – zu einem Leistungs- oder Feststellungsurteil führt.160 Soweit das Urteil nicht als Gestaltungsurteil verstanden wird, führt dies dazu, dass es zur Korrektur des vertraglichen Übermaßes theoretisch keiner richterlichen Prüfung bedarf. Das Bundesgericht äußerte sich in den referierten Entscheiden zwar nur vereinzelt zur Rechtsnatur der Herabsetzung, doch sprach es sich eher gegen ein Gestaltungsurteil aus. In BGE 138 III 746 hieß es etwa: „Aus der Tatsache, dass der Richter mit der Herabsetzung in die Privatautonomie der Parteien eingreift und das zwischen ihnen vertraglich ‚fest und unzweifelhaft Vereinbarte‘ abändert […], folgt indes nicht zwingend, dass es sich bei der Herabsetzung um ein Gestaltungsurteil handelt.“161 Dies deutete es bereits in BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) mit Blick auf die Herabsetzung übermäßiger Konventionalstrafen gemäß Art.  182 aOR (1881) an.162 Und auch in BGE 41 II 138 stützte sich das Bundesgericht zur Begründung der Herabsetzung aus prozessualer Perspektive auf eine Lehrmeinung, nach welcher die Befugnis des Gerichts zur Ermäßigung der Buße als ein von dem sittlichen Bewusstsein gefordertes Ausgleichsmittel gegen den Missbrauch des formalen Rechts erscheint.163 In BGE 138 III 746 wurde diese Auffassung folgendermaßen konkretisiert: „Betrachtet man die Möglichkeit der Herabsetzung als Ausfluss der Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben, greift der Richter nicht gestaltend in den Vertrag ein, sondern stellt lediglich im Streitfall fest, ob sich das Festhalten an der gesamten vereinbarten Konventionalstrafe mit Treu und Glauben (beziehungsweise mit Recht und Bil160  Für ein nicht gestaltendes Urteil sprechen sich aus: Bentele, 51, 123 f. m. w. H.; Gauch/ Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  714; Hürlimann, N.  294; Streiff/von Kaenel/­ Rudolph, Praxiskommentar Arbeitsvertrag, Art.  340a OR N.  5; für eine Gestaltungsklage bzw. für ein sog. Gestaltungsklagerecht plädieren dagegen Couchepin, N.  928–933 m. w. H.; BSK-Weber R., Art.  270 OR N.  7; BSK-Weber R., Art.  270a OR N.  5; ZK-Higi, Vor Art.  269– 270e OR N.  133; BSK-Pietruszak, Art.  406h OR N.  10; a. A. BK-Gautschi, Art.  417 OR N.  3b, der von einem Vertragsanspruch auf Herabsetzung ausgeht, der klage- oder einredeweise geltend gemacht werden muss. Welche Wirkung das daraufhin ergehende Urteil zeitigt, lässt er allerdings offen; im Einzelnen Sogo, insbesondere 84 ebenda. 161  BGE 138 III 746 E. 6.1.1 S.  6 48. 162  BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 4 S.  6 45. 163  S. BGE 41 II 138 E. 1 S.  143 mit Verweis auf Habicht, 250.

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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ligkeit) noch vereinbaren lässt. Damit ist die Konventionalstrafe von Anfang an nur im reduzierten Masse geschuldet, da der Vertragspartner aufgrund der gesamten Umstände bei Verfall der Konventionalstrafe nach Treu und Glauben nicht den vollen Betrag verlangen darf.“164 Das Bundesgericht begründete dieses Ergebnis dogmatisch damit, dass „eher“ davon auszugehen sei, „die Herabsetzung der Konventionalstrafe als einen im Gesetz ausdrücklich geregelten Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbots nach Art.  2 ZGB anzusehen“.165 Es räumte allerdings ein, dass „in der jüngeren Rechtsprechung […] die dogmatische Grundlage für die Vertragsanpassung […] offengelassen [wurde].“166 Was für die Herabsetzung der Konventionalstrafe gilt, muss erst recht für eine Überschreitung fixierter gesetzlicher Zulässigkeitsschranken gelten, denn hier bedarf es keiner Wertung des Gerichts darüber, was die Parteien im Einzelfall hätten vereinbaren dürfen.167 Inwiefern sich eine zu Art.  182 aOR (1881) oder Art.  163 Abs.  3 OR mit Blick auf die Urteilsart definierte Rechtsauffassung zu anderen Fallgruppen mit nicht allgemein fixierten Zulässigkeitsgrenzen abweichend verhalten sollte, ist nicht ersichtlich. b)  Antragserfordernis oder Feststellung des Übermaßes von Amtes wegen Die Reduktionsnormen äußern sich, wie gesehen, uneinheitlich zur Frage, ob die Übermaßkorrektur auf Antrag (in diesem Sinne Art.  270 f., 406h und 417 OR) oder von Amtes wegen (demgemäß Art.  163 Abs.  3 und 340a OR) zu erfolgen hat.168 Auch über die Reduktionsnormen hinaus, ist fraglich, ob das Gericht bei der Übermaßkorrektur auf Antrag oder von Amtes wegen tätig wird. Das B ­ un­des­gericht 164 

BGE 138 III 746 E. 6.1.2 S.  649. BGE 138 III 746 E. 6.1.1 S.  648. 166  BGE 138 III 746 E. 6.1.1 S.  6 48. 167  Vgl. aber BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  744: „[D]ie Konventionalstrafe ist an und für sich nach der Auffassung des Gesetzes durchaus gültig; sie wäre daher auch in jedem Falle im vereinbarten Umfange zu bezahlen, wenn nicht das Gesetz im Interesse der Billigkeit durch singulären Rechtssatz dem Richter eine Ermäßigungsbefugnis gegeben hätte. Nicht handelt es sich also bei der Konventionalstrafe um die Beschränkung von etwas an sich ungültigem. Art.  345 [a]O.-R. aber, der die Dienstverträge auf Lebenszeit (des einen oder andern Kontrahenten) als auf einen bestimmten Zeitpunkt kündbar erklärt, enthält allerdings einen Ausfluß des Prinzipes, dass zu weitgehende vertragsmäßige Beschränkungen der Persönlichkeit im Sinne des Art.  17 [a]O.-R. unsittlich und daher ungültig sind; allein er schließt in seinem zweiten Teile wiederum einen singulären Rechtssatz, der von Zweckmäßigkeitsrücksichten ausgeht, in sich; ohne diesen speziellen Rechtssatz wäre der auf Lebenszeit abgeschlossene Dienstvertrag ohne Weiteres nichtig, so ist es nur der Verzicht auf das Kündigungsrecht […].“ Diese Auffassung zur Korrektur des lebenslangen Dienstvertrags wurde auch von der damaligen Lehre getragen, s. Hafner, Kommentar zum schweizerischen Obligationenrecht, Art.  345 N.  4. 168  S. oben S.  36. 165 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

verwendet die Formel, eine bestimmte Gesetzesregel sei „von Amtes wegen“ anzu­ wenden, nämlich in verschiedenen Zusammenhängen, erstmals in BGE 25 II 450, als es eine mögliche Verletzung des Art.  17 aOR zu prüfen ­hatte.169 Diese Unterscheidung impliziert, dass das Gericht im Falle einer geltungserhaltenden Reduktion je nach zu beurteilender Frage der Dispositions- oder der Offizialmaxime untersteht. Die im Zivilprozess vorherrschende Dispositionsmaxime weist die Verantwortung für die Klage grundsätzlich den Parteien zu. Das heißt, die klagende Partei macht ihre Forderung im Rechtsbegehren geltend und das Gericht ist daran gebunden (vgl. Art.  58 Abs.  1 ZPO). Dagegen hat das Gericht im Geltungsbereich der Offizialmaxime – unabhängig von den Parteianträgen – von Amtes wegen zu entscheiden (vgl. Art.  58 Abs.  2 ZPO). Während die Prüfung des Übermaßes im Falle der Geltung der Dispositionsmaxime in zivilprozessualer Hinsicht unproblematisch ist,170 stellt sich die Frage, wie eine Herabsetzung „von Amtes wegen“ zu erfolgen hat. Die Formel ist im Kontext der Feststellung der Nichtigkeit, die von Amtes wegen zu beachten ist, zu sehen. Im Falle eines Kaufvertrags über ein als „unsittlich“ qualifiziertes Kaufobjekt, bei dem beide Parteien unter Berufung auf den Vertrag Ansprüche einklagen und damit die Gültigkeit des Geschäfts behaupten, werden die Klagen abgewiesen, weil es nicht Sache des Gerichts sein soll, in einem Bereich moralischen Zerfalls um die Ordnung der Beziehungen der Parteien besorgt zu sein.171 Fraglich ist, ob im Falle der Übermaßkorrektur ebenfalls ein öffentliches Interesse an der Verhinderung der Abwicklung des zu prüfenden Vertrags besteht oder ob dem Kläger Rechtsschutz auch ohne entsprechenden Antrag zu gewähren ist.172 Dazu finden sich Hinweise in der Rechtsprechung zu Art.  163 Abs.  3 und 340a OR, da diese beiden Reduktionsnormen keinen Antrag vorsehen. Im Falle der übermäßigen Konventionalstrafe ist nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein ausdrücklicher Antrag nicht erforderlich. Das Gericht hat 169 

BGE 25 II 450 E. 3 S.  454. Einzelprobleme können sich hier im Bereich der richterlichen Fragepflicht nach Art.  56 ZPO oder bei einem überschießenden Beweisergebnis stellen, weil etwa die Behauptung oder der Beweisantrag nicht genügend substantiiert sind, vgl. hierzu BGer 4A_33/2015 vom 9. Juni 2015 E. 5. Ansonsten ist unbestritten, dass, wenn ein Antrag gesetzlich normiert ist, die Herabsetzung ein ausdrückliches Rechtsbegehren zwingend voraussetzt, s. etwa zur Herabsetzung des Mietzinses ZK-Higi, Art.  270 OR N.  79 sowie Art.  270a OR N.  84; zur Ehe- und Partnerschaftsvermittlung BSK-Pietruszak, Art.  406h OR N.  10; zum Mäklerlohn BK-Gautschi, Art.  417 OR N.  3b; BSK-Ammann, Art.  417 OR N.  3, die von einem „Vertragsanspruch des Auftraggebers, der klage- oder einredeweise vor Gericht zu erheben ist“, sprechen; aus der Judikatur BGE 83 II 151 E. 4a S.  152; 88 II 511 E. 3b S.  513. 171  So schon BGE 24 II 862 E. 4 S.  866. 172 BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  23. 170 

IV.  Gesetzliche Anknüpfungspunkte

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eine übermäßige Konventionalstrafe auch zu kürzen, wenn die Herabsetzung implizit vom Rechtsbegehren gedeckt ist.173 In BGE 103 II 120 klagte eine Arbeitgeberin auf Grundlage von Art.  340b Abs.  3 OR darauf, dass ihrem ehemaligen Arbeitnehmer jegliche Konkurrenztätigkeit während drei Jahren zu verbieten sei, wobei das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot allerdings auf fünf Jahre lautete. Vor Bundesgericht drang das Begehren der Klägerin zwar durch, es ließ jedoch offen, ob das fünfjährige Konkurrenzverbot von Amtes wegen zu reduzieren gewesen wäre.174 In der Lehre ist diese Frage umstritten.175 Wie die Judikatur zeigt, hat hier keine partielle Einführung der Offizialmaxime stattgefunden. Vielmehr bleibt auch die von Amtes wegen vorgenommene Übermaßkorrektur der Dispositions- und Verhandlungsmaxime unterstellt. Das heißt, in diesem Zusammenhang kann die Formel der „Anwendung von Amtes wegen“ nur bedeuten, dass die Übermaßkorrektur nicht einer ausdrücklichen Anrufung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen oder prozessualen Erklärung bedarf. Der Grundsatz besagt also nicht viel mehr als iura novit curia. Im Lichte der Dispositionsmaxime bedeutet dies, dass eine Berücksichtigung nur insoweit möglich ist, als die Herabsetzung vom allgemeinen Begehren der zu schützenden Partei („Die Klage sei abzuweisen.“) getragen wird.176 173  BGE 143 III 1 E. 4.1 S.  2; Regeste zu BGE 109 II 120; s. auch BGE 133 III 201 E. 5.2 S.  209; BGer 4A_174/2011 vom 17. Oktober 2011 E. 6.1; vgl. bereits BGE 41 II 138 E. 1 S.  141–144. Diese Auffassung wird auch von der Lehre geteilt, s. BSK-Ehrat, Art.  163 OR N.  10; KuKo-Pietruszak, Art.  163 OR N.  8; Präjudizienbuch-Krauskopf, Art.  417 OR N.  4; Koller A., OR AT, §  81 N.  42, der davon ausgeht, dass das Gericht das Übermaß zwar von Amtes wegen zu beachten hat, das Rechtsbegehren des Strafschuldners aber immerhin soweit gefasst sein müsse, dass es eine richterliche Herabsetzung in sich schließe. 174  S. aber BGE 50 II 481 E. 3 S.  488. Eine unzulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit hätte gemäß dem Bundesgericht zur Folge, dass nicht nur die Vertragsstellung einer Partei berührt wäre, sondern die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts vorläge, sodass die gegenseitigen Leistungen nach den Grundsätzen von Art.  62 ff. OR zurückverlangt werden müssten, „da ohne Weiteres anzunehmen ist, dass die Beklagte den Vertrag ohne dieses Konkurrenzverbot nicht, beziehungsweise nicht zu den getroffenen Bedingungen abgeschlossen hätte (Art.  20 Abs.  2 OR). Dieser Folge kann der Kläger nicht dadurch entgehen, dass er bloss die teilweise Unverbindlichkeit des Verbotes anruft.“ 175  Von Amtes wegen zu beachten hat das Gericht das Übermaß nach Koller A., OR AT, §  81 N.  42; BK-Becker H., Art.  163 OR N.  21; ablehnend BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  24; BSK-Ehrat, Art.  163 OR N.  11, demgemäß prozessual ein „Herabsetzungsbegehren des Schuldners erforderlich“ ist, da der Richter, abgesehen von den Fällen des Art.  20 OR, „nicht von Amtes wegen in die Vertragsfreiheit der Parteien eingreifen [darf]“. Allerdings seien keine allzu hohen Anforderungen an das Herabsetzungsbegehren zu stellen, weshalb sich diese Ansicht im Ergebnis wohl beinahe mit der vermittelnden Position des Bundesgerichts deckt. 176 BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  24; vgl. auch BGE 111 II 366 E. 3 S.  369; 83 II 151 E. 4a S.  152; BSK-Ammann, Art.  417 OR N.  3.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

4.  Zwischenergebnis Die Rechtsfolgen der Art.  20 und 21 OR, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, sind wohl zu starr: Die Vertragsinhaltskontrolle soll unwirksame Verträge nicht gänzlich aus dem Rechtsverkehr ziehen, sondern sie auf ein bestimmtes Maß begrenzen.177 Nach der herrschenden Meinung scheint das OR hierfür eine genügende gesetzliche Grundlage zu bieten; Einzelfragen stellen sich bei der zivilprozessualen Umsetzung. Fraglich ist, ob die im OR angelegten Rechtsgrundlagen – eine stark auf den Konsensualvertrag ausgerichtete Rechtsmaterie – auch zur Übermaßkorrektur von AGB passen (vgl. Art.  1 Abs.  1 OR). Das OR trifft im Allgemeinen keine Unterscheidung, ob ein Vertrag individuell oder standardisiert ausgearbeitet wurde. Eine allgemeine Sonderregelung zu AGB findet sich nur im UWG,178 wobei die Rechtsfolgenfrage aus vertragsrechtlicher Perspektive allerdings ungeklärt ist. Die vertragsrechtlichen Normen sowohl des Art.  20 f. OR als auch der sonstigen Verbots- und Reduktionsnormen sind somit eigentlich ebenso auf AGB anwendbar, soweit jene gültig in den Vertrag einbezogen wurden. Als problematisch erweist sich aus dogmatischer Perspektive jedoch insbesondere, dass das gerichtliche Entscheiden durch diese Normen nur marginal gelenkt wird. Inwiefern und in welchen Fällen daher eine unterschiedliche Behandlung von Individualverträgen und AGB mit Blick auf die geltungserhaltende Reduktion angezeigt wäre, ist in den folgenden zwei Kapiteln aus historischer und ökonomischer Perspektive zu prüfen.

V.  Funktionsverwandte Rechtsinstrumente Roth spricht hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der geltungserhaltenden Reduktion von einer Abgrenzung zu „funktionsverwandten Rechtsinstrumenten“.179 Während darunter in Deutschland vor allem die Teilunwirksamkeit180 und die richterliche Vertragsergänzung verstanden werden, weil sie die zulässige Alternative zur Unwirksamkeit übermäßiger AGB-Klauseln darstellen,181 steht der Begriff in der Schweiz in einem weiteren Zusammenhang. Im SchriftUffmann, 246 m. w. H. Die sonstigen Regeln zu AGB, etwa im Mietrecht oder in Spezialgesetzen, haben Sonderprobleme und nicht eine allgemeine Sonderbehandlung aufgrund ihrer standardisierten und nicht verhandelten Vertragsgrundlage zum Gegenstand. 179  Roth, 28. 180  S. zur schwankenden Terminologie Uffmann, 149 f. 181  Uffmann, 3, im Einzelnen 149–175 sowie 175–208, je m. w. H. 177 Vgl. 178 

V.  Funktionsverwandte Rechtsinstrumente

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tum wurde die geltungserhaltende Reduktion zunächst in das Konzept der modifizierten Teilnichtigkeit eingebettet. Diese ist mitunter von der schlichten Teilnichtigkeit abzugrenzen. In jüngeren Beiträgen wird die geltungserhaltende Reduktion zunehmend der richterlichen Vertragsergänzung gegenübergestellt. Fraglich ist, ob sich die geltungserhaltende Reduktion anhand der funktionsverwandten Rechtsinstrumente erklären lässt. Hierzu sind deren Funktionsweise und Grenzen nachzuzeichnen.

1.  Modifizierte Teilnichtigkeit a) Ausgangspunkt Die modifizierte182 bildet neben der schlichten Teilnichtigkeit eine Unterform der in Art.  20 Abs.  2 OR geregelten Teilnichtigkeit. Die Bestimmung sieht vor, dass ein „Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, […] nichtig [ist]“ (Abs.  1). Die Ganznichtigkeit (ebenso: Total- oder Gesamtnichtigkeit) stellt den Ausnahmefall dar. Denn betrifft „der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre“ (Abs.  2). Im Regelfall ist der inhaltlich mangelhafte Vertrag also teilnichtig.183 Die Rechtsfolge des inhaltlich mangelhaften Vertrags in Art.  20 OR steht im Gefüge des OR innerhalb der Marginalie E. (Inhalt des Vertrags). Einleitend wird dort in Art.  19 Abs.  1 OR die Vertragsinhaltsfreiheit normiert. Das heißt, den Parteien steht es grundsätzlich frei, ihre Rechtsbeziehung privatautonom zu bestimmen. In den Art.  19 Abs.  2 und Art.  20 Abs.  1 OR werden der Vertragsinhaltsfreiheit jedoch Grenzen gesetzt und damit die Privatautonomie relativiert. Nach Art.  19 Abs.  2 OR kann von der gesetzlichen Ordnung nur dort abgewichen werden, „wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst“. Die genannten Schranken sind nicht deckungsgleich mit denjenigen in Art.  20 Abs.  1 OR, wonach ein Vertrag keinen unmöglichen, widerrechtlichen oder sittenwidrigen Inhalt haben darf. Das Verhältnis von Art.  19 und Art.  20 OR ist bis heute 182 

Die modifizierte Teilnichtigkeit ist nicht zu verwechseln mit der partiellen Teilunwirksamkeit, s. hierzu oben S.  21 ff. Während Letztere lediglich dem Zuschnitt einer übermäßigen Vertragsklausel dient, hat die modifizierte Teilnichtigkeit, wie im Folgenden dargelegt, einen breiteren Anwendungsbereich. 183  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  693; im Einzelnen zum Regel-Ausnahme-Verhältnis Hürlimann, N.  226–230.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

ungeklärt; die herrschende Lehre zieht die in beiden Bestimmungen genannten Kontrollkriterien zu insgesamt fünf Schranken zusammen: die Rechtswidrigkeit, der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, die Sittenwidrigkeit, die Persönlichkeitsrechtswidrigkeit und die Unmöglichkeit.184 Ob und inwiefern diese fünf Schranken einen eigenständigen Anwendungsbereich haben – zu denken ist insbesondere an das Verhältnis der Persönlichkeitsrechtswidrigkeit im Verhältnis zur Sittenwidrigkeit185 oder an den Verstoß gegen die öffentliche Ordnung in Bezug zur Rechtswidrigkeit186 –, ist indes strittig. Von den Gerichten sind Verträge, unabhängig davon, ob sie als Individualvertrag oder in Form von AGB geschlossen wurden, einer entsprechenden Inhaltskontrolle zu unterziehen.187 Stellt das Gericht fest, dass der Parteienkonsens eine gesetzliche Grenze nicht einhält, liegt ein Inhaltsmangel vor.188 Im Falle eines Inhaltsmangels sieht der Wortlaut des Art.  20 Abs.  2 OR nur zwei Rechtsfolgemöglichkeiten vor: Entweder beschränkt sich die Nichtigkeit auf den mangelhaften Teil, im Übrigen gilt der Vertrag aber unverändert weiter (sog. schlichte Teilnichtigkeit), oder der Vertrag entfällt ganz.189 Nach grammatikalischer Auslegung ist nicht vorgesehen, dass an die Stelle des nichtigen Vertragsteils eine Ersatzregel tritt.190 Damit regelt das Gesetz weder den Fall einer modifizierten Teilnichtigkeit, wonach die Parteien, wäre ihnen die Nichtigkeit ihrer Abrede bewusst gewesen, eine abweichende Vereinbarung getroffen hätten, noch deutet es die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion eines übermäßigen Vertragsinhalts an. b)  Gesetzlicher Regelfall: schlichte Teilnichtigkeit Die Teilnichtigkeit gemäß Art.  20 Abs.  2 OR zeichnet sich durch das negative Tatbestandsmerkmal aus, dass sich außer dem Wegfall des nichtigen Vertrags­ teils nichts am Vertragsinhalt ändert. Das heißt, der Vertragsrest gilt fort „sans autres modifications“.191 Insofern wird von einer schlichten Teilnichtigkeit ge184  S. BSK-Huguenin, Art.  19/20 OR N.  15–51; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  128 f.; vgl. aber den Ordnungsvorschlag von Abegg, in: AJP 9/2005, 1113 ff. 185  S. BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  208 f.; a. A. BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  162–166. 186  S. den Meinungsstand bei BSK-Huguenin, Art.  19/20 OR N.  25. 187  Hürlimann, N.  76. 188  Hürlimann, N.  7. 189  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  702; Hürlimann, N.  184. 190  Anderer Ansicht Kramer, der davon ausgeht, dass der Wortlaut des Art.  20 Abs.  2 OR nicht nur die Alternative Ganznichtigkeit oder schlichte Teilnichtigkeit umfasst, sondern ebenso eine die ursprüngliche, aber mangelhafte Abrede modifizierende Ersatzregel enthält und damit auch eine geltungserhaltende Reduktion vorsieht. Auch in diesem Falle gelte ja der Vertrag „ohne den nichtigen Teil“. Vgl. hierzu BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  362. 191  Piotet, in: ZSR 1/1957, 97, 102; vgl. auch Hürlimann, N.  192; Tandogan, 95.

V.  Funktionsverwandte Rechtsinstrumente

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sprochen.192 Fraglich ist, wie das Tatbestandsmerkmal, wonach vom Mangel bloß „einzelne Teile des Vertrages“ betroffen sein dürfen, auszulegen ist. Einigkeit besteht darüber, dass der Inhaltsmangel lediglich einzelne Vertragsteile und entgegen dem Wortlaut der Bestimmung auch nur eine einzelne Abrede, jedoch als Totalmangel nicht den ganzen Vertrag betreffen darf.193 Strittig ist dagegen, welchen Umfang die vom Vertragsinhalt abtrennbaren Einheiten haben müssen, damit die maximale Restgültigkeit des Vertrags gewahrt werden kann.194 Gewisse Stimmen in der Lehre befürworten die Zerlegung einzelner von einem Inhaltsmangel betroffener Klauseln, womit sich die Nichtigkeit auf einzelne Worte oder Passagen beschränkte (sog. Klauselteilung). Andere plädieren dagegen dafür, dass nur ganze Sinneinheiten nichtig sein können (sog. Teilbarkeit des Vertrags). Indem einmal die Restgültigkeit des Gesamtvertrags und einmal jene der übermäßig bindenden Klausel zu beurteilen ist, stellt die Frage nach dem Umfang des zu eliminierenden Teilmangels des Vertrags den Konnex zwischen Teilnichtigkeit und geltungserhaltender Reduktion dar.195 Um den Anwendungsbereich der geltungserhaltenden Reduktion und der Teilnichtigkeit als Instrumente auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle zu umreißen, sind im Folgenden die Voraussetzungen und Grenzen zunächst der schlichten und anschließend der modifizierten Teilnichtigkeit zu bestimmen. aa)  Voraussetzung: die Teilbarkeit des Vertrags (1)  „[E]inzelne Teile des Vertrages“ gemäß Art.  20 Abs.  2 OR Die gesetzlich geregelte Teilnichtigkeit des Vertrags knüpft nach traditioneller Auffassung unter anderem daran an, dass nur „einzelne Teile des Vertrages“ von der Mangelhaftigkeit betroffen sind. Die herrschende Lehre leitet daraus ab, dass der Vertrag „teilbar“ sein muss, um der Teilnichtigkeitsregel des Art.  20 Abs.  2 OR zugänglich zu sein.196 Als teilbar gilt der Vertrag, wenn der um den mangelhaften Teil subtrahierte Vertragsrest selbständig aufrechterhalten werden kann. Indem also geprüft wird, ob der mangelbefreite Vertragsrest selbständig bestehen kann, wird zugleich versucht, die Frage des Umfangs der Teilnich192  Der Ausdruck „‚schlichte‘ Teilnichtigkeit“ geht wohl zurück auf Gauch, in: recht 3/1983, 95, 97. 193 BK-Kramer, Art.  19/20 N.  334; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  691; Hürlimann, N.  157. 194  Vgl. hierzu Grebieniow, N.  327 m. w. H. 195  Vgl. auch Ulmer, in: NJW 38/1981, 2025, 2031; im Einzelnen Stöckli H., N.  393–410. 196 Vgl. Hürlimann, N.  231; Grebieniow, N.  326–334, je m. w. H.; zur Teilbarkeit des Vertrags, welcher sich aus verschiedenen Teilleistungen zusammensetzt, die zu unterschiedlichen Zwischenterminen fällig werden, neuerdings BGE 141 III 106.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

tigkeit auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle zu lösen. Damit werden jedoch zwei Ebenen vermischt, nämlich die Frage nach dem Umfang des Kontrollgegenstandes auf der Tatbestandsseite der Inhaltskontrolle und jene nach der Selbständigkeit des Vertragsrests auf der Rechtsfolgenseite. Dies ist insofern nicht zielführend, als die Bestimmung des Kontrollgegenstandes auf diese Weise mittelbar den restgültigen Teil des Vertrags bestimmt.197 Wird der Kontrollgegenstand enger definiert, bewegt sich die Rechtsfolgenanordnung in Richtung geltungserhaltende Reduktion, ist er weiter, so liegt eine davon klar abgrenzbare Teilnichtigkeit vor.198 In Deutschland wird in diesem Zusammenhang zu Recht von einer, um es mit den Worten von Medicus zu sagen, „Rechtsfolgenrestriktion durch Bestimmung des Gegenstandes der Wirksamkeitskontrolle“ gesprochen.199 In erster Linie sollte daher eigentlich eine Diskussion darüber geführt werden, aus welchen Einzelteilen sich ein Vertrag zusammensetzt. Auch der französischsprachige Text hilft hier nicht weiter („le contrat n’est vicié que dans certaines de ses clauses“), denn für die Bestimmung des Vertragsteils im Rechtssinne ist unerheblich, ob von „Klauseln“, „Bestimmungen“, „Abreden“ oder „Vereinbarungen“ gesprochen wird. Soweit in der Schweiz über Kriterien zur Bestimmung des Vertragsteils überhaupt diskutiert wird, zeichnet sich als ein Kriterium die vollständige Regelung eines Vertragspunkts ab.200 Gleichzeitig muss der Vertragsteil äußerlich abgrenzbar sein, womit das materielle Kriterium um ein formelles ergänzt wird. Aus der Kombination dieser beiden Kriterien ergibt sich sodann, dass sich auch eine Gesamtabrede weiter unterteilen lässt.201 Ein klassischer Fall eines von ei-

197  In der Literatur zu Art.  19 f. OR wird zuweilen auch vertreten, dass der Vertrag in seiner Gesamtheit Gegenstand der Inhaltskontrolle sei, vgl. Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  692. Das ist verwirrend, denn damit wird impliziert, dass nicht jede einzelne Abrede isoliert auf ihre Zulässigkeit geprüft werden muss. Doch genau dies ist der Fall, denn nur die einzelnen Vertragspunkte lassen sich mit der Folie des Gesetzes abgleichen. Etwas anderes träfe bloß zu, wenn die Vereinbarungen untereinander einen verrechnenden Effekt hätten, wenn also z. B. ein besonders billiger Preis einen vollständigen Haftungsausschluss kompensierte. Die Art.  19 Abs.  2 f. OR sehen eine Äquivalenzkontrolle allerdings gerade nicht vor. 198  Vgl. hierzu Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  15b f., die auf die Problematik einer klaren Abgrenzbarkeit hinweisen, indem sie ausdrücklich verlangen, dass sich alle Hilfskriterien zur Beschreibung der „einheitlichen Regelung“ am Zweck des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion messen lassen müssten; vgl. auch Piotet, in: ZSR 1/1957, 97, 105; Roth, 45. 199  Medicus, in: Heinrichs/Löwe/Ulmer, 83, 89; vgl. auch MüKo-Basedow, §  306 BGB N.  17. 200  Hürlimann, N.  154; ähnlich Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  691 f. 201  Im Einzelnen Hürlimann, N.  154; vgl. auch Zimmermann, 77–80. Als Anwendungs-

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nem Mangel betroffenen Vertragsteils ist etwa eine AGB-Klausel, die gegen Art.  100 Abs.  1 OR verstößt.202 (2)  „Bestimmung“ im Sinne von §  306 BGB Die im schweizerischen Schrifttum angedeuteten Kriterien zur Bestimmung des Vertragsteils erinnern an eine etwas vertiefter geführte Debatte in Deutschland.203 Ähnlich wie die Teilnichtigkeitsregel des Art.  20 Abs.  2 OR statuiert nämlich auch §  306 Abs.  1 BGB die Restwirksamkeit des Vertrags im Rahmen der AGB-Inhaltskontrolle. Die in den §§  307–309 BGB angeordnete Rechtsfolge der Unwirksamkeit im Falle der Unzulässigkeit eines Vertragsteils (der Gesetzestext spricht von „Bestimmung“) bezieht sich ausschließlich auf die mangel­ hafte Abrede und lässt den restlichen Vertragstext unberührt.204 Wie Art.  20 OR lässt der Gesetzestext auch hier offen, wie die einzelnen Bestimmungen als Kontrollgegenstände der Wirksamkeitsprüfung zu ermitteln sind. Damit liegt in der deutschen und der schweizerischen Rechtsordnung eine im Grundsatz identische Problematik vor: Die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit als Rechtsfolge eines Inhaltsmangels wird auf den davon betroffenen Vertragsteil beschränkt, ohne dass dieser gesetzlich näher bestimmt wäre. Zur Bestimmung des Kontrollgegenstandes, also der Bestimmung im Rechtssinne, auf welche sich die nach §§  307–309 BGB angeordnete Unwirksamkeit erstreckt, haben sich im deutschen Schrifttum vor allem drei Ansätze herauskristallisiert: ein formeller, ein materieller und eine Kombination beider.205 (a)  Formeller Ansatz Der formelle Ansatz setzt bei der Ausgestaltung des AGB-Texts an. Als Bestimmung im Rechtssinne gilt hiernach, was sprachlich eigenständig in den jeweiligen Abschnitten geregelt ist.206 Damit würde der Gesetzesbegriff der Bestimmung allerdings unabhängig vom Regelungsgehalt allein aufgrund der willkürlichen Ausgestaltung des AGB-Texts durch die Verwenderin festgelegt. Eine Verwenderin, die in ihren AGB die Haftung für „grobe und leichte Fahrlässigkeit“ ausschließt, stünde diesem Ansatz folgend besser da als eine Verwenderin, beispiel s. etwa die Teilbarkeit der automatischen Vertragsverlängerung, welche gemäß Maissen aus mehreren abtrennbaren Abreden besteht; im Einzelnen Maissen, N.  343–354. 202 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  334. 203  Vgl. etwa Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  15 f. 204  Uffmann, 150 f. 205  Vgl. die Übersicht bei Uffmann, 154–156. 206  In diesem Sinne Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 788.

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die sich „für Fahrlässigkeit“ freizeichnet.207 Da es nicht der Verwenderin obliegen darf, den Umfang der Unwirksamkeit zu bestimmen, wird dieser rein formelle Ansatz abgelehnt.208 (b)  Materieller Ansatz Als materieller Ansatzpunkt zur Bestimmung des Kontrollgegenstandes gilt die Einteilung des AGB-Texts in Textabschnitte, die materiell einen selbständigen Regelungsgehalt aufweisen.209 Die materielle Eigenständigkeit einer Bestimmung im Rechtssinne wird regelmäßig darin erblickt, dass sie sich im Tatbestand und/oder in der Rechtsfolge von anderen Bestimmungen unterscheidet.210 Da die in AGB verwendeten Begriffe häufig gesetzlich geprägt sind, dienen hierbei die in den Klauselverbotskatalogen enthaltenen Sachkomplexe und das dispositive Gesetzesrecht als Teilungshilfen.211 (c)  Formelle und materielle Ansatzpunkte in Kombination In Deutschland wird die Teilbarkeit von AGB seit der vom Bundesgerichtshof am 07.10.1981 getroffenen Grundsatzentscheidung mittels einer Kombination aus materiellen und formellen Kriterien bestimmt.212 Seither wird für die Bestimmung im Rechtssinne sowohl eine sprachliche als auch eine inhaltliche Selbständigkeit gefordert. Der dem Entscheid zugrunde liegende Vertrag sah eine Rücktrittsregelung in den AGB vor, nach welcher sich der Käufer verpflichtete, „die Ansprüche aus dem Kaufvertrag nicht abzutreten, das Fahrzeug vor Erhalt nicht weiterzuverkaufen sowie die Zulassung des Fahrzeugs auf sich zu veranlassen.“ Von den in einem Satz aufgeführten drei Rücktrittsgründen wurde nur die unterbliebene Zulassung des Fahrzeugs auf den Käufer für unangemessen befunden, nicht dagegen das Abtretungs- und das Weiterverkaufsverbot. Obwohl die drei Rücktrittsgründe in einem Satz zusammengefasst wurden, erstreckte sich die Unwirksamkeit nicht auf die gesamte Rücktrittsklausel, da das Abtretungs- und das Weiterverkaufsverbot nach Ansicht des 8. Senats des Bundesgerichtshofs einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich sind. So bereits erkannt von Larenz, BGB AT, 453. Vgl. etwa BGH NJW 1982, 178, 181; Witte, 98 f.; Schmidt, 74; Roth, 44; Graf von Westpha­len/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  15a; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 362; zum Ganzen Uffmann, 154 f. 209  Vgl. die einzelnen Prüfschritte, wann eine materielle Einheit vorliegt, bei Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  15a. 210  Ebel, in: DB 41/1979, 1973, 1974; Uffmann, 155 Fn.  31 m. w. H.; Witte, 108–111. 211  Witte, 110; Schmidt, 68 f.; Uffmann, 155. 212  S. BGH NJW 1982, 178, 179. 207 

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Im Leitsatz des Entscheids wird dies wie folgt generalisiert: „Inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen können auch dann Gegenstand gesonderter Wirksamkeitsprüfung und Wirksamkeitsfeststellung sein, wenn sie sprachlich in einem Satz mit anderen, ihrerseits unwirksamen Regelungen zusammengefasst sind.“213 Dieser Kombinationsformel hat sich die Lehre zu weiten Teilen angeschlossen.214 Sie entspricht wohl auch der Vorgehensweise in der Schweiz. (3)  Klauselteilung als Alternative Aus der Kombinationsformel folgt, dass sich ein Teilmangel auch nur auf einen inhaltlich abgrenzbaren Satzteil beschränken kann; es entfällt nicht zwingendermaßen die ganze Klausel, wenn sie eine Bestimmungsmehrheit aufweist. Unter dem Stichwort der Klauselteilung wollen einige Stimmen im schweizerischen und deutschen Schrifttum Klauseln ferner nicht nur dann als teilbar qualifizieren, wenn sie abgrenzbare Bestimmungen umfassen, sondern auch dann, wenn sich eine einheitliche Bestimmung auf sprachlicher Ebene in einen gültigen und einen ungültigen Teil aufteilen lässt. Es wird darüber diskutiert, ob die Unwirksamkeitsfolge in diesem Fall auf den mangelhaften Teil innerhalb der Klausel beschränkt werden kann, soweit sich der übermäßige Teil einfach streichen lässt.215 Eine so verstandene Teilnichtigkeit weist allerdings einen anderen Charakter auf; es geht nicht um die Bestimmung des Kontrollgegenstands der Wirksamkeitsprüfung, sondern um den darauffolgenden Schritt, die Möglichkeit einer Geltungserhaltung der im Rahmen der Inhaltskontrolle eruierten mangelhaften Bestimmung. Insofern deckt sich diese Vorgehensweise mit der geltungserhaltenden Reduktion, denn auch im Falle der Klauselanpassung kommt es zur Teilnichtigkeit auf Ebene einzelner Bestimmungen.216 Der zweideutige Begriff der Klauselteilung dient hier also als „Zauberformel“, um unter anderem Namen eine geltungserhaltende Reduktion praktizieren zu können.217 Insbesondere in Deutschland wird die Zulässigkeit der Teilbarkeit einer übermäßigen Bestimmung an den sog. blue pencil test geknüpft. Hiernach ist von Teilunwirksamkeit auszugehen, wenn erstens der mangelbehaftete Teil ohne Weiteres gestrichen werden kann, also aus sprachlicher Sicht ohne Wortlautkorrektur abtrennbar ist. Zweitens muss der angemessene Teil genuin verständlich 213 

BGH NJW 1982, 178, 179. Ulmer, in: NJW 38/1981, 2025, 2031 f.; Schmidt, 75–78, 108; Neumann, 88. 215 Vgl. Uffmann, 153. 216  Uffmann, 152. 217  Uffmann, 154; vgl. die Beispielfälle für eine Teilbarkeit bei Graf von Westphalen/­ Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  17 f. 214 S.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

sein und ein sinnvolles Ganzes ergeben. Der um den Mangel subtrahierte Rest darf drittens nicht eine völlig abweichende und neue Regelung enthalten.218 Der blue pencil test geht zurück auf den von Zimmermann gezogenen Vergleich zur aus dem englischen common law stammenden sog. blue pencil rule, wonach eine Zerlegung voraussetzt, dass der unwirksame, zu isolierende Vertragsteil mit einem Blaustift weggestrichen werden kann.219 Dahinter steht der Gedanke, dass das Gericht beim bloßen Wegstreichen eines Vertragsteils im Unterschied zur grammatikalischen Umformulierung keine Neugestaltung des Vertrags vornehme. Der übermäßige Teil sei hier genau bestimmt und lasse sich vollständig aussondern. Zuweilen wird daran der starre Formalismus kritisiert, der den Buchstabenwortlaut über den Inhalt des Vertrags stellt.220 Uffmann bringt die hieraus entstandene Problematik folgendermaßen auf den Punkt: „Anstatt klar die beiden Ebenen der Teilunwirksamkeit zu trennen, zieht man sich für die Abgrenzung der Bestimmungsmehrheit zur geltungserhaltenden Reduktion […] schlicht darauf zurück, ob sich eine gesetzeskonforme Fassung durch bloßes Streichen erreichen lässt oder ob hierfür sprachliche Modifizierungen durch das Gericht erforderlich sind.“221 Dies lasse außer Acht, dass auch das bloße Wegstreichen immer eine inhaltliche Veränderung nach sich ziehe und den Vertrag neu ausgestalte.222 Einziger Unterschied zur vollständigen Umgestaltung des Vertragstexts sei, dass dem Gericht im Sinne einer Sekundär­ lösung schon eine Variante durch die Verwenderin angeboten werde.223 bb)  Grenzen der schlichten Teilnichtigkeit An die Frage des Umfangs der Teilnichtigkeit einer mit einem Inhaltsmangel behafteten Klausel schließt sich die Diskussion an, welcher Art der mangelhafte Teil zu sein hat, um die Restgültigkeit des Vertrags zu wahren, nämlich ob sowohl Haupt- als auch Nebenpunkte betroffen sein dürfen. Grundsätzlich gilt: Der Vertrag besteht als „übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien“ (Art.  1 Abs.  1 OR) aus mindestens einer Abrede,224 wobei er in so

Vgl. im Einzelnen Uffmann, 157 Fn.  36 m. w. H. Zimmermann, 79 f.; vgl. auch Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 887. 220  Kritisch im Einzelnen Uffmann, 160–164; Thüsing, in: BB 12/2006, 661 ff.; Rusch, in: sui-generis 4/2016, 73, 78 f.; a. A. Richter, 167. 221  Uffmann, 159. 222  Dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Umsetzung des blue pencil test keine einheitliche Linie erkennen lässt, weist Uffmann eindrücklich nach, s. dies., 164–174. 223  Uffmann, 160; vgl. hierzu auch Boemke-Albrecht, 22 f., 102, insbesondere Fn.  42 m. w. H.; Rusch, in: sui-generis 4/2016, 73, 78 f.; Neumann, 93. 224  Hürlimann, N.  154. 218 

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viele Teile aufgeteilt werden kann, wie Abreden getroffen wurden.225 Da nach der Ansicht der herrschenden Lehre mangelhafte Abreden gänzlich entfallen, bedingt die schlichte Teilnichtigkeit mithin, dass mindestens zwei Abreden im Vertrag enthalten sind.226 Der Rest des Vertrags, also die Gesamtheit der getroffenen Abreden oder auch nur eine einzelne, welche vom Mangel nicht berührt ist,227 kann nur aufrechterhalten werden, falls der Vertrag auch in dieser Form von den Parteien hätte gültig vereinbart werden können (sog. Selbtständigkeit des Rests228).229 (1)  Nichtigkeit vertraglicher Nebenpunkte Unproblematisch gestalten sich die Frage nach der Teilbarkeit des Vertrags und die zugleich geforderte Selbständigkeit des Vertragsrests, soweit sich nur eine oder mehrere Nebenabreden als mangelhaft erweisen. Unter dem Vorbehalt des hypothetischen Parteiwillens können Verträge in diesem Fall stets aufrechterhalten werden. Ein überwiegend älterer Teil der Lehre hält die Teilnichtigkeit sogar einzig in diesem Fall für zulässig. Diese Position wurde u. a. unter Hinweis darauf begründet, dass die Selbständigkeit des Vertragsrests nicht gegeben sei, wenn objektiv-wesentliche Punkte nichtig seien, denn diese stellten das Minimum dessen dar, was nach Art.  1 Abs.  1 OR gültig vereinbart sein müsse, damit überhaupt ein Vertrag vorliege.230 Oftinger führt zudem mit Blick auf Art.  2 OR aus: Wenn dort „vorgesehen ist, dass ein Vertrag zustandekommt, obwohl über einzelne Teile noch keine Einigung eingetreten ist, so muss auch vorgesehen sein, dass ein Vertrag aufrecht bleibt, wenn nachträglich einzelne Teile wegfallen. Die Teile eines Vertrags, die nach OR Art.  2 das Entstehen eines Vertrags nicht zu hindern vermögen, können nur Nebenpunkte sein […].“ Dasselbe müsse auch „für diejenigen Teile des Vertrags zutreffen, deren Wegfallen gemäß OR Art.  20 II den Bestand des Vertrags nicht beeinträchtigt.“231 Die innere Begründung für diese Ansicht kann darin erblickt werden, dass den Tandogan, 58. Hürlimann, N.  240. 227  Hürlimann, N.  191. 228 Vgl. Flume, BGB AT, 573 f. 229 Bei Hürlimann, N.  237 f., sowie BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  335, wird die Teilbarkeit des Vertrags als zusätzliche Voraussetzung für die Teilnichtigkeit abgelehnt. Sie behandeln die Selbständigkeit des Vertragsrests unter dem Stichwort des hypothetischen Parteiwillens, da der Vertrag nur aufrechterhalten werden könne, wenn überhaupt ein sinnvoller Rest übrig bleibe. 230  So ausdrücklich Oftinger, in: ZSR 1/1938, 481a, 569a f.; s. zur Besonderheit im Falle von Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln Hürlimann, N.  242; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  336, je m. w. H. 231  Zum Ganzen Oftinger, in: ZSR 1/1938, 481a, 570a. 225 Vgl. 226 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Parteien entgegen ihrer privatautonomen Gestaltung des Rechtsverhältnisses keine gesetzliche oder richterliche Ersatzregelung aufgedrängt werden soll, sofern es sich um objektiv-wesentliche Vertragspunkte handelt.232 (2)  Nichtigkeit vertraglicher Hauptpunkte Heute wird indes eher die Gegenposition vertreten; die herrschende Lehre weitet die Teilnichtigkeit tendenziell auch auf mangelhafte essentialia negotii aus, wobei ein weites Meinungsspektrum dazu existiert, in welchen Konstellationen objektiv- und subjektiv-wesentliche Vertragspunkte von einem Mangel behaftet sein dürfen, ohne dass der gesamte Vertrag nichtig ist.233 (a)  Objektiv-wesentliche Vertragspunkte Nach einer Lehrmeinung ist die Teilnichtigkeit im Falle der Mangelhaftigkeit der objektiv-wesentlichen Vertragspunkte zu bejahen, wenn sich die vom Mangel tangierte Abrede auf ein rechtlich oder sittlich zulässiges Maß „reduzieren“ lässt.234 Da dies allerdings eine Vertragsanpassung erfordert, die über das bloße Wegstreichen einer Klausel hinausgeht, ist diese Form der Teilnichtigkeit keine schlichte, sondern eine modifizierte.235 Eine solche wird von Art.  20 Abs.  2 OR zwar nicht vorgesehen, doch wird vertreten, der dahinter stehende Gedanke, wonach mangelhafte objektiv-wesentliche Vertragspunkte nicht zwingend die Nichtigkeit des gesamten Vertrags auslösen, lasse sich aus dem Gesetzestext, der lediglich subjektiv-wesentliche Vertragspunkte behandle, e contrario ableiten. Die Analogie zu Art.  2 OR sei zudem nicht zwingend, mache es doch einen Unterschied, ob ein Konsens über Hauptpunkte von vornherein fehlt (Art.  2 OR) oder ob er einen Inhaltsmangel enthält (Art.  19 Abs.  2 f. OR).236 Die aus dieser Position heraus entwickelte und heute weit verbreitete sog. modifizierte Teilnichtigkeit relativiert das gesetzliche Konzept der schlichten Teilnichtigkeit in Art.  20 Abs.  2 OR erheblich.237 232 BK-Kramer,

Art.  19/20 OR N.  340. diesem Kontext ebenfalls diskutabel wäre die Frage, was objektiv- und subjektivwesentliche Vertragspunkte überhaupt ausmacht. Je nach Auffassung hätte die schlichte Teilnichtigkeit einen breiteren oder engeren Anwendungsbereich. Vgl. hierzu Hürlimann, N.  236, der vorschlägt, dass als objektiv-wesentlich nur Vertragspunkte gelten, die den „Geschäftskern“ des Vertrags ausmachen. 234 Vgl. Hürlimann, N.  239; Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 150; vorsichtig befürwortend BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  344–347; s. auch die Meinungsübersicht bei Tandogan, 67–71; Spiro, in: ZBJV 12/1952, 497, 528; vgl. auch Grebieniow, N.  330 f. 235  Vgl. zu diesem Verhältnis oben S.  53 ff. 236  Im Einzelnen BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  341. 237  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  704 m. w. H. Auch heute noch gibt es 233  In

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(b)  Subjektiv-wesentliche Vertragspunkte Die Meinungen gehen ferner auch hinsichtlich der subjektiv-wesentlichen Vertragspunkte auseinander. Der wohl überwiegende Teil der Lehre geht im Falle der subjektiven Wesentlichkeit einer Abrede stets von der Ganznichtigkeit des Vertrags aus.238 Begründet wird dies damit, dass eine subjektiv-wesentliche Abrede, unabhängig davon, ob ihr nur von einer oder von beiden Parteien diese Eigenschaft zugemessen wurde, in der vereinbarten Form conditio sine qua non für den Vertragsschluss war, womit sowohl eine schlichte als auch eine modifizierte Teilnichtigkeit ausgeschlossen seien.239 Hürlimann differenziert dagegen danach, ob der mangelhafte Vertragspunkt beidseits oder nur einseitig als subjektiv-wesentlich zu beurteilen ist. Im ersten Fall behandelt er die Mangelhaftigkeit des subjektiv-wesentlichen Vertragspunkts wie eine Nichtigkeitsabrede: Der Vertrag entfällt, falls er nicht mittels einer modifizierten Teilnichtigkeit korrigiert werden kann.240 Die Frage nach einer schlichten Teilnichtigkeit löst er dagegen mit Verweis auf das Vertrauensprinzip, wonach zu ermitteln ist, wie ein verständiger Dritter die Aussage des Erklärenden hätte verstehen müssen.241 Eine schlichte Teilnichtigkeit ist in diesem Fall also nicht von vornherein ausgeschlossen.242 Nach Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger verdienen beide erwähnten Positionen keine Zustimmung. Die Mangelhaftigkeit eines subjektiv-wesentlichen Vertragspunkts sage nämlich nichts darüber aus, wie sich die Parteien verhalten hätten, wäre ihnen die Mangelhaftigkeit ihrer Abrede bewusst gewesen. Dies sei eine Frage, die im Rahmen der Prüfung des hypothetischen Parteiwillens geklärt werden müsse. Parteien, die den Vertrag, der an einem Teilmangel leide, freiwillig ganz oder teilweise erfüllten oder in die Erfüllungshandlung einwilligten, verhielten sich ferner rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art.  2 Abs.  2 ZGB, wenn sie sich später auf die Ganznichtigkeit des Vertrags berufen würden.243 Die oben genannten Positionen werden diesem Umstand nicht gerecht, da hiernach auch Parteien aus dem Vertrag entlassen werden müssten, die vom Konstellationen, in denen die Mangelhaftigkeit eines objektiv-wesentlichen Vertragspunkts zur Ganznichtigkeit des Vertrags führt. Hierzu BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  342 m. w. H. 238  Vgl. etwa Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 150; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  337 f. 239  Zum Ganzen BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  337 f.; Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 150; Piotet, in: ZSR 1/1957, 97, 112. 240  Im Einzelnen Hürlimann, N.  244. 241  Zum Vertrauensprinzip BGE 130 III 66 E. 3.2 S.  71; Jäggi, in: FS Simonius, 145 ff.; Gauch, in: FG der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur Hundertjahrfeier der Universität Freiburg, 177, 183. 242 Vgl. Hürlimann, N.  245; in diesem Sinne auch Grebieniow, N.  332–334. 243  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  701 m. w. H.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Vertrag in seiner mangelhaften Form außerhalb des richterlichen Kontrollbereichs profitieren und im Falle der richterlichen Überprüfung auf dessen fehlende Bindungswirkung spekulieren.244 (3)  Synallagmatische Verträge Im Falle von synallagmatischen Verträgen stellt sich die Frage, ob auch ein Vertrag aufteilbar ist, bei dem nur eine der beiden Gegenleistungen von der Nichtigkeit betroffen ist.245 Dies ist zu verneinen.246 Entfällt eine Leistungspflicht aufgrund eines Mangels, so wird auch die vertraglich vereinbarte Gegenleistungspflicht gestrichen. Wollte man anders entscheiden, würde der Vertrag seinen Austauschcharakter verlieren.247 Dass sowohl Leistung als auch Gegenleistung dahinfallen, gilt allerdings nur im Falle der schlichten Teilnichtigkeit.248 Soweit eine modifizierte Teilnichtigkeit möglich ist, bleiben beide Abreden bestehen, wobei je nachdem auch die Gegenleistungspflicht, obwohl per se nicht mangelhaft, aus Äquivalenzüberlegungen anzupassen ist.249 cc)  Zwischenergebnis Die schlichte Teilnichtigkeit ist in der Schweiz dogmatisch nicht vollständig konturiert. Es ist strittig, wie der Passus, wonach nur „einzelne Teile des Vertrages“ von der Mangelhaftigkeit berührt sein dürfen, auszulegen ist. Mit dieser Definition steht und fällt allerdings die Abgrenzung zur geltungserhaltenden Reduktion. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass der Inhaltsmangel lediglich einzelne Vertragsteile und entgegen dem Wortlaut der Bestimmung auch nur eine einzelne Abrede, jedoch als Totalmangel nicht den ganzen Vertrag betreffen darf. Die Lehrmeinungen gehen jedoch hinsichtlich der Frage auseinander, welches die kleinste Einheit des Vertrags ist, die von einem Mangel betroffen sein kann. Unter dem Stichwort der Teilbarkeit des Vertrags wurde bislang vor allem darüber diskutiert, ob der mangelbefreite Restvertrag selbständig Bestand haben kann. Soweit die Diskussion dahingehend geführt wird, nicht nur Verträge in einen gültigen und einen nichtigen Teil aufzusplitten, sondern auch einzelne Vertragsklauseln, lässt sich die Teilnichtigkeit technisch nicht von der geltungserhalten244  S. zur Anreizwirkung der verschiedenen Rechtsfolgeanordnungen im Falle von AGB unten S.  243 ff. 245  Vgl. BGE 80 II 327 E. 4a S.  334. 246  Hürlimann, N.  246. 247  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  694 m. w. H. 248 Vgl. Tandogan, 95. 249  Im Einzelnen Hürlimann, N.  246–248; Grebieniow, N.  348–357, je m. w. H.

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den Reduktion abgrenzen. Solange also keine Einigung über die Bestimmung des mangelhaften Teils besteht, wird eine trennscharfe Abgrenzung von geltungserhaltender Reduktion und Teilnichtigkeit nicht möglich sein. Zusätzlich zur Problematik des Mindestumfangs der teilbaren Vertragsleistung ist strittig, welche Qualität der mangelhafte Vertragsteil aufzuweisen hat, damit der Restvertrag im Sinne von Art.  20 Abs.  2 OR aufrechterhalten werden kann. Angesprochen ist die Frage, ob sowohl Haupt- als auch Nebenpunkte von der Nichtigkeit betroffen sein dürfen. Unstreitig ist, dass, soweit Nebenpunkte mangelhaft sind, der Vertrag unter dem Vorbehalt des hypothetischen Parteiwillens ohne den nichtigen Teil weiterbesteht. Haftet dagegen Hauptpunkten ein Mangel an, steht ein Teil der Lehre für die Ganznichtigkeit des Vertrags ein, wohingegen andere Autoren die Teilnichtigkeit auch im Falle mangelhafter subjektiv- und/oder objektiv-wesentlicher Vertragspunkte bejahen. Die herrschende Lehre lehnt die schlichte Teilnichtigkeit im Falle mangelhafter objektiv-­ wesentlicher Vertragspunkte jedoch ab. c)  Teilnichtigkeit mit Ersatzregel Auch wenn die Begründungswege auseinanderfallen, ist man sich in der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung heute im Ergebnis einig, dass die Rechtslage im Falle eines Teilmangels nicht auf die beiden Rechtsfolgen Ganznichtigkeit und schlichte Teilnichtigkeit beschränkt ist.250 Während Kramer eine Weitergeltung des Vertrags mit einer modifizierten Abrede aus der grammatikalischen Auslegung des Art.  20 Abs.  2 OR gewinnt,251 begründen die Judikatur und andere Teile der Lehre dieses Ergebnis aufgrund teleologischer Erwägungen.252 Die Teilnichtigkeit als Regelfall des Art.  20 OR bezwecke „de restreindre la nullité à ce qui est strictement nécessaire pour supprimer le désaccord du contrat avec la loi ou les bonnes mœurs“.253 Die Weitergeltung auch eines teilweise mangelhaften Vertrags verwirkliche den Zweckgedanken des favor negotii (auch: favor contractus).254 Da Art.  20 Abs.  2 OR den Fall unberücksichtigt lasse, wonach die Parteien als redliche und vernünftige Vertragspartner anstelle des nichtigen Teils eine andere Abrede getroffen hätten,255 wird die modifizierte Teilnichtigkeit, welche die Aufrechterhaltung des Vertrags mit einer solchen ermöglicht, als Grebieniow, N.  360 f. m. w. H.; BGE 107 II 216 E. 3a S.  218. Art.  19/20 OR N.  362. 252  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  703; Gauch, in: FG der Rechtswissen­ schaftlichen Fakultät zur Hundertjahrfeier der Universität Freiburg, 177, 192; Hürlimann, N.  252 f. 253  BGE 43 II 660 S.  661 f. 254 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  327; Tandogan, 61 f.; Grebieniow, N.  314. 255  Hürlimann, N.  252. 250 

251 BK-Kramer,

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

den Zweck der Bestimmung in optima forma erfüllend bewertet. Hinsichtlich der denkbaren Ersatzregel sind drei Konstellationen zu unterscheiden: die Ersatzregeln, welche dem (1) zwingenden oder (2) dispositiven Gesetzesrecht entnommen werden können, und (3) eine vom Gericht gefundene Ersatzregel. aa)  Formen der Ersatzregelbildung (1)  Zwingendes Recht Treffen die Parteien eine Abrede, die einer „unabänderlichen Vorschrift“ des Gesetzes (Art.  19 Abs.  2 OR) entgegensteht, so wird sie durch die zwingende Regel des Privatrechts ersetzt und der Vertrag gilt mit dieser weiter.256 An Stelle der Vereinbarung, wonach ein Arbeitsverhältnis länger als zehn Jahre dauern soll, tritt etwa die zwingende Regel des Art.  334 Abs.  3 OR, derzufolge das befristete Arbeitsverhältnis nach Ablauf von zehn Jahren von jeder Vertragspartei „jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines Monats“ aufgelöst werden kann. Die geltungserhaltende Reduktion findet hier also ex lege statt. Das Gesetz hält aber nicht immer eine lex perfecta bereit. Bringt die zwingende Bestimmung nicht zum Ausdruck, was anstelle des nichtigen Teils gelten soll, weil entweder der Tatbestand oder die Rechtsfolge offen sind, wird mittelbar das Gericht zur Ersatzregelbildung berufen. Eine offene Rechtsfolge zeigt sich regelmäßig bei sog. Verbotsnormen, die im Gesetzestext im Falle eines Verstoßes zwar die Nichtigkeit vorsehen, sich damit aufgrund von Normzweckerwägungen jedoch als zu weitgehend erweisen.257 Als Beispiel hierfür ist auf Art.  100 Abs.  1 OR zu verweisen. Diese Bestimmung statuiert, dass „[e]ine zum voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, […] nichtig [ist]“. Wie in Art.  334 Abs.  3 OR definiert der Gesetzestext die Zulässigkeitsschranke auch für diesen Fall, nämlich zwischen der groben und der leichten Fahrlässigkeit.258 Gemäß Rechtsprechung und Lehre hat der Schuldner trotz eines vollständigen Haftungsausschlusses aber nicht für jedes Verschulden, sondern nur für Absicht und grobes Verschulden unbeschränkt einzustehen.259 Auf Rechtsfolgenseite erweist sich Art.  100 Abs.  1 OR damit als zu starr, weshalb der Verstoß gegen Art.  100 Abs.  1 OR weder zur Nichtigkeit 256  Abegg, in: AJP 9/2005, 1113, 1125; Hürlimann, N.  268; vgl. dazu auch Engel, Traité des obligations en droit suisse, 272–275; Gauch, in: recht 3/1983, 95, 98; Gauch/Schluep/Schmid/ Emmenegger, OR AT, N.  210 mit Beispielen in N.  211. 257  S. hierzu oben S.  40 f. 258  Anders sähe es freilich aus, wenn die Rechtsprechung hier noch eine weitere Unterscheidung einführte, nämlich die mittlere Fahrlässigkeit. 259 S. Hürlimann, N.  291.

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der entsprechenden Klausel noch zur Ganznichtigkeit des Vertrags führt, sondern eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß, die leichte Fahrlässigkeit, auslöst.260 Während also die Zulässigkeitsschranke in diesen beiden ersten Konstella­ tionen normiert ist, erweisen sich die gesetzlich festgeschriebenen Reduktionsnormen auf Tatbestandsseite als auslegungsbedürftig.261 Sie schreiben die Herabsetzung einer übermäßig bindenden Vertragsabrede zwar zwingend fest, überlassen die Feststellung des Übermaßes aber ausdrücklich dem Ermessen des Gerichts (vgl. etwa Art.  163 Abs.  3 OR).262 Damit ist festzustellen, dass das Gericht, wenn die Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite offen ist, auch im Falle des Verstoßes gegen zwingendes Privatrecht unter Umständen eine geltungs­ erhaltende Reduktion vorzunehmen hat. Im Gefüge des Art.  20 Abs.  2 OR stellt die aus dem zwingenden Gesetzesrecht gewonnene Ersatzregel insofern einen Sonderfall dar, als diese gemäß herrschender Meinung die einzige Form einer modifizierten Teilnichtigkeit darstellt, nach welcher der hypothetische Parteiwille nicht zu befragen ist.263 Im Ergebnis gleich, aber in der Begründung abweichend, vertritt ein anderer Teil der Lehre dagegen, dass die Substitution einer mangelhaften Abrede durch zwingendes Gesetzesrecht keine modifizierte Teilnichtigkeit darstelle, weil erst gar keine Vertragslücke vorliege. Nach dieser Ansicht wäre es unzweckmäßig, den Begriff der Vertragslücke so weit auszudehnen, dass er auch die von der Rechtsordnung zwingend geregelten Punkte umfasste, für deren Geltung eine etwaige – auch rein hypothetische – Stellungnahme der Parteien von vornherein unbeachtlich wäre.264 260  S. zur Kasuistik bezüglich der Verletzung gesetzlich fixierter Zulässigkeitsschranken unten S.  189 ff. Hierzu interessant Abegg, der vertritt, dass „[b]ei unvollständigen zwingenden Inhaltsnormen, die im Wortlaut keine Vertragsinhaltsregelung als Rechtsfolge vorsehen, […] die Rechtsfolge aus der jeweiligen zwingenden Norm gewonnen werden [muss]. Eine Modifikation nach hypothetischem Parteiwillen oder nach dem Marktüblichen ist abzulehnen. Während aus der entsprechenden Auslegung zwingender Inhaltsnormen, bei denen die Kompatibilisierungsfunktion nicht in den Vordergrund tritt, in der Regel eine Reduktion auf das gerade noch zulässige Mass erfolgt, steht bei zwingenden Inhaltsnormen mit starker Kompatibilisierungsfunktion dagegen oft ein pönales und generalpräventives Element im Vordergrund, so dass die unzulässige Eigennorm ganz entfallen oder zumindest unter das gerade noch Zulässige reduziert werden muss (vgl. nur Art.  15 und 32 KKG).“, ders., in: AJP 9/2005, 1113, 1125. 261  S. zur Phänomenologie der Reduktionsnormen im OR oben S.  35 f. und zur Kasuistik bezüglich der Verletzung gesetzlich nicht fixierter Zulässigkeitsschranken unten S.  109 ff. 262 S. Hürlimann, N.  292. 263 S. Abegg, in: AJP 9/2005, 1113, 1125; Hürlimann, N.  247 f., 288 und 291; Gauch, in: recht 3/1983, 95, 98. 264 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  547.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

(2)  Dispositives Recht Dispositives Gesetzesrecht kommt dann als Ersatzregel in Betracht, wenn eine übermäßig bindende Abrede nichtig ist, weil sie einen „Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst“ (Art.  19 Abs.  2 OR). Im Falle einer rechtswidrigen Abrede kann dispositives Recht, soweit die zwingende Vorschrift selbst eine Rechtsfolgenanordnung enthält, indes nie zur Ersatzregelbildung dienen. In diesen Fällen wird die mangelhafte Abrede, wie gesehen, durch das zwingende Recht substituiert. Ein Verstoß gegen dispositives Recht ist selbstredend nicht möglich, weshalb sich die Frage einer geltungserhaltenden Reduktion aufgrund eines mit Blick auf die Dispositivordnung festgestellten absoluten Übermaßes nicht stellt. Anders sieht es freilich bei der Rechtsfolge eines aufgrund von Leistungsinäquivalenzen festgestellten relativen Übermaßes aus. Dieses kann sich auch in der Abweichung von Dispositivnormen manifestieren.265 Damit das dispositive Gesetzesrecht als Ersatzregel berufen werden kann, darf von den Parteien zum einen keine abweichende Nichtigkeitsvereinbarung getroffen worden sein, denn eine solche geht dem dispositiven Gesetzesrecht vor.266 Zum anderen muss nach herrschender Lehre eine auf den mangelhaften Vertrag „anwendbare“ Dispositivnorm vorliegen.267 Unter diesem Gesichtspunkt hat das Gericht zu prüfen, ob die dispositive Bestimmung, zum Beispiel eine Kündigungsregel, mit dem gültig vereinbarten Vertragsrest harmoniert, indem sie diesen sinnvoll ergänzt.268 Trifft dies zu, wird der teilnichtige Vertrag um die Regel des dispositiven Rechts ergänzt.269 Das dispositive Recht enthält hierfür einerseits Sachnormen, die unmittelbar bestimmen, was als Ersatzregel gilt, und andererseits Verweisungsnormen, die auf den Ortsgebrauch oder eine Entscheidung nach richterlichem Ermessen verweisen.270 Allein das Vorliegen einer Dispositivnorm reicht zur Ersatzregelbildung also nicht aus.

265  So ausdrücklich aArt.  8 UWG: „Unlauter handelt insbesondere, wer vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei: a. von der unmittelbar oder sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abweichen […].“ 266  Hürlimann, N.  278; zur Nichtigkeitsabrede im Einzelnen ders., N.  170–183. 267  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 98; Hürlimann, N.  279. 268  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 98. 269  Hürlimann, N.  276 m. w. H. 270  Zum Ganzen im Einzelnen Hürlimann, N.  283–285.

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(3)  Richterliche Ersatzregel Als mögliche Ersatzregel kommt neben zwingendem und dispositivem Gesetzesrecht auch eine Ersatzregel in Betracht, welche dem hypothetischen Parteiwillen 271 nachempfunden ist.272 Gemäß der herrschenden Lehre lässt sich aus diesem nämlich nicht nur die Entscheidung ableiten, ob ein teilweise mangelhafter Vertrag teil- oder ganznichtig sein soll. Ebenso kann dem hypothetischen Parteiwillen auf inhaltlicher Ebene eine Ersatzregel entnommen werden, welche die Parteien, wäre ihnen die Nichtigkeit ihrer Abrede bewusst gewesen, an dieser Stelle vereinbart hätten.273 Es ist strittig, ob das Gericht hier in einem Zweischritt vorzugehen hat, in dessen Rahmen es prüft, ob die Parteien den Vertrag hypothetisch aufrechterhalten wollen und wenn ja, mit welcher Regel. Das Bundesgericht prüfte diese Vorgehensweise in BGE 96 II 129.274 Insbesondere von Hürlimann wird dies kritisiert, weil damit „eine einheitliche Frage künstlich in zwei verschiedene Teile zerglieder[t]“ werde.275 Seiner Ansicht nach hat das Gericht „unmittelbar und in einem einzigen Vorgang aus dem hypothetischen Parteiwillen auf den Fortbestand des Vertrages mit der Ersatzregel“ zu schließen.276 Als Anwendungsfall der richterlichen Ersatzregelbildung wird gemeinhin die Reduktion auf das zulässige Maß, also eine Ausprägung der geltungserhaltenden Reduktion, angeführt.277 Angeknüpft wird sie einerseits an Vertragsabreden, die zumindest eine der Parteien in sittenwidriger Weise binden oder ein gesetzlich erlaubtes Höchstmaß überschreiten.278 Lange Zeit bestand eine Kontroverse darüber, ob eine Vertragsabrede solchen Inhalts gänzlich nichtig sei oder ob der Vertrag mit einem reduzierten Leistungsumfang gelten könne. Im Zuge der Anerkennung einer modifizierten Teilnichtigkeit wird Letzteres seit den 1980er-Jahren bejaht.279 Dogmatisch wird die modifizierte Teilnichtigkeit damit begründet, dass eine aufgrund ihres Übermaßes mangelhafte Abrede zwar in ihrer Ganzheit nichtig sei, also überhaupt keine, auch keine reduzierte Wirkung entfalte. Die Bezugnahme auf den hypothetischen Parteiwillen könne allerdings zur Einsicht führen, dass die Parteien, wäre ihnen die Nichtigkeit der übermäßigen Abrede bewusst gewesen, den Vertrag mit einer auf das zulässige 271 

S. hierzu unten S.  83 ff. Grebieniow, N.  368 f. m. w. H. 273 Vgl. Hürlimann, N.  256. 274  Vgl. insbesondere BGE 96 II 129 E. 3b S.  132 f.; so auch Huguenin, OR AT/BT, N.  437. 275  Hürlimann, N.  256 m. w. H. 276  Hürlimann, N.  256. 277 S. Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  706; Hürlimann, N.  261. 278  Hürlimann, N.  261 mit Verweis auf N.  106 und 141 ff. 279  BGE 107 II 216; Gauch, in: recht 3/1983, 95, 97 f.; im Einzelnen Hürlimann, N.  261– 275. 272 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Maß reduzierten Vereinbarung geschlossen hätten. Alsdann habe der Vertrag mit dieser Ersatzregel fortzugelten.280 Obwohl diese Vorgehensweise starke Assonanzen zur richterlichen Vertragsergänzung zeigt – der Ersatz einer nichtigen Vertragsabrede mittels einer richterlichen, am hypothetischen Parteiwillen orientierten Regel –, ist ihr Verhältnis zur richterlichen Vertragsergänzung im Falle einer ursprünglichen Vertragslücke strittig.281 Die Reduktion einer übermäßig bindenden Vertragsbestimmung auf das zulässige Maß gilt indes nicht als das einzige Ergebnis, das aus der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens folgen kann.282 Alternativ bieten sich die Ganznichtigkeit des Vertrags, eine schlichte Teilnichtigkeit, eine Ersatzregel anderer Art (zum Beispiel eine feste Vertragsdauer anstatt einer unbeschränkten Laufzeit) oder eine Ersatzregel mit einem angemessenen Inhalt an (zum Beispiel eine Abrede bis zu einem noch zulässigen Zins von 18 %).283 Unerwähnt bleibt in diesem Zusammenhang die sog. erweiterte Teilnichtigkeit, wonach die übermäßige Verpflichtung unter Umständen durch Anhebung ihres Äquivalents relativiert werden kann.284 (4)  Verhältnis der einzelnen Ersatzregeln untereinander Als Ersatzregel, die an die Stelle eines mangelhaften Vertragsteils treten kann, bietet sich entweder eine gesetzliche Regel des zwingenden oder dispositiven Gesetzesrechts an oder eine, die das Gericht aus dem hypothetischen Parteiwillen schöpft. Soweit eine Ersatzregel des zwingenden Rechts greift, scheiden sowohl dispositives Gesetzesrecht, soweit solches überhaupt alternativ zur Verfügung steht, als auch eine hypothetisch gewollte Ersatzregel aus.285 Problematischer gestaltet sich das Verhältnis zwischen den Dispositivnormen und einer aus dem hypothetischen Parteiwillen abgeleiteten Ersatzregel, wenn eine vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende Abrede nichtig ist.286 Da die modifizierte Teilnichtigkeit bei der Ersatzregelbildung in dieser Konstellation analog zur richterlichen Vertragsergänzung läuft, tun sich hier dieselben Problematiken auf. Diesbezüglich wird kontrovers diskutiert, welchen Stellenwert dem hypothetischen Parteiwillen im Verhältnis zu einer Dispositivnorm zukommt. Vertreten werden vor allem zwei Positionen: Ein Teil der Lehre will dem hypoZum Ganzen Hürlimann, N.  262. S. unten S.  78. 282  Hürlimann, N.  264. 283  Hürlimann, N.  265. 284  Vgl. zur erweiterten Teilnichtigkeit Hürlimann, N.  299–307, insbesondere N.  305. 285 Vgl. Hürlimann, N.  296. 286  Hürlimann, N.  297. 280  281 

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thetischen Parteiwillen den Vorzug geben, wohingegen ein anderer Teil Dispositivnormen für vorrangig anwendbar hält. Zuweilen wird versucht, diese Kontroverse dahingehend aufzulösen, dass eine Norm des dispositiven Gesetzesrechts nur dann als vertragliche Ersatzregel herangezogen wird, wenn sie zum Restvertrag passt.287 bb)  Verhältnis zu den Kriterien der schlichten Teilnichtigkeit (1)  Die Maßgeblichkeit des hypothetischen Parteiwillens Die Weitergeltung eines in Teilen mangelhaften Vertrags bedingt nach Art.  20 Abs.  2 OR, dass dieses Ergebnis dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ist strittig, wie der hypothetische Parteiwillen zu bestimmen ist. Darüber hinaus wird diskutiert, ob dieser Vorbehalt auch gilt, wenn zwingendes oder dispositives Gesetzesrecht als Ersatzregel zur Verfügung steht. Nach der wohl herrschenden Lehre entfällt die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen, soweit eine vertragliche Vereinbarung gegen zwingendes Recht verstößt. Denn keine der Parteien könne in diesem Fall einwenden, dass der Vertrag „ohne den nichtigen Teil“, also mit der gesetzlichen Ersatzregel, „überhaupt nicht geschlossen worden wäre“ und deshalb ganznichtig sei.288 Diese Position wird von mehreren Seiten her begründet. Ohne das Verhältnis von Art.  19 und 20 OR zu klären, wird erstens vertreten, dass Art.  19 Abs.  2 OR, der die angesprochenen Fälle unmittelbar betreffe, von einer Befragung des hypothetischen Parteiwillens absehe. Zweitens sei das zwingende Privatrecht vorwiegend „um der Gerechtigkeit willen“ erlassen worden und stelle damit von Gesetzes wegen „die richtige Regelung“ dar.289 Bestünde aufgrund der Befragung des hypothetischen Parteiwillens trotzdem die Möglichkeit der Ganznichtigkeit, würde die eigentlich „zwingend“ geschützte Vertragspartei ihre Rechte aus dem Vertrag verlieren und sich ihr Schutz damit ins Gegenteil verkehren.290 Zudem hätte sie keinen Anreiz, das für sie zwingend Vorgesehene einzufordern, da sie riskieren würde, des ganzen Vertrags verlustig zu gehen.291 Schließlich, wird drittens vertreten, entspreche diese Auffassung der Rechts­ lage, wie sie auch dann bestehe, wenn die Parteien zu einer vom Gesetz geregelHürlimann, N.  297 f.; s. zu dieser Kontroverse im Gefüge der richterlichen Vertrags­ ergänzung unten S.  86 ff. 288  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 99; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  712a; Hürlimann, N.  84, 86; so bereits Meyer, 105 ff.; a. A. Bucher, OR AT, 214; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  355. 289  Hürlimann, N.  287. 290  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  712a; Hürlimann, N.  288. 291  Hürlimann, N.  288. 287 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

ten Frage überhaupt keine, auch keine nichtige Abrede getroffen hätten.292 Das Bundesgericht folgt dieser Ansicht.293 Die Gegnerseite kritisiert hieran insbesondere die zur richterlichen Vertragsergänzung gezogene Analogie. Gemäß Kramer macht es einen erheblichen Unterschied, ob sich die Vertragsparteien über einen Vertragspunkt „konkret Gedanken gemacht und eine einverständliche Regelung getroffen haben, die sich dann als nichtig erweist, oder ob sie die Frage von vornherein ungeregelt gelassen und sich damit dem Risiko der Gesetzeslage ‚ausgeliefert‘ haben“.294 Entscheidend ist für Kramer aber vor allem, dass die Nichtbeachtung des hypothetischen Parteiwillens den Schutz der Privatautonomie „ohne einleuchtenden Grund partiell unbeachtet lässt“.295 Auch er räumt allerdings ein, dass im Falle zwingender Spezialvorschriften, die aus spezifischen Schutz- und Präventionsüberlegungen ausdrücklich die Teilnichtigkeit verlangten, der hypothetische Parteiwille unbeachtlich sei.296 Während Gauch und Hürlimann davon ausgehen, der hypothetische Parteiwille sei auch im Falle einer dispositiven Ersatzregel nicht zu befragen – sie verweisen hier wiederum auf die Rechtslage im Falle einer richterlichen Vertragsergänzung aufgrund einer fehlenden Vereinbarung –,297 hält Kramer den hypothetischen Parteiwillen mit obiger Begründung auch in diesen Fällen für entscheidungsrelevant. Das Bundesgericht folgt Letzterem nur in diesem Punkt und nimmt insofern eine Mittelstellung zwischen diesen diametralen Ansichten ein.298 Das Vorgehen des Bundesgerichts verdient Zustimmung, prüfen doch auch Gauch und Hürlimann im Falle einer als Ersatzregel in Frage kommenden Dispositivnorm, ob diese in concreto überhaupt anwendbar ist. Diese Entscheidung bedarf einer Wertung durch das Gericht, die meines Erachtens vom Werturteil, welches das Gericht bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens fällt, nicht abweichen sollte. (2)  Teilbarkeit des Vertrags Die Frage nach der Teilbarkeit des Vertrags auf Tatbestandsseite der Inhalts­ kontrolle, welche im Rahmen der schlichten Teilnichtigkeit kontrovers disku292  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 99; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  712a. Dieses Verständnis der richterlichen Vertragsergänzung ist allerdings umstritten; s. hierzu unten S.  88 f. 293  Beispielsweise BGE 115 II 474 E. 2d S.  479. 294 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  355. 295 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  355. 296 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  356 m. w. H. 297  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 99; Hürlimann, N.  280–282; s. auch Gauch/Schluep/ Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  712a. 298  Vgl. BGE 96 II 129 E. 3b S.  132 erster Satz.

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tiert wird, erübrigt sich bei der modifizierten Teilnichtigkeit. Die mangelhafte Abrede, die durch eine Ersatzregel substituiert wird, gilt nämlich als ungeteilt nichtig. Insofern operiert die modifizierte Teilnichtigkeit auf prozeduraler Ebene mit oder zumindest in Analogie zur richterlichen Vertragsergänzung.299 (3)  Selbständigkeit des Rests Als Folge davon, dass die Teilbarkeit des Vertrags bei der modifizierten Teilnichtigkeit, anders als bei der schlichten, unproblematisch ist, kann der Vertrag aufgrund der Ersatzregelbildung auch dann aufrechterhalten werden, wenn wesentliche Vertragspunkte von der Mangelhaftigkeit betroffen sind und der Rest des Vertrags ohne die Ersatzregel eigentlich keinen selbständigen Bestand hätte.300 Die Selbständigkeit des Vertragsrests hat somit im Falle der modifizierten Teilnichtigkeit keine Relevanz. cc)  Zwischenergebnis Die modifizierte Teilnichtigkeit ermöglicht eine Vertragsergänzung im Falle eines mangelhaften Vertragsteils mittels des zwingenden oder dispositiven Gesetzesrechts sowie alternativ anhand einer aus dem hypothetischen Parteiwillen geschöpften richterlichen Ersatzregel. Methodisch entspricht der Substitutionsvorgang der Vertragsergänzung. Der mangelbehaftete Vertragsteil entfällt und an seine Stelle tritt eine Ersatzregel. Nach Ansicht der herrschenden Lehre darf hierbei auch ein Vertrag aufrechterhalten werden, der in einem wesentlichen Punkt mangelhaft ist. Begründet wird dies mit dem Art.  20 Abs.  2 OR innewohnenden Zweckgedanken des favor negotii. Während das zwingende Gesetzesrecht den mangelhaften Teil vorrangig substituiert, ist das Verhältnis der Dispositivnormen zum hypothetischen Parteiwillen strittig. Eine vermittelnde Ansicht will dem dispositiven Gesetzesrecht nur insoweit den Vorzug gewähren, als dieses zum Vertragsrest passt. Die geltungserhaltende Reduktion ist ein Unterfall der modifizierten Teilnichtigkeit. Das Gericht betreibt sie einerseits, wo es vom Gesetz dazu verpflichtet wird, wie etwa im Falle von Reduktionsnormen, aber ebenso, wo das Gesetzesrecht keine anwendbare Sachnorm bereithält. Die modifizierte Teilnichtigkeit ist in ihrem Anwendungsbereich insofern weiter, als sie nicht nur die BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  362. Er führt aus, dass auch Herzogs vielbeachtete Theorie von der sog. quantitativen Teilnichtigkeit (s. oben Kap. B Fn. 30) von einer abzu­ lehnenden Prämisse ausgehe; aus schweizerischer Sicht übereinstimmend Gauch/Schluep/ Schmid/­Emmenegger, OR AT, N.  706; Hürlimann, N.  263; Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 150 f.; Schweingruber, 193 f.; kritisch etwa Tandogan, 131–139; Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 455 f. 300 S. Hürlimann, N.  257 f. m. w. H. 299  Vgl.

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richterliche Ersatzregelung, sondern auch die unmittelbare Substitution eines unzulässigen Vertragsinhalts durch zwingende oder dispositive Sachnormen umfasst.301 d)  Zwischenergebnis Es zeigt sich, dass sowohl die schlichte als auch die modifizierte Teilnichtigkeit dogmatisch nicht vollständig ausgeleuchtet sind. Bei der schlichten Teilnichtigkeit ist die Bestimmung des mangelhaften Vertragsteils sowie die Frage nach der Selbständigkeit des Vertragsrests strittig. Im Falle der modifizierten Teilnichtigkeit bleibt der Stellenwert des hypothetischen Parteiwillens im Rahmen der Ersatzregelbildung ungewiss. Zudem war die gesetzliche Verortung der richterlichen Ersatzregelbildung bislang nicht Gegenstand vertiefter Untersuchungen. Ferner ist das Verhältnis der schlichten und der modifizierten Teilnichtigkeit als Institute auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle von dogmatischen Unstimmigkeiten geprägt. Die schlichte Teilnichtigkeit will die Nichtigkeitsfolge auf Tatbestandsseite anhand des Kontrollgegenstands bestimmen, wohingegen die modifizierte Teilnichtigkeit auf prozeduraler Ebene mit den Instrumenten der richterlichen Vertragsergänzung operiert, indem die nichtige Klausel entfällt und durch eine neuartige ersetzt wird. Das führt dazu, dass – anders als bei der schlichten Teilnichtigkeit – auch mangelhafte Hauptpunkte veränderbar sind. Damit relativiert die modifizierte Teilnichtigkeit die in Art.  20 Abs.  2 OR angelegte Voraussetzung der Teilbarkeit des Vertrags erheblich. Dass diese dogmatischen Unstimmigkeiten bis heute nicht aufgearbeitet wurden, liegt maßgeblich daran, dass die modifizierte Teilnichtigkeit in der Schweiz sehr liberal gehandhabt wird. Die geltungserhaltende Reduktion findet sich je nach Verständnis indes in beiden Varianten der Teilnichtigkeit. Eine geltungserhaltende Reduktion manifestiert sich offensichtlich in der richterlichen Ersatzregelbildung im Falle übermäßiger Abreden, aber ebenso im Falle der Klauselteilung im Rahmen der schlichten Teilnichtigkeit – in beiden Fällen ändert auch das Etikett nichts an der eigentlichen Vorgehensweise im Falle der Übermaßkorrektur. Während das Verhältnis dieser Institute zueinander bis anhin aufgrund der extensiven Anwendung der modifizierten Teilnichtigkeit nicht zwingend einer Klärung bedurfte, da diese Vorgehensweise relativ zwanglos mit dem Sinn und Zweck des Art.  20 Abs.  2 OR sowie insbesondere unter Rückgriff auf den hypothetischen Parteiwillen begründet werden konnte, stellt sich die Frage im Rahmen der Rechtsfolgendebatte zu übermäßigen AGB neu. Will man über ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im Falle von AGB sprechen, sind zunächst die 301 

Im Einzelnen Gauch, in: recht 3/1983, 95, 97 f.

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Grundlagen der schlichten und der modifizierten Teilnichtigkeit je in ihrem Verhältnis zueinander und zur geltungserhaltenden Reduktion zu klären. Hier kann ein Blick nach Deutschland helfen. Dort wurde das Verhältnis von geltungserhaltender Reduktion und Teilunwirksamkeit unter dem Stichwort des blue pencil test bereits intensiv diskutiert.302 Nur die Aufdeckung der Mehrdeutigkeit des momentanen Teilnichtigkeitsbegriffs erlaubt eine Abgrenzung zur geltungserhaltenden Reduktion und damit eine Beantwortung der Frage, welche Form der richterlichen Ersatzregelbildung zulässig sein darf. Ferner wird sich an die Klärung der Rechtsbegriffe eine Diskussion darüber anschließen müssen, in welchem Maß Wirtschaftssubjekte in Verträge hineingedrängt werden dürfen. Bei Individualverträgen ist dies aufgrund des hypothetischen Parteiwillens zumindest dogmatisch eher unproblematisch, doch ist bei AGB bereits das Bestehen eines Konsenses zwischen den Parteien strittig, was dem hypothetischen Parteiwillen als Korrektiv die Legitimität entzieht.

2.  Richterliche Vertragsergänzung a) Ausgangspunkt Richterliche Vertragsergänzung und geltungserhaltende Reduktion werden einander in der Rechtsfolgendebatte zu Art.  8 UWG neuerdings, wie gesehen, apodiktisch gegenübergestellt.303 Während die geltungserhaltende Reduktion zunehmend als unzulässig betrachtet wird, stellt die richterliche Vertragsergänzung auf der Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle eine Alternative zum dispositiven Gesetzesrecht dar.304 Daran wird eine Begriffsverschiebung auf semantischer Ebene deutlich. Während die geltungserhaltende Reduktion in der schweizerischen Literatur bislang als Unterfall der modifizierten Teilnichtigkeit behandelt wurde, welche gemäß der herrschenden Lehre auf prozeduraler Ebene unter anderem mit der richterlichen Vertragsergänzung operiert, gelten die beiden Instrumente in ihrer Funktionsweise nach heutigem Verständnis in der AGB-Debatte als identisch. Damit wird implizit verneint, dass die richterliche Vertragsergänzung einen Aspekt der geltungserhaltenden Reduktion darstellen kann. Diese Begriffsverschiebung ist passiert, ohne dass allerdings je offengelegt worden wäre, welches (neue) Verständnis der geltungserhaltenden Reduk­ 302 

S. die Einzelnachweise oben in Kap. B Fn. 220–222. Im Einzelnen oben S.  41 ff.; für den deutschen Diskurs s. etwa Pfeiffer, in: DZWirR 4/1998, 154, 157; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 363; Beimowski, 120–126; Boemke-Albrecht, 65. 304  Vgl. etwa Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269 m. w. H.; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Jenny, 66; Schwenzer, OR AT, N.  46.09; so bereits Canaris, in: FS Steindorff, 519, 549. 303 

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tion zugrunde zu legen ist. Damit einher geht eine Systeminkohärenz auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle. Wie erwähnt, lässt Art.  8 UWG die vertragsrechtlichen Folgen missbräuchlicher AGB offen. Gemäß herrschender Lehre sind diese über das Scharnier der Widerrechtlichkeit in Art.  2 UWG anhand der Art.  19 f. OR zu bestimmen. Dass die geltungserhaltende Reduktion – wie gezeigt – als Unterfall der modifizierten Teilnichtigkeit in Art.  20 Abs.  2 OR verortet wird, wirft die Frage auf, inwiefern sie im Falle typisierter Verträge im Rahmen des OR einen anderen, von der parallelen Problemlage bei individuell ausgehandelten Verträgen abweichenden Bedeutungsgehalt aufweisen kann. Die Neuausrichtung der Rechtsfolgendebatte im Falle übermäßiger AGB, welche die richterliche Vertragsergänzung als zulässige Alternative zur geltungserhaltenden Reduktion betrachtet, geht – wie so oft in der AGB-Debatte – auf das durch die deutsche Rechtslage gespeiste Vorverständnis der schweizerischen Autoren zurück, vorliegend konkret auf das Rechtsfolgensystem des §  306 BGB305. Diese Bestimmung sieht im Falle der Unwirksamkeit einer AGB gemäß Abs.  1 vor, dass der restliche Vertrag weiterbesteht. Nach Abs.  2 wird der Ersatz der unwirksamen Bestimmung durch eine gesetzliche Vorschrift angeordnet. §  306 BGB beruft damit dispositives Gesetzesrecht als Ersatzregelordnung. Vergegenwärtigt man sich die Funktion des dispositiven Gesetzesrechts, für einen typischen Interessenkonflikt einen „wohlerwogenen, gerechten Ausgleich bereitzustellen“, wird deutlich, dass die Rechtsfolgenseite der AGB-Inhaltskontrolle nach deutschem Recht eine sachgerechte Auflösung typischer Interessenkonflikte beabsichtigt.306 Dieses System steht und fällt jedoch mit der Existenz geeigneten dispositiven Rechts.307 Wenn solches fehlt, weil das Gesetz in der zu ergänzenden Frage entweder lückenhaft ist oder die anerbotene Ersatzregel inhaltlich nicht zum Vertragsrest passt, besteht dem Grundsatz nach ein Bedürfnis nach richterlicher Vertragsergänzung.308 Eine solche ist nämlich ebenfalls auf die „zweckgerechte Vertragsdurchführung“ gerichtet.309 Die Praxis in Deutschland belegt denn auch, dass dieses Instrument im Falle unwirksa§  306 BGB, Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit: „(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften. […].“ 306  Uffmann, 177 m. w. H. 307  Neumann, 22; Uffmann, 177 m. w. H. in Fn.  112. 308  Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  27–33, allerdings mit Einschränkungen in N.  30–32; Uffmann, 177 m. w. H. in Fn.  113. 309  Uffmann, 177. 305 

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mer AGB extensiv eingesetzt wird.310 Dies ist umso erstaunlicher, als die richterliche Vertragsergänzung in Deutschland bereits für Individualverträge als höchst umstritten gilt, weil sie sich nicht einer klar bestimmbaren methodologischen Kategorie in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zuordnen lässt.311 Insbesondere ist die Rechtsnatur der richterlichen Vertragsergänzung im Verhältnis zum dispositiven Gesetzesrecht nicht geklärt.312 Dennoch steht im Schrifttum mittlerweile außer Frage, dass die richterliche Vertragsergänzung auch auf typisierte Verträge anwendbar ist.313 Von der Frage der Legitimation der richterlichen Ersatzregelbildung abgesehen, überzeugt dieses Ergebnis aus systematischen Erwägungen: §  306 Abs.  2 BGB ist nicht abschließend formuliert.314 Insofern ist das dispositive Gesetzesrecht nicht als exklusive Ersatzordnung im Falle der Lückenhaftigkeit der AGB berufen, sondern lässt eine Kaskade von Rechtsfolgemöglichkeiten zu, zu welcher auch die Vertragsergänzung durch das Gericht zählt. Zudem ist die richterliche Vertragsergänzung mit dem Zweck der Inhaltskontrolle, den Kunden vor unangemessener Benachteiligung zu schützen, vereinbar.315 Auch greifen die regelmäßig gegen die geltungserhaltende Reduktion vorgebrachten Sachwalter-, Transparenz- und Präventionsargumente hier nach überwiegender Meinung nicht.316 In der Schweiz wird die richterliche Vertragsergänzung rechtspolitisch nicht problematisiert, sondern von Lehre und Praxis „als selbstverständlich anerkannt“.317 Im Gesetz wird sie in Art.  18 OR verortet.318 Soweit die Legitimität dieser Vorgehensweise überhaupt in Frage steht, fallen die dogmatischen Begründungswege auseinander.319 Sie reichen von der in Art.  1 ZGB vorausgesetzten Pflicht zur Streitentscheidung,320 über das Handeln nach dem Gebot von Wiedemann, in: FS Canaris, 1281, 1283–1285. Uffmann, 177 f. sowie 179 m. w. H. in Fn.  124. 312  Uffmann, 179. 313  Anstatt aller Schmidt, 180. 314  Vgl. auch Boemke-Albrecht, 38. 315  Uffmann, 178. 316  Uffmann, 178 f. m. w. H. in Fn.  120–123. 317  Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 222; Koller A., OR AT, §  10 N.  1; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  212. 318  Grundlegend ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  539–640. In Art.  18 OR wird die richterliche Vertragsergänzung weder genannt noch konkretisiert. Dass sie in der Literatur dennoch an dieser Stelle verortet und abgehandelt wird, hat zwar regelmäßig „Exkurs­ charakter“, rechtfertigt sich jedoch dadurch, dass sich die Gerichte sowohl im Rahmen der Vertragsauslegung als auch der Vertragsergänzung mit der Sinnermittlung des Vertrags auseinanderzusetzen haben, s. BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  207. 319 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  602 m. w. H. in Fn.  121. 320 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  602. 310 So 311 

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Treu und Glauben gemäß Art.  2 Abs. 1 ZGB321 bis zur (analogen322) Rechtsfortbildung modo legislatoris im Sinne von Art.  1 Abs.  2 ZGB323. b)  Voraussetzungen Mit der richterlichen Vertragsergänzung wird dem Gericht ein Instrument zur Herstellung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Parteien im Falle einer Vertragslücke an die Hand gegeben.324 Damit das Gericht zur Gestaltung des Vertragsinhalts durch eine eigene Regel befugt ist, muss die Lücke im Vertrag ergänzungsbedürftig sein.325 aa)  Lücke im Vertrag Eine Vertragslücke liegt vor, wenn sich die Parteien in einem oder in verschiedenen Punkten nicht geeinigt haben, obwohl das Gesetz ihnen die Regelung der betreffenden Frage überlässt.326 Der Feststellung einer Vertragslücke geht die Vertragsauslegung voraus.327 Die Vertragslücke kann bewusst oder unbewusst entstanden sein. Abgesehen vom Sonderfall des Art.  2 Abs.  2 OR, wonach das Gericht bei Vertragsschluss vorbehaltene Nebenpunkte zu ergänzen hat, erweist sich grundsätzlich nur die unbewusste Vertragslücke als ergänzungsbedürftig.328 Eine unbewusste Vertragslücke entsteht aufgrund eines unvollständigen Willens oder einer unvollständigen Erklärung. Als weitere ergänzungsbedürftige Vertragslückenart wird die Regelungslücke betrachtet, welche aus einer un-

Art.  2 ZGB N.  134 f.; Schluep, in: SPR VII/2, 761, 783 f. Deschenaux, in: SPR II, 1, 172. 323  Hadžimanović, 211 f. m. w. H. Das Vorgehen modo legislatoris bedeutet einen weit höheren Begründungsaufwand als die richterliche Vertragsergänzung unter Rückgriff auf die Privatautonomie im Sinne einer erweiterten Vertragsauslegung. Nach Art.  1 Abs.  2 ZGB müsste das Gericht nicht nur die Vertragslücke offenlegen, sondern auch die Wertungen der Rechtsordnung für den jeweiligen Interessenwiderstreit so konkretisieren, dass erkennbar wird, warum der Interessenkonflikt im Sinne der getroffenen Entscheidung geschlossen wurde. Der Weg, sich schlicht auf den „richtigen“ Parteiwillen zurückzuziehen und sich damit die Mühe einer eigenständigen Bewertung der Interessenlage der Parteien weitgehend zu ersparen, wäre versperrt; vgl. hierzu BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  229; Henckel, in: AcP 159 (1960), 106, 123. Zum Ganzen auch Uffmann, 196–200. 324  Uffmann, 180; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  559. 325  Vgl. ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  598–600. 326 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  542. 327 BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  213. 328  Bucher, OR AT, 186; zu weiteren Entstehungsmöglichkeiten von Vertragslücken BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  214; zum qualifizierten Schweigen von Verträgen ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  546. 321 BK-Merz, 322 

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wirksamen Vertragsbestimmung folgt.329 Wie bereits im Zusammenhang der modifizierten Teilnichtigkeit angedeutet,330 liegt im Falle, dass eine Vertragsabrede gegen zwingendes Gesetzesrecht verstößt, nach einhelliger Auffassung keine Regelungslücke vor, da die zwingende Bestimmung die unwirksame vertragliche substituiert.331 Das trifft selbst für Verbotsnormen zu, die in ihrer Rechtsfolge nicht eindeutig sind. Zwar bedarf der Vertrag auch in diesem Fall ausnahmsweise einer Ersatzregel, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz schöpfen lässt, doch findet sich ihre Geltungsgrundlage in der richterlichen Rechtsfortbildung und wird nicht am hypothetischen Parteiwillen gemessen.332 Einzige ergänzungsbedürfte Ausnahme im Falle des Verstoßes gegen zwingendes Recht bilden die Reduktionsnormen. Damit ist festzustellen, dass Regelungslücken grundsätzlich nicht aufgrund eines Verstoßes gegen zwingendes Gesetzesrecht entstehen, sondern wegen Vertragsabreden, die sich aufgrund ihrer Persönlichkeitsrechts- oder Sittenwidrigkeit als übermäßig bindend herausstellen. Ein Teil der Lehre will ferner nicht von einer Regelungslücke ausgehen, wenn dispositives Recht zu einer bestimmten Frage existiert. Diese Position ist abzulehnen, da die Ersatzregelbildung mittels Dispositivnormen zunehmend an ­weitere Bedingungen geknüpft wird und damit die Grenze zur klassischen ­richterlichen Vertragsergänzung gemäß dem hypothetischen Parteiwillen verFür Deutschland Schmidt, 180; Uffmann, 181 m. w. H. in Fn.  133; für die Schweiz z. B. BGE 115 II 484 E. 4a S.  487 f.; 96 II 129 E. 3b S.  132 f.; BGer 4C.343/2005 vom 6. Januar 2006 E. 2.2; Buser-Gora, 158; Huguenin, OR AT/BT, N.  437 f., die von einem „speziellen Fall der Lückenhaftigkeit“ spricht; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  211 und 214; Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 136; Schwenzer, OR AT, N.  34.01; BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  61; kritisch ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  548. Sie führen aus: „Die teilweise Unwirksamkeit des Vertrags (Art.  20 Abs.  2 OR) gehört nicht zum Problemkreis der hier behandelten Lückenfüllung, obwohl man bei einer weiteren Fassung des Begriffs auch in diesem Fall von einer Vertragslücke sprechen könnte. […]. Allerdings stellen sich im Rahmen der teilweisen Unwirksamkeit von Verträgen Sonderprobleme (wie etwa die Frage der Reduktion auf das erlaubte Mass), die es rechtfertigen, diese Fälle vom hier behandelten Problemkreis auszuklammern.“ Vgl. auch Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 221; Koller A., OR AT, §  8 N.  6; Piotet, in: ZSR 1/1961, 367, 370; Yung, in: ZBJV 2/1961, 41, 41 Fn.  1. Unverständlich erscheint, dass Bohnet mit Blick auf AGB eine Unterscheidung zum Rechtsfolgenregime von ungewöhnlichen und nichtigen Klauseln trifft: „La clause nulle est remplacée par le droit dispositif. A noter que ce régime se distingue de celui de la clause insolite: celle-ci n’est pas incorporée au contrat; elle est inexistante.“ Im Falle einer ungewöhnlichen Klausel, die erst gar nicht in den Vertragstext übernommen wurde, geht er scheinbar nicht von der Lückenhaftigkeit des Vertragstexts in diesem Punkt aus, ders., in: Bohnet, 63, N.  69 mit Verweis auf BGE 119 II 443 1c S.  447 f. 330  Vgl. oben S.  66. 331 BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  216. 332  S. die Beispiele oben S.  66 f. 329 

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schwimmt. Zum Zwecke dieser Untersuchung wird deshalb jede Ersatz­regel­ bildung außerhalb des zwingenden Rechts als richterliche Vertragsergänzung verstanden. Tatbestandlich unterscheiden sich die Regelungslücke und die herkömmliche Vertragslücke mithin dadurch, dass bei Ersterer mit Blick auf ein bestimmtes Regelungsanliegen zwar ein Konsens erzielt wurde, welcher sich jedoch als ungültig erweist, weil er eine normative Grenze überschreitet, wohingegen ein solcher im letzteren Falle gänzlich fehlt. In der Schweiz scheint in diesem Punkt wiederum die sich aufbauende Systeminkohärenz im Rechtsfolgensystem des Art.  20 OR auf. Bislang galt die durch eine ungültige Vereinbarung entstandene Lückenhaftigkeit des Vertrags als Anknüpfungspunkt für die modifizierte Teilnichtigkeit.333 Auf methodischer Ebene wird die Lückenfüllung zwar auch dort von einigen Autoren als richterliche Vertragsergänzung verstanden.334 Bei der Ergänzung typisierter Verträge aufgrund einer unwirksamen Bestimmung wird der argumentative Umweg über die modifizierte Teilnichtigkeit nun aber nicht mehr beschritten, sondern direkt auf die richterliche Vertragsergänzung zugegriffen.335 Offen ist, ob damit die Figur der modifizierten Teilnichtigkeit zugunsten der Systemkohärenz erodiert oder ob die Ergänzung von unwirksamen Vertragsabreden im Massen- oder Individualvertrag sogar eine methodologische Ungleichbehandlung bedingt – bislang wurde der hierfür notwendige Begründungsaufwand nicht betrieben. Im Falle von AGB kann eine Vertragslücke ferner dadurch entstehen, dass zwei Vertragsparteien, meist Unternehmer, jeweils ihre eigenen AGB für anwendbar erklären (sog. battle of the forms).336 Hier stellt sich die Frage, ob überhaupt und wenn ja, welche AGB Gültigkeit erlangen. Teilweise wird in der Lehre die „Theorie des letzten Wortes“ befürwortet, wonach die letztübersandten AGB gültig sind, zumindest sofern der Verkäufer nicht mittels einer antizipierten Abwehrklausel erklärt hat, er anerkenne keine anderen AGB.337 Die wohl 333 

S. zum Ganzen oben S.  53 ff. m. w. H. S. hierzu oben S.  69 m. w. H. Kritisch Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 221 Fn.  60, welcher ausführt: „Keine Vertragsergänzung im hier verstandenen Sinn ist die ‚modifizierte Teilnichtigkeit‘, bei der eine Ersatzregel an die Stelle des nichtigen Vertragsteils (Art.  20 Abs.  2 OR) tritt und der Vertrag mit dieser Regel anstatt des nichtigen Teils gilt […]. Meines Erachtens ist dieser Fall von der Ergänzung eines inhaltlich unvollständig vereinbarten Vertrages auch in der konstruktiven und rechtlichen Behandlung zu unterscheiden […]. Zum Beispiel gestattet es die ‚modifizierte Teilnichtigkeit‘, den Vertrag selbst dann aufrechtzuerhalten, wenn die nichtige Abrede einen ‚Hauptpunkt‘ betrifft […].“ 335  So etwa auch in BGE 138 III 29 E. 2.3.3 S.  39. 336 S. Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1236; im Einzelnen Bürgi, in: ius. full 6/2015, 166 ff. 337  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1235. 334 

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herrschende Lehre geht bei einer solchen Konstellation dagegen von einem partiellen Dissens aus. Danach gelten alle korrespondierenden Klauseln, während sich widersprechende Klauseln in toto unwirksam sind.338 Auch die so entstandenen Lücken sind durch richterliche Vertragsergänzung bzw. Lückenfüllung zu schließen.339 bb)  Ergänzungsbedürftigkeit Als weitere Voraussetzung für die Ergänzung des Vertrags gilt dessen Ergänzungsbedürftigkeit. Als ergänzungsbedürftig gilt ein Vertrag, der eine Unvollkommenheit aufweist, deren Nichtregelung zu einer vom eigentlichen Zweck des Vertrags vorgesehenen abweichenden Beurteilung des Sachverhalts führte. Die Vervollständigung des lückenhaften Vertrags erscheint daher als geboten.340 Es geht also nicht darum, einen Vertrag um ein zufälliges Element zu erweitern.341 Wo die Grenze in casu verläuft, ist anhand des von den Parteien gemeinsam verfolgten Zwecks ihrer Rechtsbeziehung zu bestimmen. Indem die Parteien zusammen ein Rechtsverhältnis begründet und es wenigstens in Grundzügen konturiert haben, geben sie zugleich den über den ausgeformten Teil des Vertrags hinausgehenden Rahmen vor, innerhalb dessen es Lücken geben kann.342 Hieran ist das Gericht aus Respekt vor der Privatautonomie bei der Vertragsergänzung gebunden.343 c)  Ergänzungsmittel Tut sich eine ergänzungsbedürftige Lücke im Vertrag auf, bieten sich zur Korrektur solcher Regelungsdefizite verschiedene Ergänzungsmittel an. Kategorisiert werden gemeinhin objektive und subjektive Ergänzungsmittel.344

Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1235. 339  Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269. 340 Vgl. Hadžimanović, 207. 341 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  556; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  251 mit Beispielen. 342 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  557. Freilich ist damit nichts darüber gesagt, ob die richterliche Vertragsergänzung objektiv oder subjektiv zu erfolgen hat, ob also die Vertragsgerechtigkeit über den dem Willen der Parteien entsprechenden Vertragszweck zu setzen ist; vgl. dazu die diametral entgegengesetzten Ansichten von Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 101 f., sowie von Henckel, in: AcP 159 (1960), 106 ff., insbesondere 116–124 ebenda. 343  Im Einzelnen BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  245 f. 344 BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  75. 338 

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aa)  Objektive Ergänzungsmittel Als objektive Ersatzordnung gilt in erster Linie das geschriebene und ungeschriebene345 dispositive Gesetzesrecht, welches sich aus Sach- und Verweisungsnormen zusammensetzt.346 Zuweilen verwirklicht das dispositive Gesetzesrecht in Form der Sachnormen sehr ausgeprägte legislatorische Gerechtigkeitsvorstellungen; an anderer Stelle kommt ihm, für den Fall, dass die Parteien nichts anderes vereinbart haben, eine rein subsidiäre Ordnungsfunktion zu.347 Normen können dann als subsidiär gelten, wenn sie als „wertindifferente, technische Regeln“ keinen Gerechtigkeitsgehalt aufweisen, sondern nur darauf angelegt sind, die Unwirksamkeit des Geschäfts wegen Unvollständigkeit zu verhindern.348 Ist die dispositive Regel dagegen als Verweisungsnorm ausgestaltet, indem sie nicht selbst eine Ersatzregel bereithält, sondern stattdessen auf Verkehrsübung349, Sitte, Brauchtum und Usanz, die Natur des Geschäfts (vgl. Art.  2 Abs.  2 und Art.  75 OR 350) oder das richterliche Ermessen verweist, kommt einer daraus gewonnenen Ersatzregel zumindest „quasinormativer Charakter“351 bzw. „mittelbare Gesetzesqualität“ 352 zu. Mit Blick auf die beiden letztgenannten Referenzgrößen ist allerdings strittig, ob sie tatsächlich der Vertragsergänzung durch dispositives Gesetzesrecht zuzuordnen sind oder ob sie nicht vielmehr der Ersatzregelbildung nach dem hypothetischen Parteiwillen entsprechen.353 Fließt in die Vertragslücke dispositives Recht ein, so kann sich ein Vertragspartner grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe sich über die danach eintre345 Zur Bedeutung des Gewohnheitsrechts in diesem Kontext ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  603. 346 BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  217. 347 BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  82; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  232; eingehend zu den verschiedenen Funktionen des dispositiven Rechts Bucher, OR AT, 246. 348 BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  233 m. w. H. 349  Differenziert ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  591–596. 350  Ausführlich zu den Besonderheiten dieser Norm Koller A., OR AT, §  10 N.  14–19. 351  Im Einzelnen BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  81–83. 352 BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  242; in N.  234 sprechen sie diesbezüglich von „gesetzlich rezipierten sozialen Normen“. 353  Die herrschende Lehre und Rechtsprechung sprechen sich für eine Orientierung am hypothetischen Parteiwillen aus, s. BGE 108 II 112 E. 4 S.  114; im Einzelnen Gauch, in: FG der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur Hundertjahrfeier der Universität Freiburg, 177, 189–191; s. auch Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1257; Koller A., OR AT, §  10 N.  13; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  560; weitergehender Hadžimanović, 214; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  234, 237 und 238, welche die Vertragsergänzung nach dem hypothetischen Parteiwillen, dem Vertrauensprinzip und der Natur bzw. dem Wesen des Vertrags synonym verwenden.

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tenden Rechtsfolgen geirrt. Es handelt sich hier um einen Rechtsfolgeirrtum, der einen grundsätzlich unbeachtlichen Motivirrtum darstellt.354 bb)  Hypothetischer Parteiwille als subjektives Ergänzungsmittel? Der zumindest semantisch subjektiv klingende hypothetische Parteiwillen besetzt als Ergänzungsmittel sowohl in der Gedankenwelt der Teilnichtigkeit als auch der richterlichen Vertragsergänzung einen festen Platz.355 Der Rückgriff auf dieses Kriterium dient sowohl bei der Aufrechterhaltung eines mangelhaften wie auch bei der Ergänzung eines unvollständigen Vertrags dazu, den richterlichen Eingriff in die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung der Parteien mit dem Prinzip der Privatautonomie in Einklang zu bringen.356 Beim hypothetischen Parteiwillen handelt es sich jedoch nicht um ein empirisches, sondern um ein normatives Kriterium,357 welches nach Rechtsprechung und herrschender Lehre das Verhalten redlicher und vernünftiger Vertragspartner widerspiegelt.358 Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens ist mithin am Gedanken ausgleichender Vertragsgerechtigkeit auszurichten.359 Insofern scheint die Abgrenzung vom tatsächlichen zum hypothetischen Parteiwillen eigentlich klar. Da jedoch das Verhalten fairer Vertragspartner in der Situation der konkreten Vertragsparteien zu ermitteln ist, besteht ein gewisser Konnex, der in die Frage mündet, was der hypothetische vom tatsächlichen Parteiwillen lernen kann. Im Schrifttum rankt sich um diese Abgrenzung ein nuancenreiches Mei354 BK-Kramer/Schmidlin,

Art.  18 OR N.  264. Hürlimann, N.  214. 356  Uffmann, 189. 357  Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 224; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1259; vgl. mit jeweils ähnlichen Formulierungen auch Grebieniow, N.  341; Hadžimanović, 217; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  559; Koller A., OR AT, §  10 N.  16. 358  Vgl. BGE 90 II 235 E. 4c S.  244 f.; 107 II 144 E. 3 S.  149; 108 II 112 E. 4 S.  114; 123 III 292 E. 3 S.  300; 127 III 300 E. 6a S.  307, je m. w. H. Literatur und Judikatur sprechen abwechselnd davon, die Gerichte hätten den hypothetischen Parteiwillen „nach Treu und Glauben“ oder unter „Anwendung des Vertrauensprinzips“ festzustellen. Demzufolge werden hier dieselben Wertungskriterien herangezogen wie bei der Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz, wenn sich der tatsächliche Parteiwille nicht ermitteln lässt. Es sind dies der Vertragszweck, die Interessenlage der Parteien und die Umstände des Vertragsschlusses etc.; im Einzelnen Koller A., OR AT, §  10 N.  16. Terminologisch führt dies immer wieder zu Verwirrung: Zuweilen wird anstatt vom hypothetischen von einem „mutmaßlichen“ Parteiwillen gesprochen. Ebenso wird die Vertragsergänzung auch als „ergänzende Vertragsauslegung“ bezeichnet. Doch nicht nur die Terminologie betreffend, sondern auch in der Sache selbst, ist nicht immer klar, ob ein Streit vom Bundesgericht durch objektive Auslegung oder durch richterliche Vertragsergänzung entschieden wurde. Vgl. zum Ganzen Gauch, in: Gauch/ Schmid, 209, 225 f.; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  559 mit Verweis auf N.  454. 359  Uffmann, 189 Fn.  172 m. w. H. 355 Vgl.

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nungsspektrum, das sich grob in einen verobjektivierten und einen subjektivierten Ansatz unterteilen lässt. Im Sinne des objektiven Ansatzes hat sich das Gericht bei der Vertragsergänzung am Verhalten vernünftig und redlich (nach Treu und Glauben) handelnder Parteien zu orientieren.360 Mithilfe dieses Bildes bestimmt es, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Regelungslücke im Zeitpunkt des Vertragsschlusses361 bewusst gewesen wäre.362 Als Vorlage der Ersatzregelbildung dient also die Überlegung, welche Abrede von beiden Parteien „nach loyaler Verkehrs­ auffassung“ hätte akzeptiert werden müssen, weil sie zwischen ihnen zu einem angemessenen Interessenausgleich führte.363 Hadžimanović spricht diesbezüglich von einem sog. objektiv-konkreten Vorgehen.364 Von den Gegnern des objektiven Ansatzes wird vor allem die Redlichkeit der Vertragsparteien als Maßpersonen kritisiert. Koller etwa kommt zum Schluss, dass das Gericht bei der Lückenfüllung nach dem hypothetischen Parteiwillen dieselben Gesichtspunkte zu beachten hat wie bei einem Vorgehen modo legislatoris nach Art.  1 Abs.  2 ZGB. Das bedeute, dass sich das Gericht – im von den Parteien durch ihren tatsächlichen oder normativen Konsens abgesteckten Rahmen – insbesondere am „Leitstern“ von Gerechtigkeit und Billigkeit zu orientieren habe. Das redliche Verhalten der Parteien sei damit aber nicht zu unterstellen, sondern es sei bei der Ersatzregelbildung zu berücksichtigen, wenn die Parteien einen „ungerechten“ Vertrag geschlossen haben. Dem Richter gebe die Möglichkeit zur Vertragsergänzung nämlich nicht auch gleichzeitig die Handhabe, sich über die im Vertrag zum Ausdruck kommenden Wertungen hinwegzusetzen.365 Noch pointierter zugunsten der subjektiven Ermittlung spricht sich Kramer in seiner Kommentierung zu Art.  19 f. OR aus. Er will die Prüfung des hypothetischen Parteiwillens „möglichst individuell anhand der Tatsachen des 360  BGE 115 II 484 E. 4b S.  488; s. auch BGE 90 II 235 E. 4c S.  244 f.; 107 II 144 E. 3 S.  149; 108 II 112 E. 4 S.  114; 111 II 260 E. 2a S.  262; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  560; Hürlimann, N.  213 f.; Gauch, in: FG der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur ­Hundertjahrfeier der Universität Freiburg, 177, 190 f.; s. für die deutsche Rechtslage auch Uffmann, 188 f. 361  Hürlimann, N.  224 f.; Schwenzer, OR AT, N.  34.04; Koller A., OR AT, §  10 N.  22; Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 224; vgl. auch BGE 115 II 484 E. 4b S.  488. 362  Schwenzer, OR AT, N.  34.04; Koller A., OR AT, §  10 N.  22; Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 224; vgl. auch BGE 138 III 29 E. 2.3.3 S.  39. 363  Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  559 m. w. H.; Uffmann, 189; zu den Umständen, die im Einzelfall zu berücksichtigen sind, s. Hürlimann, N.  215–222. Die Grenzen zum subjektiven Ansatz verlaufen bei ihm jedoch fließend, was dazu führt, dass auch Autoren des subjektiven Ansatzes auf ihn verweisen, s. etwa unten Kap. B Fn.  366 ff. 364  Hadžimanović, 217; vgl. auch Grebieniow, N.  342–345. 365  Koller A., OR AT, §  10 N.  23.

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konkreten Vertragsschlusses“ vornehmen.366 Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalles zu beachten, insbesondere die Interessenlage der Parteien, Vorverhandlungen und dort gemachte Äußerungen367 sowie ebenso das nachvertrag­ liche Verhalten.368 Entgegen der herrschenden Lehre hält Kramer sogar einsei­ tige, von nur einem Kontrahenten verfolgte Interessen („Motivationen“) für maßgebend.369 Zudem sei das objektive Gewicht des unwirksamen Teils im Vertragsgefüge ein gewichtiges Indiz für die Determinierung des hypothetischen Parteiwillens.370 Nur wenn überzeugende Indizien für eine „individuelle Konkretisierung des hypothetischen Parteiwillens“ fehlten, sei subsidiär eine „Verobjektivierung, d. h. die Zugrundelegung dessen, was redliche bzw. wirtschaftlich vernünftig denkende Kontrahenten […] gesagt hätten, unumgänglich“.371 Primär seien jedoch die individuellen, objektiv vielleicht durchaus unvernünftigen Wertungen der Kontrahenten zu berücksichtigen.372 Der subjektive Ansatz zur Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens ist m. E. abzulehnen. Es ist zwar richtig, dass, soweit die übrigen Vertragsbestimmungen Rückschlüsse auf den Willen der konkreten Parteien bezüglich der Vertragslücke zulassen, diesem Willen der Vorrang zukommt. In diesem Fall wird die sich stellende Rechtsfrage jedoch nicht auf dem Weg der Vertragsergänzung, sondern mittels Vertragsauslegung beantwortet, wobei die Grenzen freilich fließend sind.373 Zudem kann durch den objektiven Ansatz ausgeschlossen Art.  19/20 OR N.  363 mit Verweis auf Hürlimann, N.  218. Art.  19/20 OR N.  363 mit Verweis auf Hürlimann, N.  218 ff.; Tandogan, 72, sowie BGE 107 II 216 E. 3b S.  219; 419 E. 3a S.  424 f. 368 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  363 mit Verweis auf Tandogan, 73 f. 369 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  364 m. w. H. 370 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  365 mit Verweis auf Hürlimann, N.  221. 371 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  366; grundlegend: Larenz, BGB AT, 451 f. 372 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  366; ähnlich BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  240 f.; s. auch Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 880 f., der das Konzept von Treu und Glauben bei der Lückenfüllung in Frage stellt; zum früher vertretenen, noch stärker subjektiv orientierten Ansatz und den diesbezüglichen Kritikpunkten Hürlimann, N.  211 f. 373  Im Einzelnen Hadžimanović, 98 f.; vgl. auch Bucher, OR AT, 188; ZK-Jäggi/Gauch/ Hartmann, Art.  18 OR N.  564 und 632–640; BK-Merz, Art.  2 ZGB N.  137; insbesondere zu den Abgrenzungsschwierigkeiten bezüglich stillschweigender Vertragsschlüsse BK-Kramer/ Schmidlin, Art.  18 OR N.  219–226. Regelmäßig wird die gerichtliche Vertragsergänzung auch als „ergänzende (Vertrags-)Auslegung“ bezeichnet: s. Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 136; Schluep, in: SPR VII/2, 761, 783; Medicus, BGB AT, N.  338; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 179–188. Daran wird deutlich, dass Auslegung und Ergänzung von Verträgen auch terminologisch nicht immer trennscharf abgegrenzt werden. Dennoch bestehen Unterschiede, unterliegt doch etwa die richterliche Vertragsergänzung der freien Überprüfung durch das Bundesgericht, das sich hierbei auf die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz stützt (BGE 107 II 144 E. 3 S.  149; 108 II 112 E. 4 S.  114). In diesem Zusammenhang interessant ist, dass in Deutschland immer noch vorherrschend die auf Larenz zurückgehende Idee 366 BK-Kramer, 367 BK-Kramer,

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werden, dass sich eine der Parteien nach Anpassung des Vertrags auf Irrtum berufen kann. Einem solchen Vorgehen stünde nämlich bereits Art.  24 Abs.  1 OR entgegen, wonach die Berufung auf Irrtum unstatthaft ist, wenn sie Treu und Glauben widerspricht.374 cc)  Zwischenergebnis Beruft sich das Gericht auf den hypothetischen Parteiwillen, resultiert daraus freilich nicht nur eine mögliche Antwort zur Ergänzung der Vertragslücke. Denn es lässt sich kaum je hypothetisch ermitteln, welche Vereinbarung die Parteien für eine bestimmte Frage getroffen hätten, wären sie sich der Regelungslücke bewusst gewesen. Vielmehr wird aufgrund der normativen Erwägungen eine „Spannbreite möglicher Lösungsvarianten“ erkennbar.375 Das Gericht hat sich also nach pflichtgemäßem Ermessen für eine zu entscheiden (vgl. Art.  4 ZGB).376 Daran zeigt sich, dass die Grenze zu den sog. objektiven Ergänzungsmitteln, welche dem Gericht zum Teil ebenfalls keine geschriebene Ersatzregel an die Hand geben, verfließt. Die Unterteilung von objektiven und subjektiven Ergänzungsmitteln erweist sich demnach als unzweckmäßig.377 d)  Rangordnung der Ersatzregeln Die Kaskadenstruktur der Ergänzungsmittel zur richterlichen Vertragsergänzung wird kontrovers diskutiert.378 Denklogisch schließen sich das dispositive Gesetzesrecht und der hypothetische Parteiwille als Ersatzregeln gegenseitig aus. Wird nämlich vertreten, dass die Vertragsergänzung stets beim Parteiwillen ansetzt, erweist sich das dispositive Gesetzesrecht als obsolet.379 Die gegenvertreten wird, wonach die richterliche Vertragsergänzung als erweiterte Vertragsauslegung zu verstehen sei; s. hierzu Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 101 f. Demgegenüber setzt sich vor allem Henckel dafür ein, dass die richterliche Vertragsergänzung die Grenze der Auslegung überschreite und insofern als richterliche Rechtsfortbildung zu qualifizieren sei, s. ders., in: AcP 159 (1960), 106 ff. In der Schweiz scheint sich die richterliche Vertragsergänzung dagegen, wie bereits anhand der weitgehend fehlenden Begründung der Legitimität dieser Vorgehensweise erkennbar, als Instrument sui generis etabliert zu haben. 374  BGE 123 III 292 E. 3 S.  300 f.; mit anderer Begründung, aber im Ergebnis vergleichbar BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  264. 375  Koller A., OR AT, §  10 N.  15. 376  Koller A., OR AT, §  10 N.  15. 377  Vgl. zum Ganzen Hadžimanović, 216–219; BSK-Wiegand, Art.  18 N.  69. 378  S. die Übersicht bei BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  70; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  230. 379  Dem wird entgegengehalten, dass das dispositive Recht oftmals einen Richtigkeitsgehalt aufweise und damit dem vom redlich denkenden Vertragspartner Gewollten entspreche; Schwenzer, OR AT, N.  34.06; ähnlich BSK-Wiegand, Art.  18 OR N 70–84; BK-­Kramer/

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teilige, beim dispositiven Gesetzesrecht ansetzende Vertragsergänzung kann aufgrund der richterlichen Rechtsfortbildung modo legislatoris theoretisch ebenfalls jede sich stellende Frage beantworten.380 Soweit gehen indes beide Ansätze nicht. aa)  Dispositivnorm vor richterlicher Ersatzregel Bei der Vertragsergänzung ist gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil der Lehre folgende Reihenfolge zur Ergänzung einer Vertragslücke einzuhalten:381 Vorrangig ist die Lücke durch dispositives Gesetzesrecht zu schließen.382 Dieses kann bei Fehlen von (analog anwendbaren383) Gesetzes­ normen auch aus Gewohnheitsrecht geschöpft werden (vgl. Art.  1 Abs.  2 ­ZGB).384. Begründet wird der Vorrang des dispositiven Gesetzesrechts zur Vertragsergänzung mit der in Art.  1 Abs.  1 ZGB normierten Gesetzesbindung der Gerichte.385 Enthält das Gesetz jedoch keine anwendbare Dispositivnorm – was bei Innominatkontrakten regelmäßig der Fall ist –,386 hat das Gericht die Vertragslücke Schmidlin, Art.  18 OR N.  232. Dies sei insbesondere bei Normen des Kaufrechts zutreffend. Nur in Fällen, in denen das dispositive Recht dagegen lediglich „wertindifferente, technische Regeln oder nicht sachgerechte, antiquierte Regelungen“ enthalte, führe der hypothetische Parteiwille zu einem vom dispositiven Recht abweichenden Ergebnis. Zum Ganzen Schwenzer, OR AT, N.  34.06. Als Beispiel für eine „nicht sachgerechte, antiquierte Regelungen“ nennt sie Art.  185 Abs.  1 OR. 380  Vgl. hierzu ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  604. 381  Das Folgende gilt für formlose und formbedürftige Verträge gleichermaßen, s. im Einzelnen Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 226. 382  S. aus der Judikatur, welche allerdings nicht einheitlich ist, insbesondere BGer 4C.376/2005 vom 6. Januar 2006 E. 3.2; BGE 115 II 484 E. 4b S.  488; 111 II 260 E. 2a S.  262; 107 II 144 E. 3 S.  149; 88 II 252 E. 6c S.  272 sowie aus der Literatur Bucher, OR AT, 187; Buser-Gora, 158; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Gauch/Schluep/Schmid/ Emmenegger, OR AT, N.  1265; Jenny, 66; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  217, im Einzelnen N.  230–237; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  567 und 569; mit Vorbehalten Koller A., OR AT, §  10 N.  4 und 5 sowie 20 ff.; Hadžimanović, 207–209, welche im Falle passenden Dispositivrechts erst gar nicht von einer Lücke im Vertrag sprechen will. 383 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  584. 384 So Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1256; Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 222, der allerdings sagt, dass sich Gewohnheitsrecht auf dem Gebiete des Vertragsrechts nur selten bilde. Der Vollständigkeit halber wird es aber im Folgenden mitberücksichtigt. Vgl. zum Gewohnheitsrecht insbesondere auch BK-Meier-Hayoz, Art.  1 ZGB N.  233–250. 385 So Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 223; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1254; Koller A., OR AT, §  10 N.  5; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  567; im Ergebnis ähnlich Oftinger, der vertritt, dass sich im Falle des Vorliegens von dispositivem Gesetzesrecht die Vertragsergänzung erübrige, ders., in: ZSR 1/1939, 178, 199. 386  Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269.

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im Streitfalle mit einer von ihm selbst geschaffenen Ersatzregel zu schließen. Strittig ist, ob die Ersatzregelbildung modo legislatoris zu geschehen hat oder ob sie am hypothetischen Parteiwillen auszurichten ist.387 bb)  Primäre Orientierung am hypothetischen Parteiwillen Die Gegner dieser Position begründen eine primär am hypothetischen Parteiwillen orientierte Vertragsergänzung mit dem Prinzip der Privatautonomie, welches auch und gerade bei der Ersatzregelbildung im Falle von Vertragslücken zu berücksichtigen sei.388 Pointiert spricht sich etwa Schwenzer für das „Primat der Vertragsfreiheit“ aus,389 das im Rahmen der Vertragsergänzung respektiert werden müsse.390 Sie beklagt, es sei nicht Sache des Gerichts, im Wege der Ergänzung jeden Vertrag zu einem gerechten zu machen.391 Zudem würden viele Normen des dispositiven Gesetzesrechts erkennen lassen, dass sie „nur höchst subsidiär“ zur Anwendung kommen sollen, nämlich wenn die Parteien weder eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen hätten noch aus den Umständen oder der Natur des Geschäfts eine Regelung abgeleitet werden könne (vgl. nur Art.  74 f., 81, 185 OR).392 Fraglich ist, inwiefern eine Orientierung am hypothetischen Parteiwillen einen sekundären Rückgriff auf eine Dispositivnorm überhaupt zulässt. Je nach Verständnis des hypothetischen Parteiwillens erscheint eine darauf beruhende Ersatzregelbildung als abschließend. Nach Huguenin, welche den Vorrang des dispositiven Gesetzesrechts bei der Vertragsergänzung ebenfalls ablehnt, scheint es solche Durchbrechungen allerdings zu geben, denn sie erwähnt für den Fall, dass sich aus dem hypothetischen Parteiwillen keine lückenfüllende Regel eruieren lasse, könne auf eine „allgemeine Regel“ zurückgegriffen werden. Um die Konsensfähigkeit des richterlich moderierten Vertrags sicherzu387  Befürwortend etwa Hadžimanović, 98, 210, 215; verneinend Gauch/Schluep/Schmid/ Emmenegger, OR AT, N.  1256. Teilweise spiegeln sich in dieser Frage die von Larenz und Henckel vertretenen Grundpositionen, ob die Vertragsergänzung eine erweiterte Vertragsauslegung oder Rechtsfortbildung ist; s. hierzu die Einzelnachweise oben in Kap. B Fn.  373. 388  Schwenzer, OR AT, N.  34.04; BK-Merz, Art.  2 ZGB N.  138; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N 230–237; in diesem Sinne im Ergebnis auch Koller A., OR AT, §  10 N.  20 f. 389  Schwenzer, OR AT, N.  34.05; abweichend – anstatt vieler – etwa BGE 115 II 484 E. 4b S.  488. 390  Schwenzer, OR AT, N.  34.07; vgl. auch BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  245. 391  Schwenzer, OR AT, N.  34.07; vgl. auch BGE 93 II 272 E. 2 S.  275 f., wo das Bundes­ gericht zum Schluss kommt, dass in einen Vertrag, der aufgrund eines Versäumnisses kein nachvertragliches Konkurrenzverbot enthält, ein solches nicht hineingelesen werden dürfe, obwohl es zur Wahrung der Interessen einer Vertragspartei sinnvoll wäre. 392  Schwenzer, OR AT, N.  34.05; im Ergebnis übereinstimmend Koller A., OR AT, §  10 N.  23.

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stellen, stellt sie dieses Ergebnis wiederum unter den Vorbehalt des hypothetischen Parteiwillens. Wie bereits oben dargelegt,393 behandelt sie den hypothetischen Parteiwillen damit nicht nur als Ergänzungs-, sondern gesondert auch als Entscheidregel.394 cc)  Vermittelnde Positionen In jüngerer Zeit hat die Auffassung zur Rangfolge der Ergänzungsmittel im Falle einer Vertragslücke auf verschiedenen Ebenen eine Ausdifferenzierung erfahren. Eine Ansicht geht davon aus, dass sich die Frage der richterlichen Vertragsergänzung am konkret zu entscheidenden Fall orientieren müsse, wobei zu differenzieren sei, ob ein typischer oder ein atypischer Vertrag vorliege. Dabei könne sich im einen Fall der Rückgriff auf eine Dispositivnorm und im anderen das Abstellen auf den hypothetischen Parteiwillen als adäquat erweisen.395 Das dispositive Gesetzesrecht diene freilich vor allem dann als vorrangiges Ergänzungsmittel, wenn ein typischer Vertrag396 vorliege. Das dispositive Gesetzesrecht sei hier, soweit es einen Gerechtigkeitsgehalt aufweise, als subsidiäre Ordnung geschaffen worden, um den Vertrag sachgerecht zu ergänzen.397 Im Falle atypischer Verträge bleibe Ausgangspunkt der Vertragsergänzung dagegen der Parteiwille.398 Zuerst sei durch Auslegung zu ermitteln, ob der Vertrag eine sog. Eigennorm enthalte, die durch „sinngemässes Fortdenken“ zur Füllung der Regelungslücke herangezogen werden könne.399 Allein auf den hypothetischen Parteiwillen sei abzustellen, soweit eine „sehr spezielle, atypische Vertragsgestaltung“ vorliege. Unter dieser Voraussetzung falle der Rückgriff auf dispositives Gesetzesrecht außer Betracht, da die Parteien einerseits durch die individuelle Ausgestaltung des Vertragsinhalts ihren Willen kundgetan hätten, sich vom gesetzlichen Ordnungsschema zu entfernen, und zum anderen halte das dispositive Recht für solche Fälle per se keine passende Vorschrift bereit.400 Hier habe sich das Gericht bei der Ermittlung der Ersatzregel am wirtschaftlichen Zweck des Vertrags, an seiner inneren Ökonomie, das heißt „dem

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S. oben S.  30 f. Huguenin, OR AT/BT, N.  437. 395 So vor allem BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  232–237; zustimmend BSK-­ Wiegand, Art.  18 OR N.  71; im Einzelnen auch Hadžimanović, 206 f. 396  Ein Vertrag gilt als typisch, wenn seine Hauptpflichten den im Gesetz beschriebenen Pflichten entsprechen; s. Hadžimanović, 100 sowie 206 f. 397 BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  232. 398  Im Einzelnen Hadžimanović, 214–219. 399  Bucher, OR AT, 187. 400  Zum Ganzen BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  71 m. w. H. 394 

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Abhängigkeitsgeflecht von Rechten und Pflichten“, sowie an den konkreten Umständen des Einzelfalles zu orientieren.401 Eine andere Ansicht setzt bei der sog. mittelbaren und der unmittelbaren Vertragsergänzung an, welche allerdings nur Auswirkungen auf typische Fälle zeitigt.402 Hierzu wird vertreten, dass, soweit der lückenhafte Vertrag – jedenfalls hinsichtlich der zu ergänzenden Lücke – keine Eigenart aufweist, das Gericht modo legislatoris entscheide.403 Das Gericht ergänzt hier zunächst also das lückenhafte Gesetz, um alsdann mit der so gefundenen generell-abstrakten Regel die Vertragslücke mittelbar zu schließen.404 Dieses Vorgehen wird von einigen Stimmen in der Lehre stark betont, denn es erlaubt dem Gericht, passende Gesetzesregeln, die in concreto nicht unmittelbar anwendbar sind, durch Analogieschluss heranzuziehen, um beispielsweise einen Zinssatz zu ergänzen (vgl. Art.  73 Abs.  1 OR) oder Normen des gesetzlichen Vertragstypenrechts auf Innominatkontrakte anzuwenden.405 Der Analogieschluss gilt gemeinhin als das wichtigste Mittel zur gesetzlichen Lückenfüllung und damit nach dieser Ansicht auch zur mittelbaren Vertragsergänzung.406 Eine vor allem auf Gauch zurückgehende Meinung setzt beim dispositiven Gesetzesrecht als vorrangigem Mittel zur Vertragsergänzung an. Dieses komme jedoch nur insoweit in Betracht, als es sich im konkreten Fall als „an­ wendbar“ bzw. „passend“ erweise. Dazu habe das Gericht zu prüfen, ob eine bestimm­te dispositive Sachnorm407 mit dem vereinbarten Vertragsinhalt harHadžimanović, 214. Vgl. im Einzelnen Hadžimanović, 209 f. 403  „Leitideen sind dabei die Gerechtigkeit und Billigkeit, die Natur der Sache, die Abwägung der Interessen der Beteiligten, das öffentliche Wohl, die Rechtssicherheit, die Sicherheit des Verkehrs und des Kredits und vor allem auch der übrige Inhalt der Rechtsordnung, zu dem die neue Norm nicht in Widerspruch treten darf.“, so Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 39. 404  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1261; Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 225; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  604 f.; Schluep, in: SPR VII/2, 761, 795 und 800; differenzierend BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  228; von der Crone, 166 f. 405 S. Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 222; Koller A., OR AT, §  10 N.  10; Oftinger, in: ZSR 1/1939, 178, 200 f. und 207; BSK-Amstutz/Schluep, Einl. vor Art.  184 ff. OR N.  31, sowie aus der Judikatur BGE 60 II 335 S.  336; 109 II 462 E. 3d S.  466; 110 II 474 E. 3a S.  475; 115 II 474 E. 2c S.  478. 406 S. Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 225; vgl. insbesondere BK-Meier-Hayoz, Art.  1 ZGB N.  346; Kramer, Methodenlehre, 158 f. m. w. H. 407  Nach ihrem Inhalt lassen sich dispositive Normen, die zur Vertragsergänzung dienen können, in Sach- und Verweisungsnormen unterteilen. Erstere treffen selbst eine Sachentscheidung, geben also selbst eine Antwort auf eine bestimmte Rechtsfrage (bspw. Art.  69, 206 Abs.  1, 372, 376 OR). Der Vertrag kann mittels solcher Ersatzregeln unmittelbar ergänzt werden. Verweisungsnormen enthalten dagegen einen Verweis auf eine andere Regel, wodurch diese nur eine mittelbare gesetzliche Ersatzregel darstellt. Der Verweis bezieht sich 401 

402 

V.  Funktionsverwandte Rechtsinstrumente

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moniere, also zusammen mit dem restlichen Vertragsinhalt zu einem widerspruchsfreien Gesamtergebnis führe.408 Erweise sich eine generell-abstrakte Regel als auf den konkreten Vertrag nicht zugeschnitten, finde sie selbst dann keine Anwendung, wenn sie eine gerechte und billige Lösung erstrebt.409 Die Anwendbarkeit dispositiver Regeln des Allgemeinen Teils des OR stehe zuweilen sogar unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass sich aus der „Natur des Rechtsverhältnisses“ nichts anderes ergebe (vgl. Art.  75 OR).410 Dasselbe gelte für die Normen des Besonderen Teils, namentlich für jene, die sich auf einen bestimmten Vertragstyp beziehen. Für ihren Einbezug in den Vertragstext genüge es nicht, dass der zu ergänzende Vertrag formallogisch unter die Legalumschreibung des in Frage kommenden Vertragstyps falle.411 Auch hier bedürfe es eines harmonischen Gesamtergebnisses. Soweit sich eine derartige Dispositiv­ norm nicht finden lasse, sei die Vertragslücke in Einklang mit dem hypothe­ tischen Parteiwillen, nach der „Natur des Geschäfts“ oder mit einer vom Gericht geschaffenen Ersatzregel auszufüllen.412 Einzige Ausnahme hiervon bildeten Dispositivnormen, für deren Wegbedingung das Gesetz eine schriftliche oder zumindest ausdrückliche Abrede verlange (vgl. etwa Art.  198, 335c Abs.  2, 214 Abs.  3 OR). Selbst ein qualifiziertes Schweigen vermöge ihre Anwendbarkeit nicht auszuschließen. Umso weniger dürfe ihnen im Falle einer Vertragslücke ihre Anwendbarkeit versagt werden, nur weil sie nicht harmonisch ins Vertragsgefüge passten.413 Damit ist festzustellen, dass diese Form der richterlichen Vertragsanpassung starke Assonanzen zur Rückbindung der Ersatzregel an den hypothetischen entweder auf die Verkehrsübung oder das richterliche Ermessen (z. B. Art.  580 Abs.  2 OR). Im Einzelnen ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  577 f. 408  Gauch, in: recht 3/1983, 95, 98; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  582; Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 223; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1255; in diesem Sinne auch Hadžimanović, 206. Im Ergebnis übereinstimmend Wiegand, der vertritt, dass das dispositive Recht nur dann zur Anwendung komme, falls es wirklich geeignet sei, „die privatautonome Regelung der Parteien sinnvoll zu ergänzen“, BSK-ders., Art 18 OR N.  81; Koller A., OR AT, §  10 N.  20 f., welcher eine Zwischenstellung einnimmt, indem er vertritt, dass der hypothetische Parteiwille dem dispositiven Sachrecht vorgeht, das dispositive Recht aber nur dort zurückzutreten habe, „wo der konkrete Vertrag Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Parteien das dispositive Recht nicht gewollt hätten, hätten sie selbst die Vertragslücke gefüllt“. 409  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1255; von der Crone, 166; Schluep, in: SPR VII/2, 761, 785 f. Fn.  68 und 788; ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  577. 410 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  589. 411  Schluep, in: SPR VII/2, 761, 796. 412 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  588. 413  Zum Ganzen ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  590; Yung, in: ZBJV 2/1961, 41, 49 f.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Parteiwillen zeigt. Indem das Gericht prüft, ob eine Dispositivnorm zum Vertragsrest passt, bewertet es die Interessenlage der Parteien. Bislang wurde nicht untersucht, ob das Gericht diesbezüglich eine unterschiedliche Wertung vorzunehmen hat, wenn es anstelle von Individualverträgen AGB ergänzt. Dass diese Frage eigentlich beantwortet werden müsste, zeigt folgendes Beispiel: Das Bundesgericht reduziert einen Wucherzins aktuell auf das gerade noch Zulässige414, wohingegen das dispositive Gesetzesrecht das Darlehen zinslos versteht (vgl. Art.  313 Abs.  1 OR). Ebenso denkbar wäre eine Reduktion auf den marktüblichen Zins. Mit Blick auf die Kriterien passender Dispositivnormen hat sich das Bundesgericht vorliegend offensichtlich gegen die Ersatzregelbildung unter Bezugnahme auf das Dispositivrecht entschieden. Es bleibt allerdings unklar, welche Abwägungskriterien hier eine Rolle spielten und ob diese für AGB und Individualverträge gleichermaßen tragfähig sind. dd)  Zwischenergebnis Nach herrschender Lehre bleibt es bezüglich der Rangfolge der Ergänzungsmittel beim grundsätzlichen Vorrang des dispositiven Gesetzesrechts, jedoch setzt sich zunehmend die vermittelnde Position durch, wonach der Beizug einer Dispositivnorm als Ersatzregel an den hypothetischen Parteiwillen zurückzubinden ist. Insofern erscheint die dogmatische Kontroverse um die Rangfolge der Mittel zur Vertragsergänzung weitgehend als Scheinproblem. Ein lückenbehafteter Vertrag erweist sich demnach jedenfalls immer dann als durch das Gericht ergänzungsbedürftig, wenn kein passendes dispositives Gesetzesrecht existiert. Ob die Frage des passenden Dispositivrechts im Falle von Individualverträgen und AGB auf dieselbe Art bestimmt wird, problematisiert die Diskussion in der Schweiz im Zuge des steten Verweises auf die Vertragsergänzung im Falle nach Art.  8 UWG missbräuchlicher AGB bislang nicht.415 Indes bedeutungslos ist die Unterscheidung der Ergänzungsmittel bei gesetzlichen Dispositivregeln, welche die Vertragsergänzung dem Ermessen des Gerichts unterstellen, sowie im Falle von Vorschriften wie in Art.  2 Abs.  2 OR, die den Richter anweisen, „vorbehaltene Nebenpunkte“, über welche sich die Parteien auch nach Vertragsschluss nicht geeinigt haben, „nach der Natur des Geschäftes“ zu regeln.416

414 

S. BGE 93 II 189 E. b S.  192. Vgl. zu dieser Diskussion in Deutschland Uffmann, 181–183. 416  Vgl. zum Ganzen Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 223. 415 

V.  Funktionsverwandte Rechtsinstrumente

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e)  Grenzen der Vertragsergänzung Die Vertragsergänzung unterliegt gewissen Grenzen. Nicht jede Vertragslücke erweist sich als ergänzungsfähig. Während die Ergänzung von Nebenpunkten naturgemäß unproblematisch ist, weil ein Vertrag nicht jede sich möglicher­ weise stellende Frage beantworten kann und gerade hierin eine wesentliche Aufgabe des dispositiven Gesetzesrechts liegt, ist dies im Falle von vertrag­ lichen Hauptpunkten fraglich.417 Ein Teil der Lehre lehnt die Ergänzung des Vertrags bei Regelungslücken in Hauptpunkten gänzlich ab,418 wohingegen andere Autoren danach differenzieren, ob ein objektiv- oder subjektiv-­wesentlicher Vertragspunkt zu ergänzen ist.419 aa)  Objektiv-wesentliche Vertragspunkte Die Rechtsprechung und herrschende Lehre lehnen eine Vertragsergänzung ab, wenn in objektiv-wesentlichen Vertragspunkten keine Einigung gefunden wurde.420 Dies ist insofern einleuchtend, als dann gemäß Art.  1 Abs.  1 OR gar nicht erst ein Vertrag zustande gekommen ist. Unter Bezugnahme auf die Vertragswirklichkeit präzisiert ein Teil der Lehre diese Ansicht nun allerdings dahingehend, dass, je weiter die Vertragserfüllung fortgeschritten sei, desto eher auch bei objektiv-wesentlichen Vertragspunkten – anstatt der Verneinung des Vertragsbestands mangels Einigung – eine gerichtliche Ergänzung zu rechtfertigen sei. Begründet wird diese vom Zeitpunkt des Erklärungsaustauschs abweichende Dogmatik damit, dass eine zeitpunktunabhängige Betrachtung ignoriere, was nach erfolgtem Erklärungsaustausch tatsächlich geschehen sei. Ganz oder zum Teil erfüllte Schuldverträge seien deshalb „schon wegen der Unumkehr417  Mit Blick auf die geltungserhaltende Reduktion zwar unproblematisch, da hier ein bestimmtes Regelungsanliegen im Vertragstext Ausdruck findet, stellt sich bei der richter­ lichen Vertragsergänzung im Falle des Schweigens zu einer gewissen Problematik die Frage, ob der Vertrag um Nebenpflichten erweitert werden darf. Im Einzelnen ZK-Jäggi/Gauch/ Hartmann, Art.  18 OR N.  614 f. 418 Nach Schwenzer, OR AT, N.  34.02, gilt etwa: „Vertragsergänzung setzt immer voraus, dass überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde, über dessen prinzipielle Wirksamkeit kein Streit (mehr) zwischen den Parteien besteht […]. Deshalb kommt eine ergänzende Vertragsauslegung im Hinblick auf die sog. essentialia negotii, hinsichtlich derer eine Einigung zwischen den Parteien erforderlich ist, nicht in Betracht (statt vieler: BGE 119 II 347 f.).“ 419  Zur Sonderproblematik im Falle von Innominatverträgen eingehend etwa BK-Kramer/ Schmidlin, Art.  18 OR N.  255–258. 420  Statt vieler BGE 90 II 235 E. 4c S.  244; 119 II 347 E. 5 S.  347; Deschenaux, in: SPR II, 1, 171; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1270; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  248; Keller/Schöbi, Vertragsrecht, 120 f.; BK-Merz, Art.  2 ZGB N.  132; BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  86.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

barkeit des tatsächlichen Geschehensablaufs anders zu behandeln […] als Verträge, mit deren Erfüllung noch nicht begonnen wurde […].“421 bb)  Subjektiv-wesentliche Vertragspunkte Grundsätzlich gilt auch im Falle eines Konsensstreits über subjektiv-wesentliche Vertragspunkte, dass ein Vertrag nicht zustande gekommen ist, wodurch die Vertragsergänzung eigentlich außer Betracht fällt. Vorbehalten bleiben allerdings zwei Fälle. Einerseits ist die Bestreitung des Vertrags im Prozess dann im Sinne von Art.  2 Abs.  2 ZGB rechtsmissbräuchlich, wenn er von den Parteien über einen längeren Zeitraum als wirksam betrachtet wurde.422 In diesem Fall ist der Vertrag ergänzungsfähig. Ebenso ist die Vertragsergänzung in subjektiv-wesentlichen Punkten zulässig, soweit im Prozess das Zustandekommen des Vertrags unbestritten bleibt.423 Das Bundesgericht hat hierzu schon früh formuliert: „Unter diesen Umständen geht es nicht an, daß der Richter von sich aus erkläre, ein bindender Vertrag sei überhaupt nicht zustande gekommen, es fehle an der nach Art.  1 und 2 OR erforderlichen übereinstimmenden gegenseitigen Willensäußerung der Parteien über wesentliche Punkte“.424 Auch dies ist letztlich ein Zeitargument, denn der Inhaltsstreit über einen subjektiv-wesent­ lichen Vertragspunkt im Prozess offenbart, dass jene ihren besonderen Stellenwert durch Zeitablauf offensichtlich verlieren können.425

421  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1274–1277. Auf der gleichen Idee beruht auch die Lehrmeinung, wonach eine vertragliche Bestimmung des Kaufpreises (Art.  184 Abs.  3 OR) nur für den Bestand des noch nicht erfüllten Kaufvertrags vorausgesetzt sei, während es nach erfolgter Lieferung der Kaufsache dem Gericht obliege, die Höhe des Kaufpreises zu bestimmen, falls dieser noch unbestimmt sei; hierzu Bucher, OR AT, 119 Fn.  36. Ähnlich gestaltet sich die Rechtslage hinsichtlich des Mietvertrags, falls sich die Parteien zwar über den Grundsatz der Entgeltlichkeit, nicht aber über die Höhe des Mietzinses verständigt haben. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann das Gericht den geschuldeten Mietzins mangels einschlägiger Parteiabrede zwar nicht für die Zukunft, wohl aber für die „bereits verflossene Gebrauchsdauer“, also für die Zeit der vollzogenen Erfüllung festlegen; vgl. BGE 119 II 347 E. 5a S.  347 f.; 108 II 112 E. 4 S.  114. Ebenfalls in beschränktem Maße für eine Ergänzung objektiv-wesentlicher Vertragspunkte ZK-Jäggi/ Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  623 f. 422  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1271. 423 ZK-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 OR N.  618 f.; s. auch Bucher, OR AT, 187; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  18 OR N.  250. 424  BGE 29 II 114 E. 5 S.  125. 425 BSK-Wiegand, Art.  18 OR N.  86. Zu den dogmatischen Anschlussfragen dieser Präzisierung Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1273.

V.  Funktionsverwandte Rechtsinstrumente

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f)  Sonderproblematik AGB Die Frage nach der richterlichen Vertragsergänzung bei Regelungslücken tritt in der Schweiz, wie gezeigt, vorwiegend in Zusammenhang mit AGB auf. Im Individualvertrag werden die im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Übermaßproblematiken mithilfe der modifizierten Teilnichtigkeit gelöst. Im Rahmen der AGB-Diskussion offenbaren sich mit Blick auf die Vertragsergänzung verschiedene Sonderproblematiken. Zunächst ist fraglich, ob die Vertragsergänzung überhaupt Teil der AGB-Diskussion bildet. Hintergrund dieser Überlegung ist der per definitionem abgesteckte mögliche Umfang von AGB. Da AGB im Falle ihrer Globalübernahme zwar vom Vertragstext umfasst sind, ihr Inhalt aber entweder nicht gelesen oder nicht verstanden wurde, muss ein Vertrag, damit er überhaupt zustande kommt, auch individuell ausgehandelte oder zumindest zur Kenntnis genommene Vertragsteile enthalten, welche wenigstens die Hauptpunkte betreffen.426 Die Frage nach der Zulässigkeit der Ergänzung von objektiv- oder subjektiv-wesentlichen Vertragspunkten stellt sich daher für global übernommene AGB nicht. Mit Blick auf die Nebenpunkte ist sodann zu differenzieren, ob eine Vertragslücke auf einen fehlenden oder einen rechtswidrigen Konsens zurückgeht. Im ersten Falle ließe sich die Lücke sowohl dem individuell ausgehandelten als auch dem global übernommenen Teil des Vertrags zuordnen. Welche Folgen dies für die Vertragsergänzung zeitigte, kann vorliegend offenbleiben, da die geltungserhaltende Reduktion nur zur Vertragsergänzung im Falle von Regelungslücken abzugrenzen ist, die im Zuge einer übermäßigen Bindung einer Bestimmung entstehen. Aufgrund ihrer ursprünglichen Beschaffenheit können unzulässige Klauseln regelmäßig einem der beiden Vertragsteile zugeordnet werden. Soweit sich die Regelungslücke in AGB offenbart, erweist sich die Frage nach dem interessengerechten Ausgleich als relevant. Diese wurde bislang für typisierte Verträge nicht gesondert gestellt. Aufgrund der Stimmen in der Literatur ist davon auszugehen, dass die richterliche Vertragsergänzung in der Kaskade der Rechtsfolgemöglichkeiten im Falle missbräuchlicher AGB hinter passendes dispositives Gesetzesrecht zurückzutreten hat.427 Jedoch ist unklar, wie Dispositivrecht auf seine Übereinstimmung mit dem Restvertrag im Falle von AGB zu prüfen ist428 bzw. inwiefern hier eine im Vergleich zu Individualverträgen Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 280; Probst, in: Jusletter 6. Februar 2017, Rz. 62. So das Rechtsfolgensystem des §  306 BGB sowie die herrschende Lehre in der Schweiz: Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Buser-Gora, 157; Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  161; Ehle/ Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 269; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Jenny, 66. 428  Hier hilft auch der Leitsatz der grundlegenden Tagespreisklauselentscheidung des Bundesgerichtshof zum Rechtsfolgensystem des §  306 BGB nicht weiter: „Die Lücke in ei426 Vgl. 427 

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

besondere Interessenlage einzufließen hat. Hierzu gilt es insbesondere auch die korrekte Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens zu diskutieren, welcher zumindest im Falle fehlenden passenden Gesetzesrechts zu konsultieren ist. Je nachdem, welche tatsächlichen Komponenten zu dessen Bestimmung heranzuziehen sind, könnte die Ausgewogenheit des Vertragsinhalts leiden. Aufgrund der einseitigen Formulierung würden die Umstände des Vertragsschlusses nämlich nur einseitige Rückschlüsse auf den hypothetischen Parteiwillen zulassen.429 Daher ist im Falle von Regelungslücken in AGB für eine an Treu und Glauben orientierte richterliche Vertragsergänzung zu plädieren.430 Die damit gefundene interessengerechte Lösung scheint sich wohl auch mit dem Anliegen der herrschenden Lehre zu decken, eine richterliche Vertragsergänzung im Gegensatz zu einer geltungserhaltenden Reduktion bei AGB zuzulassen.

3.  Zwischenergebnis Indem Verträge übermäßigen Inhalts modifiziert oder ergänzt aufrechterhalten werden, verwirklicht die heutige Rechtslage zu Art.  18 und 20 Abs.  2 OR den Grundsatz des favor negotii. Zugleich kommt darin der Grundsatz pacta sunt servanda zum Ausdruck, wonach die Privatautonomie der Parteien weitestmöglich zu schützen ist. Damit verfolgen diese Instrumentarien dieselbe Zielrichtung wie die geltungserhaltende Reduktion. Trotz ihrer funktionellen Verwandtschaft lassen die modifizierte Teilnichtigkeit und die richterliche Vertragsergänzung aber nur marginalen Erkenntnis­ gewinn für die Begriffsbildung einer geltungserhaltenden Reduktion zu; diese in der schweizerischen Rechtsordnung scheinbar fest verankerten Instrumentanem Vertrag, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsteht, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klausel-Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt.“, BGHZ 90, 69. 429  In eine ähnliche Richtung denkend Hadžimanović, die in Anlehnung an das englische Recht Besonderheiten im Zusammenhang mit der Ergänzung von Vertragslücken in AGB vorschlägt. Erstens solle sich derjenige, der die AGB oder den Vertrag vorformuliert hat, nicht zu seinen Gunsten auf die Lückenhaftigkeit berufen können. Zweitens sollen der schwächeren Seite keine zusätzlichen Pflichten durch die Ergänzung eines vorformulierten Vertrags auferlegt werden dürfen. Drittens schlägt sie – noch unter Anwendung des aArt.  8 UWG – vor, dass das Gericht den Vertrag bei Bedarf auch um Nebenpflichten ergänzen soll, die den vorgedruckten Klauseln widersprechen. Zum Ganzen dies., 220. 430  So auch die herrschende Lehre in Deutschland, die den hypothetischen Parteiwillen im AGB-Bereich – im Gegensatz zur üblicherweise nicht generalisierenden Ermittlung bei Individualverträgen – vollständig objektiviert. Anstatt aller Stoffels, AGB-Recht, N.  617 m. w. H.

VI.  Würdigung

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rien sind nämlich auf verschiedenen Ebenen inkompatibel: Einerseits ist die Verknüpfung von modifizierter Teilnichtigkeit und richterlicher Vertragsergänzung nicht geklärt, andererseits ist das Verhältnis von Dispositivrecht zum hypothetischen Parteiwillen sowohl im Gefüge der modifizierten Teilnichtigkeit als auch der richterlichen Vertragsergänzung unbestimmt. Eine weitere Aufschlüsselung dieser Unklarheiten für den Sonderfall AGB wurde in dieser Diskussion bislang erst gar nicht angestrengt.

VI. Würdigung Die vorstehende Begriffsanalyse verdeutlicht, dass der Rechtsbegriff der geltungserhaltenden Reduktion als eine vereinfachende Kurzbezeichnung für die richterliche Ersatzregelbildung auf der Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle dienen soll. Die geltungserhaltende Reduktion ist als Alternative zur Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit des Vertrags zu verstehen. Insofern ist sie ein Lösungsinstrument, um die gesetzliche Inhaltskontrolle auf Rechtsfolgenseite zu entschärfen. Aus begrifflicher Perspektive spielt es für die geltungserhaltende Reduktion keine Rolle, ob sich die Inhaltskontrolle auf Individualverträge oder AGB bezieht. In ihrer Funktionsweise ist sie nämlich weder von einem bestimmten Vertragsabschlussmodus noch von einer nationalen Rechtsordnung abhängig. Problematisch für die weitere Diskussion über die Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion ist, dass ihre Grundlagen nicht expliziert werden. Es werden verschiedene Legitimationsansätze angeboten, die zu einer geltungserhaltenden Reduktion führen sollen. Obwohl die geltungserhaltende Reduk­ tion hierbei meist als ein klar definiertes Instrument auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle behandelt wird, vermag der dahinter stehende Rechtsbegriff nicht zu klären, was rechtskonstruktiv bei der „Reduktion“ eigentlich passiert. Zudem ist in der Schweiz gerade eine Begriffsverschiebung bzw. -verengung im Gange: Die unter dem Begriff „geltungserhaltende Reduktion“ geführte allgemeine Debatte über die Vertragsanpassung bewegt sich hin zur Rechtsfolgenproblematik übermäßig bindender AGB. Indem die geltungserhaltende Reduktion also weder einen einheitlichen Begründungsweg offenlegt noch ein klar umrissenes Problem besetzt, entzieht sie sich der Nachprüfbarkeit. Die Begriffsvielfalt und dessen Bedeutungswandel führen zum Befund, dass die geltungs­erhaltende Reduktion kein tauglicher Rechtsbegriff ist, um die Problemlage vereinfachend nachzeichnen und damit Licht ins Dunkel der damit einhergehenden Rechtsfragen zu bringen.431 431 

Vgl. zum Ganzen Uffmann, 223–225.

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B.  Geltungserhaltende Reduktion – ein tauglicher Rechtsbegriff?

Löst man sich von der tradierten Vorstellung, dass die geltungserhaltende Reduktion als feststehender Rechtsbegriff zur Beantwortung eines bestimmten Rechtsproblems dient, stellt sich die Frage, ob das geltende Privatrecht überhaupt eine genügende gesetzliche Grundlage für eine richterliche Ersatzregelbildung im Falle übermäßig bindender Verträge enthält. Das Bundesgericht versteht die geltungserhaltende Reduktion, wie oben dargelegt, als partielle Teilunwirksamkeit und verortet sie in (Analogie zu) Art.  20 Abs.  2 OR. Fraglich ist, ob es sich im Lichte dieser Bestimmung rechtfertigen lässt, eine von der übermäßigen Klausel selbst nicht vorgesehene inhaltliche Unterscheidung zu treffen, um die Unwirksamkeit dann nur auf die zulässige Alternative zu begrenzen. Der entscheidende Schwachpunkt dieses „Reduktionswegs“ ist die damit einhergehende dogmatische Fiktion.432 Diese Begründung unterstellt nämlich, dass die gesetzeskonforme Bestimmung in der gesetzeswidrigen, vom Parteiwillen gedeckten als minus enthalten sei und sich die Begrenzung der Wirksamkeit der Klausel damit als Ergebnis bloßer Gesetzesanwendung erweise.433 Mit anderen Worten spricht sich das Bundesgericht für eine Teilbarkeit des Vertrags aus, wenn der zulässige Teil im Vergleich zur ursprünglichen Regelung weniger beinhaltet und nicht etwas qualitativ anderes, ein aliud, vorsieht. In diesem Fall darf die Unwirksamkeit als Rechtsfolge begrenzt werden. Zwar trifft es zu, dass nach der „Reduktion“ etwa eine Rücktrittsklausel rechnerisch einen Rücktrittsgrund weniger enthält und von einem zu weitgehenden Verrechnungsverzicht weniger Gegenansprüche betroffen sind oder dass eine gekürzte, zweijährige Laufzeit geringer ist als eine fünfjährige – nach diesem Verständnis lässt sich vieles als minus im Vergleich zum ursprünglich Vereinbarten einordnen. Auf diese Weise könnte wohl ein nicht unerheblicher Teil der problematischen Vertragsbestimmungen „gerettet“ werden.434 Eine solche Lösung suggeriert aber, dass die reduzierte Regelung, die ja schließlich als minus in der ursprünglichen enthalten ist, ihre Legitimation in der Vertrags­ regelung selbst findet. Bedenklich daran ist, dass diese Lösung verschleiert, dass auch die „quantitativ“ reduzierte Regelung, das minus, im Verhältnis zur 432 Vgl. auch Mroch, 50 f., der diesbezüglich von einer „begriffsjuristischen Notlüge“ spricht. 433  Vgl. BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  299, wo das Bundesgericht ausführt: „Die blosse Teilunwirksamkeit folgt damit unmittelbar aus der Verbotsnorm, und ein entsprechender hypothetischer Parteiwille ist dem Grundsatz der Teilnichtigkeit nicht vorausgesetzt, sondern hat allenfalls für die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolge, d. h. den Inhalt der Ersatzordnung, Bedeutung […]. Dies ist allerdings nur dort notwendig, wo nicht bloss ein Übermass rechnerisch-quantitativ zu reduzieren, sondern zusätzlich eine qualitative Vertragsgestaltung erforderlich ist.“ In diesem Sinne auch Boemke-Albrecht, 65. 434  Vgl. weitere Beispiele bei Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 785 f.

VI.  Würdigung

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ursprünglichen inhaltlich betrachtet ein Anderes ist.435 Letztlich ist die Quantität nichts anderes als der numerische Ausdruck einer bestimmten Qualität.436 Vom Standpunkt der Parteien aus kann es sich also durchaus um ein aliud handeln.437 Es wäre daher voreilig, zu sagen, dass eine reduzierte Regel im Sinne eines maiore ad minus-Arguments auch vom Parteiwillen umfasst sei. Vor diesem Hintergrund lässt sich erkennen, dass im Falle einer geltungserhaltenden Reduktion nicht eine privatautonome, sondern eine durch das Gericht vorgenommene, autoritative Vertragskorrektur stattfindet. Die Rückbindung einer eigentlich autoritativen Vertragsanpassung mittels Verweis auf den Parteiwillen zu legitimieren, erweist sich somit als problematisch. Umso bedenklicher erscheint dieser Begründungsweg zur Anpassung von AGB, da diese definitionsgemäß kein Ergebnis vollständig übereinstimmender Parteiwillen sind.438

Medicus, BGB AT, N.  505; vgl. auch Zimmermann, 193. Zum Ganzen Uffmann, 243. 437  Anderer Ansicht Thier A., in: AcP 203 (2003), 399, 425–427; Boemke-Albrecht, 65. 438  Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 238; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1130; Schwenzer, OR AT, N.  45.03; Koller A., OR AT, §  23 N.  30–38. 435 

436 

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege eines zeitgeistgebundenen Phänomens? I. Ausgangslage „Geltungserhaltende Reduktion“ ist zwar kein feststehender Rechtsbegriff, aber er besetzt einen festen Platz in Literatur und Judikatur. Im Falle von AGB wird die damit einhergehende Vorgehensweise des Gerichts zunehmend in Frage gestellt. Das Bundesgericht hat diese Kritik in einem nicht publizierten Entscheid aus dem Jahr 2008 aufgenommen und im konkreten Fall entschieden, dass es bei nichtigen Klauseln keine geltungserhaltende Reduktion vornehme, wenn diese durch AGB global übernommen worden seien und eine zum Schutz der schwächeren Partei erlassene gesetzliche Bestimmung verletzten.1 Damit hat das Bundesgericht einen Meinungsumschwung angedeutet. Denn in seinem grundlegenden Entscheid BGE 123 III 292 zur geltungserhaltenden Reduktion aus dem Jahr 1997 hat es das Problem der richterlichen Vertragsanpassung, für das es bislang keinen speziellen Ausdruck kannte, benannt und als Ausdruck des „Zeitgeistes“, an dem „auch die Rechtsanwendung nicht vorbeisehen“ könne, in die Rechtsfolgendebatte übermäßiger Vertragsinhalte eingebettet. Die geltungserhaltende Reduktion von AGB hat es damals noch ausdrücklich anerkannt, denn es konstatierte, dass „die formale Vertragsfreiheit durch materielle Vertragsgerechtigkeit verdrängt“ werde, „besonders deutlich etwa in den Gebieten des Miet- und Arbeitsrechts, des Konsumentenschutzes oder der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“. Die zeitgemäße Rechtsüberzeugung sei „nicht mehr allein vom Schwarz-weiss-Schema der Gültigkeit oder Nichtigkeit privater Rechtsgestaltung geprägt“, sondern fasse immer fester auch „in der Grau­ zone der geltungserhaltenden Reduktion fehlerhafter Kontakte [sic] durch richterliche Inhaltskorrektur Fuss“.2 1 

BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.2.1. BGE 123 III 292 E. 2 e/aa S.  297 f.; in diesem Sinne bereits Spiro, in: ZBJV 12/1952, 497, 529–533. 2 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Indem das Bundesgericht den richterlichen Eingriff in den Vertrag in seinem Leitentscheid BGE 123 III 292 als Ausdruck des „Zeitgeistes“ betrachtete und die geltungserhaltende Reduktion als ein zunehmendes Phänomen auf Rechtsfolgenseite bezeichnete, suggerierte es eine Kausalbeziehung zwischen gesetzgeberischen Materialisierungstendenzen und der Möglichkeit zur richterlichen Leistungsreduktion. Die Phänomenologie der Reduktionsnormen im geltenden Recht mag diese Anschauung stützen, da dem Gericht vor allem im „materialisierten“ bzw. „sozialen“ Privatrecht ausdrücklich die Möglichkeit zur Übermaßkorrektur übertragen wird.3 Allerdings ist fraglich, ob das Zeitgeistargument wirklich überzeugen kann. Der Begriff „geltungserhaltende Reduktion“ ist eine sprachliche Neuschöpfung für ein altbekanntes Problem, nämlich die Übermaßkorrektur im Falle, dass ein Vertrag normative Grenzen verletzt.4 In jeder differenzierten Rechtsordnung können Verträge ihrem Inhalt nach normative Grenzen über- oder unterschreiten.5 Zugleich ist fraglich, ob die angesprochene Materialisierungstendenz wirklich eine neue ist.6 Um der Problemgeschichte der geltungserhaltenden Reduktion auf den Grund zu gehen, ist zu prüfen, in welchen Gebieten und unter welchen Voraussetzungen vom Bundesgericht „Reduktionswege“ beschritten wurden. Der Blick zurück soll zeigen, ob geltungserhaltende Reduktionen tatsächlich eine Zeitgeisterscheinung sind oder ob sie als Alternative zur Unwirksamkeit eines mangelhaften Vertrags nicht viel eher einen festen Platz in der Rechtsanwendung besetzen. Dort, wo Fallgruppen einer geltungserhaltenden Reduktion ausgemacht werden, soll sodann herausgearbeitet werden, wie das Gericht seine Vorgehensweise begründete. Hierzu sind besondere Schlaglichter auf die prozedurale und materiale Ebene der geltungserhaltenden Reduktion sowie auf die zitierten Rechtsgrundlagen zu richten. Dabei soll auch herausgearbeitet werden, ob und inwiefern das Bundesgericht die Ersatzregelbildung an die Privatauto­ nomie zurückbindet. Entscheidend hierfür ist, ob das Bundesgericht dem hypo­ thetischen Parteiwillen eine Schlüsselfunktion bei der Ersatzregelbildung ­z u­erkennt. Zudem ist zu prüfen, ob und, wenn ja, durch welche Autoren das Bun­desgericht bei seiner Entscheidfindung beeinflusst war oder ob die Gesetzes­ materialien ihm Anhaltspunkte für seine Vorgehensweise gaben. Auf Grundlage der Rechtsprechungsanalyse sollen schließlich nicht nur die Begriffsunschärfen und Anwendungsfelder stärker konturiert, sondern ebenso S. zu den einzelnen Reduktionsnormen oben S.  35 ff.; grundlegend Canaris, in: AcP 200 (2000), 273 ff. 4 Vgl. Uffmann, 239. 5  Vgl. etwa Herzog, 13. 6 Dazu eingehend Hofer, Vertragsfreiheit; dies., Freiheit; vgl. auch Repgen; so etwa ­Grebieniow, N.  257–264; a. A. Abegg, in: AJP 9/2005, 1113 ff. 3 

II. Untersuchungsgegenstand

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die künftige Behandlung von übermäßig bindenden AGB in der Rechtsprechung des Bundesgerichts prognostiziert werden. In der Lehre ist umstritten, ob der nicht publizierte Entscheid aus dem Jahr 2008 zu einer Änderung der Rechtslage bezüglich der geltungserhaltenden Reduktion von übermäßigen Klauseln geführt hat.7 Um diesen Meinungsstreit zu entschärfen, wird vorrangig untersucht, ob das Bundesgericht AGB vor 2008 im Falle von Übermaßproblema­ tiken auf Rechtsfolgenseite im Vergleich zu Individualverträgen unterschiedlich behandelt hat. Anhand dessen soll beantwortet werden, ob zwischen 1997 und 2008 das Ende einer Ära eingeleitet wurde oder ob sich der vermeintliche Wider­spruch zwischen diesen beiden Urteilen im Lichte der Gesamtrechtsprechung auflösen lässt.

II. Untersuchungsgegenstand Die Einzelfallanalyse der bundesgerichtlichen Leitentscheide beginnt 1883 und nimmt die Vorgehensweise des Gerichts im Falle übermäßiger Inhalte synallagmatischer Verträge in den Blick. Der Betrachtungszeitraum setzt mit Inkraft­ treten des aOR (1881) an. Dem Bundesgericht kam zwar auf Grundlage von Art.  110 aBV (1874)8 schon früher Entscheidungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts zu, jedoch mit Blick auf Streitigkeiten zwischen Privaten gemäß Ziff.  2 nur soweit, als diese „eine durch die Bundesgesetzgebung zu bestimmende Bedeutung“ hatten. Das aOR (1881) war das erste im Bereich des Zivilrechts erlassene Bundesgesetz, daher ging mit dessen Inkrafttreten im Jahr 1883 die erste Kompetenzerweiterung des Bundesgerichts in diesem Rechtsgebiet einher.9 7 Bejahend: Rusch, in: sui-generis 4/2016, 73, 74; Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 62; Rusch/Bornhauser, in: AJP 10/2012, 1228, 1238; Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; ablehnend: Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1209 f.; offengelassen bei Schott, in: ST 2/2012, 78, 80; Maissen, N.  344; Kern/Bettinger, in: ZEuP 3/2014, 562, 573; Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 525; Richter, 164 f. 8  Art.  110 aBV (1874): „Das Bundesgericht beurteilt zivilrechtliche Streitigkeiten: 1. zwischen dem Bunde und den Kantonen; 2. zwischen dem Bunde einerseits und Korporationen oder Privaten andererseits, wenn der Streitgegenstand eine durch die Bundesgesetzgebung zu bestimmende Bedeutung hat, und wenn diese Korporationen oder Privaten Kläger sind; 3. zwischen den Kantonen unter sich; 4. zwischen den Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten andererseits, wenn der Streitgegenstand von einer durch die Bundesgesetzgebung zu bestimmenden Bedeutung ist und eine Partei es verlangt. Das Bundesgericht urteilt ferner über Anstände betreffend Heimatlosigkeit sowie über Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone.“ 9 Grundlegend Duss; Seferovic.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Der Untersuchung liegen Entscheide aus den Bänden 9 bis 143 der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Zivilrecht – also je nach Zeitabschnitt, soweit das Bundesgericht schon untergliedert war, aus der zweiten oder dritten Abteilung – zugrunde.10 Die Sammlung setzt sich zusammen aus Urteilen, die sich aufgrund einer Dispositivanalyse mit Blick auf die richterliche Übermaßkorrektur als relevant erwiesen haben.11

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Die Rechtsprechungsanalyse ist geordnet nach gerichtlichen Übermaßkorrekturen, die – zumindest in der Theorie – auf eine einseitig übermäßige vertragliche Bindung oder ein vertragliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zurückgehen. Erstere Kategorie wird weiter unterteilt nach normativen Schranken, die eine gesetzlich nicht fixierte oder eine fixierte Zulässigkeitsgrenze enthalten.

1.  Einseitig übermäßige Bindungen als absolutes Übermaß a)  Allgemeines vertragsrechtliches Schrankenkonzept Eine übermäßige Bindung lässt sich vor dem Hintergrund des gesetzlichen Referenzrahmens erkennen. Das OR kennt allgemeine Schranken wie die guten Sitten und den Schutz der Persönlichkeit, welche die Zulässigkeit des Vertragsinhalts festlegen, und besondere. Diese können Ausdruck einer allgemeinen Schranke sein (vgl. Art.  163 OR12 zum Schutze vor übermäßigen Konventionalstrafen, ebenso Art.  340a OR sowie Art.  406h und Art.  417 OR13) oder aber eine andere Wertung des Gesetzgebers durch ihren zwingenden Inhalt verwirklichen (vgl. Art.  100 Abs.  1 oder Art. 199 OR).14 10 

Berücksichtigt wurden die Urteile bis BGE 143 III 55 (Stand am 16. Mai 2017). Ob die kantonale Rechtsprechung zu dieser Frage Einfluss auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung hatte, muss an dieser Stelle offenbleiben. 12  Dass der Schutz vor übermäßigen Konventionalstrafen auf die freie, persönliche Entfaltung des Einzelnen gerichtet ist, wird aus BGE 138 III 322 E. 4.3.3 S.  329 f. ersichtlich. 13  Koller A., OR AT, §  13 N.  147. In BGE 117 II 286 E. 5b S.  290 heißt es ausdrücklich, dass der Grundgedanke des Art.  417 OR darin liege, „übermässige rechtsgeschäftliche Bindungen analog zur Vorschrift von Art.  27 Abs.  2 ZGB zu verhindern“. 14  Vgl. hierzu Abegg, der vertritt, dass „zwingende Inhaltsnormen nicht einem vorgegebenen und ein für alle Mal fixierten Konditionalprogramm folgen, sondern Eingriffe mittels zwingende[r] Inhaltsnormen in selbstorganisierte Systeme […] ‚ad hoc‘, d. h. vor allem prob11 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Vertragsschranken können die übermäßige Bindung eines Vertragspartners indizieren, die eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß diskutabel macht. Diese Rechtsfolge wird aber immer dann durch die Unwirksamkeit verdrängt, wenn der Verstoß gegen eine Verbotsnorm zwingend die Nichtigkeit als Rechtsfolge erfordert (Widerrechtlichkeit), wenn der Vertragsinhalt als verwerflich gilt (Sittenwidrigkeit) oder wenn im Vertrag über ein Rechtsgut verfügt wird, das nicht disponibel ist (unzulässige Persönlichkeitsverletzung). Die Widerrechtlichkeit hat das Bundesgericht in den folgenden Fällen geprüft und im Falle ihrer Bejahung die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des entsprechenden Vertrags festgestellt (Kasuistik hier und im Folgenden chronologisch sortiert): Unter altem Recht wurde die Widerrechtlichkeit bejaht in BGE 20, 227 (Urteil vom 30. März 1894; „Verkauf von Mündelgut“); BGE 26 II 758 („Schiedsmannklausel“); BGE 31 II 688 („Schiedsmannklausel“); BGE 37 II 65 („Umgehung der Zwangsvollstreckung“); BGE 37 II 385 („Bezahlung eines Zeugen“); BGE 37 II 401 („Missbrauch des ärztlichen Titels“); BGE 40 II 370 („Baupolizeiwidrigkeit eines Mansardenzimmers“). Keine Widerrechtlichkeit wurde erkannt in BGE 31 II 896 („zeitweise Aufgabe der persönlichen Freiheit“); BGE 35 II 247 („Unfallversicherung“); BGE 43 II 301 („Bedingung im Falle der Aktienübernahme“).15 Unter neuem Recht wurde die Widerrechtlichkeit bejaht in BGE 39 II 224 („Verstoß gegen die Formvorschrift des Art.  216 OR“); BGE 41 II 743 („Verstoß gegen ein kantonales Verbotsgesetz“); BGE 45 II 280 („Verstoß gegen die Kriegswucherverordnung“); BGE 45 II 548 („Verstoß gegen die Verordnung betr. den Verkehr mit Lebensmitteln“); BGE 60 II 98 („Formmangel“); BGE 64 II 233 („Versicherungsklausel zu den Folgen eines ärztlichen Kunstfehlers im Zuge einer kriminellen Abtreibung“); BGE 69 II 230 („Vermögensverwaltung“); BGE 73 II 158 („Verpflichtung, die Vormerkung des Vor- oder Rückkaufsrechts nach zehn Jahren erneuern zu lassen“); BGE 80 II 327 („Darlehensvertrag“); BGE 82 II 21 (pactum de non licitando); BGE 82 II 129 („Verstoß gegen einen Bundesratsbeschluss zu Kriegsmaterial“); BGE 86 II 71 („Bürgschaft in Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Brotgetreideversorgung“); BGE 90 II 34 („Formmangel“); BGE 93 II 71 („Ewige Grundlast“); BGE 93 II 97 („Formmangel“); BGE 93 II 189 („Verstoß gegen den kantonalen Höchstzins“); BGE 98 II 305 („Verstoß gegen Art.  404 Abs.  1 OR“); BGE 102 II 401 („Verstoß gegen das Verbot in Art.  3 Abs.  1 der Verordnung vom 10. Januar 1973 über die Kleinkredit- und Abzahlungsgeschäfte“); BGE 110 II 360 („Verstoß gegen die Verordnung über Maßnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder“); BGE 115 II 464 („Verstoß gegen Art.  404 Abs.  1 OR“); BGE 116 II 145 („Verstoß gegen das Verbot ungleicher Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag nach aArt.  336 Abs.  2 OR“); BGE 118 II 136 („Verstoß gegen Art.  329d OR aufgrund der Bezahlung der Ferienvertretung durch den Arbeitnehmer“); BGE 126 III 182 („gewerbsmäßiger Kauf auf Rückkauf“); BGE 141 III 64 („Doppelmäkelei beim Vermittlungsmäklervertrag“); BGE 141 III 596 („Vertraglicher Vorausverzicht auf die Anhebung einer Beschwerde an das lembezogen vorgenommen sowie konstant überprüft und revidiert werden [müssen]“, ders., in: AJP 9/2005, 1113, 1114. 15  Vgl. zum Ganzen auch die Beispiele bei Schneider/Fick, Kommentar zum Schweizerischen Obligationenrecht, Art.  17 OR N.  4 –17.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Bundesgericht“). Die Widerrechtlichkeit wurde (implizit) verneint in BGE 48 II 284 („Verkürzung der Klageausschluss- und Verjährungsfrist mit Blick auf Art.  46, 98 aVVG [1908]“); BGE 51 II 142 („Vorausverzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts“); BGE 53 II 35 („Bürgschaft zur Gläubigerbegünstigung im Konkurs“); BGE 62 II 108 („Mäklervertrag“); BGE 63 II 245 („Verzicht auf Teilnahme am Submissionsverfahren“); BGE 64 II 361 („Verkauf eines Aktienmantels“); BGE 76 II 33 („Garantievertrag“); BGE 80 II 45 („Unverzollter Vertragsgegenstand“); BGE 81 II 613 („Verpflichtung auf Zahlung außerhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs“); BGE 82 II 72 („Verzicht auf bäuerliches Vorkaufsrecht“); BGE 86 II 243 („Konkurrenzverbot mittels einer Grunddienstbarkeit“); BGE 96 II 18 („Wahlobligation“); BGE 102 II 339 („Vereinbarung zulasten von Rechten Dritter“); BGE 114 II 314 („Konkurrenzverbot mittels einer Grunddienstbarkeit“); BGE 132 III 24 („Akontozahlungen, welche die tatsächlich anfallenden Nebenkosten im Sinne von Art.  257a Abs.  2 OR wesentlich unterschreiten“); BGE 139 III 1 („Reglementarisches Verbot, die gemäß dem Sonderrecht ausgeschiedenen Teile im Stockwerkeigentum zur Einrichtung einer Kinderkrippe zu benutzen“).

Im Sinne der Sittenwidrigkeit verwerfliche Abreden haben sich – zum Teil unter gleichzeitiger Bejahung ihrer Widerrechtlichkeit – über die Zeit in folgenden Fällen gezeigt: Bejaht wurde die Sittenwidrigkeit unter altem Recht in BGE 20, 227 (Urteil vom 30. März 1894; pactum de non licitando); BGE 20, 607 (Urteil vom 14. Juli 1894; „Eheauskauf“); BGE 21, 837 (Urteil vom 22. Juni 1895, „Begnadigungsgesuch“); BGE 24 II 862 („Verkauf eines Bordellgeschäfts“); BGE 25 II 827 („Heiratsvermittlung“); BGE 26 II 442 („Interessenkonflikt bei Vermittlung des Kaufes“); BGE 29 II 471 („Betrieb eines Spielcasinos“); BGE 30 II 413 („geheim gehaltenes Provisionsversprechen“); BGE 33 II 428 („Miete eines Hurenhauses“); BGE 34 II 46 („Provisionsversprechen“); BGE 37 II 385 („Bezahlung eines Zeugen“); BGE 37 II 401 („Missbrauch des ärztlichen Titels“); BGE 39 II 85 („Belohnung für ehebrecherische Dienste“).16 Verneint wurde die Sittenwidrigkeit in BGE 24 II 857 („klagloses Differenzgeschäft“); BGE 26 II 140 („Vertrag zur Herbeiführung eines vertraglich verbotenen Erfolgs“); BGE 29 II 114 („Herstellung eines Geheimmittels“); BGE 30 II 73 (pactum de [non] licitando); BGE 33 II 73 („Allgemeine Versicherungsbedingungen“); BGE 34 II 681 („Nach zürcherischem Börsengesetz verbotenes Geschäft“); BGE 35 II 50 („Vertrag über die entgeltliche Abtretung einer ärztlichen Praxis“); BGE 35 II 63 („Doppelvertretung“); BGE 36 II 178 („Stelle eines Kurarztes“); BGE 38 II 556 („Schiedsmannklausel“); BGE 39 II 56 („Naturheilverfahren“).17 Gemäß Art.  20 OR wurde auf Sittenwidrigkeit erkannt in BGE 48 II 270 („Vertrag zur Täuschung der Fiskalbehörden“); BGE 66 II 256 („Vertrag über bezahlte Beihilfe zur Erbschleicherei“); BGE 69 II 230 („Vermögensverwaltung“); BGE 95 II 37 („Schmiergeldversprechen“); sie wurde verneint in BGE 43 II 803 („Verzinsung eines Dar­ 16  Obwohl Art.  17 aOR (1881) die Teilnichtigkeit nicht vorsah, wurde in dieser Aufzählung BGE 21, 837 (Urteil vom 22. Juni 1895) für teilnichtig befunden; alle anderen Verträge sittenwidrigen Inhalts fielen unter altem Recht ganz dahin. 17  Vgl. dazu auch Abegg, in: AJP 9/2005, 1113, 1116; aus der zeitgenössischen Literatur insbesondere Schneider/Fick, Kommentar zum Schweizerischen Obligationenrecht, Art.  17 OR N.  3; kritisch zu diesem unbestimmten Rechtsbegriff äußerten sich damals insbesondere Zürcher, 20 f.; Savigny, System I, 370 f. Letzterer vertrat, dass bestimmte Lebensbereiche, wie Sexualität, Familie und Standesbezüge, aus dem Vertragsrecht ausgeschlossen seien, da sie „den sittlichen Einflüssen ausschließend überlassen“ bleiben.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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lehens mit einem Bonus“); BGE 47 II 86 („Provisionsversprechen“); BGE 47 II 166 („in Prozenten des Vermögens gemachtes Honorarversprechen“); BGE 49 II 466 („Simulation beim Grundstückkauf“); BGE 50 II 142 („Simulation beim Grundstückkauf“); BGE 52 II 60 („Simulation beim Grundstückkauf“); BGE 53 II 317 („Disparate Kündigung eines Vertrags“); BGE 54 II 333 („Theaterspektakel“); BGE 63 II 245 („Verzicht auf Teilnahme am Submissionsverfahren“); BGE 71 II 132 („Vereinbarung über die Scheidungsfolgen“); BGE 76 II 33 („Garantievertrag“); BGE 79 II 113 („Zur Aufhebung der Vormundschaft errichtete Stiftung“); BGE 80 II 45 („Unverzollter Vertragsgegenstand“); BGE 80 II 49 („gegen Deutsches Recht verstoßendes Devisengeschäft“); BGE 87 II 147 („Konventionalstrafe“); BGE 102 II 339 („Vereinbarung zulasten von Rechten Dritter“); BGE 115 II 232 („Vergütung für den Rückzug eines nicht aussichtslosen Baurekurses“); BGE 132 III 455 („Schenkungsvertrag“).

Auch zu persönlichkeitsverletzenden Vertragsinhalten besteht eine reichhaltige Kasuistik. Diese hat sich auf Grundlage des 1911 in Kraft getretenen Art.  27 ZGB entwickelt. Gemäß Abs.  1 gilt der Verzicht auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit als persönlichkeitsverletzend. Diese Bestimmung dient dem Schutz der Dispositionsfähigkeit mit Blick auf zukünftige Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte. Absatz 2 ist sodann auf die Gewährleistung der zukunftsorientierten, lebensgestaltenden Entscheidungsfreiheit ausgerichtet. Zu Art.  27 Abs.  2 ZGB haben sich zwei Fallgruppen von Persönlichkeitsver­ letzungen herausgebildet: Der ersten Gruppe unterfallen Vertragsbindungen, die den höchstpersönlichen Kernbereich einer Vertragspartei tangieren. Meist handelt es sich um Verträge, welche die psychische oder physische Integrität des einen Vertragspartners verletzen. Da diese Rechtsgüter einem Bindungsausschluss unterliegen, kann über sie nicht rechtsgültig disponiert werden. Entsprechende Verträge sind daher nichtig.18 Der zweiten Gruppe unterfallen vertragliche Einschränkungen der wirtschaftlichen Dispositions- und Bewegungsfreiheit. Diese sind innerhalb der gesetzlichen Grenzen zulässig, nicht jedoch, wenn sie das Übermaßverbot verletzen. Die Unzulässigkeit eines persönlichkeitsrechtswidrigen Vertrags gemäß Art.  27 Abs.  2 ZGB beruht also entweder auf dem Gegenstand der Bindung oder aber auf dessen Übermaß.19 Nur Verträge, die der zweiten Gruppe des Abs.  2 zuzuordnen sind, gelten aufgrund ihres wirksamkeitswahrenden Kerns als Anknüpfungspunkt für eine geltungserhaltende Reduktion. Die Rechtsprechung zur unzulässigen Persönlichkeitsverletzung außerhalb des Übermaßverbots von Art.  27 Abs.  2 ZGB zeigt folgendes Bild, wobei das 18  BGE 129 III 209 E. 2.2 S.  213 f. Die Kasuistik zu dieser Fallgruppe zeigt sich als nicht sehr reichhaltig: s. hierzu sogleich; vgl. auch die Beispiele bei Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-­ Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 91 f. 19 S. BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  162; BSK-Huguenin, Art.  27 ZGB N.  9; BGE 136 III 401 E. 5.4 S.  407.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Bundesgericht allerdings die Fallgruppen zu Abs.  1 und 2 nicht immer sauber trennte:20 Das Bundesgericht hat in BGE 43 II 341 E. 2 S.  347 eine Vertragsklausel, die den Vertragsschluss, konkret einen Darlehensvertrag, mit Dritten von der Zustimmung des Vertragspartners abhängig machte, für nichtig und den Vertrag in der Folge für teilnichtig befunden. In BGE 44 II 77 wurde dem Bundesgericht eine Bestimmung einer katholischen Landwirtschaftsgenossenschaft vorgelegt, aufgrund derer Statuten ein Genossenschafter ausgeschlossen wurde, weil er eine geschiedene Frau heiratete. Vom Bundesgericht wurde diese Regel mit Blick auf Art.  27 Abs.  2 ZGB als unbedenklich eingestuft. Eine solche Regel verstoße insbesondere nicht gegen die verfassungsrechtliche Garantie der Ehe. Verfassungsrechtlich und mittelbar auch privatrechtlich bedenklich wäre nur ein vertragsstrafenbewährtes statutarisches Eheverbot „de nature à exercer une contrainte sur le sociétaire et à l’empêcher ainsi indirectement d’exercer un droit qui lui est reconnu par la législation fédérale […]“, a. a. O., E. 2 S.  81 f. Eine einfache Gesellschaft, die zur Betreibung einer gemeinsamen Strafklage gegründet wurde, verfolgt zwar keinen widerrechtlichen oder sittenwidrigen Zweck, wenn der Gesellschaftsvertrag von den Beteiligten nicht „gegen besseres Wissen, oder gar in böser Absicht“ abgeschlossen wurde. Allerdings muss jeder Gesellschafter das Recht haben, jederzeit und ohne Angaben von Gründen aus dieser Gesellschaft auszuscheiden, „denn wenn ein Privater eine Strafklage erhebt, so tut er es nicht nur auf seine rechtliche, sondern im besonderen auf seine moralische Verantwortlichkeit hin. Hinsichtlich dieser letzteren muss ihm aber sein eigenes Urteil unbeschränkt gewährt werden“, BGE 48 II 439 E. 3 S.  442 f. In BGE 67 II 128 E. 3 S.  131 wurde ein Bürgschaftsvertrag, der den Bürgen dazu verpflichten sollte, jeden beliebigen Schuldnerwechsel zu akzeptieren, für nichtig befunden. Als mit Art.  27 Abs.  2 ZGB vereinbar galt ein auf sechs Jahre abgeschlossener Aktionärs­ bindungsvertrag. In diesem Entscheid wurde darauf abgestellt, dass „les engagements de nature pécuniaire ne sont contraires aux moeurs que s’ils mettent en péril l’existence économique du débiteur“, worin, „[e]n s’obligeant à voter selon les décisions du groupe et à déposer ses actions en main tierce, pendant une durée de six ans“, allerdings kein solches Risiko erkannt wurde, BGE 88 II 172 E. 2a S.  174. Ausdrücklich vor dem Hintergrund des Art.  27 Abs.  1 ZGB für unzulässig erklärte das Bundesgericht das Versprechen, einen Erbvertrag abzuschließen, BGE 108 II 405 E. 2 S.  407–409. Das Bundesgericht hat sodann in BGE 128 III 428 festgehalten, aus Art.  27 ZGB ergebe sich, dass jedermann frei darüber entscheiden könne, ob er weiterhin einer Gemeinschaft angehören wolle, bei der es sich nach Angaben der Beklagten „um eine klösterliche Ordensgemeinschaft mit sehr strengen Regeln“ handelte. Es führte aus, der Austritt aus einer solchen Gemeinschaft müsse – auch ohne Angaben von Gründen – jederzeit zulässig sein. Im zu beurteilenden Fall sah das Bundesgericht den Austritt überdies als wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des der Gemeinschaft zinslos gewährten Darlehens. Artikel 27 ZGB erachtete das Bundesgericht zum einen wegen der langen Laufzeit von zehn bis 22 Jah­ 20  Während die ersten beiden Fallgruppen nur stichwortartig aufgelistet wurden, bedarf die Rechtsprechung zur unzulässigen Persönlichkeitsverletzung einer ausführlicheren Darstellung. Das Bundesgericht hat hier zuweilen eine unklare Subsumption unter Art.  27 Abs.  1 oder 2 ZGB vorgenommen. Eine saubere Abgrenzung wäre allerdings Voraussetzung, um über eine mögliche Übermaßkorrektur zu sprechen.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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ren für verletzt. Zum anderen liege auch eine „übermässige, unzumutbare Einschränkung des persönlichkeitsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin vor, da sie mit dem aus­ geliehenen Geld eine Gemeinschaft unterstützen muss, deren Interessen und Ziele sie nicht mehr teilt und auf die sie auch keinen Einfluss mehr ausüben kann“, a. a. O., E. 4 S.  432–434. Abgelehnt wurde eine übermäßige Bindung in BGE 136 III 401 im Falle einer vertraglich vereinbarten Veröffentlichung von erotischen Fotos im Internet. Das Recht am eigenen Bild stellt gemäß dem Bundesgericht eine Unterart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinne von Art.  28 Abs.  1 ZGB dar. Das Bundesgericht führte in Abgrenzung zum Übermaßverbot aus: „Sodann ist daran zu erinnern, dass es vorliegend nicht um die Einwilligung der Beschwerdegegnerin in Handlungen geht, die allenfalls in die eigene Intimsphäre eingreifen würden, sondern lediglich um die Veröffentlichung von Bildern, die derartige Handlungen wiedergeben. Dadurch wird der Kernbereich der Persönlichkeit der Beschwerdegegnerin nicht betroffen […].“, a. a. O., E. 5.4.2 S.  408.21

Verstieß ein Vertrag gegen Art.  27 ZGB so zog dies regelmäßig die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit der Vereinbarung nach sich. Allerdings zeigt die bundes­ gerichtliche Rechtsprechung einen Wandel mit Blick auf die Frage, wer die Nichtigkeit geltend machen darf, womit sich hier eine vom traditionellen Nichtigkeitsbegriff des Art.  20 OR losgelöste flexible Nichtigkeit zeigt.22 Gemeinsam ist den genannten Vertragsschranken, ob sie nun in der Rechts-, Sitten- oder Persönlichkeitsrechtswidrigkeit liegen, dass ihre Verletzung aufgrund des nicht vorhandenen wirksamkeitswahrenden Kerns der vertraglichen Abrede eine Übermaßkorrektur ausschließt. Im Folgenden werden sie daher nicht näher untersucht. Die Fallgruppen der Rechtsprechung zur übermäßigen Bindung, die aufgrund ihres wirksamkeitswahrenden Kerns eine geltungserhaltende Reduktion dagegen diskutabel machen und damit Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, werden nachfolgend danach gruppiert, ob die Zulässigkeitsschranke im Gesetz festgeschrieben ist oder nicht.23 b)  Gesetzlich nicht fixierte Zulässigkeitsschranken Der Schutz der freien persönlichen Entfaltung besteht in der schweizerischen Rechtsordnung nicht nur gegenüber Beeinträchtigungen durch den Staat, sondern auch im Hinblick auf Eingriffe durch Private.24 Sowohl das aOR (1881) wie auch das revidierte OR sind vom Gedanken getragen, dass sich niemand seiner Freiheit in einem die Sittlichkeit verletzenden Grad entäußern darf.25 21  Vgl. auch weitere Beispiele bei Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 91 f. 22  S. hierzu BSK-Huguenin, Art.  27 ZGB N.  18. 23  S. zur offenen Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite als Ansatzpunkt für eine geltungserhaltende Reduktion oben S.  67. 24  BGE 138 III 322 E. 4.3.1 S.  329 m. w. H. 25  Vgl. BGE 138 III 322 E. 4.3.1 S.  329; weiterführend BSK-Huguenin, Art.  27 ZGB N.  1 ff.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Auf Grundlage dieses Schrankenkonzepts zum Schutze der freien Persönlichkeitsentfaltung hat das Bundesgericht in den letzten 140 Jahren eine reiche Rechtsprechung zu unsittlich-übermäßigen Vertragsinhalten entwickelt; es beurteilte ihre Zulässigkeit zunächst im Allgemeinen nach Art.  17 aOR (1881) und insbesondere Konventionalstrafen mit Blick auf Art.  182 aOR (1881). Später fand die Inhaltskontrolle auf Grundlage von Art.  27 Abs.  2 ZGB und den Bestimmungen des OR statt.26 Wie aus den Gesetzesmaterialien zum ZGB hervorgeht, war eine geltungserhaltende Reduktion im Falle übermäßiger Bindungen zunächst nur mit Blick auf die Konventionalstrafe vorgesehen. Insbesondere für lebenslange Dienstverhältnisse und unbeschränkte Konkurrenzverbote erblickte Eugen Huber, der Verfasser des ZGB, die richtige Rechtsfolge ausdrücklich in der Unwirksamkeit solcher Verträge.27 Der Schutz vor übermäßiger Bindung war Huber scheinbar derart wichtig, dass er der Rechtsprechung an diesem Punkt keinen Spielraum gewähren wollte:28 „Allein auch hier lässt sich nicht sagen, dass der Gesetzgeber durch die Vorschrift für einzelne Rechtsverhältnisse wirklich dem Genüge thue, was zu wünschen ist. Es bleibt unsicher, ob die analoge Rechtsanwendung zugelassen oder ausgeschlossen sein soll, und richtiger wird es daher sein, wenn der Grundsatz der Unveräusserlichkeit der Rechtsfähigkeit in einer allgemeinen Formel ausgesprochen wird: Niemand soll sich über Gebühr in seiner Rechtsfähigkeit einschränken dürfen, wobei für die Tragweite der Vorschrift stets dasjenige als Massstab dienen wird, was allen gerecht ist, und was ein jeder für sich selber als gerecht anerkennen muss.“29

Bei Huber bildeten demnach die Person und ihre Freiheit die Grenze der Vertragsgestaltung. Den Begriff der „guten Sitten“ sparte er aus und nannte mit der Formulierung „was allen gerecht ist, und was ein jeder für sich selber als gerecht anerkennen muss“ stattdessen die Methode, nach welcher die Sittlichkeitsgrenze zu finden ist.30 Das nach Inkrafttreten des ZGB im Jahr 1907 revidierte und seit 1912 geltende OR schränkte Hubers Ansatz insofern ein, als es zusätzlich zur Herabsetzung der Konventionalstrafe neuerdings auch eine entsprechende Regelung für übermäßige dienstvertragliche Konkurrenzverbote (aArt.  357) und Mäklerlöhne (aArt.  417) vorsah. Wie zu zeigen sein wird, entsprach die von Huber gemachte Vorgabe bezüglich der übermäßigen Selbstbindung, welche in Art.  27 allerdings mit offener Rechtsfolge ihren Ausdruck gefunden hat, bereits der frü26 

S. BGE 84 II 266 E. 4 S.  276. Weiterführend zur Person Eugen Hubers Manaï-Wehrli, Art. „Huber, Eugen“, in: HLS 2008; Caroni, in: ZSR 1/1991, 381 ff. 28  Hofer, in: recht 2/2008, 58, 60. 29  Huber, Erläuterungen zum Vorentwurf, 48. 30  Hofer, in: recht 2/2008, 58, 60 f. 27 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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heren bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Auch nach Inkrafttreten des ZGB und OR wurde sie außerhalb der genannten Reduktionsnormen weitestgehend eingehalten, indem das Bundesgericht stets die Unwirksamkeit solcher Verträge feststellte. Die einzelnen Fallgruppen, in denen das Bundesgericht im Falle von übermäßigen Vertragsinhalten eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen hat, werden im Folgenden entsprechend der Systematik des OR dargestellt. Abgerundet wird die Rechtsprechungsanalyse mit zwei allgemeineren Fallgruppen, nämlich den überlangen Dauerschuldverhältnissen und Vertragsabreden, die gegen das Übermaßverbot in Art.  27 Abs.  2 ZGB als Auffangnorm verstoßen. aa)  Reduktion übermäßiger Konventionalstrafen (1) Ausgangslage Den Vertragsparteien steht es offen, akzessorisch zu einer bestimmten Schuld eine Leistung zu vereinbaren, die der Schuldner der Gläubigerin im Falle der Schlecht- oder Nichterfüllung des Vertrags zu leisten hat. Konventionalstrafen sollen die korrekte Erfüllung des Vertrags durch den Strafschuldner fördern und gleichzeitig die Gläubigerinnenstellung verbessern, da diese vom Schadensnachweis entbunden wird.31 Konventionalstrafen können dem Grundsatz nach im Rahmen der allgemeinen Vertragsschranken „in beliebiger Höhe“ festgesetzt werden. Dieser allgemeine Grundsatz der Vertragsfreiheit findet sich in Art.  182 aOR (1881)32 und in Art.  163 Abs.  1 OR. Zugleich erfährt die Inhaltsfreiheit als Aspekt der Vertragsfreiheit in den genannten Bestimmungen aber eine empfindliche Einschränkung: Sowohl nach altem als auch nach geltendem Recht können Konventionalstrafen, die übermäßig sind, nicht verbindlich vereinbart werden. Als Rechtsfolge ordnen Art.  182 aOR (1881) und Art.  163 Abs.  3 OR zwingend die Leistungsreduktion durch das Gericht an.33 Hierfür werden jedoch weder Kriterien zur Ermittlung des Übermaßes noch zum Umfang der Reduktion festgesetzt, sondern es wird auf das gerichtliche Ermessen gemäß Art.  4 ZGB verwiesen. Auch die Materialien sowohl zum aOR als auch zum OR enthalten diesbezüglich keine näheren Hinweise. Die Lehre folgert aus den Grundsätzen der Vertragstreue sowie der Vertragsfreiheit, dass Gerichte KonBGE 122 III 420 E. 2a S.  422 m. w. H.; kritisch Posner R., Economic Analysis of Law, 140–142. 32  Art.  182 aOR (1881): „Die Konventionalstrafe kann von den Parteien in beliebiger Höhe bestimmt werden. Jedoch ist der Richter befugt, übermäßige Strafen nach billigem Ermessen herabzusezen.“ 33  Vgl. BGE 133 III 201 E. 5.2 S.  209 m. w. H.; 143 III 1 E. 4.1 S.  2. 31 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

ventionalstrafen zurückhaltend kürzen sollen.34 Übermäßige Konventionalstrafen seien nur soweit herabzusetzen, als sie nicht mehr übermäßig sind, also auf das gerade noch Zulässige; das Maß der Herabsetzung ergibt sich damit theoretisch aus der Subtraktion des noch Zulässigen als dem Soll- vom Ist-Zustand.35 (2)  Übermaßkriterien Die vom Bundesgericht zur Feststellung des Übermaßes ermittelten Kriterien haben sich seit Erlass des aOR (1881) verschoben: Während der Konventionalstrafe unter altem Recht, je nachdem, ob ein Schaden aufgrund des Vertragsbruchs entstanden war oder nicht, unterschiedliche Funktionen zugeschrieben wurden, nämlich eine Schadenersatz- oder Straffunktion, verstärkte sich in der jüngeren bundesgerichtlichen Rechtsprechung das pönale Element der Konventionalstrafe als das entscheidungsrelevante Konzept. (a)  Die Rechtslage zu Art.  182 aOR (1881) Gemäß Art.  182 aOR (1881) galt als das Hauptkriterium zur Beurteilung des Übermaßes einer Strafklausel zunächst das Verhältnis der Konventionalstrafe zum tatsächlichen bzw. wahrscheinlichen Schaden einerseits und dem von den Parteien als möglich vorausgesehenen Schaden andererseits.36 Damit wurde die Schadenersatzfunktion der Konventionalstrafe hervorgehoben. In BGE 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) äußerte sich das Bundesgericht diesbezüglich wie folgt: „[D]ie Konventionalstrafe [will] in der Regel den für die Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung zu leistenden Schadenersatz bestimmt festsetzen“.37 Daraus folgerte das Bundesgericht, dass eine Konventionalstrafe nie herabsetzbar sei, wenn sie den tatsächlich entstandenen Schaden nicht zu decken vermöge. Herabsetzbar sei eine Strafklausel nur dann, wenn sie offenbar 34 BSK-Ehrat,

Art.  163 OR N.  10 m. w. H.; KuKo-Pietruszak, Art.  163 OR N.  5. Couchepin, N.  934; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  3831. 36  Terminologisch uneinheitlich sprach das Bundesgericht in Zusammenhang mit der Schadenersatzfunktion der Konventionalstrafe sowohl von „Schaden“, „mutmasslichem Schaden“ und „Vermögensinteresse“ in Abgrenzung zu sog. „ideellen Interessen“ bzw. zum „Erfüllungsinteresse“, vgl. BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 4 S.  722; BGE 26 II 117 E. 5 S.  122 f.; BGE 29 II 138 E. 6 S.  143; BGE 32 II 51 E. 6 S.  57 f. Soweit die Schadenersatzfunktion im Vordergrund stand, war die vereinbarte Konventionalstrafe, unabhängig von der verwendeten Terminologie, gegen die Summe aus dem Minderwert der erbrachten Leistung, dem entgangenen Gewinn und den entgangenen Gebrauchsvorteilen sowie allfälligen Mangelfolgeschäden abzuwägen, s. zum Schadensbegriff und dem Schadenersatz in Folge von Schlechterfüllung Schwenzer, OR AT, N.  14.03 und 68.06. 37  BGE 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 5 S.  1233. 35 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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über dieses Ziel, den „zu leistenden Schadenersatz bestimmt fest[zu]setzen […] [,] in einer Weise hinausgeht, die mit den Anforderungen der Gerechtigkeit und Billigkeit im Widerspruch steht, d. h. der Berechtigte sich bei Zusprechung der vollen Konventionalstrafe offenbar auf Kosten des Verpflichteten bereichern würde.“38 Wann dies der Fall war, konkretisierte das Bundesgericht andeutungsweise in BGE 29 II 969, wo es ausführte, dass eine Konventionalstrafe, welche den nachgewiesenen Vermögensschaden um „bloß einige Tausend Franken“ übersteige, nicht als übersetzt zu gelten habe.39 Nach der ständigen Rechtsprechung erschien die Konventionalstrafe nur dann als übermäßig, „wenn sie zu dem zu schützenden Interesse in einem derartigen Missverhältnis steht, dass gefragt werden muss, der Schuldner habe sich beim Vertragsabschluss über die Höhe der Strafe offenbar keine Rechenschaft gegeben, ansonst er den Vertrag nicht würde unterzeichnet haben“.40 Als Maßstab zog das Bundesgericht die Umstände beim wesentlichen Irrtum nach Art.  19 Ziff.  4 aOR (1881)41 heran. Für solche Umstände sprach im konkret zu beurteilenden Sachverhalt, dass die vereinbarte Höhe der Konventionalstrafe den Gesamtwerklohn überschritt und der Schuldner bei der Stipulation der Konventionalstrafe damit nicht nur auf den Werklohn verzichtete, sondern darüber hinaus eine Geldleistung versprach.42 Abweichend von diesem reinen Vermögensinteresse zur Beurteilung des Übermaßes der Strafklausel hat das Bundesgericht der Konventionalstrafe in anderen Entscheiden schon nach altem Recht zuweilen auch eine Präventionsoder Pönalfunktion beigemessen.43 Hier waren neben dem tatsächlich entstandenen Schaden auch ideelle Interessen beachtlich, die im Gegensatz zum Vermögensinteresse ökonomisch nicht messbar waren.44 Das Bundesgericht führte in BGE 24 II 434 mit Blick darauf, in Abgrenzung zum reinen Vermögensinte38 

BGE 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 5 S.  1233; ebenso BGE 23, 1160 (Urteil vom 25. September 1897) E. 6 S.  1169; BGE 24 II 121 E. 4 S.  125 f. 39  BGE 29 II 696 E. 6 S.  705. 40  BGE 29 II 696 E. 5 S.  705. Diese Generalklausel wurde später auch für die Beurteilung von Konventionalstrafen nach Art.  163 Abs.  3 OR herangezogen: BGE 68 II 169 E. 3 S.  174 m. w. H.; 82 II 142 E. 3 S.  146; 133 III 201 E. 5.2 S.  209. 41  Art.  19 aOR (1881): „Der Irrthum ist insbesondere ein wesentlicher: […] 4) wenn der Theil irrthümlich eine Leistung von erheblich größerem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen laßen, als es sein Wille war.“ 42  BGE 29 II 696 E. 6 S.  706. 43  So ausdrücklich BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895): „Mit der Konventionalstrafe wollen die Parteien, neben dem Präventivzweck, den dieselbe erfüllen soll, den zu leistenden Schadenersatz für die Nichterfüllung der vertraglichen Verbindlichkeit ein für alle mal bestimmt feststellen“, a. a. O., E. 4 S.  645. 44  Zur Differenztheorie Schwenzer, OR AT, N.  14.03; s. etwa auch BGE 29 II 696 E. 5 S.  703.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

resse als Vergleichsmaßstab, aus: „Entscheidend muß vielmehr sein, ob die Höhe, in welcher die Konventionalstrafe vereinbart wurde, durch das Interesse gerechtfertigt sei, welcher der Gläubiger an der Vertragserfüllung hatte;45 sodann kommt auch in Betracht das Maß des Verschuldens, welches dem Schuldner an der Nichterfüllung zur Last fällt.“46 In einem anderen Entscheid konkretisierte das Bundesgericht dies dergestalt, dass die Konventionalstrafe nur dann herabzusetzen sei, „wenn die stipulierte Strafe in gar keinem Verhältnisse zu der begangenen Vertragsverletzung mehr steht“.47 Ein allfälliges Verschulden bzw. Mitverschulden der Gläubigerin an der Vertragsverletzung war hierbei allerdings ebenfalls zu beachten.48 Die Spannbreite der zu berücksichtigenden Interessen konnte sich sowohl zugunsten des Strafschuldners als auch der ­-gläubigerin auswirken. Allein auf solche ideellen Interessen stellte das Gericht schließlich ab, wenn keine Vermögensverminderung nachgewiesen werden konnte. Denn wie aus Art.  180 Al. 1 aOR (1881)49 hervorgeht, konnte die Konventionalstrafe auch verfallen sein, wenn gar kein Schaden entstanden war.50 Insbesondere bei der Kontrolle von Konventionalstrafen, die zur Sicherung eines dienst-, kauf- oder kartellvertraglich vereinbarten Konkurrenzverbots dienten, wurde oftmals auf ideelle Interessen abgestellt. Ins Gewicht fielen etwa bei dienstvertraglichen Konkurrenzverboten die Bemühungen des Strafschuldners um eine „ebenso lukrative Stelle“, die nicht unter das Konkurrenzverbot gefallen wäre.51 Darüber hinaus konnte die wirtschaftliche Lage der Parteien von Relevanz sein, dies „jedoch nicht in ausschlaggebender Weise, da die Herabsetzung der Konventionalstrafe nicht zur Förderung der Vertragsuntreue dienen soll, und es überdies nicht selten vorkommt, daß Konkurrenten die Konventionalstrafe auf sich nehmen.“52 In wirtschaftlicher Hinsicht war zum Teil auch der Lohn, den der Strafschuldner vom Gläubiger während des Dienstverhältnisses erhalten hatte, zu berücksichtigen.53 Im Falle von kaufvertraglichen Konkurrenzverboten im Zuge von Geschäftsübernahmen bildete die Höhe des ver-

45  BGE 25 II 604 E. 4 S.  613 f.; 29 II 696 E. 5 S.  703–705, in deren Erwägungen diverse Erfüllungsinteressen aufgelistet und geprüft wurden. 46  BGE 24 II 434 E. 5 S.  439; in diesem Sinne auch BGE 25 II 875 E. 4 S.  880. 47  BGE 25 II 875 E. 4 S.  880. 48  Bejaht in BGE 38 II 94 E. 6 S.  102. 49  Art.  180 aOR (1881): „Die Konventionalstrafe ist verfallen, auch wenn dem Gläubiger kein Schaden erwachsen ist. […].“ 50  BGE 24 II 121 E. 4 S.  126; 434 E. 5 S.  438 f.; 25 II 604 E. 4 S.  614; 875 E. 4 S.  880; 37 II 188 E. 3 S.  191. 51  BGE 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 5 S.  1234 f. 52  BGE 24 II 121 E. 4 S.  127; abgelehnt in BGE 37 II 188 E. 3 S.  191 f. 53  BGE 24 II 121 E. 4 S.  127; 30 II 523 E. 5 S.  529.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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einbarten Kaufpreises den „Gegenwert für die Unterlassung der Konkurrenz“.54 Sodann war auch das Verschulden bei der Verletzung der zu sichernden Hauptforderung zu berücksichtigen.55 Es wog bei der Übertretung dienstvertraglicher Konkurrenzverbote besonders schwer, wenn der Strafschuldner „nach erfolgter Anfrage erhaltener verneinender Antwort“ in das Geschäft eines der hauptsächlichen Kunden der Gläubigerin eintrat,56 „das seinen Hauptsitz und seine Filiale in nächster Nähe der Kläger hat“,57 oder wenn das Konkurrenzverbot „in raffinierter, verborgener Weise“ überschritten wurde58. Die Verdunkelungsgefahr war auch im Falle eines Jod-Kartelles ausschlaggebend dafür, dass eine den Schaden weit übersteigende Konventionalstrafe als angemessen beurteilt wurde, denn für die Gläubigerin sei es in casu besonders schwierig gewesen, der „Übertretung des Veräusserungsverbots auf die Spur zu kommen“.59 Mithin wird in Anwendung des Art.  182 aOR (1881) eine vielfältige Kasuistik zur Beurteilung des Übermaßes von Konventionalstrafen deutlich. Unabhängig davon, ob im Einzelfall die Straf- oder Schadenersatzfunktion der Konventionalstrafe herausgestrichen wurde, hat das Bundesgericht Konventionalstrafen immer einer Gesamtbetrachtung unterzogen. (b)  Die Rechtslage zu Art.  163 Abs.  3 OR Die bereits facettenreiche Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art.  182 aOR (1881) wurde nach der OR-Revision weiter ausdifferenziert, zu einer materiellen Rechtsänderung hat der nur sprachlich veränderte Normwortlaut in Art.  163 Abs.  3 OR allerdings nicht geführt. Die Konventionalstrafe wurde weiterhin in 54 

BGE 25 II 875 E. 4 S.  880. Vgl. BGE 23, 1160 (Urteil vom 25. September 1897) E. 6 S.  1168 f., wo im Falle einer Konventionalstrafe zur Sicherung eines dienstvertraglichen Konkurrenzverbots das Verschul­ den des Strafschuldners als „durchaus dolos“ eingestuft wurde, weil die Konkurrenzklausel der Strafschuldnerin „jeden […] schädlichen Akt verbietet, und nun muß gesagt werden, daß die Gründung einer Konkurrenzfabrik, deren Seele der Widerbeklagte geradezu ist, für die Widerklägerin ein Akt von größter Schädlichkeit sein mußte und daß sie daher, weil während der Zeit der Anstellung des Widerbeklagten geschehen, eine flagrante Verletzung dieser Konkurrenzklausel des Vertrags, ja der Pflichten eines Angestellten überhaupt enthält […].“ 56  BGE 24 II 121 E. 4 S.  126; so auch BGE 37 II 188 E. 3 S.  191. 57  BGE 30 II 523 E. 5 S.  529; so auch BGE 37 II 188 E. 3 S.  191. 58  BGE 25 II 875 E. 4 S.  880. 59  BGE 24 II 434 E. 5 S.  439: „Allein es ist nicht außer Acht zu lassen, daß die Kläger darauf gefaßt sein mußten, daß bei der großen Schwierigkeit, die für sie bestand, Übertretungen des Veräußerungsverbotes auf die Spur zu kommen, viele derselben unentdeckt bleiben werden. Der wirksame Schutz ihres Interesses an der Befolgung des Verbotes erheischte daher die Festsetzung einer Konventionalstrafe von bedeutend höherem Betrag, als die angegebene Differenz ausmacht, da diese Strafe auch den Schaden aus der unbestimmbaren Zahl von Übertretungen decken mußte, welche unentdeckt bleiben würden.“ 55 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Zusammenschau der Umstände des Einzelfalles60 auf ihr Übermaß geprüft.61 Die Interessen der Gläubigerin an der korrekten Vertragserfüllung waren hierzu gegen die Strafhöhe abzuwägen, wobei die Gläubigerinneninteressen nicht bloß monetärer Art sein mussten.62 Lediglich mit Blick auf den Schaden als Bezugsgröße zur Ermittlung des Erfüllungsinteresses hat sich die Rechtsprechung des Bundesgerichts seit der Revision des OR konkretisiert, indem ihre Straffunktion stärker betont wurde: Wie bereits unter altem Recht zuweilen angedeutet, wurde eine Konventionalstrafe nämlich nach der Revision nicht schon deshalb als übermäßig bezeichnet, weil sie den Betrag überstieg, den die Gläubigerin als Schadenersatz wegen Nichterfüllung hätte beanspruchen können. Das Bundesgericht betonte, damit verlöre die Strafe ihren Sinn.63 Diese Betonung des Strafcharakters der Konventionalstrafe, welche auch Art.  161 Abs.  1 OR entspricht, führte dazu, dass die Strafgläubigerin den aufgrund des Vertragsbruchs entstandenen Schaden nach geltendem Recht nicht zu beziffern braucht.64 Zwar kann der Schaden auch weiterhin ein Indiz für das Übermaß einer Konventionalstrafe sein, doch darf das Gericht das Missverhältnis nicht allein aufgrund dessen beurteilen. Das Erfüllungsinteresse kann durchaus davon abweichen oder aber der Schaden nur teilweise nachweisbar, aber trotzdem wahrscheinlich sein.65 In diesem Lichte hat das Bundesgericht in BGE 68 II 169 sodann geprüft, ob der „maximal mögliche“ Schaden in einem Missverhältnis zur Strafe stehe.66 Dass der eingetretene Schaden nicht allein maßgebend war, erhellt ferner aus BGE 82 II 142 und 63 II 245. Im ersten Entscheid hat das Bundesgericht eine Kürzung der Strafe von 10'000 Franken trotz nachgewiesenem Schaden von nur 3'000 bis 6'000 Franken abgelehnt;67 im zweiten die geforderte Konventionalstrafe von 10'000 Franken nur auf 7'000 herabgesetzt, obwohl der eingetretene Schaden lediglich 4'000 Franken betrug68. Schließlich hat das Bundesgericht die Konventionalstrafe in BGE 133 III 201 nur marginal reduziert,

60 

BGE 51 II 162 E. 5 S.  170. Vgl. BGE 68 II 169 E. 3 S.  174. 62  BGE 39 II 246 E. 6 S.  258; 581 E. 2 S.  585; 40 II 224 E. 4 S.  232; 471 E. 6 S.  478; 41 II 105 E. 4 S.  116; 138 E. 2 S.  144; 42 II 144 E. 4 S.  148 f.; 510 S.  511; 51 II 162 E. 5 S.  170; 297 E. 3 S.  302; 438 E. 5 S.  445; 68 II 169 E. 3 S.  176; 82 II 142 E. 3 S.  146; 92 II 31 E. 5a S.  38; 95 II 532 E. 5 S.  540; 102 II 420 E. 4 S.  425 f.; 103 II 108; 129 E. 4 S.  135; 114 II 264 E. 1a S.  265. 63  BGE 103 II 108 S.  109; 114 II 264 E. 1b S.  265; 133 III 43 E. 4.1 S.  54. 64  BGE 103 II 108 S.  109; 129 E. 4 S.  136. 65  BGE 103 II 108 S.  109. 66  BGE 68 II 169 E. 3 S.  175; s. auch BGE 114 II 264 E. 1b S.  265, wo vom „höchstmöglichen“ Schaden ausgegangen wurde. 67  BGE 82 II 142 E. 3 S.  146 f. 68  BGE 63 II 245 E. 4b–c S.  250 f. 61 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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obwohl „la rupture de l’accord litigieux n’a pas exposé en fin de compte la défenderesse à un risque de dommage particulièrement important“.69 Schon früher erwies sich der durch die Vertragsverletzung entstandene Vermögensschaden dort als unerheblich, wo das Bundesgericht dem Erfüllungs­ interesse eine besondere Gewichtigkeit zumaß. Gezeigt hat sich dies insbesondere bei der Beurteilung von Konventionalstrafen, die zur Sicherung einer Kartellabrede dienten. Die Strafhöhe wurde hier nicht gegen einen allfälligen Vermögensschaden abgewogen, sondern gegen das „allgemeinere Erfüllungsinteresse“, das darin lag, dass „der Verband nicht durch Konkurrenzhandlungen in seinem innern Zusammenhange und seiner Aktionstätigkeit nach außen bedroht“ werden sollte.70 Der Stellenwert der im Falle von Kartellen – lange Zeit verstanden als Wirtschaftsstabilisatoren71 – zu schützenden Interessen zeigte sich daran, dass das Bundesgericht bei der Auslegung einer Strafklausel aus mehreren Varianten die höchstmögliche Konventionalstrafe für zutreffend hielt. Der Betrag von in casu 288'500 Franken stand „in keinem Mißverhältnis mehr zu den zu schützenden Interessen. Die letzteren müssen als äußerst wichtige gelten; denn auf Grund der vorinstanzlichen Würdigung der Sachlage ist anzunehmen, daß ein Verbandsmitglied, das eines der größeren Müllereietablissemente des Kartelles besitzt, wie früher der Kläger, durch seinen Austritt den Bestand des Kartelles in hohem Maße gefährden kann, einerseits durch persönliche Einwirkung auf die Preisverhältnisse und anderseits, weil durch sein eigenmächtiges Vorgehen andere Genossen zum gleichen Schritte verleitet werden können. Hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Verbandsinteressen stellt die Vorinstanz noch fest, daß mit dem Zusammenbruch des Kartelles der frühere Notstand im Müllereigewerbe, dessen Beseitigung jenes bezweckte, wiederkehren und damit die Existenz einer ganzen Anzahl von Einzelbetrieben in Frage gestellt würde.“ Aufgrund dessen kam das Bundesgericht zum Schluss, dass dieser Höchstbetrag weder nichtig sei, weil er gegen die guten Sitten verstoße, noch ein genügender Grund vorliege, „die Strafe kraft des richterlichen Ermäßigungsrechts unter das Höchstmaß von 288'500 Fr. herabzusetzen [Hervorhebung im Original]“. Denn die zugefügte Interessenverletzung sei eine „besonders schwere“, da der Kläger „sofort nach seinem, schon an sich vertragswidrigen Austritt“ damit begann, zur Beklagten „energisch“ und „rücksichtslos“ in Konkurrenz zu treten und ihr durch Preisunterbietung Kundschaft zu entziehen, „wie das die in ganz kurzer Zeit ausgeführten vielen Lieferungen zeigen“. Hier müsse ihm „nach der ganzen Sachlage wesentlich darum zu tun gewesen 69 

BGE 133 III 201 E. 5.3 S.  211. BGE 39 II 246 E. 6 S.  258. 71  S. zur Kartellrechtsproblematik im Besonderen Thier A., in: FS R. H. Weber, 621 ff. 70 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

sein, durch Aufbietung aller seiner Hülfsmittel das Kartell der Beklagten zu sprengen“.72 In einem anderen Entscheid zu Kartellen explizierte das Bundesgericht sodann, dass bereits Unterbietungsofferten als Vertragsverletzung geeignet seien, da sie „weitere Unterbietungen nach sich ziehen und deshalb ebenso gefährlich sind, wie die wirklichen Verkäufe selbst“.73 Zwar vermag das Interesse am Zusammenhalt von kollektiver Wirtschaftsmacht zurzeit nicht mehr als ein „allgemeineres Interesse“ zu gelten, doch sind auch heute Momente denkbar, die das über den Schaden hinausgehende Erfüllungsinteresse als besonders gewichtig qualifizieren. Dazu gehören im Falle von kaufvertraglichen Konkurrenzverboten etwa die Erhaltung bzw. der Ausbau des übernommenen Kundenstammes74 oder ein besonders hoher Übernahmepreis.75 Einzelfallweise konnte das Interesse an der korrekten Vertragserfüllung zudem, wie zuweilen schon unter altem Recht angedeutet, durch weitere Kriterien flankiert werden: Zunächst waren die Umstände des Vertragsschlusses ausschlaggebend, wobei insbesondere die Geschäfts(un)kundigkeit und -erfahrenheit der beiden Parteien entscheidend waren.76 Darüber hinaus erwies sich die wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten von der Berechtigten als entscheidungsrelevant.77 Sodann waren die Art des Vertrags, seine Dauer sowie der Verletzungszeitpunkt zu berücksichtigen.78 Insbesondere bei Konventionalstrafen, die zur Sicherung eines Konkurrenzverbots dienten, kam es auch auf dessen Laufzeit an.79 Zudem waren hier das Verhältnis von Verletzungszeitpunkt und Zeitpunkt der Wiedererlangung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Verpflichteten80 sowie die Schwere der Verletzung relevant81. Ferner konnte die Strenge der sonstigen Vertragsbedingungen ein Ungleichgewicht indizieren.82 Und schließlich war das Verhalten der beiden Parteien während und nach der Vertragslaufzeit zu berücksichtigen.83 72 

S. zum Ganzen BGE 39 II 246 E. 6 S.  257–259. BGE 39 II 581 E. 2 S.  585. 74  BGE 41 II 105 E. 5 S.  116; 82 II 142 E. 3 S.  146. 75  S. BGE 40 II 471 E. 6 S.  478. 76  S. BGE 42 II 510 S.  512; 51 II 162 E. 5 S.  170 f.; 95 II 532 E. 5 S.  540; 102 II 420 E. 4 S.  426; 114 II 264 E. 1a S.  265; 116 II 302 E. 4 S.  305; 133 III 201 E. 5.2 S.  210. 77  BGE 40 II 471 E. 6 S.  478; 51 II 162 E. 5 S.  170 f.; 63 II 245 E. 4c S.  251; 95 II 532 E. 5 S.  539 f.; 114 II 264 E. 1a S.  265. 78  BGE 63 II 245 E. 4d S.  251; 114 II 264 E. 1a S.  265; 133 III 201 E. 5.2 S.  209. 79  Vgl. BGE 40 II 224 E. 4 S.  232; 471 E. 5 S.  477; 42 II 510 S.  511 f.; 44 II 89 E. 4 S.  95; 95 II 532 E. 5 S.  540; 114 II 264 E. 1a S.  265. 80  BGE 40 II 471 E. 6 S.  478. 81  S. BGE 51 II 297 E. 3 S.  302. 82  S. BGE 51 II 162 E. 5 S.  171. 83  Vgl. BGE 44 II 89 E. 4 S.  95. 73 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Ebenso entscheidungsrelevant waren sodann die Folgen des Vertragsbruches: Auf Schuldnerseite fiel etwa ins Gewicht, wenn jener aufgrund der Höhe der zu leistenden Konventionalstrafe in existenzielle Not geriet.84 Dagegen konnten sich ein besonders rücksichtsloses Verhalten85, die Schwere der Vertragsverletzung86 oder das Interesse des Strafschuldners in Form eines allfälligen Gewinns87 aus dem Vertragsbruch negativ für ihn auswirken. Ebenso war die Schwere des Verschuldens beider Parteien am Vertragsbruch in die Abwägung einzustellen.88 Im Falle von Konkurrenzklauseln war das Verschulden etwa dann kein „leichtes“, wenn der Strafschuldner „seine Konkurrenztätigkeit auf dem Markte im geheimen betrieb und durch Verschweigung seines Namens danach trachtete, dass sie dem Kläger verborgen blieb“. Vom Bundesgericht wurde ein solches Handeln als „dolos“ bezeichnet.89 Schließlich galt es zu berücksichtigen, ob die Konventionalstrafe nur einmal oder wiederholt, also für jede Vertragsverletzung einzeln, gefordert werden konnte.90 In seinem jüngsten, nur teilweise amtlich publizierten91 Entscheid, in BGer 4A_268/2016 vom 14. Dezember 2016, hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung zusammengefasst und betont, dass zur Beurteilung, ob eine Konventionalstrafe ein Missverhältnis zum Interesse der Gläubigerin an ihrer Forderung enthalte, sämtliche konkreten Umstände im Zeitpunkt der Vertragsverletzung berücksichtigt werden müssten. Es seien die Natur des Vertrags und die Vertragsdauer, die Schwere der Vertragsverletzung und das Verschulden sowie die wirtschaftliche Situation der Parteien, insbesondere jene des Schuldners, zu ermitteln.92 Aus dem Umstand, dass das Übermass einer Konventionalstrafe also immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt, folgerte das Gericht alsdann – und hierin liegt die eigentliche Neuerung dieses Entscheids –, dass nicht zwingend nur ein „krasses“ Missverhältnis Voraussetzung der Herabsetzung sei.93 84 

S. BGE 40 II 471 E. 6 S.  478; 42 II 510 S.  511; 51 II 162 E. 5 S.  170; 82 II 142 E. 3 S.  146 f.; 95 II 532 E. 5 S.  540; 103 II 129 E. 4 S.  135; 114 II 264 E. 1a S.  265; 133 III 201 E. 5.2 S.  209. 85  S. BGE 42 II 510 S.  512; 82 II 142 E. 3 S.  147. 86  BGE 103 II 129 E. 4 S.  135. 87  BGE 41 II 105 E. 5 S.  117. 88  Vgl. BGE 40 II 471 E. 6 S.  477; 41 II 138 E. 2 S.  144; 42 II 510 S.  511; 61 II 238 S.  242; 63 II 245 E. 4c S.  250; 68 II 169 E. 3 S.  176; 82 II 142 E. 3 S.  146; 92 II 31 E. 5a S.  38; 103 II 129 E. 4 S.  135; 114 II 264 E. 1a S.  265; 133 III 201 E. 5.2 S.  209. 89  BGE 40 II 471 E. 6 S.  477. 90  BGE 68 II 169 E. 3 S.  175. 91  S. BGE 143 III 1. 92  BGer 4A_268/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 5.1. 93  BGer 4A_268/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 5.1.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

(3)  Vorgehensweise i. w. S. (a)  Reduktionsmaß Legen die genannten Kriterien ein „krasses“, „arges“ oder aber – unter neuem Recht – ein weniger gravierendes, jedoch mit der Rechtsordnung trotzdem nicht zu vereinbarendes Missverhältnis zwischen dem Erfüllungsinteresse und der Strafhöhe bzw. unter altem Recht auch zwischen dem entstandenen Schaden und der vereinbarten Strafhöhe offen, ist die Konventionalstrafe zu reduzieren.94 Der Wortlaut sowohl des Art.  182 aOR (1881) als auch des Art.  163 Abs.  3 OR verweisen das Gericht bei der Herabsetzung auf sein Ermessen. Das ist insofern missverständlich, als die Norm, welche davon spricht, dass der Richter „[ü]bermäßig hohe Konventionalstrafen […] nach seinem Ermessen“ herabzusetzen hat, grammatikalisch so verstanden werden könnte, dass es kein absolutes Reduktionsmaß gibt. Vom Bundesgericht wurde allerdings bereits in BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) klargestellt, dass bloß das relative, im Einzelfall zu bestimmende Reduktionsmaß dem Richter obliege, absolut sei die Grenze des rechtsgültig zu Vereinbarenden in jedem Fall beim gerade noch Zuläs­ sigen zu ziehen. In den Worten des Bundesgerichts lautete dies wie folgt: „Es handelt sich bei der Frage, ob eine Herabsetzung stattzufinden habe, nicht blos [sic] um die Festsetzung des mutmaßlichen Parteiwillens, sondern um die Ab­ änderung des vertraglich fest und unzweifelhaft Vereinbarten: die dem Richter in Art.  182 eingeräumte Befugnis hat daher nicht den Sinn, daß derselbe schlechthin, nach Würdigung der Umstände, zu bestimmen habe, in welcher Höhe die Strafe als angemessen und daher zulässig erscheine, vielmehr muß die Parteivereinbarung so lange geschützt werden, als und so weit sie nicht mit den Anforderungen der Gerechtigkeit und Billigkeit in offenbarem Widerspruch sich befindet.“95 Damit stellt das Gericht klar, dass das Reduktionsmaß zur ­Herabsetzung einer übermäßigen Konventionalstrafe der Differenz des übermäßigen zu einem gerade noch zulässigen Klauselinhalt entspricht.96 Im Ermessen des Gerichts liegt es einzig, diese Zulässigkeitsgrenze im Einzelfall zu bestimmen.97 In der jüngsten Entscheidung zu dieser Thematik, in BGE 133 II 94 

BGE 68 II 169 E. 3 S.  174; 133 III 201 E. 5.2 S.  209. BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 4 S.  645; 23, 1160 (Urteil vom 25. September 1897) E. 6 S.  1168. 96  Vgl. auch BGE 95 II 532 E. 5 S.  540; 103 II 129 E. 4 S.  135; 114 II 264 E. 1a S.  264; 133 III 43 E. 3.3.1 S.  48; 201 E. 5.2 S.  209. 97  Nur in einem Fall kam das Bundesgericht zum Schluss, dass das Missverhältnis so krass sei, dass die Strafklausel nicht Art.  182 aOR (1881), sondern Art.  17 aOR (1881) unterfalle. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Strafklausel aufgrund der vereinbarten Strafhöhe nichtig ist, äußerte sich das Gericht wie folgt: „Wegen der vereinbarten Strafhöhe ist allerdings die Anfechtung einer Strafklausel auch aus dem Gesichtspunkte des Art.  17 [a] 95 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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201, umschrieb das Bundesgericht die Formel zur Reduktion übermäßiger Konven­tionalstrafen folgendermaßen: „Si le juge reconnait que la peine est excessive, il doit en principe seulement la réduire pour qu’elle ne le soit plus […]. Autrement dit, il ne doit pas la fixer au montant qu’il estimerait correct.“98 Dadurch dass die Höhe der Konventionalstrafe von den Parteien nach Art.  182 aOR (1881) und Art.  163 Abs.  1 OR „in beliebiger Höhe“ festgesetzt werden kann und sich die Zulässigkeitsgrenze nur abstrakt definieren lässt, macht die Rechtsprechungsanalyse weder in absoluten Zahlen noch prozentual Tendenzen deutlich, wie stark im Einzelfall auf Rechtsfolgenseite in übermäßige Vertragsinhalte eingegriffen wird. Soweit ersichtlich hat sich das Bundesgericht in ­A nwendung des Art.  182 aOR (1881) in 15 Urteilen99 mit der Reduktion von ­Konventionalstrafen auseinandergesetzt. In sieben Fällen wurde die von den Parteien vereinbarte Strafhöhe durch das Gericht herabgesetzt100 oder das vorinstanzlich reduzierte Strafmaß bestätigt. Die Kasuistik zur Herabsetzung von Konventionalstrafen zeigt folgendes Bild (Kasuistik nach Eingriffsintensität geordnet): Um rund 90 % wurde die Konventionalstrafe gekürzt in BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 4 S.  722 f., wo von der ursprünglich pro Jahr geforderten Strafe in Höhe von 1'000 Franken von der Vorinstanz 500 und vom Bundesgericht noch 125 Franken zugesprochen wurden; ebenfalls bei 90 % lag die Kürzung in BGE 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 5 S.  1233 f.: von den geforderten 5'000 Franken wurden 500 zugesprochen; um 75 % von 20'000 auf 5'000 Franken wurde die Konventionalstrafe reduziert in BGE 25 II 604 E. 4 S.  618; um rund 60 % in BGE 30 II 523 E. 5 S.  529 f., wo von den geforderten 3'000 Franken 1'000 für zulässig befunden wurden; um 50 % fand die Kürzung in BGE 24 II 121 E. 4–5 S.  126 f. statt, die geforderte Summe von 2'000 Franken wurde von der Vorinstanz auf 1'000 Franken gesenkt; bei rund 35 % lag die Kürzung in BGE 38 II 94 E. 6 S.  101–103, wo von den OR [(1881)] entgegen der kantonalen Instanzen nicht schlechthin ausgeschlossen. Allein diese grundsätzliche Anfechtung setzt voraus, daß die Strafe nicht nur mit der zu sichernden Leistung des Strafschuldners überhaupt und speziell mit dem Interesse des Strafgläubigers hieran, in einem unbilligen Mißverhältnis steht – was lediglich zu ihrer Ermäßigung durch den Richter auf Grund des Art.  182 [a]OR [(1881)] genügen würde –, sondern daß sie in ihrer Anwendung direkt den wirtschaftlichen Ruin des Schuldners herbeiführen würde und sich geradezu als wucherische Ausbeutung dieses wirtschaftlich schwächeren Vertragsteils durch den wirtschaftlich stärkeren Gläubiger darstellt.“, BGE 38 II 94 E. 2 S.  97 f. Dogmatisch lässt sich dieser Anwendungsfall einer laesio enormissima nicht in das Gesamtbild der bundes­ gerichtlichen Rechtsprechung zu Konventionalstrafen einordnen. Zur laesio enormissima s. unten S.  207; für weitere Hinweise zur laesio enormis s. unten die Nachweise in Kap. C Fn.  422 und insbesondere zur laesio enormissima Kalb, 220–255. 98  BGE 133 III 201 E. 5.2 S.  210. 99  BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891); 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895); 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895); 23, 1160 (Urteil vom 25. September 1897); BGE 24 II 121; 434; 25 II 604; 875; 26 II 117; 29 II 138; 696; 30 II 523; 32 II 51; 37 II 188; 38 II 94. 100  S. dazu sogleich unten.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

geforderten 42'800 Franken 15'000 zugesprochen wurden; um rund 20 % wurde die Konventionalstrafe reduziert in BGE 29 II 696 E. 7 S.  706: 18'000 Franken wurden gefordert, aber nur 15'000 Franken zugesprochen.

In den anderen acht Urteilen wurde der Strafschuldner dagegen dazu verpflichtet, die volle Strafhöhe zu begleichen.101 Diese Eingriffsfreudigkeit deckt sich in etwa mit dem Bild nach Inkrafttreten des revidierten OR: In 18 Urteilen wurde die Konventionalstrafe reduziert102 , in 12 das vertraglich Vereinbarte bestätigt103, in fünf die Frage zur Entscheidung an die unteren Gerichte zurückgewiesen104 und in einem Fall die Vertragsstrafe als ordre public-widrig für nichtig beurteilt105. In Prozenten lassen sich die Kürzungen der Konventionalstrafe unter neuem Recht wie folgt ordnen: Um 90 % wurde die Konventionalstrafe in BGE 40 II 471 E. 7 S.  479 reduziert, wo von den geforderten 50'000 Franken 5'000 zugesprochen wurden; ebenso in BGE 41 II 138 E. 2 S.  145, wo von den geforderten 10'000 Mark 1'000 für zulässig befunden wurden. In BGE 51 II 438 E. 5 S.  445 wurde die Konventionalstrafe von 20'000 auf 5'000 Franken um 75 % reduziert. Rund 60 % betrug das Reduktionsmaß in BGE 61 II 238, wo die Konventionalstrafe von 6'000 auf 2'000 Franken gesenkt wurde; in BGE 103 II 129 E. 4 S.  136, wo die geforderte Konventionalstrafe von 50'000 auf 20'000 Franken reduziert wurde, und in BGE 116 II 302 E. 4 S.  305, wo eine Anpassung von 25'000 auf 10'000 Franken erfolgte. Um 50 % wurde die Konventionalstrafe reduziert in BGE 41 II 105 E. 5 S.  117. Hier waren 6'000 Franken gefordert, wovon 3'000 zugesprochen wurden; ebenso in BGE 44 II 89 E. 4 S.  95, als die Summe von 5'000 auf 2'500 Franken gekürzt wurde. Dies entspricht auch BGE 51 II 162 E. 5 S.  171, wo die vorinstanzliche Reduktion der Konventionalstrafe von 1 Franken auf 50 Rappen pro nicht bezogenes Kilogramm Mehl vom Bundesgericht bestätigt wurde. Auch in BGE 52 II 223 E. 3 S.  228 wurde die Konventionalstrafe von 10'000 auf 5'000 Franken um 50 % reduziert. Im Umfang von rund 40 % wurden Konventionalstrafen reduziert in BGE 42 II 144 E. 4 S.  149, wo 5'000 gefordert, aber nur 3'000 Franken zugesprochen wurden; ebenso in BGE 68 II 169 E. 3 S.  176 f., als die geforderte Konventionalstrafe von 20'000 auf 12'000 Franken reduziert wurde. Auch in BGE 133 III 201 E. 5.4 S.  212 wurde die Konventionalstrafe von 3'000'000 auf 1'759'500 Franken um rund 40 % gesenkt. Das Reduktionsmaß betrug sodann in folgenden Fällen 30 %: In BGE 51 II 297 E. 3 S.  302 wurde die vorinstanzliche Reduktion von 5'000 auf 3'500 Franken bestätigt und in BGE 63 II 245 E. 4d S.  251 die Konventionalstrafe von 10'000 auf 7'000 Franken reduziert. Nicht erwähnt wurde das Reduktionsmaß in BGE 110 II 172 E. 2b S.  176, wo allerdings ebenfalls eine Kürzung der Konventionalstrafe 101  BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 4 S.  6 44–646; 23, 1160 (Urteil vom 25. September 1897) E. 6 S.  1169 f.; BGE 24 II 434 E. 5 S.  438; 25 II 875 E. 4 S.  879 f.; 26 II 117 E. 4 S.  120–122; 29 II 138 E. 6 S.  143; 32 II 51 E. 6 S.  57 f.; 38 II 94 E. 6 S.  101–103. 102  S. dazu sogleich unten. 103  BGE 39 II 246 E. 6 S.  258; 581 E. 2 S.  585; 40 II 224 E. 4 S.  232; 41 II 379 E. 4 S.  387; 42 II 510 S.  512; 55 II 258 E. 3 S.  262; 82 II 142 E. 3 S.  146 f.; 83 II 363 E. 5 S.  375; 92 II 31 E. 5a S.  38; 95 II 532 E. 5 S.  540; 102 II 420 E. 4 S.  426. 104  BGE 103 II 108; 109 II 120; 114 II 264; 133 III 43; 138 III 746. 105  Im Einzelnen BGE 138 III 322 E. 4.3.5 S.  331 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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angedeutet wurde. In BGE 143 III 1 wurde die Konventionalstrafe beim Wohnungskauf – entsprechend dem Urteil der Vorinstanz – von 20 % des Kaufpreises auf zehn Prozent gekürzt.

(b)  Rechtsgrundlagen und Reduktionsvorgang Die Vorgehensweise, die das Bundesgericht im Falle der geltungserhaltenden Reduktion übermäßiger Konventionalstrafen anwendete, ist nicht definiert. Das Bundesgericht äußerte sich in keinem Urteil dazu, wie es die richterliche Ersatzregelbildung dogmatisch begründet. Zudem ist, wie die genannten Zitate zum Reduktionsmaß belegen, auch die Bezugnahme auf den hypothetischen (hier zuweilen auch: „mutmaßlichen“) Parteiwillen zur Bestimmung der normativen Zulässigkeitsgrenze uneinheitlich und damit das Verhältnis der geltungserhaltenden Reduktion nach Art.  163 Abs.  3 OR zu Art.  20 OR offen. (4)  Zwischenergebnis Feststeht, dass es bei der Kürzung von Konventionalstrafen, anders als bei den anderen Reduktionsnormen, nicht um eine Abwägung der einzelnen gegenseitigen Vertragsleistungen oder der Gesamtleistungspflichten mit der Konventionalstrafe, sondern um einen offenbaren Widerspruch zwischen Gerechtigkeit und Billigkeit auf der einen und der Höhe der vereinbarten Konventionalstrafe auf der anderen Seite geht.106 Die Konventionalstrafe nimmt hier deshalb eine Sonderstellung ein, weil sie nur ein bedingtes Nebenrecht zur Hauptleistung einer Partei darstellt, das nur im Falle der Vertragsverletzung geltend gemacht werden kann.107 Tritt also die Bedingung ein, unter der die Strafleistung versprochen wurde, verselbständigt sich der Strafanspruch.108 Da gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine Herabsetzung der Konventionalstrafe erst bei deren Verfall möglich ist,109 kann sie zur Feststellung ihres Übermaßes nicht mit der zu sichernden Hauptleistung in eine Abwägung eingestellt werden, sondern tritt an deren Stelle. Die Rechtsprechungsanalyse zeigt, dass das Bundesgericht das Reduktionsmaß zur Korrektur übermäßiger Konventionalstrafen sowohl unter altem als auch nach geltendem Recht abstrakt definiert: Die (relative) Reduktionshöhe entspricht der Differenz zwischen dem im Einzelfall festgestellten Übermaß 106 Vgl. Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  3828; BSK-Ehrat, Art.  163 OR N.  17. 107 KuKo-Pietruszak, Art.  160 OR N.  5 f. 108 KuKo-Pietruszak, Art.  160 OR N.  6. 109  Vor Verfall der Konventionalstrafe ist also weder eine Klage zur Feststellung ihres Übermaßes noch die Anerkennung ihrer Angemessenheit durch den Schuldner möglich, s. KuKo-Pietruszak, Art.  160 OR N.  7.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

und dem noch Zulässigen. Das Bundesgericht hat einen breiten Kriterienkatalog zu dessen Feststellung definiert. Wie die Gerichte die Reduktion im Einzelfall vorzunehmen haben, ob die übermäßige Vertragsklausel in beschränktem Umfang weitergilt oder durch eine richterliche Regel zu ersetzen ist, lässt die Rechtsprechung offen. bb)  Reduktion übermäßiger Mietzinse (1) Ausgangslage Die Vorschriften des aOR (1881) über den Mietvertrag wurden 1912 weitgehend unverändert ins OR übertragen. Eine Reduktionsnorm zur Herabsetzung übermäßiger Mietzinse war außerhalb der Leistungsstörung in beiden Gesetzes­ texten nicht vorgesehen. Die mietrechtlichen Bestimmungen des OR wurden 1970 revidiert und eine besondere Mietzinskontrolle 1990 ins OR aufgenommen. Bis dahin ergänzten notrechtlich erlassene öffentlich-rechtliche Regelungen die privatrechtlichen Normen des Mietrechts. Die Gesetzgebungsgeschichte hin zu einer privatrechtlichen Inhaltskontrolle setzt sich insbesondere aus folgenden Etappen zusammen:110 Mit Blick auf die Festsetzung der Mietzinse wurden während einer ersten Mietnotrechts­ periode folgende Beschlüsse erlassen: Bundesratsbeschluss vom 18. Juni 1917 betreffend Schutz der Mieter gegen Mietzinserhöhungen und Kündigungen; Bundesratsbeschluss vom 5. August 1917 zur Ausdehnung des Bundesratsbeschlusses vom 18. Juni 1917. Das Mietnotrecht kurz vor und während des 2. Weltkrieges sah folgende Beschlüsse mit Blick auf die Eindämmung der Mietzinse vor: Bundesratsbeschluss betreffend die Ergänzung des BRB vom 27. September 1936 über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung; Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktordnung. Auch nach Ende des 2. Weltkrieges wurden in verschiedenen Erlassen Bestimmungen zur Mietpreiskontrolle aufgestellt: Bundesratsbeschluss vom 8. Februar 1946 betreffend Lockerung des Bundesratsbeschlusses von 1941; Verfügung der eidgenössischen Preiskontrolle vom 30. August 1950 betreffend Erlaubnis, bei Immobilien, die seit dem 31. Dezember 1943 keine Erhöhung erfahren hatten, die Mietzinse um zehn Prozent anzuheben; Verfügung der eidgenössischen Preiskontrolle vom 7. September 1950 betreffend behördliche Festsetzung der Mietzinse für möblierte Einzelzimmer und möblierte Ferienwohnungen; Verordnung über die Mietzinskontrolle und die ­Beschränkung des Kündigungsrechts vom 30. Dezember 1953; Bundesratsbeschluss vom 1. Juni 1954 und vom 26. November 1957 über Mietzinse von Immobilien; Verordnung vom 28. Dezember 1956 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts; Bundesbeschluss über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte vom 21. Dezember 1960; Verordnung über die Mietzinse und Kündigungsbeschränkung vom 11. April 1961. Durch den Verfassungs­zusatz vom 9. Oktober 1964 wurde der Bund in Art.  34septies Abs.  2 aBV (1874) sodann dazu ermächtigt, Vorschriften über Mietund nichtlandwirtschaftliche Pachtzinse sowie zum Schutz der Mieter zu erlassen: „Der 110 Eingehend

Hausmann.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Bund erlässt Bestimmungen zum Schutz der Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen Forderungen der Vermieter. Die Maßnahmen sind nur anwendbar in Gemeinden, wo Wohnungsnot oder Mangel an Geschäftsräumen besteht.“ Am 30. Juni 1972 wurde sodann der befristete Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (BMM) erlassen und am 10. Juli 1972 folgte die dazugehörige Verordnung über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (VMM). Der BMM galt vorerst für eine Dauer von fünf Jahren, wurde bis zum Inkrafttreten des neuen Mietrechts am 1. Juli 1990 aber dreimal verlängert. Am 6. Dezember 1986 wurde vom Volk eine Änderung des Verfassungsartikels Art.  34septies aBV (1874) angenommen. Absatz 1 lautete neuerdings wie folgt: „Der Bund ist befugt, Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen zu erlassen. Er regelt den Schutz der Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen der Vermieter, die Anfechtbarkeit missbräuchlicher Kündigungen sowie die befristete Erstreckung von Mietverhältnissen.“ Damit wurde eine generelle und ständige Gesetzgebungskompetenz des Bundes geschaffen. Am 15. Dezember 1989 wurden daraufhin die Bestimmungen des BMM und insbesondere die darin geregelten Missbrauchsbestimmungen weitestgehend unverändert ins OR überführt und traten am 1. Juli 1990 in Kraft. Zudem wurde die Vorbehaltspraxis des Bundesgerichts (vgl. BGE 118 II 124; 130) mit Bezug auf die Mietzinsgestaltung in der VMWG verankert.111

Seit der Mietrechts-Revision 1990 steht es Mieterinnen und Mietern von Wohnund Geschäftsräumen112 offen, auf zivilrechtlichem Weg den im Rahmen ihrer Privatautonomie ausgehandelten Mietzins anzufechten. Der Mietzins wird herabgesetzt, wenn er gemäß Art.  269 OR – unter Berücksichtigung des Ausnahmekatalogs in Art.  269a OR – als missbräuchlich eingestuft wird und wenn die formellen Anfechtungsvoraussetzungen nach Art.  270 f. OR zu bejahen sind. Diese Bestimmungen sind zwingend, soweit sie auf den Schutz der Mieterschaft ausgerichtet sind.113 Die mietrechtlichen Bestimmungen im OR werden durch die VMWG ergänzt. Insbesondere mit Blick auf die Missbräuchlichkeit dienen Art.  10 bis 16 VMWG zur Konkretisierung. Nach Art.  269 OR gelten Mietzinse als missbräuchlich, „wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen“. Der erste Anfechtungsgrund, der übersetzte Ertrag, ist zu bejahen, wenn die Nettorendite den Referenzzins gemäß Art.  12a VMWG um mehr als 0,5 % übersteigt.114 Der Ertrag im Sinne von Art.  269 OR ergibt sich aus der Summe, die der Vermieterin nach Abzug aller 111  Die Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung klammert die Anwendung der Vorschriften außerhalb der revidierten Mietrechtsbestimmungen des OR aus, da die geltungs­ erhaltende Reduktion nur mit Blick auf die privatrechtliche Inhaltskontrolle untersucht wird. 112  Zum Begriff der Wohn- und Geschäftsräume sowie zu den hiervon nicht erfassten Kategorien ZK-Higi, Vor Art.  269–270e OR N.  16–73. 113  Zu Art.  269–270a OR s. BGE 133 III 61 E. 3.2.2 S.  30 f.; BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  3; KuKo-Blumer, Vor Art.  269–270e OR N.  1. 114  Im Einzelnen BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  7; KuKo-Blumer, Art.  269 OR N.  1. Es können also maximal 0,5 % des Hypothekardarlehens über Mieteinnahmen getilgt werden.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Kapital-, Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungskosten, errechnet aus dem Jahresdurchschnittswert der effektiven Kosten der vorangehenden drei bis fünf Jahre, von den Mietzinseinnahmen verbleibt.115 Aus dem Verhältnis von Ertrag und investierten Eigenmitteln116 lässt sich sodann die Nettorendite, die die Vermieterin zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einem bestimmten Objekt erzielt, ablesen.117 Ebenso wie beim übersetzten Ertrag wird beim „offensichtlich übersetzten Kaufpreis“ als zweitem Anfechtungsgrund gemäß Art.  269 OR eine Renditerechnung angestellt. Während Ersterer den Ertrag zu den investierten Eigen­ mitteln ins Verhältnis setzt, sind es bei Zweiterem der Ertrag und der Kaufpreis, die in die Abwägung eingestellt werden. Unterschiedlich ist zudem die Methode der Missbrauchsfeststellung, denn ein übersetzter Kaufpreis lässt sich nur anhand eines Vergleichsobjekts feststellen.118 Gemäß Art.  10 VWMG gelten daher Kaufpreise119, die auf Investitionen oder Anlagekosten beruhen, die den Ertrags­ wert der Liegenschaft verglichen mit den orts- oder quartierüblichen Miet­zinsen erheblich übersteigen, als übersetzt. Wann eine erhebliche Differenz besteht, ist unklar. Gemäß einem Teil der Lehre ist ein Zuschlag von mehr als zehn Prozent nicht tolerabel.120 Die dargestellten Anfechtungsgründe stützen das Prinzip der sog. Kostenmiete, wonach verhindert werden soll, dass die Vermieterin auf Kosten des Mieters einen im Vergleich zu seinen tatsächlichen Aufwendungen übersetzten Er-

115 

SVIT-Kommentar, Art.  269 OR N.  6; KuKo-Blumer, Art.  269 OR N.  5; eine detaillierte Aufstellung über die abzugsfähigen Kosten findet sich bei BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  11 f., sowie SVIT-Kommentar, Art.  269 OR N.  29–40. 116  Das Eigenkapital entspricht der Differenz zwischen dem Anlagewert, also allen ursprünglich in die Mietsache investierten Fremd- und Eigenmitteln, wozu auch Amortisationen sowie die eigenfinanzierten wertvermehrenden Investitionen zählen, und dem zur Finanzierung desselben aufgewendeten Fremdkapitals, BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  6, mit Verweis auf BGE 123 III 171 E. 6a S.  173–175. Das so ermittelte Eigenkapital darf sodann von der Vermieterin, unabhängig davon, ob der tatsächlich aufgewendete Eigenkapitalanteil ­höher ist, bis zu einem Anteil von 40 % der Anlagekosten der Teuerung angepasst werden, BGE 122 III 257 E. 3a S.  258 m. w. H.; zu den Gründen dieser Deckelung BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  9. 117 BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  6. 118 BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  6. 119  Der Wortlaut des Gesetzes, der allein auf den Kaufpreis abstellt, erweist sich gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichts und einem Teil der Lehre als zu eng. Daher werden auch Investitionen darunter gefasst. Noch zum alten Recht BGE 117 II 77 E. 3a/aa S.  80 f.; 116 II 594 E. 7a S.  603; BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  7; a. A. ZK-Higi, Art.  269 OR N.  355. 120 BSK-Weber R., Art.  269 OR N.  8; CHK-Heinrich, Art.  269–269a OR N.  14; KuKo-­ Blumer, Art.  269 OR N.  6; offengelassen in SVIT-Kommentar, Art.  269 OR N.  22.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

127

trag aus dem Mietverhältnis verzeichnet.121 Die Kostenmiete bildet das Gegenkonzept zur sog. Marktmiete, die aus dem freien Spiel der Marktkräfte zu erzielen wäre.122 Artikel 269a OR nennt beispielhaft sechs Sondertatbestände123, die die Missbräuchlichkeit des Mietzinses anhand eines Negativkatalogs konkretisieren. Indem der Katalog in lit.  a einen Mietzinsvergleich vorsieht,124 wird auch dem Konzept der Marktmiete Rechnung getragen.125 Die Orts- und Quartierüblichkeit des Mietzinses, die gemäß Art.  269a lit.  a OR die Missbräuchlichkeit ausschließen, wird durch Art.  11 VMWG konkretisiert, die Kostensteigerung, der maßgebliche Hypothekarzins und die Mehrleistungen der Vermieterin gemäß Art.  269a lit.  b OR durch Art.  12 und 13 f. VMWG, die Bruttorendite im Sinne von Art.  269a lit.  c OR durch Art.  15 VMWG und schließlich der Teuerungsausgleich nach Art.  269a lit.  e OR anhand von Art.  16 VMWG.126 Das Gesetz knüpft die Herabsetzung des missbräuchlichen Mietzinses sodann mit Blick auf den Zeitpunkt der Geltendmachung an unterschiedliche Voraussetzungen: der Anfangsmietzins ist nach Art.  270 OR und der während der Mietdauer erhöhte Mietzins nach Art.  270a OR anzufechten.127 Nach Art.  270 Abs.  1 OR ist der Anfangsmietzins128 zu korrigieren, wenn sich der Mieter „wegen einer persönlichen oder familiären Notlage oder wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gezwungen sah“ (lit.  a), oder die Vermieterin den Anfangsmietzins „gegenüber dem früheren Mietzins für diese Sache erheblich erhöht hat“ (lit.  b). In BGE 142 III 442 hat das Bundesgericht klargestellt, dass die Mietzinsanfechtung nach Art.  270 Abs.  1 OR in drei alternativen Fällen möglich sei, nämlich unter der Voraussetzung der persönlichen oder familiären Notlage, wegen den Verhältnissen auf dem örtlichen Markt oder wenn der Anfangsmietzins erheblich er121 KuKo-Blumer,

Vor Art.  269–270e OR N.  5. Definition der Marktmiete bei BSK-Weber R., Art.  269a OR N.  1a. 123 KuKo-Blumer, Art.  269a OR N.  1. 124  Nach der Rechtsprechung sind zur Ermittlung einer Vergleichsmiete mindestens fünf Vergleichsobjekte heranzuziehen, die nicht von derselben Vermieterin angeboten werden. S. im Einzelnen BGE 139 III 13 E. 3.3 S.  20 m. w. H. 125 KuKo-Blumer, Vor Art.  269–270e OR N.  5; zu Recht kritisch im Hinblick auf den Begriff der „Marktmiete“ im Kontext von lit.  a BSK-Weber R., Art.  269a OR N.  1a, sowie ZK-Higi, Art.  269 OR N.  429–431, denn auch eine orts- oder quartierübliche Vergleichsmiete unterliegt der Missbrauchskontrolle und ist insofern nicht Resultat des ökonomischen Ge­ setzes von Angebot und Nachfrage. Im Einzelnen zu den Anforderungen an die Vergleichsmiete SVIT-Kommentar, Art.  269a OR N.  4 –10. 126  Zu den Sondertatbeständen im Einzelnen BSK-Weber R., Art.  269a OR N.  1–13a. 127  Huguenin, OR AT/BT, N.  3013. 128  Zum Begriff BSK-Weber R., Art.  270 OR N.  1; CHK-Heinrich, Art.  270 OR N.  1, je m. w. H. 122 

128

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

höht wurde.129 Dabei räumte es ein, dass seine Rechtsprechung bislang uneinheitlich war, da zuweilen die beiden in Art.  270 Abs.  1 lit.  a OR genannten Alternativen zusammengefasst wurden.130 Die persönlichen Voraussetzungen nach lit.  a sind gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der ersten Variante aber nicht nur zu bejahen, wenn sich der Mieter in einer Wohnungsnot befunden hat, sondern auch unabhängig von einer derartigen Situation, wenn er zum Abschluss des Mietvertrags aus anderen persönlichen Gründen gezwungen war.131 Dies ist etwa der Fall, wenn der Mieter aufgrund seines familiären Umfeldes oder der Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses faktisch gezwungen war, den Mietvertrag zu unterzeichnen.132 Die alternativen marktbezogenen Voraussetzungen gemäß der zweiten Variante von Art.  270 Abs.  1 lit.  a OR bedingen eine Wohnungsknappheit auf dem örtlichen Markt, wobei eine solche objektive Notlage zu bejahen ist, wenn der Kanton nach Art.  270 Abs.  2 OR die Formularpflicht133 eingeführt hat oder sich die Leerstandsziffer in der betreffenden Mietkategorie auf weniger als eineinhalb Prozent beläuft.134 Zudem kann die Wohnungsknappheit mittels offizieller Statistiken nachgewiesen werden, sofern diese aktuell sind und auf verlässlichen und hinreichend differenzierten Erhebungen beruhen.135 Wenn verlässliche statistische Daten über den Prozentsatz des im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Bestands von Wohnungen nicht vorhanden sind, kann der Mieter den ihm obliegenden Nachweis der Wohnungsnot auf andere Weise erbringen, namentlich durch den Nachweis intensiver und fruchtloser Suchbemühungen.136 Nach lit.  b wird der Anfangsmietzins 129 

BGE 142 III 442 E. 3.1.1 S.  449 f. BGE 142 III 442 E. 3.1.2 S.  450; vgl. hierzu BGE 136 III 82 E. 2 S.  84 f.; 139 III 13 E. 3.1.1 S.  14 f. 131  BGE 114 II 74 E. 3c S.  78. 132  S. BGE 114 II 74 E. 3a S.  75; vgl. auch SVIT-Kommentar, Art.  270 OR N.  7–11. 133  Den Kantonen steht es im Sinne eines sog. ermächtigenden Vorbehalts offen, im Falle von Wohnungsmangel für den Abschluss von Mietverträgen von Wohnungen ein amtliches Formular einzuführen, welches analoge Angaben wie das Formular für Mietzinserhöhungen enthalten muss; vgl. Art.  19 Abs.  3 VMWG. Zu den Wirkungen der Formularpflicht im Einzelnen BSK-Weber R., Art.  270 OR N.  11–13. 134 BSK-Weber R., Art.  270 OR N.  4; CHK-Heinrich, Art.  270 OR N.  3, je m. w. H. Wie lit.  a ausdrücklich bestimmt und vom Bundesgericht bestätigt wurde, reicht es für die Feststellung eines wucherähnlichen Mietzinses aus, dass eine objektive Notlage im Zuge einer Knappheit von Wohn- und Geschäftsräumen auf dem örtlichen Markt nachgewiesen wird. Anders als bei Art.  21 OR bedarf es also nicht zusätzlich einer subjektiven Notlage des Übervorteilten (vgl. hierzu BGE 123 III 292 E. 5 S.  301); soweit die subjektive Notlage allerdings zu bejahen ist, besteht zwischen Art.  270 und 21 OR Anspruchskonkurrenz, KuKo-Blumer, Art.  270 OR N.  1; a. A. CHK-Heinrich, Art.  270 OR N.  8. 135  BGE 136 III 82 E. 2 S.  85 f. 136  BGE 136 III 82 E. 2 S.  86; BGer 4A.169/2002 vom 16. Oktober 2002 E. 2.1. 130 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

129

schließlich herabgesetzt, wenn der Mietzins im Verhältnis zum bisherigen um mindestens zehn Prozent erhöht wurde.137 Der Vergleich muss sich dabei auf dasselbe Objekt beziehen, wobei Renovierungsarbeiten an der Mietsache die Missbräuchlichkeit nicht ausschließen.138 Gemäß Art.  256a Abs.  2 OR hat der Mieter Anspruch auf die Bekanntgabe des Vormietzinses. Während der Mietdauer besteht sodann ein Anspruch auf Mietzinsherab­ setzung, wenn die Vermieterin wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen gemäß Art.  270a Abs.  1 OR übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt. Die wesentlichen Änderungen der Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus dem Kriterienkatalog in Art.  269 und 269a OR.139 (2)  Übermaßkriterien Das Bundesgericht hat aufgrund dieser vielschichtigen gesetzlichen Vorschriften zur Feststellung der Missbräuchlichkeit des Mietzinses keine eigenen Übermaßkriterien entwickelt, sondern die gesetzlichen Vorschriften, wo nötig, koordiniert und konkretisiert.140 Hierbei hat es die Missbrauchskriterien in absolute und relative Anpassungskriterien unterteilt. (a)  Absolute Anpassungskriterien Mit den absoluten Anpassungskriterien wird der Mietzins unabhängig vom bislang gültigen Mietzins geprüft.141 Absolute Kriterien sind die Rendite, netto im Sinne von Art.  269 OR und brutto nach Art.  269a lit.  c OR, sowie die orts- und quartierübliche Vergleichsmiete gemäß Art.  269a lit.  a OR. Die Nettorendite im Sinne von Art.  269 OR ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zulässig, solange sie den Zinssatz für erste Hypotheken nicht um mehr als 0,5 % übersteigt.142 Die Bruttorendite nach Art.  269a lit.  c OR ist nicht missbräuchlich,

137  BGE 136 III 82 E. 3.4 S.  89; BGer 4C.169/2002 vom 16. Oktober 2002 E. 3.1; vgl. auch BSK-Weber R., Art.  270 OR N.  5; Huguenin, OR AT/BT, N.  3015; CHK-Heinrich, Art.  270 OR N.  3. 138 KuKo-Blumer, Art.  270 OR N.  9; zu den einzelnen Vergleichskriterien SVIT-Kommentar, Art.  270 OR N.  15–24. 139 KuKo-Blumer, Art.  270a OR N.  4 m. w. H.; vgl. auch BGE 142 III 568. 140  Vgl. etwa BGE 122 III 257 E. 3 S.  257–260; 139 III 13 E. 3.1–3.3 S.  14–22; 141 III 245 E. 3 S. 248–252. 141  Vgl. BGE 142 III 568. 142  BGE 123 III 171 E. 6a S.  173 ff.; abgestellt wird dabei seit 1. Januar 2008 auf einen in der ganzen Schweiz einheitlichen Referenzzinssatz, welcher vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vierteljährlich erhoben wird; s. Art.  12a VMWG.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

sofern sie nicht mehr als zwei Prozent höher ist als der Referenzzinssatz.143 Die Bruttorendite ist für die Ertragslage einer Liegenschaft nur bei Neubauten aussagekräftig. Das Kriterium darf daher nur für neuere, maximal zehnjährige Bauten angewendet werden. Die Orts- und Quartierüblichkeit des Mietzinses gemäß Art.  269a lit.  a OR stellt auf einen Mietzinsvergleich mit ähnlichen Objekten ab.144 Für die Vergleichsmiete existieren bislang keine verlässlichen Statistiken. Der Nachweis muss daher konkret geführt werden durch Bezeichnung von mindestens fünf Objekten im gleichen Ort oder Stadtquartier, die gemäß Art.  11 Abs.  1 VMWG nach Lage, Größe, Zustand, Ausstattung und Bauperiode mit dem Mietobjekt vergleichbar sind.145 Sodann darf der Vergleichsmietzins nach Art.  11 Abs.  3 VMWG nicht auf einer Marktbeherrschung beruhen. Deswegen kommen Vergleiche mit Objekten nicht in Frage, die der Vermieterin gehören. Mietzinse, die nicht an die aktuellen Hypothekarzinsen angepasst sind, müssen zudem zuerst auf den neuesten Stand gebracht werden.146 (b)  Relative Anpassungskriterien Anhand der relativen Anpassungskriterien wird der Mietzins in Relation zum früheren Mietzins geprüft. Als relative Kriterien gelten die Kostensteigerungen und -senkungen nach Art.  269a lit.  b OR, wertvermehrende Investitionen nach Art.  269a lit.  b OR und gemäß Art.  269a lit.  e OR die Teuerung. Unter dem Titel der Kostensteigerungen bzw. -senkungen nach Art.  269a lit.  b OR wird untersucht, wie sich das Kostenniveau seit der letzten Mietzinsfestsetzung verändert hat. Bezüglich der Kostensteigerungen und -senkungen nach Art.  269a lit.  b OR gilt der Hypothekarzins als wichtigster Faktor. Abgestellt wird nicht auf die konkrete Finanzierung des Mietobjektes, sondern gemäß Art.  12a VMWG seit 1. Januar 2008 auf einen in der ganzen Schweiz einheitlichen Referenzzinssatz. Weitere entscheidungsrelevante Kostenveränderungen ergeben sich aus den allgemeinen Unterhalts- und Betriebskosten sowie den Gebühren und Abgaben (Art.  12 Abs.  1 VMWG). Mietzinserhöhungen sind gemäß Art.  269a lit.  b OR sodann nicht missbräuchlich, wenn sie durch Mehrleistungen der Vermieterin gerechtfertigt sind. Solche können in einer Vergrößerung der Mietsache oder in wertvermehrenden Investitionen bestehen. Das Ausmaß der zulässigen Mietzinserhöhung hängt ab von den Kosten der Investition, von deren Lebensdauer und von den mutmaßlichen Verzinsungs- und Unterhaltskosten während der Lebensdauer. Bei umfas143 

BGE 118 II 124 E. 5 S.  127 ff. Vgl. BGE 141 III 569 E. 2.2 S.  572–575. 145  BGE 123 III 317 E. 4b S.  320. 146  BGE 127 III 411 E. 5a S.  412 ff. 144 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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senden Renovationen legt Art.  14 Abs.  1 VMWG den wertvermehrenden Anteil bei 50 bis 70 % der Investition fest.147 Ferner darf die Vermieterin gemäß Art.  269a lit.  e OR das in das Mietobjekt investierte Eigenkapital an die Teuerung anpassen, die seit der letzten Mietzinsfestsetzung eingetreten ist. Auch hier wird mit Modellen gerechnet, wobei gemäß Art.  16 VMWG davon ausgegangen wird, dass das Mietobjekt zu 60 % mit Fremd- und zu 40 % mit Eigenkapital finanziert wird. (c)  Verhältnis der einzelnen Kriterien untereinander Die absoluten Anpassungskriterien können nicht alle gleichzeitig herangezogen werden. Bei Netto- und Bruttorendite ist dies schon deshalb einsichtig, weil sie auf dem gleichen Prinzip beruhen. Die relativen Anpassungskriterien können hingegen nebeneinander geltend gemacht werden.148 (3)  Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) In den zitierten Entscheiden finden sich ebenso wie in den Gesetzesmaterialien keine Hinweise darauf, wie das Bundesgericht die missbräuchliche Mietzinsbestimmung in eine zulässige überführt. Ebenso ist das Verhältnis der Mietzinsreduktion zu Art.  20 OR ungeklärt. Da die geltungserhaltende Reduktion im Mietrecht nur einer Missbrauchsbekämpfung dient, liegt das angestrebte Reduktionsmaß im noch Zulässigen. Die Rechtsprechung hat zur Kontrolle von Mietzinsen die absolute und die relative Methode entwickelt.149 Bei der absoluten Methode wird der zulässige Ertrag absolut bemessen, das heißt der Mietzins wird unabhängig vom vorherigen Mietzins anhand der gesetzlich definierten Kriterien auf seine Zulässigkeit hin überprüft.150 Dagegen sieht die relative Methode vor, dass eine mögliche Mietzinsanpassung nur im Vergleich zum vorherigen Mietzins geprüft wird.151 Die Judikatur zur Durchsetzung von Mietzinsreduktionen gestaltet sich seit der letzten Mietrechtsrevision wie folgt: In BGE 139 III 13 E. 3.5.2 S.  23 hat das Bundesgericht den Anfangsmietzins von 1'900 auf 1'323 Franken reduziert, wie es dem monatlichen Mietzins des Vorgängers entsprach; in BGE 124 III 310 E. 2c S.  312 f.; 126 III 124 E. 2c S.  128 und in BGer 4A_691/2015 vom 18. Mai 2016 E. 4 wurde der Entscheid zur Bestimmung der Reduktionshöhe an die Vorinstanz zurückgewiesen; abgelehnt hat das Bundesgericht eine Reduktion – zum Teil aufgrund der 147 

BGer 4C.287/2001 vom 26. März 2002 E. 3.2. S. zur Schranke bei der Geltendmachung etwa BGE 124 III 67. 149  Zum Verhältnis dieser beiden Methoden BGE 121 III 163 E. 2c S.  164 f. m. w. H. 150  BGE 121 III 163 E. 2b S.  164 m. w. H. 151  BGE 121 III 163 E. 2b S.  164 m. w. H. 148 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Nichteinhaltung formeller Voraussetzungen – in BGE 122 III 20 E. 4e S.  25; 132 III 702 E. 4.4 S.  707 und in BGE 136 III 82 E. 3.4 S.  89; offengelassen wurde die Entscheidung, ob eine Reduktion angezeigt ist, in BGE 121 III 163; 122 III 257; 124 III 67.152

(4)  Zwischenergebnis Das Reduktionsmaß eines übermäßigen Mietzinses wird im gesetzlich gerade noch Zulässigen erblickt. Das Bundesgericht hat keine eigenen Kriterien zur Feststellung des Übermaßes definiert, sondern wendet hier den breiten gesetzlichen Katalog, bestehend aus subjektiven und objektiven Kriterien, zur Prüfung der Mietzinse an. Bei der Herabsetzung übermäßiger Mietzinse im Einzelfall hat das Bundesgericht jeweils offengelassen, wie es vorging. Die Kasuistik zu missbräuchlichen Mietzinsen leistet demzufolge keinen Erkenntnisgewinn für das prozedurale Verständnis der geltungserhaltenden Reduktion. cc)  Reduktion übermäßiger Konkurrenzverbote (1) Ausgangslage In einer Konkurrenzverbotsabrede verpflichtet sich der Arbeitnehmer oder Gewerbetreibende, sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder nach Verkauf des Betriebs für eine bestimmte Zeit einer zum vorherigen Arbeitgeber oder einer zum früheren Betrieb konkurrenzierenden Tätigkeit zu enthalten.153 Eine besondere Regelung zu den Voraussetzungen und Beschränkungen des arbeitsvertraglichen Konkurrenzverbots findet sich heute in den Art.  340 f. OR. Damit ein Konkurrenzverbot gültig vereinbart werden kann, bedarf es gemäß Art.  340 Abs.  2 OR unter anderem der materiellen Voraussetzung, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Konkurrenzverbot hat. Ein solches ist zu bejahen, wenn „das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte“.154 Ist die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots als verbindlich zu betrachten, hat das Gericht gemäß Art.  340a Abs.  1 OR zu prüfen, ob es „nach Ort, Zeit und Gegenstand“ angemessen begrenzt ist, sodass „eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeitnehmers ausgeschlossen ist“. Was darunter zu verstehen ist, konkretisiert das Gesetz nur in zeitlicher Hinsicht, darf 152 

Zur Rechtsprechung vor der Mietrechtsrevision s. etwa BGE 114 II 74 E. 4 S.  78 f. Art.  340 OR N.  1. 154  Im Einzelnen SHK-Aubry Girardin, Art.  340 OR N.  24–32; Streiff/von Kaenel/­ Rudolph, Praxiskommentar Arbeitsvertrag, Art.  340 OR N.  15; Brunner/Bühler/Waeber/ Bruchez, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Art.  340 OR N.  6 f.; Portmann/Stöckli J.-F., Arbeitsrecht, N.  823. 153 BSK-Portmann,

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doch das Konkurrenzverbot nach Art.  340a Abs.  1 OR „nur unter besonderen Umständen drei Jahre überschreiten“.155 Obwohl Art.  340a Abs.  2 OR nicht in die Liste von Art.  362 OR aufgenommen wurde, muss die Bestimmung als relativ zwingend verstanden werden.156 Das heißt, auf den Anspruch zur richterlichen Herabsetzung eines übermäßigen Konkurrenzverbots kann der Arbeitnehmer nicht im Voraus verzichten. (2)  Rechtslage gemäß aOR (1881): Gültigkeit oder Nichtigkeit Dienstvertragliche, gesellschaftsvertragliche sowie gewerbliche kauf- und pachtvertragliche Konkurrenzverbote boten dem Bundesgericht seit Inkraft­ treten des aOR (1881) im Jahr 1883 regelmäßig Anlass, sich mit Fragen der Leistungsreduktion bzw. Übermaßkorrektur zu beschäftigen: Unter altem Recht wurden dem Bundesgericht insgesamt 15 Konkurrenzklauseln zur Beurteilung vorgelegt.157 Im Rahmen der dienstvertraglichen Konkurrenzverbote standen oft Klauseln zwischen Dienstherrin und Dienstnehmer in Streit, die vorsahen, dass der Dienstnehmer nach Ablauf des Vertrags nicht in gleicher oder ähn­ licher Stellung in ein Konkurrenzunternehmen der Dienstherrin eintreten durfte.158 Die gewerblichen Konkurrenzverbote hatten stets zum Gegenstand, dass es dem Verkäufer eines Unternehmens verboten war, mit einem neuen oder eigenen Geschäft in Konkurrenz zur Käuferin zu treten. Da das aOR (1881) (noch) keine Reduktionsnorm zur Herabsetzung von dienstvertraglichen oder gewerblichen Konkurrenzverboten enthielt und eine allgemeine Reduktionsnorm, wie erwähnt, fehlte, hatte das Bundesgericht eine mögliche Leistungsreduktion vor dem Hintergrund des Art.  17 aOR (1881) zu beurteilen. Es erwies sich hierbei als sehr zurückhaltend, hatte es doch im Beurteilungszeitraum kein einziges Konkurrenzverbot geltungserhaltend reduziert, sondern beschränkte sich darauf, Konkurrenzverbote anhand seiner im 155  Weitere Konkretisierungsvorschläge finden sich bei SHK-Aubry Girardin, Art.  340a OR N.  8 –15; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Praxiskommentar Arbeitsvertrag, Art.  340a OR N.  2–4; Portmann/Stöckli J.-F., Arbeitsrecht, N.  826–828; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Art.  340a OR N.  1–3. 156  Streiff/von Kaenel/Rudolph, Praxiskommentar Arbeitsvertrag, Art.  340a OR N.  12; KuKo-Schwaibold, Art.  340a OR N.  5. 157  BGE 17, 299 (Urteil vom 8. Mai 1891); 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891); 19, 378 (Urteil vom 3. Juni 1893); 905 (Urteil vom 16. Dezember 1893); 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895); 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895); 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897); 1160 (Urteil vom 9. Juni 1897); BGE 24 II 121; 25 II 604; 875; 26 II 108; 27 II 113; 30 II 523; 31 II 51. 158  Der Dienstvertrag wurde in Art.  338 aOR (1881) definiert: „Durch den Dienstvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur Leistung von persönlichen Diensten und der Arbeitgeber zur Entrichtung einer Vergütung. […].“

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Rahmen von Art.  17 aOR (1881) aufgestellten Grundsätze für gültig oder nichtig zu befinden. Konkurrenzverbote bedurften zu ihrer Gültigkeit zunächst eines berechtigten Interesses auf Seiten der Gläubigerin. Ein solches war im Falle von Dienstverträgen etwa zu bejahen, wenn sich die Berechtigte mit der Konkurrenzklausel vor der Weitergabe des bei ihr erlernten Wissens über die Herstellung ihrer Fabrikate in Konkurrenzgeschäften schützen wollte. In verschiedenen Urteilen aus dieser Zeit wird die Gültigkeit einer Konkurrenzklausel folgendermaßen begründet: Hätte eine Konkurrenzklausel keinen Bestand, wäre die Berechtigte dadurch weniger konkurrenzfähig respektive ihr bisheriger Kundenstamm würde von ihr unabhängig.159 Das berechtigte Interesse wurde neben der möglichen Weitergabe von Geschäftswissen darin erblickt, dass der Verpflichtete durch seinen direkten Kundenkontakt die Situation durch Abwerben des Kundenstammes hätte ausnutzen können.160 Wo nur der Arbeitnehmer Kontakt zu den Kunden unterhielt, in concreto etwa in der Position eines Milchführers, erachtete das Bundesgericht eine Konkurrenzklausel sogar „als beinahe notwendig“.161 Die Interessen der Berechtigten am Bestand des Konkurrenzverbots waren jedoch limitiert: Hatte das Konkurrenzverbot zur Folge, dass „die gesammte wirthschaftliche Existenz des Verpflichteten“ zu einer „dem Willen eines Dritten unterwerfende[n] vertragliche[n] Fesselung der Erwerbsthätigkeit“ führte, wurde es als nichtig beurteilt.162 Konkurrenzverbote galten nämlich unabhängig von der Interessenlage der Berechtigten dann als unsittlich, „wenn sie die Freiheit des Verpflichteten in so weitgehender Weise beschränken, daß danach dessen wirtschaftliche Persönlichkeit als aufgehoben, ihrer naturgemäßen Bethätigung entzogen erscheint.“163 Eine solche unzulässige Beschränkung wurde regelmäßig bejaht, wenn dem Verpflichteten „die Ausübung jeder oder doch einer bestimmten wirthschaftlichen Thätigkeit, insbesondere jedenfalls des von ihm erlernten und ihm gewohnten Berufes, verboten oder innert so 159  S. BGE 24 II 121 E. 2 S.  124; 25 II 875 E. 3 S.  879; in diesem Sinne bereits BGE 17, 299 (Urteil vom 8. Mai 1891) E. 5 S.  306; 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  721; 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 3 S.  643 f.; 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 2 S.  1231. 160  BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  721; 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 2 S.  1231; BGE 26 II 108 E. 3 S.  113. 161  S. BGE 26 II 108 E. 3 S.  113. 162  BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  721 f. 163  BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  721 f.; in diesem Sinne auch BGE 19, 378 (Urteil vom 3. Juni 1893) E. 4 S.  382; 19, 905 (Urteil vom 16. Dezember 1893) E. 3 S.  911; 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 3 S.  643 f.; 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 2 S.  1231; 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  743; BGE 24 II 121 E. 2 S.  124; 25 II 875 E. 2 S.  877; 27 II 113 E. 5 S.  120; 31 II 51 E. 5 S.  55.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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weiter zeitlicher und örtlicher Grenzen untersagt wäre, daß dies, nach den konkreten Verhältnissen, praktisch einem gänzlichen Verbote nahe käme.“164 Die Frage, ob ein Konkurrenzverbot als gültig oder nichtig zu beurteilen war, maß sich demnach insbesondere daran, ob das Verbot örtlich, zeitlich und gegenständlich genügend begrenzt war. Zwar hatte das Bundesgericht diese Grundsätze zunächst nur zur Beurteilung von dienstvertraglichen Konkurrenzverboten aufgestellt, doch weitete es diese Rechtsprechung alsbald auf alle Konkurrenzverbote aus.165 Wie die Rechtsprechungsanalyse sodann allerdings zeigt, hatten Konkurrenzverbote zu ihrer Gültigkeit im Einzelfall nicht immer in dreifacher Hinsicht, also örtlich, zeitlich und sachlich, beschränkt zu sein. So konnte es zuweilen etwa genügen, „wenn [das Konkurrenzverbot] in der einen oder andern Richtung begrenzt sei, sofern in Anbetracht der zeitlichen oder örtlichen Beschränkung die naturgemässe Bethätigung nach den obwaltenden Verhältnissen nicht aufgehoben sei“.166 In BGE 30 II 523 wurde ausdrücklich klargestellt, dass zur Beurteilung der Frage, ob ein Konkurrenzverbot als unsittlich galt, stets die „gesamten Umstände des konkreten Falles herangezogen werden“ müssten, wobei die wirtschaftliche Stellung der Kontrahenten und das besondere Verhältnis, in dem sie zueinander stünden, jeweils besonders zu gewichten seien.167 Das Bundesgericht konkretisierte dies in einem anderen Urteil dahingehend, als bei Dienstverträgen, „wo der wirtschaftlich Schwächere dem wirtschaftlich Stärkeren gegenübersteht, in der Auslegung strikter verfahren [wird], als bei Kaufverträgen, wo es sich um wirtschaftlich gleich starke Parteien handelt“.168 Neben dem strukturellen Ungleichgewicht sah das Bundesgericht den Grund für eine unterschiedliche Behandlung dienstvertraglicher und gewerblicher Konkurrenzverbote auch darin, dass „bei Anlaß eines Geschäftsverkaufes, […] der Ver164  BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  722; in diesem Sinne auch BGE 19, 378 (Urteil vom 3. Juni 1893) E. 4 S.  382; 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 3 S.  644; 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 2 S.  1232; 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  743; BGE 26 II 108 E. 3 S.  113; 27 II 113 E. 5 S.  120. 165  BGE 25 II 875 E. 2 S.  877: „Allerdings sind diese Grundsätze bis anhin nur bezüglich der bei Dienstverträgen vorkommenden Konkurrenzklauseln aufgestellt worden; aber sie haben, da sie sich auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Art.  17 [a]O.-R., daß unsittliche Rechtsgeschäfte nichtig seien, stützen, auch auf alle übrigen Konkurrenzverbote und -verzichte, wie überhaupt auf jede vertragliche Beschränkung der Gewerbefreiheit Anwendung zu finden […].“ 166  BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) E. 3 S.  6 44; BGE 27 II 113 E. 5 S.  120; implizit wohl auch BGE 25 II 604, wo ein pachtvertragliches Konkurrenzverbot, das nur zeitlich und gegenständlich begrenzt war, nicht auf seine Unsittlichkeit hin überprüft wurde. 167  BGE 30 II 523 E. 3 S.  526. 168  BGE 25 II 875 E. 2 S.  877 f.; in diesem Sinne auch BGE 30 II 523 E. 3 S.  526.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

pflichtete für die Eingehung des Verbotes aller Regel nach ein besonderes Äquivalent, zum Beispiel in Form der Erhöhung der Kaufsumme, erhält“.169 Die Kasuistik spiegelt diese Rechtsprechung insofern, als das Bundesgericht im Falle gewerblicher Konkurrenzverbote wesentlich großzügiger urteilte hinsichtlich ihrer Begrenzung als bei dienstvertraglichen. Erstere mussten zu ihrer Gültigkeit nämlich regelmäßig nicht in dreifacher Hinsicht beschränkt sein: In BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) war das gesellschaftsvertragliche Konkurrenzverbot zeitlich auf zehn Jahre und gegenständlich auf die Fabrikation und den Handel gewisser chemischer Produkte begrenzt, örtlich galt es hingegen unbeschränkt; in BGE 19, 905 (Urteil vom 16. Dezember 1893) war das pachtvertragliche Konkurrenzverbot zeitlich auf die Dauer des Pachtvertrags (vierjährige Vertragslaufzeit mit Kündigungsmöglichkeit nach zwei Jahren), örtlich auf die Gemeinde Sursee und gegenständlich auf jegliche Metzgereigeschäfte begrenzt; in BGE 25 II 875 verpflichtete sich die eine Partei im Rahmen eines kaufvertraglichen Konkurrenzverbots gegenständlich darauf „weder eine Modenzeitung noch ein ähnliches Unternehmen zu gründen oder zu betreiben“; anderweitig – weder örtlich noch zeitlich – war das Konkurrenzverbot nicht beschränkt; in BGE 25 II 604 wurde ein pachtvertragliches Konkurrenzverbot, das zeitlich nur für ein Jahr und gegenständlich für jede direkte oder indirekte Konkurrenz galt, trotz fehlender örtlicher Begrenzung nicht auf seine Unsittlichkeit hin beurteilt; in BGE 27 II 113 war das kaufvertragliche Konkurrenzverbot örtlich auf die Schweiz und gegenständlich auf jedes Konkurrenzgeschäft beschränkt, in zeitlicher Hinsicht unterlag es keiner Begrenzung.

Zwei Konkurrenzverbotsklauseln in Dienstverträgen, die nur einer gegenständlichen Begrenzung unterlagen, wurden dagegen für ungeteilt nichtig befunden, woran sich in der Abwägung der Vertragsfreiheit versus Abhängigkeit des Dienstverpflichteten bereits ein „sozialer“ Einschlag manifestierte: In BGE 19, 378 (Urteil vom 3. Juni 1893) war das dienstvertragliche Konkurrenzverbot nur gegenständlich auf Eintritt in „anderwärtige Eisenhandlungen“ beschränkt; auch in BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) unterlag das dienstvertragliche Konkurrenzverbot bloß einer gegenständlichen Begrenzung, welche auf Eintritt und Betrieb eines Konkurrenzgeschäftes lautete.

Gültig waren hingegen die folgenden dienstvertraglichen Konkurrenzverbote: In BGE 17, 299 (Urteil vom 8. Mai 1891) war das Konkurrenzverbot zeitlich auf zehn Jahre, örtlich auf das Gebiet der Schweiz und gegenständlich auf ein „ähnliches Geschäft“ eingegrenzt; in BGE 21, 640 (Urteil vom 28. Juni 1895) war es zeitlich auf vier Jahre und gegenständlich auf Konkurrenzgeschäfte beschränkt; in örtlicher Hinsicht sah es keine Begrenzung vor; in BGE 21, 1229 (Urteil vom 30. Dezember 1895) war es zeitlich auf fünf Jahre, örtlich auf das Gebiet der Schweiz, Italiens und Savoyens und gegenständlich auf Eintritt oder Beteiligung an einem Konkurrenzgeschäft begrenzt; in BGE 24 II 121 galt es zeitlich für zwei Jahre seit Austritt aus dem vorherigen Geschäft, örtlich für das Gebiet der Schweiz und gegenständlich für jede Tätigkeit in einem „anderen Schuhgeschäft“; in BGE 26 II 108 lautete das Konkurrenzverbot zeitlich auf ein Jahr, örtlich auf „Zürich und Umgebung“ und 169 

BGE 30 II 523 E. 3 S.  526; ähnlich bereits BGE 25 II 875 E. 2 S.  878.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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gegenständlich auf Betrieb und Eintritt in einen anderen Milchhandel; in BGE 30 II 523 war es zeitlich auf zwei Jahre und gegenständlich auf Eintritt in jegliches Konkurrenzgeschäft im Holzhandel begrenzt; örtlich unterlag es keinen Grenzen; in BGE 31 II 51 war es zeitlich auf zwei Jahre, örtlich auf das Gebiet der Schweiz und des Elsasses und gegenständlich auf Eintritt in jegliche Konkurrenzunternehmen beschränkt. Nicht besonders problematisiert wurde ein Konkurrenzverbot, das für die Zeit während der Anstellung galt in BGE 23, 1160 (Urteil vom 25. September 1897) E. 6 S.  1167.

Wie die Kasuistik zeigt, wurden dienstvertragliche Konkurrenzverbote immer dann als gültig betrachtet, wenn sie in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht genügend begrenzt waren. Mit Blick auf die zeitliche Begrenzung spielte es keine Rolle, ob diese nun vier oder zehn Jahre dauerte. Insbesondere mit Blick auf die gegenständliche Begrenzung wurden dienstvertragliche Konkurrenzverbote in den nachfolgenden Berufszweigen für unproblematisch befunden, da es den durch das Konkurrenzverbot Verpflichteten zugemutet wurde, in eine andere Berufssparte zu wechseln: In BGE 26 II 108 entschied das Bundesgericht, dass es im Falle der Ausübung des Berufes eines „Milchführers“ erwiesen sei, dass hierfür keine „besonderen Kenntnisse“ erforderlich seien, s. a. a. O., E. 3 S.  113. Auch im Falle eines Verkaufsreisenden, der seit seinem 15. Altersjahr auf den Holzhandel spezialisiert war, urteilte das Bundesgericht, dass er auch für Büroarbeiten angestellt gewesen sei. Diese Kenntnisse könne er in jedem Geschäftszweig außerhalb des Holzhandels einsetzen, s. BGE 30 II 523 E. 2 S.  525. Auch der Verleger, der auf unbegrenzte Zeit keine Modezeitschrift mehr herausgeben durfte, konnte sich nicht auf seine „besonderen Kenntnisse“ berufen. Das Bundesgericht kam diesbezüglich zum Schluss, dass er „ganz allgemein ein Verlagsgeschäft [betreibt] und sich in diesem Gewerbe nach mannigfachen Richtungen hin bethätigen [kann]“, s. BGE 25 II 875 E. 2 S.  878.

Der örtlichen Begrenzung des Konkurrenzverbots wurde hingegen kein allzu großes Gewicht beigemessen. Dies lag daran, dass das Bundesgericht hier insofern eine geltungserhaltende Auslegung vornahm, als es befand, die örtliche Beschränkung ergebe sich schon allein dadurch, dass ein Konkurrenzgeschäft aus der Natur der Sache örtlich beschränkt sei: Jedes Geschäft müsse sich nämlich auf eine „örtlich mehr oder weniger begrenzte Sphäre beschränken“ und durch ein Konkurrenzverbot werde regelmäßig nur der Eintritt in ein Geschäft untersagt, das zum ursprünglichen Geschäft tatsächlich in Konkurrenz stehe.170 Dass das Bundesgericht nicht bereit war, abgesehen von der restriktiven Auslegung der örtlichen Beschränkung eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen, machte es insbesondere in BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) deutlich, als es ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot für nichtig erklärte: Der Dienstnehmer erhob Feststellungsklage auf Nichtigkeit der Klausel, weil diese örtlich und zeitlich nicht beschränkt war, woraufhin die Dienstnehmerin, be170  BGE 30 II 523 E. 3 S.  527 f.; in diesem Sinne bereits BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  722.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

zugnehmend auf die Grundsätze, die das Gericht zur Feststellung der Nichtigkeit solcher Klauseln entwickelte hatte, vorbrachte, dass nicht das (unbeschränkte) Konkurrenzverbot als solches, sondern nur dessen übermäßige Ausdehnung nichtig sei. Am ursprünglich Vereinbarten halte sie im Übrigen auch gar nicht fest, sondern nur an dem Inhalt, wie er in den Schranken des Gesetzes noch zulässig sei. „[D]er Richter habe daher nicht die Ungültigkeit des Verbotes als solches auszusprechen, sondern es lediglich zu moderieren; es sei nach der Regel utile per inutile non vitiatur und in Analogie der Art.  345 [a]O.-R. und 182 eod. zu handeln [Hervorhebung im Original].“171 Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation mit folgender Begründung nicht: „Was zunächst die von der Beklagten angezogenen Analogieen betrifft, aus denen sie ihren Standpunkt ableiten will, so kann vorerst von einer Analogie des richterlichen Ermäßigungsrechtes bei der Konventionalstrafe (Art.  182 [a]O.-R.) in keiner Weise die Rede sein. Denn die Konventionalstrafe ist an und für sich nach der Auffassung des Gesetzes durchaus gültig; sie wäre daher auch in jedem Falle im vereinbarten Umfange zu bezahlen, wenn nicht das Gesetz im Interesse der Billigkeit durch singulären Rechtssatz dem Richter eine Ermäßigungsbefugnis gegeben hätte. Nicht handelt es sich also bei der Konventionalstrafe um die Beschränkung von etwas an sich ungültigem. Art.  345 [a]O.-R. aber, der die Dienstverträge auf Lebenszeit (des einen oder andern Kontrahenten) als auf einen bestimmten Zeitpunkt kündbar erklärt, enthält allerdings einen Ausfluß des Prinzipes, dass zu weitgehende vertragsmäßige Beschränkungen der Persönlichkeit im Sinne des Art.  17 [a]O.-R. unsittlich und daher ungültig sind; allein er schließt in seinem zweiten Teile wiederum einen singulären Rechtssatz, der von Zweckmäßigkeitsrücksichten ausgeht, in sich; ohne diesen speziellen Rechtssatz wäre der auf Lebenszeit abgeschlossene Dienstvertrag ohne Weiteres nichtig, so ist es nur der Verzicht auf das Kündigungsrecht […].“172 Weiter wurde ausgeführt, dass auch der Verweis auf den Satz utile per inutile non vitiatur in diesem Falle nicht helfe. Denn dieser könne seiner Natur nach „nur bei teilbaren Obligationen Anwendung finden; eine solche liegt aber in der streitigen Vertragsklausel nicht; eine Teilbarkeit der Leistung, zu welcher sich der Kläger verpflichtet hat, ist undenkbar. Jeder Versuch seinerseits, sich an das Verbot nur in beschränktem Grade (zum Beispiel bezüglich der örtlichen Ausdehnung) zu binden, würde die Manifestierung eines andern Willens als des bei Eingehung des Vertrages erklärten bedeuten.“173 Auch die Beklagte könne nicht einseitig erklären, sie 171 

BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  743 f. BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  744. Diese Auffassung hinsichtlich des lebenslangen Dienstvertrags wurde auch von der Lehre getragen, s. Hafner, Kommentar zum schweizerischen Obligationenrecht, Art.  345 N.  4. 173  BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  744. 172 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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wolle das Konkurrenzverbot nur in beschränktem Umfang einklagen: „Hierin läge nicht etwa ein Verzicht auf ein Recht, sondern die Ersetzung des ursprünglichen Vertrages durch einen Vertrag anderen Inhaltes, da eben das zeitlich und örtlich unbeschränkte und daher nichtige Konkurrenzverbot gegenüber dem in diesen Richtungen beschränkten und somit gültigen nicht ein mehreres, sondern ein anderes darstellt.“174 Gleich verhalte es sich zudem mit Blick auf das Moderationsrecht des Richters: Bei Zulassung eines Ermäßigungsrechts würde vom Richter etwas ganz anderes geschaffen, als die Parteien bei Eingehung des Vertrags gewollt hätten; damit würde der Richter aus den Grenzen der Aus­ legung des Vertragswillens, des Vertragsinhaltes hinaustreten und den Parteiwillen durch seine Willkür ersetzen.175 Das Gericht erkannte daher auf Ganznichtigkeit des streitigen Konkurrenzverbots, wobei es anmerkte, dass die „Frage, ob dem Richter ein Recht, es in die zulässigen Grenzen einzuschränken, zustehe, verneint werden [muß]. Denn, wie die Vorinstanz mit Recht bemerkt, etwas nichtiges, rechtlich nicht existierendes, kann auch nicht modifiziert werden.“176 Zur Untermauerung der Ansicht, dass ein richterliches Ermäßigungsrecht im Allgemeinen nicht zulässig sei, bezog sich das Bundesgericht in verschiedenen Urteilen aus dieser Zeit auf die Monografie von Lemberg, Arthur, Vertragsmäßige Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit, Diss. Breslau 1888, 177 sowie auf die höchstrichterliche Rechtsprechung von Deutschland und Frankreich.178 Bezogen auf den gesamten Vertrag führte ein sittenwidriges Konkurrenzverbot allerdings nicht zur Ganznichtigkeit.179 Obwohl Art.  17 aOR (1881) keine Teilnichtigkeit vorsah, hatte sich das Bundesgericht hier – in Abweichung seiner sonstigen Rechtsprechung180 – trotzdem dafür ausgesprochen und zumindest insofern in den Vertragsinhalt eingegriffen.181

174 

BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  744 f. BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  745. 176  BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  745. 177  S. BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  745; BGE 25 II 875 E. 2 S.  878. 178  S. BGE 17, 717 (Urteil vom 19. Dezember 1891) E. 3 S.  722; 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  745, je m. w. H. 179  So implizit BGE 19, 378 (Urteil vom 3. Juni 1893) E. 5 S.  382–384; offengelassen in BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897) E. 4 S.  745. 180  Vgl. zu den Rechtsfolgen sittenwidriger Verträge oben S.  106 f. 181  Der Entscheid zugunsten der Teilnichtigkeit mag in diesen Fällen pragmatische Gründe gehabt haben, aktualisiert sich doch eine sittenwidrige Konkurrenzverbotsklausel regelmäßig erst nachvertraglich. Die Teilnichtigkeit des Vertrags bot hier – gegenüber einer Rückabwicklung des Vertrags aufgrund seiner ex tunc-Nichtigkeit – offensichtlich die praktikablere Lösung. 175 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

(3)  Differenzierte Rechtslage nach Inkrafttreten des OR 1912 Mit Verweis auf das strukturelle Ungleichgewicht der Parteien hatte das Bundesgericht bereits unter Anwendung des aOR (1881) immer wieder angedeutet, dass dienstvertragliche und gewerbliche Konkurrenzverbote unterschiedlich zu behandeln seien. Im Rahmen der Revision des aOR (1881) kam es zu einer materiellen Gesetzesänderung, die dieser Forderung Rechnung trug: Dienstvertragliche und später arbeitsvertragliche Konkurrenzverbote konnten fortan gerichtlich reduziert werden, während gewerbliche Konkurrenzverbote weiterhin nur innerhalb der allgemeinen Vertragsschranken auf ihre Gültigkeit hin überprüft wurden. (a)  Dienstvertragliche bzw. arbeitsvertragliche Konkurrenzverbote (i)  Übermaßkriterien Die Revision des aOR (1881) führte mit Blick auf Konkurrenzverbote insofern zu einer materiellen Änderung der Rechtslage, als das Gericht gemäß aArt.  357 OR182 neuerdings dazu berufen war, dienstvertragliche Konkurrenzverbote nach Ort, Zeit und Gegenstand einzuschränken, wo es ihm in Würdigung aller Umstände als angemessen erschien.183 Obwohl der Wortlaut von einer Kann-­ Vorschrift spricht, war das Gericht zur Reduktion einer übermäßigen Konkurrenzklausel in einem Dienstvertrag verpflichtet. Auch der vom Bundesgericht zu Art.  17 aOR (1881) entwickelte Grundsatz, wonach Konkurrenzverbote184 nur zulässig seien, soweit der Dienstpflichtige durch die spätere Verwendung seines Einblickes185 in den Kundenkreis186 oder die Geschäftsgeheimnisse der Dienst­herrin diese erheblich schädigen konnte, wurde in aArt.  356 Abs.  2 OR187 182  Aufgehobener Art.  357 OR: „Das Konkurrenzverbot ist nur im Umfang einer nach Zeit, Ort und Gegenstand angemessenen Begrenzung verbindlich, durch die eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Dienstpflichtigen ausgeschlossen wird.“ 183  Zur Rechtfertigung der damit einhergehenden Wettbewerbsbeschränkungen vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Wirtschaftsfreiheit ausführlich BGE 130 III 353 E. 2.1.1 S.  355–358. 184  Zum Begriff „konkurrierendes Geschäft“ im Sinne der aArt.  356 ff. OR, BGE 92 II 22 E. 1c–d S.  25–27 sowie E. 2 S.  28. 185  Zum Erfordernis „Einblick in den Kundenkreis“, BGE 91 II 372 E. 6 S.  379. 186  Zum Kundenbegriff des aArt.  356 Abs.  1 OR, BGE 55 II 258 E. 1 S 260. 187  Aufgehobener Art.  356 OR: „Bei einem Dienstverhältnis, das dem Dienstpflichtigen einen Einblick in Kundenkreise oder Geschäftsgeheimnisse gewährt, kann in den Vertrag die Bestimmung aufgenommen werden, dass der Dienstpflichtige nach der Beendigung des Verhältnisses weder auf eigenen Namen ein mit dem des Dienstherrn konkurrierenden Geschäfts betreiben oder in einem solchen sich betätigen noch als Anteilhaber oder auf andere Weise sich beteiligen dürfe. Das Konkurrenzverbot ist nur da zulässig, wo der Dienstpflichtige

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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gesetzlich festgeschrieben. Damit ein Konkurrenzverbot gültig vereinbart werden konnte, musste die Dienstherrin also auch gemäß dem revidierten OR ein berechtigtes Interesse daran geltend machen. Insbesondere für die sog. freien Berufe wurde dieses sehr hoch angesetzt.188 durch die Verwendung jenes Einblickes den Dienstherrn erheblich schädigen könnte. Es ist nichtig, wenn der Dienstpflichtige zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarung unmündig war.“ Zum Zweck der Bestimmung und insbesondere zur Schadensmöglichkeit durch einen Dienstnehmer, s. BGE 72 II 80 S.  81 f.; 91 II 372 E. 4 S.  377; 92 II 22 E. 1a S.  24; 138 III 67 E. 2.2.1 S.  71. 188  Die Kasuistik zum „berechtigten Interesse“ gestaltet sich folgendermaßen: In BGE 56 II 439 E. 1 S.  441 wurde ausgeführt, dass trotz der Unterlassung des Gesetzgebers „besondere Klassen von Dienstpflichtigen bei der Behandlung des Konkurrenzverbotes über die allgemeine Ordnung hinauszuheben und [er] sich vielmehr damit begnügt, in Art.  356 Abs.  2 [a] OR [(1881)] die Grenzen zu ziehen im Hinblick auf die grössere oder geringere Möglichkeit und die Schadenswirkungen des Vertrauensmissbrauches, dem die Konkurrenzverbote begegnen sollen“, das Interesse der Berechtigten am Konkurrenzverbot insbesondere in Fällen sog. freier Berufe sehr hoch angesetzt werden müsse. Die Zulässigkeit des dienstvertraglichen Konkurrenzverbots wurde daraufhin in mehreren Fällen verneint, obwohl der Dienstnehmer Einblick in den Geschäftskundenkreis hatte. In BGE 44 II 56 führte das Bundesgericht hierzu aus: „[E]in Kundenkreis [ist] nur dann schutzfähig, wenn der Dienstnehmer seinen Einblick in denselben zu einer erheblichen Schädigung des Dienstgebers verwenden kann. Ist dies nicht der Fall, so ist ein Konkurrenzverbot ungültig, auch wenn der Geschäftsherr seinen Kundenkreis noch so sehr geheim gehalten hat. Die Verwendung des Einblickes in die Kundenliste eines Geschäftes kann nun aber immer dann vom Angestellten nicht ausgebeutet werden, wenn das Verhältnis zwischen Kundschaft und Geschäftsherrn im wesentlichen auf einem persönlichen Bande beruht, wenn es sich stützt auf die persönliche Leistungsfähigkeit des Geschäftsherrn. In diesem Falle wird dem Dienstnehmer sein Einblick in den Kundenkreis nichts nützen, denn dieser Kenntnis an sich wird er noch nicht die Mittel entnehmen können, um die Verbindung zwischen Prinzipal und Kundschaft aufzulösen oder zu lockern.“, a. a. O., E. 4 S.  59 f.; in diesem Sinne auch BGE 44 II 89 E. 2 S.  92–94; 78 II 39 E. 1 S.  40; 138 III 67 E. 2.2.1 S.  70 f. In BGE 56 II 439 konkretisierte das Bundesgericht diese Rechtsprechung dahingehend, dass zwar auch in sog. freien Berufen Konkurrenzverbote nicht per se ausgeschlossen seien, doch es müsse der Verpflichtete nicht nur Einblick in den Kundenkreis, sondern auch in Geschäftsgeheimnisse gehabt haben, BGE 56 II 439 E. 2 S.  442 f. Kein solcher Einblick in Geschäftsgeheimnisse lag den folgenden Entscheiden zugrunde: BGE 61 II 90 E. 2 S.  93, wo ein Reitlehrer zeitweise die Leitung des Reitstalles inne hatte; BGE 78 II 39 E. 1 S.  40–42, wo festgestellt wurde, dass im Falle eines Buchhaltungsexperten „la capacité professionnelle et le côté personnel des rapports avec la clientèle ne jouent pas un rôle éminent“. Im Gegensatz dazu hatte das Bundesgericht in BGE 91 II 372 im Falle eines „Klein­reisenden“ festgestellt, „dass die Voraussetzungen von [a]Art.  356 Abs.  1 und 2 OR bei gewissen Gruppen von Arbeitnehmern meist fehlen“. Allgemeingültige Regeln, wonach in bestimmten Fällen schon die Gruppenzugehörigkeit des Dienstpflichtigen die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots verböte, ließen sich jedoch kaum aufstellen. Daher habe das Bundesgericht bei Angehörigen aller Berufsgruppen „auf Grund der besondern Umstände des zu beurteilenden Einzelfalles zu prüfen, ob die erwähnten Voraussetzungen erfüllt seien oder nicht“, a. a. O., E. 4 S.  377 f. Ebenfalls mit Blick auf den Einblick des Dienstneh-

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Da weder der Gesetzestext noch die Materialien konkretisierende Vorgaben zur geltungserhaltenden Reduktion von übermäßigen dienstvertraglichen Konkurrenzverboten enthielten, bejahte das Bundesgericht deren Übermäßigkeit auch unter dem neuen Recht stets, wenn das Konkurrenzverbot die wirtschaftliche Existenz des Dienstnehmers vernichtete oder sein wirtschaftliches Fortkommen erheblich erschwerte.189 Indizien hierfür waren weiterhin eine zu weit gehende oder fehlende örtliche, zeitliche und gegenständliche Begrenzung des Konkurrenzverbots, wobei sich dessen Zulässigkeit letztlich aus einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalles ergab.190 Damit wurde, wie bereits unter altem Recht angedeutet, klargestellt, dass sich die einschränkenden Komponenten teilweise kompensieren lassen, womit „ein örtlich und sachlich eng begrenztes Konkurrenzverbot […] unter Umständen länger dauern [darf] als eines, das die Tätigkeit des Dienstpflichtigen nach Ort und Gegenstand stark einschränkt“.191 Diese Rechtsprechung wird vom Bundesgericht bis heute fortgeführt.192 Insbesondere eine allfällige Karenzentschädigung ist in diese Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen – die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu entgeltlichen dienstvertraglichen Konkurrenzverboten nahm 1952 ihren Anfang: Das Bundesgericht verwies hinsichtlich der Karenzentschädigung auf folgende Besonderheiten bei der Beurteilung der Angemessenheit eines dienstvertraglichen Konkurrenzverbots: „Dagegen kann der Umstand, dass der Dienstherr für die Konkurrenzenthaltung ein Entgelt zu entrichten hat, von Bedeutung sein bei der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer unbilligen Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Dienstpflichtigen. Immerhin könnte ein Konkurrenzverbot von unbegrenzter Dauer selbst bei Weiterzahlung des vollen Gehalts nicht als zulässig erachtet werden; denn ein solches Verbot liefe auf eine Verwehrung der Berufsausübung hinaus und verstiesse gegen den Grundgedanken von Art.  27 ZGB, wonach niemand in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade auf seine persönliche Freiheit verzichten kann.“, BGE 78 II 230 E. 2a S.  234. Zu weiteren arbeitsvertraglichen Konkurrenzverboten mit Karenzentschädigung s. BGE 101 II 277 und 130 III 353 E. 2 S.  354 f. mers und die damit einhergehende Schädigungsmöglichkeit stellte das Gericht in BGE 55 II 258 E. 1 S.  261 klar, dass es für die Zulässigkeit des Konkurrenzverbots unerheblich sei, „ob die Klägerin seinerzeit mit den Leistungen des Beklagten zufrieden war oder nicht; denn wenn sie auch im Prozesse selber erklärt hat, der Beklagte sei kein guter, erfolgreicher Reisender gewesen, so schliesst dies doch noch keineswegs aus, dass dieser seine bei seiner Tätigkeit für die Klägerin gesammelten Erfahrungen in seiner heutigen Stellung zum Nachteile der Klägerin ausnütze und verwerte.“ 189  Besonders deutlich etwa in BGE 61 II 90 E. 2 S.  94; 91 II 372 E. 8 S.  380; 96 II 139 E. 2 S.  142; 130 III 353 E. 2 S.  354 f. 190  BGE 44 II 89 E. 3 S.  95: „Du reste, les différentes restrictions prévues à l’[a]art. 357 [CO] ne doivent pas être considérées successivement et isolément, il faut rechercher si, dans leur ensemble, elles sont de nature à compromettre, d’une manière contraire à l’équité, l’avenir économique de l’employé.“ In diesem Sinne auch BGE 130 III 353 E. 2 S.  354 f. 191  BGE 91 II 372 E. 8b S.  381. 192  BGE 130 III 353 E. 2 S.  354 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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(ii)  Vorgehensweise i. w. S. (a)  Reduktionsmaß Das Gericht machte von seinem Ermäßigungsrecht zum ersten Mal in BGE 43 II 660 Gebrauch, als es ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot beurteilte, das örtlich nicht beschränkt war.193 Es verwarf die Argumentation des Verpflichteten, das Konkurrenzverbot sei aufgrund seines örtlich nicht definierten Anwendungsbereichs unsittlich und damit nichtig. Während diese Annahme dem alten Recht entsprochen hätte, verwies das Bundesgericht von nun an darauf, dass gemäß der Fassung des OR von 1912 die Nichtigkeit nur noch ausgesprochen werden solle, wenn sie unbedingt nötig sei, um die Unstimmigkeit des Vertrags mit dem Gesetz oder den guten Sitten zu beseitigen.194 Artikel 20 OR sehe in der revidierten Fassung des OR nämlich vor, dass wenn „bloss einzelne Teile“ von der Nichtigkeit betroffen sind, der restliche Vertrag gültig sei. Insbesondere mit Blick auf unbeschränkte Konkurrenzverbote enthalte Art.  357 aOR (1881) zudem eine Regel, wonach unbeschränkte Klauseln nicht mehr als ungeteilt nichtig zu deklarieren, sondern so zu modifizieren seien, dass sie nicht mehr über die Grenzen der Vertragsfreiheit hinausgingen.195 Der Zweck dieser Bestimmung, übermäßige Bestimmungen auf das Angemessene, „à la mesure convenable“, zu reduzieren, gehe auch aus den Gesetzesmaterialien hervor.196 Das Bundesgericht erkannte deshalb, dass das Konkurrenzverbot zwar gültig vereinbart worden war, aber vom Gericht örtlich begrenzt werden müsse.197 In zeitlicher Hinsicht nahm das Bundesgericht eine geltungserhaltende Reduktion in einem Entscheid aus dem Jahr 1935 vor: Ein Reitlehrer hatte sich vertraglich verpflichtet, sich nach Auflösung des Vertragsverhältnisses während zehn Jahren weder direkt noch indirekt an einem Reitstall „auf dem erweiterten Gebiet der Stadt Zürich“ zu beteiligen.198 Das Bundesgericht betrachtete dieses Konkurrenzverbot mit Blick auf die angespannte Wirtschaftslage als zeitlich übermäßig und reduzierte es auf drei Jahre.199 Ebenfalls auf drei Jahre reduzier193 

BGE 43 II 660 S.  661. BGE 43 II 660 S.  661. 195  BGE 43 II 660 S.  662: „[I]l ne doit plus, d’après l’[a]art. 357 [CO], a déclarer nulle en entier parce qu’illimitée, mais il doit simplement y introduire les limitations nécessaires pour que son contenu n’excède plus les bornes fixées par la loi à la liberté de contracter.“ 196  BGE 43 II 660 S.  662 mit Verweis auf folgende Materialien: Bericht des Bundesrates, 1905 II, S.  35; Bericht der Expertenkommission, Sitzung des 8. März 1909; Stenografisches Bulletin des Nationalrates 1909 S.  676 und Ständerates, S.  682; in diesem Sinne auch BGE 44 II 89 E. 3 S.  94 f. 197  BGE 43 II 660 S.  663. 198  BGE 61 II 90. 199  BGE 61 II 90 E. 3 S.  94 f.: Das Gericht führte aus, das Konkurrenzverbot stehe in kei194 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

te das Bundesgericht in der Folge ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das örtlich für die Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden und gegenständlich für jegliche Tätigkeit in der „Innendekoraktions-Branche“, zeitlich aber unbegrenzt galt.200 Obwohl das Gericht die Übermäßigkeit von dienstvertraglichen Konkurrenzverboten, wie erwähnt, eigentlich bereits seit 1918 im Rahmen einer Gesamtschau betrachtete, hat es in den referierten Entscheiden eine Anpassung nur der offensichtlich übermäßigen Aspekte des Konkurrenzverbots, also der überlangen Dauer oder der örtlich oder sachlich zu weitgehenden Ausdehnung, in Betracht gezogen.201 In BGE 91 II 372 verkürzte es das streitige Konkurrenzverbot dagegen erstmals in dreifacher Hinsicht. Das Konkurrenzverbot wurde zeitlich für drei Jahre ausbedungen und galt örtlich für alle Länder, „in denen eine vom Nahrin-Konzern beeinflusste Gesellschaft besteht“. Sachlich verbot es die Tätigkeit in jedem Unternehmen, „das sich mit der Herstellung, dem Verkauf oder der Vermittlung solcher oder ähnlicher Produkte beschäftigt, wie sie auch von der Firma während der Dauer des Vertragsverhältnisses im Laboratorium oder im Betrieb bearbeitet, hergestellt oder verkauft worden sind“.202 Eigentlich war keiner der drei Aspekte des Konkurrenzverbots vor dem Hintergrund der bis dahin ergangenen Kasuistik offensichtlich übermäßig, doch kam das Bundes­ gericht im Rahmen der Gesamtbetrachtung zum Schluss, dass das Konkurrenzverbot in der Summe als übermäßig beurteilt werden müsse und sich nur aufrechterhalten lasse, wenn es sowohl örtlich, gegenständlich als auch zeitlich begrenzt werde.203 Zwar sprach das Gericht selbst nicht davon, dass es die verschiedenen Komponenten „aufsummierte“, doch lässt sich dies in casu daran nem Verhältnis zum Interesse des Berechtigten: „Schon das Bezirksgericht, dessen Erwägungen von der Vorinstanz übernommen worden sind, hat festgestellt, dass in der Schweiz nur in einigen wenigen grössern Städten Reitanstalten bestehen, in denen für den Unterricht neben dem Betriebsinhaber noch ein weiterer Lehrer benötigt wird. Infolgedessen ist der Kläger für sein wirtschaftliches Fortkommen darauf angewiesen, nicht von dem vielleicht wichtigsten in Betracht kommenden Platze, Zürich, zum vornherein auf so lange Zeit ausgeschlossen zu sein. Das gilt heute noch umsomehr, als bekanntlich die Frequenz der Reitanstalten stark unter der allgemeinen Wirtschaftskrise leidet u. die ausländischen Arbeitsmärkte sozusagen gänzlich verschlossen sind, was die Existenzmöglichkeiten des Reitlehrpersonals immer mehr einengt. Angesichts dieser Situation kann am Konkurrenzverbot nicht mit der gleichen Strenge festgehalten werden wie in Zeiten wirtschaftlicher Blüte, wo für eine Stelle leicht eine andere gefunden wird und neben dem einheimischen auch die ausländischen Arbeitsmärkte offen stehen.“ 200  BGE 96 II 139 E. 3a–b S.  143 f. m. w. H. 201  Offensichtliche Übermäßigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn eine Beschränkung in bestimmter Hinsicht fehlt. 202  BGE 91 II 372 E. 8 S.  380. 203  BGE 91 II 372 E. 8c S.  381 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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erkennen, dass frühere und zum Teil auch spätere Konkurrenzverbote, die eine Laufzeit von drei Jahren aufwiesen und sich als übermäßig herausstellten, in zeitlicher Hinsicht weder jemals angepasst noch deren Verkürzung überhaupt erwogen worden wäre. Zusätzlich zu den referierten Entscheiden hatte sich das Bundesgericht in weiteren elf Entscheiden mit der Rechtmäßigkeit dienstvertraglicher Konkurrenzverbote zu beschäftigen. Von den im Betrachtungszeitraum insgesamt 14 zu beurteilenden dienstvertraglichen Konkurrenzklauseln hatte es bloß deren vier in ihrem Anwendungsbereich reduziert. Zwei beurteilte es als nichtig und die restlichen acht schützte es vollumfänglich. Reduziert hat das Bundesgericht die Konkurrenzverbote in den folgenden Fällen: In BGE 43 II 660 wurde ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das nur eine zeitliche und gegenständliche Begrenzung enthielt, in örtlicher Hinsicht vom Bundesgericht begrenzt; in BGE 61 II 90 wurde ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das zwar in drei Richtungen begrenzt war, zeitlich jedoch als übermäßig beurteilt wurde, von zehn auf drei Jahre verkürzt; in BGE 91 II 372 war das dienstvertragliche Konkurrenzverbot zwar ebenfalls auf drei Arten beschränkt, doch wurde es im Rahmen einer Gesamtabwägung, wie oben bereits ausgeführt, in dreierlei Hinsicht herabgesetzt: Zeitlich von drei auf zwei Jahre, örtlich von „allen Ländern, in denen eine vom Nahrin-Konzern beeinflusste Gesellschaft besteht“, auf den Kanton Nidwalden und drei Gemeinden des Kantons Obwalden und gegenständlich auf den Vertrieb von „Spezialnahrungsmitteln“, a. a. O., E. 8 S.  380 f. In BGE 96 II 139 wurde ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das örtlich auf die Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden und gegenständlich auf jegliche Tätigkeit in der „Innendekorations-Branche“ beschränkt war, zeitlich aber unbeschränkt galt, auf drei Jahre reduziert. Einen Sonderfall stellt BGE 103 II 120 dar. Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot lautete in diesem Fall auf fünf Jahre, wobei der Arbeitnehmer seiner früheren Arbeitgeberin „weder in eigenem noch in fremdem Namen“ in der Schweiz oder in Liechtenstein in irgendeiner Weise Konkurrenz machen durfte. Auf Grundlage von Art.  340b Abs.  3 OR klagte die Arbeitgeberin darauf, dass ihrem ehemaligen Arbeitnehmer jegliche Konkurrenztätigkeit während drei Jahren zu verbieten sei. Vor Bundesgericht drang dieses Begehren zwar durch, doch es blieb offen, ob das fünfjährige Konkurrenzverbot auch von Amtes wegen zu reduzieren gewesen wäre. In BGE 105 II 200 wurde ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das zeitlich auf drei Jahre, örtlich auf das ehemalige zugeteilte Reisegebiet und gegenständlich darauf beschränkt war, sich „weder unmittelbar noch mittelbar an Fabrikation, Handel oder Vertrieb [von Einwegartikeln aus Kunststoff] zu beteiligen“, nicht reduziert, a. a. O., E. 6c S.  204.

Die Nichtigkeit wurde in folgenden Fällen festgestellt: In BGE 44 II 56 wurde ein Konkurrenzverbot, das in dreifacher Hinsicht beschränkt war – zeitlich auf zwei Jahre, örtlich auf den „Platze Bern“ und gegenständlich auf Konkurrenz­ geschäfte – nicht wegen seines Übermaßes, sondern aufgrund der fehlenden schutzwürdigen Interessen am Konkurrenzverbot auf Berechtigtenseite gemäß Art.  356 aOR (1881) für ungültig erklärt, und ebenso in BGE 56 II 439. Zwar war das dienstvertragliche Konkurrenzverbot hier nur in zweifacher Hinsicht beschränkt, nämlich gegenständlich und zeitlich, den-

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

noch wurde aufgrund des fehlenden Interesses der Berechtigten eine Reduktion gar nicht erst erwogen, sondern das Konkurrenzverbot gesamthaft für nichtig befunden. Soweit die Klage, wie hier, nur die Gültigkeit des Konkurrenzverbots betraf, ließ das Gericht offen, ob der Ver­ trag ganznichtig oder teilnichtig im Sinne des Art.  20 Abs.  2 OR war, BGE 39 II 541 E. 4 S.  548.

Für zulässig befunden wurden folgende Konkurrenzverbote: Ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das in dreifacher Hinsicht beschränkt war, zeitlich auf drei Jahre, örtlich auf die Gemeinde Uster sowie einen Umkreis von 25 Kilometern und gegenständlich auf Beteiligung und Betrieb eines Bierdepots, wurde erst gar nicht auf seine Übermäßigkeit hin untersucht, BGE 41 II 105. Ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot „à ne pas ‚divulguer, ni exploiter ou faire exploiter par des tiers en Suisse ou aillers‘ pendant cinq ans dès leur sortie de l’établissement“, wurde nicht als übermäßig im Sinne des aArt.  257 OR eingestuft, obwohl es aufgrund des örtlichen Radius’ „Schweiz und anderswo“ faktisch nur zweifach beschränkt war, BGE 44 II 89 E. 3 S.  94 f. Ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das zeitlich auf zwei Jahre, gegenständlich auf Eintritt, Gründung oder Beteiligung an einem ähnlichen Geschäft und örtlich auf das herkömmliche Arbeitsgebiet des Dienstnehmers (Ostschweiz ohne die „Kantone Graubünden, Glarus und Schaffhausen“) lautete, wurde als zulässig beurteilt, BGE 55 II 258 E. 2 S.  261. Im Falle eines dienstvertraglichen Konkurrenzverbots, das in dreifacher Hinsicht beschränkt war, örtlich auf Genf und Nyon sowie einen Umkreis von 25 Kilometern, zeitlich auf drei Jahre und gegenständlich auf Eintritt oder Betrieb eines Konkurrenzunternehmens, wurde eine Reduktion nicht erwogen, BGE 78 II 39. Auch in BGE 78 II 230 wurde bezüglich eines entgeltlichen dienstvertraglichen Konkurrenzverbots, das nur zeitlich und gegenständlich beschränkt war, ein möglicher Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht geprüft. Ebenfalls nicht erwogen wurde ein allfälliges Übermaß im Falle eines dienstvertraglichen Konkurrenzverbots, das zeitlich auf zwei Jahre, örtlich auf das ehemalige „Vertretungsgebiet“ und gegenständliche auf Konkurrenzgeschäfte beschränkt war, BGE 82 II 142. Dieses Ergebnis entspricht auch BGE 92 II 22, wo das Konkurrenzverbot zeitlich auf drei Jahre und gegenständlich auf die Beteiligung an einem Konkurrenzgeschäft oder den Betrieb desselben beschränkt war, örtlich aber unbegrenzt galt. In BGE 92 II 31 wurde schließlich ein dienstvertragliches Konkurrenzverbot, das zeitlich auf zwei Jahre, örtlich auf das vormalige Reisegebiet und gegenständlich auf bestimmte, festgeschriebene Aktivitäten begrenzt war, für zulässig befunden, a. a. O., E. 3 S.  35.

Obwohl zu bezweifeln steht, dass die Reduktion gegenüber der Nichtigkeit stets das stärkere präventive Mittel darstellt,204 wurde dem Bundesgericht mit Erlass des aArt.  357 OR eine sozialgestalterische Aufgabe zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte übertragen. Dies wird insbesondere mit Blick auf die zeitliche Ausdehnung der Konkurrenzverbote deutlich: Zwischen 1912 und 1972 ist nur noch ein Konkurrenzverbot festzustellen, welches das Bundesgericht hinsichtlich seiner fünfjährigen Laufzeit schützte, wohingegen Konkurrenzverbote unter dem alten Recht auch mit einer zehnjährigen Dauer aufrechterhalten wurden. Alle anderen Konkurrenzverbote, die auf Grundlage des aArt.  357 OR geprüft wurden, sahen bereits zum Beurteilungszeitpunkt keine längere Dauer als drei Jahre vor oder wurden entsprechend verkürzt. 204 

S. zur Anreizwirkung der verschiedenen Regulierungsmodelle unten S.  237 ff.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Eine höchstzulässige dreijährige Laufzeit entspricht auch der gesetzlichen Vorgabe des 1972 in Kraft getretenen revidierten und bis heute gültigen Art.  340a Abs.  1 OR. Im Zuge der Revision des Arbeitsvertragsrechts kam es mit Blick auf arbeitsvertragliche Konkurrenzverbote nur insoweit zu einer Gesetzesänderung, als in Art.  340a Abs.  1 Hs. 2 OR der Passus aufgenommen wurde, dass das Konkurrenzverbot „nur unter besonderen Umständen drei Jahre überschreiten [darf]“, was aber wie gezeigt bereits der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts entsprach.205 Unter Anwendung des Art.  340a OR wurden seither nur drei Konkurrenzverbote auf ihre Rechtsmäßigkeit hin überprüft, jedoch keines reduziert oder aufgrund seines zu weitgehenden Anwendungsbereichs für nichtig erklärt.206 Im Falle eines arbeitsvertraglichen Konkurrenzverbots, das zeitlich auf zwei Jahre und gegenständlich auf Unternehmen, die Erzeugnisse gemäß Programm der früheren Arbeitgeberin herstellen oder vertreiben, beschränkt war, und dem Verpflichteten in örtlicher Hinsicht verbot, sich auf dem Gebiet der „europäischen Industrieländer“ weder an einem solchen Unternehmen zu beteiligen noch ein solches zu gründen, wurde das Übermaß nicht erwogen, BGE 101 II 277. In BGE 130 III 353 wurde dem Bundesgericht ein arbeitsvertragliches Konkurrenzverbot vorgelegt, das zeitlich auf zwei Jahre und örtlich auf den Umkreis von 150 Kilometern zum früheren Arbeitsort beschränkt war. Gegenständlich sah es vor, dass der ehemalige Arbeitnehmer in diesem Zeitraum keine Arbeitnehmer der Arbeitgeberin abwerben oder vermitteln dürfe und darüber hinaus „keine unmittelbare oder mittelbare Tätigkeit für ein oder in einem Unternehmen, das mit der Arbeitgeberin direkt oder indirekt im Wettbewerb steht, auszuüben, sowie kein eigenes Unternehmen gleicher Art zu eröffnen oder sich an einem solchen direkt oder indirekt zu beteiligen“. Ein mögliches Übermaß dieser Klausel wurde nicht geprüft.

Wie die Kasuistik zeigt, bestand bei der Reduktion von dienstvertraglichen Konkurrenzverboten Spielraum für Einzelfallgerechtigkeit, die mit Blick auf die Einschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand keine Kontinuitäten des Reduktionsmaßes erkennen lässt. Das Bundesgericht hat sich zur Frage, ob dienst205 

Da die Gesetzesrevision mit Blick auf Konkurrenzverbote lediglich die bereits bestehende Praxis umsetzte, handelt es sich um reine Symbolgesetzgebung. Diesbezüglich stellt die Gesetzgebung keine, wie vom Bundesgericht in BGE 123 III 292 angedeutet, stärkere Materialisierung dar. 206  Die seit der Revision des Arbeitsvertragsrechts stark reduzierte Anzahl an zu beurteilenden Konkurrenzverboten kann entweder als Indiz dafür gewertet werden, dass die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeberinnen stabil austariert sind oder kann schlicht darauf zurückgehen, dass die durch Konkurrenzverbote benachteiligen Parteien derzeit keine Chance sehen, ihre Interessen vor Bundesgericht durchzusetzen. Da die vorliegende Rechtsprechungsanalyse allerdings nur höchstrichterliche Leitentscheide in den Blick nimmt, kann eigentlich nur gesagt werden, dass weniger Fälle bis ans Bundesgericht weitergezogen wurden, nicht aber, ob allgemein auch von den unteren Instanzen weniger Konkurrenzverbote zu beurteilen waren. Auch dies würde allerdings die Frage, ob die Interessenlage stabil austa­ riert ist, nur andeuten, nicht aber belegen.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

vertragliche Konkurrenzverbote auf das angemessene oder auf das noch zulässige Maß zu begrenzen seien, indifferent verhalten. Bei der Herabsetzung von dienstvertraglichen Konkurrenzverboten orientierte es sich allerdings stets an den Interessen beider Parteien: Einerseits musste der reduzierte Anwendungsbereich den wirksamen Schutz derjenigen Partei garantieren, zu deren Vorteil die Klausel erlassen wurde, gleichzeitig durfte sie aber nicht so weit gehen, dass der anderen Partei die Ausübung ihres Berufs verunmöglicht oder unnötig erschwert worden wäre.207 Zudem wurde als außervertragliche Vorgabe auch die wirtschaftliche Situation auf dem Arbeitsmarkt in die Waagschale geworfen. Ende der 1920er-Jahre betonte das Gericht etwa, „dass angesichts der heute immer in gewissem Masse vorhandenen Krise im Wirtschaftsleben und der dadurch bestehenden Schwierigkeiten, […] eine Anstellung zu finden, bei der Beurteilung der Angemessenheit eines Konkurrenzverbotes grundsätzlich ein strenger Masstab“ anzulegen sei.208 Konsequenzen hatte diese damit angekündigte besondere Strenge aber keine, wurden doch in der Zeit danach nicht auffallend mehr Konkurrenzverbote für nichtig erklärt oder herabgesetzt. Erst mit Revi­sion des Arbeitsrechts und dem Inkraffttreten des Art.  340a OR im Jahr 1972 gab das Gesetz dem Gericht hinsichtlich der höchstzulässigen Dauer von Konkurrenzverboten im Arbeitsvertrag konkrete Anhaltspunkte vor. (b)  Rechtsgrundlagen und Reduktionsvorgang Indem das Bundesgericht die teilweise Gültigkeit einer übermäßigen Konkurrenzklausel im Jahr 1917 schon allein vor dem Hintergrund des Art.  20 OR anerkannte, schien es die „Teilbarkeit“ des Vertrags gemäß Abs.  2 im Sinne der partiellen Teilunwirksamkeit209 zu verstehen und damit auch eine geltungserhaltende Reduktion in dieser Bestimmung zu verorten.210 Den aArt.  357 OR behandelte es später konsequenterweise als lex specialis zu Art.  20 Abs.  2 OR. Diese Rechtsprechung wurde 1952 geändert. Das Bundesgericht argumentierte 207  Im Einzelnen BGE 43 II 660 S.  663 f.; s. auch BGE 61 II 90 E. 3 S.  95; 92 II 22 E. 1d S.  26 f.: „Bei der Auslegung des Vertrages und der die Vertragsfreiheit beschränkenden gesetzlichen Bestimmungen ist nicht einseitig auf die Interessen der einen Partei Rücksicht zu nehmen. Das Interesse des Dienstpflichtigen, nach der Auflösung des Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft dort einsetzen zu dürfen, wo sie ihm dank seiner Erfahrungen den grössten Nutzen verspricht, ist ebenfalls schutzwürdig. Es darf um so weniger unter Berufung auf die Interessen des Dienstherrn übergangen werden, als die [a]Art.  356 ff. OR unverkennbar den Dienstpflichtigen gegenüber dem Dienstherrn als der stärkeren Vertragspartei schützen wollen. Der Richter hat im Streitfall einen gerechten Ausgleich zu treffen.“ 208  BGE 55 II 258 E. 2 S.  262; 61 II 90 E. 3 S.  94 f.; 96 II 139 E. 3b S.  144. 209  S. zu diesem Methodenverständnis der geltungserhaltenden Reduktion, oben S.  21 ff. 210  S. BGE 43 II 660 S.  661.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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neuerdings, dass aArt.  357 OR weder für das allgemeine noch auch nur für das Dienstvertragsrecht einen allgemeingültigen Gedanken einer geltungserhaltenden Reduktion enthalte, sondern allein auf die Herabsetzung von übermäßigen dienstvertraglichen Konkurrenzverboten zugeschnitten sei.211 Die Reduktion auf Grundlage des aArt.  357 OR leitete es bemerkenswerterweise jedoch trotzdem weiterhin aus Art 20 Abs.  2 OR 212 und aus Art.  27 Abs.  2 ZGB her.213 Dass das Bundesgericht den Vorgang der geltungserhaltenden Reduktion auf Grundlage des aArt.  357 OR insbesondere nicht als richterliche Vertragsergänzung verstand, erhellt auch aus BGE 96 II 139, wo ausgeführt wird, aArt.  357 OR enge die Vertragsfreiheit insofern ein, als er das Konkurrenzverbot nur im Umfange einer angemessenen Begrenzung für verbindlich erkläre: „Die Missachtung dieser Begrenzung macht das Konkurrenzverbot nicht als Ganzes ungültig. Innerhalb der zulässigen Grenze ist es verbindlich.“214 Dabei mache es keinen Unterschied, „[o]b die Vertragsschliessenden dem Konkurrenzverbot vertraglich nach Zeit, Ort und Gegenstand bereits eine Grenze gezogen und diese nur nicht gesetzesgemäss bestimmt haben oder ob sie es unbeschränkt

211 

BGE 78 II 230 E. 2c S.  238: „Ebenso widerspräche es dem Gesetz, wenn man die Grundgedanken des Arbeitnehmerschutzes zum Beispiel aus [a]Art.  357 OR auf das Kündigungsrecht übertragen und etwa in analoger Weise dem Richter gestatten wollte, die Kündigungsfristen oder Termine oder gar die Dauer eines befristeten laufenden Dienstvertrages nach dem Vorbild von [a]Art.  357 OR so einzuschränken oder zu gestalten, dass eine unbillige Erschwerung der wirtschaftlichen Existenz oder des wirtschaftlichen Fortkommens des Dienstpflichtigen ausgeschlossen würde.“ 212  BGE 92 II 22 E. 1a S.  24: „Anderseits untersagt es ihm die Konkurrenz nur im vereinbarten Umfang, und die Vereinbarung ist nur im Rahmen der guten Sitten zulässig (Art.  20 OR); trifft ein Dienstherr sie mit seinem Dienstpflichtigen, so muss sie sich ausserdem an die Schranken der [a]Art.  356 ff. OR halten.“ 213  BGE 95 II 532 E. 2 S.  535 f.: „Die [a]Art.  356 ff. OR beziehen sich auf Konkurrenzverbotsabreden, die im Rahmen eines Dienstvertrages getroffen werden. Sie beruhen auf dem in Art.  27 Abs.  2 ZGB aufgestellten allgemeinen Grundsatz, dass niemand sich im Gebrauch seiner Freiheit in einem das Recht oder Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken könne. Im Verhältnis zu dieser allgemeinen Vorschrift stellen [a]Art.  356 ff. OR besondere Regeln dar, die inhaltlich das Mass der zulässigen Freiheitsbeschränkung genauer und zwingend umschreiben; auch sind sie in ihren Wirkungen strenger, da nach ihnen Verbotsklauseln, bei denen nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder die über den dem Gesetz zugrunde liegenden Konkurrenzbegriff hinausgehen absolut nichtig sind.“ In einem obiter dictum verdeutlichte das Gericht sodann, dass „[w]egen des Fehlens der besonderen Schutzbedürftigkeit […] auch Konkurrenzverbotsvereinbarungen, die erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen dem ehemaligen Angestellten und dem ehemaligen Dienst­ herrn abgeschlossen werden, den Vorschriften von [a]Art.  356 ff. OR nicht [unterstehen]“, a. a. O., E. 2 S.  536. 214  BGE 96 II 139 E. 2 S.  142.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

vereinbarten“.215 Das Bundesgericht hätte sich mit demselben Ergebnis auf den Standpunkt stellen können, die in eine Richtung fehlende Beschränkung stelle eine Vertragslücke dar, die der richterlichen Ausfüllung bedürfe. (b)  Gewerbliche Konkurrenzverbote (i)  Übermaßkriterien Eine allgemeine Reduktionsnorm im Falle übermäßiger Vertragsinhalte, wie insbesondere auch hinsichtlich übermäßiger Konkurrenzverbote aller Art, war auch nach der Revision des aOR (1881) nicht vorgesehen.216 Das Bundesgericht beurteilte Konkurrenzverbote außerhalb des Dienstvertragsrechts daher weiterhin nur auf ihre Gültigkeit und Nichtigkeit – neuerdings jedoch nach den Maßstäben der Art.  27 Abs.  2 und aArt.  28 ZGB217 sowie Art.  19 f. OR.218 Weil bei gewerblichen Konkurrenzverboten gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht von einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen den Parteien auszugehen sei, lehnte es das Bundesgericht ausdrücklich ab, die aArt.  356 f. OR auf diese Fälle analog anzuwenden 219 und beurteilte Konkurrenzverbote daher weiterhin nach den Grundsätzen, die es schon zu Art.  17 aOR (1881) entwickelt 215  BGE 96 II 139 E. 2 S.  142. Das Bundesgericht führte weiter aus, dass sich die „vollständige Ungültigkeit auch nicht auf dem Umweg über einen Formmangel konstruieren [lässt]. Die Begrenzung des Konkurrenzverbotes nach Zeit usw. ist nicht ein wesentlicher Punkt des Vertrages und damit ein Gebot der Form, sondern eine gesetzliche Folge der beschränkten Vertragsfreiheit. Die Schriftform ist zum Schutz des Dienstpflichtigen vorgeschrieben, der allein durch das Konkurrenzverbot verpflichtet wird und dessen Unterschrift allein nötig ist (Art.  13 Abs.  1 OR). Erklärt er in dieser Form, die Konkurrenz während unbestimmter Zeit unterlassen zu wollen, so weiss er, dass er während der beschränkten Zeit gebunden sein wird, für die [a]Art.  357 OR diese Unterlassungspflicht zulässt. Er hat kein schutzwürdiges Interesse, dass eine beschränkte Dauer der Bindung im Vertrag genannt werde, und zwar eine Dauer, die doch nicht notwendigerweise mit der nach [a]Art.  357 zulässigen übereinstimmen würde.“, a. a. O., S.  142 f. 216  Mit Blick auf gesellschaftsvertragliche Konkurrenzverbote kamen neuerdings insbesondere auch Art.  536, 558 und 594 OR zur Anwendung, jedoch beinhalteten diese kein Ermäßigungsrecht, s. hierzu BGE 51 II 220 S.  222. 217  Aufgehobener Art.  28 ZGB, 2. Klage bei Verletzung: „Wer in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird, kann auf Beseitigung der Störung klagen. Eine Klage auf Schadenersatz oder Leistung einer Geldsumme als Genugtuung ist nur in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen zulässig.“ 218  So etwa in BGE 51 II 438 E. 1 S.  4 41; 56 II 50 E. 2 S.  54; 95 II 532 E. 2 S.  535 f. Allerdings werden nicht in allen Urteilen alle vier Normen ausdrücklich erwähnt. 219  Im Einzelnen BGE 51 II 220 S.  222 f.; 297 E. 2a S.  300; 438 E. 1 S.  4 40, wo das Bundesgericht in E. 1–2 S.  440 f. ausdrücklich klarmachte, dass diese Rechtsprechung auch für mietvertragliche Konkurrenzverbote gelte; s. zudem BGE 53 II 321 E. 2a S.  329; 56 II 50 E. 2 S.  54; 95 II 532 E. 2 S.  536.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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hatte. Zulässig waren Konkurrenzverbote demnach, sofern ihnen ein berechtigtes Interesse zugrunde lag, wobei dieses Erfordernis mit der Zeit immer stärker zurückgenommen wurde,220 und soweit sie das wirtschaftliche Fortkommen des Verpflichteten nicht zerstörten. Auch hier galten als Indizien für die Zulässigkeit die örtliche, zeitliche und gegenständliche Beschränkung des Verbots, die jedoch nicht in dreifacher Hinsicht in der Konkurrenzverbotsklausel verwirklicht sein mussten,221 sowie insbesondere im Falle des kaufrechtlichen Konkurrenzverbots die Höhe des Kaufpreises.222 (ii)  Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) Wie bereits unter altem Recht sichtbar geworden war, bejahte das Bundesgericht die Unsittlichkeit von gewerblichen Konkurrenzverboten äußerst zurückhaltend und nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Dass es die Anpassung von Konkurrenzklauseln im gewerblichen Vertrag häufig gar nicht erst erwog, zeigte sich im Falle eines Unternehmensverkaufs, bei dem sich die Verkäuferin verpflichtete, während 30 Jahren in der ganzen Schweiz nicht in Konkurrenz zum Käufer zu treten, besonders deutlich.223 Nach 15 Jahren und dem Versuch, in Russland Fuß zu fassen, kehrte die Verkäuferin in die Schweiz zurück und klagte auf Ungültigkeit der Konkurrenzklausel. Sie führte an, eine 30-jährige Karenzzeit sei gleichbedeutend mit einem „Verbot auf Lebensdauer“,224 womit der Vertrag gemäß Art.  27 ZGB und Art.  20 OR von Anfang an teilweise nichtig gewesen, jedenfalls aber nach fast fünfzehnjähriger Dauer ungültig geworden 220  Einsicht in den Geschäftskundenkreis gehörte hier allerdings nicht zwingend dazu. Das Bundesgericht führte in BGE 56 II 50 dazu aus: „Die Schranke, dass ein Konkurrenzverbot nur gültig sei, wenn der Verpflichtete einen für die Möglichkeit der Konkurrenz bedeutenden Einblick erhalte, gilt nur beim Dienstvertrag.“, a. a. O., E. 3 S.  55. 221  In BGE 51 II 297 erklärte das Bundesgericht die Auffassung einer Verkäuferin, welche das streitige kaufvertragliche Konkurrenzverbot aufgrund der fehlenden zeitlichen Beschränkung für ungültig hielt, als „rechtsirrtümlich“: „Das Gesetz hat eine derartige Be­ stimmung nur für Konkurrenzverbote aufgestellt, die von Dienstpflichtigen gegenüber dem Dienstherrn für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingegangen werden; diese Vorschrift ([a]Art.  357 OR) findet ihre Rechtfertigung in der Ungleichheit in der Stellung der Parteien und dem durch den Dienstvertrag begründeten Abhängigkeitsverhältnis.“, a. a. O., E. 2a S.  300. 222  S. zum Ganzen BGE 39 II 541 E. 4 S.  547 f. (gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot); 50 II 481 E. 3 S.  487 f. (kaufvertragliches Konkurrenzverbot); 51 II 220 S.  222 f. (kaufvertragliches Konkurrenzverbot); 297 E. 2a–c S.  300 f. (kaufvertragliches Konkurrenzverbot); 438 E. 1 S.  441 f. (mietvertragliches Konkurrenzverbot); E. 2a S.  329 (kaufvertragliches Konkurrenzverbot); 56 II 50 E. 2 S.  54 (gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot). 223  BGE 50 II 481. 224  BGE 50 II 481 E. 2 S.  485.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

sei225. Das Bundesgericht erkannte vorliegend keine Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen, der eine Änderung des Vertragsverhältnisses im Sinne des Art.  20 Abs.  2 OR gerechtfertigt hätte. Zudem führte es sinngemäß aus, dass die Frage nach einer geltungserhaltenden Reduktion nicht aus der Dis­ positionsmaxime erwachse.226 Zur Prüfung, ob ein unsittlicher Verzicht auf die persönliche Freiheit vorlag, der die Nichtigkeit des Vertrags bedeutet hätte, zog das Bundesgericht seine herkömmlichen Kriterien heran.227 Vorliegend gelangte es zum Schluss, dass die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Verkäuferin aufgrund der Konkurrenzklausel nicht aufgehoben war. Da die Klägerin ihr gesamtes Fabrikations- und Handelsgeschäft an den Beklagten verkauft hatte, bezog sich das Bundesgericht in seiner Argumentation auf seine Rechtsprechung zum Verkauf von Patent- oder Markenrechten. Im Lichte dieser Rechtsprechung folgerte das Gericht, eine Konkurrenzklausel sei hier geradezu Bedingung dafür, dass die Verkäuferin auf ihre Rechte am Kaufgegenstand über längere Zeit an einem bestimmten Ort verzichtete, damit der Käufer diese „vorteilhaft ausbeuten“ könne.228 Zudem rechtfertige vorliegend auch der Preis als Äquivalent für die Überlassung der gesamten Rechte ein derartig extensives Konkurrenzverbot.229 Einen noch strengeren Maßstab legte das Bundesgericht im Falle eines nachvertraglichen Konkurrenzverbots, enthalten in einem Kartellvertrag, an. Das Bundesgericht sprach Kartellen lange Zeit stabilisierende Wirkung für die 225 

BGE 50 II 481 E. 2 S.  485. BGE 50 II 481 E. 3 S.  488: Eine unzulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit hätte gemäß dem Bundesgericht zur Folge, dass nicht nur die Vertragsstellung einer Partei berührt wäre, sondern die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts vorläge, sodass die gegenseitigen Leistungen nach den Grundsätzen von Art.  62 ff. OR zurückverlangt werden müssten, „da ohne Weiteres anzunehmen ist, dass die Beklagte den Vertrag ohne dieses Konkurrenzverbot nicht, beziehungsweise nicht zu den getroffenen Bedingungen abgeschlossen hätte (Art.  20 Abs.  2 OR). Dieser Folge kann der Kläger nicht dadurch entgehen, dass er bloss die teilweise Unverbindlichkeit des Verbotes anruft.“ 227  BGE 50 II 481 E. 3 S.  486. 228  BGE 50 II 481 E. 3 S.  487: „Dieser Geschäftsverkauf und die damit verbundene Konkurrenzklausel nun aber bedeuteten für den Kläger keine Beschränkung seiner Persönlichkeitsrechte im Sinne einer Behinderung in der Verwendung seiner Fähigkeiten und erworbenen Berufskenntnisse; vielmehr lag darin lediglich ein Verzicht des Klägers auf die eigene Ausbeutung von in Ausübung seiner Persönlichkeitsrechte erworbenen Gütern, nämlich der den Kaufgegenstand bildenden Verfahren und Marken, wie dies auch beim Verkaufe eines Patentrechts, eines Verlagsrechts etc. der Fall ist. Darin kann ein mit dem Rechte der Persönlichkeit unvereinbares Rechtsgeschäft nicht erblickt werden. Dass sich der Käufer eine vorteilhafte Ausbeutung des übernommenen Geschäftes durch ein Konkurrenzverbot mit langer Karenzzeit sichern wollte, liegt auf der Hand.“ 229  So BGE 50 II 481 E. 3 S.  487 f.; in diesem Sinne auch BGE 51 II 220 S.  223–225. 226 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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schweizerische Volkswirtschaft zu.230 Ein Kartellvertrag, der ein nachvertragliches Konkurrenzverbot mit einer zehnjährigen Laufzeit in einem bestimmten Gebiet der Ostschweiz enthielt, verstieß nicht gegen das Übermaßverbot. Das Bundesgericht erachtete diesen weiten zeitlichen, örtlichen und sachlichen Anwendungsbereich mit folgender Begründung für unproblematisch: „Andererseits ist auf die große Bedeutung hinzuweisen, die die Aufstellung und Durchführung eines solchen Konkurrenzverbotes für die Erreichung des Verbandszweckes besitzt, indem es allein wirksam zu verhindern vermag, daß einzelne Mitglieder durch ihren vorzeitigen Austritt den inneren Zusammenhang und die Aktionsfähigkeit des Verbandes gefährden.“231 Dass das Bundesgericht im Falle von gewerblichen Konkurrenzverboten auch ansonsten nur äußerst zurückhaltend in den Vertragsinhalt eingriff, spiegelte sich in der gesamten Judikatur seit 1912. Insgesamt hatte das Bundesgericht in Leitentscheiden bis heute 16 gewerbliche Konkurrenzverbote zu überprüfen. Nur eines davon hielt es für anpassungsbedürftig: Das zu beurteilende gesellschaftsvertragliche Konkurrenzverbot, das zeitlich auf sechs Jahre und gegenständlich auf direkte oder indirekte Konkurrenz durch Gründung oder Beteiligung an einem solchen Geschäft lautete, wurde örtlich auf gewisse Kantone und gegenständlich auf Produkte reduziert, mit denen der Verpflichtete tatsächlich Handel trieb.232 In seinen restlichen Entscheiden zu gewerblichen Konkurrenzklauseln beurteilte das Bundesgericht deren zwölf für gültig, zwei für unsittlich und daher nichtig.233 In einem Fall ließ es die Reduktion offen 234. 230 

In diesem Sinne etwa BGE 39 II 581 E. 2 S.  585, in welchem Entscheid das Bundes­ gericht ausführt, der Zweck des Kartells liege in „der Verwirklichung gesunder Preisverhältnisse […], insbesondere aber in der Verhinderung ungesunder Konkurrenz durch Preisunter­ bietungen“. S. zur tendenziell strengeren Kartellrechtsrechtsprechung auch mit Blick auf Konventionalstrafen oben S.  117. 231  BGE 39 II 246 E. 6 S.  254. Die Zulässigkeitsgrenze des Außenseiterboykotts durch ein Kartell definierte das Bundesgericht damals – sehr grundsätzlich und in Anlehnung an Stammler – wie folgt: „Wird das Recht und die Freiheit dazu gebraucht, die Freiheit eines andern zu unterdrücken oder in ihrem Wesen einzuschränken, so liegt ein Mißbrauch des Rechtes und der Freiheit vor, der vor der Rechtsordnung nicht bestehen kann; Recht schlägt dann in Unrecht um, und es handelt sich nicht mehr um die erlaubte Ausübung des Rechtes, sondern um Rechtsmißbrauch.“, BGE 32 II 360 E. 3 S.  368 mit Verweis auf Stammler, S.  442 ff. und 483 ff.; bestätigt in BGE 33 II 106 E. 6 S.  118. 232  BGE 56 II 50 E. 6 S.  55 f. 233  S. dazu sogleich unten. 234  In BGE 69 II 76 verlangte der Kläger, ein kaufvertragliches Konkurrenzverbot sei anzupassen. Er verpflichtete sich bei einer Konventionalstrafe von 20'000 Franken, „während der Führung des Geschäftes durch den Beklagten weder in Luzern noch im Umkreise von 20 km ein Konkurrenzgeschäft zu eröffnen oder sich an einem gleichartigen Geschäft zu beteiligen“, a. a. O., S.  77. Mit seiner Klage wollte er feststellen, ob dieses Konkurrenzverbot nich-

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Obwohl das Bundesgericht schon im Jahr 1931 betonte, dass Gerichte zur Reduktion auch von gewerblichen Konkurrenzverboten unter gewissen Umständen befugt seien, wenn auch nicht unter Anwendung des aArt.  357 OR,235 blieb dieses Urteil das einzige, in dem das Bundesgericht von diesem Recht Gebrauch machte. Hinsichtlich seiner angewendeten Vorgehensweise stellte das Bundesgericht klar, es handele „sich zum Vornherein nicht um eine Ausdehnung, sondern um eine Beschränkung des Vertrages“, welche „nicht auf dem Weg einer Vertragsänderung, sondern einer Vertragsauslegung (BGE 51 II S.  301, 441, 505)“ geschehe. Diese Auslegung habe „nach billigem Ermessen zu geschehen“, wobei Grundlage „Art und Umfang des Geschäftsverkehrs der Klägerin zur Zeit der Aufstellung der Konkurrenzklausel“ bildeten.236 Indem das Bundesgericht hier betont, der Eingriff in den Vertrag erfolge durch Auslegung, wird die geltungserhaltende Reduktion prozedural als restriktive Auslegung verstanden, d. h. es werden dem Vertragsgegenstand auf Tatbestandsseite zusätzliche Elemente beigefügt.237 Für gültig beurteilt wurden Konkurrenzverbote in den folgenden Fällen: Das Konkurrenzverbot einer Müllereigenossenschaft lautete folgendermaßen: „Der vor Ende der Vertragsdauer austretende Kontrahent darf für die Dauer von 10 Jahren nach seinem Austritte, längstens bis zur Auflösung der Firma (sofern an deren Stelle nicht ein Rechtsnachfolger tritt), in den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Appenzell A.-Rh. und Appenzell I.-Rh., sowie bis auf eine Distanz von 20 km Luftlinie von den betreffenden Kantonsgrenzen entfernt, keine Mühle, Mehlhandel oder Bäckerei gründen, keine solche erwerben und betreiben.“ Das Bundesgericht begründete dessen Zulässigkeit damit, dass es „örtlich und zeitlich“ beschränkt sei. Das Argument des Klägers, „er könne seine Mühle nicht mit sich aus dem vom Verbot betroffenen Gebiete fortnehmen“, wurde nicht gehört. Das Bundesgericht anerkannte zwar, dass „dieser immobile Charakter des Betriebsobjektes für das austretende Verbandsmitglied mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein [mag]“, doch seien die damit verbundenen Nachteile „nicht von einem solchen Gewicht, daß damit der Wirkung nach die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Austretenden über das gesetzlich zulässige Maß hinaus eingeengt würde“, zum Ganzen BGE 39 II 246 E. 6 S.  254. Ein kaufvertragliches Konkurrenzverbot, das den Verkäufer dazu verpflichtete, „weder ein Geschäft der Herrenkonfektionsbranche selbst zu gründen, noch sich an einem solchen direkt oder indirekt durch Kapital oder sonstige Unterstützung zu beteiligen“, das örtlich und zeitlich unbeschränkt galt, hat tig sei oder eventuell auf vier Jahre beschränkt werden könne. Das Bundesgericht gab dieser Feststellungsklage nicht statt, da das Feststellungsinteresse im vorliegenden Fall zu verneinen war, a. a. O., E. 2 S.  80. 235  BGE 56 II 50 E. 2 S.  53. 236  BGE 56 II 50 E. 6 S.  56: „Nach den für das Bundesgericht verbindlichen, an Hand der Zeugenaussagen erfolgten Feststellungen der Vorinstanz trieb die Klägerin im Dezember 1925 Handel in den in diesem Klagebegehren genannten Kantonen mit Benzin, Benzol, Petrol­ölen, Gas- und Mineralölen, Fetten und Teerprodukten. Daraus folgt, dass in diesem Umfang das Konkurrenzverbot von den Vorinstanzen mit Recht geschützt werden durfte.“ 237  S. zu diesem Methodenverständnis der geltungserhaltenden Reduktion, oben S.  19 ff.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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das Bundesgericht nicht auf seine Unsittlichkeit hin überprüft, BGE 40 II 471 E. 3 S.  475. Auch ein für die Vertragsdauer einer 15-jährigen Bierbezugsverpflichtung vereinbartes Konkurrenzverbot, das örtlich nicht begrenzt war, wurde für zulässig befunden, BGE 40 II 233 E. 7 S.  241. In BGE 50 II 481 wurde ein kaufvertragliches Konkurrenzverbot folgenden Inhalts für gültig befunden: Zeitlich war es auf 30 Jahre und örtlich auf das Gebiet der Schweiz begrenzt. In BGE 51 II 220 wurde ein kaufvertragliches Konkurrenzverbot, das örtlich auf den Kanton Neuenburg und gegenständlich auf Konkurrenzgeschäfte, zeitlich aber unbeschränkt galt, für zulässig befunden. Ebenso wurde in BGE 51 II 297 ein kaufvertragliches Konkurrenzverbot, das örtlich und gegenständlich auf den Umkreis von zwölf Kilometern zum Konkurrenzgeschäft begrenzt war, zeitlich aber unbeschränkt galt, als gültig beurteilt. Ein kaufvertragliches Konkurrenzverbot, das in dreifacher Hinsicht beschränkt war, wurde als „raisonnablement limitée dans l’espace (Vevey et un rayon de 5 km.), dans le temps (3 ans) et quant à son objet (‚établissements similaires à ceux vendus‘)“ bezeichnet, BGE 53 II 321 E. 2b S.  331. In BGE 51 II 438 E. 1 S.  441 wurde ein mietvertragliches Konkurrenzverbot, das örtlich auf Biel und Umgebung, zeitlich auf die Dauer des Mietvertrags und gegenständlich auf direkte oder indirekte Beteiligung an Konkurrenzgeschäften beschränkt war, für gültig befunden. In BGE 86 II 243 E. 6 S.  252 f. hat das Bundesgericht sodann zur Gültigkeit von Konkurrenzverboten im Rahmen von Grunddienstbarkeiten Stellung genommen, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Betätigung untersagten, „zu der er nicht bloss kraft seines Grundeigentums, sondern kraft der jedermann zustehenden persönlichen Freiheit befugt wäre“. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Verdinglichung zulässig sei, „wenn die Last zum Schutz eines auf dem berechtigten Grundstück dauernd betriebenen Gewerbes begründet wird, das diesem Grundstück seinen wirtschaftlichen Charakter aufprägt“. In BGE 89 II 126 wurde die Unsittlichkeit eines auf vier Jahre und auf die Fabrikation sowie den Vertrieb von „Fachkameras“ beschränkten Konkurrenzverbots, das örtlich unbeschränkt galt, erst gar nicht erwogen. Dasselbe galt für ein mietvertragliches Konkurrenzverbot, das beide Parteien dazu verpflichtete, die Neueröffnung eines Konkurrenzgeschäftes im Umkreis von 1000 Metern während der Mietzeit zu unterlassen, wobei die Konkurrenztätigkeit in Spezialbestimmungen näher definiert wurde, BGE 95 II 433. Ebenfalls in diese Kasuistik lässt sich der Beschluss der Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich einreihen, welche in einer Vereinbarung mit dem Apothekerverein des Kantons Zürich beschloss, auf die Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur zu verzichten. Dieser Beschluss verletzte die Persönlichkeitsrechte der Mitglieder der Gesellschaft im Sinne von Art.  27 ZGB gemäß BGE 104 II 6 E. 3a S.  9 f. nicht.238

Als unsittlich und damit nichtig galten: Ein gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot, das örtlich auf den Kanton Zürich, zeitlich auf fünf Jahre und gegenständlich auf Eröffnung oder Beteiligung an einem Konkurrenz­ geschäft beschränkt war, wurde vom Bundesgericht als unsittlich eingestuft, weil es nur ei238 

Zu Konkurrenzverboten im Rahmen einer Dienstbarkeit s. BGE 123 III 337. Hier wurde bestimmt, dass gestützt auf Art.  730 Abs.  1 ZGB eine negative Dienstbarkeit nur zulässig ist, wenn die Tätigkeit, die damit verboten wird, den körperlichen Zustand, die äußere Erscheinungsform, den wirtschaftlichen oder sozialen Charakter des dienenden Grundstücks von außen bemerkbar bestimmt, a. a. O., E. 2c/aa–bb S.  341 f. Eine Dienstbarkeit, die auf dem belasteten Grundstück nur den Betrieb einer Zimmerei erlaubt und eine andere industrielle Nutzung ausschließt, wurde im Lichte dieses Grundsatzes für zulässig befunden, a. a. O., E. 2c/cc S.  342 f., sowie insbesondere mit Blick auf Art.  27 Abs.  2 ZGB, a. a. O., E. 5 S.  346.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

nen von zwei Gesellschaftern band und darüber hinaus der gesamte Gesellschaftsvertrag auch sonst zu dessen Ungunsten ausgestaltet war, BGE 39 II 541 E. 4 S.  546 f. Ebenso wurde die Abrede zwischen einem Fußballclub und einem Spieler, die dem Club bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses erlaubte, dem Spieler die Austrittsbescheinigung mit der Folge zu verweigern, dass er nicht in einen anderen Club übertreten könne und deshalb für zwei Jahre von der Nationalliga ausgeschlossen werde, für unsittlich befunden. Eine solche Abrede widersprach gemäß BGE 102 II 211 E. 5–6 S.  218–220 insbesondere Art.  27 Abs.  2 ZGB.

(4)  Zwischenergebnis Das Bundesgericht hat bereits unter dem alten Recht Konkurrenzverbote auf ihre Sittlichkeit hin überprüft. Hierbei zeigte sich ein unterschiedlich starker Eingriff in den Vertrag, je nachdem, ob es sich um ein arbeitsrechtliches oder ein anderweitiges Konkurrenzverbot handelte. Dieser Unterschied manifestierte sich sodann in der Revision des aOR (1881), das ab 1912 für arbeitsrechtliche Konkurrenzverbote in aArt.  357 OR eine Reduktionsnorm enthielt, die später mit der Einführung des Art.  340a OR revidiert wurde. Obwohl das Bundes­ gericht zuweilen auch die Reduktion von gewerblichen Konkurrenzverboten für zulässig hielt, hat es von dieser Möglichkeit praktisch keinen Gebrauch gemacht. Die Rechtsprechungsanalyse zeigt, dass die Beschränkungen nach Ort, Zeit und Gegenstand die Rechtmäßigkeit des Konkurrenzverbots in gegenseitiger Abhängigkeit beeinflussen, womit etwa eine enge Begrenzung des Gegenstandes eine längere Dauer des Konkurrenzverbots rechtfertigen konnte. Auch eine Karenzentschädigung, die der Arbeitnehmer erhielt, war in die Abwägung miteinzustellen (vgl. Art.  340a Abs.  2 Hs.  2 OR). Stellte sich ein Konkurrenzverbot als übermäßig heraus, wurde regelmäßig nur der offensichtlich übermäßige Punkt angepasst. Auf welches theoretische Maß, das Zulässige oder das Angemessene, übermäßige Konkurrenzverbote allerdings reduziert wurden, hat das Bundesgericht nicht offengelegt. Auch die Kasuistik vermag diese Frage nicht zu klären, da sich abgesehen von der höchstzulässigen dreijährigen Laufzeit im Arbeitsvertrag keine einheitlichen normativen Grenzen ablesen lassen. Soweit das Bundesgericht Konkurrenzverbote reduziert hat, deutete es den angewendeten Reduktionsvorgang nur an. Unter altem Recht kann die geltungserhaltende Reduktion als restriktive Auslegung verstanden werden, später auch als partielle Teilunwirksamkeit. Negativ abgegrenzt hat das Bundesgericht seine Vorgehensweise ausdrücklich von der richterlichen Vertragsergänzung.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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dd)  Reduktion übermäßiger Mäklerlöhne unter Berücksichtigung der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung (1) Ausgangslage Übermäßige Mäklerlöhne werden in den Bereichen des Arbeitsrechts, des Grundstückkaufs und der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung herabgesetzt. Im Mäklervertragsrecht bestimmt Art.  417 OR, dass ein unverhältnismäßig hoher Mäklerlohn bei Vermittlung eines Einzelarbeitsvertrags (Art.  319 ff. OR) oder eines Grundstückkaufes (Art.  216 ff. OR)239 auf Antrag des Schuldners vom Richter auf einen angemessenen Betrag zu reduzieren ist.240 Die Vorschrift verfolgt sowohl private als auch öffentliche Interessen: Zunächst soll die Auftraggeberin vor einem unverhältnismäßig hohen Mäklerlohn geschützt, sodann sollen aber auch ungerechtfertigt hohe Gewinne verhindert werden, die insbesondere auf dem Immobilienmarkt zu überhöhten Preisen führen könnten.241 Dieser Zielsetzung entsprechend handelt es sich bei Art.  417 OR um zwingendes Recht.242 Im Auftragsrecht zur Ehe- und Partnerschaftsvermittlung sieht Art.  406h OR vor, dass „unverhältnismässig hohe Vergütungen oder Kosten“, die für einen Auftrag vereinbart wurden, vom Gericht „auf Antrag des Auftraggebers auf einen angemessenen Betrag herab[zu]setzen“ sind. Artikel 406h OR ist ebenfalls zwingend.243 Höchstrichterliche Leitentscheide liegen nur zu Mäklerlöhnen vor, weshalb sich die Rechtsprechungsanalyse im Folgenden auf diese beschränkt. Soweit die Lehre mit Blick auf Art.  406h OR eine hiervon abweichende Meinung vertritt, wird die Rechtsprechungsanalyse um diese Perspektive erweitert.

239  Hierfür sind die Sondervorschriften des AVG, KKG und BGBB zu beachten, im Einzelnen KuKo-Vlcek, Art.  417 OR N.  2. 240 Gemäß Gautschi ist die Bestimmung auch auf den Mäklerlohn für den Verkauf aller Aktien einer Immobiliengesellschaft oder eines Gewerbebetriebs mit einer Liegenschaft anwendbar, BK-ders., Art.  412 OR N.  6d. Mäklerlöhne für andere Vermittlungen stehen – abgesehen vom Mäklerlohn für die Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung, der nach Art.  406h OR überprüft wird – unter der bundesrechtlichen Vertragsfreiheit, welche lediglich durch das Wucherverbot und die guten Sitten begrenzt ist, BK-Gautschi, Art.  417 OR N.  3a. 241 KuKo-Vlcek, Art.  417 OR N.  1. 242  BGE 111 II 366 E. 3a S.  370; 106 II 56 E. 2a S.  57; 88 II 511 E. 3b S.  513; 83 II 151 E. 4a S.  152; BSK-Ammann, Art.  417 OR N.  2; KuKo-Vlcek, Art.  417 OR N.  1. 243 KuKo-Pietruszak, Art.  406h OR N.  13.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

(2)  Übermaßkriterien (a)  Rechtslage zum aOR (1881) Das aOR (1881) enthielt keine Vorschrift zur Reduktion eines übermäßigen Mäklerlohns. Dennoch wurde dessen Herabsetzung bereits unter altem Recht diskutiert. Dem Bundesgericht wurden vier Mäklerlöhne zur Prüfung vorgelegt.244 Das Bundesgericht hat in einem seiner ersten Entscheide mit ähnlicher Begründung, wie später vom Gesetz vorgegeben, erkannt, dass ein Mäklerlohn in Höhe von fünf Prozent der Kaufsumme als übermäßig zu beurteilen ist: „Or si l’on considère que l’intervention utile du demandeur s’est réduite à l’indication d’un acquéreur, dont le nom lui avait été révélé fortuitement dans une conversation avec le sieur Senn, que bien qu’on ne puisse lui contester le droit de profiter de cette circonstance heureuse, ses diligences dans l’affaire dont il s’agit n’ont été ni nombreuses, ni particulièrement difficiles, puisqu’elles se sont résumées en quelques correspondances, visites, et en la rédaction d’un court mémoire explicatif; si l’on envisage en outre que l’activité de Perrottet a entièrement cessé lors de l’entrée en scène de Viollier, et qu’il est certain que le succès définitif des négociations, et la conclusion de la vente ne peuvent être attribuées exclusivement à l’intermédiaire du demandeur, dont l’immixtion ultérieure dans les négociations finales avait été répudiée soit par le vendeur, soit par les acheteurs eux-mêmes, l’allocation d’une somme de 1’900 francs, représentant le ½ pour cent du prix de vente, apparaît comme une rétribution suffisante des services du sieur Verrottet. Il y a donc lieu de réduire, dans cette mesure, la somme allouée à celui-ci à titre de provision par la Cour cantonale.“245

Zudem stellte sich dem Bundesgericht die Frage nach der Herabsetzung mit Blick auf eine Provision in Höhe von einem Prozent der Kaufsumme, wobei der zu vermittelnde Kaufabschluss durch das Zusammenwirken mehrerer selbständiger Mäkler zustande gekommen war. Das Bundesgericht hatte zunächst zu entscheiden, ob das Zusammenwirken den Kausalzusammenhang zwischen Vermittlertätigkeit und Vertragsschluss unterbrach, da im Mäklervertragsrecht nur eine Provision für Erfolg, nicht aber für sonstige Aufwendungen geschuldet war. In diesem Fall verneinte das Bundesgericht dies und kam zum Schluss, dass die Provisionsforderung des anderen Mäklers in concreto nicht zu beurteilen und die Kausalität zum Kaufabschluss vorliegend zu bejahen sei. Insofern habe der Mäkler einen Anspruch auf das Ganze.246 Fünf Jahre später hatte sich das Bundesgericht erneut zu fragen, ob jeder von mehreren Mäklern Anspruch auf den gesamten Lohn habe oder ob jeder, auch wenn seine Aufwendungen nicht allein ursächlich für den Vertragsabschluss waren, zumindest einen Teil des Lohns einfordern könne. Das Bundesgericht 244  BGE 20, 1131 (Urteil vom 29. Dezember 1894); 21, 1239 (Urteil vom 30. Dezember 1895); BGE 26 II 575; 36 II 10. 245  BGE 20, 1131 (Urteil vom 29. Dezember 1894) E. 7 S.  1143 f. 246  BGE 21, 1239 (Urteil vom 30. Dezember 1895) E. 4 S.  1243.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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verneinte dies.247 Sehr grundsätzlich nahm es in BGE 26 II 575 zur Anreizwirkung dieser Rechtsauffassung Stellung: „Allein auch aus Erwägungen wirtschaftlicher Natur, aus der Berücksichtigung der thatsächlichen Verhältnisse des Lebens, ergiebt sich, daß es richtiger ist und dem Wesen des Mäklervertrags mehr entspricht, eine Teilung des Provisionsanspruches beim selbständigen Handeln mehrerer Mäkler nicht eintreten zu lassen. Dadurch wird der Eifer der Mäkler, im Interesse des Auftraggebers zu handeln, wesentlich erhöht, da alsdann auch ihr eigenes ökonomisches Interesse sie zu intensiver Thätigkeit treibt; während andernfalls – wenn jeder Mäkler, der irgendwie thätig gewesen ist, einen Teil der Provision fordern könnte – der Eifer der Mäkler gelähmt würde und zudem unlautern Machenschaften zwischen ihnen die Thüre geöffnet wäre. Diese Auffassung entspricht aber auch insofern dem Wesen des Mäklervertrags, als sie dem aleatorischen Moment, das in ihm enthalten ist, Rechnung trägt: vielen erfolglosen Bemühungen steht im Falle des Gelingens der Vermittlung eines Geschäftes ein Lohn gegenüber, der im Verhältnisse zur aufgewendeten Arbeit und Mühe meist als verhältnismäßig hoher bezeichnet werden darf. Endlich ist nicht zu übersehen, daß sich jeder Mäkler den Ersatz seiner Aufwendungen und einen geringen Entgelt für seine Bemühungen durch ausdrückliche Vereinbarung versprechen lassen kann und daß ihm auf diesem Wege ein Schutz gegen Benachteiligung ermöglicht ist.“248

Das Bundesgericht sah damit also vor allem aufgrund des aleatorischen Charakters der Mäkelei – einer eher seltenen Vermittlung eines Geschäfts steht gemessen am Aufwand für diesen Vertragsabschluss ein verhältnismäßig hoher Lohn gegenüber – sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite einen Vorteil in der grundsätzlichen Unteilbarkeit des Mäklerlohns. Verlangt wurde eine Reduktion unter altem Recht ferner aufgrund der Dauer der Beteiligung des Mäklers. Das Bundesgericht erkannte diesbezüglich, dass der Mäkler nicht bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwesend sein müsse, um den Mäklerlohn beanspruchen zu können.249 Auch damit trug es dem aleatorischen Charakter der Mäkelei Rechnung, da die Höhe des Mäklerlohns nicht am zeitlichen Aufwand der Vermittlung zu messen war. (b)  Rechtslage zu (a)Art.  417 OR Im Rahmen der OR-Revision 1912 kam es mit Blick auf übermäßige Mäklerlöhne zu einer materiellen Änderung der Rechtslage. Unter Bezugnahme auf die in aArt.  417 OR (seit 1972: Art.  417) enthaltene Reduktionsnorm rückte das Bundesgericht von seiner Position zur grundsätzlichen Unteilbarkeit des Mäkler­ lohns ab.250 Vereinzelt hatte es zwar, wie gesehen, schon unter altem Recht eine 247 

BGE 26 II 575 E. 4 S.  578. BGE 26 II 575 E. 4 S.  578 f. 249  BGE 36 II 10 E. 3 S.  16–18. 250  BGE 61 II 80; 83 II 151; 88 II 511; 90 II 92; 106 II 56; 111 II 366; 112 II 459; 117 II 286; 138 III 669. 248 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Herabsetzung des Mäklerlohns erwogen und in einem Fall vorgenommen, doch wurden Mäklerlöhne erst im Zuge der Einführung des aArt.  417 OR, der eine Inhaltskontrolle im Falle der „Vermittlung eines Dienstvertrages oder eines Grundstückkaufes“251 zwingend 252 vorschrieb, einer kontinuierlichen Prüfung unterzogen. Zu den Abwägungskriterien, nach denen die Wertparität von Mäklerlohn und Gegenleistung zu prüfen ist, schweigen die (a)Art.  417 OR ebenso wie die Materialien. Wie die bundesgerichtliche Rechtsprechung zeigt, wurde das Übermaß von Mäklerlöhnen stets anhand eines Vergleichs von Leistung und Gegenleistung festgestellt. Aufgrund des aleatorischen Charakters der Mäkelei war allerdings auf Seiten des Mäklers nicht dessen Arbeits- oder Zeitaufwand maßgebend, sondern der wirtschaftliche Gesamtwert seiner Leistungen.253 Es war also stets davon auszugehen, dass der Lohn den Erfolg des Mäklers entgilt.254 Bis heute sind Mäklerlöhne vom Gericht daher zu kürzen, wenn sie sich mit Blick auf eine marktübliche Provision als übermäßig erweisen (in concreto, wenn sie mehr als zwei bis drei Prozent des Kaufpreises überschreiten; zur Vermittlung von Arbeitsverträgen besteht keine Kasuistik)255 und wenn nicht die Umstände des Einzelfalles einen ausnahmsweise höheren Lohn rechtfertigen. Wie die Judikatur zeigt, wurden solche Umstände etwa darin erblickt, dass ein Mäkler sein Geschäft nur einmalig betrieb oder eine spezielle Expertise mit Blick auf den Vertragsgegenstand vorwies und daher die Gelegenheit zum Vertragsabschluss für den Auftraggeber wesentlich erleichterte.256 Subjektive Merkmale der Übervorteilung wurden dagegen nicht in die Prüfung eingestellt. 251  Gemäß BGE 83 II 151 E. 4b S.  153 fiel auch die Einräumung eines Kaufrechts an einer Liegenschaft und nach BGE 106 II 56 E. 2a S.  57 die Gelegenheit zum Abschluss eines Baurechtsvertrags darunter. 252  Diese Bestimmung sollte nicht bloß den unerfahrenen Verkäufer vor den Versprechen eines Mäklers schützen, sondern auch dem Allgemeininteresse dienen, indem ungerechtfertigte Gewinne auf dem Immobilienmarkt abgemildert werden sollten, s. BGE 88 II 511 E. 3b S.  513. 253  BGE 90 II 92 E. 11 S.  107; vgl. auch BGer 4C.121/2005 vom 5. Juli 2005 E. 4.2.1. Es bleibt allerdings unklar, woran sich der „Gesamtwert der mäklerischen Leistungen“ tatsächlich bemisst. 254  BGE 138 III 669 E. 3.1 S.  671, wo dieser Grundsatz mit Blick auf die zulässige Doppelvertretung geprüft wurde. 255  Hierbei wurde bei niedrigeren Kaufpreisen ein Ansatz von zwei Prozent Provision als üblich betrachtet, s. BGE 83 II 151 E. 4 S.  152; später auch drei Prozent, s. BGE 90 II 92 E. 11 S.  107; 112 II 459 E. 3 S.  460; 117 II 286 E. 5b S.  290; 138 III 669 E. 3.1 S.  671 m. w. H.; offengelassen, ob auch Tarife und Übungen für Mäklerlöhne auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen sind oder ob nur der vereinbarte Mäklerlohn Art.  417 OR unterfällt, BGE 117 II 286 E. 5b S.  289 f. 256  BGE 83 II 151 E. 4c S.  153; 138 III 669 E. 3.1 S.  671.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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In Abweichung von diesen Übermaßkriterien zu Art.  417 OR ist gemäß der Lehre zu Art.  406h OR im Falle der Prüfung eines Mäklerlohns zur Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung nicht der Gesamtwert von Leistung und Gegenleistung abzuwägen, sondern jede einzelne Leistung auf ihre Wertäquivalenz mit dem hierfür vereinbarten Betrag zu überprüfen. Diesbezüglich ist zu beachten: Gemäß Art.  406d OR bedarf der Vertrag der Schriftform. Artikel 406d Ziff.  2 OR sieht vor, dass die Leistungen des Beauftragten bei der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung in der Vertragsurkunde einzeln und unter Angabe der jeweiligen Kosten aufzulisten sind. Keine Bedeutung für die Preiskontrolle haben daher nicht schriftlich fixierte Kosten und Vergütungen, da sie aufgrund ihrer Formungültigkeit nichtig sind. Artikel 406h OR beschränkt die gerichtliche Wertparitätskontrolle also von vornherein auf Preis und Gegenleistung; anders als im Falle von Art.  417 OR werden subjektive Willensbeeinträchtigungen vom Gesetzgeber bei der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung auf Seiten des Auftraggebers zudem als strukturell gegeben betrachtet.257 Anders als noch in seiner Rechtsprechung zum aOR wandte das Bundesgericht aArt.  417 OR auch auf einen Fall an, in dem ein Kaufvertrag aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer selbständiger Mäkler zustande gekommen war. Ein Mäkler verlangte in der Folge den vollen ihm versprochenen Lohn. Wie unter altem Recht schrieb das Bundesgericht der Mäkelei aleatorischen Charakter zu, was dazu führte, dass „der Anspruch auf den Mäklerlohn besteht, ohne Rücksicht auf das Mass der aufgewendeten Tätigkeit“.258 Der Anspruch knüpfte also auch hier allein an das aufgrund der Vermittlung zustande gekommene Geschäft. Das Bundesgericht schränkte diese Regel aber folgendermaßen ein: „Wo aber gerade diese Voraussetzung nur zum Teil zutrifft und die Vermittlung nicht durch den einen Mäkler allein stattgefunden hat, sondern sich auf eine Mehrheit verteilt, so vermöchte sich der aleatorische Charakter nur dann restlos auswirken, wenn […] jeder zum vorneherein Anspruch auf das Ganze hätte.“259 War die Provision also aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer Mäkler zu kürzen, stellte das Bundesgericht im Rahmen einer Äquivalenzprüfung fest, wie groß das Zutun jedes Mäklers am Vertragsabschluss war und sprach ihm den anteilmäßigen Lohn auf das Ganze zu.260 257 

Im Einzelnen zu den Gründen auch BSK-Pietruszak, Art.  406h OR N.  2–4. BGE 61 II 80 E. 5 S.  84. 259  BGE 61 II 80 E. 5 S.  85; vorliegend wurde dies vom Bundesgericht verneint. Dass das Bundesgericht unter Anwendung des aArt.  417 OR in diesem Fall eine Rechtsprechungsänderung vollzog, ist insofern fragwürdig, als diese Bestimmung sowohl vor als auch nach der Revision analog zu Art.  27 Abs.  2 ZGB den Auftraggeber und nicht den Mäkler schützen soll und damit eigentlich keine Äquivalenzkontrolle vorsieht. 260  In BGE 61 II 80 reduzierte das Bundesgericht den Mäklerlohn im Rahmen einer Äqui258 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

(3)  Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) Da unter dem aOR nur eine geltungserhaltende Reduktion eines übermäßigen Mäklerlohns vorgenommen wurde, liefern vor allem die Entscheide zu (a)Art.  417 OR Hinweise auf die Vorgehensweise des Gerichts. Bezüglich des Reduktionsmaßes spricht der Gesetzestext sowohl in seiner ursprünglichen als auch in der revidierten Fassung von einer Herabsetzung „auf einen angemessenen Betrag“. Nach der Rechtsprechung hat dort, wo keine behördlichen Höchsttarife existieren (vgl. Art.  418 OR 261), die Reduktion grundsätzlich auf den gemäß Art.  414 OR „üblichen Lohn“ zu erfolgen.262 Aus den oben genannten Gründen ließ das Bundesgericht jedoch einzelfallweise eine höhere Provision zu. Soweit im Einzelfall tatsächlich ein „üblicher Lohn“ vereinbart worden war, auferlegte sich das Bundesgericht Zurückhaltung bei dessen Angemessenheitsprüfung.263 Insofern war die Wertparitätskontrolle keine absolute. Das Bundesgericht hat sich, soweit es einen übermäßigen Mäklerlohn festgestellt hat, auf die Anpassung desselben beschränkt. Die Kasuistik zeigt folgendes Bild: Unter altem Recht wurde in BGE 20, 1131 (Urteil vom 29. Dezember 1894) ein Mäklerlohn in Höhe von fünf Prozent der Kaufsumme auf 0,5 % reduziert, a. a. O., E. 7 S.  1143 f. Alle anderen zu prüfenden Mäklerlöhne wurden für gültig befunden: s. BGE 21, 1239 (Urteil vom 30. Dezember 1895); BGE 26 II 575; 36 II 10; vgl. zudem auch BGE 21, 489 (Urteil vom 3. Mai 1895) und BGE 26 II 345, wo jeweils nur erwogen wurde, ob der Mäklerlohn überhaupt geschuldet war. Nach der OR-Revision teilte das Bundesgericht in BGE 61 II 80 den Mäklerlohn in Höhe von 4'000 Franken zwischen mehreren Mäklern auf und sprach dem Kläger 1'000 Franken davon zu, was 0,5 % der Kaufsumme entsprach, a. a. O., E. 5 S.  85. In BGE 83 II 151 wurde ein Mäklerlohn geprüft, der bei elf Prozent des Verkaufspreises lag. Durch das Bundesgericht wurde er nicht auf das übliche Maß von zwei Prozent, welches vorliegend bei rund 3'500 Franken gelegen hätte, herabgesetzt, sondern von 20'000 auf 6'000 Franken reduziert; im Einzelnen zu den Gründen, a. a. O., E. 4c S.  153 f. Nicht herabgesetzt wurden die gemäß (a)Art.  417 OR zu beurteilenden Mäklerlöhne in BGE 90 II 92 E. 11 S.  107; 138 III 669 E. 3.2 S.  671. In beiden Fällen betrug der Mäklerlohn drei Prozent. Offengelassen wurde die Reduktion zunächst in BGE 111 II 366, später aber bei erneuter Prüfung in BGE 112 II 459 E. 3 S.  461 von drei auf zweieinhalb Prozent reduziert; gänzlich unbeantwortet blieb die Frage nach einer Reduktion im Einzelfall in BGE 88 II 511 und 106 II 56, wobei auch die Höhe der versprochenen Provision in den publizierten Erwägungen nicht erwähnt wird, und in BGE 117 II 286, in welchem Fall die Provision bei drei Prozent lag. valenzkontrolle daher von 4'000 auf 1'000 Franken und damit auf 0,5 % der Kaufsumme, a. a. O., E. 5 S.  85. 261  Gemäß Art.  418 OR können behördliche Höchsttarife für die Arbeitsvermittlung festgelegt werden. Anders als behördlichen Höchsttarifen kommt Tarifen von Berufsverbänden keine absolute Geltung zu, weshalb sie als Indiz für eine Übung angesehen werden können. 262  BGE 117 II 286 E. 5b S.  289 f.; eine Übersicht, was bei der Grundstücksmäkelei als üblicher Lohn gilt, findet sich bei Präjudizienbuch-Krauskopf, Art.  417 OR N.  5. 263  BGE 117 II 286 E. 5a–b S.  289 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Nach der Lehre ist die Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle gemäß Art.  406h OR ebenfalls auf die Preissenkung beschränkt, wobei allerdings auch eine Anpassung einzelner Vergütungs- oder Kostenposten möglich ist. Zwar sind anderweitige für den Auftraggeber nachteilige Vertragsklauseln bei der Preiskontrolle ebenfalls zu berücksichtigen, diese können jedoch auf Grundlage von Art.  406h OR nicht angepasst werden.264 Da es sich um eine Wertparitätskontrolle handelt, hat die Herabsetzung auf einen angemessenen Betrag im Sinne eines iustum pretium zu erfolgen. Dieser bestimmt sich nach den üblichen Vergütungen gemäß Art.  394 Abs.  3 OR bzw. den nach Art.  402 Abs.  1 OR für eine „richtige Ausführung“ des Auftrags erforderlichen Kosten, da zufolge Art.  406a Abs.  2 OR für den Auftrag zur Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung subsidiär Auftragsrecht anwendbar ist.265 Zur Vorgehensweise, die das Bundesgericht im Falle der Reduktion eines übermäßigen Mäklerlohns wählte, schwieg es sich aus. Wie die einzige Textstelle hierzu zeigt, könnte die geltungserhaltende Reduktion vom Bundesgericht als Instrument sui generis verstanden worden sein: „Il faut considérer cependant que Moeschler s’est obligé à payer un salaire très élevé et que cet engagement a déterminé les démarches de Zangger. On ne saurait donc fixer la commission comme si elle n’avait pas été arrêtée conventionnellement.“266 Indem es andeutete, dass der „übliche Lohn“ eine feste Zulässigkeitsgrenze darstellt, wäre aber ebenso denkbar, dass sich das Bundesgericht zur Begründung der Leistungs­ herabsetzung mit einer Analogie zur Substitution unwirksamer Vertragsabreden durch eine zwingende Sachnorm behalf. (4)  Zwischenergebnis Das Reduktionsmaß übermäßiger Mäklerlöhne wird im Gesetzestext mit der Herabsetzung auf das Angemessene umschrieben. Das Bundesgericht erblickt diese normative Grenze in den „üblichen“ Mäklerlöhnen, welche sich bei der Vermittlung von Grundstückkäufen in Höhe von zwei bis drei Prozent des Kaufpreises eingependelt haben. Das Bundesgericht korrigiert dieses Ergebnis einzelfallweise nur gegen oben. Im Betrachtungszeitraum hat das Bundesgericht nur drei Mäklerlöhne in einem Leitentscheid angepasst. Zur Vorgehensweise, welche es hierbei anwendete, äußerte es sich nicht. 264 BSK-Pietruszak,

Art.  406h OR N.  6. Art.  406h OR N.  10. S. zu den einzelnen Kriterien, die zur Bestimmung einer üblichen Vergütung zu berücksichtigen sind, auch BSK-Weber R. H., Art.  394 OR N.  39, sowie BK-Fellmann, Art.  394 OR N.  413. 266  BGE 83 II 151 E. 4c S.  154. 265 KuKo-Pietruszak,

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

ee)  Reduktion überlanger Dauerschuldverhältnisse Das Bundesgericht hatte in verschiedenen Fallkonstellationen Gelegenheit, sich zur Frage überlanger vertraglicher Bindungen zu äußern. Dauerschuldverhältnisse werden dadurch charakterisiert, dass der Umfang der Gesamtleistung von der Länge der Zeit abhängt, während der die Leistungen fortgesetzt werden sollen.267 Das OR enthält bezüglich der Frage nach der höchstzulässigen Dauer von Verträgen keine allgemeine Regel. Das Bundesgericht vertrat trotzdem seit je her, dass Verträge nicht auf unbegrenzte Zeit abgeschlossen werden können und dass sich auch eine begrenzte Vertragsdauer als übermäßige Bindung erweisen kann. Mit der höchstzulässigen Dauer von vertraglichen Verpflichtungen hatte sich das Bundesgericht zunächst bei der Beurteilung von Bezugsverpflichtungen aller Art, vor allem aber in Gestalt von Bierlieferungsverträgen, und später auch bei der Kontrolle anderer Verträge mit „ewiger“ oder zumindest lebens­ langer Laufzeit zu befassen.268 Zur Prüfung der Vertragsdauer boten sich als Rechtsgrundlagen Art.  17 aOR (1881) und seit 1907 bzw. 1912 Art.  27 ZGB und Art.  20 OR an. (1)  Zeitlich begrenzte Bindungen Eine typische Klausel im Rahmen eines Bierlieferungsvertrags sah vor, dass die Eigentümerin einer Liegenschaft mit Restaurationsbetrieb, in der Regel eine Brauerei, den Betrieb verpachtete und dem Pächter ein Darlehen zur Renovation oder zum sonstigen Betrieb der Wirtschaft gewährte. Der Pächter verpflichtete sich im Gegenzug, während der Dauer des Vertrags Bier anzubieten, dieses nur von der kontrahierenden Partei, der Brauerei, zu einem festen, im Voraus bestimmten Preis zu beziehen und monatlich ein gewisses Kontingent abzurufen. Kam der Wirt seiner Bezugsverpflichtung nicht nach, wurde er für die nicht bezogene Differenz schadenersatzpflichtig.269 Ebenso waren vom Bundesgericht allerdings auch Bezugsverpflichtungen zu beurteilen, die ohne direkte Gegenleistung eingegangen wurden; die Austauschleistungen erwiesen sich mithin nicht als vertragstypisch.270 267 

BGE 128 III 428 E. 3b S.  430. BGE 25 II 450; 604; 26 II 117; 32 II 51; 38 II 591; 40 II 233; 41 II 105; 379; 43 II 511; 45 II 351; 50 II 256; 51 II 162; 56 II 189; 62 II 32; 67 II 221; 71 II 158; 93 II 290; 97 II 390; 113 II 209; 114 II 159; 127 II 69. 269  BGE 26 II 117 E. 1 S.  118; 32 II 51 E. 1 S.  52. Diese Ausgangslage entsprach auch der Vereinbarung in einem Lizenzvertrag, in welchem sich der Lizenznehmer verpflichtete, während der Vertragslaufzeit Deckenkonstruktionen nach einem patentierten System auszuführen, BGE 38 II 591 E. 1 S.  592. Dieser Entscheid wird hier daher analog behandelt. Später auch prototypisch BGE 114 II 159. 270  BGE 25 II 604 S.  606 f. 268 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Unter der Geltung des aOR (1881) wurden dem Bundesgericht vier Bezugsverpflichtungen zur Prüfung vorgelegt,271 wobei es stets die Frage zu beantworten hatte, ob hierin eine zu weitgehende, von den damaligen herrschenden so­ zialen Anschauungen „verpönte Fesselung der Persönlichkeit des Beklagten in Hinsicht auf seine wirtschaftliche Betätigung und Bewegung“ zu erblicken war.272 Da eine allgemeine Regel fehlte, beurteilte das Bundesgericht die Zulässigkeit der Verpflichtung nach den „besonderen Verhältnisse[n] des Einzelfalles“.273 Es deutete an, dass die Vertragslaufzeit einer Bezugsverpflichtung dann eine unsittliche Intensität erreiche, „wenn die Verpflichtung ohne zeitliche Beschränkung, oder für eine unverhältnismäßig lange Dauer“ eingegangen worden sei. Es könne jedoch keine absolute zeitliche Obergrenze festgelegt werden, da die Zulässigkeit solcher Verpflichtungen auch maßgeblich vom Verhältnis von Leistung und Gegenleistung abhänge.274 Bei Bierlieferungsverträgen bestand die Gegenleistung etwa in einem Darlehen zum Bau eines Wirtschaftsgebäudes.275 Da der Bau gemäß dem Bundesgericht meist mehrere Jahre dauert, konnte die Bezugsverpflichtung zumindest für diesen Zeitraum verbindlich vereinbart werden. Als weiteres Übermaßkriterium galt die Konkurrenzfähigkeit des abzunehmenden Artikels. Das Bundesgericht prüfte zunächst, ob es für diesen überhaupt einen Markt gab. Bei Bierlieferungsverträgen galt dieses Kriterium als unbedenklich, da angenommen wurde, dass Bier in Wirtschaftsbetrieben ein „ständiger Konsumartikel“ sei. Ausnahmsweise konnte allerdings die „spezielle Provenienz des Bieres“ der Prosperität des Betriebs schaden, wenn es sich als nicht konkurrenzfähig erwies.276 Ferner wurde auch ein im Voraus für die gesamte Vertragslaufzeit festgesetzter Bierpreis nicht besonders problematisiert, „da erfahrungsgemäß der Bierpreis keinen großen Schwankungen ausgesetzt“ sei.277 Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung wurden unter dem alten Recht Vertragslaufzeiten von fünf und zehn Jahren als nicht unverhältnismäßig lange beurteilt: In BGE 26 II 117 E. 3 S.  120 i. V. m. S.  118 wurde ein Bierbezugsvertrag mit einer festen Laufzeit von fünf Jahren und einer anschließenden paritätischen vierteljährlichen Kündbarkeit als unproblematisch beurteilt; in BGE 32 II 51 E. 3 S.  55 wurde ein zehnjähriger Bier­ bezugsvertrag für zulässig befunden; in BGE 38 II 591 hat das Bundesgericht einen zehnjäh271 

BGE 25 II 604; 26 II 117; 32 II 51; 38 II 591. BGE 26 II 117 E. 3 S.  120; 32 II 51 E. 3 S.  54 f.; 38 II 591 E. 3 S.  596. 273  BGE 32 II 51 E. 3 S.  54. 274  BGE 26 II 117 E. 3 S.  120. 275  BGE 26 II 117 E. 3 S.  120; 32 II 51 E. 3 S.  55. 276  BGE 25 II 604 E. 3 S.  613; 38 II 591 E. 3 S.  597. 277  Zum Ganzen BGE 32 II 51 E. 3 S.  55. 272 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

rigen Lizenzvertrag, der mit dem Vorbehalt abgeschlossen wurde, dass der Lizenzgeber ihn „nach Ablauf der ersten zwei Jahre lösen könne, wenn die vom Lizenznehmer zu bezahlenden Gebühren den Jahresdurchschnitt von 1'000 Franken nicht erreichen“, ebenfalls als zulässig erachtet, a. a. O., E. 3 S.  596 i. V. m. E. 1 S.  593.

In den referierten Entscheiden äußerte sich das Bundesgericht nicht zu einer möglichen Leistungsreduktion durch das Gericht. Diese Zurückhaltung bei der Vertragskorrektur zeitlich begrenzter Verträge änderte sich vorerst auch nach Inkrafttreten des revidierten OR 1912 nicht. Bis 1936 wurde die Sittenwidrigkeit von Dauerschuldverhältnissen bzw. Bezugsverpflichtungen nur in zwei von insgesamt sieben höchstrichterlichen Urteilen überhaupt erwogen.278 In BGE 40 II 233 wurde eine 15-jährige Bierbezugsverpflichtung für zulässig befunden; in BGE 41 II 105 wurde eine zweijährige Bierbezugsverpflichtung als „Vorvertrag über eine Mehrzahl während jener Zeit abzuschliessender Kaufverträge“ qualifiziert, a. a. O., E. 2 S.  109. Eine mögliche Sittenwidrigkeit wurde nicht erwogen. In BGE 41 II 379 wurde eine vierjährige Bezugsverpflichtung der „jährlichen Rotweinernte“ ebenfalls nicht auf ihre Sittlichkeit hin überprüft; auch im Falle einer Bierbezugsverpflichtung, die während der gesamten, unbefristeten Mietdauer lief, wurde die Sittenwidrigkeit nicht erwogen, BGE 43 II 511. Im Falle eines zehnjährigen Bierbezugsvertrags wurde ebenfalls nicht geprüft, ob sich diese Abrede als unsittlich erweist. Hier konnte der im Voraus fixierte Einheitspreis allerdings aufgrund einer im Vertrag aufgenommenen clausula rebus sic stantibus angepasst werden, BGE 45 II 351. Auch eine 15-jährige Bierbezugsverpflichtung galt als zulässig. Die Abnahmeverpflichtung wurde als „Kaufvertrag mit Sukzessivlieferung“ qualifiziert. Aufgrund der clausula rebus sic stantibus wurde allerdings auch hier der Preis angepasst, BGE 50 II 256. In BGE 51 II 162 E. 4 S.  168–170 wurde schließlich eine zehnjährige Bezugsverpflichtung für gültig erklärt.

An den Prinzipien, die das Bundesgericht zur Beurteilung der Zulässigkeit von Bezugsverpflichtungen unter dem aOR (1881) entwickelt hatte, nämlich der Einzelfallbeurteilung der höchstzulässigen Dauer von Bezugsverpflichtungen sowie dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung als Indiz für die Intensität der vertraglichen Bindung des Verpflichteten, hielt es auch nach der OR-Revision noch einige Zeit fest. Zuweilen verankerte es diese Grundsätze im Einzelnen argumentativ sogar noch stärker. In BGE 40 II 233 nahm das Bundesgericht zum Vorbringen der Beklagtenseite, es sei gemäß Art.  1 Abs.  2 ZGB Aufgabe der Rechtsprechung, „für die Höchstdauer der sittlich noch zulässigen Vertragsbindungen Regeln aufzustellen“279, etwa ausführlich Stellung dazu, weshalb eine zulässige Obergrenze nicht absolut festgelegt werden könne. Das Bundesgericht lehnte insbesondere eine analoge Anwendung anderer Gesetzesbestimmungen, die eine Höchstdauer von zehn Jahren festlegten, wie etwa aArt.  351 278 

Erwogen in BGE 40 II 233; 51 II 162; nicht erwogen in BGE 41 II 105; 379; 43 II 511; 45 II 351; 50 II 256. 279  BGE 40 II 233 E. 6 S.  238.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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OR 280 im Arbeitsrecht sowie aArt.  681 Abs.  3 und aArt.  683 Abs.  2 ZGB für gesetzliche Vor- und Rückkaufsrechte, ab.281 Es verwies in seiner Argumentation darauf, „dass die Verschiedenheit der einzelnen Vertragstypen sowie der konkreten Vertragstatbestände und besonderen Verhältnisse eines jeden Falles für die Aufstellung einer solchen Normalzahl wesentliche Schwierigkeiten bieten würden und dass eine 10 Jahre übersteigende Bindung schon deshalb kaum als regelmäßig unsittlich gelten könnte, weil andere Gesetzesbestimmungen eine bedeutend längere Gebundenheit vorsehen, so der Art.  749 ZGB für die Nutzniessung und der Art.  788 ZGB für die Grundlast (bei welchen Bestimmungen man es freilich mit dinglichen Ansprüchen zu tun hat).“282 Mit Blick auf die Intensität der Verpflichtungen außerhalb der zeitlichen Dimension erkannte das Gericht, dass die Bierbezugsverpflichtung „die persönliche Freiheit des Beklagten ausschliesslich in wirtschaftlicher Beziehung beschränkt“283, nicht aber in anderer Weise, namentlich nicht im Hinblick auf die freie Verfügung von Rechtsgütern jenseits der Vermögensrechtssphäre. Da „schon eine geringere oder sogar jede vertragliche Hemmung der persönlichen Freiheit gegen das sittliche Gefühl verstossen [könnte]“, wäre eine solche Beschränkung unzulässig.284 Auf wirtschaftlichem Gebiete dagegen bilde die vertragliche Bindung ein normales Mittel zur Erreichung der vom Einzelnen erstrebten Zwecke und zur Aufrechterhaltung eines geordneten Gemeinschaftslebens. Die Beschränkung der wirtschaftlichen Persönlichkeit werde deshalb erst dann zu einer unsittlichen, wenn sie wesentliche Interessen der Person verletze, „namentlich die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz“ gefährde.285 Wie bereits unter altem Recht spielte auch hier die Höhe der versprochenen Gegenleistung eine maßgebliche Rolle.286 Gestaltete sich der Vertrag dadurch für den Verpflichteten wirtschaftlich in einer vorteilhaften Weise, konnte Art.  27 Abs.  2 280  Aufgehobener Art.  351 OR, 5. Vertrag auf Lebenszeit oder länger als zehn Jahre: „Ist ein Dienstvertrag auf die Lebenszeit einer Partei oder für länger als zehn Jahre eingegangen, so kann ihn der Dienstpflichtige nach Ablauf von zehn Jahren jederzeit und ohne Entschädigung unter Beobachtung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist auflösen.“ 281  BGE 40 II 233 E. 6 S.  238 f. 282  BGE 40 II 233 E. 6 S.  239. Die Dauer der Nutznießung wird auch höchstens 100 Jahre beschränkt (Art.  749 Abs.  2 ZGB), ebenso die Dauer des Baurechts gemäß Art.  779l Abs.  1 ZGB, wobei Abs.  2 allerdings eine Verlängerungsoption vorsieht. Ein Grundstück kann ferner für längstens 30 Jahre mit einer Grundlast belegt werden (Art.  788 Abs.  1 Ziff.  2 ZGB). Der Anspruch, die Auflösung des Miteigentums zu verlangen, darf gemäß Art. 650 Abs. 2 ZGB für höchstens 50 Jahre vertraglich ausgeschlossen werden. 283  BGE 40 II 233 E. 6 S.  239. 284  BGE 40 II 233 E. 6 S.  239. 285  Zum Ganzen BGE 40 II 233 E. 6 S.  239 f. 286  BGE 40 II 233 E. 6 S.  240.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

ZGB per se nicht verletzt sein, da allein darin, dass jemand seine ökonomische Stellung nicht weiter habe verbessern können, keine unsittliche Beschränkung des persönlichen Fortkommens zu erblicken sei.287 Aus diesen Erwägungen stufte das Bundesgericht eine Bezugsverpflichtung, die auf 15 Jahre hinaus galt, nicht als sittenwidrig ein.288 Ebenso wurde rund zehn Jahre später in BGE 51 II 162 die Sittenwidrigkeit einer zehnjährigen Bezugsverpflichtung abgelehnt, obwohl das Bundesgericht hier die Nachteile einer langjährigen Verpflichtung erstmalig herausstrich: „In der zehnjährigen Gebundenheit eines Bäckers an eine bestimmte Mühle ist nun zwar eine erhebliche Einengung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erblicken, die geeignet ist, sich in hemmender und lästiger Weise zu äußern, indem der Bäcker sich gegenüber dem Müller in einem ganz anderen Abhängigkeitsverhältnis befindet, als ein freier Kunde.“289 Insbesondere könne bezüglich Preis und Qualität der Ware nicht verhandelt, weder der Lieferant gewechselt noch die Bestellungen verteilt werden.290 Trotz dieser Nachteile wurde die Verpflichtung im Sinne von Art.  27 Abs.  2 ZGB als angemessen begrenzt eingestuft, nämlich örtlich, zeitlich und gegenständlich, und die Abnahmeverpflichtung, auch wenn „[d]ie Bindung auf 10 Jahre hinaus […] als verhältnismässig lang erscheinen [mag]“, entsprechend für zulässig befunden.291 Während also die bis dahin ergangene Judikatur auf den immer gleichen Prinzipien beruhte, differenzierte das Bundesgericht in BGE 56 II 189 seine Rechtsprechung zu Dauerschuldverhältnissen aus, als es ein „auf Lebenszeit“ abgeschlossenes Mietverhältnis zu beurteilen hatte. Es führte aus, dass die Vereinbarung einer ewigen Miete zwar ungültig sei,292 nicht so aber eine Mietdauer auf Lebenszeit einer der beiden Vertragspartner,293 denn aus aArt.  351 287 

BGE 40 II 233 E. 6 S.  241. Das Bundesgericht rekurrierte auch später noch auf diesen Entscheid. Es hielt die 15-jährige Geltungsdauer rückblickend nur aufgrund des im Gegenzug gewährten Darlehens für richtig. Eine zeitlich „erheblich übersteigende Bezugspflicht“ erachtete es mit Verweis auf Wüthrich, 30–44, für nicht verbindlich, BGE 93 II 290 E. 7 S.  300 f. 289  BGE 51 II 162 E. 3 S.  167 f. 290  Im Einzelnen BGE 51 II 162 E. 3 S.  167 f. Vielleicht ergab sich die grundsätzliche Zurückhaltung in diesem Entscheid im Gegensatz zu BGE 40 II 233 nicht aus einer Kursänderung des Bundesgerichts, sondern daraus, dass der Abnahmeartikel in casu Mehl und nicht Bier war. Wie bereits erwähnt, sah das Bundesgericht den Bierpreis keinen großen Schwankungen ausgesetzt. 291  BGE 51 II 162 E. 4 S.  168 f. 292  BGE 56 II 189 S.  191: „Nun liegt es zwar im Wesen des Mietvertrages als eines obligatorischen Vertrages auf Gebrauchsüberlassung, dass er nicht auf ewige Zeiten vereinbart werden kann; denn nur dingliche Rechte sind geeignet und bestimmt, dauernd den Gebrauch einer Sache zu verschaffen […].“ 293  BGE 56 II 189 S.  191. 288 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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OR 294 sowie e contrario aus Art.  546 OR lasse sich ableiten, dass der Gesetzgeber Vertragsverhältnisse auf Lebenszeit dem Grundsatz nach gerade nicht als unsittlich oder rechtswidrig erachtete.295 Dienstvertragliche und gesellschaftsvertragliche Rechtsverhältnisse kennzeichneten sich nämlich dadurch, dass in beiden Fällen „eine Beschränkung der freien Lebensbetätigung der betreffenden Vertragskontrahenten vor[liegt], deren Tragweite und Auswirkungen bei Vertragsabschluss in der Regel nicht auf alle Zeiten hinaus voraussehbar sind und bei denen die (im Laufe der Zeit wandelbaren) gegenseitigen persönlichen Beziehungen der Parteien eine grosse Rolle spielen“.296 Da Mietverträge allerdings nur die Vermögensrechtssphäre der Vermieterin beträfen, erwiesen sich diese Erwägungen hier als nicht zutreffend. Für die Zulässigkeit solcher Verträge spreche zudem, dass der Gesetzgeber „die Begründung eines Wohnrechtes bezw. einer Nutzniessung auf die Lebenszeit des betreffenden Berechtigten ausdrücklich für zulässig“ erklärte. Faktisch werde die Verfügungsmacht des Eigentümers hier nämlich genau so stark beschränkt wie durch obligatorische Rechtsverhältnisse.297 Damit blieb nur zu prüfen, ob die Sittenwidrigkeitsschranke verletzt werde,298 was jedoch insbesondere mit Blick auf das vertragliche Äquivalent, den Mietzins, abzulehnen sei.299 Später erklärte das Bundesgericht, es habe diesen Vertrag bestätigt, weil das bestimmende Unterscheidungsmerkmal zur Ausdifferenzierung der Rechtslage bei Mietverträgen darin liege, dass keine „Verpflichtungen zu zeitlich unbegrenztem positivem Verhalten, zu wiederkehrenden Leistungen oder Bezügen [Hervorhebung hinzugefügt]“ eingegangen worden sei. Dies rechtfertige mithin eine mildere Beurteilung von Dauerschuldverhältnissen, die kein aktives Tun erforderten.300 Denn während in Fällen, wo die gesamte Betätigung im wirtschaftlichen Bereich betroffen sei, eine Bindung nur für kurze Zeit rechtmäßig erfolgen dürfe, müsse bei einem weniger großen Eingriff ein weiterer Maßstab angelegt werden.301 294 

Aufgehobener Art.  351 OR: „Ist ein Dienstvertrag auf die Lebenszeit einer Partei oder für länger als zehn Jahre eingegangen, so kann ihn der Dienstpflichtige nach Ablauf von zehn Jahren jederzeit und ohne Entschädigung unter Beobachtung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist auflösen.“ 295  BGE 56 II 189 S.  191 f. 296  BGE 56 II 189 S.  192. 297  BGE 56 II 189 S.  193. 298  BGE 56 II 189 S.  192 m. w. H. 299  Zum Ganzen BGE 56 II 189 S.  193 f. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Bundes­ gericht im Falle eines Kaufrechts, das alle zehn Jahre auf unbestimmte Zeit zu erneuern war. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Verlängerung so lange als wirksam zu betrachten sei, als die Berechtigte ein Interesse an diesem Kaufrecht habe, s. BGE 71 II 158 E. 3 S.  165. 300  BGE 62 II 32 E. 5 S.  36; 93 II 290 E. 7 S.  300. 301  Später ausdrücklich in BGE 93 II 290 E. 8 S.  300. Diese Argumentation überzeugt

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Angedeutet wurde eine zeitlich übermäßige Bindung nur in BGE 128 III 428, als das Bundesgericht neben dem Austritt aus einer „klösterlichen Gemeinschaft“ auch das im Zuge der Mitgliedschaft für zehn bis 22 Jahre gewährte zins­lose Darlehen unter anderem aufgrund seiner langen Laufzeit mit Blick auf Art.  27 ZGB als übermäßig beurteilte, wobei allerdings offenbleibt, ob die Vertragsdauer für sich alleine gegen das Übermaßverbot verstieß.302 Ansonsten ist festzustellen, dass das Bundesgericht im Einzelfall keinen Vertrag nur aufgrund seiner festen Laufzeit für übermäßig bindend hielt, sondern diese, auch wenn es das zeitliche Übermaß bei 15 Jahren andeutete, vollumfänglich für wirksam betrachtete. Zeitlich begrenzte Schuldverhältnisse wurden nur frühzeitig aufgelöst, wenn „wichtige Gründe“ vorlagen. Für gesetzlich geregelte Dauerschuldverhältnisse bestehen diverse Vorschriften, welche ihre vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund vorsehen (vgl. Art.  266g, 337, 418r und 527 OR). In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und in der Lehre wird davon ausgegangen, dass diese Vorschriften Ausdruck eines allgemeinen Prinzips sind, wonach das vorzeitige Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, verstanden als „Schutz der Persönlichkeit im Sinne von Art.  27 ZGB“, grundsätzlich für alle Dauerschuldverhältnisse gilt.303 Die betroffene Partei soll sich also immer dann von der Vertragsbindung befreien können, wenn eine Fortführung des Vertragsverhältnisses eine „unzumutbare Einschränkung der Persönlichkeitsrechte“ bedeuten würde.304 Die Frage, ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt, ist mithin daran zu messen, „ob das Gebundensein an den Vertrag für die Partei wegen veränderter Umstände ganz allgemein unzumutbar geworden ist, also nicht nur unter wirtschaftlichen, sondern auch unter anderen die Persönlichkeit berührenden Gesichtspunkten“. Das Bundesgericht hat die Auflösung aus wichtigem Grund in verschiedenen Entscheiden bejaht und auch auf Verträge ausgedehnt, für die eine entsprechende Regelung im Gesetz fehlt.305 nicht, denn auch im Falle eines Mietvertrags hat der Mieter in Form des monatlichen Mietzinses eine „wiederkehrende Leistung“ zu erbringen. 302  BGE 128 III 428 E. 4 S.  433 f.: „Zum einen besteht angesichts der langen Laufzeiten der zinslosen Darlehen von zehn bis zweiundzwanzig Jahren ein Übermass in wirtschaftlicher Hinsicht, da die Klägerin im Zeitpunkt der Rückzahlung einen massiven Wertverlust ihres Geldes in Kauf nehmen müsste, wogegen die Beklagte während der Laufzeit der Darlehen über das Geld hätte gewinnbringend verfügen können. Zum andern liegt auch eine übermäßige, unzumutbare Einschränkung des persönlichkeitsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin vor, da sie mit dem ausgeliehenen Geld eine Gemeinschaft unterstützen muss, deren Interessen und Ziele sie nicht mehr teilt und auf die sie auch keinen Einfluss mehr ausüben kann.“ 303  S. BGE 128 III 428 E. 3 S.  429 m. w. H. 304  S. BGE 128 III 428 E. 3c S.  432. 305  S. BGE 96 II 154 E. 2 S.  156; 122 III 262 E. 2 S.  264; 128 III 428 E. 4 S.  432–434; ab-

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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(2)  Bindungen auf unbestimmte Zeit Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Dauerschuldverhältnissen differenziert auf Rechtsfolgenseite zwischen Verträgen mit einer offenen Laufzeit und solchen, die eine vertragliche Kündigungsregel vorsehen, welche sich jedoch als unwirksam erweist. Die Übermaßkriterien sind hingegen in beiden Fällen identisch. (a)  Übermaßkriterien Verträge, die zeitlich unbegrenzt ausgestaltet waren, unterzog das Bundesgericht während der Geltung des aOR (1881) einer Sittenwidrigkeitskontrolle. In BGE 25 II 450 führte es aus, dass „eine zu weitgehende Einschränkung, welche die wirtschaftliche Selbständigkeit des einen der Kontrahenten geradezu aufhebt, […] als unsittlich im Sinne des Art.  17 [a]OR [(1881)]“ erscheine.306 Ein derartiger Verstoß liege insbesondere dann vor, „wenn eine wesentliche Beschränkung der Handelsfreiheit ohne Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum eingegangen worden“ sei.307 Das Bundesgericht lehnte es ab, einem zeitlich unbegrenzten Vertrag eine bestimmte zeitliche Dauer zu setzen, soweit dieser nicht aus dem Willen der Parteien erkennbar wurde.308 Daher beurteilte es Verträge solchen Inhalts in Einklang mit der damaligen Lehre als nichtig.309 Begründet wurde dies damit, dass es dem Gericht nicht erlaubt sein sollte, den gelehnt in BGE 99 II 308 E. 5 S.  310 f.; 100 II 345 E. 2 S.  348 f. Der allgemeine Rechtsgrundsatz der Kündigung aus wichtigen Gründen hat im OR etwa in den Art.  266g, 297 und 337 Abs.  1 Ausdruck gefunden. 306  BGE 25 II 450 E. 3 S.  454. 307  BGE 25 II 450 E. 3 S.  455. Vgl. bereits BGE 19, 378 (Urteil vom 3. Juni 1893) E. 4 S.  381 f., wo ein Vergleich zum lebenslangen Dienstvertrag gezogen wurde: „Wie gemäss Art.  345 [a]OR [(1881)] Niemand sich gültig verpflichten kann, seine Arbeitskraft für seine ganze Lebensdauer in den Dienst eines andern zu stellen, so kann auch Niemand gültig auf die Betätigung seiner Arbeitskraft in einem bestimmten Berufe, auf die Dauer und ohne örtliche Beschränkung, im Interesse eines andern, vertraglich Verzicht leisten. Eine derartige Stipulation beschränkt die Freiheit des Verpflichteten in einer so weitgehenden Weise, dass danach dessen wirtschaftliche Persönlichkeit als aufgehoben oder doch ihrer naturgemässen Betätigung entzogen erscheint; sie fesselt die gesammte Erwerbskraft des Verpflichteten im Interesse eines Dritten und erscheint eben deshalb als unsittlich […].“ 308  So etwa in BGE 25 II 450 E. 3 S.  455 f. 309  Vgl. nur BGE 23, 739 (Urteil vom 7. Mai 1897); BGE 25 II 450; 67 II 221; 96 II 129; in diesem Sinne auch BK-Becker H., Art.  20 OR N.  16; Scherrer, 96 f.; Wüthrich, 41–44. Dass „die objektive Wertung des Richters im Rahmen der hypothetischen Prüfung […] ihre Grenze dort [findet], wo sie zu einer Gestaltung des Rechtsverhältnisses führen würde“, entsprach auch lange Zeit der Auffassung einiger deutscher Autoren. Sie vertraten, der hypothetische Parteiwille entscheide nur über die Frage, ob ein mangelbehafteter Vertrag total- oder teilunwirksam sei, s. Flume, BGB AT, 582; Larenz, BGB AT, 452.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

nichtigen Teil des Vertrags „durch eine […] auf der Grundlage des mutmasslichen Parteiwillens geschaffene Bestimmung abzuändern“. Denn „ein Vertrag, der von Anfang an nichtig ist, kann nicht nachträglich durch willkürliche Unterschiebung eines andern Vertragsinhalts zu einem gültigen gemacht“ werden.310 Anders entschied das Bundesgericht nach der OR-Revision erstmals in BGE 62 II 32, als es einen zeitlich offenen Preisbindungsvertrag zu prüfen hatte. In Abgrenzung zur Miete auf Lebensdauer führte es aus, dass vertragliche Vereinbarungen, die zu einer „Beschränkung der gesamten Lebensbetätigung auf wirtschaftlichem Gebiete“311 führten, kündbar seien, auch wenn eine entsprechende Klausel im Vertrag fehle. Eine anderslautende Klausel, die eine derart weittragende Bindung des Beklagten „ohne die Möglichkeit, jemals die Freiheit des Handelns wieder zurücknehmen zu können“, vorsehe, sei mit dem Grundsatz von Art.  27 ZGB unvereinbar und damit nach Art.  20 OR nichtig. Da jedoch „nicht ohne Not“ davon auszugehen sei, „die Parteien hätten einen nichtigen Vertrag abzuschliessen beabsichtigt“, wurde der Preisbindungsvertrag mit Verweis auf Treu und Glauben bereits 1936 um eine Kündigungsklausel erweitert. Damit wurde im Falle von Dauerschuldverhältnissen zum ersten Mal eine gerichtliche Leistungsreduktion durch Lückenfüllung anerkannt.312 Obwohl Kartelle in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lange Zeit eine Sonderstellung einnahmen,313 wurde diese Rechtsprechung alsbald auch auf kartellvertraglich vereinbarte zeitlich unbegrenzte Bindungen ihrer Mitglieder ausgeweitet. Während diesen 1913 ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund noch versagt wurde,314 galt die zeitlich unbegrenzte Verpflichtung über Lieferbeschränkungen und Preisfestlegungen rund 20 Jahre später in zwei Fällen als „ausserordentlich tief einschneidende[r] Eingriff in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit“, die dergestalt „als zu weitgehend und mit Art.  27 ZGB nicht mehr vereinbar bezeichnet werden“ müsse. Die Kündigung wurde als „stillschweigend vereinbart“ unterstellt und damit der Vertrag vor der Unwirksamkeit bewahrt.315 Seine Praxis, „ewige Verträge“ nicht per se für nichtig zu erklären, sondern durch eine Vertragsanpassung partiell aufrechtzuerhalten, weitete das Bundesgericht konstant aus. In BGE 93 II 290 hatte es zum ersten Mal die Ablösung einer Abgabeverpflichtung durch die Eigentümer einer Wasserversorgungsanla310 

So ausdrücklich BGE 67 II 221 E. 3 S.  225. BGE 62 II 32 E. 5 S.  36. 312  BGE 62 II 32 E. 5 S.  35. 313  S. zu den Besonderheiten der Kartellrechtsrechtsprechung im Zusammenhang mit der geltungserhaltenden Reduktion im Falle von Konventionalstrafen und Konkurrenzverboten oben S.  117 f. und S.  152. 314  S. BGE 39 II 246 E. 4 S.  251–253. 315  BGE 62 II 97 E. 4c S.  102; in diesem Sinne auch BGE 62 II 32 E. 5 S.  35 f. 311 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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ge zu beurteilen.316 Nachdem das Dauerschuldverhältnis bereits über 40 Jahre Bestand hatte, stellte sich zum Beurteilungszeitpunkt die Frage nach der Vertragsauflösung. In Einklang mit dem überwiegenden Teil der Lehre317 kamen die Richter zum Schluss, dass obligatorische Verträge nicht auf „ewige“ Zeiten abgeschlossen werden könnten, da dies zu einer mit Art.  27 ZGB „unvereinbaren Beschränkung der persönlichen Freiheit“ führe.318 Auf Rechtsfolgenseite zogen sie der Nichtigkeit die Kündbarkeit von Verträgen mit offener Laufzeit vor. Das Bundesgericht lehnte es aber trotz der von ihm praktizierten geltungserhaltenden Reduktion ausdrücklich ab, der Vertragslaufzeit eine absolute zeitliche Zulässigkeitsgrenze zu setzen; vielmehr müsse nach den Umständen des Einzel­ falles geurteilt werden, da die Höchstdauer der Bindung „namentlich von der Intensität der dadurch bewirkten Beschränkung des Verpflichteten“ abhänge.319 Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesgericht bis heute in vier Fällen bestätigt, in denen ebenfalls „ewige“ Bezugs- oder Lieferverpflichtungen vereinbart worden waren.320 Die zu beurteilenden Verträge wurden nach einer Laufzeit von 20321, 60322 , 63323 bzw. 134324 Jahren allesamt für kündbar erklärt. 316  Im Einzelnen BGE 93 II 290 S.  291–294. Dass die Sachlage sowohl bei Bezugsrechten als auch bei Bezugspflichten weitgehend dieselbe ist, begründete das Bundesgericht wie folgt: „Obschon es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Bezugspflicht, sondern um eine unbeschränkte Lieferungspflicht handelt, stellt sich die Frage nicht grundsätzlich anders. Dies namentlich deswegen nicht, weil die Wasserkäufer als Entgelt einen einmaligen Betrag von Fr. 40.– bis Fr. 700.– entrichtet und seit vierzig und mehr Jahren Wasser bezogen haben, dessen Wert bedeutend höher sein dürfte“, a. a. O., E. 7 S.  300 f. Zudem erachtete das Bundesgericht in BGE 67 II 221 eine ewige Wasserbezugsverpflichtung bei einer bestimmten Vertragspartei ausnahmsweise für zulässig, da auch eine Gemeinde, „wenn ein allgemeines Interesse vorliegt, einen gewerblichen Betrieb, insbesondere auch eine Wasserversorgung, monopolartig an sich ziehen (vgl. BGE 40 I 192)“ könne. Zudem seien „alle Gemeindeansässigen auf unbestimmte Zeit zur Abnahme beispielsweise von Wasser (resp. von Gas oder Elektrizität) verpflichtet“. Daher könne es nicht „als gegen die guten Sitten verstossend angesehen werden, wenn sich ein Privater ohne Vorhandensein eines solchen Monopols aus freien Stücken verpflichtet, das von einer bestimmten Fabrik benötigte Wasser immer bei der Gemeinde zu beziehen“, a. a. O., E. 3 S.  225. 317  In BGE 93 II 290 E. 7–8 S.  300 f. nahm das Bundesgericht insbesondere Bezug auf ZK-­Oser/Schönenberger, Art.  20 OR N.  43, Wüthrich, 30–44; vgl. auch BK-Merz, Art.  2 ZGB N.  332. 318  BGE 93 II 290 E. 7 S.  300 m. w. H. 319  BGE 93 II 290 E. 7 S.  300. 320  In BGE 97 II 390; 113 II 209; 114 II 159. 321  BGE 114 II 159 m. w. H. 322  BGE 97 II 390 m. w. H. 323  BGE 113 II 209 m. w. H. 324  BGE 127 II 69 m. w. H. Die lange Dauer ergab sich hier daraus, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Wasserrechtskonzession handelte.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Das Bundesgericht differenzierte seine Rechtsprechung zu Verträgen mit offenen Laufzeiten anschließend nur noch mit Blick auf die Vertragsparteien weiter aus. In BGE 97 II 390 erkannte es, dass sich in Verträgen, in denen ein Gemeinwesen als Vertragspartei auftrete, die Kündbarkeit nicht mit Art.  27 ZGB begründen lasse. Es begründete dies damit, dass eine Gemeinde kaum je „durch einen unkündbaren Energielieferungsvertrag im Gebrauche ihrer Freiheit in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränkt“ werde.325 Die Kündbarkeit ergebe sich hier, wenn das Beharren einer Partei auf einer übermäßigen Bindung als zweckwidrige Rechtsausübung und damit als rechtsmissbräuchlich erscheine, daher aus Art 2 Abs. 2 ZGB.326 Das Bundesgericht begründete diese Rechtsprechungsänderung unter Bezugnahme auf einen Beitrag von Liver, der das Konzept einer gemäß Art.  27 ZGB übermäßigen Bindung mit Blick auf Gemeinwesen schon 1969 mit ebendiesen Gründen in Frage stellte.327 Die eigenständige Bedeutung von Art.  2 ZGB als Rechtsgrundlage zur Reduktion von Dauerschuldverhältnissen sollte von nun an also dort zum Tragen kommen, wo nicht ersichtlich war, dass die wirtschaftlichen Interessen des Verpflichteten durch die offene Vertragslaufzeit ernstlich tangiert werden. Für eine Vertragsanpassung sollte in diesen Fällen entscheidend sein, ob die Rechtsausübung dem Zweck zuwiderläuft, den die Kontrahenten seinerzeit bei Vertragsabschluss intendierten.328 (b)  Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) (i)  Bei Fehlen einer Kündigungsregel Zwar hat das Bundesgericht 1936 den Grundsatz, dass übermäßig bindende Dauerschuldverhältnisse auf das zulässige Maß zu reduzieren sind, ausdrücklich anerkannt, doch hat es hierfür weder einen einheitlichen Begründungsweg offengelegt noch diese Vorgehensweise auf dieselbe Rechtsgrundlage abgestützt. In BGE 62 II 32 schien es auf prozeduraler Ebene zunächst von einer richterlichen Vertragsergänzung auszugehen, denn es befand Dauerschuldverhältnisse ohne Kündigungsklausel für lückenhaft. Solche Regelungslücken schloss es sodann mit einer Kündigungsbestimmung, die es auf den an Treu und Glauben ausgerichteten hypothetischen Parteiwillen zurückführte.329 Bemerkenswerterweise lehnte es das Bundesgericht damals dennoch ab, die grund325 

BGE 97 II 390 E. 7 S.  399. BGE 97 II 390 E. 7 S.  399 f.; bestätigt in BGE 114 II 159 E. 2a S.  161 sowie BGE 127 II 69 E. 5 S.  75–78. 327  Im Einzelnen Liver, in: ZBJV 1/1969, 1, 9 ff. 328  BGE 97 II 390 E. 7 S.  399. 329  BGE 62 II 32 E. 5 S.  35. 326 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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sätzliche Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen als zwingendes Gesetzesrecht aus Art.  27 Abs.  2 ZGB herzuleiten.330 Später in BGE 93 II 290 diente ihm sodann nicht die richterliche Vertragsergänzung, sondern, wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt, die partielle Teilunwirksamkeit als Reduktionsvorgang.331 Das Bundesgericht stellte in diesem Entscheid klar, dass es zwar keine absolute zeitliche Obergrenze für Dauerschuldverhältnisse gebe, doch sei eine Bezugsverpflichtung, welche die in BGE 40 II 233 als wirksam betrachtete 15-jährige Dauer „erheblich überstiege“, unwirksam.332 Die beiden gewählten, unterschiedlichen Ansätze zur Leistungsreduktion, die richterliche Vertragsergänzung und die partielle Teilunwirksamkeit, konnten zum selben Ergebnis führen, ist es doch mit Blick auf die geltungserhaltende Reduktion unerheblich, ob festgestellt wird, die Bezugsverpflichtung sei nur während einer verkürzten Dauer gültig vereinbart worden, oder aber gesagt wird, es bestehe hinsichtlich der Kündbarkeit eine Lücke im Vertrag, die durch eine Regelung zu schließen sei, die nach derselben Dauer geltend gemacht werden kann. In zwei öffentlich-rechtlichen Verträgen zu Energie- und Wasserlieferungen, die in BGE 97 II 390 und 113 II 209 zu beurteilen waren, fehlte es, wie oben bereits dargelegt, ebenfalls an einer entsprechenden Kündigungsklausel. Das Bundesgericht begründete die Kündbarkeit dieser eigentlich ewigen Verpflichtungen in diesen Fällen, wie gesehen, nicht auf Grundlage des Art.  27, sondern des Art.  2 ZGB.333 Mit Blick auf die Vorgehensweise zur geltungserhaltenden Reduktion bediente es sich sodann der Vertragsauslegung. Aus dem ursprünglichen Vertragszweck leitete es her, es dürfe „nach dem Grundsatz von Treu und Glauben angenommen werden, dass die Parteien stillschweigend davon ausgingen, die Stromlieferungen seien für die Dauer der Konzession vereinbart“ worden334 und der Verpflichtete sei daher berechtigt, „den Energielieferungsvertrag auf den Zeitpunkt zu künden, an welchem die Konzession ausläuft“335. Prägend

330 

BGE 62 II 32 E. 5 S.  35 f.: „Dass ganz allgemein bei Dauerverträgen ein Kündigungsrecht mit einer den Umständen angemessenen Kündigungsfrist als vereinbart anzusehen sei, wie v. Thur (OR II S.  652 Anm.  51) annimmt, kann zwar in dieser allgemeinen Form kaum aufrechterhalten werden […].“ 331  S. zur partiellen Teilunwirksamkeit als Methode der geltungserhaltenden Reduktion, oben S.  21 ff. 332  BGE 93 II 290 E. 7 S.  300; bestätigt in BGE 114 II 159 E. 2a S.  162. 333  BGE 97 II 390 E. 7 S.  400; 113 II 209 E. 4 S.  212 f. 334  BGE 97 II 390 E. 7 S.  400. 335  BGE 97 II 390 E. 9 S.  401; weniger explizit, aber im Ergebnis gleich 113 II 209 E. 4 S.  212 f.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

für diese Rechtsprechung waren damals insbesondere Engel336, Gauch337 und Grossen338, welche sich für die Kündbarkeit ewiger Verträge aussprachen. In Einklang mit der herrschenden Meinung nimmt das Bundesgericht die geltungserhaltende Reduktion übermäßiger Dauerschuldverhältnisse seit 1988 wiederum als richterliche Vertragsergänzung eines nach Art.  20 Abs.  2 OR teilnichtigen Vertrags vor.339 Soweit die auf unbegrenzte Dauer eingegangene Verpflichtung die nach Art.  27 bzw. Art.  2 ZGB zulässige Höchstdauer überschreitet, führe sie nämlich zur Teilnichtigkeit des Vertrags gemäß Art.  20 Abs.  2 OR. Die dadurch entstandene Lücke sei durch Vertragsergänzung im Sinne des hypothetischen Parteiwillens zu schließen.340 BGE 127 II 69 E. 5b S.  78: „Nennt die Konzessionsurkunde keine zeitliche Beschränkung, ist die Dauer der Konzession zu beschränken und durch richterliche Lückenfüllung zu bestimmen […].“ BGE 114 II 159 E. 2c S.  163 f.: „Soweit die 1973 wiederum auf unbegrenzte Zeit eingegangene Bezugsverpflichtung die nach Art.  27 ZGB zulässige Höchstdauer überschreitet, führt sie zur Teilnichtigkeit des Vertrags gemäss Art.  20 Abs.  2 OR, die durch Vertragsergänzung aufgrund des hypothetischen Parteiwillens zu beheben ist […].“

Die hier gewählte Vorgehensweise einer geltungserhaltenden Reduktion entspricht, wenn zwingendes oder passendes dispositives Recht fehlt, auch der Vertragskorrektur im Falle einer nichtigen Kündigungsklausel.341 (ii)  Im Falle der Nichtigkeit der vertraglichen Kündigungsregel Auch mit Blick auf nichtige Kündigungsklauseln deutete das Bundesgericht in BGE 96 II 129 eine Abkehr vom „engen Begriff schlichter Teilnichtigkeit“342 an. In casu war ein Mietvertrag mit einer unbestimmten Kündigungsklausel zu beurteilen, die das Bundesgericht für nichtig befand. Im Sinne von Art.  20 Abs.  2 OR beschlug die Nichtigkeit dieser Klausel in casu jedoch nicht den gesamten Vertrag. Das Bundesgericht lehnte es damals zwar (noch) ab, die dadurch entstandene Vertragslücke mit einer eigenen, am hypothetischen Parteiwillen orientierten Regel zu schließen, doch kam es zum Schluss, dass ein Mietvertrag von unbestimmter Dauer vorliege, der nach der subsidiären Regel des Art.  267 OR kündbar sei.343 Seither lag schlichte Teilnichtigkeit also nicht nur bei ersatzEngel, Traité des obligations en droit suisse, 120. Gauch, 24. 338  Grossen, 14. 339  Gauch, 24; Hürlimann, N.  270–274; Huguenin, 50 f.; a. A. Bucher, OR AT, 234 ff.; s. zum Ganzen auch Bürge. 340  BGE 107 II 216 E. 3a S.  218 m. w. H. 341  BGE 107 II 216 E. 3a–b S.  217–219 m. w. H. 342  Belser, S.  453. 343  Zum Ganzen BGE 96 II 129 E. 3a–b S.  131–133. 336  337 

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losem Wegfall eines Vertragsteils vor, sondern auch, wenn subsidiär eine dispositive Ersatzregel an die Stelle der nichtigen Klausel trat. A fortiori hatte dies fortan freilich auch für Verstöße gegen zwingendes Gesetzesrecht zu gelten.344 Nicht auf schlichte, sondern auf modifizierte Teilnichtigkeit erkannte das Bundesgericht später in BGE 107 II 216, als es einen Alleinvertriebsvertrag zu beurteilen hatte, der die Kündigungsmöglichkeit einseitig in die Hand des Alleinvertreters legte. Weil die Klausel für den Geschäftsherrn nach Auffassung des Bundesgerichts eine übermäßige Bindung darstellte, fiel sie dahin. Da kein dispositives Gesetzesrecht auf diesen Innominatvertrag anwendbar war, setzte das Bundesgericht dem Vertrag, orientiert am hypothetischen Parteiwillen, eine feste Laufzeit von acht Jahren mit einer anschließenden beidseitigen Kündigungsmöglichkeit im Sinne von Art.  546 Abs.  1 OR.345 Diese Rechtsprechungsänderung wurde von der Lehre begrüßt und bekräftigt. Als Vertreter einer ­modifizierten Teilnichtigkeit traten insbesondere Gauch, Huguenin, Bürge und Hürlimann, die in diesem Zusammenhang bis heute immer wieder vom Bundesgericht zitiert werden, prominent in Erscheinung.346 (iii)  Zur Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Besonderen Die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Falle des Fehlens einer Kündigungsklausel oder bei deren Nichtigkeit zeigt mit Blick auf den Vorgang der geltungserhaltenden Reduktion unter dem Stichwort der modifizierten Teilnichtigkeit ­einen Gleichlauf hin zur richterlichen Vertragsergänzung. Unterschiedlich umschrieben wurde hingegen, wie der hypothetische Parteiwillen zu ermitteln ist. Während in BGE 107 II 216 von einem objektivierten, an Treu und Glauben ausgerichteten hypothetischen Parteiwillen auszugehen ist,347 will das Bundesgericht die auf dieser Grundlage gefundene Ersatzregel in BGE 114 II 159 auf ihre Vereinbarkeit mit Art.  27 und Art.  2 ZGB prüfen.348 Damit scheint es hier von einem subjektivierten hypothetischen Parteiwillen auszugehen, der sich nicht an Treu und Glauben orientiert; andernfalls wäre eine zusätzliche Prüfung der Vereinbarkeit einer solchen Ersatzregel mit Art.  2 bzw. Art.  27 nämlich nicht nötig.349 344  Vgl. hierzu mit Blick auf die zwingenden Inhaltsnormen des Arbeitsrechts BGE 129 III 124 E. 3.1 S.  125 f.; 131 III 467 E. 1.3 S.  470, in denen das Bundesgericht entschied, dass eine von den Parteien für mehr als drei Monate vereinbarte Probezeit auf das gesetzliche Maß zu reduzieren sei. 345  BGE 107 II 216 E. 3a S.  219 f. 346  S. hierzu die Einzelnachweise oben S.  65 ff. 347  BGE 107 II 216 E. 3b S.  218 f. 348  BGE 114 II 159 E. 2c S.  164; fälschlicherweise subsumierte das Bundesgericht diesen Anwendungsfall unter Art.  27 Abs.  1 anstatt Abs.  2 ZGB. 349  Zur Funktion des hypothetischen Parteiwillens s. oben S.  83 ff.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

(3)  Abgrenzungen Wie erwähnt, versteht das Bundesgericht als Dauerschuldverhältnisse Verträge, welche vorsehen, dass der „Zeitablauf stets neue Verpflichtungen entstehen“ lässt, „wie zum Beispiel im Dienstvertrage, bei der Miete, beim Darlehen“.350 Wenn dagegen von Anfang an feststeht, in welchem Umfang Ware abzufragen ist, liege kein Dauerschuldverhältnis vor. Auch hier handele es sich um einen einmaligen Austausch zweier Leistungen, wenn die eine Partei ihre Leistung nicht auf einmal zu erbringen braucht, sondern ihr Zeit gelassen wird, um ratenweise zu erfüllen.351 Auch solche Verträge wurden dem Bundesgericht aufgrund ihrer Unkündbarkeit immer wieder zu einer Sittenwidrigkeitskontrolle vorgelegt, doch das Bundesgericht hielt diese Verträge weder für unwirksam noch griff es anderswie korrigierend ein: „Für ein Kündigungsrecht, wie es dem Dienstvertrag, der Miete, dem Darlehen und anderen Dauerschuldverhältnissen (vgl. zum Beispiel BGE 62 II 35, 102) ein zeitliches Ende setzt, ist […] kein Raum. Die ‚Kündigung‘ könnte hier nur den ganzen Vertrag hinfällig machen, käme also einem Rücktritt gleich. Ein Vertrag, der ein solches Recht nicht vorsieht, obschon die Erfüllung der einen Leistung sich auf längere Zeit erstreckt und die Verhältnisse sich unterdessen ändern können, ist jedoch nicht grundsätzlich wegen Ver­ stosses gegen die guten Sitten nichtig. Von einem solchen Verstosse könnte man höchstens sprechen, wenn schon beim Vertragsabschluss sicher wäre, dass die Erfüllung infolge veränderter Verhältnisse dereinst die wirtschaftliche Existenz einer Partei gefährden und somit den guten Sitten widersprechen werde.“352 (4)  Zwischenergebnis Sowohl das aOR (1881) als auch das OR enthalten keine Reduktionsnorm für zeitlich unbegrenzte Dauerschuldverhältnisse. Ein „ewiger“ Vertrag müsste daher aufgrund seiner zeitlich übermäßigen Bindung eigentlich als unsittlich und daher nichtig eingestuft werden. Dies entsprach auch der früheren Auffassung zu überlangen Dauerschuldverhältnissen. Sodann lässt sich anhand dieser Fallgruppe allerdings eindrücklich illustrieren, wie sich in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Paradigmenwechsel von der schlichten hin zur modifizierten Teilnichtigkeit und insbesondere zur geltungserhaltenden Reduktion vollzo350 

BGE 84 II 266 E. 5 S.  279; vgl. auch BGE 128 III 428 E. 3b S.  430. Vgl. BGE 84 II 266 E. 5 S.  279. 352  Abgelehnt in BGE 84 II 13 E. 4d S.  24; 266 E. 5 S.  279 f.; 85 II 402 E. 4 S. 414 f.; bei der Prüfung eines Abzahlungsvertrags in BGE 84 II 628 wurde die zeitliche Bindung erst gar nicht problematisiert. 351 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

179

gen hat. Das Schrifttum hat diesen Wandel mit einigen Grundlagenwerken begleitet und befeuert. Von Lehre und Rechtsprechung wird heute anerkannt, dass auf unbegrenzte Zeit abgeschlossene Verträge geltungserhaltend zu reduzieren sind. Die Künd­ barkeit leiten sie aus Art.  27 Abs.  2 ZGB oder aus Art.  2 Abs. 2 ZGB her. Hinsichtlich des Kündigungszeitpunktes hat das Bundesgericht keine allgemeine Grenze und damit kein einheitliches Reduktionsmaß etabliert; vielmehr ergebe sich dieses aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall, namentlich aus der Intensität der Bindung des Verpflichteten und aus dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Zur Vorgehensweise, nach der das Bundesgericht die geltungserhaltende Reduktion im Falle überlanger Dauerschuldverhältnisse vornimmt, lässt die Rechtsprechungsanalyse kein einheitliches Bild erkennen. Die Leistungsreduktion wurde einzelfallweise mittels restriktiver Auslegung, richterlicher Vertrags­ ergänzung oder partieller Teilunwirksamkeit erreicht. ff)  Reduktionen im Falle des allgemeinen Übermaßverbots nach Art.  27 Abs.  2 ZGB (1) Kasuistik Zusätzlich zu den verschiedenen Fallgruppen hatte das Bundesgericht weitere Verträge zu beurteilen, die aufgrund ihres Übermaßes der zweiten Gruppe des Art.  27 Abs.  2 ZGB zuzuordnen sind und damit Anlass für eine geltungserhaltende Reduktion boten. Während der ersten Gruppe, wie gesehen, vertragliche Bindungen unterfallen, die den höchstpersönlichen Kernbereich einer Vertragspartei tangieren und damit keinen wirksamkeitswahrenden Kern enthalten, gehören zur zweiten Gruppe Verträge, die die wirtschaftliche Dispositions- und Bewegungsfreiheit übermäßig einschränken. Diese Vertragsgegenstände wären innerhalb der gesetzlichen Grenzen eigentlich zulässig, nicht jedoch, wenn sie gegen das Übermaßverbot verstoßen. Die Rechtsprechung zeigt, dass sich die persönlichkeitsrechtswidrige Beschränkung der Vertragsfreiheit regelmäßig aus der mangelhaften Bestimmbarkeit von zu sichernden, zu verpfändenden oder zu übertragenden Forderungen ergibt. Auf Rechtsfolgenseite lässt sich jedoch kein einheitliches Bild erkennen: Bürgschaft: In BGE 63 II 409 E. a S.  413 f. hat das Bundesgericht eine im Voraus erteilte Zustimmung des Bürgen zu jeglichem zukünftigen Schuldnerwechsel für grundsätzlich zulässig befunden, aber betont, dass je nach Sachlage eine solche Klausel durchaus gegen Art.  27 Abs.  2 ZGB verstoßen könne, a. a. O., E. b S.  414; vgl. hierzu insbesondere auch BGE 120 II 35. Davon ist das Bundesgericht in BGE 128 III 434 teilweise abgewichen, als es betonte, dass Art.  493 Abs.  1 OR eine summenmäßige Bestimmbarkeit der Verpflichtung ge-

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

währleiste. In concreto stellte es fest, dass nur solange die Verpflichtungen des Bürgen diese Summe nicht übersteige, innerhalb eines eindeutig identifizierbaren Rechtsverhältnisses zwischen Gläubiger und Hauptschuldner eine beliebige Zahl künftiger Forderungen gesichert werden könne. Pfandrecht: Keine solche gesetzliche Maximalvorschrift und damit die bisherige Rechtsprechung gilt für Pfandbestellungen, s. BGE 51 II 273 E. 4 S.  281–283; 69 II 286 E. 2a S.  290–294; 108 II 47 E. 2 S.  48–50. In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht erstmals in BGE 106 II 369 in einem obiter dictum eine geltungserhaltende Reduktion angedeutet: „[L]a jurisprudence fédérale a par la suite toujours plus nettement évolué dans le sens qu’un acte juridique qui heurte l’art. 27 al. 2 CC ne doit pas être annulé, mais simplement ramené à la mesure convenable“, a. a. O., E. 4 S.  379. In BGE 142 III 746 E. 2.3 S.  755 hat das Bundesgericht ein Fahrnispfand zur Besicherung aller bestehenden und allfälligen künftigen Forderungen einer Person aufgrund der fehlenden Bestimmbarkeit der besicherten Forderung hingegen als nichtig beurteilt. Zession: In BGE 84 II 355 E. 3 S.  366 entschied das Bundesgericht, dass sich niemand gültig dazu verpflichten könne, auf längere Zeit oder gar auf Lebenszeit – dazu noch „ohne jeden Vorbehalt“ – schlechthin alle Forderungen, die ihm gegenüber Drittpersonen zustehen oder zustehen können, zu zedieren. Ein solcher Vertrag sei nichtig. In BGE 112 II 433 entschied es sodann, dass eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Sicherungsabtretung im Rahmen einer Automiete gegen Art.  27 Abs.  2 ZGB verstoße und nichtig sei. Ferner befand das Bundesgericht, dass die aus der umfassenden Abtretung aller denkbaren Forderungen folgende Nichtigkeit eine auf bestimmte Forderungen beschränkte Teilnichtigkeit ausschließe, zum Ganzen, a. a. O., E. 3–4 S.  436–438. In BGE 113 II 163 bestimmte das Bundesgericht sodann, dass für die gültige Zession künftiger Forderungen deren Bestimmbarkeit ausreiche, a. a. O., E. 2 S.  165–168. Eine geltungserhaltende Reduktion in Zusammenhang mit der Abtretung künftiger Forderungen nahm das Bundesgericht zum ersten Mal in BGE 120 II 35 vor. Unter Berufung auf die neuere Lehre führte es aus, dass ein Vertrag auf das zulässige Maß zu reduzieren sei, wenn sich aus dem hypothetischen Parteiwillen ableiten lasse, welche Forderungen zediert werden sollten: „Dans les circonstances de l’espèce, il apparaît que les parties auraient tout de même conclu un cautionnement limité aux dettes découlant du compte-courant; en effet, cette hypothèse les a précisément amenées à passer le contrat“, im Einzelnen a. a. O., E. 4b S.  41. Insbesondere mit Blick auf die Zession und Verpfändung künftiger Lohnforderungen ist auf Art.  325 Abs.  1 OR, in Kraft seit 1. Juli 1991, sowie BGE 117 III 52 E. 2 S.  54 f. zu verweisen. Zur früheren Rechtslage: BGE 107 III 75 E. 2 S.  77; 114 III 40 E. 2 S.  41. Ebenfalls damit in Zusammenhang stehend, entschied das Bundesgericht, dass ein zwischen der Arbeitgeberin und ihrem Arbeitnehmer vereinbartes Zessionsverbot des Lohns keine übermäßige Bindung darstelle, BGE 112 II 241 E. 2b S.  244. Vorausverzicht auf sonstige Rechte: Abgelehnt wurde eine übermäßig-persönliche Bindung in BGE 111 II 330. Hier hatte das Bundesgericht eine reglementarische Nutzungsbeschränkung zulasten eines Stockwerkeigentumsanteils zu beurteilen, a. a. O., E. 4 S.  336 f. Der Vorausverzicht auf das Widerrufsrecht im Falle eines Schenkungsversprechens nach Art.  249 Abs.  2 OR wurde mit Blick Art.  27 Abs.  2OR sodann allerdings als „plus que douteuse“ eingestuft, BGE 113 II 252 E. 5 S.  258. Im Falle einer Ehescheidung wurde der Verzicht auf Abänderung der Bedürftigkeitsrente nach aArt.  153 ZGB353 dagegen für zulässig Aufgehobener Art.  153 ZGB, 3. Rente: „Wird als Entschädigung, Genugtuung oder Unterhaltsbeitrag durch das Urteil oder durch Vereinbarung eine Rente festgesetzt, so hört die Pflicht zu ihrer Entrichtung auf, wenn der berechtigte Ehegatte sich wieder verheiratet. 353 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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befunden, BGE 122 II 97 E. 3a S.  98. In BGE 50 II 370 wurde ein vertraglich eingeräumtes Kaufrecht für eine Liegenschaft zu einem Festpreis, das bis zum Tod des Eigentümers suspendiert war, von den Erben des ursprünglichen Eigentümers angefochten. Das Bundesgericht folgte dem nicht: „Durch die zum voraus erfolgte ziffermässige Feststellung des Kaufpreises für die ganze Dauer des Kaufsrechts wurde ganz natürlicherweise der Spekulation durch den Kläger Vorschub geleistet. Allein wenn es auch vielleicht stossend erscheinen mag, bei langer Dauer des Kaufrechts den Kaufpreis vorweg zu bestimmen, so kann darin beim Fehlen irgendwelcher gesetzlicher Einschränkungen der Vertragsfreiheit doch nichts unzulässiges, insbesondere nicht eine verwerfliche Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art.  27 ZGB gesehen werden.“, a. a. O., E. 2 S.  374. Arbeitsvertrag: Mitarbeiterbeteiligung und faktisches Berufsverbot: In BGE 130 III 495 wurde entschieden, dass durch Verträge der Mitarbeiterbeteiligung die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts grundsätzlich nicht unterlaufen werden dürfen. Der Arbeitnehmerschutz entfalle allerdings, wenn der Arbeitnehmer beim Erwerb der Mitarbeiterbeteiligung als Anleger handelt, der das mit der Anlage verbundene Risiko aus freien Stücken akzeptiert. Ob die Beteiligung sich als Bestandteil des Arbeitsvertrags oder als davon losgelöste Investition ausnimmt, sei aufgrund der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Vorliegend wurde die Anwendung der zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts verneint. Auch verstieß die Mitarbeiterbeteiligung, die erst nach fünf Jahren ausgeübt werden konnte, nicht gegen Art.  27 Abs.  2 ZGB. Gemäß dem Bundesgericht besteht einer der mit der Abgabe von Mitarbeiteroptionen verfolgten Zwecke gerade darin, das Arbeitsverhältnis für eine gewisse Dauer zu sichern. Den Mitarbeitenden verschafften zeitlich limitierte Verfügungssperren zudem steuerliche Vorteile. Das Bundesgericht deutete an, dass nach der Art.  334 Abs.  3 OR zugrunde liegenden Wertung erst ein auf mehr als zehn Jahre abgeschlossener Arbeitsvertrag die persönliche Freiheit im Sinne von Art.  27 Abs.  2 ZGB verletze. In BGE 138 III 322 E. 4.3.5 wurde ein Schiedsentscheid als gegen den ordre public verstoßend beurteilt, weil darin das einem Fußballspieler durch die FIFA auferlegte unbegrenzte Berufsverbot aufgrund einer nichtbezahlten Vereinsstrafe als ein „schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers“ gewertet wurde, wodurch die „in Art.  27 Abs.  2 ZGB verankerten grundlegenden Schranken rechtsgeschäftlicher Bindung [missachtet]“ und „insbesondere seine wirtschaftliche Freiheit in einem Masse“ eingeschränkt würden, „dass die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet seien.“ Beschränkung verschiedener Lebensbereiche durch Vertrag: Eine zu weitgehende persönliche Bindung, verschiedene Lebensbereiche betreffend, liegt BGE 104 II 108 zugrunde: Eine 22-jährige Sängerin hatte einem Talent-Studio das ausschließliche Recht ihres „Managements für Auftritte und Produktionen jeder Art“ übertragen; das Studio war alleinberechtigt, diesbezügliche Verträge in eigener Kompetenz abzuschließen. Die Klägerin verpflichtete sich, die Interpretin für öffentliche Auftritte zu schulen und den Kontakt mit Schallplattenproduzenten herzustellen, sie bei Radio-Fernsehanstalten des In- und Auslandes bekannt zu machen sowie ihre künstlerischen und finanziellen Interessen zu vertreten. Im Gegenzug versprach die Sängerin, allen Anweisungen des Studios Folge zu leisten, angebotene Titel zu übernehmen, Vereinbarungen über Auftritte zu erfüllen, Termine einzuhalten und während der Dauer des Vertrags so unabhängig zu sein, dass sie bei Bedarf verfügbar Eine wegen Bedürftigkeit ausgesetzte Rente wird auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten aufgehoben oder herabgesetzt, wenn die Bedürftigkeit nicht mehr besteht oder in erheblichem Masse abgenommen hat, sowie wenn die Vermögensverhältnisse des Pflichtigen der Höhe der Rente nicht mehr entsprechen.“

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

war. Sie verpflichtete sich zudem, dem Studio aus allen Gagen und Lizenzeinnahmen ein Manager-­Honorar bis 40 % zu bezahlen. Das Vertragsverhältnis hatte zunächst eine feste Vertragslaufzeit von fünf Jahren, enthielt aber eine Prolongationsklausel zur Verlängerung um mindestens ein Jahr. Das Bundesgericht führte zu dieser Vereinbarung aus: „Damit hat die Beklagte sich in ihrer Erwartung, als Schlagersängerin Karriere zu machen, völlig der Klägerin ausgeliefert und sich jeder eigenen Entscheidungsbefugnis begeben. Sie musste sich nicht nur im Bereich ihrer künstlerischen Tätigkeit, sondern in der ganzen Lebensführung Beschränkungen der persönlichen Freiheit gefallen lassen, da sie stets bereit sein musste, wenn die Klägerin sie benötigte. Dadurch wurde sie in ihrer Freiheit, ein sinnvolles Privatleben zu führen, erheblich beeinträchtigt und wurde ihr die Aufnahme einer andern beruflichen Tätigkeit oder Weiterbildung wenn nicht verunmöglicht, so doch sehr erschwert. Es liegt auf der Hand, dass das Fortbestehen einer solchen Bindung gegen den Willen der Beklagten deren Persönlichkeitsrecht verletzte.“ Das Bundesgericht beurteilte diesen Vertrag als mit Art.  27 Abs.  2 ZGB unvereinbar und daher als unwirksam; vgl. zum Ganzen BGE 104 II 108 E. 5 S.  116–118. Weitere Existenzgefährdungen durch Vertrag: In BGE 84 II 266 beurteilte das Bundes­ gericht einen Kaufvertrag über eine Aussteuer gegen Vorauszahlung als zulässig. Die Vor­ instanz erachtete ihn als sittenwidrig, da der Vertrag „weitgehend in die Lebensgestaltung und wirtschaftliche Freiheit der Kläger eingreife“. Darin ersah das Bundesgericht keine hinreichenden Nichtigkeitsgründe: „Wer finanzielle Verpflichtungen eingeht, verstösst nur dann gegen die guten Sitten, wenn er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet (BGE 51 II 167 f.; 84 II 23), nicht schon dann, wenn sie ihn nötigen, sein Leben anders zu gestalten, insbesondere sich einzuschränken und auf andere Bedürfnisse zu verzichten.“, a. a. O., E. 4 S.  277; ebenso BGE 84 II 628 E. 3 S.  635. Ähnlich argumentierte das Bundesgericht in BGE 95 II 55, als es eine Bürgschaft, die die wirtschaftliche Existenz des Bürgen gefährdete, für zulässig befand: „Art.  27 Abs.  2 ZGB verbietet niemandem, sich über seine finanziellen Kräfte hinaus zu verpflichten“, a. a. O., S.  58.354

Wie die Rechtsprechungsanalyse zeigt, ist das Bundesgericht zurückhaltend in der Annahme eines Verstoßes gegen Art.  27 Abs.  2 ZGB. Eine vertragliche Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit wird nur dann als über­ mäßig angesehen, wenn dadurch die wirtschaftliche Freiheit des Verpflichteten aufgehoben oder in einem Maße beschränkt wird, dass seine wirtschaftliche Existenz als gefährdet gilt, oder er sich der Willkür eines anderen ausliefert. Die zulässige Dauer der Bindung hängt vom Gegenstand der Beschränkung ab: Bei Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen oder Bezügen ist sie kürzer als beim Verzicht, während einer absehbaren Dauer über eine Sache zu verfügen. 354  In der Lehre wird kontrovers diskutiert, in welchem Verhältnis Art.  27 Abs.  1 und 2 ZGB stehen und welche Tatbestände unter Art.  27 Abs.  1 ZGB zu subsumieren sind, weiterführend BSK-Huguenin, Art.  27 ZGB N.  6. Festzustellen ist, dass Abs.  2 in der Rechtsprechung ein ungleich größeres Gewicht hat als Abs.  1. Während zu Abs.  2 eine reiche Kasuistik besteht, beziehen sich die Gerichte nur selten ausdrücklich auf Abs.  1 (mit Ausnahme von BGE 108 II 405, in welchem das Bundesgericht die Nichtigkeit des Versprechens, einen Erbvertrag abzuschließen, aus Art.  27 Abs.  1 ZGB herleitete).

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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(2)  Rechtsfolgen Auf Rechtsfolgenseite lässt sich mit Blick auf Art.  27 Abs.  2 ZGB in den letzten rund 110 Jahren ein Wandel von der Unwirksamkeit übermäßiger vertraglicher Bindungen hin zur einseitigen Unverbindlichkeit ablesen, wobei der geltungserhaltenden Reduktion ein Zwischenspiel von rund 20 Jahren eingeräumt wurde. Lange Zeit ging das Bundesgericht in Übereinstimmung mit den Materialien davon aus, dass der Verstoß gegen Art.  27 Abs.  2 ZGB die Unwirksamkeit des Vertrags gemäß Art.  20 OR zur Folge habe.355 Diese Ansicht stand in der Kontinuität des aOR, welches eine übermäßige Bindung auf Rechtsfolgenseite dem Art.  17 aOR (1881) zuordnete.356 Wie die dargestellten Fallgruppen zeigen, wurden Verträge, für welche (noch) keine besonderen Reduktionsnormen eingeführt worden waren, nach Inkrafttreten des ZGB anfänglich alle unter den Gesichtspunkten des Art.  27 Abs.  2 ZGB auf ihre Zulässigkeit geprüft. Im Falle eines vertraglichen Verstoßes gegen das allgemeine Übermaßverbot, wurde die Rechtsfolge nach Art.  20 OR bestimmt. Dieses Zusammenspiel von Art.  27 ZGB und Art.  20 OR wurde seit 1912 unter Hinweis darauf begründet, dass sich der Ausdruck „gegen die guten Sitten verstossend“ in Art.  20 OR inhaltlich mit dem Passus „die Sittlichkeit verletzend“ des Art.  27 ZGB decke.357 Seit den 1980er-Jahren lässt sich sodann auch mit Blick auf Art.  27 Abs.  2 ZGB der Versuch einer modifizierten Teilnichtigkeit erkennen, um das Übermaß der Verpflichtung mittels geltungserhaltender Reduktion zu korrigieren.358 Diesbezüglich finden sich in den oben referierten Entscheiden aufgrund ihrer Vielfalt aber weder Hinweise auf allgemeine Übermaßkriterien noch lassen sie einen Erkenntnisgewinn zur konkreten Vorgehensweise des Gerichts bei der geltungserhaltenden Reduktion mit Blick auf ein einheitliches Reduktionsmaß und das Verständnis des Reduktionsvorgangs zu. Die geltungserhaltende Reduktion scheint sich fortan als Instrument sui generis in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Alternative zur (Teil-)Unwirksamkeit etabliert zu haben. Im Jahr 2002 nahm das Bundesgericht in BGE 129 III 209 bezüglich der Rechtsfolgenseite des Art.  27 Abs.  2 ZGB einen weiteren Richtungswechsel vor. In seiner Entscheidbegründung führte es an, dass eine übermäßige Beschränkung nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer Vereinbarung führe. Sie habe stattdessen nur zur Folge, dass sich die betroffene Partei von der vertraglichen Bindung befreien könne.359 Indem Art.  27 Abs.  2 ZGB seither als „relativ zwin355 

Vgl. etwa BGE 112 II 433; zu den Hinweisen in den Materialien oben S.  110. Vgl. auch BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  93 f. 357  BGE 40 II 233 E. 5 S.  238; vgl. auch BGE 50 II 481 E. 2 S.  485. 358  Vgl. BGE 112 II 433; 114 II 159. 359  BGE 129 III 209 E. 2.2 S.  213 f. 356 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

gend“ verstanden wird, kann das Bundesgericht die Unwirksamkeit nicht mehr von Amtes wegen feststellen. Durch die einseitige Unverbindlichkeit auf Antrag der zu schützenden Partei soll dieser die Möglichkeit belassen werden, einen objektiv betrachtet übermäßig bindenden Vertrag rechtsgültig zu erfüllen, ohne dass sich aber die Gegenpartei auf das Übermaß der Bindung berufen kann. Die Vertragsanpassung erfolgt sodann ex nunc.360 Fraglich ist allerdings, ob auch der Gebrauch des Antragsrechts im Ergebnis auf eine geltungserhaltende Reduktion hinauslaufen kann, wenn die zu schützende Partei – analog zu den Reduktionsnormen, die einen Antrag erfordern – eine um das Übermaß reduzierte Vertragserfüllung verlangt. Dogmatisch lässt sich die Entkoppelung von Art.  27 ZGB und Art.  20 OR damit begründen, dass Art.  27 ZGB keine „deutliche Regelung der Rechtsfolgen enthalte“.361 Das heißt, das Bundesgericht hat rund 90 Jahre nach Inkrafttreten des ZGB eine Gesetzeslücke für sich entdeckt, welche es bislang ungenutzt gelassen hatte. Diese „Lücke“ war allerdings schon gut zehn Jahre früher von Bucher aufgedeckt worden. Im Berner Kommentar pochte er entgegen der herrschenden Meinung schon damals darauf, Art.  27 ZGB von Art.  20 OR abzugrenzen.362 (3)  Zwischenergebnis Auch die Kasuistik zu Art.  27 Abs.  2 ZGB als Auffangnorm im Falle von übermäßigen Vertragsinhalten zeigt, dass das Bundesgericht die Verletzung einer allgemeinen Zulässigkeitsschranke im Einzelfall nur mit Zurückhaltung annahm. Es stellte hohe Anforderungen an die Übermaßkriterien. Hinsichtlich der Vorgehensweise im Falle einer geltungserhaltenden Reduktion lässt die Rechtsprechungsanalyse zur übermäßigen Bindung der nicht einer bestimmten Fallgruppe zuzuordnenden Verträge keine weitergehende Erkenntnis zu. gg)  Zusammenfassung (1)  Die Entwicklung einer geltungserhaltenden Reduktion seit 1883 Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu einseitig-übermäßigen Bindungen liegt ein selbstverantwortliches Personenbild zugrunde. Die Verletzung einer allgemeinen Zulässigkeitsschranke nahm das Bundesgericht seit je her nur mit Zurückhaltung an; es gewichtete die Vertragsfreiheit im Zuge der freien wirt360 

zum Ganzen BGE 129 III 209 E. 2.2 S.  214; ähnlich schon BGE 106 II 369 E. 4 S.  378 f. Hofer, in: recht 2/2008, 58, 58. 362 BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  164, 524 und 545–555; zum Ganzen mit denselben Befunden auch Hofer, in: recht 2/2008, 58, 58. 361 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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schaftlichen Betätigung im Grundsatz höher. Eine vertragliche oder statutarische Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit363 wurde bisher nur dann als übermäßig bewertet, wenn sie den Verpflichteten der Willkür eines anderen auslieferte,364 seine wirtschaftliche Freiheit gänzlich aufhob oder in einem seine wirtschaftliche Existenz gefährdenden Maß begrenzte.365 In den Worten des Bundesgerichts musste die „freie Lebensbetätigung“ eines Schuldners aufgrund der Unterwerfung unter die „schrankenlose Willkür des Gläubigers“ geradezu als aufgehoben gelten.366 Mit dieser Definition der übermäßigen Selbstbindung folgte das Bundesgericht Hubers Konzept zum ZGB. Dass das Bundesgericht der Idee von Huber stark verhaftet war, zeigt sich insbesondere auch daran, dass es in seiner frühen Rechtsprechung vor allem zu Aussenseiterboykotts im Zuge der Kartellierung immer wieder auf Stammler, einen akademischen Weggefährten Hubers, Bezug nahm.367 Stammler trat mit seiner ­„Lehre vom richtigen Rechte“ vehement dafür ein, die individuelle Freiheit zu ­schützen.368 An seinen strengen Kriterien zur Feststellung einer übermäßigen Bindung hält das Bundesgericht bis heute fest. Der Blick auf die Rechtsfolgenseite einer übermäßigen Bindung offenbart ­folgendes Bild: Verträge, die ein die wirtschaftliche Existenz vernichtendes Übermaß erreichten oder den einen Vertragspartner der Willkür des anderen auslieferten, wurden vom Bundesgericht – jenseits der gesetzlichen Reduk­ tionsnormen – zunächst stets als unwirksam oder zumindest teilunwirksam beurteilt. Soweit die vertragliche Beschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsund Bewegungsfreiheit jedoch unter der Schwelle der Existenzgefährdung lag, wurden sie stets für uneingeschränkt zulässig befunden. Während die Rechtsprechung des Bundesgerichts also, wie in BGE 123 III 292 angedeutet, in einer frühen Phase tatsächlich stärker im Schwarz-weiß-Schema der Gültigkeit oder Unwirksamkeit verhaftet war als heute, zeigten sich erste Ansätze einer gel363 

BGE 104 II 6 E. 2a S.  8; 138 III 322 E. 4.3.3 S.  329. Relevant wurde dies insbesondere im Falle von kartellförmigen Zusammenschlüssen. Dass Verbandsmitgliedern Pflichten bis zu einem gewissen Grad auferlegt werden konnten, begründete das Bundesgericht mit Blick auf die damit einhergehende Beschränkung der persönlichen Freiheit des Einzelnen als „eine Selbstverständlichkeit“, die in der „Anerkennung der Konvention“ angelegt und die „unumgängliche Voraussetzung“ für die „Wirksamkeit jeden Zusammenschlusses zur Verfechtung gemeinsamer Interessen“ sei. Die Gehorsamspflicht reichte dabei jedoch nur bis „[z]ur Ausführung willkürlicher oder gar widerrechtlicher Anordnungen, s. zum Ganzen BGE 62 II 97 E. 4c S.  103; vgl. auch BGE 86 II 201 E. 2 S.  205 f.; ähnlich bereits BGE 57 II 334 E. 4 S.  341. 365  BGE 40 II 233 E. 6 S.  240; 111 II 330 E. 4 S.  337; 138 III 322 E. 4.3.2 S.  329. 366  BGE 53 II 317 S.  320. 367  Zu dieser Verbindung Hofer, in: recht 2/2008, 58, 60 f. 368  Im Einzelnen zu den sog. Grundsätzen des Achtens Stammler, insbesondere 431 ebenda. 364 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

tungserhaltenden Reduktion dennoch schon damals. Angedacht wurde die Vertragsinhaltskorrektur insbesondere im Falle übermäßiger Konkurrenzverbote und überlanger Dauerschuldverhältnisse. An diesen beiden Fallgruppen lässt sich die Etablierung einer geltungserhaltenden Reduktion als Alternative zur Unwirksamkeit bzw. Teilunwirksamkeit übermäßiger Vertragsinhalte sodann besonders eindrücklich illustrieren. Im Verlaufe der Zeit hat das Bundesgericht seine Eingriffe in den Vertragsinhalt stetig auf andere Fallgruppen ausgeweitet. Die Entwicklungsgeschichte der geltungserhaltenden Reduktion zeigt, dass das Bundesgericht nur dort unter Rückgriff auf die Literatur argumentierte, wo es an Reduktionsnormen fehlte. Insbesondere mit Blick auf überlange Dauerschuldverhältnisse zog es zunächst insbesondere die Arbeiten von Schwein­ gruber, Wüthrich und Oser, später von Spiro und Tandogan heran. Sodann stützte es sich auf die grundlegenden Beiträge von Gauch, Huguenin und Hürlimann ab. Keine Hinweise zur Konkretisierung der richterlichen Vertragsanpassung finden sich in den Gesetzesmaterialien. (2)  Kriterien zur Feststellung des Übermaßes als Anknüpfungspunkt für eine geltungserhaltende Reduktion Die zur Konturierung der geltungserhaltenden Reduktion referierten Fallgruppen weisen allesamt auslegungsbedürftige Tatbestandsmerkmale auf. Die Übermaßkriterien sowohl der Reduktionsnormen als auch der Sitten- und Persönlichkeitsrechtswidrigkeit sind daher durch das Gericht zu konkretisieren. Wie die Rechtsprechungsanalyse zeigt, erweist sich das vom Bundesgericht auf dieser Grundlage erarbeitete Schrankenkonzept zum Schutz der wirtschaftlichen Persönlichkeit jedoch als unscharf. Die Kasuistik offenbart, dass das Übermaß im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ermessensweise festgestellt wird. Als Kriterien zur Feststellung der Zulässigkeit einer vertraglichen Bindung ist vorrangig auf die Intensität und Dauer derselben abzustellen. Intensität und Dauer können einander ergänzen und allenfalls sogar substituieren: Die zulässige Dauer der Bindung hängt stets vom Gegenstand der Beschränkung ab. Sie ist bei Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen oder Bezügen kürzer als beim Verzicht, während einer absehbaren Dauer über eine Sache zu verfügen. Als weitere Kriterien, die das Übermaß indizieren, fallen fehlende Parität und der Grad an Fremdbestimmtheit ins Gewicht. Entlastend können sich dagegen allfällige Gegenleistungen, das Abwälzen von Risiken sowie geringfügige oder fehlende Beschwer auswirken.369 Insofern weicht das Bundesgericht das theoretisch nur mit Blick auf eine Vertragsleistung festzustellende Übermaß durch Äquivalenzüberlegungen auf. 369 

Vgl. auch BSK-Huguenin, Art.  27 ZGB N.  10.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Während also grundsätzlich alle objektiven Vertragselemente in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen sind, ist bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Mietzinses ebenso wie bei der Feststellung des Übermaßes von Mäklerlöhnen und Konventionalstrafen eine eingeschränkte Prüfung vorzunehmen. Hier können nicht alle oben genannten Kriterien berücksichtigt werden. Die Missbräuchlichkeit von Mietzinsen ist gemäß dem klar vorgegebenen gesetz­ lichen Raster zu bestimmen, bei den Mäklerlöhnen fällt aufgrund des aleatorischen Charakters der Mäkelei zur Feststellung des Übermaßes der zeitliche Aufwand zur Vermittlung des Vertragsabschlusses außer Betracht und im Falle der Konventionalstrafe muss beachtet werden, dass diese nur subsidiär zur damit abgesicherten Hauptforderung anfällt. Insofern kann Letztere also ebenfalls nicht in die Abwägung eingestellt werden. (3)  Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) Während das Bundesgericht einen breiten Kriterienkatalog zur Feststellung des Übermaßes entwickelt hat, wird die geltungserhaltende Reduktion als Rechtsfolge nur sehr schwach konturiert. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur geltungserhaltenden Reduktion zeichnet sich kein einheitliches Begriffsverständnis ab. Tief verankert ist die geltungserhaltende Reduktion in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Falle der Feststellung einer übermäßigen Konventionalstrafe. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit lässt das Bundesgericht hier auf prozeduraler Ebene offen, wie es die Reduktion vornimmt. Dass es die geltungserhaltende Reduktion im Rahmen dieser Fallgruppe am ehesten als Instrument sui generis versteht, mag daran liegen, dass die Herabsetzung einer übermäßigen Konventionalstrafe als einzige Reduktionsnorm schon seit je her gesetzlich vorgeschrieben war. Bezüglich des Reduktionsmaßes vertritt das Bundesgericht eine Herabsetzung auf das noch Zulässige. Auch im Rahmen der Herabsetzung missbräuchlicher Mietzinsen zeichnet sich kein einheitliches Begriffsverständnis ab. Das Bundesgericht lässt offen, wie sich der Reduktionsweg im Falle der Herabsetzung missbräuchlicher Mietzinsen dogmatisch verorten lässt, macht jedoch zugleich deutlich, dass die Kürzung um denjenigen Teil vorzunehmen ist, der oberhalb der Zulässigkeitsgrenze liegt. Soweit das Bundesgericht eine geltungserhaltende Reduktion von übermäßigen Konkurrenzverboten vornahm, ist zwischen der Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des OR 1912 zu differenzieren. Unter altem Recht hatte es, obwohl das gesetzliche Herabsetzungsrecht noch nicht normiert war, die geltungserhaltende Reduktion mittels restriktiver Auslegung bewerkstelligt. Auch nach Erlass der Reduktionsnorm für übermäßige dienst- und später arbeitsvertragliche

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Konkurrenzverbote hielt es an seiner Vorgehensweise fallweise fest. Zunehmend verstand es die geltungserhaltende Reduktion auf der prozeduralen Ebene jedoch als partielle Teilunwirksamkeit. Das Bundesgericht grenzte seine Vorgehensweise hierbei explizit von der richterlichen Vertragsergänzung ab. Während die anderen Fallgruppen auf prozeduraler Ebene unklar bleiben, erhellt die Judikatur im Falle übermäßiger Konkurrenzverbote bezüglich des im Einzelfall gewählten Reduktionsmaßes nicht. Wie im Falle der beiden ersten referierten Fallgruppen lässt das Bundesgericht auch hinsichtlich der Anpassung übermäßiger Mäklerlöhne keinen anderen Schluss zu, als dass es sich um ein Instrument sui generis handelt. Bezüglich des Reduktionsmaßes spricht der Gesetzestext von einer Herabsetzung auf einen „angemessenen Betrag“. Die Kasuistik lässt nicht erkennen, dass das Bundesgericht hier einen anderen Begründungsweg wählte als bei den anderen Fallgruppen, die stets eine Anpassung auf das zulässige Maß erforderten. Einer Vielzahl unterschiedlicher Vorgehensweisen bediente sich das Bundesgericht schließlich zur Anpassung überlanger Dauerschuldverhältnisse. Die Aufrechterhaltung des Vertrags begründete es fallweise mit der restriktiven Auslegung, der richterlichen Vertragsergänzung oder der partiellen Teilunwirksamkeit. Der Umfang der Anpassung bleibt auch hier verschwommen; tendenziell lag das Reduktionsmaß eher im noch Zulässigen. Keine verallgemeinerbare Aussage lässt sich für die Vorgehensweise zur Anpassung übermäßiger Vertragsinhalte im Sinne von Art.  27 Abs.  2 ZGB treffen. Solange das Bundesgericht eine Herabsetzung im Rahmen dieser Auffangnorm anerkannte, schien es die geltungserhaltende Reduktion als festen Rechtsbegriff zu verwenden, ohne diesen aber in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Schließlich zeigt die Rechtsprechungsanalyse auch im Hinblick auf den hypothetischen Parteiwillen nicht einmal fallgruppenweise ein einheitliches Bild. Das Bundesgericht ließ dieses normative Kriterium in vielen Entscheiden unerwähnt, zog es jedoch zuweilen zur Rückbindung seiner Ersatzregelbildung an die Privat­autonomie heran. (4)  Sonderfall AGB? Weiter fällt auf, dass das Bundesgericht sowohl mit Blick auf die Feststellung des Übermaßes als auch auf Rechtsfolgenseite nicht danach differenziert hat, ob ein übermäßiger Vertrag individuell oder standardisiert ausgearbeitet worden war.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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c)  Gesetzlich fixierte Zulässigkeitsschranken Soweit das zwingende Gesetzesrecht nicht eine Sachnorm vorsieht, welche die nichtige Vertragsabrede substituiert, ist auch mit Blick auf zwingende Zulässigkeitsschranken dort eine geltungserhaltende Reduktion denkbar, wo das Gesetz hinsichtlich ihres Intensitätsgrads eine Bandbreite gültiger Abreden zulässt. Diesbezüglich sind insbesondere Art.  100 Abs.  1 OR zur allgemeinen Haftungsbeschränkung und Art.  199 OR zur Freizeichnung von Gewährleistungsansprüchen zu nennen.370 Sowohl das aOR (1881) als auch das 1912 in Kraft getretene revidierte OR enthalten gesetzlich fixierte Zulässigkeitschranken mit offener Rechtsfolge, zu deren Übertretung eine reiche Kasuistik besteht. aa)  Reduktion von Darlehenszinsen Das Bundesgericht hat sich immer wieder mit der Zulässigkeit übersetzter Darlehenszinsen auseinandergesetzt. Das OR regelt weder, was unter Zinsen zu verstehen ist, noch in welcher Höhe sie vereinbart werden dürfen. Als Zins gilt die Vergütung, auf die eine Gläubigerin für die Entbehrung einer ihr geschuldeten Geldsumme Anspruch hat, sofern sich diese Vergütung nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld bestimmt.371 Im Falle des Darlehens tritt der Zins als selbständige Leistung neben die Primärleistungspflicht.372 Das Bundesrecht selbst enthält außerhalb des Anwendungsbereichs des KKG keine Spezialvorschrift zur zulässigen Zinshöhe;373 gemäß Art.  73 Abs.  2 OR wird die Gesetzgebung gegen Missbräuche im Zinswesen ausdrücklich dem öffentlichen Recht zugewiesen. Den Kantonen steht es offen, entweder eigenständig oder im Rahmen eines Konkordats tätig zu werden374. Wo kantonale Bestimmungen zu Höchstzinsen fehlen, ist Bundesrecht anwendbar.375 In seiner frühen Rechtsprechung zog das Bundesgericht zur Bestimmung der privatrechtlichen Schranke des Zinssatzes zunächst nur Art.  21, nicht aber Art.  20 OR heran. War ein kantonales Zinsmaximum nicht ersichtlich 370 BK-Kramer,

Art.  19/20 OR N.  357. OFK-Kren-Kostkiewicz, Art.  73 OR N.  1 m. w. H. 372  OFK-Kren-Kostkiewicz, Art.  73 OR N.  2. 373 Vgl. für Konsumkredite, die dem Anwendungsbereich des KKG unterliegen die VKKG, welche die Höchstzinsen hierzu konkretisiert: Der maximale Zins in B2C-Verträgen beträgt seit 1. Juli 2016 zehn Prozent (Art.  1 VKKG i. V. m. Art.  9 Abs.  2 lit.  b KKG). Ein Konsumkredit mit einem höheren Zins ist nichtig (Art.  15 Abs.  1 KKG). 374  Vgl. hierzu das Interkantonale Konkordat vom 8. Oktober 1957 über Massnahmen zur Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen (SR 221.121.1), dem neun Kantone beigetreten sind. 375 Vgl. Bürge, 22 f.; s. zum Verhältnis von kantonalem und Bundesrecht mit Blick auf Höchstzinse auch BGE 80 II 327 E. 3b S.  332 f. 371 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

– das Bundesgericht hielt es nicht für seine Aufgabe, ein solches nachzuforschen376 – und fehlte es an einem der Tatbestandsmerkmale des Art.  21 OR, hatte dies zur Folge, dass sogar eine Zinsabrede in Höhe von 42,5 % bestätigt wurde.377 Diese Rechtsprechung änderte sich im Verlaufe der Zeit, wobei das Bundesgericht zur Begründung seiner Vorgehensweise unterschiedliche dogmatische Pfade beschritt. In BGE 80 II 327 hatte das Bundesgericht die Vergütung für ein Darlehen zu beurteilen, das sich aus einem fünfprozentigen Zins und einer Abschlussprovision zusammensetzte und gesamthaft zu einem Zahlungsversprechen in Höhe von 38,15 % führte.378 Obwohl der Kanton, nach dessen Recht vorliegend ein Missbrauch im Zinswesen zu prüfen gewesen wäre, auf einen Höchstzins verzichtet hatte und auch die Voraussetzungen des Art.  21 OR nicht vorlagen, unterzog das Bundesgericht den Vertrag einer Inhaltskontrolle. Es begründete dieses Vorgehen damit, dass es Art.  21 OR nicht länger als Spezialnorm im Verhältnis zu Art.  20 OR betrachte.379 Die Widerrechtlichkeit des vereinbarten Zinssatzes sei in casu – aufgrund der fehlenden gesetzlichen Obergrenze – aus Gewohnheitsrecht herzuleiten. Allerdings verzichtete das Bundesgericht damals darauf, eine absolute Zulässigkeitsgrenze für Zinsen zu fixieren, die die nichtige Abrede substituiert hätte.380 Stattdessen betonte es die Teilbarkeit des Vertrags hinsichtlich des Zinsversprechens und der Abschlusskommission. Letztere strich es ersatzlos, womit der Zins nur in Höhe von fünf Prozent verfallen war.381 Da das Bundesgericht das Übermaßproblem hier mittels der schlichten Teilnichtigkeit lösen konnte, erübrigte sich die Frage nach einer geltungserhaltenden Reduktion. In BGE 84 II 107 zog das Bundesgericht zur Prüfung eines übermäßigen Darlehenszinses wiederum Art.  21 OR heran. Der zu beurteilende Darlehenszins lag zuweilen bei 38,8 %. Vorliegend wurden die Voraussetzungen des Art.  21 OR bejaht und die übervorteilte Partei erklärte, dass sie den Vertrag nicht halten wolle. Die Gegenpartei verlangte im Sinne der partiellen Teilunwirksamkeit, dass nicht der gesamte Vertrag als nichtig zu betrachten sei, sondern nur derjenige Teil der Forderung, der den angemessenen Zinssatz übersteige. Das Bundesgericht lehnte diese Auffassung ab. Es kam zum Schluss, dass „dem Übervorteilten die Fortsetzung des Vertrags mit verändertem Inhalt nicht 376 

BGE 43 II 803 E. 3 S.  809. BGE 43 II 803 E. 3a–b S.  806–809. 378  BGE 80 II 327 E. 1 S.  328 f. 379  BGE 80 II 327 E. 3b S.  332. 380  BGE 80 II 327 E. 3b S.  332 f.; zur Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung des Jahreszinses auf 18 % instruktiv BGE 69 I 171 E. 4 S.  179–185, der aber an einer generellen Geltung dieses Grenzeswertes für alle Kantone Zweifel aufkommen lässt. 381  BGE 80 II 327 E. 5–6 S.  336 f. 377 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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aufgezwungen werden kann, wenn er sie nicht wünscht“. Das Gesetz stelle es „ins Belieben der übervorteilten Partei, sich vom Vertrage vollständig loszusagen“. Offengelassen wurde, ob die übervorteilte Partei stattdessen eine geltungserhaltende Reduktion hätte verlangen können.382 Rund zehn Jahre später hatte das Bundesgericht in BGE 93 II 189 einen Zinssatz in Höhe von 26 % zu beurteilen.383 Auch dieser Fall ergab sich in einem Kanton, der weder selbständig noch auf dem Konkordatsweg von der ihm durch Art.  73 Abs.  2 OR eingeräumten Kompetenz zum Erlass von Bestimmungen gegen Missbräuche im Zinswesen Gebrauch machte. Auch hier war deshalb Bundesrecht anwendbar. Aus den publizierten Erwägungen wird nicht ersichtlich, ob das Bundesgericht eine Subsumption unter Art.  21 OR überhaupt geprüft hatte; vorliegend stellte es die Sittenwidrigkeit des vereinbarten Zinssatzes nach Art.  20 OR fest. Als Vergleich zog es die im erwähnten Konkordat festgelegte Zinshöchstgrenze von 18 % als „allgemeine Übung“ heran.384 Diesen normativen Anhaltspunkt nahm es auch als Maßstab für die sodann zum ersten Mal erfolgte geltungserhaltende Reduktion: Der übermäßige Zinssatz wurde auf 18 % reduziert. Das Bundesgericht rechtfertigte diese Reduktion unter Hinweis auf den hypothetischen Parteiwillen. Es stellte fest, den „Interessen der Parteien“ würde nicht entsprochen, wenn die Zinsabrede ersatzlos nichtig wäre. Denn damit würde dem Schuldner ein Vorteil verschafft, den der Gläubiger ihm vertraglich nie zugestanden hätte.385 Methodisch wurde diese Vorgehensweise mit Verweis auf BGE 80 II 327 begründet, was insofern bemerkenswert ist, als im früheren Entscheid die übermäßige Vergütung durch eine schlichte Teilnichtigkeit korrigiert werden konnte. Die Vorgehensweise, die der geltungserhaltenden Reduktion im vorliegenden Fall zugrunde liegt, ist dagegen als partielle Teilunwirksamkeit zu verstehen.386 Das Bundesgericht prüfte nämlich, „ob der mit 26 % vereinbarte Zinssatz gegen die guten Sitten verstosse und in einem 18 % übersteigenden Umfange […] als nichtig zu erklären sei“.387 Sodann stellte es fest, dass „im Sinne von Art.  20 Abs.  2 OR Teilnichtigkeit der Zinsabrede eintritt und im übrigen der Vertrag bestehen bleibt“.388 Während das Bundesgericht die Zinsabrede hier als Verstoß gegen die guten Sitten verstand, fällt als weiterer Unterschied zum zitierten früheren Urteil auf, dass das Bundesgericht die zu streichende Klausel damals als widerrechtlich befand. 382 

Zum Ganzen BGE 84 II 107 E. 4 S.  112 f. BGE 93 II 189 E. b S.  191. 384  Vgl. BGE 93 II 189 E. b S.  191 f. 385  BGE 93 II 189 E. b S.  192. 386  S. zu diesem Methodenverständnis der geltungserhaltenden Reduktion, oben S.  21 ff. 387  BGE 93 II 189 E. b S.  191. 388  BGE 93 II 189 E. b S.  192. 383 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Aufgrund dieser Kasuistik lässt sich bezüglich übermäßiger Darlehenszinsen eine Tendenz hin zur geltungserhaltenden Reduktion, prozedural verstanden als partielle Teilunwirksamkeit, auf das noch zulässige Maß feststellen. Das Bundesgericht legitimierte die richterliche Ersatzregelbildung unter Verweis auf den hypothetischen Parteiwillen und gelangte so zu einem Ergebnis, das dem zulässigen Höchstzins entsprach.389 Zur Begründung, dass ein Verstoß gegen öffentlich- oder privatrechtliche Vorschriften die Herabsetzung des missbräuchlichen Zinssatzes auf das zulässige Maß zur Folge hat, griff das Bundesgericht auch auf die herrschende Lehre zurück.390 bb)  Reduktion von Freizeichnungsklauseln (1)  Haftungsausschluss Im Falle von Haftungsfreizeichnungsklauseln sind bzw. waren der Privatautonomie sowohl nach Art.  114 f. aOR (1881)391 als auch nach Art.  100 f. OR zwingende Grenzen gesetzt. Während sich Art.  114 aOR (1881) und Art.  100 OR zur Haftungsbegrenzung für eigenes Verschulden äußern, wird in Art.  115 aOR (1881) und Art.  101 OR die Hilfspersonenhaftung geregelt.

389  Diese Rechtsprechung spiegelte sich im Übrigen auch in einem Entscheid, in dem das Bundesgericht eine Preisabsprache zu beurteilen hatte, die einen kantonal festgelegten Höchtspreis überschritt. Das Bundesgericht ersetzte die Leistungsvereinbarung durch den Höchstpreis; das Vorbringen der einen Partei, der Vertrag sei nichtig, hörte es nicht; vgl. zum Ganzen BGE 47 II 462 S.  463; vgl. auch Spiro, in: ZBJV 12/1952, 497, 525 f., der allerdings kritisiert, dass das Bundesgericht bei der Vertragserhaltung nicht ausdrücklich zum Erfordernis des hypothetischen Parteiwillens Stellung beziehe. 390  OFK-Kren-Kostkiewicz, Art.  73 OR N.  9; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  2361, die von „modifizierter Teilnichtigkeit“ sprechen; Bürge, 22 f. 391  Art.  114 aOR (1881): „[1]Eine zum Voraus getroffene Verabredung, wodurch die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrläßigkeit ausgeschloßen sein soll, ist nichtig. [2] Auch ein zum Voraus erklärter Verzicht auf Haftung für leichtes Verschulden kann nach billigem Ermessen des Richters als nichtig betrachtet werden, wenn der Verzichtende zur Zeit seiner Erklärung in einem Dienstverhältnisse zu dem anderen Theile stand, oder wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionirten Gewerbes folgt.“ Art.  115 aOR (1881): „[1]Der Schuldner ist verantwortlich für das Verschulden der seiner Autorität untergeordneten Familienglieder, seiner Angestellten und Arbeiter. Ebenso sind juristische Personen, wenn sie ein Gewerbe betreiben, verantwortlich für das Verschulden ihrer Vertreter, Angestellten oder Arbeiter bei deren geschäftlichen Verrichtungen. [2]Die Verantwortlichkeit des Schuldners für das Verschulden der genannten Personen kann durch eine zum Voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. Steht aber der Verzichtende zu dem anderen Theil in einem Dienstverhältniß oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionirten Gewerbes, so darf die Haftung nur für leichtes Verschulden wegbedungen werden.“

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Hinsichtlich des eigenen Verschuldens der Vertragsparteien kann die Haftung gemäß Art.  114 Abs.  1 aOR (1881) und Art.  100 Abs.  1 OR für „rechtswidrige Absicht“ oder „grobe Fahrlässigkeit“ nur nach Schadensentstehung wirksam beschränkt oder wegbedungen werden. In der Zeit davor ist lediglich eine Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit möglich, wobei das Gericht gemäß Abs.  2 beider Bestimmungen ermessensweise auch dann zur Inhaltskontrolle befugt ist, wenn diejenige Vertragspartei, welche im Voraus auf die Haftung für leichtes Verschulden verzichtet, zur Zeit ihrer Erklärung „im Dienste des anderen Teiles stand, oder wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes folgt“.392 Wie die Judikatur zeigt, hatte sich das Bundesgericht, soweit ersichtlich, nur in BGE 38 II 600 mit einer Haftungsbeschränkung nach Art.  114 Abs.  1 aOR (1881) zu beschäftigen. In concreto enthielten die „allgemeinen Abonnementsbedingungen“ für Handelsauskünfte eine Haftungsausschlussklausel für den Fall unrichtiger Informationen. Das Bundesgericht beurteilte diese Haftungsfreizeichnung wie folgt: „Dagegen ist durch jene Klausel trotz ihres allgemeinen Wortlautes nicht jede Haftung der Beklagten für unrichtige Auskunft wegbedungen, indem Art.  114 Abs.  1 [a]OR [(1881)] eine zum voraus getroffene Verabredung, welche die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausschließt, als nichtig erklärt.“393 Das Bundesgericht sah also davon ab, die Klausel aufgrund ihres Verstoßes gegen die Zulässigkeitsgrenze in Art.  114 Abs.  1 aOR (1881) für insgesamt unwirksam zu erklären, sondern reduzierte sie in ihrem Umfang auf die Freizeichnung für leichtes Verschulden. Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit und Absicht bestand somit weiterhin.394 Die Auslegung des Art.  114 Abs.  1 aOR (1881), wonach aus einer vollständigen Haftungsfreizeichnung nicht die Nichtigkeit der gesamten Klausel, sondern eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch Zulässige folgt, wurde vom Bundesgericht auch für Art.  100 Abs.  1 OR übernommen und gilt bis heute: Hat sich eine Vertragspartei von jeglicher Haftung freigezeichnet, ist dies nur bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit beachtlich.395 Während das Reduktionsmaß eindeutig ist, äußerte sich das Bundesgericht zum Reduktionsvorgang in diesen Fällen nicht. 392  Spezialgesetzlich konnte die Haftung zuweilen vollständig wegbedungen werden: S. als Anwendungsfall BGE 37 II 1, wo ein Eisenbahn-Frachtvertrag zu beurteilen war, der auf Grundlage des Eisenbahntransportgesetzes vom 29. März 1893 einen Haftungsausschluss für Schäden in Zusammenhang mit unzulässigerweise aufgegebenem Reisegepäck vorsah. Hier wurde eine vollständige Freizeichnung für zulässig befunden. 393  BGE 38 II 600 E. 3 S.  605. 394  BGE 38 II 600 E. 3 S.  604 f. 395  BGE 41 II 487 S.  491; 64 II 355 E. 3 S.  358; 107 II 161 E. 7b S.  166; 115 II 474 E. 2d S.  479; nicht eindeutig, ob die Klausel ganz entfällt oder reduziert wird BGE 102 II 256 E. 4 S.  264; 109 II 116 E. 3a S.  119; für nicht anwendbar erklärt wurde eine Haftungsfreizeich-

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Ebenso wenig legitimierte es den Vertragseingriff unter Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien oder Lehre, sondern praktizierte die geltungserhaltende Reduktion seit jeher ganz selbstverständlich. Im Unterschied zur Haftung für eigenes Verschulden kann die Hilfspersonenhaftung gemäß Art.  115 Abs.  2 aOR (1881) und Art.  101 Abs.  2 OR grundsätzlich auch im Voraus beschränkt oder aufgehoben werden. Steht die verzichtende Partei jedoch im Dienst des anderen oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betrieb eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so statuiert Art.  115 Abs.  2 aOR (1881) in fine bzw. Art.  101 Abs.  3 OR entsprechend der Haftung für eigenes Verschulden, dass sie „höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden“ kann. Unter den Begriff des obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes subsumierte das Bundesgericht etwa die Schweizerische Bundesbahn, SBB. Da in den hierzu ergangenen Entscheiden ihre Vertragspartnerinnen, private Bahngesellschaften, ebenfalls als obrigkeitlich konzessioniert einzustufen waren, prüfte das Bundesgericht die Freizeichnungsklausel für die Hilfspersonen der SBB nicht nach Art.  101 Abs.  3 OR. Die Bestimmung diene nämlich nur dem Schutz desjenigen, der einer Vertragspartei mit Monopolstellung gegenüberstehe, was bei zwei Konzessionsinhaberinnen als Vertragsparteien nicht zutreffe.396 In BGE 109 II 116 wurde sodann diskutiert, ob auch Banken ein obrigkeitlich konzessioniertes Gewerbe darstellten. Lange Zeit hatte das Bundesgericht die Haftungsbeschränkung gegenüber ihren Kunden in den Grenzen des Art.  100 Abs.  1 bzw. Art.  101 Abs.  2 OR nämlich für unproblematisch befunden.397 Während in BGE 109 II 116 die Frage offengelassen werden konnte, weil der Bank kein Verschulden nachzuweisen war,398 werden die Art.  100 Abs.  2 bzw. Art.  101 Abs.  3 OR seit BGE 112 II 450 zumindest analog auf Banken angewendet.399 Obwohl damit auch die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion geschaffen wurde, erhellen die hierzu ergangenen Entscheide diesbzüglich nicht. Haftungsfreizeichnungen sind regelmäßig in AGB enthalten. Lange Zeit wurden sie vom Bundesgericht im Vergleich zum Haftungsausschluss in Individualverträgen nicht besonders problematisiert. Erstmalig in BGE 132 III 449 wurde einer Freizeichnungsklausel in AGB im Rahmen der vom Bundesgericht nungsklausel in BGE 124 III 155 E. 3c S.  164 f., allerdings weil sie der Unklarheitenregel der AGB-Kontrolle nicht standhielt. 396  Vgl. zum Ganzen BGE 71 II 236 S.  238 f.; 91 I 223 E. III.2c S.  232 f. 397  BGE 109 II 116 E. 3a S.  119 mit Verweis auf BGE 108 II 314 E. 2 S.  316; 94 II 197 E. 14 S.  206 f.; 91 I 223 E. III.2c S.  233; 71 II 236 S.  239; 64 II 355 E. 3 S.  358; 41 II 487 S.  491. Die genannten Entscheide prüften nicht nur, ob Banken als obrigkeitlich konzessioniertes Gewerbe gelten. Insofern ist der Verweis des Bundesgerichts missverständlich. 398  BGE 109 II 116 E. 3b S.  120. 399  BGE 112 II 450 E. 3a S.  454 f.; 132 III 449 E. 2 S.  452.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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praktizierten „verdeckten“ Inhaltskontrolle400 die Anwendung versagt, weil der Klauselinhalt für unklar befunden wurde.401 Da die „verdeckte“ Inhaltskontrolle auf Einbezugs- und Auslegungsebene zur Anwendung kommt, die der Inhaltskontrolle zumindest formal vorgelagert ist, kann hieraus keine Sonderbehandlung für AGB auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle, im Speziellen für die geltungserhaltende Reduktion, abgeleitet werden.402 (2)  Gewährleistungsausschluss Im geltenden Recht kommt in Art.  192 Abs.  2, 199 und 234 Abs.  1 OR zum Ausdruck, dass der in einem Kaufvertrag enthaltene Rechts- oder Sachmängelgewährleistungsausschluss nicht unbeschränkt zulässig ist.403 In Art.  199 OR heißt es dazu, dass „[e]ine Vereinbarung über Aufhebung oder Beschränkung der Gewährspflicht […] ungültig [ist], wenn der Verkäufer dem Käufer die Gewährsmängel arglistig verschwiegen hat“. Gemäß Art.  192 Abs.  3 OR gilt dasselbe mit Blick auf Rechtsmängel, „wenn der Verkäufer das Recht des Dritten absichtlich verschwiegen hat“. Auch Art.  234 Abs.  1 und 3 OR setzen die Zulässigkeitsgrenze der Freizeichnung unter dem Titel der Versteigerung als besondere Art des Kaufes bei der Arglist. Dies entspricht auch der früheren Rechts­lage zu Art.  244 aOR (1881)404. Bei Vertragsschluss leisten die Parteien dieser Einschränkung regelmäßig nicht Folge, sondern einigen sich auf einen vollständigen Gewährleistungsausschluss. Vom Bundesgericht werden solche Klauseln zwar nicht für unwirksam befunden, aber in ihrem Umfang auf das zulässige Maß reduziert. Soweit Mängel also arglistig verschwiegen wurden, können ­diese, aber auch nur diese, unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen trotz anderslautender Vertragsabrede ge400  Die Lehre versteht unter der „verdeckten“ Inhaltskontrolle folgende Vorgehensweise des Bundesgerichts bei der Prüfung von AGB: Je einseitiger AGB zugunsten der Verwenderin formuliert sind und je geschäftsunkundiger der Kunde ist, umso höher wird die Messlatte an das Zustandekommen und das Formulieren einer Einigung gelegt. S. hierzu Koller T., in: AJP 8/2008, 943 ff. 401  In BGE 77 II 154 E. 5 S.  158 f. wurde eine vollständige Haftungsfreizeichnung in AGB für zulässig befunden; so bereits in BGE 64 II 355 E. 3 S.  358; ebenso in BGE 108 II 314 E. 2 S.  316; offengelassen in BGE 109 II 116 E. 3 S.  119 f.; abgelehnt dagegen in BGE 124 III 155 E. 3c S.  164 f., da die entsprechende Klausel für unklar befunden wurde. S. hierzu Huguenin, OR AT/BT, N.  632; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  279 f. 402  Vgl. auch CHK-Furrer/Wey, Art.  100 OR N.  18 m. w. H.; vgl. auch KuKo-Thier A., Art.  100 OR N.  7 m. w. H. 403  Vgl. für den sog. Werklieferungsvertrag auch den Verweis in Art.  365 Abs.  1 OR. 404  Art.  244 aOR (1881): „Eine Vereinbarung, welche die Gewährspflicht aufhebt oder beschränkt, ist ungültig, wenn der Verkäufer dem Käufer die Gewährsmängel arglistig verschwiegen hat.“

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

rügt werden.405 Auch hier praktiziert das Bundesgericht also im Ergebnis eine geltungserhaltende Reduktion, ohne diese ­unter Bezugnahme auf Materialien oder Lehre zu begründen oder zu konkretisieren. Davon abweichend versteht das Bundesgericht die geltungserhaltende Reduktion im Falle allgemeiner Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen als restriktive Auslegung.406 Aufgrund der Besonderheit solcher Verträge legt es diese einschränkend aus. Die Rechtsprechung sieht vor, dass nach Treu und Glauben und den konkreten Umständen des Einzelfalles hinsichtlich des Gewährleistungsausschlusses zu prüfen ist, ob ein aufgetretener Mangel „gänzlich ausserhalb dessen lag, womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen musste“.407 Bei der Auslegung wird darauf abgestellt, zu welchem erkennbaren Zweck jemand einen Gegenstand erworben hat. Zu unterscheiden sind Mängel, die eine Sache weitgehend für den vorgesehenen Gebrauch untauglich machen, und solche, die diesen zwar erschweren, aber dennoch zulassen. Zur Beurteilung, ob ein bestimmter Mangel unter den Gewährleistungsausschluss fällt oder nicht, ist deshalb auf den wirtschaftlichen Zweck des Kaufvertrags abzustellen und zu bewerten, ob er den wirtschaftlichen Zweck des Geschäfts erheblich beeinträchtigt oder nicht.408 Ist dies zu bejahen, wird die Klausel zwar nicht umformuliert, aber durch Auslegung in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt, was im Ergebnis zu einer Leistungsreduktion führt. Im Einzelfall hat das Bundesgericht wie folgt entschieden: In BGE 72 II 267 E. 3 S.  269 f. hat es einen allgemeinen Gewährleistungsausschluss hinsichtlich eines gebrauchten, ohne die erforderliche Bewilligung auf Holzgas umgebauten Lastwagens als wirksam betrachtet, obwohl der Käufer in der Folge die Bewilligung für die Inbetriebnahme nicht erhielt; der Käufer hätte, so das Bundesgericht, nachdem gesetzliche Bestimmungen über die Bewilligung des Umbaus erlassen worden waren, mit ihnen rechnen müssen. In BGE 107 II 161 E. 6d–e S.  164 f. bestätigte das Bundesgericht eine allgemein formulierte Freizeichnungsklausel für Bauland, auf dem eine Ölverschmutzung mit Sanierungskosten von über zehn Prozent des Kaufpreises von drei Millionen Franken zu Tage trat; das Gericht hielt dafür, es sei mit einem entsprechenden Mangel in seinem Ausmaß zu rechnen gewesen, da den Parteien bekannt war, dass auf dem Grundstück früher ein Gewächshaus unter Verwendung einer Heizanlage betrieben wurde. Ferner hatte sich das Bundesgericht in BGE 126 III 59 E. 5c S.  68 mit einer Freizeichnungsklausel zu befassen, die Mängel am Kaufgegenstand, einer ursprünglich wertvollen Vase, aus der Zeit vor dem Besitz der Verkäuferin von der Gewährleistung abbedang. Erst nach der Abwicklung des Kaufvertrags wurde bekannt, dass die Vase dereinst wegen eines Sprungs im obersten Bereich verkürzt 405 

S. zum Ganzen BGE 41 II 430 E. 4 S.  436 f.; in diesem Sinne auch BGE 60 II 436 E. 4 S.  443; 123 III 165 E. 4 S.  170 f.; 126 III 59 E. 4a S.  67. 406  S. zu diesem Methodenverständnis der geltungserhaltenden Reduktion, oben S.  19 ff. 407  BGE 107 II 161 E. 6c S.  163 f. m. w. H.; vgl. auch BGE 126 III 59 E. 5c S.  68; 130 III 686 E. 4.3.1 S.  689. 408  BGE 130 III 686 E. 4.3.1 S.  689 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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und dadurch weitgehend entwertet worden war. Das Bundesgericht hielt dafür, es sei nach Treu und Glauben davon auszugehen, dass die Parteien mit einer solchen Möglichkeit rechneten, als sie die Gewährleistung für die Zeitspanne, in der die Veränderung vorgenommen worden war, ausschlossen. Anders entschied das Bundesgericht in einem Fall, in dem Land unzweifelhaft zum Preis von Bauland verkauft worden war, sich aber in der Folge wegen eines darauf lastenden Bauverbots als unüberbaubar erwies. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Klausel, aufgrund welcher das Grundstück in dem Zustand übergeben werde, in dem es sich zur Zeit befinde, und seitens des Verkäufers für irgendwelche Mängel keine Währschaft geleistet werde, nur auf körperliche Mängel des Kaufgrundstücks zu beziehen sei. Der Käuferin sei damit nicht eindeutig zu erkennen gegeben worden, dass der Verkäufer für die Überbaubarkeit nicht habe einstehen wollen. Entsprechend ließ das Bundesgericht die Berufung der Käuferin auf Grundlagenirrtum zu, s. BGE 91 II 275 E. 2 S.  278–280. Da es an Sachverhaltsfeststellungen fehlte, wies das Bundesgericht die Frage nach dem Ausmaß von Feuchtigkeits­mängeln in BGE 130 III 686 E. 4.3.2 S.  692 f. zurück. Die Vorinstanz sollte feststellen, ob die beanstandeten Feuchtigkeitsmängel im konkreten Vertrag wesentlich waren oder ob sie unter die allgemeine Freizeichnungsklausel fielen. Die Klägerin machte versteckte Feuchtigkeitsmängel geltend, die das als Wohnhaus verkaufte Gebäude angeblich unbewohnbar machten und deren Behebung Sanierungskosten von rund einem Drittel des Kaufpreises verursachten. Das Bundesgericht führte aus, zwar sei bei einem Hauskauf grundsätzlich mit Feuchtigkeitsmängeln zu rechnen. Dies gelte besonders im vorliegenden Fall, in dem das streitbetroffene Kaufobjekt nach den vorinstanzlichen Feststellungen in einem Gebiet mit hohem Grundwasserspiegel liege und ein gewisses Alter sowie eine bescheidene Bausubstanz aufweise. Fraglich erscheine indessen, ob die Klägerin vernünftigerweise damit rechnen musste, dass im maßgeblichen Zeitpunkt entsprechende Mängel im behaupteten – und noch verbindlich festzustellenden – Ausmaß vorlagen.409

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Gewährleistungsausschlüssen macht deutlich, dass derartige Abreden bislang problemlos in AGB getroffen werden konnten. Das Bundesgericht wandte bisher nicht einmal seine typologische Rechtsprechung auf diese Fälle an, denn solche Klauseln seien „keineswegs so ungewöhnlich, dass sie nur fettgedruckt gültig wären“.410 cc)  Zwischenergebnis Die Kasuistik zur geltungserhaltenden Reduktion im Falle von gesetzlich fixierten Zulässigkeitsschranken zeigt kein einheitliches Bild. Während sich der Gedanke einer Vertragsanpassung im Falle von übermäßigen Darlehenszinsen erst mit der Zeit herausgebildet hat, ist er bei zu weitgehenden Freizeichnungsklauseln seit jeher sichtbar. Insofern erstaunt es nicht, dass das Bundesgericht seine Vorgehensweise nur mit Blick auf die Rechtsprechungsänderung zu Höchst­ 409  Darüber hinaus zeitigen allgemeine Gewährleistungsausschlüsse auch keine rechtlichen Wirkungen im Falle einer Zusicherung, denn „das eine schliesst das andere aus“, BGE 109 II 24 E. 4 S.  24 m. w. H. Im Einzelfall muss die Vertragsauslegung zeigen, ob eine Eigenschaftsangabe als Zusicherung zu gelten hat oder unter die Freizeichnungsklausel fällt. 410  S. BGE 109 II 213 E. 2b S.  218.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

zinsen mit Verweis auf die Lehre legitimiert. Die Materialien enthalten dagegen keine Hinweise bezüglich der Rechtsfolge der Inhaltskontrolle. Zur Verletzung anderer normativer Schranken sowohl des aOR (1881) als auch des OR fehlt es mangels entsprechender Anwendungsfälle an weiteren Hinweisen.411 Die Selbstverständlichkeit, mit der das Bundesgericht die geltungserhaltende Reduktion bei allgemeinen Freizeichnungsklauseln vornahm, spiegelt sich auch in der fehlenden Konkretisierung der Herabsetzung. Während das „richtige“ Reduktionsmaß im noch Zulässigen gesehen wird, bleiben die Reduktionsvorgänge – abgesehen von der restriktiven Auslegung von Gewährleistungsausschlüssen in Grundstückkaufverträgen – sowie der Rückgriff auf den hypothetischen Parteiwillen offen. Ebenfalls eine Reduktion auf das noch Zulässige nahm das Bundesgericht im Falle der Überschreitung von Höchstzinsvorschriften vor. Die hierfür gewählte Vorgehensweise ist als partielle Teilunwirksamkeit zu verstehen, wobei das Bundesgericht den Vertragseingriff explizit mit dem hypothetischen Parteiwillen legitimierte. Wie die Rechtsprechungsanalyse weiter zeigt, hat das Bundesgericht die Frage nach der geltungserhaltenden Reduktion bei AGB auch im Falle der Überschreitung einer gesetzlich fixierten Zulässigkeitsgrenze nicht besonders problematisiert.

2.  Äquivalenzstörungen als relatives Übermaß Die Frage einer geltungserhaltenden Reduktion stellt sich nicht nur in Zusammenhang mit einseitig-übermäßigen Bindungen, sondern auch bei Äquivalenzstörungen, also im Falle eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung.412 Zur Ermittlung des Missverhältnisses muss den versprochenen Leistungen zunächst ein bestimmter Wert zugewiesen werden. Unproblematisch ist dies, soweit sich für eine bestimmte Leistung ein objektiver Wert ermitteln lässt. Als objektiv gilt der Markt- oder Börsenpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.413 Dienstleistungen sind mit dem hierfür üblichen Entgelt zu bewerten. Besteht kein übliches Entgelt in Form eines Marktpreises, so muss das Gericht andere Kriterien heranziehen. Entweder kann es den Leistungsaufwand mit einem angemessenen Profitzuschlag abgelten oder den Preis einer vergleichbaren Leistung zur Hand nehmen.414 Um ein allfälliges Ungleichgewicht festzustellen, müssen die versprochenen Leistungen einander sodann gegenüberge411  S. für weitere Beispiele zwingender Bestimmungen im aOR (1881) Abegg, in: AJP 9/2005, 1113, 1116–1118. 412  S. oben S.  16. 413  BGE 123 III 292 E. 6a S.  303. 414  Im Einzelnen Gauch, in: recht 3/1989, 91, 94 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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stellt und saldiert werden; das Missverhältnis entspricht der Differenz der einander versprochenen Leistungen. Das aOR enthielt noch keinen allgemeinen Übervorteilungs- bzw. Wuchertatbestand zur Korrektur von Leistungsinäquivalenzen. Vereinzelt wurde die Nichtigkeit nach Art.  17 aOR im Falle einer laesio enormis angedacht.415 Erst mit der Revision des OR wurde in Art.  21 der Übervorteilungstatbestand zur Korrektur wucherischer Geschäfte ins Gesetz aufgenommen. Im Gesetzgebungsprozess war umstritten, ob es einer solchen Regelung bedarf. Ein Teil der Parlamentarier ging davon aus, dass die Vorschriften über den Irrtum und den Betrug ausreichten, um die Vertragsparteien zu schützen.416 In der Botschaft wurde das Bedürfnis nach einer Neuregelung damit begründet, dass die geltende Rechtslage „einer rein geschäftsmäßigen Auffassung des Verkehrslebens“ entsprechen mag, doch es gebe Fälle, „wo es, ohne daß wesentlicher Irrtum oder Betrug vorläge, doch als sehr unbillig erscheint, wenn auf der Ausführung eines die Gegenpartei übervorteilenden Vertrages bestanden wird, nämlich jedenfalls dann, wenn das Mißverhältnis durch Ausbeutung einer Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit des Verletzten herbeigeführt worden ist“.417 Artikel 21 OR ist angelehnt an die ursprüngliche Fassung des §  138 Abs.  2 BGB, mit welcher er im Tatbestand, nicht aber in der Rechtsfolge übereinstimmt. Anders als die deutsche Regelung sieht Art.  21 OR nicht die Nichtigkeit, sondern bloß die einseitige Unverbindlichkeit und damit die mögliche Konvaleszenz des wucherischen Vertrags vor.418 Die Möglichkeit richterlicher Vertragskorrektur erwähnt der Gesetzestext indes sowohl im deutschen als auch im schweizerischen Recht nicht. Die Gesetzesmaterialien zu Art.  21 OR, deren normative Kraft heute freilich begrenzt ist,419 weisen aus, dass in der Expertenkommission zur Revision des aOR im Jahre 1908 ein Antrag eingebracht wurde, wonach die übervorteilte Partei alternativ zur Anfechtung des Vertrags eine angemessene Herabsetzung ihrer Leistung hätte verlangen können. Der Vorschlag wurde in der Kommission nicht diskutiert und der Antrag später zurückgezogen. Die Beratungen beschränkten sich – soweit hier von Interesse – auf die Frage, ob als Rechtsfolge der Übervorteilung Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Vertragsrücktritt zu normieren sei.420 Erstaunlich ist, dass in der nämlichen Sit415 

S. oben Kap. C Fn.  97. S. Wortprotokolle NR, AB 22/1908, 459, 473–486. 417 Botschaft zur Ergänzung des Entwurfs eines schweizerischen Zivilgesetzbuches durch Anfügung des Obligationenrechts, BBl. 1905, 1, 14. 418  Zur Entstehungsgeschichte BK-Kramer, Art.  21 OR N.  1 m. w. H. 419  Vgl. BK-Meier-Hayoz, Art.  1 ZGB N.  218; BGE 123 III 292 E. 2b S.  295. 420  Vgl. Protokoll der Expertenkommission zur Revision des OR, erste Session 4.–9. Mai 1908, 5 ff. zu Art.  1036 E-ZGB. 416 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

zung eine Bestimmung zur Teilnichtigkeit unmöglicher, rechts- oder sittenwidriger Verträge verabschiedet wurde, die in Art.  20 Abs.  2 OR ihren Ausdruck gefunden hat.421 Die Kommission scheint sich dieser Regelungsdifferenz nicht bewusst gewesen zu sein. Der Wortlaut des Art.  21 OR erwähnt die Möglichkeit richterlicher Vertragskorrektur mithin nicht, sondern ist auf die einseitige Unverbindlichkeit als Rechtsfolge des wucherischen Vertrags beschränkt. Dennoch beschäftigte sich das Bundesgericht immer wieder mit der Frage der Übermaßkorrektur einer ver­t raglichen Leistungsinäquivalenz. Ungeachtet der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des Art.  21 OR wurde im Falle eines besonders gravierenden Missverhältnisses, einer sog. laesio enormissima, eine Leistungsreduktion zuweilen auch im Rahmen von Art.  17 aOR und der Nachfolgeregelung in Art.  20 OR erwogen. a)  Reduktion eines offenbaren Missverhältnisses gemäß Art.  21 OR aa)  Übermaßkriterien Damit eine Vertragspartei gemäß Art.  21 OR gegen ein vertragliches Missverhältnis vorgehen kann, muss sich die Inäquivalenz zwischen der gesamten Leistung und Gegenleistung zu ihren Lasten als „offenbar“ erweisen. Ein Missverhältnis allein reicht somit, anders als etwa bei der laesio enormis im römischen Recht,422 nicht aus, um gegen den Vertrag vorzugehen. Vielmehr muss das Ungleichgewicht der ausgetauschten Leistungen „jedermann in die Augen fallen“.423 Als weitere Voraussetzungen gelten die Schwächesituation des Übervorteilten,424 die durch die andere Vertragspartei bei Vertragsabschluss ausgenutzt worden ist, sowie die Anfechtung innerhalb der Jahresfrist seit Abschluss des Vertrags. Mit Blick auf die geltungserhaltende Reduktion interessiert vor allem das Missverhältnis, da es dieses zu beseitigen gilt, entweder durch die Unverbindlichkeit des Vertrags oder die Anpassung seines Inhalts. Zur Feststellung eines solchen Missverhältnisses sind die versprochenen Leistungen gegeneinander abzuwägen, nicht die tatsächlich erbrachten.425

421  S. Protokoll der Expertenkommission zur Revision des OR, erste Session 4.–9. Mai 1908, 3 ff. zu Art.  1034 E-ZGB; dazu auch Hürlimann, N.  56–71. 422 S. zur Entwicklung der laesio enormis die Übersicht bei Grebieniow, N.  206–216; grundlegend Kalb; Becker C., laesio enormis. 423  BGE 53 II 483 E. 2 S.  488. 424  Zum Kriterium der Schwäche s. Dedual/Fischer, in: Andorno/Thier M., 241, 248 m. w. H. 425  BGE 92 II 168 E. 2 S.  170.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Als „offenbar“ qualifizierte das Bundesgericht Missverhältnisse in fünf Leit­ entscheiden: In BGE 47 II 166 ließ sich ein Anwalt eine „aussergewöhnlich erscheinende Honorierung“ versprechen. Einerseits waren ihm im Testament ein Honorar von rund 65'000 Franken (zwei Prozent des Bruttonachlasses) als Testamentsvollstrecker versprochen und zusätzlich durch eine besondere Vollmacht ein weiteres Honorar von 177'536 Franken 15 Rappen (fünfeinhalb Prozent des Bruttonachlasses) zugesichert worden. In Anbetracht dessen, dass der Anwalt im Prozess zwar ein „ungeheures Aktenmaterial“ eingelegt und „unverhältnismässig grosse Rechtsschriften“ eingereicht hatte, aber seine Tätigkeit nicht in „einer seriösen Weise“ nachweisen konnte, erachtete das Bundesgericht Leistung und Gegenleistung als inäquivalent. Es führte aber aus: „Indessen genügt grundsätzlich die Uebermässigkeit des Honorars im Sinne eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung für sich allein nicht, das Versprechen zu einem die guten Sitten verletzenden und daher der Rechtswirkung entkleideten Rechtsgeschäft zu stempeln; erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten weiterer Momente, die in Verbindung hiermit den Vertrag nach Anlass, Inhalt und Zweck in seinem Gesamtcharakter als gegen die guten Sitten verstossend erscheinen lassen […].“, zum Ganzen a. a. O., E. 3 S.  173 f. In BGE 61 II 31 hatte das Bundesgericht einen Kaufvertrag über eine Wirtschaft zu beurteilen. Der Kaufpreis lag bei 65'000 Franken, wobei der Marktwert höchstens bei 32'800 Franken lag: „Hält man nun diesen objektiven Wert dem Kaufpreis von 65'000 Fr. zur Seite, so drängt sich unzweifelhaft der Schluss auf, dass dieser den Verkehrswert um volle 100 % übersteigende Betrag weit übersetzt ist. Das objektive Moment des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ist daher schon aus diesem Grunde zu bejahen […].“, a. a. O., E. 2a S.  35. In BGE 84 II 107 E. 3 S.  111 f. wurde vom Bundesgericht ein Jahreszins von 38,8 % für ein Darlehen als inäquivalent beurteilt. In BGE 92 II 168 wurde sodann ein Stundenhonorar von 100 Franken für zwei bestimmte Aufgaben im Unternehmen des Klägers als „aussergewöhnlich hoch“ betrachtet, a. a. O., E. 3–4 S.  171–175. In BGE 123 III 292 wurde eine Fußballplatzmiete, die den Pachtzins für dieselbe Fläche um 200 % überschritt, als übermäßig bezeichnet, a. a. O., E. 6 S.  303 f.

Im Rahmen der Prüfung wurde in den folgenden Fällen kein Missverhältnis festgestellt: In BGE 42 II 144 E. 2 S.  146 f. war ein Vertrag zwischen einer Schauspielerin und einem Schauspielhaus zu beurteilen. Das Bundesgericht hielt es für angemessen, dass sich die Schauspielerin für fünfeinhalb Monate zu 600 Franken pro Monat verpflichtete. Zunächst war sie sogar nur zu 300 Franken pro Monat beschäftigt, was in Anbetracht ihrer jungen Karriere ebenfalls als angemessen beurteilt wurde. BGE 46 II 55 lag ein Sachverhalt zugrunde, gemäß welchem der vereinbarte Preis für ein Occasionsauto bei 7'500 Franken lag, dessen tatsächlicher Wert aber auf 5'500 Franken geschätzt wurde. Hier verwies das Bundesgericht darauf, dass Geldschulden immer Schwankungen ausgesetzt seien und auch die Schätzung nicht zwingend richtig sei, weshalb keine Anhaltspunkte für eine Übervorteilung bestünden, a. a. O., E. 2 S.  60 f. In BGE 80 II 327 hatte das Bundesgericht einen Zins in Höhe von 38,15 % zu beurteilen. Diesen betrachtete es im Verhältnis zu der dafür versprochenen Gegenleistung nicht als inäquivalent. Es führte aus: „Ein das erlaubte Mass übersteigender Zins braucht Leistung und Gegenleistung nicht notwendig in ein offenbares Missverhältnis zu bringen. Er mag mitunter eine durchaus gerechtfertigte Risikoprämie sein. Gleichwohl ist er als solcher unzulässig, ohne Rücksicht auf sachliche Besonderheiten und unabhängig auch von den sub-

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

jektiven Erfordernissen des Art.  21 OR. Der Zinsbezug in verbotener Höhe kann eine Übervorteilung einschliessen, muss es aber nicht“, a. a. O., E. 3b S.  332. Ohne nähere Begründung wurde das Missverhältnis in BGE 85 II 402 E. 3a S.  412 f.; 115 II 232 E. 4c S.  236 abgelehnt; offengelassen in BGE 43 II 803 E. 3b S.  807 f.; 51 II 162 E. 4 S.  169; 54 II 188 E. 1 S.  190.

Wie die Kasuistik zeigt, sind keine allgemeingültigen Kriterien zur Ermittlung des Missverhältnisses erkennbar; das Bundesgericht urteilte hier stark einzelfallbezogen. Um die Frage nach dem Ungleichgewicht zu beantworten, hat das Gericht stets sein freies Ermessen gemäß Art.  4 ZGB angewendet und sämtliche Vertragsumstände gewürdigt. Hierzu wog es den Wert aller Leistungen sowie die Rechte und Pflichten beider Vertragspartner gegeneinander ab. Auch wenn in den referierten Entscheiden ein Missverhältnis zwar erkannt wurde, zog dies nicht notwendigerweise Erwägungen über die Rechtsfolgen des Art.  21 OR nach sich. Das Bundesgericht hielt in den meisten Fällen eine der anderen Tatbestandsvoraussetzungen der Übervorteilung für nicht gegeben. Wie die referierten Entscheide zeigen, stand in der Praxis stets eine bestimmte Leistungsverpflichtung, sei es das übermäßige Anwaltshonorar, der überhöhte Kaufpreis oder der übermäßige Darlehenszins, am Anfang der Äquivalenzprüfung. Das heißt, dass das Bundesgericht bislang zurückhaltend war, einen Vertrag, der mit Blick auf die einseitig zulasten einer Partei verteilten Risiken, die nur in der Summe im Vergleich zur Gegenleistung als inäquivalent erscheinen, im Sinne des Art.  21 OR zu prüfen. bb)  Vorgehensweise i. w. S. (Reduktionsmaß und -vorgang) Das Bundesgericht lehnte eine Vertragsanpassung auf der Grundlage des Art.  21 OR lange Zeit ab. In BGE 64 I 39 äußerte es sich zum ersten Mal zu dieser Frage und befand, dass der Vertrag „wohl im ganzen Umfang unverbindlich“ sei, wenn er gegen Art.  21 OR verstoße, und nicht nur, soweit die Verpflichtung des Übervorteilten „den Wert der Leistung der andern Partei in zulässiger Weise übersteigt“.426 Dass das Geschäft nur für den wucherischen Teil unwirksam sei, wäre gemäß dem Bundesgericht jedoch eine „durchaus vertretbare gesetzgeberische Lösung“ gewesen. Indem das Bundesgericht hier die richterlichen Reduktionsnormen als Referenz anführte, verwies es zwar ausdrücklich auf die geltungserhaltende Reduktion als Rechtsfolge. Darunter fasste es aber ebenso die schlichte Teilnichtigkeit. Dies zeigt sich daran, dass das Bundesgericht zum einen Art.  20 Abs.  2 OR in die Aufzählung der Reduktionsnormen mitaufnahm. Zum anderen entspricht der von ihm beschriebene Herabsetzungsvorgang, der de lege ferenda anzuwenden wäre, lediglich einer Streichung und keiner wertenden Korrektur durch das Gericht. Die teilweise Unverbindlichkeit im Falle 426 

BGE 64 I 39 E. 4 S.  47.

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eines offenbaren Missverhältnisses sollte nämlich nur dann möglich sein, „wenn das Rechtsgeschäft verschiedene Verpflichtungen umfasst und wenn sich darunter eine findet, die eine ausgesprochene Sonderstellung einnimmt und, für sich allein betrachtet, als völlig einwandfrei erscheint.“427 Diese vom Vertragsrest abtrennbare Leistung sollte demnach gestrichen werden können. Dass sie für sich genommen einwandfrei sein musste, wurde damit begründet, dass sie ansonsten als im Sinne von Art.  20 OR mangelhaft zu gelten hätte, womit Art.  20 Abs.  2 OR anwendbar wäre.428 Zwanzig Jahre später beschäftige sich das Bundesgericht in BGE 84 II 107 erneut mit der Frage, ob aus der Übervorteilung de lege lata nur die Unverbindlichkeit des Vertrags folgen könne. Es führt aus: „Im Falle des Art.  21 OR ist der Vertrag […] unter dem Einfluss eines mangelhaften Willens zustande gekommen; die eine Partei hat die Notlage, die Unerfahrenheit oder den Leichtsinn der anderen ausgebeutet, um ihre Zustimmung zum Vertrage zu erlangen. Daher stellt das Gesetz es ins Belieben der übervorteilten Partei, sich vom Vertrage vollständig loszusagen.“ Da die übervorteilte Partei in casu die vollständige Unverbindlichkeit begehrte, ließ das Gericht offen, ob sie stattdessen eine inhaltliche Änderung des Vertrags durch gerichtliche Herabsetzung ihrer übermäßigen Leistungspflicht hätte verlangen können.429 Diese Auffassung wurde in BGE 92 II 168 in einem obiter dictum als zutreffend bestätigt. Die übervorteilende Partei stellte sich mit Blick auf das Rückforderungsrecht der Gegenpartei im Lichte des Art.  21 OR auf den Standpunkt, der Vorrichter hätte das Ausmaß ihrer Bereicherung von Amtes wegen ermitteln müssen; in diesem Umfang mindere sich ihre Bereicherung. Das Bundesgericht hielt dagegen, „bei Berufung des Übervorteilten auf die Unverbindlichkeit des Vertrages könne die Gegenpartei nicht etwa dessen teilweise Erfüllung verlangen, sondern bleibe darauf beschränkt, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend zu machen, wenn deren Voraussetzungen gegeben seien.“430 Auch in der älteren schweizerischen Literatur wurde die Aufrechterhaltung des wucherischen Vertrags in reduziertem Umfang lange Zeit, wenngleich meist mit Bedauern, abgelehnt.431 Erst in den 1980er-Jahren begann sich zunehmend die Meinung herauszubilden, wonach zumindest auf Begehren des Übervorteilten hin im Rahmen des Art.  21 OR ein richterlicher Ausgleich durch Erhöhung 427 

Zum Ganzen BGE 64 I 39 E. 4 S.  47. Vgl. BGE 64 I 39 E. 4 S.  47 f.; auch Grebieniow bezeichnet die schlichte Teilnichtigkeit als „Urkonzept einer Vertragsanpassung“, ders., N.  321. 429  BGE 84 II 107 E. 4 S.  113; in diesem Sinne auch BGE 92 II 168 E. 6c S.  179 f. 430  BGE 92 II 168 E. 6b f. S.  179. 431  Vgl. die Nachweise bei Spiro, in: ZBJV 12/1952, 497, 514 Fn.  1 und 516 Fn.  5.; schon damals a. A. etwa Merz, in: ZBJV 12/1959, 465, 469 f. 428 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

oder Reduktion von wucherischen Leistungen geschaffen werden könne.432 Die dogmatischen Begründungswege zu diesem Ergebnis waren sehr unterschiedlich. Vertreten wurde die analoge Anwendung des Art.  20 Abs.  2 OR,433 eine aus dem Normzweck gewonnene teleologische Reduktion der Rechtsfolge des Art.  21 OR,434 eine über Art.  20 Abs.  2 OR hinausreichende prinzipiell-systematische Gesetzesauslegung435 sowie die richterliche Lückenfüllung des Art.  21 OR nach Art.  1 Abs.  2 ZGB436. Erst in BGE 123 III 292 erhielt das Bundesgericht erneut Gelegenheit, zur Rechtsfolgenfrage des Art.  21 OR Stellung zu nehmen. Hier entschied es sich, nunmehr der mittlerweile herrschenden Lehre zu folgen, wonach eine geltungserhaltende Reduktion auch bei wucherischen Verträgen zulässig sein soll. Zur Begründung hielt es zunächst fest, dass die Teilunwirksamkeit immer „unmittelbar aus der Verbotsnorm“ selbst folge.437 Reiche ihr Wortsinn darüber hinaus, sei er teleologisch zu reduzieren. Der Wortlaut des Art.  21 OR sehe die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion zwar nicht vor, doch zeige die historische und systematische Auslegung, dass ihre Einbindung ins Rechtssystem Rechtssicherheit („über den Einzelfall hinausgehende Wiederholbarkeit“438) und Kohärenz („Widerspruchsfreiheit im Wertungssystem“439) gewährleiste. In historischer Perspektive führte das Gericht aus, die Möglichkeit einer Teil­ unverbindlichkeit auf Grundlage des Art.  21 OR entspreche „augenfällig“ dem „Zeitgeist“: Während das aOR von einer „rein geschäftsmässigen Auffassung des Verkehrslebens“ getragen gewesen sei, stehe nun die Vertragsgerechtigkeit stärker im Vordergrund. Die „zeitgemässe Rechtsüberzeugung ist nicht mehr allein vom Schwarz-weiss-Schema der Gültigkeit oder Nichtigkeit privater Rechtsgestaltung geprägt, sondern fasst immer fester auch in der Grauzone der geltungserhaltenden Reduktion fehlerhafter Kontakte [sic] durch richterliche Inhaltskorrektur Fuss“.440

432  S. die Übersicht bei BK-Kramer, Art.  21 OR N.  49; BSK-Huguenin Jacobs, Art.  21 OR N.  16, 2.  Aufl.; Bucher, OR AT, 234 f.; Gauch/Schluep, OR AT, N.  754 f., 6.  Aufl.; Engel, Traité des obligations en droit suisse, 305 f. 433  Gauch, in: recht 3/1983, 91, 100; Stark, in: FG der schweizerischen Rechtsfakultäten zur Hundertjahrfeier des Bundesgerichts, 377, 393–398. 434 BK-Kramer, Art.  21 OR N.  49. 435  Spiro, in: ZBJV 12/1952, 497, 518–523; Hausheer, in: ZSR 2/1976, 225, 275 Fn.  87; BSK-Huguenin, Art.  21 OR N.  16, die sich allerdings auf Abs.  1 des Art.  20 OR beruft. 436  Oftinger, in: FS Zepos, 535, 550. 437  BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  298 f. 438  BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  297. 439  BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  297. 440  Zum Ganzen BGE 123 III 292 E. 2d/aa S.  297 f.

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

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Aus einer weiteren systematischen Perspektive stellt es sodann fest: „Das Gesetz selbst sieht geltungserhaltende Reduktionen verbreitet vor, etwa in Art.  20 Abs.  2 OR mit der blossen Teilnichtigkeit unmöglicher, rechts- oder sittenwidriger Verträge, in Art.  163 Abs.  3 und Art.  417 OR mit der herabsetzbaren Konventionalstrafe und dem Mäklerlohn, in Art.  269 ff. OR mit dem anfechtbaren Mietzins, in Art.  340a Abs.  2 OR mit dem einzuschränkenden Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag oder in Art.  356b Abs.  2 OR mit der richterlichen Korrekturmöglichkeit unangemessener Anschlussbedingungen an einen Gesamtarbeitsvertrag.“441 Ferner berufe auch Art.  25 Abs.  2 OR, nach dem die Unwirksamkeit des irrtumbehafteten Vertrags gegen den Willen des Kontrahenten nicht weiter gehe, als der Irrtum reiche, auf „rechtspolitisch ähnlichen Überlegungen“. Jedoch auch aus der Nähe betrachtet, zeige sich, dass Art.  21 OR als „Nahtstelle zwischen Art.  19 und 20 OR und den dort statuierten generellen Inhaltsschranken auf der einen sowie der Regelung der Willensmängel gemäss Art.  23 ff. OR auf der anderen Seite“ von dieser Rechtsfolge nicht ausgenommen sein soll.442 Dies werde dort besonders augenfällig, wo ein wucherisches Rechtsgeschäft zugleich eine inhaltsbeschränkende Norm verletze – denkbar etwa im Falle von Höchstpreis- oder Höchstzinsvorschriften –, was ansonsten je nach anzuwendender Rechtsnorm, Art.  20 oder 21 OR, zu unterschiedlichen Ergebnissen führte.443 Aus gesetzessystematischer Perspektive ergebe sich daher der Befund, dass die Übermaßkorrektur zu einem „Leitgedanken“ des OR zähle.444 Die Teilunverbindlichkeit wucherischer Rechtsgeschäfte erachtet das Bundesgericht ferner als sozial erwünscht: „Im sozialrelevanten Bereich von Dauerschuldverhältnissen ist zudem zu beachten, dass der Übervorteilte, namentlich wenn er sich bei Abschluss des Vertrags in einer Notlage befand, auf die gegnerische Vertragsleistung in aller Regel angewiesen ist. Wäre aber auch diesfalls die Folge der Anfechtung unausweichlich die totale Unverbindlichkeit des Vertrages, stünde der Übervorteilte allein vor der Wahl, entweder durch Anfechtung die frühere Notlage wiederum herbeizuführen, oder den wucherischen Vertrag als solchen zu konvaleszieren.“ Dies könne nicht „richtig verstandener Zweck einer auf materielle Vertragsgerechtigkeit mitausgelegten Rechtsordnung sein“.445 Das Bundesgericht äußerte sich sodann zum Reduktionsvorgang auf Grundlage des Art.  21 OR. Hierzu unterschied es zwei Fälle, die qualitative und die quantitative Vertragskorrektur. Zunächst sei das Übermaß in beiden Fällen 441 

BGE 123 III 292 E. 2d/aa S.  298. Zum Ganzen BGE 123 III 292 E. 2d/aa–bb S.  298. 443  BGE 123 III 292 E. 2d/bb S.  299. 444  BGE 123 III 292 E. 2d/aa S.  298. 445  Zum Ganzen BGE 123 III 292 E. 2d/cc S.  299 f. 442 

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

„quantitativ zu beachten“.446 Könne das Übermaß rein „rechnerisch-quantitativ“ behoben werden, sei der hypothetische Parteiwillen nicht zu befragen.447 Reiche dagegen eine quantitative Reduktion nicht aus oder sei sie nicht möglich, werde eine „qualitative Vertragsgestaltung erforderlich“, wobei die Ersatzregel auf Grundlage des hypothetischen Parteiwillens zu ermitteln sei.448 Das Bundesgericht ließ offen, wie es eine quantitative und eine qualitative Vertragsanpassung auf prozeduraler Ebene abgrenzt.449 Zudem wirft diese Unterscheidung Fragen zum Verhältnis von Art.  20 und 21 OR auf, denn es bleibt unklar, warum der hypothetische Parteiwille überhaupt und, wenn ja, weshalb er nur im Falle der qualitativen Umformulierung entscheidungsrelevant sein soll.450 Auch die Frage nach dem „richtigen“ Reduktionsmaß ließ das Bundesgericht in BGE 123 III 292 offen. Die kantonale Vorinstanz hatte den angefochtenen Mietzins auf das „marktübliche Durchschnittsentgelt“ und nicht auf das gerade noch zulässige Maß reduziert. Vom Bundesgericht war dies nicht zu überprüfen, da das vorinstanzliche Urteil in diesem Punkt nicht gerügt wurde. Immerhin deutete das Bundesgericht an, für die Auffassung der Vorinstanz spreche der Schutzzweck des Art.  21 OR, wonach der Wucherer „nicht risikolos davon ausgehen dürfe, das privatrechtlich höchstzulässige Entgelt sei ihm jedenfalls und unbesehen seiner Ausbeutung garantiert“. Dagegen spreche allerdings, dass Art.  21 OR keine Strafnorm sei und daher nicht mehr als die Vermeidung des Wuchers erfordere, was im Ergebnis auch mit der Rechtsprechung zur Verletzung von Höchstzinsvorschriften übereinstimme. Hiernach sei ein übersetzter

446 

BGE 123 III 292 E. 2d/aa S.  298. BGE 123 III 292 E. 2d/aa S.  299. 448  BGE 123 III 292 E. 2d/aa S.  299. 449  Unter einer „quantitativen Vertragsanpassung“ ist zum einen wohl die schlichte Teilnichtigkeit zu verstehen, die zum Wegfall einer oder mehrerer Vertragsklauseln führt. Zum anderen könnte damit eine Vertragskorrektur angesprochen sein, bei der eine der Leistungen lediglich numerisch herauf- oder herabgesetzt wird. Denkbar wäre dies in zeitlicher Hinsicht, mit Blick auf die Höhe der versprochenen Geldleistung oder den Umfang einer quantifizierbaren Sachleistung. Die qualitative Vertragskorrektur erfolgt dagegen wohl mittels Umformulierung des Vertragsinhalts. Zu denken ist hier an die Erweiterung oder den Ersatz einer Klausel, soweit sie sich nicht quantitativ anpassen lässt. Dass das Bundesgericht zwischen diesen beiden Konstellationen eine Unterscheidung trifft, ist nicht einsichtig, da beide einer wertenden Inhaltskorrektur unterliegen und damit im Vergleich zur ursprünglichen Abrede ein aliud und nicht ein minus darstellen, s. hierzu oben S.  98 f. 450  Das bundesgerichtliche Urteil BGE 123 III 292 wird im Ergebnis zwar vielseits befürwortet, doch wird von der Lehre die Begründung, gemäß welcher die geltungserhaltende Reduktion im Rahmen des Art.  21 OR zugelassen sein soll, kritisiert: s. Grebieniow, N.  389– 400 m. w. H. 447 

III.  Die Behandlung von vertraglichem Übermaß

207

Zins regelmäßig nicht auf das übliche Durchschnittsmaß, sondern auf das gesetzlich noch zulässige Höchstmaß herabzusetzen.451 b)  Reduktion im Falle der laesio enormissima im System des Art.  17 aOR (1881) und Art.  20 OR Für Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem krassen, über das nach Art.  21 OR geforderte Offenbare hinausgehenden Missverhältnis zueinander stehen, stellt sich die Frage, ob daraus die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts folgt. Unter altem Recht wurde dies verneint, weil die „Konsequenzen eines solchen Entscheides […] die Rechtsbeständigkeit und Rechtssicherheit gefährden und richterliche Willkür an die Stelle des Willens der Parteien und an die Stelle objektiver Rechtsgründe setzen“ würden.452 Nach Art.  17 aOR (1881) war „ein Rechtsgeschäft […] dann als unsittlich anzusehen, wenn sein Inhalt, der Gegenstand der Leistung des einen Teils oder beider Teile dem Sittengesetze widerspricht“ oder „wenn es wegen der Verwerflichkeit der Gesinnung, die sich in ihm kundgibt, das sittliche Gefühl verletzt und von diesem Standpunkte aus gegen das Sittengesetz verstößt“.453 Um ein vertragliches Missverhältnis zu einem unsittlichen zu stempeln, mussten daher weitere Momente der überkommenen Moralvorstellung hinzutreten.454 Allein der übermäßige Gewinn einer Partei reichte demnach nicht aus, um die „Verwerflichkeit der Gesinnung“ zu bejahen. Seit Inkrafttreten des revidierten OR hatte sich das Bundesgericht im Rahmen des Art.  20 OR mit dieser Frage zu beschäftigen, soweit die subjektiven Voraussetzungen von Art.  21 OR nicht gegeben waren. Allerdings wurde sie unter Hinweis auf die lex specialis-Stellung des Art.  21 im Verhältnis zu Art.  20 OR bislang konstant verneint.455 Das Bundesgericht erachtet eine laesio enormissima daher für sich allein nicht als ausreichend, um Art.  20 OR zu unterfallen. 451  Zum Ganzen BGE 123 III 292 E. 8 S.  305. Hier deutet das Bundesgericht das noch Zulässige als das „richtige“ Reduktionsmaß bei einer geltungserhaltenden Reduktion an, indem es sich mit dem Verweis auf die Darlehenszinsen auf einen gesetzlichen Maßstab bezieht, der eine gesetzlich definierte Zahl enthält, wohingegen die geltungserhaltende Reduktion sonst eher auf Fragen anzuwenden ist, die im Gesetz keine fixe Zulässigkeitsgrenze gefunden haben; vgl. hierzu für das deutsche Recht Canaris, in: WM 37/1981, 978, 986. 452  BGE 29 II 114 E. 6 S.  128; vgl. auch BGE 30 II 73 E. 4 S.  77. 453  BGE 29 II 114 E. 6 S.  126 m. w. H. 454  Angedacht wurde eine laesio enormissima in BGE 38 II 94 E. 2 S.  97 f., s. oben Kap.  C Fn.  97. 455  BGE 43 II 803 E. 3a S.  806; 47 II 166 E. 3 S.  174; 51 II 162 E. 3 S.  169; 115 II 232 E. 4c S.  236; abweichend BGE 93 II 189 S.  191 f., wo das Bundesgericht einen Darlehenszins von 26 % als „aussergewöhnlich“ hoch bezeichnete. Ein solcher widerspreche „ganz krass der allgemeinen Übung und den herkömmlichen Anschauungen über einen angemessenen Zins“ und müsse daher als sittenwidrig angesehen werden. Das Bundesgericht reduzierte den Zins

208

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

c)  Zwischenergebnis Die Analyse der zu Art.  21 OR ergangenen Rechtsprechung zeigt auf Rechtsfolgenseite eine Entwicklung von der Unverbindlichkeit wucherischer Verträge hin zur geltungserhaltenden Reduktion. Das Bundesgericht hat sich erst 1997 für eine geltungserhaltende Reduktion im Rahmen des Art.  21 OR entschieden. Während es die Vertragskorrektur davor vehement abgelehnt hatte, wurde diese Idee in der Literatur schon lange vertreten. Zunächst fanden sich nur vereinzelt Fürsprecher für eine geltungserhaltende Reduktion im Falle der Übervorteilung, doch bis in die 1980er-Jahre hat sich diese Idee als herrschende Ansicht durchgesetzt. Insofern offenbart die Rechtsprechung zu vertraglichen Äquivalenzstörungen eine starke Beeinflussung durch die Literatur. Bislang bietet die Kasuistik nur vereinzelt Anhaltspunkte zum Verständnis der geltungserhaltenden Reduktion im Falle von Äquivalenzstörungen. Hinsichtlich der Übermaßkriterien können keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden, außer, dass das Missverhältnis allein unter keinen Umständen zur Vertragsanpassung genügt. Soweit die subjektiven Kriterien des Art.  21 OR zu bejahen waren, hat das Bundesgericht angedeutet, dass das eine geltungserhaltende Reduktion auslösende Übermaß so beschaffen sein kann, dass es entweder eine rein rechnerische quantitative oder aber eine qualitative Herabsetzung erforderlich mache. Worin der Unterschied zwischen der quantitativen und der qualitativen Herabsetzung liegt und ob zur Bestimmung des Übermaßes eine Aufsummierung einseitiger beziehungsweise eine Verrechnung gegenseitiger Leistungsverpflichtungen stattfindet, hat es jedoch offengelassen. Ebenso wurde nicht beantwortet, worin das „richtige“ Reduktionsmaß liegt. In BGE 123 III 292 werden sowohl Gründe für eine Reduktion auf das noch Zulässige als auch auf das Angemessene angeführt. Ferner wurde die geltungserhaltende Reduktion nur im Rahmen einer qualitativen, nicht aber einer quantitativen Vertragsanpassung an den hypothetischen Parteiwillen zurückgebunden. Eine eindeutige Zuordnung der geltungserhaltenden Reduktion lässt sich nur auf prozeduraler Ebene erkennen: Diesbzüglich kann die geltungserhaltende Reduk­ tion als partielle Teilunwirksamkeit verstanden werden. Abschließend ist festzustellen, dass die Rechtsprechungsanalyse keinerlei Besonderheiten mit Blick auf AGB erkennen lässt, wobei allerdings fraglich ist, ob solche überhaupt zu beurteilen waren.

anschließend auf den höchstzulässigen Satz, bot hierfür zudem noch die Widerrechtlichkeit als Begründung an, was den Entscheid mit Blick auf die laesio enormissima allerdings relati­ viert.

IV.  AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion

209

IV.  AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion 1. Ausgangslage Die dargestellte Rechtsprechung indiziert, dass das Bundesgericht die Frage nach dem Zustandekommen des Vertrags, ob individuell ausgehandelt oder standardisiert ausgearbeitet, bei der Rechtsfolgenwahl lange Zeit unbeachtet ließ. Zwar geht aus den meist recht knappen Sachverhalten zuweilen hervor, dass auch vorformulierte Verträge auf ihr Übermaß hin geprüft wurden, so etwa im Falle der Sparverträge in den 1950er-Jahren, doch fügen sich diese Urteile nahtlos in das Gesamtbild der Rechtsprechungsanalyse ein. Anlass zur Inhaltskontrolle bot in allen drei Fällen jeweils folgender Sachverhalt: Die eine Partei, meist ein Ehepaar, verpflichtete sich dazu, über einen längeren Zeitraum ratenweise Einzahlungen bei einer Bank vorzunehmen. Vereinbart war, dass die eingezahlte Summe innerhalb einer Frist zum Kauf von Möbeln bei bestimmten Wohnungsausstattern zu verwenden sei. Versuche der Verpflichteten, diese Verträge für unwirksam zu erklären, scheiterten. In drei kurz hintereinander ergangenen Entscheidungen verneinte das Bundesgericht jeweils einen Verstoß gegen die guten Sitten und Art.  27 Abs.  2 ZGB.456 Es wurde argumentiert, dass schon deswegen keine übermäßige Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit vorliege, weil den Verpflichteten die Auswahlfreiheit zwischen verschiedenen Möbelhäusern belassen worden sei. Auch in der Ratenzahlung sei keine Existenzgefährdung zu erblicken, denn anders zu entscheiden, hieße eine Rechtsauffassung zu vertreten, „die jede verbindliche Anschaffung einer Wohnungsausstattung durch Personen in finanziell bescheidenen Verhältnissen verunmöglichen würde, gleichgültig ob der Kaufpreis vorbezahlt oder gestundet werde“.457 Der Ausgleich einer strukturellen Ungleichheit zwischen den Parteien wurde in diesen Urteilen also abgelehnt, womit der Schutz der Privatautonomie über denjenigen der wirtschaftlich schwächeren Vertragspartei gestellt wurde.458 In einem der genannten Entscheide wies das Bundesgericht sogar ausdrücklich darauf hin, dass es Sache der Politik und nicht der Gerichte sei, der volkswirtschaftlichen Bedenklichkeit solcher Verträge Rechnung zu tragen.459 Auf die Besonderheit einer solchen Abmachung in AGB ging das Bundesgericht nicht speziell ein. 456  BGE 84 II 13; 266; 628; s. zu den Urteilen im Kontext der Rechtsprechungsanalyse oben Kap.  C Fn.  350. 457  BGE 84 II 266 E. 4 S.  278. 458  Zum Ganzen Hofer, in: recht 2/2008, 58, 61 f. 459  BGE 84 II 13 E. 4 S.  22.

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Dass das Bundesgericht die Gleichbehandlung von AGB und Individualverträgen auch auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle bejahte, zeigte sich im Leitentscheid zur geltungserhaltenden Reduktion aus dem Jahr 1997, in dem es ausführte, dass die geltungserhaltende Reduktion mit der Aufgabe der formalen Vertragsfreiheit zugunsten der materiellen Vertragsgerechtigkeit einhergehe. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden darin explizit als Beispiel für diese Entwicklung genannt.460

2.  Rechtsprechungsänderung durch das Urteil des Bundesgerichts BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008? Insbesondere der Umstand, dass das Bundesgericht an der geltungserhaltenden Reduktion im Falle übermäßiger Vertragsinhalte auch bei AGB lange Zeit uneingeschränkt festhielt, hat in der schweizerischen Lehre mit Blick auf die im Rahmen dieses Teils analysierten Entscheide Kritik laut werden lassen.461 Diesbezüglich zeichneten sich verschiedene Konstellationen ab. Ein Teil der Lehre äußerte sich dahingehend, dass die geltungserhaltende Reduktion aus präventiven Gründen generell abzulehnen sei, wenn gegen eine Norm zum Schutz der sozial schwächeren Partei verstoßen werde. Die geltungserhaltende Reduktion liefere hier geradezu einen Anreiz, Übermäßiges zu vereinbaren. Die stärkere Partei riskiere bei einer geltungserhaltenden Reduktion durch das Gericht nämlich lediglich, dass im Falle der gerichtlichen Prüfung die Verpflichtung der schwächeren auf das herabgesetzt werde, was rechtmäßig von vornherein hätte vereinbart werden können. In allen anderen Fällen, in denen eine Anrufung des Gerichts unterbleibe, könne die stärkere Vertragspartei faktisch Übermäßiges hingegen durchsetzen.462 In einer so verstandenen geltungserhaltenden Reduktion wurde eine einseitige richterliche Vertragshilfe zugunsten der stärkeren Partei erblickt. In diesem Zusammenhang wurden auch AGB zunehmend als Ausdruck für ein strukturelles Ungleichgewicht betrachtet, womit das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auch in diesen Fällen griffe. Weitere Autoren vertraten die gleiche Meinung, teilweise allerdings nur für den Fall, dass der Normverstoß in AGB enthalten sei,463 und teilweise anscheinend nur unter der

460 

Vgl. BGE 123 III 292 E. 2 e/aa S.  297 f. Hürlimann, N.  274 f.; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  376–379. 462  Schwenzer, OR AT, N.  32.45; vgl. auch Koller A., OR AT, §  13 N.  138; Lupi Thomann, 56; vgl. auch BSK-Huguenin, Art.  19/20 OR N.  55, die einen „flexiblen Nichtigkeitsbegriff“ vertritt, dessen Merkmale im Kontext der verletzten Norm bestimmt werden sollen. 463  Hürlimann, N.  275. 461 

IV.  AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion

211

zusätzlichen Voraussetzung, dass die in AGB getroffene Regelung gegen aArt.  8 UWG verstoße.464 a)  Übermaßkriterien Das Bundesgericht referierte die Lehrmeinungen zur geltungserhaltenden Reduktion bei AGB in BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008, als es einen Leasingvertrag über einen Personenwagen für die Dauer von 48 Monaten zu einem monatlichen Leasingzins von 1'423.70 Franken zu beurteilen hatte. Im Vertrag war vorgesehen, dass der Leasingnehmer den Leasingvertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 30 Tagen auf das Ende eines jeden Kalendermonats vorzeitig auflösen konnte. In einem solchen Fall sollte der Leasingzins nachträglich an die kürzere effektive Vertragsdauer angepasst, das heißt, entsprechend den für die unterschiedlichen effektiven Laufzeiten des Vertrags in einer Amortisations-/Abrechnungstabelle festgelegten Prozent­ sätzen erhöht werden. Der Leasingnehmer machte von der Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung Gebrauch. Dem Bundesgericht wurde in der Folge die Frage vorgelegt, ob die Vereinbarung einer nachträglichen Erhöhung des Leasing­ entgelts für den Fall der vorzeitigen Vertragsauflösung in Bestand und Umfang gültig sei. Streitig war insbesondere, ob Art.  266k OR auf den zu beurteilenden Vertrag anzuwenden sei und gegebenenfalls welche Rechtsfolgen dies mit Blick auf eine vorzeitige Kündigung auslöse. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war Art.  11 Abs.  2 lit.  g KKG noch nicht in Kraft, der diese Frage später beantwortete. Hiernach muss der Vertrag eine nach anerkannten Grundsätzen erstellte Tabelle enthalten, aus der hervorgeht, was der Leasingnehmer zusätzlich zu den bereits entrichteten Leasingraten zu bezahlen hat und welchen Restwert die Leasingsache zu diesem Zeitpunkt aufweist. Artikel 266k OR sieht vor, dass der Mieter einer beweglichen Sache, die seinem privaten Gebrauch dient und von der Vermieterin im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit vermietet wird, mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende einer dreimonatigen Mietdauer kündigen kann (Satz  1). In Satz  2 ist hierfür ein Entschädigungsverbot vorgesehen. Eine im Voraus vereinbarte Kündigungspönale ist demnach unzulässig. Das Bundesgericht bejahte die analoge Anwendung dieser Bestimmung vor Inkrafttreten des revidierten KKG auf den zu beurteilenden Vertrag.465 Zu diesem Ergebnis gelangte bereits die Vorinstanz, ging jedoch davon aus, dass Art.  266k OR wirtschaftlich begründete Forderungen zulasse. Der Leasingnehmer rügte diesbezüglich vor dem Bundesgericht, Art.  19/20 OR N.  377; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1155b. 465  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 4.1.4. 464 BK-Kramer,

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C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

dass die dem Vertrag beigegebene Amortisationstabelle zu Forderungen führe, die sich nicht mehr als ordentlicherweise geschuldetes Entgelt für die Gebrauchsüberlassung erklären ließen, weshalb auf ungeteilte Nichtigkeit der ganzen Vertragsklausel geschlossen werden müsse. Das Bundesgericht setzte sich zur Beantwortung dieser Frage zunächst mit Sinn und Zweck des Leasingzinses auseinander. Es befand, der Leasingzins diene einerseits zur Amortisation des Wertverlusts des Leasingobjekts und andererseits zur Verzinsung des hierfür eingesetzten Darlehens.466 Ferner anerkannte es, dass das Automobilleasing insofern einen Sonderfall darstelle, als der Wertverlust eines Autos nach Verkauf nicht linear verlaufe. Ob eine im Zuge der vorzeitigen Vertragsauflösung geforderte Nachzahlung generell eine verbotene Entschädigung im Sinne des Art.  266k OR darstellt, konnte im vorliegenden Urteil offengelassen werden.467 Einen Verstoß gegen das Entschädigungsverbot in Art.  266k Satz  2 OR erblickte das Bundesgericht jedoch in Leasingzinsnachforderungen, die sich wirtschaftlich nicht als „ordentlicherweise geschuldetes Entgelt für die Gebrauchsüberlassung des Leasingobjekts für die entsprechende Vertragsdauer rechtfertigen lassen“. Die vorliegende Abrede wurde diesbezüglich als zu weitgehend und damit mangelhaft beurteilt.468 b)  Vorgehensweise i. w. S. (Rechtsgrundlagen, Reduktionsmaß und -vorgang) aa)  Grundsätze Sehr grundsätzlich nahm das Bundesgericht in der Folge Stellung zu den Rechtsfolgen, die sich aus dem Verstoß gegen Art.  266k OR ergeben. Hierzu breitete es zunächst die Grundsätze im Falle eines mangelhaften Vertrags gemäß Art.  20 OR aus. Es fasste die aktuelle Rechtslage zum Umgang mit Über466 

BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.1. BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5. In der Lehre war diese Frage, die mit Inkrafttreten des KKG für Leasingverträge an Bedeutung verloren hat, umstritten. Die Mehrheitsmeinung ging davon aus, dass Art.  266k Satz  2 OR jegliche Verpflichtung des Leasingnehmers ausschließt, gemäß welcher er im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung mit Blick auf die verkürzte Vertragsdauer über die bereits bezahlten Leasingraten hinaus eine Nachzahlung zu leisten gehabt hätte. Vgl. die Begründungen bei Koller-Tumler, 150 Fn.  284; Bessenich, in: BJM 5/1993, 225, 229; Schmelzer, 85; Lupi Thomann, 54, je mit Hinweisen auf die kantonale Rechtsprechung. Dagegen vertrat die Minderheit der Lehre, Art.  266k OR verbiete einzig eine an die vorzeitige Kündigung geknüpfte Konventionalstrafe. Der Leasing­ geber solle im Falle einer Kündigung nichts verdienen können, was über den für die tatsächliche Vertragslaufzeit geschuldeten, wirtschaftlich gerechtfertigten Mietzins hinausgehe: Schatz, in: AJP 9/2006, 1042, 1048; Krummenacher, 100–102, 105–114. Vgl. zum Ganzen BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.2–5.5. 468  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.5 i. V. m. E. 5.6.3.2.2. 467 

IV.  AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion

213

maßproblematiken wie folgt zusammen: „Nach Art.  20 Abs.  1 OR ist ein Vertrag, der einen widerrechtlichen Inhalt hat, nichtig. Widerrechtlich im Sinne von Art.  20 OR ist ein Vertrag […], wenn sein Gegenstand, sein Abschluss mit dem vereinbarten Inhalt oder sein mittelbarer Zweck gegen objektives schweizerisches Recht verstösst. Voraussetzung der Nichtigkeit ist dabei stets, dass diese Rechtsfolge ausdrücklich im betreffenden Gesetz vorgesehen ist oder sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt […].“469 Die Aufgabe des zwingenden Vertragsrechts sah es ausdrücklich darin, sozial und wirtschaftlich schwächere Vertragspartner zu schützen.470 Bei einem Verstoß gegen die Rechtsordnung durch Vertrag sei die Rechtsfolgenwahl also an der Zielrichtung der verletzten Norm und insbesondere am konkreten Schutzbedürfnis der Parteien auszurichten, soweit die Nichtigkeit nicht vorgeschrieben sei. Betreffe der Mangel allerdings bloß einzelne Teile des Vertrags, so seien gemäß Art.  20 Abs.  2 OR nur diese von der Nichtigkeit betroffen, sobald nicht anzunehmen sei, dass der Vertrag ohne diesen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, diese Regel sei „eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, wonach im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion die Nichtigkeit nur so weit reichen soll, als es der Schutzzweck der verletzten Norm verlangt“.471 In diesen Fällen sieht es sich zum Eingriff in den Vertrag berechtigt. Das Bundesgericht verortete die Frage nach einer geltungserhaltenden Reduktion damit einerseits in der verletzten Norm selbst, legitimiert den Eingriff in den Vertrag aber zugleich mit Art.  20 OR. Indem Art.  20 Abs.  2 OR vom allgemeinen Grundsatz der geltungserhaltenden Reduktion im Sinne des favor contractus nur den Fall erwähne, wonach ein von einem Teilmangel betroffener Vertrag zur Ganznichtigkeit der betroffenen Klausel führe, deutete es hinsichtlich der geltungserhaltenden Reduktion die Lückenhaftigkeit der Bestimmung an. Die in Deutschland vieldiskutierte Frage, ob die geltungserhaltende Reduktion ein Problem der Legitimation richterlicher Regelsetzung sei, umging es damit.472 Hinsichtlich seiner Vorgehensweise bei der Reduktion auf das erlaubte Maß äußerte sich das Bundesgericht ablehnend gegenüber der Auffassung, die Teilnichtigkeit habe zur Folge, dass die vom Mangel betroffenen Vertragsklauseln ungeteilt nichtig seien. In konstanter jüngerer Rechtsprechung seien Klauseln sowohl bei quantitativen als auch bei qualitativen Normverstößen in gültige und 469 

BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.1. BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 4.1.3. 471  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.2 mit Verweis auf BGE 123 III 292 E. 2e/aa S.  298 f.; BGer 4C.156/2006 vom 17. August 2006 und 4C.25/2005 vom 15. August 2005 E. 2.3. 472 Vgl. Uffmann, 254–285 m. w. H. 470 

214

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

ungültige Teile zerlegt worden.473 Im Ergebnis beurteilte es die beiden Auffassungen aber für weitgehend deckungsgleich, da zu berücksichtigen sei, dass auch bei Ersterer an die Stelle der aufgrund ihres Übermaßes nichtigen Abrede eine nach Maßgabe des hypothetischen Parteiwillens ermittelte zulässige Ersatzregel trete. Mit Blick auf das Reduktionsmaß, das Zulässige oder das Angemessene, legte sich das Bundesgericht nicht fest. In casu sprach es vom „erlaubten Mass“, auf das eine die gesetzliche Zulässigkeitsgrenze übersteigende Verpflichtung im Sinne des hypothetischen Parteiwillens herabzusetzen sei.474 bb)  Sonderfall AGB Im zu beurteilenden Fall war nurmehr strittig, welche Folgen die Teilnichtigkeit für die mangelnde Klausel zeitigte, nämlich, ob die Klausel ungeteilt nichtig sei oder nur soweit, als sie wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Nachforderungen begründe.475 Der Beschwerdeführer und Leasingnehmer war der Auffassung, der Schutzzweck von Art.  266k OR gebiete es, vom Grundsatz der geltungserhaltenden Reduktion abzuweichen, soweit davon ausgegangen werde, diese Bestimmung lasse Leasingnachzahlungen zu, die ein gerechtfertigtes Entgelt für die Gebrauchsüberlassung des Leasingobjekts darstellten.476 In Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt referierte das Bundesgericht die hierzu geäußerten Lehrmeinungen, wonach die geltungserhaltende Reduktion „falsche“ Anreize setze.477 Diesbezüglich urteilte das Gericht: „[D]ie in der Lehre vertretene Ablehnung einer geltungserhaltenden Reduktion überzeugt jedenfalls schon insoweit, als der Nichtigkeitsgrund in einem Ver­stoss gegen eine zwingende Norm zum Schutz der schwächeren Vertragspartei liegt und die mangelhafte Klausel in vorgedruckten AGB enthalten ist, in denen in einer Weise erheblich von der

473  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.1 mit Verweis auf BGer 4C.420/1994 vom 8. Dezember 1994 E. 2b; 4C.272/1993 vom 6. Januar 1994 E. 4b; BGE 93 II 189 E. b S.  192. 474  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.1. Diese Aussage deutet zwar auf ein festes Reduktionsmaß, das Zulässige, hin. Ebenso ließe sich die an der Schutzbedürftigkeit der schwächeren Partei auszurichtende Rechtsfolgenwahl sowie der Verweis auf den hypothetischen Parteiwillen auch in eine von der herkömmlichen Lehre abweichende Richtung verstehen, nämlich dahingehend, dass das Bundesgericht bei der geltungserhaltenden Reduktion auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellt. Diese Lesart würde auch erklären, weshalb das Bundesgericht in diesem Entscheid die Frage nach der geltungserhaltenden Reduktion im Falle von AGB nicht generell-abstrakt, sondern bloß für eine einzelne Norm (unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles) beantwortet. 475  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3. 476  BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.2. 477  S. im Einzelnen oben S.  210.

IV.  AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion

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gesetzlichen Ordnung abgewichen wird, dass die Vermutung nahe liegt, es werde damit gezielt der Schutzweck derselben unterlaufen“.478 In concreto wurden dem Beschwerdegegner und Leasinggeber gestützt auf die in den AGB enthaltene Amortisationstabelle jegliche Nachforderungen versagt. Darin waren nämlich keine mit zunehmender Leasingdauer abnehmenden Leasingzinsnachzahlungen vorgesehen. Im Gegenteil sollte der nachzuzahlende Betrag mit zunehmender Dauer mehr oder weniger kontinuierlich steigen. Eine solche Regelung hätte zur Folge gehabt, dass das nach der Tabelle insgesamt geschuldete Leasingentgelt bei einer Vertragsauflösung zwischen dem 43. und dem 47. Monat den Neuwert des Fahrzeugs ohne Verzinsung überstiegen hätte. Das Bundesgericht kam zum Schluss, ein solcher Verlauf der Leasingzinsnachzahlungen weise klar darauf hin, dass der Leasingnehmer mit der getroffenen Regelung „gezielt an den Vertrag gekettet bzw. aus wirtschaftlichen Gründen davon abgehalten werden soll, den Vertrag vorzeitig zu kündigen“. Dies widerspreche dem in Art.  266k OR vorgesehenen Schutzziel, dem Entschädigungsverbot, diametral. Bei dieser Sachlage sei es gerechtfertigt, von der „Regel einer Reduktion der ungültigen Vertragsklausel auf das zulässige Maß abzuweichen“.479

3.  Die Rechtsfolgenfrage des Art.  8 UWG im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung a)  Ansichten im Schrifttum Welche generellen Schlüsse aus dem genannten Urteil gezogen werden können, ist fraglich. Das Bundesgericht hat sich nicht generell für ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im Falle von AGB ausgesprochen. Wenn überhaupt, so lässt sich BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 nur der Leitsatz entnehmen, dass das Bundesgericht bei einer Verletzung einer fixen Zulässigkeitsschranke, die zum Schutz der schwächeren Vertragspartei aufgestellt wurde, eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß verneint. Für die in Art.  8 UWG zur Feststellung der Missbräuchlichkeit von AGB vorgesehene relative Zulässigkeitsschranke, wonach die Rechte und Pflichten der Parteien gegeneinander abzuwägen sind, lässt sich daraus nichts ableiten. Im Zuge der UWG-Revision hat sich das Schrifttum deshalb verstärkt mit der Rechtsfolgenfrage übermäßiger bzw. missbräuchlicher AGB auf Vertragsebene auseinandergesetzt. Der überwiegende Teil der Lehre geht von der Unwirksamkeit der betroffenen Klausel(n) bzw. von der Teilunwirksamkeit des Vertrags 478 

479 

BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.2.1. Zum Ganzen BGer 4A_404/2008 vom 18. Dezember 2008 E. 5.6.3.2.2.

216

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

aus.480 Die gegen eine geltungserhaltende Reduktion vorgebrachten Argumente sind ökonomisch aufgeladen und orientieren sich insbesondere an den in Deutschland vorgebrachten Präventionsüberlegungen. Von der herrschenden Lehre in der Schweiz wird heutzutage vertreten, Art.  8 UWG entfalte im Falle einer Übermaßkorrektur nur eine geringe Anreizwirkung („peu d’effet incitatif“)481, sie erzeuge „aucun intérêt à prévoir d’emblée une clause équilibrée“482 , sie sei eine „Einladung“483 beziehungsweise liefere „geradezu einen Anreiz, Übermässiges zu vereinbaren“484 oder sie setze schlicht die „falschen Anreize“. Aus „Gründen der Prävention“ sei eine geltungserhaltende Reduktion daher abzulehnen485 oder habe „richtigerweise nicht in Betracht“ zu kommen486. Während die Begründungen oft nicht über solche allgemeinen Äußerungen hinausgehen, expliziert Maissen ihre ablehnende Position wie folgt: „Wird eine missbräuchliche Klausel lediglich auf ein erlaubtes Maß reduziert, ist der Anreiz de[r] AGB-Verwender[in]487, Übermäßiges in den AGB vorzusehen, relativ groß. Denn bei einer gerichtlichen Überprüfung muss [sie] nur mit einer Reduktion auf das übliche Maß – welches an sich von Anfang an hätte vereinbart werden müssen – rechnen, während [sie] in denjenigen Fällen, in denen wie so oft keine gerichtliche Überprüfung stattfindet, die missbräuchliche(n) Klausel(n) durchsetzen kann.“488 Nach Ansicht von Roberto/Walker darf die „Weiterverwendung unzulässiger Klauseln […] rechtlich nicht durch die Aufrechterhaltung im gerade noch zulässigen Mass belohnt werden“. Die AGB-Verwenderin solle sich „um rechtlich zulässige Klauseln bemühen; gelingt [ihr] das nicht, so ist die Klausel unwirksam […].“ Sie untermauern ihren Standpunkt mit dem Argument, es könne „unmöglich Aufgabe des Richters sein, bei rechtswidrigen AGB eine Formulierung zu finden, die für [die] Verwender[in] möglichst vor480 

S. die Einzelnachweise oben in Kap.  B Fn.  136. S. hierzu Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Bieri, in: Bohnet, 47, N.  30; Canaris, in: FS Steindorff, 519, 547. 482  Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69. 483  Rusch/Huguenin, in: SZW 1/2008, 37, 47. 484  Schwenzer, OR AT, N.  32.45; in diesem Sinne auch Widmer, N.  155; Rusch, in: sui-generis 4/2016, 73, 73 und 75, der davon spricht, dass „[d]as gesamte AGB-Korrektiv […] auf dem wichtigen Pfeiler des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion [steht]“, 73 ebenda. 485  Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; Jenny, 65; Schnyder, in: Brunner/ Schnyder/Eisner-Kiefer, 39, 73; KuKo-Thier A., Art.  100 OR N.  7; im Allgemeinen auch BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  377. 486  Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110. 487  Hier et passim wird in den Originalzitaten regelmässig vom „AGB-Verwender“ in männlicher Form gesprochen. Zur Angleichung an die in dieser Studie gewählte Terminologie „AGB-Verwenderin“ und „Kunde“ werden die Zitate generisch angepasst. 488  Maissen, N.  343; in diesem Sinne auch Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; Schott, in: ST 2/2012, 78, 80. 481 

IV.  AGB-spezifische Besonderheiten zur geltungserhaltenden Reduktion

217

teilhaft und rechtlich gerade noch zulässig ist.“489 Stucki erachtet es daher als „sinnvoller […], den AGB-Verwender[inne]n die Verantwortung zu überlassen, ihre AGB so zu formulieren, dass sie keine Unwirksamkeitserklärung durch die Gerichte riskieren“.490 Rusch/Huguenin verweisen sodann darauf, dass im Falle einer Reduktion auf das zulässige Maß „die Prozessrisiken der betroffenen Vertragspartei zusätzlich erhöht werden“.491 Nur eine Minderheit spricht sich insgesamt oder in gewissen Fällen für eine geltungserhaltende Reduktion aus.492 Die Befürworter relativieren das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zum Teil ebenfalls aus ökonomischen Erwägungen. Sie gehen davon aus, dass die Kostentragungsfolge eines verlorenen Rechtsstreits als Anreiz ausreiche, damit die AGB-Verwenderin ausschließlich Klauseln zulässigen Inhalts formuliert.493 Aus prozessökonomischen Erwägungen entfalte eine Entscheidung aufgrund der gleichförmigen Verwendung von AGB zudem eine faktische Wirkung, die weit über die subjektive Rechtskraft hinausreiche.494 Dies führe zu mehr Rechtssicherheit, denn die Verwenderin müsste die Zulässigkeitsgrenze nicht ermitteln. Gleichzeitig würden die Gerichte so von weiteren Entscheidungen entlastet, was zusätzlich zur Effizienz beitrage.495 Andere Stimmen bringen demgegenüber vor, der Schutzzweck der AGB-Inhaltskontrolle gebiete es nicht, dem Kunden ein Mehr an Vorteilen zu gewähren, als er sie im Falle einer zulässigen Regelung erhalten hätte.496 Dieser Teil der Lehre löst das Dilemma von Vertragsfreiheit und Vertragskontrolle damit offensichtlich zugunsten der Vertragsfreiheit auf. Basedow stellt sodann darauf ab, ob die Verwenderin von der übermäßigen Bestimmung Gebrauch gemacht hat und ob der Kunde durch die Anwendung der Klausel im Einzelfall auch tatsächlich Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 62. Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21 m. w. H. 491  Rusch/Huguenin, in: SZW 1/2008, 37, 47; in diesem Sinne bereits Beimowski, 125. 492  Zumindest teilweise befürwortet wird die geltungserhaltende Reduktion von Bouverat, N.  1103; Berger, Allgemeines Schuldrecht, N.  965; Koller T., in: Emmenegger, 17, 66 f.; Kuonen, in: SJ II 1/2014, 1, 29–31; Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; ­Marchand, in: HAVE 3/2011, 328, 331; Schaller, in: AJP 1/2012, 56, 65; Vischer, in: AJP 7/2014, 964, 975; Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1210 f.; Jenny, 65 f.; Schnyder, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 39, 73; Wetzel/Grimm/Mosimann, in: MRA 1/2013, 3, 11 f. Offengelassen wurde die Frage nach der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion in der Botschaft. Dort wird sie zurückhaltend als „in der Praxis und Lehre umstritten“ bezeichnet, s. Botschaft zur Änderung des UWG, BBl. 2009, 6151, 6180. 493  Beimowski, 215; Uffmann, 273. 494  Uffmann, 273; Weber A., in: WM 2/1996, 49, 49. 495  Beimowski, 125 f.; Uffmann, 273. 496  Hager, 70 f.; Bouverat, N.  1103; Kuonen, in: SJ II 1/2014, 1, 31. 489 

490 

218

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

benachteiligt worden sei.497 Insbesondere Hager und Uffmann stören sich schließlich daran, dass von der herrschenden Lehre verkannt werde, dass auch die richterliche Vertragsergänzung im Kern eine geltungserhaltende Reduktion darstelle.498 b)  Missverständnisse in der bisherigen Diskussion Dass die geltungserhaltende Reduktion bei AGB in der Literatur und auch in der neueren Rechtsprechung auf derart großen Widerstand stößt, geht maßgeblich auf die fehlende einheitliche Begriffsbestimmung und ein gemeinsames Verständnis des „richtigen“ Reduktionsmaßes zurück.499 Die Gegenüberstellung der Begriffsbestimmung im ersten Teil und die Auffassungen in der Lehre dazu, ob die geltungserhaltende Reduktion zuzulassen ist oder nicht, offenbart nämlich folgende Korrelation: Definitionsgemäß wird die geltungserhaltende Reduktion mit Blick auf AGB je nach Ansicht entweder mit einer Herabsetzung auf das noch Zulässige oder auf das Angemessene verknüpft.500 Damit wird aus dem begrifflichen Vorverständnis ein normativer Schluss über die damit verbundene Rechtsfrage gezogen, nämlich ob die Vertragsanpassung im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion zulässig ist oder nicht. Aufgrund dieser Definitionskontroverse wird in der Lehre aber nur scheinbar über dasselbe diskutiert. Denn diejenigen Autoren, die sich in bestimmten Fällen für eine geltungserhaltende Reduktion aussprechen, plädieren nicht unbedingt für das, was der andere Teil der Lehre vordergründig ablehnt, nämlich die Rückführung auf das gesetzlich gerade noch zulässige Maß. Dasselbe gilt im Umkehrschluss. Wie gezeigt wurde, verlangen auch die Gegner einer geltungserhaltenden Reduktion nicht die Unwirksamkeit des Vertrags. Vielmehr wollen sie die Vertragskorrektur mittels richterlicher Vertragsergänzung erreichen.501 Indem sie die geltungserhaltende Reduktion zwar ablehnen, die richterliche Vertragsergänzung aber zulassen, sitzen sie der negativen definitorischen Vorgabe der Reduktion auf das noch Zulässige auf, wonach die geltungserhaltende Reduktion als einseitige richterliche Vertragshilfe abzulehnen ist.502 Diese Definitionskontroverse ist deshalb erstaunlich, weil die Diskussion gerade in den 1980er- und 1990er-Jahren stark geprägt war von der Lehre der sog. modifizierten Teilnichtigkeit, die es – orientiert am hypothetischen Parteiwillen Basedow, in: AcP 182 (1982), 335, 357 f.; in diesem Sinne auch Bouverat, N.  1103. Hager, 69 f.; Uffmann, 223 f.; s. aber die Nachweise oben S. 33. 499  Uffmann, 228. 500  Vgl. hierzu Canaris, in: FS Steindorff, 519, 549 f. 501  S. die Einzelnachweise oben in Kap.  B Fn.  145. 502 Vgl. Uffmann, 229. 497  498 

V.  Würdigung

219

– gestattet, den Vertrag unter Umständen mit einem Klauselinhalt aufrechtzuerhalten, der das zulässige Maß unterschreitet.503 Hürlimann leitete daraus schon damals im Vergleich zur Diskussion im deutschen Recht ab, dass unter Bezugnahme auf die modifizierte Teilnichtigkeit auch die Reduktion übermäßiger Abreden in AGB gerechtfertigt werden könne. Denn eine Reduktion auf das Angemessene wirke „dem Machtmissbrauch im Vertragswesen […] rechtspolitisch in willkommener Weise entgegen […]“,504 indem die marktmächtigere Partei nicht zum vornherein damit rechnen könne, dass „die Verwendung von unangemessenen AGB-Klauseln risikolos“ sei.505

V. Würdigung Das Bundesgericht hat in seinem Leitentscheid BGE 123 III 292 mit der „geltungserhaltenden Reduktion“ einen Begriff eingeführt, der für seine Rechtsprechung keinen dogmatischen Mehrwert zeitigt. Der richterliche Eingriff in den Vertragsinhalt war im Falle des relativen Übermaßes zwar lange Zeit umstritten. Es lässt sich im Falle des absoluten Übermaßes aber seit jeher eine Tendenz feststellen, eine aufgrund ihres Übermaßes unwirksame Klausel durch eine die Rechtswirksamkeitsgrenze wahrende zu ersetzen. Dass, wie das Bundesgericht andeutet, eine Zunahme von geltungserhaltenden Reduktionen dem Zeitgeist entspreche, lässt sich damit nicht bestätigen. Die Rechtsprechungsanalyse offenbart auf mehreren Ebenen, dass es nicht eine geltungserhaltende Reduktion gibt. Zunächst wird deutlich, dass das Bundesgericht die Rechtsgrundlage, auf der es eine Übermaßkorrektur jenseits der gesetzlichen Reduktionsnormen vornimmt, nicht einheitlich versteht. Das hat Auswirkungen auf das Reduktionsmaß und den Reduktionsvorgang, die je nachdem unterschiedlich qualifiziert werden. Aber selbst dort, wo eine gesetzliche Reduktionsnorm anwendbar ist, zeigen sich diese Unschärfen. Das Reduktionsmaß wird auch in diesen Fällen nicht einheitlich definiert und das Gericht wendet sogar innerhalb der untersuchten Fallgruppen keine einheitliche Vorgehensweise zur Übermaßkorrektur an. Insgesamt wird deutlich, dass die schweizerische Gerichtspraxis heute zwar ohne Weiteres bereit ist, den Gedanken einer richterlichen Reduktion übermäßiger Vertragspflichten aufzugreifen, um damit in vielen Fällen die Unwirksamkeit des Vertrags zu vermeiden. Da sich diesbezüglich jedoch keine einheitliche Hürlimann, N.  274. Hürlimann, N.  274. 505  Hürlimann, N.  275 mit Verweis auf Bunte, in: NJW 41/1982, 2298, 2298; vgl. auch Ulmer, in: NJW 38/1981, 2025, 2028. 503 

504 

220

C.  Geltungserhaltende Reduktion – dogmatische Begründungswege?

Dogmatik ablesen lässt, bestehen im Blick auf das hierzu bemühte Instrument, die geltungserhaltende Reduktion, Unsicherheiten und Klärungsbedarf. Dies lässt vorläufig folgenden Befund zu: In der Kasuistik des Bundesgerichts ist die geltungserhaltende Reduktion eines nicht, und zwar ein methodisch feststehendes Konzept. Zur Klärung beitragen würde, wenn das Bundesgericht offenlegte, wie es die Vertragskorrektur ins Verhältnis zu Art.  20 OR setzt, und klarstellte, wie es den Begriff der Teilbarkeit versteht sowie ob und wie der hypothetische Parteiwille in die Ersatzregelbildung hineinspielt. Zudem muss sich zeigen, ob das Bundesgericht die Ablehnung einer geltungserhaltenden Reduktion bei AGB, zu welcher es 2008 in einem Entscheid zum Automobil-Leasing mit Blick auf gesetzlich fixierte Zulässigkeitsgrenzen im Sinne des absoluten Übermaßes klar Stellung bezogen hat, auch auf andere Fallgruppen, insbesondere auf Anwendungsfälle des Art.  8 UWG, ausweitet.

D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite der AGB-Inhaltskontrolle? I. Ausgangslage Wie die vorangehenden Teile dieser Studie zeigen, ist die geltungserhaltende Reduktion im schweizerischen Rechtsdiskurs tief verwurzelt. Es besteht jedoch große Unsicherheit hinsichtlich ihrer dogmatischen Verortung und Begründung (Teil B) sowie Uneinigkeit in ihrer phänomenologischen Beschreibung (Teil C). Diese allgemeine Problemlage wird gesteigert durch den neu hinzutretenden Art.  8 UWG. Die Bestimmung zielt darauf ab, missbräuchlichen AGB im Rechtsverkehr zu begegnen. Aufgrund ihrer rechtsfolgenseitig offenen Ausgestaltung konfrontiert sie Rechtsprechung und Rechtspraxis allerdings mit einer fundamentalen Erwartungsunsicherheit. Zur Lösung dieses Problems böte sich grundsätzlich eine dogmatische Rekonstruktion der geltungserhaltenden Reduktion und alternativer Rechtsfolgeanordnungen aus den überkommenen Ansätzen an. Wie gezeigt, funktioniert diese Herangehensweise jedoch nicht. Es fehlt an präzisen Wertungsgrundlagen und vor allem an Kriterien zur Abgrenzung von Privatautonomie und richterlichem Gestaltungsauftrag. Da das Spannungsfeld von Privatautonomie und richterlicher Vertragskontrolle aus dogmatischer Perspektive also nicht aufgelöst werden kann, sind auch die verschiedenen Typen der Vertragskontrolle zur Beschreibung der geltungserhaltenden Reduktion limitiert. Ebenso wenig wird das Phänomen der geltungserhaltenden Reduktion im Lichte der Rechtsprechungsentwicklung greifbar. Hierzu lässt sich einzig der Befund formulieren, dass das Bundesgericht, so zufällig wie es zur geltungserhaltenden Reduktion gefunden hat, sich anscheinend auch wieder davon verabschieden will. In Anbetracht der Unschärfen des herkömmlichen Lösungsansatzes wird vorliegend eine alternative Herangehensweise verfolgt, um die Rechtsfolgenfrage des Art.  8 UWG im Hinblick auf den Vertrag zu klären: Die gesetzgeberische und richterliche Typenbildung im Zusammenhang der geltungserhaltenden Reduktion soll aus der Perspektive der Steuerungstheorie aufgeschlüsselt werden. Dazu gilt es, einen Schritt zurückzugehen und die Anreize der verschiedenen

222 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Rechtsfolgeoptionen als Antwort auf übermäßige Vertragsinhalte aus ökonomischer Perspektive zu vergleichen.1 Da der Rechtswissenschaft bislang ein eigenes Verhaltensmodell zur Beantwortung der Frage fehlt, ob eine normative Vorgabe ein bestimmtes Regelungsanliegen im Sinne der Verhaltenssteuerung zu erfüllen vermag, bietet sich das ökonomische Verhaltensmodell aufgrund der Allgemeingültigkeit der von der Ökonomik 2 getroffenen Annahmen über das menschliche Verhalten als Ansatz für derartige Rechtsfolgenprognosen an.3 Die Rechtsökonomik wird traditionell unterteilt in die positive und die normative Analyse des Rechts.4 Unter den ersten Ansatz werden Untersuchungen subsumiert, die das Recht analytisch oder empirisch in den Blick nehmen, sich also mit der Beschreibung, Erklärung und Prognose menschlichen Verhaltens in Bezug auf das Recht befassen.5 Recht wird hierbei als Mechanismus verstanden, der Handlungsalternativen verbilligt oder verteuert. Mittels der positiven ökonomischen Analyse des Rechts sollen ex ante Prognosen zu Verhaltensanpassungen der Rechtssubjekte getroffen werden können, die aus einer Veränderung der Anreize durch die Neueinführung oder Revision von Rechtsnormen 1  Grundlegend zur ökonomischen Analyse des Rechts (law and economics): Coase, in: JLE 3/1960, 1 ff.; Calabresi, in: Yale L. Journ. 4/1961, 499 ff.; Posner R., Economic Analysis of Law; Friedman D., Order; für einen weiteren Überblick über die wichtigsten Beiträge aus dem angloamerikanischen Rechtskreis s. Eidenmüller, 4 Fn.  7; für den deutschen Rechtsraum sind zu erwähnen Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse, Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts; Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht. 2  „Ökonomik“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym mit „Ökonomie“ gebraucht. Trotz des gemeinsamen Wortstammes sind diese beiden Begriffe jedoch strikte voneinander zu trennen: Unter „Ökonomik“ wird ein sozialwissenschaftliches Verfahren zur Erklärung menschlichen Verhaltens bzw. Handelns verstanden, welches unabhängig von einem bestimmten Gegenstandsbereich ist. Die „Ökonomie“ bezeichnet dagegen die Wissenschaft, welche sich mit den Zusammenhängen der Wirtschaft beschäftigt und damit ein Gegenstandsbereich der Ökonomik ist. Plakativ gesprochen bezeichnet die Ökonomik eine Methode und die Ökonomie einen ihrer Betrachtungsgegenstände. Damit wird der Abgrenzung dieser Begriffe nach Kirchgässner gefolgt, s. ders., 2; ebenso Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 1, 3; in der Literatur finden sich zahlreiche weitere Definitionsansätze für Ökonomik, s. etwa die kommentierten Beispiele bei Homann/Suchanek, 2–5. 3  Magen, in: Engel et al., 261, 262 f.; Bechtold, 20; Eidenmüller, in: JZ 5/2005, 216, 217 f.; Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 4. Die Idee, dass dem Privatrecht Steuerungswirkung zukommt, wird in der kontinentaleuropäischen Rechtstradition aufgezeigt von ­Eidenmüller, 341–344; Wagner, in: AcP 206 (2006), 352 ff.; s. auch Canaris, in: FS Steindorff, 519 ff.; grundlegend: Posner R., Economic Analysis of Law, 37 ff.; Baird/Gertner/Picker; Friedman D., Order, 145 ff. 4  Friedman M., Essays, 1–9. 5  Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 1, 4; Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 2.

I. Ausgangslage

223

resultieren.6 Der zweite Ansatz, die normative ökonomische Analyse des Rechts, versucht, ausgehend von theoretisch definierten Prämissen zu bewerten, welche von verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Rechtsnorm für die Lösung eines Problems vorzuziehen ist. Das Ziel der sog. Wohlfahrtstheorie ist die Herstellung eines effizienten Zustands. Auf das Recht übertragen bedeutet dies, dass jene Rechtsordnung, welche am effizientesten zum Erreichen des vordefinierten Ziels führt, auch eine „gute“ Rechtsordnung sei.7 Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die beschreibende Funktion der Rechtsökonomik, also auf die positive ökonomische Analyse des Rechts. Der steuerungstheoretische Zugriff auf die Problematik bietet sich auch insofern an, als die herrschende Lehre als zentrales Argument gegen die geltungserhaltende Reduktion stets auf die damit verbundene „falsche“ Anreizwirkung hinweist.8 Durch das Verbot sollen übermäßige Vertragsinhalte präventiv verhindert werden.9 Hintergrund dieser Ansicht ist, dass im Falle einer geltungserhaltenden Reduktion der übermäßigen Klausel auf den noch zulässigen Inhalt das normwidrige Verhalten zivilrechtlich risikolos bliebe. Setze sich im Prozess die zulässige Maximalforderung durch, bestehe sogar eine negative Anreizwirkung zur unangemessenen Klauselgestaltung.10 Um das mit der AGB-Kontrolle verfolgte gesetzgeberische Ziel, ein angemessener Inhalt von AGB, zu erreichen, sei es unabdingbar, das Risiko der Unwirksamkeit – verstanden als Korrelat zur einseitigen Vorformulierung – der Verwenderin aufzuerlegen.11 Die Argumentation der herrschenden Lehre unterstellt, dass die AGB-Verwenderin zur Nutzenmaximierung im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse abwägt, welche ihrer Verhaltensweisen mit höheren Kosten verbunden ist. Implementiert wird hier vor allem die im Deliktsrecht weitherum vertretene Idee, wonach der von der Haftpflicht bedrohte homo oeconomicus abwäge, ob die Schadensprävention oder das Schadensrisiko für ihn billiger ist. Die drohende Haftung könne je nach Ausgestaltung also eine präventive Wirkung für sein Verhalten zeitigen.12 Dagegen zulässig sein soll im Falle übermäßiger VerPetersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 1, 4. Im Einzelnen zum Effizienzkriterium als normatives Programm Bechtold, 26–32; ­Eidenmüller, 169–172; s. auch Mathis. 8  S. die Einzelnachweise oben S.  216 f. 9 S. Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110; Jenny, 65; Koller A., OR AT, §  13 N.  138; Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; Schnyder, in: Brunner/­ Schnyder/Eisner-Kiefer, 39, 73; Schwenzer, OR AT, N.  32.45; im Allgemeinen auch BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  377. 10  Witte, 245. 11  Neumann, 72. 12 Im Einzelnen Posner R., Economic Analysis of Law, 191 ff.; Koch, in: JZ 19/1999, 922 ff.; Wagner, in: AcP 206 (2006), 352, 451 ff.; vgl. auch Uffmann, 272 f. m. w. H. 6  7 

224 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? tragsklauseln eine Substitution der übermäßigen Klausel durch dispositives Gesetzesrecht oder eine richterliche Vertragsergänzung.13 Von beidem erhofft sich die Mehrheitsmeinung einen angemessenen Interessenausgleich. Zugleich geht die herrschende Lehre ebenfalls aus Anreizgesichtspunkten davon aus, dass sich die AGB-Verwenderin – im Gegensatz zu der für sie risikolosen Korrektur eines übermäßigen Vertragsinhalts auf das noch Zulässige – durch eine Ersatzregel angemessenen Inhalts zur Gesetzestreue anhalten lasse. Ob sich die AGB-Verwenderin als homo oeconomicus tatsächlich so verhält, bedarf einer eingehenden Analyse. Zur Beantwortung der Steuerungswirkung der geltungserhaltenden Reduktion werden vorerst die Grundlagen des rationaltheoretischen Verhaltensmodells skizziert, um das Verhalten der AGB-Verwenderin als homo oeconomicus zu beschreiben. Sodann wird dargelegt, in welchen Fällen aus ökonomischer Per­ spektive die Vertragskontrolle der Vertragsfreiheit vorgeht, und geprüft, ob AGB ein Anwendungsfall davon sind. Darauf aufbauend folgt sodann der modellhafte, auf mathematischen Grundlagen basierende Vergleich der verschiedenen Rechtsfolgeoptionen, anhand derer auf übermäßige Vertragsinhalte reagiert werden könnte. Die Resultate der Untersuchung werden schließlich auf die rechtliche Normativität und Dogmatik zu Art.  8 UWG zurückübertragen, um Rechtsanwendung und Rechtspraxis einen Anhaltspunkt bezüglich der Verwirklichung der Steuerungsziele von Art.  8 UWG an die Hand zu geben.

II.  Grundannahmen zum rationaltheoretischen Verhaltensmodell des homo oeconomicus Zu den Grundannahmen der Ökonomik zählen im Einzelnen der methodologische Individualismus, die Ressourcenknappheit, ein durch Restriktionen exogen und Präferenzen endogen begrenzter Handlungsspielraum sowie das Eigennutzentheorem und die Rationalitätsannahme im Entscheidungsprozess.14 Die beiden letztgenannten Elemente sind zum rationaltheoretischen Verhaltensmodell des homo oeconomicus verdichtet worden.15 Ohne ein bestimmtes Verwen13 

S. die Einzelnachweise oben S.  45. S. dazu sogleich unten. 15  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 23. Neuere Strömungen zweifeln diese Prämissen aufgrund interdisziplinärer Untersuchungen jedoch an und haben alternativ zum rationaltheoretischen das verhaltenswissenschaftliche Verhaltensmodell entwickelt (sog. behavioral law and economics). Um exaktere Erklärungen und Prognosen zum menschlichen Verhalten zu liefern, werden die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse des Rechts hierbei zunehmend um empirische angereichert; s. für einen ersten Überblick Conlisk, in: JEL 2/1996, 669, 14 

II.  Grundannahmen zum rationaltheoretischen Verhaltensmodell

225

derbild zeichnen zu wollen, wird das rationaltheoretische Verhaltensmodell zum Zwecke der vorliegenden Studie auf die AGB-Verwenderin übertragen.16 Wie zu zeigen sein wird, trifft es ebenso auf den Kunden zu.17

1.  Methodologischer Individualismus Gegenstand der ökonomischen Analyse sind die Handlungen von Individuen.18 „Handeln“ wird hier so verstanden, dass nur Einzelne, nicht aber Kollektive dazu in der Lage sind.19 Auch gemeinschaftliche Entscheidungen ergeben sich demnach aus der Aggregation individueller Entscheidungen und nicht aus dem selbständigen Handeln des Kollektivs.20 Insofern wird in der Ökonomik vom methodologischen Individualismus gesprochen.21 Trotz der Annahme des methodologischen Individualismus nimmt die Ökonomik, jedenfalls als positive Theorie, nicht für sich in Anspruch, das Verhalten jedes Einzelnen erklären oder vorhersagen zu können.22 Sie stellt vielmehr auf einen Normmenschen ab, dessen Verhaltensmuster sich aus dem durchschnittlichen Verhalten mehrerer Individuen in derselben Entscheidungssituation identifizieren lässt.23 670 f., sowie insbesondere Simon, in: QJE 1/1955, 99 ff.; Kahneman/Tversky, in: Cogn. Psych. 3/1972, 430 ff.; Tversky/Kahneman, in: Science 4481/1981, 453 ff.; Tversky/Thaler, in: JEP 2/1990, 201 ff.; Jolls/Sunstein/Thaler, in: Stan. L. Rev., 1471 ff.; Thaler/Sunstein. Dieser Ansatz stößt auf Gegenkritik. Denn auch in der Ökonomik ist man sich heutzutage einig, dass es sich beim Verhaltensmodell des homo oeconomicus nicht um ein universelles Menschenbild handelt, das empirisch überprüfbar ist. Dass diese Kunstfigur dennoch als Grundlage der Wirtschaftswissenschaften taugt, begründen Karl Popper und Friedrich A. von Hayek damit, dass Aufgabe der Ökonomik die Erklärung von Gesamtzusammenhängen sei. Hierfür genüge das rationaltheoretische Verhaltensmodell, denn es erlaube eine hinreichende Näherung an das tatsächliche menschliche Verhalten. Freilich könne das Verhaltensmodell im Einzelfall nicht zutreffen, ohne dass es aber für den Anwendungsbereich insgesamt falsifiziert sei; s. im Einzelnen Popper; Hayek, insbesondere 31–45 ebenda; in diesem Sinne auch Friedman M., Essays, 15; Eidenmüller, in: JZ 5/2005, 216, 223 f.; ders., 36–41 m. w. H. Von den Vertretern der Ökonomik wird der homo oeconomicus vor diesem Hintergrund als ein zweckmäßiges Instrument zur Beschreibung und Prognose menschlichen Verhaltens in bestimmten wissenschaftlichen Kontexten verstanden. Von diesem Verständnis geht auch die vorliegende Arbeit aus. 16  Vgl. auch die Diskussion um ein zu negatives Verwenderbild unten S.  252 f. 17  S. dazu unten S.  234 ff. 18  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 24; Kirchgässner, 21 f. 19  Kirchgässner, 22 f. 20  Kirchgässner, 23; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 24. 21  Die inhaltliche Konzeption des „methodologischen Individualismus“ ist in der Literatur indes heftig umstritten, s. hierzu Kirchgässner, 22 Fn.  34 m. w. H. 22  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 24. 23  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 24. Dies bedeutet aber nicht, dass das ökonomische

226 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite?

2.  Ressourcenknappheit, Restriktionen und Präferenzen Das rationaltheoretische Verhaltensmodell beschreibt, wie Individuen bei gegebenen Restriktionen entsprechend ihren eigenen Präferenzen aus einer Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten eine auswählen.24 Individuen sind gezwungen, sich zu entscheiden, denn während ihre Bedürfnisse als prinzipiell unbegrenzt gelten, sind die Mittel zu ihrer Befriedigung begrenzt.25 Insbesondere die damit angesprochene wirtschaftswissenschaftliche Annahme der Ressourcenknappheit, etwa in Form von finanziellen Mitteln, Zeit, Informationen oder Fähigkeiten, schränkt den Handlungsspielraum, in dem sich das Individuum bei seiner Entscheidung bewegt, ein.26 Die Entscheidungsmöglichkeiten werden durch weitere Restriktionen, die dem Individuum exogen vorgegeben sind, begrenzt.27 Der Begriff der Restriktionen ist hierbei weit zu verstehen. Es gilt: Jede Verteuerung knapper Ressourcen verschärft die Restriktion, jede Verbilligung lockert sie (sog. Anreiz).28 Restriktionen und Anreize können Entscheidungen des Individuums also „verteuern“ oder „vergünstigen“.29 Wie zu zeigen sein wird, sind rechtliche Regelungen hierfür ein wichtiges Beispiel, denn diese sind oft mit einer Sanktion verbunden, welche die Kosten einer bestimmten Verhaltens­ weise erhöhen oder reduzieren.30 Bei der Wahlhandlung lässt sich das Individuum von seinen Präferenzen leiten.31 Präferenzen beschreiben seine inneren Motive, insbesondere Wertvorstellungen, die es ihm erlauben, die Handlungsoptionen nach ihren Vor- und Nachteilen, bzw. nach ihrem Nutzen zu bewerten und zu ordnen.32 Das rationaltheoretische Verhaltensmodell setzt die Präferenzen axiomatisch voraus.33 Damit sie sich als Nutzenfunktion zur ökonomischen Modellierung abbilden lassen, müssen Präferenzen transitiv geordnet werden können, vollständig, zeitVerhaltensmodell nur zur Erklärung kollektiven Verhaltens diente, s. hierzu Kirchgässner, 24 f. m. w. H. 24  Bechtold, 20; Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 2. 25  Kirchgässner, 12; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 45; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 24. Aus der ökonomischen wird damit eine entscheidungstheoretische Betrachtung. 26  van Aaken, 75 f.; Bechtold, 20. 27  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 26. 28  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 26. 29  Eidenmüller, 341; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 26. 30  Friedman L., in: Wisc. L. Rev. 1/1984, 13, 13 f., der das Recht beschreibt als eine ­„giant pricing machine“; s. auch Bechtold, 20; Magen, in: Engel et al., 261, 262; van Aaken, 79; Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 5. 31  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 25. 32  Kirchgässner, 14; van Aaken, 75. 33  Bechtold, 21.

II.  Grundannahmen zum rationaltheoretischen Verhaltensmodell

227

lich und inhaltlich konsistent, stetig und unabhängig sein.34 Präferenzen sind vollständig, wenn das Individuum alle Handlungsoptionen in einer Rangfolge ordnen kann. Transitiv geordnet sind sie, wenn der Entscheidungsträger eine von mehreren Optionen für sich am höchsten einstuft und eine am niedrigsten. Dabei zieht er Option A der Option B und Option B der Option C vor, wobei er A auch im Vergleich zu C präferiert. Transitivität bedeutet also, dass die verschiedenen Wahloptionen nicht zirkulär sind. Als zeitlich konsistent gelten Präferenzen, wenn sich eine Präferenz unter konstanten Bedingungen über die Zeit nicht verändert, inhaltliche Konsistenz weisen sie auf, wenn sie sich nicht durch eine unterschiedliche Darstellungsweise der Wahloptionen verändern. Stetig sind Präferenzen, wenn die Rangfolge keine Sprünge zeigt. Als voneinander unabhängig gelten Präferenzen schließlich, wenn die Ordnung der verschiedenen Wahloptionen nicht davon abhängt, wie viele Handlungsalternativen zugleich betrachtet werden.35 Während Restriktionen in der Vorstellungswelt der Ökonomik also veränderlich sind, gelten Präferenzen als stabil.36

3.  Das Wahlverhalten des homo oeconomicus Das rationaltheoretische Verhaltensmodell geht vom Eigennutzentheorem und der Rationalitätsannahme aus. Das heißt, dass sich das Individuum im Entscheidungsprozess im Sinne des homo oeconomicus verhält, wenn es sich stets für diejenige Wahlmöglichkeit entscheidet, von der es sich den größtmöglichen Nutzen verspricht.37 Unter „Nutzen“ wird der Eigennutzen verstanden. Dieser muss nicht unbedingt monetär sein, sondern kann ebenso zeitlich, ethisch oder etwa emotional sein.38 Der Nutzen kann darüber hinaus auch in einem altruistischen Verhalten liegen; das Eigennutzentheorem setzt keinen Egoismus voraus.39 Die Bewertung der Handlungsalternativen durch den Entscheidungsträger anhand des für ihn damit verbundenen persönlichen Nutzens beinhaltet also keine moralische Dimension, sondern trifft nur die wertneutrale Aussage, dass er sich seinen Präferenzen gemäß verhält.40

34  van Aaken, 76, 78; Mas-Colell/Whinston/Green, 8 f.; Bechtold, 21, je m. w. H.; Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 2. 35  Zum Ganzen Bechtold, 21; van Aaken, 76 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 97. 36  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 26. 37  Bechtold, 22; Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 27. 38  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 27; Kirchgässner, 15 f. 39  Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 3. 40  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 27; kritisch van Aaken, 96 und 106.

228 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Dem Eigennutzentheorem zufolge haben alle Individuen eine subjektive „innere“ Nutzenfunktion, die jeder Option einen eindeutigen Nutzen zuweist.41 Die Auszahlung dieses Nutzens lässt sich bei Individuen an ihrer Zahlungsbereitschaft ablesen; der Nutzen einer Option entspricht mit anderen Worten immer der Summe, die das Individuum dafür maximal zu zahlen bereit ist.42 Des Weiteren geht die Ökonomik von einem positiven Grenznutzen aus, das heißt, dass eine zusätzliche Einheit eines Gutes positiv bewertet wird. Der Verlauf wird in vielen Modellen aber nicht als linear, sondern als abnehmend dargestellt. Der abnehmende Grenznutzen unterstellt, dass der zusätzliche Nutzen einer zusätzlich konsumierten Einheit mit fortlaufendem Konsum kleiner wird.43 Bei seiner Auswahl hat das Individuum regelmäßig Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und zukünftigen Nutzen zu treffen, deren Eintritt und Umfang unsicher sind. Daher muss jedem zukünftigen Ereignis eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden.44 In der Vorstellungswelt der Ökonomik wird angenommen, dass Individuen Präferenzen bezüglich des Eintretens künftiger Nutzenströme haben, die von den Individuen entsprechend ihren Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden. Daraus lässt sich der Erwartungsnutzen einer bestimmten Option errechnen.45 Angesichts dessen, dass sich die individuelle Nutzenfunktion theoretisch formulieren lässt, kann auch die Wahlentscheidung als analytische Optimierungsaufgabe ausgedrückt werden: Der homo oeconomicus trifft seine Wahl entsprechend dem größten individuellen Nutzen, also danach, wo mathematisch gesprochen der maximale Extremwert der Funktion liegt.46 Dies setzt allerdings voraus, dass das Individuum alle erforderlichen Informationen zu allen Handlungsalternativen und deren Nutzen kennt, mithin vollständig informiert ist. Diese Annahme wird heute nicht mehr postuliert, denn die Realität zeigt, dass vollständige Informationen meist gerade nicht zur Verfügung stehen, sodass das Individuum seine Entscheidung unter Unsicherheit und Risiko treffen muss.47 Die Rationalität der Entscheidung ist daher im Einzelfall zu bestimmen. Sie hängt davon ab, welche Kosten mit der vollständigen Informationsbeschaffung verbunden und welcher Nutzen hiervon zu erwarten gewesen wäre.48 Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 27. Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 28. 43  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 28. 44  Bechtold, 22. 45  van Aaken, 78; Bechtold, 22. 46  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 29. 47  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 30. 48  Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 23, 30. 41 

42 

III.  Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB

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4.  Zwischenergebnis Um das menschliche Handeln zu erklären, unterstellt die Ökonomik, dass sich die einzelnen Individuen rational verhalten. Rationalität bedeutet, dass Individuen – unabhängig davon, ob sie soziale und politische Probleme lösen oder eine juristische oder wirtschaftliche Aufgabe angehen – aus den ihnen zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen eine Auswahl treffen, die sich an den erwarteten Konsequenzen ihres Handelns ausrichtet.49

III.  Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB aus ökonomischer Perspektive 1.  Ausgangspunkt: Konzept des vollständigen Vertrags Aus der Sicht der Ökonomik führt die Vertragsfreiheit in einem funktionsfähigen Wettbewerb dazu, dass die knappen Ressourcen zum Ort ihrer wertvollsten Verwendung gesteuert werden (sog. Allokationseffizienz).50 Verträge kommen bei rationalem Verhalten der Akteure nur dann zustande, wenn jede Partei sich einen Vorteil daraus verspricht.51 Gibt ein Individuum beispielsweise in einem Kaufvertrag eine bestimmte Geldsumme für eine Ware her, tut es das deshalb, weil es der Ware einen höheren Wert beimisst als dem hierfür anerbotenen Geld. Im Gegenzug überlässt der Vertragspartner die Ware der Gegenseite nur, weil ihm am Kaufpreis mehr liegt als an der von ihm angebotenen Ware.52 Um die knappen Ressourcen durch Kooperation optimal zu verteilen, haben sich die Vertragsparteien im Idealfall nicht nur über die einander versprochenen Leistungen verständigt, sondern sich auch auf die Zuordnung aller Risiken, die mit der Durchführung des Vertrags verbunden sind, geeinigt. In der Rechtsökonomik wird in diesem Fall vom vollständigen Vertrag gesprochen.53 Je nach Risikozuteilung wird der Preis für das Gut unterschiedlich hoch sein. Im Idealfall werden die Risiken bei der Aushandlung des vollständigen Vertrags nicht beliebig zwischen den Vertragsparteien verteilt, sondern so, dass der gemein­ same Nutzen aus dem Vertrag vergrößert wird, indem jeweils derjenige ein bestimmtes Risiko trägt, der dieses mit dem geringsten Aufwand vermeiden 49  Grundlegend zur Ausweitung der ökonomischen Methode Becker G., The Economic Approach; s. auch Kirchgässner, 2; Petersen/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, 1, 3. 50  Kötz, in: JuS 3/2003, 209, 209; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 423; Richter, 7; BSK-Thouvenin, Art.  8 UWG N.  16. 51 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 423 f. 52  Kötz, in: JuS 3/2003, 209, 209. 53  Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 431; Richter, 7 f.

230 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? kann.54 Aufgrund der hohen Informationskosten, die derartige Vertragsverhand­ lungen mit sich bringen würden, handelt es sich freilich nur um ein Gedankenspiel. Da die Verwirklichung einer derartigen Risikoverteilung den Erwartungsnutzen aus dem Vertrag regelmäßig kannibalisieren würde, ist es aus Sicht der Rechtsökonomik Aufgabe des Gesetzes, konkret des dispositiven Rechts und des Gerichts, den Vertrag in diesem Sinne zu rekonstruieren bzw. zu ergänzen.55 Das heißt, soweit sich eine Vertragslücke zeigt, soll sie um jene Regel ergänzt werden, auf welche sich rationale und wohlinformierte Parteien einigen würden, wenn sie über diesen Punkt verhandeln und entscheiden würden.56

2.  Regulatorische Eingriffe in den Vertragsmechanismus Werden die Vertragsparteien, wie oben beschrieben, als rationale, nutzenmaximierende Akteure vorgestellt, sind regulatorische Eingriffe in den Vertrags­ mechanismus weder gerechtfertigt noch erforderlich.57 Annahmegemäß wissen die Vertragsparteien nämlich selbst am besten, was sie wollen, und zwar nicht nur in Bezug auf die angebotenen und nachgefragten Güter, sondern auch mit Blick auf die Vertragskonditionen, zu denen diese Güter geliefert und bezahlt werden sollen.58 Auch aus ökonomischer Sicht darf die Vertragsfreiheit aber nicht unbeschränkt gelten, sondern muss durch zwingendes Recht dort begrenzt werden, wo die Voraussetzungen für den freien Austausch der Güter fehlen.59 Eine gesicherte Funktion zwingenden Vertragsrechts besteht hierbei erstens darin, die Abwälzung externer Kosten auf Dritte zu verhindern.60 Weil die Vertragsparteien externe Effekte61 ansonsten zulasten Dritter abbedingen und so die Internalisierung dieser Kosten vermeiden würden,62 müssen solche ExPosner R., Economic Analysis of Law, 138 f. Ganzen Posner R., Economic Analysis of Law, 99; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 432 f.; Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 256, der davon spricht, dass mittels des dispositiven Gesetzesrechts „vorfabrizierte“ Vertragsbestimmungen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. 56  Posner R., Economic Analysis of Law, 99; Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 256. 57  Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 256. 58  Posner R., Economic Analysis of Law, 100; Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 256. 59  Zu den Konstellationen, in denen zwingendes Recht aus Sicht der Rechtsökonomik unverzichtbar ist, im Einzelnen Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 257 f. 60  Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 257 m. w. H. 61  Als externen Effekt (auch Externalität) bezeichnet man die unkompensierten Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Marktteilnehmer – vereinfacht gesagt also Auswirkungen, für die niemand bezahlt oder einen Ausgleich erhält, s. Bechtold, 30 m. w. H. 62  In der Idealvorstellung des Coase-Theorems, nach der Transaktionen kostenlos sind, bedarf es auch in diesen Fällen keiner staatlichen Intervention, denn die Dritten würden den 54 Vgl.

55  Zum

III.  Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB

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ternalitäten über die herkömmlichen Schnittstellen des Gesetzes- und Sittenverstoßes (vgl. Art.  19 f. OR) verhindert werden. Die Parteien sind in diesem Anwendungsbereich des zwingenden Gesetzesrechts mithin dazu angehalten, die durch sie verursachten externen Kosten in ihre Transaktion zu internalisieren, indem sie diese in ihre eigene Kosten-/Nutzen-Kalkulation aufnehmen.63 Zweitens sind sämtliche Regeln als zwingend zu bezeichnen, die die Parteien vor Zwang und anderen Einflüssen schützen, durch welche die Artikulation ihrer Präferenzen verhindert würde (vgl. Art.  21, 28–31 OR).64 Das zwingende Recht soll drittens der Überwindung und dem Ausgleich von Informations­ asymmetrien zwischen den Vertragsparteien dienen. Damit ist der Regulierung der Vertragspraxis eigentlich ein denkbar weiter Anwendungsbereich eröffnet, denn in der Realität sind die Parteien normalerweise nicht perfekt und symmetrisch informiert, sondern eine Partei genießt einen Wissensvorsprung. Freilich vermag nicht jedwede Informationsasymmetrie einen staatlichen Eingriff zu rechtfertigen, denn ansonsten wäre die Vertragsfreiheit sinnentleert. Doch wie zu zeigen sein wird, lassen sich gewisse Bestandteile identifizieren.65 Viertens ist die Intervention des Rechts in Fällen gerechtfertigt, in denen eine Partei über Marktmacht verfügt, die sie sonst zum eigenen Vorteil ausnützen würde. Damit ist allerdings nicht die strukturelle Überlegenheit einer Vertragspartei angesprochen, sondern eine monopolistische Situation im Einzelfall. Eine solche zeigt sich dort, wo eine Partei darauf angewiesen ist, gerade mit der Gegenpartei einen Vertrag abzuschließen. Da das Wettbewerbsrecht solche situativen Monopole meist nicht erfassen kann, werden sie über die herkömmlichen Institute wie Sittenwidrigkeit und Übervorteilung reguliert.66

3.  AGB-Kontrolle im Besonderen Fraglich ist, ob und wie sich die Kontrolle von AGB aus ökonomischer Perspektive in das Konzept zwingenden Vertragsrechts integrieren lässt. Während der Individualvertrag dem Bild des vollständigen Vertrags entsprechen mag, gilt Vertragsparteien die vereinbarte Schadenszufügung abkaufen. Tatsächlich gibt es in der Realität Transaktionskosten, die prohibitiv hoch sind und deswegen staatliche Interventionen erforderlich machen. Im Einzelnen Coase, in: JLE 3/1960, 1 ff. 63  Zum Ganzen Posner E., Contract Law and Theory, 27–29; Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 257 m. w. H. 64 Vgl. Posner R., Economic Analysis of Law, 123 f.; Posner E., Contract Law and Theory, 101–106. 65  Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 257 f.; s. ferner die Einzelnachweise unten in Kap. D Fn.  81; zu einem konkreten Anwendungsfall s. unten S.  234 f. 66  Posner R., Economic Analysis of Law, 125–128; Wagner, in: ZEuP 2/2010, 243, 258 f. m. w. H.

232 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? dies nicht für AGB als vorformuliertem, nicht verhandeltem Bestandteil von Standardverträgen.67 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind aus dem heutigen Wirtschaftsleben zwar nicht mehr wegzudenken,68 leisten sie doch einen erheblichen Rationalisierungseffekt beim Abschluss des Vertrags, indem nicht mehr jeder einzelne Punkt zwischen den Parteien ausgehandelt werden muss.69 Dadurch werden auf beiden Seiten hohe Transaktionskosten eingespart. Dennoch ist AGB ein gewisses Gefährdungspotential inhärent: Aufgrund der fehlenden Aushandlung obliegt es der AGB-Verwenderin, die Risiken aus dem Vertragsverhältnis zwischen sich und dem Kunden zu verteilen.70 Da für die AGB-Verwenderin ein Anreiz besteht, dem Kunden Risiken aufzuerlegen, die entsprechend dem Konzept des vollständigen Vertrags optimalerweise nicht in seinen Risikobereich fielen, kann die einseitige Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zu einer verfehlten Risikoallokation führen.71 Allgemeine Geschäftsbedingunzum Begriff der AGB Kramer/Probst/Perrig, N.  72–81. Im konkreten Einzelfall kann nicht der ganze Vertragsinhalt durch AGB bestimmt werden. Einzelne Punkte – wie etwa der Mietbeginn bei einem Mietvertrag – bedürfen immer der individuellen Vereinbarung. Allerdings ist es möglich, dass fast der gesamte Umfang des Vertrags durch AGB bestimmt wird, s. Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 280; implizit Thouvenin, in: Jusletter 29. Oktober 2012, Rz. 10; a. A. Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 543; ähnlich Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 499, die vertritt, dass AGB „peut aussi porter sur les obligations principales des parties, par exemple sur la rémunération que l’une d’elles doit en échange de la prestation de l’autre“. Vgl. demgegenüber Kramer/Probst/Perrig, N.  13, die nur Nebenpunkte als AGB behandeln wollen. Zu den Erscheinungsformen von AGB dies., in: ZSR 1/2009, 497, 499 f. 68  Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 537. Zugunsten dieser Entwicklung wird aus einer weiteren Perspektive etwa vorgebracht, dass AGB, wo dispositives Gesetzesrecht fehlt, eine den Rechtsverkehr ergänzende Ersatzordnung darstellten, was die Entwicklung und Fortentwicklung neuer Vertragstypen sowie eine rasche Anpassung an sich verändernde Verhältnisse ermögliche, im Einzelnen Canaris, in: FS Steindorff, 519, 548. Diese Ansicht nimmt m. E. zu wenig in den Blick, dass AGB die bestehende demokratisch legitimierte Ersatzordnung, das dispositive Gesetzesrecht, nicht bloß ergänzen, sondern oft derogieren. Mit Blick auf das Verhältnis von Verwenderin und Kunden heißt es, AGB dienten zur Klärung der Rechtslage und der Sicherstellung von Informationen, s. hierzu Bahar, in: Thévenoz/Bovet, 99, 103–105. 69  Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 502; Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 285; Richter, 5; vgl. auch Canaris, in: FS Steindorff, 519, 548; Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 85. 70  S. etwa BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  376. Gemäß Kramer ist bei AGB „von einem ernst zu nehmenden Konsens der Kontrahenten über die unwirksame Abrede“ nicht die Rede. Anders als bei übermäßigen Individualabreden versage daher die Begründung, dass eine Ersatzregel zu gelten habe, die dem erklärten Konsens am nächsten kommt, weil sie dann nach Art.  20 Abs.  2 OR für die Parteien am ehesten (hypothetisch) akzeptabel ist. Vgl. auch Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 238; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1130; Schwenzer, OR AT, N.  45.03; Koller A., OR AT, §  23 N.  30 ff., sowie die Übersicht über die heutige Verteilung der Risikosphären in Bank-AGB bei Schaller, in: Jusletter 30. Mai 2016, Rz. 1 ff. 71  Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1193 m. w. H.; Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 85; Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 502 f.; Probst, in: Jusletter 6. Februar 2017, Rz. 62. 67 Grundlegend

III.  Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB

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gen bieten aufgrund der fehlenden Aushandlung daher keine genuine Richtigkeitsgewähr.72 Typischerweise tritt eine einseitige Bevorteilung bei folgenden Vertragsinhalten auf: Freizeichnungsklauseln (Haftungsbeschränkung), Rechte zur einseitigen Vertragsänderung durch die AGB-Verwenderin (Preiserhöhungen, Lieferfristenerstreckung, Recht auf jederzeitige Vertragsauflösung), Verrechnungsver­ bote, Verwirkungsklauseln, Schriftformklauseln (für Erklärungen des Kunden), Fiktionsklauseln (Zugang, Kenntnisnahme und Zustimmung von Erklärungen der Verwenderin), Einwilligungsklauseln (etwa bezüglich Datenbearbeitung und Telefonwerbung), Auslegungsklauseln, Stellvertretungsklauseln, Beweislastklauseln, Rechtswahl-, Gerichtsstands- und Schiedsklauseln.73 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum sich Kunden auf derartige Verträge überhaupt einlassen. Die herrschende Meinung, die dem vertragstheoretischen Ansatz verpflichtet ist, begründet dies mit der wirtschaftlichen, intellektuellen, psychologischen oder strukturellen Unterlegenheit des Kunden.74 Dieses Ungleichgewicht lasse ihm keine andere Wahl, als sich den AGB der Gegenpartei zu „unterwerfen“, wolle er einen bestimmten Vertrag abschließen. Der Vertragsabschluss sei im Massenverkehr zudem an die Bedingung take it or leave it geknüpft.75 Aus vertragstheoretischer Perspektive geht mit der Verwendung von AGB also eine gewisse Fremdbestimmung einher, die dem Prinzip der Privatautonomie zuwiderläuft.76 Der rechtspolitische Grund für eine spezifische AGB-Kontrolle wird folglich mit dem Schutz der schwächeren Partei, des Kunden, begründet. Durch die AGB-Kontrolle soll der Interessenausgleich wiederhergestellt werden.77 An soliden Beweisen für eine systematische Unterlegenheit fehlt es jedoch. Denn auch Kunden, die der AGB-Ver­ wenderin überlegen sind, akzeptieren vorformulierte Bedingungen, und AGB 72 Grundlegend zur Richtigkeitsgewähr durch Aushandlung Schmidt-Rimpler, in: AcP 147 (1941), 130, 156 f.; Fastrich, 51–61 sowie 79–88 m. w. H.; vgl. auch Henckel, in: AcP 159 (1960), 106 ff., 113 f.; Ebel, in: DB 41/1979, 1973, 1976; Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 85; Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 505 f.; Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 539; Richter, 13; Kramer/ Probst/Perrig, N.  5; Posner E., Contract Law and Theory, 25. 73  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  112; s. auch die Übersicht bezüglich „potentiell problematischer AGB“ bei Kramer/Probst/Perrig, N.  525–579. 74  Abwechselnd wird auf eines dieser Elemente oder eine Kombination daraus verwiesen: S. Boemke-Albrecht, 121; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1119; Hofer, in: recht 2/2008, 58, 61 f.; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  266; Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 503 f.; Oftinger, in: FS Zepos, 535, 547; SHK-Probst, Art.  8 UWG N.  31; Probst, in: Jusletter 6. Februar 2017, Rz. 54; kritisch Kramer/Probst/Perrig, N.  6 –11. 75  Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 281. 76  Richter, 14. 77 S. Richter, 13 f. m. w. H.

234 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? werden auch dort hingenommen, wo „scharfer“ Wettbewerb auf dem Markt herrscht, die Gegnerseite also eigentlich von einer günstigen Verhandlungsposition profitierte.78 Aus ökonomischer Perspektive erweist sich das Nichtlesen und Akzeptieren von AGB hingegen als durchaus rational. Damit es zu einem funktionsfähigen Wettbewerb um AGB-Klauseln käme, müsste der Konsument nämlich sämtliche auf dem Markt zu einem bestimmten Gut angebotene AGB beschaffen und vergleichen, was zu hohen Transaktionen führte.79 Damit taugt der vertragstheoretische Ansatz aus Sicht der Rechtsökonomie nicht zur Begründung der AGB-Kontrolle. Dass die Verwendung von AGB dennoch reguliert werden muss, begründen die Rechtsökonomen mit dem Verweis auf das allgemeinere Problem der Informationsasymmetrie zwischen den Vertragsparteien.80 Darunter werden in der ökonomischen Literatur, wie bereits dargelegt, Situationen gefasst, die dadurch gekennzeichnet sind, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Informationen über Umstände, denen für den Abschluss und den Inhalt des Vertrags Bedeutung zukommt, ungleich unter den Parteien verteilt sind.81 In seinem grundlegenden Aufsatz zum market for lemons hat Akerlof nachgewiesen, dass es aufgrund der Informationsasymmetrie auch bei AGB zu einem Marktversagen kommen kann – selbst dann, wenn die Parteien geschäftsfähig sind, weder arglistig getäuscht noch widerrechtlich bedroht wurden und auch keine von ihnen eine Monopol- oder marktbeherrschende Stellung inne hatte.82 Marktversagen ist ein wirtschaftswissenschaftliches Konzept für Situationen, in denen die Koordination über den Markt nicht zu einer optimalen Allokation der Ressourcen im Sinne der Wohlfahrtsökonomik führt.83 Akerlof illustriert das Marktversagen am Beispiel des Handels mit Gebrauchtwagen. Er geht davon aus, dass auf diesem Markt „gute“ und „schlechte“ Gebrauchtwagen angeboten werden (in den USA werden diese umgangssprachlich als peaches oder lemons bezeichnet). Er unterstellt ferner, dass die Verkäuferinnen wissen, ob die von ihnen angebotenen Fahrzeuge „gut“ oder „schlecht“ sind. Dagegen Kötz, in: JuS 3/2003, 209, 210 f.; a. A. Boemke-Albrecht, 121. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 431 f.; s. dazu im Einzelnen sogleich unten S.  235 f. 80 Grundlegend: Akerlof, in: QJE 3/1970, 488 ff.; s. auch Adams, in: BB 12/1989, 781 ff.; Kötz, in: JuS 3/2003, 209 ff.; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  274; BSK-Thouvenin, Art.  8 UWG N.  10–15; Kramer/Probst/Perrig, N.  7 f.; Richter, 9 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 553; Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 539 f. 81  Im Einzelnen Fleischer; Rehm; Macho-Stadler/Pérez-Castrillo; Kovač, insbesondere 15–117 ebenda; Salanié, 21–42. 82  Akerlof, in: QJE 3/1970, 488 ff.; zum Transfer dieser Überlegungen auf die AGB-Problematik Kötz, in: JuS 3/2003, 209, 212 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 553. 83 Grundlegend Bator, in: QJE 3/1958, 351 ff. 78 

79 

III.  Vertragsfreiheit versus Vertragskontrolle im Falle von AGB

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kann der Käufer diese Unterscheidung ex ante nicht treffen, weil er über entsprechende Informationen nicht verfügt und diese nur unter Aufwendung exorbitanter Kosten zu beschaffen wären. Die Kaufinteressenten werden also einen Preis bieten, der dem statistischen Durchschnittsrisiko entspricht, wonach sich das gekaufte Fahrzeug als lemon entpuppt. Da der Verkäuferin auf der anderen Seite die Qualität ihrer Ware bewusst ist, wird sie infolgedessen nur noch Gebrauchtwagen anbieten, die dem Wert entsprechen, den der Kaufinteressent zu bezahlen bereit ist, oder zu einem darunterliegenden. Dadurch kommt es zu einer Verschlechterung der durchschnittlichen Qualität des Angebots und damit zu einer Erhöhung des „Zitronenrisikos“ auf dem Markt. Dies führt wiederum dazu, dass der Kaufinteressent nur noch tiefere Preise zu bezahlen bereit ist. Am Ende wird der Handel mit Gebrauchtwagen vollends erliegen, es kommt also zu einem Marktversagen.84 Die beschriebene Konstellation lässt sich gemäß Akerlof auf die AGB-Problematik übertragen. Hierfür bedarf es zunächst eines Referenzsystems, anhand dessen bewertet werden kann, ob AGB „gut“ oder „schlecht“ sind. Gute AGB sind solche, die dem vollständigen Vertrag zwischen der Verwenderin und dem Kunden entsprechen und damit den beiderseitigen Gesamtnutzen mit Blick auf den Preis und die Risikoverteilung maximieren.85 Auch unter der Annahme, die Marktteilnehmer seien nutzenmaximierende homines oeconomici, werden sich die „guten“ AGB nicht durchsetzen. Ähnlich wie bei den Gebrauchtwagen im Akerlofschen Modell ist das Verstehen der AGB einer Anbieterin und der Abgleich der Risikoverteilung in anderen AGB, der sich daran anschließen müsste, um einen Vorteil zu erlangen, mit übermäßigen Informationskosten verbunden. Ein rationaler Kunde wird diese Kosten nicht auf sich nehmen. Vielmehr wird er sich, gesetzt den Fall, es besteht ein Preiswettbewerb, mit dem Vergleich von Preis und Qualität der auf dem Markt angebotenen Ware begnügen. Da AGB also für den Vertragsabschluss nicht entscheidungsrelevant sind, wird die Anbieterin auch keine „guten“ AGB vorlegen, denn sie spart Kosten und erhöht dadurch ihren Gewinn. Aufgrund der rationalen Ignoranz von AGB lässt sich also feststellen, dass es sich hierbei – anders als von der herrschenden Meinung suggeriert – nicht etwa um eine Konsumentenschutzproblematik handelt. Vielmehr besteht das Risiko einseitig benachteiligender AGB gleichermaßen, ob eine AGB-Verwenderin einem Konsumenten oder einem Unternehmen gegenübersteht.86 S. zum Ganzen Akerlof, in: QJE 3/1970, 488 ff. Die „besten“ AGB sind nicht diejenigen, die die rechtliche Stellung des Kunden maximieren, denn dies schlägt sich in einem höheren Preis nieder, Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 553; s. auch Kötz, in: JuS 3/2003, 209, 213. 86 S. Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-­ 84 

85 

236 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Während es bei den Gebrauchtwagen zu einem Marktversagen kommt, muss die AGB-Verwenderin trotz ihres Angebots hingegen nicht notwendigerweise mit der Abwanderung von Kunden rechnen. Angesichts der hohen Informationskosten ist dem Käufer nämlich gar nicht bewusst, dass die Konkurrenz unter Umständen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis anbietet. Zudem wird der im Einzelfall benachteiligte Kunde unter Umständen auch bei einem späteren Kauf wieder diesselbe Anbieterin wählen, da AGB seine Kaufentscheidung entweder weiterhin nicht beeinflussen oder er aufgrund seiner schlechten Erfahrungen befürchtet, dass diese anderswo noch „schlechter“ sind. Da der einzelne Qualitätsverschlechterer folglich nicht sanktioniert wird, werden ihm weitere folgen. Um ein Marktversagen zu verhindern, bedarf es hier eines Eingriffs in die Privatautonomie mittels einer AGB-Kontrolle.87 Aus Sicht der Rechtsökonomik handelt es sich also nicht um eine Konsumentenschutzproblematik, die das Eingreifen von zwingendem Recht im Falle von AGB nötig macht. Die Regulierung wird vielmehr zur Verhinderung eines Marktversagens aufgrund von Informationsasymmetrien erforderlich.88

4.  Zwischenergebnis Während Individualverträge die Bedingungen des vollständigen Vertrags theoretisch zu erfüllen vermögen, weil die Parteien über jeden Vertragspunkt verhandeln können, trifft dies für AGB aufgrund der definitionsgemäß fehlenden Aushandlung nicht zu. Die AGB-Verwenderin und der Kunde haben sich ledigKlauselwerke, N.  16; Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 94; ähnlich Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 504; kritisch Kramer/Probst/Perrig, N.  8 –11, welche dafür plädieren, dass die Inhaltskontrolle in B2B-Verträgen im Vergleich zur Kontrolle von AGB in B2C-Verträgen „nur in abgeschwächter Form verwirklicht“ werden sollte, a. a. O., N.  11. Vgl. zum Konsumentenbegriff etwa Schmelzer, 48; Koller-Tumler, 73 f. Dass AGB auch im B2B-Verkehr ein ernstes Problem darstellen, lässt sich anhand der Judikatur belegen: Gerade bei den beiden wohl bekanntesten Entscheiden der bundesgerichtlichen AGB-Rechtsprechung, dem Backofen- und dem Hühnerstall-Fall (BGE 109 II 213 bzw. 452), waren die benachteiligten Parteien gewerbetreibend; im zweiten Fall war die Beklagte sogar eine AG. 87  Zum Ganzen Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 554. 88  Wie unterschiedlich der Geltungsgrund für die AGB-Kontrolle definiert wird, spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Kontrollmodellen, die Frankreich und Deutschland auf Grundlage der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen gewählt haben. Während Deutschland ein umfassendes Konzept zur Kontrolle von AGB verfolgt, das sowohl Verbraucher als auch Unternehmer schützt, wie es der ökonomischen Perspektive entspricht (vgl. §§  305 ff. BGB), wird in Frankreich die AGB-Kontrolle auf Verbraucherverträge beschränkt und damit als Konsumentenschutzproblematik behandelt (vgl. Art.  131-1 ff. Code Consom.); grundlegend und mit weiterführenden Hinweisen: Nobis; Brock; Fastrich.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

237

lich über die essentialia negotii zu verständigen, damit der Vertrag zustande kommt. Alle darüber hinausgehenden Kosten und Risiken kann die AGB-Verwenderin freihändig zwischen sich und dem Kunden verteilen. Wie die Überlegungen zum Akerlofschen market for lemons zeigen, nimmt sie diese Verteilung aufgrund der Informationsasymmetrie so gewinnbringend wie möglich zu ihren Gunsten vor. Insofern geht die AGB-Kontrolle aus ökonomischer Perspektive nicht auf eine Konsumentenschutzproblematik zurück, sondern bedingt eine Regulation zur Verhinderung des Marktversagens aufgrund des informationellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle Die Stellung der AGB-Verwenderin bei der Ausarbeitung des Vertrags ist problematisch, da sie die Vertragsrisiken allesamt unbedenklich auf den Kunden überwälzen kann.89 Soll das Verhalten der AGB-Verwenderin daher in die entgegengesetzte Richtung gesteuert werden, müssen ihre negativ bewerteten Verhaltensweisen im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse mit vergleichsweise höheren Kosten belegt werden als erwünschte.90 Um der Frage nach einer optimalen Anreizstruktur nachzugehen, werden im Folgenden zunächst die möglichen Regulierungsmodelle vorgestellt und untersucht, ob und wie diese im OR Ausdruck finden. Sodann wird aufgezeigt, wie die Sanktionsstruktur aussehen müsste, damit die AGB-Verwenderin als homo oeconomicus bei der Ausarbeitung von AGB die gesetzlichen Schranken einhält. Hierbei ist insbesondere auch ihre Ungewissheit bezüglich der Entdeckungswahrscheinlichkeit in den Blick zu nehmen.

1.  Regulierungsmodelle im Falle übermäßiger Vertragsbestimmungen Im Falle von vertraglichen Übermaßproblematiken sind theoretisch vier Regulierungsmodelle denkbar, die aus der Verletzung einer Zulässigkeitsschranke resultieren. Erstens kann das Gericht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags anordnen. Zweitens ist es denkbar, dass das Gericht die Klausel durch einen Inhalt ersetzt, welcher der durch die Klausel bevorteilten Partei zum Nachteil gereicht. Der Vertrag wird mit einer Ersatzregel „bestrafenden“ Charakters korrigiert. Drittens kann die inhaltlich übermäßige Klausel durch eine angemesse89 

90 

S. oben S.  234 f. S. oben S.  226.

238 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? nen Inhalts ersetzt werden. Viertens kann eine Ersatzregel Aufnahme in den Vertrag finden, die den gerade noch zulässigen Inhalt verwirklicht.91 Die erste Weichenstellung liegt mithin in der Entscheidung, ob der Vertrag weitergilt oder nicht. Wird dies bejaht, hat das Gericht zu entscheiden, durch welche Klausel es die unwirksame ersetzt. Ohne die einzelnen Zulässigkeitsschranken normativ zu bewerten, die eine Übermaßkorrektur erst erforderlich machen, lässt sich erkennen, dass aus einem positiven Blickwinkel unterschiedliche Anreizwirkungen aus den Regulierungsmodellen folgen.92 Ausgehend von einem übermäßigen Darlehenszins, der die gesetzliche 18 %-Marke überschreitet, hätten die vier Regulierungsmodelle folgende Auswirkung: Im ersten Fall wäre der Vertrag unwirksam und die Darlehensvaluta müsste kondiziert werden, wobei ein Bereicherungsausgleich zu prüfen wäre (vgl. Art.  62 Abs.  1 OR). Im zweiten Fall wäre das Darlehen zinslos geschuldet oder der Darlehensgeber hätte sogar selbst noch eine Strafe zu bezahlen. Im dritten Fall wäre ein marktüblicher Darlehenszins geschuldet und im vierten ein solcher in Höhe von 18 %.93 Das OR bietet zur Übermaßkorrektur die Gesamtunwirksamkeit, die Teilunwirksamkeit und, wie die Rechtsprechungsanalyse zeigt, eine geltungserhaltende Reduktion auf ein zulässiges oder ein angemessenes Maß an. Im Folgenden werden die mit den jeweiligen Rechtsfolgeanordnungen verbundenen Anreize und Kosten aus Parteienperspektive aufgezeigt. Anhand dessen soll festgestellt werden, inwiefern das OR die vier Regulierungsmodelle verwirklicht. a)  Gesamtunwirksamkeit Gemäß Art.  20 OR kann ein Vertrag unabhängig davon, ob er AGB enthält, aufgrund seines übermäßigen Inhalts gesamthaft nichtig sein. Die Nichtigkeit ist aus ökonomischer Perspektive mit hohen Transaktionskosten verbunden.94 Der Abschluss eines synallagmatischen Vertrags bedingt stets die Übereinkunft von mindestens zwei Akteuren. Damit es zum Austausch von Leistungen kommt, bedarf es zum Teil langwieriger Vertragsverhandlungen. Doch selbst wenn sich Anbieterin und Kunde rasch einigen, sind die Vertragsverhandlungen auf beiden Seiten mit Kosten verbunden.95 Die Anbieterin muss ihr Angebot kenntlich machen, sei dies mittels Werbung, Aushang oder einem Internetauf91  Im Einzelnen Bechtold, 295; vgl. auch Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869 ff., insbesondere 876–878 ebenda; ders., 9; kritisch Canaris, in: FS Steindorff, 519, 550, der vertritt, dass das Angemessene mit dem gerade noch Zulässigen zusammenfallen kann. 92 Vgl. Bechtold, 294 f. 93  Vgl. auch das Beispiel bei Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 878. 94  Vgl. zu Transaktionskosten Posner R., Economic Analysis of Law, 50–55. 95 Vgl. Posner R., Economic Analysis of Law, 133.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

239

tritt und der Kunde hat sich von Preis und Qualität des Angebots zu überzeugen. Dadurch, dass sich sowohl die Anbieterin als auch der Kunde über die Wettbewerbsfähigkeit des Produkts informieren müssen, fallen auf beiden Seiten Informations- bzw. Suchkosten an. Soweit die Parteien keine vorformulierten Vertragsbedingungen zur Hand haben, die ebenfalls mit Beschaffungs- oder Ausarbeitungskosten96 verbunden sind, gilt es, sich sodann über sämtliche Vertragspunkte einig zu werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen haben hier einen gewissen Rationalisierungseffekt, denn je nach Wert des Vertragsgegenstandes könnten die im Rahmen der Vertragsverhandlungen aufgewendeten Kosten den aus dem Vertrag entstehenden Nutzen kannibalisieren.97 Die traditionelle Nichtigkeitsfolge sieht vor, dass sich beide Parteien jederzeit auf die Unwirksamkeit des Vertrags berufen können und diese ex tunc, das heißt vom Moment des „Vertragsschlusses“ an, besteht.98 Da die Unwirksamkeit von Amtes wegen zu beachten ist, tritt die Nichtigkeitsfolge aber selbst dann ein, wenn dies den Prozessanträgen der Parteien zuwiderläuft.99 Hintergrund dieser Regelung ist, dass das Gericht nicht um die Ordnung widerstreitender und vom Gesetz nicht gedeckter Interessen besorgt sein soll.100 Wird ein Vertrag demnach für unwirksam befunden, steht den aufgewendeten Kosten kein irgendwie gearteter Nutzen gegenüber. Diesbezüglich bemerkt Spiro zutreffend, dass im Falle der Unwirksamkeit „nicht bloss der Zustand, den die Parteien wollten, nicht entsteht, sondern ein Zustand entsteht, den die Parteien nicht wollten.“101

96  Soweit die Verwenderin die AGB häufig einsetzt, profitiert sie hier vom sog. Skalen­ effekt (economy of scale), der darin zum Ausdruck kommt, dass die Selbstkosten je Stück – in concreto die im Unternehmen für AGB anfallenden Kosten – mit steigender Produktionsmenge sinken, s. hierzu Stepan/Fischer, Betriebswirtschaftliche Optimierung, 10; vgl. auch Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 540. 97 Vgl. Posner R., Economic Analysis of Law, 99: „[T]he transaction costs of negotiating a change in a standard provision will often exceed the benefits even if the provision is inefficient.“ S. auch Baird/Gertner/Picker, 219 ff.; Richter, 5. 98  Das Konzept des Art.  20 OR schließt es aus, in AGB festzuschreiben, dass die übermäßige Klausel solange wirksam ist, bis deren Unwirksamkeit geltend gemacht wird, Hess/ Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1211 m. w. H. 99 BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  167. 100 BK-Bucher, Art.  27 ZGB N.  23. 101  Spiro, in: ZBJV 11/1952, 449, 462 f.; zum generellen Bedürfnis nach Vertragserhaltung s. auch Grebieniow, N.  224 ff. Der AGB-Verwenderin steht es im Falle der Unwirksamkeit des gesamten Vertrags offen, mit derselben oder einer anderen Vertragspartei neu zu verhandeln, allerdings bleibt auch dies nicht kostenlos, vgl. Posner R., Economic Analysis of Law, 145.

240 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Soweit die Parteien bereits Leistungen auf Grundlage des unwirksamen Vertrags erbracht haben, löst dies weitere Rechtsfolgen aus.102 Einerseits muss das jeweils Geleistete rückabgewickelt werden. Dazu werden die bereits erfüllten Leistungen vindiziert (Art.  641 Abs.  2 ZGB) oder kondiziert (Art.  62 ff. OR). Dies gilt auch im Falle der Unwirksamkeit im Sinne von Art.  21 OR. Zwar legt die Bestimmung die Anfechtung des Vertrags einseitig in die Hand des Übervorteilten, doch gelten die Rückabwicklungsregeln zufolge der normzweck­orientierten Auslegung für beide Parteien.103 Einzige Einschränkung besteht hinsichtlich des Entreicherungseinwands gemäß Art.  64 OR, der nur dem Übervorteilten zusteht.104 Ferner ist im Einzelfall ein Anspruch auf Schadenersatz zu prüfen. Zwar resultiert aus der Unwirksamkeit des Vertrags kein vertraglicher Schadenersatz­ anspruch und für einen deliktischen nach Art.  41 OR bedarf es stets der Widerrechtlichkeit. Als Rechtsgrundlage für Schadenersatz in diesen Fällen könnte allerdings die Haftung aus culpa in contrahendo in Betracht kommen. Dies setzt voraus, dass sich eine der beiden Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen treuwidrig verhalten, also die vorvertragliche Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme zumindest fahrlässig verletzt hat.105 Ist dies zu bejahen, wird allerdings nur das negative, nicht aber das Erfüllungsinteresse ersetzt.106 Im Falle der Gesamtunwirksamkeit werden die im Streitfalle angefallenen Gerichtskosten den Vertragsparteien je nach Verteilung der Parteirollen auferlegt. Grundsätzlich sind sie von der unterliegenden Partei zu tragen (Art.  106 Abs.  1 ZPO). Da die Nichtigkeit im Sinne von Art.  20 OR von Amtes wegen festgestellt wird, kann sie den Rechtsbegehren der Parteien zuwiderlaufen. Das heißt, auch die Partei, zu deren Ungunsten sich das vertragliche Übermaß auswirkt, das den Vertrag nichtig macht, kann als Leistungsklägerin zur Kosten­t ragung verpflichtet werden. Nach der ZPO ist es jedoch denkbar, die Gerichtskosten ermessensweise anders zu verteilen, wobei insbesondere Art.  107 Abs.  1 lit.  f. zu beachten ist, wonach das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen abweichen kann, wenn „besondere Umstände vorliegen, die eine Verteilung nach dem Ausgang des Verfahrens als unbillig erscheinen lassen“. Diese Verteilung der Gerichtskosten im Falle der Nichtigkeit des Vertrags steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Zu den Rechtsfolgen im Einzelnen Hürlimann, N.  194 f. Huguenin, 93; BGE 92 II 168 E. 6c S.  179. 104 BK-Kramer, Art.  21 OR N.  59 m. w. H. 105  BGE 105 II 75 E. 2a S.  80; offengelassen in BGE 130 III 345 E. 1 S.  348; abweichend BGE 106 II 36 E. 5 S.  41 f. BK-Kramer, Art.  21 OR N.  61, vertritt, dass die Übervorteilung „einen markanten Fall“ einer culpa in contrahendo darstelle. 106  BGE 105 II 75 E. 3 S.  81; 124 III 363 E. II/5b S.  369; 130 III 345 E. 1 S.  348. Zur culpa in contrahendo im Einzelnen Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  962a–982; Koller A., OR AT, §  14 N.  196, je m. w. H. 102  103 

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

241

Unwirksamkeit nicht an die Erklärung einer Partei knüpft, wie etwa bei Art.  21 OR oder nach der Theorie Buchers auch im Falle von Art.  27 Abs.  2 ZGB.107 Die Wahl des ersten Regulierungsmodells soll verhindern, dass Parteien Bestimmungen in Verträge aufnehmen, die offensichtlich unwirksam sind oder deren Wirksamkeit zumindest zweifelhaft ist.108 Da die Nichtigkeit nach Art.  20 OR an den hypothetischen Parteiwillen gekoppelt ist, kommen einige Autoren zum Schluss, dass sich dieser im Falle einer übermäßig bindenden AGB-Klausel kaum je auf die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags beziehen werde. Der Kunde sei in der Regel am Wegfall des gesamten Vertrags nicht interessiert.109 Im Zusammenhang mit Art.  21 OR wird an der Unwirksamkeit des Vertrags zudem kritisiert, dass damit eher der Inhalt eines Rechtsgeschäfts sanktioniert werde, „als die Ausbeutung, was richtiger sei.“110 b)  Regulierungsmodelle zur Vertragserhaltung Im Falle der Vertragserhaltung, die mittels der drei nachfolgenden Regulierungsmodelle erreicht wird, gehen die für die Vertragsverhandlung aufgewendeten Kosten nicht unter. Da die Herabsetzung des übermäßigen Vertrags nach der herrschenden Lehre nur vorgenommen wird, wenn sie vom Rechtsbegehren der benachteiligten Partei getragen ist,111 fallen hier die Gerichtskosten regelmäßig bei der AGB-Verwenderin an.112 In Abweichung zur Unwirksamkeit des Vertrags entfallen im Falle der Vertragserhaltung die Schadenersatzansprüche aus culpa in contrahendo. Ein Teil der Lehre will sie aus einer deliktischen Haftung herleiten, wobei die Pflichtverletzung der Verwenderin im Stellen von unwirksamen AGB erblickt wird.113 Alternativ wäre auch eine Vorgehensweise nach Art.  9 Abs.  3 UWG zu prüfen, welcher Schadenersatz und Genugtuung sowie Herausgabe des Gewinns nach Maßgabe des OR für den durch unlauteren Wettbewerb geschädigten Kunden vorsieht. 107 

S. hierzu oben S.  183 f. Bechtold, 295. 109  Jenny, 65 f.; Marchand, in: HAVE 3/2011, 328, 331; Thouvenin, in: Jusletter 29. Oktober 2012, Rz. 10, je m. w. H. Letzterer argumentiert sogar, „[e]ine solche Rechtsfolge wäre mit Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle nicht vereinbar.“ Vgl. auch Pauly, in: JR 9/1997, 357, 360; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  378; Mroch, 50. 110  Grebieniow, N.  190 m. w. H. 111  S. hierzu oben S.  51. 112  Vgl. auch Beimowski, der davon ausgeht, dass bereits die Tragung der Gerichtskosten eine Abschreckungswirkung auf die AGB-Verwenderin habe, ders., 125. 113 Vgl. Koller T., in: Emmenegger, 17, 68; in Deutschland ist dies bereits Praxis, s. BGH NJW 1984, 2816, 2817; BGH NJW 2009, 2590, 2591; vgl. auch Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  47–50 m. w. H.; Staudinger-­ Coester, Eckpfeiler des Zivilrechts, E. Allgemeine Geschäftsbedingungen, N.  75. 108 

242 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? aa)  Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der begünstigten Partei Das zweite Regulierungsmodell – die Ersetzung der übermäßigen Klausel durch eine bestrafende Bestimmung – verringert wie die Gesamtunwirksamkeit den Anreiz, offensichtlich unwirksame oder zweifelhafte Vertragsklauseln zu verwenden. Mit seiner bestrafenden Komponente erinnert dieses Regulierungsmodell an sog. penalty defaults.114 Dies sind Regeln im Vertragsrecht, die bewusst nicht dem Willen informierter Vertragsparteien entsprechen und dadurch einen Anreiz schaffen, der anderen Partei Informationen zu offenbaren.115 Gleichzeitig findet darin auch der im common law verbreitete Gedanke sog. punitive damages als Strafschadenersatz Anklang.116 Das OR kennt – abgesehen von Genugtuungsansprüchen, welche allerdings eine andere Funktion erfüllen – weder im Vertrags- noch im Deliktsrecht Regeln, die im Sinne der Abschreckung über die Schadloshaltung des Geschädigten hinausgehen. Allenfalls könnte erwogen werden, ob das dispositive Gesetzesrecht zuweilen Grundlage für eine bestrafende Ersatzregelung schafft, ist doch etwa das Darlehen außerhalb des B2B-Verkehrs nach Art.  313 Abs.  1 OR zinslos ausgestaltet, was die AGB-Verwenderin als (dispositive) Ersatzregel für einen übermäßigen Zins empfindlich treffen würde. bb)  Reduktion auf ein angemessenes Maß Dem dritten Regulierungsmodell, das die Ersatzregelbildung im Sinne eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Parteien bezweckt, fehlt die punitive Komponente.117 Damit entfällt die mit den beiden ersten Regulierungsmodellen verbundene Anreizwirkung, keine unwirksamen oder zweifelhaften Vertragsklauseln zu verwenden. Wie erwähnt, hätte die AGB-Verwenderin im Falle einer Korrektur im Sinne des dritten Regulierungsmodells immerhin die Gerichtskosten zu tragen.118 Dieses Regulierungsmodell erinnert an die Funktion dispositiven Vertragsrechts, welches entsprechend seiner Ausgleichsfunktion Regelungen im Interesse der Mehrheit aller Vertragsparteien anbieten soll.119 Ebenso wird die Reduktion auf ein angemessenes Maß durch die Ersatzregelbildung im Sinne des an Treu und Glauben orientierten hypothetischen Parteiwillens verwirklicht.120 Bechtold, 295 f.; Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 877 f.; ders., 9. Ayres/Gertner, in: Yale L. Journ. 1/1989, 87 ff., insbesondere 91 ebenda. 116  Vgl. hierzu Posner R., Economic Analysis of Law, 143. 117  Ausführlich zur Problematik, eine solche angemessene Bestimmung zu identifizieren, Craswell, in: Chi. L. Rev. 1/1993, 1 ff. 118  S. oben S.  241. 119  Bechtold, 296; Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 876; ders., 10; in diesem Sinne auch BGE 119 II 368 E. 4b S.  372. 120  Hürlimann, N.  274; vgl. auch Ulmer, in: NJW 38/1981, 2025, 2028. 114 

115 

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

243

cc)  Reduktion auf das noch zulässige Maß Noch weiter geht das vierte Regulierungsmodell, die Ersetzung durch die maximal zulässige Bestimmung.121 Dieses Modell ist am stärksten zugunsten jener Vertragspartei ausgestaltet, die von der unwirksamen Vertragsklausel profitieren wollte. Dahinter steht der Gedanke, dass es – innerhalb der Grenzen des zwingenden Rechts – nicht Aufgabe des Gerichts sei, jede Ungleichheit in der Verhandlungsmacht zwischen den Parteien auszugleichen.122 Einziger Anreiz für die AGB-Verwenderin, die gesetzlichen Grenzen vertraglich einzuhalten, liegt in der Tragung der Gerichtskosten.123

2.  Verhalten des homo oeconomicus im Modell a)  Risikoallokation unter vollkommener Information Unter vollkommener Information werden sich rationale Akteure im Sinne des vollständigen Vertrags auf eine optimale Verteilung der Risiken einigen.124 Ein einfaches mathematisches Modell zeigt, wie es durch Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien 1 und 2 letztlich zu dieser optimalen Risikoallokation kommt.125 Die Variable x bezeichnet das schädigende Verhalten von Vertragspartei 1 bei der Aushandlung des Vertragstexts. Die Schädigung entspricht hierbei dem Ausmaß der Risikoabwälzung auf die Vertragspartei 2, wobei mit zunehmendem x vermehrt Risiken übertragen werden. B(x) bezeichnet den Benefit von Vertragspartei 1, der aus der Abwälzung dieser Risiken resultiert. Wie aus untenstehender Abbildung ersichtlich ist, hat Vertragspartei 1 ein Interesse daran, möglichst alle Risiken auf die Gegenseite abzuwälzen, da die Benefit-Funktion positive Grenzerträge aufweist. Die konkave Form der Funktion zeigt ferner an, dass der Grenzertrag mit steigendem x abnimmt. Aus Sicht der Vertragspartei 2 gestaltet sich die Situation sodann wie folgt: Die Abwälzung von Risiken ist für sie mit einem Verlust oder Loss verbunden, der mit jeder zusätzlichen Einheit an übernommenen Risiken zunimmt. Die Loss-Funktion der Vertragspartei 2 weist eine konvexe Form auf, was Ausdruck

Zum hypothetischen Parteiwillen s. oben S.  83 ff.; kritisch Canaris, der davon ausgeht, dass das „Angemessene mit dem gerade noch Zulässigen zusammenfallen kann“, ders., in: FS Steindorff, 519, 550 122  Bechtold, 296; Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 877 f.; ders., 29 ff. 123  S. oben S.  241. 124  S. oben S.  229; vgl. auch Salanié, 57–60, 197. 125  Die funktionale Form der im Folgenden dargestellten Benefit- und Loss-Funktionen entsprechen jenen in Craswell/Calfee, in: JLE&O 2/1986, 280, 279–303. 121 

244 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? eines in x steigenden Grenzverlustes ist.126 Unter der optimalen Risikoalloka­ tion, ausgedrückt durch die Variable ẋ, wiegen sich Grenzerträge und Grenzverluste gerade auf. Die Benefit- und die Loss-Funktionen weisen an dieser Stelle also dieselbe Steigung auf, das heißt: B′(ẋ) = L′(ẋ)    (1) Um die Verhandlungsdynamik zwischen den Vertragsparteien hin zu einer optimalen Allokation nachzuzeichnen, wird angenommen, dass sich die Kontrahenten eingangs bei x < ẋ befinden. Ohne sich schlechter zu stellen, kann Vertragspartei 1 der Vertragspartei 2 für die Übernahme einer zusätzlichen Risikoeinheit eine Entschädigung von maximal B′(x) anbieten. An der Stelle x < ẋ fällt der Grenznutzen der Vertragspartei 1 B′(x) höher aus als der Grenzverlust der Vertragspartei 2, L′(x), den diese aus der Übernahme einer zusätzlichen Risikoeinheit erleidet. Die Annahme des Angebots liegt deshalb im Interesse der Vertragspartei 2, womit x nun in die Richtung von x. wandert. Nach mehreren Verhandlungsrunden werden sich die Vertragsparteien letztlich bei ẋ einfinden. An dieser Stelle kann keine weitere Optimierung stattfinden, weil Vertragspartei 1 die Vertragspartei 2 für die Übernahme zusätzlicher Risiken nicht in genügendem Umfange kompensieren kann. 𝐵𝐵, 𝐿𝐿

𝐿𝐿

𝑥𝑥̇

𝑥𝑥�

𝐵𝐵

𝑥𝑥

Abbildung 1: Benefit-Funktion der AGB-Verwenderin und Loss-Funktion des Kunden jeweils in Abhängigkeit von x.

Nimmt der Regulator eine Ersatzregelbildung im Sinne eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Parteien vor, orientiert er sich am hypothetischen Parteiwillen. Da sich die Vertragsparteien unter vollkommener Information, wie 126  Mathematisch ausgedrückt bedeutet dies, dass B′(x) > 0 und B′′(x)  0 und L′′(x) > 0 ist.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

245

soeben gezeigt, auf ein Schadensniveau von ẋ einigen würden, wird dieses Niveau im Folgenden als das Angemessene bezeichnet. Das Niveau für den maximal zulässigen Schaden x̴ muss mindestens dem angemessenen Schadensniveau ẋ entsprechen. In der Regel wird das maximal zulässige Schadensniveau aber oberhalb von ẋ liegen. In den folgenden Ausführungen wird der maximal zulässige Schaden willkürlich dort verortet, wo die Benefit-Funktion von Vertragspartei 1 die Loss-Funktion von Vertragspartei 2 schneidet.127 b)  Risikoallokation unter Informationsasymmetrie und Regulierung Die vertragliche Aushandlung der optimalen Risikoverteilung ẋ bedingt vollkommene Information beider Vertragsparteien über Art und Umfang der Risiken sowie bezüglich der Form der eigenen Benefit- bzw. der eigenen Loss-Funktion. Wie in den Ausführungen zum Akerlofschen Modell argumentiert wurde, tritt diese Bedingung im Falle von AGB nie ein: Das Verstehen der AGB ist oft mit hohen Kosten verbunden, die ein rationaler Kunde nicht zu tragen gewillt ist.128 Eine nutzenmaximierende AGB-Verwenderin nutzt diese Informations­ asymmetrie zu ihren Gunsten, indem sie möglichst alle Risiken auf den Kunden überwälzt.129 Einhalt gebietet ihr hierbei möglicherweise der Gesetzgeber, der mittels Regulierung lenkend eingreift. Wie die AGB-Verwenderin als nutzenmaximierende Akteurin auf die dargestellten Regulierungsmodelle reagiert, hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Konsequenzen sie zu rechnen hat. Bei der Ausgestaltung der AGB wird sie sich an folgender Gleichung orientieren: P(x) = B(x) − F × C(x)     (2) Die Funktion P(x) misst den Profit der AGB-Verwenderin. Dieser errechnet sich aus der bereits bekannten Benefit-Funktion B(x) und einer Kostenkomponente, hier als F × C(x) bezeichnet. Die Variable F beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass die AGB-Verwenderin für ihr schädliches Verhalten geahndet wird.130 Da nicht jedes schädliche Verhalten geahndet wird, etwa aufgrund des Ermessensspielraums der Gerichte oder aufgrund der Nichtanhängigmachung eines Gerichtsverfahrens durch den Kunden, nimmt F Werte kleiner als eins an. Die Funktion C(x) beziffert die Kosten im Falle der Ahndung. Obenstehende Gleichung nach x abgeleitet ergibt: 127  Die genaue Lage des maximal zulässigen Schadensniveaus ist für die folgenden Ausführungen nicht von Relevanz solange x̴ > ẋ. 128  S. oben S.  235. 129  Fraglich ist auch, ob im Falle vollkommener Information überhaupt von einer AGB-­ Situation ausgegangen werden könnte, zumal dies die Aushandlungssituation bedingte, deren Fehlen die AGB gerade charakterisiert. 130  Vgl. auch Schmidtchen, CSLE Discussion Paper 3/2000, 6, 22–24.

246 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? дP(x)/дx = B'(x) − F × C'(x)    (3) Die AGB-Verwenderin wird ihr schädigendes Verhalten solange ausweiten, bis der erzielte Grenzprofit keinen weiteren Zuwachs erfährt, das heißt, bis дP(x)/дx =  0 entspricht. Das Ausmaß der Risikoabwälzung wird also so gewählt, dass der Grenz-Benefit den Grenzkosten multipliziert mit der Ahndungswahrscheinlichkeit entspricht. Das nutzenmaximiernde Verhalten erfüllt somit die Bedingung: B'(x) = F × C'(x)    (4) Craswell/Calfee erweitern obenstehendes Modell, indem sie die Ahndungswahrscheinlichkeit F(x) als eine Funktion von x definieren.131 Die Autoren tragen damit der Tatsache Rechnung, dass die Ahndungswahrscheinlichkeit mit dem Ausmaß der Schädigung zunimmt. Die Profitfunktion nimmt in Craswell/ Calfee folgende Form an: P(x) = B(x) − F(x) × C(x)    (5) Wird Gleichung (5) nach x abgeleitet, ergibt sich untenstehende Maximierungsbedingung: дP(x)/дx = B'(x) − F(x) × C'(x) − F'(x) × C(x)    (6) Gleichung (6) unterscheidet sich von Gleichung (3) durch den Zusatzterm F'(x) × C(x) auf der rechten Seite. Bei der Entscheidung, ob eine zusätzliche Risikoeinheit auf den Kunden abgewälzt wird, hat die AGB-Verwenderin nicht nur die dadurch verursachten mit der Ahndungswahrscheinlichkeit gewichteten Grenzkosten F × C'(x) im Blick zu halten. Zusätzlich hat sie zu bedenken, inwiefern eine veränderte Ahndungswahrscheinlichkeit Kosten nach sich zieht.132 Im Folgenden werden die verschiedenen Regulierungsmodelle aufgrund des hier beschriebenen Modells dahingehend bewertet, ob sie geeignet sind, eine optimale Risikoallokation herbeizuführen. Dabei muss für jedes Regulierungsmodell eine eigene Kostenfunktion C(x) modelliert werden. aa)  Reduktion auf das noch zulässige Maß Überschreitet die AGB-Verwenderin die maximale Zulässigkeitsgrenze, droht ihr die Zurücksetzung auf das zulässige Maß, welches in Abbildung 1 als x̴ definiert wurde.133 Die Kostenfunktion der AGB-Verwenderin lautet wie folgt: 131 Vgl. Craswell/Calfee, in: JLE&O 2/1986, 281, 279–303; vgl. hierzu auch Lang, in: EER 1/2017, 274 ff. 132  Dieser Effekt wird durch den Term F'(x) × C(x) beschrieben. 133  S. zu den mit diesem Regulierungsmodell für die AGB-Verwenderin de facto verbundenen Kosten oben S.  243.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

247

C(x) = B(x) − B(x̴)   (7) Wird Gleichung (7) in Gleichung (2) eingesetzt, ergibt sich: P(x) = B(x) − F × [B(x) − B(x̴)]   (8) Um die Profitfunktion zu maximieren, wird Gleichung (8) nach x abgeleitet: дP(x)/дx = B'(x) − F × B'(x)    (9) Die AGB-Verwenderin wird ihr schädigendes Verhalten solange ausweiten, bis der Grenzprofit дP(x)/дx keinen weiteren Zuwachs mehr erfahren kann. Aus Gleichung (9) wird unmittelbar ersichtlich, dass die AGB-Verwenderin als risikoneutrale134, nutzenmaximierende Akteurin versucht sein wird, möglichst alle Risiken x auf den Kunden abzuwälzen. Schließlich beläuft sich die Ahndungswahrscheinlichkeit F auf einen Wert kleiner als eins, weshalb sich die AGB-Verwenderin stets einem positiven Grenzprofit gegenübersieht. Sie hat somit auch für sehr hohe x einen Anreiz, das schädigende Verhalten um eine weitere Einheit auszuweiten. 135 Erweitert man das Modell gemäß Craswell/Calfee, ergeben sich für die Profitfunktion und die erste Ableitung nach x folgende funktionale Formen: P(x) = B(x) − F(x) × [B(x) − B(x̴)]   (10) дP(x)/дx = B'(x) − F × B'(x) −F'(x) × [B(x) − B(x̴)]   (11) Bestünde Gleichung (11) nur aus den ersten beiden Termen auf der rechten Seite, würde die AGB-Verwenderin wiederum möglichst alle Risiken auf den Kunden überwälzen.136 Der Zusatzterm F'(x) × [B(x) − B(x̴)] könnte sie aber dazu veranlassen, ihr schädigendes Verhalten einzuschränken. Die Entscheidung über die Abwälzung einer zusätzlichen Risikoeinheit kann in diesem erweiterten Modell schließlich zu einer veränderten Ahndungswahrscheinlichkeit führen. Das Abschreckungsmoment dieses dritten Terms nimmt mit höherem F'(x) und größer werdender Differenz zwischen B(x) und B(x̴ ) zu. Die abschreckende Wirkung ist

134  Ein risikoneutraler Akteur wählt zwischen verschiedenen Alternativen jene mit dem höchsten Erwartungswert, unabhängig vom zugrundeliegenden Risiko. Ein risikoaverser Akteur bewertet hingegen sicherere Alternativen höher. 135  Das Modell abstrahiert von Verfahrenkosten, die die AGB-Verwenderin zu tragen hätte, falls es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung käme. Potentielle Verfahrenskosten könnten eine nutzenmaximierende AGB-Verwenderin allenfalls zur Einhaltung der Zulässigkeitsgrenze veranlassen. 136  Die ersten beiden Terme auf der rechten Seite von Gleichung (11) sind identisch mit Gleichung (9).

248 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? also umso höher, je stärker die Ahndungswahrscheinlichkeit ansteigt und je höher die Nutzeneinbuße im Falle der Ahndung ausfällt. Die Reduktion auf das noch zulässige Maß ist nicht geeignet, eine optimale Risikoallokation herbeizuführen. Die AGB-Verwenderin wird die Ausprägung von x nämlich mindestens bei x̴ ansetzen und damit die optimale Risikoverteilung von ẋ überschreiten. Bei konstanter oder nur leicht ansteigender Ahndungswahrscheinlichkeit wird ein risikoneutraler, nutzenmaximierender Akteur gar möglichst alle Risiken auf den Kunden abwälzen und die maximale Zulässigkeitsgrenze somit deutlich überschreiten. bb)  Reduktion auf ein angemessenes Maß Unter diesem Regulierungsmodell137 lautet die Kostenfunktion der AGB-Verwenderin gemäß Abbildung 1 wie folgt: C(x) = B(x) − B(ẋ)    (12) Wird Gleichung (12) nun in die von Craswell/Calfee definierte Profitfunktion aus Gleichung 5 eingesetzt, ergibt sich: P(x) = B(x) − F(x) × [B(x) − B(ẋ)]    (13) Die AGB-Verwenderin wird bei Überschreitung der maximalen Zulässigkeitsgrenze nicht wie im vorhergehenden Fall auf das zulässige Maß, sondern auf ein angemessenes Maß ẋ zurückgesetzt. Das profitmaximierende Verhalten wird aus der ersten Ableitung der Profitfunktion ersichtlich: дP(x)/дx = B'(x) − F(x) × B'(x) − F'(x) × [B(x) − B(ẋ)]    (14) Die in Gleichung (14) beschriebene Grenzprofitfunktion ist nahezu identisch mit Gleichung (11), die den Grenzprofit im Regulierungsregime der Reduktion auf das zulässige Maß beschreibt. Dem dritten Term auf der rechten Seite der Gleichung kommt wieder eine Schlüsselrolle zu. F'(x) × [B(x) − B(ẋ)] kann die AGB-Verwenderin unter bestimmten Bedingungen zu einer Reduktion ihres schädigenden Verhaltens veranlassen, weil jede Ausdehnung der Risikoab­ wälzung mit einer höheren Ahndungswahrscheinlichkeit verbunden ist. Im Vergleich zum vorhergehenden Modell aus Gleichung (11) fällt die punitive Wirkung dieses letzten Terms stärker aus. Im Falle der Ahndung werden die AGB der Verwenderin nämlich auf das angemessene und nicht nur auf das zulässige Maß zurückgesetzt. Sie würde dadurch eine Nutzeneinbuße von B(x) − B(ẋ) er137  S. zu den mit diesem Regulierungsmodell für die AGB-Verwenderin de facto verbunde­ nen Kosten oben S.  242.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

249

leiden, während sich ihr Nutzen bei der Zurücksetzung auf das zulässige Maß lediglich um B(x) − B(x̴) reduzierte. Die Reduktion auf das angemessene Maß ist aber auch nicht geeignet, eine optimale Risikoallokation ẋ herbeizuführen. Der letzte Term dürfte innerhalb der Zulässigkeitsgrenzen nämlich nahezu irrelevant sein, weil die AGB-­Ver­ wenderin in diesem Bereich keine Ahndung zu befürchten hat. Sie wird ihr schädigendes Verhalten also mindestens auf das gerade noch zulässige Maß x̴ ausdehnen. Ob das punitive Element für x > x̴ über genügend Abschreckungswirkung verfügt, hängt wiederum von der genauen Ausgestaltung des Regulierungsmodelles ab. Die abschreckende Wirkung nimmt mit höherem F'(x) und größer werdender Differenz zwischen B(x) und B(ẋ) zu. cc)  Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der begünstigten Partei Das punitive Element bei der Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der begünstigten Partei soll die AGB-Verwenderin dazu veranlassen, keine übermäßige Abwälzung von Risiken vorzunehmen.138 Strebt der Gesetzgeber eine optimale Risikoallokation an, muss das bestrafende Moment, nämlich die im Falle der Ahndung anfallenden Kosten für die AGB-Verwenderin, einem Vielfachen der Verlustfunktion des Kunden entsprechen. Mathematisch ausgedrückt setzt sich die Kostenfunktion der AGB-Verwenderin demnach wie folgt zusammen: C(x) = M × L(x)    (15) L(x) enspricht der bereits bekannten Loss-Funktion des Kunden, während die konstante Variable M den Multiplikator darstellt, mit welchem die Verlustfunktion des Kunden zu multiplizieren ist. Der erwartete Profit der AGB-Verwende­ rin beträgt: P(x) = B(x) − F × M × L(x)    (16) Der Grenzprofit P'(x) entspricht somit: дP(x)/дx = B'(x) − M × F × L'(x)    (17) Die nutzenmaximierende AGB-Verwenderin wird ihr schädigendes Verhalten x solange ausweiten, bis der Grenznutzen B'(x) gerade den erwarteten Grenzverlust M × F × L'(x) aufwiegt. Um eine optimale Risikoallokation herbeizuführen, muss der Multiplikator so gewählt werden, dass er der Inversen der Ahndungswahrscheinlichkeit entspricht.139 Wird in Gleichung (18) für M nämlich ein Wert S. zu den mit diesem Regulierungsmodell für die AGB-Verwenderin de facto verbunde­ nen Kosten oben S.  242. 139 Vgl. Craswell/Calfee, in: JLE&O 2/1986, 292, 279–303. 138 

250 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? von 1/F eingesetzt, ergibt sich die in Gleichung (1) hergeleitete Optimalbedingung B'(x) = L'(x).140 Das Regulierungsregime der Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der be­ gün­s­tigten Partei kann zu einer optimalen Risikoverteilung führen. Hierzu muss das bestrafende Element eine gewisse Abschreckungswirkung entfalten, was mit einer hohen Strafe M × L'(x) oder einer hohen Ahndungswahrscheinlichkeit F zu erreichen ist. dd)  Gesamtunwirksamkeit Auch die Unwirksamkeit des Vertrags enthält ein strafendes Element, da unter diesem Regulierungsmodell der gesamte Vertragsnutzen hinfällig wird.141 Die AGB-Verwenderin sieht sich ebenfalls folgender Profitfunktion gegenüber: P(x) = B(x) − F(x) × C(x)    (18) Die Kostenfunktion C(x) beschreibt die Nutzeneinbuße, die aus dem Hinfälligwerden des Vertrags entsteht. Da der Nutzenverlust je nach Vertragswerk unterschiedlich ausfällt, kann C(x) nicht modelliert werden. Qualitativ lässt sich allerdings feststellen, dass der Nutzenverlust in der Regel deutlich höher ausfallen wird als in den vorhergehend diskutierten Regulierungsmodellen.142 Der hohe Potentialschaden dürfte eine disziplinierende Wirkung entfalten, was die AGB-­ Verwenderin zur Mäßigung bei der Abwälzung von Risiken anhalten wird. Um das Unwirksamkeitsrisiko möglichst gering zu halten, sind unter Umständen auch Konstellationen denkbar, bei denen die AGB-Verwenderin ihr schädigendes Verhalten weit unterhalb der zulässigen oder angemessenen Grenze hält. Ohne weitere Modellannahmen bezüglich der Kostenfunktion C(x) und der 140  Auch dieses Modell lässt sich nach Craswell/Calfee mit einer von x abhängigen Ahndungswahrscheinlichkeit darstellen. In einer solchen Modellwelt würde der Grenzprofit folgende Form annehmen: дP(x)/дx =  B'(x) − M × F(x) × L'(x) − M × F′(x) × L(x). Im Vergleich zu der in Gleichung (18) dargestellten Grenzprofitformel kommt also der Term M × F'(x) × L(x) hinzu. Da dieser positive Zusatzterm mit einem negativen Vorzeichen einfließt, wird der Grenzprofit dadurch reduziert. Will der Regulator eine optimale Allokation der Risiken herbeiführen, muss er den Multiplikator M in der Modellwelt von Craswell/Calfee dadurch nicht ganz so hoch ansetzen wie im Basismodell nach Gleichung (18). 141  S. zu den mit diesem Regulierungsmodell für die AGB-Verwenderin de facto verbundenen Kosten oben S.  238 ff. 142  Bei der Reduktion auf das zulässige Maß beträgt die Nutzeneinbuße im Falle der Ahndung B(x) − B(x̴), während bei der Reduktion auf das angemessene Maß eine Nutzeneinbuße von B(x) − B(ẋ) anfällt. In beiden Fällen ist die Nutzeneinbuße also kleiner als B(x), wobei B(x) den Benefit der AGB-Verwenderin beschreibt, den diese aus der Abwälzung von Risiken erzielt. Die Nutzeneinbuße im Falle der Unwirksamkeit wird B(x) in der Regel um ein Vielfaches übersteigen, da im Falle der Ahndung der Nutzen aus dem gesamten Vertrag hinfällig wird.

IV.  Anreizstruktur der verschiedenen Regulierungsmodelle

251

funktionalen Form der Ahndungswahrscheinlichkeit F(x) bleibt das Ausmaß der Risikoabwälzung allerdings unklar. Der infolge der Unwirksamkeit resultierende Nutzenverlust fällt je nach Vertragswerk unterschiedlich aus. Das Regulierungsregime der Gesamtunwirksam­ keit kann dem Einzelfall also nicht gerecht werden. Aus diesem Grund wird in der Regel auch die optimale Risikoallokation verfehlt. Zudem wird die Hinfälligkeit des Vertrags zuweilen als eine unverhältnismäßig drastische Maß­nahme erscheinen.

3.  Zwischenergebnis Anhand dieses Modells wird bewiesen, was die herrschende Lehre schon lange vermutet: Die Reduktion auf das noch Zulässige bietet für die Verwenderin keinerlei Anreiz, die gesetzlichen Schranken bei der Ausarbeitung der AGB einzuhalten. Hinsichtlich der Reduktion auf das noch Zulässige stimmen die pauschal geäußerten Empfindungen also mit dem ökonomischen Modell überein und das grundsätzliche Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion im allgemein verstandenen Sinn ist zu unterstützen. Als alternative Rechtsfolge wird von der Lehre eine Ersatzregelbildung gemäß dispositivem Gesetzesrecht oder, wo solches fehlt, im Sinne des hypothetischen Parteiwillens vorgeschlagen. Darunter wird eine Reduktion auf das Angemessene verstanden. Wie das ökonomische Modell jedoch zeigt, reicht auch dieses Regulierungsmodell bei weiterhin geringer Ahndungswahrscheinlichkeit nicht aus, um die AGB-Verwenderin zur Gesetzestreue anzuhalten.143 Die Reduktion auf das Angemessene könnte der Verwenderin nur bei relativ hoher Ahnungswahrscheinlichkeit einen Anreiz bieten, um die Zulässigkeitsgrenze bei der Ausgestaltung der AGB zu wahren. Um den Markt von übermäßigen AGB freizuhalten, müsste daher entweder mit einem Multiplikator oder mit der Erhöhung der Ahnungswahrscheinlichkeit F operiert werden. Beide Maßnahmen würden die AGB-Verwenderin dahingehend beeinflussen, die Risikoverteilung zwischen sich und dem Kunden in den Grenzen des Rechts vorzunehmen. Da entsprechende punitive Elemente im OR de lege lata nicht vorgesehen sind, bleibt die Frage, wie die Ahnungswahrscheinlichkeit erhöht werden kann.

143 

Vgl. auch Boemke-Albrecht, 120.

252 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite?

V.  Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion auf das noch Zulässige 1.  Grundsatz Wie soeben bewiesen, schafft die Reduktion auf das noch Zulässige keinen Anreiz, die normativen Grenzen bei der Ausarbeitung der AGB einzuhalten. Dem von der herrschenden Lehre formulierten Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion auf das noch Zulässige144 ist demnach grundsätzlich beizupflichten. Zu prüfen bleibt allerdings, ob das Verbot ausnahmslose Geltung beanspruchen kann. Zuweilen wird dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegengehalten, damit werde ein zu negatives Bild von der AGB-Verwenderin gezeichnet. Es sei fraglich, ob man jeder Verwenderin die Strategie unterstellen könne, den Kunden so weit wie möglich übervorteilen zu wollen. Uffmann spricht diesbezüglich von einem „weithin verzerrte[n] Schreckbild in der rechtlichen Auseinandersetzung“.145 Dabei trete im Übrigen auch die anerkanntermaßen positive Funktion von AGB für das heutige Wirtschaftsleben zu sehr in den Hintergrund.146 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Nur weil dem Grundsatz nach keine geltungserhaltende Reduktion auf das noch Zulässige erfolgen soll, wird die positive Funktion von AGB nicht in Abrede gestellt. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bedingt nicht ein negatives Verwenderbild, sondern soll die einseitige Inanspruchnahme der Privatautonomie kompensieren, soweit die Bieri, in: Bohnet, 47, N.  30; Bohnet, in: Bohnet, 63, N.  69; Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 110; Gobet, in: ST 8/2013, 539, 541; Jenny, 65; Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 161 f.; BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  377; Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; Maissen, N.  343; Pichonnaz/Fornage, in: SJZ 12/2010, 285, 290; Roberto/Walker, in: recht 2/2014, 49, 62; Rusch/Huguenin, in: SZW 1/2008, 37, 47; Schnyder, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 39, 73; Schott, in: ST 2/2012, 78, 80; Schwenzer, OR AT, N.  32.45; Stucki, in: Jusletter 10. März 2014, Rz. 21; Widmer, N.  155. 145  Uffmann, 274. 146  Uffmann, 273; vgl. auch Canaris, in: FS Steindorff, 519, 548: „Es gehört im Gegenteil geradezu zu den Essentialia der Privatautonomie, dass eine Partei nach ihrem Belieben bestimmte Bedingungen für unverzichtbar erklären und den anderen Teil vor die Alternative stellen darf, diese zu akzeptieren oder vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen. Dass die betreffende Partei mehrere Verträge dieser Art abzuschließen gedenkt, rechtfertigt für sich allein noch keineswegs, in diesen Teil ihrer Privatautonomie auf das empfindlichste einzugreifen und ihr nur noch den oft ganz unpraktikablen Ausweg über eine Individualvereinbarung nach §  1 II [a]AGBG zu lassen. Durch diese Beeinträchtigung der Privatautonomie kommt daher erneut das Verhältnismäßigkeitsprinzip ins Spiel, da die Privatautonomie durch Art.  2 I GG geschützt ist und ihre Einschränkung demgemäß am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen ist.“ Vgl. auch Posner R., Economic Analysis of Law, 129, der davon spricht, dass „[n]o lighter sanction would deter“. 144 S.

V.  Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion

253

Verwenderin bei der Erarbeitung eines zugegebenermaßen vorteilhaften Normgefüges eine übermäßige Erweiterung der eigenen Rechtsposition zu Lasten des Kunden vornimmt. Dadurch, dass die AGB-Verwenderin von dieser Möglichkeit Gebrauch macht – und letztlich wird nur dieses Verhalten sanktioniert –, lässt sich noch kein negatives Verwenderbild zementieren. Vielmehr erweist sich die AGB-Verwenderin in diesem Fall als nutzenmaximierender homo oeconomicus, der bei der Ausgestaltung der AGB hart am Wind segelt, weil die mit der Überwälzung von Risiken einhergehende Einsparung von Kosten seinen Gewinn maximiert. Die eingesparten Kosten spiegeln sich sodann in einem niedrigeren Preis wieder.147 Der Preis wiederum bestimmt das Kaufverhalten des Kunden und wirkt sich damit direkt auf den Marktanteil eines Unternehmens aus. Der Wettbewerbsmechanismus bzw. -druck führt mithin dazu, dass 147  Grundlegend zum Mechanismus, dass der Kunde ex ante bei der Übernahme höherer Risiken weniger bezahlt, Posner R., Economic Analysis of Law, 126 f.: „Contract terms that seem to bear harshly on hapless consumers may further benefit them by reducing sellers’ costs. […]. An example is a sale on credit where the buyer agrees that the seller may discount the buyer’s promissory note to a finance company. At common law the finance company, as a ‚holder in due course‘, could enforce the note free from any defense that the buyer might have raised in a collection suit by the seller. So if you bought a chest of drawers from a furniture store and the chest turned out to be defective but the store had discounted your note to a finance company, you would have to pay the full amount of the note and would be left with a right to sue the store for breach of warranty. This rule reduces the cost of financing installment purchases by making collection suits cheaper and more certain. In its absence, this cost […] would be higher. It is not obviously wiser for the consumer to decide to pay more for a product than to decide to give up one of his legal remedies against the seller. Note also that prudent consumers – those unlikely to default – are favored, because the loss of the defense against a holder in due course is not a cost to someone who is not sued. Suppose an installment contract provides that a default will entitle the seller to repossess the good no matter how small the remaining unpaid balance of the buyer’s note and to keep the full proceeds from reselling the good to someone else. If default occurs toward the end of the term of the note, repossession will confer a windfall gain on the seller since he has already received almost the full price for the good, including interest. But if it occurs early, the seller sustains a windfall loss; he has received only a small part of the price, too little to cover both de depreciation of the good and the costs of repossession. (This assumes, but realistically, that the seller will be unable to collect the unpaid balance directly from the buyer by suing him.) Limiting the windfall gains produced by late defaults would lead sellers to require larger down payments or higher initial installment payments or charge higher prices, in order to protect themselves against windfall losses from early defaults. Consumers (especially prudent ones) unable to make large down payments or high initial installment payments would be harmed by the change in the contractual form. These cases are thus unlike ‚Your money or your life‘. The latter stands for a class of transactions that make the ‚buyers‘ worse off ex ante, whereas hard-up consumers benefit from acceding to ‚harsh‘ terms when the alternative would be to pay higher prices.“ S. auch Goldberg, insbesondere 219–224 ebenda; Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 897–900; Luth; Salanié.

254 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Unternehmen praktisch gezwungen werden, die schlechtestmöglichen Bedingungen aufzustellen, um ihren Marktanteil zu sichern. Ebenso denkbar ist jedoch, dass die AGB-Verwenderin den informierten Kunden wegen ihrer „guten“ AGB zum Vertragsabschluss bewegt. Der Kunde wird dann allerdings bereit sein müssen, für solche AGB bzw. dieses Angebot mehr zu bezahlen. Der anbietenden AGB-Verwenderin wird das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion dann freilich nicht zum Nachteil gereichen.

2. Ausnahmen Prävention und Verhaltenssteuerung knüpfen an die Bedingung, dass das gesetzeskonforme Verhalten ex ante als solches erkennbar ist.148 Die Rechtsordnung gewährleistet die Voraussehbarkeit des gesetzeskonformen Verhaltens aber nicht überall. Im Folgenden werden die fehlende Voraussehbarkeit und andere im Lichte des Präventionsgedankens gegen das grundsätzliche Verbot geäußerte Vorbehalte diskutiert.149 a)  Fehlende Voraussehbarkeit Mit Blick auf die Voraussehbarkeit des gesetzeskonformen Verhaltens weist Schmidt zutreffend auf den Zusammenhang zwischen Prävention und präzisen gesetzlichen Vorgaben hin.150 Die Voraussehbarkeit ist einerseits im Falle einer Gesetzes- oder Praxisänderung und andererseits bei gesetzlich nicht fixierten Zulässigkeitsschranken zu verneinen. Richter, 168; Uffmann, 274, je m. w. H. Eine Übersicht zu weiteren, über den Präventionsgedanken hinausgehenden Ausnahmetatbeständen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion bei Canaris, in: FS Steindorff, 519, 552–564; Staudinger-Schlosser, §  306 BGB N.  24b) f. m. w. H. Ebenso zeigt Schmidt einen Ansatzpunkt zur Umschreibung des Ausnahmetatbestands auf. Hiernach soll – im Gegensatz zu einer ex ante-Betrachtung im Verbandsprozess – im Individualprozess ex post beurteilt werden, ob die AGB-Verwenderin die übermäßige Klausel überhaupt durchgesetzt hat, s. im ders., 102–104 m. w. H; ähnlich auch MüKo-Basedow, §  306 BGB N.  14. Auch andere Autoren, die grundsätzlich für das Verbot plädieren, weisen darauf hin, dass es nicht einschränkungslos gilt, doch umschreiben sie den Ausnahmetatbestand nicht näher. So etwa Berger, Allgemeines Schuldrecht, N.  965; Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 290; Widmer, N.  325; strenger Schwenzer, OR AT, N.  46.09, die einen „generellen Ausschluss einer geltungserhaltenden Reduktion“ verlangt. 150  Schmidt, 187; vgl. Posner R., Economic Analysis of Law, 493: „The ex ante approach promotes clarity of legal obligation and therefore presumably better compliance (fewer inadvertent violations) by laying down rules in advance of the regulated activities.“ S. auch ­Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2581, der vertritt, privatautonomes Verhalten ohne Voraussehbarkeit der Folgen käme einer „Lotterie“ gleich. 148 

149 

V.  Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion

255

aa)  Altrechtliche Verträge: Gesetzes- oder Praxisänderung Gerichte prüfen einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt grundsätzlich nach ihrer gegenwärtigen Rechtsüberzeugung. Dies ist immer dann unproblematisch, wenn sich die geltende Rechtslage mit der damaligen deckt. Hat sich die Rechtslage im Zuge einer Gesetzes- oder Praxisänderung in der Zwischenzeit dagegen geändert, führte diese Vorgehensweise zu einer Rückwirkung der gegenwärtigen Rechtslage auf den historischen Sachverhalt.151 Der aufgrund einer nachträglichen Gesetzes- oder Praxisänderung erfolgte Eingriff in Verträge, die zum Abschlusszeitpunkt als wirksam betrachtet worden wären, gestaltet sich als verfassungsrechtlich problematisch.152 Forderungen aus Verträgen sind anerkanntermaßen von der in Art.  26 BV grundrechtlich garantierten Eigentumsgarantie erfasst.153 Entsprechend ist ihre Einschränkung an Art.  36 BV zu messen. Die Prüfung wird regelmäßig ein Rückwirkungsverbot nahelegen, doch sind im Lichte des öffentlichen Interesses und des Verhältnismäßigkeits­ prinzipes Ausnahmen denkbar.154 Fraglich ist allerdings, welche Rechtsfolge diese Ausnahmen rechtfertigen. Mit Blick auf die Prävention erscheinen die gegen eine geltungserhaltende Reduktion vorgebrachten Argumente im Falle einer nach Vertragsschluss erfolgten Gesetzes- oder Praxisänderung von vornherein gegenstandslos.155 Denn eine Präventions- oder Abschreckungswirkung hinsichtlich eines Verbots anzustreben, das bei Vertragsschluss noch gar nicht bestand und das die Parteien daher unmöglich berücksichtigen konnten, wäre gänzlich sinnlos.156 Zudem ist in diesen Fällen der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Daraus folgt, dass die Unwirksamkeit einer nachträglich von einem gesetzlichen Verbot erfassten Klausel nicht weiter reichen darf, als es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Verbot erforderlich ist, und also der geltungserhaltenden Reduktion Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2577. Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2578, 2580. 153  Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, N.  597; Müller/­ Schefer, Grundrechte, 1014; SGK-Vallender/Hettich, Art.  26 BV N.  15; BGE 120 Ia 120 E. 1b S.  121; vgl. auch Canaris, in: JZ 21/1987, 993, 994 f. 154 Vgl. Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2577. 155  Canaris, in: DB 18/2002, 930, 931; s. auch Pfeiffer, in: DZWirR 4/1998, 154, 157. 156  Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2578; MüKo-Basedow, §  306 BGB N.  13; vgl. auch Staudinger-Schlosser, §  306 BGB N.  25 m. w. H. Dieser Gedanke kommt auch an anderer Stelle der Rechtsordnung zum Ausdruck. Vgl. BGE 122 I 57 E. 3d S.  61; 119 Ib 412 E. 3 S.  415, wonach es der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet, der Partei Verfahrens- und Parteikosten aufzuerlegen, wenn ihre Anträge infolge einer Praxisänderung als unbegründet oder unzulässig erklärt wurden. Wäre das Rechtsmittel aufgrund der bisherigen Praxis erfolgreich gewesen und gab erst der konkrete Fall zu einer Praxisänderung Anlass, haben die Kosten gemäß der Praxis des Bundesgerichts beim Staat zu verbleiben. 151 

152 

256 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? auf das gesetzeskonforme Maß unterliegt.157 Das Verbot im Falle einer Gesetzes- oder Praxisänderung durchzusetzen, erwiese sich vor diesem Hintergrund als unverhältnismäßig. Anders zu beurteilen ist die Sachlage freilich, soweit die Rechtsänderung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorhersehbar war.158 bb)  Gesetzlich nicht fixierte Zulässigkeitsschranken Auch eine gesetzlich nicht fixierte Zulässigkeitsschranke vermag ihre Präven­ tionswirkung dort nicht zu entfalten, wo sich noch keine gefestigte Recht­ sprechung und Lehre als Vertrauensgrundlage herausgebildet hat. Wo nämlich konkrete Maßstäbe fehlen, um den Tatbestand des sanktionierten Verhaltens überhaupt zu erkennen, läuft eine ex ante-Steuerung ins Leere.159 Zulässigkeitsschranken sind konkretisierungsbedürftig, wenn sie Generalklauseln oder offene Rechtsbegriffe enthalten. Da mit der Konkretisierungsbedürftigkeit die Unvorhersehbarkeit einhergeht, vertritt ein Teil der Lehre, dass zur Konkretisierung vager Zulässigkeitsschranken ausnahmsweise ebenfalls eine Reduktion auf das noch Zulässige stattfinden muss. Die AGB-Verwenderin könne nämlich ihr normkonformes Verhalten auch in diesen Fällen nicht vorhersehen.160 Zu bedenken ist, dass die AGB-Verwenderin auch bei unsicheren rechtlichen Bestimmungen hart am Wind segeln wird, da sie davon ausgeht, dass der Kunde in den meisten Fällen nicht klagen wird. Wenn in diesen Fällen als Rechtsfolge eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch Zulässige angeboten wird, wird sie gar nicht erst versuchen, die rechtlichen Grenzen auszuloten.161 Erschwerend kommt hinzu, dass bei diesem Ansatz das Rechtsunsicherheitsrisiko auf den Kunden überwälzt wird. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich für den nicht klagefreudigen Kunden noch weniger, gegen eine vermutungsweise unzulässige Klausel gerichtlich vorzugehen.162 Um hier die richtige Lösung zu finden, sind

Canaris, in: DB 18/2002, 930, 931 f. die kritische Analyse der deutschen Rechtslage bezüglich der Behandlung von altrechtlichen Verträgen bei Uffmann, 57–91. 159  Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2583; Uffmann, 274; Beimowski spricht der geltungs­ erhaltenden Reduktion eine positive Funktion zu, als sie hier „Rechtssicherheit“ schaffen könne, ders., 124; in diesem Sinne auch Boemke-Albrecht, 75 f. 160  Canaris, in: FS Steindorff, 519, 547–549; Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 899. 161  Vgl. auf Ebene der Auslegung die sog. contra proferentem-Regel, welche bei Unklarheit zugunsten des Kunden wirkt, unten S.  266. 162  S. hierzu die Beispiele bei Rusch, in: sui-generis 4/2016, 73, 76 f. m. w. H. 157 

158  Vgl.

V.  Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion

257

die Vorteile, welche aus der Verwendung von AGB für beide Seiten resultieren, gegen die normative Kraft des in AGB enthaltenen Faktischen abzuwägen.163 b)  Geltungserhaltende Reduktion zugunsten des Kunden aa)  Betrachtung ex post Die Unanwendbarkeit des Verbots geltungserhaltender Reduktion manifestiert sich auch im Falle, dass der Kunde durch die Vertragsanpassung durch das Gericht ex post begünstigt wird. Der hinter dem Verbot stehende Präventionsgedanke läuft in diesen Fällen von vornherein ins Leere.164 Der BGH führt zwar aus, dass „[d]er mit dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfolgte Schutz des Verbrauchers sowie der Zweck des Gesetzes, den Rechtsverkehr vor unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freizuhalten“, eine teilweise Aufrechterhaltung übermäßiger Klauseln verbiete.165 Canaris argumentiert allerdings, dass der Zweck, den Rechtsverkehr vor übermäßigen Klauseln freizuhalten, nur eine unselbständige Ausprägung des generellen Zweckes sei, den Kunden zu schützen, und daher keinen zusätzlichen Argumentationswert habe. Doch selbst wenn man der Freihaltung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Klauseln den Rang eines eigenständigen Schutzzweckes zubilligen wollte, ließe sich dadurch die Anwendung des Verbots geltungserhaltender Reduktion zu Lasten des Kunden nicht rechtfertigen. Denn dieser habe grundsätzlich nicht die Verantwortung für den von der Verwenderin vorformulierten Text – und zwar auch nicht hinsichtlich der für ihn günstigen Klauseln – zu tragen. Vor diesem Hintergrund wäre es eine unverhältnismäßige Rechtsfolge, den Kunden durch Annahme der vollständigen Unwirksamkeit auch dann zu benachteiligen, wenn eine Herabsetzung an sich möglich wäre. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das Zulässige führe hier nämlich regelmäßig zu einer günstigeren Regelung, als sie das dispositive Recht vorsehe.166 bb)  Betrachtung ex ante (Art.  2 Abs.  2 ZGB) Als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot ist mit Blick auf die Vorteile für den Kunden auch zu diskutieren, ob der AGB-Verwenderin der Nachweis offenstehen soll, der Kunde habe sich bei Vertragsabschluss ex ante, also vor Eintritt Vgl. zur Interessenabwägung in diesen Fällen auch Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2583. 164  Canaris, in: NJW 20/1988, 1243, 1244; ders., in: FS Steindorff, 519, 552; Kut/Stauber, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 131; Pauly, in: JR 9/1997, 357, 362. 165  BGHZ 84, 109, 116. 166  Zum Ganzen Canaris, in: NJW 20/1988, 1243, 1244. 163 

258 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? des Schadensfalls, mit der Überwälzung der Risiken auf ihn zugunsten eines tieferen Preises einverstanden erklärt. Dies wurde so bislang nicht erwogen.167 Bei dieser Betrachtungsweise werden die AGB als eine Versicherung betrachtet, die man zusätzlich zu den essentialia negotii abschließt.168 Auch hier kann es natürlich nicht sein, dass das Gericht einen Vertrag genehmigt, der die Rechtsordnung sprengt. Allerdings wäre anzudenken, ob sich hier nicht dennoch eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch Zulässige als die angemessenere Rechtsfolge erwiese. Von den Vorteilen der Geltungskontrolle profitiert zum Beispiel auch nur der nicht informierte Kunde, der den AGB global zugestimmt hat.169 Ebenso wäre bei einer entsprechenden Beweislastverteilung eine Unterscheidung auf Ebene der Inhaltskontrolle denkbar. Dogmatisch ließe sich dieses Ergebnis mit der in Art.  2 Abs.  2 ZGB verankerten Rechtsmissbrauchsschranke begründen. c)  Gutgläubigkeit/Bösgläubigkeit der AGB-Verwenderin Nach einem Teil der Lehre ist eine geltungserhaltende Reduktion im Einzelfall nur abzulehnen, „wenn davon ausgegangen werden muss, dass die AGB-Verwenderin bewusst mit dieser Rechtsfolge spekuliert, wenn es also nahe liegt, dass versucht werden soll, eine Schutznorm zu unterlaufen. Eine solche Annahme darf jedoch nicht leichthin angenommen werden.“170 Damit wird ein subjektives Kriterium in die Diskussion eingeführt, nämlich die Gut- bzw. Bösgläubigkeit der Verwenderin.171 Es wird nuancenreich vorgebracht, dass der Prävention die Grundlage fehle, wenn die AGB-Verwenderin das Übermaß der AGB 167 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 554, welche davon ausgehen, eine Preissenkung durch AGB entspreche nicht den Präferenzen des Kunden. Demgegenüber vertritt Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 503: „Il n’est pas exclu que la partie à laquelle la clause préformulée est présentée profite dans une certaine mesure de l’absence de pourparles, car cela permet de limiter les frais de conclusion du contrat et de modérer éventuellement le montant de la rémunération de l’autre partie […].“ Auch Beimowski könnte dieser Position wahrscheinlich etwas abgewinnen, s. ders., 126; ebenso Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 899 f. 168 Vgl. Posner R., Economic Analysis of Law, 129, der von einer „insurance function of contracts“ spricht. 169  S. zur Globalübernahme unten S.  263 f. 170  Hess/Ruckstuhl, in: AJP 9/2012, 1188, 1211; Wetzel/Grimm/Mosimann, in: MRA 1/2013, 3, 12. Diese Ansicht wird auch im deutschen Schrifttum prominent vertreten von Canaris, in: FS Steindorff, 519, 557–563; Kötz, in: NJW 16/1979, 785, 789; Boemke-Albrecht, 55; s. auch Ben-Shahar, in: Stan. L. Rev. 4/2011, 869, 906; Uffmann, 274–276 m. w. H.; kritisch von Mettenheim, in: FS Piper, 937, 942. 171  Besondere Fragen stellten sich insbesondere auch im Falle sog. Dritt-AGB, bei denen die Verwenderin von AGB und die Person, die dieselben ausgearbeitet hat, nicht identisch sind.

V.  Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot geltungserhaltender Reduktion

259

weder gekannt noch sich dieser Erkenntnis bewusst verschlossen habe.172 In diesen Fällen soll daher eine Reduktion auf das Zulässige vorgenommen werden.173 Zum Beweis dieses inneren Moments werden objektive Kriterien, wie die Eindeutigkeit des Verstoßes etwa gemessen an seiner quantitativen Erheblichkeit, als Vermutungsregeln vorgeschlagen.174 Canaris schlägt als weiteres Beurteilungskriterium die Stellung der AGB-Verwenderin vor, sei doch die „Gutgläubigkeit bei einem Kleinunternehmen ohne Hausjuristen anders zu beurteilen als bei einem Großunternehmen oder bei Übernahme der von einem Verband aufgestellten AGB.“175 Problematisch an diesem Ansatz sind einerseits die Definition der Erheblichkeitsschwelle, wann nämlich ein Gesetzesverstoß als erheblich zu qualifizieren ist, und andererseits die Festlegung der Sorgfaltspflicht, die die Verwenderin im Hinblick auf ihre Rechtskenntnisse bei der Ausarbeitung der AGB trifft. Konkrete Anhaltspunkte zur näheren Umschreibung dieser Kriterien fehlen in der Literatur und auch Canaris äußert sich hierzu nur vage.176 Er vertritt, dass die Anforderungen „streng“ sein müssten, allerdings auch „nicht überspannt“ werden dürften.177 Da auch der Erheblichkeitsgrenze ein wertendes Moment inhärent ist, führte die Einführung eines subjektiven Kriteriums zur Bestimmung der Rechtsfolge der Inhaltskontrolle zu großer Rechtsunsicherheit. Dogmatisch wäre sie zudem schwer begründbar. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden zwar subjektiv ausgelegt, wodurch auch das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss eine Rolle spielt, aber bietet die Inhaltskontrolle – abgesehen von Art.  21 OR – wohl keinen Anknüpfungspunkt dafür, den Kontrollmaßstab über das objektive Kriterium der Rechtsverletzung hinaus auch auf die dahinter stehende Vorgehens- oder Verhaltensweise gegenüber dem Kunden auszudehnen.178 Insofern ist die Gut- oder Bösgläubigkeit der AGB-Verwenderin als Uffmann, 275 m. w. H. Boemke-Albrecht, 115–120; Canaris, in: FS Steindorff, 519, 553. 174 S. Witte, 246. 175  Canaris, in: FS Steindorff, 519, 557. 176 Vgl. Uffmann, 275 m. w. H. 177  Canaris, in: FS Steindorff, 519, 557. 178  Fraglich ist, ob das in Art.  8 UWG enthaltene Tatbestandsmerkmal „in Treu und Glauben verletzender Weise“ in diese Richtung verstanden werden könnte, da die Inhaltskontrolle nach UWG mit einem unlauteren Verhalten der Verwenderin assoziiert wird; in diese Richtung bereits Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 87. Die herrschende Lehre lehnt dies jedoch ab. Es wird vertreten, es handele sich nicht um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, sondern um einen Prüfmaßstab dafür, ob ein Klauselwerk krass einseitig ausgestaltet ist, s. die Übersicht über die Lehrmeinungen bei Aeschimann, in: Jusletter 1. September 2014, Rz. 16. Artikel 8 UWG sanktioniere ein wettbewerbsrechtlich unzulässiges Verhalten; in diesem Sinne Koller A., OR AT, §  23 N.  76. Vgl. zur Rechtslage in Deutschland Uffmann, 276. 172  173 

260 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Ausnahmetatbestand abzulehnen. Wie an anderer Stelle von Canaris mit Blick auf die Sorgfaltspflicht der Verwenderin vorgeschlagen, böte es sich vielmehr an, an die Formulierung der AGB formaljuristisch nicht allzu strenge Anforderungen zu stellen, sondern die Auslegung mit gesundem Augenmaß vorzunehmen, sodass ein Verstoß gegen eine Zulässigkeitsgrenze etwa nicht aus dem Fehlen von Selbstverständlichkeiten hergeleitet werden kann. Eine Freizeichnungsklausel sollte nicht schon deshalb vollständig unwirksam sein, weil in ihr die Haftung für Vorsatz nicht ausdrücklich aufrechterhalten wird. Canaris bemerkt hierzu zu Recht, dass „[k]eine bei Verstand befindliche Verwenderin […] nämlich ihre Haftung auch für Vorsatz ausschließen [will]“.179 Weniger relevant für die Schweiz dürfte mit Blick auf die Gutgläubigkeit die in Deutschland vertretene Ausnahme vom Verbot geltungserhaltender Reduktion aufgrund der unscharfen Abgrenzung von Individualvereinbarung und AGB sein.180 Hiernach soll auch diejenige Verwenderin als gutgläubig gelten, die besondere Bestimmungen zur Kontrolle von AGB verletzt, sich infolge der unscharfen Abgrenzung zur Individualvereinbarung aber gar nicht im Klaren darüber war, dass diese auf den Vertrag anwendbar sind.181 Individualvereinbarungen nehmen eine Zwischenstellung bezüglich AGB und Individualvertrag ein, die dem schweizerischen Rechtsdenken unbekannt ist. Gemäß §  305 Abs.  1 S.  3 BGB erfüllen Individualvereinbarungen die in §  305 Abs.  1 S.  1 BGB erwähnten Begriffsmerkmale von AGB zwar, doch unterfallen sie dem Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle nicht, weil sie „zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt“ wurden.182 Hintergrund dieser Unterscheidung ist, dass die in §  306 Abs.  1 S.  1 BGB erwähnten Begriffsmerkmale von AGB, das Stellen und das nicht Verhandeln, nach deutscher Lehre im Gegensatz zur schweizerischen zwei unterschiedliche Regelungsgehalte betreffen.183 Das Stellen definiert nach dieser Auffassung nur, wem die Verwenderrolle zukommt.184 Ansonsten verlöre die in §  305 Abs.  1 S.  3 BGB eingeführte Zwischenkategorie jegliche materielle Bedeutung.185 Indem AGB und Individualvertrag in der Schweiz dagegen als Gegenbegriffe verstanden werden,186 da sie definitionsgemäß als vorformuliert gelten, was sowohl das Stellen und die Festsetzung der Vertragsbe-

Canaris, in: FS Steindorff, 519, 553. Miethaner. 181  Canaris, in: FS Steindorff, 519, 563 f. 182  Miethaner, 5. 183 Vgl. Widmer, N.  11 m. w. H. 184  Im Überblick Miethaner, 182–185 m. w. H.; MüKo BGB-Basedow, §  305 N.  21. 185  Miethaner, 5. 186  S. hierzu unten S.  264. 179 

180 Grundlegend

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

261

dingung durch eine Partei umfasst, 187 dürfte die Abgrenzung hier leichter fallen und die Verwenderseite insofern nicht in die „AGB-Falle“ tappen lassen.188

3.  Zwischenergebnis Ein ausnahmsloses Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auf das Zulässige erweist sich im Lichte der Prävention als zu weitgehend. Ausnahmen sind insbesondere zu machen, wo die Voraussehbarkeit des normkonformen Verhaltens nicht gegeben ist, soweit damit das Rechtsunsicherheitsrisiko nicht auf den Kunden überwälzt wird. Ebenso läuft die Prävention dort ins Leere, wo der Kunde von der geltungserhaltenden Reduktion ex post profitiert.

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle unter besonderer Berücksichtigung von Art.  8 UWG 1.  Ziele der AGB-Kontrolle Zurückübertragen auf die Dogmatik lässt die ökonomische Analyse hinsichtlich des Schutzzwecks der AGB-Kontrolle zwei Erkenntnisse zu: Aus Parteiensicht dient die AGB-Kontrolle dem Interessenausgleich im Sinne der Rekonstruktion des vollständigen Vertrags. Da übermäßige AGB-Klauseln oftmals akzeptiert werden und damit einer gerichtlichen Prüfung entzogen sind, soll die AGB-Kontrolle aus Wettbewerbsperspektive zugleich dem Marktversagen entgegenwirken.189 Daraus folgt im Sinne eines überindividuellen Schutzzwecks der AGB-Kontrolle die Prävention.190 Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein spezifisch wettbewerbsrechtliches Regelungsanliegen, denn heutzutage ist unstreitig, dass auch dem Privatrecht Steuerungswirkung zukommt.191 Insofern dient die Prävention auf einer übergeordneten Ebene mittelbar auch dem Interessenausgleich auf Parteiebene. Bouverat, N.  34; Carron, in: Carron/Müller, 95, N.  79; Dupont, in: Bohnet, 99, N.  8; Eisner-Kiefer, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 83, 90; CHK-Ferrari-Hofer/Vasella, Art.  8 UWG N.  2; Furrer, in: HAVE 4/2011, 324, 325; Gauch, in: BR 3/1987, 51, 52; abweichend Gobet, in: ST 8/2013, 539, 539; Jenny, 18 f.; Huguenin, OR AT/BT, N.  605; vgl. auch die Hinweise bei Huguenin, in: recht 3/1995, 85, 89 f. 188  Im Einzelnen Kessel/Jüttner, in: BB 26/2008, 1350, 1351. 189  S. oben S.  234 ff. 190  So bereits Uffmann, 271 f.; kritisch Probst, in: Jusletter 6. Februar 2017, insbesondere Rz. 77 f.; s. auch Koch, in: JZ 19/1999, 922, 928 f.; Posner R., Economic Analysis of Law, 99. 191  Grundlegend für den kontinentaleuropäischen Diskurs Wagner, in: AcP 206 (2006), 352 ff. 187 

262 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Zu prüfen ist, inwieweit das dreistufige Verfahren in der Schweiz zur Kontrolle von AGB zu einem Interessenausgleich führt und der Prävention dient. In diesem Lichte ist sodann die Frage zu beantworten, welches Regulierungs­ modell als Rechtsfolge von Art.  8 UWG in Frage kommt.

2.  AGB-Kontrollstufen im schweizerischen Recht Besondere Bestimmungen für eine Kontrolle von AGB fehlen in der Schweiz weitgehend.192 Anders als etwa im deutschen Recht ist das AGB-Recht in der Schweiz nicht umfassend kodifiziert. Abgesehen von Art.  8 UWG sind die schweizerischen Regeln darüber, wie mit AGB umzugehen ist, weitestgehend ungeschriebenes Recht.193 Gestützt auf die Grundprinzipien des allgemeinen Vertragsrechts haben Rechtsprechung und Lehre ein dreistufiges Prüfsystem zur Kontrolle von AGB entwickelt. Dieses setzt sich aus der Geltungskontrolle, Auslegungskontrolle und einer verdeckten Inhaltskontrolle zusammen. Während die Geltungskontrolle die Frage betrifft, ob AGB überhaupt Vertragsbestandteil geworden sind, regelt die Auslegungskontrolle, nach welchen Grundsätzen vorformulierte Vertragsbedingungen auszulegen sind. Die Inhaltskontrolle, seit 1988 vorgesehen in aArt.  8 UWG,194 soll schließlich eine inhaltliche Überprüfung von AGB ermöglichen.195 Damit ist festzustellen, dass die Kontrolle von AGB in der Schweiz dualistisch aufgebaut ist. Sie findet auf Stufe der Geltung, Auslegung und zum Teil des Inhalts im Kontext des Vertragsrechts statt. Die offene Inhaltskontrolle ist sodann im Wettbewerbsrecht geregelt. a)  Geltungskontrolle Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt keine Allgemeinverbindlichkeit zu.196 Daher gilt: Keine Geltung ohne Übernahme. Das heißt, zwischen den Parteien muss im Sinne von Art.  1 Abs.  1 OR konsentiert sein, bestimmte AGB in den Vertrag einzubeziehen.197 Das OR sieht diesbezüglich keine besonderen 192  Eine umfassende Regelung, welche Anfang 2000 geplant war, ist nicht Gesetz geworden. Dasselbe Schicksal widerfuhr dem im Rahmen der (gescheiterten) VVG-Revision vorgeschlagenen E-Art.  20a OR. 193  S. aber z. B. Art.  256 Abs.  2 lit.  a und 288 Abs.  2 lit.  a OR, Art.  3 VVG und Art.  4 PauRG. 194  Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) vom 19. Dezember 1986 trat am 1. März 1988 in Kraft. 195  Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 263. 196  Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 282 m. w. H. 197  Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1128 f.; Koller spricht hier von einem

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

263

Bestimmungen für AGB vor. Den Grundsätzen des allgemeinen Vertragsrechts entsprechend ist neben einer ausdrücklichen auch eine stillschweigende oder konkludente Vereinbarung möglich.198 Von Seiten der Lehre besteht mit Blick auf die Zulässigkeit einer stillschweigenden oder konkludenten Übernahme jedoch eine gewisse Zurückhaltung im Falle von B2C-Verträgen.199 Für die weitere Geltungskontrolle von AGB wird zwischen Voll- und Global­ übernahme unterschieden.200 Trotz Übernahme in den Vertrag erlangen AGB nämlich in gewissen Konstellationen keine Geltung. Unproblematisch ist die Bindungswirkung von AGB im Falle einer Vollübernahme. Diese setzt voraus, dass der Inhalt der AGB tatsächlich gelesen, verstanden und akzeptiert wurde.201 In der Rechtswirklichkeit stellt dies allerdings den Ausnahmefall dar. Denn AGB werden in den meisten Fällen global übernommen, das heißt, ohne im Einzelnen gelesen oder verstanden worden zu sein.202 In diesem Fall erscheint die Geltung von AGB sowohl aus vertragstheoretischer als auch ökonomischer Perspektive allerdings fragwürdig. Die schweizerische Privatrechtsdogmatik trägt diesem Umstand durch eine verschärfte AGB-Kontrolle im Falle einer Globalübernahme Rechnung. Damit AGB trotz Globalübernahme auf das Vertragsverhältnis Anwendung finden, müssen sie vom Kunden in zumutbarer Weise zur Kenntnis genommen werden können.203 Dies setzt voraus, dass im Hauptvertrag auf den Einbezug der AGB hingewiesen wurde und dass die AGB bei Vertragsschluss effektiv einsehbar waren.204 Zudem müssen AGB in gut lesbarer Form und verständli-

„Konsensgefälle“, da der Übernahmevertrag auf Seiten des Kunden auf einem „schwachen“ und auf Seiten der Verwenderin von einem „starken“ Konsens getragen werde, ders., in: AJP 3/2016, 279, 280. 198  BGer 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1 sowie bereits BGE 77 II 154; 100 II 200; vgl. auch Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1130; Huguenin, OR AT/BT, N.  614; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 264. 199  Zum Ganzen Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 264; Huguenin, OR AT/BT, N.  616 verweisend auf Art.  4 Abs.  1 und 2 PauRG, wonach AGB dem Kunden vor Vertragsschluss zugegangen und schriftlich bestätigt worden sein müssen. 200  Kritisch bezüglich der Zweistufigkeit des Verfahrens Hadžimanović, 91–93. 201  Huguenin, OR AT/BT, N.  618; im Einzelnen Kramer/Probst/Perrig, N.  86–90. 202  BGer 5C.220/2000 vom 11. Dezember 2000 E. 2a; vgl. auch BGE 64 II 355 E. 3 S.  357; 108 II 416 E. 1b S.  418; 119 II 443 E. 1a S.  445 f.; BGer 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1; aus der Lehre Huguenin, OR AT/BT, N.  618; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1130 f.; es sind auch Abstufungen möglich, wonach einzelne Klauseln global und andere voll übernommen werden, Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 282 Fn.  12. 203  BGE 139 III 345 E. 4–6 S.  347 ff.; im Einzelnen Perrig. 204  Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 265; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1140a.

264 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? cher Sprache abgefasst sein.205 Diese Voraussetzungen sind von der Verwenderin zu beweisen; der Einbezug wird nicht vermutet.206 Auch wenn dieser Beweis geführt wird, erlangen AGB aufgrund des Vorranges der Individualabrede allerdings soweit keine Geltung, als der Vertrag eine vom Inhalt der AGB abweichende individuelle Vereinbarung enthält.207 Für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen gelten als Individualvertrag, wenn sie entweder individuell abgeändert wurden oder über die (einzelnen) Klauseln zumindest verhandelt wurde, auch wenn sie im Ergebnis unverändert blieben. Eine individuelle Abänderung dürfte sich regelmäßig als unproblematisch erweisen, weil sie aus dem Vertragstext zum Beispiel aus handschriftlichen Änderungen hervorgeht. Für die Abgrenzung bei unverändertem Inhalt ist in den Worten des Bundesgerichts demgegenüber entscheidend, „ob es ohne Verhandlung über den Vertragsinhalt im Wesentlichen bei der vom Urheber geschaffenen Fassung geblieben ist oder ob der Urheber mit dem Vertragspartner zumindest in einer Weise über den Inhalt verhandelt hat, dass das Verhandlungsergebnis einem individuell ausgehandelten Einzelvertrag gleichgestellt werden kann.“208 Die Parteien müssen also ernsthafte Verhandlungen geführt haben, bei denen der Verwendungsgegner die Möglichkeit hatte, die ihm vorgelegten Vertragsbedingungen zu beeinflussen.209 Unwesentlich ist, ob die Vertragsbedingungen hiernach bei ihrem von der Verwenderin vorgeschlagenen Wortlaut bleiben, soweit dies auf eine bewusste Entscheidung der Parteien zurückgeht.210 Ferner kann AGB die Geltung aufgrund der Ungewöhnlichkeitsregel versagt werden. Nach dieser gelten ungewöhnliche AGB-Klauseln, auf deren Vorhandensein die schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei nicht speziell aufmerksam gemacht wurde, als nicht einbezogen (sog. verdeckte Inhaltskon­ trolle211).212 Begründet wird dies mit dem Vertrauensgrundsatz, wonach Wil­ lenserklärungen so auszulegen sind, wie sie ihr Empfänger in guten Treuen verArt.  1 OR N.  207; Huguenin, OR AT/BT, N.  617. Vgl. BGE 118 II 295 E. 2a S.  296. 207  S. z. B. BGE 125 III 263 E. 4b/bb S.  266 f.; 123 III 35 E. 2c/bb S.  4 4; Huguenin, OR AT/ BT, N.  613; Hadžimanović, 92; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  1 OR N.  210; Kramer/Probst/ Perrig, N.  82–85. Um diese Feststellung überhaupt treffen zu können, müssen beide Klauseln vorab ausgelegt werden, womit AGB trotzdem der Auslegungskontrolle unterfallen; s. hierzu Gauch, in: Gauch/Schmid, 209. 208  BGer 4P.135/2002 vom 28. November 2002 E. 3.3. 209  Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 542. 210  Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 264; zum Ganzen Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 501. 211  Im Einzelnen Koller T., in: AJP 8/2008, 943 ff. 212  BGE 138 III 411 E. 3.1 S.  412 f.; 135 III 1 E. 2.1 S.  7; 119 II 443 E. 1a S.  4 45 f.; s. auch 205 BK-Kramer/Schmidlin, 206 

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

265

stehen durfte und musste.213 Ob eine Klausel ungewöhnlich ist, beurteilt sich einerseits aus der subjektiven Perspektive des Kunden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.214 Demnach kann auch eine branchenübliche Klausel für einen branchenfremden Kunden ungewöhnlich und damit unwirksam sein.215 Andererseits muss die Klausel auch objektiv betrachtet einen geschäftsfremden Inhalt aufweisen. Unwirksam sind demnach Klauseln, „deren Inhalt von dem ­abweicht, was vernünftigerweise erwartet werden“ darf216, und gleichzeitig „zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führen und in erheblichem Maße aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fallen“217. Indem die unterschiedliche Strenge der Geltungskontrolle beim Nichtlesen der AGB ansetzt, legt das Bundesgericht diesem Kontrollschritt grundsätzlich die von der Rechtsökonomik geforderte Wertung der Rationalität der Ignoranz zugrunde und schafft gleichzeitig einen Anreiz, AGB auch künftig nicht zu lesen.218 Relativiert wird dieser Ansatz jedoch im Hinblick auf die verdeckte Inhaltskontrolle, in deren Rahmen bezüglich der Geltungskontrolle von ungewöhnlichen Klauseln auf die Branchenerfahrenheit des Kunden abgestellt wird. b)  Auslegungskontrolle Gelten AGB als in den Vertrag einbezogen, sind sie im Folgenden auszulegen. Hierbei kommen vorderhand dieselben Auslegungsregeln zur Anwendung wie im Falle von Individualverträgen.219 Anders als in Deutschland, wo AGB objekEhle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 265; Huguenin, OR AT/BT, N.  623; BK-Kramer/ Schmidlin, Art.  1 OR N.  203; Kramer/Probst/Perrig, N.  66, im Einzelnen 173–187. 213  Vgl. BGer 5C.220/2000 vom 11. Dezember 2000 E. 2a; zum Vertrauensgrundsatzes s. Jäggi, in: FS Simonius, 145 ff.; Gauch, in: FG der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur Hundertjahrfeier der Universität Freiburg, 177, 183; Huguenin, OR AT/BT, N.  620. Nach anderer Ansicht wurden solche Klauseln gar nicht erst übernommen. Es handelt sich dogmatisch also um eine Dissens-Problematik. Dies lässt sich jedoch schwer damit vereinbaren, dass die Globalübernahme gerade in der Zustimmung zu einem Vertragstext liegt, dessen Inhalt als nicht bekannt vorausgesetzt ist; vgl. zu dieser Kritik Gauch/Schluep/Schmid/­ Emmenegger, OR AT, N.  1141a m. w. H. 214  Huguenin, OR AT/BT, N.  623. 215  Vgl. BGE 119 II 443 E. 1a S.  4 45 f. 216  BGE 109 II 452 E. 4 S.  456 f. 217  BGE 135 III 225 E. 1.3 S.  227; s. zur objektiven und subjektiven Ungewöhnlichkeit im Einzelnen Koller T., in: AJP 8/2008, 943, 947–951; Mülbert, in: AJP 6/1995, 732, 724. 218  Vgl. auch Bahar, in: Thévenoz/Bovet, 99, 114. 219  Hadžimanović, 122; zu den Auslegungsregeln s. im Einzelnen Gauch/Schluep/Schmid/ Emmenegger, OR AT, N.  1222–1235; Koller A., OR AT, §  9 N.  1 i. V. m. §  3 N.  153–171. Spezielle Auslegungsgrundsätze gelten, wenn Konsumentenschutzorganisationen oder der Bund wegen Unlauterkeit nach UWG gegen die Verwendung von AGB klagen. Zu den Auslegungsregeln in diesem Fall, Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1256 f.

266 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? tiv ausgelegt werden,220 wird der Vertragsinhalt in der Schweiz unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles ermittelt.221 Dieser subjektive Ansatz führt dazu, dass identischen Verträgen je nach Einzelfall ein unterschiedlicher Sinn beizumessen ist.222 In Erweiterung der klassischen Auslegungsgrundsätze haben Rechtsprechung und Lehre zur Auslegung von AGB die Unklarheitenregel (auch contra proferentem-Regel genannt) eingeführt.223 Nach dieser muss sich die AGB-­ Verwenderin im Falle eines mehrdeutigen Klauselinhalts im Sinne des Grundsatzes in dubio contra stipulatorem die für sie ungünstigere Variante entgegenhalten lassen.224 Zudem hat das Bundesgericht mehrmals bestätigt, dass AGB, die zu Lasten des Kunden vom dispositiven Gesetzesrecht abweichen, restriktiv auszulegen sind.225 Das Restriktionsprinzip ist vom Gedanken getragen, Par­ teien pflegten „auch bei allgemeiner Ausdrucksweise doch nur einzelne typische Sachverhalte zu bedenken, so daß sie die Tragweite einer allgemeinen ­Regel häufig nicht überblicken und die Regel folglich nicht in ihrer Allgemeinheit wollen“.226

220 S. Graf von Westphalen/Thüsing, Art. „Rechtsfolgen“, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, N.  10 f. m. w. H. 221  BGer 4C.110/2004 vom 17. Juni 2004 E. 3.3 mit Hinweis auf BGE 122 III 118; s. auch BGE 126 III 388 E. 9d S.  391; 122 III 118 E. 2a S.  121; 117 II 609 E. 6c S.  621; s. auch Ehle/ Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 266; Huguenin, OR AT/BT, N.  627; BK-Kramer/Schmidlin, Art.  1 OR N.  218–221; ZK-Schönenberger/Jäggi, Art.  1 OR N.  490; Gauch, in: Gauch/ Schmid, 209, 219. 222  Gauch, in: Gauch/Schmid, 209, 219; a. A. Hadžimanović, 93 f., welche davon ausgeht, dass die Schweiz ebenfalls zur objektiven Auslegung übergegangen sei. 223  Im Einzelnen Kramer/Probst/Perrig, N.  253–263. 224  Vgl. Art.  33 VVG, der diesen Grundsatz für den Versicherungsvertrag konkretisiert, wonach nämlich im Versicherungsvertrag die Haftung für bestimmte Ereignisse nur in „bestimmter, unzweideutiger Fassung“ ausgeschlossen werden kann. Des Weiteren Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 266 f.; Bucher, OR AT, 185; Huguenin, OR AT/BT, N.  629; vgl. auch die Anwendungsfälle in BGer 4C.215/2002 vom 11. November 2002 E. 2.4; BGE 126 III 388 E. 9d–10b S.  391 f.; 115 II 264 E. 5a S.  268. In Abweichung zur sonstigen Literatur, aber mit demselben Ergebnis, versteht Koller die Unklarheitenregel als Dissens-Regel, ders., OR AT, §  23 N.  64–66; Hadžimanović versteht das Auslegungsergebnis nach der contra proferentem-Regel dagegen als die für den Kunden günstigste Lesart, dies., 117. 225  BGE 91 II 344 E. 2a S.  348; 107 II 161 E. 6c S.  164; 115 II 474 E. 2d S.  479; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 267; Koller A., OR AT, §  23 N.  69; BSK-Wiegand, Art.  100 OR N.  3; Kramer/Probst/Perrig, N.  235–272. 226 ZK-Schönenberger/Jäggi, Art.  1 OR N.  497, s. auch N.  499; ferner Koller A., OR AT, §  23 N.  69; s. zum Ganzen auch Kramer/Probst/Perrig, N.  267.

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

267

c) Inhaltskontrolle Im Rahmen der Inhaltskontrolle als letzter Stufe des Kontrollsystems wird geprüft, ob der Inhalt der AGB, die in den konkreten Vertrag übernommen wurden und deren Auslegung zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat, wirksam ist.227 aa)  Allgemeine vertragsrechtliche Inhaltskontrolle Ungeachtet der am Vertrag beteiligten Parteien ist zunächst zu prüfen, ob gegen eine allgemeine Schranke des zwingenden Vertragsrechts verstoßen wurde.228 Wie oben in der Rechtsprechungsanalyse dargestellt, wird hier vorab geprüft, ob die einzelnen Vertragsklauseln einen widerrechtlichen, sittenwidrigen oder einen gegen die öffentliche Ordnung verstoßenden Inhalt haben (vgl. Art.  19 f. OR).229 Die allgemeine vertragsrechtliche Inhaltskontrolle reicht jedoch nicht, um der AGB-Problematik Herr zu werden. Denn in AGB wird regelmäßig eine Vertragsordnung formuliert, die zwar vor dem zwingenden Recht und den allgemeinen Vertragsschranken (Art.  19 f. OR, Art.  27 ZGB etc.) gerade noch standhält, jedoch die Rechtsstellung des Kunden in einem für Individualverträge völlig unüblichen Maße beeinträchtigt, indem die Risiken einseitig zu seinen Lasten verteilt werden.230 Morin konstatiert vor diesem Hintergrund zu Recht, dass „[l]es art. 19 et 20 CO ne permettent pas de régler le problème du transfert des risques. Une clause non négociée qui s’écarte seulement du droit dispositif ne peut en effet pas être qualifiée d’illicite (cf. art. 19 al. 1 CO). Par ailleurs, le déséquilibre qu’induit une telle clause n’est en général pas excessif au point d’apparaître comme contraire aux moeurs (art. 27 CC et 19–20 CO). […] L’art. 21 CO n’est pas non plus adapté au phénomène des clauses non négociées. Le but de cette disposition rejoint bien celui que l’on cherche à atteindre en traitant juridiquement ce phénomène, puisqu’elle vise à assurer le juste équilibre entre la liberté contractuelle de chaque partie.“231 Da die dargestellten vertragsrechtlichen Kontrollstufen nicht vor unangemessenen bzw. übermäßigen Klauseln schützen, die nicht ungewöhnlich oder unklar sind, werden AGB neuerdings einer offenen Inhaltskontrolle gemäß Art.  8 UWG unterzogen. Diese Bestimmung ist nur auf B2C-Verträge anwendbar. Verträge im unternehmerischen Verkehr können deshalb weiterhin nur im Rahmen der verdeckten Inhaltskontrolle geprüft werden.232 Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1146. Art.  19/20 OR N.  290–293. 229 Vgl. Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 282; Mülbert, in: AJP 6/1995, 732, 725. 230  Koller A., in: AJP 3/2016, 279, 281; vgl. auch Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 507 f. 231  Morin, in: ZSR 1/2009, 497, 508. 232  S. oben S.  264 f. 227 

228 BK-Kramer,

268 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? bb)  Inhaltskontrolle gemäß Art.  8 UWG (1)  Rechtslage zum aArt.  8 UWG Eine spezifisch auf AGB ausgerichtete Inhaltskontrolle war zunächst in aArt.  8 UWG vorgesehen.233 In der Praxis kam sie allerdings nicht zum Tragen und wurde von der Rechtslehre gemeinhin als untaugliches Mittel gegen missbräuchliche AGB kritisiert.234 Die Inhaltskontrolle auf Grundlage des aArt.  8 UWG scheiterte maßgeblich daran, dass der Gesetzestext nicht nur auf die Missbräuchlichkeit der AGB abstellte, sondern festschrieb, dass insbesondere „[u]nlauter handelt […], wer vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei: a. von der unmittelbar oder sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abweichen oder b. eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen“. Aufgrund des Irreführungs-Kriteriums hat das Bundesgericht die Missbräuchlichkeit von AGB nach aArt.  8 UWG nur einmal in einem obiter dictum festgestellt.235 Und zwar wurde in BGE 119 II 443 eine in einem Automietvertrag enthaltene Klausel zur Haftung der Mieterin, die erheblich von den üblichen Regeln der Kaskoversicherung abwich, für unlauter erklärt.236 Im zu beurteilenden Fall hat das Bundesgericht die Rechtsfolgenfrage des aArt.  8 UWG offengelassen. Unter dem Blickwinkel des aArt.  8 UWG ausdrücklich nicht für missbräuchlich befunden wurde hingegen eine unzulässige Risikoverteilung in AGB mit Blick auf im Sinne von Art.  1132 OR gefälschte Checks.237 In BGE 140 III 404 wurde ausgeführt, dass eine automatische Ver233  Zu den Gründen, weshalb die Inhaltskontrolle ins UWG und nicht ins OR aufgenommen wurde, s. Jung, in: Brunner/Schnyder/Eisner-Kiefer, 129, 130 f.; diesbezüglich kritisch Jetzer/Zindel, in: SJZ 24/1994, 432, 435; Gauch, in: BR 3/1987, 50, 60; a. A. BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  281, der vertritt, dass „das innere (zur Begründung einer spezifischen AGB-­Inhaltskontrolle wesentliche) Kriterium der Überrumpelung des Kunden (hier: durch nicht ausgehandelte AGB) einen traditionellen lauterkeitsrechtlichen Bezug hat“; BSK-­ Thouvenin, Art.  8 UWG N.  15, 72–75; zur Entstehungsgeschichte im Allgemeinen Mülbert, in: AJP 6/1995, 732, 725 f.; BSK-Thouvenin, Art.  8 UWG N.  60–71; Probst, in: Jusletter 6. Februar 2017, Rz. 48–53. 234 S. Huguenin, OR AT/BT, N.  609 und 634; Koller A., OR AT, §  23 N.  74; Stöckli H., in: BR 4/2011, 184, 185. 235  Zum Ganzen Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 263. 236  BGE 119 II 443 E. 1c S.  4 48. Das Bundesgericht betrachtete die für unlauter befundene Klausel bereits im Lichte der Ungewöhnlichkeitsregel für unwirksam. Vgl. auch Urteil 4C.538/1996 vom 5. August 1997 E. 2.1, wo das Bundesgericht anerkannte, dass die von aArt.  8 UWG vorausgesetzte Irreführung schon dann zu bejahen sei, wenn eine AGB-Klausel zur Irreführung geeignet ist, was es eigentlich erlaubt hätte, AGB-Klauseln unter objektivierenden Gesichtspunkten zu prüfen. Dieses Urteil blieb allerdings ohne Auswirkungen. 237  BGE 122 III 373 E. 3a S.  378.

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

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längerung befristeter Abonnementsverträge gemäß (a)Art.  8 UWG nicht generell als missbräuchlich zu bewerten sei.238 Eine richterrechtlich begründete offene AGB-Inhaltskontrolle hatte das Bundesgericht stets abgelehnt. Die Ungewöhnlichkeits- und die Unklarheitenregel allein vermochten somit keinen Schutz vor unangemessenen Klauseln zu bieten, wenn die Verwenderin den Kunden ausdrücklich auf sie aufmerksam gemacht oder die fraglichen Bestimmungen erläutert hat. Auf Grundlage der Ungewöhnlichkeitsregel hat das Bundesgericht nur eine verdeckte Inhaltskontrolle vorgenommen. Hierbei hat es ungewöhnlichen Klauseln die Anwendung versagt, indem es die Messlatte an das Zustandekommen einer Einigung umso höher gelegt hat, je einseitiger die AGB-Klausel zugunsten der Verwenderin formuliert und je geschäftsunkundiger der Kunde war.239 (2)  Rechtslage zum Art.  8 UWG Aufgrund der Untauglichkeit des aArt.  8 UWG zur inhaltlichen Überprüfung von AGB hat die Lehre für eine effektive AGB-Inhaltskontrolle votiert.240 Die Gesetzesrevision des UWG im Jahr 2012 soll durch Einführung einer offenen Inhaltskontrolle in Art.  8 UWG nun ein griffigeres Instrument gegen unlautere Geschäftsmethoden durch missbräuchliche AGB liefern. Der revidierte Art.  8 UWG sieht vor, dass insbesondere „[u]nlauter handelt […], wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen“. AGB-Klauseln werden also neuerdings darauf überprüft, ob sie ein „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten“ enthalten und ob sie in „Treu und Glauben verletzender Weise“ „zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten“ eingesetzt werden. Wie diese Tatbestandsmerkmale auszulegen sind, müssen Lehre und Rechtsprechung zeigen.241

238 

Im zu entscheidenden Fall wurde sie verneint: BGE 140 III 404 E. 4.5 S.  408. Koller T., in: AJP 8/2008, 943 ff.; s. auch Huguenin, OR AT/BT, N.  632; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 265; zur Kasuistik Gauch/Schluep/Schmid/ Emmen­egger, OR AT, N.  1142. 240 BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  286 f.; s. auch Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 267; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1150; Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537, 538, je m. w. H. 241  Probst spricht von einer „Kumulierung inkohärenter Tatbestandselemente“, ders., in: Jusletter 6. Februar 2017, Rz. 53. Zu grundlegenden Ordnungsversuchen im Einzelnen s. Walker; Widmer. 239 Grundlegend

270 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Da der Anwendungsbereich der Bestimmung in der letzten Phase des gesetzlichen Revisionsverfahrens auf Rechtsverhältnisse zwischen Unternehmen und Konsumenten (B2C) beschränkt wurde, sollte die Rechtslage bei der Verwendung von AGB zwischen Unternehmen (B2B) voraussichtlich unverändert bleiben.242 Diese Einschränkung wurde bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung kritisiert, da hierdurch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) benachteiligt würden. Kleinere und mittlere Unternehmen seien im täglichen Geschäftsverkehr den Konsumenten nämlich oft gleichgestellt und gälten als schwächere Partei, unterstünden aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs jedoch nicht dem gleichen Schutzniveau wie diese.243 Wie gezeigt, überzeugt diese Einschränkung der AGB-Inhaltskontrolle auf B2C-Verhältnisse aus ökonomischer Perspektive nicht. Der regulatorische Eingriff in die Vertragsfreiheit im Falle von AGB folgt nicht aus der Konsumentenschutzproblematik, sondern aus der Informationsasymmetrie zwischen den Parteien. Diese trifft ebenso auf B2B-Verhältnisse zu.244 Mit der Privilegierung einer Personengruppe verfehlt die AGB-Kontrolle ihren Zweck aus ökonomischer Perspektive damit erheblich, und zwar den Ausgleich von Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien. d)  Zwischenergebnis In der Schweiz werden AGB in einem dreistufigen Kontrollverfahren geprüft. Dieses eignet sich nur beschränkt, um einen Interessenausgleich zwischen den Parteien herzustellen. Zwar werden ungewöhnliche Klauseln nicht Vertrags­ bestandteil und unklare zuungunsten der Verwenderin ausgelegt. Einen Schutz vor inhaltlich unangemessenen Klauseln, die vor dem zwingenden Vertragsrecht gerade noch so standhalten, bietet die AGB-Kontrolle bislang hingegen nicht. Ebenso wenig hält das herkömmliche Konzept die AGB-Verwenderin in irgendeiner Weise davor zurück, übermäßige AGB auf den Markt zu bringen. Stöckli H., in: BR 4/2011, 184, 187. Wildhaber, in: SJZ 23/2011, 537 ff.; s. auch Bieri, in: Jusletter 24. Oktober 2011, Rz. 7; Ehle/Brunschweiler, in: RIW 5/2012, 262, 268 f.; Gauch, Peter, Gesetzliche Diskriminierung mittelständischer Betriebe, in: NZZ vom 30. August 2011; Gauch/Schluep/ Schmid/Emmenegger, OR AT, N.  1157b; Stöckli H., in: BR 4/2011, 184, 185 und 187 f.; Holliger-Hagmann, in: Jusletter 20. Februar 2012, Rz. 8, 32; Probst, in: Jusletter 6. Februar 2017, Rz. 54–56; vgl. auch Botschaft zur Änderung des UWG, BBl. 2009, 6151, 6180: „Eine solche Beschränkung wäre aber nicht sachgerecht, da gerade KMU oftmals auch die schwächere Vertragspartei sind und sich im Zusammenhang mit AGB in einer vergleichbaren Situation wie Konsumentinnen und Konsumenten befinden. Zudem wäre es eine Durchbrechung des grundsätzlichen Anwendungsbereichs des UWG auf alle Abnehmerstufen.“ 244  S. oben S.  235. 242 

243 Grundlegend

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

271

3.  Zielerreichung mittels der richtigen Rechtsfolgenwahl für Art.  8 UWG? Da die vorausgehenden Kontrollstufen der AGB-Kontrolle den Schutzzweck nicht erfüllen, sind Interessenausgleich und Prävention zur Vermeidung von übermäßigen AGB von der richtigen Rechtsfolgenwahl im Rahmen von Art.  8 UWG abhängig. Wie die ökonomische Analyse beweist, bietet die Reduktion auf das noch Zulässige in keinem Fall einen Anreiz dafür, dass sich die AGB-Verwenderin bei der Ausgestaltung der Klauseln um Gesetzestreue bemühte.245 Rein aus Parteienperspektive betrachtet, führte dieses Modell zum minimalen Interessenausgleich, der gültig auch privatautonom hätte vereinbart werden können. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Kunde gegen übermäßige AGB vorgeht, lässt sich der gesetzgeberische Schutzzweck damit nicht erreichen. Im Übrigen erwiese sich diese Lösung als ökonomisch auch nicht sinnvoll. Die herrschende Lehre und neuere Rechtsprechung will diesem Umstand mit einer Reduktion auf das Angemessene Rechnung tragen.246 Dieses Reduktionsmaß wird in der Ersatzregelbildung anhand von dispositivem Gesetzesrecht oder mittels richterlicher Vertragsergänzung vermutet. Soweit jedoch davon ausgegangen werden muss, dass der Kunde in den meisten Fällen weiterhin nicht gegen übermäßig bindende AGB vorgehen wird, erweist sich ebenso wenig die Reduktion auf das Angemessene als zielführendes Regulierungsmodell zur Einhaltung der rechtlichen Grenzen durch die AGB-Verwenderin. Die Reduktion auf das Angemessene könnte der AGB-Verwenderin nur bei relativ hoher Ahnungswahrscheinlichkeit einen Anreiz bieten, um die Zulässigkeitsgrenze bei der Ausgestaltung der AGB zu wahren.247 Um den Markt von übermäßigen AGB freizuhalten, müsste daher entweder mit einem Multiplikator oder mit der Erhöhung der Ahnungswahrscheinlichkeit operiert werden. Nur diese beiden Maßnahmen würden die AGB-Verwenderin dahingehend beeinflussen, die Risikoverteilung zwischen sich und dem Kunden in den Grenzen des Rechts vorzunehmen.248 Da entsprechende punitive Elemente im OR de lege lata nicht vorgesehen sind, bleibt die Frage, wie die Ahnungswahrscheinlichkeit erhöht werden könnte. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, wäre die höhere Ahndungswahrscheinlichkeit im Sinne einer second best-Lösung mit der Reduktion auf das Angemessene zu verbinden. 245 

S. oben S.  246 ff. S. oben S.  210 ff. 247  S. oben S.  248 f. 248  S. oben S.  249 f. 246 

272 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Den Kunden zu bewegen, gegen die AGB-Verwenderin zu klagen, um die Ahndungswahrscheinlichkeit zu erhöhen, wird regelmäßig schon aufgrund seines zu geringen tatsächlichen Interesses scheitern, zumal sich der Schaden aus einem Konsumentenvertrag im Vergleich zu den zu erwartenden Gerichts- und Parteikosten regelmäßig als kleiner herausstellen wird. Der Kunde steht hier vor der Wahl, ob er sich ein bestimmtes Produkt neu kauft oder den Klageweg beschreitet, um etwa Gewährleistungsansprüche trotz entsprechendem Ausschluss in den AGB geltend zu machen. Der kollektive Rechtsschutz, der diese Situation entschärfen könnte, indem der Schaden der einzelnen betroffenen Kunden aufgrund derselben AGB zu einem Sammelschaden aggregiert würde, wird von der ZPO nicht vorgesehen.249 In Anbetracht dessen bietet sich insbesondere das Klagerecht der Verbände (Art.  10 Abs.  2 UWG) und des Bundes (Art.  10 Abs.  3 UWG) an, um die Ahndungswahrscheinlichkeit der AGB-Verwenderin im Falle der Verwendung übermäßiger AGB zu erhöhen.250 Dieser Weg bietet zudem den Vorteil, dass sich AGB bereits vor ihrem Einbezug in den konkreten Vertrag prüfen lassen, womit sie erst gar nicht auf den Markt kommen.251 Doch selbst wenn die Ahndungswahrscheinlichkeit durch den Verbandsprozess erhöht werden könnte, stellte sich auch hier die Frage nach der richtigen Rechtsfolge. Die besondere Problematik des Art.  8 UWG liegt nämlich darin, dass die Bestimmung keine fixe Zulässigkeitsgrenze enthält – das relative Übermaß zeigt sich nur im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Rechte und Pflichten. Wie oben dargelegt, unterliegt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion in solchen Fällen Ausnahmen.252 Soweit AGB also ohne vorgängige Verbandsklage auf den Markt gelangen, läuft das gesetzgeberische Ziel, den Markt vor übermäßigen AGB freizuhalten, aufgrund der offenen Ausgestaltung der Rechtsnorm selbst bei der Wahl der richtigen Rechtsfolge – in concreto die geltungserhaltende Reduktion auf das noch Zulässige – ins Leere. Nimmt sich der Gesetzgeber eines solchen Regelungsanliegens an, bestünde seine Aufgabe eigentlich darin, sich zu fragen, welche Wirkung eine bestimmte Rechtsnorm künftig in einer Vielzahl von Fällen entfalten wird; es obläge ihm also, die Rechtsnorm aus einer ex ante-Perspektive zu bewerten.253 Die Konkretisierung der Zulässigkeitsgrenze hat der Gesetzgeber allerdings nur marginal zu den diesbezüglichen Forderungen de lege ferenda Kölz, in: ZBJV 11/2013, 865 ff.; s. auch Koch, in: JZ 19/1999, 922, 929 f. 250  Zu den prozessualen Aspekten der mit Art.  10 UWG eingeführten Verbandsklagemöglichkeit Rusch/Schirrmacher, in: ZBJV 9/2013, 683 ff.; Kramer/Probst/Perrig, N.  521–524; vgl. zu der damit verbundenen Anreizwirkung auch Sutter/Lörtscher, in: recht 4/2012, 93 ff. 251  Vgl. für Deutschland Medicus, in: NJW 40/1995, 2577, 2580. 252  S. oben S.  256 f. 253  Eidenmüller, 1. 249  Vgl.

VI.  Rückübersetzung: Folgen für die AGB-Inhaltskontrolle

273

skizziert und es insbesondere verpasst, diese mittels Katalogen von konkreten Klauselverboten zu schärfen.254 Derzeit setzt sich die Lehre daher mit der Auslegung und Koordination der offenen Tatbestandsmerkmale zur Bestimmung der Missbräuchlichkeit von AGB auseinander.255 Die Definition der konkreten Zulässigkeitsgrenze obliegt bei dieser Ausgangslage aber letztlich den Gerichten. Hierbei handelt es sich nicht um eine klassische Aufgabe des Gerichts. Das Gericht nimmt im Gegensatz zum Gesetzgeber eigentlich eher eine ex post-Perspektive ein. Es blickt zurück auf einen in der Vergangenheit liegenden Fall, der auf der Grundlage des geltenden Rechts beurteilt werden soll. Klassischerweise sieht es seine Aufgabe darin, den Sachverhalt unter das geltende Recht zu subsumieren. Die Folgenerwägungen aus seiner Entscheidung überlässt es grundsätzlich dem Gesetzgeber. Wenn das Gesetz allerdings unklar bleibt, lückenhaft ist oder wo sich einzelne Normen widersprechen, wird auch das Gericht verstärkt folgenorientiert denken müssen.256 Um das zur Erreichung des Steuerungsziels notwendige Verbot der geltungserhaltenden Reduktion durchzusetzen, ist die Zulässigkeitsgrenze im Falle von Art.  8 UWG baldmöglichst gerichtlich zu fixieren. Bei der Konkretisierung hat das Gericht umsichtig vorzugehen, denn es darf die möglicherweise auftretenden Nebeneffekte einer damit verbundenen Steuerung nicht außer Acht lassen. Mit Blick auf AGB erreicht das Gericht das Regulierungsziel, den Markt vor missbräuchlichen Vertragsbestimmungen freizuhalten, am effizientesten, wenn es im Sinne der Abschreckung schärfer darauf reagiert. Es gilt allerdings zu berücksichtigen, dass die Risikoabwälzung den Preis sinken lässt.257 Zurzeit wird in der Lehre daher kontrovers diskutiert, inwiefern Individualvereinbarungen und insbesondere der Preis nachteilige AGB kompensieren können.258 Diese Entscheidung zeitigt Auswirkungen auf die künftige Marktentwicklung, denn können „schlechtere“ AGB nicht preislich kompensiert werden, wird der Preis für ein Gut bei systematischer Ahndung steigen. Angesichts dessen, dass der „Versicherungsfall“ insbesondere bei Konsumentenverträgen nur einzelfallweise eintritt, muss das Gericht abwägen, ob es die damit einhergehende Kostenweitergabe auf den Kundenkreis zugunsten des einzelnen, schadensbetroffenen Kunden zulassen will.

254 

Vgl. schon zum aArt.  8 UWG sehr eindringlich warnend BK-Kramer, Art.  19/20 OR N.  284. 255  S. die Einzelnachweise oben in Kap. D Fn.  242. 256  Eidenmüller, 1. 257  Bieri, in: Jusletter 24. Oktober 2011, Rz. 9 m. w. H. 258  Dedual/Fischer, in: Andorno/Thier M., 241, 258 f. m. w. H.

274 D.  Geltungserhaltende Reduktion – Regulierungsmodell auf Rechtsfolgenseite? Die Frage nach einer geltungserhaltenden Reduktion betrifft also nicht nur die Stellung des Richters zwischen den Vertragsparteien, sondern hat ebenso Folgen für die zukünftige Preisentwicklung am Markt. Insofern ist Bieri zuzustimmen, wenn er zur richterlichen Ersatzregelbildung konstatiert: „La tâche des tribunaux sera, à vrai dire, extrêmement délicate.“259

259 

Bieri, in: Jusletter 24. Oktober 2011, Rz. 9.

E.  Geltungserhaltende Reduktion: Abschied von einem unfassbaren Wesen mit fragwürdiger Wirkung Die geltungserhaltende Reduktion hat eine lange Tradition in der schweizerischen Judikatur. Das Phänomen der Vertragserhaltung aufgrund von endogenen Übermaßproblematiken findet sich in der Rechtsprechung in ganz unterschiedlicher Ausprägung. Vom Bundesgericht wurde der Begriff zum ersten Mal in einem Urteil aus dem Jahr 1997 verwendet, als es sich mit den Rechtsfolgen von Art.  21 OR auseinandersetzte. Da die geltungserhaltende Reduktion in ihren Voraussetzungen und ihrer Funktionsweise konturlos und mannigfaltig ist, bot der Begriff allerdings keinen dogmatischen Mehrwert. Insbesondere im Zuge der Revision des Art.  8 UWG hat die Diskussion um die Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion in jüngerer Zeit wieder an Aktualität gewonnen. Bezüglich der Frage nach dem richtigen Umgang mit übermäßigen AGB wird in der Lehre eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß abgelehnt, da der AGB-Verwenderin so das Risiko genommen werde, die gesetzlichen Grenzen bei der Ausgestaltung des Klauselwerks nicht einzuhalten. Stattdessen wird, wo dispositives Recht fehlt, eine richterliche Vertragsergänzung befürwortet. Der entscheidende strukturelle Unterschied zwischen geltungserhaltender Reduktion und richterlicher Vertragsergänzung wird darin gesehen, dass Letztere nicht einseitig die Interessen der AGB-Verwenderin wahrt, sondern einem beiderseitigen angemessenen Interessenausgleich zwischen der AGB-Verwenderin und dem Kunden verpflichtet ist. Dieses Begriffsverständnis wirft Fragen auf, denn wie die Abhandlung zeigt, ist mit dem Ausdruck der geltungserhaltenden Reduktion nicht zwingend eine bestimmte Vorgehensweise verbunden. Die geltungserhaltende Reduktion legt weder einen einheitlichen Begründungsweg noch ein allgemeingültiges Ergebnis der richterlichen Vertragserhaltung offen. Löst man sich also von der tradierten Vorstellung, wonach die geltungserhaltende Reduktion als ein eigenständiges Instrument verstanden wird, erkennt man, dass der stereotyp ins Feld geführte methodische und konstruktive Unterschied, den die herrschende Lehre zwischen geltungserhaltender Reduktion und richterlicher Vertragsergänzung

276

E.  Geltungserhaltende Reduktion: Abschied von einem unfassbaren Wesen

sieht, nicht mehr ist als das Ergebnis eines bestimmten begrifflichen Vorverständnisses. Insofern kann auch mittels der richterlichen Vertragsergänzung zu einer geltungserhaltenden Reduktion gelangt werden. Indem die Diskussion jedoch auf der rechtskonstruktiven Ebene stehen geblieben ist, verdeckt sie das eigentliche Problem, nämlich den „richtigen“ Umgang mit übermäßigen AGB. Allem Anschein nach geht es den Vertretern der herrschenden Ansicht nämlich nicht eigentlich um das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unter gleichzeitiger Bejahung der richterlichen Vertragsergänzung, sondern um das „richtige“ Reduktionsmaß. Dieses vermuten sie in einer Klausel angemessenen Inhalts. Eine entsprechende Ersatzregel wollen sie, wo dispositives Gesetzesrecht fehlt, mittels der richterlichen Vertragsergänzung konstruieren. Während der Reduktion auf das Zulässige jegliche Präventionswirkung abgesprochen wird, erhofft man sich, die AGB-Verwenderin mittels einer angemessenen Ersatzregel zur Gesetzestreue anzuhalten. Damit sind geltungserhaltende Reduktion und richterliche Vertragsergänzung lediglich Ausdruck für bestimmte Regulierungsmodelle auf Rechtsfolgenseite der Inhaltskontrolle. Prävention erscheint aus Sicht der Rechtsökonomik als ein legitimer überindividueller Schutzzweck der Inhaltskontrolle, der mittelbar auch den mit der AGB-Kontrolle verfolgten Interessenausgleich zwischen der AGB-Verwenderin und dem Kunden herstellt. Wie die ökonomische Analyse des Rechts zeigt, wird bei weiterhin geringer Ahndungswahrscheinlichkeit eines Gesetzesverstoßes in AGB aber auch das Angemessene keinen genügenden Anreiz setzen, um die AGB-Verwenderin zu gesetzeskonformem Verhalten zu bewegen. Da davon auszugehen ist, dass selbst rationale Kunden im Falle von übermäßigen Klauseln nicht gegen die AGB-Verwenderin klagen, sind alternative Wege zu beschreiten, um die Ahndungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Für eine flächendeckende Kontrolle von AGB könnten sich de lege lata insbesondere das Klagerecht der Verbände (Art.  10 Abs.  2 UWG) und des Bundes (Art.  10 Abs.  3 UWG) anbieten. Um das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auf das Zulässige im Rahmen von Art.  8 UWG sodann überhaupt durchsetzen zu können und damit die angestrebte Steuerungswirkung zu entfalten, muss vorerst die Zulässigkeitsgrenze des Art.  8 UWG konkretisiert werden. Artikel 8 UWG vereint verschiedene offene Tatbestandsmerkmale, die erhebliche Ordnungsschwierigkeiten bereiten und damit zu großer Erwartungsunsicherheit führen. Prävention als Schutzzweck der AGB-Kontrolle versagt nämlich dort seine Wirkung, wo das gesetzeskonforme Verhalten für die AGB-Verwenderin ex ante nicht erkennbar ist. Die AGB-Verwenderin hier mit einem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auf das Zulässige für das gesetzgeberische Versagen zu „bestrafen“, wäre höchst problematisch. Dieses Problems sollten sich Rechtsprechung und Lehre künftig annehmen.

F.  Ergebnisse der Untersuchung 1. Der Begriff „geltungserhaltende Reduktion“ entstammt dem deutschen Dis­k urs: a) Er hat sich in Deutschland im Zuge der Einführung des aAGBG ent­ wickelt, als über die Frage diskutiert wurde, ob eine überschießende AGB-Klausel auf einen zulässigen Kern zurückgeführt werden darf. b) In die Diskussion in der Schweiz wurde der Begriff nicht im Speziellen mit Blick auf AGB übernommen, sondern diente als Synonym für die Frage nach einer quantitativen Teilnichtigkeit auch im Falle individualvertraglicher Übermaßproblematiken. c) Im Zuge der Revision des Art.  8 UWG wird der Begriff in der Schweiz heute ebenfalls vorrangig im Zusammenhang mit AGB verwendet. Die geltungserhaltende Reduktion wird als Alternative zur Rechtsfolgemöglichkeit der Teilnichtigkeit im Falle von missbräuchlichen AGB diskutiert. 2. Die Begriffsbestimmung zeigt, dass „geltungserhaltende Reduktion“ kein feststehender Rechtsbegriff ist. Der Begriff weist zwei Bedeutungsebenen auf: den Reduktionsvorgang und das Reduktionsmaß. Sowohl in der Literatur als auch in der Judikatur wird der Begriff auf diesen beiden Ebenen mit unterschiedlichem Sinn besetzt, ohne dass dieses uneinheitliche Begriffsverständnis offengelegt würde. a) Auf prozeduraler Ebene wird die geltungserhaltende Reduktion abwechselnd als Instrument sui generis, teleologische Auslegung, partielle Teilunwirksamkeit, Konversion oder richterliche Vertragsergänzung verstanden. b) Auf materialer Ebene ist strittig, ob eine Reduktion auf das zulässige oder das angemessene Maß erfolgen soll. 3. Dass das unterschiedliche Begriffsverständnis in der Diskussion meist nicht offengelegt wird, bietet Anlass für Missverständnisse im Hinblick auf die Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion:

278

Ergebnisse der Untersuchung

a) Während sich sowohl die deutsche als auch die schweizerische Lehre und Rechtsprechung weitgehend einig darüber sind, dass eine geltungserhaltende Reduktion im Individualvertrag zulässig sein soll, wird diese Frage mit Blick auf AGB kontrovers diskutiert. b) Diese Diskussion ist ob des fehlenden einheitlichen Begriffsverständnisses allerdings zu einer Scheindebatte verkommen. Die Studie verdeutlicht, dass nämlich das der Argumentation implizit zugrunde gelegte Begriffsverständnis mit der Frage nach der Zulässigkeit oder des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion korreliert. 4. Die geltungserhaltende Reduktion wird in der Diskussion um ihre Zulässigkeit sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz von den funktionsverwandten Rechtsinstrumenten der Teilnichtigkeit und richterlichen Vertragsergänzung flankiert. a) Insbesondere die Begriffsentwicklung in der Schweiz zeigt, dass diesbezüglich eine Verschiebung stattgefunden hat: Während die geltungserhaltende Reduktion in den 1980er-Jahren im Hinblick auf Individualverträge für zulässig befunden wurde, wobei konstatiert wurde, dass es sich auf prozeduraler Ebene um eine richterliche Vertragsergänzung handele, wird heute die Zulässigkeit der richterlichen Vertragsergänzung in Abgrenzung zur geltungserhaltenden Reduktion mit Blick auf übermäßige AGB vertreten. b) Diese Definitionskontroverse führt dazu, dass unter dem Deckmantel der richterlichen Vertragsergänzung ein Eingriff in den Vertrag im Falle übermäßiger AGB zulässig ist, wohingegen eine geltungserhaltende Reduktion abgelehnt wird. 5. Um diese Scheindebatte aufzulösen, ist die Frage nach der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion aus steuerungstheoretischer Perspektive zu erörtern. Von den Gegnern einer geltungserhaltenden Reduktion wird zur Begründung des Verbots nämlich hauptsächlich die Prävention als Argument vorgebracht. 6. Als Vorfrage ist diesbezüglich zu klären, ob und inwiefern AGB und Individualverträge eine unterschiedliche Schutzbedürftigkeit der Vertragsparteien auslösen. Die ökonomische Analyse zeigt, dass Vertragsparteien, welche einen Vertrag individuell aushandeln, dem Bild des vollkommenen Vertrags am nächsten kommen. Insofern hat der Richter nur mit größter Zurückhaltung in dieses Gefüge einzugreifen, namentlich zur Sicherung

F.  Ergebnisse der Untersuchung

279

der Vertragsbeziehung. Demgegenüber führen AGB zu einer einseitigen Risikoallokation. Das Nichtlesen von AGB erweist sich aus der Kosten­ perspektive zwar als rational, doch geht damit die Notwendigkeit einer im Vergleich zum Individualvertrag erweiterten Inhaltskontrolle einher. 7. Wie erwähnt, wird die geltungserhaltende Reduktion heute als mögliche Alternative auf Rechtsfolgenseite der AGB-Inhaltskontrolle diskutiert. Auch hier manifestiert sich allerdings die Problematik der fehlenden einheitlichen Begriffsumschreibung. Grundsätzlich gäbe es vier Arten, um mit übermäßigen Vertragsinhalten umzugehen: a) b) c) d)

Reduktion auf das noch Zulässige; Reduktion auf das Angemessene; Reduktion auf ein Maß unterhalb des Angemessenen; Gesamtunwirksamkeit.

8. Die geltungserhaltende Reduktion lässt sich aufgrund ihrer begrifflichen Unschärfen nicht eindeutig einem dieser Steuerungsmodelle zuordnen. Der überwiegende Teil der Lehre subsumiert sie unter die Reduktion auf das noch Zulässige. Eine Reduktion auf das Angemessene oder auf ein Maß, das der AGB-Verwenderin zum Nachteil gereicht, wäre aber ebenso diskutabel, denn auch diese Vorgehensweisen stellen im Ergebnis eine geltungserhaltende Reduktion dar. 9. Folgt man der herrschenden Meinung und versteht die geltungserhaltende Reduktion als eine Reduktion auf das noch Zulässige, setzt sie aus ökonomischer Perspektive den Anreiz, Übermäßiges zu vereinbaren. Solange die Verwenderin nämlich darauf vertrauen kann, dass sie auch im Falle der richterlichen Überprüfung das gesetzlich noch Zulässige erhält, wird sie keine AGB stellen, die der Wirksamkeitsprüfung standhalten. 10. Im Ergebnis zwar nicht unter dem Stichwort der geltungserhaltenden Reduktion diskutiert, vertritt die heute herrschende Lehre zu Art.  8 UWG eine Reduktion auf das Angemessene, indem nämlich die unzulässige Vertragsklausel durch eine Regel des dispositiven Rechts, und, wo solches fehlt, durch eine richterliche Ersatzregel im Sinne des hypothetischen Parteiwillens substituiert werden soll. Dispositives Gesetzesrecht und richterliche Vertragsergänzung sollen einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien gewährleisten. Auch diese Formen der Ersatzregelbildung stellen im Ergebnis eine geltungserhaltende Reduktion, allerdings auf das Angemessene, dar.

280

Ergebnisse der Untersuchung

11. Über den Anreiz, den eine Reduktion auf das Angemessene setzt, wird aber ebenso wenig diskutiert wie über die Anreize, die die Gesamtunwirksamkeit und eine möglicherweise daraus entstehende culpa in contrahendo oder eine Reduktion auf ein Maß, welches unterhalb des Angemessenen liegt, setzen. Wie die Studie zeigt, ist der Anreiz je nach gewähltem Regulierungsmodell veränderbar, wobei allerdings bei weiterhin geringer Ahndungswahrscheinlichkeit eines Gesetzesverstoßes sowohl das noch Zuläs­ sige als auch das Angemessene nicht genügend Anreize für ein norm­ konformes Verhalten der AGB-Verwenderin bei der Ausgestaltung des Klauselkatalogs setzen. 12. Selbst wenn eine geltungserhaltende Reduktion begrifflich auf die Reduk­ tion auf das noch Zulässige verengt wird, erweist sich ein absolutes Verbot aus ökonomischer Perspektive jedoch als zu weitgehend: a) Im Wissen darum, dass es einen Zusammenhang zwischen Verhaltenssteuerung und Vorhersehbarkeit des normkonformen Verhaltens gibt, muss die Rechtslage für die AGB-Verwenderin ex ante klar sein. Eine AGB­-Verwenderin muss daher von einer geltungserhaltenden Reduk­ tion auf das noch Zulässige profitieren, soweit sie ihr Aktionsniveau nicht entsprechend einem für sie erkennbaren rechtlichen Standard wählen konnte. b) Nicht voraussehbar ist das von Gesetzes wegen zulässige Maß im Falle seiner fehlenden Bestimmbarkeit (Generalklauseln, unbestimmte Rechts­ begriffe) oder wenn eine Änderung der Rechtslage eintritt. Die Steuerung läuft auch ins Leere, wenn sich die geltungserhaltende Reduktion zugunsten des Kunden auswirkt. c) Insbesondere im Falle der gesetzlichen Reduktionsnormen, welche es dem Richter überlassen, die Zulässigkeitsgrenze ermessensweise zu bestimmen, müsste also auch bei in deren Anwendungsbereich festgestellten übermäßigen AGB-Klauseln künftig eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch Zulässige stattfinden. d) Dasselbe muss für Art. 8 UWG gelten, solange sich aufgrund von Rechtsprechung und Lehre keine Vertrauensgrundlage zur Bestimmung der gesetzlichen Zulässigkeitsgrenze herausgebildet hat.

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133, 134, 136 112, 121, 133, 134, 135, 136, 137, 139 133, 134, 135, 136, 139, 171 133, 134, 136 158, 162 105, 106 106 112, 113, 114, 121, 133, 134, 135, 136 158, 162 162 48, 113, 120, 121, 122, 133, 134, 135, 136 106 113, 115, 120, 121, 122, 133, 137 49, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 171 113, 114, 115, 121, 133, 134, 136 113, 114, 115, 121, 122 106 50, 106 50, 164, 171 114, 121, 133, 135, 136, 164, 165 106 114, 115, 121, 122, 133, 134, 135, 136, 137, 139 133, 134, 135, 136 112, 121, 122, 164, 165 106 162 106 158, 159, 162 105 133, 134, 135, 136 94, 106, 207

298 BGer. 21.3.1903 – BGE 29 II 138 BGer. 28.3.1903 – BGE 29 II 471 BGer. 30.10.1903 – BGE 29 II 655 BGer. 12.12.1903 – BGE 29 II 696 BGer. 19.2.1904 – BGE 30 II 73 BGer. 8.6.1904 – BGE 30 II 413 BGer. 11.11.1904 – BGE 30 II 523 BGer. 28.1.1905 – BGE 31 II 51 BGer. 14.12.1905 – BGE 31 II 896 BGer. 12.1.1906 – BGE 32 II 51 BGer. 16.6.1906 – BGE 32 II 360 BGer. 1.2.1907 – BGE 33 II 73 BGer. 16.2.1907 – BGE 33 II 106 BGer. 28.9.1907 – BGE 33 II 428 BGer. 20.3.1908 – BGE 34 II 46 BGer. 13.11.1908 – BGE 34 II 681 BGer. 23.1.1909 – BGE 35 II 50 BGer. 12.2.1909 – BGE 35 II 63 BGer. 1.5.1909 – BGE 35 II 247 BGer. 21.1.1910 – BGE 36 II 10 BGer. 7.5.1910 – BGE 36 II 178 BGer. 20.1.1911 – BGE 37 II 1 BGer. 17.3.1911 – BGE 37 II 65 BGer. 26.5.1911 – BGE 37 II 188 BGer. 12.7.1911 – BGE 37 II 385 BGer. 18.7.1911 – BGE 37 II 401 BGer. 8.3.1912 – BGE 38 II 94 BGer. 11.10.1912 – BGE 38 II 556 BGer. 26.10.1912 – BGE 38 II 591 BGer. 2.11.1912 – BGE 38 II 600 BGer. 7.2.1913 – BGE 39 II 56 BGer. 15.3.1913 – BGE 39 II 85 BGer. 26.4.1913 – BGE 39 II 224 BGer. 31.5.1913 – BGE 39 II 246 BGer. 12.7.1913 – BGE 39 II 541 BGer. 9.10.1913 – BGE 39 II 581 BGer. 20.3.1914 – BGE 40 II 224 BGer. 21.3.1914 – BGE 40 II 233 BGer. 29.5.1914 – BGE 40 II 370 BGer. 13.6.1914 – BGE 40 II 471 BGer. 12.2.1915 – BGE 41 II 105 BGer. 25.2.1915 – BGE 41 II 138 BGer. 29.5.1915 – BGE 41 II 379 BGer. 5.6.1915 – BGE 41 II 430 BGer. 3.7.1915 – BGE 41 II 487 BGer. 22.12.1915 – BGE 41 II 743 BGer. 8.4.1916 – BGE 42 II 144 BGer. 28.10.1916 – BGE 42 II 510

Entscheidregister 112, 121, 122 106 13 113, 114, 121, 122 106, 207 106 114, 115, 121, 133, 135, 136, 137 133, 134, 137 105 112, 121, 122, 164, 165 153 106 153 106 106 106 106 106 105 158, 159, 162 106 193 105 114, 115, 121 105, 106 105, 106 114, 121, 122, 207 106 164, 165 193 106 106 105 116, 117, 118, 122, 153, 154, 172 146, 151, 156 116, 118, 122, 153 116, 118, 122 155, 164, 166, 167, 168, 175, 183, 185 105 118, 119, 122, 155 116, 118, 119, 122, 146, 164, 166 48, 51, 116, 119, 122 122, 164, 166 196 193, 194 105 116, 122, 201 116, 118, 119, 122

Entscheidregister BGer. 2.6.1917 – BGE 43 II 301 BGer. 5.7.1917 – BGE 43 II 341 BGer. 28.11.1917 – BGE 43 II 511 BGer. 10.11.1917 – BGE 43 II 660 BGer. 22.12.1917 – BGE 43 II 803 BGer. 2.3.1918 – BGE 44 II 56 BGer. 16.3.1918 – BGE 44 II 77 BGer. 11.5.1918 – BGE 44 II 89 BGer. 3.4.1919 – BGE 45 II 280 BGer. 3.7.1919 – BGE 45 II 351 BGer. 30.10.1919 – BGE 45 II 548 BGer. 8.3.1920 – BGE 46 II 55 BGer. 22.2.1921 – BGE 47 II 86 BGer. 19.4.1921 – BGE 47 II 166 BGer. 20.12.1921 – BGE 47 II 462 BGer. 6.7.1922 – BGE 48 II 270 BGer. 22.6.1922 – BGE 48 II 284 BGer. 7.11.1922 – BGE 48 II 439 BGer. 14.11.1923 – BGE 49 II 466 BGer. 3.4.1924 – BGE 50 II 142 BGer. 1.7.1924 – BGE 50 II 256 BGer. 8.10.1924 – BGE 50 II 370 BGer. 17.11.1924 – BGE 50 II 481 BGer. 29.4.1925 – BGE 51 II 142 BGer. 17.2.1925 – BGE 51 II 162 BGer. 2.6.1925 – BGE 51 II 220 BGer. 11.6.1925 – BGE 51 II 273 BGer. 25.5.1925 – BGE 51 II 297 BGer. 27.10.1925 – BGE 51 II 438 BGer. 21.2.1926 – BGE 52 II 60 BGer. 10.5.1926 – BGE 52 II 223 BGer. 7.2.1927 – BGE 53 II 35 BGer. 19.10.1927 – BGE 53 II 317 BGer. 19.10.1927 – BGE 53 II 321 BGer. 2.11.1927 – BGE 53 II 483 BGer. 8.5.1928 – BGE 54 II 188 BGer. 18.7.1928 – BGE 54 II 333 BGer. 8.10.1929 – BGE 55 II 258 BGer. 21.1.1930 – BGE 56 II 50 BGer. 8.4.1930 – BGE 56 II 189 BGer. 23.12.1930 – BGE 56 II 439 BGer. 8.7.1931 – BGE 57 II 334 BGer. 21.3.1934 – BGE 60 II 98 BGer. 3.10.1934 – BGE 60 II 335 BGer. 18.12.1934 – BGE 60 II 436 BGer. 5.2.1935 – BGE 61 II 31 BGer. 13.3.1935 – BGE 61 II 80 BGer. 26.3.1935 – BGE 61 II 90

105 108 164, 166 65, 143, 145, 148 106, 190, 202, 207 141, 145 108 118, 122, 141, 142, 143, 146 105 164, 166 105 201 107 107, 201 192 106 106 108 107 107 164, 166 181 51, 151, 152, 155, 183 106 116, 118, 119, 122, 164, 166, 168, 202, 207 150 180 116, 118, 122, 150, 151, 155 116, 122, 150, 151, 155 107 122 106 107, 185 150, 155 200 202 107 122, 140, 142, 146, 148 150, 151, 153, 154 164, 168, 170 141, 145 185 105 90 196 201 159, 161, 162 141, 142, 143, 145, 148

299

300 BGer. 1.10.1935 – BGE 61 II 238 BGer. 11.2.1936 – BGE 62 II 32 BGer. 12.2.1936 – BGE 62 II 97 BGer. 19.2.1936 – BGE 62 II 108 BGer. 21.9.1937 – BGE 63 II 245 BGer. 21.12.1937 – BGE 63 II 409 BGer. 28.1.1938 – BGE 64 I 39 BGer. 25.2.1938 – BGE 64 II 233 BGer. 4.10.1938 – BGE 64 II 355 BGer. 8.11.1938 – BGE 64 II 361 BGer. 17.12.1940 – BGE 66 II 256 BGer. 30.9.1941 – BGE 67 II 128 BGer. 9.12.1941 – BGE 67 II 221 BGer. 24.6.1942 – BGE 68 II 169 BGer. 15.7.1943 – BGE 69 I 171 BGer. 12.4.1943 – BGE 69 II 76 BGer. 15.6.1943 – BGE 69 II 230 BGer. 18.11.1943 – BGE 69 II 286 BGer. 14.6.1945 – BGE 71 II 132 BGer. 6.7.1945 – BGE 71 II 158 BGer. 10.7.1945 – BGE 71 II 236 BGer 22.1.1946 – BGE 72 II 80 BGer. 2.7.1946 – BGE 72 II 267 BGer. 25.9.1947 – BGE 73 II 158 BGer. 28.2.1950 – BGE 76 II 33 BGer. 20.2.1951 – BGE 77 II 154 BGer. 10.1.1952 – BGE 78 II 39 BGer. 17.6.1952 – BGE 78 II 230 BGer. 12.2.1953 – BGE 79 II 113 BGer. 1.2.1954 – BGE 80 II 45 BGer. 30.3.1954 – BGE 80 II 49 BGer. 16.11.1954 – BGE 80 II 327 BGer. 13.12.1955 – BGE 81 II 613 BGer. 6.2.1956 – BGE 82 II 21 BGer. 20.1.1956 – BGE 82 II 72 BGer. 15.3.1956 – BGE 82 II 129 BGer. 24.3.1956 – BGE 82 II 142 BGer. 11.6.1957 – BGE 83 II 151 BGer. 11.7.1957 – BGE 83 II 363 BGer. 4.2.1958 – BGE 84 II 13 BGer. 14.2.1958 – BGE 84 II 107 BGer. 29.4.1958 – BGE 84 II 266 BGer. 13.3.1958 – BGE 84 II 355 BGer. 15.12.1958 – BGE 84 II 628 BGer. 1.12.1959 – BGE 85 II 402 BGer. 8.3.1960 – BGE 86 II 71 BGer. 27.9.1960 – BGE 86 II 201 BGer. 18.2.1960 – BGE 86 II 243

Entscheidregister 119, 122 164, 169, 172, 174, 175 172, 185 106 106, 107, 116, 118, 119, 122 179 202, 203 105 193, 194, 195, 263 106 106 108 164, 171, 172, 173 113, 116, 119, 120, 122 190 153 105, 106 180 107 164, 169 194 141 196 105 106, 107 195, 263 141, 146 142, 146, 149 107 106, 107 107 16, 64, 105, 189, 190, 191, 201 106 105 106 105 113, 116, 118, 119, 122, 146 50, 51, 157, 159, 160, 162, 163 122 178, 209 12, 13, 190, 191, 201, 203 110, 178, 182, 209 40, 180 178, 182, 209 178, 202 105 185 106, 155

Entscheidregister BGer. 4.4.1961 – BGE 87 II 85 BGer. 6.9.1961 – BGE 87 II 147 BGer. 12.6.1962 – BGE 88 II 172 BGer. 10.5.1962 – BGE 88 II 252 BGer. 10.12.1962 – BGE 88 II 511 BGer. 14.5.1963 – BGE 89 II 126 BGer. 24.3.1964 – BGE 90 II 34 BGer. 19.5.1964 – BGE 90 II 92 BGer. 7.7.1964 – BGE 90 II 235 BGer. 2.4.1965 – BGE 91 I 223 BGer. 13.7.1965 – BGE 91 II 275 BGer. 9.11.1965 – BGE 91 II 344 BGer. 5.10.1965 – BGE 91 II 372 BGer. 8.2.1966 – BGE 92 II 22 BGer. 22.3.1966 – BGE 92 II 31 BGer. 21.6.1966 – BGE 92 II 168 BGer. 28.4.1967 – BGE 93 II 71 BGer. 21.3.1967 – BGE 93 II 97 BGer. 1.4.1967 – BGE 93 II 189 BGer. 7.7.1967 – BGE 93 II 272 BGer. 23.11.1967 – BGE 93 II 290 BGer. 8.10.1968 – BGE 94 II 197 BGer. 11.2.1969 – BGE 95 II 37 BGer. 18.3.1969 – BGE 95 II 55 BGer. 17.12.1969 – BGE 95 II 433 BGer. 28.10.1969 – BGE 95 II 532 BGer. 12.5.1970 – BGE 96 II 18 BGer. 23.6.1979 – BGE 96 II 129 BGer. 27.7.1970 – BGE 96 II 139 BGer. 10.2.1970 – BGE 96 II 154 BGer. 7.12.1971 – BGE 97 II 390 BGer. 3.10.1972 – BGE 98 II 305 BGer. 25.9.1973 – BGE 99 II 308 BGer. 1.7.1974 – BGE 100 II 200 BGer. 26.9.1974 – BGE 100 II 345 BGer. 1.8.1975 – BGE 101 II 277 BGer. 15.6.1976 – BGE 102 II 211 BGer. 14.9.1976 – BGE 102 II 256 BGer. 15.6.1976 – BGE 102 II 339 BGer. 21.12.1976 – BGE 102 II 401 BGer. 30.11.1976 – BGE 102 II 420 BGer. 26.4.1977 – BGE 103 II 108 BGer. 17.5.1977 – BGE 103 II 120 BGer. 5.4.1977 – BGE 103 II 129 BGer. 23.3.1978 – BGE 104 II 6 BGer. 23.5.1978 – BGE 104 II 108 BGer. 6.2.1979 – BGE 105 II 75 BGer. 17.7.1979 – BGE 105 II 200

19 107 108 87 50, 157, 159, 160, 162 155 105 159, 160, 162 83, 84, 93 194 197 266 140, 141, 142, 144, 145 140, 141, 146, 148, 149 116, 119, 122, 146 200, 201, 203, 240 105 105 23, 92, 105, 191, 207, 214 88 164, 168, 169, 172, 173, 175 194 106 182 155 116, 118, 119, 120, 122, 149, 150 106 69, 72, 79, 171, 176 142, 144, 145, 148, 149, 150 170 164, 173, 174, 175 105 171 263 171 142, 147 156 193 106, 107 105 116, 118, 122 116, 122 51, 145 116, 119, 120, 122 155, 185 181, 182 240 145

301

302 BGer. 29.4.1980 – BGE 106 II 36 BGer. 4.2.1980 – BGE 106 II 56 BGer. 26.6.1980 – BGE 106 II 369 BGer. 23.4.1981 – BGE 107 II 144 BGer. 2.6.1981 – BGE 107 II 161 BGer. 14.7.1981 – BGE 107 II 216 BGer. 10.11.1981 – BGE 107 II 419 BGer. 20.7.1981 – BGE 107 III 75 BGer. 10.3.1982 – BGE 108 II 47 BGer. 31.3.1982 – BGE 108 II 112 BGer. 16.11.1982 – BGE 108 II 314 BGer. 2.12.1982 – BGE 108 II 405 BGer. 1.12.1982 – BGE 108 II 416 BGer. 21.3.1983 – BGE 109 II 24 BGer. 12.7.1983 – BGE 109 II 116 BGer. 17.5.1983 – BGE 109 II 120 BGer. 21.6.1983 – BGE 109 II 213 BGer. 6.12.1983 – BGE 109 II 452 BGer. 13.12.1983 – BGE 109 II 462 BGer. 7.2.1984 – BGE 110 II 172 BGer. 13.3.1984 – BGE 110 II 360 BGer. 29.10.1984 – BGE 110 II 474 BGer. 18.6.1985 – BGE 111 II 260 BGer. 6.11.1985 – BGE 111 II 330 BGer. 10.12.1985 – BGE 111 II 366 BGer. 25.4.1986 – BGE 112 II 241 BGer. 11.12.1986 – BGE 112 II 433 BGer. 18.11.1986 – BGE 112 II 450 BGer. 18.11.1986 – BGE 112 II 459 BGer. 1.4.1987 – BGE 113 Ia 126 BGer. 12.5.1987 – BGE 113 II 163 BGer. 4.5.1987 – BGE 113 II 209 BGer. 9.7.1987 – BGE 113 II 252 BGer. 23.2.1988 – BGE 114 II 74 BGer. 21.6.1988 – BGE 114 II 159 BGer. 22.6.1988 – BGE 114 II 264 BGer. 9.6.1988 – BGE 114 II 314 BGer. 26.9.1989 – BGE 115 II 232 BGer. 17.7.1989 – BGE 115 II 264 BGer. 19.12.1989 – BGE 115 II 464 BGer. 24.10.1989 – BGE 115 II 474 BGer. 21.11.1989 – BGE 115 II 484 BGer. 3.4.1990 – BGE 116 II 145 BGer. 20.9.1990 – BGE 116 II 302 BGer. 2.10.1990 – BGE 116 II 594 BGer. 29.1.1991 – BGE 117 II 77 BGer. 4.6.1991 – BGE 117 II 286 BGer. 12.11.1991 – BGE 117 II 609

Entscheidregister 40, 180, 184, 240 157, 159, 160, 162 40, 180, 184 83, 84, 85, 87 193, 196, 266 5, 65, 69, 85, 176, 177 85 180 180 82, 83, 84, 85, 94 194, 195 108, 182 263 197 193, 194, 195 51, 122 197, 236 236, 265 90 122 105 90 84, 87 180, 185 51, 157, 159, 162 180 180, 183 194 159, 160, 162 1 180 164, 173, 175 180 128, 132 164, 173, 174, 175, 176, 177, 183 116, 118, 119, 120, 122 106 107, 202, 207 266 105 72, 90, 193, 266 79, 84, 87, 88 105 118, 122 126 126 104, 159, 160, 162 266

Entscheidregister BGer. 5.12.1991 – BGE 117 III 52 BGer. 1.4.1992 – BGE 118 II 124 BGer. 15.1.1992 – BGE 118 II 130 BGer. 16.6.1992 – BGE 118 II 136 BGer. 17.6.1992 – BGE 118 II 295 BGer. 9.12.1993 – BGE 119 Ib 412 BGer. 20.4.1993 – BGE 119 II 222 BGer. 15.9.1993 – BGE 119 II 347 BGer. 1.7.1993 – BGE 119 II 368 BGer. 5.8.1993 – BGE 119 II 443 BGer. 13.7.1994 – BGE 120 Ia 120 BGer. 27.1.1994 – BGE 120 II 35 BGer. 6.6.1995 – BGE 121 III 163 BGer. 22.12.1995 – BGE 121 IV 365 BGer. 22.3.1996 – BGE 122 I 57 BGer. 1.4.1996 – BGE 122 II 97 BGer. 27.2.1996 – BGE 122 III 20 BGer. 7.3.1996 – BGE 122 III 118 BGer. 4.6.1996 – BGE 122 III 257 BGer. 5.6.1996 – BGE 122 III 262 BGer. 9.7.1996 – BGE 122 III 373 BGer. 29.7.1996 – BGE 122 III 420 BGer. 20.8.1996 – BGE 123 III 35 BGer. 21.11.1996 – BGE 123 III 165 BGer. 14.4.1997 – BGE 123 III 171 BGer. 26.6.1997 – BGE 123 III 292 BGer. 7.7.1997 – BGE 123 III 317 BGer. 5.9.1997 – BGE 123 III 337 BGer. 18.12.1997 – BGE 124 III 67 BGer. 7.10.1997 – BGE 124 III 155 BGer. 3.7.1998 – BGE 124 III 363 BGer. 29.4.1999 – BGE 125 III 263 BGer. 7.12.1999 – BGE 126 III 59 BGer. 23.12.1999 – BGE 126 III 182 BGer. 18.7.2000 – BGE 126 III 388 BGer. 30.10.2000 – BGE 127 II 69 BGer. 24.4.2001 – BGE 127 III 300 BGer. 4.7.2001 – BGE 127 III 411 BGer. 12.9.2001 – BGE 128 I 34 BGer. 3.4.2002 – BGE 128 III 428 BGer. 3.5.2002 – BGE 128 III 434 BGer. 7.1.2003 – BGE 129 III 124 BGer. 30.10.2002 – BGE 129 III 209 BGer. 27.11.2003 – BGE 130 I 26 BGer. 21.11.2003 – BGE 130 III 66 BGer. 23.12.2003 – BGE 130 III 345

303

180 125, 130 130 105 264 255 40 93, 94 242 42, 79, 263, 264, 265, 268 255 179, 180 131, 132 40 255 181 132 266 126, 129, 132 170 268 111 264 196 126, 129 6, 17, 23, 28, 31, 39, 40, 41, 83, 86, 98, 101, 102, 128, 147, 185, 198, 199, 201, 204, 205, 206, 207, 208, 210, 213, 219 130 155 131, 132 194, 195 240 264 196 105 266 164, 173, 174, 176 83 130 20 108, 164, 170, 178 179 177 107, 183, 184 1 63 240

304 BGer. 20.2.2004 – BGE 130 III 353 BGer. 8.4.2004 – BGE 130 III 495 BGer. 6.10.2004 – BGE 130 III 686 BGer. 31.5.2005 – BGE 131 I 333 BGer. 26.10.2004 – BGE 131 III 61 BGer. 9.12.2004 – BGE 131 III 97 BGer. 31.8.2005 – BGE 132 III 24 BGer. 24.4.2006 – BGE 132 III 449 BGer. 3.2.2006 – BGE 132 III 455 BGer. 7.9.2006 – BGE 132 III 702 BGer. 30.10.2006 – BGE 133 III 43 BGer. 26.10.2006 – BGE 133 III 61 BGer. 15.3.2007 – BGE 133 III 201 BGer. 28.10.2008 – BGE 135 III 1 BGer. 28.1.2009 – BGE 135 III 225 BGer. 3.11.2009 – BGE 136 III 82 BGer. 27.5.2010 – BGE 136 III 401 BGer. 7.11.2011 – BGE 138 III 29 BGer. 10.1.2012 – BGE 138 III 67 BGer. 27.3.2012 – BGE 138 III 322 BGer. 30.5.2012 – BGE 138 III 411 BGer. 26.9.2012 – BGE 138 III 669 BGer. 17.10.2012 – BGE 138 III 746 BGer. 27.11.2012 – BGE 139 III 1 BGer. 6.12.2012 – BGE 139 III 13 BGer. 1.7.2013 – BGE 139 III 345 BGer. 15.7.2014 – BGE 140 III 404 BGer. 5.12.2014 – BGE 141 III 64 BGer. 30.3.2015 – BGE 141 III 106 BGer. 7.7.2015 – BGE 141 III 245 BGer. 16.12.2015 – BGE 141 III 569 BGer. 25.11.2015 – BGE 141 III 596 BGer. 18.5.2016 – BGE 142 III 442 BGer. 22.8.2016 – BGE 142 III 568 BGer. 3.10.2016 – BGE 142 III 746 BGer. 14.12.2016 – BGE 143 III 1

Entscheidregister 140, 142, 147 181 196, 197 1 20 20 106 194 107 132 116, 120, 122 125 51, 111, 113, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122 264 265 128, 129, 132 107, 109 80, 84 141 104, 109, 122, 181, 185 264 159, 160, 162 48, 49, 122 106 127, 128, 129, 131 263 268, 269 105 55 129 130 105 127, 128 129 180 51, 111, 119, 123

Weitere Urteile des schweizerischen Bundesgerichts (CH) BGer 6.1.1994 – 4C.272/1993 BGer 8.12.1994 – 4C.420/1994 BGer. 11.12.2000 – 5C.220/2000 BGer 26.3.2002 – 4C.287/2001 BGer 16.10.2002 – 4A.69/2002 BGer 11.11.2002 – 4C.215/2002 BGer 28.11.2002 – 4P.135/2002 BGer 15.12.2003 – 4C.282/2003 BGer 17.6.2004 – 4C.110/2004

214 214 263, 265 131 128 266 264 263 266

305

Entscheidregister BGer 5.7.2005 – 4C.121/2005 BGer 15.8.2005 – 4C.25/2005 BGer 6.1.2006 – 4C.343/2005 BGer 17.8.2006 – 4C.156/2006 BGer 18.12.2008 – 4A_404/2008 BGer 17.10.2011 – 4A_174/2011 BGer 2.6.2015 – 4A_47/2015 BGer 9.6.2015 – 4A_33/2015 BGer 18.5.2016 – 4A_691/2015 BGer 14.12.2016 – 4A_268/2016

160 213 79 213 6, 17, 23, 28, 101, 210, 211, 212, 213, 214, 215 51 263 50 131 119

Urteile des deutschen Bundesgerichtshofs (D) BGH 7.10.1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 BGH 19.9.1983 – VIII ZR 84/82, NJW 1984, 48 BGH 28.5.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816 BGH 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 BGH 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, NJW 2009, 2590 BGH 28.0.1983 – VII ZR 267/82, WM 1983, 916 BGH 17.5.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 BGH 11.1.1984 – VIII ARZ 13/83, BGHZ 89, 316 BGH 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 BGH 20.6.1984 – VIII ZR 337/82, BGHZ 91, 375 BGH 16.10.1984 – X ZR 97/83, BGHZ 92, 312

58, 59 8 241 8 241 8 8, 257 36 96 8 8

Stichwortverzeichnis Abschlussfreiheit 1 Abschreckung  242, 273 – Abschreckungsmoment  247 – Abschreckungswirkung  241, 249, 250, 255 Abtretung  106, 180 – Abtretungsverbot  58 – Sicherungsabtretung  180 Adäquanzproblematik  17 AGB  3, 6 f., 18, 20, 27, 29, 31, 33, 35, 39, 41 ff., 52, 54, 57 ff., 64, 68, 74 ff., 79 f., 92, 95 ff., 99, 101, 103, 188, 194 f., 197 f., 208, 209 ff., 214 ff., 221 ff., 229, 231 ff., 237 ff., 241, 245, 248, 251, 253 f., 257 ff., 261 ff., 271 ff., 275 f., 277 ff. – Auslegung  19 – Auslegungskontrolle, s. dort – culpa in contrahendo,  240 f., 280 – Geltungskontrolle, s. dort – Inhaltskontrolle, s. dort – Klausel  2 f., 7, 9, 16, 23, 42 ff., 45 ff., 52, 55 ff., 79 ff., 95 f., 219, 223 f., 234, 237 ff., 241 ff., 254 ff., 261, 263 ff., 275 f., 277 ff. – Kontrolle  32, 194, 231 ff., 241, 261 ff., 271, 276 – rationale Ignoranz  235, 265 – Rationalisierungseffekt  232, 239 – strukturelles Ungleichgewicht, s. dort – Übermaßkriterien  211 ff. AGB-Verwenderin, s. Verwenderin Ahndungswahrscheinlichkeit  246 ff., 271 f., 276, 280 Allgemeine Geschäftsbedingungen, s. AGB Allokationseffizienz  229 Analogie  7, 20, 31, 45, 62, 72 f., 98, 138 – Analogieschluss  90 – Gesamtanalogie  38 Anfechtbarkeit  12, 14, 23, 31, 42, 52, 125, 199

Anfechtung  13, 39, 120 f., 199 f., 205, 240 – Anfechtungserklärung  14, 39 – Anfechtungsgrund  125 f. – Anfechtungsrecht  13 – Anfechtungsvoraussetzungen  125 – Irrtumsanfechtung  47 – Mietzinsanfechtung  127 Angemessenheit  6, 36, 123, 142, 148, 162 Anreiz  8, 12, 71, 210, 214, 216 f., 221 f., 224, 226, 232, 238, 242 f., 247, 251 f., 265, 271, 276, 279 f. – Anreizstruktur  237 ff. – Anreizwirkung  159, 216, 223, 238, 242, 272 Äquivalenzkontrolle, Äquivalenzprüfung  56, 161, 202 Äquivalenzstörung  18, 31, 198 ff., 208 – (offenbares) Missverhältnis, s. dort – Anfechtung, s. dort – Konvaleszenz  199 – laesio enormis, s. dort – laesio enormissima, s. dort – Leichtsinn  12, 39, 199, 203 – Notlage  12, 39, 199, 203, 205 – objektiver Wert der Leistungen  198, 201 – qualitative Vertragsanpassung, s. Vertragsanpassung – quantitative Vertragsanpassung, s. Vertragsanpassung – Reduktion eines offenbaren Missverhältnisses  200 ff. – Reduktionsmaß  202 ff. – relatives Übermaß  18, 68, 198 ff., 219, 272 – Schwächesituation  200 – Übermaßkriterien  200 ff. – Übervorteilung  12, 16, 39, 42, 160, 199, 201 ff., 208, 231, 240

Stichwortverzeichnis – Unerfahrenheit  12, 39, 199, 203 – Wucher, s. dort Arbeitgeber, Arbeitgeberin  35, 51, 132 f., 145, 147, 180 Arbeitnehmer, Arbeitnehmerin  35 f., 51, 105, 132 ff., 141, 145, 147, 156, 180 f. – Arbeitnehmerrechte  146 – Arbeitnehmerschutz  149 Arbeitsrecht  9 f., 40, 101, 132 f., 148, 157, 167, 177, 181 Aufhebungsfreiheit 1 Auslegung, restriktive  19 ff., 25, 137, 154, 156, 179, 187 f., 196, 198, 266 Auslegungskontrolle  262, 264, 265 f. – contra proferentem-Regel, s. dort – Unklarheitenregel, s. dort – Restriktionsprinzip, s. dort B2B  236, 242, 270 B2C  189, 236, 263, 267, 270 Begriffsverständnis  3, 10, 17, 27 f., 32 ff., 187, 275, 277 f. Beratung – parlamentarische  47 – in der Kommission  199 blue pencil rule  60 blue pencil test  59 f., 75 Botschaft  3, 47, 199, 217, 270 Brauchtum  82 Bundesgericht, schweizerisches  3, 5, 11, 17, 23, 28 f., 31, 39, 41, 46, 48 ff., 58, 69, 72, 83, 85, 88, 92, 94, 98, 101 ff., 221, 255, 264 ff., 275 – bundesgerichtliche Rechtsprechung  11, 87, 94, 104 ff., 236 – Leitentscheid  102 f., 147, 153, 157, 163, 201, 210, 219 Bundesgerichtshof, deutscher  8, 58, 60, 95 Bundesrat  3, 47, 143 Bundesratsbeschluss  105, 124 Bundesverfassung, schweizerische  1 clausula rebus sic stantibus  11, 166 common law  60, 242, 253 conditio sine qua non  30, 63 contra proferentem-Regel  256, 266 culpa in contrahendo  240 f., 280

307

Darlehenszins  189 ff., 197, 202, 207, 238 – Primärleistungspflicht  189 – Reduktion  189 ff. Dauerschuldverhältnis 111, 164 ff., 186, 188, 205 – Reduktion  164 ff. – überlanges  111, 164, 178 f., 186, 188 – Übermaßkriterien  171 ff. Definitionskontroverse  15, 33, 218, 278 Deliktsrecht  223, 242 Dienstverhältnis  110, 114, 140, 148 f., 151, 192 – lebenslanges  110 Dienstvertrag  49, 133 ff., 138, 140, 149, 151, 160, 171, 178 – auf Lebenszeit  49, 138, 167, 169 – Dienstvertragsrecht  149 f. – lebenslanger  49, 138, 171 Dispositionsmaxime  50 f., 152 Dispositivanalyse  11, 104 Dispositivnorm, s. auch Recht, dispositives  68 ff., 79, 87 ff. Ehe- und Partnerschaftsvermittlung  50, 157 ff. Eigenkapital  126, 131 Eigennutzentheorem  224, 227 f. Eigentumsgarantie 1 Ergänzungsmittel  28, 81 ff., 86, 89, 92 – objektive  82 f., 86 – subjektive  83 ff., 86 Ermessen – billiges  111, 154 – Ermessensspielraum  245 – freies  202 – gerichtliches  67, 111, 120 – pflichtgemäßes  86 – richterliches  37, 68, 82, 91 f., 120, 192 Ersatzregel  23, 28 ff., 54, 65 ff., 70 f., 73, 76, 79 f., 82, 86 ff., 92, 177, 206, 214, 224, 232, 237 f., 276 – angemessene  9, 31 – bestrafende  242 – Ersatzregelbildung  23, 36 ff., 44, 48, 66 ff., 70, 73 ff., 77, 79 f., 82, 84, 88, 92, 97 f., 102, 123, 188, 192, 220, 242, 244, 251, 271, 274, 279 – Ersatzregelordnung  76

308

Stichwortverzeichnis

– dispositive  72, 82, 177, 242 – gesetzliche  71 – mittelbare gesetzliche  90 – Rangordnung der  86 ff. – richterliche  62, 66, 69 f., 73 f., 87 f., 91, 279 Ertrag, übersetzter  125 ff., 129 Erwartungsunsicherheit  3, 221, 276 essentialia negotii, s. auch Hauptleistungspflicht, Vertragspunkt, objektiv-wesentlicher und subjektiv-wesentlicher  62, 93, 237, 258 Externalität, externe Kosten/Effekte  230 f. Fahrlässigkeit  58 – grobe  57, 66, 193 – leichte  45, 57, 66 f., 193 – mittlere  66 favor contractus, s. auch favor negotii  65, 213 favor negotii, s. auch favor contractus 23, 38, 65, 73, 96 Feststellungsurteil  48 Formfreiheit 1 Formularpflicht  128 Freizeichnungsklausel  192 ff., 233, 260 – Absicht  192 f. – grobe Fahrlässigkeit  192 f. – Haftungsausschluss, s. dort – Hilfspersonenhaftung, s. dort – leichte Fahrlässigkeit  45, 193 – obrigkeitlich konzessioniertes Gewerbe  192 ff. – Reduktion  192 ff. Ganznichtigkeit, s. auch Gesamtnichtigkeit, Totalnichtigkeit  30, 53 f., 63, 65, 67, 70 f., 139, 213 Gegenleistung  16 ff., 39, 64, 104, 113, 160 f., 164 ff., 179, 186, 198, 200 ff., 207 Geltungskontrolle  258, 262 ff. – Globalübernahme, s. dort – verdeckte Inhaltskontrolle, s. Inhaltskontrolle – Vollübernahme, s. dort Generalklausel  113, 256, 280 Genugtuung  42, 150, 180, 241

Genugtuungsanspruch  242 Gerichtskosten  240 ff. Gerichtsstandsverzicht  40 Gesamtnichtigkeit, s. auch Ganznichtigkeit, Totalnichtigkeit 53 Gesellschaftsvertrag  11, 108, 156 Gesetzesauslegung  7, 20, 204 Gesetzeslücke  34, 38, 46, 90, 184 Gesetzesmaterialien  102, 110, 131, 143, 186, 194, 199 Gesetzesrecht, s. auch Recht  2, 73 – Ausgleichsfunktion  242 – dispositives, s. auch Dispositivnorm, Recht  3, 5, 28, 44, 46, 58, 66, 68 ff., 75 ff., 82, 86 ff., 92 f., 95, 177, 224, 230, 232, 242, 251, 266, 271, 276, 279 – lückenhaftes  34 – passendes  96 – Sachnorm, s. dort – Verweisungsnorm, s. dort – zwingendes, s. auch Recht  67, 73, 79, 175, 177, 189, 231 Gesetzgeberwille, historischer  21 Gestaltungsurteil  48 Gewährleistungsausschluss 4, 195 ff. – Arglist  195 – Grundstückkaufvertrag  45, 196, 198 – Reduktion  195 ff. – Zusicherung  197 Gewinnabschöpfung  42 Globalübernahme  95, 258, 263, 265 Grenze, gesetzliche/normative/zulässige/ zwingende  2, 4, 18, 20, 24, 30, 32, 48 f., 53 f., 80, 102, 104, 107, 120, 121, 123, 139, 143, 149, 153, 156, 163, 166, 173, 175, 179, 187, 190 ff., 207, 214, 217, 219 f., 243, 246 ff., 252, 256, 260, 271 ff., 275 f., 280 Haftungsausschluss  56, 66, 192 ff. Haftungsfreizeichnung  4, 193 ff. Handeln, unlauteres  2 f., 41 f., 68, 259, 268 f. Handlungsfähigkeit  107 Hauptleistungspflicht, vertragliche, s. auch essentialia negotii, Vertragspunkt, objektiv-wesentlicher und subjektiv-wesentlicher 4 Hilfspersonenhaftung  192, 194

Stichwortverzeichnis homo oeconomicus  223 f., 224 ff., 235, 237, 243 ff., 253 – Anreiz, s. dort – Eigennutzentheorem, s. dort – Informationsasymmetrie, s. dort – Kosten-Nutzen-Analyse  223, 237 – methodologischer Individualismus  224, 225 – Nutzenmaximierung, s. dort – Präferenz, s. dort – Rationalitätsannahme  224, 227 – Restriktion, s. dort – Risikoallokation  232, 243 ff., 279 Individualvereinbarung  18, 31, 252, 260, 273 Individualvertrag  6, 10 ff., 26, 29 ff., 33, 35, 38 f., 52, 54, 75 ff., 95 ff., 103, 194, 210, 231, 236, 260, 264 ff., 277 ff. Informationsasymmetrie  231, 234, 236 f., 245 ff., 270 – market for lemons, s. dort – Marktversagen, s. dort Inhaltsfreiheit  1, 53, 111 Inhaltskontrolle  2, 6 ff., 12, 16, 24 f., 37, 39, 41 f., 46 f., 52, 54 ff., 72, 74 ff., 97, 110, 124 f., 160, 163, 190, 193, 195, 198, 209 f., 217, 221 ff., 236, 237 ff., 258 f., 261 ff., 276, 279 – allgemeine vertragsrechtliche  17, 267 – Kontrollgegenstand, s. dort – offene  43, 262, 267, 269 – verdeckte  195, 262, 264 f., 267, 269 Inhaltsmangel  12, 16, 43, 54 ff. – Totalmangel  55, 64 – Teilmangel  55, 59, 63, 65, 213 Innominatkontrakt, Innominatvertrag  45 f., 87, 90, 93, 177 Interesse, öffentliches  13, 50, 157, 255 Interessenkonflikt  76, 78, 106 Irreführung  41, 268 iura novit curia 51 iustum pretium  163 Kaufpreis, (offensichtlich) übersetzter  94, 115, 123, 125 f., 151, 160, 163, 181, 196 f., 201 f., 209, 229

309

Klausel, Vertragsklausel, s. auch AGB  2 ff., 16 ff., 30 ff., 42 ff., 55 ff., 95 ff., 101, 103, 108, 120, 124, 137 f., 143, 147 f., 163 f., 172, 176 ff., 191, 193, 195 ff., 206, 212 ff., 237 ff., 242 f., 254 ff., 263 ff., 271, 276, 277 ff. – Abwehrklausel  80 – Auslegungsklausel  233 – Beweislastklausel  233 – Einwilligungsklausel  233 – Fiktionsklausel  233 – Freizeichnungsklausel, s. dort – Gerichtsstandsklausel  61, 233 – Haftungsausschlussklausel/Haftungsfreizeichnungsklausel  192 f. – Konkurrenzklausel  115, 119, 133 ff., 139 f., 145, 151 ff. – Kündigungsklausel  172, 174 ff. – Prolongationsklausel  182 – Rechtswahlklausel  233 – Rücktrittsklausel  98 – Schiedsklausel  61, 233 – Schriftformklausel  233 – Stellvertretungsklausel  233 – Strafklausel  112 f., 117, 120 – Verwirkungsklausel  233 Klauselteilung 55, 59 f., 74 Klauselverbotskatalog  58, 273 KMU  270 Konkurrenzverbot  106, 114 f., 118, 132 ff., 156, 186 ff., 205 – arbeitsvertragliches  35 ff., 51, 132, 140 ff., 156 – berechtigtes Interesse  36, 132, 134, 141, 151 – dienstvertragliches  110, 114 f., 133 ff., 140 ff. – gesellschaftsvertragliches  136, 150 ff. – gewerbliches  133, 135 f., 140, 150 ff., 156 – Karenzentschädigung  142, 156 – kartellvertragliches  114, 118 – kaufvertragliches  114, 136, 151, 154 f. – mietvertragliche  150 f., 155 – nachvertragliches  88, 152 f. – pachtvertragliches  133, 135 f. – Reduktion eines übermäßigen  132 ff. – Reduktionsmaß  143 ff.

310

Stichwortverzeichnis

– Rücktrittsklausel  58 – sittenwidriges  139 – Übermaßkriterien  140 ff., 150 f. – unbeschränktes  110, 138, 143 Konsensualvertrag 52 Konsument, Konsumentin  3, 11, 40, 42, 44, 46, 234 ff., 269 f. Konsumentenschutz  101 – Konsumentenschutzproblematik  235 ff., 270 – Konsumentenschutzorganisation  265 Konsumentenvertrag, s. auch B2C  18, 272 f. Kontrollgegenstand  56 ff., 74 – formeller Ansatz  57 ff. – Kombinationsformel  59 – materieller Ansatz  58 f. Konventionalstrafe  35 ff., 48 ff., 104, 107, 110, 111 ff., 138, 153, 172, 187, 205, 212 – Reduktion einer übermäßigen  111 ff. – Reduktionsmaß  120 ff. – Schadenersatzfunktion  112, 115 – Straffunktion/Pönalfunktion  112 f., 116 – Übermaßkriterien  112 ff. – Vermögensinteresse  112 f. – Verschulden  114 f., 119 Konversion, s. auch Umdeutung  19, 24 f., 277 Konzept des vollständigen Vertrags  229 f., 232 – Allokationseffizienz, s. dort – Externalität, externe Kosten/Effekte, s. dort – Informationsasymmetrie, s. dort – Marktmacht, s. dort Kostenmiete  126 f. laesio enormis  121, 199 f. laesio enormissima  121, 200, 207 f. Laufzeit, vertragliche  4, 22, 70, 98, 108, 118, 136, 145 ff., 164 ff., 182, 211 f. Leasingvertrag  211 f. Leerstandsziffer  128 Leistungsinäquivalenz  16, 68, 199 f. Leistungsreduktion, richterliche  4, 19, 22, 27, 35, 102, 111, 133, 166, 172, 175, 179, 196, 200 Leistungsurteil  48

Leistungsverpflichtung  4, 202, 208 Leistungsversprechen  5, 17 lex imperfecta 41 lex perfecta  40 f., 66 Lücke  3, 29, 78, 81, 87, 95 f., 184 – Gesetzeslücke, s. dort  – Regelungslücke, s. dort – Vertragslücke, s. dort Lückenfüllung  21, 46, 79 ff., 84 f., 172 – gesetzliche  90 – richterliche  176, 204 – vertragliche  46 Mäklerlohn  35, 37, 50, 110, 157 ff., 187 f., 205 – iustum pretium, s. dort – Provision  106 f., 158 ff., 190 – Reduktion eines übermäßigen  162 f. – Übermaßkriterien  158 ff. – Wertparitätskontrolle  161 ff. market for lemons  234, 237 Marktmacht  219, 231 Marktmiete  127 Marktversagen  234 ff., 261 Materialisierungstendenz  102 Maxime, gemeinrechtliche  4 f. Mietzins  50, 94, 124 ff., 169 f., 205 f., 212 – Anfangsmietzins  35, 127 f., 131 – Mietzinserhöhung  124, 128, 130 – missbräuchlicher  35, 37, 125, 127, 129, 132, 187 – Orts- und Quartierüblichkeit  126, 130 – Reduktion eines übermäßigen  124 ff. – Referenzzins, Referenzzinssatz  125, 129 f. – Übermaßkriterien  129 ff. – Vormietzins  129 – wucherischer, wucherähnlicher  36, 128 Missverhältnis  18, 44, 104, 113, 116, 119 f., 198 ff., 207 f. – erhebliches und ungerechtfertigtes  3, 42, 269 – offenbares  16, 31, 39, 200 ff., 207 Modell  131, 228, 235, 243 ff., 271 – Ahndungswahrscheinlichkeit, s. dort – Benefit-Funktion  243 ff. – Grenzertrag  243 f.

Stichwortverzeichnis – Grenznutzen, Grenzprofit  228, 244, 246 ff. – Grenzverlust  244, 249 – Loss-Funktion  243 ff., 249 – Regulierungsmodell, s. dort – Risikoallokation, s. dort – Verhaltensmodell  222, 224 ff. Moderationsrecht, richterliches  4, 139 Natur des Geschäfts  82, 88, 91 Nebenpflicht  4, 93, 96 Nettorendite  125 f., 129 Nichtigkeit, flexible  109, 210 Nichtigkeitsvereinbarung  68 Nominaldefinition  15 Nutzenmaximierung 223 Offizialmaxime  50 f. Ökonomik  222 ff., 229 f., 236, 265, 276 – begrenzter Handlungsspielraum  224, 226 – Eigennutzentheorem, s. dort – homo oeconomicus, s. dort – methodologischer Individualismus, s. homo oeconomicus – normative Analyse des Rechts  222 f. – positive Analyse des Rechts  222 f., 225 – Präferenz, s. dort – Rationalitätsannahme, s. homo oeconomicus – Rechtsfolgenprognose  222 – Ressourcenknappheit  224, 226 – Wohlfahrtsökonomik  234 – Wohlfahrtstheorie  223 Ortsgebrauch  68 pactum de licitando  106 pactum de non licitando  105 f. Parteiwillen  78, 86, 98 f., 139 – hypothetischer  23, 28, 30 f., 33, 36, 38 f., 41, 44 f., 61, 63, 65, 67, 69 ff., 71 ff., 79, 82, 83 ff., 86 ff., 88 ff., 98 f., 102, 152, 171, 174, 176 f., 177, 180, 188, 191 f., 198, 206, 208, 214, 218, 220, 241 f., 244, 251, 279 – mutmaßlicher  83, 120, 123, 172 – tatsächlicher  13, 83 Partnerwahlfreiheit 1

311

penalty defaults 242 Persönlichkeitsrechtswidrigkeit  40, 54, 79, 107, 109, 179, 186 Persönlichkeitsverletzung  105, 107 f. Präferenz 224, 226 f., 227 f., 231, 258 Prävention  6, 8, 12, 46, 216, 254 ff., 258, 261 f., 271, 276, 278 Privatautonomie  1 f., 34, 37 f., 40, 48, 53, 72, 78, 81, 83, 88, 96, 102, 125, 188, 192, 209, 221, 233, 236, 252 Privatrecht, s. Recht punitive damages 242 Rationalitätsannahme  224, 227 Recht – dispositives  46 f., 68, 76, 79, 82, 86 f., 89, 91, 176, 230, 257, 275, 279 – der Persönlichkeit  17, 40, 53, 68, 104, 109, 152, 155, 170, 181 f. – römisches  5, 200 – zwingendes  40, 41, 66 f., 68, 70 f., 79 f., 157, 230 f., 236, 243, 267 – verfassungsmäßiges  1 Rechtsbegehren  50 f., 240 f. Rechtsfähigkeit  110 Rechtsfolge, „richtige“  3, 10, 12 Rechtsfolgenseite  2, 4, 7, 12, 16, 24 f., 32, 36 f., 43, 55 f., 66 f., 74 ff., 97, 102 f., 109, 121, 163, 171, 173, 179, 183, 185, 188, 195, 208, 210, 221 ff., 237 ff., 276, 279 Rechtsfortbildung  34, 88 – modo legislatoris  78, 87 – richterliche  34, 38, 79, 86 f. Rechtsgut  16, 105, 107, 167 Rechtsschutz, kollektiver  272 Reduktion, geltungserhaltende (Rechtsbegriff)  10, 16 ff., 101, 188, 277, 280 Reduktion, teleologische  7, 20, 41, 204 – Normsinn  21 – Wortsinn  21, 204 Reduktionsmaß, „richtiges“  9 f., 33, 198, 206 ff., 218 Reduktionsnorm  11, 33 f., 35 ff., 40, 49 f., 52, 67, 73, 79, 102, 111, 123 f., 133, 150, 156, 159, 178, 183 ff., 202, 219 Referenzzins, Referenzzinssatz  125, 129 f. Regelungslücke  47, 79 f., 84, 86, 89, 93, 95 f., 174

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Stichwortverzeichnis

Regulierung, s. auch Steuerung  231, 236, 245 ff. Regulierungsmodell  221 ff., 237 ff., 245 f. – Anreiz, s. dort – Gesamtunwirksamkeit  238 ff., 250 f. – Kosten  237 ff., 241 ff. – Reduktion auf das noch zulässige Maß  243, 246 ff. – Reduktion auf ein angemessenes Maß  242, 248 f. – Reduktion auf ein Maß zum Nachteil der begünstigten Partei  242, 249 f. – Transaktionskosten, s. dort Restgültigkeit 5, 38 ff., 55, 60 Restriktion  7, 20, 224, 226 f. Restriktionsprinzip  19, 266 Risikoallokation 232, 243 ff., 279 Rücktrittsgrund  58, 98 Rückwirkungsverbot 255 Sachnorm  68, 73 f., 82, 90, 163, 189 Sachwalter  8, 77 Sammelschaden  272 Schadenersatz  42, 112 f., 115 f., 150, 240 f. Scheindebatte  10, 278 Schrankenkonzept  104 ff., 186 Sitten, gute  21, 53, 68, 82, 104, 110, 117, 143, 149, 157, 173, 178, 182 f., 191, 201, 209 Sittenwidrigkeit  40, 54, 79, 105 f., 166, 168, 171, 178, 191, 207, 231 Sparvertrag  209 Ständerat  47, 143 Steuerung, s. auch Regulierung  256, 273, 280 – Steuerungstheorie  12, 221, 223, 278 – Steuerungswirkung  222, 224, 261, 276 – Steuerungsziel  8, 224, 273 – Verhaltenssteuerung, s. dort Stipulation  5, 113, 171 Systeminkohärenz  76, 80 Systemkohärenz  80 Tatbestandsseite  2, 56, 67, 72, 74, 109, 154 Täuschung, absichtliche  42 Teilbarkeit 24, 55 ff., 72 ff., 98, 138, 148, 190, 220

Teilnichtigkeit  3, 12, 14, 17, 23, 25, 41, 45, 53, 55 f., 59 ff., 65 f., 83, 98, 105 f., 109, 139, 176, 180, 200, 205, 214, 277 f. – modifizierte  5, 11, 23, 27, 38, 45, 53 ff., 75 f., 79 f., 95 ff., 177 f., 183, 192, 218 f. – quantitative  4, 21, 73, 277 – schlichte  5, 24, 38, 53, 54 ff., 62 ff., 71 ff., 176, 190 f., 202 f., 206, 213 Teilunwirksamkeit  9, 14, 16 f., 24, 40 f., 43 f., 47, 52, 59 f., 75, 97 f., 186, 204, 215, 238 – partielle  19, 21 ff., 25, 28 f., 53, 98, 148, 156, 175, 179, 188, 190 ff., 198, 208, 277 – qualitative  25 Totalnichtigkeit, s. auch Ganznichtigkeit, Gesamtnichtigkeit 53 Transaktionskosten  231 f., 238 Transparenz  6, 8, 77 Treu und Glauben  3, 42, 48 f., 78, 83 ff., 96, 172, 174 f., 177, 196 f., 242, 255, 259, 269 Übervorteilung  12, 16, 39, 42, 160, 199, 201 ff., 208, 231, 240 Umdeutung, s. auch Konversion 25 Ungleichgewicht  18, 118, 198 ff. – informationelles 237 – strukturelles 135, 140, 150, 210, 233 Unklarheitenregel  7, 194, 266, 269 Unternehmen, Unternehmer  11, 80, 133, 136, 144, 147, 201, 235 f., 239, 253 f., 270 Unverbindlichkeit  13, 39, 51, 152, 183 f., 199 f., 202 ff. Unwirksamkeit  8 f., 13 f., 16 f., 22 ff., 37, 40, 42 f., 45, 52, 57 f., 76, 79, 82, 96 ff., 102, 105, 110 f., 172, 183 ff., 205, 215, 218 f., 223, 237, 239 ff., 250 f., 255, 257 Usanz  82 Verbotsnorm  17, 40 f., 44, 66, 79, 98, 105, 204 Verhaltensnorm  40 Verhaltenssteuerung  222, 254, 280 Verhältnismäßigkeitsprinzip  252, 255 Verhandlungsmaxime 51 Verjährungsverzicht  40 Verkehrsübung  82, 91 Vermögensinteresse  112 f.

Stichwortverzeichnis Verrechnungsverzicht  40, 98 Verschulden  66, 114 f., 119, 192 ff. Vertrag – atypischer  89 – Leasingvertrag, s. dort – Nichterfüllung  111 ff. – Schlechterfüllung  112 – Sparvertrag, s. dort – synallagmatischer  11, 18, 64, 103, 238 – Teilbarkeit, s. dort – typischer  89 Vertragsanpassung, Vertragskorrektur  5, 19, 23, 25 f., 34, 49, 62, 91, 97, 99, 101, 166, 172, 174, 176, 184, 186, 197, 199 f., 202 f., 205 f., 208, 218, 220, 257 – qualitative  25, 205 f. – quantitative  25, 205 f., 208 Vertragsauslegung  19, 77 f., 83, 85 f., 88, 93, 96, 154, 175, 197 Vertragsergänzung, richterliche  3, 6, 9, 11 f., 19, 23, 27 ff., 33 f., 45 ff., 52 f., 70 ff., 75 ff., 149, 156, 174 ff., 188, 218, 224, 271, 275 f., 277 ff. – Ergänzungsmittel  28, 81 ff. – hypothetischer Parteiwillen, s. auch Parteiwillen  83 ff. – mittelbare  90 – unmittelbare  90 Vertragsfreiheit  1 f., 51, 88, 101, 111, 136, 143, 148 ff., 157, 179, 181, 184, 210, 217, 224, 229 ff., 270 – Abschlussfreiheit, s. dort – Aufhebungsfreiheit, s. dort – Formfreiheit, s. dort – Inhaltsfreiheit, s. dort – Konzept des vollständigen Vertrags, s. dort – Partnerwahlfreiheit, s. dort – regulatorischer Eingriff  230 ff., 270 Vertragsklausel, s. Klausel Vertragskontrolle  19, 217, 221, 224, 229 ff. Vertragslücke  27, 44, 67, 70, 78 ff., 85 ff., 93 ff., 150, 175 f., 230 – bewusste  78 – unbewusste  78

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Vertragsproblematik – endogene  11 – exogene  11 Vertragspunkt  56, 62 f., 72 f., 236, 239 – objektiv-wesentlicher  62, 63, 65, 93 f., 95 – subjektiv-wesentlicher  62, 63 f., 93, 94, 95 Vertragsrest  54 f., 68, 73, 76, 92, 203 – Selbständigkeit  56, 61, 74 Vertragsteil  2, 4, 17, 28, 37, 54 ff., 60, 64 f., 70, 73 f., 80, 95, 121, 177 Vertragstreue 111 Vertragstypenrecht  90 Vertrauensprinzip  63, 82 f. Verweisungsnorm  68, 82, 90 Verwenderin  8, 32 f., 42, 46, 57 f., 60, 195, 216 f., 223 ff., 232 f., 235 ff., 239, 241 ff., 252 ff., 271 f., 275 f., 279 f. Vollübernahme  263 von Amtes wegen  13, 35 f., 44 f., 49 ff., 145, 184, 203, 239 f. Weiterverkaufsverbot  58 Wettbewerb, unlauterer  47, 241, 262 Widerrechtlichkeit  13, 76, 105 f., 190, 207, 240 Willenserklärung  5, 7, 11, 16, 264 Wirksamkeitskontrolle  56 Wirtschaftsfreiheit  1, 140 Wohnungsknappheit  128 Wucher  206 – Wucherverbot  157 – Wuchervertrag  31, 199 f., 203 ff., 208 – Wucherzins  92 Zins, Zinsabrede, Zinssatz  16, 22 f., 30, 70, 90, 92, 129, 189 ff., 201, 207, 242 Zulässigkeitsschranke, s. auch Grenze 25, 67, 184, 237 f., 256 – (gesetzlich) fixierte  49, 66 f., 109, 189 ff., 197, 215 – (gesetzlich) nicht fixierte  109, 254, 256 f. – relative  215