Verschuldungsverbot und Grundrechtsinterpretation: Budgetrestriktion als finanzverfassungsrechtliche Konkretisierung primär des Demokratieprinzips und als Regulativ des "Möglichen" im einschlägigen grundrechtlichen Vorbehalt [1 ed.] 9783428503193, 9783428103195

Die Kreditfinanzierung von Staatsaufgaben führt wegen der Zins- und Tilgungsausgaben zur Verengung des Spielraumes künft

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Verschuldungsverbot und Grundrechtsinterpretation: Budgetrestriktion als finanzverfassungsrechtliche Konkretisierung primär des Demokratieprinzips und als Regulativ des "Möglichen" im einschlägigen grundrechtlichen Vorbehalt [1 ed.]
 9783428503193, 9783428103195

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HORST K R A T Z M A N N

Verschuldungs verbot und Grundrechts interpretation

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 837

Verschuldungsverbot und Gmndrechtsinterpretation Budgetrestriktion als finanzverfassungsrechtliche Konkretisierung primär des Demokratieprinzips und als Regulativ des „Möglichen" im einschlägigen grundrechtlichen Vorbehalt

Von

Horst Kratzmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kratzmann, Horst: Verschuldungsverbot und Gmndrechtsinterpretation : Budgetrestriktion als finanzverfassungsrechtliche Konkretisierung primär des Demokratieprinzips und als Regulativ des „Möglichen" im einschlägigen grundrechtlichen Vorbehalt / Horst Kratzmann. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 837) ISBN 3-428-10319-X

Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: psb presse service berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10319-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Vor einem guten Vierteljahrhundert ist der Verfasser in seiner ersten „nebendienstlichen" Schrift auf das Verhältnis von Recht und Geld eingegangen. Während er in seinen Hauptberufen als Verwaltungsbeamter die Bedeutung der Finanzen fortan immer stärker zur Kenntnis nahm, folgten nebenher weitere kleine Bücher und Aufsätze auch - aber nicht nur - zum Geldwesen. Das vorliegende Buch behandelt das alte Thema erneut, vertieft und in einem weiteren Rahmen: Eine lähmende Staatsverschuldung hat zur Teilblockade der Politik geführt und zumindest in der Wissenschaft das Begehren nach einer soliden, schuldenfreien staatlichen Haushaltswirtschaft geweckt. Diese wiederum fordert die Suche nach einer adäquaten Finanzverfassung heraus, welche die Verschiebung haushaltswirtschaftlicher Probleme auf künftige Generationen durch Staatsverschuldung nicht mehr zuläßt. Den Verfassungsjuristen schließlich muß u. a. interessieren, wie eine erzwungenermaßen karge Mittelausstattung sich auf die Interpretation deijenigen Grundrechte auswirkt, die als anerkannte oder potentielle Leistungs- bzw. Teilhabegrundrechte definitionsgemäß „teuer" sind. Auch wenn ein Nebenziel dieses wissenschaftlichen Vorhabens, den Verfasser aus der tristen Kategorie der „schreibenden Praktiker" (Hans Peter Ipsen in einer Vorlesung vor 35 Jahren) herauszuheben, nicht zu Ende geführt werden konnte, soll das Buch jetzt empfehlungsgemäß erscheinen. Es berücksichtigt Rechtsprechung und Schrifttum im wesentlichen bis zum Frühjahr 2000. Oldenburg i. H., November 2000 Horst Kratzmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung

15 1. Kapitel Entwicklung der Arbeitsziele

1. Ausgangspunkt 2. Unterscheidung der haushaltswirtschaftlichen und allgemeinwirtschaftlichen Folgen der Staatsverschuldung 3. Dienste der „modernen Institutionenökonomik" 4. Begriffsbildungen und Erkenntnisziele im Bereich der „Institutionenökonomik" bzw. der „Verfassungsökonomik" 5. Das Problem des „Nutzens" bei der Anwendung der Verfassungsökonomik 6. Verfassungsrechtliche Bewertungen der Staatsverschuldung und ihrer Eingrenzung . . . 7. Budgetrestriktion und „Vorbehalt des Möglichen" 8. Gang der Untersuchung 9. „Zweipoligkeit" der Untersuchung a) Selbstdisziplinierung der Haushaltswirtschaft und Bedeutung des Finanzwesens... b) Finanzabhängigkeit von Leistungsgrundrechten 10. Untersuchungsbereich

15 15 17 19 20 26 28 29 29 30 31 31 32

1. T e i l Ursachen, Anlässe, rechtliche Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

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2. Kapitel Unterschiedliche Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme für die staatliche Finanzwirtschaft 1. Haushaltsmäßige Differenzen bei gleichem Aufgabenbestand und fixem Budgetvolumen im Zeitraum der Einnahmeerzielung 2. Haushaltsmäßige Differenzen bei Erweiterung der Ausgaben und damit des Budgetvolumens 3. (Kurzfristige) Verschuldung zur Konjunkturstabilisierung a) Verschuldung als Politikinstrument b) Inhärente Grenzen und Schwierigkeiten einer Verschuldungspolitik c) Gründe für den nur begrenzten Erfolg 4. Die strukturelle Verschuldung a) Ausgleich unvermeidlicher Finanzierungsdefizite („Überbrückungsfunktion") und Verstetigung der Steuerpolitik („Steuerglättung")

34

34 37 39 39 41 45 48 49

8

5. 6. 7.

8.

Inhaltsverzeichnis b) Erweiterung der Staatsquote c) Volkswirtschaftliche Wachstumsschwäche als Verschuldungsgrund d) Haushaltswirkungen struktureller Defizite? Schulden fiir langlebige Investitionsgüter Differenzierungsprobleme Haushaltswirtschaftlicher „Spielraum" durch die Staatsverschuldung? a) Spielraumerweiterung durch anhaltendes Wirtschaftswachstum b) „Enttabuisierung der Staatsverschuldung" c) Spielraumberechnungen Verbleibende Fragen

49 52 52 55 61 63 64 64 65 72

3. Kapitel Unterschiedliche Wirkungen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft 1. 2. 3. 4.

Konjunkturanregung Verdrängung privater Investitionen („Crowding-out") Eingriff in die „interpersonelle Verteilungswirkung" u. a Zur Berechenbarkeit der Folgen einer „Schuldenpolitik"

76 76 77 88 92

4. Kapitel Staatsverschuldung als Staatsaufgabe 1. Staatsverschuldung als Finanzierungskategorie des Finanzstaates 2. Staatsverschuldung als Staatsaufgabe und Finanzierungsinstrument des Wirtschaftsstaates a) Verschuldung als Komponente der Staatsaufgabe nach Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 1 GG b) Verschuldung als Kompetenz oder als Machtausübung c) Verschuldung als Finanzierungsinstrument außerhalb des Steuerstaates d) Verschuldung als nonnersetzende Wohlfahrtssteuerung 3. Gesetzgeberische Freiheit zur Flucht aus der Staatsaufgabe?

94 94 97 97 99 103 104 107

5. Kapitel Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

108

1. Ausdrückliche verfassungsrechtliche Bremsen und Grenzen

108

a) Unzulänglichkeiten der geltenden Normen b) Der „Haushaltsausgleich" c) Die Normen der Verschuldungssteuerung 2. Demokratieprinzip und andere Verfassungsgrundsätze als Hindernisse a) Demokratieprinzip (Art. 20 GG) b) Präambel des Grundgesetzes

108 110 111 114 114 118

Inhaltsverzeichnis

3. 4.

5. 6.

7.

c) Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) d) Gleiche Rechte anderer (Art. 2 Abs. 1 GG) Gegenposition: Demokratie als Herrschaft heute Bleibende Relevanz allgemeiner Verfassungsprinzipien a) Demokratieprinzip b) Gleichheitssatz Verschuldung als „Kneifen" vor der Verantwortlichkeit? Der „Vorbehalt des Möglichen" a) Vorbehalt im Konflikt zwischen „Maßstab des Rechts" und „Maßstab des Möglichen" als einem Homogenitätsproblem b) Homogenitätsprobleme auf Verfassungsebene und auf Gesetzesebene c) Das „Mögliche" als Gleichsetzung mit regulären Steuermitteln? d) Der „Vorbehalt des Möglichen" als inhaltliche Leerformel, homogenitätssuchende Argumentationsfigur und Kurzformel für rechtliche Finanzierungsvorbehalte e) Varianten des „Vorbehaltes des Möglichen" Eigenwert der Finanzverfassung durch Art. 109 Abs. 2 GG

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2. T e i l Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung Vorbemerkung

13 8 138

6. Kapitel „Gemeinwohl geht mit Eigennutz44

139

1. Problemeinführung

139

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

141 143 145 147 149 151 155

Zu weiter Ermessensspielraum und mangelhafte Kontrolle? Institutionelle Nachteile der Parteiendemokratie „Wir sind alle Menschen" Verfolgung eigener Interessen durch Politiker und Amtsträger Gewinnung und Erhaltung der Macht Käuflichkeit der Wähler? Aufgaben der Verfassungsökonomik

7. Kapitel Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einschränkung der Staatsaufgaben Einschränkung der Staatstätigkeit durch Steuerentzug Der materielle Haushaltsausgleich und andere Verschuldungsverbote Selbständiges staatliches „Schuldengeld" Herstellung der Bankrottfähigkeit des Staates Die europäische Regelung Die passende Budgetrestriktion

160 160 170 172 176 181 186 190

10

Inhaltsverzeichnis 3. T e i l Das Gewicht der Haushaltsgewalt bei der Interpretation der Grundrechte

192

8. Kapitel Problemdefinition

192

1. Theorienskepsis

192

2. 3. 4. 5.

193 194 195 196

Grundrechtsermittlung vor rechtlichem „Vorbehalt des Möglichen" Beschränkung auf Grundrechte mit Leistungscharakter Notwendigkeit einer „Grundrechtsmutation"? Verbleibende Fragen

9. Kapitel Grundrechte - Rechte auf Leistungen? Einfuhrung 1. Zwei Entscheidungskombinationen des Bundesverfassungsgerichts a) Anspruch auf den Studienplatz b) Anspruch des Trägers einer privaten Ersatzschule auf Förderung 2. Homogenitätskomponenten 3. Mögliche Bedeutung der Kreditsperre für die allgemeine leistungsrechtliche Interpretation der Grundrechte a) Die leistungsrechtliche Wirkung von Hypothesen b) Zweck der Budgetrestriktion - Auswirkungen auf den „Vorbehalt des Möglichen" c) „Geländegewinne" dieser Interpretation

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10. Kapitel Grundrechte - Rechte auf Leistungen? Meinungsstand 1. Ablehnung der „Mutation" der Grundrechte a) Vorrang der parlamentarischen Entscheidung b) Keine Entmündigung des Gesetzgebers c) Untauglichkeit der Grundrechte zur Uminterpretation d) Keine interpretatorische Korrektur des Verfassungsgebers e) Wirkung der Bindungsklausel (Art. 1 Abs. 3 GG) 2. Gegenteilige Tendenzen: Neuinterpretation 3. Variationen leistungsrechtlicher Interpretationsansätze a) Richterrecht b) Kompromißlösungen c) Korrektur des formellen anhand des materiellen Verfassungsrechts d) Regulierung prinzipieller Grundrechte durch den Gesetzgeber e) Der a priori beschränkte Anspruch f) Rückzug auf das Sozialstaatsprinzip

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Inhaltsverzeichnis g) Grundrechte als ,3estandsgaranten" h) Viribus unitis i) Abschluß: Verzicht auf Homogenität

229 232 233

11. Kapitel Kreditsperre und Grundrechtsinterpretation

235

1. Restriktive Interpretationskriterien

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a) Demokratieprinzip b) Die Rechte anderer (Art. 2 Abs. 1 GG) c) Auswirkungen „der Rechte anderer" auf den „Vorbehalt des Möglichen" d) Der Gleichheitssatz e) Der kategorische Imperativ 2. Auswirkungen der Kreditsperre auf die Grundrechtsinterpretation a) ... für Leistungs- und Teilhabegrundrechte b) ... als Bremswirkung c) ... beim, ,Rückbau" von Gesetzesrecht

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12. Kapitel Aus den Grundrechten abgeleitete leistungsstaatliche Entwicklungen 1. Sicherung des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2, Art. 19, Art. 20 und 28 - Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaatsprinzip) 2. Unterbringung von Asylbewerbern (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 a. E, Art. 16 a GG) 3. Exkurs: „Vorbehalt des Möglichen" und „Prinzip der Verallgemeinerung" 4. Das Recht auf den Studienplatz (Art. 12 Abs. 1 GG) 5. Förderung der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) 6. Subventionierung privater Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 GG) 7. Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) 8. Förderung der Kunst (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) 9. Unterstützung der Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) 10. Gewährleistung der Rundfunk- und Fernsehfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)

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13. Kapitel Verfassungsökonomik, Verfassungsrecht und „Vorbehalt des Möglichen"

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1. Leistungen der Verfassungsökonomik

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2. Zurückhaltung bei der Grundrechtsinterpretation 3. Bedeutung des „Vorbehaltes des Möglichen" a) Sicherung des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 16 a GG) b) Das Recht auf einen Studienplatz (Art. 12 Abs. 1 GG) c) Förderung der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) d) Subventionierung der privaten Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 GG)

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12

Inhaltsverzeichnis

e) Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit, Förderung der Kunst (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) f) Unterstützung der Presse und Gewährleistung der Rundfunk- und Fernsehfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) 4. Ökonomik und verfassungsrechtlich Mögliches

293 293 293

Literaturverzeichnis

294

Sachregister

337

Abkürzungsverzeichnis AöR AsylVfG BayVBl. BB BBankG BGBl. BGH BHO BSHG BVerfGE BVerwGE DÖV DVB1. EGV ESVGH EuGRZ GG JA JöR JR Jura JuS JZ KJ MDR NdsVBl. NJW NVwZ OVG VGH WDStRL WoGG ZBR ZRP

Archiv des öffentlichen Rechts Asylverfahrensgesetz Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundeshaushaltsordnung Bundessozialhilfegesetz Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) Entscheidungssammlung des Hessischen und Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofes Europäische Grundrechte-Zeitschrift Grundgesetz Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kritische Justiz Monatsschrift für Deutsches Recht Niedersächsische Verwaltungsblätter Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Oberverwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Wohngeldgesetz Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung Die Themata dieses Buches umkreisen ein einziges Motto: Jede Generation bezahlt ihre Schulden selbst. Seine verfassungsrechtliche Realisierung bedeutet den Ausschluß der Belastung künftiger Generationen mit heute eingegangenen Staatsschulden. Es gibt grundlegende Verfassungsprinzipien, die eine derartige Selbstbeschränkung generell stützen; Nutzen und Effektivität der verschiedenen denkbaren Budgetrestriktionen sind jedoch ziemlich unterschiedlich. Besonders erörterungsbedürftig erscheinen im Anschluß die Folgen eines Verschuldungsverbotes dort, wo die Garantien anderer Verfassungsgrundwerte möglicherweise besonders viel Geld kosten - bei den leistungsrechtlich interpretierten Grundrechten.

1. Kapitel

Entwicklung der Arbeitsziele 1. Ausgangspunkt Das oben angeführte Motto dieses Buches ist zunächst nicht mehr als die etwas abgewandelte Form eines „die ältere Staatsverschuldungsdiskussion beherrschende(n) Gedanken(s)", den das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahre 1989 zu den Regeln und Grenzen der Staatsverschuldung mit verhaltener Billigung gegen Ende vortrug. Inhalt dieses Gedankens ist, „daß jede Generation die Ausgaben für laufende Investitionen selbst zu tragen habe, weil ihr ein breiter Fundus nutzbarer Güter („Kapitalstock") von den vorhergehenden Generationen überkommen sei, den sie - ohne eigene Zins- und Tilgungsleistungen - für ihre Bedürfnisse verwende". Sehr treffend ordnete das Gericht hier die jeweilige konkrete staatliche Gegenwart in die Folge sowie in die Vermächtnisse und Bindungen von Vergangenheit und Zukunft ein, aus denen ganz selbstverständlich Bescheidenheit, Rücksichtnahme und Selbstbeschränkung erwachsen. Jede Generation sollte sich gewissermaßen „mit dem Ihren" begnügen und einer Staatsverschuldung vorbeugen, „die den ... Haushalt für die Zukunft zu stark belastet und den notwendigen Entscheidungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber, dessen diese zur Lösung der dann vordringlichen Probleme bedürfen, über Gebühr beschneidet"1. Daß jede Generation daneben auch die Ausgaben für den laufenden staatlichen Verbrauch selbst trägt, war für die traditionelle Lehre zu selbstverständlich, um einer gesonderten Erwähnung durch das oberste Gericht zu bedürfen. Neuerdings setzt Häberle dazu an, das verfassungstheoretische Konzept des Gesellschaftsvertrages als „Generationenvertrag" zum Schutze künftiger Generationen in die Zeit hinein zu „dynamisieren". Diese Dimen1

BVerfGE 79,311 ff., 354 f.

16

Einleitung

sionserweiterung zieht ζ. Β. die konkrete Aufgabe nach sich, Grenzen der Staatsverschuldung zu markieren 2. Die heutige finanzielle Lage unseres Landes deutet, ohne daß damit bereits eine abschließende Wertung verbunden sein kann, sehr stark auf eine klare Geringschätzung einer Selbstbeschränkung der Gegenwart hin. Allein die ausgewiesene, nämlich bezifferte Schuld der öffentlichen Haushalte überschritt im Jahre 1995 die Marke von 2 Billionen D M 3 . Im Juni 1997 ζ. B. belief sie sich auf 2.178.338 Millionen D M 4 ; ihr weiteres Anwachsen erscheint unaufhaltsam. Den verbuchten (expliziten) Schulden sind überdies die impliziten, in Zahlen noch gar nicht fixierten künftigen Belastungen und Verpflichtungen hinzuzurechnen, bei denen etwa neben den kommenden Pensionslasten schon heute eingestellter Beamter, Richter und Soldaten vor allem die versprochenen Leistungen der Sozialversicherung ebenfalls für die jetzt tätigen späteren Rentenempfänger Erwähnung finden müssen 5 . Die Bildung von „Pensionsfonds" für Beamte ist ein Thema speziell für Landesflnanzminister, und die Reform des Rentenwesens taucht regelmäßig in den Schlagzeilen der Bundespolitik auf 6 . Die Einengung der Entscheidungsfreiheit künftiger Generationen ist aber längst nicht mehr das einzige Problem. Die Finanzkrise hat bereits die laufenden Haushalte erreicht, in denen die Finanzierung vertrauter öffentlicher Ausgaben reduziert bzw. sogar abgebrochen wird oder wenigstens gefährdet ist und in denen die Position „Zinszahlungen" einen

2

Ein Verfassungsrecht fur künftige Generationen, S. 216,225,228 ff., besonders 231 ff.

3

So Grüske, Staatsverschuldung, S. 276 mit Fn. 1 (damalige Schätzung der Deutschen Bundesbank). 4 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für November 1997, S. 56 des statistischen Teils. Die Neuverschuldung weist eine Jahresrate von rund 100 Milliarden DM auf, so Hamm, ORDO 49 (1998), 321ff., 322; laut Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Juli 1999 belief sich die Nettokreditaufnahme 1997 auf 95.523 Mio. DM und 1998 auf 64.782 Mio. DM (statistischer Teil S. 57). 5 Vergi. Andel, Finanzwissenschaft, S. 210 f. (zu den Versorgungslasten des öffentlichen Dienstes); Issing, Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 200 ff.; Peacock S. 25 („... diese Verbindlichkeiten (müssen) furchterregend sein ..."); Stützel, Kredit und Kapital 11 (1978), 429 ff., 442 („Finanzminister (verhalten sich) wie Herstatt: Sie lassen über den Gegenwartswert dieser immensen künftigen Zahlungsverpflichtungen nicht einmal ordentliche Bücher führen"); siehe auch Gandenberger, Staatsverschuldung und Fairneß zwischen den Generationen, S. 8 f.; Wolfram Richter S. 182: „Umlagefinanzierte Alterssicherung ist nichts anderes als verschleierte Staatsverschuldung"; ähnlich auch Richter/Wiegard, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 (1993), 337 ff, 370,379; Ulrich/Erbsland, Finanzarchiv 54 (1997), 203 ff, 204: Der demographische Wandel erschwert die periodenbezogene Finanzierung der vorherrschenden Umlageverfahren. Gandenberger (Europäische Währungsunion und öffentliche Finanzen, S. 18) stellt ihnen das reine Transfersystem gegenüber, welches zwar aktuell ggf. die Defizite hochtreibt, aber keine Zukunftsansprüche entstehen läßt. Noch deprimierendere Übersichten finden sich bei Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 437 (zusätzlich: Eventualverbindlichkeiten, ausgegliederte Haushalte, Verwaltungsschulden u. a.), und Hamm 321 ff. 6 Die Verlagerung der Lasten der sozialen Sicherheit auf die nachfolgende Generation erwähnt kritisch (unter dem Gesichtspunkt des Umlageverfahrens in Österreich) Tomandl, Festschrift Wannagat, S. 637. Jüngst hat sich die Deutsche Bundesbank zu dieser weitreichenden Zukunftsbelastung sehr pessimistisch ausgelassen und ein Berechnungsverfahren vorbestellt: Die fiskalische Belastung zukünftiger Generationen - eine Analyse mit Hilfe des Generational Accounting, in: Monatsbericht November 1997, S. 17 ff. Polemischer, aber nicht ungerechtfertigt sind die Ausführungen von Tremmel zu den verschiedenen Aspekten des „Generationsbetrugs" (vergi. S. 25 ff., 34 ff, 38 ff).

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

17

wachsenden Umfang ausweist7. Die finanzwirtschaftlichen Folgen der stetig zunehmenden Staatsverschuldung beeinträchtigen somit schon gravierend die Handlungsspielräume des heutigen Haushaltsgesetzgebers und damit die Aussichten der heutigen (vor allem: jüngeren) Generation, die - von den „Schuldenmachern" der siebziger Jahre her gesehen natürlich auch schon eine „folgende Generation" darstellt. Wer allerdings noch in der Krise etwas Positives nachweisen möchte, wird die verstärkte Aufgaben- und Ausgabenkritik befriedigt zur Kenntnis nehmen können, die ihrerseits die zunehmende Privatisierungsdebatte anschiebt, wird den schärfer werdenden Attacken des Bundes der Steuerzahler applaudieren und sogar erste Reduzierungen des Personalbestandes bei Bund, Ländern und Gemeinden konstatieren - alles offenkundig aber nicht ausreichend genug, um das Wachsen der öffentlichen Schuld anzuhalten.

2. Unterscheidung der haushaltswirtschaftlichen und allgemeinwirtschaftlichen Folgen der Staatsverschuldung Wenngleich die Situation lähmend ist und nur geringfügig durch die Feststellung relativiert wird, daß die Bundesrepublik noch nicht einmal zu den besonders problematischen Ländern zählt8, darf aus der Wirklichkeit der nackten Zahlen noch nicht mit apodiktischer Sicherheit auf die totale Mißachtung des Gedankens vom „Generationengleichgewicht" geschlossen werden. Dazu waren die Auffassungen von den Vor- und Nachteilen einer staatlichen Verschuldungspolitik allein in den Wirtschaftswissenschaften zu differenziert, die Lobpreisungen von Nutz und Frommen einer Staatsverschuldung bisweilen zu volltönend - vor dreißig oder zwanzig Jahren gewiß noch mehr als in Anbetracht der tristen Haushaltslage heute - und die Sichtweisen der Rechtswissenschaftler hier sowie der Ökonomen dort zu unterschiedlich. Der Wirtschaftswissenschaftler erforscht bei der Kreditfinanzierung öffentlicher Aufgaben zunächst die Wirkungen des Mittelentzuges im privaten Sektor und sodann die Folgen der Mittelvergabe auf die öffentliche Finanzwirtschaft und auf die Volkswirtschaft schlechthin. Ihn interessieren somit die Zinslasten der Staatshaushalte durchaus nicht an erster Stelle, sondern nur mit bzw. nach den Veränderungen der relevanten volkswirtschaftlichen 7 Die Belege dieser Entwicklung sind kaum zu zählen und werden häufig überholt. So legte ζ. B. Feit (Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 44 (1991), 152 ff., 152) dar, daß die Zinslastquote des Bundes 1970 noch bei 2,8 % des Haushaltsvolumens lag, 1989 dagegen schon bei 10,7 %. Laut Issing (S. 196) dürften durch die budgetäre Zinsbelastung im Jahre 1995 rd. 11 % aller verfügbaren Haushaltsressourcen der Gebietskörperschaften gebunden sein, gemessen am Steueraufkommen sogar 16 %; 1996 waren es nach Andel (Finanzwissenschaft, S. 396 f.) 18,5 %. Unter Einbeziehung der im Rahmen der Wiedervereinigung errichteten oder aufgestockten Sondervermögen setzt Kampmann für 1998 eine Zinslastquote des Bundes von etwa 22 % an (S. 61). Tatsächlich verzeichnet der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Juli 1999 für Ende 1998 eine Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Höhe von 2.279.231 Mio. DM (ohne ihre Verschuldung untereinander, siehe statistischer Teil S. 55, 57). Ende 1998 entfielen auf 1.130.000 Mio. DM Ausgaben der Gebietskörperschaften Zinsausgaben in Höhe von 134.000 Mio. DM (S. 52), was einen Prozentsatz von 11,86 ergibt; im Vergleich zu den Steuereinnahmen (833.000 Mio. DM) belaufen sich die Zinsausgaben auf 16,08 %. 8

Issing S. 194.

2 Kratzmann

18

Einleitung

Entwicklungen und Größen, der Konjunktur, des „Kapitalstockes", der Steuerkraft, der Einkommensverteilung usw. Er bringt es sogar fertig, eine Konsolidierung der Staatsverschuldung und erst recht eine Netto-Tilgung des Schuldenberges als nachteilig, unzeitig, schädlich für die Konjunktur u. ä. m. abzuqualifizieren 9. Hiernach ist es nicht a priori undenkbar, daß die Idee der Selbstbeschränkung einer jeden Generation, selbst bei erheblicher Inanspruchnahme des Kreditmarktes, auf lange Sicht doch nicht so mißachtet wird, weil die durch die Kreditfinanzierung induzierte günstige Wirtschaftsentwicklung zu einer nachhaltigen Stärkung der Steuerkraft der Volkswirtschaft in der Zukunft führt. Der „Schaden" würde später sozusagen ganz oder teilweise „wieder gutgemacht" oder - noch besser - sich gar nicht als „Schaden" erweisen. Der Staatsrechtler dagegen ist eher geneigt, nur auf das Regelwerk der Finanzverfassung in den Art. 109 ff. GG im allgemeinen und auf die Haushaltsdefizite und den Schuldendienst im besonderen zu schauen. Auch der Verfasser wird in dieser Arbeit sein Hauptaugenmerk auf Finanzverfassung und Haushaltswirtschaft richten müssen, weil primär sie das verfügbare Haushaltsvolumen eines jeden Jahres bestimmen, welches wiederum die tägliche Arbeit der drei Staatsgewalten nachhaltig beeinflußt. Wie nachhaltig und bestimmend die Finanzlage sich dabei auswirkt und wie intensiv sie gerade den Verfassungsinterpreten bindet, soll nämlich im Rahmen des Untertitels der Arbeit ein besonderes Thema sein. Die wirtschaftlichen Implikationen der Staatsverschuldung werden dabei jedoch gleichwohl nicht vernachlässigt werden dürfen. Zunächst gilt es also, sozusagen „neutral" zu sein. Es sind zwar die Qualität und das Ausmaß der Lasten näher zu beschreiben, die in Verbindung mit bzw. als Folge von Staatskrediten künftigen Generationen überlassen wurden und werden. Doch zugleich müssen natürlich auch die Vorteile benannt werden, die dem Gemeinwesen mit und aus dieser speziellen Finanzierungsart erwachsen. Denn um den unbedarften Zeitgenossen erneut zu verblüffen: Es werden u. a. Stimmen zu hören sein, wonach es ohne die damals gemachten Schulden in Deutschland heute wirtschaftlich undfinanziell vielleicht noch trostloser aussähe als mit dieser Last ohnehin schon! Mit dem Hinweis auf die Wirtschaftswissenschaften verbindet sich die Andeutung, daß die Rechtswissenschaft allein die adäquaten Instrumente nicht zu liefern vermag, welche die wirtschaftlichen, finanziellen und monetären Folgen der unablässigen staatlichen 9 Das Institut „Finanzen und Steuern" kam 1977 in einem Exkurs über die Problematik der Schuldentilgung (S. 66 f.) zu dem resignierenden Ergebnis: „Man muß also davon ausgehen, daß ein effektiver Schuldenabbau in einem nennenswerten Umfang zu keiner Zeit praktikabel ist" (S. 67). Dessen konjunkturpolitischen Nutzen bezweifelte auch Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 80. Oberhauser hält schon die Konsolidierung (d. h.: Abbau der Neuverschuldung) der dauerhaften strukturellen Verschuldung sowie der Verschuldung in der Periode der Unterbeschäftigung schlechthin für wenig angebracht (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333ff., 342 bzw. 343 ff.); ähnlich zur letztgenannten Konstellation Andel, Finanzwissenschaft, S. 415. Es konnten und wollten sich manche in jenen Jahren nicht festlegen: Möller/Schwebler etwa sahen die Konsequenz von Wachstumsimpulsen nach Überwindung einer Rezession in einem Anstieg der Staatsausgaben und folglich darin, „daß die Schuld nicht nur nicht konsolidiert werden kann ..." (S. 160 f.), um gleich darauf die Bedeutung einer rechtzeitigen Konsolidierung der Haushalte „nachdrücklich" zu betonen (S. 161). Nölling erwähnte in einer windungsreichen, aber letztlich apologetischen Abhandlung die „überzogene Konsolidierung" durch den Haushalt 1977 (Kredit und Kapital 12 (1979), 472 ff., 489) und mochte zwischen wachstumspolitischer Sicht hier und Konsolidierungsbedarf dort den „Kurswechsel" ebenfalls nicht (zeitlich) fixieren (491 f.). Vergi, weiter allgemein zur Tilgung der Staatsschuld unten 2. Kapitel Fn. 4.

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

19

Kreditaufnahme aufdecken und vertiefende juristische Bewertungen etwaiger verfassungsrechtlicher Gegenmaßnahmen - und wiederum ihrer Folgen - überhaupt erst ermöglichen. Primär die Finanzwissenschaft hat sich bemüht, die „Differentialwirkung" der Erzielung von Einnahmen aus Krediten einerseits und aus Steuern andererseits herauszuarbeiten. Damit sind die ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Folgen gemeint, welche - unter sonst gleichen Umständen - nicht zuletzt in bezug auf die Lastverteilung zwischen den Generationen bei der teilweisen Deckung des staatlichen Finanzbedarfs aus freiwillig gewährten Krediten von den Folgen einer Mittelbeschaffung allein aus Steuereinnahmen abweichen10. Allerdings sind die Nutzungsmöglichkeiten wirtschafts- und finanzwissenschaftlicher Erkenntnisse für den Juristen nur begrenzte. Er kann mit seinen Fähigkeiten die häufig komplizierten Berechnungen und Modellbildungen nicht nachvollziehen. Daher sollte er nur die Ergebnisse übernehmen, die allerdings bedauerlicherweise - kaum anders als bei den Meinungsspektren in der Jurisprudenz - keineswegs immer einheitlich sind. In diesen Fällen empfiehlt es sich, zumindest sehr vorsichtig zu sein, wenn man sich als Außenstehender in Meinungskämpfe einmischt und wirtschaftswissenschaftliche Positionen bezieht. Bei der Kritik am geltenden Recht und besonders bei der Suche nach adäquateren Finanzverfassungsnormen bieten neuerdings weitere Zweige der Wirtschaftswissenschaften ihre Assistenz und ihre Instrumente an.

3. Dienste der „modernen Institutionenökonomik" Die gewissermaßen „rein ökonomischen" Wissenschaften sind nicht die einzigen Wegweiser, ohne die der Verfassungsrechtler in diesem Feld des Haushaltsrechts und der Finanzverfassungspolitik nur schwer und bestenfalls ziellos laufen kann. Wer, von den Zahlen der wachsenden und sich kumulierenden Defizite schließlich erdrückt und von den Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler letztlich in negativer Weise beeindruckt, nunmehr nach Wegen sucht, um derartige Zukunfts- und Gegenwartsbelastungen fortan tunlichst auszuschließen, muß neue Regeln, Entscheidungssysteme, Organisationsformen, kurz: „Institutionen" im staatswissenschaftlichen Sinne prüfen, die eine Selbstbescheidung

10 Zur „zeitlichen Differentialinzidenz", d. h. zu den unterschiedlichen innerzeitlichen Verteilungswirkungen der beiden Arten der Einnahmegewinnung auf der (gegebenen!) Budget-Einnahmeseite, vergi, etwa Issing S. 193; Gandenberger, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 21 (1970), 87ff., 89; ders., Finanzarchiv 29 (1970), 1 ff, 3; ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 27 (zur „Differentialwirkung" allgemein). Wer dagegen mit dem Engländer Ricardo annimmt, die Individuen antezipierten ihre späteren Zins- und Steuerverpflichtungen aus der Kreditaufnahme heute, sieht insoweit überhaupt keine Lasten in die Zukunft verschoben; zu fragen wäre dann allerdings, ob überhaupt noch ein „Borgen" vorliegt; vergi, hierzu Buchanan/Congleton S. 99 f., 100: „The very meaning of borrowing is eliminated". Diese umfangreiche „Lastverschiebungsdebatte" wird hier nicht aufgegriffen (und auch unten im 2. Kapitel Fn. 115 nur erneut erwähnt); selbst eine insoweit optimistische Betrachtungsweise sieht keine vollständige Antezipation, so Blankart S. 346; Holcombe/Jackson/Zardkoohi, Kyklos 34 (1981), 186 ff, 194,200 (nur ca. 20 %), und falls doch, so allenfalls bis zum Tode des Antezipierenden, vergi. Andel, Finanzwissenschaft, S. 173; Blankart S. 341 f. (für das Lebenszyklusmodell).

2*

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Einleitung

der jeweils gegenwärtigen Generation eher gewährleisten als das geltende Verfassungsrecht. Denn dieses hätte versagt, sollte sich die Staatsverschuldung unseres heutigen Ausmaßes wirklich als gänzlich oder überwiegend nachteilig herausstellen. Für die anstehenden Aufgaben bieten neuere Forschungsansätze vielfältige Hilfestellung. Seit den sechziger Jahren verdichteten sich in den USA die kritischen Analysen der in den herrschenden ökonomischen Lehrmeinungen und ihren abstrakten Modellen mehr oder weniger als gegeben, „kostenlos", „friktionslos" zugrunde gelegten und daher in ihren Strukturen nicht weiter hinterfragten Regelungsbündel, Verfahren und Organisationen zu besonderen Schulen der Wirtschaftswissenschaften. Die institutionenkritische Forschung erfaßte dann jedoch weitergehend auch den Staat und seine Verfassung, so daß mit dem Gattungsbegriff „moderne Institutionenökonomik" im Grunde ein eigenständiger Zweig der umfassenderen Staatswissenschaften in ihrer überkommenen Bedeutung entstanden ist 11 . Vielleicht spielte die Enttäuschung darüber, daß schon die Wirtschaftspolitik die Erkenntnisse der „reinen" Wirtschaftswissenschaften zur Wohlfahrtsförderung so wenig beachtete, eine Rolle bei den Vorhaben, die politischen Entscheidungsprozesse und Rechtsnormen nun selbst zu untersuchen12. Dabei geht es zunächst darum, die Gründe für unzulängliche wirtschaftliche Ergebnisse, für „Marktversagen" also, oder auch für „Staatsversagen" womöglich in den unzulänglichen, etwa lenkungsschwachen Institutionen selbst - und nicht primär in den handelnden Personen - zu orten. Mindestens ebenso wichtig jedoch ist es verständlicherweise, sich anschließend ggf. Gedanken darüber zu machen, wie durch eine Umgestaltung der jeweiligen Institution dem Mangel abgeholfen werden könnte. Damit wird die Institution von einer äußeren („exogenen") Gegebenheit zu einer „endogenen Variablen", oder themanäher formuliert: Die Finanzverfassung mit dem Staatsschuldenrecht ist nicht mehr schwer verrückbare Normgrundlage für eine Interpretationsbandbreite, die das wachsende Schuldenvolumen eben nicht verhindert - am Ende sie gar verstohlen autorisiert - hat, sondern Objekt der Überlegungen, durch veränderte Verfassungsregeln eine derartige erstickende Staatsverschuldung möglichst von vornherein zu verhindern 13.

4. Begriffsbildungen und Erkenntnisziele im Bereich der „Institutionenökonomik" bzw. der „Verfassungsökonomik" Die Bezeichnungen dieser zwischenzeitlich auch nach Europa und Deutschland gelangten und prinzipiell für die gesamte Rechtswissenschaft relevanten, dort aber noch keineswegs allseits akzeptierten Wissenschaftsrichtung 14 sind außerordentlich vielfaltig. Wichtiger 11 Zu diesem - auch nicht immer einheitlich verstandenen - Oberbegriff vergi. Feldmann (S. 7 ff., S. 10 Fn. 9) und Richter/Furubotn S. V ff. Das bislang ökonomisch irrelevante „Innenleben" einer Institution hat Feldmann an anderer Stelle mit einer „Black box" verglichen (S. 12). 12

So die Meinung von Hoppmann, ORDO 38 (1987), 31 ff, 31.

13

Zu dieser Wandlung Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 502; vergi, weiter Richter/Furubotn S. V; Sobota S. 289. Folkers (502) schließt von restriktionsunwilligen Politikern intendierte Mängel nicht aus. 14

Zu den Akzeptanzproblemen vergi. Schwintowski, JZ 1998,581 ff, vor allem 587.

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

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als der fast schon irritierend bunte Strauß der Begriffe sind jedoch die sehr wohl unterschiedlichen Erkenntnisziele und Instrumentarien, für welche sie jeweils stehen. Hinter den Gattungsbegriffen und Namen verbergen sich nämlich nicht allein durchaus heterogene Sparten und Forschungsprojekte der Institutionenanalyse; unter ihnen ergibt sich weiter eine wesentliche Differenzierung aus der Gewinnung normativer Sätze und Urteile hier und positiver Analysen und Erkenntnisse dort. Die weitgehend vom US-Nobelpreisträger Buchanan geprägte „Verfassungsökonomik" ruht auf dem empirieunabhängigen Postulat einer einvernehmlichen gesellschafisvertraglichen Grundlegung der Verfassung von Kollektiven, vor allem von Staaten. Allein die freiwillige Übereinkunft der Individuen rechtfertigt die konkreten Verfassungsregeln; deren Eignung, den Präferenzen aller Kollektivmitglieder zu entsprechen, bildet das entscheidende Kriterium für ihre normative Beurteilung als legitim, tragbar und effizient. Die zum privaten Unternehmensbereich entstandene Theorie optimaler Vertragsgestaltung zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern („Principal-Agent-" oder „Agency-Theorie" als Teil der „Neuen Institutionenökonomik"), die zwischenzeitlich auch die staatliche Ebene, also die Beziehungen zwischen dem Volk als „Herrscher" und den Staatsgewalten als seinen Repräsentanten (vergi. Art. 20 Abs. 2 GG) erfaßt hat, weist ebenfalls primär normative Züge auf. Denn ihr Hauptziel ist es, dem Willen und den Interessen des Auftraggebers bzw. Herrschers gegenüber Eigenmächtigkeiten und Eigeninteressen der angestellten Organe Geltung zu verschaffen. Die Bestimmung und Ausgestaltung der Eigentums- und Verfügungsrechte dagegen, der sog. „Property-Rights-Ansatz" als Zweig ebenfalls der „Neuen Institutionenökonomik", enthält in erster Linie positive Beschreibungen der Gestaltungsformen und positive Analysen von Auswirkungen der einschlägigen ökonomischen oder rechtlichen Institutionen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können, wie zu zeigen sein wird, etwa für die Gewinnung und Erhaltung des Haushaltsgleichgewichts als eines sozusagen „öffentlichen Gutes" von erheblichem Nutzen sein. Die in erster Linie positiv argumentierende „Transaktionskostenökonomik" ist gleichsam ein ständiger, wenn auch nicht immer genannter Begleiter einer Untersuchung wie der vorliegenden. Doch diese groben Einteilungen bedeuten keineswegs jeweils Ausschließlichkeit. Auch die „Verfassungsökonomik" untersucht die Wahl von obersten Normen und ihre Auswirkungen auf das Verhalten der normunterworfenen Individuen und auf ihre wirtschaftliche Wohlfahrt, wie ja schlechthin Urteile über die Legitimität von Regeln zugleich in gewisser Hinsicht Aussagen über ihre Akzeptanz und damit die Leichtigkeit ihrer Durchsetzung enthalten. Umgekehrt legen positive Erkenntnisse über Entstehung, Ausgestaltung und Resultate von konkreten Institutionen auch Urteile über die Implementationsmöglichkeiten besserer oder gar optimaler Regelungen nahe. Scharfe Abgrenzungen zwischen „normativen" und „positiven" Forschungsansätzen sind folglich ebensowenig angebracht wie Absonderungen der einzelnen Zweige der Wissenschaftsgattung „moderne Institutionenökonomik" voneinander, die sich nicht zuletzt nach ihrer Ausweitung in den staatlichen Bereich hinein in vielfältiger Weise vielmehr ergänzen15.

15 Diese Verschränkungen und gegenseitigen Ergänzungen in und zwischen den Feldern der Verfassungsökonomik (im Sinne Buchanans) und der Neuen Institutionenökonomik im übrigen sind dargelegt von Sandra Breuer (ORDO 50 (1999), 485ff., 488), ausfuhrlicher von Feldmann (S. 53 ff, 56 ff, 75 f., 78 f., 84ff.) und - krasser die Unterschiede zwischen der „Normativen Konstitutionenökonomik" Buchanans und der „Positiven Konstitutionenökonomik" betonend - Voigt (S. 279 ff, 285 ff, 304 f.

22

Einleitung

Ein Blick auf die verschiedenen Wissenschaftsbegriffe ist nach diesen Vorbemerkungen gleichwohl unvermeidlich. Wenn man mit dem bereits erwähnten neudeutschen Untergattungsbegriff „Neue Institutionenökonomik" beginnt, so interessiert hier primär die „Neue Institutionenökonomik des Staates"16, welche die insoweit spezifischen Anwendungsbereiche ihrer einzelnen Forschungsansätze beschreibt. Dogmenhistorisch gesehen geht sie von einer „einfache(n) neoklassische(n) Theorie des Staates" aus, die ihn auf einen Vertrag zwischen dem (wie auch immer ausgestalteten) „ H e r r s c h e r " und den Staatsangehörigen zurückführt: Der Herrscher bietet Schutz und Gerechtigkeit im Tausch gegen Einnahmen17. Diese Erklärung des Staates ähnelt sehr dem Unterwerfungsvertrag nach Hobbesschem Vorbild. Das Staatsschuldenrecht wird in diesem Wissenschaftsabschnitt nicht angesprochen. Gänzlich anders stellt sich insoweit - nach der theoretischen Gründung wie auch nach dem Inhalt - der besondere Bereich der modernen Institutionenökonomik dar, der sich mit der obersten Regelebene, der Verfassung also - sei es des Staates, sei es einer anderen auf den Prüfstand gestellten Institution - , befaßt. Es handelt sich um die bereits knapp skizzierte gesellschaftsvertraglich begründete „Verfassungsökonomik", die im wesentlichen zurückgeht auf das Forschungsprogramm „Constitutional Economics" namentlich von James M. Buchanan, der - allein oder mit Kollegen - noch häufig zitiert werden wird 18 . Er hebt hervor, daß er „on a higher level of inquiry" (ergänzt: als dem der orthodoxen Wirtschaftswissenschaft) erforschen möchte „the choice of constraints as opposed to the choice within constraints". Dabei hat er als überaus überzeugter Gegner einer staatlichen Verschuldungspolitik gerade auch Fesseln, „constraints", für zu ausgabefreudige Politiker und Parlamente im Auge. Genau das, nämlich die Suche nach wirksameren Budgetrestriktionen, wird eine Aufgabe dieser Arbeit sein, wenn sie in einem zweiten Teil Möglichkeiten der Realisierung ihres Mottos testet.

und passim; zur Entbehrlichkeit der primären „Normativität" der Verfassungsökonomik vergi, dort S. 282 f., 308 ff.). Buchanan selbst wehrt sich gegen den Vorwurf, nur normativ zu argumentieren, vergi.: Constitutional Political Economy 1 (1990), 1ff., 2; zweideutiger dagegen noch in: The American Economic Review 77 (1987), 243 ff., 249; dazu auch Voigt S. 282. Die Geltung von Forschungsergebnissen der Neuen Institutionenökonomik auch im staatlichen Bereich kommt allerdings bei Feldmann kaum zum Ausdruck (siehe S. 46,78); sie wird erst hervorgehoben z. B. bei Richter/Furubotn (S. 301 f., 305, 453 ff.). Erlei/Leschke/Sauerland widmen den „Institutionen im politischen Sektor" bereits den ganzen zweiten Teil ihres Lehrbuches über die „Neue Institutionenökonomik" (S. 267 ff; vergi, zu dieser „wesentliche(n) Erweiterung" auch die weitgehend positive Rezension von Sandra Breuer 485 ff, 485). 16 Überschrift eines relativ kurzen Kapitels bei Richter/Furubotn S. 453-476. Einige Ansätze finden sich auch bei Rudolf Richter, Die Neue Institutionenökonomik des Marktes, S. 11,26 ff, 43 f. Zu den einschlägigen Passagen bei Erlei/Leschke/Sauerland vergi, unten die Fn. 25 f. 17 Richter/Furubotn S. 454. Diese Theorie geht auf einen anderen US-Nobelpreisträger zurück, nämlich Douglass C. North. Zum Grundvertrag „protection for tribute" siehe weiter Holcombe, The Economic Foundations of Government, S. 8 f., 37 ff. 18 Seine „Constitutional Economics" hat er beschrieben z. B. in: The New Palgrave, S. 585 ff, und - im wesentlichen gleichlautend - in: Constitutional Economics (1989), S. 57 ff.; vergi, neuerdings dens, wieder in: Public Choice 90 (1997), 117 ff., 123 f. Es verwendet auch Kirchgässner diesen Begriff in seinem in Englisch verfaßten Aufsatz: Constitutional Economics and its Relevance for the Evolution of Rules, Kyklos 47 (1994), 321ff. Feldmann stellt klar (S. 64), daß die Verfassungsökonomik

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

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Doch damit beginnen die Titelkomplikationen erst. Eine leichte Verwirrung bringt Buchanan insofern noch selbst in die Begriffsbildung, als er in einem späteren Stadium vorrangig „Constitutional Political Economy" mit „Constitutional Economics" mehr oder weniger gleichsetzt19. Das scheint ebenso einleuchtend wie unproblematisch zu sein, weil er mit dieser Dreifachbezeichnung nur die drei wesentlichen Komponenten seines Forschungsprogramms herausstreicht - die Festlegung verbindlicher oberster Normen für politische Körperschaften aller Art nach den ökonomischen Regeln der Kooperation (anstelle des Konflikts), also unter Verwendung des Prinzips des Austausches und damit des Ausgleiches divergierender individueller - nicht kollektiver - Interessen. Der ökonomische Ansatz auf der Grundlage des „methodologischen Individualismus" ist Allgemeingut in der Institutionenökonomik, und die Suche nach bindenden Vorgaben für den normalen politischen Betrieb entsprechend den jeweiligen parlamentarischen Mehrheiten stellt sich als legitime Aufgabe auch eines jeden verfassungsändernden Gesetzgebers dar. Als problematisch wird jedoch die vertragstheoretische Begründung der Legitimität von Verfassungsregeln angesehen; deren notwendige, aber auch ausreichende normative Voraussetzung soll sein, daß die fragliche Norm (oder „constraint") aus der Zustimmung aller Kollektivmitglieder zumindest hervorgehen könnte 20. Pointiert formuliert verlangt Buchanan das Einvernehmen über (oberste) Regeln, die (einfachgesetzliche) Regeln zulassen, die ohne (allseitiges) Einvernehmen festgelegt werden können. Man entbehrt bei dieser letztlich nur formalen, in allen Ländern und zu allen Zeiten erfüllbaren, damit gewissermaßen „ahistorischen" Vorgabe inhaltliche Bindungen und einen übergeordneten Wertmaßstab21. Außerdem wird beanstandet, daß die Verfassungsökonomik institutionelle Arrangements nur ex ante analysiere und eine institutionelle Sicherung ihrer Durchsetzung vermissen lasse22. Auf die Relevanz dieser Einwände wird an gegebenem Ort einzugehen sein. Buchanans neuerlicher Begriffsschöpfung schließt sich in Deutschland eine Gruppe von Wissenschaftlern an, die unter der Überschrift „Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung" „die Begegnung der deutschen Staatsrechtslehre mit der Konstitutionellen Politischen Ökonomie" herbeizuführen sucht. Diese sieht sich als Zweig der „Neuen Politischen Ökonomie" und erforscht auf der Verfassungsebene die notwendigen

mit Hobbes nur die Erkenntnis der Notwendigkeit eines Gesellschaftsvertrages teilt; im übrigen folgt sie den Gedanken Lockes (vergi, ζ. Β. Buchanan, Constitutional Political Economy 1 (1990,

1ff., 12).

19 Während er bei den in Fn. 18 zitierten Abhandlungen beide Begriffskomplexe gleichsetzt, bemerkt er bald darauf, sein Forschungsprogramm sei „readily translatable into the more inclusive »constitutional political economy4" (Constitutional Political Economy 1 (1990), 1ff., 1; zur folgenden Zusammenfassung vergi, dort 2 ff., 7 ff., 9 ff.). Er kommt dort auch auf den Urheber des Begriffs „Constitutional Economics" zurück. 20 Vergi. Buchanan etwa in: The American Economic Review 77 (1987), 243 ff, 249; näher unten 5. Kapitel Fn. 30; dazu weiter Feldmann S. 55; Morlok S. 4; Vaubel, Korreferat, S. 311, 312; Voigt S.281 ff. 21

Siehe die Darstellung der Kritik bei Feldmann S. 85 f., 87; Hegmann S. 251 ff; Hoppmann, ORDO 38 (1987), 33 ff, 41 f.; Voigt S. 283. Kirchgässner (Kyklos 47 (1994), 321 ff, 324) meint, die Beiträge Buchanans seien nur,»mental experiments". 22

Hierzu Feldmann S. 58; Leipold, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 16 (1987), 177 ff, 182; Voigt S. 312 ff.

24

Einleitung

Bedingungen und Verfahren für die ökonomische Rationalität von Regeln, besonders für die Sicherstellung der intendierten Regelfolgen und -erfolge 23. Die Idee des auf die freiwillige Zustimmung aller Regelunterworfenen zurückzuführenden Gesellschafts- oder Verfassungsvertrages schließt sie mit ein. Dann wird die Begriffsbildung ausschweifender, aber Altmeister Buchanan selbst ist so liebenswürdig, durch eine speziell auf Kontinentaleuropa bezogene Kategorisierung begriffliche Bezüge herzustellen und dabei andeutungsweise auch seine Gefolgschaft beim Namen zu nennen: Er bezeichnet als äquivalente Disziplin „The New Political Economy" mit ihren je eigenen Subdisziplinen24. Doch an äußere Bezeichnungen anknüpfende „Schulvergleiche" sind sehr vorsichtig zu verfolgen. So befaßt sich zwar in Deutschland und Österreich die „Neue Politische Ökonomie" mit den institutionellen Bedingungen kollektiver politischer Entscheidungen, dem Aufdecken von „Staatsversagen" - oder besser: „Verfassungsversagen" - und mit der Reform nicht mehr adäquater institutioneller Verfassungsregeln 25. Eine „Ökonomische Theorie der Verfassung" taucht jedoch als weiteres Forschungsgebiet daneben auf, und bei ihrer Darstellung erfahrt das vertragstheoretische Konzept Buchanans eine grundlegende, oben z. T. bereits angedeutete Kritik 26 . Unter den Auspizien der „Neuen Politischen Ökonomie" als „Reformbewegung der Nationalökonomie" geht Stober noch einen konkreten Schritt weiter in Richtung auf die Lösung der im dritten Teil dieser Arbeit anstehenden interpretatorischen Reduktions- und Konkordanzprobleme, wenn er darlegt: „Ziel ist es, die Vielzahl der Systeme, die den Staat ausmachen, von ihren Steuerungsmängeln zu befreien und die in ihnen ungesteuert dahinlaufenden Dynamiken ins Gleichgewicht zu bringen" 27. Läßt sich das nicht unschwer übertragen auf die Dynamik der Kreditaufnahme hier und die - allerdings sehr differenzierte und gebremste - Dynamik bei der ausgabenwirksamen Grundrechtsinterpretation durch Gerichte und Wissenschaft dort? Unter dem Stichwort „Ordnungsökonomik" (Synonym für die schon oben erwähnte „Konstitutionelle Politische Ökonomie") bzw. unter der „Ökonomischen Theorie der 23 Formuliert im wesentlichen nach Morlok, Vom Reiz und vom Nutzen, von den Schwierigkeiten und den Gefahren der Ökonomischen Theorie für das Öffentliche Recht, S. 3 ff., 9 f. Der Beitrag steht in dem von Engel und Morlok herausgegebenen Sammelband, dessen Titel und Untertitel eben im Text zitiert wurden. Er enthält Referate, gehalten anläßlich eines Symposiums im Oktober 1996. Vergi, dazu auch den Tagungsbericht von Fiebig und Lüdemann in JZ 1997, 85 f. 24

Vergi. Palgrave S. 586 (unter III); Constitutional Economics (1989), S. 61. Er bemerkt selbstironisch: ,»Defined imperialistically, Constitutional Economics would parallel the inclusive term ...". 25 So Hoppmann, ORDO 38 (1987), 31 ff., 31 f.; weiter vergi. Neck, Zur politischen Ökonomie der Staatsverschuldung, S. 335 ff., 335. Erlei/Leschke/Sauerland behandeln im Kapitel über „Neue Politische Ökonomik" (S. 307 ff.) die Bereitstellung öffentlicher Güter und Leistungen und liefern in diesem Rahmen vor allem die Analyse des Verhaltens der Akteure im politischen Sektor und damit Aspekte der „Principal-Agent-Theorie" (S. 319 ff., siehe auch unten 6. Kapitel zu Fn. 10). 26 Dazu Hoppmann 32 ff, vergi, auch Fn. 21; weiter zur ,,Ökonomische(n) Theorie der Verfassung" (auch: „normative Konstitutionenökonomik" und wohl ebenfalls „Verfassungsökonomik") - aber ohne Kritik an Buchanan - Erlei/Leschke/Sauerland S. 419 ff., 44, 50. Nach einer sehr kritischen Auseinandersetzung mit den Thesen und Folgerungen von Buchanan/Wagner , Democracy in Deficit, und dens., The Political Biases of Keynesian Economics, zur Staatsverschuldung würdigt Neck abschließend (S. 350) doch deren methodischen Beitrag zur Lösung der einschlägigen Probleme. Weiter ders., Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 88 ff., 88,93; Stober, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 143 ff. 27

Stober 144.

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

25

Verfassung" (auch mit dem Ziel einer „Ordnungstheorie für kollektive Oiganisationen") laufen weiter - übrigens unabhängig von Buchanans Kategorisierung - Vanbergs Auseinandersetzung speziell mit der Staatsverschuldung bzw. Leipolds Beschäftigung mit den Schwachstellen westeuropäischer Verfassungen 28. Bei Eidenmüller und Kirchgässner ist die Bezeichnung in „Ökonomische Theorie der Politik" abgewandelt29; bisweilen werden nur die Bezeichnungen „Institutionenansatz" bzw. „Konstitutioneller Ansatz" gewählt30. Die „Neue Institutionenökonomik" („New Institutional Economics") gliedert Buchanan übrigens auch nur als eine Subdisziplin in das System der „Neuen Politischen Ökonomie" ein, und zwar mit der Begründung, sie befasse sich mehr mit dem Wirkungszusammenhang einzelner institutioneller Formen als mit der umfassenden Struktur des politischen Regelwerks 31. Das ist vom „Eckstein" seines Gedankengerüstes, der gesellschaftsvertraglichen Verfassungsgründung und Staatskonstruktion, her gesehen ohne weiteres einleuchtend. Wer hingegen so weit nicht geht und sich wie Richter/Furubotn auf eine institutionenökonomische Vertragsbeziehung zwischen Staatsspitze und Staatsangehörigen nach dem PrinzipalAgent-Muster beschränkt, erwähnt Buchanans Modell seinerseits eher am Rande32. In letzter Konsequenz wird umgekehrt sogar eine um die verfassungsökonomische „Normativität" geköpfte „(positive ...) Konstitutionenökonomik in das breiter angelegte Programm der Neuen Institutionenökonomik" integriert 33. Denkt man an die involvierten Nobelpreisträger, so möchte man bei diesem Rangwettstreit einen „Kampf der Giganten" ahnen ... Ich werde fortan vor allem den speziellen Begriff „Verfassungsökonomik" verwenden, wenn es um die Regelebene des Grundgesetzes geht, und im übrigen, ohne jede Ausschließlichkeit, den allgemeineren der „Institutionenökonomik". Die vertragstheoretische Grundlegung Buchanans wird zwar grundsätzlich beibehalten; um aber Zweifel von vornherein auszuräumen, sei betont: Bei der verfassungsökonomischen Ermittlung besserer Verschuldungsnormen spielt ihre Durchsetzbarkeit, das Funktionieren also, eine maßgebliche Rolle.

28 Vergi. Vanberg, Staatsverschuldung und konstitutionelle Ökonomik, S. 111 ff., bzw. Leipold, Ordnungspolitische Konsequenzen, S. 257 ff, besonders S. 257,262. Leipold behandelte das Thema auch in: Vertragstheoretische Begründung staatlicher Aufgaben, S. 177 ff. Die Notwendigkeit einer „Ordnungspolitik für den öffentlichen Sektor" betont weiter Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff., 502, und Buchanan hatte seinen Aufsatz in: Constitutional Political Economy 1 (1990), 1 ff., fur ein Symposium über „German Ordnungstheorie and American Constitutional Economics" in Bonn vorbereitet. 29 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 34; Kirchgässner, Führt der homo oeconomicus das Recht in die Irre? JZ 1991,104 ff, 107. 30

So won Folkers 501.

31

Vergi, oben Fn. 24.

32

Richter/Furubotn S. 470 f. in Verbindung mit S. 454ff. Im übrigen ist hervorzuheben, daß Richter/ Furubotn das wichtige Moment der „Selbstdurchsetzung" der überaus komplexen Beziehungsregelungen im Staate anhand von konkreten Organisationsstrukturen in diesem Zusammenhang als besonderen - und eigenständigen - Ansatz der Neuen Institutionenökonomik werten (S. 453 f.). Ordeshook (Constitutional Political Economy 3 (1992), 137 ff, 143ff.) betont die Notwendigkeit, daß Verfassungen „self-enforcing" sein müßten, gerade mit einer Problematisierung des (Austausch-)Vertragsgedankens bei Brennan/Buchanan: Wie wird ein solcher Vertrag durchgesetzt? (143, 145 ff). 33

So bei VoigtS. 312 ff.

26

Einleitung 5. Das Problem der „Nutzens" bei der Anwendung der Verfassungsökonomik

Kann die Frage der Begrifflichkeit in diesem ökonomisch-staatswissenschaftlichen Forschungszweig fortan zurückgestellt werden, so bleibt doch der für Juristen möglicherweise problematische Umgang mit dem „Ökonomischen" an der Verfassungsökonomik. Dieses Stichwort vermag geradezu Emotionen hervorzurufen 34, weil die ureigene Aufgabe des Rechts als gefährdet angesehen wird: Der „Propagierung des ökonomischen Kalküls" und der Tendenz „auf eine Veränderung der Rechtseinrichtungen nach ökonomisch effizienter Rationalität" steht die damit prinzipiell unvereinbare „kardinale Aufgabe des Rechts" gegenüber, „eine Ordnung ausgleichender Gerechtigkeit zu sein"35. Das wirkt natürlich noch beeindruckender, wenn „die andere Seite" für bestimmte Konstellationen zugestehen muß: „Hier stehen liberale Rechte gegen welfaristische Effizienz. Wir bestreiten nicht, daß das konsequentialistische, welfaristische Effizienzdenken hier an Grenzen stößt ..." 36 . Mit dem Hinweis auf den einschlägigen Untersuchungsgegenstand läßt sich der Konflikt in gewisser Hinsicht entschärfen: Die in dieser Arbeit noch zu präzisierende Kritik am geltenden Staatsschuldenrecht wird das Sollen ihrer einschlägigen Normen in keiner Weise in Frage stellen. Wenn letztere sich wirklich als unzulänglich herausstellen sollten, ist das allein der Anlaß, nach besseren Gesetzen zu suchen. Ein Hantieren mit neuen - nicht zuletzt eben ökonomisch bestimmten - Interpretationsansätzen kommt umso weniger in Betracht, als die institutionenkritische Sicht in der Verfassungsökonomik die leider immer wieder zur Verschuldung tendierende Dispositions- und Interpretationsfreiheit namentlich der Parlamente gerade einschränken will. „Automatik" wird eher gefragt sein als „Auslegung". Es wird somit nicht die lex (constitutio) lata als solche angetastet, sondern - über eine ggf. unzulängliche lex (constitutio) lata hinweg - die Suche nach einer besseren lex (constitutio) ferenda eingeleitet37. Folglich besteht zumindest nicht die evtl. gefahrbringende Absicht, das geltende Recht „ökonomisch" zu reduzieren oder zu verbiegen.

34

Vor einigen Jahren hatte sich ζ. B. auf der „Plattform" der, Juristenzeitung" ein heftiger Schlagabtausch abgespielt: Die grundlegende Kritik von Fezer (Aspekte einer Rechtskritik an der economic analysis of law and am property rights approach, JZ 1986,817 ff.) endete mit dem Satz: „Die ökonomische Rechtstheorie ist ein Irrweg, den zu beschreiten das Recht sich hüten sollte" (824). Ott/Schäfer antworteten anderthalb Jahre später (Die ökonomische Analyse des Rechts - Irrweg oder Chance wissenschaftlicher Rechtserkenntnis? JZ 1988,213 ff.); die Rück-Erwiderung von Fezer blieb aber unversöhnlich (Nochmals: Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts, JZ 1988, 223 ff.), wobei der Eindruck zurückblieb, als wollte Fezer gewisse Einschränkungen und Selbstbescheidungen der „Gegenseite" gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Nüchterner stellt heute Ferdinand Kirchhof die Frage nach der ökonomischen Orientierung des Verwaltungshandelns (DÖV 1997, 749 ff, 755). 35

Fezer (1986), 819 (mit 823) und 822.

36

Ott!Schäfer 221.

37

So im wesentlichen offenbar auch die Unterscheidung zwischen ökonomischer Theorie der Politik und ökonomischer Analyse des Rechts bei Eidenmüller (S. 34), der die verhaltenssteuernde Wirkung von (geltenden) Rechtsnormen mit Hilfe des ökonomischen Verhaltensmodells des sog. „homo oeconomicus" testet (vergi. S. 34 ff, 74 ff). Hierzu braucht jedenfalls in erster Linie nicht Stellung bezogen zu werden. Stober dagegen (Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 143 ff, 149 f.) will die Aufgaben der Neuen Politischen Ökonomie bei der Normbildung und der Normanwendung sehen, was seine Sache bleiben mag. Auch Ott/Schäfer scheinen eine „versetzte" Abgrenzung gewählt zu

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

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Diese Einschränkung räumt aber dennoch nicht alle Bedenken aus, weil darüber hinaus zu klären bleibt, ob die Arbeit am künftigen besseren Rechtfrei, ungebunden und den ökonomischen Erwägungen ungehindert ausgesetzt sein darf. Wenn auch Rechtsentstehungsprozesse in einem rechtlich determinierten Rahmen ablaufen, muß verständlicherweise dieser Rahmen bestimmt werden38. Da die Finanzverfassung des Grundgesetzes auf den Prüfstand gestellt werden soll, könnte man sich die Sache sehr leicht machen und auf den insoweit allein bindenden Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG verweisen, der den unabänderlichen Kern unserer Verfassung umreißt. Doch Sinn dieser Arbeit ist es nicht, das ganze Grundgesetz umzustülpen, sondern nur (gegebenenfalls!) im Interesse künftiger Generationen und damit zur Wahrung anderer leitender Verfassungsprinzipien, auf die zurückzukommen sein wird, die jeweils heutige Haushaltsgewalt stärker zu binden. Vor dem Hintergrund dieser durchaus engen Aufgabe versteht es sich für den Verfassungsrechtler selbst bei ökonomisch geleiteten rechtspolitischen Überlegungen hinsichtlich einer restriktiveren Verschuldungsregelung in einer constitutio ferenda folglich von selbst, daß die übrige geltende Verfassung und damit grundsätzlich auch ihr Grundrechte-Kanon die finanz- und wirtschaftswissenschaftliche Analyse begrenzen39. Bei den Kosten-Nutzen-Analysen alternativer Rechtssysteme40 bestimmt also nicht ein wie auch immer ermittelter „Nutzen" das künftige Staatsschuldenrecht, sondern die constitutio lata beeinflußt diesen Nutzen zumindest prinzipiell entscheidend mit. Aber mit dieser reservatio constitutionis wird ein entscheidender Aspekt der vorliegenden Aufgabe wiederum nicht erfaßt. Wenn nämlich der Staat vielleicht auch deshalb mit seinen regulären Steuereinnahmen nicht auskommt, weil u. a. die Sorge um die Grundrechte zu teuer und ihr derzeitiger „Genuß" zu opulent wird (Stichwort: Grundrechte gleich Leistungsrechte), müssen doch und gerade die aktuelle Interpretation dieser obersten Normen und ihre normative Kraft hinterfragt werden. Schon aus diesem Blickwinkel bedeutet die Verbindung von Verschuldungsverbot und Grundrechtsinterpretation nicht nur das Zusammenfügen zweier verfassungsrechtlich interessanter Fragenkreise, sondern eine Nothaben (215); doch da sie immerhin andere Gerechtigkeitsprinzipien als das Kriterium der Allokationseffizienz - vor allem die Verteilungsgerechtigkeit - als nicht von der ökonomischen Analyse des Rechts erfaßbar ansehen (215, 221), kann deren Reichweite hier auf sich beruhen. Es spielt gerade die Verteilungsgerechtigkeit, wie anschließend schon angedeutet wird, später noch eine Rolle. Denn die Krediteinnahmen wurden in beträchtlichem Maße für distributive Zwecke verwendet, und um mögliche „Verteilungskämpfe" zwischen den Grundrechten - zugegebenermaßen eine spezielle Form der „Verteilungsgerechtigkeit" - wird es ggf. beirigiderer Budgetrestriktion unten im dritten Teil gehen. Wie hier auch Morlock (S. 26 f.), der die Ergebnisse der Analysen fur die Rechtssetzung und die Dogmatik mit ihren „Rezepten" nutzen will, aber nicht (unmittelbar) fur die Auslegung. Kirchner (Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 7 (1988), 192 ff., 199) sieht Überschneidungen zu Aufgaben der Rechtswissenschaft (Gesetzgebungslehre), wenn sich das Erkenntnisinteresse der neuen Institutionenökonomie auf die Entstehung, Veränderung und Wirkungsweise von rechtlichen Regelungsmusternrichtet.Für Kirchgässner (Kyklos 47 (1994), 321ff.) hat die Verfassungsökonomik in erster Linie Regeländerungen zu bewerten. 38

Kirchner 200.

39

In diesem Sinne auch Eidenmüller S. 207 ff, 480 ff, vor allem S. 484; wohl auch Fezer, JZ 1988, 223 ff., 228; Morlock S. 13. 40

Vergi, dazu Schwintowski, JZ 1998, 581 ff, 582,587.

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Einleitung

wendigkeit: Eine schärfere Budgetrestriktion macht womöglich eine zurückhaltendere Auslegung des Grundrechtekatalogs bzw. einzelner Bestandteile erforderlich, aber kein Verfassungsrechtler wird, wie gezeigt, umgekehrt auf die Frage verzichten wollen, ob und ggf. wieweit - die Grundrechte ihrerseits diese Verschärfung überhaupt zulassen. Die Lösung diese Inversionsproblems wird sich nicht von vornherein, sondern erst schrittweise aus der weiteren Entwicklung der beiden Themata ergeben. Fest steht nur schon jetzt, daß die Grundrechte jedenfalls einen eigenständigen, nicht primär von ökonomischen oder gar utilitaristischen Ansätzen geprägten Stellenwert behalten werden.

6. Verfassungsrechtliche Bewertungen der Staatsverschuldung und ihrer Eingrenzung Vorschläge der Verfassungsökonomik für eine zukunftsentlastende Budgetrestriktion mögen die Verfassungspolitik befruchten und dem Haushaltsexperten oder Ökonomen bereits Anlaß genug für einschlägige politische Reaktionen einschließlich der erforderlich erscheinenden Regeländerungen bieten. Doch im Kontext einer staatsrechtlichen Arbeit kann der eingangs vorgestellte Leitgedanke eines gerechten Staatsschuldenrechts, daß jede Generation tunlichst ihre Lasten selbst trägt und damit vor deren Übergang auf die nächste Generation auch abträgt, als solcher sogar jetzt kaum mehr als eine starke Plausibilität für sich ins Feld führen; er leuchtet bloß ein. Der von der modernen Finanzwissenschaft versteckt oder offen geschmähte „hausväterliche" Staat, der wie ein guter Familienvater den Nachkommen eher ein Vermögen als Schulden hinterläßt, übte noch in Ablehnung oder Geringschätzung unter der Hand eine starke Faszination aus. Sie hat in den letzten Jahren auch an offener Strahlkraft wieder zugenommen, weil jetzt sogar die Meßinstrumente der speziellen Finanzwissenschaft und der allgemeinen Ökonomie Vorteile der ganz eindeutig nicht mehr hausväterlichen Verschuldungspolitik kaum noch, ihre Nachteile dagegen umso deutlicher offenlegen. Dem Verfassungsjuristen können die Wertungen der staatswissenschaftlichen Geschwisterforschungsbereiche allein nicht genügen, so sehr er auf ihre Resultate angewiesen ist. Selbst die eben erörterte bremsende Kraft der Grundrechte gegenüber allzu unverfälschten verfassungsökonomischen Nutzenkalkülen ist für ihn insoweit bloß von untergeordneter Bedeutung. Er möchte entweder dem Verfassungsrecht, konkret den Artikeln und Prinzipien des Grundgesetzes, Normen entnehmen, die eine Staatsverschuldung derzeitigen Ausmaßes verbieten, behindern, sie wenigstens nachhaltig bremsen, oder - faute de mieux - in ihm jedenfalls Grundsätze erkennen, die ihm nahelegen, nach besseren, nämlich diesen Grundsätzen eher entsprechenden Regeln des Staatsschuldenrechts zu suchen. Nur auf diese Weise lassen sich das aufkommende Unwerturteil der anderen Wissenschaften über das Ausmaß unserer heutigen Staatsverschuldung und die insoweit unzulängliche Finanzverfassung sowie die Erarbeitung eines Verschuldungsverbotes auch auf das Verfassungsrecht zurückführen.

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

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7. Budgetrestriktion und „Vorbehalt des Möglichen" Für die Verfassungsrechtswissenschaft schließt sich eine weitere Aufgabe sogleich an. Eine Budgetrestriktion etwa in Gestalt des auf den ersten Blick so probat erscheinenden - in der Diskussion selten reinen, häufig modifizierten und in den Konsequenzen nicht unproblematischen - Verschuldungsverbotes muß wegen der Einschränkung der Mittelzufuhr ganz zwangsläufig Auswirkungen auf alle Politikbereiche haben, die Geld kosten. Ihre Untersuchung würde alle Rahmen sprengen und entfällt daher natürlich. Doch ein Bereich bleibt näher ins Auge zu fassen, nämlich die Alimentierung der eo ipso kostenträchtigen Leistungsgrundrechte - wo und sofern sie anerkannt sind. Die Frage liegt nahe: Wie wirkt sich eine partielle Finanzsperre auf diese sogar in der Verfassung abgesicherten Leistungsansprüche aus? Mit diesem Problemkreis ist in Anbetracht einer bald 30 Jahre alten höchstrichterlichen Judikatur untrennbar das Schicksal des „Möglichen" im einschlägigen grundrechtlichen „Vorbehalt" verknüpft. Provisorisch und allgemein formuliert drückt dieser Vorbehalt das Bemühen aus, Rechte gegen den Staat mit dessen finanziellen Ressourcen in Konkordanz zu bringen. Es liegt gewiß die Annahme nicht fern, daß eine Minderung der dem Staate zugänglichen Finanzmittel entsprechend auch das „Mögliche" reduziert und den Vorbehalt demnach enger faßt. Zwingend ist diese Schlußfolgerung wegen des hohen grundrechtlichen Ranges der Ansprüche allerdings nicht, zumal notfalls die Verluste in diesem Sektor durch reguläre Haushaltsmittel, also Steuereinkünfte, ersetzt werden können, die dann natürlich in anderen Politikbereichen und bei nicht grundrechtsbewehrten Forderungen fehlen. Eine präzise Definition des „Vorbehaltes des Möglichen" dürfte also bei einer (d. h.: dieser) Verbesserung der Finanzverfassung unumgänglich sein.

8. Gang der Untersuchung Die dargestellten Wissenschaftsbezüge bestimmen den Ablauf der Untersuchung und den gleitenden Übergang von den Finanz- und Wirtschaftswissenschaften über die Verfassungsökonomik zum Verfassungsrecht. Dabei wird auch das grundlegende Motto dieser Arbeit (Jede Generation bezahlt ihre Schulden selbst) gewissermaßen „changieren": Es war in dieser Einleitung zunächst nur die Idee einer rechtlich-moralischen Bestimmung, nachdem die Wirklichkeit sich prima facie als so gänzlich anders herausgestellt hat. Die direkte Schlußfolgerung von der hohen Schuldenlast heute auf ein Verschuldungsverbot morgen wäre zumindest eingangs, wie schon angedeutet, für den Ökonomen nicht hinreichend plausibel und somit kurzschlüssig41. Hinzunehmen ist vorerst allein das kaum konkretisierbare Gefühl, daß es mit der Staatsverschuldung nicht so weitergehen kann wie bisher. Folglich wird im ersten Teil das ins Auge gefaßte allgemeine, inhaltlich noch vage Ziel eines Verschuldungsverbotes als ökonomisches Postulat zu testen sein. Das vermag nur 41

So auch Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 88 (Diskussionsebene der Konstitutionellen Politischen Ökonomie ist „metadogmatisch").

30

Einleitung

eine wirklichkeitswissenschaftliche Sicht42, welche die nachteiligen Wirkungen der geltenden Finanzverfassung ermittelt und ihre Unhaltbarkeit für die Zukunft festgestellt. Aber erst die verfassungsrechtliche Erinnerung an einschlägige oberste Grundprinzipien legt dem Verfassungsjuristen das Monitum ans Herz, das ökonomische Postulat in neue Normen der Finanzverfassung umzusetzen. Diese Verwandlung des Mottos in die Grundlage für eine juristische Norm im zweiten Teil ist so unproblematisch nicht und wäre mit der Einführung eines schlichten Verschuldungsverbotes schwerlich erledigt. Die Lösung muß nämlich ökonomisch brauchbar, haushaltsrechtlich wirksam und nicht zuletzt in ihren Konsequenzen verfassungsrechtlich mit der Gesamtverfassung kompatibel sein. Anderenfalls hätte die Verfassungsökonomik ihre Aufgabe als einer wirklichen „Ordnungstheorie" verfehlt, und die Untersuchung würde in den verfassungspolitischen Wolken enden, was gerade nicht beabsichtigt ist. So wird die Verfassungsökonomik wohl sinnvolle Vorschläge unterbreiten, deren Nachteile aber ehrlicherweise gleich mitliefern, weshalb die Normentwürfe nicht zwangsläufig zufriedenstellen. Der zweite Teil endet sogar in der bloßen Unterstellung einer wirksamen Umsetzung des Lastverschiebungsverbotes, und das Problem seiner Akzeptanz für die Grundrechte kann jedenfalls hinsichtlich einiger Normvorschläge erst im dritten Teil aufgegriffen werden. Dort geht es um die Auswirkungen einer „echten", also nicht nur durch verzweifelten Sparzwang ausgelösten verfassungsrechtlichen Budgetrestriktion auf bestimmte, in rechtlicher Hinsicht ebenso umstrittene wie in finanzieller Hinsicht kostspielige Normen des Grundrechtskatalogs. Dabei ist die Rolle der Haushaltsgewalt im Rahmen der Grundrechtskonkretisierung zu klären; als gut geeignetes Vehikel hierfür bietet sich die noch weitgehend offene Deutung des „Vorbehaltes des Möglichen" an. Im Zuge dieser Ermittlung des Grundrechtsgehaltes „von der Finanzverfassung her" wird auch die etwa noch ungeregelte Konkordanz der Budgetrestriktion mit den Grundrechten selbst gebildet. Einer vergleichbaren Aufgabe stellt sich der Arzt, wenn er einen Trinker „auf Entzug setzt" allerdings anders als in der Wirklichkeit deshalb, weil der Alkohol ausgeht...

9. „Zweipoligkeit" der Untersuchung Der Verfasser möchte gegen Abschluß der einleitenden Vorbemerkungen noch einmal deutlich machen, daß dieses Buch zwei weitgehend selbständige, aber aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendigerweise und sinnvollerweise miteinander zu verknüpfende Materien zu Gegenständen hat:

42 Stober, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 143 ff., 150: „Ökonomische Rationalität setzt voraus, daß künftig die gesamte Verfassungs- und Verwaltungspolitik ... einer ökonomischen Rechtsanalyse unterzogen (wird), die Gegenstand der Rechtstatsachenforschung sein kann,... (damit) Steuerungsfehler von vornherein vermieden ... werden ...".

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

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a) Selbstdisziplinierung der Haushaltswirtschaft und Bedeutung des Finanzwesens Die Bedeutung einer über die Zeiten hinweg geordneten Haushaltswirtschaft für das gesamte Rechtswesen, die Politik und die beide Bereiche umsetzende Verwaltungspraxis kann kaum überschätzt werden und rechtfertigt allein schon die Auseinandersetzung mit dem Grundgedanken, der das Motto dieses Buches bildet. Ohne die sichere und ungefährdete Verfügung über ausreichende Haushaltsmittel funktioniert die Rechtspraxis nicht; mit großzügigem Mitteleinsatz an geeigneter Stelle kann sie dagegen sogar erstaunliche Resultate entwickeln: Der Verfasser erinnert sich aus seiner Zeit als Enteignungsreferent in einem hamburgischen Bezirksamt noch sehr gut daran, wie er ausgestattet mit den Rechtsinstrumenten des Angebots einer angemessenen Entschädigung (vergi, heute §§ 93 ff. BauGB), des Enteignungsantrages (vergi, heute § 105 BauGB) und des Antrages auf vorzeitige Besitzeinweisung (siehe jetzt § 116 BauGB) meist doch den anrückenden Straßenbaukolonnen mitnichten den schnellen Zugriff auf die für die Straßenverbreiterung benötigten Vorgärten verschaffen konnte. Erst wenn der Bauamtsleiter freundlich-jovial in seinen damals offenkundig wohlgefüllten Haushaltstopf griff und dem bedrängten Grundeigentümer eine gefallige Klinkermauer hier, einen früher nicht vorhandenen Müllcontainer dort und eine neue Toreinfahrt obendrein spendierte, wurde zur großen Erleichterung des Juristen der Weg frei. Eine an sich nicht geschuldete Entschädigung war damit zwar verloren, doch der Eigentümer fühlte sich als Vertragspartner einigermaßen gewürdigt - eine durchaus „institutionenökonomische" Erkenntnis nebenbei - , und die vermiedenen Zeitverluste für Firmen und Behörden überwogen in Geld umgerechnet das Verlorene ohnehin um ein Mehrfaches. Da konnte in einem jungen Beamten schon der Gedanke entstehen: Geld ersetzt Recht; die Überzeugung, daß eine gute Haushaltswirtschaft zwar nicht alles, ohne sie aber alles einschließlich der Grundrechte - (wenig bis) nichts ist, war dann nicht mehr fern. So bedauert er heute etwa auch, daß nach § 3 Abs. 5 Ziffer 1 der schleswig-holsteinischen Justizausbildungsordung beim Staatsrecht die Finanzverfassung nicht geprüft werden darf. Auf diese Weise werden entscheidende Bezüge von vornherein abgetrennt43. b) Finanzabhängigkeit von Leistungsgrundrechten Der zum Verfassungsjuristen mutierte Beamte darf natürlich die eben geäußerten gefährlichen Sätze nicht so ohne weiteres stehen lassen. Die zu Ende gedachten Folgen einer verfassungsrechtlich fixierten (ebenfalls gedachten) Budgetrestriktion laden jedoch zwanglos ein, den Zusammenhang zwischen Geld und Recht an einer delikaten Stelle gründlicher zu untersuchen. Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Vorbehalt des Möglichen" bietet dazu einen passenden Ausgangspunkt und Rahmen, muß dann aber selbst zum Gegenstand der Untersuchung werden. 43

Dazu Holmes/Sunstein S. 98: „Courts that decide on the enforceability of rightsclaims in specific cases will also reason more intelligently and transparently if they candidly acknowledge the way costs affect the scope, intensity, and consistency of rights enforcement. And legal theory would be more realistic if it examined openly the competition for scarce resources that necessarily goes on among diverse basic rights and also between basic rights and other social values".

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Einleitung 10. Untersuchungsbereich

Der Einfachheit und Übersichtlichkeit halber werde ich mich bei der constitutio lata et ferenda auf das Grundgesetz beschränken. Das schließt den gelegentlichen Blick vor allem auf die Probleme und die Literatur der USA nicht aus, die gleichfalls mit erheblichen Haushaltsproblemen zu kämpfen hatten, deren Lösung aber offenkundig energischer angehen als wir. Diese rechtliche und thematische Eingrenzung bedarf einer kurzen Erläuterung: An sich sind die Haushalte von Bund und Ländern (einschließlich der Gemeinden) durch die Finanzverfassung des Grundgesetzes mit ihrem komplizierten System der Ausgabenverteilung, Finanzhilfen, Ausgleichs^ und Ergänzungszahlungen, Ergänzungszuweisungen sowie Ausgleichsansprüchen (Art. 104 a - 107 GG) sehr eng mit- und untereinander verknüpft. Die gesonderte Erfassung der Einnahmen, Verpflichtungen und Ausgaben des Bundes ist folglich ein ähnlich „gewaltsamer" Akt wie die Ermittlung der Vermögensverhältnisse jedes einzelnen Mitgliedes einer intakten, wenn auch nicht zwangsläufig „einigen", Familie44. Entsprechend eigeben erst die summierten Schulden der „Bundesfamilie" (und ihrer Trabanten) die Horrorzahl von mehr als 2 Billionen DM öffentlicher Verschuldung. Umgekehrt tritt gegenüber dem Ausland, speziell gegenüber den „Cousins" gewissermaßen des Maastricht-Vertrages, die Bundesrepublik Deutschland auch durchaus als Einheit auf, die alle ihre staatlichen und quasistaatlichen Untergliederungen mit umfaßt. Dabei wird es nicht ohne Komplikationen abgehen, die vertraglichen Konsolidierungslasten (zur Eingrenzung der Verschuldung im europäischen Kontext) intern auf Bund, Länder und Gemeinden zu verteilen45. Die enger und umfangreicher werdendenfinanziellen Stränge des „ganzen" Deutschlands zur Europäischen Union kommen als verbindendes und vereinigendes Moment noch hinzu. Aber die Finanzverfassung des Bundes ist die maßgebliche Rechtsordnung und damit bestimmend auch gegenüber den vergleichbaren Normen der Gliedstaaten. Was an Eigenständigkeit der Länder die Koordinierungs- und Kontrollaufgaben des Bundes bisweilen so erschwert, bringt sie selbst zum Ausdruck (vergi. Art. 109 Abs. 1 GG). Die wissenschaftliche Literatur interessiert sich nicht anders als die Rechtsprechung gleichfalls in erster Linie für die bundesstaatlichen Regelungen46.

44

Issing (Sozialstaat, S. 4) betont die starke Verwischung der Zuständigkeit zwischen den Ebenen des föderalen Staates. 45 Der wissenschaftliche Beirat (1994) schlägt hierzu eine Änderung des Art. 109 Abs. 2 und 3 GG vor (S. 52). Zustimmend Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 437,442; ders., ZRP 1997, 231 ff.; Mehde, DÖV 1997,616 ff.; Vogel/WaldhoffRn. 661 Voibem. zu Art. 104 a-115 (Verfassungsergänzung). Die Festsetzung von Defizitobergrenzen für Bund und Länder hält Häde dagegen schon aufgrund des Art. 109 Abs. 4 GG für zulässig (JZ 1997, 269 ff., 275, 276); Isensee (Würdigung der Schuldengrenze, S. 136) will die Grundsatzkompetenz nach Art. 109 Abs. 3 GG nutzen. Die Lösung durch einen Koordinierungsvertrag erörtert Grossekettler. 46 Mit dem Verhältnis zwischen Grundgesetz und Niedersächsischer Verfassung z. B. befassen sich Göke, NdsVBl. 1996, 1 ff., und Schwarz, DÖV 1998, 721 ff. Auf die einschlägigen Regeln der Hessischen Verfassung geht Starzacher (S. 142 ff.) ein; für Nordrhein-Westfalen vergi, ζ. B. Bajohr , DÖV 1999, 397 ff.

1. Kap.: Entwicklung der Arbeitsziele

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Die Beschränkung auf das Bundesrecht bedeutet somit zum einen die Darstellung des „pars pro toto". Wenn dementsprechend ζ. B. die Interpretation eines Grundgesetzartikels ins Blickfeld gerät, deren Folgekosten und -lasten Länderhaushalte treffen, soll und darf sie nicht aus diesem Grunde übergangen werden. Denn im Vordergrund des Interesses stehen das schuldenproduzierende Bundesrecht und die Möglichkeiten, Chancen oder Hindernisse seiner Rück-Interpretation, weniger die Schuldenmasse gerade des Bundes. Diese ist wesentlicher Teil der weitgehend gemeinsam produzierten öffentlichen Verschuldung. Zum anderen liegt eben in dieser letztlich bundesrechtlich begründeten „Gemeinsamkeit", die allerdings bis zum „Gegeneinander" ausarten kann, ein Anlaß für die Beschränkung der Darstellung. Nicht zuletzt die sich hier auftuenden Diskrepanzen sind nämlich wiederum verantwortlich gerade für die Finanz- und Verschuldungsprobleme des Bundes und in gewisser Hinsicht für seine „Tragik": „In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion wurde und wird nicht hinreichend exakt unterschieden zwischen der politischen Verantwortung des Bundes für die fiskalische und ökonomische Gesamtentwicklung und den tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten über seine Finanzpolitik. Gleichzeitig wird die Rolle der Länder und der Sozialversicherung ständig unterschätzt... An dieser Diskrepanz zwischen Anspruch an den Bund und Einwirkungsmöglichkeit des Bundes (zusätzlich verschärft durch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat) ist die Finanzpolitik der sozialliberalen Koalition gescheitert"47. Man möchte hinzufügen: Nur die? Eine Erkenntnis läßt sich aus dem Vorstehenden für die zukünftige Untersuchung also bereits ziehen: Wille und Fähigkeit zur Konsolidierung des Gesamthaushaltes und zur Rückführung von Ausgaben und Schulden werden offenkundig wesentlich von der Konstruktion der staatlichen Willensbildung bestimmt und dürften in einem Bundesstaat schwerer aufzubieten sein als in einem unitarischen Zentralstaat wie etwa (noch!) Großbritannien oder Frankreich 48. Das wird bei der Neufassung einer „verschuldungsfeindlicheren" Finanzverfassung ggf. zu bedenken sein.

47

So Sarrazin, Finanzarchiv 41(1983), 373 ff., 374.

48

So Sturm S. 97; vergi, weiter Herrmann u. a. S. 46. Diese und andere politische und demographische Strukturen lassen neuestens v. Weizsäcker „wenig Hoffnung für eine politökonomische Wende" hegen (Mit Selbstbindung zum kleineren Schuldenberg, in: FAZ vom 23.09.2000, S. 15) 3 Kratzmann

1. T e i l

Ursachen, Anlässe, rechtliche Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme Die Untersuchungen dieses ersten Teils dienen der Darstellung und Aufbereitung der verschiedenen Aspekte, Probleme und Folgen der Staatsverschuldung1 - der haushaltsmäßig/ finanziellen, ,Jcapitalistisch'7volkswirtschaftlichen, staatswissenschaftlich/institutionellen und rechtlich/konstitutionellen. Erst danach werden ein einigermaßen fundiertes Urteil über die heutige Lage unserer Bundesfinanzen zulässig und der Weg für Gedanken über einen womöglich besser qualifizierten, nämlich stringenteren Rahmen für die staatliche Finanzwirtschaft freigegeben sein.

2. Kapitel

Unterschiedliche Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme für die staatliche Finanzwirtschaft 1. Haushaltsmäßige Differenzen bei gleichem Aufgabenbestand und fixem Budgetvolumen im Zeitraum der Einnahmeerzielung Der Empfang einer bestimmten Geldsumme durch Aufnahme eines Kredits wirkt sich durch dessen schuldrechtliche Konsequenzen langfristig auf die staatlichen Haushalte anders aus als der Einzug der gleichen Summe mit Hilfe der einseitigen steuerlichen Zwangsgewalt. Die Rohstruktur des Unterschieds ergibt sich aus der folgenden abstrakten Gegenüberstellung; die in der Überschrift enthaltenen Vorgaben - üblicherweise mit dem Vorbehalt „ceteris paribus" angedeutet - sollen dabei helfen, die rein finanzwirtschaftlichen „Differentialwirkungen" der beiden in einer gegebenen Haushaltsperiode getätigten Einnahmen klarzustellen. Dann folgt die Darstellung konkreter Abweichungen hiervon in den folgenden Abschnitten. Erst im nächsten Kapitel werden gesondert die volkswirtschaftlichen Differentialwirkungen angesprochen. Steuern sind bedingungslos vom Staat erzwungene und vom Bürger gewährte Einnahmen, die ohne Pflicht zur Rückzahlung auch beim Staat verbleiben. Kredite dagegen müssen 1 Der Klarheit halber wird festgehalten, daß unter „Verschuldung" die Netto-Neuverschuldung innerhalb der laufenden Periode (des Haushaltsjahres) zu verstehen ist, die den Stand der jeweils kumulierten Gesamt-„Schuld" damit erhöht, nach Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 10.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

35

später zurückgezahlt werden, was nur mit Hilfe von Einkünften aus Steuern in gleicher Höhe möglich ist, die in einem späteren Zeitraum, nämlich während der Tilgungsperiode, zu erheben sind. Diese Tilgung mit Steuermitteln gehört selbst nicht zu den Differentialwirkungen, weil bei der Alternative, nämlich der Steuerfinanzierung etwa einer Schule oder eines Kindergartens, per definitionem auch Steuermittel hätten verbraucht werden müssen2. Das gilt ebenso für die sog. „Folgekosten" dieser Investitionen; sie würden bei einer Steuerfinanzierung in gleicher Weise anfallen 3. Praktisch können die Kredite natürlich auch durch Folgekredite abgelöst werden. Wir haben uns an den Zustand fast schon gewöhnt, daß der Staat diese Einnahmen in beträchtlichem Umfange zur bloßen Umschuldung verwendet. Doch theoretisch gilt dann für die Umschuldungskredite der gleiche Satz wie oben, so daß zur Vermeidung eines „ewigen Regresses" sogleich an die Tilgung durch Steuern zu erinnern ist 4 . Die „Differentialwirkung" der Einnahme durch Verschuldung besteht somit einmal im bloßen zeitlichen Aufschub von Steuern, oder anders ausgedrückt: im Vorgriff auf künftige Steuereinnahmen 5. Der „Bürger" entgeht der Steuer also nicht; die Kreditaufnahme

2

Sehr unklar äußert sich daher Gantner (Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 6 (1977), 331ff., 333) zu den Kosten öffentlicher Verschuldung: „Reduktion zukünftiger Nettoergiebigkeit der öffentlichen Verschuldung (Bruttoschuldaufnahme minus Tilgungserfordernis)". Hier werden die beiden Einnahmearten miteinander verrechnet, was bei einer Differentialrechnung nicht paßt. 3 Unklar Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 441, und wieder Gantner 334: Er beziffert die jährlichen Folgekosten bei Schulen und Kindeigärten mit 31 % (wohlgemerkt: im Rahmen eines Aufsatzes über die Verschuldung des öffentlichen Sektors). 4

Wenn die Tilgung denn überhaupt kommt bzw. kommen soll ... Die Selbstverständlichkeit, mit der bisweilen vom Tilgungsverzicht die Rede ist, verblüfft den finanzpolitisch noch nicht gänzlich domestizierten Neuling immer wieder: Bedauernd noch Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 38: „Nettoschuldentilgung (findet) kaum noch statt"; vergi, weiter Ernst-Pörksen S. 211; sehr deutlich - und unter klarer Ablehnung der These von der Lastverschiebung auf spätere Generationen Haller, Festschrift Ehrlicher, S. 130: „Die Kredite für die Investitionsfinanzierung sollen eben nicht zurückgezahlt werden (in toto)"; ders., Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff., 83, 85; Krause-Junk, Festschrift Ehrlicher, S. 150: Tilgung „zu mühselig"; Krupp S. 75; Mückl, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 279 ff, 284; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Öffentliche Finanzen III, S. 208: Die „öffentliche Schuld muß ... nicht zurückgezahlt werden, da das Budget und die Wirtschaft auf Dauer angelegt sind"; Rürup, Das Wirtschaftsstudium 11 (1982), 301 ff, 301; Schaal, BB 1981,1ff., 6: Die öffentliche Schuld wird zur ewigen; Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 23 (erwähnt Tilgung gar nicht). Pohmer vergleicht bei der Untersuchung der distributiven Wirkung der Staatsverschuldung u. a. die (reguläre) Steuer mit der (bloßen) „Zinssteuer" (ohne Tilgung, vergi. S. 147 mit Fn. 14 und S. 152 ff; unklar S. 154 f.) und führt die Schuldentilgung als besondere (mögliche) Verteilungsmaßnahme ein (S. 162 ff). Darauf muß man erst kommen ... Man kann das Thema allerdings leicht „vom Tisch bekommen", wenn wegen Beginns des Schuldendienstes bereits im nächsten Haushaltsjahr noch die heutige Generation als betroffen angesehen wird, so Wille, Staatliche Aufgabenplanung, S. 47; Wille/Kronenberger S. 620. Es ist bei strenger Sicht aber nicht mehr die identische heutige ...; vergi, hierzu auch BrümmerhoffS. 388. 5

Den Gesichtspunkt des Steueraufschubs bzw. Einnahmevorgriffs betonen Brennan/Buchanan, The Power to Tax, S. 104; Buchanan/Wagner, Democracy in Deficit, S. 15 f.; dies., Dialogues, S. 628 f.; Wagner/Tollison S. 22. In diesem Sinne auch Birk, DVB1. 1984, 745 ff, 749; Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für November 1997, S. 20 Fn. 4; Friauf, Staatskredit (§91), Rn. 20 ff.; Gandenberger, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 21 (1970), 87 ff., 92 ff, 98; offenbar auch Grüske, Staatsverschuldung, S. 281; Henseler, AöR 108 (1983), 489 ff, 522 ff. (Verschiebung der Abgaben3*

36

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

ist insoweit keine echte Alternative zur Steuererhöhung 6, die sonst in der fraglichen Einnahmeperiode hätte erfolgen müssen. Die „Synchronisation von Kosten und Nutzen der zeitidentischen Gesellschaft" fällt nur aus7; die Kosten (Steuern) tragen im Prinzip andere. Sodann werden Kredite üblicherweise nur gegen laufende Zinszahlungen gewährt. Daher gehört zu den haushaltsmäßigen Folgewirkungen des Schuldendienstes später auch der Zinsdienst. Die Zinsen müssen gleichfalls während der Dauer des Schuldendienstes durch Steuern aufgebracht werden - sofern man (wie oben) auf den Umweg über die Kreditfinanzierung der Einfachheit halber gleich verzichtet 8. Allerdings kommen diese Steuern zu den bloß aufgeschobenen Steuern für die Tilgung neu hinzu. Eine weitere „Differentialwirkung" liegt folglich in einer zahlenmäßigen Verteuerung des kreditfinanzierten Projektes 9, nämlich darin, daß mit dem Aufschub von Steuern noch deren Erhöhung 10 (im Ergebnis um

belastung auf die Allgemeinheit der Staatsbürger ab nächstfolgendem Haushaltsjahr); Issing, Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 198; sehr scharf das Zukunftsproblem herausstreichend Meyer, WDStRL 52 (1992), 161 (Aussprache); Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 168, 170; Püttner, Staatsverschuldung, S. 10; Wolfram Richter S. 173 (Finanzierung durch einen „schwachen" Staat); Wiegard, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 23 (1994), 269. 6

So Schlesinger/Weber/Ziebarth (1983), 497 ff., 497.

S. 31; auch Mückl, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 12

7 Isensee, Schuldbarriere, S. 706. Zur entsprechend unterschiedlichen Einschätzung der politischen Kosten äußert sich Gantner, Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 6 (1977), 331ff., 333: „Für nach dem nächsten Wahltermin liegende Kosten der öffentlichen Verschuldung dürfte im Rahmen des politischen Kalküls ein überaus hoher (jedenfalls über dem Marktzinssatz gelegener) Diskontierungssatz Verwendung finden. Dies aber bedeutet, daß die Barwerte von Nutzen und Kosten unter den gemachten Annahmen im politischen Prozeß auch umfangmäßig auseinanderfallen". Diese politischen Differentialfolgen interessieren aber erst in einem späteren Zusammenhang (veigl. unten im 6. Kapitel Abschnitte 4 und 5). 8 Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 427: „(Es können) die Zinszahlungen nicht immer weiter durch neue und erhöhte Nettokreditaufhahmen hinausgeschoben werden ...". Wenn die Zinsausgaben auch noch aus Krediten finanziert werden sollten, würde die Schuldenquote natürlich explodieren, so Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 7. Man hat versucht, diesem Zwang durch folgenden Ausweg zu entgehen: „... Selbst (die Zinszahlung) kann auf Dauer kreditfinanziert werden, solange die Wachstumsrate des Volkseinkommens die Zinsrate nicht dauerhaft unterschreitet", so Ernst-Pörksen S. 211. Es kann die Annahme eines dauerhaften Vorsprungs der Wachstumsrate des Volkseinkommens vor der Zinsrate aber kaum als realistisch angesehen werden, zumal in diesem Fall sozusagen ein „doppelter Treibsatz" die Staatsverschuldung steigen läßt (Schlesinger/Weber/ Ziebarth S. 35). Auf das Verhältnis der beiden Raten zueinander wird im folgenden noch näher eingegangen werden. 9 v. Arnim/Weinberg (S. 57) schließen bei den fur öffentliche Kredite gängigen Laufzeiten nicht aus, daß Staat und Steuerzahler letztlich doppelt so viel bezahlen wie bei einer Steuerfinanzierung. Damit sind natürlich zwischenzeitlicher Nutzenanfall einerseits und Geldentwertung andererseits nicht erfaßt, weshalb derartige Vergleiche irreführend sein können. Auch Kitterers Hinweis, die öffentlichen Haushalte hätten zwischen 1990 und 1995 zusätzliche Kredite in Höhe von knapp 450 Mrd. DM aufgenommen, aber gleichzeitig Zinsen in Höhe von etwa 600 Mrd. DM zahlen müssen, ist wahrhaft erschreckend und beeindruckend, bedürfte jedoch ebenfalls der einen oder anderen vergleichbaren Erläuterungen (Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 83). 10 In diesem Sinne Besters S. 422; Buchanan, Post-Reagan Political Economy, S. 5 f.: fur die Zeit nach Reagan; Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 38; Gandenberger, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 14 f. (vergi, dens, auch unten in Fn. 239); Heun, Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff, 25, 28; Holcombe/Jackson/ZardkoohU Kyklos 34 (1981), 186 ff, 188 f.; sehr umständlich Mückl, Wie

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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die jeweiligen Zinsbeträge) verbunden ist. Es liegt vielleicht an der nicht ganz glücklichen Bezeichnung dieser zusätzlichen Steuer als „Zinssteuer"11, daß die Auferlegung entsprechender zusätzlicher Steuern als „realitätsfern" bezeichnet wurde12. Natürlich gibt es keine expliziten „Zinssteuern"; diese sachverhaltsverkürzende Formel soll nicht mehr aussagen, als daß die Kreditzinsen eine fmanzwirtschafitliche Last darstellen, für die der Haushalt in der einen oder anderen Form aufkommen muß13. Wenn das etwa durch Ausgabekürzungen geschieht, stellen die dadurch freiwerdenden Steuermittel eben die „Zinssteuer" dar 14.

2. Haushaltsmäßige Differenzen bei Erweiterung der Ausgaben und damit des Budgetvolumens Wird ein Staat ehrgeiziger und braucht er mehr Geld für größere Aufgaben in einem umfangreicheren Budget, so hat er gleichfalls zwei Möglichkeiten, sich die dafür erforderlichen Mittel zu beschaffen: Beschreitet er den Weg der Steuererhöhung, entfallen die Steuerverschiebungen ebenso wie die Erhebung der späteren Zinssteuer. Dafür kann aber die aktuelle Belastung schwer erträglich werden und zu politischen Friktionen führen. Diese sind, wie zu zeigen sein wird, der Hauptgrund dafür, daß „die Politik" so gern auf die Staatsverschuldung ausweicht. Die Differentialwirkungen sind hier im Prinzip keine anderen als die oben geschilderten und brauchen deshalb nicht wiederholt zu werden. Es interessieren vielmehr eher die Umstände von Anfang und Ende einer expansiven Verschuldungspolitik: Am Anfang kann man die Frage stellen, ob noch Fiskalpolitik als Konjunkturpolitik angesagt ist oder schon die Erweiterung der „Staatsquote" angestrebt wird. Am Ende dagegen machen der immer höher werdende, nicht zuletzt durch die Zinszahlungen wachsende Schuldenberg und der folglich zunehmende Konsolidierungsbedarf die Feststellung unumgänglich, daß diese eine Differentialwirkung der Kreditaufnahme die andere, nämlich die bloße Verschiebung der Steuerlast, gewissermaßen einzuholen trachtet. Wenn das schließlich geschehen ist, wird

problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 172; Schaag BB 1981,1 ff., 7. Nicht ganz deutlich wird das Ausmaß der „Zinssteuer"-Erhöhung bei Wille, Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 48. 11 So bei Gandenberger, Verteilungswirkungen, S. 193,206 f.; Hemeler, AöR 108 (1983), 489 ff., 524; Mückl, Finanzarchiv 39 (1981), 255 ff, 266,274; ders., Wirtschaftswissenschaftliches Studium 12 (1983), 497 ff, 499 f., 503; ders., Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 300 (1985), 565 ff., 578; Pohmer S. 149 ff 12

Von Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 99.

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Bei Gandenberger (Verteilungswirkungen, S. 193) ist sie eine Untersuchungsannahme. Aus seiner rein positivrechtlichen Würdigung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, l.Hs.GG (als einer die schuldenbedingte gesamtwirtschaftliche Lastverschiebung eingrenzenden Norm) heraus sieht Höfling in der zukünftigen Steuerlast für Tilgung und/oder Verzinsung nur eine sekundäre Folge der Normprämisse (Staatsschuldenrecht, S. 170 f. in Verb, mit S. 148). 14 Dazu ζ. B. Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 85: Die Belastung der Büiger mit Zwangsabgaben ist mittlerweile so hoch, daß zusätzliche Zinszahlungen kaum noch durch Erhöhung der Steuersätze, sondern überwiegend durch Einsparungen bei wesentlichen Ausgaben finanziert werden können.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

die Schuldenkonsolidierung unvermeidlich, und es erweist sich als ein beliebtes Rechenspiel der Finanzwissenschaftler, Ausmaß und Dauer des Haushaltsspielraumes zu ermitteln, den die Kreditaufnahme - zunächst oder auf Dauer? - gewährt. Bei der Erweiterung der „Staatsquote" ist somit die „Spielraumerweiterung" - allerdings ergänzt womöglich durch die folgende bittere Konsolidierung - eine weitere Differentialwirkung der staatlichen Verschuldungspolitik. Auf die Problematik des „Spielraumes" wird nachstehend ebenso gesondert einzugehen sein wie zuvor auf die unterschiedlichen Verschuldungsanlässe. Sie sind, wie schon das deutsche Beispiel zeigt, nicht immer leicht auseinanderzuhalten. Die politische Wirklichkeit seit dem Ende der sechziger Jahre stand kaum noch unter dem Zeichen staatlicher Zurückhaltung bei den Ausgaben. Ein neues Konzept stellte einmal der Einsatz der Haushaltswirtschaft zur globalen Steuerung des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" gemäß Art. 109 Abs. 2 GG dar, und zwar unter der Überschrift „Fiskalpolitik als Konjunkturpolitik". Zusätzlich war es aber offenkundige Absicht der Finanzpolitik, staatliche Aufgaben und Ausgaben zu erweitern. Die dafür erforderlichen Mittel beschafften sich Bundesregierung und Mehrheit des Parlaments in beträchtlichem Ausmaß durch Kredite 15. Das hatte zur Folge, daß die Staatsverschuldung in den siebziger Jahren zwar nicht gleichmäßig, aber insgesamt erheblich anstieg, sofern man den Begriff „Explosion" nicht gleich auf jede Erhöhung anwenden will 16 . Zunächst soll diejenige Variante der staatlichen Finanzpolitik vorgestellt werden, die die Kreditaufnahme ausdrücklich zu ihren Instrumenten zählt. Wegen des geradezu konstitutiven Zusammenhangs zwischen dieser Verschuldung und ihren Gründen läßt sich die Darstellung volkswirtschaftlicher Resultate schon in diesem Abschnitt nicht vermeiden.

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So ganz deutlich Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 26 ff.: Kreditaufnahme als zweckmäßiges Mittel zur Finanzierung von Allokations- und Distributionspolitik; Alexandra Ehrlicher S. 86 f., 89; Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 56 f.; Heun, Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff, 5; ders., Staatshauhalt und Staatsleitung, S. 140 f.; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 75; Reiner Schmidt S. 315 f.: Die Verschuldung vom Beginn der siebziger Jahre an war weniger Konjunkturpolitik als eher allzu expansive Haushaltspolitik; Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 11 f. Als Möglichkeit zur Erweiterung der Staatsquote sehen die Kreditaufnahme auch: Ehrlicher, Wirtschaftsdienst 59 (1979), 393 ff, 400; ders., Grenzen der Staatsverschuldung, S. 36 f., mit dem Zusatz: Dazu wäre die Steuerfinanzierung allokationspolitisch aber i.d.R. besser geeignet; Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 854; Gantner, Österreichische Zeitschrift fur Politikwissenschaft 6 (1977), 331 ff, 332, 335 (fur Österreich); sehr allgemein Mückl, Jahrbücher fur Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 565ff., 574. 16 Während Sturm eine „Explosion" der Staatsverschuldung schon 1965/66 erkennen wollte (S. 36), datierte Irmler allerdings den „Beginn der großen Schuldenexplosion" auf das Jahr 1974 (S. 132). Auch Höfling (Der Staat 29 (1990), 255 ff, 256) läßt nach dem tiefen konjunkturellen Einbruch 1974/75 die Nettokreditaufhahme von Bund und Ländern „explodieren". Fricke sprach von einer „schlagartigen" Einnahmeentwicklung: Im Zeitraum 1965-1975 stieg der Anteil der Nettokreditaufhahme an den Investitionsausgaben von 22,4 % auf 90,9 % (DVB1.1977,26ff., 26). Gandenberger (Finanzarchiv 36 (1977/78), 162 ff., 162) erwähnte die „vehemente" Zunahme der staatlichen Neuverschuldung. Man kann mit Fug und Recht sagen, daß damals der Weg zur heutigen Situation beschritten wurde, ohne damit weitere Ursachen (wie die Lasten der Wiedervereinigung) auszuschließen.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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3. (Kurzfristige) Verschuldung zur Konjunkturstabilisierung a) Verschuldung als Politikinstrument Noch keine im Grundsatz mehr oder weniger beklagenswerte Abweichung von einer „soliden" staatlichen Finanzpolitik soll die gewissermaßen als „Korsett" oder sogar als „Medizin" verstandene Politik der staatlichen Verschuldung zur Konjunkturstabilisierung darstellen. Sie galt zumindest auch als reguläre, allein den konjunkturellen Schwankungen angepaßte und folglich adäquate Form der Haushaltswirtschaft und durfte „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" (Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. Hs. GG) selbst sonst gültige Verschuldungsgrenzen überspringen. Sie wird geprägt von den Vorstellungen J. M. Keynes', der Staat habe bei Nachfrageschwächen selbst mit eigenen und vor allem zusätzlichen Mitteln (also Krediteinnahmen) einzuspringen, um durch diesen Mitteleinsatz die private Nachfrage anzuregen und zu beleben. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in Art. 115 Abs. 1 GG von 1969, der die Kreditbeschaffung grundsätzlich - wenn auch in unterschiedlicher Höhe - zuläßt, sowie in Art. 109 Abs. 2 (1967), der vorschreibt, daß die Haushaltswirtschaft - und damit auch die Kreditaufnahme - „den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung" trägt. § 1 des (heute in vielen Punkten vergessenen) Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft greift diese Relevanz des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auf und definiert auch aus seiner Sicht die Komponenten dieses Gleichgewichts: Stabilität des Preisniveaus, ein hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum. Politik und Wissenschaft unterscheiden mit nicht immer einheitlichen Formulierungen zwei Formen der staatlichen Konjunkturpolitik: Die „passive" stabilisiert zunächst einmal den Haushalt und gleicht die unvermeidlichen Defizite durch Kredite aus. Denn die in rezessiven Phasen zwangsläufig durch Steuer- und Beitragsmindereinnahmen einerseits bzw. durch erhöhte Sozialleistungen andererseits hervorgerufenen Veränderungen des Haushaltssaldos würden ohne Reaktion zu einer Haushaltslücke führen, welche an sich durch höchst unerwünschte Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen geschlossen werden müßte. Doch diese Variante verhindert nur noch Schlimmeres und stellt kein Heilmittel dar, die Krise zu bekämpfen und zu überwinden. Die Belebung der Wirtschaft und die, Ankurbelung" der Konjunktur werden vielmehr als Aufgabe der „aktiven" Konjunkturpolitik angesehen, zu deren bekannten Instrumenten nicht zuletzt das „deficit spending" - etwa durch die Finanzierung von Konjunkturprogrammen - zählt17. Die Kreditaufnahme ist da17 Zur Unterscheidung der beiden Arten von Konjunkturpolitik vergi. Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 30 ff., 40 ff. (er unterscheidet das konjunkturelle Defizit im engeren und im weiteren Sinne); ders., Wirtschaftsdienst 59 (1979), 393 ff., 395 f.; ders., Der Staat 24 (1985), 31 ff., 41 ff.; Feit, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 44 (1991), 152 ff., 153; Gandenberger, Staatsverschuldung in der wissenschaftlichen Diskussion, S. 163: Nach den Schätzungen des Sachverständigenrates fallen etwa zwei Drittel der kumulierten Verschuldung aus der Rezession 1974-1978 auf die passive, die verstetigende Variante der Konjunkturpolitik; ders., Thesen zur Staatsverschuldung, S. 850 ff: Auffangen von konjunkturbedingten Defizitschwankungen zur Vermeidung einer brüningschen Politik und aktive Fiskalpolitik; Grüske, Staatsverschuldung, S. 279; Nölling, Kredit und Kapital 12 (1979), 472 ff, 477; Oberhauser, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff, 340 (trennt die konjunkturbedingte („passive") von der antizyklischen zusätzlichen Verschuldung

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

nach streng zielgebunden und befristet; „antizyklisch" hat die Konjunkturpolitik überdies zu sein und in Zeiten des wirtschaftlichen Booms folglich eine eher restriktive Finanzpolitik zu betreiben und zuvor eingegangene Schulden wieder zu tilgen. Gerade hierin liegen nämlich Motiv und Legitimation der niemals ganz ungefährlichen Verschuldungspolitik gleichermaßen begründet: Sie wird letztendlich gestützt von der (ausgesprochenen oder unausgesprochenen) Erwartung, daß nach „Ankurbelung" der Nachfrage nicht nur die Neuverschuldung wieder reduziert, sondern mit den steigenden Einkünften aus „regulären" Steuern kraft wirtschaftlicher Genesung die Kredite sogar getilgt werden können 18 . Es sollte diese 1967/1969 verfassungsrechtlich inaugurierte Finanzpolitik („fiscal policy") also eigentlich nur zu befristeten und umkehrbaren „ E i n g r i f f e n " führen 19 , und in den Linien und Kurven des summenmäßigen Ausmaßes staatlicher Schuld wäre im günstigsten Fall

zur Anregung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage); Scherf, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 206 (1989), 136 ff, 139 ff, 142 ff. (unterscheidet gleichfalls das konjunkturelle vom antizyklischen Defizit mit den je spezifischen Reaktionen auf die staatlichen Zahlungen bzw. den sich selbst tragenden privaten Aufschwung); Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 4 f.; ders., Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 82. Der Sachverständigenrat nennt neben konjunkturbedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben auch gesondert die „aktive Konjunkturpolitik" (Jahresgutachten 1994/95 Tz. 181 und Tz. 184). 18 Schetf will „(u)nter günstigen Bedingungen ... (sogar) eine Voll- und Überkonsolidierung" bei der von ihm so genannten antizyklischen Finanzpolitik nicht ausschließen (Jahrbücher fur Nationalökonomie und Statistik 206 (1989), 136 ff, 144 f.; ders., Konstitutionelle Begrenzung, S. 369) und betont weiter die Notwendigkeit der Netto-Schuldentilgung in den Hochkonjunkturphasen (Konstitutionelle Begrenzung, S. 370), die aber oft mißachtet wird (Konstitutionelle Begrenzung, S. 374 f.). Sarrazin (Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff., 378) bemerkt dazu: „Keynesianisches Denken geht im Regelfall von einer Selbstfinanzierung staatlicher Defizite dergestalt aus, daß sich das Defizit über die mit einer dadurch erwirkten Erhöhung des BSP verbundenen Steuermehreinnahmen praktisch selbst wieder beseitigt, mindestens aber, daß die Zinsbelastung ... über einen bestimmten Grenzwert nicht hinausgeht...". Diese - „durch die tatsächliche Entwicklung ... nicht bestätigte ..." - Grundannahme erwähnt auch Fischer-Menshausen Rn. 196 zu Art. 110. Die Problematisierung der Frage durch Barro (Journal of Political Economy 82 (1974), 1095 ff., 1095,1097,1116), ob Staatsanleihen in Anbetracht der (zu kapitalisierenden) künftigen Steuerverpflichtungen überhaupt noch Vermögen darstellten, welches die Gesamtnachfrage anregen kann, wird nicht weiter verfolgt. Denn wenn er eine Einheit der - sowie einen Altruismus zwischen den - Generationen unterstellt, sind diese Voraussetzungen in der überschaubaren Zeit der letzten 30 Jahre in Deutschland offenkundig nicht gegeben gewesen bzw. werden fur eine abstrakte Untersuchung nicht unterstellt. Das ist die Plausibilitätserwägung eines Laien; Kitterer kommt aufgrund eines einfachen empirischen Tests des Äquivalenztheorems auch zu diesem Eigebnis (Kredit und Kapital 19 (1986), 271 ff, 276 f.). In diesem Zusammenhang legt Oberhauser (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff, 341) Wert auf die Feststellung, daß die nichtexpansiven - weil nur Haushaltslücken füllenden - Kredite der hier so genannten „passiven" Konjunkturpolitik sich nicht selbst konsolidierten. Ggf. fuhrt aber ein besonders kraftvoller Multiplikatoreffekt einer antizyklischen („aktiven") Nachfragepolitik zur „Überkonsolidierung" und beseitigt die entsprechenden Defizite gleich mit; so auch Schetf, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 206 (1989), 136 ff, 144 ff. 19 Vergi, zur an sich erforderlichen „Reversibilität" Ehrlicher, Der Staat 24 (1985), 31 ff., 48 f.; Friauf, Staatskredit (§ 91), Rn. 37; Hansmeyer, Ursachen des Wandels in der Budgetpolitik, S. 29 f.: Das schuldenpolitische Instrument muß beherrschbar bleiben; Höfling, Verfassungsfragen, S. 28. Zur anders verlaufenen tatsächlichen Entwicklung, die nicht nur auf die inhärenten Mängel, sondern auch auf fehlenden politischen Willen zurückzufuhren ist, veigl. Grüske, Staatsverschuldung S. 279 f.: mangelnde Fähigkeit des politischen Systems zur Schuldentilgung in der Hochkonjunktur, Smekal, Finanzarchiv 45 (1987), 143 ff, 144: Die Idee der antizyklischen Budgetpolitik als eines nach zwei Seiten funktionierenden Ausgleichsmechanismus hat in den Kreisen von Politikern, Beamten und Interessen-

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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bloß eine bald wieder „zurückgeklopfte Ausbeulung" verblieben. Das Ideal der Stabilisierungspolitik sieht also mittelfristig finanzwirtschaftliche Folgen - und damit erst recht Differentialwirkungen - überhaupt nicht vor. Allein, die Wirklichkeit entsprach - abgesehen von einem Anfangserfolg am Ende der sechziger Jahre - diesen Vorstellungen nicht. b) Inhärente Grenzen und Schwierigkeiten einer Verschuldungspolitik Der Mißerfolg lag nicht allein an Unvermögen und fehlendem guten Willen. Gewiß darf die stabilisierende Konjunkturpolitik nicht die Maxime vertreten:, Ausgaben sind gut" 20 , weil auf diese Weise eine Grenze zur Verschwendung nicht mehr gezogen werden könnte. Fraglich ist schon, ob ohne weiteres die Multiplikator-Theorie gilt, wonach die Gesamtnachfrage umso höher ist, je mehr die staatlichen Ausgaben die Einnahmen übersteigen21. Es haben ökonometrische Großmodelle zur Ermittlung des kumulativen realen Expansionseffektes von zusätzlich ausgegebenen Kreditmitteln unter bestimmten Umständen und je nach der Verwendung der Mittel durchaus erstaunliche Multiplikatorwerte ergeben; die Einkommens- und Beschäftigungssteigerungen führten zu Mehreinnahmen in den öffentlichen Haushalten und letztlich dazu, daß die zusätzlichen Defizite sich selbst konsolidierten und damit tilgten22. Unumstritten waren diese Berechnungen aber keineswegs23. Eine strenge Auffassung will die Staatsverschuldung als solche überhaupt nicht als eigenständiges Instrument einstufen, weil sie nur „die Resultante aus der Differenz von - nach stabilisierungspolitischen Kriterien gestalteten - Staatsausgaben und nichtkreditären Staatseinnahmen" darstellt, m. a. W.: das negative Budgetsaldo24. In der jeweiligen Staats-

vertretern nie eine ausreichende Verankerung gefunden. Die sog. „allokative Neutralität" (Rückkehr zum vorherigen Zustand des Verhältnisses zwischen Staat und privatem Sektor im Vollbeschäftigungsgleichgewicht) erwähnt noch Hansmeyer, Ursachen des Wandels in der Budgetpolitik, S. 28. 20 Nach Sturm (S. 39) brach sich unter dieser Leitlinie während der Regierung Brandt/Scheel auch „im Parlament ein ,Primitivkeynesianismus' Bahn...". Vergi, auch Sinn, Kredit und Kapital 16 (1983), 488 ff., 488: „... in Rezessionszeiten wurde eine Politik der Nachfragebelebung empfohlen, ohne daß man sich groß Gedanken wegen der Art der Unterbeschäftigung gemacht hätte". 21 ... selbst wenn einschränkend das Ausmaß der VerschuldungsvmzWerw/ig herangezogen wird, so Tobin, Grundsätze, S. 23. Zu dem Problem der Wirkungen der Budgetsaldenänderungen weiter Brümmerhofs. 414 f. 22 Von diesen Modellen berichtete Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 848: Bei Multiplikatorwerten von 1,5 bis 2 ergab sich die Selbstkonsolidierung. Oberhauser erzielte bei Annahme eines Multiplikators von 2,5 „im Prinzip eine Tilgung der aufgenommenen Kredite ..." (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333ff., 335). Nach Kurz/Rall liegen die Staatsausgabenmultiplikatoren der ökonometrischen Modelle ganz entscheidend unter den in einfachen theoretischen Modellen bestimmten Werten (S. 355). 23 Gegen die einfache Rechnung mit dem Haushaltssaldo Beyfuss S. 18; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 127 f.; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 231 f.; eindeutiger noch Willms: Das Multiplikatormodell hat die Erwartungen nicht erfüllt (Wirtschaftsdienst 58 (1978), 439 ff, 440). 24 Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 221. Er nimmt aber zur Kenntnis, daß Wissenschaft und Praxis der Staatsverschuldung dennoch den Rang eines zentralen

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

ausgabe liegt danach also das Instrument. Skeptische Anhänger deuten zudem die Möglichkeit an, daß in der Rezessionsphase der Konjunktur notwendige öffentliche Einrichtungen gestrichen oder verschoben werden bzw. daß diese - wider die Konjunkturentwicklung eine bloße Lückenbüßerfunktion übernehmen25. Es ist nicht leicht für den Laien, zu diesen außerordentlich fachspezifischen Fragen besonders des Multiplikatoreffektes - Stellung zu beziehen. Es bleibt ihm nach einem Blick auf die deprimierende Entwicklung der Staatsverschuldung nur die vorsichtige Vermutung, daß zumindest die einschlägigen Modellvoraussetzungen für eine Selbsttilgung nicht vorgelegen haben. Auf jeden Fall leuchtet aber die Notwendigkeit ein, über das reine „Hineinpumpen" von Geld hinaus beim Einsatz zusätzlicher staatlicher Mittel die Grundstrukturen des jeweiligen Marktes, die „Spezifität der Produktionsstrukturen" zu betrachten, auf die und in denen das Geld der öffentlichen Hand wirken soll 26 . Nur bei Kenntnis des Auslastungsgrades des Produktionspotentials, mit Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirkungen staatlicher Einnahmen und Ausgaben auf dieses Potential und unter Beachtung der jeweiligen multiplikativen Effekte verschiedener Ausgaben und Einnahmen ist zumindest ein wirkungsvolles - wenn auch nicht unbedingt „kostenloses" - „deficit spending" möglich27. Die praktischen Probleme einer ernsthaften Konjunktursteuerung sind daher eo ipso erheblich28. Schwer ist es sodann, positive Wirkungen finanzpolitischer Maßnahmen allein zu messen29 und damit zu beweisen. Selbst bei der sonst so sicheren ex post-Betrachtung läßt sich nur der wahrscheinliche Eintritt mit Plausibilitätsargumenten begründen30. Wenn etwaige positive Multiplikatormodelle einmal dahingestellt bleiben, ist für den finanzwirtschaftlichen Teil der Untersuchung am bedeutungsvollsten aber die Erkenntnis, Handlungsparameters zuerkannt haben. Es wird sich unten zeigen, daß sein Hinweis zutrifft. Das Jahresgutachten 1970 des Sachverständigenrates (Tz. 342) hatte nur fur kurzfristige (Überbrückungs-) Kredite (oder Bundesbankkredite) den Charakter als „Resultante" postuliert. 25

Piel/Simmert

S. 22.

26

Verg. Mackscheidt, Crowding-Out, S. 55 f. Zur „Verwendung" der Kreditmittel knapp auch Isensee, DVB1.1996,173 ff, 173,175; WiebelKn. 101 zu Art. 115; ausführlicher Ziffzer, IFO-Studien 26 (1980), 183 ff, 189 f. 27 In diesem Sinne Heun S. 129. Ähnlich Beyfuss (S. 21 ff.), der - wegen der Geldmengenveränderung - zusätzlich auf den Kreditgeber abstellt. 28

Heun 129 ff. Rürup weist auch auf die Gefahren „sektoraler Verwerfungen" hin (Begrenzungskriterien, S. 646 f.). Tietmeyer (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 5) führt gegen die aktive antizyklische Konjunkturpolitik ins Feld: - Entwertung der Sanktionskräfte des Marktes, - Tendenz zur Asymmetrie bei der Anwendung und - Störung der Wirkungen durch „Time-Lags". Fischer-Menshausen bemängelt Unzulänglichkeiten von Diagnose, Prognose, Wirkung, Dosierung und Koordinierung (Rn. 1 la zu Art. 109). 29 Heun S. 129; Nölling, Kredit und Kapital 12 (1979), 472 ff, 488: Die verhinderten Produktionsverluste, Einkommensausfälle und Arbeitsplatzverluste schlagen sich nicht in Statistiken nieder, werden nicht konkret wahrgenommen. 30 Alexandra Ehrlicher S. 84. Heute gilt ζ. B. nur die kurze Zeit der Konjunkturerholung am Ende der sechziger Jahre als Erfolg, vergi, ζ. Β. Höfling, Der Staat 29 (1990), 255 ff, 256.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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daß es schon wegen des zusätzlichen Kapitaldienstes „eine volkswirtschaftlich kostenfreie Form der Rezessionsbekämpfung durch die Finanzpolitik ... nicht (gibt)" 31 . Doch auch die Annahme eines symmetrischen Konjunkturzyklus und die sich darauf gründende Hoffnung eines Haushaltsausgleiches wenigstens über den Zyklus hinweg gelten heute als illusionär und nicht machbar, schon weil sich Konjunkturen jeglicher exakter Berechenbarkeit („timing") entziehen32. Schon relativ früh mußte selbst ein engagierter Verfechter der Verschuldungspolitik gestehen: „Die Hoffnung, über einen gesamten Konjunkturzyklus die entsprechende Staatsverschuldung auf den Nullwert zu drücken ..., geht nicht in Erfüllung" 33. Deutlicher heißt es in neuerer Zeit: „Die Selbstfinanzierung öffentlicher Ausgabenprogramme gehört... ins Reich des politischen Wunschdenkens ..." 3 4 und „... erweist sich ... als blanke Illusion"35. In finanzwirtschaftlicher Hinsicht jedenfalls blieb die Konjunkturpolitik ein „Zuschußgeschäft", dessen jährliche Kosten und Rückstände an nicht reversiblen Schulden mit dazu beitrugen, den Berg der Staatsschulden allmählich zu erhöhen36. Damit korrespondiert die Feststellung, daß andererseits auch die Wirkkräfte staatlicher Konjunkturpolitik mitunter gröblich überschätzt wurden. Das Bild der öffentlichen Konjunkturforderung gleichsam als antreibende Einspeisung in die „Fontäne", die alles kreditweise eingenommene und zusätzlich ausgegebene Geld verlustlos ins große Kapitalbecken zurücksprudeln läßt, von wo aus es dann von der erstarkten Wirtschaft erneut eingesetzt und in den Kreislauf weitergegeben werden kann, wird durchaus gezeichnet37. 31 Jahresgutachten 1976/77 des Sachverständigenrates Tz. 229; zustimmend Möller/Schwebler S. 160. 32 Siehe Heun S. 129 und Mann, Finanzarchiv 21 (1961/62), 1 ff, 12. Zur Asymmetrie in der „antizyklischen Finanzpolitik" weiter: v. Arnim/Weinberg (S. 69) schließen aus den Erfahrungen der späten siebziger Jahre, daß ein einmal erlangtes Verschuldensniveau (?) auch in der konjunkturellen Erholung kaum wieder zurückgeht; ziemlich deutlich Buchanan/Wagner , Democracy in Deficit, S. 158: Das „Morgen" der Überschüsse scheint nie zu kommen; weiter Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 846 f., 863; ders., Finanzarchiv 48 (1990), 28 ff, 33; Institut „Finanzen und Steuern" (1977), S. 66 („Tilgungen in der Hochkonjunktur... unrealistisch"); Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 167 (Idealfall tritt nicht ein, weil in der Hochkonjunktur die erforderlichen Haushaltsüberschüsse fehlen); Piel/Simmert S. 22; Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 5. 33

Hickel S. 166. Das DIW nahm immerhin noch 1994 aufgrund von Simulationen mit dem ökonometrischen Konjunkturmodell beträchtliche „Selbstfinanzierungseffekte" an (DIW Wochenbericht 61 (1994), 341 ff, 346 f.). 34

Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 155 (auch S. 260).

35

Dies. S. 77. Dhom (S. 390) bemerkte das Verfehlen eines selbsttragenden Konjunkturaufschwunges und das Resultat eines gewaltigen Schuldenberges. 36 Sie werden auf diese Weise Teil des „strukturellen Defizits" (dazu unten). In diesem Sinne vergi. Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 82; ders., Ursachen des Wandels in der Budgetpolitik, S. 29; Schlesinger S. 246; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 73; Wille, Normalverschuldung, S. 3 (für das passive konjunkturbedingte Defizit); ders., Staatliche Aufgabenplanung, S. 45 (wie vor); vergi, auch Dieckheuer, Staatsverschuldung und wirtschaftliche Stabilisierung, S. 23; Möller/Schwebler S. 160 (Dauerverschuldung). Den Abbau der zum Ausgleich eines passiven konjunkturellen Defizits bestimmten Kredite halten dagegen selbst die sehr verschuldungsabgeneigten Schemmel/Borell für möglich (S. 147); dazu aber Fn. 18. 37 Zur „Fontänentheorie" vergi. Stützet, Kredit und Kapital 11 (1978), 429 ff, 445 f.; Stützel/Krug S. 51 ; positiv auch Heun, Die Verwaltung 18(1985), 1 ff, 11 f.; Rürup, Wirtschaftsdienst 20 (1980),

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Es impliziert jedoch kaum mehr als die jedenfalls hier nicht relevante Identität von Geld in der Einheit von Staat und Wirtschaft 38 . Das Bild gibt zudem nicht einmal als solches den (erträumten) Ersatz des vom Staate zusätzlich aufgewandten Geldes durch die vermehrt sprudelnde Steuerkraft der Wirtschaft her nach dem mutigen Satz: „Die Staatsverschuldung finanziert sich selbst". Eine derartige Vorstellung übersieht nämlich den (häufig versteckten) hohen Anteil der in Wahrheit konsumtiven, die „Fontäne" also nicht verstärkenden Ausgaben 39 . Sie mißachtet außerdem neben der zusätzlichen Zinsbelastung40 mögliche Zeitverzögerungen 41 und vor allem die unvermeidlichen riesigen „Sickerverluste" 42 , die im privaten Sektor ebenso wie bei Einschaltung des im übrigen durchaus nicht kostenfrei arbeitenden Staates zwangsläufig auftreten müssen. Es wird ζ. B. keineswegs als sicher angesehen, daß das Wiederanlagepotential im privaten Sektor einmal in vollem Umfang erhalten bleibt und sodann auch wieder dem Staat erneut zur Verfügung gestellt wird 4 3 . Die Rückkehr zum ursprünglichen Schuldenstand ist somit gar nicht erreichbar. Denn selbst als Beschreibung des staatlich herbeigeführten Schlaraffenlandes, d. h. einer mit jeder staatlichen „Finanzspritze" nicht nur regenerierten, sondern wachsenden Volkswirtschaft wäre der Vergleich bestenfalls dann schlüssig, wenn nach jedem Rücklauf gewissermaßen Fontäne und Becken wüchsen 44 . Doch die ewig expandierende Wirtschaft ist nicht nur nicht wünschenswert, sondern auch irreal. 424 ff., 425 f. (außer u. U. in Zeiten der Vollbeschäftigung); ders., Zunehmende Staatsverschuldung, S. 69. Eine Darstellung mit ausführlicher Kritik bringen dagegen vor allem Duwendag, Monetäre Grenzen, S. 71 ff.; ders., Staatsverschuldung, S. 88 ff.; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 186 ff. 38 Schlesinger/Weber/Ziebarth Mittel „verloren"!

S. 187: Natürlich gehen im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf keine

39 Tietmeyer bemerkt generell (d. h. mit Bezug auf die temporale Lastverteilung bei Investitionen wie auch auf die Wirkungen der „fiscal policy"), daß der Umfang der eigentlichen potentialerhöhenden Investitionsausgaben niedriger sei als die Summe der Ausgaben mit (bloß) positivem Potentialeffekt, zu denen auch i. d. R. die eher dem laufenden Verbrauch zuzurechnenden Erhaltungsinvestitionen gehörten (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 4); ähnlich Grüske, Staatsverschuldung, S. 282. In diesem Sinne mißt Tietmeyer den Haushaltsdefiziten der siebziger Jahre (einschließlich der Kredite für Sachinvestitionen) nur eine geringe oder gar keine Potentialwirkung zu (S. 8). Ähnlich konstatieren v. Arnim/Weinberg für diese Jahre trotz der zusätzlichen Mittel einen Rückgang der Investitionsquote, aber eine Steigerung der öffentlichen Transfer- und Personalausgaben (S. 54 f.); ebenso Schaal (BB 1981, 1 ff., 6) zum 20 Mrd.-Zukunftsinvestitionsprogramm 1977. Dem Wissenschaftlichen Beirat (1984, S. 24) ist diese Sichtweise zu vordergründig: Ohne Neuverschuldung wären noch mehr Investitionen dem Rotstift zum Opfer gefallen. 40

Vergi, zu ihr Gandenberger, Staatsverschuldung in der wissenschaftlichen Diskussion, S. 159, 165, 168; Sarrazin,, Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff., 378. 41

Schlesinger/Weber/Ziebarth

S. 188

42

Veigl. Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 188 ff. „Leakage effects" nennt Caesar (The Crowding Out Debate, S. 89); Duwendag (Staatsverschuldung, S. 97) sieht außenwirtschaftliche „Lecks"; nach Hansmeyer (Der öffentliche Kredit, S. 124) stehen „vielfältige Sickerverluste und Friktionen einem ,perpetuimi mobile* der Geldkapitalbildung entgegen...". „Verdunstungs-" und „Versickerungsverluste" erwähnt auch Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 169. Von Rürup werden sie - außer in Zeiten der Vollbeschäftigung - eher kleingeschrieben (Wirtschaftsdienst 60 (1980), 424 ff., 425 f.). 43 So Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 188. Duwendag geht von nur 40 % (Monetäre Grenzen, S. 75) bzw. von 40-50 % (Staatsverschuldung, S. 96) aus. 44

Vergi, dazu unten Fn. 164 ff. Sarrazin bemerkt (Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff., 379): „Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen (d. h.: zum Wachstumsoptimismus bzw. -pessimismus) wird die

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

45

c) Gründe für den nur begrenzten Erfolg Von einem „Scheitern" der antizyklischen Finanzpolitik zu sprechen, wäre allein schon nach dem verfolgten Untersuchungsgang verfrüht, weil sie bisher im Grundsatz nur aus finanz- und haushaltswirtschaftlicher Sicht begutachtet wurde. Es wollten nämlich namhafte Wirtschaftswissenschaftler betonen bzw. nicht ausschließen, daß die gesamtwirtschaftliche Lage jeweils ohne die Verschuldung noch schlechter gewesen wäre 45, womit aber bereits der andere, volkswirtschaftliche Aspekt erfaßt ist. Man sollte daher vorsichtig besser von der „Enttäuschung haushaltswirtschaftlicher Hoffnungen" sprechen, aber auch objektive Unterlassungen und Unklarheiten erwähnen: Subjektiv gesehen war es offenbar allemal leicht, die Wirkungen speziell der „aktiven" Konjunkturpolitik zu überschätzen46. Man übersah nur zu bereitwillig, „daß sich wohl kaum ein finanzpolitisches Instrument findet, welches wie der öffentliche Kredit an eine Reihe restriktiver Anwendungsbedingungen geknüpft ist, die seine Erfolgschancen und seinen Stellenwert im System der öffentlichen Einnahmen stark relativieren" 47. So werden an Bedingungen für die erwähnte, so sehr erwünschte Selbstkonsolidierung genannt48: Progressives Steuersystem, Konstanz der Staatsquote, ausreichende Multiplikatoreffekte. Wann haben die bei uns je vorgelegen? Hinzuzufügen wäre noch weiter die Voraussetzung, daß nicht strukturelle wirtschaftliche Veränderungen, ja Strukturbrüche die stetige, gleichwohl dynamische Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unterbrechen und dem Einsatz konjunkturstabilisierender Eingriffe damit die Grundlage entziehen49. Eine realistische Sicht auf die konjunkturpolitischen Theorien und Strategien sollte jedenAuseinandersetzung mit den meisten keynesianisch orientierten Vorschlägen zur Überwindung der Krise ziemlich unfruchtbar: Es mag ja sein, daß kreditfinanzierte zusätzliche Nachfrage zunächst das Wirtschaftswachstum belebt und auch ein paar Arbeitsplätze schafft. Aber wem ist damit wirklich geholfen, wenn sich damit die zukünftigen Handlungsspielräume der Finanzpolitik dauerhaft weiter verengen?" 45

So das Jahresgutachten 1976/77 des Sachverständigenrates Tz. 229: Die volkswirtschaftlichen Kosten wären noch höher gewesen; Glastetter S. 150; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 81; Krause-Junk, Festschrift Ehrlicher, S. 146 f.; vergi, auch die in Fn. 29 Genannten. Lang/Koch wiesen daraufhin, daß die öffentliche Verschuldung das weitere (wenn auch schwächere) Wachstum unserer Wirtschaft mitfinanziert hätte (S. 35); vergi, weiter Möller/Schwebler S. 138, 152 ff, 154; Nölling, Kredit und Kapital 12 (1979), 472 ff, 488 (der als Schreckensbild sogar die Weltwirtschaftskrise bemüht); Piel/Simmert S. 75 (ein Wirtschaftswachstum über 2 % wäre unmöglich gewesen). Rürup (Wirtschaftsdienst 60 (1980), 424 ff, 425) behauptete, daß durch die schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme der Arbeitslosigkeit wirksam begegnet worden sei, gleichgültig, ob man nun 800.000 oder 1,2 Millionen Arbeitsplätze erhalten und/oder geschaffen hätte. Eine gegenteilige Hypothese lautet nach Duwendag, Staatsverschuldung, S. 78: Ohne die drastische Staatsverschuldung in den Jahren 1974-78 hätten noch niedrigere Zinsen die private Kreditnachfrage stärker angekurbelt; in vergleichbare Richtung auch Wenig S. 114. Kurz/Rall machen eine andere Rechnung auf: In den Jahren 1975/81 haben zusätzliche Ausgaben von 54,4 Mrd.DM (bei einem gleichzeitigen Schuldenanstieg von 41,6 Mrd.DM) die Arbeitslosenzahl gerade um 85.000 reduziert! 46

Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 70; Sturm S. 87.

47

Schlesinger/Weber/Ziebarth

48

Von Alexandra Ehrlicher S. 114.

S. 4, erneut betont S. 5, im Hinblick auf die aktive Nachfragesteuerung.

49 Was Diekmann mit Blick auf die Ausgangslage 1967/69 aber bezweifelt (Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff, 667 f.). Nach Schätzungen der OECD belief sich 1998 in der Europäischen Gemein-

46

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

falls den „Nachteil einer sich u. U. ergebenden schwierigeren Haushaltslage" abwägen gegen „die erhofften Beschäftigungswirkungen zusätzlicher Staatsausgaben" bzw. „die kurzfristigen Vorteile (Schlimmeres verhüten, die akute Lage verbessern) gegen die Vorbelastung der Zukunft" setzen50. Daher wundert es nicht, daß Zustimmung zur „stabilisierenden" Fiskalpolitik zwar auch gegen Ende der siebziger Jahre noch vorhanden war 5 1 , daß Einwände und Bedenken - vor allem gegen die „aktive" Variante der Konjunkturpolitik - jedoch daneben ständig erhoben wurden 52 . In den achtziger Jahren nahm die Zustimmung bisweilen einen gleichsam trotzig-schmerzverdrängenden Charakter an 5 3 , und aus dem Jahre 1993 liest man endlich: „Nach den Erfahrungen der 70er Jahre gibt es heute den »typischen Keynesianer' in Gestalt eines (vermeintlich) souveränen Zyklusmanagers ... nicht mehr.... K r i t i k . . . " und „offensichtliche Asymmetrie realer Konjunkturverläufe ... haben den konjunkturpolitischen Steuerungs- und Machbarkeitsmythos der sechziger und frühen siebziger Jahre gründlich zerstört" 54 . Zusammenfassende Darstellungen der Meinungs- und Stimmungslage bieten ein uneinheitliches B i l d 5 5 , wobei nicht übersehen werden darf, daß praktische Fiskalpolitik und

schafit die zyklische Komponente der Arbeitslosigkeit auf 0,8 Prozent, die strukturelle dagegen auf 10 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung, was eine Stimulierung der aggregierten Nachfrage wirkungslos macht, vergi, dazu Lesch, Gemeinsam arbeitslos, in: FAZ vom 25.03.2000, S. 15. 50 Hierzu Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 80, und noch deutlicher - aber z. T. allgemeiner - Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 5 bzw. Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1976/77 Tz. 229. 51 Vergi, nur Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 78; Möller/Schwebler S. 137 f.; Nölling, Kredit und Kapital 12 (1979), 472ff., 487 ff, 498. Auf eine etwas andere Kategorie der Anhänger der Staatsverschuldung wird weiter unten eingegangen. 52 Siehe dazu Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 42 ff. Hier unterscheidet Ehrlicher zwischen den „Nachfragepolitikern", die eine Selbstkonsolidierung unter bestimmten Umständen nicht ausschließen wollen, und Angebotspolitikern, die keine positiven Wirkungen einer aktiven Konjunkturpolitik mehr sehen; weiter ders., Wirtschaftsdienst 59 (1979), 393 ff., 395 f.; Friauf, Staatskredit (§91), Rn. 35 ff. (zumindest müssen Konjunkturprogramme stets reversibel angelegt sein, Rn. 37); Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 857 f. (zurückhaltende Einschätzung der Wirksamkeit); ders., Staatsverschuldung in der wissenschaftlichen Diskussion, S. 164 f.; Gantner, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 25 (1984), 162 ff, 175: Konjunkturpolitisch geplante diskretionäre Mehrausgaben und Mindereinnahmen „tragen Anzeichen der Ver(sch)wendung öffentlicher Mittel für private Zwecke"; Klaus-Dirk Henke S. 80 f.: Es lag derzeit weniger an fehlender Nachfrage; Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 5. Wiegard lehnt die aktive Konjunkturpolitik offenbar gänzlich ab (Wirtschaftswissenschaftliches Studium 23 (1994), 269). 53 Rürup kontert den Befund, daß trotz hoher Haushaltsdefizite die Arbeitslosigkeit nicht spürbar abgebaut werden konnte, mit der Annahme einer „nur halbherzigen expansiven Stabilisierungspolitik" (Begrenzungskriterien, S. 649,650), und Piel/Simmert verbinden den Hinweis auf die Notwendigkeit öffentlicher Defizite in konjunkturellen Abschwungphasen (S. 21) mit dem Bedauern, daß Ausmaß, Art und Tempo der Verschuldung nach 1975 offenbar nicht angemessen gewesen seien (S. 61). 54 Rürup, Zunehmende Staatsverschuldung, S. 68. Mackscheidt legt allerdings ergänzend dar (Crowding-Out, S. 53 ff, 58 ff.), daß die Fiskalpolitik auch mit Argumenten „vorgeführt" wurde, die einer ganz anderen Wirtschaftstheorie entsprangen; vergi, auch Friauf, Staatskredit (§ 91), Rn. 35 f. 55 Heinemann stellt wie befriedigt fest (S. 16 ff., 30): Der „keynesianische Konsens" ist zerbrochen; es gibt in der Wirtschaftswissenschaft „wieder so etwas wie einen Konsens über die nachteiligen

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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Stand der Wissenschaft sich keineswegs decken müssen56. Das Jahresgutachten 1994/95 des Sachverständigenrates 57 konstatiert eher zurückhaltend „(d)ie Tatsache, daß der aktive Einsatz der Finanzpolitik zur Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in der Wirtschaftspolitik an Bedeutung verloren hat.. . " 5 8 . Von Seiten der Verfassungsökonomik wird neuerdings sogar ausdrücklich davon abgeraten, „der Regierung Vollmachten für keynesianische Wirtschaftssteuerung und ... Verschuldung zu geben" 59 . Zum anderen verlangt eine wirklich „antizyklische" Finanzpolitik, daß nach dem Schuldenmachen in der Rezession die Phasen der Hochkonjunktur auch tatsächlich dazu genutzt werden, wenigstens im Rahmen des Möglichen die Neuverschuldung auf den alten Stand „zurückzufahren" und die reichlicher fließenden Steuereinnahmen zum Abbau der konjunkturell bedingten Kreditverpflichtungen zu nutzen. Die aufgezeigte Unmöglichkeit des zyklischen Ausgleichs entbindet nicht von einschlägigen Bemühungen. Der Blick auf

Folgen einer überhöhten Staatsverschuldung". Nach Wolfram Richter findet Keynes' Lehre bei den meisten Ökonomen heute wenig Anklang (S. 175). Caesar (The Crowding Out Debate) konstatiert allerdings - wenn auch mit erheblichen Vorbehalten - eine ziemlich positive Haltung bei deutschen ökonometrischen Modellen (!) gegenüber der aktiven, expansiven Finanzpolitik (S. 83), und noch 1989 sieht er (Öffentliche Verschuldung, S. 49) ohne Einschränkungen eine überwiegend positive Grundhaltung in der Theorie. Andere relativieren: „In der Theorie der Wirtschaftspolitik gibt es keine richtigen oder falschen Theorien, sondern angemessene Theorien zur Erklärung historischer Konstellationen", so Brenner/Haury/Lipp, Finanzarchiv 38 (1980), 236 ff, 247 f. Die antizyklische Finanzpolitik aus Keynesscher Schule ist offenkundig (allein) nicht mehr angemessen für die Probleme westeuropäischer Volkswirtschaften der neunziger Jahre. 56

So stellt Rudolf Richter aus seiner allerdings geldpolitischen (also monetären, nicht fiskalpolitischen) Sicht fest, daß - im Zeitraum 1961-1972 der Keynesianismus wohl auf die deutsche Wirtschaftspolitik „überschwappte" (Deutsche Geldpolitik 1948-1998, S. 33), für die Wissenschaft jedoch der Glaube an die monetäre Stabilitäts- und Wachstumspolitik zum Aberglauben wurde (S. 52), - im Zeitraum 1973-1984 der Keynesianismus allgemein seine Vorrangstellung verlor und der Monetarismus sich weitgehend durchsetzte (S. 71, 75,77,92,93) und - im Zeitraum 1985-1998 die monetaristischen Ideen zunehmend die geldpolitische Praxis beherrschten, aber als akademische Bewegung zum Ende kamen, während die Keynesianer sich in der Wissenschaft erholten, ein wirtschaftspolitisches Comeback hingegen nicht erlebten (S. 104 f., 111, aber auch S. 112). Richter sieht übrigens im Verlust des Glaubens an eine monetäre Stabilitäts- und Wachstumspolitik den Bewußtseinswandel, ohne den das verbreitete heutige Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der Europäischen Währungsunion bei Fortbestand nationaler Finanzhoheit nicht denkbar wäre (S. 52). 57

Tz. 179. Milbradt (S. 40) hatte schon für 1979/80 „gewisse Abnutzungseffekte einer nachfragebelebenden Fiskalpolitik" erkannt. 58 Gerade vor dem Hintergrund dieser - um 1980 nicht mehr so gänzlich unvorhersehbaren Entwicklung kann eine volkswirtschaftliche Lehransicht, die in der Verschuldung des Staates alles Heil sieht, die Risiken dieser Haltung „kleinredet" und dafür die Anhänger einer „soliden" bzw. „neokonservativen" Finanzpolitik mehr oder weniger abwertet, nicht mehr als seriös eingeschätzt werden: Hickels Aufsatz in dem Sammelband „Staatsverschuldung kontrovers" hat schon pamphletartigen Charakter. Der Zusammenfassung nach zu urteilen soll der Beitrag von Thormählen dort „ironisch" sein. Auch Stern (Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 41 ff, 47 mit Fn. 15) nennt einige der oben angeführten Namen mit dem Bemerken, ihr Bestreben ginge dahin, die möglichen Vorbehalte gegen die Staatsverschuldung abzubauen. Wie abgeklärt ist demgegenüber der Aufsatz von Stein, The Decline of the Budget-Balancing Doctrine, vor allem S. 53! 59

Siehe VanbergS. 113 ff, 114.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

die siebziger Jahre zeigt jedoch, daß in der Bundesrepublik die Chancen nicht (hinreichend) genutzt wurden60. Die Schuldenkurve nahm weiter ihren - unregelmäßigen - Verlauf nach oben. Die Ursachen hierfür lagen jedoch keineswegs nur in der von vornherein kostenträchtigen Stabilitätspolitik, deren verbleibende Budgetdefizite zudem nicht energisch und nachhaltig genug hinterher wieder abgebaut wurden. Es war schon im zweiten Abschnitt oben angedeutet worden, daß andere Verschuldungsgründe und -anlässe die Fiskalpolitik begleiten oder gar überlagern können61, und es wird sich zeigen, daß die unterschiedlichen Gründe sich bei den verschiedenen Anlässen und erläuterungsbedürftigen Zwangslagen nicht immer leicht und sauber auseinanderhalten lassen. Es kann gewissermaßen der „Etikettenschwindel" kaum ausgeschlossen werden. Bevor dieser Punkt jedoch gesondert erörtert wird, stehen zunächst die anderen Defizitarten zur Untersuchung an, die nach Ansicht Kundiger die noch weniger harmlosen Varianten des Gesamtkomplexes bilden.

4. Die strukturelle Verschuldung Eine schon im Ansatz kritischere Würdigung erfahrt das anhaltende, nicht durch die Erscheinungsformen eines Konjunkturablaufes nur befristete Zurückbleiben der regulären Staatseinnahmen - vor allem der Steuern - hinter den Staatsausgaben. Hier läßt die „Struktur" des Haushalts, die Diskrepanz zwischen Finanzkraft und Ehrgeiz den materiellen Haushaltsausgleich nicht zu. Die Kredite, die zum Ausgleich dieses negativen Haushaltssaldos aufgenommen werden müssen, stellen einen dauernden, „strukturellen" Bestandteil der Haushaltspläne dar, wobei allerdings der Begriff „Struktur" sehr wohl auch changieren kann. Folglich bildet der - wie sich zeigen wird: nicht einheitlich verstandene - Begriff des „strukturellen Defizits" auch die Grundlage dafür, den im Haushalt bestehenden Konsolidierungsbedarf zu ermitteln62.

60 Der fehlende Abbau der Staatsschuld in Zeiten der Hochkonjunktur wird konstatiert von v. Arnim, BayVBl. 1981, 514 ff., 520 f.: „Hinaufstabilisieren 44 ist leichter und politisch angenehmer als das „Herabstabilisieren44; Bajohr, KJ 31 (1998), 433ff., 436; Donner, Zeitschrift für Parlamentsfragen 18 (1987), 436 ff, 442 f.: Selbstkonsolidierung der Staatsverschuldung hat seit denfrühen siebziger Jahren nicht mehr funktioniert; Duwendag für die Jahre 1976-1980 (Staatsverschuldung, S. 48): „... Konsolidierungschance ... vertan44; Gandenberger, Der langfristige Kredit 31 (1980), 656ff., 656 f., 662; ders., Thesen zur Staats Verschuldung, S. 847: „(D)ie Hochkonjunktur ... (ist die) hohe Zeit des politischen Mißbrauchs der Staatsverschuldung44; Grüske, Staatsverschuldung, S. 279 f.: „mangelnde Fähigkeit des politischen Systems zur Tilgung der Staatsschulden in der Hochkonjunktur44; Höfling, Der Staat 29 (1990), 255 ff., 256; Püttner, Staatsverschuldung, S. 13; Wille, Konsolidierungsbedarf, S. 108 (zustimmend zu Gandenberger); Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 7,11,14 f. Miegel meint, es sei peinlich, wie die damals politisch Verantwortlichen die siebziger Jahre als eine Zeit schwerer Krisen und Prüfungen hochzustilisieren versuchten, um der Verschuldung zumindest einen Schein der Legitimation zu verleihen (S. 216). 61 Rürup, Begrenzungskriterien, S. 627: Nach Aufzählung verschiedener Verschuldungsgründe (einschließlich der Konjunkturpolitik) hält er fest, daß die Staatsverschuldung in den meisten Fällen auf die Erhöhung der Staatsquote zurückgeht. 62

Hüther, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 757 ff, 758.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

49

a) Ausgleich unvermeidlicher Finanzierungsdefizite („Überbrückungsfunktion") und Verstetigung der Steuerpolitik („Steuerglättung") Noch keinen eigentlich strukturellen, sondern nur befristeten Charakter haben die gleichsam erzwungenen Kredite: Da Haushaltsansätze bei Einnahmen und Ausgaben auf Prognosen beruhen, kann der tatsächliche Mittelzufluß und -abfluß selbst bei sorgfältiger Vorausschau zu Abweichungen fuhren. Mangelt es auf diese Weise einmal an Geld, so ist das rigide Steuersystem selten in der Lage, kurzfristig für Remedur zu sorgen. Die Kreditaufnahme dient in diesen Fällen der Vermeidung von Steuerfriktionen 63; sie weist schlicht eine Überbrückungsfunktion auf 64. Ihr fehlt die Nachhaltigkeit, und vom Umfang her ist sie relativ unbedeutend. Der „Überbrückung" soll jedoch in einem weitergehenden Verständnis auch eine Verschuldung dienen, die etwa bei zeitweise hohen, nicht teilbaren Investitionsausgaben oder bei konsumtiven Ausgabenspitzen ebenfalls abrupte Steuererhöhungen - und damit Steuerfriktionen - vermeidet und folglich einer Verstetigung der Steuerpolitik dient65. Sie wird bereits als „strukturelles Defizit" verstanden66, und in der Tat paßt sie ζ. B. ebenso gut zum weiter unten behandelten Thema der Lastverschiebung bei Investitionsgütern67. b) Erweiterung der Staatsquote Der Staat kann seinen Aufgabenkreis erweitern und eine größere Portion des Sozialproduktes als bisher für sich in Anspruch nehmen nicht nur durch Steuererhöhungen, sondern auch durch eine mehr oder weniger intensive Verschuldung. Als gesamtwirtschaftliche Ziele dieser Ausdehnung kommen in Betracht Wachstums- und verteilungspolitische68, bzw. fachspezifischer ausgedrückt: Allokation und Distribution, also die Aneignung von 63

So MilbradtS. 47.

64

Dazu Andel, Finanzwissenschaft, S. 398; Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 497; ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 45; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 165 f.; Rürup, Begrenzungskriterien, S. 627; Zimmermann/Henke S. 153 f. 65 So Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 496 f.; ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 43 f.; vergi, weiter Duwendag, Staatsverschuldung, S. 29 f.; Funke S. 136; Milbradt S. 48; Rürup S. 627. In qualitativer Hinsicht liegt hier eine „Steuerglättung" dann vor, wenn die Kredite dazu genutzt werden, um über die anfangs erwähnte kurzfristige Überwindung von Einnahmeengpässen hinaus die Steuer(neben)lasten über die Zeit hinweg zu umgehen, zu „glätten": Steuern pflegen neben den primären Zahllasten Zusatzlasten („excess burden") gerade dann zu verursachen, wenn sie überproportional steigen; eine Kreditaufnahme vermag diese Nachteile zu vermeiden; vergi, hierzu Andel S. 398; Abrams/Dougan, Public Choice 49 (1986), 101 ff., 104 („smoothing of tax collections"); Huber, Finanzarchiv 48 (1990), 434 ff. (intertemporale Verschiebung von Steuerzahlungen zwecks Unterstützung einer langfristig optimalen Steuerpolitik). 66

So von Duwendag S. 30.

67

In diesem Sinne auch Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 496 f.; ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 43 f. 68

Zimmermann/Henke

4 Kratzmann

S. 154.

50

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Gütern für die öffentliche Nutzung und die Umverteilung 69 . A u f beide Gründe des staatlichen Mittelzugriffs wird noch eingegangen werden 70 . Wertungsfrei formuliert bedeutet auch das „strukturelle Defizit" zunächst einmal eine Deckungslücke 71 . Nicht mehr wertungsfrei ist dann allerdings die Meinung, Kredite seien eine „fast normale Einnahmequelle" 72 , um diese Lücke wieder zu schließen. Denn nicht zuletzt um die haushaltsrechtliche Zulässigkeit und den finanzwirtschaftlichen Nutzen der strukturellen Defizite bewegt sich die Auseinandersetzung über die Staatsverschuldung. Es gibt manche unterschiedliche Aussagen und Ansichten zum „strukturellen Defizit". Häufig liest man das (implizite) Bedauern, daß mit dem starken Anwachsen des öffentlichen Defizits keine entsprechende Ausweitung des Anteils der Investitionen an den Gesamtausgaben einhergegangen sei 73 . Mit dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates 74 erhalten die einschlägigen Feststellungen sogar einen offiziösen Charakter. Andere 69 So Wille, Normalverschuldung, S. 1. Auch Caesar (Öffentliche Verschuldung, S. 26 ff.) nennt als Zielbereiche der Verschuldungspolitik insoweit die Allokations- und die Distributionspolitik. Mahrenholz legt dar (Rn. 29 zu Art. 109), daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht als solches auch Maßnahmen der Allokation und Distribution fordern kann; ähnlich Maunz Rn. 46 zu Art. 115 mit Rn. 35 zu Art. 109. Auch wenn die umzuverteilenden Mittel nicht beim Staat verbleiben, leitet er sie über die öffentlichen Kassen und bestimmt dadurch Ausmaß und Destinatäre. 70 Gschwendtner gliedert bei der Differenzierung der Staatsquote vor diesem Hintergrund die Gesamtausgabenquote auf in die Realausgabenquote und die Ubertragungsquote (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 105 f.). 71 So offenkundig die Deutsche Bundesbank im Monatsbericht April 1997 S. 46: rechnerisches Residuum; weiter Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 32 f.: negatives Finanzierungssaldo bei Vollbeschäftigung und ohne konjunkturelles Defizit; Friauf, Staatskredit (§ 91), Rn. 38: Verschuldung zur Finanzierung von Staatsaufgaben, für die „keine Steuermittel eingesetzt werden sollen". Feldsieper (Finanzarchiv 42 (1984), 20 ff., 38) neigt dazu, eine unbedenkliche (strukturelle) Verschuldung als „Nebenprodukt" einer im Prinzip ausreichenden Festlegung der Steuereinnahmen zu werten. Ziebarth geht bei seiner Ermittlung struktureller Budgetdefizite zunächst einmal aus von einem „zu einer schieren numerischen Größe verdichtete(n) Konglomerat..." (S. 81), setzt dann aber mit Bewertungen fort. Unabhängig davon gibt es auch begriffliche Differenzierungen: Beyfuss ζ. B. grenzt vom „harten Kern" des strukturellen Defizits die Folgewirkungen der Steuer- und Kindergeldreform ab (S. 11 f.), und Gantner macht offenbar einen Unterschied zwischen der Verschuldung für Investitionen und dem strukturellen Defizit (Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 25 (1984), 162 ff., 176). 72 So der Wissenschaftliche Beirat (1984) S. 4. Vergi, auch Caesar, The Crowding Out Debate, S. 77; ders., Öffentliche Verschuldung, S. 26 f.: „normales" Finanzierungsmittel auch in NichtRezessions-Perioden, bei allerdings unklarer begrifflicher Abgrenzung (S. 35). 73 So Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 75/77 mit S. 78: Unterschiedlicher Rückgang des Nettoanteils schon in den siebziger Jahren; vergi, auch v. Arnim/Weinberg S. 50 f.: Sinken der Investitionsquote zwischen 1962 und 1984; Ehrlicher, Wirtschaftsdienst 55 (1975), 449 ff., 450; Kampmann S. 59 f.: Sachinvestitionen unter Netto-Kreditaufnahme mehrfach in den achtziger Jahren und seit 1990, bezogen auf den Bund schon seit 1974; ähnlich wie Henke Milbradt S. 51 f.; Rürup, Zunehmende Staatsverschuldung, S. 70 f.: zu wenig zukunftswirksame Verwendung der geliehenen Gelder, über die Hälfte konsumtiv verwendet; Wille, Konsolidierungsbedarf, S. 110: Sinken des Anteils der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben zwischen 1970 und 1980 bei Bund, Ländern und Gemeinden. Nach Glastetter (S. 150) bewegte sich im Durchschnitt der siebziger Jahre die Neuverschuldung dagegen „im Rahmen der Nettoinvestitionen". 74 Für 1994/95, Tz. 157: Die Investitionsquote in den westdeutschen Gebietskörperschaften ist in den achtziger Jahren - trotz einer leichten Verbesserung in deren Mitte - insgesamt zurückgegangen;

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

51

Voten zu dieser Variante des Defizits sind weniger zurückhaltend, man möchte sagen unhöflicher: Sie werten die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben als Ausdruck der schlichten Tatsache, daß der Staat über seine Verhältnisse lebt 75 und daß die politisch Verantwortlichen die an den Staat gerichteten Ansprüche und damit den materiellen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben ,»nicht in den Griff bekommen"76. „Die Höhe des strukturellen Defizits - oft vielleicht auch des tatsächlichen Defizits - (ist) schlicht ein Indikator für die Fähigkeit eines Landes, mit seinen politischen Problemen fertig zu werden; insofern werden strukturelle Defizite zu Indikatoren der politischen Stabilität"77. Daß man unter solchem „Beschüß" deren Konsolidierung (Abbau der Neuverschuldung) fordert 78 - oder sogar deren Verbot79 - , verwundert nicht. Von einem Abbau, d. h. von einer Tilgung, ist dagegen wieder einmal kaum die Rede, weil er mittelfristig gewiß wünschenswert ist, die dazu erforderlichen Steuererhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen - am besten im konsumtiven Bereich - jedoch als undenkbar und politisch zudem nicht durchsetzbar gelten80. Dahinter verbirgt sich das Problem, daß Sparmaßnahmen häufig bei der Reduzierung von Investitionen ansetzen, weil gegen sie kaum Proteste wie die der Empfänger von Transferleistungen, die dann ungeschoren bleiben, zu erwarten sind. Investitionskürzungen führen aber zugleich zur Minderung des (qualitativen und quantivativen) Wachstumspotentials, worunter später mehr oder weniger doch wieder alle leiden werden. „Konsolidierungsschäden" nennt man diese zukünftigen Wachstumsverluste81.

in Gesamtdeutschland ist sie ab 1993 erneut rückläufig. Das Jahresgutachten 1998/99 stellt ein kontinuierliches Sinken der Investitionsquote seit 1992 fest (Tz. 187). 75

So erwähnt von Haller, Festschrift Ehrlicher, S. 140.

76

So Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997, 749 ff., 750; ähnlich Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 80, auch 85. Vergi, weiter Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 108 ff, 120: Am Ende ist „die Zunahme der Staatsverschuldung (kein) Signal machtvoller Konjunktursteuerung (mehr), sondern ... (ein) Ausdruck mangelnder staatlicher Steuerungsfahigkeit überhaupt". Sarrazin (Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff, 377, 381 f.) macht vor allem die mangelnde Reform der Sozialversicherung verantwortlich. 77 So Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 856; auf ihn verweisend Andel, Finanzwissenschaft, S. 174; zurückhaltend hierzu der Wissenschaftliche Beirat (1984) S. 17. 78 Jahresgutachten 1993/94 des Sachverständigenrates Tz. 178; Milbradt S. 55; Nölling, Kredit und Kapital 12 (1979), 472 ff, 498 (dringend geboten, aber nicht unabweisbar). 79

Bröcker S. 49; wohl auch Ziffzer,

80

So MilbradtS. 55.

81

IFO-Studien 26 (1980), 183 ff, 187, 189.

Hierzu Erlei/Leschke/Sauerland S. 484ff. („Einsparungen am Budget werden dort voigenommen, wo der Widerstand am geringsten ist...", S. 484); Hüther, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 757 ff, 761 (weshalb eine investitionsorientierte Verschuldung auch keinen Konsolidierungsbedarf auslösen soll, vergi. Hüther 758 mit Fn. 8); Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 34 (das von ihnen so bezeichnete „budgetinterne Crowding-out" (S. 152) gehört an sich auch hierher); Wille, Staatliche Aufgabenplanung, S. 58; ders., Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 56 f.: „Sachinvestitionen ... (finden) im budgetären Willensbildungsprozeß nur eine bescheidene Unterstützung"; vergi, auch Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 87. Besorgt äußern sich weiter der Jahresbericht 1994/95 des Sachverständigenrates (Tz. 157) und das Institut „Finanzen und Steuern" (1969) S. 31 f.: Die öffentlichen Investitionshaushalte sollten möglichst konstant gehalten werden.

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52

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme c) Volkswirtschaftliche Wachstumsschwäche als Verschuldungsgrund

Machte eben wirtschaftspolitischer Ehrgeiz die wachsende „Verschuldung ... selbst zum strukturellen Problem"82 des Haushalts, so wird bisweilen der Akzent auch umgekehrt eingesetzt: Aus der Struktur der Wirtschaft ergeben sich die Defizite in den Haushalten. Dann sind diese ein Indiz fur die anhaltende („strukturelle"), konjunkturunabhängige Schwäche der steuererbringenden Produktivkräfte 83, und es wird weiterer Finanzierung bedürfen, um ζ. B. „die Anpassung gewachsener Branchenstrukturen an die neuen weltwirtschaftlichen Gegebenheiten (zu) ermöglichen"84. Entsprechend kann man, vergleichbar der Differenzierung bei den konjunkturbedingten Defiziten, unter den staatlichen Gegenmaßnahmen die Kredite stagnationsbedingten Charakters von denen trennen, die für kompensatorische Zwecke aufgenommen werden85. Doch diese Sicht schaut bloß auf die andere Seite derselben Medaille. Letztlich geht es allein um diefinanzwirtschaftliche Überforderung einer Volkswirtschaft - und damit nur um ein Strukturproblem. d) Haushaltswirkungen struktureller Defizite? Als Differentialwirkungen der Staatsverschuldung hatten sich ganz allgemein Steuerverschiebungen und Zinssteuer herausgestellt (s. ο. 1.) und zusätzlich im Falle der Erweiterung des Ausgabenvolumens noch die Spielraumerweiterung, gefolgt womöglich von anschließender Spielraumverengung (s. o. 2 und unten 7). Das (mittelfristige) Fehlen von (Differential-)Wirkungen bei der fiskalischen Konjunkturpolitik ist mehr oder weniger ein schöner Traum. Bei den strukturellen Defiziten müßten danach erst recht eine finanzwirtschaftliche „Hinterlassenschaft" und damit die oben genannten Differentialwirkungen verbleiben. Denn eines ist klar: Eine steuerfinanzierte Politik der Erweiterung des Staatssektors läßt sich jederzeit revidieren durch Steuersenkung; der Berg der allmählich aufgehäuften Kredite ist dagegen nicht so leicht - und allenfalls nach den Regeln des bürgerlichen Rechts - wieder abzutragen86. Aber als so gänzlich unverrückbar wird diese Hinterlassenschaft an „strukturellen" Schulden jedenfalls nach Meinung des Sachverständigenrates doch nicht angesehen. Denn 82

So Bundesministerium der Finanzen (1985) S. 23.

83

Andeutungen bei v. Armin, BayVBl. 1981,514 ff, 515 f.; Dreißig,, Verschuldungsgrenzen, S. 99; Sturm S. 76. ** Möller!Schwebler

S. 139.

83

Ein strukturelles Defizit im engeren Sinne käme noch hinzu; in diesem Sinne Scherf, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 206 (1989), 136 ff, 147 ff. 86

So Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 173 f.; ders., Wirtschaftswissenschaftliches Studium 12 (1983), 497ff., 503; ders., Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 279 ff., 284. Die Meinung Ehrlichers, daß die Steuerfinanzierung allokationspolitisch i. d. R. besser geeignet sei (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 36 f.), nennt ein anderes Kriterium, das hier weniger von Interesse ist, nämlich ein Wohlfahrtskriterium; vergi, dazu Caesar, The Crowding Out Debate, S. 87.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

53

er zergliedert auch noch das hier so genannte „strukturelle Defizit" in unterschiedlicher Weise in sein anders gestaltetes Namenspendant und weitere Komponenten bzw. Neugestaltungen. Dabei formuliert er u. a. nicht ganz unähnlich dem Verfahren bei der Differenzierung der Konjunkturpolitik: Es gibt sozusagen den „Status quo" und den „Impuls"87. Der Sachverständigenrat hatte viele Jahre lang eine als „Normalverschuldung" qualifizierte jährliche Neuverschuldung von der eigentlich „strukturellen" - und konsolidierungsbedürften - Verschuldung abgegrenzt und damit ein Kreditvolumen bezeichnet, welches „die durch die Privaten grundsätzlich und mittelfristig akzeptierte Kreditaufnahme reflektiert" 88. Die Normalverschuldung ergänzte den „konjunkturneutralen Haushalt"89 (als Ausdruck des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" nach Art. 109 Abs. 2 GG 90 ) zum konjunkturneutralen Finanzierungssaldo91. Haushaltsmäßige - auch kreditfinanzierte - Abweichungen von dieser Gleichgewichtslage gehörten damit zum „strukturellen Defizit als Restgröße" im Sinne des Sachverständigenrates und wurden von diesem in ihren primären Wirkungen zugleich mit dem Begriff „konjunktureller Impuls" belegt92. In der Literatur ist diese Konzeption der Normalverschuldung ganz überwiegend abgelehnt worden: Unscharfe Abgrenzungen, willkürliche Empirie, ζ. T. einseitige normative Festlegungen und andere Einwände93 lassen nach Meinung vieler nur die Schlußfolgerung übrig, daß auch diese Verschuldungskomponente ein Bestandteil des strukturellen Defizits ist 94 . Nicht 87 Das geht schon aus dem Jahresgutachten 1994/95 bei Tz. 183 (S. 155) einerseits und Tz. 184 (Einbeziehung der aktiven Konjunkturpolitik) andererseits hervor. Caesar (Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 220, und ders., Das Wirtschaftsstudium 22 (1993), 140 ff., 144) stellte bei den Konzeptionen des Sachverständigenrates „eine eigenartige Mischung aus stabilisierungspolitischer und allokativer Rechtfertigung" fest; das kann auch für die neueren Konzeptionen gelten, vergi, unten Fn. 96. 88

So zusammenfassend noch einmal Jahresgutachten 1993/94 Tz. 175; ausfrüheren Jahren vergi, ζ. Β. Jahresgutachten 1981/82 Tz. 251 mit besonderer Betonung des Gewöhnungseffektes. Eine detaillierte Darstellung der Berechnungsweise findet sich etwa bei van Suntum, Das Wirtschaftsstudium 17 (1988), 587 ff. 89

Zu ihm zusammenfassend das Jahresgutachten 1993/94 Anhang IV D S. 278 f.

90

Auf diese Korrelation weist Fischer-Menshausen hin (Rn. 19a zu Art. 110). Sie gilt nach Ansicht des Sachverständigenrates für die „konjunkturneutrale Verschuldung" auch heute noch, vergi. Jahresgutachten 1994/95 Tz. 184. 91

Diese Zusammenhänge stellte Beyfiiss recht übersichtlich dar (S. 18 f., 45).

92

Jahresgutachten 1993/94 Tz. 175 und Anhang IV D S. 278 f.; dazu auch Beyfuss S. 19.

93

Der Sachverständigenrat sah die Kontroverse sehr wohl und bezeichnete seine Ausführungen „nur (als) einen Diskussionsbeitrag", vergi. Jahresgutachten 1981/82 Tz. 251. 94 Vergi, v. Arnim/Weinberg (S. 82 ff.) mit Kritik und letztendlicher Einordnung dieser Verschuldungsvariante in die Kategorie der strukturellen; ähnlich v. Arnim, BayVBl. 1981, 514 ff., 517; weiter Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 28, 30; ders., Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 220; ders., Das Wirtschaftsstudium 22 (1993), 140 ff., 144; Duwendag, Staatsverschuldung, S. 30 f.; Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 33; ders., Wirtschaftsdienst 59 (1979), 393 ff, 396 f.; Alexandra Ehrlicher S. 115; Funke S. 423 ff; Wille, Konsolidierungsbedarf, S. 101; ders., Staatliche Aufgabenplanung, S. 49; Wille/Kronenberger S. 626 (unter Leugnung einer Berechtigung struktureller Defizite jedenfalls in den letzten zwanzig Jahren, so S. 640). FischerMenshausen dagegen hat offenbar keine Bedenken (Rn. 19b zu Art. 110). Die Bundesbank bezweifelte in ihrem Geschäftsbericht 1984 den „Richtschnur"-Charakter der Vorstellungen über eine Verschuldung in der „Normallage", so Guderjahn S. 20.

54

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

zuletzt wird beklagt, daß der Begriff zu sehr das Merkmal der Unbedenklichkeit dieser Verschuldungskategorie in sich berge95. Nach der Wiedervereinigung stellt der Sachverständigenrat eine modifizierte Verschuldungsgliederung „zur Diskussion", und zwar unter der - allerdings täuschenden - Überschrift „Strukturelles Defizit und konjunktureller Impuls"96. Denn er hält an wesentlichen Teilen seiner bisherigen Vorstellungen, vor allem an der Kontrastkomponente der gewohnten, nicht konsolidierungsbedürftigen, unbedenklichen, „normalen" Verschuldung durchaus fest 97. Aus der Überschrift geht daher nicht sogleich hervor, daß deren beide Begriffe nach wie vor nur den Teil des Defizits erfassen, der die „dauerhaft akzeptable Neuverschuldung", nun auch „investitionsorientierte Verschuldung" genannt, überschreitet 98. Diese bleibt als gesonderte Kategorie folglich immer mitzudenken. Der „konjunkturelle Impuls" steht in engem Zusammenhang mit - und zugleich auch wieder in Kontrast zu 99 - dem „strukturellen Defizit" des Sachverständigenrates. Er geht mit zwei nicht konjunkturneutralen bzw. sogar konjunkturanregenden Bestandteilen über dieses Defizit hinaus100. Es soll mit seiner Hilfe „... - im Sinne eines Meßkonzepts - die Anstoßwirkung der Finanzpolitik auf die konjunkturelle Entwicklung ermittelt werden..., die aus einer gezielten Ausweitung der öffentlichen Defizite resultiert" 101. Damit liegt natürlich auch hier bei einem Vergleich der Gedanke an die „aktive" Konjunkturpolitik, deren Haushaltsbelastungen sogar Bestandteil des „konjunkturellen Impulses" sind, und an die Träume von der Folgenlosigkeit der Verschuldung wegen Selbsttilgung nahe. Aber die pompöse , Anstoßwirkung" verliert umgehend ihren hofifnungserweckenden Charakter, weil wirklich nur die „Primärwirkungen der Finanzpolitik" gemeint sind102, die „der öffentliche Haushalt durch ein bestimmtes Verschuldungsverhalten auf die Gesamtwirtschaft" ausübt; Sekundärwirkungen aus den Reaktionen der Wirtschaftssubjekte werden nicht erfaßt und „(w)achstumspolitische Effekte ... (somit) gänzlich ausgeklammert" 103 . Also kann die genannte Defizitkomponente als solche schon vom Ansatz her erst

95 In diesem Sinne Schlesinger S. 254, aber auch Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 174 f. In diese Richtung gehen auch die Bedenken von Feldsieper, Finanzarchiv 42 (1984), 20 ff., 37 f. mit Fn. 17. 96

Jahresgutachten 1994/95 Tz. 178.

97

Vergi, vor allem Tz. 179 (S. 152,1. Spiegelstrich) mit Tz. 184 (rechte Sp.). Hierauf weist Andel in seiner Kritik an dem „enttäuschenden" Abschnitt - unter Heraushebung des „normalen" Aspekts besonders hin (Wirtschaftdienst 75 (1995), 219 ff., 220, siehe weiter 224). Der Bericht von Hüther (Wirtschaftsdienst 75 (1995), 332 ff.) referiert dagegen eher. 98

Tz. 179 (S. 152, 1.Spiegelstrich) mit Tz. 183 (S. 155).

99

Zur Ermittlung vergi. Tz. 184 und aus früherer Zeit - weil in der Funktion grundsätzlich unverändert (Tz. 179 S. 152, 2. Spiegelstrich) - Krause-Junk, Finanzarchiv 40 (1982), 1 ff, 2 ff. 100

Vergi. Tabelle 37 zu Tz. 184.

101

Tz. 179 (S. 152,2. Spiegelstrich).

102

Tz. 179 (S. 152); Beyfuss sprachfrüher vom „Primärimpuls" (S. 19).

103

Tz. 185 (S. 155 und 156). Für Caesar (The Crowding Out Debate, S. 87) führte das die Normalverschuldung übersteigende strukturelle Defizit sogar zur Verdrängung privater Aktivitäten, eben weil der private Sektor sich nicht daran gewöhnt hatte. Das muß nach den obigen Bemerkungen auch unter der „modifizierten" Konzeption des Sachverständigenrates gelten.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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recht nicht „kostenlos" sein, und hinsichtlich der Differentialwirkungen bleibt es zunächst einmal bei den bekannten Resultaten104.

5. Schulden für langlebige Investitionsgüter Es ist jedoch hilfreich, diese Beurteilung durch die Konzentration auf den allokativen Teil 105 des strukturellen Defizits (im hier gebrauchten Sinne) weiter zu präzisieren und ggf. zu modifizieren. Das liegt umso näher, als der Sachverständigenrat selbst das dauerhaft akzeptable Defizit neuerdings106 primär durch einen sehr engen, von Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG her beeinflußten und auf Bauinvestitionen beschränkten Investitionsbegriff begrenzt; mit dieser Maßgabe dürften s. E. die einschlägigen Ausgaben „am ehesten einen Kapazitätseffekt haben .. ," 1 0 7 . Somit stehen in diesem Abschnitt gesondert die Investitionen als die allokative Zielvariante staatlicher Ausgaben - und damit auch des strukturellen Defizits - auf dem Prüfstand. Ausnahmen von dem sich allmählich abzeichnenden Unwerturteil über die staatliche Kreditaufnahme werden in der Tat gern und häufig bei der Finanzierung langlebiger Investitionsgüter auf dem Kreditwege gemacht, gefordert, zugestanden und gesetzlich vorgesehen. Der Grund für diese Haltung leuchtet nach den bereits vorgetragenen Hinweisen auf den ersten Blick ein: Die Vorteile dieser staatlichen Anschaffungen liegen in der Vermehrung und Bereicherung des öffentlichen Kapitalstocks, der in den besten Fällen entweder eine mittelbar 108 , vielleicht sogar unmittelbar rentierliche Nutzung (eine mautpflichtige Autobahn etwa) ermöglicht oder als öffentliche Infrastruktur die Voraussetzung für private wohlfahrtschaffende Aktivitäten bildet. Diese Nutzen- bzw. Wachstumseffekte wiederum kommen nicht primär der jetzt lebenden und zahlenden Bevölkerung zugute, sondern vor allem - in unterschiedlichem zeitlichen Umfang - künftigen Generationen. Derartige Nutzenprojektionen legen damit den Schluß nahe, daß sich die kommenden 104 Zur „Janusköpfigkeit" des über die Normalverschuldung hinausgehenden Teils des staatlichen Defizits siehe van Suntum, Das Wirtschaftsstudium 17 (1988), 587ff., 589: „In kurzfristiger Sicht gilt er als konjunktureller Impuls, der je nach Konjunkturlage durchaus erwünscht sein kann. In mittelund langfristiger Sicht wird er dagegen als strukturelles, d. h. konsolidierungsbedürftiges Defizit interpretiert". Auf diese Widersprüchlichkeit wies auch schon Krause-Junk (Finanzarchiv 40 (1982), 1 ff, 17) hin.

105 Vergi, oben 4b). Zur Klarstellung sei vermerkt: Man kann investitionsorientierte Kredite wie der Sachverständigenrat einer eigenen Kategorie zuordnen (so auch Schmahl S. 95 ff, 97) oder dem strukturellen Defizit, dann aber gewissermaßen mit einer Rechtfertigungsmöglichkeit. Die hier gewählte Abgrenzung ist insofern realistisch, als sehr viele „Investitionen" kaum oder nicht zu rechtfertigen sind. 106 Hier sieht Andel die wirkliche, aber wiederum „eher versteckt(e)" „große Wende" (Wirtschaftsdienst 75 (1995), 219 ff, 221). 107

Jahresgutachten 1994/95 Tz. 183 (S. 154). Siehe auch Hüther, Wirtschaftsdienst 75 (1995), 332 ff, 337: konsolidierungspolitisch dauerhaft unbedenklich. 108 Das Institut „Finanzen und Steuern" (1969) hielt eine nicht konjunkturell bedingte Schuldaufnahme für gerechtfertigt, wenn diefinanzierte Maßnahme „durch die zu erwartenden weiter steigenden Steuereinnahmen" als „rentierlich im weitesten Sinne" angesprochen werden kann (S. 40). Zum Problem der Rentierlichkeit vergi. Beyfuss S. 13 f.

56

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Nutznießer entsprechend an den Kosten durch (anteilige?) Übernahme der Zins- und Tilgungslasten beteiligen könnten und sollten. Kreditermächtigungen für solche „werbenden Ausgaben" waren konsequenterweise nach älterem Finanzverfassungsrecht üblich und damals auch allein zulässig. Die neue Kreditbegrenzungsnorm in Art. 15 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs.GG erlaubt eine Verschuldung in Höhe der Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen und bildet damit immer noch ein - viel kritisiertes - Residuum der früheren Finanzpraxis. Die Einwände selbst gegen solchermaßen veranlaßte Staatsschulden sind dennoch nicht unerheblich: Die Definition der Beschaffungsmaßnahmen, die durch Kreditaufnahme finanziert werden dürfen, ist außerordentlich schwierig, weil sachlich und verfassungsrechtlich kaum festgelegt 109. Deshalb verlangt Art. 115 Abs. 1 Satz 3 GG wenigstens auf gesetzlicher Ebene eine Ausführungsregelung, welche die gewissermaßen „verschuldungsfahigen" Investitionen in praktikabler Form umreißt. Der vom Bundesverfassungsgericht in der Ausgangsentscheidung dieser Arbeit erneut unterstrichene Gesetzgebungsauftrag 110 ist vom Bundesgesetzgeber 1990 durch Ergänzungen von § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes sowie § 13 Abs. 3 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung auch formal erfüllt worden, aber in einer nach Ansicht von Kritikern „skandalösen ... Weise"111, mit der „eine Chance vertan" wurde 112: „(D)er Bund (hat) sich bei der gesetzlichen Regelung schlicht für die Fortführung des bisher praktizierten Investitionsbegriffs (entschieden), ohne den Inhalt dessen neu zu bestimmen, was die staatliche Investition als Produktivitätsfaktor für die Gesamtwirtschaft ausmacht"113. Angesichts derart massiver Angriffe bleibt der nach wie vor weite 114 Investitionsbegriff somit offenkundig ein Problem für die Bemühungen, die Verschiebung der Zahllasten auf zukünftige Steuerzahler zu rechtfertigen 115: Die „(Intemalisierung der) mit Investitionsgütern 109

Der Wissenschaftliche Beirat (1980) sieht aus rechtlicher und auch aus ökonomischer Sicht einen „nicht unerhebliche(n) Spielraum für die Interpretation . . ( S . 51); so auch Starzacher S. 158,159 f. 110 E 79,311 ff., 354 f. Siekmann (Rn. 37 zu Art. 115) hält den Eifer des Bundesverfassungsgerichts für „widersinnig", weil demjenigen die Aufgabe der Schrankenziehung übertragen wird, der in die Schranken gewiesen werden soll. Aus verfassungsökonomischer Sicht ist dem nichts hinzuzufügen. 111 Andel, Wirtschaftsdienst 75 (1995), 219 ff., 221. Höfling (Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 429) spricht von einem „Affront". 112

Fricke, Finanzarchiv 48 (1990), 222ff., 223.

113

Fricke 223; vergi, auch Andel 221. Nach Schemmel/Borell (S. 156 f.) hat sich der Gesetzgeber sogar zugute gehalten, den Investitionsbegriff nicht noch weiter gefaßt zu haben. 114 115

So Kitterers

Kritik schon 1975 (DÖV 1975, 23 ff, 27).

Die Frage, welche „Last" eigentlich verschoben wird, hat zu einer kaum überschaubaren Literatur geführt. Wenn neben Buchanan und einigen anderen hier noch Bowen/Davis/Kopf, The Public Debt: A Burden on Future Generations? (The American Economic Review 50 (1960), 701 ff.) und Shoup, Staatsverschuldung und künftige Generationen (Debt Financing and Future Generations), genannt werden, so reichten sie schon aus, um Andel (Finanzarchiv 25 (1966), 334ff., 338) auf die Frage nach dem Sinn der ausgedehnten Diskussion zu der „etwas zynisch(en)" Antwort zu veranlassen, man könne mit unterschiedlichen Annahmen, Aspekten und Begriffen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine neuere Zusammenstellung findet sich z. B. bei BrümmerhoffS. 387 ff; Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 220 f.; für Klaus-Dirk Henke ist eine Umverteilung

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

57

verbundenen intertemporalen externen Nutzen" 1 1 6 bedingt, wie zu zeigen sein wird, nicht stets gerade die Kreditfinanzierung, und die sicherlich kaum abwegige Feststellung, man könne Investitionen nun einmal nicht verschieben, bis das Kapital angespart ist 1 1 7 , macht die Erläuterung nicht entbehrlich, wieweit man diese Vorgriffe noch vertretbar treiben darf. Die Betonung der Zinslasten wiederum, die von den künftigen Generationen zu zahlen sein werden, bedeutet nur die Wiederholung des Problems: Ist der volkswirtschaftliche „Mehrwert" der Investition so hoch, daß er nicht allein den Aufwand der Darlehnssumme rechtfertigt (die höhenmäßig einer Steuerfinanzierung entspräche), sondern auch noch den finanzwirtschaftlichen Zinsaufwand abdeckt? 118 Also bleibt mit dem nackten Begriff „Investition" noch sehr viel ungeklärt: Unter den Gesichtspunkten des Zukunftsnutzens und des Zeitrahmens ist nicht nur die sog. „Potentialwirkung" einer Investition sehr unterschiedlich und bisweilen höchst ungewiß 119 ; auch der Begriff „langlebig" ist stark dehnbar. Die Synchronisation zwischen Nutzungsdauer des jeweiligen Gutes und Tilgungsdauer der öffentlichen Schuld darf daher als bestenfalls unzulänglich geregelt, nämlich verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben gelten 120 . Wenn allenfalls plausibel (Höhe der Staatsverschuldung, S. 82). Hier geht es nur darum, ob die bereits nachgewiesene finanzwirtschaftliche Lastverschiebung vielleicht durch finanzwirtschaftliche oder eher noch allgemein volkswirtschaftliche Vorzüge von Investitionen (mehr als) kompensiert werden kann. 116

Funke S. 136; eine ähnliche Andeutung findet sich auch bei Möller/Schwebler

117

Mußgnug, Staatsverschuldung, S. 63 mit S. 64.

S. 188.

118 Vergi, dazu etwa Bowen/Davis/KopfS. 704 f.; Institut „Finanzen und Steuern" (1977), S. 21 f. Viel weiter, nämlich mit Hilfe der schon angedeuteten „generational accounts", wollen Richter/Wiegard die Wirkungsanalyse fassen (Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 (1993), 337 ff., 379, 385 f.). 119 Dazu Bröcker S. 52 f.: Nur solche Ausgaben können als Investitionen angesehen werden, die die spezifische Zukunftslast öffentlicher Verschuldung abzugleichen vermögen; Fels S. 89 (tadelt die Verschwendung von Kapital in Konsuminvestitionen wie Schwimmhallen, Büigerhäuser und gepflasterte Rathausplätze) Häberle, Zeit, S. 342 f. mit Fn.181. Henseler will aus der Verschuldungsgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. GG eine einschränkende, die spezifisch positive Zukunftswirkung der Investition betonende Begriffsbestimmung ableiten (AöR 108 (1983), 489 ff., 525 ff.); ähnlich Maunz Rn. 32 zu Art. 115; in diese Richtung argumentiert bekanntlich auch das BVerfG, vergi. 1. Kapitel Fn. 1; weiter Paul Kirchhof, Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 35. Milbradt (S. 45) vergleicht den Ertrag mit dem privater Investitionen; ähnlich Roller S. 25; vergi, weiter WolfS. 151 (ähnlich wie Fels). Wille (Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume) weist allerdings auf neuere Untersuchungen hin, wonach sich zukunftswirksame Staatsausgaben überhaupt nicht operational von anderen Ausgaben abgrenzen lassen (S. 53, siehe auch S. 56). Kitterer/ Schlag wiederum sehen in der infrastrukturell hochentwickelten Bundesrepublik nur geringe positive Auswirkungen öffentlicher Investitionen auf die Minderung privater Produktionskosten (Finanzarchiv 52 (1995), 460 ff., 474 f.). Eine ausdrückliche Befürwortung einer Verschuldung aus außerkonjunkturellen Gründen im Hinblick auf Staatsausgaben mit positiven Zukunftswirkungen findet sich dagegen bei Gandenberger, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 17. Nur stellt er an anderer Stelle (Staatsverschuldung und Neue Politische Ökonomie, S. 30) fest, daß die wachsenden Defizite typischerweise mit abnehmenden Investitionen verbunden seien. Für Fehr/Gottfried (Finanzarchiv 50 (1993), 324 ff., 342) gilt: „Nur wenn der Nutzen zukünftiger Generationen von den in der Gegenwart entscheidenden Politikern stark abdiskontiert, d. h. gering bewertet wird, ist eine Belastung zukünftiger Generationen über eine hohe Staatsverschuldung ,optimar". Es fehlt dabei aber eine Aussage zum Schuldendienst ... 120 Scherf leugnet eine Synchronisation schlechthin (Konstitutionelle Begrenzung, S. 368). Schaal meint (BB 1981,1 ff., 7), die meisten öffentlichen Investitionen würden überwiegend von der gegen-

58

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

ζ. B. ein Autobahnabschnitt nach 20 Jahren ersetzt werden muß, der durch die Baukosten mit verursachte Schuldenanstieg aber nicht nach 20 Jahren wieder zurückgeführt worden ist, wird schon insoweit allemal ein Teil der Finanzlast auf die Zukunft verschoben121. Ebenso einleuchtend ist die Feststellung, daß Erhaltungsinvestitionen meist eine kürzere Wirkung haben als Neuinvestitionen122. Letztlich zeigen die genannten Schwierigkeiten jedoch nur Abgrenzungsprobleme auf: Ein prinzipieller Einwand gegen die Kreditfinanzierung langlebiger Investitionen besteht unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit insoweit nicht 123 . Weiter darf jedoch niemand die Frage ausschließen, ob unsere Nachfolger den „geschenkten Gaul" vielleicht gar nicht haben möchten. Es kann nicht bei jeder zukunftswirksamen Investition einfach unterstellt werden, die künftige Generation stufe sie ebenso hoch, nämlich als wertvoll und lohnend für sich ein wie die, zu deren Herrschaft sie getätigt worden ist 1 2 4 . Schlimmstenfalls „erwerben" die Nachfahren mit den Schulden auch noch eine „Investitionsruine", für deren Beseitigung sie zusätzlich Lasten zu tragen haben125. Üblicher und unvermeidlicher sind die Folgekosten staatlicher Investitionen einschließlich der Aufwendungen zur Deckung des Sanierungs- und Erneuerungsbedarfs, die oft in wenigen Jahren die Investitionssumme übersteigen. Wenn sie auch keine „Differentialfolgen" gerade der Kreditfinanzierung bedeuten, stellen sie immerhin Faktoren dar, die den späteren Nutzern die Freude an der Hinterlassenschaft stark zu vergällen vermögen126. Doch damit nicht genug: Selbst gegenüber evtl. positiven Zukunfts-, d. h.: Wachstumswirkungen wärtigen Generation genutzt, was eben heißt, daß sie zu kurzlebig sind; so auch die Argumentation von Patzig (DÖV 1985,293 ff., 299). 121 Schlesinger/Weber/Ziebarth zitieren aus Bemerkungen des Bundesrechnungshofes, „daß heute und in Zukunft Zinsen auch für solche Kredite gezahlt werden, deren Gegenwert ganz oder teilweise schon nicht mehr vorhanden ist" (S. 221); ähnlich Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 440 f.; Paul Kirchhof, Staatsverschuldung als Verfassungsproblem, S. 57 f.; Krause-Junk, Wirtschaftsdienst 70 (1990), 607 ff, 609; Schemmel/Borell S. 149; Starzacher S. 158 f. (bei Ablauf der Nutzungsdauer Nettotilgung angebracht); Tobin , Grundsätze, S. 23. Eine nur sehr zurückhaltende Problematisierung dieser Thematik findet sich bei Rürup (Wirtschaftsdienst 60 (1980), 424 ff, 427). Wenn die sorgfältige Differenzierung nach dem Verschuldungszweck übersehen wird, geht eine Polemik gegen die „Lastverschiebung" ins Leere, so bei Noll S. 204 f. 122

Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 7. Auch Höfling bemerkt, daß von Ersatzinvestitionen kein Wachstumseffekt ausgehe und sie daher unberücksichtigt bleiben müßten (Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 428). 123

So Buchanan/Congleton S. 100 f., 100: „Genuine borrowing to finance public projects that yields benefits over extended time sequences does not violate the generality precept". 124 Zu den unterschiedlichen, ggf. wechselnden Vorteilsauffassungen Bajohr 441 ; Blankart S. 334 (Legitimität der Verschuldung fehlt bei Desinteresse der zukünftigen Generation); Bohnet S. 263 (der sich der Beantwortung der Frage nach der Wünschbarkeit, weil normativ, aber entzieht); Grüske, Staatsverschuldung, S. 282; Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 126; Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 118; Kampmann S. 45; Püttner, Staatsverschuldung, S. 14 (er macht eine Ausnahme nur für jederzeit veräußerliche „bleibende Werte", S. 16); Starzacher S. 158; Timm, Festschrift Recktenwald, S. 324; Wolf S. 135. Das Institut „Finanzen und Steuern" (1969) betonte die „Schnellebigkeit" heutiger Vorteile. 125 126

Das übersehen Piel/Simmert

S. 95.

Siehe hierzu Paul Kirchhof Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 54; Piel/ Simmert S. 94; Schlesinger S. 252; auch Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 220 f.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

59

ist heute weitaus stärker alsfrüher die Möglichkeit massiver Desinvestitionen wegen zuvor verursachter Umweltschäden zu bedenken127. Die folgenden Überlegungen grenzen schon an schwarzen Humor, werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte aber sehr wohl ernsthaft angestellt: Als große Chance eröffnet die Staatsverschuldung den Haushalten der derzeitigen Generation nämlich die im Rechtssystem an sich gar nicht vorgesehene Möglichkeit, eine negative Erbschaft zu hinterlassen, die man nicht ausschlagen kann128. Die nüchterne Konsequenz daraus ist, daß Personen, die etwas zu vererben haben und Kinder besitzen, denen sie etwas hinterlassen möchten, die Alternative zwischen Steuern und Krediten ganz anders sehen als diejenigen, bei denen diese Voraussetzungen (ganz oder teilweise) nicht vorliegen und die daher uneingeschränkt an ihre zeitliche Wohlfahrt denken können129. Letztere Gruppe wird verständlicherweise nicht so leicht bereit sein, Verfassungsänderungen zu befürworten, die - wie weiter unten zu erörtern sein wird - das Schuldenmachen erschweren130. Über den schwarzen Humor noch hinaus geht die nachstehende treuherzige Volte: „Die nächste Generation leistet auf diesem Wege (d. h.: durch die Übernahme der Lasten) einen antizipierten Beitrag zur inneren Stabilität unserer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung, der mit solchen kreditfinanzierten Maßnahmen verbunden ist. Diese Stabilität ist es doch wohl, die wir der nachfolgenden Generation lieber als alles andere vererben wollen" 131 . Der Gedanke der „Gerechtigkeit zwischen den Generationen" schließlich wird besonders durch die nicht zuletzt vom Bundesverfassungsgericht vorgetragene Erkenntnis 132 desavouiert, daß die heutige Generation, die bei Investitionen den Nachkommen Zahllasten vererbt, ihrerseits durch ihre Vorgänger in den Genuß von langlebigen Gütern gelangt ist, für die sie nichts oder nur wenig bezahlt. Denn infrüheren Jahrzehnten der Bundesrepublik war die Staatsschuld eine vergleichsweise vemachlässigenswerte Größe und die Lastverschiebung auf die Zukunft folglich fast unbeachtlich. Die „erste Generation der Schuldenmacher" begünstigte sich also - ungeachtet aller schönen Worte - zunächst einmal 127

So der Wissenschaftliche Beirat (1984) S. 44 f., 47; vergi, auch Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 119. Einen anderen Akzent setzt Wille (Konsolidierungsbedarf, S. 107), wenn er „angesichts erheblicher Umweltschäden und sich abzeichnender Sozialversicherungsprobleme" die ganze Lastverschiebungsthese als weitgehend entwertet betrachtet; siehe hierzu weiter Bröcker (S. 210 f.) und das Institut „Finanzen und Steuern" (1969) S. 39. Diese Hinweise treffen eher mit der These überein, daß die künftigen Generationen ihre eigenen Probleme haben werden, für deren Lösung sie finanzwirtschaftliche Freiheit haben müssen. Hierauf wird unten (zu Fn. 136) eingegangen werden. 128

Boss/Lorz, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 46 (1995), 152 ff, 164 f. Ähnlich, als Nachlaßminderung, Buchanan/Roback S. 12. 129 So Buchanan/Roback in ihrem Aufsatz; vergi, weiter Cukierman/Meltzer, The American Economic Review 79 (1989), 713 ff, 713 f., 730 und passim; Richter/Wiegard, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 (1993), 337 ff, 373 ff. 130 Denn zunächst einmal entscheidet die Mehrheit über die Kreditaufnahme und die implizit mit ihr verbundene Ablehnung von Steuererhöhungen, vergi. Cukierman/Meltzer 723. Flowers (Journal of Public Economics 41 (1990), 249 ff.) versucht dazulegen, wie unter diesen Umständen überhaupt verschuldungsbegrenzende Verfassungsänderungen gegen die Widerstände eingeführt werden können. Zur Wirksamkeit zeitlicher Steuerverlagerungen bei unsicheren Lebenserwartungen siehe Wellisch S. 7 ff. 131

Möller/Schwebler

132

E 79,311 ff, 354.

S. 153.

60

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

selbst 133 . Mit dem Laufe der heutigen Zeit entwertet sich dieses Argument natürlich; doch als Finanzierungsregel wird wohl einhellig verkündet: Bei einigermaßen regelmäßiger und stetiger Folge der Investitionen ist eine Verschuldung unangebracht und unnötig, weil jede Generation in diesem Fall mehr oder weniger die gleiche Last trägt, zumindest bezogen auf das volkswirtschaftliche Gesamteinkommen. Gründe der „intertemporalen Gerechtigkeit" j edenfall sprechen dann nicht mehr für eine Kreditfinanzierung 134 , allenfalls unter veränderten Voraussetzungen, bei starken Schwankungen der Investitionsquote etwa oder bei einem nachhaltigen Rückstand der Wachstumsrate zukunftswirksamer staatlicher Investitionen hinter der der privaten 1 3 5 . Im Gegenteil: Es müßten, so meinen namhafte Verfassungsrechtler und Finanzwissenschaftler, den aus vielerlei Gründen stärker belasteten künftigen Generationen eher noch Überschüsse vorbehalten bleiben 136 . So hat einer (für möglicherweise viele) bereits im wesentlichen das ausgesprochen, was das grundlegende Motto der vorliegenden Arbeit bildet: „Die jetzige Generation muß damit fertigwerden" 137 . Nur eines rettet unter Umständen eine Verletzung dieser Regel - der Erfolg! 1 3 8 133 Dazu Andel, Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 18; Bröcker S. 211 f. (weist zudem auf die abfallende Investitionsquote 1973-1990 hin, S. 213); Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 97; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 23; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 174; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 222 f. Für Timm (Finanzarchiv 42 (1984), 71 ff., 74) steht eher der „egoistische ... Wunsch der gegenwärtigen Generation" im Vordergrund. Sehr restriktiv äußert er sich auch wegen der Mißbrauchsgefahr (Festschrift Recktenwald, S. 322 ff., 328). Musgrave/Musgrave/Kullmer (Öffentliche Finanzen III, S. 211 f.) sehen diesen Aspekt nicht. Bohnet legt sich - zumal in Anbetracht unterschiedlicher Lastbegriffe - nicht fest (S. 190 ff). 134 So v. Arnim/Weinberg S. 47 ff; Beyfuss S. 32 f. (Ausnahmen bei Krieg oder Naturkatastrophen); Bröcker S. 211ff. (mit dem ergänzenden Hinweis, daß auch bei Steuerfinanzierung durch Investitionszurückhaltung ein Ungleichgewicht entstehen kann); Feit, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 44 (1991), 152 ff, 153 (Einschränkung auf „wachsende Volkswirtschaft"); Gandenberger, Finanzarchiv 30 (1971/72), 369ff., 389 f. (eher allgemein zur Verteilungsgerechtigkeit); Gschwendtner S. 97; Haller, Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff, 82 f.; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 23 ff. (außer bei der Kriegsfinanzierung); Milbradt S. 46 f. (mit Ausnahmen in wirklichen Ausnahmesituationen); Mückl S. 174; Schlesinger S. 253 (anders bei unregelmäßigen Investitionsschüben); Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 222; Starzacher S. 158; Timm, Finanzarchiv 42 (1984), 71 ff, 82 f.; Wille, Normalverschuldung, S. 4; ders., Staatliche Aufgabenplanung, S. 50 f. (jeweils mit dem Hinweis auf Abgrenzungsprobleme und auf die sinkende Investitionsquote 1962-1984); ders. auch, Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 53; Wille/Kronenberger S. 630; Wissenschaftlicher Beirat bei dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesministerium der Finanzen S. 10; Wolf S. 135. 135

So Haller, Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff, 73 f.; ders., Festschrift Ehrlicher, S. 140 f.; Timm, Finanzarchiv 42 (1984), 71 ff, 83; vergi, im übrigen die Hinweise in Fn. 134. 136 v. Arnim, BayVBl. 1981,514 ff, 518; ähnlich die Sicht von Gandenberger, Staatsverschuldung in der wissenschaftlichen Diskussion, S. 168; ders., Thesen zur Staatsverschuldung, S. 861 f.; Schemmel/ Boreil S. 149: Die nachfolgenden Generationen haben bereits mit umfangreichen anderen Lasten Alters-, Seuchen- und Umweltlasten - zu rechnen. In einem jüngeren einschlägigen Vortrag über „Staatsverschuldung und Faimeß zwischen den Generationen" kommt Gandenberger daher auch zu einem fast ausnahmslos negativen Urteil über die Staatsverschuldung (vergi. S. 15 ff). Für Höfling sind diese Einwände gegen eine Kreditfinanzierung von Investitionen nur noch „von politischer Bedeutung"; er bewertet sie nicht (Staatsschuldenrecht, S. 149); anders aber ders., Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 101 f.: Grobe Mißachtung des Konzepts der Junktimklausel (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG). 137

Fricke, Finanzarchiv 48 (1990), 222 ff, 240.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

61

6. Differenzierungsprobleme Finanzwirtschaftlich verschieden strukturierte, volkswirtschaftlich unterschiedlich wirksame und rechtlich sehr uneinheitlich legitimierte Verschuldungsarten bieten Anlaß zu mancherlei (bewußter oder unbewußter) Manipulation, da sie letztlich alle im einheitlichen Defizit aufgehen, das auch nur auf einen Währungsnennbetrag lautet. Die eben vorgestellte, selbst auf dem Papier schwer zu sondernde „idealtypische Kategorienbildung" 139 läßt sich jedoch auch in der Wirklichkeit allein schon von den Ursachen her kaum auseinanderhalten, erst recht nicht in der praktischen Handhabung der jeweiligen Kategorie. Der Verschuldungseingrenzung dient das wenig 1 4 0 : Wenn in der Realität zumindest seit den sechziger Jahren neben der konjunkturell motivierten Kreditaufnahme stets die strukturell bedingte auftaucht 141 , kann es im jeweiligen Rückblick allein noch um die zahlenmäßige Verteilung gehen. Eindeutig ist sie selten 1 4 2 ; sie hängt von risikobehafteten Schätzungen a b 1 4 3 , die einmal nur eine grobe Angabe enthalten 144 , ein anderes Mal detaillierte Summenangaben der einzelnen Komponenten, so beim Wissenschaftlichen Beirat 145 oder - regelmäßiger - beim Sachverständigenrat 1 4 6 .

138

Der Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, Albert Meyer, wies stolz auf die Umgestaltung Bayerns in ein Industrieland hin und erklärte, daß die Entwicklung „nicht einfach aus der Tasche (zu) bezahlen (war)" (S. 41 f.). 139

Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 287.

140

Siehe oben 3c) am Ende.

141

So Wille, Normalverschuldung, S. 2; ders., Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 43; vergi, weiter Günter Berg, Wirtschaftsdienst 55 (1975), 569 ff,, 571; Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 218 f.; Gandenberger, Staatsverschuldung in der wissenschaftlichen Diskussion, S. 166. 142 Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff., 669 („Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen investiven und konsumtiven Ausgaben ist nicht möglich"), auch 673 („Eine Trennung der Ursachen ... ist spekulativ"); Ohr, Fiskaldisziplin, S. 108; Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 5. 143

So Fels S. 92 Fn. 6; siehe auch Deutsche Bundesbank (in der folgenden Fußnote) S. 39.

144

Vergi. Höfling, Der Staat 29 (1990), 255 ff., 256: Vermehrte allokative Zielsetzungen; Rürup, Begrenzungskriterien, S. 627: Die Staatsverschuldung ist „in den meisten Fällen" die Folge bewußter allokationspolitischer Staatstätigkeit. Nach Auffassung der Deutschen Bundesbank läßt sich die Verschlechterung der Haushaltslage seit 1989 „insgesamt gesehen" auf nichtkonjunkturelle Faktoren zurückführen (Monatsbericht April 1997, S. 31, auch S. 41). Im Anhang (S. 44 ff.) stellt sie zwecks Berechnung des „strukturellen" Defizits ein einfaches Bereinigungsverfahren zur Ausgrenzung des konjunkturbedingten Finanzierungssaldos vor. Vergi, auch Reiner Schmidt in Fn. 15 oben. Das strukturelle Defizit dürfte danach immer bedeutungsvoller werden. 145 Für das mit über 60 Milliarden DM damals außerordentlich hohe Defizit der Haushalte der Gebietskörperschaften im Jahre 1975 hatte der Wissenschaftliche Beirat (1975) die Komponenten relativ leicht auseinanderrechnen können: Ca. 30 Milliarden DM waren „Ausdruck eines strukturellen Ungleichgewichts (bedingt u. a. durch Folgen einer Steuerreform), etwa weitere 30 Milliarden konjunkturbedingt (22 Mrd. DM wegen Steuermindereinnahmen, 8 Mrd. DM für zusätzliche beschäftigungspolitisch/konjunkturell bedingte Mehrausgaben), vergi. S. 1001. Daran schließt sich Ehrlicher mit der Feststellung an, daß eine genaue Festlegung schon aus haushaltstechnischen Gründen nicht

62

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Unter diesen Umständen ist es unvermeidlich, auf theoretische und praktische (Umsetzungs-)Probleme der antizyklischen Politik und auf die strukturellen Wachstumsschwächen hinzuweisen147 bzw. die „Verwobenheit" struktureller und konjunktureller Schuldenprobleme148, die „sich häufig überlappenden Ursachen"149 aufzuzeigen und nach Kräften zu berücksichtigen. Wenn man allerdings „im Keller sitzt", kann man überhaupt nicht mehr praktisch wählen und entscheiden150. Wer bei allen diesen Schwierigkeiten die unterschiedlichen Ursachen und Anlässe gleichwohl übersieht, begeht zwangsläufig Fehler: „(K)reditfmanzierte Ausgabenprogramme (können) die strukturellen Probleme nicht lösen", falsch eingesetztes „deficit spending" vermag einen fälligen Strukturwandel sogar zu behindern 151. Entsprechend wird „die Verschuldungspolitik der letzten Jahre als ökonomisch falsch" angesehen152. Bei der Konzeption der Stabilisierungspolitik kann Selbstüberschätzung im Spiele sein: „Es muß auch dargelegt werden, warum eine staatliche Behörde über Kenntnisse und Möglichkeiten verfügt, die den Privaten abgehen"153. Man wirft Bund und Ländern vor, in den Jahren 1976 bis 1980 mit dem untauglichen, nämlich konjunkturpolitischen Instrument der Staatsverschuldung die in Wahrheit strukturbedingte Arbeitslosigkeit bekämpft anstatt die Konsolidierung in Angriff genommen zu haben154; in den letzten Jahren taucht insoweit sogar der Vorwurf der Konzeptionslosigkeit und Beliebigkeit auf 155 . Weiter habe man „(m)it

möglich sei (Wirtschaftsdienst 55 (1975), 449 ff., 449 f.; zu einer auftauchenden Differenz vergi, allerdings 450). 146 Siehe unter vielen die Jahresgutachten 1976/77 Tz. 221; Jahresgutachten 1993/94 Tz. 176 f.; Jahresgutachten 1994/95 Tz. 181 ff. (am umfänglichsten). Wegen Umstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen war im Jahresgutachten 1999/2000 die übliche Berechnung des strukturellen Defizits nicht mehr möglich (Tz. 173). 147

Dreißig, Verschuldungsgrenzen, S. 99.

148

Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 38 f.

149

Schlesinger S. 246.

150

Oberhauser schon für die bloße Rezession: „Für die Haushalts- und die Stabilitätspolitik ist von besonderer Bedeutung, daß zwischen den drei Arten der Staatsverschuldung in der Rezession - leider - nicht gewählt werden kann ... So ist es sachlogisch unmöglich,... die strukturelle Verschuldung abzubauen, zugleich aber die ... (konjunkturelle)... Verschuldung beizubehalten" (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff., 342); ähnlich Scherf, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 206 (1989), 136 ff., 150. 151

Fels S. 85 bzw. Baum, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 3 (1984), 78 ff., 81.

152

So Milbradt (S. 41) aus der Sicht des Jahres 1980; die fast unübersehbare Zahl der anderen Kritiker ist über die Arbeit verteilt. Die tatsächliche Schuldenentwicklung gibt ihren Ansichten starkes Gewicht. 153

So Richter/Wiegard,

Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 (1993), 337 ff.,

367. 154

So Duwendag, Staatsverschuldung, S. 48; zur strukturbedingten Arbeitslosigkeit vergi, auch v. Arnim/Weinberg S. 34 f. 155 Im Jahresgutachten 1997/98 rügt der Sachverständigenrat, die Bundesregierung habe einmal die hohe Arbeitslosigkeit auf strukturelle Ursachen zurückgeführt und angebotsorientierte Maßnahmen sowie die Haushaltskonsolidierung gefordert, dann aber wieder die steigende Verschuldung als geeignet zum Abbau der Arbeitslosigkeit betrachtet (Tz. 336).

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

63

Blick auf die sog. »soziale Symmetrie*... die Konjunkturprogramme mit verteilungspolitischem Ballast" befrachtet, und mit der Rüge, es sei „die alte Erkenntnis verloren (gegangen), daß die Schwankungen im Prozeß der wirtschaftlichen Evolution nicht notwendigerweise als zu korrigierende Systementgleisungen aufzufassen (seien), sondern auch als ,Bewegungsgesetz und Wesen wirtschaftlicher Entwicklungen4 interpretiert werden" könnten, wird die Kritik geradezu grundsätzlich156. Sind die Fehler absichtlich begangen worden, so muß man sogar Mißbrauch attestieren 157 . Denn die konjunkturpolitische Verschuldungskompetenz eignet sich besonders gut zur Abgabe schuldenpolitischer Alibis 158 . Der Jurist schließlich hat weitgehend auf dem Fundament solcher Kritik seine Arbeit aufzubauen 159. Aber mehr als diese Plausibilität kann und darf er nicht anführen, denn er ist nicht vom Fach. Doch die verbleibende Unsicherheit ist umgekehrt wiederum sinnvoll zu instrumentalisieren, wenn er nämlich etwa liest: „Kann per Richterspruch entschieden werden, ob Budgetdefizite konjunktur- oder strukturbedingt sind - wo selbst die Fachökonomen noch darüber streiten?" 160 Oder anderswo: „Wie sollen Juristen die Begriffe »Investition4 und »Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht4 definieren, wo sich die Ökonomen nicht darauf einigen können?44161 Der Jurist steht am Ende der Wertungskette, und vor einem solchen Dilemma wird er sich - gewiß nicht als letzter - aufgerufen fühlen, nach Regelungen zu suchen, die ihn aus dieser „Klemme44 befreien.

7. Haushaltswirtschaftlicher „Spielraum" durch die Staatsverschuldung? Geborgtes Geld entgrenzt den durch die Steuereinnahmen festgelegten staatlichen Handlungsrahmen. Diese Erweiterung des finanzwirtschaftlichen „Spielraums44 als eine der Differentialwirkungen staatlicher Kreditpolitik nach Dauer und Umfang auszumessen, war oben162 noch zurückgestellt worden. Das muß jetzt nachgeholt werden, schon weil die Literatur über die verschiedenen ΒerechnungsVarianten in den letzten Jahren eher zugenommen hat. Doch die Suche nach der neuen, zusätzlichen Freiheit sieht anders aus als die Jagd nach der erträumten Fata Morgana: Die Grenze des Spielraumes kommt sehr schnell näher ...

156

So bei Schlesinger/Weber/Ziebarth

S. 73 bzw. S. 74.

157

Das tun Smekal (Finanzarchiv 45 (1987), 143 ff., 145) und Tietmeyer (Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 82). 158

Das ist die Auffassung Hansmeyers (Der öffentliche Kredit, S. 86).

159

Vergi, oben 1. Kapitel Abschnitt 2 a. E.

160

Duwendag, Staatsverschuldung, S. 48.

161 So zum „Regelungskonzept" der Art. 109Abs.2und 115 Abs. 1 Satz 2 GG Patzig, DÖV 1989, 1022 ff., 1024. 162

Vergi. Ziffer 2.

64

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme a) Spielraumerweiterung durch anhaltendes Wirtschaftswachstum

Rein modelltheoretisch wäre die Fata Morgana einer unliebsamen, aber ständig weichenden Grenze der Staatsverschuldung sogar „realistisch", wenn ein ständiges Wirtschaftswachstum jeweils so nachhaltige Steuermehreinnahmen erbrächte, daß sie noch die ebenfalls steigenden Zinsbelastungen überholten163. Unter Berücksichtigung der Neben- und Langzeitfolgen würde dieses Modell sich aber gewissermaßen selbst zerstören. So haben Berechnungen ergeben, daß eine Welt, in der die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes langfristig über dem Zinssatz liegt, bestimmte Eigenschaften aufwiese, die in der Theorie als unplausibel angesehen werden und überdies mit empirischen Beobachtungen nicht vereinbar sind 164 . Andere sehen die „paradiesische Natur" dieses Anstiegs als zwangsläufig endlich an 165 bzw. den Ablauf ohne „paradiesisches" Wirtschaftswachstum als hoffnungslos: Vergleiche der Entwicklungen der jährlichen Brutto- und Nettoschuldaufnahme miteinander bei Fixierung einmal der Bruttoaufnahme und sodann der Nettoaufnahme ergaben, daß zur Erhaltung der jährlichen Nettoeinnahme, also zur Bewahrung - nicht Vergrößerung - des Spielraumes, die Bruttokreditaufnahme über die Jahre auf ein Mehrbis Vielfaches steigen müßte166. Es empfiehlt sich daher, nicht weiter in diese Richtung zu theoretisieren. b) „Enttabuisierung der Staatsverschuldung"167 Vor 15 oder 20 Jahren gingen „Verschuldungsfreunde" anders mit dem Thema um: Sie bagatellisierten die Probleme und schoben die Schuld den anderen zu 168 . Es ist, so klagte ein Protagonist, „auf dem Gebiet der Staatsverschuldung ... zwischenzeitlich ein Gebräu aus Unverständnis, Vorurteilen und Ideologie zustandegekommen, das einer rationalen Wirtschaftspolitik schwer überwindbare Schranken setzt"169. Mit dieser meinte er die „kreditfinanzierten, zukunftsorientierten Strukturprogramme, (die) überhaupt erst die Bedin163 Siehe z. B. Hamilton/Flavin , The American Economic Review 76 (1986), 808 ff, 809. Sehr optimistisch waren Musgrave/Musgrave/Kullmer (Öffentliche Finanzen III, S. 208 ff.) in den achtziger Jahren. Offenbar immer noch optimistisch ist Rürup hinsichtlich einer potentialorientierten bzw. trendorientierten verstetigten Kreditaufnahme zur dauerhaften Erhöhung des Ausgabenspielraumes (Zunehmende Staatsverschuldung, S. 65). Schlesinger/Weber/Ziebarth deuten eine solche verlockende Konstellation an (S. 30 mit Fn. 46). Mückl macht deutlich, daß permanente Staatsverschuldung ein exponentielles Wirtschaftswachstum notwendig macht (Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 177 f.; vergi, dens., Wirtschaftswissenschaftliches Studium 12 (1983), 497 ff, 502). 164

Siehe bei Boss/Lorz, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 46 (1995), 152 ff, 156.

165

So Angenendt, Wirtschaftsdienst 60 (1980), 235 ff, 236; weiter Wölfram Richter S. 180 (unplausible paradiesische Perspektiven) und ausführlicher Mückl (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 565 ff), der eine Grenze der Staatsverschuldung dort sieht, wo sie ihre ökonomische Basis, das Wirtschaftswachstum, selbst unmöglich macht. 166

Dazu Gantner, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, S. 157 f.

167

Nach Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 12.

168

Sie finden sich vor allem in dem Sammelband „Staatsverschuldung kontrovers" (1981).

169

Hickel S. 142; siehe auch S. 168.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

65

gungen stetigen Wachstums schaffen". Wegen politisch-psychologischer Barrieren könnten „die ökonomisch-rational begründeten Grenzen der öffentlichen Kreditfinanzierung ... nicht voll ausgeschöpft werden". Die Zinsbelastung reduzierte er zu einer „durch Reform des Schuldenmanagements nachhaltig flexibilisierbare(n) und damit nicht unveränderlichein) Größe" 170. In der Sache kaum abweichend, aber etwas verbindlicher lavierte sich ein anderer zwischen Verständnis für die Sorgen der Bürger und der Warnung vor nicht gebotener Dramatisierung u. a. zu der Erkenntnis durch, daß eine Konsolidierung der Staatsfinanzen allenfalls solange vertrauensstärkend wirkt, bis die Bürger merken, daß der Staat damit auch seine Leistungen in erheblichem Maße reduziert 171. Die Bürger sind gewissermaßen auch die Leidtragenden im Sinne der Klage, daß „weitverbreitete Vorurteile gegen die Staatsverschuldung in der Bevölkerung geschürt (würden)" 172. Manche plädierten schlicht für eine kreditfinanzierte Ausweitung des Staatssektors, um dem schwachen Wachstum wieder „auf die Beine zu helfen" 173 . Auch in Österreich hob man die „verschuldensfeindliche"(!) Grundhaltung der mehr auf die Marktkräfte setzenden Lehrmeinung hervor und stellte im übrigen auf den je unterschiedlichen Zeithorizont der verschiedenen politischen Gruppierungen ab 174 . Man wäre interessiert zu erfahren, was die Betreffenden 175 angesichts des derzeitigen Schuldendebakels sagen würden. c) Spielraumberechnungen In neuerer Zeit überwiegen dagegen ganz eindeutig diejenigen Ansichten, die auf unterschiedliche Weise die endliche Erträglichkeit einer Staatsverschuldung in eine Formel oder in eine Größenrelation zu fassen suchen. Dabei bieten sich verschiedene Bezüge an 176 : Häufig taucht die schon oben bekannte Beziehung zwischen Zinsen und Sozialprodukt auf, nur daß das Wachstum des letzteren von vornherein relativiert wird: Eine Chance zur Erhaltung oder Erweiterung des Haushaltsspielraumes wird gesehen, wenn und solange das Wirtschaftswachstum der durchschnittlichen Zinsrate auf die aufgelaufene und weiter zunehmende Staatsschuld entspricht oder sie sogar übersteigt. Bei stagnierendem Sozialprodukt und höheren Zinsraten dagegen geht die gewonnene haushaltswirtschaftliche Freiheit bald wieder verloren. Vorgetragen hat diese Gesichtspunkte erstmals Domar in seinem Aufsatz: „The,Burden or the Debt4 and the National Income", und dabei „die Dinge

170 Hickel S. 146. Daß die „nicht unveränderliche Größe" allemal eine „Größe" bei den Belastungsrechnungen bleibt, wird auf diese Weise elegant verdrängt. 171

Krupp z. B. S. 78.

172

Thormählen, Konjunkturpolitik 26 (1980), 77 ff, 87.

173

Blaas/Matzner S. 127,130. Bloß zurückhaltend positiv äußerte sich Dhom (S. 381 ff).

174

Nowotny in: Staatsverschuldung kontrovers, S. 32, 34 ff.

175

Weiter sind wegen ihrer positiven Haltung noch zu nennen etwa Ernst-Pörksen (1983), Koetz (1983) und Möller/Schwebler, die mit Wirtschaftswachstum ganz selbstverständlich verstärkte Kreditfinanzierung verbinden (S. 159). Nicht ganz in diese Kategorie fällt deshalb Walter (Wirtschaftsdienst 60 (1980), 429 ff, 432), wenn er zwar weniger auf die Vermeidung weiterer Haushaltsdefizite, dafür aber mehr auf die Neuorientierung der Finanzpolitik im Sinne höherer Investitionsförderung drängt. 176

Übersicht z. B. bei Brümmerhof S. 384; Zimmermann/Henke

5 Kratzmann

S. 159 ff.

66

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

auf den Punkt gebracht" mit einem häufig zitierten Satz: „The problem of the debt burden is a problem of an expanding national income"177. Seine Thesen haben grundsätzliche Zustimmung178 und teilweise Erweiterung etwa wegen steuerlicher Implikationen und Konsequenzen179 erfahren. Unterschiedlich - und vielleicht eine Sache des Temperaments - ist der Umgang mit diesen Erkenntnissen. Das Argument der Einengung des künftigen Handlungsspielraums sah der eine nach der Untersuchung von Domar als weitgehend entwertet an 180 ; es galt die Zunahme der Staatsschuld so lange als ungefährlich, wie die mit ihr verbundene Zinslast nicht schneller als das Sozialprodukt wächst181. „Nicht sehr pessimistisch" brauchte man unter diesen Umständen zu sein, trösteten andere 182. Eher vorsichtig, aber nicht ablehnend, hat sich ein früherer Bundesbankpräsident geäußert:, Je niedriger über längere Zeit das Zinsniveau und je höher das Wirtschaftswachstum ist, desto höher ist natürlich die haushaltspolitisch tragbare laufende Verschuldung"183. Ähnlich, aber noch zurückhaltender hinsichtlich des zusätzlich gewonnenen Gestaltungsspielraumes, läßt sich ein (ehemaliger) Kollege vernehmen184. Sofern die Verschuldung in Rezessionsphasen expansive Prozesse induziert hat, dürfen zudem die positiven Rückwirkungen auf die staatlichen Einnahmen nicht unberücksichtigt bleiben185. Es klingt jedoch ebenfalls die Besorgnis an, daß allein schon die Wahrung des Ausgabenspielraumes zum „Wachstumszwang" für die Staatsschuld führe 186, und aus heutiger Sicht wird festgestellt, daß die Rahmenbedingungen von den Domarschen Modellannahmen immer stärker abwichen und nur eine vorübergehende Lockerung ermöglichten 187 . So läßt sich ein begrenztes „Glück" sehr unterschiedlich formulieren - mal unbekümmert, mal zuversichtlich, mal eher verzagt oder gar ablehnend. 177

In: The American Economic Review 34 (1944), 789 ff., 816 f.

178

So bei Aschinger, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 582 ff., 585 f., 599; Bundesministerium der Finanzen (1985) S. 37; Kampmann S. 50 ff; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 177 f.; in der Sache vergi, auch Lerch, WSI Mitteilungen 34 (1981), 22 ff, Rürup oben Fn. 163 und Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 33 f. 179 Durch Mückl, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 12 (1983), 497 ff, 499ff. (Herausaibeitung der differentiellen steuerlichen Entlastungswirkung); weiter durch Rürup, Das Wirtschaftsstudium 11 (1982), 301 ff, 303 ff. (mit Vorbehalten) und Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 27ff. Kampmann weist wie Rürup auf den Ausschluß gewisser Größen aus Domars Formeln hin (S. 62) und will die Zinsbelastung nicht auf den Gesamthaushalt beziehen, sondern nur auf die regulären Einnahmen (S. 62 ff). Zutreffend machte Schmölders schon früher einschränkend darauf aufmerksam, daß die öffentliche Hand nirgendwo den jährlichen Zuwachs des Sozialprodukts vollständig für sich in Anspruch nehmen könne. Die jährlichen Zinslasten müßten folglich von ihrem Anteil am wirtschaftlichen Zuwachs gedeckt sein (S. 421). 180

Kitterer,

DÖV 1975,23 ff, 27 f.

181

Albers, Finanzarchiv 21 (1961/62), 25 ff, 39. Rürup hätte selbst in diesem Fall offenbar keine Bange (Zunehmende Staatsverschuldung, S. 65). 182

Lang/Koch S. 159 f.

183

Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 7. Er warnt im übrigen davor, bei einer Verschuldung zu günstigen Konditionen deren spätere Verschlechterung nicht ins Kalkül zu ziehen. 184

Issing, Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 196 f.

185

Andel, Finanzwissenschaft, S. 174.

186

Gschwendtner, Finanzarchiv 39 (1981), 306 ff, 309 ff.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

67

Da die Steuereinnahmen eng mit dem Wirtschaftswachstum zusammenhängen, ist es nur eine Variation der Ermittlung des Spielraumes, wenn dieser aus der Entwicklung der ZinsSteuerquote188, d. h. aus dem Verlauf des Verhältnisses zwischen Zinsausgaben und Steueraufkommen („Schuldendienstkoeffizient") abgelesen wird. Manche versuchen daher, auf diese Weise Ausmaß und Dauer einer tragbaren Kreditaufnahme zu berechnen189. Eine Abwandlung stellt die Zins-Ausgabenquoten190 dar; allerdings werden die Gesamtausgaben wiederum durch das Kreditvolumen selbst mitbestimmt. Wenn der relative, also Veränderungen anzeigende Schuldendienstkoeffizient die Zahl 1 erreicht, leuchtet gewissermaßen die „Warnleuchte" auf 191 . Gänzlich kritiklos passiert allerdings auch die Bildung dieser Relation nicht 192 . Es sieht wie eine ohne weiteres einleuchtende Zusatzbedingung bei den obigen Berechnungen aus, wenn ihnen die Feststellung folgt, daß dem Staat ein Spielraum für die Finanzierung zusätzlicher Aufgaben nur dann und insoweit bleibt, als die Zinsausgaben die Nettokredite nicht aufzehren 193. Teilweise wird im Verlust dieses „Haushaltsnettobeitrages" sogar die haushaltswirtschaftliche Grenze der öffentlichen Kreditaufnahme erblickt 194 . Aussagekräftig ist sie gewiß; sie läßt aber in keiner Weise die Ursachen der (wirtschaftlichen, monetären, steuerlichen) Dynamik erkennen, die zu den konvergierenden Kurven führt 195 .

187

Kampmann S. 64 f. Laut Wille spiegelt die ständige Nettokreditaufhahme zur Begleichung der laufenden Zins- und Tilgungsverpflichtungen zwecks Erhaltung des Ausgabenspielraumes am besten die bundesdeutsche Entwicklung der Staatsverschuldung wider (Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 46 ff., S. 50). Feldsieper hatte versucht, das Ausmaß einer normalen potentialorientierten Staatsverschuldung zu erkunden, die in dem Sinne „kostenlos" ist, daß die Zinsbelastung durch gleichzeitig und in Zusammenhang mit dieser Verschuldung entstehende Erträge der Zentralbank aus der kreditären Bereitstellung ihres Geldes kompensiert wird (Gibt es eine normale Staatsverschuldung? S. 311 ff.). Dieser verheißungsvoll klingende Vorschlag ist durch die Währungsunion überholt. 188 So etwa bei Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 75, oder dem Wissenschaftlichen Beirat (1994) S. 17 f. 189 Neben Henke Beyfuss S. 15 ff.; Günter Berg, Wirtschaftsdienst 55 (1975), 569 ff., 573 f.; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 122 ff. m 191

Henke S. 75. Beyfuss S. 15; Günter Berg 573 f.

192

So bei Rürup, Das Wirtschaftsstudium 11 (1982), 301 ff., 303. Wenn er allerdings die »Absurdität" mit der irrelevanten, weil „wirklich einmalige(n)" rezessionsbedingten Nettoneuverschuldung von 1975 begründet, muß man sich fragen, was hier „absurd" ist: Mit dem Jahr 1975 etwa begann immerhin die „Schuldenexplosion" (vergi, oben Fn. 16). 193 Dazu v. Arnim/Weinberg S. 60; siehe weiter Barth S. 60; Donner, Diskussionspapier, S. 10; Henke S. 75; Jaeger , Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 197 (1982), 413 ff., 416 (2. Regelbindung); Lerch, WSI Mitteilungen 34 (1981), 22ff., 24; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 176; Ziffzer, IFO-Studien 26 (1980), 183 ff, 191. 194 195

So von Rürup 357; offenbar auch von Barth S. 61.

Die ergibt sich erst aus dem Verhältnis der Wachstumsrate des Sozialproduktes zum effektiven Zinssatz auf die Staatsschuld (vergi, oben); so Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 33.

5*

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Einen Bezug anderer Art stellt die staatliche Schuldenquote her, die sich aus der Relation des jeweiligen Gesamtbestandes der öffentlichen Schulden zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt 196 oder - im Prinzip jedenfalls wenig abweichend - zu den regulären staatlichen Einnahmen197 ergibt. Solange bei der jährlichen Neuverschuldung die öffentlichen Schulden nicht stärker zunehmen als das nominelle Bruttoinlandsprodukt, solange also die Schuldenquote nicht tendenziell wächst, ist der einmal gewonnene Haushaltsspielraum nicht gefährdet 198. In dieser Beziehung werden die Hauptfaktoren einander gegenübergestellt Gesamtpotential und Gesamtbelastung. Langfristig wird die Entwicklung der staatlichen Schuldenquote ihrerseits durch das Verhältnis der Defizit- oder Kreditquote (Verhältnis des jährlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt) zur Wachstumsrate der Wirtschaft bestimmt199. Man mag sich das wie folgt erläutern: Die Defizitquote führt - eben weil sie eine „Quote" ist - unausweichlich zu einer Erhöhung des absoluten Schuldenstandes; das geringere oder schnellere Wirtschaftswachstum bestimmt nur die schnellere oder langsamere Erhöhung diese Schuldenstandes. Wenn der dann schneller steigt als das Bruttoinlandsprodukt im Laufe der Jahre, steigt auch die Schuldenquote - wie bei uns seit langem zu beobachten ist 2 0 0 . Selbst bei angepaßtem Schuldenwachstum gab sich derjenige zu optimistisch, der zur „potentialorientierten", d. h. proportional zu den Steuereinnahmen steigenden Staatsverschuldung bemerkte, daß sie zu keiner Reduzierung künftiger Budgetspielräume führe „wenn man die Zinszahlungen außer Betracht läßt"; sie sind die alleinige Zukunftsbelastung ... 2 0 1 . Als einen Indikator für die Haushaltsnotlage eines Landes hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 27. Mai 1992 zum Länderfmanzausgleich „die Finanzierungsquoten der jeweiligen Haushalte" bezeichnet, „die das Verhältnis zwischen Netto-Kreditaufnahme und den Einnahmen oder Ausgaben des Haushalts aufweisen" 202. Den Ländern Saarland und Bremen mußte es damals diese Notlage zuschreiben, weil die Kreditfinanzierungsquoten beider Länder übermäßig hoch waren.

196 Vergi. Jaeger 4\5 (1. Regelbindung); Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 22 (würden dem Bruttoinlandsprodukt das „Produktionspotential" vorziehen); sehr knapp auch Mückl S. 176. 197

So Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 120 f.

198

Wenn Henke die Schuldenquote für „wenig aussagekräftig ..." hält (S. 73), mag das daran liegen, daß er an eine absolute Größe denkt. Er würde hier wohl die Neuverschuldungsquote meinen (S. 75). 199 So der Wissenschaftliche Beirat (1994) S. 15 f. Issing verwendet für diese Bestimmung neben dem absoluten Begriff „primärer Finanzierungssaldo" das Zins-Wachstums-Verhältnis (Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 196).

200 y e r g i j j e Beispiele des Wissenschaftlichen Beirats S. 15 f. Daß es sich bei den meisten der hier verwendeten Quoten um „unechte" im Sinne Zimmermann/Henkes handelt (S. 159 Fn. 40 mit S. 29), ändert an ihrem relativen Charakter nichts. 201 Heun, Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff., 24 f. Schlesinger/Weber/Ziebarth machen in Anlehnung an die OECD deutlich, daß das ganze Defizit einschließlich des Schuldendienstesfinanziert werden muß (S. 24). 202

BVerfGE 86, 148 ff., 258. Die weiter genannten (Zins-)Belastungsquoten wurden oben schon erwähnt.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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Es war vermutlich die häufig zu beobachtende Unterschätzung der Zinslasten, die zu weiteren Überlegungen führte. In der neueren Literatur tauchen Begriffe auf, die entweder Relationen darstellen oder als Stromgrößen relativ zu anderen Haushaltsfaktoren entwickelt sind und deren Zweck es vor allem ist, Konsolidierungsprobleme zahlenmäßig deutlich zu machen. Da ist zunächst der zinsbereinigte „Primärüberschuß", welcher die Differenz zwischen Staatseinnahmen (einschließlich Krediten) und Staatsausgaben vor Zinsleistungen bildet. Diese Summe steht gewissermaßen für den Zinsdienst „zur Verfügung" und muß keineswegs mit der „benötigten Primärüberschußquote" identisch sein, nämlich dem,»Anteil am Bruttoinlandsprodukt, den der Staat im Durchschnitt langfristig aufwenden muß, um seinen Schuldendienst zu begleichen und damit seine Zahlungsfähigkeit zu sichern" 203. Das Ausmaß des benötigten Primärüberschusses und die Differenz zum tatsächlichen Überschuß sind Anzeichen für einen etwaigen nachhaltigen Konsolidierungbedarf zwecks Verhinderung eines weiteren Anstiegs der Verschuldungsquote204. Da die genannten Begriffe trotz ihres Bestandteils „Überschuß" relative Begriffe bleiben, sollen das „Primärdefizit" sowie das zinsverursachte „Sekundärdefizit" 205 im wesentlichen vergleichbare haushaltswirtschafiliche Schwachstellen aufzeigen. In dieses Schema muß weiter eingeordnet werden die Budgetlücke"206 (bzw. „primary gap" 207 ). Wenn dieser „Indikator ... die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem zur Stabilisierung der Staatsschuldenquote notwendigen zinsbereinigten Finanzierungssaldo (bezeichnet)"208, so entspricht er der oben vorgestellten „benötigten Primärüberschußquote". Ähnlich wie bei dieser ist Stabilisierungsziel eine vorgefundene (also gegebene), aber als (noch) akzeptabel erachtete Staatsschuldenquote, deren Senkung gewiß wünschenswert ist, deren Erhaltung jedoch als tragbar („sustainable") gilt 209 . Die zur Erreichung dieses Ziels erforderliche volkswirtschaftliche „Steuerquote" wird dabei gleich mitgeliefert 210. Auf diesem Konzept der „sustainability" beruht auch eines der beiden Kriterien des Sachverständigenrates für eine dauerhaft akzeptable Kreditfinanzierung 211. Vorteilhaft an 203 Boss/Lorz, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 46 (1995), 152ff., 155. Zum Primärüberschuß siehe weiter Ottnad S. 85 mit Fn. 16. 204 Boss/Lorz 160 f. Für das Haushaltsjahr 1994 stellten sie erstmals eine geringfügige Lücke zwischen der langfristig benötigten Primärüberschußquote und der bereinigten Primärüberschußquote von 1994 fest (S. 161). 205 Bei Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 23. Issing (Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 194) spricht - etwas irreführend - von der „primären Defizitquote" und dem „(sekundären) Zinsbelastungseffekt". Amann/Jäger übergehen diese Schwierigkeiten, indem sie von vornherein mit „primären Budgetüberschüssen/-defiziten" operieren (Kredit und Kapital 22 (1989), 221 ff, 222 f.). 206 Rürup, Zunehmende Staatsverschuldung, S. 65. 207 Herrmann u. a. S. 49. 208 Herrmann u. a. 49; ähnlich Rürup 65. Amann/Jäger sprechen da von „solvency preserving surplus" (223) bzw. vom „langfristig notwendigen Budgetüberschuß" (226). 209 Rürup 65; ders. auch, Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 46. 210 Von Herrmann u. a. 49; siehe aber auch Boss/Lorz, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 46 (1995), 152 ff, 155. 211 Jahresgutachten 1994/95 Tz. 183 (S. 154 f.); vergi, u. a.: „Tragbar ist eine Defizitquote, die kleiner oder gleich dem Produkt aus der Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts ... und der Schuldenstandsquote ... ist".

70

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

dem Konzept ist gewiß, daß die Zinsbelastungen ausdrücklich einbezogen werden 212; auf der anderen Seite wird mehr oder weniger kritiklos die einmal erreichte Schuldenstandsquote zur „tragbaren" erhoben 213. Denn selbst eine konsolidierte Quote von 60% - um einen Referenzwert des Maastricht-Vertrages zu nennen - bleibt eine erhebliche finanzwirtschafiliche Belastung, deren finanzpolitische „Tragbarkeit" den allein durch den Zinsdienst wieder eingebüßten Spielraum nur mühsam vergessen läßt 214 . Die einschlägigen Regeln des Vertrages von Maastricht wollen im Prinzip keine Spielräume eröffnen, sondern das Gegenteil festlegen: „Die Mitgliedsstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite" (Art. 104 c Abs. 1 EGV, heute: Art. 104). Dabei greift das „Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit" auf zwei bereits vorgestellte „Referenzwerte" zurück, um die Haushaltsdisziplin (im Sinne von Art. 104 c Abs. 2 EGV) zu gewährleisten. Es nennt einmal „3 % für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen" 215 und sodann „60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen" 216. Diese vertraglich vereinbarten Normen stellen zusammen mit den überaus komplizierten Verfahrensregelungen zu ihrer Gewährleistung somit Vorschriften zur Verschuldungseingrenzung dar, auf die weiter unten noch eingegangen werden wird. Abgesehen davon, daß sie primär zu den Konvergenzkriterien für das wirtschaftliche und monetäre Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 109 j (heute: 121) EGV auf europäischer Ebene gehören, sagen sie also über die haushaltswirtschaftliche Tragbarkeit der innerstaatlichen Defizitlasten im Rahmen der genannten Grenzen nichts aus; insofern bleiben die Probleme217. Es darf eigentlich nicht verwundern, daß auch diese Untersuchungen über Haushaltsspielräume, die der Kreditaufnahme zu verdanken sein sollen, keine ewige zusätzliche Freiheit ergeben, sondern nur Grenzen aufzeigen, jenseits derer es - gewissermaßen „per astra ad aspera" - noch schlimmer wird. Viele düstere Kommentare begleiten folglich den Verlauf der deutschen Haushaltswirtschaft 218; sie wurden nach der Wiedervereinigung mit ihren immensen Folgelasten nicht fröhlicher 219. Gewiß ist in diesem Kapitel primär die 212

Das zu Bedenken von Schlesinger/Weber/Ziebarth

oben Fn. 201.

2,3

So die Kritik von Andel, Wirtschaftsdienst 75 (1995), 219 ff., 222. Zum - eingeschränkt geeigneten - „Sustainability-Kriterium" vergi, weiter Ziebarth S. 58, 84. Issing (Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 198) vermerkt nur, daß chronische Defizite nicht „sustainable" seien; ähnlich Heinemann S. 12. Er stellt knapp und nüchtern fest: „Die Ausgaben können die Einnahmen zwar durchaus eine gewisse Zeit lang übersteigen, letztlich muß es aber zu einem Ausgleich kommen". Blanchard (European Economic Review 25 (1984), 7 ff., 10 ff.) befaßt sich u. a. mit dem Tempo der Anpassung der Defizite an die „sustainability". Zu weitergehenden Bemühungen, die Staatsschuldenquote sogar zu senken, vergi. Frisch, Finanzarchiv 54 (1997), 586 ff. 214 Zur Problematik der Tragbarkeitskriterien auch Kitterer, verschuldung, S. 83 f. 215

Vergi, zu Fn. 199 oben.

216

Vergi, zu Fn. 196 oben.

217

Dazu der Wissenschaftliche Beirat (1994) S. 16 f.

218

Tragbarkeit und Grenzen der Staats-

Zum Verlust des Spielraumes in der Bundesrepublik schon in den siebziger Jahren Sarrazin (Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff., 378 f.) und in den achtziger Jahren Tietmeyer (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 7); vergi, auch Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 30 f. Nach v. Arnim/Weinberg

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

71

haushaltswirtschaftliche Seite der Staatsverschuldung erörtert worden, deren Protagonisten sich ihre Vorzüge wiederum in erster Linie von den volkswirtschaftlichen Anstößen versprachen, auf die noch einzugehen sein wird. Aber irgendwann möchte man als Folge der Anstöße Resultate sehen und unter diesen besonders einen Wiederanstieg der fallenden Kurve aller Haushaltsüberschüsse. Sie sind jedoch nicht zu sehen, und alle Schuld kann man nicht auf unvermeidlliche Folgen der Wiedervereinigung lenken. Die schwer widerlegbare Behauptung, ohne eine konjunkturell bedingte Verschuldung sähe alles noch viel schlimmer aus, verliert vor der heutigen Haushaltslage stark an Überzeugungskraft. Wenn aber auf der abschüssigen Bahn in die Hölle, die bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert ist, an einer beliebigen Stelle in den siebziger, achtziger oder neunziger Jahren die Schräglage bedauert und der gute Vorsatz erneut unterstrichen wird, müßte ehrlicherweise diese Gemütsregung mit der Erkenntnis verbunden werden, daß schon der erste Schritt auf dieser Bahn falsch und der gute Vorsatz in die eigene Tasche gelogen war. Der Satz von Buchanan, der Wohlfahrtsstaat garantiere sein eigenes Ableben mit dem ersten Dollar, den er sich als Schuld auferlegt 220 , charakterisiert die Situation auf andere Weise sehr plastisch. Er kann schon deshalb als ohne weiteres zutreffend angesehen werden, weil der Staatsverschuldung zu distributiven Zwecken als unverfälschter Belastung keine investive Anstoß- oder „Impuls"-Wirkung zuerkannt wird, sie also ohne weiteres „nach unten" führt. Diese Gedanken laden folglich verstärkt zur Überlegung ein, ob der Verzicht auf eine Ausgabe heute mit der Freiheit von Zinsen und Tilgung moigen nicht doch reichlich belohnt wird221. (S. 60 f.) wird bei Umkehrung der günstigen Konstellation, die 1976 erfolgte, die Last aus der Verschuldung immer drückender. Grüske (Staatsverschuldung, S. 285) beobachtet für die letzten 30 Jahre eine Entwicklung der Kreditfinanzierungsquote, des Wachstums des realen Sozialprodukts und des Realzinses jeweils in die unerwünschte Richtung. Darauf richtetesich auch die Soige von Gandenberger (Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten? S. 176): „Der gewonnene Handlungsspielraum geht allmählich" - und endgültig - „wieder verloren, und zwar bei derzeitigen Zinssätzen und Wachstumsraten um ein Mehrfaches". Ähnlich äußert sich auch Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 81: „Die gute Absicht (d. h.: u. a. zusätzliche Finanzierungsspielräume zu gewinnen) ist allerdings vergeblich". Paul Kirchhof zog daraus die Konsequenz: Da die Kreditfinanzierung dem Staat ein zusätzliches Handlungspotential bieten solll, setzt eine extensive Ausnutzung der Kreditermächtigung dieses Finanzierungsinstrument selbst außer Kraft (Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Staatsverschuldung, S. 57). Timm fügte diesen Bedenken noch den Hinweis hinzu, daß das wirtschaftliche Wachstum ohnehin niedriger als bei der Steuerfinanzierung sei (Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 565); sehr skeptisch weiter v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff., 53 f. Nur eine „gewisse Unbeweglichkeit der Haushaltswirtschaft" (und ggf. weitere Steuererhöhungen) erkannte Wiebel als Folge eines wachsenden Schuldenberges (Rn. 102 zu Art. 115). 219 Siehe nur Kitterer, Wirtschaftsdienst 73 (1993), 633 ff, 634 („mehr als besorgniserregend"); weiter Lothar Müller, Wirtschaftsdienst 73 (1993), 121 ff; selbst Rürup sieht den „Verschuldungspfad des deutschen Staatshaushaltes zweifellos (als) bedenklich, d. h. nicht sustainable" an (Zunehmende Staatsverschuldung, S. 65); ders., Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 45: Das Schuldenwachstum ist derzeit „durchaus als »explosiv' zu bezeichnen ..." bzw. „zweifellos bedenklich" (S. 46). 220 Buchanan, Verschuldung, Demos und Wohlfahrtsstaat, S. 118. In der Literatur könnte R. L. Stevenson mit „The Bottle Imp" die Brisanz der Situation beschrieben haben. 221 Ähnlich auch Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 435; Gantner, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, S. 137. Timm schiebt den unmodernen Vergleich des Staates mit einem vorsorgenden Hausvater jedenfalls nicht einfach beiseite (Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsoige, S. 568) wie etwa Piel/Simmert S. 51 („Der gravierendste Fehler..."). Boss/Lorz sehen die Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik bei Beibehaltung der derzeitigen Finanzpolitik als langfristig nicht mehr gesichert an (Jahrbuch

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme 8. Verbleibende Fragen

Die vorstehende Übersicht hat ein wenig vertrauenerweckendes Bild der Anlässe und vor allem Folgen einer Finanzierung von Staatsaufgaben durch die Aufnahme von Krediten gezeichnet. Es mag nach den vorstehenden Äußerungen hier und da einen guten Grund geben, aber insgesamt gibt es offenbar wenige gute Gründe. Deshalb verstummten gerade in den letzten Jahren die „Spielraumtheoretiker" ebenso wie die „Keynesianer" langsam, während die „Spielraumbegrenzer" lauter wurden, und Skeptiker stellen immer deutlicher die Grundsatzfrage, warum öffentliche Verschuldung überhaupt noch erforderlich ist 222 . So naheliegend angesichts der heutigen finanziellen Situation diese Frage also ist, muß eine bestätigend verneinende Antwort gleichwohl aus den nachstehenden Gründen als noch verfrüht betrachtet werden. Denn die wissenschaftliche Gründung der Antwort ist zu beachten: „Die Diskussionsebene der Konstitutionellen Politischen Ökonomie ist eine metadogmatische; ihre Überlegungen und Schlußfolgerungen lassen sich nicht unvermittelt in Rechtsfolgen begründende Subsumtionen umsetzen"223. Es sollte zunächst wie eine salvatorische Klausel vorweg die zur Vorsicht mahnende Erkenntnis bedacht sein, daß nicht jede „Schuldenpolitik" so schnell und so zwangsläufig in die derzeitige verfahrene, von ständig wachsenden offenen Verbindlichkeiten und impliziten Zukunftsbelastungen gekennzeichnete Lage führen muß, die uns auf den Nägeln brennt. Die wahrhaft auch von Haushaltssorgen geplagten USA hatten immerhin die Lasten vieler Kriege und einer „Wiedervereinigung" (nach dem Sezessionskrieg 1861-1865) zu tragen - aber ohne zwischenzeitliche Währungsreformen und andere Staatsbankrotte seit der Gündung der Union vor über zweihundert Jahren 224! Wenn umgekehrt der deutsche Leser neidvoll zur Kenntnis nimmt: „Amerika: Haushaltsüberschuß nach 30 Jahren /

für Wirtschaftswissenschaften 46 (1995), 152 ff, 161, 179); ähnlich Ottnad S. 86. Zur investitionshemmenden distributiv motivierten Staatsverschuldung vergi, noch Pohmer S. 157. Schmidt/Tillmann legen die verschiedenen Szenarien der äußerst mühevollen Konsolidierung bis zur Jahrtausendwende dar. 222 So - zusätzlich zu den bereits mehr oder weniger klaren Äußerungen in diese Richtung - z. B. Zimmermann, Wohlfahrtsstaat, S. 85; ders. schon 1988 (Struktur der Staatsfinanzierung, S. 42) unter Hinweis auf Gandenberger; weiter auch Heinemann S. 16 ff, 30. In einem Überblick läßt Dreißig das Vordringen der Skepsis auf den verschiedenen Problemfeldern Revue passieren (Finanzarchiv 42 (1984), 577 ff, 603 f., 604 ff, 611 f.). 223 224

Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 88.

Vergi, die Übersicht der Schuldenentwicklung bei Wagner/Tollison (S. 1 f.) und Rabushka (S. 186 f.). Nach Noll (S. 207) sind nur Kriege und der Zustand der Wirtschaft für die amerikanischen Defizite verantwortlich zu machen, aber kein inhärenter Fehler des politischen Systems. Das sieht wiederum Folkers in einer Untersuchung der amerikanischen Konsolidierungsbemühungen der achtziger Jahre gänzlich anders. Ohne konjunkturelle Effekte zu leugnen, erkennt er vor allem institutionelle Gründe für die ab 1971 wachsenden strukturellen Defizite, besonders für die ansteigenden Transferzahlungen (bei der sozialen Sicherheit und der medizinischen Versorgung), die ihrerseits natürlich die Zinszahlungen steigen ließen (Finanzarchiv 44 (1986), 365 ff, 370 ff, 366 ff). Das bestätigt auf seine Weise Heun : Der Kongreß wollte die Sozialausgaben nicht wesentlich beschneiden und Präsident Reagan die Verteidigung nicht kürzen und Steuern nicht erhöhen (Das Budgetrecht im Regierungssystem der USA, S. 83). Danach ist man offenkundig auch „drüben" nicht im Zustand der schuldenpolitischen „Heiligkeit"; man bemüht sich nur, wie zu zeigen sein wird, intensiver, wieder dorthin zu gelangen.

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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Rückzug des Staates trägt zum Aufschwung bei" 225 , dann beweist diese Nachricht zusätzlich die Umkehrbarkeit eines negativen Trends - wenn man ihn politisch nur wirklich will. Eine ganz andere Begründung für die Notwendigkeit einer gewissen Vorsicht mag in einer „Entschuldigung" des Staates liegen: Selbst wenn es gute Gründe gibt, in bestimmten Situationen staatliche Investitionen durch Kredite zufinanzieren, so können womöglich die Gründe für das finanzpolitische Scheitern darin liegen, daß die zugleich an die Privaten gerichteten Investitionssignale nicht richtig gedeutet werden 226. Man sollte sich als Jurist vor einschlägigen Wertungen hüten; aber vorstellbar ist, daß ein Wirtschaftswissenschaftler in dieser Konstellation die Finanzpolitik im allgemeinen und die Signale im besonderen als schlecht konzipiert ansieht... Trotz aller bereits vorgebrachten Skepsis darf nicht aus den Augen verloren werden, daß für den Wirtschaftswissenschaftler die fiskalische Belastung der Staatsverschuldung ohnehin nicht im Vordergrund steht, sondern bloß eine von vielen Resultaten staatlicher Wirtschaftspolitik durch den Haushalt bildet227. Das ist für die verfassungsrechtliche/verfassungsökonomische Betrachtung allerding anders, die gerade auf die sich türmenden Zinslasten schaut, um daran Überlegungen anzuknüpfen, wie man bessere Regeln für u. U. modifizierte Ziele ohne diese Belastungen gewinnt228. Allerdings wird zugestanden, daß sich „die Zinszahlungen ... faustregelartig als ein grobes Maß für die Größe der negativen Zukunftseffekte interpretieren" lassen229, bzw. daß sie einen Indikator für volkswirtschaftliche Einbußen bilden 230 . Aber wie auch immer: Die Ökonomen interessieren sich in erster Linie nun einmal für die Differentialwirkungen von Steuern hier und Krediten dort auf private Investitionen, auf die allgemeine Zinsrate und auf die Einkommensverteilung, um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen. Also ist zunächst auf ihre Kriterien einzugehen, weil auch alle 225

FAZ vom 01.10.1998, S. 17. Nach FAZ vom 07.11.1998 (S. 13) soll der Überschuß aber etwas geringer ausfallen als erwartet. 226

So Krause- Junk, Abbau der Staatsverschuldung, S. 70 ff.

227

Bei Brümmerhof (S. 383) rangiert die Ermittlung des - vor allem auf Auslastung bzw. Erweiterung des Produktionspotentials bezogenen - Verschuldungsoptimums vor der Frage nach den fiskalischen Grenzen. Für Caesar ist die fiskalische Belastung bei aller Bedeutung für die theoretische Würdigung der Differentialwirkungen nur eine „Nebenwirkung" (Öffentliche Verschuldung, S. 34 f., 47,49). Gandenberger sieht es ebenfalls als nicht selbstverständlich für einen Volkswirt an, die Zinsbelastung aus der Staatsverschuldung als Maß für die gesamtwirtschaftliche Zukunftsbelastung zu nehmen (Staatsverschuldung und Neue Politische Ökonomie, S. 29). Der Sachverständigenrat bemerkte im Jahresgutachten 1976/77 (Tz. 229): „(D)ie fiskalischen Lasten (geben) selbstverständlich keinen vollen Aufschluß darüber ..., welche Kosten der Volkswirtschaft aus der Rezession erwachsen sind ... Gering schätzen darf man (sie) jedoch nicht...". Tür Tobin ist der negative Haushaltssaldo als solcher nur von nachrangiger Bedeutung (Theorie der Schuldenpolitik, S. 474); vergi, noch Andel (Finanzwissenschaft, S. 485) zur kompensatorischen Budgetpolitik. 228 Caesar unterscheidet umgekehrt bei der Strukturierung des Themas „öffentliche Verschuldung" strikt zwischen der eigenständigen Handlungsvariante der Finanzpolitik („Instrumentalfunktion") und ihren Nebenwirkungen als potentiellen politischen Restriktionen und Grenzbildungen („Grenzen-Problematik"), vergi. S. 34 f. Die fiskalischen Konsequenzen gehören zu diesen Nebenwirkungen, unabhängig davon, ob sie auch noch auf rechtliche Restriktionen treffen. 229 230

Gandenberger S. 29; vergi, auch Schlesinger/Weber/Ziebarth

S. 226: Gewisse Korrespondenz.

Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 427; ders., Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 95; auch Gandenberger, Staatsverschuldung und Faimeß zwischen den Generationen, S. 4.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

ökonomischen Nebenwirkungen für eine verfassungsökonomische Wertung der Staatsverschuldung eine Rolle spielen können. Auf der anderen Seite braucht man keine Angst davor zu haben, mit der Skepsis gegenüber der Staatsverschuldung am Ende in den Verdacht der nicht eingestandenen Ideologieanfalligkeit zu geraten. „In der Auseinandersetzung um die »richtige4 Finanz- und Schuldenpolitik gibt es keinen »ideologiefreien* Standpunkt", meint Höfling zwar und bezeichnet die Diskussion um Begründung, Rechtfertigung und Ablehnung der Staatsverschuldung weitgehend als einen „Stellvertreterkrieg", bei dem es in Wahrheit um die sehr gegensätzlichen Wertungen über die Höhe des Staatsanteils und damit über die Rolle und Funktion des modernen Staates generell gehe: Wer den „Sack Staatsverschuldung" prügele, meine in Wahrheit nicht selten den „Esel, Interventionsstaat4"231. Damit zitiert Höfling Hickel, der den Begriff „Stellvertreterkrieg" bereits geprägt hatte, eine „Ideologienbildung" aber offenkundig nur in der Frontstellung „gegen die Staatsverschuldung" sehen wollte 232 . Eine Verbindung zwischen „Staatsquote" oder Aufgabenbereich des Staates und Staatsverschuldung ist gewiß in der Realität nicht zu leugnen233 und wurde oben bereits belegt234. Aber die beiden Kategorien liegen gleichwohl auf unterschiedlichen Ebenen; Aufgabenbereich und Art der Aufgabenfinanzierung sind rechtslogisch und verfassungsrechtlich umso eher zu trennen, als die „Staatsquote" sehr wohl auch über die Steuerfinanzierung erweitert werden kann. Als „ideologiebehaftet" dürfte man folglich ebenso eine Haltung ansehen, die den „Sack Staatsverschuldung" streichelt, um den „Esel ,Wohlfahrts- oder Interventionsstaat'" zu schonen. Scheu vor übereilten Wertungen ist schließlich angebracht wegen konkreter (finanz)verfassungsrechtlicher Implikationen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftsumsorgenden Grundgesetzartikel 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 geht es nämlich bei den Urteilen über das Ausmaß der Kreditaufnahme gar nicht allein um die Arten der „Finanzierung von Staats231 Höfling,, Verfassungsfragen, S. 19 f.; vergi, auch dens., Staatsschuldenrecht, S. 3 f.; Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 421 („ideologiebefrachtet"). Ähnlich wollte vor ihm Glastetter die Reduzierung staatlicher Aufgaben und die Konsolidierung der Staatsschulden nur in Verbindung mit dem Nachweis angehen, daß der Markt die gestrichenen Aufgaben besser erfüllt; alles andere sei Ideologie (S. 133 mit S. 145 f. und S. 148 ff.). Wie ideologiebefrachtet die politikökonomische Grundlage der hier erörterten Gesetze(sänderungen) am Ende der sechziger Jahre war, hat Horn in einem Überblick (in: FAZ vom 08.12.1999, S. 20) pointiert formuliert: „Doch mit der Forderung, dass (bei Nachfragelücken) der Staat einspringen müsse, stellen die Keynesianer die Menschheit vor ein Dilemma von ähnlicher Qualität wie die Kommunisten. Im Grunde ging es in beiden Fällen um eine psychologische Illusion und um das, was Hayek als »Anmaßung von Wissen4 bezeichnete: Beide wollten sich nicht auf die wissensbündelnde, dynamische Kraft von Markt und Wettbewerb verlassen, sondern wollten eine hoheitliche Instanz über die wünschenswerten Ergebnisse des Wirtschaftens an Stelle des Marktes entscheiden lassen". 232 Hickel S. 148; zum „Stellvertreterkrieg' 4 siehe S. 139. Den Begriff übernimmt auch Friaufl Staatskredit (§ 91), Rn. 8; siehe weiter Musgrave, Diskussionsbeitrag, S. 189. 233 So auch Glastetter (S. 133) und Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 81. In einer kritischen Auseinandersetzung mit der anfangs zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts versucht in vergleichbarer Weise Osterloh, das Thema „Staatsverschuldung" aus dem rein rechtlichen Kontext herauszuführen und es der „Einschätzungsprärogative" des Parlaments, die damit zwangsläufig auch die Höhe der Staatsquote und die Fragen vernünftiger und gerechter Finanzpolitik erfaßt, zu überlassen (NJW 1990, 145 ff., 150 ff.). So auch (für die USA) Kettl S. 36,156 ff. 234

Siehe oben bei den Abschnitten 2 und 4 b).

2. Kap.: Folgen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme

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aufgaben", sondern weitgehend um die gleichsam „umgekehrte" Konstellation, nämlich eine „Staatsaufgabe der (Gewährleistung und) Finanzierung" (und zwar) des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts". Diese eigenartige Staatsaufgabe besteht in gewisser Hinsicht235 aus dem „Geldausgeben um des Geldausgebens willen" und liegt somit noch vor dem Problem einer normativen Ausgabentheorie bzw. neben einer positiven Theorie öffentlicher Ausgaben, verstanden als Ermittlung eines konkret zielbezogenen rationalen Kalküls der politisch Verantwortlichen 236. Stellen wir nun das „Geldausgeben" hier dem verfassungsökonomisch definierten - genauer: dem vorläufig definierten - „rationalen Kalkül", sich möglichst nicht durch Schulden zu belasten, dort gegenüber, so ist die schwierige Klärung des Verhältnisses von Finanzstaat und gesamter Verfassungsordung schlechthin angesprochen. Sie muß gewiß nicht schon a priori durch den Hinweis auf den beeindruckenden Berg von Schuldenmilliarden mit dem Vorrang für den (welchen?) Finanzstaat ihren Abschluß finden. Wenn Friauf zu der Feststellung gelangt, „daß die Finanzverfassung unter den Bedingungen des modernen Staates gar nicht anders als in unbedingter struktureller Homogenität mit der gesamten Verfassungsordnung gedacht werden kann" 237 , so wird sich dieses Prinzip - soweit sei vorgegriffen - gewiß als Lösungsbeitrag für die von dieser Arbeit erfaßten Probleme darstellen. Doch zugleich ist es - da die Homogenität zweier Normenkomplexe bekanntlich von zwei Seiten aus hergestellt werden kann - nicht mehr als ein Verfahrenshinweis. Vor abschließenden negativen Urteilen über die Staatsverschuldung müssen somit auch die genannten Grundgesetzartikel einerseits als verfassungsökonomisch denkbare Änderungsziele und andererseits zugleich als Richtlinien für den Gang der verfassungsökonomischen Untersuchung in Betracht gezogen werden 238. Bevor diese letztlich nur verfassungsrechtlich zu lösenden, aber verfassungsökonomisch ausgelösten Konkordanzfragen an der Reihe sind, sollen die oben zunächst zurückgestellten volkswirtschaftlichen „Differentialwirkungen" der Staatsverschuldung erörtert und bei den entscheidenden Wohlfahrtsfaktoren der Volkswirtschaft getestet werden 239. 235

Zu dieser Einschränkung vergi, oben in Abschnitt 2 b) den Text zu den Fn. 24 und 26. Vergi. Krause-Junk, Handbuch, S. 694 ff. bzw. S. 708ff. Wie aus den denkbaren rationalen Kalkülen für den Einsatz der Staatsverschuldung zu gesamtwirtschaftlichen Zwecken die nutzenrationalen Berechnungen der Beteiligen werden, legt z. B. Stalder dar (Staatsverschuldung, S. 3,40,42, 53 und passim). 237 WDStRL 27 (1968), 1 ff, 6. Als eine offenkundige Sorge der Staatsrechtler wird sich herausstellen, daß die Finanzverfassung keine „Super-Verfassung" werde, so Friauf in der Fortsetzung des Zitats. An anderer Stelle bemerkte Friauf. „Ein so wesentliches Element der Verfassungsordnung, wie es die Grundrechte darstellen, läßt sich nur in Homogenität mit der Gesamtverfassung vorstellen" (DVB1. 1971, 674 ff., 674). Dazu Näheres unten im 5. Kapitel Abschnitt 7 zu Fn. 96. 238 y e r g i schon oben 1. Kapitel Abschnitt 4. 236

239 Bei der folgenden Darstellung wird außer acht gelassen, daß auch die Steuerfinanzierung von Zinsen und Tilgung ihre eigenen „DifferentialWirkungen" hat, vergi. Gandenberger, Finanzarchiv 48 (1990), 28 ff, 34: Volkswirtschaftliche Einbußen, die über das zusätzlich zu erhebende Steueraufkommen hinausgehen (Excess burden). Sie müssen zu etwaigen Nachteilen der Kreditfinanzierung hinzugerechnet werden. An anderer Stelle spricht Gandenberger von „Steuerfriktionen" (Der langfristige Kredit 31 (1980), 656ff., 660); ähnlich ders., Grenzen der Staatsverschuldung, S. 14. Auch Hansmeyer verweist auf die zusätzlich notwendige Analyse der differentiellen Steuerwirkungen (Der öffentliche Kredit, S. 124). Wenn er damit aber die Steuer als primäre Alternativeinnahme meint, müssen diese Wirkungen denen der Kreditaufnahme eher gegengerechnet werden. Recktenwald führt gleichfalls weitere Effizienzeinbußen zusätzlich zur Zahllast auf (Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 393 ff).

3.

Kapitel

Unterschiedliche Wirkungen von Steuererhebung bzw. Kreditaufnahme auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft Die Schwierigkeiten dieses Kapitels liegen für Juristen vor allem darin, daß die Finanzund Wirtschaftswissenschaften hier noch unwidersprochener das Wort führen als zuvor.

1. Konjunkturanregung Ein solcher Kenntnisvorsprung schränkt die Argumentationsbreite für den Verfassungsrechtler erheblich ein und läßt ihm auf der Grundlage der Erfahrungen des vorangegangenen Kapitels kaum mehr als Schlüssigkeitsbeiträge. Der eine Beitrag setzt an beim Begriff der „Konjunkturpolitik", die am ehesten in den vergangenen Jahrzehnten der Staatsverschuldung einen instrumentalen Charakter und damit eine höhere Weihe verleihen konnte. Es wurde schon erwähnt, daß das bloße zusätzliche „Geldausgeben" nicht alles sein kann; eine wirkliche Politik hat sich an konkret konjunkturbelebenden Maßnahmen zu beweisen. Doch die wollte in der vergangenen Zeit eigentlich niemand so recht erkannt haben. So heißt es, daß es eine bewußte Schulden-„Politik" nur selten gegeben habe. Überwiegend sei die Neuverschuldung bloß die „Resultante" zahlreicher mehr oder weniger isolierter Steuer- und ausgabenpolitischer Entscheidungen gewesen1 und damit eine „Residualpolitik", die den Namen „Politik" gar nicht verdiene2. Die verstärkte Kreditaufnahme der siebziger Jahre war „nicht etwa das Ergebnis eines rationalen Abwägungsprozesses über die richtige Lastenverteilung ..., sondern lediglich eine Residualgröße zwischen den als wünschbar angesehenen Ausgaben und den dahinter zurückbleibenden Steuereinnahmen"3. Die außerordentliche Kreditermächtigung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2.Hs.GG baut ganz besonders in der Störungslage auf den „nachfragebelebenden Effekt" 4 der zusätzlichen Kreditmittel; jedoch wurde der „finalen Verknüpfung ... 1 So Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 32, vergi, weiter Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 490 f.: bloßes Residuum; so ders. auch, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 33. 2

Caesar, Staatsverschuldung und Geldmengenziele, S. 357.

3

Milbradt S. 54; ihm zustimmend Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83,41 ff, 63. Piel/Simmert sprachen von der Kreditnachfrage als „Restgröße" der Einnahmen- und Ausgabenplanung (S. 63); diesen Begriff verwandte auch der Wissenschaftliche Beirat (1984) S. 11. Zur Rezession ab 1992 bemerkt Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 430: Die Schuldenniveaupolitik hat ihre konjunkturelle Funktion eingebüßt und degeneriert zu einem passiven Reaktionsmuster. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt wegen der Vielzahl der Beteiligten mit ihren häufig (institutionell bedingt) gegensätzlichen Interessen in den USA Aranson S. 158: Entscheidungen haben wenig mit irgendeiner normativen Theorie zu tun. 4

Mahrenholz Rn. 25 zu Art. 115.

3. Kap. : Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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zumeist nicht oder zumindest kaum entsprochen. Vielmehr stand die Deckung des ... Haushaltsdefizits im Vordergrund" 5. Den Politikern wird unter dem Regime der kaum noch beherrschbaren Staatsverschuldung attestiert: „Sie agieren nicht mehr, sondern sie reagieren" 6. Eine gewisse Vorsicht ist geboten insofern, als diese Aussagen meist nicht nur auf die konjunkturelle Verschuldung bezogen werden müssen, sondern auch für strukturelle Kredite, also allgemein gelten können7. Aber sie ermutigen ganz gewiß auch nicht, eine Konjunkturpolitik für die vergangenen Jahrzehnte zu unterstellen, die eine solche gezielt nachfragebelebende - und damit gegenüber einer Steuer „différentielle" - Wirkung intendierte und so umsetzte, daß sie die unleugbaren gravierenden haushaltswirtschaftlichen Nachteile in wesentlichem Umfang und nachhaltiger Weise kompensierte. Der Jurist kann sich dabei umso beruhigter auf diese Aussagen verlassen, als die wirtschaftliche Realität keine andere Schlußfolgerung erzwang oder erzwingt. Die Erfolgsmeldungen speziell zur „aktiven" Konjunkturpolitik waren insgesamt wenig verheißungsvoll; die einzigen einigermaßen greifbaren Aussagen bestanden darin, daß die wirtschaftliche Situation, die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Aufwärtskurve des Wachstums ohne das Eingreifen des Staates noch schlechter, düsterer bzw. schwächer gewesen wären8. Der Verfassungsrechtler sieht sich nicht in der Lage, diese Kurzgutachten zu überprüfen oder gar zu widerlegen. Er darf sie aber alsrichtig unterstellen und dann seine eigene Meinung abgeben: Der finanzielle, volkswirtschaftliche und politische Preis für diese Stützungsaktionen ist so hoch, daß die Frage berechtigt erscheint, ob er die Ausgaben wert war. Denn der finanzwirtschaftliche Immobilismus, der durch die Haushaltsvorbelastungen erzwungen wird, ist offenkundig, und die Zukunftsbelastungen sind erdrückend. Die Trostworte ähneln folglich denen der Verdammten in Dantes Hölle, die sich freuen, daß sie nicht noch einen Kreis tiefer angesiedelt sind, und die vom Purgatorium der Konsolidierung noch nicht recht Kenntnis nehmen wollen. Was schließlich doch den einen oder anderen Effekt gehabt haben sollte, wird durch die wachsenden Schulden- und Zinslasten allmählich überlagert und unmöglich gemacht. Die Konjunkturpolitik kann verständlicherweise nur in einem schuldenpolitischen Freiraum angemessen wirken, nicht in der erstickenden Umgebung von über 2 Billionen DM Schulden.

2. Verdrängung privater Investitionen („Crowding-out") Bei der Werbung für Heilmittel wird heute regelmäßig die vorsorgliche Klausel angefügt: „Wegen Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie 5

Bröcker S. 188 f.

6

Kitterer,

Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 85.

7

Das gilt ausdrücklich für Rürups Aussage (Begrenzungskriterien, S. 627): Die Staatsverschuldung ist in den meisten Fällen die Folge bewußter allokationspolitischer Staatstätigkeit. Auch Ferdinand Kirchhof legt sich in dieser Hinsicht nicht fest (DÖV 1997, 749 ff., 750). 8

Vergi, oben 2. Kapitel Fn. 45.

78

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Ihren Arzt oder Apotheker". Hinsichtlich der möglicherweise nachteiligen (Differential-) Nebenfolgen einer aktiven Konjunkturpolitik im besonderen und einer hohen und wachsenden Staatsverschuldung im allgemeinen würde dem besorgten Frager - sofern eine Wirtschafts- und Finanzpolitik überhaupt noch ehrlichfragt - ein so vielstimmiges Getöse entgegenhallen, daß er sich weiteres Nachfragen überlegt. An folgende „Risiken und Nebenwirkungen" wird dabei in diesem Zusammenhang gedacht: Führt der Staat zusätzliches Geld dem Wirtschaftskreislauf zur Belebung der Nachfrage zu, so sollen die Mittel etwas bewirken, nämlich einen unvollkommenen Gleichgewichtszustand9 gewissermaßen „aufmischen" und dann in einen (weniger unvollkommenen überführen. Aber „die Wirtschaft" ist kein exakter Mechanismus, mit dessen Hilfe ein Impuls nur die gewünschte Reaktion erfährt; wie eben bei den Heilmitteln kann der „Patient" je nach akutem Zustand auch unerwünschte Resultate zeigen und am Ende gar gefährlicher erkranken, oder konkreter formuliert: Die staatlicherseits induzierte Nachfrage mindert womöglich die bisher von Privaten befriedigte. Derart zur Debatte gestellte Verdrängungswirkungen lassen sich daher ohne die „Einbeziehung kreislaufmechanischer Zusammenhänge" nicht analysieren 10. Nachstehend soll ein solcher Kreislauf unternommen werden, der sich aus der schlüssigen Verfolgung wesentlicher marktwirtschaftlicher Markierungspunkte ergibt; die umfassende Darstellung der verschiedenen Verdrängungsansätze und -theorien11 ist einem Laien völlig unmöglich. Man kann in diesen Kreislauf übrigens nicht nur an einer Stelle einscheren, denn er führt zu einem Rundgang durch die erst unmittelbaren (spezifischen) und dann differentiellen mittelbaren Wirkungen der Schuldenaufnahme12.

9 Je nach der Beschreibung dieses Ausgangszustandes kann man die Erfolge der „Fiskalpolitik" groß oder klein reden, so Mackscheidt, Crowding-out, S. 58 ff. 10 So Jaeger , Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 197 (1982), 413 ff., 413; vergi, auch Hauser S. 109. Eine umfassende Exegese der Instrumente und Folgen der „Finanzpolitik als Konjunkturpolitik" findet sich z. B. bei Zimmermann/Henke S. 293 ff. 11 Die sog. „Crowding-out"-Diskussion hat verschiedene Untersuchungsansätze hervorgebracht. Westphal legt eine Liste mit sieben Varianten vor (S. 210 ff). Nach Hansmeyer (Der öffentliche Kredit, S. 122 ff.) lassen sie sich in drei Gruppen gliedern: Die Verdrängung durch Substitution, durch Minderung der Renditeerwartungen der Privaten und durch Beeinflussung der Zinssätze, des Vermögens oder der Preise. Damit ist m.E. noch nicht die ganz schlichte Auffassung erfaßt, daß bei gegebenem Kreditpotential der Staat den Privaten die Kredite „wegschnappt". Duwendag etwa (Staatsverschuldung, S. 74 f.) nennt noch die Verdrängung aus den Produktionsfaktoren Arbeit, Boden, Realkapital, also das realwirtschaftliche „Crowding-out" durch Kapazitätsüberlastung; weitere Aufzählungen bei Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 852 f., und Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 281. Rürup (Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 43 f.) nennt zinsinduziertes, reales (d. h. Preissteigerungen hervorrufendes) und „expectation crowding out" (gewissermaßen als Abschreckung). Weiter seien bei der Theoriediskussion erwähnt: Aschinger, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 582 ff, 584, 595 f. (stellt Modelle vor); Bohnet S. 350 ff. (erörtert die Konsequenzen der vereinigungsbedingten Verschuldung); Caesar, The Crowding Out Debate, S. 77 ff; Kath Sp. 1214 (zum Standpunkt des Monetarismus); Mackscheidt, Crowding-Out, S. 53 ff, 58 ff. (schon mehrfach vorgetragen); Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, S. 32 f. (zum Streit der Monetaristen gegen die Neo-Keynesianer); Siebke/Schmidberger S. 227 ff. (benennen verschiedene Theorieansätze). 12

Andel (Finanzwissenschaft, S. 168 ff.) legt auch hier Wert auf die Abgrenzung der differentiellen Wirkungen von anderen.

3. Kap.: Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

79

Die erste Möglichkeit bietet sich ganz früh im Stadium des Mittelentzuges bei den Privaten, in dem die erste volkswirtschaftlich relevante „Differentialwirkung" eintritt: Nach überwiegender Auffassung entziehen Steuern den privaten Haushalten Geldmittel, die anderenfalls überwiegend für den Güterkonsum ausgegeben worden wären. Darlehen an die öffentliche Hand dagegen werden hiernach üblicherweise aus Ersparnissen, also zu Lasten der Sparquote finanziert, weil Schuldtitel des Staates eine besondere Form der Geldanlage darstellen 13 . Aber unbestritten ist dieser Standpunkt nicht 1 4 ; und eingewandt werden muß gewiß, daß der größte Teil der Forderungen gegen den Staat in den Händen der Kreditinstitute liegt 1 5 . Das ändert an der grundlegenden Feststellung zwar nichts; es ist aber nur der kleinere Teil der staatlichen Kreditaufnahme, der unmittelbar beim Sparer diese Entzugswirkung gewissermaßen auf der Beschaffungsebene ausübt und auf diese Weise die Sparquote als Basis der Investitionsfinanzierung mindert. Der nächste Eintritt in den Kreislauf eröffnet sich auf der Vergabeebene, wo der Kampf zwischen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft um die insgesamt zur Verfügung stehenden Kreditmittel - nunmehr gleichgültig, woher sie kommen - ausgetragen wird. Hier stellt sich die entscheidende Frage, ob es dabei um ein „Nullsummenspiel" um eine mehr oder weniger festgelegte Kapitalsumme geht 16 , oder ob der Kapitalmarkt elastisch 13 Diese Sicht über die Herkunft der Kreditmittel wird weitgehend akzeptiert, so von Albers, Finanzpolitik, S. 84; Andel, Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 10,18; ders., Finanzwisssenschaft, S. 168, 170, auch S. 171 (Substitution der Steuern durch Anleihen fuhrt tendenziell zu einer Erhöhung der Konsumnachfrage); v. Arnim/Weinberg S. 42 f.; Aschinger 593; Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 489; ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 41 f.; ders., Staatsverschuldung in der öffentlichen Diskussion, S. 167; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 101; Haller, Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff, 78; vorsichtig ders., Festschrift Ehrlicher, S. 130 f.; Heun, Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff, 10, auch 13; Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 426; Milbradt S. 43; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 169; Nowotny, Zur politischen Ökonomie der öffentlichen Verschuldung, S. 12 f.; Schmölders S. 418; Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 564; ders., Finanzarchiv 42 (1984), 71 ff, 72 ff; ders., Festschrift Recktenwald, S. 320; Wille/Kronenberger S. 615. Gandenberger (Finanzarchiv 30 (1971/72), 369 ff, 390) legt zwei unterschiedliche Begründungen für das différentielle Konsumverhalten vor. 14 Anderer Ansicht Beyfuss S. 24 f. (auch bei Steuern Investitionseinschränkungen), S. 33 f. (bei Kreditaufnahme nicht unbedingt Einschränkung privater Nachfrage); Giersch, Symposium, S. 134, der meint, daß höhere Steuern mehr und mehr auch zu Lasten der Ersparnisbildung gingen. Auch nach Andel (Finanzwissenschaft, S. 171) können Steuern die Ersparnis reduzieren. Tolkemitt macht im Prinzip zutreffend geltend, daß diese „Geringschätzung" des Konsums nicht jeden Konsum oberhalb des Existenzminimums treffen dürfe (S. 85). Für Fischer-Menshausen ist diese Gegenüberstellung „vereinfachend" (Rn. lb zu Art. 115); sie sage auch nichts über die Wirkungen der einen oder anderen Finanzierungsart aus. 15 Vergi, ζ. Β. ν. Weizsäcker (Kyklos 45 (1992), 51 ff, 55 Fn. 12) mit dem Bemerken, daß Hauptgläubiger des Staates zu etwa 70% die Banken seien und nicht die privaten Haushalte. Dreißig erklärte, daß „die privaten Haushalte überwiegend »institutionell'... sparen ..." (Öffentliche Verschuldung III, S. 513). Daß die Kreditinstitute ca. zwei Drittel der öffentlichen Schuld in der BRD hielten, betonte u. a. ebenfalls Gantner (Formen der Entwicklung der öffentlichen Verschuldung, S. 19). Ende 1997 belief sich der Anteil der Banken und Sparkassen am Schuldenberg dagegen „nur" auf 53% (Deutsche Bundesbank nach Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 439 Fn. 52; so auch Bohnet S. 347); auch Zimmermann/Henke haben diesen Rückgang zwischen 1981 und 1991 dargestellt (vergi. Übersicht S. 157).Für Timm hängt das Ausmaß der Ersparnisse sehr wesentlich vom Steuersystem ab; sie würden besonders gemindert bei einem Schwergewicht auf den Verbrauchssteuern (Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 564). 16

Borell/Stem

(S. 19 ff.) sprechen vom „gesamtwirtschaftlichen Kreditrahmen".

80

1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

genug ist, alle Bedürfnisse zu befriedigen. Hier liegt letztlich der Ausgangspunkt der ganzen Debatte über die Verdrängung, denn zu einer solchen kann es nur kommen, wenn die öffentliche Hand bei der Sättigung ihres Kreditbedarfs den Vorrang zu Lasten der Privatwirtschaft gewinnt. Die einschlägigen Äußerungen überschneiden sich häufig; sie sind so vielfältig und von unterschiedlichen Annahmen abhängig, daß sie allenfalls in Tendenzen eingeordnet werden können. So existiert durchaus eine Lehrmeinung, die von einem begrenzten Kapitalangebot ausgeht und bei einer zusätzlichen Beanspruchung dieses Kapitals durch den Staat folglich Mangel- und Verdrängungserscheinungen annimmt 17 . Gegenansichten verweisen auf die Elastizität der Kapitalversorgung und die Möglichkeiten der Geldschöpfung 18, und manche legen mehr oder weniger bloß die Voraussetzungen für Mangel oder ausreichenden „Nachschub" dar 19 . Zur Verhinderung von Denkfehlern ist übrigens zu bedenken, daß eine „Kapitallücke" genau genommen nur aus der ex ante-Sicht bei den Verschuldungsplänen bestehen kann. Aus der ex post-Betrachtung hat der Kapitalpreis, also der Zins, die Kreditmärkte geräumt und Plandiskrepanzen zwischen Kreditanbietern und -nachfragern marktmäßig eliminiert 20 . Vor diesem Hintergrund haben die „Lücken"- bzw. Knappheitsargumente also bestenfalls die Stütze der Plausibilität hinter sich. Sie sind jedenfalls für die alte Bundesrepublik auch schon erwogen - und verworfen worden. Die Begründung 17 Hier sind mit manchen Vorbehalten zu nennen: Andel, Finanzwissenschaft, S. 169 f.: zumindest in der Hochkonjunktur sehr hohe Verdrängung der privaten Kreditnachfrage; Bundesministerium der Finanzen S. 29: Weniger staatliche Kreditaufnahme entlastet den Kapitalmarkt; Fels S. 89: wahrscheinlicher Kapitalmangel; Jaeger/Schips S. 197 ff.: wenn Staatsschuld stärker zunimmt als nichtöffentlicher Sparüberhang; sie verweisen aber auch auf Auslandszuflüsse und Geldschöpfung; Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 85 ff. (Absorption); Wissenschaftlicher Beirat (1975) S. 1002: führt Mengenrestriktionen neben Zinssteigerungen an. Timm sieht offenbar diese Verdrängung auf dem Kapitalmarkt nicht als einen selbständigen Vorgang im Kreislauf, sondern nur als Kehrseite der Verdrängung auf der Beschaffungsebene: Infolge Ersatzes der Besteuerung durch die Verschuldung sinkt die Sparquote (S. 564). Den Zusammenhang zwischen langfristiger Zunahme der Schuldenquote und Senkung der gesamtwirtschaftlichen Sparquote sieht auch Ottnad S. 88 f. 18 Caesar, The Crowding Out Debate, S. 89: „a certain flexibility of the supply system" (will aber „growing supply problems" nicht ausschließen); DIW Wochenbericht 61 (1994), 341 ff., 346 (,,... die staatliche Kreditnachfrage (schafft sich) zumindest teilweise ihr Angebot"); Gandenberger (Öffentliche Verschuldung II, S. 484) sieht ein vielfaltig gespeistes Kreditangebot; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 66 f.: wichtig Liquiditätssituation der Banken und internationaler Kapitalverkehr, Oberhauser, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff., 338: Sparen keine vorgegebene Größe; Pohmer S. 158 (geht von (Über-)Liquidität der Banken aus); Rürup, Zunehmende Staatsverschuldung, S. 68 f.: Ersparnissalden irrelevant; Sturm S. 89: Staat nahm sogar anderenfalls brachliegendes Kapital auf (mit Zitat von Krupp (1981)); empirisch konnte der Privatsektor in den achtziger Jahren teilweise (!) auf Auslandskredite zurückgreifen); WiebeTRn. 101 zu Art. 115: bei Krediten vom Bankensystem ist die Buchgeldschöpfiing zu bedenken. 19

So legen sich nicht fest: Bey juss S. 26 (weist aber auf die Abhängigkeiten von Bankenliquidität und Geldpolitik hin); Fischer-Menshausen Rn. lb zu Art. 115; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 87. Sehr differenzierend auch Pohl (S. 376 f.): Ein teilweise zu beobachtender Verdrängungseffekt am Kreditmarkt muß nicht zwangsläufig einen entsprechenden Effekt bei der realen Produktion am Gütermarkt auslösen; das wäre vollständig nur bei Vollbeschäftigung der Fall. 20 So Duwendag, Monetäre Grenzen, S. 65 f. Im übrigen weist auch er auf die „Dynamik der Geldschöpfung" hin (S. 70). Ein entsprechender Hinweis wie bei Duwendag findet sich auch bei Beyfuss (S. 27 ff); Kern,, Wirtschaftsdienst 60 (1980), 566 ff., 567; Zißzer, IFO-Studien 26 (1980), 183 ff., 184 f.

3. Kap. : Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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liegt in dem von kundiger Feder erbrachten Nachweis, daß die in den siebziger Jahren gewaltig gestiegenen Kreditsummen mit „Leichtigkeit" und „verhältnismäßiger Mühelosigkeit" zur Verfügung gestellt wurden, was gegen das Ausfechten eines Verdrängungskampfes um einen begrenzten „Kredittopf '' spricht: Wenn die Konditionen stimmen, werden die geforderten Beträge weitgehend unabhängig von der vorangegangenen und laufenden Ersparnisbildung „eben bereitgestellt"21. Einen außerordentlich wichtigen Faktor bei den einschlägigen kreislaufmechanischen Überlegungen und Schlüssen stellt sodann die Geldpolitik der Zentralbank dar. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß eine starr geldmengenbeschränkende Politik die Knappheitssituation auf die Spitze treibt, während eine eher nachgiebige („akkommodierende") Haltung durch die Ermöglichung ausreichender Geldschöpfung die Nachfragebelebung zur Wirkung und den erwähnten Verteilungskampf um das knappe Kreditkapital gar nicht zum Ausbruch kommen läßt22. Zahlreiche Stimmen in der Literatur betonen daher die Bedeutung der Geldpolitik beim Umgang mit den Folgen einer hohen Staatsverschuldung23. Bezogen auf mögliche kreislaufmechanisch verursachte Aktivitäts- und Investitionsverdrängungen stellt die Reaktion der Zentralbank somit gewissermaßen Schleusenöffnung oder -Schließung dar. Diese Regulierung der Geldmengenentwicklung wird maßgeblich gesteuert durch den - und schlägt sich nieder in dem - Zins als Geldpreis. Er vor allem ist gemeint, wenn oben von den „Konditionen" die Rede war; von ihm hängt es ab, ob in der Konkurrenz mit dem Staate den Unternehmen „die Puste ausgeht". Bei der Konkretisierung der Gründe für (vermutete) Verdrängungswirkungen der Staatsverschuldung sieht ein Teil der Lehre erneut mit mancherlei Überschneidungen und Vorbehalten - in den zusätzlichen staatlichen Kreditansprüchen die Ursache für den Anstieg des Zinses und - in der Konsequenz - für 21

So Irmler S. 131 ff. Den gleichen Effekt (sinkender Kapitalmarktzins bei steigender Staatsverschuldung) beobachtet Bohnet (S. 351) seit 1990 und führt ihn vor allem auf den Zustrom ausländischen Kapitals zurück. Auch Duwendag (Staatsverschuldung, S. 97) sah bisher unter Berücksichtigung der Dynamik der Kreditschöpfung und des Auslandes keine „Kapitallücken in globaler Hinsicht". Es ist schade, daß ζ. B. in der sehr gründlichen und umfangreichen Untersuchung (Dissertation) von Stalder über „Staatsverschuldung in der Demokratie" (S. 64 ff.) die Aussage eines Praktikers - Irmler war ehemals Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank - überhaupt nicht auftaucht. Denn den Juristen interessieren letztlich weniger die Ansichten zum Crowding-out als vielmehr die Frage, wo und wie Verdrängung stattfindet. 22 Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 487: „(D)ie Geldpolitik (spielt) die Rolle eines konditionierenden Faktors für die Wirksamkeit der Fiskalpolitik ...". 23 Vergi. Albers, Finanzpolitik, S. 91 f.; Andel, Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 13 f., 16,25; Beyfuss S. 26; Bohnet S. 350; Dieckheuer, Staatsverschuldung und wirtschaftliche Stabilisierung, S. 82 (schließt aber „eine begleitende Geldpolitik der Zentralbank" aus seiner Untersuchung aus); ders., Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 1980,126 ff., 145; Fels S. 571: maßgeblich die Festlegung der „neutralen" Geldpolitik"; Ehrlicher, Wirtschaftsdienst 59 (1979), 393 ff. 398 f. (stellt stark auf die Verwendung der Kreditmittel und auf die Geldpolitik ab); Issing, Einfuhrung in die Geldpolitik, S. 204 ff. (zumrichtigen„Mischungsverhältnis" zwischen Geld- und Fiskalpolitik); Kern 566,570 f.: Es gibt keine „neutrale" Geldpolitik, von der man abstrahieren könnte; Mackscheidt, Crowding-Out, S. 53 f.: ebenfalls gegen die Trennung der beiden Politikkomponenten; Oberhauser, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff, 338; Schlesinger S. 245 f.; Trapp S. 363 ff; Westphal S. 219 f.; Wissenschaftlicher Beirat (1979) S. 123 ff. - Die Sicht des BVerfG ist keine andere, vergi. E 79, 311 f., 329.

6 Kratzmann

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

die Abschreckung investitionswilliger Unternehmen24, während ein anderer Teil der öffentlichen Verschuldung den Rang als entscheidende Bestimmungsgröße des Zinsniveaus abspricht25. Letztere Sicht ist nicht weit von der Meinung jener entfernt, die sich nicht festlegen oder den entsprechenden Ursachennachweis nicht als erbracht ansehen26. Wer Verdrängungswirkungen bestreiten will, bezieht sich gern auf die siebziger Jahre, als die Staatsverschuldung stieg und die Zinsen gleichwohl sanken27. Aber diese gegenläufigen 24 Siehe Andel, Finanzwissenschaft, S. 171 (im Boom); Aschinger, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 582 ff., 583 f., 594, 599 (modellmäßig, bei unter- und vollausgelasteter Wirtschaft, aber unter Leugnung einer Differentialwirkung); Borell/Stem S. 34 (bei ausgelastetem Produktionspotential); Dhom S. 388 ff.; Fels S. 90; Gandenberger, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 13 (bei annähernder Vollbeschäftigung und straffer Geldpolitik); Irmler S. 131 ff. (allenfalls verdrängt der Zins, vergi, eben zu Fn. 21); Jans on, ZRP 1983, 139 ff, 143; Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 86; Lee/McKenzie S. 147; Lehment S. 424 ff. (speziell bei der Exportnachfrage); Lindbeck, The American Economic Review 85 (1995), 9 ff , 11 f.; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 171 f. (unter Vollbeschäftigungsbedingungen); Ottnad S. 90; Rudolf Richter, Deutsche Geldpolitik 1948-1998, S. 61 mit Fn. 43 (globale Auswirkung auf das WeltRealzinsniveau); Wolfram Richter S. 177; Jahresgutachten 1970 des Sachverständigenrates Tz. 349 (möglicherweise); Schaal, BB 1981,1 ff, 2 (bei geringer Liquidität der Banken); Schlesinger/Weber/ Ziebarth S. 149 f. (mit schwierigen Kausalitätszusammenhängen bei kritischer Staatsverschuldung, vergi, aber auch die nächste Fußnote); Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung S. 5 (bei vollbeschäftigter Wirtschaft); Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 564; Wagner/Tollison S. 9 f.; v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff, 55 f.; Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 21 (nicht bei Unterauslastung des Produktionspotentials). 25 So Duwendag, Monetäre Grenzen, S. 76 f.; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 67 ff. (Verdrängungseffekte „nicht auf so simple Weise" zu konstruieren); Heun, Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff, 10ff. (unter Anlehnung an die, »Fontänentheorie", obwohl er dann doch die Tendenz zur Verdrängung nicht bestreitet); Jaeger/Schips S. 197 ff. (keine Effekte dieser Art „a priori"); Kampmann S. 22 ff, 25 f.; Kern, Wirtschaftsdienst 60 (1980), 566 ff, 568 ff; Oberhauser, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff, 338 (Anstieg des Zinsniveaus muß nicht sein); Rürup, Begrenzungskriterien, S. 629 f.; ders., Zunehmende Staatsverschuldung, S. 68 f.; Schlesinger/ Weber/Ziebarth S. 154; Sinn, Kredit und Kapital 16 (1983), 488 ff, 497 ff, 503 (kein kreditinduzierter Anstieg des Zinsniveaus); Stützel/Krug S. 49ff. (leugnen nicht nur die Automatik des Zinsanstiegs - vergi. Bild der „Fontäne" - , sondern stellen selbst im Fall eines solchen auf die jeweils hervorgerufenen Erwartungshaltungen ab). Vergi, noch den Hinweis von Ohr auf das belgische Beispiel (Fiskaldisziplin, S. 105). Buchanan/Wagner (Public Debt in a Democratic Society, S. 23 f.) weisen auf den relativ geringen Umfang der Veränderungen in der öffentlichen Schuld hin - was wohl nicht immer zutrifft. 26 Siehe Albers, Finanzpolitik, S. 84 f.; Baum, Wirtschaftsdienst 63 (1983), 128 ff, 130: keine generelle Antwort möglich; Boss/Lorz, Jahrbuch für Wirtschaftwissenschaften 46 (1995), 152 ff, 163 ff, 168 f.: zu widersprüchliche Ergebnisse fur eindeutige Antworten; Caesar/Hansmeyer S. 247 f.: keine eindeutigen Ergebnisse erbracht; Dieckheuer, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, 1980, 126 ff, 146: keine eindeutigen Schlußfolgerungen; ähnlich Dreißig, Finanzarchiv 42 (1984), 577 ff, 608 (die gerade die restriktiven Annahmen betr. Liquidität z. B. leugnet); Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 280 ff: Auswirkungen nicht nachweisbar (eher zurückhaltend auf S. 169: Verdrängungs-These hat keine uneingeschränkte Geltung, weil das Zinsniveau von zu vielen Determinanten bestimmt wird); Roller S. 24 f. (stellt auf die unterschiedlichen Zeithorizonte ab); Zimmermann/Henke S. 344: empirischer Nachweis eines Verdrängungseffektes sehr schwierig. 27 Dazu Beyfuss S. 30 (das sich im Preis (hier: Zins) niederschlagende ex post-Gleichgewicht hat viele Gründe, S. 30 f.); Kern, Wirtschaftsdienst 60 (1980), 566 ff, 567, 569: kann viele Ursachen haben; Kurz/Rall S. 355: leugnen spürbare Effekte auf das Zinsniveau; Nölling, Kredit und Kapital 12 (1979), 472 ff, 485 (er weist u. a. auf die stark reduzierte Verschuldungsbereitschaft des privaten Sektors hin, 484 f.); Rürup, Begrenzungskriterien, S. 630; Sarrazin, Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff,

3. Kap.: Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

83

Tendenzen können sehr unterschiedliche Ursachen haben28, weshalb sie nicht unbedingt gegen ein „Crowding-out" sprechen müssen. Es gibt in diesem Zusammenhang ein weitverbreitetes Argumentationsmuster, welches zusätzlich erläutern soll, warum ein Konkurrenzkampf zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft um knappe Kreditmittel regelmäßig zugunsten staatlicher Kreditwünsche ausgeht: Bis heute gilt der Staat als „zinsrobust", jedenfalls bei einem Vergleich mit der Privatwirtschaft 29, weil er anders als diese seine Vorhaben nicht so sehr nach dem passenden Zeitpunkt und dem jeweiligen Geld- oder Kapitalpreisrichtet, sondern sich umgekehrt für die als erforderlich erachteten Ausgaben und Investitionen einfach die nötigen Mittel durch Vereinbarung des unabdingbaren Zinses beschafft. Für einige ergibt sich das aus dem - schon angesprochenen - Charakter des Defizits als einer „Restgröße", für die ex ante-Kalkulationen entfallen 30. Die These klingt ein wenig rücksichtslos; in diesem Stadium der Untersuchung ist aber von einer Wertung dieser für den Steuerzahler nicht uninteressanten Praxis abzusehen31. Angebrachter erscheint es dagegen, eine denkbare Krisensituation nicht aus dem Auge zu verlieren, in der von einem gewissen Schuldenstand an die bedrängte öffentliche Hand den geforderten Zins vielleicht zahlen muß. Alles in allem dürfte es nicht leicht sein, diesen prima facie einleuchtenden Standpunkt wirklich empirisch zu belegen32. Noch schwieriger ist es natürlich, die Positionen der Unternehmen zu erkunden; ihnen schlicht „Zinsempfindlichkeit" nachzusagen, wäre gewiß trivial. Diese stellt in dem erwähnten Argumentationsmuster zwar die exakte Gegenposition zur staatlichen „Zinsrobustheit" dar; der argumentative Gegensatz liegt jedoch in der Betonung der herausragenden Wichtigkeit des Zinses in den Unternehmenskalkulationen. Eine solche Gewichtung wird wiederum in Frage gestellt von denen, die den Geldpreis nicht als den entscheidenden Faktor bei Investitionsentscheidungen werten33. 382 ff. Ebenfalls stellt Guderjahn für die Jahre 1982 bis 1987 bei weiterem Anstieg der Schulden der Gebietskörperschaften folgendes „Phänomen" fest: „Die vom Staat benötigten Kreditmittel konnten zu sinkenden Zinssätzen beschafft werden" (S. 17 f.); zur gegenläufigen Entwicklung nach 1990 DIW Wochenbericht 61 (1994), 341 ff, 348. 28

Vergi, oben zu Fn. 20 und die Hinweise in der vorigen Fußnote.

29

So die überwiegende Meinung: Beyfiiss S. 24 (unterstellte Zinsrobustheit); Borell/Stem S. 20; Dhom S. 384; Duwendag, Staatsverschuldung, S. 77; Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 484 f. (die private Kreditnachfrage hält er allerdings auch weitgehend für wenig zinsreagibel); Irmler S. 133,135; Kampmann S. 23; Lothar Müller, Wirtschaftsdienst 73 (1993), 121 ff, 126; Schaal, BB 1981, 1 ff, 2, 6; Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 5 (tendenziell unempfindlich). Janson schreibt dagegen eher der Sonderstellung des Schuldners „Staat" die Chance der Erlangung günstiger Kreditkonditionen zu (ZRP 1983, 139 ff, 143). Auch nach Francke/Friedrichs (S. 397) ist es die größere Bonität des staatlichen Schuldners, die die Gläubiger staatliche Schuldtitel - statt privater - erwerben läßt. 30

So Milbradt S. 36; vergi, weiter Rürup, Begrenzungskriterien, S. 629. Kern erwähnt dieses Argument als „plausibel" (567). 31 Gewissermaßen den Versuch einer „Ehrenrettung" unternehmen Lang/Koch (S. 153), wenn sie hoffnungsvoll verkünden, daß auch der Staat nicht bereit sein werde, seine Kreditaufnahme um jeden Preis durchzusetzen, wobei sie ihm das „debt management" eindringlich „ans Herz legen". 32 Kern (567) betrachtet die „angebliche Zinsrobustheit" nicht als nachgewiesen; für Schlesinger/ Weber/Ziebarth wächst die Zinsempfindlichkeit der öffentlichen Hand (S. 260). 33 So von DIW Wochenbericht 61 (1994), 341 ff, 346; Duwendag, Staatsverschuldung, S. 76 f.; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 68; Kampmann S. 23 f.; Kern 567; Rürup S. 631 f.

6*

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Der wirtschaftswissenschaftliche Laie wird sich eines diesbezüglichen eigenen Urteils besser enthalten. Er darf allenfalls aus der bisherigen Handhabung der Defizite die Schlußfolgerung ziehen, daß Zinserwägungen für die öffentliche Hand im Ergebnis offenkundig keine maßgebliche Rolle gespielt haben. Vor der Fortsetzung des Kreislaufes ist noch festzuhalten, daß die Annahme eines „Crowding-out" - oder ggf. die Ablehnung eines solchen Verdrängungskampfes - auch in anderer Weise, d. h. mit differenzierter Akzentsetzung, begründet wird. So leuchtet es wieder unschwer ein, daß der wirtschaftliche Hintergrund eine wesentliche Rolle spielt, was bei der konjunkturellen Fiskalpolitik auch kein Wunder, vielmehr eine selbstverständliche Voraussetzung ist: „Die theoretischen und insbesondere die empirischen Untersuchungen lassen den Schluß zu, daß ein ,Crowding-out-Effekt' kreditfinanzierter Stabilisierungsmaßnahmen vor allem im Rahmen einer rezessiven Konjunkturphase für die Bundesrepublik Deutschland ... mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann" 34 . In der Rezession und bei Unterbeschäftigung wird der Kapitalmarkt relativ wenig beansprucht, so daß es zu einer „Kreditklemme" gar nicht kommen kann35; es tritt eher - wie beabsichtigt - eine (zumindest kurzfristige) Belebung ein36. Die Boomphase bietet dagegen ein anderes Bild, welches - erneut mit mancherlei Bedingungen und Vorbehalten - die These rechtfertigen mag, „nach der der Totaleffekt einer kreditfinanzierten fiskalpolitischen Maßnahme bei mittel- und langfristiger Betrachtung negativ ist" 37 . Ein wesentlicher Vorbehalt wird im Hinblick auf die internationale Kapitalmobilität geäußert: Wenn der Kreditnachfrager einer inländischen Kapitalknappheit ausweichen kann, also - wie wir heute - in einer offenen Volkswirtschaft lebt, ist die Verdrängungsgefahr insoweit natürlich weitgehend gebannt38. Die grundlegende Skepsis gegenüber einer Defizitfinanzierung kommt manchmal selbst nach einer sorgfaltigen Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Gesichtspunkten noch in einer fast unwirschen „wie auch immer!" - Schlußargumentation zum Ausbruch: „Die Wachstumsmöglichkeiten werden (über einen längeren Zeitraum gesehen) in Mitleidenschaft gezogen: Zum einen unmittelbar durch die Behinderung des Aufbaus von privatem SachSchlesinger/Weber/Ziebarth bemerken immerhin: „Die Rentabilitätsschwelle, die die privaten Investitionsprojekte zu überspringen haben, wird dadurch angehoben" (S. 149). Die Zinsempfindlichkeit privater Investoren bejaht dagegen Bohnet (S. 350). 34 35

Dieckheuer, Staatsverschuldung und wirtschaftliche Stabilisierung, S. 308.

So Andel, Finanzwissenschaft, S. 169 f.; Milbradt S. 35; Piel/Simmert nimmt heute nur noch unterbeschäftigte Volkswirtschaften an.

S. 62. Bohnet (S. 261)

36 DIW 346; Gschwendtner S. 101 f.; Scherf, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 206 (1989), 136 ff., 142 f.; ders., Konstitutionelle Begrenzung, S. 369 f.: Nachfragezuwachs setzt expansiven Multiplikatorprozeß in Gang, sofern die Lohnpolitik und die auf sie reagierende Geldpolitik der Zentralbank nicht Grenzen setzen. 37 So Dieckheuer S. 23, siehe auch S. 249, wo er auf die Relevanz der Zentralbankgeldnachfrage aufmerksam macht; DIW 346; im Grundsatz ähnlich Milbradt S. 36. Aus der Sicht Kerns (569) haben sich die zentralen öffentlichen Haushalte dagegen eher kompensatorisch verhalten. 38 Diese Gesichtspunkte werden vorgetragen von: DIW 347, 348; Fels S. 90; Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 79 f.; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 47; Piel/Simmert S. 95. Aber nichts ist umsonst: Es folgen eine Verdrängung der Netto-Auslandsnachfrage und ein Rückgang des Leistungsbilanzsaldos, so Scherf, Konstitutionelle Begrenzung, S. 367 mit Fn. 4.

3. Kap. : Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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kapital, zum anderen indirekt über den ausbleibenden Wachstumsbeitrag des technischen Fortschritts in Gestalt der Kapitalproduktivität, die bei neuen Anlagen in der Regel höher zu veranschlagen ist als bei älteren Investitionsjahrgängen" 39. Ein solches Votum ähnelt stark Plausibilitätserwägungen, deren Gültigkeit sehr wohl angefochten wird 4 0 und deren Bedeutung letztlich auch diejenigen zurückweisen, die „Crowding-out"-Effekte mehr oder weniger deutlich ablehnen 41 , wenn nicht gar die Anregung von Investitionen, das „Crowding-in", für möglich halten 42 . Der wissenschaftlichen Klarheit halber muß in diesem Zusammenhang noch festgehalten werden, daß einige Ökonomen Wert auf die Verbindung der Verdrängungsthematik allein mit der Fiskalpolitik legen. Die Verdrängung privater Investitionen durch strukturellen Schuldenanstieg43 oder durch direkte allokative Schuldenpolitik 44 mag man allokationspolitisches „Crowding-out" nennen; es ist nach ihrer Auffassung aber vom fiskalkpolitischen klar zu scheiden45. Diese Differenzierung ist mehr als ein Spiel mit Begriffen, denn sie hat ihren guten wissenschaftspolitischen Sinn: Während die fiskalpolitisch verursachte Verdrängung nämlich einen unerwünschten Nebeneffekt bedeutet, führt die allo-

39

Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 155; zustimmend Kampmann S. 25 f. Auch Wenig kann sich das Fehlen negativer Effekte, obwohl „empirisch nicht nachweisbar", nur schwer vorstellen (S. 114). Vergi, auch Herbert Walther, der nach einer Darstellung aller Aspekte zu dem Ergebnis kommt, daß die Kritik der Crowding-out-Verfechter zwar einer überzeugenden Begründung entbehrte, aber dennoch nicht ignoriert werden dürfte (S. 73). 40 So von Kern (566 f.) etwa, der keineswegs von den verschiedenen Vorbehalten und Bedingungen abstrahieren will. Auch Wille (Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 43) beanstandet die „recht extremen Annahmen", welche die theoretische Diskussion prägten. 41 Vergi. Oberhauser, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff., 337 f. (Effekte überschätzt); Püttner, Staatsverschuldung, S. 24 f. (ohne die Staatsverschuldung hätten die Banken ihr Geld gar nicht untergebracht); Rürup, Begrenzungskriterien, S. 631 f. (Verdrängung kaum eingetreten und kaum zu erwarten); Westphal S. 225 (recht geringe Wirkung und zeitlich stark verzögert). Die Feststellung ist nur von theoretischem - aber die Problematik der Differentialwirkungen letztlich bestätigendem - Interesse, daß bei Gleichsetzung von Steuern und Krediten durch vorweggenommene Kapitalisierung und Berücksichtigung der künftigen Schuldendienstverbindlichkeiten (sog. „Ricardo-Äquivalenz" oder „-Neutralität", vergi, ζ. Β. Barro , Journal of Political Economy 82 (1974), 1095 ff.) auch die Verdrängungseffekte a priori wegfallen, siehe Barro , Journal of Political Economy 87 (1979), 940 ff, 941. 42 Gandenberger sieht eher die Anregung von Investitionen (Der langfristige Kredit 31 (1980), 656 ff, 662); ähnlich Hauser S. 109: Nachfragewirksame staatliche Verschuldung stimuliert die private Investitionsneigung; Rürup, Zunehmende Staatsverschuldung, S. 66/68 (zum schuldenfinanzierten „Crowding-in" z. B. bei den „brachliegenden" ostdeutschen Produktionsfaktoren); vergi, dazu aber den folgenden Text mit Fußnoten. Issing bezeichnet eine „Crowding-in-Vorstellung" (als Ergebnis einer expansiven konjunkturellen Defizitpolitik) als „heute allenfalls noch in der Lehrbuchökonomie anzutreffen" (Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 198). 43

So Fels S. 91; Rürup S. 68.

44

Vergi, offenbar Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 487; weiter siehe Hansmeyer (Der öffentliche Kredit, S. 122) zu den Verdrängungseffekten allokativer Schuldenpolitik bei starrem Geldkapitalangebot und Vollbeschäftigung. Wenn Herbert Walther dagegen „allokative Verzerrungen" (z. B. übermäßige Kapazitäten der von der öffentlichen Hand abhängigen Baubranche) zum „Crowdingout" zählt (S. 66), bleibt er dennoch bei der ursprünglichen Thematik; das gilt auch für Dhom S. 390 f. 45 Hier sind zu nennen Caesar, The Crowding Out Debate, S. 87, und Mackscheidt, Crowding-Out, S. 61 ff.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

kationspolitische Verdrängung zur gewollten, im vorigen Kapitel erörterten Erweiterung der Staatsquote und natürlich zur Schrumpfung des privaten Sektors46. Die Bewertung diese Vorgangs richtet sich folglich auch nach allgemeinen volkswirtschaftlichen Wohlfahrtskriterien 47 und darf nicht unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und Zielgenauigkeit der Fiskalpolitik gewürdigt werden. Als Nebenerkenntnis kann im Hinblick auf den vom Sachverständigenrat einmal geprägten Begriff der „Normalverschuldung" 48 vermerkt werden: „Normalverschuldung" ist - oder besser: war - diejenige (in der Sache: strukturelle) Verschuldung, die kein „Crowding-out" hervorruft, weil man sich eben an sie gewöhnt hat49. Umgekehrt kann eine Verdrängung allein psychologisch dadurch verursacht werden, daß gerade wegen der Ungewißheit über die künftige Verschuldungs- und Zinsentwicklung die Unternehmen ihre Erwartungen („expectations") reduzieren und Investitionspläne lieber erst einmal zurückstellen50. Es versteht sich, daß man auch insoweit durchaus unterschiedlicher Auffassung ist 51 . Selbst mit einer unterstellten Investitionsverdrängung ist der volkswirtschaftliche Kreislauf keineswegs an sein Ende gelangt. Es folgt der an sich selbstverständliche Schluß, daß die Verringerung privater Investitionen zu einer Minderung des produktiven privaten Kapitalstocks in der Zukunft führt, die ihrerseits volkswirtschaftliche Wachstumsverluste nach sich zieht52. Das bedeutet nach dem verstärkten - bzw. nicht geminderten - Konsum heute

46 Mackscheidt S. 61. Der Hinweis auf ein nicht genügendes Zurückdrängen privater Investitionen mit der möglichen Folge von Preissteigerungen findet sich beim Wissenschaftlichen Beirat (1984) S. 46. 47

Caesar S. 87. Zu dieser begrifflichen Unterscheidung auch Wille, Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 43 f. 48

Vergi, oben 2. Kapitel Fn. 88.

49

So Caesar S. 87 und Fels S. 91.

50

Zu dieser Variante des „Crowding-out" vergi. Fels S. 90; Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 854 f.; Jaeger/Schips S. 203 (nicht von vornherein auszuschließen); Schlesinger/Weber/ Ziebarth S. 150 („Investitionsattentismus"); Willms, Wirtschaftsdienst 58 (1978), 439 ff., 441 (nennt die schlechten Renditen und Absatzerwartungen); Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 21. Brennan/ Buchanan benennen als spezielle Abart: „Debt issue will tend to discourage savings and capital accumulation ..." (Finanzarchiv 38 (1980), 4 ff., 15 f.). Blanchard betont, daß antezipierte Defizite schrumpfend („contractionary") wirkten (European Economic Review 25 (1984), 7 ff., 23,25). 51 Oberhauser, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 333 ff., 339 (problematisch); Pohmer S. 158 (eher unwahrscheinlich); Rürup, Begrenzungskriterien, S. 633 f. (spekulativ); ders., Zunehmende Staatsverschuldung, S. 69 (aktuell nicht zu befürchten). 52 In diese Sinne Andel, Finanzwissenschaft, S. 172; Karl Brunner bei Giersch, Symposium, S. 124; Friauf, Staatskredit (§ 91), Rn. 22; Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 489 f.; Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 426 f.; Holcombe u. a., Kyklos 34 (1981), 186 ff., 188 f.; Kettl S. 34; Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S. 85 f.; Milbradt S. 44; Pohmer S. 157 (theoretisch, weil in der Realität die vorausgesetzten Annahmen fehlen, S. 158 f.); Wolfram Richter S. 177; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 225 f.; Tietmeyer, Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 79; Timm, Festschrift Recktenwald, S. 320 f. (mit der Betonung darauf, daß die Differentialwirkung stark von der Art der Besteuerung des privaten Konsums abhängt); Tolkemitt S. 10, 85; Wenig S. 215; Wille, Staatliche Aufgabenplanung, S. 38 f.; Wille/Kronenberger S. 615 f.; Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 24 (zur Differentialwirkung ähnlich wie Timm). Bei Aschinger (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 582 ff., 583, 593 f., 599) ist wieder zu bemerken, daß er keine Differentialwirkungen sieht.

3. Kap. : Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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den Einkommensverlust morgen 53 , und damit einen Wohlfahrtsverlust zumindest für den privaten Sektor 54 . Damit ist der Kreislauf aber zumindest in gedanklicher Hinsicht immer noch nicht vollendet. Denn mit der letzten Bemerkung ist keinesweg die abschließende Wertung a priori ausgeschlossen, daß mit Hilfe der eingenommenen Kredite nicht nur nicht „bloßer" Konsum (einschließlich Transferleistungen) finanziert 55 oder „Verschwendung von Kapital" in „Konsuminvestitionen" wie „Schwimmhallen, Bürgerhäuser und gepflasterte Rathausplätze") betrieben 56 wird, sondern eine Infrastruktur entsteht, welche die privaten Wohlfahrtsverluste zumindest wieder ausgleicht. Die Meinungen darüber sind - wie sollte es anders sein - natürlich nicht einheitlich. Im Grunde versteht es sich, daß öffentlichen Investitionen nicht von vornherein die volkswirtschaftliche Rentabilität abgesprochen werden kann 57 , selbst wenn diese nicht so leicht zu ermitteln ist wie die von (mehr oder weniger unmittelbar auf Gewinn ausgerichteten) privaten Sachkapitalanlagen58. Es muß auch zur Kenntnis genommen werden, daß viele der allgemeinen Nutzung überlassene „öffentliche Güter" eben deshalb nicht mit privaten Investitionen vergleichbar sind 59 . Sie vermögen einander nicht zu ersetzen, sondern dienen jeweils komplementär der allgemeinen Wohlfahrt 60 . Für Skeptiker ist die Sorge vor

53

Dazu v. Arnim/Weinberg S. 43, 45 f., siehe auch S. 71 ff.; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 101; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 169 f.; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung ? S. 170; Ottnad S. 94 ff; Wolfram Richter S. 179 (verlangsamtes Wachstum der Löhne); Wille S. 38 f. 54 Die Wachstumseinbuße bleibt, wenn auch die privaten Zinseinnahmen aus den vergebenen Krediten zu konsumtiven Zwecken verbraucht werden, so Fecht, Finanzarchiv 39 ( 1981 ), 319 ff; ähnlich Haller, Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff, 78 f. Doch selbst bei der Zuführung der Zinseinnahmen zur Ersparnis bleibt es noch bei der zeitlichen Verlagerung der Investition (Haller 72 ff, 78 f.). 55 Zur negativen Einschätzung dieses „Kapitalverzehrs" Fischer-Menshausen Rn. 1 zu Art. 115; Kitterer, Wirtschaftsdienst 73 (1993), 633 ff, 634; Möller/Schwebler S. 154; Wenig S. 215. 56 So Fels S. 89. Auch Schlesinger/Weber/Ziebarth (S. 213 ff.) kommen auf die Differenzierung zwischen Konsum- und Produktiwermögen zurück mit der Maßgabe: Nicht jede Investition hat einen hohen allokativen Stellenwert. 57

Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 20 f.; Jaeger , Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 197 (1982), 413 ff, 416; Rürup, Begrenzungskriterien, S. 635 f. 58 Kurz/Rall halten die Frage, ob private oder staatliche Investitionen eine größere Produktivität aufwiesen, für empirisch nicht beantwortbar (S. 358 ff., 363); ähnlich Bach, Konjunkturpolitik 39 (1993), 1 ff, 17 f. Lang/Koch (S. 31,153) lehnen es ab, aus der fehlenden Meßbarkeit auf das Fehlen oder die Geringerwertigkeit der Produktivität der kreditfinanzierten staatlichen Ausgaben schlechthin zu schließen; ablehnend insoweit auch Pohl S. 366 ff, 380. Wille (Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 53) weist sogar auf Untersuchungen hin, wonach sich zukunftswirksame Staatsausgaben gar nicht operational von anderen abgrenzen lassen; siehe schon oben 2. Kapitel Fn. 119. 59

Timm erwägt daher zumindest den „meritorisehen Charakter der Staatsverschuldung" (Finanzarchiv 42 (1984), 71 ff, 82). 60 In diesem Sinne Kampmann S. 24; Rürup S. 635 f.; Timm 82; Wesphai S. 215; veigl. aber Kitterer/ Schlag im 2. Kapitel Fn. 119. Wenn Lang/Koch (S. 166) fragen, ob die öffentliche Kreditnachfrage die private verdrängen sollte, ist das nicht nur eine wissenschaftlich nicht lösbare, sondern hier auch nicht interessierende Fragestellung. Auch eher normativ formuliert Heun seinen Einwand, daß die Finan-

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Verschwendung damit jedoch nicht ausgeräumt. Sie wird etwa mit der Bemerkung vorsichtig angedeutet, daß private Investitionen im Wettbewerb um knappes Kapital und Rentierlichkeit meist einem strengeren Selektionsprozeß unterworfen seien als öffentliche. Im Hinblick auf den Verdrängungseffekt für private Investitionen sollte die Grenze für die Kreditfinanzierung öffentlicher Aufgaben daher eher niedriger angesetzt werden61. Doch selbst wenn man diese Bedenken zurückstellt, läßt sich der konkrete Einwand des Wohlfahrtsverlustes einfach deshalb nicht ausräumen, weil die Kredite zumindest bei uns überhaupt nicht ausschließlich für potentialsteigernde Investitionen verwandt worden sind62. Das Ergebnis dieser Übersicht muß vorsichtig formuliert werden. Für einige ist die Verdrängungsdebatte viel zu kompliziert und in den Resultaten zu dürftig, als daß sie gegen eine aktive konjunkturelle Schuldenpolitik ins Feld geführt werden könnte63. Das klingt zurückhaltend genug, läßt aber die „aktive konjunkturelle Schuldenpolitik" den Platz behaupten, was nach den militärischen Gebräuchenfrüherer Jahrhunderte als Sieg zu werten ist. Ob ihr der jedoch zusteht, mag man gerade bezweifeln in Anbetracht der kaum überschaubaren, nur begrenzt steuerbaren und vor allem weitreichenden Kausalverhältnisse, die das Eingreifen des Staates aktiviert. Der Gedanke sollte nicht gänzlich von der Hand gewiesen - und auch später untersucht - werden, daß vielleicht der Staat selbst (auch) der Störer ist, der ein unbefriedigendes Gleichgewichtsverhältnis zwar verändert, aber nicht unbedingt zum Besseren. Schuldenstand und Schuldenstandsquote legen diesen Schluß sogar sehr nahe. Jedenfalls können beide Seiten der Debatte neben Modellen nur Plausibilitäten für ihren jeweiligen Standpunkt vorweisen.

3. Eingriff in die „interpersonelle Verteilungswirkung 64 u. a. Wenn Steuern etwas wegnehmen - die „Zinssteuern" noch anders als die „regulären" und die Zahlungen der Zinsen den Empfangern etwas geben, läuft die Entscheidung zwizierung privater Investitionen durch Kredite derzeit einer stärkeren Staatsverschuldung nicht notwendig vorzuziehen sei (Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff., 13). 61 So Tietmeyer, Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 79; ähnlich Beyfuss S. 24 f. Vergi, weiter: Kitterer, Kredit und Kapital 19 (1986), 271 ff., 280 f., 286 f.: Bei zunehmender Staatsverschuldung steigt die gesamtwirtschaftliche Effizienz nur, wenn der Staat die Kreditauslesefunktion effizienter wahrnimmt als marktwirtschaftliche Institutionen, was nicht anzunehmen sei; Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 5 f.; Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 568; Wagner/Tollison S. 9 f. 62 Siehe Kitterer, Tragbarkeit und Grenzen der Staatsverschuldung, S.85 ff. (speziell für die Jahre 1990-1994); Wille, Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 53 ff. (sieht keinen Anlaß für die Annahme, daß sich 1962-1987 der in den Budgets angelegte Zukunftsnutzen erhöht hat); vergi, vor allem die Ausführungen im 2. Kapitel Abschnitt 5. 63 So Höfling, Verfassungsfragen, S. 27 f.; ders. auch, Staatsschuldenrecht, S. 281 f. (zu Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. Hs.GG); ähnlich Caesar, The Crowding Out Debate, S. 89. Höfling selbst erklärt an anderer Stelle die Schwierigkeiten, das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" als Ziel der Fiskalpolitik zu erfassen: „(Es) gilt..., die nahezu unübersehbare Vielfalt der interdependenten Zusammenhänge dieser Teilkomponenten zu berücksichtigen, welche den nur scheinbar erklärenden Rückgriff auf »mechanistische Ursache-Wirkungs-Hydrauliken' verbietet" (Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 424).

3. Kap. : Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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sehen Steuern und Krediten u. a. auch auf Differentialwirkungen bei der Einkommensverteilung hinaus. Für das Thema dieser Arbeit sind solche Konsequenzen von geringerer Bedeutung, da die Belastung des Staates im Vordergrund des Interesses steht. Wenn sie gleichwohl knapp angesprochen werden, dann nur deshalb, weil sie die schwer kontrollierbare weitreichende différentielle Wirkungsweise der Kreditaufnahme ggf. zusätzlich untermauern und begründen. Das gilt auch für die anderen im folgenden angedeuteten, ggf. nur als Differentialwirkungen ernst gemeinten Folgen einer staatlichen Schuldenpolitik. Die staatliche Kreditaufnahme bewirkt nach älterer Auffassung unsoziale Vermögensverschiebungen, nämlich einen „Transfer" von den Zinssteuerzahlern - d. h. allen Steuerzahlern, auch „den ärmeren" - zu den Anleihetitel-Inhabern und Zinsempfängern, die ihr „überschüssiges" Geld zur Verfügung stellen und eher zu den „reicheren" Schichten der Bevölkerung gehören64. Es gibt sogar modelltheoretische Untersuchungen, welche die Möglichkeiten des Einsatzes der Staatsverschuldung als Instrument der Verteilungspolitik testen65. Die Mehrheit lehnt eine unmittelbare „interpersonelle Verteilung" und damit den sog. „Transferansatz" heute aber wegen fehlenden Kausalzusammenhanges ab. So leugnet Gandenberger eine Umverteilung dieser Art entschieden mit der Begründung, daß zwischen der Zinssteuerzahlung und dem Zinsempfang nicht die Kausalität eines Transfers bestünde: Die Staatsgläubiger erhalten für die Hingabe ihres Vermögens eine Rendite, die sie bei einer anderen Anlage mehr oder weniger auch erhalten hätten. „Der Transferansatz ... verwechselt die Inzidenz der Ersparnis ... mit der der Anleihefinanzierung" 66. Zu einer vergleichbaren Ursachensonderung gelangt eine speziell juristische Zergliederung dieser Sachlage, wie sie Paul Kirchhof entwickelt hat: Das Steuergesetz rechtfertigt mit seiner Thematik nicht die Zuweisung von Geldsummen an den Kreditgläubiger, und der Darlehnsvertrag rechtfertigt nicht die Finanzierung der Zinslasten durch Steuerzahlungen67. Den Transferansatz hält dagegen neuerdings Bajohr aufrecht, indem er das Argumentationsgewicht von der Anlagefreiheit des privaten Kreditgebers weg zur öffentlichen Finanzwirtschaft hinschiebt: Deren Alternative zur Kreditaufnahme mit anschließender Zinszahlung aus Steuermitteln ist die Steuererhebung selbst, welche zudem die Anlageprobleme der 64 Der erste Vertreter dieser Meinung war wohl Wickseil S. 119,139. Vergi, weiter offenbar Geiger (S. 37), obwohl er interpersonelle Auswirkungen für kaum nachweisbar hält; Haller, Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff., 79 f., 85 („unsozial"); Klaus-Dirk Henke, Finanzarchiv 36 (1977/78), 440 ff. (insoweit abweichend von Gandenberger in Fn. 67); Paul Kirchhof, Staatsverschuldung als Verfassungsproblem, S. 56; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 171; Tobin, Theorie der Schuldenpolitik, S. 472 ff.; v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff, 55 (mit knappem Hinweis auf die Verteilungsproblematik). 65 Vergi, ζ. Β. den Aufsatz von Pohmer mit Ergebnissen, die natürlich von den wechselnden Annahmen und Vorgaben abhängen und letztlich „bescheiden" sind (S. 162). 66

Finanzarchiv 29 (1970), 1 ff, 9 f.; ders., Öffentliche Verschuldung II, S. 493 f.; ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 38 f. Zustimmend zu Gandenberger (neben den unten in den Fußnoten 70 und 71 Genannten): Andel, Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 21 f.; Schmölders S. 409 f., der zusätzlich noch nach der Verteilung der unterschiedlichen Steuer-Traglasten fragt (S. 408 f.). Die gleiche Sicht hat Willms, Wirtschaftsdienst 58 (1978), 439 ff, 443 ff; er hält die Verteilungswirkungen allerdings für vemachlässigenswert. Nach Dreißig (Finanzarchiv 42 (1984), 577 ff, 610) läßt sich der Transferansatz ebenfalls kaum aufrechterhalten. 67

Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 39; ders., Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Staatsverschuldung, S. 63.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Privaten sogar verschwinden läßt 68 . Beide Betrachtungsweisen schließen einander nicht aus, sondern tragen erst gemeinsam zum umfassenden Wirkungsbild der Staatsverschuldung bei. Allerdings ist Bajohrs Sicht eine wohlfahrtsökonomische und befaßt sich nicht mit den nachgelagerten Differentialwirkungen. Nur mittelbar, durch die Auswirkungen der Kreditfinanzierung auf den Kapitalmarkt insgesamt, berührt die Staatsverschuldung die personelle Einkommensverteilung dann allerdings doch (sog. funktionelle Einkommensverteilung). Es werden nämlich relativ, d. h. im Verhältnis zu anderen Einkommensbeziehern (etwa aus Lohn), die Bezieher von Einkommen aus Kapitalerträgen bevorzugt. Insoweit bejaht ebenfalls Gandenberger bei Annahme der generell zinssteigernden Tendenz einer zusätzlichen staatlichen Verschuldung einen die bestehenden Ungleichmäßigkeiten verstärkenden Effekt auf die Einkommensverteilung, der jedoch s.E. nicht allzu erheblich sein dürfte 69 . Diese Betrachtungsweise wird heute weitgehend geteilt 70 , wobei auch andere als er nur eine geringe Wirkung erkennen oder gar Ausmaß und genaue Richtung der Verschiebung nicht bestimmen können 71 . Einer der Gründe liegt darin, daß überwiegend Banken und andere „Kapitalsammeistellen" als Kreditgeber auftreten 72 , so daß es zu direkten Einkommenssteigerungen bei Beziehern von Kapitalerträgen nur sehr begrenzt kommt 7 3 .

68

KJ 31 (1998), 433 ff., 439.

69

Finanzarchiv 29 (1970), 1ff., 9 ff.; weiter ders., Wirkungen des öffentlichen Kredits, S. 138 ff, 142; ders., Öffentliche Verschuldung II, S. 494 f. (im Prinzip wie eben, aber verstärkter Hinweis auf modifizierende Faktoren; klares Urteil „nahezu unmöglich"); ders., Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 39ff. (wie vor. Hiervon unterscheidet er scharf die - relativ eng begrenzten - Auswirkungen auf die Einkommensverteilung zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern, S. 41 ff.). 70 Vergi, v. Arnim/Weinberg S. 62 f.; Dieckheuer, Finanzarchiv 37 (1979), 1 ff, 5 ff, 17 f., 22 ff; Ehrlicher, Wirtschaftsdienst 59 (1979), 393ff., 399; Fecht, Finanzarchiv 39 (1981), 319ff.; Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 127 ff; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 30 f., 51 (negative, d. h. verschlechternde Verteilungswirkungen); Kampmann S. 26 f.; Sturm S. 78 f. Kurz/Rall teilen „nur 4' die Ablehnung der Begründung des Transferansatzes (S. 108). Bohnet stellt nach partieller Kritik an Andel und Gandenberger eine umfassende Inzidenzanalyse über die funktionelle Einkommensverteilung hinaus auf (S. 246 ff.) und weist auf deren fast unlösbare Schwierigkeiten hin (S. 251). 71 Siehe Albers (bei Giersch, Symposium) S. 127 f.: interpersonelle Verteilung unklar, zumal die meisten Kredite ohnehin von Kreditinstituten gegeben werden, dann Hinweis auf Gandenbeiger; Andel, Public Finance 24 (1969), 69 ff, 73: Er will die unterschiedliche Verteilung der Traglasten der vermiedenen Steuern einerseits und der Zinssteuer andererseits in die Bewertung mit einbeziehen; ders., Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 22; ders., Finanzwissenschaft, S. 175 f. (vergi, insoweit auch Schmölders in Fn. 66); Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 222 f.: Analyse des ganzen Kapitalmarktes erforderlich, nur intuitiv plausibel; Duwendag, Staatsverschuldung, S. 40: empirisch nicht nachgewiesen; Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 82 f.: zu kontrovers; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 95 f.: allenfalls bescheidene Zinsverteilungseffekte; Kitterer, DÖV 1975,23 ff, 28 mit Fn. 52: Je nach Sichtweise können die „Reichen" oder die,Armen" begünstigt sein; Kurz/Rall S. 107 ff, 113, 115: Vor allem unter Berücksichtigung der Steuerlast werden die Reichen kaum reicher; Lang/Koch S. 130 ff, 148 f.: geringe Verteilungswirkung, von Steuern abhängig, ggf. äußerst schwache indirekte personelle Wirkung; Milbradt S. 48 ff: Höhe und Richtung nicht bestimmbar; Piel/Simmert S. 89 ff: nicht belegbar, im Zweifel zugunsten der Bezieher höherer Einkommen; Rürup, Begrenzungskriterien, S. 650 ff, 658: kein halbwegs gesichertes Urteil möglich; ders., Zunehmende Staatsverschuldung, S. 69 f.: politisch irrelevant. 72

Vergi. Albers in der vorigen Fußnote; Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 40; Henke S. 82; Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 28; Ottnad S. 104 mit Fn. 81 (der aller-

3. Kap.: Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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Es existiert die Meinung, daß der Staat als Schuldner dringend benötigt wird, um das stark gewachsene Sparpotential zu binden und für die vielen anlagesuchenden Gläubiger die Schuldnerposition zu übernehmen74. Die Staatsverschuldung ist danach gewissermaßen als „riesige Risiken-Transformations-Maschine" für den kleinen Sparer zu betrachten75. Der Finanzminister 1969-1971, Alex Möller, betrachtete die Verschuldung des Bundes ebenso als Mittel zur Vermögensbildung für die unteren und mittleren Schichten76 wie nach ihm Minister Prof. Karl Schiller 77. Diese helfende, keineswegs mehr als „residual" zu bewertende Rolle liegt sozusagen „im Vorfeld" der wirtschaftlichen Vorgänge und Reaktionen, die zuvor angesprochen wurden. In die diskrete Bewunderung für „den Ideenreichtum der akademischen Ökonomie in bezug auf die funktionelle Begründung der Staatsverschuldung"78 mischt sich grundlegende Ablehnung. Unter manchen, ζ. B. ordnungspolitischen Bedenken taucht vor allem der Hinweis auf, daß in einer offenen Volkswirtschaft, die allmählich Teil einer globalen wird, überhaupt kein Druck mehr dahingehend besteht, Finanzierungsüberschüsse zu absorbieren 79. Es kann allein schon die Tatsache, daß die Kreditaufnahme heute Steuern spart, um sie morgen dann ohnehin - und vermehrt - nach sich zu ziehen, je nach Zeitpräferenz unterschiedlich gewertet werden. Eine Hypothese geht folglich davon aus, daß die Staatsverschuldung von den, Armen", die eine höhere Präferenz für Gegenwartseinkommen haben, relativ günstiger beurteilt wird als von den „Reichen"80. Sie wird sehr wohl weiter unten bei der Beantwortung der Frage eine Rolle spielen, warum die Wähler Regierungen, die dem Gemeinwesen die hohen Schuldenlasten aufgebürdet haben, nicht immer gleich in die Opposition schicken. dings einen leichten Rückgang der vom Bankensystem gehaltenen Staatstitel beobachtet; vergi, auch obenFn. 15). 73 Denn die „Weitergabe" von Bankgewinnen ist fraglich, vergi. Rürup, Begrenzungskriterien, S. 658. Kurz/Rall gehen etwa von einem Drittel aus (S. 111). 74 Hierzu siehe Ernst-Pörksen S. 135 ff., 240; Piel/Simmert S. 51 ff. Krause-Junk (Abbau der Staatsverschuldung, S. 70) sieht das staatliche Absorbieren überschüssigen Sparens u. U. als sinnvoll an. Die theoretische Möglichkeit zeigte schon das Institut „Finanzen und Steuern" (1969) auf (S. 35 f.). 75 Dazu Nowotny, Zur politischen Ökonomie der öffentlichen Verschuldung, S. 14; Rürup, Wirtschaftsdienst 60 (1980), 424 ff., 426 f.; Stützet, Kredit und Kapital 11 (1978), 429 ff, 440 f., 443 ff. 76

Nach Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 27 Fn. 38.

77

Nach Ehrlicher, Der Staat 24 (1985), 31 ff, 32. Auch Fischer-Menshausen (Rn. 4 zu Art. 115) sah bis zur Mitte der siebziger Jahre Anlaß und Chance für eine breitere Vermögensstreuung durch mehr Staatsverschuldung. 78

Bei Schiesingerl Weber/Ziebarth

S. 206 f.

79

Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 204 ff; eine Andeutung auch bei Schlesinger S. 256; weiter Funke S. 423 f. (zieht eine Verbindung zur - ökonomisch nicht zu legitimierenden - „Normalverschuldung" des Sachverständigenrates). Ablehnend auch Albers (bei Giersch, Symposium), S. 129 f.; wenig beeindruckt zeigte sich der Wissenschaftliche Beirat ((1984) S. 45). 80 So Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 37; im Ergebnis für Österreich Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, S. 37. Zu den unterschiedlichen Zeitpräferenzen vergi, auch Institut „Finanzen und Steuern" (1977) S. 47 ff.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Andere mögliche Nachteile außenwirtschaftlicher und beschäftigungspolitischer Natur seien zusätzlich erwähnt81; sie leuchten als mögliche Differentialwirkungen ohne weiteres ein.

4. Zur Berechenbarkeit der Folgen einer „Schuldenpolitik" Als Ergebnis dieses Kapitels sowie des vorangegangenen bleiben die abnehmende Klarheit und Berechenbarkeit der Folgen der staatlichen Kreditaufnahme festzuhalten. Am ehesten abzuschätzen sind noch bei unterstelltem besten Willen der finanzpolitisch Verantwortlichen jedenfalls die auf die die Zukunft verschobenen Haushaltsbelastungen fur wirklich zukunftswirksame, also potentialerhöhende Infrastrukturmaßnahmen, wenn in der Finanzplanung eine Finanzierung entsprechend der (sehr vorsichtig geschätzten) Dauer des Projektnutzens berücksichtigt wird 82 . „Crowding-out"-Effekte dürften in diesen Fällen vernachlässigt werden, wenn die ins Auge gefaßte Infrastruktur überhaupt erst Voraussetzung privater Investition und Produktion ist83. Dabei bleibt der Hinweis unberücksichtigt, daß bei mehr oder weniger regelmäßiger Finanzierung von Investitionen Gründe des „intertemporalen Lastenausgleichs" im Prinzip entfallen 84. Schon haushaltsmäßig kaum berechenbar ist dagegen die Verschuldung als Komponente der Konjunkturpolitik, der aktiven noch mehr als der passiven. Das gilt selbst dann, wenn der Traum nicht völlig aufgegeben wird, daß die Kredite über die in Zukunft stärker zurückfließenden Steuereinnahmen vielleicht (wenigstens teilweise) wieder getilgt werden könnten. Von den grob skizzierten „Risiken und Nebenwirkungen" her gesehen muß das bereits vorher hinter dem Nutzen dieser Konjunkturpolitik - und erst recht hinter dem Nutzen einer expansiven Kreditpolitik schlechthin - angebrachte Fragezeichen85 jedenfalls

81

Lipp (S. 401 ff.) ζ. B. untersucht die außenwirtschaftlichen Fehlentwicklungen; in der Auslandsverschuldung sieht Bajohr sogar ein großes zukünftiges Problem (KJ 31 (1998), 433 ff., 438). Dhom (S. 390 f.) verweist auf die fatale „Verdrängung" von Beschäftigten aus der Wirtschaft in den öffentlichen Dienst. Wir sehen heute in dem langsamen Schrumpfen des öffentlichen Personalbestandes den Rücklauf der Welle. Er ist finanzwirtschaftlich unabdingbar, aber ungerecht für die Berufsabsolventen der heutigen Generation, deren Chancen drastisch gemindert sind. Sie haben im öffentlichen Dienst nicht mehr entfernt die Chancen ihrer Eltern - auch eine Differentialwirkung! Vergi, dazu Kratzmann, ZRP 1984, 13 ff., 19; ders., Der Staat 29 (1990), 521 ff, 523 f.; zu dieser Problematik bei der Lohnentwicklung siehe Wolfram Richter S. 176. 82 Vergi, hierzu Heun, Die Verwaltung 18 (1985), 1 ff, 18 f., und oben im 2. Kapitel die zu den Fn. 120 und 121 geäußerten Bedenken. 83

Dazu Heun 18; 77mm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 566 und passim.

84

Vergi, oben 2. Kapitel Abschnitt 5.

85 Der Wissenschaftliche Beirat (1984 S. 18 f.) weist allein auf die unterschiedlichen konjunkturpolitischen Vorstellungen hin (Nachfrage- oder Angebotsorientierung). Ehrlicher (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 32) sieht zusätzlich in nicht getilgten Konjunkturdefiziten, die letztlich das strukturelle Defizit verstärken (vergi, oben 2. Kapitel zu Fn. 36), eine Vorbelastung des Kreditkapitalmarktes, von der bei künftigen Konjunkturmaßnahmen Crowding-out-Effekte ausgehen können; ähnlich der Wissenschaftliche Beirat (1984) S. 16. Aus einem anderen Blickwinkel rügt Vanberg (S. 116), daß angebliche Vorteile dubios definierter „Investitionen" mit den erhofften „positiven Einkommens-

3. Kap. : Wirkungen auf Wohlfahrtsfaktoren der Wirtschaft

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beträchtlich verstärkt gezeichnet werden. Denn die möglichen, wenn auch umstrittenen Verdrängungswirkungen sind zu bedenken: Man zieht gewissermaßen an Fäden und weiß gar nicht genau, was man alles mit ihnen bewegt. Hier ist schon die (Fiskal-)Politik selbst unberechenbar. Dagegen wird ein probates Mittel angeboten: „Solange Theorie und Empirie keine eindeutigen Ergebnisse liefern, muß ein optimistischer Kurs eingeschlagen bzw. an ihm festgehalten werden"86. Optimismus ist immer gut, sofern Dritte (hier: die Steuerzahler und die ggf. Herausgedrängten) für die Kosten aufkommen ... Die etwaigen Verteilungswirkungen dagegen mögen von der Steuerpolitik näher bedacht und ggf. sachgerecht konterkariert werden. Sie sind im übrigen mit der eher resignierenden Feststellung zu versehen, daß alles Handeln unendliche Folgen hat und daß die Sorge vor allen ferner liegenden Konsequenzen auch zur Tatenlosigkeit führen kann87. Den Staat schließlich noch als Schuldner für anlagesuchende Gläubiger geradezu herbeizurufen, heißt den Gedanken der „Daseinsvorsorge", zudem der Nachwelt für die Gegenwart, vielleicht doch ein wenig zu weit zu treiben. Der apologetische Charakter dieser Argumentation ist kaum zu übersehen. Die übrige nicht verhinderte - vielleicht gar nicht mehr verhinderbare? - strukturelle Verschuldung ist wegen der über kurz oder lang unweigerlich eintretenden „Spielraumverengung" auf lange Sicht nicht einmal mehr handhabbar. Schon insoweit dürfte ein rigoroser Politikwandel unvermeidlich sein. Berechenbar88 ist danach allein der erforderliche permanente Primärüberschuß zur Ermittlung der Kosten einer zeitlich gestreckten Konsolidierungspolitik89.

und Beschäftigungseffekte(n)" über die Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft hinweg einfach saldiert werden. 86

So Dieckheuer, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 1980, 126 ff., 146.

87

Bisweilen möchte man Keynes zitieren: „In the long run we are all dead", nach ν. Arnim, Staatslehre, S. 490. 88 Wie hier sieht Caesar (Öffentliche Verschuldung, S. 47) die Konsequenz des wachsenden Schuldendienstes als relativ eindeutig an, während er für die weiteren Nebenwirkungen (Verdrängungseffekte, Verteilungswirkungen usw.) eine gleichermaßen ambivalente Beurteilung konstatiert, was ihn den Sinn der ganzen Debatte allerdings keineswegs geringschätzen läßt. 89 Dazu Issing, Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 199, unter Verweisung auf Boss/Lorz. Zum,»Primärüberschuß" und zu vergleichbaren Begriffen vergi, oben 2. Kapitel Abschnitt 7 c, zu den Fußnoten 202 ff.

.

Kapitel

Staatsverschuldung als Staatsaufgabe 1. Staatsverschuldung als Finanzierungkategorie des Finanzstaates Nach diesem Überblick über die bekannten bzw. mehr oder weniger versteckten „Differentialwirkungen" der Staatsverschuldung geht der Blick zurück zunächst auf die grundsätzlichen Möglichkeiten einer Finanzierung staatlicher Aufgaben 1. Es gibt, sozusagen nach dem Lehrbuch, für den Normalfall drei; doch mit einer vierten muß man praktisch rechnen wie mit einem seltenen, aber denkbaren Versicherungsfall: a) Theoretisch wäre es möglich, alle Staatsausgaben per Kredit zu finanzieren und Steuern „nur" hinterher zu erheben, um Zinsen und Tilgung zu bestreiten. Allerdings verlöre der Staatshaushalt weitgehend seine Funktion als Planungs- und Steuerungsinstrument (weniger als demokratisches Kontrollinstrument), denn der Eingang von Steuern ist sicherer als der von Krediten. Wegen des grundlegenden Systemwechsels wird diese Möglichkeit hier nicht weiter verfolgt; die Grundsätze des überkommenen Haushaltsrechts stehen nicht zur Debatte. Das wissenschaftliche Durchdenken eines solchen Verfahrens mag aber nicht uninteressant sein2. b) Untersucht worden ist - und praktiziert wird - eine Art „Mischverfahren", nämlich die grundsätzliche Steuerfinanzierung, ergänzt durch die ihren Ausnahmecharakter langsam verlierende Kreditfinanzierung. Nur hier sind die soeben untersuchten „Differentialwirkungen" festzustellen bzw. als möglich ins Auge zu fassen und - jedenfalls in bezug auf die Kreditfinanzierung - nach den skizzierten Erfahrungen der letzen Jahrzehnte zumindest in Deutschland als wenig vorteilhaft zu charakterisieren. Was einmal mehr oder weniger verboten war, wurde 1967/1969 legal und legitim, beginnt den Ruf der Legitimität aber langsam wieder zu verlieren. Vielleicht wird sich herausstellen, daß vor den „Differentialwirkungen" gewissermaßen „Differentialmotive" stehen, die Grundbedingungen der Verfassung verkennen. c) Zu untersuchen sein wird noch die Finanzierung der Staatsausgaben allein aus Steuern, und zwar als finanzpolitische Alternative zur jetzigen grundgesetzlichen Normierung. Sie könnte sich damit u. a. gewissermaßen als „Prokrustesbett" erweisen für eine über mehrere Jahrzehnte eingefahrene Grundrechtsinterpretation, die eine ganzrigorose Budget-

1 D. h. nach reinem, gewissermaßen „klassischen" Finanzverfassungsrecht, ohne die Aufgabe der Wahrung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (dazu der folgende Abschnitt). 2 Vermutlich wäre das geltende Prinzip der „Nonaffektation" bei Steuern empfindlich berührt. Buchanan denkt die Möglichkeit einmal kurz an, ohne Steuern Geld auszugeben (Verschuldung, Demos und Wohlfahrtsstaat, S. 131).

4. Kap.: Staatsverschuldung als Staatsaufgabe

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restriktion bisher noch nicht erleben mußte. Hier wird ggf. sich herausstellen müssen, was in der politischen Wirklichkeit stärker ist - das „alte Recht" oder der „neue Zwang". d) Aus heiterem Himmel können schließlich besondere Ausnahmeereignisse alle Pläne, Berechnungen und guten Vorsätze über den Haufen werfen. Ein solches einigermaßen unvermutetes Ereignis war und ist die deutsche Wiedervereinigung. Mit ihren gewaltigen Mehrkosten hätte sie in der Vergangenheit wohl das vorsichtigste Budget umgeworfen und den Gedanken an eine Kreditfinanzierung selbst dann wieder lebendig werden lassen, wenn man ihn für die reguläre Haushaltsplanung schon aufgegeben haben sollte. Diese Ausnahmelage wird uns auch in der Zukunft vorerst erhalten bleiben. Eine solche Konstellation wirft die Frage auf, ob das Unerwartete - wie auch Kriege oder große Naturkatastrophen - nicht doch irgendwie erwartet werden und daher bei verfassungsrechlichen Neuregelungen berücksichtigt werden muß3. Die gerade seit 1990 wieder stark wachsende Kreditaufnahme soll vor dem Hintergrund der erarbeiteten Kategorien etwas differenzierter betrachtet werden: Das große und weitreichende Verständnis für die Einmaligkeit der Aufgabe reicht doch nicht so weit, die deutsche Einheit ohne weiteres als Rechtfertigimg für die beängstigende Geschwindigkeit des Wachsens des Schuldenberges anzuerkennen4 und das Fehlen haushaltspolitischer Prioritätensetzung durch unpopuläre steuerliche Umverteilungsentscheidungen einfach zu übergehen5. Gleichwohl fallen die Akzente nicht einheitlich aus: Während etwa Rürup massiv für die zeitlich begrenzte Kreditfinanzierung einer neuen Infrastruktur im Osten mit der Begründung plädiert, die Opportunitätskosten unterlassener einschlägiger Investitionen und der damit verbundenen Wachstumseinbußen wären langfristig höher6, vermissen Wissenschaftler und Praktiker ernsthafte Sparbemühungen in Verbindung mit Steuererhöhungen7. Selbst der engagierte Befürworter eines kreditfinanzierten Wiederaufbaues sieht den bedenklichen derzeitigen „Verschuldungspfad", ja, bei seiner Fortsetzung den 3 Krause-Junk (Wirtschaftsdienst 70 (1990), 607 ff., 610) geht so weit, die Streichung des „außerordentlichen Bedarfs" in der alten Fassung des Art. 115 GG zu bedauern und es als „kleinlich, ja kleinkariert" zu betrachten, das „säkulare Ereignis" der Wiedervereinigung nach dem (womöglich eng auszulegenden) Wortlaut des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu behandeln. Auch Höfling ist bereit, bei der Überschreitung der dortigen Verschuldungsgrenzen die „außergewöhnliche Herausforderung" in Rechnung zu stellen (Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 435 f.). Bei Sturm heißt es: „Verschuldungsgrenzen ... (erscheinen)... wie Ausgeburten eines kleinlichen Krämergeistes" (S. 55). 4 Kitterer, Wirtschaftsdienst 73 (1993), 633 ff., 633. Nach Schätzungen der Bundesbank ist von den ca. 1,2 Billionen DM Gesamtschuldenzuwachs im Zeitraum von 1989 bis 1996 mehr als die Hälfte als vereinigungsbedingt einzustufen, vergi. Bohnet S. 345 f. 5 Sturm S. 52/54. Rürup bedauert, daß das „nationale Hochgefühl" der Wendezeit 1989/90 nicht für ein stärkeres finanzielles Engagement des Steuerzahlers genutzt wurde (Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 41 f.); ähnlich Sarrazin, Sparkasse 110 (1993), 394 ff., 394 f. Krause-Junk hatte dagegen Verständnis für den befristeten Verzicht auf Steuererhöhungen (607 f.). 6 7

S. 45 f.; vergi, auch dens., Zunehmende Staatsverschuldung, S. 63 f., 70 f.

Vergi. Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff., 445; DIW Wochenbericht 61 (1994), 341 ff, 348; Sarrazin 395. Grüske (Staatsverschuldung, S. 276 f.) rügt die nur geringe Bereitschaft, die Ausgaben zu kürzen oder die ordentlichen Einnahmen zu erhöhen; Heinemann seufzt (S. 16): Wenn es nur vorübergehende Mehrausgaben wären!; Issing (Staatsverschuldung als Generationenproblem, S. 200) vermißt den deutlichen Niederschlag eines politischen Willens zur alsbaldigen Rückkehr zur finanzpolitischen Normalität in einem überzeugenden Konsolidierungsplan. Kitterer allerdings beanstandet am Föderalen

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

„Staatsbankrott", und empfiehlt folglich die bereits oben erwähnte Stabilisierung der Schuldenquote, um die „sustainability" 8 zu erreichen 9. Die Unterscheidung zwischen Krediten für allokative und distributive Zwecke 1 0 wird ebenfalls bedeutsam. Es gehört zur durchgehenden Kritik an der Finanz- und Kreditpolitik seit der Wiedervereinigung, daß die gewaltigen Leistungen für den Osten keineswegs nur in Investitionen zur Verbesserung der dortigen Wirtschaftskraft flössen, sondern auch für Transferleistungen und zu konsumtiven Zwecken verwendet würden 11 ; dabei fallt sogar das böse Wort von der „volkswirtschaftlichen Kapitalverschwendung" 12 . Die in diesem Zusammenhang mit getadelten „Erhaltungsinvestitionen" 13 haben zwar häufig starke sozialpolitische Gründe, sind im Prinzip aber eher auf fehlgeleitete Allokation zurückzuführen. A u f nur begrenzte wissenschaftliche Gegenliebe stößt schließlich die durch Art. 115 Abs. 2 GG an sich nur für Ausnahmefalle autorisierte, aber in der politischen Wirklichkeit erheblich angeregte Neigung der Politik, in Sondervermögen mit Sonderhaushalten Schulden unterzubringen, die nicht den Einschränkungen des Abs. 1 unterliegen. Das wohl bekannteste Beispiel war die in ihrer rechtlichen Zuordnung allerding umstrittene Treuhandanstalt14. Gründe der Praktikabilität stehen gegen Einwände der Haushaltsklarheit 15. Die Meinungen

Konsolidierungsprogramm von Bund und Ländern („Solidarpakt"), daß es zuviel Gewicht auf Steuererhöhungen und zuwenig auf Einsparungen gelegt habe (636). 8

Zur „tragbaren" Schuldenquote vergi, oben 2. Kapital Abschnitt 7c) zu den Fußnoten 196 ff.

9

Rürup, Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 46 ff.

10

Siehe oben 2. Kapitel Abschnitt 4.

11

Siehe dazu Lothar Müller, Wirtschaftdienst 73 (1993), 121 ff., 124 (er rügt auch die bloße „Industrieerhaltung"); Wolfram Richter S. 183 f.; Rürup, Zunehmende Staatsverschuldung, S. 70 f.: über die Hälfte der aufgenommenen Gelder wird nicht in Realkapital transformiert, sondern konsumtiv verwendet; ders., Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 51; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 259 f.: zu großzügige Auslegung des Investitionsbegriffes; Betmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 8 f. (beanstandet die Schuldenausweitung zur Finanzierung von Einkommens- und Sozialtransfers und für bloße Erhaltungssubventionen). 12

Bei Rürup, vergi. Fn. 11.

13

Vergi, in Fn. 11 L. Müller und Tietmeyer.

14

Eine Zusammenstellung findet sich bei Bröcker (S. 164 ff. - einigungsbedingte Sondervermögen - , zum Charakter der Treuhandanstalt siehe S. 168 f.), Achim Hering S. 168 ff., 219 ff. (zu den speziell einigungsbedingten Sondervermögen vergi. S. 232 ff. und zur Treuhandanstalt S. 265 ff.) und bei Sturm (S. 51 ff.). Vergi, dazu auch Stern, WDStRL 52 (1992), 170 (Aussprache): Der Begriff „Sondervermögen" war für seine Verwendung bei der Vereinigung sicher nicht gedacht. 15

Das Pro und Contra wird etwa dargestellt unter der Überschrift „Verliert das Schicksalsbuch der Nation an Aussagekraft?" (Wirtschaftsdienst 70 (1990), 387 ff.) in Stellungnahmen von Carstens (387 ff), Matthäus-Maier (389 ff.) und Mackscheidt (391 ff.). Gegen die „Nebenhaushalte" weiter Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 443 mit Fn. 88; Achim Hering S. 194 f., 198 f., 241ff. (m.w.N.), 284 f. (wenn es vorrangiger Zweck eines Nebenhaushaltes ist, „Schulden aus dem Haushalt herauszuhalten" bzw. wenn bei Kreditaufnahmen durch das Sondervermögen die Kreditbegrenzungsregel des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1 Hs. GG ausgehöhlt wird); Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 335; ders., Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 436; Ferdinand Kirchhof WDStRL 52 (1992), 71 ff, 102 ff, 103 („Selbstentmachtung des Parlaments"); Seeler, Recht und Politik 1995, 195 ff, 197.

4. Kap.: Staatsverschuldung als Staatsaufgabe

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können sogar in derselben Person geteilt sein16: Für die politische und administrative Kontrollfunktion sind die Budgetgrundsätze am besten geeignet, für die volkswirtschaftliche Lenkungsfunktion dagegen weniger. Was 1989/90 „kleinkariert" oder wie ein Ausdruck von „Krämergeist" erschien, hat zehn Jahre später vermutlich einen anderen Stellenwert. Beckmesserei bleibt jedoch nach wie vor wenig angebracht, und Extremsituationen wie die Wiedervereinigung werden immer viele - wenn nicht alle - Budgetausgleichssicherungen durchschlagen lassen17.

2. Staatsverschuldung als Staatsaufgabe und Finanzierungsinstrument des Wirtschaftsstaates a) Verschuldung als Komponente der Staatsaufgabe nach Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 1 GG Es ist unvermeidlich, selbst das finanz- und volkswirtschaftlich begründete Unwerturteil über eine Kreditfinanzierung wegen etwa entgegenstehender grundgesetzlicher Vorgaben erneut zu überprüfen. Das Grundgesetz hat nämlich mit der Änderung des Art. 109 - und ergänzend der des 115 Abs. 1 - zu Zeiten der Großen Koalition 1967 und 1969 die Sorge der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern für das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" und damit für das Blühen und Gedeihen der Wirtschaft zu einer Staatsaufgabe von Verfassungs wegen18 erhoben. Dabei wurde, wie oben in der Skizzierung der Konjunkturpolitik schon daigelegt, die Kreditfinanzierung als Mittel der Aufgabenerfüllung durch den systematischen Zusammenhang zwischen beiden Normen und durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2.Hs. GG sogar ausdrücklich ergänzend eingeführt und zugleich begrenzt19. Höfling hat daher erklärt, „daß das staatsschuldenverfassungsrechtliche Begrenzungssystem auf den jeweiligen Stand der Konjunktur als eine zentrale Kategorie der Schuldenpolitik verweist" 20. Das war wohlrichtig, ist aber insofern nicht mehr vollständig, als das gesamt16 So bei Mackscheidt 393 f. Sturm spricht von „Übergangsfinanzierungen und Finanzierungskompromissen" (S. 55). Für Höfling ist Art. 115 Abs. 2 GG eine „Schwachstelle" in der Verschuldungsbegrenzung (Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 436). 17 Die Lektüre selbst der moderat formulierten neuesten Jahresgutachten des Sachverständigenrates bleibt wenig erfreulich: vergi. Jahresgutachten 1995/96 Tz. 177 ff.: „Öffentliche Finanzen: Kein Konsolidierungsfortschritt..."; Tz. 182: „... fortgesetzter Rückgang bei den investiven Ausgaben ..."; Tz. 187: Auflistung der Mrd.-Verbindlichkeiten der Sondervermögen; Jahresgutachten 1996/97 Tz. 156 ff.: „Gebietskörperschaften unter hohem Konsolidierungsdruck"; Tz. 157: Wiederanstieg des strukturellen Defizits; Tz. 160: Rückgang der Sachinvestitionsquote, ausgenommen die ostdeutschen Länder; Jahresgutachten 1997/98 Tz. 184 ff.: „Öffentliche Finanzen: Ohne klare Linie". 18 Nach £/r&(DVBl. 1984,745 ff., 746) sogar eine wirtschaftspolitische Staatszielbestimmung; so auch Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 120. 19

Dieser Zusammenhang zwischen den beiden Normen ist heute unbestritten. Hierzu und zu den „Eckdaten des Begrenzungssystems" vergi, daher nur die Zusammenstellung im einführenden Urteil des BVerfG (E 79,311 f., 333 ff). 20

So Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 423. Vergleichbar formulierten: Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 55: „Konjunkturpolitische Direktive"; Beyfuss 7 Kratzmann

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

wirtschaftliche Gleichgewicht sich keineswegs auf alle Zeiten nach dem Kenntnisstand der späten sechziger Jahre ausrichten und sich folglich allein in § 1 Satz 2 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes (mit dem sog. „magischen Viereck") gewissermaßen authentisch wiederfinden muß. Seine nach damaliger Auffassung entscheidenden und nicht zuletzt durch die Fiskalpolitik regulierbaren Teilziele - Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum - sind zwar nach überwiegender Auffassung auch heute noch die maßgeblichen Komponenten, schließen aber weitere Ziele und vielleicht sogar andere Akzente für die Zukunft nicht aus. Art. 109 Abs. 2 GG ist somit durchaus offen für neue Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften 21. Da wird das Fehlen ökologischer Aspekte im „magischen Viereck" bedauert22; Maunz erstreckte die allseits bekannte „Globalsteuerung" ohne weiteres auf die Wachstums- und Strukturpolitik 23, und Mahrenholz sieht weitergehend eine nachlassende Bedeutung der Budgetpolitik (fiscal policy) und dafür möglicherweise die Einbeziehung von Verteilungs-(Distributions-) oder Bedarfsdeckungs-(Allokations-) Gesichtspunkten24. Für Stern stand die gesamtwirtschaftliche Funktion des Budgets gleichfalls nicht allein im Dienste der Konjunkturpolitik 25. Schuldenstrategisch wären für erweiterte Ziele aber Defizite angebracht, die oben als strukturelle bezeichnet wurden. Doch diese Differenzierungen sind hier nachrangig gegenüber der immer noch gültigen Feststellung, daß das Grundgesetz für die Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine zielgerichtete Schuldenpolitik nicht ausschließt, sie vielmehr ausdrücklich vorsieht.

S. 17 f.: „Das (!) konjunkturpolitische Primat der Finanzpolitik hebt somit sämtliche finanzwirtschaftlichen Grenzen der Staatsverschuldung auf..."; zurückhaltender Bröcker S. 229 (Finanzpolitik als lenkendes Steuerungsmittel des konjunkturellen Geschehens); ähnlich Scheuner, Die Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, S. 109,123. 21

So BVerfGE 79,311 ff., 338 f. (derzeit kann noch auf § 1 Satz 2 StWG zurückgegriffen werden); Arndt, JuS 1990, 343 ff., 343 f. (mit erheblicher Skepsis gegenüber dem Wirtschaftswachstum); Bleckmann, JuS 1991,536 ff., 540; Heun S. \2\; Mahrenholz Rn. 28 f. zu Art. 109 (betont stärker die fehlende Bindung der Interpretation an § 1 Satz 2 StWG); Maunz Rn. 25 zu Art. 109; Jarass Rn. 6 zu Art. 109; Vogel/Wiebel Rn. 80 ff. zu Art. 109 (die sich allerdings weitgehend vom Stabilitäts- und Wachstumsgesetz lösen und § 1 Satz 2 allenfalls für eine „erste, vorläufige Orientierung" nutzen wollen, Rn. 84). Höfling stellt allgemein fest, daß selbst die Umsetzung ökonomischer Lehrmeinungen in geschriebenes Recht nicht die Absegnung dahinterstehender ökonomischer Prämissen und Implikationen bedeutet, so: Verfassungsfragen, S. 22 f.; Der Staat 29 (1990), 255 ff., 271 f.; Staatsschuldenrecht, S. 4. Die Gefahr ist zwar nicht von der Hand zu weisen, aber maßgebend sind für den Verfassungsrechtler primär der Normtext, welcher auch nationalökonomische Begriffe in den „Aggregatzustand des Rechts" (Isensee, Schuldenbarriere, S. 709; Würdigung der Schuldengrenze, S. 116) übernimmt, und die in ihm angelegte und aus ihm herauslesbare wirtschafts- und finanzpolitische Offenheit. 22

Vergi. Arndt 344; siehe weiter Bleckmann 540.

23

Rn. 36 zur Art. 109; vergi, auch Rn. 35.

24

Rn. 29 zu Art. 109. Vergi, auch schon oben die in Kapitel 2 Fn. 57 Genannten.

25

Staatsrecht Π, S. 1199: „... auch im Dienste der Wachstums-, Struktur- und Einkommens(iim)verteilungspolitik...".

4. Kap.: Staatsverschuldung als Staatsaufgabe

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b) Verschuldung als Kompetenz oder als Machtausübung Der „Verfassungsauftrag der staatlichen Wachstumsvorsorge"26 macht die Kreditfinanzierung zusätzlicher Staatsausgaben in bestimmter Konstellation sozusagen zum Mittel für einen guten Zweck. Diese Tendenz wird unterstrichen dadurch, daß der maßgebliche Art. 109 Abs. 2 GG geprägt ist durch die Sozialstaatsverpflichtung des Grundgesetzes (gemäß Art. 20 Abs. 1,28 Abs. 1 Satz 1 GG): Die optimale Nutzung der Produktivkräfte und die Sicherung eines angemessenen Wirtschaftswachstums sind wesentliche Voraussetzungen für individuelle Freiheit, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Fortschritt 27. Diese gleichsam „funktionelle" Verschuldung steht somit neben der in diesem Kapitel nicht interessierenden Kreditaufnahme als Instrument der ergänzenden Bedarfsdeckung im Sinne der traditionellen Haushaltswirtschaft 28, wobei ganz zwangsläufig und nach überwiegender Auffassung 29 die Deckung des Staatsbedarfs im Vordergrund steht. Indes ist die Staatsverschuldung im Gravitationsfeld des Art. 109 Abs. 2 GG etwas genauer und exakter ins Auge zu fassen. In ihr verknüpfen sich in Wahrheit zwei hintereinandergestaffelte staatliche Aufgaben: Sie erfüllt zuerst gemeinsam mit anderen Instrumenten die Pflicht zur Wachstumsvorsorge, zur Pflege, Förderung und Austarierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Sodann ist sie in diesem Rahmen unter bestimmten wirtschaftlichen Konstellationen Ausdruck der „Pflicht zum staatlichen Opfer", zum Zahlen mit kreditweise erworbenen Mitteln aus dem „Differentialmotiv" dieser Finanzierungsart heraus, nämlich dem Gewinn und der anschließenden Verwendung von Finanzierungsmitteln zugunsten der Gesamtwirtschaft ohne vorherigen zwangsweisen Entzug dieser Mittel beim Bürger. Die erste Aufgabe, die Globalsteuerung der Volkswirtschaft, teilt sie mit den Aufgaben des „modernen Finanz- und Steuerstaates" schlechthin, der dabei wieder einmal das „Gesetz der wachsenden Staats26 Friauf, Staatskredit (§ 91), Rn. 9 (nach H. P. Ipsen); so auch Höfling, Verfassungsfragen, S. 20. Nach Maunz ist allerdings das Wirtschaftswachstum nicht primär eine der Zielkomponenten, sondern ständige Bedingung für alle Wirtschafts- und Finanzpolitik (Rn. 27 zu Art. 109). 27 So im wesentlichen wörtlich Brenner/Haury/Lipp, Finanzarchiv 38 (1980), 236 ff., 239; zur Maßgeblichkeit des Sozialstaatsprinzips auch Maunz Rn. 28 zu Art. 109. Deutlicher noch Höfling S. 20: Es wäre „interpretatorisch völlig abwegig, wollte man der Verfassung Abstinenz zugunsten eines sich ausschließlich selbst regulierenden Wirtschafts- und Sozialmodells unterstellen und den Staat auf ein bewußtes Desinteresse an... Vollbeschäftigung ... und Wirtschaftswachstum verpflichten". Das wiederum ist über das Ziel hinausgeschossen, da mit der Skepsis gegenüber der Staatsverschuldung nicht schon zwangsläufig die erwähnte „Abstinenz" vermacht sein muß. 28 Zur „Doppelfunktion des Haushalts" vergi. BVerfGE 79,311ff., 331 f.; Friauf Rn. 18: „Der klassischen Bedarfsdeckungsfunktion des Staatskredits (wie des öffentlichen Haushalts in seiner Gesamtheit) wird ... eine wirtschafte- bzw. konjunkturpolitische Gestaltungsfunktion zur Seite gestellt". Ähnlich Birk, DVB1.1984,745 ff, 746; Fischer-Menshausen Rn. 9a zu Art. 109 (ökonomische Budgetfunktion neben der bedarfsdeckenden); Stern S. 1196 ff. (erwähnt auch noch die „Kontrollfunktion"). 29 So Fischer-Menshausen Rn. 1 la zu Art. 109; einschränkend weist auch Paul Kirchhof auf die vorrangige Aufgabe des Haushaltsplanes hin, den laufenden Staatsbedarf zu decken, weshalb er für eine Stabilisierungspolitik nur bedingt genutzt werden könnte (NVwZ 1983, 505 ff., 506). Ähnlich Reiner Schmidt S. 314; weiter Maunz Rn. 32 zu Art. 109: Konjunkturbeeinflussung nicht überschätzen, Haushalt ist weitgehend festgelegt; Neck (Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 88 ff, 89) für Österreich (wie Maunz). Den Vorrang der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse vor dem „nur" haushaltswirtschaftlichen Bedarf i. e. S. bejaht dagegen Karehnke (DÖV 1973, 393 ff, 394 f.).

7*

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

tätigkeit" erfüllt, oder besser: unter Beweis stellt30. Die zweite (Unter-)Aufgabe dagegen „überfordert" gewissermaßen noch den „Steuerstaat", weil sie seine Instrumente bewußt nicht in Anspruch nimmt. Zu betrachten sind zunächst staatliche Globalsteuerung und Wachstumsvorsorge. Diese zergliedern sich nach vielfältiger Ansicht in zwei unterschiedlich strukturierte Pflichten, nämlich die Kompetenz des qualitativ mächtigen Staates zur gleichgewichtsfördernden Planung, Regulierung, Steuerung, Anreizgewährung, auch Bremsung,31 und die Aufgabe der öffentlichen Hand als des quantitativ mit Abstand größten Faktors in der Volkswirtschaft, allein ihrer schieren Größe und ihrem bloßen Gewicht Rechnung zu tragen und zur Schonung und Unterstützung des privatwirtschaftlichen Sektors der Gesamtwirtschaft sich eben nicht zu benehmen wie der sprichwörtliche „Elefant im Porzellanladen". Wie unabhängig - oder allenfalls: bestätigt - von rechtlichen Normierungen scheinen dem Staat, scheinen den Haushalten der „öffentlichen Hand" schon aus dem faktischen Gewicht und der unleugbaren Bedeutung ihrer Finanzvolumina Verhaltenspflichten und Regelungsbefugnisse zuzuwachsen32. Trefflich bescheibt Wagner33 den Wandel: „Der Haushalt war lästiger Kostgänger der Wirtschaft; inzwischen ist er ihr Mitregent geworden". Noch unübersehbarer ist die Anrufung der bloßen Faktizität in dieser Schlußfolgerung: „Die Etats sind im Verhältnis zur Belastung des Bruttosozialprodukts in Größenordnungen hineingewachsen, die einen immer stärkeren Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ermöglichen oder bedingen. Damit stand dem Staat ein Steuerungsmechanismus besonderen Ausmaßes zur Verfügung. Heute zählen Konjunktur- und Wachstumspolitik zu den zentralen Aufgaben des freiheitlichen Staates"34. Man sieht die Lage immerhin auch anders35, und man fürchtet sogar die Aufgabe der Zurückhaltung: „(Es) wird ein Staat, der

30

In diese Sinne Isensee, Steuerstaat, S. 410,414 f.

31

Friauf WDStRL 27 (1968), 1 ff., 10: „Hier wird zum ersten Mal eine Norm der Finanzverfassung (gemeint: Art. 109 Abs. 2 GG) ausdrücklich in den Dienst eines wirtschaftspolitischen Zwecks gestellt". Vergi, weiter 11 ff. (Erscheinungsformen der Wirtschaftsbeeinflussung). 32 Diese Argumentation „von der Größe her" findet sich in unterschiedlicher Ausprägung, vergi. Friauf (4): „Man hat allmählich einzusehen gelernt, daß es reine Utopie wäre, an einen »neutralen" Staatshaushalt zu glauben, wenn - wie heute in der Bundesrepublik - mehr als 40 % des Volkseinkommens durch öffentliche Kassen fließen". Weiter Janson, ZRP 1983, 139 ff., 140: Bedingung für die Keynesschen Hypothesen ist die Anerkennung des Staatshaushaltes als relevanter Wirtschaftsfaktor; Schmitz S. 165: Anteil der öffentlichen Hand am Wirtschaftsgeschehen ist zu groß geworden (primär auf Österreich bezogen); Tietmeyer (Grenzen der Staatsverschuldung, S. 2) weist auf „das schiere Gewicht" der öffentlichen Haushalte und Nebenhaushalte hin, die den Rahmen privatwirtschaftlichen Handelns bestimmen; Vogel/Wiebel Rn. 87 zu Art. 109: Den Haushaltswirtschaften kann die Förderung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nur deshalb zur Aufgabe gemacht werden, weil heute Privatwirtschaft und öffentliche Haushalte ... eine umfassende „Gesamtwirtschaft" bilden; BVerfGE 79, 311 f., 329: „Der Staatshaushalt ist wegen seines Umfanges ein gewichtiger Faktor für das Wirtschaftsleben und kann als konjunktursteuerndes Instrument eingesetzt werden"; siehe auch 331 f. 33

WDStRL 27 (1968), 47 ff., 62.

34

Piel/Simmert

35

S. 58.

Die Begrenztheit staatlichen Einwirkungsvermögens führt Fischer-Menshausen auf den Wortlaut des Art. 109 Abs. 2 zurück (Rn. 13 zu Art. 109). Zurückhaltend auch Lang/Koch S. 79: Der Staat ist zwar ein bedeutender Nachfrager auf dem Geld- und Kreditmarkt; seine Kreditaufnahme ist aber nur

4. Kap.: Staatsverschuldung als Staatsaufgabe

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die Hälfte des gesamten Kreditvolumens der Gesellschaft beansprucht, eine andere, problematische Wirtschafts- und Zinspolitik betreiben, weil er nicht nur im Gemeinwohl-, sondern auch im egoistischen Schuldnerinteresse handelt"36. Der Widerstand gegen die desinteressierte Haltung des „Unbeteiligtseins" sowie eine Sicht, die den „neutralen" Staat als Utopie bezeichnet und sein Engagement in der Wirtschaft, seine wirtschaftspolitische Verantwortung als unvermeidlich betrachtet, sind das eine, das heute Unbestrittene. Mit der Qualifizierung der Debatte um die Staatsverschuldung als „Stellvertreterkrieg" und als „ideologiebefrachtet" greift die Argumentation aber weiter 37, und es kommt sogar ein Ansatz zur Tabuisierung ins Spiel. Doch Tabus werden durch Krisensituationen (wie heute) und Argumente gebrochen: Schiere Größe besagt wenig Spezifisches und Präzises. Sie ist nach aller historischen Erfahrung eher Anlaß für rechtliche Eingrenzungen als Grund für rechtliche Schlüsse, erst recht nicht für solche nach der Art: Wer da hat, dem wird noch mehr gegeben. Das Volumen und das wirtschaftliche Gewicht der zur „öffentlichen Hand" vereinten Haushalte werden nicht bestritten; sie spiegeln aber nur die „Staatsquote" wider, die nicht zuletzt durch die Ausweitung der Verschuldung als Ergebnis politischen Willens erreicht oder erzielt worden ist 38 . Aus diesem hohen Staatsanteil folgt wiederum allenfalls, daß die verschiedenen Budgets mit ihren erheblichen Schuldenvorbelastungen ganz gewiß ein Problem für die Steuerzahler und - vorsichtig formuliert - sogar einen Unsicherheits- und potentiellen Störfaktor für ihr wirtschaftliches Umfeld bilden39. So tritt die „öffentliche Hand" wie ein „Halbstarker" auf und legt es damit gerade nahe, ohne Tabus die politische Debatte darüber einzuleiten, ob die „Staatsquote" zu hoch und der Staat überfordert ist und ob daher zur Problemminderung die Folgen, d. h. die Schuldenberge, abgebaut werden sollten. Diese Diskussion wäre „ideologisch" nur bei einem sehr einseitigen Verständnis von „Verschuldungspolitik", nämlich eben dann, wenn sie verhindern wollte, die oben behandelten negativen Wirkungen der anhaltenden Kreditaufnahme gegen diese und gegen die derzeitige „Staatsquote" ins Feld zu führen. Konstruktiv gibt die „schiere Größe" dagegen nichts her. Aus dem „Sein" der öffentlichen Haushalte sind bestimmte, gleichsam „selbstreferentielle" Schlüsse auf die Wirkungen dieses „Seins" nicht zu ziehen, sind rechtliche Konsequenzen in bezug auf die Erhaltung, Verbesserung oder gar Verschiebung der prekären Balance zwischen Staatsanteil und „freier" Wirtschaft und damit in bezug auf Art. 109 Abs. 2 GG nicht abzuleiten. Sonst könnte der finanzpolitische Drang nach Größe sich gewissermaßen von Verfassimg wegen mit Hilfe eine Komponente der geld- und kreditpolitischen Entwicklung. Eher rechtlich formuliert Mahrenholz die Situation (Rn. 30 zu Art. 109): Die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern ist „von Verfassungs wegen als Faktor der Gesamtwirtschaft gekennzeichnet". 36

Ferdinand Kirchhof,

37

Dazu siehe 2. Kapitel Abschnitt 8 zu den Fn. 231 ff.

DÖV 1997, 749 ff., 750 f.

38

Hier ist nicht mehr die „Differentialinzidenz" der beiden Einnahmearten von Interesse, sondern die „Budgetinzidenz" gemeint, nämlich die Verlängerung des Budgets auf beiden Seiten (d. h.: Einnahmen und Ausgaben), vergi, ζ. Β. Gandenberger, Finanzarchiv 29 (1970), 1 ff, 3. 39 Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667ff., 668: „Das Ausmaß der Konjunkturschwankungen und die Zyklendauer sind nicht exogen, sondern sie sind u. a. abhängig von den jeweils verfolgten Politikansätzen".

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

dieser Norm sein eigenes schuldenpolitisches Antriebswerk zur kontinuierlichen Absicherung und womöglich weiteren Potenzierung eben dieser (jeweiligen) Größe produzieren - was zwangsläufig irgendwann im Zusammenbruch enden muß. Eine so verstandene „Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" widerspricht allem, was uns als eingrenzende, machtkontrollierende Funktion einer Verfassung geläufig und vertraut ist. Sie ist nicht legitim - und daher verzichtbar. Es bleibt die schlichte wirtschaftspolitische Pflicht des Staates, als Wohlfahrtsgarant auch mit Hilfe des Budgets die allgemeine Wohlfahrt zufördern. Wenngleich in Art. 109 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich normiert, muß ein Fragezeichen sogar hinter sie gesetzt werden - vorerst nur rechtspolitischer Natur verständlicherweise, da die Sicht hier von der Verfassungsökonomik bestimmt wird. Der Grund für diese Skepsis liegt eben in der verfassungsrechtlichen Qualität dieser Pflicht. Es wurde mit mathematischer Unabweisbarkeit gezeigt, daß in einer Welt endlichen Wachstums, unentrinnbarer Zinszahlungen und unvermeidlicher Rezessionen der Schuldendienst anhaltender Kreditaufnahmen zur Erdrosselung der öffentlichen Haushalte führen muß. Es wurde weiter dargelegt, daß die Gefahren von ungewollten Negativfolgen, vor allem von Verdrängungswirkungen (Crowding-out), zumindest nicht auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. Noch zurückhaltender und vorsichtiger formuliert ließe sich sagen: Es ist mehr zwischen Himmel (der Wohlfahrt) und Erde (der Finanzpolitik), als sich ein einseitiges Keynesianergemüt vorzustellen vermag. Wäre die Pflicht zur Wachstumsvorsorge eine politische und bloß von einem einfachen Gesetz vorgeschrieben, so wäre diese Kompetenz erträglich. Sie könnte aufgrund von Wahlen und neuer Gesetze jederzeit korrigiert werden. Ein Verfassungsauftrag dagegen ist weniger leicht zu beseitigen, und die Frage muß gestattet sein, ob die Verfassung den Bürgern und Wirtschaftssubjekten diese Risiken oder vielleicht sogar Nachteile mit der ihr anhaftenden Verbindlichkeit eigentlich zumuten darf 40. Eine der öffentlichen Wohlfahrt verpflichtete oberste Norm sollte diesen inkonsistente Resultate geradezu herausfordernden Inhalt schwerlich haben41. Wenn „bei Eingriffen in das komplexe gesellschaftliche Verbundsystem mögliche ... Dominoeffekte zu bedenken (sind)", muß der Staat eher Zurückhaltung üben42. 40 Ein eher noch allgemeines Unbehagen äußerte Friauf WDStRL 27 (1968), 1 ff., 2: „Es ist eine Wechselbeziehung zwischen dem öffentlichen Finanzwesen und der Gesamtwirtschaft entstanden, die beide in eine nicht mehr zu lösende Abhängigkeit voneinander gebracht hat". Deutlicher wird Miegel (S. 222): Die Politik ist außerstande, für Wachstum, Arbeitsplätze, hohe Renten, die Sicherung der Zukunft u. a. m. zu sorgen. Weiter meint Irmler (S. 137), daß es praktisch unmöglich sei, dem Staat bzw. der Wirtschafts- und Geldpolitik die Verantwortung für stetiges Wirtschaftswachstum und konstante Vollbeschäftigung ... aufzubürden. Dreißig fragt, ob es für das Ansehen einer „auf Dauer angelegten Verfassung" nicht besser wäre, wenn sie nicht mit einem so allgemein gehaltenen, von entgegengesetzten Ansichten besetzbaren Gebot befrachtet wäre (Verschuldungsgrenzen, S. 103). 41 Da konnte dann schon die Meinung geäußert werden, daß die Neuverschuldung des Jahres 1975 finanzwirtschaftlich nicht mehr vertretbar, aber ökonomisch notwendig war, so Günter Berg, Wirtschaftsdienst 55 (1975), 569 ff., 574; ähnlich klingt das selbst noch in: DIW Wochenbericht 61 (1994), 341 ff., 348 mit 349. Wie erinnerlich mochten sich viele Befürworter einer „aktiven" Schuldenpolitik trotz Kenntnis akuter oder potentieller Gefahren für die langfristige Solidität der Haushaltswirtschaft letztlich doch nicht zu einem Verdikt gegen diese Politik durchringen. 42 Womit einem Aspekt des Subsidiaritätsprinzips aus gegebenem Anlaß das Wort geredet wird; hierzu Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft (§ 28), Rn. 51 ff., 53. Paul Kirchhof (Ve r-

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c) Verschuldung als Finanzierungsinstrument außerhalb des Steuerstaates Eine konkrete Ausformung der verfassungsrechtlich auferlegten Wachstumssorge steht hier letztlich im Vordergrund des Interesses. Es ist die „Pflicht zum Opfer", d. h. zur Verschuldung und damit zur Selbstbelastung selbst dann, wenn eine Steuererhöhung vielleicht auch den gewünschten Mittelzufluß gewährleisten würde, sie aber - weil „prozyklisch" Nachfrage vernichtend - eben gerade konjunkturpolitisch nicht erwünscht ist. Dargebracht wird das Opfer jedenfalls nach den Vorstellungen der sechziger Jahre der Konjunktur der Gesamtwirtschaft, deren gleichmäßig fortschreitender Entwicklung ggf. von Staates wegen nachzuhelfen ist. Die bisherige Untersuchung hat bereits genügend Anlaß gegeben, diese Rolle der Staatsverschuldung in Zweifel zu ziehen. Die Erstreckung der Globalsteuerung auf die Wachstumsund Strukturpolitik mag dabei noch mit viel Nachsicht von der offenen Erhöhung der „Staatsquote" durch strukturelle Verschuldung zu trennen sein. Doch gerade die reine ursprüngliche Fiskal-(Konjunktur-)Politik ist in eben ihrer Funktion als „Dienstleistung" des Staates zugunsten der Gesamtwirtschaft kritisch zu hinterfragen. Das gilt speziell für den in Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. Hs. GG geregelten Ausnahmefall einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", zu deren „Abwehr" sogar Kredite zu nichtinvestiven Zwecken aufgenommen werden dürfen 43. Sieht man genau nach, wer dabei eigentlich wem hilft, muß man feststellen: Es handelt sich hier um ein „Opfer" des Staates, der abstrakten, überdauernden Gemeinschaft einschließlich - und vornehmlich - zukünftiger Bürger, nicht jedoch um ein Opfer der konkreten lebenden Generation. Deren Bürger werden just von einer sofortigen und unmittelbar wirkenden Steuererhebung verschont; um ihrer derzeitigen konjunkturellen Wohlfahrt willen lasten vielmehr sie künftigen Generationen die Tilgung der von ihnen eingegangenen Schulden auf. Deren sofortiger Abtrag nach Überwindung der Wachstumskrise darf, wie oben gezeigt, kaum erwartet werden; die zeitlich begrenzte, rein instrumental geplante Wirkung der konjunkturellen Verschuldung bleibt ein Traum. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), bezogen auf das Verhältnis der Generationen untereinander, ist diese Lösung außerordentlich problematisch44. Selbstverständlich gibt es Argumente zur Unterstützung des sachlichen Gehalts dieser Ausnahmenorm. Mußgnug erläutert sehr plastisch: „Drum halten wir es auch im privaten Bereich mit der Bauernregel »Kredit nur für Investitionen4. Wer ohne gesichertes Einkommen auf Pump in die Ferien reist, gilt zu Recht als Taugenichts. Die Dinge sehen jedoch fassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 35) beanstandet: „Diese Verpflichtung auf das Ziel eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist allerdings nicht durch die Benennung der notwendigen stabilisierenden Mittel auf die übrigen Verfassungspflichten abgestimmt". 43 So auch BVerfGE 79,311 ff., 341 ; dazu die zustimmende Anmerkung von Jarnsen, DVB1. 1989, 618 f., 618. 44

So ausdrücklich Henseler, AöR 108 (1983), 489 ff., 512 f.: Mit dem 2. Halbsatz des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG hat die Verfassung erstmals die Sicherung von Interessen der Gegenwart als alleinige Legitimation bewußter Zukunftsbelastung anerkannt. Die Erhaltung des (heutigen) gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gilt als sachlicher Grund, um die gegenwärtige Generation zum Nachteil künftiger Generationen zu bevorteilen; so auch Grüske, Staatsverschuldung, S. 282.

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anders aus, wenn die Reise auf Pump zur Wiederherstellung der Gesundheit und Arbeitskraft angetreten werden muß" 45 . Dieser Vergleich ist aber nur bedingt treffend, weil drei Einschränkungen angebracht sind: Wer sich durch ungesunden Lebenswandel krank gemacht hat, wird auf das angebotene Verständnis kaum stoßen. Das Haushaltsgesetz 1981 ζ. B., welches den Gegenstand des einleitenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts bildete und sich u. a. auf den genannten 2. Halbsatz (von Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG) gestützt hatte, war natürlich die Fortsetzung der Haushaltsgesetze der siebziger Jahre, in denen, wie gezeigt, nach überwiegender Auffassung „viel gesündigt worden war" und in denen auch die „Schuldenexplosion" stattfand 46. Das Bundesverfassungsgericht ging auf einige mögliche Ursachen ein, zog sich dann jedoch auf die taktvollen Sätze zurück: „Allerdings kann und muß der Haushaltsgesetzgeber jeweils von den konkret für ihn gegebenen Bedingungen ausgehen und sein Handeln danach einrichten. Gibt es Versäumnisse früherer Haushaltsgesetzgeber, muß er mit deren Folgen leben .. ," 4 7 . Der Vergleich zwischen dem Staat und dem (einen) Kranken ist dann unpassend, wenn - wie hier - „der Staat" in die verschiedenen Generationen aufgelöst wird, die er in der Zeitabfolge jeweils verkörpert. Der Vergleich wäre somit realitätsnäher, wenn sich die Familie des Kranken für seine Reise verschulden müßte. Würde dieser ihr das wirklich zumuten wollen? Es darf füglich in Frage stellt werden, ob die Ausnahmeverschuldung wirklich der „Gesundung" des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts dient. So wie eine „Reise" noch keine strenge „Kur" sein muß, ist die Bezugnahme auf den Störungsfall des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. GG dann wenig glaubwürdig, wenn „die entsprechenden haushaltsgesetzgeberischen Erläuterungen und Rechtfertigungen in der Zwischenzeit schon zu einem deklamatorischen Ritual denaturiert" sind48. Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit zwischen den Generationen jedenfalls bleibt die Bevorzugung der Gegenwart wegen deren konjunktureller Wohlfahrt schwer verständlich. d) Verschuldung als normersetzende Wohlfahrtssteuerung Nach dem Vorhergehenden ist die Staatsverschuldung von einer schlichten Finanzierungskategorie, derer sich der Staat nach den Regeln der bis 1967/69 herrschenden klassischen Finanzwirtschaft zur Erreichung seiner anderweitig vorgegebenen oder gesuchten Ziele bediente, zu einer verfassungs- und staatszielunmittelbaren finanzwirtschaftlichen Tätigkeitsform aufgerückt. Sie ist, durch die Kombination von Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 45

Staatsüberschuldung, S. 71 f.

46

Vergi. 2. Kapitel 2. Abschnitt Fn. 16.

47

BVerfGE 79, 311 ff., 340.

48

So Höfling, Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 433. Zu den Schwierigkeiten der Begründung für die Heranziehung dieser Norm konkret im Nachtragshaushalt 1997 etwa vergi. Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff., 669 ff.; Hüther, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 757 ff., 760 f.

4. Kap.: Staatsverschuldung als Staatsaufgabe

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Abs. 1 Satz 2 GG bedingt49, Instrument, Aufgabe und zugleich unmittelbarer Faktor zur Erreichung des Verfassungszieles - des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Denn ihr Einsatz wirkt ohne Einschaltung zweckvermittelnder und zielumsetzender Normen direkt auf die Gewichte ein, die das Gleichgewicht herstellen und - wie allemal im Wirtschaftsleben: befristet - erhalten. Wird das Ziel verfehlt, verfallen zugleich auch Instrument und Aufgabe als verfehlt dem Unwerturteil. Wenn aber der Haushaltsgesetzgeber - durch die beiden Artikel als Kompetenznormen ermächtigt - unmittelbar steuert, geschieht das, was Friauf als das immer stärkere Hineinwachsen des staatlichen Finanzwesens mit seinen spezifischen finanzpolitischen Mitteln in eine Komplementär- oder gar Ersatzfunktion anstelle des Rechts beklagt50. Das Vordringen von „Normersatz" macht sich auch in der Haltung vor allem der Wissenschaft gegenüber dem Regelungsgehalt des Art. 109 Abs. 2 GG bemerkbar. Wenn schon das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nur ein Prozeßergebnis wirtschaftlicher Entwicklungen - sei es der im Stabilitätsgesetz genannten, sei es auch weiterer - sein kann, so ist ein Normgehalt bestenfalls hinsichtlich des Verfahrens und der Gleichgewichtsfaktoren denkbar. Entsprechend bescheiden sind auch die wissenschaftlichen Resultate; man könnte noch präziser sagen: Sie sind bescheidener geworden. Tapfer versuchten Vogel/Wiebel einen materiellen Gehalt zu retten: „Der Begriff »gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht4 bringt keine Ermächtigung, sondern eine Verpflichtung, damit eine Beschränkung. Er ist zwar im einzelnen ausfüllungsbedürftig; sein wesentlicher materieller Gehalt liegt aber von Verfassungs wegen bereits fest, er braucht nicht erst - von welchen Organen auch immer - bestimmt zu werden ..." 5 1 . Einen zumindest aufzufindenden Inhalt nehmen diejenigen an, die in dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht einen „unbestimmten Verfassungs-/Rechtsbegriff 4 sehen52, der dem Haushaltsgesetzgeber einen Beurteilungsspielraum53 oder sogar einen Entscheidungsspielraum54 eröffnet.

49 Die ζ. B. von Stern (Steuerberater-Jahrbuch 1982/83,41 ff, 61) gerügte mangelnde Kongruenz beider Normen, von „Erfordernissen" hier und „Abwehr einer Störung" dort, bleibe vorerst dahingestellt (siehe aber unten 5. Kapitel zu Fn. 19). 50 WDStRL 27 (1968), 1 ff, 10 f.; ähnlich Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 95 f.: Zweckrationalität und Allokationseffizienz sind im Verfassungsstaat unzureichende Maßstabsgrößen. 51

Rn. 81 zu Art. 109 und anschließend die folgenden Randnummern.

52

BVerfGE 79, 311 ff, 338: „unbestimmte« Verfassungsbegriff 4; Arndt, JuS 1990,343 ff, 343; Bleckmann, JuS 1991,536 ff, 541: bleibt weitgehend unbestimmt; Brenner/Haury/Lipp, Finanzarchiv 38 (1980), 236 ff, 243; Bröcker S. 184 ff; Geske, Wirtschaftsdienst 69 (1989), 383 ff, 385 (Zitat des BVerfG); Heinemann S. 33; Krause-Junk, Wirtschaftsdienst 70 (1990), 607 ff, 608: eine reichlich theoretische Konstruktion - jedenfalls ein unbestimmter Rechtsbegriff..." Für Maunz (Rn. 38 zu Art. 109) ist das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" ein unbestimmter Rechtsbegriff; in Rn. 31 zu Art. 115 bezeichnet er allerdings die einzelnen Komponenten als unbestimmte Rechtsbegriffe. Weiter siehe Stern, Staatsrecht II, S. 1079; Paul Kirchhof (Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 82 mit Fn. 89) erwähnt den Art. 109 Abs. 2 in seiner Aufzählung nicht. 53 Dazu Arndt 346; Bleckmann 541; Brockmeyer Rn. 8a zu Art. 115; Bröcker S. 185; Gandenberger, Finanzarchiv 48 (1990), 28 ff, 37 f., 49; Stern S. 1079; ders., Steuerberater-Jahrbuch 1982/83,41 ff, 60 f. (erhebliche Einschätzungsspielräume, kaum quantitative Maßstäbe für die Kreditaufnahme). Das Bundesverfassungsgericht (E 79, 311 ff., 343 ff.) geht ausführlich auf den Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum im Falle einer Störung nach Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. Hs. GG ein; vergi, auch

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Neben dem skeptischen Hinweis auf die „Unscharfe" des Kriteriums 55 erscheint dann aber die klare Ablehnung selbst einer rudimentären inhaltlichen Bindungswirkung: Höfling 56 hält die Qualifikation des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" als „unbestimmten Rechtsbegriff '' für „ungerechtfertigten Optimismus" und sieht den durch ihn eröffneten Aktionsraum als zu groß an, um ihm allein Maßstäbe für eine verfassungsrechtliche Bewertung entnehmen zu können. Ausgehend vom „Prozeßcharakter" des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist für eine gewichtige Meinung heute die Berücksichtigungsvorgabe in Art. 109 Abs. 2 GG (und daran anlehnend in Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2.Hs. GG) eine Verfahrensnorm 57 und inhaltlich eine unselbständige, „binäre" Norm, die nur in Verbindung mit anderen Vorschriften ein Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung leisten kann58. Die anderen Vorschriften haben dann aber weitgehend nur den Rang einfacher Gesetze59, sind folglich nicht Teil des Grundgesetzes. Am praktikabelsten scheinen endlich die nachstehenden Kennzeichnungen zu sein: „offene Zielvorgabe" 60, „Verfahrensnorm wie Abwägungsgebot im Planungsverfahren" 61 und letztlich sogar „Dezision"62. Derartige Rahmenvorschriften sind jedenfalls aufgrund ihres schwachen rechtlichen Gehalts63 nicht imstande, das auch in diesem Kapitel zusätzlich unterstützte Negativurteil über eine verfassungsrechtlich autorisierte Staatsverschuldung in irgendeiner Weise zu verändern.

Schwarz zum unbestimmten Verfassungsbegriff der „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" (DÖV 1998, 721 ff., 724). 54 Fischer-Menshausen Rn. 15 zu Art. 109 („verhältnismäßig weiter... Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum"); den „weiten Spielraum" betonte auch Scheuner, Die Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, S. 115. 55

Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 220.

56

Staatsschuldenrecht, S. 239 ff.; Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 424.

57

So Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 146; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 239,242; ders., Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 103 f. 58 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 241; ders., Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 425; ders., Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 103; Mahrenholz Rn. 30 zu Art. 109. 59 Vergi. Mahrenholz Rn. 30 zu Art. 109: Die Ermächtigungen in Art. 109 Abs. 3 und 4, die auf dieser Grundlage geschaffenen Gesetze, Art. 115 Abs. 1 etc. Auch das BVerfG verweist übrigens auf die Aufgabe des Gesetzgebers, die Unbestimmtheiten aufzulösen (E 79,311 ff., 336; 86,148 ff, 266 f.). 60

Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 242; ders., Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 425; ders., Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 104. 61

Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 146.

62

Fischer-Menshausen Rn. 15 zu Art. 109 (selbstverständlich unter Ausschluß von Willkürentscheidungen). 63 Im Grunde zwingt Art. 109 Abs. 2 GG, mehrere Ziele anzusteuern, so daß auch das folgende juristische Bedenken einschlägt: „(Es) ermöglichen vom Normsetzer ungelöste Zielkonflikte dem Normanwender politische Handlungsspielräume, die rechtsstaatlich unerwünscht sind", so Reiner Schmidt S. 307. Badura formuliert das Problem ähnlich: „Denn rechtliche Bindung kann nur durch einen normativen Maßstab erreicht werden, der rechtlich eine greifbare und für den Richter handhabbare Regelung oder Richtlinie darstellt und der inhaltlich hinreichend bestimmt ist" (Der Staat 14 (1975), 17 ff, 25, zum Sozialstaatsprinzip).

4. Kap.: Staatsverschuldung als Staatsaufgabe

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3. Gesetzgeberische Freiheit zur Flucht aus der Staatsaufgabe? Angesichts dieses Befundes liegt der Gedanke nahe, daß der Haushaltsgesetzgeber die neugewonnene - bei anderen schon ältere - Skepsis als „neue wissenschaftliche Erkenntnis" nutzt und die Instrumente der Verschuldungspolitik künftig anders und vor allem zurückhaltender einsetzt. Dabei wird unterstellt, daß er die Freiheit de facto überhaupt noch besitzt. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn dazu jedenfalls ausdrücklich ermächtigt. In der normativen Offenheit der Artikel 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG wird der spezifisch unvollkommene, flexible, konkrete zeitbezogene Entscheidungen umgehende, „relationale" Charakter dieser modernen Verfassungsnormen deutlich64. Mit dieser normativen Ermutigung ist ζ. B. die Fiskal- und Konjunkturpolitik selbst, das „Herzstück" gleichsam der Reform von 1967/69, als „Opfer" der Zurückhaltung ins Auge gefaßt worden. Einige Ansätze sind noch eher tastend. Vorsichtiger als Friauf kann man sich kaum ausdrücken: Ein Grad an Gewißheit über die Wirkungszusammenhänge, der ein generelles Verdikt der Unvereinbarkeit des „deficit-spending" mit Art. 109 Abs. 2 GG rechtfertigen könnte, ist derzeit nicht zu erlangen65. Umgekehrt meinte v. Arnim 66 noch nicht die Evidenz dafür erbringen zu können, daß ein Verbot antizyklischer Finanzpolitik aus Art. 109 Abs. 2 GG abgeleitet werden dürfte. Die Zurückhaltung aufgegeben haben dagegen v. Arnim/Weinberg 67: Art. 109 Abs. 2 GG muß i. E. neu interpretiert werden; da Staatsverschuldung das Wachstum bremst, verbiete Art. 109 Abs. 2 sogar die Nettokreditaufhahme. Es hat an dieser Stelle wenig Sinn, ohne konkrete Konstellationen diesen Ansichten nachzugehen, die unter bestimmten Umständen durchausrichtig sein können. Das Problem wird aber auch durch Offenheit und Freiheit nicht gelöst. Denn in den vergangenen Jahrzehnten ging es darum - und auf absehbare Zeit wird es wahrscheinlich darum gehen - , daß Haushaltsgesetzgeber auf die „leichte" Kreditfinanzierung gar nicht verzichten wollen 68.

64

Zum „relationalen", d. h. etwa: zeitbezogen impliziten Charakter der Verfassung vergi. Richter/ Furubotn S. 457 ff. mit S. 173 ff.; Rudolf Richter, Die Neue Institutionenökonomik des Marktes, S. 29. 65 Staatskredit (§91), Rn. 36; ähnlich skeptisch auch Scherf Konstitutionelle Begrenzung, Fn. 24 (auf S. 386). 66

BayVBl. 1981, 514 ff., 520.

67

S. 91 ff., 98 ff. Nach Heun ist die Keynessche Fiskalpolitik weder verboten noch erzwungen (Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 126 mit Fn. 38); a.A. zu letzterem Maunz Rn. 24 zu Art. 109 (S. 17); Scherf S. 379 (Konjunkturbedingte Defizite bilden die Untergrenze der ökonomisch rationalen Verschuldung), und auch Rürup (Wirtschaftsdienst 60 (1980), 424 ff., 426), der eine „Untergrenze der Staatsverschuldung" für möglich hält. 68

Dazu Vanberg S. 111,117: Hartnäckiges Sträuben der Politiker, sich wirksame Beschränkungen aufzuerlegen; ähnlich Feit in bezug auf die überaus unzulängliche gesetzliche Definition des Investitionsbegriffs (Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 44 (1991), 152 ff., 153/156). Isensee bemerkt, wie heikel die praktische Wirksamkeit der verfassungsrechtlichen Direktiven sei: „Eine verfassungsrechtlich gebotene Kreditdisziplin widerstrebt der Mentalität politischer Parteien" (Schuldenbarriere, S. 707; Würdigung der Schuldengrenze, S. 115, siehe auch S. 113), und Kitterer mutmaßt: „... vielleicht wollen sie ja auch gar nicht (ergänzt: die Ansprüche an den Staatshaushalt reduzieren), läßt sich doch vieles scheinbar lautlos durch Aufnahme von Schulden finanzieren" (Wirtschaftsdienst 73 (1993), 633 ff., 633). Dieses Thema wird noch umfassender angesprochen werden.

.

Kapitel

Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung Wenn die politischen Kräfte im Bonner Parlament die Kreditaufnahme bisher nicht entbehren wollten und - vom traurigen Ergebnis ihrer einschlägigen haushaltspolitischen Entscheidungen her zu beurteilen - offenkundig auch nicht zu entbehren brauchten, müssen die in der Verfassung ausdrücklich eingebauten Bremsen und Schranken der Staatsverschuldung nicht sehr wirksam gewesen sein. Auch weitere, gerade einer Zukunftsbelastung entgegenstehende Rechtsprinzipien wurden augenscheinlich geringgeschätzt. Bei den folgenden Ausführungen wird es kaum noch darum gehen, der Staatsverschuldung gute Seiten abzugewinnen; es ist ja gerade der Sinn von Bremsen oder Grenzen, Nichtgewünschtes und Nachteiliges zu verhindern. Vielmehr sind die Gründe herauszufinden, weshalb trotz des bestehenden Regelwerkes der erdrückende heutige Schuldenberg anwachsen konnte und worin nun auch rechtsethisch und rechtsprinzipiell ausgedrückt die wenig vorteilhaften „Differentialwirkungen" der Staatsverschuldung zu erblicken sind. Oben waren allein diefinanz- und volkswirtschaftlichen Konsequenzen gefragt.

1. Ausdrückliche verfassungsrechtliche Bremsen und Grenzen a) Unzulänglichkeiten der geltenden Normen Es soll und kann an dieser Stelle die kaum mehr überschaubare Literatur zu Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG, der vielversprechend, aber heute letztlich nichtssagend den Haushaltsausgleich vorschreibt, sowie vor allem zu den Artikeln 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG und ihrem Verhältnis zueinander nicht erneut Revue passieren. Die Normen sind für die verfassungsökonomische Fundamentalanalyse nur noch von begrenztem Interesse. Mögen auch manche mit nur verhaltener Kritik versehene zustimmende Äußerungen1 und das eine oder andere letztlich sehr eingeschränkte Lob2 die Gesamtwertung beeinflussen, so werden sie eine Wende vermutlich nicht mehr bewirken. Eher dürfte es nach den Re1 Vergi. Dreißig, Finanzarchiv 29 (1970), 499 ff., 515: Die Kreditfinanzierungsgrenze in Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 1 Hs. GG ist nicht optimal im System; Haller (Festschrift Ehrlicher, S. 141) stört sich gleichfalls an der Kreditbegrenzungsregel des Ärt. 115 Abs. 1 Satz 2,1. Hs. GG. Höfling (Staatsschuldenrecht) sieht bei grundsätzlicher Billigung in den Zinsquoten ein ernstzunehmendes Warnsignal (S. 265). Mangels normativer Vorgaben betont er die Notwendigkeit der Konturierung des Investitionsbegriffs, der Verschärfung der Regel-Ausnahme-Konzeption und rügt die zu weiten Beurteilungsspielräume sowie die Kreditaufnahme der Sondervermögen des Bundes (nach Art. 115 Abs. 2 GG) als eine „bedenkliche Einschränkung der normativen Steuerungsfahigkeit des Staatsschuldenrechts" (S. 333 ff). Vergi, dens, auch zu den Fußnoten 16 (4. Kapitel) oben und 4 unten. Mußgnug (Staatsüberschuldung) lehnt eine Fundamentalkritik ab, ist nur „nicht rundum zufrieden" (S. 69 ff., 72). Auch der Wissenschaftliche Beirat (1984) hält Art. 115 nicht für wirkungslos (S. 42).

5. Kap.: Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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sultaten in den Schuldenbüchern der Nation ein hoffnungs- und aussichtsloses Unterfangen sein, etwa mit einer Neuinterpretation das Blatt wenden und in die genannten Artikel endlich doch härtere, schärfere und präzisere Restriktionen für den Umgang mit öffentlichem Geld im allgemeinen und für die Vergabe von Schuldscheinen wegen „unzureichender" Geldmittel im besonderen hineinlesen zu wollen 3 . Höfling hielt kürzlich immer noch die These aufrecht: „Das Koordinatensystem der Art. 109 Abs. 2,115 Abs. 1 Satz 2 GG ... ist angesichts der Komplexität des Sachbereichs eine im großen und ganzen geglückte Regelungskonzeption". Allerdings fügte er den Vorbehalt bei: „Diese Einschätzung gilt jedenfalls dann, wenn man die zentralen Direktiven des Staatsschuldenverfassungsrechts ernst nimmt" 4 . Man hat sie aber nicht (hinreichend) ernst genommen, weil bei dem von Höfling unterstellten guten Willen die Staatsfinanzen grundlegend anders aussähen. Sie sind allenfalls insofern nicht wirkungslos geblieben, als ohne die genannte Normenkombination die Staatsschuld vermutlich eine noch katastrophalere Höhe erklommen hätte5. Es ist an der Zeit, daß die trainierte Skepsis der Verfassungsökonomik (oder Neuen Institutionenökonomik) ihre Lehren anbietet und zumindest die Gedanken zu der Frage lenkt 6 , ob nicht vielmehr bessere Vorschriften „heranmüssen", die eine „weichere" Interpretation entweder nicht zulassen oder nach Interpretationen gar nicht mehr fragen. Ich folge daher der Ansicht jener, welche die einschlägigen Normen als mißlungen ansehen7, und gehe so weit, die Auseinandersetzung mit dem genannten Regelwerk der

2 Gandenberger (Finanzarchiv 48 (1990), 28 ff., 30) hält die bestehende Verfassungskonzeption „in ihrer Grundtendenz für geglückt" - „mit Ausnahme der Anknüpfung an den Begriff der Investition". Eine bemerkenswerte Relativierung folgt mit dem Hinweis, daß „die praktischen Auswirkungen dieser Verfassungskonzeption schwer greifbar" und „in erster Linie im Bereich der politischen und administrativen Vorfeldwirkungen zu suchen" seien. Das ist aber das Entscheidende, und gerade hierum soll es in dieser Arbeit gehen.

Hinteigründig ist die Bemerkung Paul Kirchhofs, Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 56: „Art. 115 GG ist... ein wirksames Schwert in der Hand des Finanzplaners, der... die Zukunft finanzwirtschaftlich gestalten will (!)"; ebenso ders., Grenzen der Staatsverschuldung, S. 271 ff., 275 ff., 278. v. Weizsäckers Erstaunen (Kyklos 45 (1992), 51 ff, 61 Fn. 27) über die Zufriedenheit der Juristen mit Art. 115 geht auf Kirchhof zurück; erstaunt ist auch Heinemann S. 34. 3 Insoweit ist es nicht ermutigend, daß während des Rooseveltschen „New Deal" der Supreme Court durch „bloße" Neuinterpretation der „Commerce clause" der US-Verfassung eine die Aktivitäten der Bundesregierung einschränkende Kompetenznorm praktisch aufgehoben hat, vergi. Rabushka S. 190. 4 Zentralfragen der Staatsverschuldung, S. 422 f. Die genannten Mängel führt er im folgenden aber auch wieder an. 5

Hierzu Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff, 674 („gewisse defizitbremsende Wirkung"); weiter Gandenberger, Finanzarchiv 48 (1990), 28 ff, 43 (Darlegungspflicht des Gesetzgebers setzt auf politische Rückkoppelungswirkung im Vorfeld); ähnlich Maunz Rn. 30 zu Art. 115. 6 Für Noll (S. 202) ist die „ökonomische Theorie der Politik" viel zu allgemein, um sichere Lösungen für anstehende Probleme zu liefern; sie soll helfen, die Gedanken hinsichtlich möglicher Verbesserungen zu ordnen. Wissenschaftstheoretisch ist das für den Augenblick auch genug. Im übrigen bietet sie für manche konkrete Frage doch schon verwendbare Antworten, die präziser sind als das delphische Orakel. 7 Zu den hier Genannten sind natürlich die Autoren hinzuzurechnen, deren sachliche Kritik bereits vorgetragen wurde. Vergi. Bröcker S. 184 ff. („Regelungsversagen"); Donner, Zeitschrift für Parlamentsfragen 18 (1987), 436 ff, 444: Regeln haben ständigen Schulden- und Zinsanstieg nicht verhindert; Dreißig, Verschuldungsgrenzen, S. 101 f.: Große Skepsis angesichts der unterschiedlichen

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Finanzverfassung als nicht mehr lohnend zu bezeichnen. Denn es ist durch Auslegung ebenso wie durch die in Jahrzehnten geübte Praxis als Steuerungs- und Bremsmechanismus „ausgeleiert", „ruiniert" - wenn es denn als brauchbare Bremsvorrichtung von den Haushaltspolitikern überhaupt jemals konzipiert worden war... b) Der „Haushaltsausgleich" Nicht eigentlich mißlungen, aber von vornherein ungeeignet ist in diesem Zusammenhang diejenige Vorschrift, die den Haushaltsausgleich in Einnahmen und Ausgaben vorschreibt, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie wäre auf den ersten Blick eine unschlagbare Lösung aller Probleme, wenn sie, materiell verstanden, den „wirklichen" Ausgleich zwischen den „regulären" Einnahmen und den Ausgaben vorsähe. Dann wäre die Kreditaufnahme nämlich von Verfassungs wegen ausgeschlossen. Aber der Haushaltsausgleich wird heute formal interpretiert, was bedeutet, daß er alle Einnahmen einschließlich derer aus Krediten einschließt8. Es gab Stimmen, welche eine solche Auslegung auf die tatsächliche Schuldenentwicklung in den siebziger Jahren bzw. auf Vorschriften des Haushaltsrechts zurückführten 9 . Selbstverständlich können die höchstrangigen Normen des Verfassungsrechts

Auslegungsmöglichkeiten, ein wirksames objektbezogenes Kriterium zu finden; Ehrlicher, Der Staat 24 (1985), 31 ff., 34: durchgehende Pervertierung an sich vertretbarer schuldenpolitischer Konzepte; Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500ff., 500: Verfassung fixiert keine effektive Grenze; Fr icke, Finanzarchiv 48 (1990), 222 ff, 224 ff: Mangelnde Prognosefähigkeit im Jahre 1969; Funke S. 328: Art. 109 Abs. 2 konkretisierungsbedürftig, Art. 115 Abs. 1 völlig wirkungslos; Gantner, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, S. 147 (neben dem GG auch zu österreichischen und schweizerischen Regelungen); Göke, NdsVBl. 1996, 1 ff. 1; Krause-Junk, Wirtschaftsdienst 70 (1990), 607 ff., 607: Die Wiedervereinigung zeigt „doch drastisch, wie wenig" Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG „eine entschlossene Regierung an der Kreditaufnahme hindern kann"; Maunz Rn. 46 zu Art. 115: bezweifelt schlechthin die Steuerbarkeit des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts; Nachtkamp S. 113: Es ist nicht gelungen, „Spielraum für begründete Staatsverschuldung (zu) öffnen und zugleich Mißbrauch ... aus(zu)schließen"; Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83,41 ff, 61: Die beiden Normen haben das bezweckte Ergebnis nicht gebracht, „eine zweifelsfrei verfassungsrechtlich operationable Grenze ... festzulegen"; Wiegard, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 23 (1994), 269: Bestimmungen des Art. 115 reichen nicht; Wissenschaftlicher Beirat (1994) S. 6: Keine überzeugende Lösung. 8 In diesem Sinne Arndt, JuS 1990, 343 f., 345; v. Arnim, DVB1. 1985, 1286 ff, 1292; FischerMenshausen Rn. 15, 18 zu Art. 110; Jarass Rn. 5 zu Art. 110; Mackscheidt, Wirtschaftsdienst 70 (1990), 391 ff, 392; v. Mutius WDStRL 42 (1983), 147 ff, 170 ff. mit Fn. 84: Der Grundsatz der Ausgeglichenheit des Haushalts erscheint völlig neutral; er wird nur formal interpretiert; Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1997/98 Tz. 336: „... Einladung, die Begrenzung der Kreditaufnahme nicht ernstzunehmen"; Schemmel/Borell S. 161 f.; Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 41 ff, 50 f.: Art. 110 Abs. 1 Satz 2 bietet keine Lösung des Staatsschuldenproblems; WolfS. 37 f. In seinem Aufsatz über „Ideologie und Theorie des Haushaltsgleichgewichts" relativiert Mann selbst den formalen Haushaltsausgleich zu einer ohnehin selbstverständlichen Angelegenheit (Finanzarchiv 21 (1961/62), 1 ff, 20). 9 Duwendag (Staatsverschuldung, S. 158) erklärte: Spätestens seit dem Start in die Staatsverschuldung 1974 ist die Vorschrift de facto Makulatur, und laut Hansmeyer (Ursachen des Wandels der Budgetpolitik, S. 18) war es der einfachgesetzlich normierte Grundsatz der Gesamtdeckung nach § 7 Haushaltsgrundsätzegesetz, der für alle Einnahmen einschließlich der Kredite gelten und entsprechend die Bedeutung des Gebots vom Haushaltsausgleich ändern sollte - für den Verfassungsrechtler staunenswerte Schlußfolgerungen!

5. Kap.: Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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nicht auf diese Weise so ohne weiteres ihre Geltung verlieren 10. Das formale Verständnis des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG ist aber ganz einfach auf andere Weise zu begründen: Es ergibt sich aus der Abschaffung der Einteilung in zwei Haushalte (den ordentlichen und den außerordentlichen), vor allem jedoch aus der Erwähnung von Krediten in Art. 109 Abs. 4 GG und aus der für den einen verbleibenden Haushalt neu formulierten Ermächtigung zur Kreditaufnahme (Art. 115 Abs. 1 GG). Neben Art. 109 Abs. 4 und 115 Abs. 1 GG würde ein materielles Haushaltsausgleichsgebot zu widersprüchlichem Verfassungsrecht führen 11. Der Versuch, den Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG als „Mißbrauchsschranke" wenigstens zu dem Gebot aufzuwerten, reguläre Ausgaben mit regulären Einnahmen zu finanzieren 12, steht einsam da, findet keine Grundlage im Normtext und wäre überdies höchst auslegungsbedürftig und damit ebenfalls als wirkungslos zu bezeichnen. Auch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG liefert weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingimg für den Haushaltsausgleich nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG 13 . c) Die Normen der Verschuldungssteuerung Zum Verständnis der viel wichtigeren Art. 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG ist als Ausgangslage zu bedenken, daß der ganz überwiegende Teil jedes Bundeshaushaltes durch bestehende gesetzliche Verpflichtungen ohnehin festgelegt ist. Allein der - vor allem durch die Möglichkeit der Verschuldung noch dehnbare - Rest ist der politischen Diskretion überlassen, wobei die wachsende Zinslast ihn zusätzlich einschränkt. Die Finanzpolitik kann mit ihm gestaltend arbeiten innerhalb der von Investitionen abhängigen Verschuldungsfreiheit nach Art. 115 Abs. 1 Satz 2, l.Hs., und nach der schwer definierbaren Maßgabe der Beachtung des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" (Art. 109 Abs. 2) allgemein oder außerhalb dieses Kreditrahmens bei einer Störung des Gleichgewichts (Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2.Hs.) im besonderen. Die beiden Verfassungsnormen funktionieren als Regulatoren der Finanzpolitik somit überhaupt nur mit - und in - einem gewissermaßen „geteilten" Verfugungs- bzw. Freiraum mit „beweglicher Trennwand"14. Bei der heutigen Finanz10 Insofern stellt Höfling (Staatsschuldenrecht, S. 310) richtig, daß eine einfachgesetzliche Legaldefinition (er meint § 13 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BHO) keine authentische Interpretation des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG enthalte. Am Ausgleichsgebot als formalem Prinzip hält daher auch er fest (S. 310 ff). Für das Verfassungsrecht bemerkte Dreißig (Finanzarchiv 29 (1970), 499 ff, 503 f.) zu Recht eine „begriffliche Verwirrung". 11 Auf Art. 115 Abs. 1 verweisen daher insoweit auch Kisker Rn. 75; Maunz Rn. 55 zu Art. 110; Wiebel Rn. 20 zu Art. 115; WolfS. 37, der zusätzlich noch Art. 109 Abs. 2 GG heranzieht. Albers führte dagegen verständlicherweise noch allein Art. 109 Abs. 4 GG an (Grundlagen und Durchführung einer Finanzpolitik, S. 82 f.). 12 So Stern, Staatsrecht II, S. 1250 mit S. 1080; zustimmend Isensee, Schuldenbarriere, S. 707; ders., Würdigung der Schuldengrenze, S. 114 mit Fn. 5 (zumindest „Rechtsprinzip"). Für Maunz (Rn. 56 zu Art. 110) sind weitere Verschuldungsgrenzen allenfalls eine Frage für die Finanzpolitik. Nach Stern (Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 41 ff, 50) enthält die Norm „möglicherweise" materielle, wertende Elemente. 13 So Kitterer, DÖV 1975,23 ff, 29; Wiebel Rn. 20 zu Art. 115. Lappin (S. 102 f.) sieht ebenfalls einen materiellen Ausgleich, wenn die Artikel 109 Abs. 2,115 und 114 Abs. 2 GG berücksichtigt sind. Danach hätte die Ausgleichsregelung aber auch nur einen verweisenden Charakter. 14

Zu diesem variablen Spielraum veigl. Birk, DVB1.1984,745 ff, 748; zustimmend Gandenberger, Finanzarchiv 48 (1990), 28 ff, 39.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

situation des Bundes bestimmt aber in erster Linie der verzweifelte Kampf gegen die immerwährende Netto-Neuverschuldung das haushaltswirtschaftliche Geschehen, nicht mehr die variable Freiheit der beiden Grundgesetzartikel, die manövrierbare Schuldenbeträge voraussetzt, nicht aber Summen in Billionennähe mit Folgelasten. Das Steuerungswerk ist gleichsam „plattgewalzt" durch die Gesamtschuldenmasse, und der Mechanismus arbeitet nicht mehr adäquat. Aus ähnlicher Sicht hat das Bundesverfassungsgericht Bundesländern in Haushaltsnotlagen die Fähigkeit zu einem konjunkturgerechten Haushaltsgebaren, zu konjunktursteuerndem Handeln und damit zu einer Berücksichtigung der Erfordernisse des Art. 109 Abs. 2 GG abgesprochen15. Damit ist also Art. 115 Abs. 1 GG funktionslos geworden16. Die alle Freiheiten und Dispositionsmöglichkeiten erstickenden Schuldenberge sind wiederum deshalb entstanden - oder korrekter: nicht verhindert worden - , weil Art. 115 Abs. 1 GG zwar die jährliche Neuverschuldung einzugrenzen sucht, aber einer gleichwohl zunehmenden Staatsverschuldung keine absoluten Grenzen zieht. Er hat sich bei der Begrenzung staatlicher Budgetdefizite auf ein ökonomisch und finanzwirtschaftlich vertretbares Ausmaß nicht bewährt17. Diese Aufgabe kann dann nur noch in den bekanntermaßen weitgefaßten und folglich ebenfalls wenig hilfreichen Zielvorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG zu suchen sein. Das Bundesverfassungsgericht hat daher mehrfach normative Vorkehrungen zu ihrer Konkretisierung angemahnt, die den „stetig wachsende(n) Schuldensockel" verhindern und dem jeweiligen Haushaltsgesetzgeber die finanzielle Gestaltungsfreiheit erhalten sollen18. Die Mahnungen blieben bisher erfolglos. 15

BVerfGE 86,148 ff., 266.

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Wiebel Rn. 102 zu Art. 115: Der wachsende Schuldenbelg kann zu einer „gewissen Unbeweglichkeit" der Haushaltswirtschaft führen; Wille, Staatsverschuldung und künftige Entscheidungsspielräume, S. 51: Budgetäre Manövriermasse für die Rezessionsbekämpfung sinkt; sehr viel deutlicher Schuppert, WDStRL 42 (1983), 216 ff., 246 f.: Art. 115 steht davor, ad absurdum geführt zu werden; wenn das Haushaltsrecht Dämme zu errichten habe, so ist im Falle der Staatsverschuldung „Land unter" zu vermelden. Das wird im Beitrag von Meyer (a.a.O. Aussprache 314) noch übertroffen, der Art. 115 als „wahrlich völlig untauglich" zum Kurieren der „etwas zerrüttete(n) Finanzkultur" bezeichnet. Die Deutsche Bundesbank formulierte (April 1997) staatsmännisch: „Nur gesunde Staatsfinanzen lassen genügend Raum für die budgetäre Tolerierung konjunktureller Wechsellagen ..." (S. 44); etwas präziser bemerkte ihr Vizepräsident Jürgen Stark im Mai 1999: „Eine ... antizyklisch wirkende Finanzpolitik können sich ... nur jene Länder leisten, deren Finanzierungsspielraum nicht bereits durch hohe Defizite belastet ist" (S. 4). 17 So Scherf, Konstitutionelle Begrenzung, S. 377 (hinsichtlich des ökonomischen Gesichtspunktes). Vergi, weiter Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff., 435 f. (Fahrt in die Sackgasse der Schuldenpolitik trotz weitgehender Einhaltung der Regeln); ähnlich Mußgnug, Staatsüberschuldung, S. 74. Siehe außerdem v. Arnim, DVB1. 1985, 1286 ff., 1292: Art. 115 bietet keinen Schutz; ders., Staatslehre, S. 491; vergi, weiter Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff., 674 („unwirksame Budgetregel"); Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1997/98, Tz. 336 („... die Funktion (des Art. 115 GG), eine Kreditbegrenzung festzulegen, (kann) nicht erfüllt werden ..."). Auch Grüske bemängelt die nicht genau fixierte Bindung der Kreditaufnahme in der Normallage (Staatsverschuldung, S. 293 f.). 18

BVerfGE 79, 311 ff., 355 f.; 86, 148 ff., 265 ff. In der zweiten Entscheidung verwies es auf Art. 109 Abs. 3 GG als Grundlage für gesetzgeberische Regelungen, in der ersten legte es sich insoweit nicht fest. Das Unverständnis Siekmanns (vergi, oben 2. Kapitel Fn. 110) ist im Grunde auch hier angebracht. Weiter siehe Fischer-Menshausen Rn. 14a zu Art. 115 (rechtzeitige Konsolidierung zur Vermeidung eines strukturellen Defizits erforderlich); Henseler, AöR 108 (1983), 489 ff., 515 mit Fn. 129.

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Nur die Ursachen für diese Entwicklung, für das Außerkrafisetzen des Regelwerks, interessieren noch, und sie können etwa wie folgt festgehalten werden: - Die Vorschrift, bei der Haushaltswirtschaft im Normalfall außerhalb von Störungsfällen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen, ist, wie gezeigt, so weit gefaßt und überläßt den Verantwortlichen so viel Entscheidungsfreiheit, daß eine wirkliche Grenze der Staatsverschuldung nicht zu ermitteln ist. Speziell gilt die Voraussetzung für eine Überschreitung der vom Investitionsvolumen abhängigen Verschuldungsgrenze (Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. GG), die „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", als so leicht und einfach anzunehmen, daß man sie nicht als effektive Begrenzung der Kreditaufnahme betrachtet19. Die vom Bundesverfassungsgericht weiter ausdrücklich geforderte „Eignung" der zur Störungsbekämpfung eingesetzten Maßnahmen läßt sich in Anbetracht der unterschiedlichen wirtschaftswissenschaftlichen Meinungen wiederum meist erfolgreich verteidigen20. Und sollte wirklich beim Rückgriff auf diese Norm keine Störungslage vorgelegen haben, kommt die gerichtliche Praxis „hilfreich" hinzu: Selbst ein Urteil der Verfassungswidrigkeit könnte (wie in dem bereits mehrfach zitierten Eingangsfall) sieben Jahre auf sich warten lassen und besäße damit kaum mehr regulative Wirkung. - Die Kreditgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2,1. Hs. GG, ist bekanntermaßen variabel, nämlich von den Investitionsausgaben abhängig, folglich schwer und nicht mit Sicherheit zu berechnen21. Sie wird daher überwiegend nicht als effektive Begrenzung einer auswuchernden Staatsverschuldung aufgefaßt 22, denn als solche wirkt sie nur, wenn der

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In diesem Sinne Baum, Wirtschaftsdienst 63 (1983), 128 ff., 132; Bröcker S. 187ff.; Diekmann 672; Grüske S. 293 f.; Heinemann S. 33 f.; Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 41 ff, 61 (sieht weitere Spielräume aufgrund der mangelnden Kongruenz zwischen den Voraussetzungen der Normalund der Störungslage, vergi. 4. Kapitel Fn. 49); v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff, 61. Auf die Notwendigkeit einer sauberen Abgrenzung weist weiter Krause-Junk hin (Wirtschaftsdienst 70 (1990), 607 ff, 609). Nach Kirchgässner setzt die Ausnahmeregelung des 2. Halbsatzes die Schuldenbegrenzung des 1. Halbsatzes „faktisch außer Kraft" (Homo oeconomicus, S. 116 Fn. 41). 20

So Starzacher (S. 160) zu BVerfGE 79, 311 ff, 339 ff. Zur Eignung siehe weiter Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 288 ff; Maunz Rn. 50 zu Art. 115 (Höhe der Verschuldung muß objektiv zur Störungsabwehr geeignet sein). Die Erforderlichkeit der erhöhten Kreditaufnahme zur Deckung konsumtiver Ausgaben lehnt das Gericht (341 f.) dagegen ab; a.A. Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 121 f.m.w.N. 21 Zur Abhängigkeit siehe Geske, Wirtschaftsdienst 69 (1989), 383 ff, 387; Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 120. Vergi, weiter oben 2. Kapitel 5. Abschnitt, besonders zu den Fn. 109 ff. Zusätzlich sind zu erwähnen Dreißig, Die Technik der Staatsverschuldung, S. 60 (nicht einfach, den Begriff der Ausgaben für Investitionen zu bestimmen); Grüske S. 293 (unbestimmter Begriff); Mußgnug, Staatsüberschuldung, S. 72 ff. (Begriff ist dehnbar); Stern, Staatsrecht II, S. 1279 (unbestimmter Rechtsbegriff mit beachtlichem Beurteilungsspielraum); v. Weizsäcker 61 (Investitionsbegriff theoretisch unklar); Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 41 (Unschärfe des Begriffs „Investition"). Laut Fischer-Menshausen (Rn. 13 zu Art 115) entspricht die Legaldefinition des Haushaltsgrundsätzegesetzes nicht der verfassungsrechtlichen Vorgabe, die materielle Symmetrie von Zukunftslasten und Zukunftsvorteilen zu gewährleisten. 22 Brenner/Haury/Lipp, Finanzarchiv 38 (1980), 236 ff., 244 ff. (erwarten von Art. 115 keine „Limitierungfinanzpolitischer Unvernunft"); Feit, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 44 (1991), 152 ff, 153/156; Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 504: Die generelle quantitative Begrenzung der Verschuldung auf das Investitionsvolumen kann jederzeit umgan-

8 Kratzmann

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Investitionsbegriff eng ausgelegt und auf wirklich zukunftsbegünstigende, die Schuldenlasten später kompensierende Vorhaben beschränkt wird 23 . - Die Unterbringung von Schulden in Sondervermögen, die keiner Kreditgrenze unterliegen, ist als mindestens umstritten bereits hervorgehoben worden 24. Doch Vorteil hin, Praktikabilität her - die fehlende Grenze erleichtert das Schuldenmachen.

2. Demokratieprinzip und andere Verfassungsgrundsätze als Hindernisse Die nicht endenwollenden Diskussionen über Sinn und Zweck, Vorzüge und Nachteile der Staatsverschuldung haben in erster Linie die verfassungsrechtlichen Argumente aus den einschlägigen Vorschriften der Finanzverfassung entwickelt und ausgetauscht. Diese Normen trafen je länger desto mehr auf relativ wenig Lob und ziemlich viel Kritik, Kopfschütteln und bisweilen sogar Unverständnis. Aber ein generelles Verbot der Staatsverschuldung vermochte gleichwohl niemand aus den Normen der Finanzverfassung abzuleiten; dazu war der Wortlaut allein schon des Art. 115 GG zu eindeutig. Die Gegner der Kreditaufnahme zumindest in dem heute praktizierten Ausmaß begnügen sich jedoch nicht mit den - rechtlich weitgehend belanglosen - Einwänden der „Zukunftsbelastung" und der „Lastverschiebung" in ihren aufgezeigten finanzwirtschaftlichen Erscheinungsformen. Sie gehen daneben grundsätzlicher vor und führen vor allem das Demokratieprinzip des Grundgesetzes nach Art. 20 GG gegen die Legitimität dieser Art der Staatsfmanzierung ins Feld. a) Demokratieprinzip (Art. 20 GG) In der Debatte um das Demokratieprinzip taucht dieser Grundzug unserer verfassungsrechtlichen Ordnung in zahlreichen Aspekten auf: - Demokratie bedeutet aus der Sicht der jeweils „herrschenden" Generation Macht auf Zeit. Ihre Amtsträger sind nur für eine zeitlich begrenzte Periode gewählt und ins Amt begen werden. Deutlicher neuerdings Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 101 f.: Das Konzept der Junktimklausel, den Investitionsbegriff zur lastadäquaten Kompensationsgröße zu machen, wird grob mißachtet. Einen anderen Akzent setzt Wenzel, wenn er Art. 115 für überflüssig erklärt; es bleibt der überaus interpretationsbedürftige Art. 109 Abs. 2 GG. Gegen die verfassungsrechtliche Festschreibung des Investitionsbegriffes allerdings Birk, DVB1. 1984, 745 ff., 747 (Investitionsbegriff muß relativ offen sein), und Osterloh, NJW 1990,145 ff., 150 ff. Vergi, allgemeiner oben auch Fn. 17. 23 So Bröcker S. 71 f.; Donner, Diskussionspapier, S. 15; Kriszeleit/Meuthen, DÖV 1995,461 ff., 466; Lappin S. 152; Mahrenholz Rn. 18 zu Art. 115; Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1994/95 Rn. 183 (S. 154, r. Sp., den Kapazitätseffekt betonend); Schlesinger S. 248 ff. (vor allem Einschränkung auf Nettoinvestitionen); Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 212; Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 41 ff., 64; Wiebel Rn. 110 zu Art. 115. Schlieper hält eine Regel, die die Kreditfinanzierung an staatliche Investitionen bindet, im allgemeinen nicht für optimal (S. 600); Caesar (Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 220) legt sich nicht fest. 24

Vergi, oben 4. Kapitel bei Fn. 16.

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rufen worden. Es entspräche der Endlichkeit aller Macht und Herrschaft, daß sie dementsprechend auch nur das Geld (als das wichtigste Herrschaftsmittel) ausgäben oder verplanten, das in ihrer Periode als endgültige, reguläre und nicht mit einer RückZahlungsverpflichtung versehene Einnahme in die Staatskasse gelangt 25 . Gerade als die Kehrseite dieser Beschränkung der Macht der heute Herrschenden könnte es als demokratisches Gebot angesehen werden, den folgenden Amtsträgern bzw. Generationen möglichst viele reale, d. h. auch: finanzierbare Alternativen offen zu halten 26 . Nur dann haben sie den erforderlichen Freiraum für die Lösungen ihrer künftigen spezifischen Probleme. - Wenn zum „Volk" i. S. des Art. 20 GG auch die zukünftigen Generationen gehören, verlangt das Demokratieprinzip in der Konsequenz einen staatlichen Willensbildungsprozeß, der über die Generationen hinweg ausgewogene, das ganze „Volk" berücksichtigende Resultate erbringt. Diese müssen sich im wesentlichen mit den vorangegangenen Postulaten decken, wie Buchanans vertragstheoretische Gründung der Verfassungsebene aufzuzeigen sucht: Für Buchanan liegt diese Grundlegung in der Auswahl der Vorgaben und Zwänge („constraints"), innerhalb derer sich später die alltägliche politische Arbeit bewegen und einrichten muß. Er sieht Verfassungsregeln grundsätzlich als „wirksam" nur an, wenn sie einvernehmlich vereinbart werden 27 . Allein im Zustand eines solchen „vor"-politischen 25 Vor allem Püttner (Staatsverschuldung, S. 11 f.) hat diesen verfassungsrechtlichen Einwand vorgetragen, aber einschränkend die Verschuldungsmöglichkeit nur als „Systembruch", nicht als explizite Verfassungswidrigkeit bezeichnet. Vergi, weiter Ehmke S. 129; Häberle, Zeit, S. 340 f.; Schuppert, AöR 120 (1995), 32 ff., 47 (auf Ehmke und Häberle verweisend); zur Gefährdung der Grundstruktur der Verfassung und infolgedessen zur Ausgleichsbedürftigkeit (Zukunftsnutzen) siehe Paul Kirchhof, Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 55; ders., Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 31 ff; ders., Grenzen der Staatsverschuldung, S. 277; ders., Staatliche Einnahmen (§ 88), Rn. 293; ders., Staatsverschuldung als Verfassungsproblem, S. 54 f. (Grundgedanke demokratischer Gleicheit fordert, daß die Allgemeinheit des Staatsvolkes in der jeweiligen Haushaltsperiode nur das zurückbekommt, was sie durch Steuern selbstfinanziert hat), S. 59, 60 f.; Mußgnug, Staatsüberschuldung, S. 61ff. (unter sehr deutlicher Betonung des Spannungsverhältnisses von Staatsverschuldung und Demokratie). Brenner/Haury/Lipp (Finanzarchiv 38 (1980), 236 ff, 245) erheben „demokratisch-rechtsstaatliche Bedenken" gegen die schuldenbedingte Vorbelastung künftiger Haushaltsgesetzgeber. Gegen Püttner, aber ohne nähere Präzisierung der Ablehnungsgründe, Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83,41 ff, 50 i. Hans Peteripsen meinte (in DÖV 1974, 289 ff, 296) mit der Gefahrdung des Rechtsstaates durch Überforderung der Haushaltskraft zunächst „nur" den Schutz gewährleisteten Eigentums. 26 Häberle (Demokratische Verfassungstheorie) unterstreicht allgemein die Offenheit der Demokratie für Alternativen (S. 22 ff), ganz im Sinne des Untertitels seiner Aufsatzsammlung: Materialien zu einer Verfassungstheorie der offenen Gesellschaft. Jüngst zitierte er (Ein Verfassungsrecht für künftige Generationen, S. 221) als „Pioniertext" der auch notwendigen Freiheit künftiger Generationen Art. 28 Satz 2 der französischen Verfassung von 1793: „Une génération ne peut assujettir à ses lois les générations futures", vergi. Godechot S. 82. Wilhelm Henke (Der Staat 20 (1981), 580 ff, 588, 592) vermißte bei ihm aber die letztendlich unabdingbare „Entscheidung"; so im Ergebnis auch die in Fn. 40 Genannten. 27 Zu dieser Definition der „efficiency" siehe Buchanan, Die Grenzen der Freiheit, S. 55 f.; ders., The American Economic Review 77 (1987), 243 ff, 247. Ein pragmatischer Rückzug auf bloß qualifizierte oder gar einfache Mehrheiten würde nicht nur Gesichtspunkte der Verfassungswirklichkeit in ein zunächst rein normatives Konzept hineintragen; er würde auch die juristische und moralische Legitimation, die aus der Einstimmigkeitsregel erwächst, auf eine rein juristische, verfahrensrechtliche Dimension reduzieren, so Haslinger S. 328 f.

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verfassungsrechtlichen Einvernehmens sind - gleichsam „hinter dem Schleier der Unkenntnis" von konkreten politischen Interessen - auch noch Lösungen und Regeln möglich, die danach im politischen Kampf keine Chance mehr hätten28. Ein derartiges Schema mag in Grenzen geeignet sein, gerechten und vernünftigen, also verfassungsökonomischen „Spielregeln" für die Finanzpolitik „wenigstens" eine Chance zu geben"29. Auch bei Anerkennung der oben angedeuteten Vorbehalte gegenüber Buchanans Testverfahren dürfte es im Zusammenhang mit der Beurteilung der Staatsverschuldung seinen Zweck erfüllen. Aus der Sicht einer solchen normativen individualistischen Vertragstheorie ist es nämlich undenkbar, daß Repräsentanten verschiedener Generationen einer Regelung zustimmen würden, die es einer Mehrheit in einer einzigen Generation gestattete, den laufenden öffentlichen Verbrauch durch Verschuldung zu Lasten aller anderen Generationen, d. h. künftiger Steuerzahler, zu finanzieren 30. Dem ist jedenfalls aus heutiger Sicht wenig entgegenzuhalten. Eine nüchterne Einschätzung der mutmaßlichen Einzelinteressen muß zu dieser Gesamtwertung führen, die damit auch als Arbeitsmaterial zur Nutzung durch eine von der Verfassungsökonomik gesteuerte Rechtspolitik zur Verfügung steht. Denn bei abstrakter, vernünftiger - man möchte auch sagen: mathematischer - Betrachtungsweise bringt die Staatsverschuldung dem zeitlosen Gemeinwesen wenig, und das Wenige auch nur unter strengen Restriktionen. Also würde man sie in einem hypothetischen Verfassungskonvent nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wohl auch nicht mehr gestatten; ex ante betrachtet könnten ihre Folgen ja jeden treffen, und die Art der Verteilung der Krediteinnahmen ist auch ungewiß31. Unbeschadet denkbarer Kritikmöglichkeiten im übrigen bringt die Verfassungsökonomik zumindest hier auch ein sachlich „gerechtes" For28

Dazu Brennan/ Buchanan, The Power to Tax, S. 5.

29

Zum „gerechten" Ergebnis siehe Buchanan, Coercive Taxation, S. 324. Zur „unanimous choice of constraints" „behind the veil of uncertainty" gegenüber der „conflictual choice within constraints" siehe noch Buchanan, ORDO 30 (1979), 349 ff., 352; ders., Die Grenzen der Freiheit, S. 54 ff.; ders., Palgrave, S. 585, 587; ders., The American Economic Review 77 (1987), 243 ff., 247 ff.; ders., Constitutional Economics (1989), S. 58; ders., Coercive Taxation, S. 309 ff., 318; ders., Constitutional Political Economy 1 (1990), 1 ff., 3, 7 ff.; weiter Vanberg/Buchanan S. 61 ff. Einige Bestandteile waren schon von Buchanan/Tullock niedergelegt (vor allem die Einstimmigkeitsregel, S. 85 ff.); der zu „optimistische" Ansatz dort wurde später von Buchanan - ohne Aufgabe der Grundorientierung als in vieler Hinsicht zu offen für zu viele Ergebnisse und Erklärungen kritisiert (Die Grenzen der Freiheit, S. 9 f.). Die Zweifel an der Notwendigkeit des „Schleiers der Unkenntnis" bei Christian Müller (ORDO 50 (1999), 207 ff., 225) dürften bei Normen gegen die (exzessive) Staatsverschuldung nicht angebracht sein. Zu Buchanans Thesen und ihrer Anwendung auf das sich entwickelnde europäische Finanz- und Geldwesen vergi. Kirchgässner, Kyklos 47 (1994), 321 ff. Für v. Arnim gehören die künftigen Generationen ebenfalls zum „Volk" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, ohne daß er daraus hinsichtlich der Staatsverschuldung allerdings Konsequenzen zieht (Staatslehre, S. 131 f.). 30

So Buchanan, The American Economic Review 77 (1987), 243 ff., 249 f.; vergi, auch dens., Constitutional Economics (1989), S. 65 f., wo er auf Keynes* Fiskalpolitik abzielt. Hierzu siehe auch Feldmann S. 76. Bajohr plädiert für eine Eingrenzung der Verschuldung dergestalt, daß die verbleibenden Möglichkeiten auf einen durch Plausibilitätsprüfung zu ermittelnden „intergenerativen Konsens" stoßen (KJ 31 (1998), 433 ff., 443 mit Fn. 86). 31 So Tabellini/Alesina, The American Economic Review 80 (1990), 37 ff., 38: Die Abstimmenden würden „behind a ,veil of ignorance*", d. h. „ex ante", einstimmig „a balanced budget" vorziehen. Allerdings ist mit dieser zeitlichen Fixierung auch eine „historische" Vorgabe für den unterstellten Gesellschaftsvertrag vermacht, vergi, oben das 1. Kapitel zu Fn. 21 und weiter Hegmann S. 274.

5. Kap.: Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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schungsresultat einfach deshalb hervor, weil sie alle betroffenen Generationen für die normative Bildung des Konsenses beansprucht 32. Buchanans Modell ist in diesem Punkt zweifellos einleuchtend - und von den amerikanischen Bemühungen um die Verschuldungseingrenzung in den achtziger Jahren bestätigt insoweit, als nur eine „ex ante" gültige Verfassungsnorm den Haushaltsgesetzgeber binden kann 33 . M i t der Ablehnung der jetzigen Finanzverfassung ist jedoch noch keine positive neue erfunden. Wieweit die Verbindung der „Effektivität" mit der „Einstimmigkeit" zu einer verfassungsökonomisch qualifizierteren Finanzverfassung beitragen kann, soll hier noch offen bleiben. Es ist mit Buchanans Vertragstheorie die Notwendigkeit einer Einigung zwischen den Generationen ohne weiteres vermacht. Der Gedanke des „Generationenvertrages" könnte daher im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung gleichfalls herangezogen werden 34 . Die Selbstbeschränkung der heutigen Generation ist demokratietheoretisch umso dringlicher, als die künftigen Steuerzahler sich heute nicht wehren können. Sie sind entweder zu jung oder noch gar nicht geboren 35 . Das ergibt sich zwangsläufig aus dem Vorhergehenden. - Eine weitere Ausformung des Demokratieprinzips ist schon bekannt: Die Kompensationsfahigkeit der Investitionen gilt besonders unter diesem Gesichtspunkt als wichtig. Sie soll sicherstellen, daß die Leistungen und Investitionen, die aus den Krediteinnahmen finanziert werden, wenigstens den später Lebenden zugutekommen 36 . 32 Es ist deshalb nicht richtig, wenn Haslinger aus diesem Grunde Buchanan das Verlassen seines konstitutionenökonomischen Ansatzes vorwirft. Denn dieser hat bei seiner resignierenden Einschätzung der Aussichten von Politikern, die langfristigen Schäden der ständigen Defizite zu beseitigen, nicht die Verfassungsebene, sondern „ordinary majoritarian politics" im Auge (Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff., 122). Verständlicherweise: Wer etwa bei der Umstellung der Rentenfinanzierung vom Umlage- auf das Kapitaldeckungsverfahren eine Doppelbelastung auf sich nehmen soll, wird dieser Entlastung der Zukunft schwerlich freiwillig zustimmen, vergi. Haslinger S. 333. 33 So auch Tabellini/Alesina 38: Die heutigen Wähler binden gern künftige Regierungen, aber keine aktuelle Mehrheit möchte sich an die Regel halten. Vergi, auch Schemmel/Borell S. 127 f., 168. 34

Das „Generationenproblem" als unausweichliches Thema des „Verfassungsstaates" mit der Konsequenz der Idee des „Verfassungsvertrag(es) als Generationenvertrag" spricht Häberle an (Das Grundgesetz und die Herausforderungen der Zukunft, S. 749 f.). Neuerdings sieht er von vornherein das Volk als „Summe von Generationen" beteiligt an der Entwicklung einer Verfassung „in der Zeit" (Ein Verfassungsrecht für künftige Generationen, S. 228). 35 Vergi. Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff., 121 f.: „There is no effective presence of future-period taxpayers in current-period political choice settings ..."; Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 114; Issing, Disziplinierung der Finanzpolitik in der Europäischen Währungsunion? S. 184: „mangelnde Repräsentanz künftiger Generationen"; Paul Kirchhof, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 277: Die künftig Betroffenen haben keinen Gerichtsschutz; ders., Staatsverschuldung als Verfassungsproblem, S. 55: Der zukünftige Steuerzahler kann sich weder als Wähler noch als rechtsstaatlich Klagebefugter wehren; Wolfram Richter S. 176: Es ist schwierig, die Interessen ungeborener Generationen angemessen zur Geltung zu bringen; Vanberg S. 115: Sie können keine Stimme gegen die Verschuldungspolitik abgeben; Vanberg/Buchanan S. 339 f.; WolfS. 135 (unter Bezugnahme auf Kirchhof). 36 Dazu Paul Kirchhof Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 55; vergi, im übrigen die oben in den Fn. 21-23 Genannten.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme b) Präambel des Grundgesetzes

Verfassungsrechtliche Unterstützung des Demokratieprinzips bieten möglicherweise noch weitere Teile des Grundgesetzes: Aus seiner Präambel, d. h. aus der „Verantwortung vor den Menschen", wird herausgelesen, daß auch künftige Generationen noch finanziellen Handlungsspielraum zur Verwirklichung politischer Alternativen haben sollen37. Diese gewissermaßen objektivierte und auf die Erde geholte Eidesformel ist aber trotz des fehlenden transzendentalen Bezuges immer noch zu politisch gedacht und zu weit gefaßt, als daß sie konkrete Relevanz und Durchsetzungskraft gegenüber ausformulierten Verfassungsnormen haben könnte. c) Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Der moderne „Leistungsstaat" knüpft Austauschbeziehungen zwischen Geben und Empfangen, die ganz zwangsläufig die Generationen überspannen, in der Rentenversicherung ebenso wie bei der Staatsverschuldung. Wenn aber vom Recht gestaltete Leistungsbeziehungen zwischen den Generationen bestehen, dann ist dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Die „Gleichheitsprobleme ... zwischen den Generationen" müssen wohl „als zentrales Problem ... des Leistungsstaates" aufgefaßt werden38. d) Gleiche Rechte anderer (Art. 2 Abs. 1 GG) Die Heranziehung des Gleichheitssatzes für intertemporale Rechtsbeziehungen würde bedeuten, daß die Rechte der künftigen Generationen den Rechten der heutigen gleichgesetzt - oder zumindest als berücksichtigungswerte entgegengesetzt - würden. Dann tauchte jedoch die Frage auf, ob nicht in Anbetracht der Bevorzugung der heute Lebenden bei der Mittelverteilung zugleich der Rechtsgedanke des Art. 2 Abs. 1 GG („... soweit (sie) nicht die Rechte anderer verletzt...") weiter auszuarbeiten wäre. 37 Erwähnt von Donner (Zeitschrift für Parlamentsfragen 18 (1987), 436 ff., 444 f.), aber mit kaum überzeugenden Gründen beiseite geschoben: „... (Es) würde die finanziell begründete Unmöglichkeit der Verwirklichung politischer Alternativen kommende Generationen nicht zwingend auch an ihrer Grundrechtsverwirklichung hindern". Das ist zum einen nur ein Teil des finanziellen Problems, entspricht sodann womöglich nicht mehr dem modernen Grundrechtsverständnis und bleibt schließlich durchaus zu überprüfen. 38 So Haverkate in der Aussprache zum Beratungsgegenstand „Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung im Leistungsrecht" (WDStRL 47 (1988), 229 f.); siehe weiter Hüther, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 757 ff., 763: „Eine solche intertemporale Diskriminierung (künftiger Generationen) wäre eine Verletzung des weithin unstrittigen Prinzips, daß der Staat für Chancengleichheit sorgen müsse,... (auch) intergenerativ". Etwaige Ungleichheiten dieser Art gehen als generelle über die konjunkturbedingte Ungleichmäßigkeit der Lastverteilung hinaus, die im 4. Kapitel bei Fn. 44 angesprochen und bejaht wurde. Siekmann hält allgemein grundrechtliche Grenzen für Art und Umfang der Staatsverschuldung zwar für denkbar, aber für nur schwer faßbar (Rn. 14 zu Art. 115). Buchanan/ Congleton betrachten die Kreditfinanzierung als Verletzung des Allgemeinheitsprinzips (S. 97 ff.), verwenden „generality" und „equality" aber weitgehend als Synonyma (S. 7 ff.), was vertretbar erscheint, wenn man die Allgemeinheit (des Gesetzes) als den „schwächeren Bruder" des Gleichheitssatzes ansieht (so Kratzmann, Der Staat 29 (1990), 521 ff., 536 ff., 538).

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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3. Gegenposition: Demokratie als Herrschaft heute Die Einwände gegen die Heranziehung des Demokratieprinzips als einer zusätzlichen oder gar entscheidenden Beschränkung der Kompetenz staatlicher Organe, sich des Kredits als eines Finanzierungsmittels zu bedienen, sind knapper und robuster. Sie können sich immerhin auf die offenkundige, spezifisch einschlägige Rechtslage ebenso wie auf die allseitige Praxis berufen: „Demokratie" bedeutet zunächst einmal „Herrschaft", und die verfassungsmäßigen Organe des Staates dürfen diese Herrschaft souverän innerhalb der explizit in der Verfassung niedergelegten Grenzen ausüben39. Daran schließt sich fast übergangslos die Konsequenz an: Die Ausübung von Herrschaft bedeutet stets die Festlegung auf bestimmte Ergebnisse und damit den Ausschluß von Alternativen. Es wäre ein Mißverständnis der demokratischen Staatsform, sie mehr oder weniger als das stete „Offenhalten von Alternativen" für die Machthaber der nächsten Periode oder Generation zu begreifen. Jede Machtausübung ist zwangsläufig mit Vorgriffen auf Kompetenzen und Chancen der Nachfolger verbunden40. Dieses durchaus geläufige Verständnis von Herrschaft betont von den beiden Bestandteilen des griechischen Begriffs den zweiten, das Herrschen („kratein"), welches sich zwangsläufig nur jeweils heute, hic et nunc, abspielen kann. (Oben dagegen wurde durch die generationenübergreifende Interpretation des Volkes („demos") die Reichweite des Gesamtprinzips in die Zeit und damit in die Zukunft hinein erstreckt.) Das gilt umso mehr, als der vorausschauende Leistungsstaat der Gegenwart es nach allgemeiner Auffassung gerade als seine Aufgabe ansieht, die künftigen Grundlagen des gesellschaftlichen Lebens dauerhaft zu sichern, Vorsorge für die anhaltende Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen zu treffen und die Abwehr potentieller Gefahren rechtzeitig einzuleiten. Diese Zukunftsvorsorge kann die Gewinnung der erforderlichen Mittel nicht

39 Henseler, AöR 108 (1983), 489 ff., 501. Auf S. 506 schließt sich aber die das Problem gewissermaßen „überhöhende" Feststellung an, daß die überkommenen rechtlichen Verbindlichkeiten den Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum des „(Haushalts-)Gesetzgebers begrenzen, ohne seine rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungskompetenz (über den Haushalt) zu beeinträchtigen" (nach BVerfGE 45, 1 ff., 32); „... das amtierende Parlament" bereitet „den Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Gestaltungsfreiheit seiner Nachfolger entwickeln kann". Das ist rein formal - und an den Verschuldungsproblemen vorbei - gesehen; immerhin weist Henseler anschließend auf die Mehrbelastungen der Bürger hin (507 ff.). Wie das BVerfG und Henseler auch Donner (446), der hinzufügt (446 f.), daß das amtierende Parlament nicht wegen Rücksichtnahme auf eine künftige Mehrheit die eigene Souveränität beschränken müsse; vergi, auch: „Demokratie ist in erster Linie eine Form der Herrschaft" (448). 40 Friauf, Staatskredit (§91), Rn. 59: Demokratie bedeutet auch politische Dezision mit Fernwirkung, nicht nur das Offenhalten von Alternativen; vergi, weiter Donner 448; Henseler 502; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 95 f. Paul Kirchhof {Dit Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 33 f.; Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Staatsverschuldung, S. 61) gibt demgegenüber zu bedenken, daß die kreditfinanzierte Ausgabe in der Gegenwart ausschließlich begünstigt, in der Zukunft ausschließlich belastet; die weitergegebene Investition ist kein Ersatz für eine Handlungsfreiheit, die nur Geldmittel gewähren.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

zuletzt auf dem Kreditwege keinesfalls ausschließen41. Hier scheint durch die Vorausschau die Zukunft sehr wohl in die Gegenwart mit einbezogen zu werden. Doch es ist die Sicht der heutigen Generation und ihr gegenwartsbezogenes Verständnis, welche das Handeln des Leistungsstaates in der Zeit bestimmen; nicht steht im Vordergrund die Vorstellung, den Nachfahren möglichst viel Freiheit und Spielraum zur Selbstentfaltung zu hinterlassen. Es ist letztlich die gleiche Nutzenbestimmung aus der Gegenwart heraus, die oben bereits den Zukunftsnutzen zahlreicher Investitionen anzweifeln ließ. Also steht hier gleichfalls die - wenn auch mehr oder weniger wohlmeinende, sorgende, aber letztlich doch verbindlich vorgreifende - Herrschaft heute im Vordergrund. Es ist als Ergebnis einer nüchternen verfassungsrechtlichen Gewichtung ohne Frage festzuhalten, daß die konkreten Grundgesetzvorschriften der Art. 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 vorrangig das Feld beherrschen und daher als die einzigen maßgeblichen Normen das Staatsschuldenrecht bestimmen. Man mag sie schlimmstenfalls als „Systembruch" qualifizieren 42; sie bilden aber allemal die verfassungsmäßige, nämlich vor- und damit höchstrangige Konkretisierung des Demokratiegebots43. Dieses beherrscht somit als oberstes Staatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) de constitutione lata nicht unmittelbar mit einer anderen Auslegung das Staatsschuldenrecht. Denn anderenfalls müßte zwecks Herstellung der Widerspruchsfreiheit der Verfassungsnormen die Interpretation des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG etwa so geändert werden, daß Vorwegdispositionen über künftige Steuereinnahmen ausgeschlossen werden, oder es wäre diese Norm gar als „verfassungswidrige Verfassungsnorm" abzuqualifizieren 44. Derartige rechtliche Gewaltakte würden das Verhältnis zwischen Prinzip und Konkretisierung gewissermaßen „auf den Kopf stellen445. Die Ablehnung einer unmittelbaren Geltung des Demokratieprinzips entspricht jedenfalls der ganz herrschenden Meinung46. 41

In diesem Sinne BVerfGE 79,311 ff., 343 (auch wenn in einem etwas anderen Zusammenhang); Donner 447; Fischer-Menshausen Rn. 1 zu Art. 115 (Verfassungsauftrag der Zukunftsvorsorge); Hemeler 499 ff.; auch Heun, Die Verwaltung 18(1985), 1 ff., 25 f. (allerdings soll das Demokratiegebot als Leitgedanke verfassungsrechtlich „eine gewisse Zurückhaltung" auferlegen); Höfling S. 96; Paul KirchhofS. 32 f. bzw. S. 61; Patzig, DÖV 1985,293 ff., 299 (mit einigen allerdings wenig überzeugenden Ergänzungen); ders., DÖV 1989,1022 ff., 1025; WolfS. 44 f., 46 f. (der insoweit den Sozialstaatsgedanken heranzieht). 42

Vergi. Püttner in Fn. 25.

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Siehe BVerfGE 79, 311 ff., 343, wobei das Gericht den Regelungsauftrag des Art. 115 Abs. 1 Satz 3 GG noch ausdrücklich mit einbezieht. 44

Dazu ablehend Hemeler 503 f.; Wolf S. 44 (der aber dennoch „Maßhaltung" bei der Kreditaufnahme fordert, S. 46). 45 Dazu Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 96 f.: „Für den argumentatorischen Rückgriff auf Großformeln und Grundprinzipien ist (u. a. neben Art. 115 Abs. 1 Satz 2) kein Raum"; so ders., Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 89. 46 Sehr zurückhaltend allerdings Isemee, Schuldenbarriere, S. 705. A. A. v. Arnim, BayVBl. 1981, 514 ff., 519: Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG ist kein überzeugender Einwand, weil er nur eine Obergrenze enthält und folglich nichts über andere Schranken und negative Wertungen bezüglich der Kreditfinanzierung aussagt. Die These der „Regierung auf Zeit" sei allemal ein wesentlicher verfassungstheoretischer Argumentationsansatz. Häberle sieht die verfassungsrechtliche „Sensibilität für die Zeit" in der vierjährigen Legislaturperiode und einigen noch kleineren Zeitmaßen berücksichtigt (Zeit, S. 340 f.); ähnlich auch Isemee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 114.

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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4. Bleibende Relevanz allgemeiner Verfassungsprinzipien a) Demokratieprinzip Damit ist jedoch seine Relevanz als ein Verfassungsprinzip, welches u. a. die Zeitlichkeit und Wirkungsbegrenzung aller Machtausübung in sich birgt, zumindest im Rahmen dieser Arbeit noch keineswegs verneint. Denn seine grundsätzliche Geltung wird nicht bestritten, seine Verschiebung auf die verfassungsrechtliche „Reservebank" erfolgt mitunter nicht ohne Vorbehalt47, und der Konflikt zwischen Entscheidungsfreiheit heute und Zukunftsoffenheit morgen wird durch zwei explizite Grundgesetzartikel wohl entschieden - oder auch offengelassen, wenn man die Unklarheiten mitbedenkt - , aber nicht eigentlich aufgelöst. Zu dieser Erkenntnis genügt ein Blick auf die heutige Verschuldungssituation und auf die derzeitige Einschätzung der vorrangig maßgeblichen Verschuldungsnormen in der geltenden Finanzverfassung. Man wollte 1967/69 nach bestem Wissen und Gewissen, aber auch verlockt durch die Aussichten auf leicht zugängliche neue Geldquellen das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft in einer Weise lösen, die der Gegenwart reichlichere Finanzmittel und der Zukunft die Früchte aus dem Einsatz dieser Finanzmittel versprach. Die Hoffnung hat indessen gründlich getrogen, und das prinzipiell ja niemals auch nur partiell durch die Artikel 109 und 115 GG außer Kraft gesetzte Demokratieprinzip meldet sich mit seiner steten Mahnung zur zeit- und erfahrungsangepaßten Neukonkretisierung verstärkt wieder zu Wort. Wenn also im weiteren Verlauf der Untersuchung der Blick ein „verfassungsökonomischer" wird und über die constitutio lata der Artikel 109 und 115 GG hinweggeht, wird das Demokratiegebot wieder die gebührende Beachtungfinden müssen. Es stellt dann den verfassungsrechtlichen Grund dafür dar, die Artikel 109 Abs. 2 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG als nicht optimale Konkretisierung beiseitezustellen und das prinzipielle Verschuldungsverbot als eine adäquatere in das Grundgesetz aufzunehmen. Nicht zuletzt an der Achtung oder Mißachtung der demokratischen Belange künftiger Generationen läßt sich die Qualität einer Finanzverfassung ablesen. Die jetzige bezieht insoweit jedenfalls einen weiteren, nämlich verfassungsrechtlichen „Minuspunkt". Gar den derzeitigen Zustand unserer Staatsfinanzen auch noch als das gelungene Ergebnis „zukunftsgestaltender Daseinsvorsorge" vergangener Parlamente zu „verkaufen", wie es in der Konsequenz der oben skizzierten Mehrheitsmeinung läge, verlangte ein übergroßes Ausmaß an politischer Gutgläubigkeit. Eine solche würde das im Demokratiegebot enthaltene Postulat der Rücksichtnahme und Zurückhaltung in jeder Herrschaftsperiode dem „Volke" in seinen sich ändernden Erscheinungsformen vermutlich nicht mehr zumuten. b) Gleichheitssatz Auch die spezifische Generationengerechtigkeit als Problem des Leistungsstaates kann durch die beidenfraglichen Normen der geltenden Finanzverfassung keine dauernde Lösung erfahren haben. Sie ständig neu auszutarieren bleibt eine ewige Aufgabe und wird umso drängender, je mehr mit dem Anwachsen der Staatsschuld die Gewichtung zu Lasten der 47

Vergi. Heun in Fn. 41; weiter Henseler S. 505 ff.; wohl auch Wolf S. 136 f.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Zukunft sich verschiebt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG heischt somit ebenfalls Geltung und erneute gründlichere Berücksichtigung. Er könnte aber in seiner Bedeutung darunter leiden, daß die in jeder Generation veränderten Umstände vor allemfinanziellen Ursprungs das Koordinatensystem des Gleichen und Ungleichen allzu sehr ins Wanken bringen48. Die Frage wird sein, wieweit derartige Verschiebungen seine prinzipielle Geltung zwischen den Zeiten beeinträchtigen.

5. Verschuldung als „Kneifen" vor der Verantwortlichkeit? Den Übergang zu dieser Situationsbeschreibung (oder „Inzidenzcharakterisierung") bildet ein Gedanke, der in ganz anderer Form letztlich auch aus dem Demokratieprinzip abgeleitet wird. Würde die Staatsverschuldung abgeschafft, könnte der Staat die als notwendig angesehenen Mittel nur durch zusätzliche Steuern gewinnen, sofern er von der Reduzierung der Ausgaben - und damit der Aufgaben - absieht. Werden aber die staatlichen Einnahmen im wesentlichen auf Steuern beschränkt, merkt der zahlungspflichtige Bürger einmal schneller, was die „Wohltaten" kosten, die ihre Existenz auch den Einnahmen aus Krediten verdanken. Er kann sodann treffsicherer als bisher für oder gegen mehr Aufgaben und damit Steuern bzw. für oder gegen die bei der Benutzung der „Steuerschraube" unterschiedlich eifrigen Parteien votieren. Das Wahlvolk besäße mit anderen Worten einen sehr viel besseren „Hebel" für den gezielten Einsatz bei Wahlen und Abstimmungen49. In Ermangelung der Kreditaufnahme als eines (finanz-)politischen Ausweichmanövers würde die Steuerbarkeit des staatlichen Ausgabenvolumens durch den Steuerzahler als den letztlich Belasteten beträchtlich gestärkt. Ist die Steuerbarkeit aber solchermaßen gewährleistet, müßten sehr triftige Gründe vorliegen, um sie nicht mit der gesteigerten Verantwortlichkeit einer jeden Generation für eine „bescheidene" Finanzpolitik zu verknüpfen: Wenn die Angehörigen der heutigen Generation, wenn die derzeit demokratische Macht ausübenden Politiker sich einen Wunsch erfüllen wollen, dessen Kosten den Rahmen der Einnahmen sprengen, dann dürfen sie den Preis nicht mit geborgtem Geld scheinbar mühelos begleichen, in Wahrheit aber unweigerlich auf die Nachfolger verschieben. Sie sollen die Kosten selbst tragen. Allein mit einem durch erhöhte Steuern nachgefüllten Staatssäckel vermeiden sie es, sich selbst oder den jeweils anderen Betroffenen vorzumachen, daß die Erfüllung des Wunsches keinen Preis habe. Wollen sie diese Folgen aber nicht selbst tragen, weil ihnen die Steuersätze zu hoch oder die Steuerwirkungen zu hart erscheinen, müssen sie auf die Erfüllung des Wunsches eben verzichten50. 48 Ossenbühl sieht in der „Wandelbarkeit der Gleichheitsvorstellungen ... die eigentliche Problematik der »Gleichheit in der Zeit4 ..." (Soziale Gleicheit in der Zeit, S. 682). 49

Diese „Hebelwirkung" betont Zimmermann, Wohlfahrtsstaat, S. 85. Umgekehrt zeigt das Agieren unter der „balanced budget rule" auch die Tüchtigkeit eines Politikers, so Pech, Finanzarchiv 54 (1997), 537 ff., 540 f., 552, 557, 562. 50

Sehr klar bejahen Wagner/Tollison (S. 23) den Wert von Verantwortlichkeit: „Taxfinance forces legislators to take responsibility for their budgetary decisions;... borrowing weakens this responsi-

5. Kap.: Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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„Ethisch" ließe sich diese Sicht des Verschuldungsproblems zudem noch deshalb nennen, weil sie in eine Konsequenz des „Kategorischen Imperativs" Kants umzuformulieren wäre, nämlich in das Postulat, den „Selbstwiderspruch des politischen Wohltäters" zu unterlassen51. Das entspricht dem „allgemeinen Verbot lügenhafter Versprechen". In diesem Sinne sind Politiker aufrichtig allenfalls dann, wenn sie Krediteinnahmen für nachweislich und nachhaltig zukunftsbegünstigende Investitionen verwenden oder eine Konjunkturflaute tatsächlich erfolgreich (und womöglich wundersam ohne bleibende negative Nachwirkungen) bekämpft haben - oder „die klaffenden Löcher im Etat mit neuen Anleihen und Schuldscheinen notdürftig (stopfen) und ... sich erbleichend einer ... Schuld gegenüber (sehen), deren Höhe zur Kopfzahl der Einwohnerschaft in skandalösem Verhältnis (steht)"52, wenn m. a. W. der Haushalt nach offenem Eingeständnis wegen zerrütteter Staatsfinanzen gar nicht mehr anders abzugleichen ist. Will man aber im übrigen das Postulat beachten, so proklamiere man am besten den Satz, der das Motto dieser Arbeit darstellt. Die Verantwortlichkeit für die Konsequenzen des eigenen Handelns und der Wille, sich und anderem nichts vorzumachen, sind „Werte an sich", die zusätzlich zur Geringschätzung der Kreditaufnahme beitragen (sollten).

6. Der „Vorbehalt des Möglichen" Auf der Suche nach Grenzen und Schranken der Staatsverschuldung muß zwangsläufig auch ein „Vorbehalt" ins Blickfeld geraten, der die verfassungsrechtliche Diskussion der Grundrechte vornehmlich dann begleitet, wenn es in ihrem umstrittenen Verständnis als Leistungsrechte um diefinanziellen, also haushaltswirtschaftlichen Konsequenzen geht. Die rechtliche Natur des „Vorbehaltes des Möglichen" ist bisher noch ungeklärt; seine wissenschaftstheoretische Bedeutung zumindest liegt darin, daß er die sehr komplizierten und im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelten Beziehungen zwischen rechtsstaatlichen Verpflichtungen undfinanzwirtschaftlichem Vermögen des Staates - wenn nicht normativ regelt, so doch wenigstens - deklarativ als vorrangig klärenswert und als zugänglich für Reservationen wegen knapper Ressourcen offenlegt. Letztere wiederum können durch das bility ...". Auf die Verantwortlichkeit im Umgang mit dem Instrument der Staatsverschuldung legen Isensee (Würdigung der Schuldengrenze, S. 114) und v. Weizsäcker (Kyklos 45 (1992), 51 ff., 62 f.) großen Wert. Die Gefahr unverantwortlichen Borgens ist bei Regierungen größer als bei Privaten, erklären Buchanan/Wagner , Democracy in Deficit, S. 17. Zu den Konsequenzen dieses Standpunktes äußern sich: Hansmeyer, Der öffentliche Kredit I, S. 69: Die Regierung kann sich vor unpopulären finanziellen Konsequenzen leichtfertiger Beschlüsse durch Kreditaufnahme für eine Weile „drücken"; ähnlich ders., Ursachen des Wandels der Budgetpolitik, S. 28 f.; Seeler, Recht und Politik 1995,195 ff., 196: Die Kreditaufnahme gehört zu den Versuchungen, Gegenwartsprobleme so schmerzlos wie möglich zu lösen. Die Gründe für die „Neigung zur Verschuldung" werden im 7. Kapitel noch ausführlicher erörtert. 51

Nach Hruschka, JZ 1987,941 ff., 951 f. Hruschka spricht allgemeiner vom „pragmatischen Selbstwiderspruch des Handelnden" (952). 52 So hat Thomas Mann im Roman „Königliche Hoheit" (Kapitel VIII: Die Erfüllung) den finanzwirtschaftlichen Zustand des Großherzogtums kurz vor dem hilfreichen Eingreifen der Familie Spoelmann geschildert.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Verbot nachhaltiger Verschuldung noch viel eher und schneller schwindsüchtig werden als sie es mit den offenen Zugängen zu den Kreditmärkten bereits geworden sind. a) Vorbehalt im Konflikt zwischen „Maßstab des Rechts44 und „Maßstab des Möglichen44 als einem Homogenitätsproblem Diese noch keine dreißig Jahre alte Vorbehaltsklausel ist aus der modernen Grundrechtsdogmatik jedenfalls dann kaum mehr wegzudenken, wenn der Staat für die private Grundrechtsausübung mit eigenen Mitteln einzustehen hat. Auf den ersten Blick ist eine Begrenzung der Staatsverschuldung mit ihr nicht in Verbindung zu bringen. Denn sie bezieht sich nicht auf die, Angebotsseite" der Finanzmittel gewissermaßen, sondern auf das Ausmaß der Nutzungsmöglichkeiten auf der „Nachfrageseite", und selbst da ist bei einer Beschränkung aller Ansprüche und Ausgaben auf den Finanzrahmen regulärer Steuereinnahmen vieles für speziell grundrechtsbewehrte Rechte immer noch dann möglich, wenn die übrigen Anmeldungen an den Haushalt entsprechend überproportional reduziert werden. Bezogen auf die Grundrechte als Leistungsrechte kann die Minderung der Finanzmittel durch eine Budgetrestriktion somit zunächst nur ein Regulativ - aber nicht das einzige des „Möglichen" sein. Doch auf der „Nachfrageseite" stellt der Vorbehalt immerhin einen Bezug her zwischen dem individuellen Grundrechtsgenuß hier und dem „Möglichen" dort, eben der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Finanzwirtschaft, von der bestimmte Varianten der Grundrechtsnutzung nicht unerheblich abhängen. Damit taucht für jedes der in Betracht kommenden, womöglich „kostspieligen" Grundrechte das zurückgestellte Problem der strukturellen Homogenität zwischen einer bisher wenig verschuldungsresistenten - und dafür bereits ausgiebig mißbilligten - , aber immerhin revidierbaren und daher potentiell strengeren Finanzverfassung und der übrigen Verfassungsordnung auf. In Anbetracht des im Grundrechtsbereich fast überall präsenten Vorbehaltes könnte am Ende er selbst das Vehikel zur Herstellung der gefragten Homogenität sein: Darf die jeweilige Grundrechtsausübung sich nämlich nur im Rahmen desfinanziell „Möglichen" bewegen, so ist die Eintracht erreicht, und es geht von ihr zumindest keine expansive Wirkung in Richtung auf eine weitere Überforderung der Staatsfinanzen aus. Der Vorbehalt hätte damit eine mittelbar bremsende Funktion. Er wäre umso wirkungsvoller, je enger das „Mögliche" in ihm finanzwirtschaftlich aufzufassen ist. Voraussetzung ist allerdings, daß er einen allgemein gültigen, in Voraussetzungen und Rechtsqualität greifbaren Charakter aufweist. Die inhaltliche Übereinstimmung der beiden genannten Verfassungskomponenten von den Grundrechten her zu erwirken, sollte eigentlich sehr willkommen sein. Denn man kann, wie schon angedeutet, Homogenität von zwei Seiten her anstreben und muß nicht von vornherein der Finanzverfassung und ihren schlicht unterstellten Rigiditäten den prägenden Vorrang einräumen. Namhafte Staatsrechtslehrer haben sogar massiv davor gewarnt, ihr „(a)ngesichts ihres faktischen Übergewichts ... einen Sonderstatus einzuräumen", was darin enden müßte, „daß sie als eine Art apokrypher Super-Verfassung den Bereich der verfassungsrechtlichen »Normalität4 überlagern und weitgehend denaturieren würde" 53. 53

So Friauf (WDStRL 27 (1968), 1ff., 6) im Anschluß an die Aussage zum Gebot der strukturellen Homogenität; ihm zustimmend Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 2 Fn. 7: „Sie ist natürlich auch

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung Das kann in dieser pointierten Darstellung auch unwidersprochen akzeptiert werden: Eine rechtsstaatliche Ordnung darf, wenn sie diesen Namen verdient, nur ihren in der Verfassung zum Ausdruck kommenden Grundprinzipien unterliegen, nicht jedoch primär fiskalischen Motiven ausgesetzt sein. Es ist ein Unterschied, ob der Staat ein rechtsstaatliches Instrumentarium errichtet und sich dabei u. a. dafür interessiert, was es kostet, oder ob der Finanzstaat vom Grundgedanken her, möglichst wenig auszugeben, den „Rechtsstaat entwickelt". In diesem Sinne finden das Postulat der Homogenität und die Ablehnung der Finanzverfassung als „Super-Verfassung" auch die folgende Zustimmung: „Die Finanzverfassung ... sichert (den Rechtsstaat) zwar objektiv, indem sie Gelder für Gerichte und Rechtsgarantien bereitstellt. Geld gestaltet aber den Rechtsstaat nicht. Er darf gerade nicht nach monetärem Maßstab, sondern muß nach gesetzlichen Wertungen funktionieren" 54. Schon die vorstehenden Äußerungen deuten die Mehrschichtigkeit des Homogenitätsproblems und damit die differenzierte Bedeutung und Einsatzfahigkeit des Vorbehaltes an. b) Homogenitätsprobleme auf Verfassungsebene und auf Gesetzesebene Die Anforderungen an die Harmonie zwischen Finanz- und Gesamtrechtsordnung, welche sich aus der grundlegenden Homogenität aller Teile des Grundgesetzes ergibt, können durchaus unterschiedliche sein: Die erste Aussage von Friauf warnt vor dem Übergewicht der Finanzverfassung gegenüber den anderen Bestandteilen des Grundgesetzes und damit auch gegenüber den Grundrechten. Er hat im Auge die prinzipielle Gewichtsverteilung auf der Verfassungsebene und damit auch das hier relevante Thema insofern, als es um die Harmonie a priori zwischen Finanzverfassung und grundgesetzlichem Gesamtgefüge geht, bei welcher der Vorbehalt des Möglichen u. U. zum Einsatz gelangt. Ferdinand Kirchhof dagegen meint mit dem „Funktionieren" des Rechtsstaates die Gesetzesebene und die Anwendungen des Gesetzes durch Verwaltung und Gerichte. Bei ihm geht es nicht um den Zusammenprall oberster Verfassungsprinzipien, sondern um die sehr viel konkreteren Fragen evtl. rechtswidrigen Verhaltens dann, wenn der Verwaltung bei der Anwendung eines Gesetzes das Geld ausgeht. Dann taucht nämlich die Frage auf, ob sie sich ohne weiteres auf den Vorbehalt berufen und die Zahlungen einstellen darf. Insoweit ist das Meinungsbild keinesweg mehr einheitlich, sondern reicht von strikter Gesetzesbindung55 über gesetzesimmanente Wirtschaftlichkeitsvorbehalte 56 bis zur offenen Relativierung der Norm durch einen ebenfalls immanenten Finanzierungsvorbehalt57. keine ,Überverfassung' ...". Ähnlich Paul Kirchhof NVwZ 1983, 505 ff., 511. Für die „nicht nur punktuell(e)" Integration von Finanzwissenschaft und Staatsrecht Donner, Diskussionspapier, S. 19: Keine der beiden Wissenschaften darf ihre Termini jeweils allein konkretisieren. 54 55

So Ferdinand Kirchhof WDStRL 52 (1992), 71 ff, 87 (und LS 13).

Das Thema wurde auf der Staatsrechtslehrertagung Köln 1983 zum Thema „Die Steuerung des Verwaltungshandelns ..." (WDStRL42 - Aussprache-) gründlich erörtert: So äußerte sich dezidiert Hoffmann-Riem (285 ff): Das Verwaltungsrecht, speziell die Erfüllung polizeilicher Aufgaben, muß „finanzkrisenfest" sein, und vor allem die sozialstaatlichen Teilhaberechte dürfen keineswegs mit dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit der Verwaltung überlassen werden.

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Sodann charakterisiert Friauf die einfache verfassungsrechtliche „Normalität" gewissermaßen als Ausgeliefertheit höheren Gewalten gegenüber - und von denen kommt in der jüngeren deutschen Geschichte keineswegs nur die Finanz-Super-Verfassung in Betracht: „Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts hatten für die staatliche Finanzwirtschaft in Deutschland zur Folge, daß der Maßstab des Rechts durch den Maßstab des Möglichen ersetzt worden, der Anspruch der Rechtsstaatlichkeit damit gescheitert ist" 58 . Aber das muß nicht immer gelten; im Zusammenhang mit den Kosten der Wiedervereinigung war - und ist - ein eher spendabler Finanzstaat zu beobachten. Schließlich und besonders beschränkt sich das Votum F. Kirchhofs oben auf die rechtsstaatliche Ausprägung der Gesamtverfassung mit ihren vorwiegend traditionellen Gewährleistungen. Doch bei der Interpretation des Grundgesetzes interessieren heute - und hier mehr seine sozial- und leistungsstaatlichen Aspekte. So setzt sich das Zitat über die objektive Sicherungsfunktion der Finanzverfassung auch wie folgt fort: „Lediglich Ansprüche gegen Behörden oder Teilhaberechte am Staat stehen unter der Bedingung des finanziell Möglichen, sind nämlich auf das beschränkt, ,was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann 4 " 59 . Es ist nicht ganz klar, ob mit den „Teilhaberechten am Staat" die Verfassungsebene angesprochen ist oder auch nur gesetzlich ausgeformte Rechte gemeint sind; die Ausstrahlungswirkung der Finanzverfassung resp. der schwachen Staatsfinanzen ist nach diesen Worten in jedem Fall ganz erheblich. Die leistungsstaatliche Wirklichkeit wird allerdings bisweilen anders gesehen60. 56 v. Mutius (324 f.) gab demgegenüber die Meinung nicht auf, daß im verbleibenden Ermessensspielraum Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ihre gesetzlich vorgeschriebene Rolle spielen müßten; wie dieser Grupp, Haushalts- und Abgabenrecht, S. 163. Vergleichbar hatte schon 1982 auf der Tagung zum Thema „Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag" (WDStRL 41) Wagener in der Aussprache beanstandet, daß der Maßstab der Rechtmäßigkeit als ein absoluter („als ,Κ.Ο.-Maßstab' ") Nutzwert- und Effizienzüberlegungen auch gänzlich ausschließen könnte (273); ihm schließt sich Ferdinand Kirchhof an (DÖV 1997, 749 ff., 755). Speziell bei der Privatschulsubventionierung wollen Kloepfer/Meßerschmidt eine Subventionsverweigerung durch die Exekutive jedenfalls solange hinnehmen, als das verfassungsgebotene Mindestmaß erhalten bleibt (DVB1. 1983,193 ff., 202 f.). v. Arnim weist dem Recht im engeren Sinne, den „konditionalprogrammierende(n) Normen", den Vorrang vor dem Wirtschaftlichkeitsprinzip auch als Rechtsprinzip zu (Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 93 f.); im Ergebnis so auch Gaentzsch, DÖV 1998, 952 ff., 953 f. Es kann nicht anders sein, weil sonst die Normkonditionen u.U. nicht zur Geltung kämen. Doch bei echter „Homogenität" würden diese Vorrangsfragen bedeutungslos. 57 Ihn nannte Isensee (WDStRL 42, 269 - Aussprache -): „Das Legalitätsprinzip, die Untersuchungsmaxime, das Gebot der formellen Wahrheit werden haushaltsrechtlich relativiert. Wenn der Sachauftrag die Personalkapazität übersteigt..., dann hat die Verwaltung von sich aus autonom das Sachgesetz auf das Maß der Möglichen zu reduzieren ...". Die unterschiedlichen Wirkungsweisen eines (etwaigen) Verfassungsvorbehalts staatlicher Leistungsfähigkeit hat Anna Leisner zusammengestellt (S. 27 ff). 58 Paul Kirchhof Grenzen der Staatsverschuldung, S. 272 (unter Verweisung auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Minderung der Kriegsfolgelasten); ders., NVwZ 1983,505 ff, 511; ders., Mittel staatlichen Handelns (§ 59), Rn. 79. 59 So Ferdinand Kirchhofin Fn. 54; nur bei einem »Anspruch gegen den Staat" sieht er das Problem, ob Normen oder Finanzmittel steuern (DÖV 1997, 749 ff, 756). 60

Paul Kirchhof Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 5: „Der Vorbehalt des Möglichen ist beim ordnungsstaatlichen, nicht beim leistungsstaatlichen Handeln aktuell bewußt". Siehe auch unten 7. Kapitel Fn. 34 und die weiteren Zitate dort.

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung In diesem Stadium der Untersuchung ist es als zumindest wünschenswert zu bezeichnen, die Homogenität desfinanziellen mit dem Gesamtbereich schon auf der Verfassungsebene herzustellen, weil sich das nachrangige konkretisierende Gesetzesrecht dann in die vorgegebene Harmonie ohne weiteres einpaßt. Es mag jedoch sein, daß dies nicht gelingt, weil sich ein Grundrecht etwa die finanziellen Zwänge „nicht bieten läßt". Dann muß selbstverständlich auch eine Lösung, eine Übereinstimmung gefunden werden, weil Anspruchssteller sich mit dem Hinweis auf fehlende Geldmittel allein nur selten trösten lassen. Das Ergebnis wäre dann allerdings kaum noch Ausdruck einer bruchlosen Harmonie. Noch näher vom Thema und von der Problematik dieser Arbeit her - wenn auch nicht ganz eindeutig - formuliert ist eine Einschränkung der Weigerung, „die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben verwaltungsrechtlich einem generellen Finanzierungsvorbehalt zu unterstellen": „Diese verwaltungsrechtliche Zurückhaltung (soll) nur dann gerechtfertigt (sein), wenn andererseits die Grenze, die Verschuldungsgrenze, des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG gesehen wird.. ." 61 . Das hört sich so an, als ob zumindest bei Erreichung dieser Grenze gleichsam „die Gemütlichkeit aufhört" und Finanzierungszusagen oder -regelungen als nicht erfüllbar wieder „einkassiert" werden dürfen. Damit ist zugleich die außerordentlich wichtige, hier vielleicht sogar entscheidende Frage angeschnitten, was beim „Vorbehalt des Möglichen", der sogleich näher zu erörtern ist, eigentlich finanzwirtschaftlich „möglich" ist 62 . c) Das „Mögliche" als Gleichsetzung mit regulären Steuermitteln? Der „Vorbehalt des Möglichen" wird sowohl generell als Einschränkung sozial- und leistungsstaatlicher Verpflichtungsfahigkeit und Beanspruchbarkeit wie auch speziell als Grenze für konkrete sozialstaatliche Ansprüche oder aus einzelnen Grundrechten abgeleitete Leistungsforderungen verstanden. In diesem ersten Teil der Arbeit interessieren allein die folgenden Fragen: Ist er eine im Ursprung faktische, also für den Gesetzgeber ebenso wie für den Interpreten exogene und ihrer Regelungsmacht entzogene Grenze, besitzt er als solche am Ende gleichwohl Rechtsqualität von Verfassungsrang oder bietet er nur einen Hinweis auf die immanente Endlichkeit aller (staatlicher) Ressourcen? Ist er vielleicht sogar mit der Beschränkung auf den materiell ausgeglichenen Haushalt identisch, stellt das Mögliche somit das dar, was die regulären Staatseinkünfte hergeben? Dann bedeutete er eine harte Budgetrestriktion, die alle Leistungsforderungen zum gnadenlosen Kampf aller gegen alle um die Prioritäten in einem festen, durch die Steuereinnahmen fixierten Finanzrahmen zwingt. Oder läßt er auch die lässigere Variante des Auswegs in die Kreditaufnahme zu, zumindest für eine begrenzte Zeit? Das Mögliche umfaßte dann auch das, was ein großzügiger Staat zu leisten imstande ist, wenn er sich „bis zur Halskrause" verschuldet63. Oder 61 So Reiner Schmidt (WDStRL 42, 272 - Aussprache -). Wie sehr „die Integration in das verfassungsstaatliche System ... beim Staatskredit besondere Schwierigkeiten" bereitet, betont Isensee, Schuldenbairiere, S. 705. 62 63

So die Frage von Lücke, AöR 107 (1982), 15 ff., 41.

Wünsche stellt die Frage sozialpolitisch etwas anders: „Soll die Wirtschaftspolitik das sozialpolitisch Mögliche definieren - womit (die Sozialpolitiker) kaum einverstanden sein dürften - , oder soll das sozialpolitisch Nötige autonom ermittelt und durch die Wirtschaftspolitik erreicht werden?" (S. 26 f.). Sie läuft damit aber nur auf die im Text bisher dargestellte Alternative hinaus.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

entscheiden am Ende gar keine objektiv ermittelbaren Finanzströme, also „nicht das tatsächlich gesellschaftlich Mögliche, sondern das kalkulatorisch Erwünschte", berechnet mit dem „Maßstab der Kostenminimierung in der Perspektive der angenommenen Zuwachsraten des Bruttosozialproduktes"? 64. Ginge es dabei nach den Wünschen des Finanzministers, dürfte diese Kalkulation allerdings kaum von der restriktiveren ersten Variante abweichen. Der Unterschied zwischen diesen Anstrengungen ist, auf lange Sicht gesehen, übrigens gar nicht so groß, bedenkt man die Erkenntnis früherer Kapitel, wonach jeder durch Krediteinnahmen gewonnene Haushaltsspielraum unweigerlich früher oder später wieder verloren geht. Sinn und Zweck der Vorbehaltsklausel lagen im Auffangen und in der gleichzeitigen Abwehr utopischer Ansprüche an die staatliche Gemeinschaft, gestützt auf neu verstandene, aber weitgehend traditionell formulierte Grundrechte. Im Jahre 1972 hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum „ n u m e r u s clausus" an Hochschulen den „Vorbehalt des Möglichen" definiert, und wegen des offiziösen Charakters seien die einschlägigen Passagen hier wiedergegeben:, Auch soweit Teilhaberechte nicht von vornherein auf das jeweils Vorhandene beschränkt sind, stehen sie doch unter dem Vorhalt des Möglichen im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Dies hat in erster Linie der Gesetzgeber in eigener Verantwortung zu beurteilen, der bei seiner Haushaltswirtschaft auch andere Gemeinschaftsbelange zu berücksichtigen ... hat... (P)ersönliche Freiheit (läßt sich) auf die Dauer nicht losgelöst von Funktionsfahigkeit und Gleichgewicht des Ganzen verwirklichen ... und ... ein unbegrenztes subjektives Anspruchsdenken auf Kosten der Allgemeinheit (ist) unvereinbar mit dem Sozialstaatsgedanken .. . 6 5 . Diese auf den ersten Blick so griffig wirkende Formel ist in den letzten Jahrzehnten von Rechtsprechung und Literatur außerordentlich häufig als allgemeiner Finanzvorbehalt verwandt und bisweilen auch als „Maßgabevorbehalt" bezeichnet worden. Ein objektives Kriterium ist ihr nicht zu entnehmen; kein Hinweis läßt erkennen, ob der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Kreditaufnahme voll ausschöpfen muß oder ob er seine Verantwortlichkeit gegenüber den Grundrechten auch wahrnimmt, wenn er „hausväterlich" die Kreditaufnahme verweigert. Dafür geht aus der Skizze des Bundesverfassungsgerichts hervor, daß das „Mögliche" an der Schnittstelle der „vernünftigen Ansprüche" des einzelnen mit dem „verantwortlichen Urteil" des Gesetzgebers liegt. »Anspruch" und „Urteil" sind jedoch bei aller Objektivierung durch das Koordinatensystem von „Vernunft" und „Verantwortung" einmal stark von subjektiven Einschätzungen geprägt, weil persönliche Interessen hier und parteiliche oder politische Vorverständnisse dort eine nicht wegzudenkende Rolle spielen. Zum anderen sind nach dieser Formulierung sogar die „vernünftigen" Ansprüche der einen und die „verantwortliche" Mittelzuteilung des anderen in der politischen Wirklichkeit zwangsläufig gegeneinander gerichtet66. Das Ergebnis an der besagten Schnittstelle wird daher das von öffentlicher Seite „kalkulatorisch 64 So Friedrich Müller (Juristische Methodik und Politisches System, S. 30) in seiner Kritik am „Vorbehalt des Möglichen", wie das BVerfG ihn versteht. 65 BVerfGE 33,303 ff., 333 f. Zustimmend ζ. B. Ferdinand Kirchhof WDStRL 52 (1992), 71 ff., 87; Sendler, DÖV 1978,581 ff, 586. 66

Anders richtigerweise Ossenbühl: „Wer sollte diese ,Vernunft 4 verkörpern, wenn nicht der Gesetzgeber?" (NJW 1976,2100 ff, 2105).

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung Erwünschte" nicht zwangsläufig sein, es vielmehr überschreiten, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht dem staatlichen Gesetzgeber den Bestimmungsvorrang zugesteht. Die Antwort auf die Frage nach dem rechtlichen Charakter dieses „Möglichen" als Finanzierungsvorbehalt und,Anspruchsbremse" erleichtert das Gericht ebenfalls nicht. Der „vernünftige Anspruch" des einzelnen ist als solcher jedenfalls nicht der grundrechtliche Anspruch. Die „Verantwortung des Gesetzgebers" kann in Verbindung mit seiner „Berücksichtigungspflicht" primär nur politisch, nicht rechtlich gelenkt sein. Selbst wenn die „gesamtwirtschaftlichen Belange" nach Art. 109 Abs. 2 GG mit einbezogen werden, ist der gezeigte Prozeßcharakter dieser Norm inhaltlich wenig hilfreich. Vor allem sind die Kriterien aus Karlsruhe aus keiner Norm abzuleiten; sie sind eine Erfindung des Bundesverfassungsgerichts. Eine Rechtsqualität wächst dem Vorbehalt des Möglichen auf diesem Wege jedenfalls kaum zu, und die oben zitierte Konfrontation des „Maßstabs des Rechts" mit dem „Maßstab des Möglichen" wird vorerst bleiben und nicht in sich zusammenfallen. So wird es interessieren, ob es noch ein anderes Meinungsbild zu diesen Fragen gibt. Es liegen in der Tat bei anderen Anlässen und aus anderen Quellen zahlreiche unterschiedlich ausführliche Beschreibungen bzw. Zusätze für den „Vorbehalt des Möglichen" vor, die in der einen oder anderen Form der Prägnanz oder Undeutlichkeit dessen sachliche Reichweite und Bindungswirklichkeit näher zu ergründen suchen. Aber die Vorstellung, mit ihm die Staatsverschuldung als etwas,»nicht Mögliches", zumindest „Vermeidbares" zu bremsen oder gar zu verhindern, stellt nur in einigen Fällen das bestimmende Moment dar. Bisweilen wiederholen die Erläuterungen nur mehr oder weniger das Problem der Grenzziehung, selbst wenn es um die Schaffung von Freiheitsvoraussetzungen geht67, oder sie betonen die vorgegebene Knappheit der Mittel als eine Schranke für die staatliche Leistungsfähigkeit schlechthin68. Immerhin gibt es Andeutungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach die „staatliche Konsolidierung" u. a. den „Rahmen des Möglichen" bildet69. Diese Rechtsprechung bezog sich auf die besondere Situation in der Nachkriegszeit, als eine junge Bundesrepublik bei der Wiedergutmachung von Besatzungsschäden natürlich ihren eigenen Wiederaufbau nicht vergessen durfte. Jedoch auch dem reiferen und schon unter Finanzproblemen leidenden Gemeinwesen sind bei der höchst umstrittenen Privatschulsubventionierung Kürzungen des einschlägigen Haushaltstitels, die mit all67

Vergi. Böckenförde, NJW 1974, 1529 ff., 1536: „»Wirtschaftliche Unmöglichkeit4 erscheint als - notwendige - Grenze grundrechtlicher (Leistungs-)Verbürgung"; Brohm, JZ 1994, 213 ff., 216: Soziale Ansprüche können wegen der für sie erforderlichen erheblichen finanziellen ... Mittel, die bloß begrenzt sicher sind, nur unter dem „Vorbehalt des Möglichen" garantiert werden; Isensee, Der Staat 19 (1980), 367 ff., 381: Der Vorbehalt des Möglichen zeigt an: „Die Verteilungsmasse der Lebensgüter ist... begrenzt"; siehe auch Schimanke, JR 1973,45 ff., 47. Häberles Kommentar zu der einschlägigen Passage im Urteil des BVerfG hilft wenig weiter: „Auch hier dient der Blick auf die Wirklichkeit der Bestimmung des Möglichen" (Demokratische Verfassungstheorie, S. 31). 68 Hierzu siehe Bethge, Der Staat 24 (1985), 351 ff, 377; Isensee, Steuerstaat, S. 434; ders., WDStRL 47 (1988), 226 - Aussprache -: „Die finanzielle Kapazität des Staates bildet die faktische Grenze möglicher Staatsausgaben ..."; Oppermann, WDStRL 47 (1988) 216 f. - Aussprache - (beide zum Beratungsgegenstand: „Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung im Leistungsrecht"); Lorenz, Juristische Blätter 103 (1981), 16ff.,24 („staatliche ... Finanzkraft"); Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 518: „Die ,natürliche Knappheit4 der Anspruchsobjekte ist eine faktische Schranke aller sozialen Grundrechte44; so auch ders., JuS 1981,237 ff, 241. 69

BVerfGE 27,253 ff, 285.

9 Kratzmann

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

gemeinen Haushaltskürzungen einhergehen, nicht verwehrt worden 70 . Das klingt zumindest nicht nach dem Zwang zur vorherigen Verschuldung; die Politik des sagenhaften Finanzministers Schäffer, der in den fünfziger Jahren sogar noch einen „Juliusturm" anlegte, könnte sich in diesen Voten des Gerichts zumindest theoretisch wiederfinden. In der Literatur bemüht man sich ebenfalls, die Grenze des „Möglichen" wenigstens von der Erreichung der Zahlungsunfähigkeit als der denkbar äußersten Grenze wegzuschieben71. Etwas vage werden die „zur Verfügung stehenden Geldquellen" genannt 72 ; schon präziser bewegt sich das „Mögliche" im Rahmen der laufenden Steuereinnahmen 73. Das bedeutet aber im Ergebnis bereits das Postulat, die Kreditaufnahme für die Finanzierung des (grundrechtlichen) Leistungsstaates gänzlich auszuschließen74. Dennoch geht noch einen Schritt weiter, wer zu dem fraglichen Vorbehalt äußert: „Gemeint ist der Vorbehalt der vollen Kassen" 75 . Wer hingegen „finanzstaatliche Teilhaberechte" grundsätzlich unter den „Vorbehalt des haushaltsrechtlich Möglichen" stellt 76 oder dem Staat verwehrt, bei der Aufgabe des Hochschulbaues sich „ i n beliebiger Form auf, leere Staatskassen1 (zu) berufen" 77 ,

70

BVerfGE 75,40 ff., 68 f.; 90,107 ff., 116 f.

71

So Murswiek, Grundrechte als Teilhabegrundrechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 58.

72

Novak verweist auf die „ehrliche" Einschränkung der Verfolgung sozialer und wirtschaftlicher Ziele in der Türkischen Verfassung von 1961: „... so weit..., wie es., die ... zur Verfügung stehenden Geldquellen erlauben" (S. 28 f.); zustimmend auch Wìpfelder ZRP 1986, 140 ff., 146. Klar ausgeschlossen ist damit die Kreditaufnahme allerdings nicht. 73 Hierzu siehe Häberle, WDStRL 30 (1971), 43 ff., 60: „... der Staat (kann) nur leisten ..., wenn er zuvor aus den Leistungen seiner Bürger »einsammeln4 konnte"; Jörg Ρ Müller (S. 168) läßt die sozialstaatliche Leistungsverpflichtung des Gemeinwesens dort die Grenze erreichen, „wo die steuerliche Belastung ein Maß annimmt, das die Eigentumsgarantie in Frage stellt"; Mußgnug, WDStRL 47 (1988), 113 ff., 116, 128 und LS 13 (140 f.): „Das Leistungsrecht sprengt jedoch die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen, wenn seine Kosten nicht mehr aus den laufenden Einnahmen bestritten werden können"; Stern/Sachs, Staatsrecht HL/1, S. 719: Der Staat kann „im Rahmen seiner Abgabenhoheit" Leistungsansprüche erfüllen. „Erst bei Erschöpfung dieser Möglichkeiten" macht die „Zahlungsunfähigkeit" die Erfüllung ggf. unmöglich; Zacher, DOV 1970,3 ff, 9: „Umverteilung steht als ökonomisches Phänomen immer unter dem Gesetz der begrenzten Ressourcen ... (und es) gilt die Mackenrothsche These, ,daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß4". 74

Haverkate (WDStRL 47,230 - Aussprache - ) bemängelt allerdings Mußgnugs Leitsatz 13 als etwas zu „hemdsärmelig" und fragt zudem, wie in einem Staatshaushalt die Kreditaufnahme gerade den Leistungstiteln zugerechnet werden könne: „Phantom-Düsenjäger solide... und... Sozialhaushalt unsolide, durch Kredit, finanziert?" 75

So Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaates, S. 111.

76

So Paul Kirchhof, NVwZ 1983, 505 ff, 511 ; hierin ähnlich Isensee, WDStRL 42, 268 - Aussprache - . Kirchhof erwähnt weiter (WDStRL 47,202 - Aussprache - ) die „verfügbare finanzstaatliche Leistungskraft". An anderer Stelle (Mittel staatlichen Handelns (§ 59), Rn. 79) läßt er den erwähnten „Maßstab desfinanziell Möglichen" erst zur Geltung kommen, wenn „der Staat Zahlungspflichten zu erfüllen (hat), die seine Zahlungsfähigkeit, d.i. die Belastbarkeit seiner Abgabenschuldner, langfristig deutlich übersteigen44. Damit ist letztlich wenig ausgesagt, jedenfalls kaum mehr als mit der These (Rn. 80): „Der Vorbehalt des Möglichen ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Finanzstaates ...". 77 So Scholz Rn. 451 zu Art. 12. Zu diesem Thema dagegen sehr viel „unfreundlicher 44 Ridder, Sehfahrt tut not! S. 331 : Mit dem „Vorbehalt des Möglichen44 ist der „Staat allemal auch aus dem moralischen Schneider heraus, weil der Staat das »Mögliche4 unter Berücksichtigung anderer ,Gemeinschaftsbelange4 determiniert...".

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

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dürfte dabei die - haushaltsrechtlich (in Grenzen) ja zulässige - Kreditaufnahme nicht ausschließen. Der Vorbehalt könnte dann gewiß nicht als Bremse der Staatsverschuldung instrumentalisiert werden78. Einen klaren Meinungsstand ergibt diese Übersicht nicht. Vergleicht man den „Vorbehalt des Möglichen" mit dem „ultra-vires-Prinzip" 79, so drängt sich die Erkenntnis auf, daß die Kräfte des Staates eben unterschiedlich sind, je nach dem Aufwand seiner Anstrengungen. Sie hilft folglich nicht bei der Suche nach einer verfassungsrechtlichen Vorgabe für diesen Aufwand 80. d) Der „Vorbehalt des Möglichen" als inhaltliche Leerformel, homogenitätssuchende Argumentationsfigur und Kurzformel für rechtliche Finanzierungsvorbehalte Eine Antwort auf die oben zuerst gestellte Frage, welchen qualitativen Charakter der Vorbehalt aufweist, erübrigt sich damit im Grunde; ein rechtlicher ist es gewiß nicht. Er deutet bloß auf eine - wie sich zeigen wird - noch zu ermittelnde Grenze hin. Der Staat kann sich zweifellos im Rahmen der rechtlichen Vorschriften so lange und so hoch verschulden, bis eine weitere Kreditaufnahme einfach deshalb nicht mehr möglich ist, weil niemand mehr ihm Kredit geben will. Es wird zu fragen sein, ob sich vielleicht diese Tatsache verfassungsökonomisch umsetzen läßt. Daher dürfte eher die Annahme gerechtfertigt sein, daß in sachlicher Hinsicht bei der Rechtsgewinnung der „Vorbehalt des Möglichen" für sich gesehen kaum mehr als eine „Leerformel" ist 81 . Die nicht einheitlichen und insgesamt unsicheren Angaben zur Grenze des „Möglichen", jenseits derer leistungsstaatliche Ansprüche erlöschen und ggf. auch nicht mehr zur Begründung für eine Kreditaufnahme herangezogen werden dürfen, vermitteln allein die Einsicht, daß dieser Vorbehalt die entscheidende Frage nach der Verschuldungsgrenze nur in anderer Fassung neu stellt. Richtiger und sachgemäßer ist es daher, ihn zunächst formal als , Argumentationsfigur" 82 zu begreifen, welche die Homogenität von Gesamtverfassungsordnung, hier: namentlich von Grundrechten als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips, und jeweiliger Finanzverfassung weniger findet als vielmehr über78 Unklar bleibt Elles bei der Definition des Vorbehaltes: Die Erfüllung von Ansprüchen ist ausgeschlossen, „sofern es an den dafür erforderlichen Mitteln fehlt" (S. 52), bzw.: Es werden Ansprüche auf die Leistungen beschränkt, „die im Rahmen des haushaltsrechtlich Möglichen liegen" (S. 54). 79

So MüUer-Volbehr,

JZ 1982, 132 ff., 137 mit Fn. 62.

80

Häberle bemerkt - insoweit nicht hilfreich - : Der Vorbehalt ist „verfassungskonform" (WDStRL 30(1971), 43 ff., 114). 81

So Häberle, DÖV 1972,729 ff, 732; zugleich bemerkt er - „anders herum" als in Fn. 67 - zustimmend zum Urteil: „Das derzeit Wirkliche ist noch keineswegs das Mögliche bzw. Vernünftige!"; Hall, JuS 1974, 87 ff, 90; v. Mutius, Verwaltungsarchiv 64 (1973), 183 ff, 192; im Eigebnis Plander, NJW 1972, 1941 ff, 1942: lediglich Faustregel, sehr vage; a. A. Jach S. 92: als Grundsatz verfassungsrechtlich unbestritten und im konkreten Kontext (hier: des Art 7 Abs. 4 GG) interpretierbar. 82 In Anlehnung an Felix, die im Untertitel ihrer Monographie über die „Einheit der Rechtsordnung" diesen Topos als verfassungsrechtliche Argumentationsfigur bezeichnet. Anders als bei ihr (S. 404 f.) ist diese Argumentationsfigur hier nicht verzichtbar, weil die Einheit der Gesamtverfassung es nicht ist.



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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

haupt erst herzustellen trachtet. Sodann kann er aber auch in Präzisierung des gängigen Sprachgebrauchs als „Kurzformel" fur anderweitige rechtliche Finanzierungsvorbehalte gebraucht werden, die später zu behandeln sind. Bei Wiederholung der Feststellung, daß weder das Bundesverfassungsgericht noch eine wissenschaftliche Instanz eine explizite Grundlage zu nennen vermochte, muß man sich zugestehen, daß es anders auch kaum sein kann. Es würde doch sonst eine sehr vage, bestenfalls formale, heuristische Formel das leisten, was explizite Verfassungsnormen (bewußt) nicht bewerkstelligt haben: präzise Grenzen der Kreditaufnahme zwecks Vermeidung von Billionenschulden festzulegen. Es hat der Umfang der Verschuldung der öffentlichen Hand die äußerste Grenze des Möglichen gewiß noch nicht erreicht. Aber nicht allein deshalb kann das Unwerturteil über sie vor dem Hintergrund der constitutio lata gänzlich zwingend immer noch nicht sein. Vielmehr ist es denkbar, daß von den Grundrechten her gewertet die Staatsverschuldung zu ihren Gunsten jedenfalls weniger streng beurteilt wird und das „Mögliche" weiter gefaßt ist als im Verhältnis zu anderen Staatszwecken und -aufgaben 83. Aber irgendwo muß die Suche nach einer zugleich homogenen wie auch verschuldungsresistenteren Verfassung ansetzen, damit immerhin das Demokratiegebot wieder verstärkt zur Geltung kommt. Sie beginnt daher einfach mit der Ablehnung der geltenden Finanzverfassung und der Wahl einer besseren, auch wenn die letzte verfassungsrechtliche „Unbedenklichkeitsbescheinigung" noch fehlt. Diese ist so bald wie möglich nachzureichen, was in der Sache umso unproblematischer ist, als etwaige besondere grundrechtsbewehrte Ansprüche schlimmstenfalls immer durch Steuererhöhungen finanziert werden könnten. e) Varianten des „Vorbehaltes des Möglichen" Damit erübrigt sich schließlich die einfache Frage nach dem Ausgang der Konfrontation des „Maßstabs des Rechts" mit dem „Maßstab des Möglichen": Es gibt sie in dieser Allgemeinheit nicht. Es sind vielmehr drei denkbare Varianten des Vorbehaltes zu unterscheiden, die sich in differenzierter Weise argumentativ auf die spezifischen Normstufen und konkreten Erscheinungsformen unseres heutigen Leistungsstaates einstellen und die in Zukunft sorgfältig auseinandergehalten werden müssen, wenn es gilt, Bedeutung und Wirkung eines geltend gemachten Vorbehaltes richtig einzuschätzen und einzuordnen. Noch relativ unproblematisch jedenfalls aus dogmatischer Sicht ist der Vorbehalt der Mittelerschöpfung, wenn in Umsetzung einfachen Gesetzesrechts der Verwaltung - schlicht formuliert - „das Geld ausgeht" und Nachforderungen illusorisch sind. Dann muß die er83 Insoweit konsequent Plander (1942): „Die Formel befreit aber noch nicht davon zu prüfen, ob sich aus dem Sinn oder der Funktion in concreto einschlägiger Grundrechte engere Bindungen des Gesetzgebers ergeben". Noch umfassender stellt Häberle (WDStRL 30 ( 1971 ), 43 ff., 113) die Frage: „»Grundrechte nach Maßgabe der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Leistungsstaats' oder ,Leistungsstaat nach Maßgabe der Grundrechte'?" Häberle gelangt zur Ausgangsthese: „Leistungsstaat nach Maßgabe der Grundrechte", wobei festgehalten werden sollte, daß auch diese Sichtweise keineswegs den Weg in die Verschuldung erzwingt oder nahelegt. Mit etwas anderem Akzent ist auch Eidenmüller zu erwähnen: „(In Deutschland) sind es die verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechte, die einer ökonomisch orientierten Gesetzgebung und Rechtsprechung Grenzen setzen" (S. 484). Diesen Konflikt sieht Wolf(S. 47 f.) nicht.

5. Kap.: Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung loschene finanzielle Kapazität als - nicht zuletzt haushaltsrechtlich vorgeschriebene Begrenzung bereits rechtlich zugesagter Staatsausgaben im allgemeinen und einfacher „sozialer Grundrechte" im besonderen84 zur Kenntnis genommen und realisiert werden. Es bleibt dem finanziell „Möglichen" auch gar nichts anderes übrig, als in dem Zusammenstoß von geltendem Recht und Finanzkraft zu obsiegen, indem etwa ein durch die finanzielle Notlage erzwungenes Spargesetz (vornehmer ausgedrückt: Haushaltsstrukturgesetz) rücksichtslos Leistungsgesetze einfach aufhebt 85. Es kommt so zu einem „Konflikt zweier Steuerungsmechanismen"86: Die rechtlich geregelte Leistungsforderung kann nicht mehr zum Zuge kommen, weil das reinfinanzwirtschaftlich gesteuerte Spaigesetz sich gleichsam „querlegt". Trotz des wissenschaftlichen Unbehagens ist der „Vorbehalt des Möglichen" hier durch neues Gesetzesrecht, also auf derselben Normebene und nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori", insofern relativ einfach zum Tragen zu bringen, hat dabei allerdings die Grundsätze des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes zu beachten. Die Nichterfüllung von Ansprüchen wegen staatlicher Leistungsunfähigkeit ist zweifellos ein Problem, von dem die Bundesrepublik in den letzten Jahren nicht verschont geblieben ist. Den „Vorbehalt des Möglichen" auf der Gesetzesebene wird diese Untersuchung aber nicht weiter behandeln. Der gleichsam harte Vorbehalt greift in den echten Konflikten auf der Verfassungsebene ein, wenn ein grundrechtlich begründeter Leistungsanspruch nicht mehr bezahlbar ist. Hier vermag einfaches Gesetzesrecht nicht so ohne weiteres durch die Einführung weniger kostenträchtiger Regelungen Remedur zu schaffen; nur eine Verfassungsänderung wäre die saubere Lösung. Zwingt die Finanzlage den Staat gleichwohl zu Einschnitten in Leistungsansprüche, so ist dieser finanzverfassungsrechtliche Gewaltakt nur dann zu rechtfertigen und nicht als Verfassungsbruch einzustufen, wenn ein wenigstens gleichwertiges Verfassungsgut für diesefinanzwirtschaftlich motivierte Reduzierung geradesteht und zu einer Konkordanz gewissermaßen „auf dem Vergleichswege" auf oberster Normebene führt. Als ein derartiges Verfassungsgut wird sich auch die geordnete Haushaltswirtschaft im Sinne des Art. 109 Abs. 2 GG erweisen. Notlösungen dieser Art sind politisch ebenso wie rechtlich gleichwohl unbefriedigend und verlangen im Grunde nach einer sehr viel früher einsetzenden, ausschließlich rechtlich bestimmten Abstimmung zwischen der rechtlichen Regel und demfinanziell Möglichen. 84 Vergi. Isensee und Starek in Fn. 68. Eine Andeutung in diese Richtung findet sich auch bei Badura, Grundfreiheiten der Arbeit, S. 42: Soziale Grundrechte „setzen tatsächliche Möglichkeiten der Erfüllung voraus, die normativ nur begrenzt gesteuert werden können" (nach Zacher). 85 Das meint Zacher wohl mit den Worten: „Gerade im sozialrechtlichen Bereich führt das zu dramatischen Inkonsequenzen" (WDStRL 42,300 - Aussprache -). Davor steht der Satz von den „Haushaltsstrukturgesetze(n), die zu rechtsdogmatischen Brücken führen"; ich frage, ob nicht „Brüche" gemeint sind. Siehe auch Fricke, Finanzarchiv 43 (1985), 385 ff., 405: „Haushaltssicherungsrecht muß ... lediglich die Ausnahme sein", und Sarrazin, Die ordnungspolitische Logik der Budgetierung, S. 51: Am Ende wird die Einhaltung von Budgetrestriktionen durch die Realität erzwungen; irgendwann sorgt der Faktenzwang für eine unsystematische oder chaotische Budgetierung. 86 So Zacher 300; aber auch Ferdinand Kirchhof DÖV 1997, 749 ff., 756. Diese Fragen waren Gegenstand der schon mehrfach erwähnten Staatsrechtslehrertagungen Köln 1983 (Heft 42) und Tübingen 1988 (Heft 47).

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Auch ist das Verfahren, eine außer Kontrolle geratene Staatsverschuldung durch Inflation oder Währungsreform 87 zu beenden, allemal kein wünschbarer, dem Rechtsstaat angemessener Ausweg; er führt nicht zu der strukturellen Homogenität zwischen Finanzverfassung und den anderen Teilen des Grundgesetzes, nach der in dieser Arbeit gesucht wird. Eine solche ist erst anzunehmen, wenn mit den Instrumenten des Verfassungsrechts und des konkretisierenden Gesetzesrechts dafür Sorge getragen wird, daß die Schwankungen der staatlichen Finanzkrafi, die Stärken und Schwächen der Leistungsfähigkeit des Staates bruchlos und in Harmonie vom staatlichen Leistungsrecht aufgefangen, übernommen und konsequenterweise in ggf. auch flexible Leistungsgewährungen umgesetzt werden. Hier löst sich das generelle Problem des „Vorbehaltes" auf in eine Reihe von konkreten Abgleichungen zwischen einzelnen, auch als Leistungsrechten wirksamen Grundrechten hier sowie staatlicher Finanzknappheit bzw. Knauserigkeit dort, die jeweils gesondert zu behandeln sein werden88. Auf diese Weise wird der „Vorbehalt des Möglichen" in seiner weichen Variante als realistische Berücksichtigung staatlicher Leistungsfähigkeit bereits in der Verfassungskonkretisierung gleichsam vorweggenommen bzw. geräuschlos in sie eingearbeitet, so daß es zum (offenen) Konflikt gar nicht erst kommt. An der Ausräumung von Konflikten zwischen einem anerkannten oder auch nur potentiellen, gleichsam noch nach Anerkennung strebenden Leistungs- oder Teilhabegrundrecht einerseits und der zur Rechnungsbegleichung verpflichteten Finanzgewalt andererseits spielt zwecks Herstellung der Homogenität zwischen ihnen die letztere eine gleichermaßen bedeutende, wenn auch differenzierte Rolle. Das versteht sich ohne weiteres bei den zuvor erörterten Konstellationen angesichts der Enttäuschungen, Friktionen und Brüche, die beim Anklopfen von geltenden, anerkannten grundrechtlichen Leistungsansprüchen an leere Kassen ganz unvermeidlich entstehen. Wenn jedoch im Stadium davor die Interpretatoren der Grundrechte sich überhaupt erst anschicken, Leistungsrechte aus der Verfassung herauszulesen, dann ist die Finanzverfassimg, sind die Haushaltsgewalten ebenfalls eigene, selbständige und - wie alsbald noch betont werden soll - überaus gewichtige Interpretationskomponenten bzw. Interpretatoren. Sie haben ein Wörtchen mitzureden bei der Verortung der Homogenität und der Bestimmung ihres Inhalts89. Das ist zumindest die klare

87 Zur Inflation bis 1923 vergi. Haller, Die Rolle der Staatsfinanzen, S. 138 ff.: In Anbetracht der hohen Schuldenlast aus dem 1. Weltkrieg war danach „an eine Stabilisierung" - mit der für damalige Verhältnisse enorm hohen Steuerquote von 35 % (Modellrechnung) - „gar nicht zu denken ...".

Zur Währungsreform 1948 siehe Hansmeyer/Caesar, S. 405: Wegen der Unterbringung der Staatsschuldtitel vor allem bei Banken während des 2. Weltkrieges mußte bei einer Währungsreform „die geräuschlose Methode der Kriegsfinanzierung ... zum Zusammenstreichen von Bank- und Sparguthaben" fuhren. 88 Es ist deshalb zu bezweifeln, ob die bloße Qualifizierung der ökonomischen Grenzen als „rechtliche" ausreicht, vergi. Isensee, Steuerstaat, S. 434:,»Die ökonomischen Grenzen des Steuerhaushalts bilden zugleich die rechtlichen Grenzen für die sozialen Leistungsansprüche der Einzelnen und für die Leistungspflichten der Allgemeinheit"; weiter Kimminich, JZ 1972,696 ff., 699: „Das BVerfG hat uns nun aber gesagt, daß diese Lage (ergänzt: der staatlichen Leistungsschwäche) auch eine Rechtslage ist". 89

Man denkt an Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, JZ 1975,297 ff., besonders 303. Anders als bei der eigenständigen Festlegung des Schutzbereiches eines Abwehrrechts

5. Kap. : Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung

13 5

Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in seiner oben wiedelgegebenen Definition des „Vorbehaltes des Möglichen", wenn es die Verantwortung des Gesetzgebers hervorhebt, in seiner Haushaltswirtschaft auch an anderes als „ n u r " das in Frage stehende Grundrecht zu denken. Wer demnach in der Literatur den bloßen „Haushaltsvorbehalt" im „numerus clausus"-Urteil vom „Möglichkeitsvorbehalt" im Privatschulurteil des Bundesverfassungsgerichts mit der Begründung unterscheiden will, der Landesgesetzgeber sei durch Art. 7 Abs. 4 GG zur Leistung verpflichtet 90, dreht sich zumindest vorerst im Kreis. Denn diese grundgesetzliche Verpflichtung steht gerade zur Debatte und kann erst als positiv bejaht abgetan werden, wenn nach überzeugendem Urteil selbst der Haushaltsgesetzgeber gar nicht anders kann als sie anzuerkennen - und in seinen Haushaltsplänen angemessen zu honorieren. Zweifellos steht auch er unter dem ganzen Grundgesetz, nicht allein unter der Finanzverfassung, und muß sich verfassungsgerichtlichen Urteilen unterwerfen sowie die Kritik der Kommentare und der Literatur gefallen lassen. Aber Rechtsprechung und wissenschaftliche Meinung haben nicht zuletzt aus der Sicht der weitgehend allein bestimmenden und politisch verantwortlichen Finanzgewalt zu urteilen, die das „Mögliche" immer noch am besten kennt, nicht jedoch als selbstherrliche Interpreten der Verfassung, die ihrerseits die gehorsame finanzielle Abwicklung ihrer Sentenzen durch den Haushaltsgesetzgeber erwarten. Diese bislang nicht stets hinreichend beachtete Gewichtigkeit der Finanzgewalt ergibt sich vor allem aus dem folgenden Abschnitt.

7. Eigenwert der Finanzverfassung durch Art. 109 Abs. 2 GG Zur Harmonisierung der beiden Komponenten unserer Verfassungsordnung trägt, so eigenartig es klingen mag, auch der bereits heftig kritisierte Art. 109 Abs. 2 GG bei. Doch die Kritik bezog sich auf ihn als unzulänglichen Verschuldungsregulator; hier interessiert dagegen das weitreichende Gleichgewichtsgebot. Mit Art. 109 Abs. 2 verleiht das Grundgesetz einer in seinem Sinne geordneten, demnach keineswegs auf ständige hohe Defizite ausgerichteten Haushaltswirtschaft eine Bedeutung von Verfassungsrang, eine gleichsam eigene Würde, die sich nicht vor Grundrechten und anderen hohen Verfassungsprinzipien zu „verkriechen" braucht. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in seiner einschlägigen Rechtsprechung das Stichwort gegeben: Zum ausführlich, aber immer noch nicht ausreichend diskutierten „Möglichen", das der Gesetzgeber ggf. bei derfinanziellen Ausstattung von Grundrechten mit den nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mitteln in eigener Verantwortung festzulegen hat, gehört auch die Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen und der anschließenden Fixierung seiner Schranken (dazu Starck, Über Auslegung und Wirkungen der Grundrechte, S. 13 f.) ist die Mittelbereitstellung durch den Haushaltsgesetzgeber konstitutiver Bestandteil eines etwaigen Leistungsrechts und seine (zulässige) Verweigerung nicht etwa eine „Schranke" des Rechts, sondern seine Verneinung; ähnlich auch Hans H. Klein, DVB1. 1994,489 ff., 497. 90 So Jeand'Heur, Methodische Analyse, S. 75 f., 112, zu BVerfGE 33, 303 ff. einerseits und BVerfGE 75,40 ff. andererseits.

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1. Teil: Grundlagen und Folgen der staatlichen Kreditaufnahme

Gleichgewichts91. Es liegt in der Konsequenz dieses auch verfassungsrechtlichen Gewichts der Haushaltswirtschaft, daß die Lehre ebenfalls den genannten Grundgesetzartikel gegenüber einer womöglich ausufernden, Kosten nicht hinreichend bedenkenden „leistungsstaatlichen" Interpretation der Grundrechte als Korrektiv oder Bremse heranzieht92. Nur auf diese Weise kann es zu einer gleichgewichtigen Berücksichtigung aller Interessen kommen93. Bei dieser Sicht wird keineswegs einem „Totalvorbehalt" des Art. 109 Abs. 2 GG selbst bei der Grundrechtsauslegung das Wort geredet94. Im Gegenteil: Bei einer näheren Analyse der Norm erscheint es als fraglich, ob sie direkt mit der jeweiligen Grundrechtsausübung konfrontiert werden kann. Das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" ist ein makroökonomischer Begriff; es sind makroökonomische Vorgänge, die der Gesetzgeber zu steuern hat95. Die einzelne Grundrechtsnutzung dagegen ist, wenn diese wirtschaftswissenschaftliche Wortwahl einmal gestattet wird, eine mikroökonomische selbst bei Vielfachnutzung; es darf jeweils nur der einzelne Grundrechtsträger ins Auge gefaßt werden. Die Geltungsebenen dieser Normen sind somit ebenso unterschiedlich wie ihre Funktionen. Es kann folglich angemessenerweise nicht um den „Vorbehalt" des Art. 109 Abs. 2 im Rahmen des jeweiligen Grundrechts gehen, sondern um die Herstellung der „Konkordanz" zwischen ihm und der zum Verfassungsgut aufgewerteten geordneten Haushaltswirtschaft 96. Beide

91

BVerfGE 33, 303 ff., 333 (zum Recht auf einen Studienplatz); 75, 40 ff., 68; BVerfG NVwZ 1994, 886 ff., 887 (zur Privatschulsubventionierung). Auch in anderen Zusammenhängen hat das Gericht ohne viel Federlesens die „Sanierung der Staatsfinanzen" als übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers verstanden und Einschränkungen bzw. Zusatzlasten sanktioniert, vergi. BVerfGE 60, 16 ff., 43; 72, 175 ff., 198 (gleicher Rang wie konjunkturelle Steuerungsmaßnahmen nach Art. 109 Abs. 2 bis 4 GG). Manssen (Rn. 19 zu Art. 12 Abs. 1) macht zutreffend darauf aufmerksam, daß das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch das Sozialstaatsprinzip als Beschränkung überbordender eigennütziger Ansprüche genannt hat. Als allgemeine, überall wirksame Betonung der Grenzen ziehenden Haushaltswirtschaft hat aber Art. 109 Abs. 2 GG den Vorrang. 92

Dazu Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 227 f.: „... als organisationsstatutarisches Korrektiv solcher Aktivitäten ..."; Erichs en, Staatsrecht, S. 71; Friedrich Müller, Juristische Methodik und Politisches System, S. 31; mittelbar auch Novak S. 30; Scheuner, Die Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, S. 113: „Als Staatszielbestimmung wirkt er auch ... auf die Auslegung der Grundrechte ein Klaus Vogel mißt dem Art. 109 Abs. 2 GG gegenüber nicht einlösbaren Sozialgrundrechten den Vorzug zu, „daß er von vornherein auf das Gleichgewicht ausgerichtet" sei und sachangepaßte Regelungen zulasse (WDStRL 30 (1971), 184 - Aussprache -); siehe auch Vogel/WaldhoffJin. 618 Vorbem. zu Art. 104 a - 115. 93 Das deutet Heun selbst für den Fall von steuernden Eingriffen an (Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 125). 94

Das fürchten aber Arndt/v. Olshausen, JuS 1975,485 ff., 485 f., 489, und Friedrich Müller, Das Recht der Freien Schule, S. 415. Auch Stern hält es nicht für angebracht, die Ziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit Grundrechten in Verbindung zu bringen: Sie sind als Staatsziele u. ä. eher geeignet, die Grundrechte einzuschränken (WDStRL 43 (1984), 95 f. - Aussprache -). 95 96

Vergi. Vogel/Wiebelt

138 zu Art. 109.

Zur „Einheit" der „grundgesetzlichen Wertordnung" siehe BVerfGE 30,173 ff., 193 („Mephisto"Entscheidung), zur „Konkordanz" vergi. Hesse, Grundzüge, S. 28; ähnlich Anna Leisner S. 27 f.; siehe auch den Text im 11. Kapitel zu Fn. 6. Es wird also nicht mit einer vorgegebenen „Einheit der Verfassung" argumentiert, die jedenfalls in Widerspruchsfreiheit und Harmonie gar nicht existiert, so

5. Kap.: Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung stehen in verschiedenen Abschnitten des Grundgesetzes zunächst einmal unverbunden, aber keineswegs von vornherein zum Konflikt verdammt, nebeneinander, und erst beide zusammen bestimmen die finanzwirtschaftlich relevante Reichweite des in Frage stehenden Grundrechts. Denn beide Verfassungsgüter heischen selbstverständlich umfassende Geltung: Für die Grundrechte ergibt sich das ohne weiteres aus Art. 1 Abs. 3 GG und für die Haushaltswirtschaft wiederum aus ihrer Verantwortlichkeit für alle Staatsausgaben. Allein so ist die gesuchte Harmonie zwischen staatlicher Leistungsfähigkeit und staatlichem Leistungsrecht zu entwickeln.

Felix S. 181 ff., 187 f.; noch deutlicher Friedrich Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 106. Vielmehr geht es um die unumgängliche Aufgabe, diese Einheit erst herzustellen, also ggf. konfligierende einschlägige Verfassungsnormen zur Anwendung und damit zwangsläufig zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, vergi, dazu Felix S. 182; Sodan, JZ 1999, 864 ff., 871 (dessen wissenschaftstheoretisch begründetes Postulat der Widerspruchsfreiheit des Rechtsstoffes allerdings schwer nachzuvollziehen ist).

2. T e i l

Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung Vorbemerkung Bei der Suche nach besseren Vorkehrungen, die übermäßige Kreditaufnahme drastisch einzuschränken, dürfen bereits zwei allgemeine Erfahrungen berücksichtigt werden: - Normen, die Voraussetzungen, Grenzen, Zwecke, Ziele, Kompetenzen und Beurteilungskriterien festlegen, sind stets interpretierbar und daher von vornherein nur sehr begrenzt tauglich, das ständige Wachstum der Staatsschuld zu hemmen. Strikte Verbote wiederum könnten wirken, empfehlen sich jedoch wegen der ihnen fehlenden Flexibilität nur selten. Von daher gesehen sind Begrenzungsnormen meist bloß unzulänglich wirksam, in Deutschland ebenso wie anderswo, in den USA etwa. - Auf der anderen Seite hätten es die einschlägigen Vorschriften der deutschen Finanzverfassung durchaus gestattet, einen ausgeglichenen Haushalt auf lange Zeit, etwa bis 1990, zu praktizieren; die Sondersituation der deutschen Wiedervereinigung bleibe einmal ausgenommen. Es war eine schmerzlich-schöne Romanze mit der „Kasse": Die Normen verführten zum Schuldenmachen, aber zwangen nicht dazu, und die Kosten sind am Ende hoch. Doch zum Verführen gehören die Verführbaren mit ihren Kalkülen, Interessen und Vorverständnissen. Es sind daher tunlichst die Berechnungen der handelnden Politiker und normformulierenden Beamten herauszuarbeiten, die sich die „weichen" Normen zunutze machen. Erst mit dieser Kenntnis kann nach verbesserten Regelungen gesucht werden, die im besten Fall nicht die Handelnden ändern - das wäre vergebliche Liebesmühe - oder die Normen noch weitsichtiger formulieren - die Skepsis hinsichtlich des Erfolges wird bleiben - , sondern mit gewissermaßen „exogenen" Kräften und Mitteln das gewünschte Ergebnis sich gleichsam „von selbst" herbeiführen lassen. Vor diesem Hintergrund hatte der Nobelpreisträger Mancur Olson nämlich einmal eine außerordentlich treffende Frage gestellt: „Is the Balanced Budget Amendment Another Form of Prohibition?"1 Er spielte damit an auf die bekannte Neigung im allgemeinen, bei einem sozialen oder wirtschaftlichen Problem ein Gesetz gegen das Übel zu erlassen, und auf den 18. Zusatzartikel zur US-Verfassung im besonderen, der nach dem Ersten Weltkrieg zur Bekämpfung der Trunksucht für ein paar Jahre Herstellung, Verkauf und Transport von alkoholischen Getränken verbot. Die sog. „Prohibition" erwies sich als grandioser Fehlschlag nicht nur bei der eigentlichen Suchteindämmung, sondern auch deshalb, weil Umgehungen und unerwünschte Nebenwirkungen (wie etwa die organisierte Kriminalität und schlechter Fusel) obendrein ganz neue Probleme schufen. Sie lieferte Gesetze und Behörden der Lächerlichkeit aus und mußte 1933 weitgehend wieder aufgehoben werden. Aus der 1

Olson in dem Beitrag gleichen Titels, S. 91 ff.

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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Verbindung von Verbrechen und Lachen verblieb wenig Besseres als der hinreißende Film „Manche mögen's heiß", der seine Pointen damit einleitete, daß Zahnstocher-Charlie bei der Polizei seinen Patron Gamaschen-Colombo verpfiff, weil dieser hinter seinem Beerdigungsinstitut etwas viel Unwiderstehlicheres verbarg: ein fröhliches Schnapslokal. Solange aber ein verbotenes Gut unwiderstehlich ist, werden Gesetze nichts nützen; das gilt wahrscheinlich auch für die Kreditaufnahme. Man müßte schon den Genuß des verbotenen Gutes als solchen vergällen ...

6. Kapitel „Gemeinwohl geht mit Eigennutz" 1. Problemeinführung Es ist eine häufig gemachte Erfahrung, daß Geistesströmungen ebenso wie pragmatischpolitische Tendenzen in den USA aufkommen und mit einem unterschiedlich langen zeitlichen Abstand (und keineswegs unverändert) ihren Weg nach Europa und nach Deutschland finden. Wir sehen diese Erfahrung neuerdings bestätigt in einer wissenschaftlichen Entwicklung, die vielleicht nur erklärt, was viele schon immer dachten - nämlich in der Demontage des nur dem Gemeinwohl verpflichteten Politikers und Staatsdieners, in der Reduzierung der politischen Klasse und der Beamtenschaft auf Gruppen ganz gewöhnlicher, mehr oder weniger ihrem Eigennutz sich hingebender und ihrem Fortkommen verpflichteter Menschen. Bei den Amerikanern hatte es angefangen, und amerikanische Wissenschaftler haben ihre einschlägigen Meinungen überaus pointiert zum Ausdruck gebracht, gerade bei den hier interessierenden Themata des Budgets und der Staatsverschuldung. Der folgende Vergleich wäre vermutlich auf einer Staatsrechtslehrertagung nicht vorgetragen worden: „Lecturing members of Congress on the evils of deficit financing is akin to stopping an epidemic plague by lecturing rats on the benefits of proper hygiene"2. An die fröhliche „Hemdsärmeligkeit" der nachstehenden Sentenz müßte man sich bei uns wohl auch erst gewöhnen: „As Mencken said before me, I find watching a political convention is like watching gangsters selecting their leader who will then extort and steal your wealth. From that point of view what does government fiscal responsibility and a balanced budget mean?40 Die Antwort führt mit einem weiteren Vergleich zur Mafia nach Sizilien. Man mag über diese erfrischenden Aussagen4 denken, was man will; sie haben auf jeden Fall den Vorzug, 2

Rabushka S. 184.

*Alchian S. 54. 4

Es ist weiter kein Zeichen einer großen Hochachtung, wenn Streißler zustimmend das „furchtbare Urteil" Adam Smith's zitiert: „I have never known much good done by those who affected to trade for the public good" (S. 6), oder wenn Lee/McKenzie die „naive Ansicht" als „wishful thinking" abtun, eine Versammlung von Individuen würde, als Regierung mit genügend Macht und Autorität ausgestattet, die allgemeine Wohlfahrt fordern (S. 120). Auch für Erlei/Leschke/Sauerland sind solche „heroischen Annahmen" (S. 324) kaum noch ein Thema.

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

sehr deutlich die Dinge „auf den Punkt zu bringen". Wie zurückhaltend ist demgegenüber die Stellungnahme Gandenbergers, daß angesichts des vergangenen Fehlverhaltens auf allen Ebenen der öffentlichen Hand, Appelle an das Pflichtgefühl und Wohlverhalten von Politikern" wohl nicht mehr ausreichten .. A Eine Einschränkung für den deutschen Hausgebrauch ist allerdings angebracht: Das amerikanische System des für die parlamentarische Unterstützung der Regierung nicht benötigten und daher auch nicht verantwortlichen Kongresses mit seinen überaus eng ihren Staaten bzw. Wahlkreisen und damit Regionalinteressen verbundenen Senatoren und Abgeordneten ist in seiner ganz erheblich bei den Ausschüssen konzentrierten parlamentarischen Arbeit beträchtlich dezentralisierter und fragmentierter 6 als die in Regierungsverantwortung und Opposition jeweils relativ stark miteinander verbundenen Parteienbestandteile jedenfalls des Deutschen Bundestages. Entsprechend unbefangen wird drüben das interne Verhandeln und Feilschen der amerikanischen Gesetzgeber in erster Linie auf der Ausschußebene als eine dem vertraglichen Handeln auf dem Markt entsprechende Form gewissermaßen des „Kuhhandels" („nonmarket exchange") dargestellt und positiv gewürdigt7. Diese Fragmentierung ändert zwar nichts an der Unwiderstehlichkeit des „verbotenen Gutes", d. h. ausreichender, wie auch immer beschaffter Finanzmittel. Aus enger, regional gebundener Interessensicht erscheint jedoch der jeweils benötigte, für sich gesehen relativ bescheidene Finanzbetrag erreichbarer und realistischer als die Summe aller Haushaltsanforderungen, unter denen etwa in Deutschland ein Haushaltsgesetzgeber die Prioritäten zu wählen hat8. In diesem Sinne wird übrigens im Zuge der europäischen Integration auch die bisher in Bund- und Länderhaushalte zersplitterte gesamtstaatliche bundesdeutsche Finanzwirtschaft jedenfalls insoweit und dann weniger fragmentiert, vielmehr unitarischer, wenn die Verteilung der Konsolidierungslasten einmal im Grundgesetz festgelegt sein sollte. Der für das Arbeitsthema einschlägige liebenswürdige Vergleich, mit dem diese spezifisch amerikanische Form der Repräsentation bedacht wurde, soll gleichfalls nicht vorenthalten werden:, Asking the Congress to restrain overall spending and eliminate deficits is tantamount to giving the same American Express card number to 535 people, with a po5

Thesen zur Staatsverschuldung, S. 847.

6

Zum „dreifach fragmentierten" Kongreß vergi. Lösche S. 180 ff.; weiter Moe, Journal of Law, Economics and Organization 6 (1990), 213 ff., 247 f.: dem Anschein nach „schwacher*4 Staat mit intern geteiltem Gewaltenteilungssystem. Auch Folkers (Finanzarchiv 44 (1986), 365 ff., 370 ff.), Joyce (Public Budgeting & Finance 13 (1993), 36 ff., 39) und Schwarzner (S. 128 f.) machen auf die fachlich spezialisierten, weitgehend autonomen Unterausschüsse aufmerksam, in denen die Zusammenhänge des Gesamthaushalts zumindest vor der Haushaltsreform von 1974 weitgehend unberücksichtigt blieben. Die Verselbständigung von Ausschußbeschlüssen gerade im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Vorteilsgewährungen ist aber geblieben, so Folkers 385 f.; Schwarzner S. 130; vergi, auch Heun, Das Budgetrecht im Regiemngssystem der USA, S. 87: „Vielzahl der Machtzentren im Kongreß". Selbst bei Henry A. Kissinger erfahren wir zur Außenpolitik: „Der Kongreß als gesetzgebende Körperschaft neigt dazu, komplexe Probleme in eine Reihe von Einzelfragen zu zerlegen, die er dann durch Kompromisse zu lösen sucht" (S. 819). Tietmeyer (Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 83 f.) führt dagegen die Entwicklung auf die einseitige Verantwortung des Parlaments für das Budget zurück. 7 Vergi, vor allem: Weingast/Marshall, Journal of Political Economy 96 (1988), 132 ff. Dazu Moe 218 ff.; North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, S. 60 f. 8 Auf die Bedeutungslosigkeit des einzelnen Abgeordneten gegenüber der Macht des Haushaltsausschusses bzw. dem Einfluß der Parteigremien weisen Zimmermann/Henke (S. 62 ff.) hin.

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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lite request that they consider the impact of their individual purchase on the total bill as each person embarks on his or her shopping spree"9. Diese Geschichte könnte bei uns natürlich nicht passieren, wie manche andere Weisheit ebenfalls mit Vorbehalt zu bedenken ist: Im seit langem der Sozialstaatlichkeit verpflichteten Deutschland gibt es nur eine Kreditkarte, aber die fiel Robin Hood in die Hände, der auf mehr aus ist als auf einen bloßen Einkaufsbummel... Was eben an Negativem über (unsere) Volksvertreter und Staatsdiener aufgelistet wurde, muß im einzelnen näher auf seine Relevanz untersucht werden. Ist es üble Nachrede oder berechtigte Bosheit?

2. Zu weiter Ermessensspielraum und mangelhafte Kontrolle? Es ist eines der Kennzeichen der Neuen Institutionenökonomik, gerade die vertraglichen Beziehungen zwischen Auftraggebern (principals) und Beauftragten (agents) sehr sorgfältig auf Beherrschbarkeit und Kontrolle der „agents" zu untersuchen und im Falle der Unzulänglichkeit nach besseren Vertragsstrukturen zu forschen. Der Gedanke liegt nicht fern, diese Problemkategorie auf das Verhältnis zwischen Wählern und „ihrem" Abgeordneten oder Repräsentanten zu übertragen. Ein ganz neues Lehrbuch der Neuen Institutionenökonomik sieht unbefangen „den politischen Prozeß als Markt für politische Maßnahmen bzw. Leistungen" und formt die vollständige „Prinzipal-Agent-Kette" so: NachfragerBürger / Bereitsteller-Regierung / Produzenten-Bürokratie / (ggf. noch zusätzlich) Bereitsteiler 2. Ordnung-Bürokratie, wenn letztere private Produzenten oder Dienstleister in Anspruch nimmt10. Von daher gesehen kann es kaum überraschen, daß der „zu große" Ermessensspielraum der politischen, aber auch der beamteten „agents", ihre Entscheidungsfreiheit und der damit korrespondierende Mangel an Kontrolle als Gründe nicht zuletzt für die laxe Ausgabendisziplin herhalten müssen. Man beanstandete in den USA „the inability of citizens to directly control the provisions of public services. Responsibility for providing public goods is delegated to ,agents4 of the voter, and these agents - be they bureaucrats or elected representatives - have their own objectives and an ability to act upon them to the possible disadvantage of the voters .. . " n . Nun mag dieses, Auftragsverhältnis" mit der geschilderten relativ engen Beziehung zwischen Wählerschaft und „representative" zusammenhängen. Doch auch bei uns fällt die Unvollkommenheit der Kontrolle über die Gewählten und die Bürokraten unliebsam auf; deshalb werden als Remedur nicht nur verfassungsrechtliche fiskalische Beschränkungen, sondern auch Veränderungen der Parteiendemokratie selbst vorgeschlagen12. 9

Rabushka S. 188.

10

ErleilLeschke/Sauerland

11

Inman,, The American Economic Review 72 (1982), 176 ff., 176.

12

S. 323 f.

Zur unzulänglichen Kontrolle siehe Folkers, Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 163 ff.: Ausgabengebaren des Staates, das den vorherrschenden Präferenzen der Steuerzahler nicht entspricht (für die USA und für die Bundesrepublik); andeutungsweise Funke S. 280; Leipold,

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Dennoch w i l l die ganz große Entrüstung über diese „unerhörten" Freiheiten jedenfalls wegen der skizzierten Argumente nicht aufkommen. Ohne Mängel von vornherein zu leugnen, sollte der Verfassungsrechtler doch nicht übersehen, daß die Unterstellung eines Auftragsverhältnisses jedenfalls zwischen Wählern und Gewählten ähnlich problematisch ist wie die Annahme, in der Politik würden die Weisungen und Richtlinien der Verfassung „vollzogen", weshalb den Akteuren eine Art „Ermessen" durch die Verfassung anvertraut sei. Das Grundgesetz stellt keine Sammlung von „cahiers" dar, die jeder Abgeordnete aus seinem Wahlkreis mitbringt und „ständig unter dem Arm trägt"; zumindest mit der Übertragung von Macht auf Gewählte geschieht mehr als die von steter verwaltungsgerichtlicher Ängstlichkeit begleitete Überlassung von Ermessen. Hier verstellt das „principalagent"-Verhältnis den Blick auf den wahren Sachverhalt, was auch die Amerikaner selbst erkannt haben: „Here's the twist: while citizens are nominally the superiors in this hierarchy, it is the legislators who ... as agents ... (are) telling their principals what to do. This is fundamentally unlike the usual (private) principal - agent relationship .. . " 1 3 . Erst zwischen dem staatlichen „Herrscher" - heute dem Parlament - und „seiner Regierung" bzw. wesentlicher noch zwischen dem politischen Bereich mit Parlamentsmehrheit und Regierung und der ihm unterstellten (Ministerial-) Bürokratie als den, Agenten" kann das eigentliche Problem der unvollkommenen Durchsetzung der Ziele des Auftraggebers auftauchen, wobei speziell bei der Aufstellung des Haushalts die Angewiesenheit des Parlaments auf die Detailvorlagen aus dem Finanzministerium die Definition des »Auftraggebers" ebenso wie seinen Vorrang verschwimmen läßt 14 . Die weiter unten erwähnten starken Interessengruppen

Ordnungspolitische Konsequenzen, S. 262ff.: Unvollkommenheit der Wählerkontrolle, Unkontrollierbarkeit der Bürokratie; Richter/Furubotn S. 123: Beamte sind nicht nur Erfüllungsgehilfen von Politikern; Verwaltungsbehörden verfolgen ihre eigenen unabhängigen Interessen; Seidon, The State is Rolling Back, S. 265 ff: „Whose Obedient Servant?" Zu Änderungsvorschlägen vergi. Leipold S. 275 ff. 13 Moe, Journal of Law, Economics and Organization 6 (1990), 213 ff, 232 f.; vergi, weiter dens., Journal of Law, Economics and Organization 7 (1991), 106 ff., 123 f.: Die Gewinner erringen die Macht und dürfen sie legitim zur Förderung ihrer eigenen Interessen einsetzen. Wie Moe auch Richter/Furubotn S. 457 (obwohl sie zuvor den Staat gerade „als Netzwerk relationaler PrinzipalAgent-Verträge zwischen den Bürgern (den Prinzipalen) und deren Vertretern (den Agenten)" verstanden hatten, veigl. S. 301); Seidon, Politicians for or against the people, S. 14 f. Die Nichtbeachtung der theoretischen Bezüge der „principal-agent"-Theorie bei ihrer Anwendung auf Sachverhalte des Staates oder der Verwaltung in noch weiterer Hinsicht beanstanden Feldmann (S. 61 f.) und König, Institutionentransfer und Modelldenken, S. 309. 14 Zur „Entfunktionalisierung" des Parlaments siehe Zimmermann/Henke S. 69 f.; zur HerrscherAgent-Relation vergi. North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, S. 25. Dabei tauchen z. T. gewagte Behauptungen auf: Für Usher (S. 118 f.) ist die Behauptung, Abgeordnete seien die „Gefangenen" ihrer Beamten, die ihren Einflußbereich erweitern wollen, eine Ausrede. Schulz-Nieswandt meint dagegen (S. 52): Selbst wenn die principal-agent-Beziehung zwischen Politiker und Wähler funktioniert, werden aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Verwaltung und Politikern zu viele öffentliche Güter produziert. Auch Folkers (Effizienzsteigerung im staatlichen Bereich, S. 231) und Grüske (Staatsverschuldung, S. 293) gehen von derartigen Unterstellungen der Bürokratietheorie aus. Da möchte man an den alten Seufzer denken: „Wenn das der Führer wüßte...". Erlei/Leschke/Sauerland arbeiten bei ihrer „Theorie der indirekten Demokratie" ebenfalls nur mit Modellen (S. 331 ff). Ohne empirische Belege sind derartige Theorien kaum verwendbar; allenfalls bei, Annahme des schlimmsten Falles" ist Handlungsbedarf für die Institutionenökonomik in Gestalt der Agency-Theorie angesagt. Die weiter unten angesprochene Budgetierung könnte insoweit durch die Neuverteilung der Verantwortlichkeit innerhalb öffentlicher Organisationen schon einen Beitrag leisten. Die Ebene der Verfassungsökonomik jedenfalls wird nicht erreicht; konstitutionelle Ausgaben-

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und die allpräsenten Parteien steuern dieses Autragsverhältnis zusätzlich von dritter Seite. Aus diesen Gründen dürfte der Vorwurf des „Ermessensmißbrauchs" jedenfalls innerhalb des politischen Sektors nicht derrichtige Ansatz sein, um der Staatsverschuldung institutionell den Garaus zu machen. Da müßten treffendere Attacken her.

3. Institutionelle Nachteile der Parteiendemokratie Gründe für den Verlust einer effektiven Kontrolle über die Staatsfinanzen werden nicht selten den objektiven Eigentümlichkeiten, wenn nicht gar inhärenten Mängeln der Parteiendemokratie angelastet: Politiker haben einen kurzen Zeithorizont, der durch die nächste Wahl begrenzt wird. Abgesehen von den regelmäßigen Zwängen zum Wahlerfolg, d. h. zum Machterhalt bzw. -gewinn, die gleich gesondert erörtert werden, führen diese Zäsuren fraglos zu einer gewissen „Kurzatmigkeit", weil in Wahljahren „Politiker in erhöhtem Maße zu kurzfristigen Dispositionen neigen"15. „Das Spezifikum der Demokratie, nur über Macht auf Zeit zu verfügen, und die Zeitinkonsistenz zwischen Nutzen und Kosten öffentlicher Verschuldung (umgekehrt aber auch zwischen Kosten und Nutzen einer „heroischen" Politik des Haushaltsausgleiches) können" für den Mißbrauch dieser Finanzierungsart „zumindest in bestimmten Phasen" ... „verantwortlich gemacht werden" 16. Selbst eine eingeleitete „Austerity"- und Konsolidierungspolitik braucht meist mehr als die knappe Zeit bis zum nächsten Wahltermin, weshalb die erwünschten - und damit vorzeigbaren - Erfolge sich keineswegs immer schnell genug einstellen. Da mag dann die Versuchung groß sein, „rechtzeitig" vor der Wahl „das Ruder herumzureißen" und doch etwas populäres Kostspieliges dem Wähler zu präsentieren17. In einer „Nach-mir-die-Sintflut"-Stimmung kann die Versuchung eine Regierung allerdings auch dazu verleiten, heute möglichst viel Geld auszugeben für die eigenen Zwecke und dann dem ungeliebten Nachfolger, der andere politische Zwecke verfolgt, einen hohen Schuldenbelg zu hinterlassen, der ihn zugleich morgen in seiner politischen Arbeit hindert und begrenzt18. Wenn die wetteifernden Parteien auch

begrenzungen (so Folkers S. 231) zur Bekämpfung dieser behördeninternen Unterschleife dürften ein zu grober Keil für einen zu differenzierten Klotz sein. 15

Gandenberger, Öffentliche Verschuldung II, S. 492; andeutungsweise auch Kampmann S. 44.

16

Bröcker S. 202 (Einschub vom Verfasser); siehe weiter Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff., 122: Was nützt der Heroismus eines Haushaltsausgleiches, wenn die Nachfolgeregierung möglicherweise doch wieder alles (Angesparte) verschwendet? Die kurzen Wahlperioden und den folglich begrenzten Zeithorizont der Politik machen auch verantwortlich v. Arnim, BayVBl. 1981,514 ff., 519 f.; Richter/Wiegard, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 (1993), 337 ff., 384, 385; Tietmeyer, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 3. 17 18

Hierauf verweisen Berthold/Külp,

Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 45 ff., 56 f.

In diesem Sinne Roubini/Sachs, European Economic Review 33 (1989), 903 ff., 909; weiter Heinemann S. 37 ff.; Scherf ] Konstitutionelle Begrenzung, S. 374. Auch Brennan/Buchanan (The Power to Tax) denken diese Möglichkeit „under probabilistic Leviathan assumptions" an (S. 104, 106 f.). Aghion/Bolton entwickeln aus den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit geradezu ein Modell über den strategischen Einsatz der Staatsverschuldung im Kampf rechtsgerichteter Regierungen (Vertreter der Interessen von Personen mit überdurchschnittlichem Einkommen) gegen nachfolgende

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

noch im schnellen Wechsel jeweils in diese „Endzeitstimmung" verfallen, müßten ihre „Vermächtnisse" zu einer beträchtlichen Staatsschuld fuhren. Es ist schwer, hiernach einer anderen Versuchung zu widerstehen und nicht zu sagen: „Wer in der Demokratie etwas erreichen möchte, muß Wahlerfolge erzielen. Das ist mit einer rigiden Sparpolitik nicht zu schaffen, noch nicht einmal in Baden-Württemberg" 19. Denn von der Kreditaufnahme abzusehen, um anschließend nach der Wahlniederlage dem politischen Gegner eine (relativ) gut gefüllte Kasse zu überlassen, ist fast schon übermenschlich ... In den westeuropäischen Staaten könnten weiter die häufig anzutreffenden politisch instabilen Mehrparteienregierungen zu einer unsoliden Finanzpolitik beitragen. Diese Regierungen sind nicht „monolithisch" im Sinne von „interessenkonsistent", sondern eher gespalten, nämlich aus Partnern zusammengesetzt, die je „ihren" Budgetanteil, also letztlich ihren „Politikanteil", nach Kräften vor Kürzungen bewahren möchten. Sie schieben Kürzungslasten daher lieber den anderen zu oder verzichten am Ende gänzlich auf eine Haushaltskonsolidierung. Auch fragmentierte Regierungen dürften somit das Ihre dazu beitragen, kooperatives, auf längere Zeiträume angelegtes Verhalten etwa im Hinblick auf notwendige Ausgabenkürzungen zu erschweren und „eigensüchtige" Parteipolitik zu fördern 20. Es soll durchaus nicht ausgeschlossen werden, daß die vorgetragenen Kalküle und Motiwermutungen hier oder dort der politischen Wirklichkeit entsprechen. Es beeinträchtigt auch nicht ihre (begrenzte) Berechtigimg, daß diese Unterstellungen einander teilweise widersprechen; die politischen Berechnungen hängen von der höchst variablen Selbsteinschätzung der handelnden Personen ab. Immerhin würden sie ausreichen, um geeignete verfassungsrechtliche Gegenmaßnahmen zu rechtfertigen, wenn es gilt, eine Verfassung „auf den schlimmsten Fall" vorzubereiten 21, wie dies etwa in der Notstands Verfassung schon geschehen ist. Doch sollte nicht übersehen werden, daß beispielsweise „Wahlnervositäten" Symptome der unvermeidlichen und letztlich außerordentlich kostbaren demokratischen Wahlungewißheiten sind und daher als solche nicht überbetont werden dürfen. Auf keinen Vermutungen mehr, sondern auf der verfassungsrechtlichen Entwicklung beruht dagegen die Einsicht, daß die konstitutionelle Gewaltenteilung schon lange nicht mehr gilt, in der das Parlament das Ausgabengebaren des Monarchen und seiner Exekutive kontrollierte. Heute ist das Parlament der Regent und zugleich damit in die Rolle des Auslinksgerichtete Vertreter der ärmeren Bevölkerungskreise und umgekehrt (S. 315 ff.). Alesina/Tabellini wollen dagegen mit einer „positive theory of government debt policy" die neuerliche Anhäufung von Staatsschulden in mehreren industrialisierten Ländern erläutern; auch sie kommen zum Ergebnis, daß Parteipolitiker die öffentliche Kreditaufnahme benutzen, um die Spielräume ihrer Nachfolger zu beeinflussen (Review of Economic Studies 57 (1990), 403 ff., 412 vor allem); zu diesem strategischen Einsatz der Staatsverschuldung auch Richter/Wiegard 384,385. 19

So aber Mußgnug, Staatsüberschuldung, S. 60.

20

Diese Gesichtspunkte tragen vor Grüske, Staatsverschuldung, S. 291 f.; Heinemann S. 40 ff.; Kampmann S. 44; Richter/Wiegard 383 f., 385; Roubini/Sachs 905 ff.; Schemmel/Borell S.151 f.; Scherf S. 374 (verweist zusätzlich auf Versuche der Finanzierungsabwälzung im Bundesstaat); v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff., 58 f. 21

Vergi, im folgenden Abschnitt Kirchgässner und dann Buchanan.

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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gabenschrittmachers gerückt22. Sein Widerpart sind bestenfalls noch die Bundesregierung und der Finanzminister23; aber zumindest letzterer ist institutionell als mittelbar parlamentsabhängiger Politiker zu schwach24, um eine wirkliche Gegenposition aufzubauen.

4. „Wir sind alle Menschen" Es läuft nach erstem Anschein fast auf eine „captatio benevolentiae" hinaus, wenn über die eben skizzierten Konstellationen hinaus allgemein Verständnis für den Eigennutz von Machthabern und Amtsträgern - nicht unbedingt erbeten, jedoch - nahegelegt wird. Als Begründung folgt aber nüchtern, daß diese Personen sich bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele und ihrer persönlichen Vorteile wie Stellung, Einkommen, Prestige usw. ähnlich zielstrebig und rational verhielten wie private Personen oder Haushalte und Unternehmen. Es wäre nach Ansicht der Verfassungsökonomik geradezu lebensfremd und unrealistisch, derartige Nutzenkalküle in der politischen Arbeit und in den einschlägigen Verfassungsnormen nicht in Rechnung zu stellen, zumal eine Wertung mit diesem Standpunkt nicht verbunden ist 25 . Brennan/Buchanan bringen ihn mit folgenden Sätzen „auf den Punkt": „We need not... rule out the possibility of,moral' (or ... »altruistic4) behavior on the part of those persons who make governmental decisions. Our approach does rule out the presumption of such behavior as the basis for normative analysis26. Vielmehr taucht erneut die Vorstellung vom „schlimmsten Fall" auf, für den das Gemeinwesen sich zu wappnen habe: Eine „politische Ordnung (ist) so auszugestalten, daß sie auch dann zu respektablen Ergebnissen führt, wenn die Politiker sich nicht um das ... ,Gemeinwohl4 (kümmern), sondern aus-

22 So v. Arnim, Staatslehre, S. 488 (Parlament als Ausgabentreiber); ähnlich ders., Verfassungsrechtliche Begrenzung öffentlicher Ausgaben, S. 271; Paul Kirchhof, Staatsverschuldung als Verfassungsproblem, S. 56 (Parlament „als Vordenker für neue Ausgabenprogramme44); Schemmel/Borell S. 126 (Ausgabenschrittmacher), S. 154 (Regierungsfraktionen als parlamentarische Stütze der Regierung). 23 v. Arnim (Verfassungsrechtliche Begrenzung öffentlicher Ausgaben, S. 271 f.) verweist auf das Erfordernis der Zustimmung der Bundesregierung zu gesetzlichen Ausgabenerhöhungen nach Art. 113 GG und erwähnt die Vetorechte des Finanzministers innerhalb der Regierung. Prosi bemerkt: In Umkehrungfrüherer Verhältnisse sind es die Finanzminister, welche die Parlamente zu „bremsen44 suchen (S. 17). Das Grundgesetz stattet sie aber nur mit dem Widerspruchsrecht bei Etatüberschreitungen aus, Art. 112. Zu ihrer schwachen Durchsetzungsfähigkeit vergi. Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 568. 24 Auf längere Sicht wurde auch ein „sturer 44 Finanzminister entweder niedergezwungen oder zum Rücktritt veranlaßt. 25

In diesem Sinne Kirchgässner (JZ 1991, 104 ff., 108), für den die vorsorgliche Annahme der Eigennützigkeit des Menschen keineswegs bedeutet, daß dieses Menschenbild stets zu unterstellen ist; ders. in seinem Aufsatz: Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Menschenbild des Grundgesetzes und dem homo oeconomicus, S. 55: Böswilligkeit wird als Brauchbarkeitstest unterstellt. Desgleichen lehnen es Faber/Manstetten/Petersen ab, bei der Grenzziehung zwischen den methodologischen Postulaten „homo politicus44 und „homo oeconomicus44 irgendwelche Nutzenerwägungen des letzteren auf den ersteren in entscheidendem Ausmaße durchschlagen zu lassen (Kyklos 50 (1997), 457 ff., besonders 466). Daß die Wirklichkeit dann anders aussieht, wissen sie auch (479). 26

The Power to Tax, S. 5.

lOKratzmann

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

schließlich um ihr eigenes Wohlergehen ,.." 27 . Es darf somit vernünftigerweise niemand annehmen, daß Menschen beim Wechsel aus dem privaten in den öffentlichen Bereich plötzlich „selbstlose Heilige" würden28. Klarzustellen ist bei dieser Resignation, daß sie nicht die Dichotomie von „öffentlich" und „privat" in der dem öffentlichen Recht vertrauten Form auflösen will. »„Öffentliche' und,private Interessen' sind sprachliche Chiffren für die Suche nach Ordnungen, in denen die Freiheit aller mit den sog. »Gemeinschaftsinteressen4 zusammen bestehen kann"29. Um dieses ganz spezifisch öffentlich-rechtliche Streben nach Konkordanz zwischen den beiden Rechts- und Interessengebieten geht es den „Realisten" ebensowenig wie umgekehrt um die Aufhebung des Spannungsbogens, selbst wenn die Hervorhebung des „wahren" Verhaltens der Amtsträger mehr oder weniger auf dasselbe hinausläuft. Sie nehmen es als Verfassungsökonomen zunächst einmal hin, daß der juristische, der öffentlich-rechtliche Begriff des „Gemeinwohls" in der Wirklichkeit seiner Umsetzung durch Amtsträger privatisiert und damit entleert wird. Mit besser angepaßten Normen versuchen sie dann, die Amtsträger gleichsam „aus der Nachhand" auszutricksen, um das „Gemeinwohl" in anderer Weise doch sicherzustellen. Nicht ganz einfach sind die Konsequenzen dieser Rochade für die Staatslehre und die Staatsrechtslehre. Für sie steht natürlich weniger das Verständnis für offenbar unausrottbaren Eigennutz selbst bei der Amtsausübung im Vordergrund ihrer einschlägigen Sorgen und Überlegungen als vielmehr die Frage, wie sie auf diese scheinbare Aufgabe objektiver Verhaltensnormen 30, auf diese Flucht vor der - im Eid sogar öffentlich-rechtlich objektivierten - Pflichtbindung reagieren sollen. Sie könnten ohne weiteres mit den Erkenntnissen der neuen Lehre ihre bisherige Stellung räumen und den öffentlichen „agent" im wesentlichen auf die gleiche Stufe stellen wie den privaten. Dann wäre die Spannung zwischen „öffentlich" und „privat" im Ergebnis aufgehoben und z. B. der § 839 BGB über Amtshaftung entbehrlich. Wenn sie dagegen beharrlich sind, werden sie die alte Stellung behaupten wollen, bis vielleicht einmal wieder bessere Zeiten kommen. Der Verfasser müßte sich sehr täuschen, wenn etwa sein verehrter Doktorvater Herbert Krüger, dessen Allgemeine Staatslehre" nicht zuletzt die „Vergütung" des natürlichen Menschen in der

27

So die Richtschnur Kirchgässners (Homo oeconomicus, S. 192). Noch drastischer ist die Sentenz Streißlers zur Marktwirtschaft in Fn. 72 unten. 28 So aus Aransons Beschreibung dieserfrüher einmal angenommenen wundersamen Wandlungen (S. 164). Siehe weiter zur ungerechtfertigten Idealisierung oder fehlenden „Charaktertransformation" Baum, Wirtschaftsdienst 63 (1983), 128 ff,128 f.; Buchanan, Palgrave, S. 587; ders., The American Economic Review 77 (1987), 243 ff, 248; ders., Constitutional Economics (1989), S. 63; Brennan/ Buchanan, The Power to Tax, S. 5; Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 501; Heinemann S. 21 ; Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 112 f.: Kein substantieller Unterschied zwischen dem politischen und dem wirtschaftlichen Unternehmer; auch ersterer lebt vor allem „von der Politik". 29 30

So Stolleis, Verwaltungsarchiv 65 (1974), 1 ff, 27.

Wenn Brennan/Buchanan nach dem ihrer „Constitutional Political Economy" zugrundeliegenden Vertragsmodell davon ausgehen, daß das „öffentliche Wohl" ebenso wie das „private Wohl" subjektiv von der handelnden Person erfaßt würde, so ist das - nicht anders als bei uns (vergi. Stolleis 16 f.) - nur als die Ablehnung eines externen, vordemokratischen Gemeinwohlbegriffs gemeint (The reason of rules, S. 37 mit S.42).

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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Repräsentation des „rechten Staates" verfolgt und dabei den im Wettbewerb stehenden „natürlichen" Menschen für das Handeln in Ämtern und nach Gesetzen vollständig disqualifiziert 31, nicht den Kampf aufgenommen und diese Variante der Ökonomik entschieden und mit kopfschüttelndem Unverständnis bekämpft hätte. Allerdings ist es schließlich gleichfalls denkbar, daß die Staatslehre als Vorhut und die Staatsrechtslehre als Hauptmacht nach den Empfehlungen der Verfassungsökonomik doch mit einem strategischen Stellungswechsel nach rückwärts eine günstigere Ausgangsposition beziehen, um von dort mit einer wirkungsvolleren Finanzverfassung die „Natürlichkeit" der Amtsträger an der Entfaltung zu hindern32. Zur passenden Lösung wird alsbald Stellung bezogen. Das Manövrieren unserer Wissenschaft hat allerdings nur einen Sinn, wenn die weiteren Vorgaben stimmen. Gänzlich ohne Überprüfung und unbesehen sollte die tiefe Skepsis der Verfassungsökonomik nicht einfach übernommen werden.

5. Verfolgung eigener Interessen durch Politiker und Amtsträger Mit dem Sturz des „Staatsmannes" oder „Staatsdieners" vom Sockel unverfälschter Gemeinwohlwahrung auf den Boden schlichten Menschentums werden Eigennutz und die Verfolgung persönlicher oder gruppenspezifischer Interessen ohne weiteres unterstellt33. Das klingt im besten institutionenökonomischen Zynismus dann so: „Public interest is an outcome of the pursuit of personal interest within a given institutional framework" 34. Diese Selbstsucht ist gewiß nicht als ausschließliches Motiv zu verstehen, aber doch als ein so merkliches neben dem eigentlichen Dienst am öffentlichen Wohl, daß die Beeinflussung der Arbeitsresultate manchmal nachweisbar, zumindest aber selten gänzlich ausgeschlossen ist. Es kann nach Buchanan zumindest ein kostspieliges Unterfangen sein, altruistisches und uneigennütziges Verhalten „im öffentlichen Sektor" ohne weiteres vorauszusetzen,

31

Allgemeine Staatslehre, besonders S. 459 f. mit S. 474.

32

Für diesen Rückzug gilt entsprechend Rudolf Richters Bemerkung: „An Kantsche Pflichterfüllung, an den kategorischen Imperativ, glauben die Institutionenökonomen nicht. Ihr Menschenbild ist ein pessimistisches" (Was sind uns die Parteien wert? S. 80). 33 Vergi, zusätzlich zu den noch folgenden detaillierteren Standpunkten allgemein: v. Arnim, Staatslehre, S. 356 ff.: Es sind Zweifel an der Gemeinwohlorientiertheit der öffentlichen Bediensteten angebracht; Buchanan, Die Grenzen der Freiheit, S. 130, 222 ff.Persönliche Präferenzen der Politiker führen regelmäßig zur Erweiterung der Ausgaben; Heinemann S. 20 ff.; Hoppmann, ORDO 38 (1987), 31 ff., 32; Kirchgässner, Kyklos 47 (1994), 321 ff., 335 f. (speziell im Hinblick auf die EU); Moe, Journal of Law, Economics and Organization 6 (1990), 213 ff., 231; Neck, Zur politischen Ökonomie der Staatsverschuldung, S. 339; ders., Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 88 ff., 93 (Fn. 17); Richter/Furubotn S. 123; Roberts, Journal of Monetary Economics 4 (1978), 603 ff., 605 f.; Seidon, Einleitung zu Buchanan, Constitutional Economics (1991), S. VIII ff.; Stober, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 143 ff., 144. 34 Wagner/Tollison S. 46. Ein virtuelles Mitglied des britischen Civil Service hat sich für seinen Bereich kaum anders geäußert: „It is not possible for a plan to be good for the country and bad for the Civil Service - it's a contradiction in terms" (The Complete Yes Prime Minister, hrsgg. von Jonathan Lynn und Antony Jay, BBC Books London 1986 ff., S. 269).

10*

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

teurer jedenfalls, als es die „Enttäuschungen" bei der Annahme von „worst-case behavior" sind35. Die Ziele der „selbstsüchtigen" Einsätze im öffentlichen Sektor lassen sich einigermaßen leicht zusammenfassen, jedenfalls für die Vertreter der Verfassungsökonomik. Zur exakteren Darstellung werden sie hier aber aufgegliedert in die Interessen an Erhalt oder Erwerb der erstrebten Machtposition (dazu unten Abschnitt 6) und in die an ihrem Besitz, d. h. an den eigentlich persönlich bedeutungsvollen Vorzügen und Genüssen. Letztere bestehen für den Politiker zunächst einmal im Einkommen und in anderen materiellen Vorzügen; Winston Churchill soll einmal die „transportation" rühmend erwähnt haben. Keineswegs zu unterschätzen sind weiter Machtposition, Einfluß und Prestige, die untrennbar verbunden sind mit Macht und Einfluß auch für die eigene Regierung. Gerade diese Zielefördern das Verständnis für Ausgabensteigerungen sehr 36. Das Interesse der Beamten richtet sich natürlich gleichfalls auf die eigene Stellung und das damit verbundene Einkommen37. Aber noch häufiger taucht in der einschlägigen Literatur das Interesse der Bürokratie an Ausgaben- und Einflußzuwachs auf, verständlicherweise: Eine zunehmende personelle und finanzielle Ausstattung der eigenen Behörde bessert die Aussichten für das eigene Ansehen und Fortkommen und für den persönlichen Machtgewinn. Entsprechend steigt die Neigung zu Budgetausweitungen38. Diese durchaus menschlichen Interessen sind zum einen verwerflich keineswegs an sich39, sondern allenfalls dann, wenn die Art ihrer Verfolgung und Durchsetzung beanstandet werden muß. Das ist unstreitig der Fall, wenn Straftatbestände vorliegen wie etwa Betrug, Nötigung oder der Stimmenkauf, der heute bei uns allerdings nur in § 152 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unter Strafe gestellt ist. Im poli35 So in Palgrave, S. 587, und Constitutional Economics (1989), S. 64. Weiter Jers., ORDO 30 (1979), 349 ff., 350; dersORDO 42 (1991), 127 ff, 134 f.: Der romantische Mythos vom wohlwollenden und allwissenden Staat ist aus dem öffentlichen Bewußtsein in den neunziger Jahren verschwunden, und diese Skepsis wird auch die Brüsseler Bürokratie treffen. 36

Buchanan nennt vor allem Macht, Einfluß und das Gefühl, gebeten werden zu müssen (Die Grenzen der Freiheit, S. 222 ff.); Heinemann (S. 21) erwähnt »Annehmlichkeiten wie Einkommen und Ansehen"; Kampmann sieht „das Eigeninteresse von Machterhaltung und Einkommenssicherung" (S. 43); Moe (Journal of Law, Economics and Organization 6 (1990), 213 ff, 231) zählt auf: „income, policy, power, status and any number of other things", und fur Roberts (Journal of Monetary Economics 4 (1978), 603 ff, 605) ist das Wachstum des Regierungsapparats das Hauptinteresse einer Regierung; ähnlich Schemmel/Borell (S. 126 f.) bezüglich des Interesses der Fachminister. Klaus Vögel erklärt, „... daß das Ausgabenwachstum für die Personen und Organe, die über die Ausgaben zu verfügen haben, einen fortlaufenden Machtzuwachs bedeutet" (Verfassungsgrenzen, S. 421). 37

v. Arnim (Staatslehre, S. 357) nennt Macht-, Prestige-, Geld- und Freizeitgewinn.

38

Nach Buchanan (Die Grenzen der Freiheit, S. 229) steigen ζ. B. die Karrierechancen, wenn der Haushaltstitel wächst, mit dem sie verbunden sind; weiter siehe Grüske, Staatsverschuldung, S. 293; Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997, 749 ff, 750; Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 179; Musgrave/Musgrave/Kullmer I S. 146 (mit Vorbehalten), aber auch S. 147; Schemmel/Borell S. 127. Hoffmann-Riem will gegen den „Hang von Bürokraten zur personellen Überbesetzung" die Budgetierung einsetzen (DÖV 1999,221 ff, 225 f.). Zur Budgetierung vergi, das nächste Kapitel. 39 Stober, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 143 ff., 153: „Gegen das Streben eines Politikers nach Macht, Einkommen und Prestige kann man aus verfassungsrechtlicher Sicht wenig einwenden".

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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tischen Bereich fehlt es dagegen an spezifischen Regelungen, sehr zum Kummer etwa des Bundes der Steuerzahler, der nur zu gern die „Tatbestände" der Verschwendung, Veruntreuung oder des Mißbrauchs von „Steuergeldern" - Einnahmen aus Krediten gewiß nicht ausgeschlossen! - zur Verfolgung bringen würde, sei es durch die Gerichte, sei es durch die Rechnungshöfe. Zum anderen sind die Begehrlichkeiten ohne weiteres einsichtig und die Machtausdehnungsgelüste an sich plausibel - aber sind sie als konkrete Gründe für eine Mittelverschwendung auch nachweisbar? Für die Institutionenökonomik (in Gestalt der, Agency-Theorie") reicht schon der nicht auszuschließende „schlimmste Fall", um Handlungsbedarf anzuzeigen. Doch unmittelbare Belege für einschlägig verursachte Mehrausgaben und für eine entsprechend erweiterte Kreditaufnahme fehlen. Auch darf der Modellcharakter der „ökonomischen Theorie der Bürokratie" ebensowenig übersehen werden wie der Unterschied zwischen den amerikanischen Verhältnissen, die wesentlich zu ihrer Entwicklung führten, und dem seit Jahrhunderten institutionalisierten deutschen Berufsbeamtentum 40. Dem Verfasser waren aus seiner Zeit in der hamburgischen Verwaltung durchaus ein oder zwei Kollegen geläufig, die für ihre Fähigkeiten bekannt waren, durch das Sammeln von Aufgaben und Untergebenen sich für Höherstufungen zu empfehlen. Eine allgemeine Regel möchte er daraus aber schon wegen der dürftigen empirischen Basis keineswegs ableiten, zumal auch nur eine kleine Minderheit in den „strategisch interessanten", nämlich höheren Positionen sitzt 41 . So lohnt es sich, das Augenmerk von den Nebensächlichkeiten und Beigaben weg auf die Hauptsache zu lenken.

6. Gewinnung und Erhaltung der Macht Voraussetzungen der genannten Vorzüge eines öffentlichen Amtes sind zuvor Machtgewinn bzw. Machterhalt durch Wahlen. Um in ihnen zu bestehen, werden Ausgabenprogramme und Finanzierungspläne zwecks Gewinnung der Wählermehrheit ersonnen und dabei die Vorteile der Verschuldungspolitik ebenfalls zielgerichtet eingesetzt42. Die Bewerber ordnen somit nach überwiegender Auffassung ihren persönlichen politischen Vorhaben notfalls auch die Grundsätze einer geordneten Finanzpolitik unter43. Ihre zugrundeliegende 40

Hierzu vergi. Zimmermann/Henke S. 70 ff., 73 f. Dazu Zimmermann/Henke S. 73 f. Auch Sturm sieht für diese Begründung des Defizitwachstums keine empirischen Belege; es fehlt ihm auch an der Plausibilität (S. 23 f.). 41

42 Buchanan/Wagner haben deshalb den beziehungsreichen und doppeldeutigen Titel „Democracy in Deficit" (1977) gebildet, vergi. S. 98 f. und passim; dies, auch, The Political Biases of Keynesian Economics, S. 88. Vergi, weiter Buchanan, Post-Reagan Political Economy, S. 5 (für die Defizite der Reagan-Jahre). Genau hier sieht Engel die Gründe für die Asymmetrie und damit für das spätere Scheitern der Konjunkturpolitik: Bei Art. 109 Abs. 2 GG und dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz hatte man „nicht bedacht (oder nicht bedenken wollen?), daß Politiker vor allem eins wollen: den Erhalt der Macht. Damit verträgt es sich schlecht, wenn sie der Wirtschaft in Zeiten der Hochkonjunktur öffentliche Aufträge vorenthalten und Kaufkraft durch einen Stabilitätszuschlag zur Einkommensteuer abschöpfen"^. 175). 43 In diesem Sinne: v. Arnim/Weinberg S. 75; Heinemann S. 21 ; Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 112: Wenn Politiker die Wünsche und Stimmen der Wähler suchen, dann nicht, weil sie „die so-

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Überlegung geht dahin, daß mit kostenträchtigen Versprechen bzw. kostspieligen „Geschenken" vor der jeweils nächsten Wahl die Wähler vor allem dann beeindruckt werden, wenn sie den Preis nicht sogleich in Gestalt von Steuererhöhungen bezahlen müssen44. Die Kreditfinanzierung ist eine unauffällige und unmerkliche Art der Ausgabendeckung, deren nachteilige Folgen, wie gezeigt, erst später wahrgenommen werden 45 . Spezifischere Kalkühle ziehen dabei noch in Rechnung, daß es sich besonders lohnt, gut organisierte und lautstarke Interessengruppen mit einer großzügigen Finanzierung an sich zu binden. Deren Unterstützung ist die Regierung dann sicher, während demgegenüber der erwartete Widerstand und die korrespondierende, breit verteilte Belastung der großen Masse als mehr oder weniger vernachlässigenswert erscheinen 46. Die ausgesprochene „Klientelwirtschaft" liegt dann nicht mehr fern 47 .

ziale Wohlfahrt maximieren möchten, sondern weil sie egoistisch sind und wiedelgewählt werden möchten"; nur eingeschränkt zustimmend Krause-Junk, Handbuch, S. 709; Mahrenholz Rn. 7 zu Art. 115 (Funktion der Machterhaltung); Leipold, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 16 (1987), 177 ff., 181. Gandenberger (Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten? S. 181 f.) ist skeptisch gegenüber einer Sicht, nach der in umgekehrter Rollenverteilung der Politiker die Instabilität hervorruft. Den Verdacht, daß es so sein könnte, wird er allerdings auch nicht los. 44 In diesem Sinne Gandenberger, Staatsverschuldung und Neue Politische Ökonomie, S. 30 ff: Anreiz, politische Zukunftseffekte mit hoher Rate abzudiskontieren; weiter Grüske, Staatsverschuldung, S. 288 f.; Schemmel/Borell S. 125 f., 151; Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 567 f.; Wagner/Tollison S. 6 f.; v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff, 57 f., 62. Nach Albert Meyer (S. 43 f.) sind Länder und Gemeinden diesen Versuchungen eher ausgesetzt als der Bund. Der Wissenschaftliche Beirat (1984) nennt dagegen nur die „Scheu der Politiker vor Steuerwiderständen" (S. 12). 45 Hierzu v. Arnim/Weinberg S. 77 (Verschleierungseffekt); Bröcker S. 203 (merkliche Ausgabe, unmerkliche Einnahme); Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff, 121 (Politiker entziehen sich der Disziplinierung durch die Folgekosten, d. h.: die Steuern); Caesar, Öffentliche Verschuldung, S. 31 (bei Zielkonflikten das fiskalisch bequemste Mittel zur Minimierung politischer Konflikte); ähnlich Fischer-Menshausen Rn. 1 zu Art. 115; Gandenberger, Therie der öffentlichen Verschuldung, S. 36 (schwere Überschaubarkeit der Konsequenzen); ders., Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten? - Aussprache - , S. 187 (Spezialfall unmerklicher Besteuerung); Giersch, Symposium, S. 136 (es wird immer der Weg gewählt, der kurzfristig die geringste fiskalische Belastung mit sich bringt - und das ist der Kredit); Grüske S. 289; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 116 (mangelnde individuelle Fühlbarkeit); Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 87; Paul Kirchhof, Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 26 ff; Nachtkamp S. 114; Schemmel/Borell S. 150 (unmerkliche Kreditfinanzierung); Schlesinger S. 242; Schmölders S. 419 (betont das Moment der „Unmerklichkeit"); siehe auch Wagner/Tollison S. 23 (Politiker müssen sich nicht offen zur Übertragung von Ressourcen auf den Staat bekennen); weiter v. Weizsäcker 58 (merkliche Ausgabe, unmerkliche Einnahme). 46 Dazu z. B. Aranson S. 165: „Concentrated benefits, dispersed costs"; ähnlich Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 502; ders., Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 166 f.; ders., Effizienzsteigerung im staatlichen Bereich, S. 229 f.; Gantner, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 25 (1984), 162 ff, 164 f., 174, 179; Grüske S. 289: „Concentrated benefits - diffused costs"; Heinemann S. 22; Holcombe, Constitutional Political Economy 2 (1991), 303 ff, 316 (allgemein zum „special interest spending"); Leipold, Ordnungspolitische Konsequenzen, S. 272; Neck, Zur politischen Ökonomie der Staatsverschuldung, S. 340 f. Nur andeutungsweise (und nicht gänzlich übereinstimmend) äußert sich so Watrin S. 68. Eine z. T. abweichende Sicht findet sich auch bei Davis/North S. 31 ff. 47 Das Klientelproblem berührt überdies weitere Zusammenhänge. Das „Wohltätigsein zulasten Dritter" und die Klientelwirtschaft speziell bei Politikern und Funktionären, die sich mit Sozialpolitik

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Die eben vorgestellten Äußerungen stellen sozusagen den Gipfel des Mißtrauens namhafter Teile der Wirtschaftswissenschaft und speziell der Verfassungsökonomik gegenüber den gewählten Volksvertretern dar. Aber damit allein ist noch nichts Entscheidendes gesagt, denn es stellt sich weiter die Wahrheitsfrage für die Annahmen der Wissenschaft: Ist die kreditfinanzierte Ausgabenforcierung nicht zuletzt vor Wahlen wirklich nachgewiesen, bestimmt und geeignet, Wähler positiv zu beeindrucken und daher für den „Spender" politisch einzunehmen?

7. Käuflichkeit der Wähler? Sicher wüßte man zunächst gern, ob das Mißtrauen gegenüber der politischen Klasse gerechtfertigt ist und ob die Machtsicherung notfalls tatsächlich durch Mittelverschwendung bezahlt wird. Verallgemeinerungen sind schon deshalb nicht zulässig, weil der amerikanische „Representative" eindeutig mehr „Handelsreisender" für seinen Wahlbezirk ist als der deutsche für den seinen. Dieser müßte mit seinen Fraktionskollegen eher dem übergreifenden, integrierenden parteilichen Nutzen zugetan sein und den Gewinn der Regierungsmacht bzw. deren Erhalt für seine Partei zur obersten Richtschnur machen. Leider sind klare Antworten auf diese Fragen nicht zu erhalten. Die Aussagen oder Vermutungen hinsichtlich der politischen Machtkalküle leuchten ein, zumal ihre heutigen unschönen Ergebnisse den mißtrauischen Steuerzahler fast zwangsläufig auf den gleichen Gedanken bringen: Die wachsende Staatsschuld, die sich unaufhaltsam auf 3 Billionen DM zubewegt, kann nicht das Ergebnis staats- und finanzpolitischer Vorsorge und Vernunft sein! Aber mehr als allenfalls plausibel48, nämlich beweisbar, sind die einschlägigen Annahmen der Institutionen- bzw. Verfassungsökonomik gewiß nicht. Es kommen möglicherweise auch Fehleinschätzungen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und ein Unterschätzen der Ausgabenentwicklung in Betracht 49. Daher soll wie schon oben der „schlimmste Fall" angenommen und politische Berechnung unterstellt werden. Der Rückzug auf diese vergleichsweise einfach zu verteidigende Position ist umso eher angebracht, als grundlegende politische und ideologische Überzeugungen von der notwendigen Ausdehnung der „Staatsquote" gleichfalls die Staatsverschuldung tragen und deshalb von „bloßen" Wahlkalkülen gar nicht zu trennen sind50.

befassen, prangert Hackmann an (ORDO 45 (1994), 251 ff., 266 f.); ähnlich v. Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit II, S. 20 f.; ders., Recht, Gesetzgebung und Freiheit III, S. 27: Wir müssen die Politiker jenes Füllhorns berauben! 48

So Gantner 164; Zimmermann/Henke S. 64 ff.: Anhaltspunkt für die „Stimmenmaximierung als Handlungsmaßstab" bietet die vor Wahlterminen zunehmende Verabschiedung von sozialen Gesetzesmaßnahmen. Gandenberger (Thesen zur Staatsverschuldung, S. 846; ders., Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten? S. 181 f.) hält das vorliegende empirische Material noch nicht für ausreichend; laut Heinemann (S. 21) ist die Argumentation „zynisch", aber „methodisch konsequent". Für Nachtkamp ist „die Vermutung nicht von der Hand (zu) weisen" (S. 114). 49 Sie führt Sarrazin (Finanzarchiv 41 (1983), 373 ff., 376 ff.) an und reduziert damit zugleich das „Verschulden" (376). 50

Vergi, dazu Heinemann S. 21 f.; Scherf S. 371.

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Folglich ist nun vor allem von Bedeutung, ob das Buhlen mit schuldenfinanzierten Ausgaben um die Stimmen der Wähler deren Wünsche überhaupt trifft 51 . Von der Antwort könnten die Reaktionen auf die Staatsverschuldung abhängen. Verfehlt etwa die regierende Partei die wahren Präferenzen der Wähler, weil diese überraschenderweise auf „austerity" ausgerichtet sind, so hätte sie mit der Vernunft und dem Geld zugleich den Verstand über Bord geworfen und außer der öffentlichen Glaubwürdigkeit auch noch die Stimmen verloren. Würde sich diese Erfahrung herumsprechen, könnte man das Problem der übermäßigen Staatsverschuldung vielleicht irgendwann zur Seite legen. Käme dagegen eine verstärkte Ausgabenpolitik selbst um den Preis einer erheblichen Kreditfinanzierung den Wünschen der Wähler entgegen, wäre sie politisch erfolgreich, und Versuche, sie durch geeignete Neuregelungen zu unterbinden, müßten auf erheblichen Widerstand stoßen. Die schwierige Beantwortung ließe sich nur durch normative Feststellungen vermeiden. So würde etwa die oben knapp skizzierte Repräsentationslehre Krügers vermutlich gar nicht so weit gehen, sondern den Verantwortlichen „bloß" vorwerfen, daß sie nicht klüger sein wollten als ihre Wähler und daß sie nicht ggf. gegen deren Willen eine strenge Politik des (materiellen!) Haushaltsausgleichs betrieben haben. Wer gleichwohl bis zur Wählerebene vordringt, muß nicht zwangsläufig ein Interesse an der Vermeidung der Staatsverschuldung unterstellen: „Rationale Wähler, welche diese (gemeint: langfristig einkommenserhöhenden) Wirkungen der fiscal policy einkalkulieren, haben daher allen Anlaß, eine Kreditfinanzierung zusätzlicher Staatsausgaben bei Unterbeschäftigung der Steuerfinanzierung vorzuziehen, weil sie dadurch per saldo entlastet werden"52. Die Uneinheitlichkeit normativer Äußerungen spiegelt verständlicherweise die Spaltung der Wissenschaft in ihrer Haltung gegenüber der Staatsverschuldung wider. Aber mindestens ebenso schwer sind die Überlegungen zu ermitteln, die von den Wählern wirklich angestellt werden. Eine starke Ansicht in der Verfassungsökonomik geht dahin, bei ihnen Unsicherheit, auch Vergeßlichkeit und mangelhafte Information hinsichtlich der langfristigen Folgen heute eingegangener Kredite („Schuldenillusion"), jedoch ebenfalls Bevorzugung des heutigen Vorteils und eine Neigung zum Gegenwartskonsum zu unterstellen53. Das liefe auf eine höchst diffuse Zustimmung gewissermaßen „zweiter Klasse" 51 Es betonen die Ausrichtung nach dem Wählerwillen Buchanan/Wagner , The Political Biases of Keynesian Economics, S. 89 (bei materiellem Haushaltsausgleich) und S. 92ff. (mit den Veränderungen durch Defizitpolitik), mit differenzierter Kritik von Meckling S. 101ff.; dies., Democracy in Deficit, S. 96 ff. 52 Scherf,\ Konstitutionelle Begrenzung, S. 372. Auch Vanberg (S. 113 f.) begreift das gemeinsame Interesse der ,3ürger-Prinzipale" - nun aber, wohlgemerkt, an der Verhinderung der derzeitigen „notorische^) Staatsverschuldung" - insoweit normativ. 53 So haben sich geäußert: Baum, Wirtschaftsdienst 63 (1983), 128 ff., 129; Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 34 ff; ders., Staatsverschuldung und Neue Politische Ökonomie, S. 30 ff; Gantner, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 25 (1984), 162 ff., 163 f.; Grüske, Staatsverschuldung, S. 289 f. (zunehmende Gegenwartsorientierung, rationale Nichtinformiertheit); Holcombe, Constitutional Political Economy 2 (1991), 303 ff, 316 („rational ignorance"); Kampmann S. 43; Miegel S. 219 (rügt die private Begehrlichkeit); Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 178; Musgrave/Musgrave/KullmerlS. 145 f. (differenzierend); Mußgnug, Staatsüberschuldung, S. 77; Ottnad S. 135ff. (Höchstmaß an individueller Selbstentfaltung); Schemmel/Borell S. 126, 151; Scherf S. 373 (Staatsschulden sind bloße „Eventualverbindlichkeiten"); Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsoige, S. 567; Klaus Vogel, Verfassungsgrenzen, S. 421 (sucht die Ursachen

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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hinaus. Wer „den" Wählern nachsagt oder sogar nachweist, daß „sie" zwar gegen die Staatsverschuldung seien, aber nicht (ebenso entschieden) für die mit einer derartigen Haltung unweigerlich verbundenen Steuererhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen und Leistungseinschränkungen, gelangt letztlich zu einem ähnlich unklaren, ja zwiespältigen Wählervotum 54 . Teilweise im Zusammenhang damit bestreitet eine nicht unerhebliche Zahl von Autoren das Desinteresse der Bevölkerung am Ausmaß der Staatsverschuldung 55. Schließlich soll es ganz unabhängig von dieser speziellen Thematik auch Wähler geben, die ihr eigenes Urteilsvermögen schlechthin eher skeptisch sehen und die folglich mehr an einer Regierung interessiert sind, die „responsible" ist, als an einer, die sich im Sinne dieses Abschnittes „responsive" gibt 5 6 . Vor einem derart verwirrenden Meinungshintergrund müssen „eindeutige" Standpunkte die schwer zu vertretenden Ausnahmen bleiben. Wohl sind die für den derzeitigen Schuldenstand Verantwortlichen jeweils aus demokratischen Wahlen hervorgegangen 57. Daraus jedoch ein Wählervotumfür die Staatsverschuldung abzuleiten, wäre in Anbetracht der vielen bei der Stimmabgabe relevanten Gesichtspunkte gewiß zu weitgehend. Umgekehrt geht es nicht an, strengere fiskalische Restriktionen als Einschränkung „demokratisch nicht legitimierte(r) Entscheidungen" aufzuwerten 58. Ist damit die Antwort auf die Frage nach im Bereich der Sozialpsychologie: Konkrete Vorteile sind naheliegender als die eher abstrakten hohen künftigen Abgabenverpflichtungen); v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51ff., 62. Ziffzer unterstellt in Deutschland wegen der Inflationserfahrungen eine starke negative Einstellung gegenüber der Staatsverschuldung (Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 33 (1980), 500 ff, 500). Für Höfling kommt beides zusammen: (Eingeschränkt) rationales Machtstreben und (eingeschränkt) rationale Nutzenmaximierung und Folgenverdrängung bei den Wählern; sie führen in die Irrationalität der Verschuldungsfalle (Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 86 f.); ähnlich Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff, 122: Politiker reagieren völlig rational auf die Forderungen ihrer Wähler. Sehr skeptisch beurteilt Schumpeter diese „Massenkorruption" und stritt den Wählern die Fähigkeit ab, gute Kenner ihrer eigenen langfristigen Interessen zu sein (S. 414 mit Fn. 13). 54 In diesem Sinne siehe Baum 129 f.; Blinder/Holtz-Eakin S. 1 ff. (unter Auswertung mehrerer Umfragen); im Anschluß daran Bröcker S. 202 f.; Folkers, Finanzarchiv 44 (1986), 365 ff, 384; Gantner, Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 6 (1977), 331 ff, 334 f.; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 116; Heinemann S. 24; Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997,749 ff, 750; Tabellini/Alesina, The American Economic Review 80 (1990), 37ff. (unter Aufgreifen der These, daß Wähler ex ante und in Unkenntnis der möglichen konkreten Betroffenheit anders entscheiden als in einer konkreten Situation). In den USA unterstützten in Meinungsumfragen etwas 80% ein „balanced budget amendment", vergi. Funke S. 390.

Entgegen der oben zu Fn. 53 beschriebenen Ansicht unterstellen damit Alesina/Tabellini aber bei den Politikern ebenso wie bei den Bürgern und in der Wirtschaft volle Information und bestreiten „fiscal illusion" und „voters' irrationality" (Review of Economic Studies 57 (1990), 403 ff, 403 f.). 55 So Abrams/Dougan, Public Choice 49 (1986), 101 ff, 104 (besondere für die Ebene der Staaten und lokalen Körperschaften in den USA); Bröcker S. 201 f.; Duwendag, Staatsverschuldung, S. 150 (stellt eine solche Haltung der Bevölkerung zumindest in Zeiten von Finanzkrisen in Frage); Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 141 Fn. 124 (bezweifelt die These Buchanans, daß sich hier ein grundlegender Mangel des demokratischen Willensbildungsprozesses offenbarte); Sturm S. 22 ff. 56 An sie denkt Offe S. 82 f. Im übrigen steht er den empirisch nicht nachweisbaren „Voreingenommenheiten" bürgerlicher Sparsamkeit bzw. politischen Eigennutzes skeptisch gegenüber (S. 85). 57 58

Hierauf weist Usher hin (S. 119).

So aber Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 502. Auch Stalder (Staatsverschuldung in der Demokratie) faßt die in diesem Abschnitt erörterten Aspekte klar als

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

dem Erfolg einer politischen Instrumentalisierung der Staatsverschuldung beim Wahlvolk auch undeutlich, so stehen doch zwei Konsequenzen bereits fest: Praktikable und zwingende Regeln sind allein schon unabdingbar, um dem Hang zur unablässigen Kreditaufnahme wirksam Einhalt zu gebieten. Aber wegen der vielfältigen, nicht auf den Bereich der politischen Klasse beschränkten Widerstände werden sie kaum allseits willkommen sein. Wie uneinheitlich die Standpunkte zu diesem Thema bei den Wählern vermutlich sind, läßt auch die Behandlung der nachstehenden Gesichtspunkte erkennen: - Es spricht einiges fur die Annahme, daß „Arme" eher einer forcierten, notfalls durch Kreditefinanzierten Ausgabenwirtschaft zuneigen als „Reiche", weil Steuern sie nicht so stark - sei es jetzt, sei es später - belasten wie die wohlhabenderen Bevölkerungskreise59. Ebenfalls dürfte ihre Gegenwartspräferenz für verfügbares, d. h. nicht durch Steuern reduziertes Einkommen größer sein als bei denen, die - zu welcher Zeit auch immer - nicht mit jedem Pfennig rechnen müssen60. Aber wieviele Wähler zählen jeweils zu der einen oder anderen Gruppe? - Für die unterschiedliche Betonimg von Gegenwartspräferenz oder Zukunftsvorsorge spielen andere Kriterien gleichfalls eine Rolle. Maßgebend sind für jeden einzelnen nämlich weiter das Alter, weil davon abhängt, ob Steuern noch großen Einfluß haben oder nicht mehr, und die Frage, ob Kinder, für deren Zukunft es zu sorgen gilt, vorhanden sind oder nicht61. Von daher läßt sich sogar aus einer demographischen Karte zumindest die Andeutung mancher Antwort ablesen. Wenn Verfasser und Leser ehrlich sind, so dürften sie von Erwägungen dieser Art auch nicht frei sein. „Demokratieversagen hinsichtlich der Staatsverschuldung" zusammen (S. 425 ff., 430). Das ist de constitutione lata verfassungsrechtlich wie auch bei einem plebiszitären Verständnis von Demokratie derzeit nicht richtig. Daß die Staatsverschuldung demokratietheoretisch höchst anfechtbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Für Mußgnug wiederum wäre ein (weiter unten als Ausgabenbremse zu diskutierendes) leistungsrechtliches Übermaßverbot ein Ausdruck des Mißtrauens gegenüber der Volksvertretung und ihren Wählern: „Das aber wäre mit der Idee von der Souveränität des Volkes schlechterdings unvereinbar" (WDStRL 47 (1988), 113 ff., 127). Doch ließe sich mit der Begründung auch die Notwendigkeit einer Verfassung überhaupt bestreiten, und es wäre die folgende Untersuchung überflüssig. 59 So Nowotny, Zur politischen Ökonomie der öffentlichen Verschuldung (1981), S. 37; vergi, auch Blankart S. 340 (siehe dann aber weiter S. 341). 60

Dazu Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 37; Scherf Konstitutionelle Begrenzung, S. 373 (mit nicht ganz einheitlicher Begründung). 61 Das Thema der Haltung gegenüber (etwaigen) Erben wurde schon oben (2. Kapitel Abschnitt 6) angeschnitten. Vergi, weiter zum „Zeithorizont" und zur Zukunftshaltung Bach, Konjunkturpolitik 39 (1993), 1 ff., 5: u. a. die Interventionen von Vereinigungen älterer Menschen haben den Vorschlag eines „balanced-budget"- Amendments 1992 im Kongreß zum Scheitern gebracht; Blankart S. 342; Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff., 124; Grüske, Staatsverschuldung, S. 292 f. (gibt ausdrücklich den „homogenen" Wähler auf); Heinemann S. 25 ff.; Olson, Kommentar, S. 114; Scherf S. 373 (schon mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nimmt die Steuerbelastung ab), vor allem Fn. 15; Vaughn/Wagner, Kyklos 45 (1992), 37 ff, 43 ff. (fordern ebenfalls die Zergliederung („disaggregation") der verschiedenen Interessen). Auch Buchanan/Vanberg kommen auf dieses Thema zurück (S. 339).

6. Kap.: „Gemeinwohl geht mit Eigennutz"

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Dieser Abschnitt wird somit abgeschlossen in der Gewißheit, daß wegen der Ausgabenund Defizitpolitik „sich vieles tut" zwischen Wahlvolk und politischer Klasse. Was sich konkret tut, ist dagegen höchst ungewiß62.

8. Aufgaben der Verfassungsökonomik Die verquere Gemengelage bei den Motiven für die Aufnahme von Staatskrediten und bei den einschlägigen Interessen, Berechnungen und Zwängen ließ keine deutliche Beurteilungsgrundlage entstehen, und gerade deshalb kann das Thema nicht mit einem schlicht zielgerichteten Verbot etwa abgeschlossen werden. Es sind zu viele beteiligt und interessiert, selbst bei den „nichtverantwortlichen" Wählern. Darum geht es auch nicht um eine Art „Verfahren" gegen die verantwortlichen Amtsträger, sondern allein um die Suche nach allseits verwendbaren verfassungsrechtlichen „Krücken" oder „Korsetts", die einer durch das geltende Verfassungsrecht nicht verbotenen langfristig ausgeglichenen Finanzpolitik - und damit fast zwangsläufig einerrigorosen Zurückhaltung bei den Ausgaben institutionell „nachhelfen" 63. Das Resultat soll die Frage übergehen dürfen, ob Wahlkalküle, Fehleinschätzungen, die langfristige Strategie der Ausweitung der „Staatsquote" oder alle drei Gründe für eine finanzpolitische Fehlentwicklung verantwortlich sind; diese soll fortan bestenfalls gar nicht mehr „möglich" sein. Mit einer solchen Lösung könnte das oben zurückgestellte Problem der Staatslehre und Staatsrechtslehre, wie es um die Pflichtbindung der politischen und beamteten Amtsträger bestellt ist, wieder aufgegriffen werden. Ihre Verpflichtung auf das Gemeinwohl bliebe erhalten - selbstverständlich, möchte man im Hinblick auf die weitergeltenden einschlägigen Vorschriften und Eide hinzufügen. Aber so selbstverständlich ist es nun wiederum auch nicht, wenn man die derzeitigen Vorschriften der Finanzverfassung als konkrete Definition des Gemeinwohls - hier: der finanzwirtschaftlichen Erhaltung des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" - bedenkt, die eine das Gemeinwohl gewiß gefährdende, weil politische Gestaltung und finanzierbare Wohlfahrt zunehmend einengende Staatsschuld mit Zinslasten eben nicht hinreichend ausgeschlossen haben. Selbst das keynesianische konjunkturelle Defizit finanziert sich, wie gezeigt, nicht selbst und zeitigte allenfalls höchst kostspielige Erfolge. So wie das Gezetere von politischer Seite über die gewaltigen, in den Schuldbüchern der Nation noch nicht verzeichneten Pensionslasten für ausscheidende Beamte schon deshalb verärgert, weil kein einziger Beamter ohne zuvor politisch im Haushaltsplan bewilligte Planstelle eingestellt wird, so ist aus den genannten Gründen aber auch der Vorwurf des Verschuldungsmißbrauchs gegenüber Politikern wenigstens zu dämp-

62 So im Ergebnis auch North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, S. 130: „Die Agency-Theorie liefert reichliches, wenn auch umstrittenes Material zu der Frage, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber unabhängig von den Wählerinteressen handelt". Daß der Ansehensverfall der politischen Führungselite überwiegend „hausgemacht" ist und weniger auf die negative Berichterstattung in den Medien zurückgeht, legt Kepplinger dar (Zum eigenen Vorteil auf Kosten der Institution, in: FAZ vom 13.08.1998, S. 8). 63 Dazu Kettl S. 107: „If the problem is the lack of political will, then a constitutional amendment could supply the needed backbone, the argument goes".

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

fen 64. Die obige Feststellung zur fortdauernden Gemeinwohlbindung ist daher insofern zu modifizieren, als das Gemeinwohl neu beschrieben werden muß, auf welches die Amtsträger zu verpflichten sind. Nicht korrekt ist also die Meinung, daß es (nur) „naiv" sei, vom „Sollen" der Normen der Finanzverfassung auf ein langfristig letztlich schuldenfreies „Sein" zu schließen und alle Abweichungen vom Ideal als verantwortungslosen Umgang mit der Defizitfinanzierung ausblenden zu wollen65. Schon das „Sollen" selbst ist nicht „naiv". Folglich muß vernünftigerweise die neue Regelung so ausgestaltet werden, daß dem Amtsträger zu einer strikten Beachtung des veränderten Gemeinwohls auch wirklich „verholfen" wird und er gar nicht mehr auf „dumme Gedanken" kommen kann. Es ist Zweck, Aufgabe und Kunst der Verfassungsökonomik, erst gemeinwohlwidrige Anreize aufzudecken und dann eine effektive Gegensteuerung vorzuschlagen66. Sie wird ein gewisses „Vertrauen" in die Amtsträger und in ihre Fähigkeit, das gemeine Beste zu repräsentieren, sicherlich für „gut" befinden, aber mit einem Schuß „Lenin modern" gewissermaßen ergänzen wollen: „(institutionelle) Kontrolle ist besser". Buchanan hat das insoweit treffend formuliert: „... when moral constraints on political agents have lost much of their previous effectiveness, formal rules limiting deficit financing may be required to insure responsible fiscal decisions"67. Ob allerdings nur formale Regeln in Betracht kommen, bleibt zu klären. Die „Konstruktionsmängel"68, die es nun abzustellen gilt, liegen in den vielen Möglichkeiten für die Haushalter, den jeweiligen Inhalt der einschlägigen Finanzverfassungsnormen selbst diskretionär zu bestimmen und relativ leicht in der Kreditaufnahme das Ziel - die Erhöhung der „Staatsquote" vor allem - oder den Ausweg - vor Haushaltsproblemen - zu finden. Für beide bieten sich ersatzweise Steuererhöhungen an; falls sie als nicht opportun oder sogar als nicht mehr durchsetzbar angesehen werden, bleiben allein der Verzicht auf das Ziel und das „Durchforsten" der Ausgaben als Ausweg. Die politische Führung wird durch eine effektive Kreditsperre zur Erfüllung ihres einschlägigen politischen Auftrags genötigt, nämlich Prioritäten zu setzen69, von stets knappen Mitteln dem einen etwas zu 64 Wobei natürlich zu bedenken ist, daß Beamte den Haushaltsplan und Politiker die Verfassung formuliert haben, vergi. Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff., 502. Veigl. hierzu auch Fn. 44 f. im 7. Kapitel unten. 65

So aber Heinemann S. 14 ff.

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Das eigentliche Problem liegt dabei anschließend in der Umsetzung der aufgedeckten Erkenntnisse. Auch und gerade die Verfassungsökonomik weiß zwar: „Das Gemeinwohl wird in und nur durch Entscheidungsprozesse unter notwendiger Mitwirkung aller einzelnen ermittelt" (Morlock S. 6). Die dann aber für konkrete Verfassungsänderungen erforderlichen Mehrheiten zu beschaffen, wird die praktische Schwierigkeit sein, auf die diese Arbeit nicht eingehen kann. Es wird sehr wohl der Verfassungsökonomik vorgeworfen, daß ihr eine prozedurale Dimension fehle und daß sie nicht kläre, wie „eine Verfassungsreform unter den realen Bedingungen des politischen Prozesses durchgesetzt werden" könne (Feldmann S. 86; siehe weiter Leipold, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 16 (1987), 177 ff., 181; Voigt S. 284, 310; zu bedenken ist auch die Kritik von Haslinger S. 327 ff). Aber das primäre Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst einmal geeignete und effiziente Regeln zu entdecken. 67

Palgrave S. 588; vergi, dens, auch in ORDO 30 (1979), 349 ff, 359.

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Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 502.

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Hierauf weist z. B. Gantner (Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 6 (1977), 331 ff, 333 f.) mehrfach hin; vergi, weiter Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997, 749 ff, 757, und Zimmermann oben im 5. Kapitel Fn. 49.

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geben, dem anderen nicht und bei alledem immer noch für unvorhergesehene Ereignisse gewappnet zu sein. Dabei wird sich die Frage stellen, ob es wirklich ausreicht, die Kreditaufnahme einfach verfassungsrechtlich zu verbieten. Eine ehrliche Neuordnung der Finanzverfassung 70 muß sicherstellen, daß die heutigen Finanzprobleme weder - wie bei der Prohibition - bloß verlagert und dann verstärkt auf das Gemeinwesen zurückgedrängt noch als Lasten und Kosten auf die Zukunft verschoben werden. Der Wunsch, diese Reform so zu gestalten, daß die Politiker, wie von einer „unsichtbaren Hand" gelenkt, mit der Verfolgung eigener Interessen notwendigerweise auch den Interessen aller dienen71, mag im Interesse des Funktionierens beachtet werden. Er darf aber nicht zur kritiklosen Übernahme des Smithschen Marktmechanismus in das öffentliche Recht verleiten72. Die primäre, wenn auch inhaltlich modifizierte Pflichtbindung bleibt bestehen, es wird ihr durch Institutionen „nachgeholfen", und wenn die Nachhilfe „politikergerecht" erbracht wird, so ist das umso besser. Weiteres Theoretisieren wird wenig bringen; erst überzeugende Beispiele verhelfen zu besseren Einsichten. Eine Untersuchung der Bemühungen des US-Kongresses in den achtziger Jahren, vor dem Schuldenabbau in einem Konsolidierungsverfahren zunächst die jährlichen neuen Defizite schrittweise auf Null zu reduzieren, liefert dazu nützliche Hinweise. Sie sind lehrreich, obwohl das Konsolidierungsgesetz von 198573 nicht funktionierte, vielmehr modifiziert und dann durch weitere Gesetze ersetzt werden mußte; die Defizite stiegen sogar, und die Konsolidierung unterblieb zunächst74. Dabei soll übrigens der Hinweis nicht fehlen, daß nach kundiger Ansicht ohne das Gesetz die Defizitentwicklung vermutlich erstrichtig „desaströs" verlaufen wäre75. Aber es lohnt sich, seine Grundkonzeption näher zu betrachten, die in den parlamentarischen Beratungen von „interessierter" Seite später „verwässert" wurde. Vor allem Folkers hat sie als eine im Prinzip gelungene Leistung der Verfassungsökonomik ausführlich gewürdigt: 70 Richtig daher die Hinweise von Folkers (Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 168) und Leipold (Ordnungspolitische Konsequenzen, S. 257) auf die Notwendigkeit einer „Ordnungspolitik" bzw. „ordnungspolitischer" Reformen. Die folgenden Kapitel sind von der Absicht geprägt, die verschärfte Kreditrestriktion in eine funktionierende finanzpolitische Ordnung einzubauen, die zudem gerade auch den Grundrechtsteil des Grundgesetzes umfaßt. 71 So Hoppmann, ORDO 38 (1987), 31 ff., 32; Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 191; Reis S. 301; Stober, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 8 (1989), 143 ff., 153. 72 Eine Marktwirtschaft mag sogar unter Teufeln funktionieren, so Streißler S.S. Selbst ein von der Verfassungsökonomik bestens ausgerüstetes gemeinwohlverpflichtetes politisches System sollte man aber diesem Test lieber nicht unterziehen. 73 „Balanced Budget and Emergency Deficit Control Act of 1985", auch nach den Initiatoren „Gramm-Rudman-Hollings-Gesetz" (GRH) genannt; dazu vor allem Folkers, Finanzarchiv 44 (1986), 365 ff; Schwarzner S. 128 ff. 74

Siehe hierzu Funke S. 385 ff. (der auch einige positive Aspekte entdeckt, S. 389); Heun, Das Budgetrecht im Regierungssystem der USA, S. 83 ff.; Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 107: „Geschichte eines desaströsen Scheiterns"; Joyce, Public Budgeting & Finance 13 (1993), 36 ff, 40 ff; Kampmann S. 101 ff; Schwarzner S. 133ff. (mit umfangreicher Mängelliste, aber ohne das harte Urteil Höflings, vergi. S. 139 ff); Sturm S. 72 f. 75 In der plastischen Sprache eines Mitgliedes des Budgetbüros des Kongresses: „GRH may not have brought the deficit cows back into the barn, but it has kept them from stampeding over the cliff 4 (Reischauer 1990); nach Funke S. 387 Fn. 20.

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Ein ausgeglichener Haushalt ähnelt mit seinen Vorzügen, nämlich der mittelschonenden Beschränkung öffentlicher Tätigkeit und der Vermeidung evtl. störender „Crowding-out"Effekte, einem öffentlichen Gut, welches bekanntlich zum „Trittbrettfahren", zur unentgeltlichen Leistungsnutzung verführt. Unentgeltlich in diesem Sinne ist beim „Genuß" des Haushaltsausgleiches die Entgegennahme der allen zugute kommenden Vorzüge ohne einen eigenen Beitrag derfinanzwirtschaftlichen Zurückhaltung, d. h. ohne Verzicht auf die politischen Vorteile von populären Ausgaben oder die Hinnahme einer Steuererhöhung76. Um nun zu verhindern, daß einige Interessenten an hohen und ungekürzten Haushaltspositionen gewissermaßen „ausbüchsen", müssen sie alle unter Kompromißzwang gesetzt werden, was gerade beim „fragmentierten", von Ausschüssen beherrschten Kongreß in Washington ein Problem ist. „Das Verfahren beruht auf dem Versuch, möglichst sämtliche Budgetposten dem gleichen Druck proportionaler Kürzungen zu unterwerfen, um Kompromisse zwischen sämtlichen Interessen zu erzwingen und das Kürzungsverfahren damit letztlich überflüssig zu machen"77. „Das zu lösende Grundproblem bestand darin, daß trotz Anerkennung der Konsolidierungsnotwendigkeit ein Defizitabbau durch Kürzungsbeiträge von den einzelnen Ausgabenposten nicht zu erreichen war. Der Ansatz mußte somit die gewünschten Kürzungsvolumina vorab festlegen, damit ein ,Free-rider'-Verhalten keine unteroptimale Bereitstellung des Gutes Konsolidierung, sondern eine verstärkte Belastung der übrigen Bereiche zur Folge hat und daher erschwert wird. Entscheidend ist, daß ... proportionale Zwangsbeiträge drohen, wenn der erforderliche Konsens nicht anders erreicht werden kann"78. Von anderer Seite kam gegen diese automatischen, vorher absehbaren Kürzungen ein nicht von der Hand zu weisender Einwand: „Eine Ersatzvornahme, die für alle Beteiligten Gewißheit darüber verschafft, wie sie von ihr betroffen sein werden, ist nicht mehr neutral in bezug auf die Kompromißfindung selbst. Die Spezifikation der Ersatzvornahme bestimmt damit unvermeidbar die Ergebnisse der Kürzungsverhandlungen auch dann, wenn sie nicht wirksam werden muß"79. Wie immer auch eine noch wirksamere „Bestrafungsnorm" aussehen mochte, es wurden im Gesetzgebungsverfahren jedenfalls so viele Ausnahme- und Sonderregelungen eingeführt, daß der ausreichende Einigungsdruck auf alle nachließ, was mit zum Mißerfolg des „Gramm-Rudman-Hollings-Gesetzes" beitrug 80. Doch im Grundsatz bleiben „Schuldendeckelung" und „Drohung mit pauschaler Zwangslösung" brauchbare und intelligente Instrumente, mit denen der gemeinwohlwidrige Anreiz zur eigennützigen Mittelvergabe abgeblockt und dem Gesetzgeber zu seiner vornehmsten und schwierigsten Aufgabe „verholfen" wird, nämlich mit knappem Geld wirklich Prioritäten zu setzen. Dem Vorwurf, das fragliche Budgetgesetz unterwürfe die gewählten Parlamentarier einem unzulässigen Zwang, hält Folkers die Frage entgegen, warum nicht 76 Dazu Folkers 384, 386; noch drastischer drückt sich Prosi (S. 16) aus: „Die Verbindung Wohlfahrtsstaat und Wahlen beziehungsweise repräsentative Demokratie hat sich zu einer gigantischen Rationalitätenfalle, also zu einem Vehikel mit übergroßen und übervölkerten Trittbrettern entwickelt...". Mückl (Wie problematisch ist die Staatsverschuldung?) sieht das öffentliche Gut im Besteuerungsund Produktionspotential künftiger Generationen, das man „kostenlos" auch durch Staatsverschuldung nutzen kann (S. 179). 77

Folkers 376.

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Folkers 388.

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SchwarznerS. 137.

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So Folkers 395 f.; Schwarzner S. 137 ff.

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auch der Zwang beklagt würde, dem der Steuerzahler am anderen Ende der Leiter ausgesetzt sei; immerhin bleibt es eine „Selbstbeschränkung" des Parlaments81. Das vorgeführte Verfahren ist nicht zuletzt deshalb so typisch „Institutionenökonomisch", weil das Eigeninteresse der „Volksvertreter" und der politische „Kuhhandel" im amerikanischen Kongreß die schon angedeutete große Rolle spielen82. Denn selbst das „Sichzusammenraufen" unter Druck ist ein Akt der Einigung und des Interessenaustausches und damit besser als das „Haushaltsstrukturgesetz" oder gar der Staatsbankrott, die mehr oder weniger nur noch unfreiwillige Akte der Kapitulation vor dem nicht mehr übersehbaren Finanzmangel darstellen. Das angesprochene Gesetz handelte von der Haushaltskonsolidierung, die nur den Übergang zu einer konstitutionellen Regelung bildet, nach der die Haushaltsprobleme gar nicht mehr entstehen können, wie sie die USA erlebten83. Diese Arbeit befaßt sich dagegen allein mit der Entwicklung der zuletzt genannten konstitutionellen „Verschuldungsverhinderung" und ihren Folgen. Dennoch sind die Konstellationen in vieler Hinsicht vergleichbar und die Lehren der drüben praktizierten Verfassungsökonomik auch hier nutzbar. Die dort vorgegebenen „Kürzungsvolumina" etwa wären wiederzuerkennen in der Differenz zwischen der Summe aller Haushaltsanmeldungen und dem Betrag, der wegen des grundsätzlichen Verschuldungsverbots allein durch Steuereinnahmen und andere nicht zurückzahlbare Einkünfte noch zur Verfügung steht. Neu dürfte dagegen das folgende Problem sein: Die zur Leistung von „Kürzungsbeiträgen" und zum Konsens untereinander „aufgeforderten" Wettbewerber um Haushaltsmittel sind im speziellen verfassungsrechtlichen Kontext dieser Arbeit möglicherweise nicht zuletzt diejenigen „Anspruchssteiler", die sich durch Grundgesetzinterpretation zu Grundgesetzrang emporgeschwungen haben, also verfassungsrechtliche Leistungs- und Teilhaberechte. Denn bei ihnen könnte die interessante Frage auftreten, ob im Rahmen des eben skizzierten aufoktroyierten Kürzungsverfahrens die Kürzung verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist. Wenn das Grundgesetz bisher den Aufschwung - der Wirtschaft ebenso wie der Leistungsforderungen gegen den Staat getragen hat, läßt es dann selbst in Anbetracht eines verfassungsrechtlich verankerten Verschuldungsverbotes auch den Abschwung und damit die Rückbildung von Ansprüchen zu? Oder geschieht am Ende doch, was Folkers als „Trittbrettfahren" moniert hat, nämlich, daß grundgesetzbewehrte Ansprüche an den Haushalt nur einen „unteroptimalen Beitrag" zur Einhaltung des Haushaltsrahmens leisten müssen, während die anderen Bereiche umso mehr belastet werden?84 Umgekehrt mag eine harte verfassungsrechtliche Budgetrestriktion sogar der Anlaß sein, die tragende Interpretation selbst wieder auf den Prüfstand zu stellen. Vor der näheren Behandlung dieser Fragen ist jedoch zu untersuchen, wie eine derartige effektive Budgetrestriktion, d. h. eine wirksame Verschuldungsbeschränkung, eigentlich zu formulieren wäre. 81

Dazu Folkers 388. Zum methodologischen Individualismus und zum eigeninteressierten Verhalten als den Grundlagen der modernen Institutionenökonomik veigl. Erlei/Leschke/Sauerland S. 6, 319; Feldmann S. 44 ff.; Richter/Furubotn S. 3; Voigt S. 282; weiter die Ausführungen oben im 1. Kapitel 3. Abschnitt. 83 Zu diesem Unterschied Folkers 387 ff. 84 Jeand'Heur (Methodische Analyse, S. 76) mißt ihnen „eine gewisse Priorität" zu; vergi, oben im 5. Kapitel zu Fn. 83. 82

7.

Kapitel

Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung Die Vorschläge zur effektiveren Begrenzung oder gar zum grundsätzlichen Verbot der staatlichen Kreditaufnahme haben sich in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten gehäuft und sind außerordentlich vielfältig. Das Mißtrauen gegenüber der unumschränkten staatlichen Finanzkompetenz rührt ζ. T. aus unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen her und wird überdies durch nicht einheitliche Auffassungen vom Staat und von den staatlichen Aufgaben geprägt. Entsprechend differenziert sind nicht nur die Instrumente und Regelungen, deren sich dieses Mißtrauen bedient, um die staatliche Allmacht in die Schranken zu weisen, sondern auch schon die theoretischen Ansätze, die ihnen zugrunde liegen.

1. Einschränkung der Staatsaufgaben Das Problem des ausufernden, seiner Schulden nicht mehr Herr werdenden Staates ist plakativ leicht in Worte zu fassen: Die Verschuldungsgrenze wird erreicht, wenn die Belastung der Bürger so hoch ist, daß die mit der zusätzlichen Kreditaufnahme zwangsläufig vermachten erhöhten Zinssteuern nur noch durch Einsparungen bei anderen, sogar wesentlichen Ausgaben finanziert werden können1. Aber damit bleibt offen, welche Verbindlichkeiten zu den „wesentlichen" Ausgaben eigentlich gehören, und wenn in finanziellen Zwangslagen selbst diese entfallen können, wäre die ganze Differenzierung im nachherein entbehrlich. Es wäre erforderlich, methodisch von einer vorgegebenen Warte aus nach den - möglichst deduktiv zu entwickelnden - wesentlichen oder typischen staatlichen Aufgaben zufragen, um dann wegen offenkundiger finanzieller Überforderung selektiv zunächst die nicht typischen, die akzidentiellen oder freiwilligen Aufgaben vorrangig einzuschränken. Das hätte den Vorzug der Systematik für sich und wäre auch eine deutsche bzw. kontinentaleuropäische Art des Vorgehens2. Doch schon die Schwierigkeiten der wissenschaftlichen Grundlegung dieses Ansatzes sind gravierend: Er setzt nicht nur die normative Definition der staatlichen Aufgaben voraus, sondern anschließend auch deren Untergliederung in wesentliche und unwesentliche, unentbehrliche und entbehrliche. Die 1 So Institut „Finanzen und Steuern" (1977), S. 85; siehe weiter Häberle, Zeit, S. 340; Klaus-Dirk Henke, Höhe der Staatsverschuldung, S. 77; Hans Hofmann , Zeitschrift für Gesetzgebung 14 (1999), 44 ff., 52 („Rückführung des Staates auf seine originären Aufgabenbereiche"); Mückl, Wie problematisch ist die Staatsverschuldung? S. 175. 2

Denninger, JZ 1996,585 ff., 587: „... (A)uf der staatlichen und auch auf der europäischen Ebene (herrscht) die staatsaufgabenorientierte Betrachtungsweise vor ...", obwohl das „19. Jahrhundert... die Lehre von den Staatszwecken und Staatsaufgaben verabschiedet (hatte); diese hatten zwar in der herrschenden Staatslehre, nicht aber im Staatsrecht einen Ort", so Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 ff., 23.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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wissenschaftlichen Äußerungen hierzu lassen jedenfalls wenig Hoffnung erkennen, solchermaßen zu Ergebnissen zu gelangen. So wurde dieses Thema vor nicht langer Zeit auf der Staatsrechtslehrertagung 1994 erörtert, und zwar beim Beratungsgegenstand „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" 3. Folgende Äußerungen bleiben festzuhalten: „Der Aufgabenbestand des Staates ist verfassungsrechtlich grundsätzlich offen"; „das rechte Maß von Umfang und Inhalt staatlicher Aufgaben ist im demokratischen Rechts- und Sozialstaat grundsätzlich nicht Vorgabe, sondern Gegenstand und Ergebnis staatspolitischer Willensbildung'*4; „wir (verfugen) bislang über keine normativ verbindliche Staatsaufgabenlehre .. ." 5 . Sie lockten die etwas unwirsche Bemerkung eines Teilnehmers hervor, er wisse nun nicht, „wo die Grenze der Staatsaufgaben liegt"6. Die einschlägigen Aussagen einer neueren Forschungsgruppe zum Thema „Staatsaufgaben" lauten im Ergebnis auch nicht anders: „Was Sache des Staates sein kann und soll..., steht nicht ein für allemal fest" 7; „in der Forschungsgruppe herrschte Einverständnis darüber, daß die Staatsaufgaben weder abschließend vorgegeben sind noch aus einem seinerseits feststehenden Wesen oder Zweck des Staates deduktiv abgeleitet werden können .. ." 8 . Betont wurde weiter, daß der de-facto-Entwicklung sehr allmählich das staatstheoretische Verständnis folgte 9, daß Wagners Gesetz der wachsenden Staatstätigkeit bisher nicht empirisch nachgewiesen sei10, aber auch, daß die staatliche Zuständigkeit ständig wachse11; diese Äußerungen sprechen ebenfalls nicht für vorgegebene Zuständigkeiten, sondern allenfalls für die faktische Macht der äußeren Zwänge. Aus der Sicht der Konstitutionellen Politischen Ökonomie gibt es keinen optimalen Umfang der Staatstätigkeit12. Weitere Stimmen hoben ähnlich wie die oben erwähnten Tagungsteilnehmer noch stärker die eigentlichen Gründe für diese Aporie hervor: „(A)llein die Verfassung (entscheidet) über Art und Umfang staatlicher Aufgabenwahrnehmung ..., nicht dagegen eine wie auch immer geartete vorrechtliche Staatsaufgabenlehre, die in ihrem Geltungsanspruch dem Grundgesetz vorgehen müßte und im Ergebnis zu einer Vermengung von Staatstheorie und Verfassungsrecht führte" 13. Knapper drückte man es so aus: „Die Entwicklung einer (auch)

3

Vergi. WDStRL 54 mit Referaten von Osterloh, 204 ff., und Bauer, 243 ff.

4

Osterloh 207,208, siehe auch

5

Bauer, Aussprache, 329.

6

Roellecke, Aussprache, 312.

Aussprache, 328.

7

Grimm, Vorwort (zu dem von ihm 1994 herausgegebenen Sammelband), S. 11.

8

Grimm, Staatsaufgaben - eine Bilanz, S. 773.

9

Kaufmann, Diskurse, S. 24 ff.

10

Abelshauser S. 200.

11

Höffe S. 714 ff.

12 Vaubely Korreferat, S. 313; auch Sobota meint, für das Grundgesetz als „... konstitutionelle Form von Staatlichkeit" müsse man auf die „Staatsaufgaben" als Rechtsbegriff verzichten (S. 303 ff.). 13 Bauer/Möllers, JZ 1999,697 ff., 699. In seiner neuesten, am 11.11.1999 verkündeten Entscheidung zur Regelung des Länderfinanzausgleichs verlangt das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber gemäß Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziffer 1 GG die grundlegende, „Maßstäbe" setzende Ermittlung der „notwendigen Ausgaben" je von Bund und Ländern, damit er in einer „Erforderlichkeits- und Dringlichkeitsbewertung von Ausgabestrukturen" der jeweiligen Haushaltswirtschaften eine „Grenze des

11 Kratzmann

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

normativen Staatsaufgabenlehre ist ein unerfülltes Desideratum"14, und es „wäre sinnlos, zu versuchen, den Steuerstaat in einer Definition zu erfassen.. ," 15 . Hennis schließlich karikiert den modernen Staat als „eine Art sich abrackernde(n) Sozialarbeiter,... dem ohne Unterlaß eine Fülle von Zielen und Zwecken auf den Fersen sind .. ." 1 6 . Die Aufzählung ist zweifellos beeindruckend und gewiß auch repräsentativ und überzeugend. Staatslehre und Staatstheorie können, wie übrigens auch die Verfassungsökonomik mit ihren Zweck-Nutzen-Erwägungen, allein Denkanstöße geben und Normen vorschlagen, aber keine verfassungsrechtlichen Obersätze formen. Diese Feststellung läßt gleichwohl nicht den tieferen Grund der „Unfähigkeit" zur Festlegung eines normativen Aufgabenkataloges erkennen. Kaum zu helfen vermag eine „normative Ausgabentheorie" zur Bestimmung von Höhe und Struktur öffentlicher Ausgaben zwecks optimaler Allokation der Ressourcen im institutionellen Rahmen des Marktmechanismus17. Hier sind immerhin die Ressourcen als Aufgabensubstrat einigermaßen grob zu greifen, und die gängigen Mechanismen des Marktes sind der Wissenschaft geläufig und damit vorgegeben. Diese Theorie kann wohl derivative Erkenntnisse vermitteln - aber allein für die ökonomisch-haushaltswirtschaftliche Sicht. So bleibt der - für die Suche nach Begrenzungsansätzen durchaus imbefriedigende Rückzug auf den allgemein anerkannten Grundsatz, daß der konkrete deutsche Staat im Prinzip allzuständig ist, weil ein Verfassungsvorbehalt für die erlaubtermaßen wahrnehmbaren Staatsaufgaben eben nicht besteht18. Umgekehrt widersprechen einzelne positive, im machteinschränkenden Grundgesetz eher spärlich anzutreffende Gesetzgebungsaufträge und vorbehaltene Aufgaben oder Aufgabenkomplexe dieser Rechtslage keineswegs. Da mag verwundern, warum die fehlende Staatsaufgabenlehre keinem wirklich auf den Nägeln brennt; den Problemdruck auf die Verantwortlichen für die Staatsfinanzen mindert dieser Mangel nämlich auch nicht, weil Allzuständigkeit theoretisch grenzenlos teuer ist. Die Antwort auf diese Komplikation hat Isensee - wie in der Sache schon vor ihm Krügers Lehre der von den Zwängen „konkreter Lagen" bestimmten Staatsaufgaben - ebenso einFinanzierbaren" vorgibt (BvT 2/98 u. a., in: NJW 2000, 1097 ff, 1099). Das ist die relativ präzise Formulierung der immer noch zu leistenden Aufgabe, die notwendigen Aufgaben eines Staates zu beschreiben. 14 v. Arnim, Staatslehre, S. 471, mit Bezugnahme auf Böckenforde; Wahl, Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, S. 29 m. w. N. 15

Isensee, Steuerstaat, S. 414 f. Eine Unzulänglichkeit der Begriffsbildung konstatiert er auch an anderer Stelle (Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat (§ 57), Rn. 132). 16

S. 185.

17

Krause-Junk, Handbuch, S. 695.

18 Dazu BVerfGE 98,218 ff, 246; Bauer/Möllers, JZ 1999,697 ff., 699; Di Fabio , JZ 1999,585 ff, 590, 591 (notwendige Staatsaufgaben ergeben sich letztlich allein aus Gewährleistung und Unveräußerlichkeit des Gewaltmonopols, 591 f.); Scholz, Schlankerer Staat tut not! S. 994 f.; Wahl, Staatsaufgaben im Verfassungsrecht, S. 35 f. mit S. 32, 40 ff. Hierzu mit leichter Abneigung Böckenförde, WDStRL 30 (1971), 164 f. (Aussprache): Die bedauerlicherweise abgeschaffte Lehre von den Staatszwecken und Staatsaufgaben kehrt auf dem Umweg über Verfassungsaufträge wieder. Auf die Verfassung verweist z. B. auch Häberle in seiner Auseinandersetzung mit Herzogs Staatslehre (Allgemeine Staatslehre u. a., S. 288 mit Fn. 68).

7. Kap. : Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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fach wie einleuchtend in der Unterscheidung von Virtualität und Totalität erblickt: Der Staat ist an sich virtuell allzuständig. Doch die Aktualisierung dieser All-Kompetenz würde Totalität bedeuten und, so möchte man hinzufügen, die völlige Überforderung allein schon der Gesetzgebungsmaschinerie, von den Finanzen ganz zu schweigen. So gelangt er zum Schluß, daß der Verfassungsstaat notwendig „sektoraler Staat" ist 19 . Es soll künftigen Forschungen gewiß nicht vorgegriffen werden; aber nach dem derzeitigen Kenntnisstand wird man erkennen müssen, daß keine a priori-Regeln darüber existieren, welchen Sektor der konkrete Staat jeweils primär zu betreuen hat. Für den umgekehrten Weg der Reduzierung der Aufgaben bzw. des staatlichen „Sektors" wird kaum etwas anderes gelten. Die Einschränkung des jeweiligen konkreten Aufgabenspektrums verlangte die schon oben erwähnte Definition der verzichtbaren Bereiche20, wobei interessant sein dürfte, ob wirklich die Entbehrlichkeit einer Aufgabe oder nicht eher ihr Preis in der politischen Wirklichkeit das Kriterium des Verzichtbaren letztendlich bestimmt. Schließlich muß an die überreichlich erprobte Erfahrung erinnert werden, daß bloße Definitionen bisher kaum geeignet waren, die politische Klasse aus bestimmten Gebieten herauszuhalten, zu denen es sie immer wieder hinzog. Somit entfallt die systematische, an einer Staatsaufgabenlehre orientierte Erörterung der Reduktion von Staatsaufgaben und -ausgaben, die den Staat letztlich auf sein „Eigenes", sprich: auf seine regulären Steuereinnahmen zurückdrängen soll. Ein gesteuerter Abbau wäre deshalb so vorzugswürdig, weil vermutlich nur auf diese Weise Einzelgänge, ad-hocMaßnahmen und mehr oder weniger unreflektierte, vielleicht aber populäre Budgetkürzungen oder reine Tarnmanöver vermieden werden. Nun ist jedoch auch ohne eine normative Vorgabe die Reduzierung der Staatsaufgaben für unerläßlich erklärt 21 bzw. „eine an den Ursachen ansetzende staatliche Aufgabenkritik" verlangt 22 - umgekehrt allerdings auch eine Begrenzung der Staatsaufgaben als unmöglich abgelehnt23 - worden. „Not kennt kein Gebot", und Finanzminister können auf eine 19

Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat (§ 57), Rn. 158 f.; ansatzweise ders. schon in: Staat und Verfassung (§ 13), Rn. 59; zustimmend Bauer/Möllers 699 mit Fn. 38; zur potentiellen, allenfalls in Kriegszeiten totalen, Allumfassendheit" des staatlichen Aufgabenbereichs vergi. Krügers Staatslehre S. 759ff. Nicht unähnlich Paul Kirchhof, Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 5. Vergleichbar auch Scholz S. 995 (rechtsstaatliches Übermaßverbot); Wahl S. 31: Freiheitlich ist der Staat deshalb, weil er die Aufgaben regelmäßig nur partiell und in abgestufter Intensität wahrnimmt. Bull stellt eine starke Tendenz fest, dem Staat umfassende Aufgaben zuzuschreiben, verneint aber „Omnipotenz" ebenso wie „Omnikompetenz" (S. VI). Den Gedanken eher der nachlassenden Intensität der Aufgabenwahrnehmung betont Hoffmann-Riem, DÖV 1999, 221 ff, 221 f.: Die früher im Vordergrund stehende Ergebnis- und Erfüllungsverantwortung wird zur Gewährleistungs- und Auffangverantwortung. 20 Siehe v. Arnim, BayVBl. 1981, 514 ff, 519, der weniger dringliche Aufgaben streichen will aber welche sind das? 21 Von Ferdinand Kirchhof z. B., vergi. WDStRL 52 (1992), 71 ff, 80; siehe weiter Besters S. 423. Biedenkopf/Miegel verlangen z. B. die Reduzierung der Wohnungsbauforderung (S. 92 f.). 22 Etwas von Issing, Sozialstaat, S. 3; sehr vorsichtig auch von Schuppert, WDStRL 42 (1983), 216 ff, 263: nicht kampagnenartig, sondern als Daueraufgabe. 23

Vergi, etwa Ellwein S. 14: „Das Postulat einer Begrenzung der bisherigen öffentlichen Aufgaben ist irreal oder utopisch". 1

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Theorie nicht warten. In praktischer Umsetzung dieser Unrast sind bereits zur Reform der staatlichen Verwaltung deren (partielle) „Privatisierung" und „Modernisierung" seit längerem zu Modethemata nicht nur des Tages gemacht worden. Bei der Erörterung der Rückzugsmöglichkeiten für den Staat muß übrigens dem ehrlichen und fachkundigen Betrachter klar sein, daß selbst die (auf Wirtschaft und gesellschaftliche Ansprüche bezogene) „Wachstumsbegrenzung als Staatsaufgabe" ein schwieriges Geschäft werden dürfte 24. Zur Privatisierung und Modernisierung der Verwaltung wird regelmäßig und offiziell betont, daß sie die Förderung der privaten Mitverantwortung ebenso wie die Verfahrensbeschleunigung bzw. eine klarere Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und eine bessere Steuerung der Verwaltung durch die Politik bezweckten, keineswegs nur die Kostenersparnis25. In Wahrheit dürfte eine eigenartige Motiwermengung vorliegen: Vielfach ist diese Bedeutungsakzentuierung in der Wirklichkeit angesichts der Finanznot kaum mehr als wohlklingende Tarnung für den nackten Sparzwang26. Doch dieser paßt nicht schlecht zu dem Vordringen genuin betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsdenkens auch in der Verwaltung, das mit dem Verblassen der Idee staatlicher, ohne weiteres aus öffentlichen Mitteln finanzierter Daseinsvorsorge einhergeht27. Auch zwingt umgekehrt die Mittelknappheit manche interne Hindernisse nieder, und der Frankfurter Stadtkämmerer Koenigs hat mit den folgenden Worten gewiß für sehr viele Kollegen gesprochen: „Jetzt ist der Moment, wo man Modernisierung in der Verwaltung wirklich realisieren kann, weil uns das Wasser bis zum Hals steht ,.." 2 8 . Doch ist in einer solchen Notlage auch die Gefahr 24 Unter dieser Überschrift hat Saladin klargestellt: „Das ,Ideal" des Staats-Minimalismus wird endgültig ins Grab sinken" (S. 551; es folgen Ausführungen zur Notwendigkeit einer Staatszwecktheorie). 25 Zur Ableitung der Privatisierungsdiskussion aus der wirtschaftlichen Überforderung des Staates siehe aber ζ. B. Gusy, Privatisierung als Herausforderung an Rechtspolitik und Rechtsdogmatik, S. 330 f. Aus der längst kaum übersehbaren Literatur vergi. König, DÖV 1998,963 ff. (unterscheidet drei Strategien); weiter zur Privatisierung etwa Hoffmann-Riem, DVB1. 1996,225 ff., 227; Di Fabio , JZ 1999, 585 ff. (ohne Betonung der Finanzierungszwänge); und zur Neugestaltung der Verwaltung - im kommunalen Bereich gern „Neues Steuerungsmodell" genannt - König, Institutionentransfer und Modelldenken, vor allem S. 306,309 ff.; ders., Drei Welten der Verwaltungsmodernisierung, vor allem S. 422 ff.; Lüder, DÖV 1996,93 ff, 94 ff. mit 93 f.; v. Mutius, Neues Steuerungsmodell in der Kommunalverwaltung, S. 685 ff. 26 Osterloh (WDStRL 54 (1994), 204 ff.) stellt klar: „Die schlichte Entscheidung ,Wir machen das nicht mehr, weil wir es nicht bezahlen können4, sollte man ... nicht Privatisierung nennen" (214); ähnlich Gaentzsch, DÖV 1998,952 ff, 954 f. Siehe weiter Bauer, WDStRL 54 (1994), 243 ff, 257: „Ein zentrales, wenn nicht sogar das Hauptmotiv (d. h.: der Privatisierung) ist aktuell jedoch finanzpolitischer Natur und beruht u. a. auf den Defiziten der öffentlichen Haushalte"; ähnlich Hüther, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 757 ff, 759; König, Institutionentransfer und Modelldenken, S. 310: „Die Realität ist die Finanzkrise des Wohlfahrtsstaates"; noch drastischer ders., Drei Welten der Verwaltungsmodernisierung, S. 423: ,3udgetierung ... wird... zu einer griffigen Deckelungs-Methode..."; ähnlich ders., DÖV 1998, 963 ff., 966; Schoch, DVB1. 1994, 962 ff., 967: Der aktuell stärkste „Privatisierungsdruck" ist fiskalischer Art. Demgegenüber bezweifelt Schuppert die Eindeutigkeit einer Kostenersparnis und legt dar, daß die „Transaktionskosten" im Gefolge einer Privatisierung, z. B. der verbleibenden Überwachungs- und Kontrollaufgaben, ggf. auch gegengerechnet werden müßten (Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat: Vorüberlegungen zu einem Konzept von Staatsentlastung durch Verantwortungsteilung, S. 94 ff). 27 Dazu Bullinger, JZ 1998,109 ff, 109; Gusy S. 330 ff; vergi, auch den in Fn. 26 genannten Beitrag von Schuppert. 28

Zitiert nach Lüder, DÖV 1996, 93 ff, 93.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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des verzweifelten Griffs zum Strohhalm oder zum schnellstwirkenden, aber langfristig weniger geeigneten Hilfsmittel nicht gering. Diese plötzlich fast wieder unvermittelte Verbindung zwischen Verwaltung und Verwaltungsrecht hier und den Finanzen dort muß jedoch, wie gezeigt, nicht unreflektiert oder gar anstößig sein. Sie kann für den im Prinzip guten Zweck der Aufgabenkontrolle oder gar -reduzierung sogar zwei Bereiche wieder zusammenfuhren, die in der Vergangenheit vielleicht allzu sehr voneinander getrennt, ja abgeschüttet waren. Diese Absonderung ergibt sich besonders aus den Definitionen Paul Kirchhofs, der zwar den Steuerstaat und den Leistungsstaat unter dem Dache des Finanzstaates vereint29, dann aber alles daransetzt, um unterhalb dieses Daches die Mauern zwischen den beiden Räumen möglichst undurchdringlich zu machen. „Die Liberalität des Staates" soll seine Unbefangenheit und Unparteilichkeit gewährleisten und gerade deshalb keine Verbindung herstellen zwischen dem, der zahlt, und dem, der Leistungen verteilt - ganz abgesehen von dem, der sie erhält. Daher propagiert Kirchhof immer wieder die „Distanz" des zahlenden, des Leistungsstaates, von seinem Financier30. In eher negativer Form vermerkt Isensee zu seiner Wissenschaft: „Die Staatsrechts- und Verwaltungsrechtslehre sowie die juristisch ausgerichtete Allgemeine Staatslehre sind herkömmlich finanzblind. Ihnen liegt es fern, das Wesen des Staates von der Art seiner Einnahmen her zu deuten"31. Diese Distanzierung - oder sogar Trennung hat ihre wohlbedachten Gründe. Immerhin ist sie aber eine wesentliche Voraussetzung für das oben erörterte Homogenitätsproblem32, und zwar im vorliegenden Zusammenhang nicht auf der Verfassungsebene, sondern auf der Ebene der Gesetzgebung und normvollziehenden Verwaltung33. Allerdings muß Kirchhof zugleich - wie mit Erstaunen - eine bedenkliche „Schlagseite" innerhalb der Leistungsbereitschafi des Staates konstatieren: „Das Polizeirecht... anerkennt 29

So deutlich: JZ 1982, 305 ff., 305.

30

Vergi. 309; ders., Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, S. 33; ders., Grenzen der Staatsverschuldung, S. 277; ders., Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Staatsverschuldung, S. 63 f. (speziell gegenüber dem Kreditgläubiger); ders. auch in der weiter unten (Fn. 33) erwähnten Aussprache (WDStRL 47 (1988), 201 f.). An anderer Stelle (Staatsverschuldung als Verfassungsproblem, S. 54) stellt Kirchhof allerdings auch schon die Problematik dieser Trennung fest, nämlich bei der intertemporären demokratischen Gleichheit. In der Aussprache zum Thema „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" (siehe Fn. 3) konstatiert auch Degenhart ganz selbstverständlich „die Neutralität, die Distanz des Steuerstaates" (WDStRL 54 (1994), 317). 31

Steuerstaat, S. 412.

32

Vergi. 5. Kapitel Abschnitt 4.

33 Siehe schon oben Ferdinand Kirchhof im 5. Kapitel zu Fn. 54. Es ist dieses Problem in der Staatsrechtslehrertagung 1988 zum Beratungsgegenstand „Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung im Leistungsrechts" umfänglich, z. T. beiläufig, aber auch in Verbindung mit dem „Vorbehalt des Möglichen", thematisiert worden, und zwar von Mußgnug, WDStRL 47,113 ff., 116 f. (Finanzabhängigkeit des Leistungsrechts); von Hufen, WDStRL 47,142 ff., 162 ff.; ansatzweise von Hill, WDStRL 47, 172 ff., 176, 187, 192, 195 f.; sowie in der Aussprache von Paul Kirchhof202 f. („Vorbehalt des Möglichen" bei Leistungsschuldverhältnissen); Wenger 212 f. (Finanzabhängigkeit); v. Mutius 214 f. (Leistungsgewährung und Leistungsverweigerung nicht zu trennen); Schuppert 225 f.; Isensee 226 f. (Trennung, aber politische und ökonomische Abhängigkeiten); Mußgnug 238 f. („Unvernunft des Leistungsrechts"). Es ist aber auch an die Tagung 1983 zu erinnern, vergi, die Referate von v. Mutius, WDStRL 42, 147 ff., 177 f., 207, und Schuppert 216 ff, 245 ff.

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

die begrenzte Hilfskapazität der öffentlichen Hand ... Der Finanzstaat" hingegen „scheint unabhängig vom Ausmaß individueller Hilfsbedürftigkeit stets leistungsfähig. Der Vorbehalt des Möglichen ist beim ordnungsstaatlichen, nicht beim leistungsstaatlichen Handeln aktuell bewußt"34. Es handelt sich aber um einen Eindruck, der heute gerade beim leistungsstaatlichen Handeln gewiß nicht mehr gerechtfertigt ist, quod erit demonstrandum! An anderer Stelle gibt er sogar unumwunden zu, daß das gerade von ihm aufgezeigte Trennungsprinzip zu praktischen Problemen führt, weil es nicht hinreichend zur verfassungsrechtlichen Instrumentalisierung des Vorbehalts des finanziell Möglichen geführt hat35. Schon zuvor hatte sich Isensee über die einschlägigen Gesetze mokiert: „Die Abgabenordnung und das Verwaltungsverfahrensgesetz ignorieren die haushaltsrechtliche Bedingtheit der Verwaltung. Sie wirken ein wenig wie Potemkin'sche Dörfer der reinen Lehre des Verwaltungsrechts" 36. Gerade die Verbindung von Aufgabe und Geld ist auch von anderer Seite zum Ausdruck gebracht worden. „Neue Staatsaufgaben, die mit Kosten für den Staat verbunden sind, können... trivialerweise nur dann in Angriff genommen werden, wenn die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt werden können"37. Aus ökonomischer Sicht rügt Recktenwald die Trennung sogar sehr deutlich: „Im Gegensatz zum Markt entkoppelt der Staat Nutzen und Aufwand öffentlicher Güter ... Er gibt damit das lebensnotwendige Verbundprinzip auf. Das führt zu einer .ausbeuterischen4 Grundhaltung des Menschen gegenüber dem abstrakten Kollektiv .. ." 3 8 . In der weiteren Konsequenz geraten sogar das bisher unangefochtene Prinzip der „Nonaffektation" von Steuern und - umfassender - der aufgelöste politische und ökonomische Verbund zwischen Nutzern, Zahlern, Entscheidern und Anbietern öffentlicher Güter und Dienste in die „Schußlinie" der Kritik 39 . Nun sind wir noch nicht so weit, bestimmten Aufgaben konkrete Steuern bzw. Einnahmequellen zuzuweisen und das große ungelöste Problem der „Staatsaufgaben" gänzlich von der Einnahmeseite her zu definieren. Es ist zudem fraglich, ob eine solche Lösung überhaupt wünschenswert wäre. Dennoch sind in der Praxis vielversprechende Verfahren in der Erprobung und auch bereits im Vollzug, die eine stärkere Verzahnung der staatlichen Ressourcen mit der staatlichen Leistung, der Finanzen mit dem Verwaltungsvollzug erzwingen. Indem sie dem immer wieder zu beobachtenden Schlendrian aus fehlendem 34 So: JZ 1982,305 ff., 306; weiter ders., NVwZ 1983,505 ff., 510; ders., Die Staatsverschuldung im demokratischen Rechtsstaat, S. 4 f.; ders., Grenzen der Staatsverschuldung, S. 273. So hat das BVerfG mit Formulierungen, die dem „numerus clausus"-Urteil entlehnt sind, die Erwartungen der Bürger an den Verwaltungsaufwand bei der Kontrolle von Arbeitnehmer-Überlassungen gedämpft, siehe NJW 1988,1195 ff., 1197. 35 Vergi, in der Aussprache der Tagung 1988, WDStRL 47, 202. Wenig später dürfte v. Mutius (214 f.) mit seinen erheblichen Bedenken (vergi. Fn. 33) in die gleiche Richtung gezielt haben. 36 In der Aussprache der Tagung 1983, WDStRL 42,269. Paul Kirchhof dagegen hatte damals an seinem Gedanken der Trennung klar festgehalten (a. a. Ο. 287 f.). 37

Kirchgässner/Pommerehne

S. 170; vergi, auch Grimm, Vorwort, S. 10 f.

38

Kritisches zum Selbstverständnis der ökonomischen Wissenschaft, S. 34. Auch bei Recktenwald/ Grüske heißt es in ihrem Aufsatz, Justitia distributiva durch Umverteilung?": „Last und Leistung bilden somit einen integrierten Verteilungsverbund" (Kyklos 33 (1980), 16 ff., 23, auch 37). Für Brennan/ Buchanan ist die „budget-balance"-Norm im Grunde eine Verfahrensregelung, die die Haushaltsverantwortlichen zwingt, to „balance off costs against benefits" (The Power to Tax, S. 203). 39 So bei Grüske, Staatsverschuldung, S. 287 f., 295. Die Integration von Steuer- und Ausgabenentscheidungen diskutiert Folkers, Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 171 f.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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Kostenbewußtsein, mangelhafter Kostenübersicht, verantwortungslosem Mitteleinsatz und Unkenntnis der Folgekosten einen Riegel vorschieben, präzisieren sie zumindest Ausmaß und Schwierigkeiten der konkreten Staatsleistungen und eröflhen den Weg für eine begründete, mit Detailkenntnis ausgestattete Aufgabenkritik. Es ist nicht zuletzt Ziel etwa des im kommunalen Bereich entwickelten „Neuen Steuerungsmodells", von der traditionellen Ressortverwaltung mit eigentlich nie ausreichenden Finanzmitteln zur konkret leistungsbezogenen Ressourcenverwaltung überzugehen: „Werden Leistungsziele eher verschwommen, Finanzziele dagegen sehr konkret formuliert, führt dies zu einer inputorientierten Steuerung. Die Führung steuert die Verwaltung nicht direkt auf der Grundlage der angestrebten Ziele und Leistungen, sondern nur mittelbar über die Zuteilung oder Verweigerung der zur Leistungserstellung benötigten Ressourcen"40. Dieses Verfahren schärft nicht hinreichend die erforderliche Knauserigkeit der mittelbewirtschaftenden Stellen und verhindert ζ. B. kaum die bekannte Resteverschwendung im „Dezemberfieber". Das „Scharnier" zur „outputorientierten" Verwaltung neuen Stils bildet die einzelne konkrete Verwaltungsleistung von der Erstellung eines Personalausweises über die Versorgung der Sozialfalle bis zum Schulbau, kurz: „Produkt" genannt. Das „Produkt" bedeutet letztlich die Übernahme von Erkenntnissen und Verfahren der Betriebswirtschaftslehre in den Verwaltungsbereich, vor allem der ehrlichen und ungeschminkten Kostenermittlung. Diese ist unentbehrlich für das autonome Funktionieren einer Marktwirtschaft, aber auch sinnvoll und damit unverfänglich bei der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel: „Über den Informationsträger ,Produkt4 können alle relevanten Steuerungsinformationen zur Zielfindung und zur wirtschaftlichen Zielerreichung kompatibel und verknüpfbar gemacht werden"41. Die Festlegung der „Produkte" einer konkreten Verwaltung setzt gewiß einen schwierigen, langwierigen und nicht friktionsfreien Ermittlungsvorgang voraus, der dort wenig beliebt ist, weil er eine umfassende und daher mühevolle Bestandsaufnahme aller Aufgaben in sich birgt. Auch werden mit der Annährung an die Steuerungsebene die Verwaltungsaufgaben abstrakter sowie komplexer; sie entziehen sich dann leicht ihrer kostenmäßigen Erfassung 42. Diese fraglos existierenden Schwierigkeiten dürfen hingegen nicht die Übernahme hilfreicher Instrumente aus dem Marktsektor prinzipiell verhindern. Selbst eine partielle Kostenschätzung ist als zweitbestes Mittel immer noch besser als die bisherige mehr

40 Bericht der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) Nr. 8/1995, S. 7; vergi, auch Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997, 749 ff., 751. 41 KGSt-Bericht S. 12. Nach Osterloh ist das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsprinzip sogar die zentrale Legitimation für den Einsatz neuer Steuerungsinstrumente (Budgetierung und parlamentarisches Budgetrecht aus juristischer Sicht, S. 82 - These 2 -). Nur von der BWL als Hilfswissenschaft ist hier die Rede, nicht von der Übernahme weiterer Marktprinzipien, deren Sinn, „im Staat den Markt zu plagiieren", König (Drei Welten der Verwaltungsmodernisierung, S. 423; auch DÖV 1998,963 ff, 966) und im Ergebnis auch Ronellenfitsch (DÖV 1999, 705 ff, 707 f.) anzweifeln und deren Inkonsequenz und „Verfassungsfremdheit" Penski durchgehend beanstandet (DÖV 1999, 85 ff, u. a. 96). 42 Penski sieht daher sogar „strukturell die Gefahr verkürzter und unzureichender Verwaltungsleistungen" (93), und auch Rürup erwähnt „die einer Monetarisierung nur höchst selten zugänglichen Verwaltungsleistungen" (Notwendigkeit und Probleme effizienzorientierter Budgetreformen, S. 51). Dennoch hat z. B. die schleswig-holsteinische Staatskanzlei versucht, für ihren hochpolitischen Bereich Produkte und Produktgruppen zu definieren, siehe Hill, Zeitschrift für Gesetzgebung 13 (1998), 101 ff, 103.

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

oder weniger umfassende Kostenblindheit43. Sind aber einmal die „Produkte" einer Verwaltung festgelegt, liegen die Voraussetzungen für die aufgabenorientierte Finanzzuteilung, die ,3udgetierung", und zugleich für die Verantwortungsdelegation „nach unten" vor: „Die politische Führung steuert auf der Basis der vereinbarten Produkte das Verwaltungshandeln ,auf Abstand4 ... Die Verantwortung dafür, daß die einzelnen Produkte wie vereinbart erstellt werden, geht auf die Fachbereiche über. Hierzu gehört auch die Verantwortung für den Einsatz der Ressourcen. Die Fachbereiche agieren so im Rahmen der ausgehandelten Produktpläne und der zugewiesenen Budgets eigenverantwortlich 4444. Die Verbindlichkeit dieser „innerbetrieblichen44 Vereinbarungen wird hier nicht weiter behandelt. Institutionenökonomisch gewertet liegt der Sinn des „Kontraktmanagements44 nämlich darin, die Fachkompetenz der Verwaltung gegenüber politischen „(Zusatz-)Wünschen44 zu wahren, die häufig mit Mehrkosten verbunden sind. Einer solchen Abwehr sachfremder Einflußnahme dienen faute de mieux ggf. auch informelle Absprachen45. Weil durch die Absprachen zwischen politischer Führung der Kommune und der Verwaltungsspitze bzw. den Ressortleitern Kosten und Leistung in den „Produkten44 verknüpft werden, sind die zugewiesenen Mittel und die Budgetansätze sehr viel realistischer als die Gesamtbudgets, wie sie bisher aufgestellt wurden. Mit diesem „Realismus44 werden vor allem einige der gravierenden, in den heutigen Schuldenzahlen noch gar nicht enthaltenen verdeckten Zukunftsbelastungen erst einmal namhaft gemacht und dann im jährlichen Haushaltsplan auch schon anteilig berücksichtigt. Als Konsequenz ist festzuhalten: „Wer den Ressourcenverbrauch beim Einsatz der Ressource Personal korrekt und vollständig erfassen will, wird nicht umhin kommen, alle mit dem Personaleinsatz verbundenen Kosten in die Budgetierung einzubeziehen. Das ist ein umfassender Ansatz ...", der gerade auch die internen Versorgungs- und Sozialversicherungsleistungen erfassen muß46. Die Bedeutung dieser mit dem eher statischen Begriff „Modell" nur unzureichend gekennzeichneten prozeßhaften Entwicklung für das noch offene Thema „Staatsaufgaben44 und für die praktizierte Verfassungsökonomik ist nicht unerheblich. Das sehr aufwendige Budgetierungsverfahren führt die Steuerung der Aufgabenerledigung durch die politische 43 Dazu König, DÖV 1998, 963 ff., 967: „Die Schwäche der legalistischen Verwaltung sind die Kostenstrukturen. Selbst bei Massenprodukten kennt man nicht die Stückkosten". Diesen Tatsachen muß man sich zuwenden, meint er. Zustimmend auch Oebbecke, DÖV 1998, 853 ff., 855. 44

KGSt-Bericht S. 9.

45

Dem „Kontraktmanagement" stehen ablehnend gegenüber Penski (90 ff.) und Pünder (DÖV 1998, 63 ff., 67), während v. Mutius dahinter die verbindliche „Gattungsdelegation" durch die Gemeindevertretung (Neues Steuerungsmodell in der Kommunalvenvaltung, S. 698 f.) bzw. „die konsensuale Form des Führungsstils" (S. 708 f. mit Fn. 119) sieht, die beide rechtlich unproblematisch sind. Auch Oebbecke wertet die Absprachen positiv: Motivierung der Angehörigen der Organisation (858). 46 KGSt-Bericht Nr. 13/1995, S. 24 ff. Auch die Bildung von „Pensionsfonds" wird auf höherer, staatlicher Ebene praktiziert, vergi. Andel, Finanzwissenschaft, S. 211; Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997,749 ff., 753. Das ist eine gewissermaßen „pauschalere" Lösung. So berichtet Sarrazin (Die ordnungspolitische Logik der Budgetierung, S. 56) aus Rheinland-Pfalz: Seit 1996 werden laufende Pensionszahlungen nicht mehr zentral, sondern bei den jeweiligen Ressortplänen veranschlagt; an den Pensionsfonds werden Beiträge für neue Beamte abgeführt. Zur einschlägigen Entwicklung dort und vor allem zur Verantwortlichkeit der Ressorts für diesen Teil „ihrer" Personalausgaben siehe Keilmann, DÖV 2000, 8 ff., 13.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

169

Führung auf gesetzlicher Grundlage einerseits und durch die Finanzzuweisungen andererseits unmittelbar zusammen. Denn schon bei der Einleitung des Verfahrens der Haushaltsplanaufstellung erfolgt eine Gesamtorientierung der Ausgaben an den Einnahmen. Dies erleichtert die Eingrenzung der zusätzlichen Verschuldung, und selbst eine Aufgabenkritik wird damit letztlich unvermeidlich47. So wie eine verfassungsökonomische Kritik an Institutionen sich gerade nicht am derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Bestand festhält, so knüpft auch „Modelldenken ... bei bestimmten Annahmen an, die außerhalb des Erfahrbaren liegen und gegen die Realität abschirmen" ... „Die Kommunalverwaltung ist nicht so. Sie soll aber ... nach diesem Modell (d. h.: dem Neuen Steuerungsmodell) modernisiert werden"48. Das Problem der Modelle liegt darin, daß sie nicht zu anspruchsvoll, also nicht zu weit von der Wirklichkeit in der Verwaltung - auch der mentalen - entfernt sein dürfen. Das gilt partiell sogar für das Neue Steuerungsmodell; die „Verwaltungsreform kommt nur langsam voran" 49. Aber so weit im Rückstand wie in der englischen Fernsehserie „Yes minister" ist sie bei uns doch nicht: Der Minister für Verwaltungsangelegenheiten, Jim Hacker, ist völlig entgeistert, als auf seinen Vorwurf, ein neuerrichtetes teures Hospital stünde leer, beschäftige aber 500 Mitarbeiter, sein Staatssekretär, Sir Humphrey Appleby, ebenso ernsthaft wie verständnislos erwidert: „Minister, we don't measure our success by results, but by activity ... These 500 people are seriously overworked .. ." 5 0 . Die Gewichtigkeit des kommunalen Modells darf im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht überbewertet werden. Die Aufgaben einer Stadtverwaltung können gesetzlich sehr konkret definiert und mit einigermaßen realistischen Kostenberechnungen versehen werden. Abgesehen von denfreiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sind sie auch vorgegeben, und die extern fixierte Gemeinwohlorientierung bleibt zudem unübersehbar51. Die fast totale Finanzabhängigkeit der Kommunen tut ein übriges, ihnen jedenfalls die staatliche Souveränität der Aufgabenfindung abzusprechen. „Im Himmel der Staatslehre" ist kein vorgegebener metajuristischer Kanon zu entdekken, aus dem konkrete Aufgaben - zumal in entbehrliche und unentbehrliche aufzugliedernde - auf die Erde geholt werden können. Dort ist die konkrete Verfassung ebenfalls unergiebig. Die an sich naheliegenden Bemühungen, die Mittelanforderungen normmäßig zu reduzieren, sind somit von Aussichtslosigkeit gekennzeichnet. 47

So Hill, Zeitschrift für Gesetzgebung 13 (1998), 101 ff., 109 f.; zur Aufgabenkritik auch KGStBericht Nr. 8/1995, S. 15. 48

König, Institutionentransfer und Modelldenken, S. 303 bzw. S. 306.

49

FAZ vom 25.08.1998 S. 14. Nach Auffassung von Schaad (DÖV 2000,22 ff, 23) stellt das Neue Steuerungsmodell zu stark auf die formelle Verwaltungsorganisation ab und berücksichtigt zu wenig informelle Organisation und Regelungen. Der Grund kann weiter darin liegen, daß die Einflußverluste des Parlaments bzw. der Vertretung nicht hinreichend kompensiert werden, so Osterloh (Budgetierung und parlamentarisches Budgetrecht aus juristischer Sicht, S. 85) gegen Sarrazins „Politikentlastung". Auch der Verfasser hat den Widerstand bei der Einführung des Modells von der Vertretung und der Verwaltung direkt erfahren. 50

The Complete Yes Minister, hrsgg. von Jonathan Lynn und Antony Jay , BBC Books London 1981 ff, S. 193. 51 Vergi. KGSt-Bericht Nr. 10/1995, S. 9. Daher geht Schaad d. E. fehl, wenn er die politische Konstituierung des Gemeinwohls im - legitimen - Kampf der Ressorts um Prioritäten auch in der öffentlichen Verwaltung gelten lassen will (26).

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung 2. Einschränkung der Staatstätigkeit durch Steuerentzug

Eine abstrakte Debatte über etwa vorgegebene Aufgaben des Staates ist kaum Sache der Bewohner der Neuen Welt. Ganz anders, nämlich viel pragmatischer, haben daher die Amerikaner das auch sie bedrückende Problem des Überbordens der öffentlichen Aktivitäten, aus welchem u. a. die Verschuldung resultiert, selbst in die Hand genommen. Sie gingen sozusagen - aber zugleich im buchstäblichen Sinne - „induktiv" vor und erzwangen die Zuweisung geringerer regulärer Einnahmen an den ewig hungrigen Staat. Die 1978 in Kalifornien einsetzende „Steuerzahlerrevolte" führte dort zu einer drastischen Einschränkung der „property tax" als wichtigster kommunaler Steuer, breitete sich bundesweit aus und erkämpfte in vielen Staaten und auch im Bund Einschränkungen der Besteuerungsgewalt und damit der Staatsausgaben schlechthin52. Die einschlägigen Bemühungen, den Haushalt konstitutionell durch den „cutback approach"53 ins Gleichgewicht zu bringen, werden im folgenden kurz gestreift. Es handelt sich bei der Steuerbegrenzung um ein mittelbares Instrument zu Eindämmung der Staatsverschuldung. Dieses wirkt auf den ersten Blick wie„kontraproduktiv", erhöht es doch im Grunde die Verschuldungsprobleme durch den vorsätzlichen Entzug von Finanzmitteln54. Eine Geldsperre läßt sich jedoch auch als ein Beitrag zur Dämpfung von Haushaltsanmeldungen, folglich von Staatsaktivitäten und in der Konsequenz wiederum als Anstoß zur Mäßigimg bei der Kreditaufnahme verstehen55. Die folgenden Sätze geben die Logik des Vorgehens eingängig wieder: „To limit Leviathan is to limit its taking power" 56 oder: „The power to create bonds is futile unless the government also has power to tax" 57 . Zugleich mag aus dem Blickwinkel der Verfassungsökonomik eine derartige Restriktion über den quantitativen Effekt hinaus qualitativ, d. h. durch Umlenkung und Präzisierung der Anreize gegenüber den Politikern, den Präferenzen der Bürger stärkere Geltung verschaffen 58. Man muß sich allerdings nur die Steuerreformdebatten der letzten Jahre ins Gedächtnis zurückrufen, um zu erkennen, welche gewaltigen Probleme allein mit der Umsetzung einer derartigen Steuerbegrenzung verbunden sein können: Es lassen sich die Steuersätze senken und/oder die Steuerbemessungsgrundlagen reduzieren und/oder die Möglichkeiten der 52

v. Arnim, Staatslehre, S. 497 f.; Folkers, Finanzarchiv 44 (1986), 365 ff., 372 ff.; Reis (Diss. 1987); Klaus Vogel, Verfassungsgrenzen, S. 415 ff. (erste Ansätze gab es schon früher); Wildavsky (1980). 53 Folkers, Effizienzsteigerung im staatlichen Bereich, S. 225, im Gegensatz zum „growth limit approach", siehe unten Abschnitt 3. 54

Deshalb halten Wagner/Tollison

(S. 40 f.) auch gar nichts davon.

55

Buchanan, Die Grenzen der Freiheit, S. 219: Da Haushaltsplaner und Mehrheiten zu übergroßen Budgets neigen, sollte in der Steuerverfassung eine ausdrückliche Begrenzung der Einnahmen und/oder Ausgaben eingebaut werden. Vergi, weiter Holcombe, Constitutional Political Economy 2 (1991), 303 ff., 317; Schemmel/Borell S. 129 f. 56

So Inman, The American Economic Review 72 (1982), 176 ff., 182.

57

Brennan/Buchanan, The Power to Tax, S. 104.

58 Das erhofft vor allem Folkers, Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 168 f.; ders., Interessenpolitik, S. 145 f. Abrams/Dougan dagegen schließen nicht aus, daß Ausgaben- und Steuerbeschränkungen zwar Exzesse unterbinden, aber im Eigebnis zu noch höheren Ausgaben führen können (Public Choice 49 (1986), 101 ff., 105); ähnlich Klaus Vogel, Verfassungsgrenzen, S. 425.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

171

Steuervergünstigungen erweitern, um nur einige allseits bekannte Lösungen anzudeuten59. Wenn aber insoweit die Einigung auf eine Variante unterstellt wird 60 , bleiben die folgenden Kritikpunkte: Wer nur „den Ausgang des Schlauches der Staatsfinanzen zu verkleinern" trachtet, mindert nicht die Prioritätenprobleme, „den Druck im Schlauch"61. Das muß aber eine effektive Lösung nicht ausschließen. Es sei insoweit an den ursprünglichen Ansatz im Gramm/ Rudman/Hollings-Gesetz erinnert 62, der den Haushaltsgesetzgeber gerade zwang, seine Prioritäten bei den unumgänglichen Kürzungen selbst zu setzen. Nicht von der Hand zu weisen ist der Einwand, daß Höchstsätze leicht zu Regelsätzen werden63. Das dürfte jedoch unvermeidlich und vor allem den Preis wert sein, die Mittelzufuhr nachhaltig einzuschränken. Denn anders als bei rein objektiven Begrenzungsnormen gibt ein verfassungsrechtliches partielles Besteuerungsverbot den betroffenen Bürgern die Instrumente direkt in die Hand, mit denen sie sich selbst gegen evtl. Übergriffe wehren können64. Daneben gibt es Vorschläge, die zusätzlich besondere Quoren, ζ. B. eine Zwei-DrittelMehrheit, vorschreiben, wenn verfassungsmäßig festgeschriebene Steuergrenzen außer Kraft gesetzt werden sollen. Das läuft auf eine verfahrensmäßige Erschwerung des bisher kaum begrenzten Besteuerungsrechts hinaus65. Auch wird an die Begrenzung der staatlichen Ausgabensteigerungen entsprechend der Wachstumsrate des Volkseinkommens gedacht66. Doch allein die Bindung an komplizierte Zahlenaggregate schafft erhebliche Probleme67. 59 Zu den Fragen haben sich geäußert; Buchanan, ORDO 30 (1979), 349 ff., 356 ff.; Brennan/Buchanan, The Power to Tax, S. 192 ff.; Folkers, Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 168 ff; ders., Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 503 f.; Klaus Vogel S. 425 f. 60 ... obwohl Folkers (Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 503) bei starren Begrenzungen bestimmter Steuersätze und Bemessungsgrundlagen wegen der daraus entstehenden strukturellen Probleme diese Regelungen nicht für nachahmenswert hält, und Klaus Vogel meint (S. 425 f.), der Gesetzgeber könne von den Steuersätzen auf die Bemessungsgrundlagen ausweichen. Reis mißt diesen Vorschlägen bei Abgeordneten kaum eine Chance zu (S.305). 61

Das sind die Bedenken von v. Arnim, DVB1. 1985,1286 ff, 1288; dems., Verfassungsrechtliche Begrenzung öffentlicher Ausgaben, S. 267. 62

Vergi, oben 6. Kapitel Abschnitt 8.

63

So Klaus VogelS. 425 f.

64

Abrams/Dougan wollen diesen Effekt zumindest nicht ausschließen (Public Choice 49 (1986), 101 ff, 111 f.). Daß er allerdings auch zum „sozial- und bildungspolitischen Kahlschlag ..." führen kann, möchte Offe (S. 87) bemerken. 65

Siehe Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff, 503 f.; ders., Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 171 ff; Leipold, Vertragstheoretische Begründung, S. 182; ders., Ordnungspolitische Konsequenzen, S. 278 f. 66

Dazu Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff., 503; ders., Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben, S. 171; ders., Effizienzsteigerung im staatlichen Bereich, S. 238 ff; Leipold (wie in Fn. 65); Schemmel/Borell S. 131 ff; Wildavsky, Titelseite, Anhänge A und B, passim. 67

Brennan/Buchanan legen die Schwierigkeiten dar, die Elemente dieser Relation, die Aggregate mit abstrakten Definitionen und spezifischen Maßkriterien sind, überhaupt vergleichbar zu machen (The Power to Tax, S. 200 f.). Folkers (Effizienzsteigerung im staatlichen Bereich, S. 240 ff, 255 f.) meint, daß viele zusätzliche Regeln erst die Begrenzung praktikabel machen.

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Es sollen jedoch diese Möglichkeiten, „den Leviathan zu fesseln", nur angedeutet, aber nicht näher untersucht werden. So sehr die nicht hinreichend kontrollierte und gebremste Finanzierung der hyperaktiven Staatstätigkeit zum Rückgriff auf die „nichtregulären" Staatseinnahmen führt, so knapp vor diesem Rückgriff endet das steuerliche Finanzierungsproblem. Thema der Arbeit nämlich ist allein der höchst problematische „Vorgriff auf die Einnahmen der Zukunft", nicht aber die hohe Staatsquote als solche 68 . Wenn es also den „eigennützigen" pp. Politikern gelingt, die von ihnen gewünschten Ausgaben bei materiellem Haushaltsausgleich, also ohne Staatsverschuldung, nur durch das Drehen an der Steuerschraube zu finanzieren, so handeln sie sich sozusagen „verwandte" Probleme ein, jedoch nicht speziell die, welche den Gegenstand dieser Untersuchung bilden.

3. D e r materielle Haushaltsausgleich und andere Verschuldungsverbote Das Verbot der Kreditaufnahme wäre die formal einfachste Lösung, die herbeiführte, was Art. 110 GG nicht erreicht hat, den materiellen Haushaltsausgleich nämlich. Um ihn drehen sich die meisten Überlegungen aller derer, die der Staatsverschuldung Einhalt gebieten wollen 6 9 . Allerdings nicht jeder Gegner einer exzessiven Staats Verschuldung fordert ihn wie selbstverständlich; viele lehnen ihn als unflexibel, unerwünscht und sinnlos ab 7 0 .

Timm (Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 568 f.) rügt an absoluten und prozentualen Begrenzungen, daß sie willkürlich und sachlich nicht begründbar seien, und Klaus Vogel bezeichnet Begriffe und Ermittlungsmethoden ebenfalls als „nicht eindeutig" (Verfassungsgrenzen, S. 426). 68 Brennan/Buchanan : (Sogar das im folgenden behandelte) „budget-balance amendment... does not aim directly at the level of revenues or outlays" (S. 203); Buchanan, Public Choice 90 (1997), 117 ff, 126: Der Haushaltsausgleich „... is procedural rather than substantive. Such a rule does not constrain either the overall size of the public sector (the budget) or the composition of the activities within that sector"; vergi, auch 118. 69

v. Arnim, DVB1.1985,1286 ff, 1292 f. (jedenfalls dem Grundsatz nach); Breit S. 9ff; Brennnan/ Buchanan S. 203 (allerdings nur als erster Schritt zur Beschränkung der staatlichen Finanzgewalt); dies., The reason of rules, S. 94; Buchanan/Wagner , Democracy in Deficit, S. 176 ff; andeutungsweise Buchanan, Constitutional Economics (1989), S. 65; Feit, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 44 (1991), 152 ff, 153 (bei Normalauslastung der Produktionskapazitäten); Göke, NdsVBl. 1996, 1 ff, 5 ff. (favorisiert grundsätzlich ein Verbot der Neuverschuldung, trägt aber auch weniger rigide Lösungen vor); Rabushka S. 190 ff; Tietmeyer, Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 82 f.; Wagner/ Tollison S. 18 ff. (auch nur als erster Schritt... to „soften the conflict between democracy and prosperity" (!), S. 41); v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 ff, 62ff. (aber schwer einzuführen!); Zimmermann, Wohlfahrtsstaat, S. 85 (öffentliche Verschuldung ist im Prinzip nicht nötig); ähnlich ders., Die Zukunft der Staatsfinanzierung, S. 42. Buchanan/Vanberg (S. 340) würden ζ. B. Zwangsanleihen vorziehen; so auch schon Haller, Finanzarchiv 19 (1958/59), 72 ff, 80 und passim. 70 Ablehnend Abrams/Dougan, Public Choice 49 (1986), 101 ff, 112 f. („ineffective"); Aschinger, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik 200 (1985), 582 ff, 600 (fur die derzeitige Depression); Bajohr, KJ 31 (1998), 433 ff, 443; vor allem Dreißig, Probleme des Haushaltsausgleichs, S. 28 f.; dies., Finanzarchiv 29 (1970), 499 ff, 504 ff, 509, 515; dies., Die Technik der Staatsverschuldung, S. 58, 63 (Begrenzungen sind unerwünscht und nicht sinnvoll); partiell Donner, Diskussionspapier, S. 17 (Entscheidung nicht bei wahlabhängigen Staatsorganen belassen); Höfling, Der Staat 29 (1990), 255 ff, 271 (keine Reduzierung der normativen Offenheit der Finanz- und Staatsschuldenverfassung;

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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Es gibt Zweifler und Skeptiker sowie Gremien, die sich nicht zu einigen vermögen71. Vor allem jedoch tauchen auch bei den Anhängern eines Verschuldungsverbotes immer wieder Forderungen nach Ausnahmen auf, besonders für Zeiten konjunktureller Schwäche und für Extremsituationen wie Kriege, Katastrophen, Wiederaufbau - und wie eben auch die deutsche Wiedervereinigung 72. Der materielle Haushaltsausgleich ist jedoch nicht der einzige EingrenzungsVorschlag. Andere beschränken sich darauf, die Kreditaufnahme an Sozialproduktgrößen zu binden,

diese darf sich nicht in der Rezeption einer finanzwissenschaftlichen Theorie erschöpfen (!)); ders., Staatsschuldenrecht, S. 316 (Art 115 GG wäre ggf. zu ändern); Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 115 (es geht um die richtige Dosierung der Droge); Koetz S. 254ff.; Mußgnug, Staatsüberschuldung, S. 65; Noll S. 202,207 ff; Roberts, Journal of Monetary Economics 4 (1978), 603 ff, 605 f.; Scherf, Konstitutionelle Begrenzung, S. 376ff. (Ausschluß nur der regelmäßigen Staatsverschuldung zu anderen als konjunkturellen Zwecken); Tabellini/Alesina, The American Economic Review 80 (1990), 37 ff, 46 f.; Wiegard, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 23 (1994), 269 (will erst durch umfassendere intergenerative Verteilungsrechnungen ein genaueres Bild von den Lasten erhalten, bevor er über weitere Kreditbegrenzungen nachdenkt); Wildavsky S. 13. Daß nach der im 2. Kapitel erörterten Konzeption des Sachverständigenrates die Verschuldung nicht ausgeschlossen werden kann, versteht sich von selbst. Tobin (Theorie der Schuldenpolitik, S. 474) hält es vom Standpunkt des Nationalökonomen aus für falsch, überhaupt „in der Größe und Zusammensetzung des Haushaltsausgleichs ... das Hauptaugenmerk zu sehen". 71 Skeptisch Dreißig, Verschuldungsgrenzen, S. 101 f.; Duwendag, Staatsverschuldung, S. 158; Grüske, Staatsverschuldung, S. 298 f. (wer soll die Initiative ergreifen?); Patzig, DÖV 1985,293 ff, 308; Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 79 (kein Budgetausgleich à tout prix). Der Wissenschaftliche Beirat (1984) konnte sich nicht auf eine Meinung festlegen (S. 48, 53 f.). 72 Siehe hierzu Albers, Finanzpolitik, S. 89 f. (Ausnahme für den „Konjunkturnotstand"); v. Arnim, Staatslehre, S. 491 f. (Ausnahmen bei fundamentalem wirtschaftlichen Ungleichgewicht sowie bei Kriegen u. ä.; mit qualifizierter Mehrheit); Baum, Staatsverschuldung und Stabilisierungspolitik in der Demokratie (1982), S. 188ff. (neben einer allgemeinen Ausnahmeregelung spezielle Ergänzungsregelungen für den Allokations- und Stabilisierungsbereich); ders., Wirtschaftsdienst 63 (1983), 128 ff, 131 f.; ders., Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 3 (1984), 78 ff, 98 f.; ders., Sparkasse 108 (1991), 69 ff, 70 f.; Bröcker S. 221 f. (mit engen Grenzen für konjunkturelle und investive Kredite); Buchanan/Wagner, Democracy in Deficit, S. 177 (mit einer „escape clause" für Not- und Katastrophenfalle); Donner, Diskussionspapier, S. 17 (Ausnahme für die antizyklische Fiskalpolitik); Ehrlicher, Der Staat 24 (1985), 31 ff, 49 (Verbot nur der strukturellen Verschuldung); Folkers, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (1984), 500 ff., 504 (mit Ausnahmeregelung für nachfragebedingte Störungen); Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, S. 864 (ausgenommen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts); ders., Staatsverschuldung in der wissenschaftlichen Diskussion, S. 168 f. (ausgenommen zu Zwecken der Konjunkturstabilisierung, was schwer mit seiner vorangegangenen Kritik an ihr zu vereinbaren ist); ders., Was kann die Staatsverschuldung in der Zukunft leisten? S. 183 (strikte Verfassungsregel mit engen Ausnahmen); Gantner, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 25 (1984), 162 ff, 175 f. (Ausnahme für die sog. „passive" Konjunkturpolitik); Heinemann S. 52 (klarere Eingrenzung der Ausnahmen); Ferdinand Kirchhof, DÖV 1997,749 ff, 757 (Ausnahmen für Investitionen); Leipold, Ordnungspolitische Konsequenzen, S. 278 f. (Ausnahme für langfristige Investitionen); Reis S. 303 f. (außer bei konjunkturellen Krediten); Schemmel/Borell S. 160ff. (enge Ausnahmen für die konjunkturelle Kreditaufnahme); Stalder, Staatsverschuldung aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie, S. 115 (Ausnahme u. a. für die Stabilisierung); Timm, Staatsverschuldung und staatliche Zukunftsvorsorge, S. 570 (Kreditfinanzierung für Investitionen mit positiven Wachstumseffekten); dagegen anders ders., Festschrift Recktenwald, S. 328 (Kreditfinanzierung nur bei „einmaligen Ausgabestößen" wie Krieg und Wiederaufbau); Wagner/Tollison S. 32 (mit Zwei-Drittel-Mehrheit bei Notfallen). Der Wissenschaftliche Beirat (1984) hält das konjukturpolitische Instrumentarium für unverzichtbar (S. 43).

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

mit dem wirtschaftlichen Wachstum also auch die Kreditaufnahme steigen zu lassen73. Ebenfalls liegen Vorstellungen ihrer Reduzierung auf einen Prozentsatz des Ausgabenvolumens vor 74 . Abgesehen jedoch davon, daß hierin allenfalls Einengungen des oben ausgiebig erörterten Verschuldungsspielraumes zu erblicken sind, liegt der Haupteinwand in der Unbestimmtheit der jeweiligen Obergrenze. Die Bezugszahlen lassen sich vortrefflich „zurechtrechnen", und die Bezüge sind für den Praktiker im Parlament wenig operationabel75 und zeitlich schwer festzulegen. Außerdem legen Höchstgrenzen geradezu nahe, sie auch zu erreichen 76. Es dürfte keine Übertreibung sein, den Meinungsstand zu der auf den ersten Blick so überzeugenden Regel des materiellen Haushaltsausgleichs, aber auch zu anderen Verschuldungsbegrenzungen als ein heilloses Durcheinander zu qualifizieren. Diese Lage macht deshalb wenig Mut, das Verschuldungsverbot als „verfassungsökonomisch wertvoll" zu empfehlen; die amerikanischen Erfahrungen unterstützen diese Skepsis. Sie wird durch weitere Erkenntnisse genährt, die sich auf die Handhabung der Begrenzungsregeln selbst dann beziehen, wenn unterstellt wird, daß ihre Normziele eindeutig und klar sind. Es gehört zu den grundlegenden Einsichten der Institutionenökonomik, eine Regelung erst zu loben, wenn auch ihre Durchsetzung gewährleistet ist. Hier müßten die „Zielgenauigkeit" und der Ausschluß von Möglichkeiten sichergestellt sein, etwaigen starren Regelungen doch wieder in der einen oder anderen Form, bewußt oder unbewußt, auszuweichen. Denn selbst den präzise vorgeschriebenen materiellen Haushaltsausgleich wirklich zu erzielen und dann über das Haushaltsjahr, erst recht aber über die folgenden Haushaltsjahre auch noch durchzuhalten, ist leichter gesagt als getan. Gerade die praktisch veranlagten Amerikaner haben selbst „die Haare in der von ihnen zuerst gekochten Suppe" gefunden: - Steuereinnahmen lassen sich leicht zu hoch oder zu niedrig schätzen und ansetzen, je nachdem, wie es gerade gewünscht wird 77 . - Auf dem Papier ist durchaus mit Strategie, Taktik und Phantasie ein Ausgleich herzustellen; aber er muß nicht lange halten78. - Ob ein Defizit eingetreten ist, läßt sich ohnehin erst am Ende des Haushaltsjahres mit der Jahresrechnung feststellen 79.

73 Bach, Konjunkturpolitik 39 (1993), 1 ff., 20 f.; Donner, Diskussionspapier, S. 16 f.; Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83,41 ff., 64 f. 74

Püttner, Staatsverschuldung, S. 23 (allerdings auch mit einer Notstandsklausel); ähnlich Bach und Stern in Fn. 73. 75 Vergi. Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 224. Bedenken gegen derartige unscharfe Relationen bei Klaus Vögel, Verfassungsgrenzen, S. 426, und beim Wissenschaftlichen Beirat (1984), S. 52 f. Veigl. auch die Einwände von Brennan/Buchanan u. a. in Fn. 67. 76

So Dreißig, Die Technik der Staatsverschuldung, S. 63.

77

Buchanan/Wagner , Democracy in Deficit, S. 178; Lee/McKenzie S. 157.

78

Kettl S. 107 f.

79

Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff., 674 f. („Art. 115 ist... eine Ex-ante-Regel, die sich auf Planzahlen bezieht..."); Noll S. 207; Rabushka S. 193; aus dieser Richtung auch die Bedenken von Gantner, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 25 (1984), 162 ff., 175.

7. Kap. : Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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- Der Gesetzgeber und Haushaltplaner kann Verpflichtungen eingehen, die erst in späteren Haushaltsjahren kassenwirksam werden80. - Man kann in anderer Weise aus dem Haushalt flüchten und in Nebenhaushalte ausweichen oder Umgehungsmöglichkeiten suchen81. - Eine problematische Praxis in Deutschland ist der „asymmetrische Haushaltsvollzug": Eingeworbene Kreditermächtigungen werden nicht (vollständig) für investive Ausgaben, sondern (auch) anderweitig genutzt82. Für Kämmerer und Haushaltsexperten sind das bekannte Tricks 83. Doch es ist notwendig, daß sie auch zur Kenntnis der Verfassungsökonomik gelangen. Einwände gegen den strikten Haushaltsausgleich und damit gegen einrigoroses Verschuldungsverbot übernehmen bisweilen die rein haushaltsrechtlich bedingten Unsicherheiten, ohne welche es die besagten „Tricks" gar nicht gäbe, und betonen weitergehend die unabdingbare Kontinuität einer jeden Haushalts- und Finanzplanung: Einnahmen und Ausgaben sind nicht nur selbst bei bestem Willen kaum jemals exakt vorauszuschätzen; sie unterliegen auch vorher bekannten oder jedenfalls nicht auszuschließenden Schwankungen. Wenig ist wichtiger für den Finanzminister als die Steuerschätzung. Unter der Geltung einer strikten Kreditsperre müßten folglich sogar absehbare befristete Einnahmeausfälle durch ebenso befristete Steuererhöhungen aufgefangen werden. Die damit verbundenen, in unterschiedlichem Maße abrupten Schwankungen stören natürlich nicht nur eine überschaubare Finanzplanung schlechthin. Sie bilden auch beträchtliche Störfaktoren für den privaten Sektor, vor allem für die auf Berechenbarkeit und Kontinuität angewiesene Wirtschaft. Kredite sind insoweit als rein zusätzliche, in ihrer Größenordnung jeweils flexible Einnahmen diesen Bedenken jedenfalls nicht ausgesetzt. Daher wird unter den Stichworten „Überbrückungsfunktion" und „Steuerglättung" einer (beschränkten) Verschuldung doch und allemal das Wort geredet84. Sie wäre qualitativ immer noch von den mehr oder weniger restriktiven inhaltlichen Ausnahmen vom generellen Verschuldungsverbot zu unterscheiden, wenn die Verantwortlichen sich tatsächlich auf die Überbrückung kaum vermeidbarer Einnahmeschwankungen beschränkten ...

80

Wagner/Tollison

S. 28.

81

Dazu Caesar, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), 218 ff., 224; Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 132 ff. (nennt Beispiele bei der Überschreitung der Kreditgrenze); Kettl S. 107; vergi, auch oben 4. Kapitel zu den Fn. 14 ff. 82 Kritisch zu dieser umstrittenen Praxis etwa Bajohr, DÖV 1999,397 ff., 398,404; Isensee, DVB1. 1996,173 ff., 175 („Erst die tatsächliche Kreditaufnahme kann das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht beeinflussen"); ders., Würdigung der Schuldengrenze, S. 125 ff. (m. w. N. S. 126 Fn. 42). Tiemann (DÖV 1995, 632 ff., 634 f.) sieht nur eine Mißachtung der parlamentarischen Haushaltsgewalt; eine verfassungspolitische Kritik findet sich bei Kriszeleit/Meuthen, DÖV 1995, 461 ff., 464 ff. A. A. Brockmeyer Rn. 7a zu Art. 115: keine Geltung für den Haushaltsvollzug. 83 84

Im dritten Spiegelstrich verbirgt sich kein Trick; die Unsicherheit läßt sich aber ausnutzen.

Vergi, hierzu Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 43 f.; Heinemann S. 15 f. (obwohl bei ihm die „Steuerglättung" sehr viel umfangreichere „vorübergehende Mehrausgaben" umfaßt); Wissenschaftlicher Beirat (1984) S. 45, 48 (sofern es nur um die Überbrückung kurzfristiger Haushaltsschwankungen geht); siehe im übrigen 2. Kapitel Abschnitt 4 a.).

176

2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Damit wiese die wie auch immer ausformulierte Lösung „Materieller Haushaltsausgleich" letztlich die gleichen Interpretationsbandbreiten und Ausweichmöglichkeiten auf wie die heute maßgebliche Finanzverfassung 85. Im Prinzip ist sie einleuchtend und könnte als partielle „Einnahmedeckelung" die politisch Verantwortlichen und die Vertreter eher partikularer Interessen sehr wohl zwingen, die Prioritäten neu, wenn nicht gar zum ersten Mal richtig zu überdenken. Aber die ehrliche Beschränkung auf vorgesehene Ausnahmen trauen die wenigsten Verfassungsökonomen der politischen Klasse zu. Dem Gemeinwesen wiederum den ausnahmslosen Haushaltsausgleich vorzuschreiben, traut sich kein Kenner der politischen Wirklichkeit zu. Mit derartigen Vorbehalten bleibe diese grundsätzlich denkbare Begrenzungsregelung dahingestellt, weil sie nur bedingt zu empfehlen ist.

4. Selbständiges staatliches „Schuldengeld" Eine saubere und gut begründbare - weil „systemadäquate" und auch probate - Lösung des staatlichen Schuldenproblems bestünde in der Trennung der Währung, in welcher der Staat Schuldverpflichtungen eingeht, von der sonst gängigen Marktwährung. Der Grund hierfür liegt in der gänzlich unterschiedlichen Art der Geldschöpfung: Das im Zivilrecht maßgebliche und folglich auch die Marktwirtschaft bestimmende Geld entsteht ausnahmslos im Wege der Übernahme von Schuldverpflichtungen durch Private. Nun sind die in der jeweiligen Währungseinheit ausgedrückten Zahlungsverpflichtungen von „schlichten" Privaten kaum handelbar und allenfalls für Aufrechnungen (§§ 387 ff. BGB) ohne weiteres zu verwenden. Daher müssen diese sich zwecks Beseitigung der gegen sie gerichteten Forderungen ihrerseits marktgängige Geldforderungen beschaffen. Mit denen können sie ihre Schulden tilgen, und zwar entweder durch die Übergabe von Geldscheinen, welche formal unanfechtbare, nämlich höchstrangige Forderungen gegen die Notenbank darstellen, oder durch die Aufrechnung mit Giralgeld oder Kreditgeld, also mit Forderungen gegen Kreditinstitute. Deren Schuldverpflichtungen gegenüber ihren Kunden haben aufgrund ihrer gesetzlich unterstützten und im Geschäftsverkehr erworbenen und verteidigten Kreditwürdigkeit einen handelbaren, aber nicht unanfechtbaren Wert. Bankenpleiten kommen immer wieder vor. Markt, Wettbewerb und natürlicher Eigennutz bewirken, daß das aus privater Forderung und korrespondierender Schuld entstandene Geld knapp bleibt einfach deshalb, weil jedermann möglichst wenig Schulden haben möchte und folglich in der Logik des Marktes darum feilscht, auch möglichst wenig Geld für eine Leistung zahlen zu müssen. Selbst die Spitze der Geldschöpfungspyramide zeigt den Ursprung der Geldentstehung im Markt: Die Deutsche Bundesbank „rückt" Zentralbankgeld allein nach den Regeln des Marktes in entsprechenden Geschäften „heraus": Sie übernimmt ζ. B. gegen Zins (Diskont) regelmäßig nur „gute" Handelswechsel (vergi. § 19 Abs. 1 Ziffer 1 BBankG), und die verschiedenen Geldpapiere kauft und verkauft sie ggf. „am offenen Markt" (§ 21 BBankG)86. 85 Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung, S. 107: Nur Einengung der Kreditaufnahme letztlich. 86 Vergi, zur marktmäßigen Entstehung von Geld nach den Normen des Zivilrechts Kratzmann, Der Staat 35 (1996), 221 ff., 222 ff.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

177

Die ausschließliche Kompetenz der Europäischen Zentralbank zur Genehmigung der Banknotenausgabe (§ 14 BBankG in Verb, mit Art. 105 a (jetzt: 106) EGV) verschiebt den Endpunkt der Geldschöpfung nunmehr letztlich auf die europäische Ebene. Ganz anders läuft die Entstehung von Schulden im öffentlichen Sektor ab. Kein Vertragspartner zwingt den einseitig handlungsfähigen Staat zum Vertrag, kein Markt bremst die Höhe der Verschuldung der öffentlichen Hände (ganz gewiß auch nicht der Tarifvertragspartner bei Arbeitsverträgen, der immer mehr will), kein öffentlich Verantwortlicher hat seit den siebziger Jahren in hinreichendem Maße das Bedürfnis verspürt (vielleicht auch nur: die Macht gehabt), wie im privaten Sektor möglichst wenig Schulden zu haben; für einenrichtigen Sozialpolitiker alten Schlages war das Wort „Feilschen" in seinem Bereich vermutlich das schlimmste „Unwort" überhaupt. Gewiß kann sich nach der heutigen Geldverfassung auch die öffentliche Hand Geld nur auf dem Markt verschaffen, nachdem europarechtliche Vorgaben selbst zur Abschaffung der traditionellen deutschen „Kassenkredite" geführt haben. Dennoch sind die oben so unterschiedlich bewertete „Plünderung" der Kreditmärkte und das Aufhäufen der öffentlichen Schulden bis hin zur dritten Billion in nicht allzu ferner Zeit bloß das sekundäre Problem. Mit dem geborgten Geld will und muß der Staat, müssen alle anderen Träger öffentlicher Gewalt nämlich nur Forderungen begleichen, die sie längst vorher einseitig, durch Gesetz oder aufgrund von Gesetzen, freiwillig gegen sich selbst begründet haben. Die Besoldungs- und Versorgungspflichten gegenüber jedem „unbezahlbaren" Beamten entstanden bereits mit dem Tag seiner Ernennung, und die Großzügigkeit des Wohlfahrtsstaates bei der Gewährung einseitiger Leistungen („Transferleistungen") erwies sich schon mit dem Erscheinen der jeweiligen Wohltat im Bundesgesetzblatt, spätestens jedoch mit dem fordernden Auftreten der Begünstigten an den öffentlichen Kassen87. Genau hier liegt neben dem Fehlen eines kontrahierenden Markteinflusses der Unterschied zur Geldentstehung auf dem Markt: Anders als beim Schuldversprechen der „schlichten Privaten", die erst durch die Zwischenschaltung von Kreditinstituten einen handelbaren Wert erhalten, besitzt in der heutigen Wirklichkeit das Versprechen des Staates selbst Geldeswert. Denn bis heute jedenfalls hat die Welt der Kreditgläubiger ihn noch nie „auf seinen Versprechen sitzen lassen" und ihm etwa die gewünschten und benötigten Kredite verweigert. Die öffentliche Ausgabefreudigkeit blieb und bleibt folglich nur solange unproblematisch, wie die öffentlichen Hände ihre Verpflichtungen mit Geld begleichen, welches sie zuvor durch Besteuerung anderen weggenommen haben, die es ihrerseits unter den Knappheitsgesetzen des Marktes erworben und verdient hatten88. Doch was von diesen regulären Mitteln nicht mehr abgedeckt wird, muß zwangsläufig geborgt werden und ist bisher auch stets gegeben worden. Mit der Wucht dieser Erfahrung schlagen daher öffentliche Verpflichtungen ohne jede Knappheitsbremse, offenkundig nicht einmal die des Zinses, als reines Ergebnis politischer Entscheidungen (wenn man das Wort „Willkür" vermeiden will) unvermittelt auf den Kreditmarkt durch 89. 87

Dazu Kratzmann 231.

88

Terres will demgegenüber seinen „Entwurf einer monetären Wettbewerbsordnung" sogar auf das Steuersystem erstrecken: „Der Umrechnungsprozeß von einer stabilen Transaktions- in die inflationäre staatliche Steuerwährung läßt... den auf die Inflation der Besteuerungswährung entfallenden zusätzlichen Steueranteil offensichtlich zu Tage treten" (S. 161). Damit wird aber d. E. das Wesen der Steuer als „Wegnahme" privat erworbenen Einkommens oder Vermögens verkannt. 12 Kratzmann

178

2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Sie sind somit, von der Schuldentstehung her betrachtet, ein Fremdkörper auf dem „zivilen" Geldsektor90. Eine eigene staatliche Währung für sämtliche öffentlichen Verpflichtungen dieser Art (sog. „Politik-Geld"), zumindest aber für das ihretwegen gepumpte Geld würde daher trennen, was eigentlich nicht zusammengehört. Denn die „DM" oder der „Euro" überdecken mit ihrem je einheitlichen Nominalwert ganz unterschiedliche Wertigkeiten. Vor allem würde jeder, der sich mit dem Staat als Beamter, Transferempfanger oder Kreditinstitut einläßt, das auf eigenes Risiko tun, und ein potentielles Absacken der Staatswährung dürfte die Kreditgewährungsfreudigkeit schnell und drastisch beenden. Jüngst ist dieser Gedanke speziell im Hinblick auf die Staatsverschuldung auch in der Literatur aufgetaucht: „Bei einer erhöhten Unsicherheit über die Stabilität des staatlichen Geldes und fehlendem Vertrauen in die monetäre Integrität der Regierung kann sich eine Verschuldung in der staatlich emittierten Währung als nicht mehr absetzbar erweisen, so daß die Staatsschuld in einer privaten oder ausländischen Währung, deren Stabilität von der Regierung selbst nicht beeinflußt werden kann, aufgenommen werden muß .. ." 9 1 . Die Schwierigkeiten einer solchen verfassungsökonomisch sauberen und wirksamen Lösung in der Konstruktion, der Abgrenzung und im Detail wären enorm, von der währungspolitisch entgegengesetzt orientierten europäischen Szene ganz zu schweigen. Jedoch ist allgemein der Gedanke von „Währungskonkurrenzen" dem wissenschaftlichen Schrifttum der letzten Jahrzehnte keineswegsfremd gewesen, weshalb er kurz vorgestellt werden soll. Einen wesentlichen Anstoß lieferte v. Hayek mit seinem Buch „Entnationalisierung des Geldes", welches das erklärte Ziel hatte, „die unheilige und lange heimliche Ehe von Geldund Finanzpolitik" aufzulösen und den Wettbewerb zwischen verschiedenen Währungen zwecks Beseitigung des staatlichen Monopols mit periodischer Inflation und Instabilität einzuführen 92. Die Schöpfung einer neuen Währung für den Markt, etwa eines „Dukaten", wäre mit der Verpflichtung zur Einlösung der auf diesen „Markennamen" lautenden Noten in andere bereits vorhandene, also staatliche Währungen zu verbinden. Zusätzlich müßte 89

Sorichtig es ist, daß rein monetär gesehen „Schuldenschöpfung" keine „Geldschöpfung" ist, wie etwa Buchanan/Wagner (Public Debt in a Democratic Society, S. 4 f.) klar betonen, so eng ist gleichwohl der faktische Zusammenhang zwischen ihnen. Das hat mit der „Unteilbarkeit der Geld- und Staatsschuldenpolitik" (Duwendag, Einführung Tobin, S. 8) bzw. ihren »Ähnlichkeiten" (Wissenschaftlicher Beirat (1979) S. 123) aber unmittelbar nichts zu tun; sie sind instrumental gemeint. 90 Balkhausen betont, daß das klassische Instrumentarium der Zins- und Geldmengensteuerung gegen die „Magnetkraft der Fiskalinflation" wenig bewirken könne (S. 31 f.), und auch Hasse unterscheidet im Hinblick auf das EU-Währungsrecht die ,,marktbestimmt(en)" Konvergenzkriterien (Preisniveau, langfristiger Zinssatz, Wechselkurs) von den Budgetkriterien, deren „Marktorientierung ... bestenfalls indirekt eingebunden" ist, weil es „in erster Linie Politik-Indikatoren" sind (ORDO 48 (1997), 615 ff., 618). Laut Scherf nimmt der Staat selbst „in der Hochkonjunktur häufig eine free-rider-Position gegenüber der Zentralbank ein, die für Preisniveaustabilität sorgen soll" (Konstitutionelle Begrenzung, S. 375). Allgemeiner heißt es bei v. Hayek. „To the present day, money is that part of the market order that government has most suppressed" (The Future Monetary Unit of Value, S. 324). 91

Terres S. 160 f. Der Gedanke einer „Staatsschuldenwährung" müßte aber stärker von dem einer „staatlichen Währung" (vergi. Fn. 88) schlechthin abgegrenzt werden. 92 S. 110 f. bzw. S. 6ff. Auch in der EU sind Geld- und Finanzpolitik fortan entflochten, so Gandenberger, Europäische Währungsunion und öffentliche Finanzen, S. 8. Neue Probleme entstehen aber dadurch, daß sie auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

179

das Güterbündel bezeichnet werden, zu dem der Wert des „Dukaten" in einem konstanten Verhältnis gehalten werden soll. Ist aber der Regierung auf diese Weise die alleinige Macht über das Geld aus den Händen genommen worden, bestünden laut Hayek wieder gute Aussichten für das „konventionelle" ausgeglichene jährliche Budget, denn „es (gibt) mit Ausnahme der starren Barriere streng limitierter Mittel nichts ..., was einem endlosen Wachstum der Regierungsausgaben ein Ende setzen könnte"93. Gelegentliche Anleihen würden unvermeidlich sein, sind aber ebenso „äußerst unerwünscht"94 wie vom System des durch Wettbewerb beschränkten Geldes her nur schwer zu piazieren. Selbst das Gedankengebäude eines Nobelpreisträgers ist noch nicht die Wirklichkeit, ist unvollkommen und der Kritik, aber auch Verbesserungsvorschlägen ausgesetzt. Engels trug demgegenüber die Idee einer auf „real-asset", also auf Sachwerte (Aktien und Immobilien) bezogenen Währungseinheit vor 95 . Nach seiner Einschätzung ist diese Währungsbasis allen anderen realisierbaren Währungen überlegen, wobei allerdings zu ihrer Definition und Überwachung doch eine staatliche Behörde benötigt wird 96 . Engels sah allerdings nur geringe Aussichten für eine echte Währungskonkurrenz: Entweder sind alle beteiligten Währungen einfach deshalb minderwertig, weil keine sich durchsetzt, oder es bildet sich schnell wieder ein Währungsmonopol, welches mit hohen Marktzugangsschranken die Konkurrenten gar nicht mehr zum Zuge kommen läßt97. Er schlug daher von vornherein als Kompromiß nur die eine optimale (Monopol-)Währung vor, deren konkrete Erscheinungsformen in Geldnoten aber die privaten Banken in Konkurrenz produzieren 98. Von den hier anstehenden Problemen ist diese Lösung allerdings am weitesten entfernt. Die Idee des Wettbewerbs zur Vermeidung staatlicher Inflations- und Münzgewinne („Monopolrenten") hielt dagegen Vaubel für etwas aussichtsreicher99. Auch er ging letzten Endes davon aus, daß die Währungskonkurrenz sich auf Dauer selbst zerstörte, sofern ihre Vorzüge nicht durch die Einführung etwa einer wertgesicherten europäischen Parallelwährung zugleich simuliert und damit gesichert würden 100. Bis dahin hielt Vaubel zur Wert93

S. 111 ff., 113; zur Einlösungspflicht und zur Wertsicherung siehe S. 29 ff.

94

S. 114.

95

Notenemission als Bankgeschäft, S. 193 ff.; ders., The Optimal Monetary Unit, S. 117 ff.; ders., The Competitive Creation of Money, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 105 (1985), 589 ff. 96 Notenemission als Bankgeschäft, S. 196 ff, 200, 204; The Optimal Monetary Unit, S. 121 ff, 126 ff; The Competitive Creation of Money, 592 ff, 596 f. 97

Notenemission als Bankgeschäft, S. 199 f., 204; The Optimal Monetary Unit, S. 125, 127; The Competitive Creation of Money, 590 f., 594. 98 Notenemission als Bankgeschäft, S. 199 ff, 201 f., 204; The Optimal Monetary Unit, S. 125 f.; The Competitive Creation of Money, 595 ff. 99 Siehe u. a.: Freier Wettbewerb zwischen Währungen? Wirtschaftsdienst 56 (1976), 422 ff, besonders 424 ff; ders., Free Currency Competition, Weltwirtschaftliches Archiv 113 (1977), 435 ff, vor allem 439 ff; ders., The Government's Money Monopoly, Kyklos 37 (1984), 27 ff; ders., Competing Currencies - The Case for Free Entry, Zeitschrift fur Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 105 (1985), 547 ff, besonders 553. 100 Freier Wettbewerb zwischen Währungen? 422,427; Free Currency Competition, 457 ff. In den beiden anderen Aufsätzen betonte Vaubel eher die Marktvoraussetzungen eines Währungswettbewerbes, vergi. The Government's Money Monopoly, 45 ff; Competing Currencies, 553 ff.

12*

180

2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Sicherung - weitergehend als die beiden vorgenannten Autoren - Anlehnung und ggf. Anpassung an eine externe, zwar nicht weitgesicherte, dafür aber als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführte Parallelwährung für unabdingbar101. Die europäische Parallelwährung wäre demnach zunächst alles andere als der jetzt geltende „Einheits-Euro" gewesen, obwohl Vaubel den Prozeß zur Währungsunion hin auch geahnt hatte. Neben diesen Entwürfen, die natürlich auch Kritik erfuhren, sind manche andere vorgelegt worden 102, neuestens der von Terres, welcher unter Verzicht auf Konvertibilitätsgarantien in Erkämpfung und Erhalt der „Reputation" die Grundlage des Währungswettbewerbes sieht103. Sie sollen jedoch nicht alle im einzelnen vorgestellt werden, da hier nur die Rolle des Staates und seiner Währung interessiert. Dabei zeigt es sich, daß Hayek und (in Deutschland) Engels und Vaubel gewissermaßen im Mittelfeld des Ideenspektrums liegen, weil sie jedenfalls anfänglich auf den Staat als Garanten oder Träger der, Auffang-" bzw. Vergleichswährung nicht verzichten wollen. Im übrigen betont man auf der einen Seite die unverzichtbare Rolle des Staates - „Money as a Creature of the State"104 - , und zwar allein schon deshalb, weil der Staat bestimmt, in welcher Währung er Steuern und andere Verpflichtungen akzeptiert105. Am anderen Ende dagegen wird der Wettbewerb verschiedener Geldarten zu untereinander flexiblen Kursen als Modell präsentiert und auf die Notwendigkeit eines uneinlösbaren staatlichen Geldes in der Reserveposition ganz verzichtet 106 . Nicht unerwähnt bleiben soll allerdings gerade die disziplinierende Wirkung etwa der „Warenbündel" - oder „real-asset" - Währung beim staatlichen Schuldenmachen, die schon Hayek so in den Vordergrund gestellt hat: Der Staat hätte auf derselben Grundlage 101 Vergi, zu diesem Komplex: Freier Wettbewerb zwischen Währungen? 427; Free Currency Competition, 451 f.; Competing Currencies, 559. 102 In einer kritischen Analyse der Positionen Hayeks und Vaubels rügt Hellwig vor allem die fehlende Unterscheidung zwischen, Außengeld" und „Innengeld", also grob gesagt zwischen nicht einlösbarem Zentralbankgeld und Giralgeld etwa (What do we know about Currency Competition? Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 105 (1985), 565 ff.). Issing vermißt bei Hayeks Vorschlägen u. a. die Primärfunktion des Geldes, nämlich die Koordination aller Marktteilnehmer durch den einheitlichen Geldmaßstab („unit of account") (Hayek - Currency Competition and European Monetary Union, S. 11 f.). Stanley Fischer hält vom ganzen privaten Geld nichts (Friedman versus Hayek on Private Money, Journal of Monetary Economics 17 (1986), 433ff.). Übersichten finden sich z. B. bei King, On the Economics of Private Money, Journal of Monetary Economics 12 (1983), 127 ff; White , Competitive Payments Systems and the Unit of Account, The American Economic Review 74 (1984), 699 ff. Sie machen neben dem breiten Spektrum der - z. T. sich deckenden - Ansichten vor allem deutlich, wie viele Konsequenzen des Währungswettbewerbes nicht zu Ende gedacht sind, u. a. die Notwendigkeit einer „Reserverolle" der staatlichen Währung. Rudolf Richter meint: „Was bleibt, ist allenfalls eine Währungskonkurrenz ,an den Rändern4 des Systems, eine gewisse Währungs- und Zahlungsmittelkonkurrenz beim Abschluß privater Verträge" (Geldtheorie, S. 135). 103

S. 213,215 ff, 248 ff; weitgehend zustimmend Vaubel, ORDO 50 (1999), 491 ff.

104

So der Aufsatz von Lerner, The American Economic Review (Papers and Proceedings) 37 (1947),

312 ff. 105 So Lerner 313; Richter S. 135; auch Vaubel zu Fn. 101. Diese besondere Zwangsmacht des Staates hatte schon Martin Wolff angedeutet (S. 565 f.). 106 So z. B. von Frey S. 248 f., der jedoch die erheblichen Nachteile überwiegen sieht, und Benjamin Klein, The Competitive Supply of Money, in: Journal of Money, Credit and Banking 6 (1974), 423 ff, 431. So sieht auch Richter (S. 133) dieses Modell, obwohl Klein am Ende (450) die dominierende Regierungswährung doch wieder ins Spiel bringt.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

181

wie andere Interessenten zu borgen und daher nicht mehr das Privileg, durch Geldausgabe und „Inflationssteuer" sich Ressourcen anzueignen107. Die Schaffung einer eigenen staatlichen „Schulden"-Währung würde eine besondere Variante der Währungskonkurrenz oder besser: der Währungsvielfalt bilden. Deren Ziel wäre nicht so umfassend wie (im Sinne Hayeks) die „ E n t d e c k u n g " desjenigen Geldes, welches als das stabilste alle Markttransaktionen - einschließlich der staatlichen Kreditaufnahme - am verläßlichsten abwickelt. Sie soll vielmehr allein die Konsequenzen aus der Erkenntnis ziehen, daß die Eigenproduktion staatlicher Verpflichtungen in Form von Geldschulden (als dem anfänglichen Aggregatzustand allen Geldes) gänzlich anderen Regeln unterliegt als die Entstehung von Geld auf dem Markt: Zwei staatliche Währungen müßten nebeneinander existieren mit der ausdrücklichen Maßgabe, sich gerade nicht - zwecks Bildung eines Monopols - gegenseitig aus dem Feld zu werfen. Die maßgebliche Leitwährung wäre in der für den Markt bestimmten „zivilen", von der Notenbank kontrollierten zu sehen, während das „rein staatliche", nämlich einseitig produzierte Schulden-Geld als das mit mehr Risiken behaftete dem Makel der evtl. Minderbewertung unterläge und damit klar nur eine niedere Rolle spielte108. Es würde seinen Kurs von 1 : 1 zur Zivilwährung, damit seine Bedeutung und letztlich seine ganze Existenz nur halten und wahren, wenn seine Empfanger und Nutzer anhaltend auf die Einlösung in „richtiges", für den Staat allein durch höhere Steuern vermehrbares „Zivilgeld" vertrauen könnten. Das ist ihnen jedoch nur zuzumuten, wenn mindestens mittelfristig die regulären Einnahmen und die Ausgaben im Gleichgewicht gehalten werden. Der Verfasser wird den Gedanken nicht weiter verfolgen und daher von dem Überblick nicht tiefer in die Details der unterschiedlichen Gedanken und Ideen zum Währungswettbewerb eindringen. Die Vorstellung eines originären „Politik"-Geldes ist heute leider zu unrealistisch, als daß sich ein weiterer wissenschaftlicher Aufwand lohnte. Mit der Entstehung einer europäischen Einheitswährung ist selbst die Vorstellung einer supranationalen Parallelwährung aufgegeben worden 109.

5. Herstellung der Bankrottfähigkeit des Staates Die lange Dauer des 1. Vatikanischen Konzils 1869-1870 brachte dem Papst zwar schließlich die Unfehlbarkeit, aber fast auch den finanziellen Ruin. Papst Pius IX. kommentierte den anhaltenden Eifer der Unfehlbarkeitsverfechter mit einem Wortspiel: „Questi

107 So Greenfield/Yeager, A Laissez-Faire Approach to Monetary Stability, Journal of Money, Credit and Banking 15 (1983), 302 ff., 308. Auch Frey betont, daß „... (p)rivate Banken ... nicht ohne weiteres staatliche Defizite decken" würden (S. 248). 108 Bei der Entwicklung eines eigenen Referenzsystems zur Beurteilung der Vorschläge v. Hayeks entwickelt Bofinger die Geldfunktion des „standard of defining risk and uncertainty" (Währungswettbewerb, S. 9 ff, 53 ff, 91 ff, 204 f.). 109 Was Kirchgässner (Neuere Entwicklungen, S. 35) nicht notwendigerweise als Verbesserung ansieht, v. Hayek bedauert, daß man nie experimentieren konnte (The Future Monetary Unit of Value, S. 324 ff).

182

2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

infallibilisti mi farano ancora fallire" 110 . Man ist geneigt, diese Sentenz ohne Wortspiel111 auf unseren Staat heute zu übertragen. Seine Gläubiger 112 müssen schon sehr an seine Konkursunfahigkeit glauben, weil sie ihm sonst vermutlich nicht ständig weitere Kredite gäben113. Dadurch sind sie in gewisser Hinsicht „Mittäter" bei der unablässigen Vermehrung der Staatsschuld, die irgendwann ein Ausmaß erreicht - vielleicht längst erreicht hat - , das nur noch den Weg in die Inflationierung, die (partielle) Zahlungseinstellung oder andere Formen des staatlichen Bankrotts offenläßt 114. Der „infallibilisti" im profanen, nicht kirchlichen Sinne gibt es viele, auch in der Wissenschaft. Für Glastetter entlarvte sich eine undifferenziert kritische Beurteilung der Staatsverschuldung, welche die Gefahr einer „Währungsreform" bzw. eines „Staatsbankrottes" beschwört, als „Ideologie"115. Für Isensee ist der Staat aufgrund seiner Steuerhoheit und damit der unterstellten unbegrenzten Refinanzierungsmöglichkeit konkursunfähig 116; mit dieser Meinung stand er nicht allein da 117 . Eher mißbilligend stellt Gandenberger fest, daß eine Regierung keiner vermögensrechtlichen Haftung unterliegt, wegen ihrer Verbindlichkeiten nicht in den Konkurs fallen kann und selbst bei Mißbrauch der Staatsverschuldung keinen ökonomischen Sanktionen ausgesetzt ist 118 . Nicht versäumte man den Hinweis auf die im Notfall hilfreiche Hand der Bundesbank. Sie würde - so wurde stark vermutet kaum die Verantwortung für einen Staatsbankrott übernehmen, vielmehr „im Ernstfall" ihre Geldpolitik der Lage anpassen119. Doch sie kann in der Währungsunion nicht mehr helfen, und es ist derzeit noch das große politische Geheimnis, wie derartige Zwangslagen 110 Nach Reiners, Stilkunst, S. 650. Das Wortspiel „infallibilisti" und „fallire" geht auf den Doppelsinn des Stammes von „fallire" für „irren" und ,3ankrott machen" zurück. 111

D. h. unter Beschränkung auf den Sinn von „Bankrott machen" für „fallire".

112

Überwiegend sind es Kreditinstitute; darauf weisen hin v. Arnim/Weinberg S. 21; Hansmeyer, Der öffentliche Kredit, S. 44; Rürup, Begrenzungskriterien, S. 652 f. (ca. 70 % aus dem Geschäftsbankensystem); Schaal, BB 1981, 1 ff., 3. Vergi, auch die Hinweise im 3. Kapitel in Fn. 72. 113 Das Erstaunen hierüber kommt auch bei Buchanan (Verschuldung, Demos und Wohlfahrtsstaat, S. 124) zum Ausdruck. Caesar (Öffentliche Verschuldung, S. 31) nimmt ebenfalls Kenntnis „von einer eher unbedenklichen Haltung der Gläubiger". 114 Zu diesem Begriff vergi. Kratzmann, JZ 1982, 319 ff; weiter Tietmeyer, Staatsschulden und Geldwertstabilität, S. 78: Im Extremfall kann die Zahlungsunfähigkeit des Staates drohen. Rürup (Das Wirtschaftsstudium 11 (1982), 301 ff, 302) sah noch keinen Anlaß, „vor einem nahen Staatsbankrott warnen zu müssen". Nach der Wiedervereinigung mit ihren hohen Lasten dagegen will er bei einem stetigen Steigen der Relation Schuldenstand/Sozialprodukt und einem Zurückbleiben der Wachstumsrate des Sozialproduktes hinter dem Kapitalmarktzins einen „Staatsbankrott" nicht mehr ausschließen (Kredit- versus Steuerfinanzierung, S. 46 f.). v. Arnim verweist daher auf das naheliegende Interesse des Staates an der Inflation (Staatslehre, S. 494). 115

S. 148 f.

116

Steuerstaat, S. 426. Buchanan/Vanberg (S. 337) geben dem Sachverhalt eine mehr „institutionenökonomische" Begründung: Dem Staat können die Einwohner nicht so leicht weglaufen wie einem Verein die Mitglieder. So argumentiert auch Vanberg(S. 116). 117

So auch Institut „Finanzen und Steuern" (1977), S. 48; Wenig S. 96.

118

Staatsverschuldung und Neue Politische Ökonomie, S. 30.

119

So Albers, Finanzarchiv 21 (1961/62), 25 ff, 41; v. Arnim/Weinberg S. 64; zu den Zwängen der Bundesbank auch Caesar, Staatsverschuldung und Geldmengenziele, S. 360ff; Caesar/Hansmeyer S. 251.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

183

einzelner EU-Staaten künftig unter europäischem Regime angepackt werden 120 . Trotz aller dieser eher legalinstrumentalen Äußerungen wirkt vor dem Hintergrund der chronischen Unzuverlässigkeit des Staates im allgemeinen 121 und zweier deutscher Staatsbankrotte und Vermögensvernichtungen in diesem Jahrhundert im besonderen das Verweilen bei der am Ende gar: unzweifelhaften - „Bonität" des Schuldners „Staat" 1 2 2 fast schon unverfroren. Doch unbestritten ist dieser Standpunkt keineswegs mehr. Zweifel an der Qualität des öffentlichen Schuldners werden sehr wohl mit unterschiedlicher Intensität vorgebracht: Bei fortgesetzter hoher Staatsverschuldung muß die Bonität des Staates am Kapitalmarkt nicht mehr sicher sein 1 2 3 ; die Belastbarkeit seiner Steuerpflichtigen ist begrenzt 124 und die steuerliche Ertragskraft folglich erschöpfbar 125 . So wird heute die staatliche Insolvenz durchaus schon in die wissenschaftlichen Überlegungen mit einbezogen126 und entsprechend die Verweigerung weiterer Kredite durch den Markt als denkbar angesehen127. Umgekehrt erkennt man, daß private Anleger Risiken eingehen, wenn sie dem Staat Geld leihen 1 2 8 . Die Notwendigkeit der Kreditpflege durch solide Finanzpolitik und kontrollierte Schuldenwirtschaft wird unter diesen Umständen sehr wohl gesehen 129 , und es folgt der gute

120 Hierzu mit großer Skepsis Schlesinger/Weber/Ziebarth den Abschnitt bei den Fn. 152 ff. 121

S. 135ff. Näheres siehe unten im folgen-

Kratzmann, JZ 1982, 319 ff, 319.

122

So aber Duwendag, Staatsverschuldung, S. 77; weiter Francke/Friedrich S. 397; Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, S. 36 f.; Jaeckel S. 350; Janson, ZRP 1983,139 ff, 143; KrauseJunk, Abbau der Staatsverschuldung, S. 72, 74; Lang/Koch S. 30. Für Pohl (S. 380) ist im allgemeinen „der Staat als Schuldner heutzutage seriöser ... als im achtzehnten Jahrhundert" (also zu Zeiten Adam Smiths, dessen „Vorbehalte auch heute noch als Urteilsmaßstab nützen" (!) ), und laut Roller (S. 27) gelten die öffentlichen Haushalte „unter dem Bonitätsaspekt als über jeden Zweifel erhaben". Trocken fügt er hinzu:„Die öffentliche Verwaltung ist übrigens auch selbst dieser Meinung", und verweist auf das Kreditwesengesetz. Schlesinger (S. 243) erwähnt die Bonität der öffentlichen Kreditnehmer als gesuchter Schuldner. Resigniert wirkt die Feststellung Miegels, daß der Staat seine Kreditaufnahme fortsetzen könne, selbst wenn er nicht mehr kreditwürdig ist (S. 214). 123 Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 208. Die unterschiedliche Einstufung der „Kreditwürdigkeit" ausgewählter Länder bei Cassel/Welfens dürfte sich am Markt noch nicht herumgesprochen haben (Wirtschaftswissenschaftliches Studium 11 (1982), 553 ff, 558 f.). Sie gehen vom Verschuldungsspielraum aus. 124

Lappin (S. 170 f.) unter Relativierung des Standpunktes Isensees oben (S. 170 Fn. 111).

125

Wolfram

RichterS. 178.

126

So bei Amann/Jäger, Kredit und Kapital 22 (1989), 221 ff., 226 f.; Blanchard, European Economic Review 25 (1984), 7 ff, 13 („possibility of repudiation"); Ottnad S. 84 f. („Eine absolute Verschuldungsgrenze ist die Zahlungsunfähigkeit..."). 127

Hierzu siehe Institut „Finanzen und Steuern" (1969), S. 38; Isensee, Würdigung der Schuldengrenze, S. 124 („deadline der Staatsverschuldung" liegt unterhalb der Grenze, „in der der Staat noch kreditwürdig ist"); Matthes, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 409 ff, 411. 128

Bofinger, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 457 ff, 460 (Ausfallrisiko bei Kreditvergabe an hochverschuldete EG-Mitgliedstaaten); Fels S.87; zum Bonitätsrisiko in der EU siehe unten Fn. 154. 129 Boss-Lorz, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 46 (1995), 152 ff, 171; Dhom S. 392; Giersch, Symposium, S. 133; Gschwendtner, Grenzen der Staatsverschuldung, S. 119; Hamilton/Flavin, The American Economic Review 76 (1986), 808 ff, 818 (die Regierung muß ein ausgeglichenes Budget

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Ratschlag, Schulden allemal zu bezahlen, weil sonst der Kredit verloren geht130. Der offenbar völlig illusionslose Buchanan relativiert ihn wiederum flugs mit dem tröstenden Erinnern an das kurze Gedächtnis der Gläubiger 131. Mehr und vor allem früher aktivierte Skepsis und Illusionslosigkeit auf Seiten der Gläubiger und damit besonders der in Bonitätsprüfungen nicht unerfahrenen Banken132 könnten somit so etwas wie eine „außerparlamentarische Kontrolle der staatlichen Finanzpolitik durch den Kapitalmarkt" herbeiführen 133. Entsprechend hält man es für möglich, daß potentielle Kreditgeber rechtzeitig vor der Zahlungsunfähigkeit der jeweiligen Gebietskörperschaft deren weitere finanzielle Alimentierung einstellen134 und der staatlichen Kreditwirtschaft damit auf ihre Weise ein Ende setzen135. Anders als in der gelenkten Geldwirtschaft des „Dritten Reiches" brauchen die Kreditinstitute sich heute nicht mehr auf die Rolle des ohnmächtigen „Nutznießers" der Entwicklung zu beschränken und zu beobachten, wie der Karren in den Dreck fährt und sie mit ihm. Ob sie es auch dürfen, möchte der Verfasser nicht entscheiden. Das bedeutet: Es gibt nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch-marktwirtschaftlich an sich eine Aussicht, mit Hilfe der (potentiellen) Gläubiger die staatliche Verschuldung zu bremsen und gar völlig zum Halten zu bringen 136. Aber das Erstaunliche ist, daß selbst die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts die an sich vorsichtigen Kreditinstitute bisher offenbar nicht gewarnt haben und daß der Staat weitgehend nach wie vor als „erste Adresse" gilt. Vielleicht halten tatsächlich Banker die „Vogel-Strauß-Politik" für vernünftiger als „verfrühte Panikmache" ...

versprechen); Jaeckel S. 350; Karehnke, DÖV 1973,393 ff., 396,400; Krause-Junk, Wirtschaftsdienst 70 (1990), 607 ff., 608. Für 1995 sahen Boss/Lorz noch keine „signifikant höhere ... Einschätzung des Ausfallrisikos". 130 Buchanan, Verschuldung, Demos und Wohlfahrtsstaat, S. 128 f.; English, The American Economic Review 86 (1996), 259 ff. (mit dem ausdrücklichen Hinweis: „In spite of the lack of sanctions ...", S. 259); Lang/Koch S. 35. 131

Verschuldung, Demos und Wohlfahrtsstaat, S. 129; ähnlich Graf S. 279 f., 281: Selbst nach Annullierung der Kreditverpflichtungen ist die Enttäuschung bei den Gläubigern i. d. R. nur kurzfristig, weil die nächste „Entschuldung" fern liegt. 132 Dazu Matthes, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 409 ff., 411 f.:, A u f die wachsende Verschuldung reagierten die Märkte nicht ausreichend schnell und spürbar mit einer Anhebung der Zinsen ...". 133 Dazu Giersch, Symposium, S. 131 f.; Nowotny, Zur politischen Ökonomie der öffentlichen Verschuldung, S. 32, 34. 134

Vergi. Lang/Koch S. 54; Stützel/Krug

S. 52, 57.

135

Diese Erkenntnis wird übrigens auch zum Anlaß genommen, den Leistungsempfängern im Sozialstaat, also den vom Staat zuvor eingesetzten „Leistungsgläubigern", klar zu machen, daß sie gewissermaßen „gefahrlich leben" und daß die Leistungen plötzlich beschnitten werden können, so Lindbeck, The American Economic Review 85 (1995), 9 ff., 14 (für die schwedischen Erfahrungen seit 1990), und allgemein Schlecht S. 145. 136 Siekmann will offenbar noch eine nicht marktwirtschaftliche, dafür hoheitliche „Befreiung" des Staates von seinen Schulden erwägen, indem er bemerkt, daß vertraglich begründete Rechte bei uns nicht so bevorzugt geschützt seien wie in den USA nach der „contract clause" der US-Verfassung (Finanzarchiv 41 (1983), 167 ff., 169). Das ist de constitutione lata kaum nachzuvollziehen; geldwerte Forderungsrechte zumindest unterliegen bei uns dem Schutz der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG.

7. Kap. : Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

185

So liegt die Erwägung nicht fern, die Lehren der jüngeren Finanzgeschichte, die als solche nicht zu wirken scheinen, direkt in die Verfassung zu schreiben. In ihr wären dem Staat ausdrücklich die Konkursfähigkeit und seinen Obligationen dementsprechend im Konkursfall die mögliche Entwertung auf eine „Konkursquote" zu bescheinigen. Jeder künftige Gläubiger wäre auf diese Weise vor dem Staat vorsorglich gewarnt, und dem Staat würde zugleich die Aufgabe abgenommen werden, rechtzeitig zu reagieren 137. Diese ginge vielmehr auf den Markt etwa so über: In einer selbständigen „Konkursnorm" wird jedermann, den es angeht oder interessiert, darauf aufmerksam gemacht, daß es um die „Bonität" des Staates auch einmal nicht so gut bestellt sein kann und daß konsequenterweise seine Gläubiger im Falle seiner Zahlungsunfähigkeit, deren Voraussetzungen genau zu umreißen sind, automatisch mit dem gänzlichen oder partiellen Verlust ihrer Forderungen zu rechnen haben. Die Norm ist „selbstregulierend" insofern, als jeder die Entwicklung der Staatsfinanzen beobachten und sein Verhalten danach einrichten kann. Besonderer Wert wäre zur Zweckerreichung und in Ermangelung von Pfandrechten auf die zeitliche Rangfolge der Kreditgläubiger zu legen: Es müssen die Kreditgeber, die einem finanziell noch potenten Staat ihr Geld anvertrauten, anders und besser behandelt werden als diejenigen, die den heutigen Finanzministern bzw. Parlamenten offenkundig immer noch alle Wünsche erfüllen 138. Wenn aus institutionenökonomischer Sicht eine Versicherung u. a. „Spielräume für das Eingehen höherer Risiken" eröffnen soll 139 , so ist hier verfassungsökonomisch das Gegenteil, ein „Entsichern" sozusagen, beabsichtigt. Zusammenfassend wäre somit zu einer „Bankrottverfassung" zu sagen: - Ihr Anlaß ist die derzeit fast unbegrenzte Verschuldungsfahigkeit der öffentlichen Hand; - ihr Inhalt ist peinlich: Der Staat selbst beseitigt die Illusion seiner unbeschränkten Bonität als Schuldner140;

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Denn Schlesinger/Weber/Ziebarth (S. 136) bemerken: „Eine Korrektur in seinem Verschuldungsverhalten ist typischerweise erst sehr spät... zu erwarten ...". 138 Kratzmann (JZ 1982,319 ff., 324 f.) hat versucht, eine solche „Bankrottverfassung" im Vorwege zu skizzieren. Zustimmend Donner, Diskussionspapier, S. 20; a. A. Lehmann S. 87 ff., 89 (der allerdings das Moment der „Vorwirkung" zu wenig beachtet); Stern, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 41 ff., 61. 139 140

Dazu Schwintowski, JZ 1998, 581 ff., 586.

Amerikanische Juristen haben über ein solches Verfahren übrigens auch schon nachgedacht, vergi. Tribe S. 618 f.: „Finally, as Justice Story's concurring opinion in Dartmouth College had warned, the states remainedfree to reserve in their contracts and even in their constitutions the power to change their minds. Legislatures were therefore liberated to be as openly unreliable as they pleased in their dealings with the people". Allerdings: „... they often prefer to decline the invitation extended in 1819 by Justice Story - the invitation to warn all who would deal with them that their word may well prove worthless ..." Der Grund für diese „Zurückhaltung" ist die schon erwähnte Kreditpflege, vergi, oben Fn. 129 f. Nur ist es bei Zahlungsunfähigkeit für die Kreditpflege i. d. R. zu spät... Während oben zu Fn. 119 die Einflüsse der Haushaltsdefizite auf die Geldpolitik angedeutet wurden, ist umgekehrt auch die Frage gestellt worden, ob eine straffe Geldpolitik der Zentralbank nicht die Regierung zu einer zurückhaltenderen Fiskalpolitik und zur verminderten Kreditaufnahme zwingen kann, vergi. Burdekin/Laney, Kyklos 41 (1988), 647 ff. Theoretisch könnte auch die Zentralbank

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

- ihr Zweck ist es - wie der vieler Vorschläge der allgemeinen Institutionenökonomik - , gar nicht zur Anwendung zu kommen. Schon im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit will sie den Staat mit den drohenden Gesetzen des Marktes zwingen, die Ausgaben einzuschränken, um auf Kredite verzichten zu können. Vor kurzem hat Bofinger einen spezifisch bankrechtlichen Vorschlag zur Disziplinierung der öffentlichen Haushalte durch den Markt gemacht. Während die EU-Länder in ihren bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen immer noch von der Konkursunfähigkeit der öffentlichen Schuldner ausgingen, wäre es vor dem Hintergrund der neuen europäischen Währungsregeln (siehe den folgenden Abschnitt) eher angebracht, Staatskredite insoweit den Krediten an private Schuldner gleichzustellen. Die Banken müßten dann in ihren Bilanzen ausreichende Risikovorsorge treffen und wären von vornherein sehr viel zurückhaltender in ihrer Kreditvergabe an Staaten mit einer unsoliden Haushaltssituation141. Auch diese Rechtsänderung soll verunsichern, „entsichern". Sie ist vielleicht nicht so wirkungsvoll wie die Bankrottverfassung, aber dafür umso diskreter, gilt sie doch nur für Banker ...

6. Die europäische Regelung Die Gedankenspielereien werden keineswegs ausgeschlossen, aber in ihren denkbaren Ergebnissen überlagert durch das Europarecht. Dort sind tatsächlich neue Schuldenbegrenzungen eingeführt worden durch den Vertrag von Maastricht über die Europäische Union (EU). Er bildet nunmehr einen Bestandteil des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) in der Fassung vom 07. Februar 1992, welcher erneut modifiziert worden ist durch den Vertrag von Amsterdam vom 02. Oktober 1997 (in Kraft getreten am 01. Mai 1999). Art. 104 c Abs. 1 (in der Amsterdamer Fassung: Art. 104) statuiert: „Die Mitgliedsstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite." Nach Abs. 2 überwacht die Kommission die erforderliche Haushaltsdisziplin im Hinblick auf zwei Kriterien, und die folgenden Absätze sehen die überaus komplizierten und im Grunde rücksichtsvollen Sanktionen bei Nichterfüllung der einschlägigen Kriterien vor. Diese bestehen in der Festlegung zweier relativer Begrenzungen, nämlich sog. „Referenzwerte", durch Art. 104 c Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 des dem Vertrag beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit: - Das geplante oder tatsächliche öffentliche Defizit darf 3 % des Bruttoinlandsproduktes zu Marktpreisen und - der öffentliche Schuldenstand darf 60 % des Bruttoinlandsproduktes zu Marktpreisen nicht überschreiten. Die Referenzwerte stellen kaum mehr als Anhaltswerte dar, denn Grenzübertretungen schaden nicht, wenn sie ausnahmsweise oder vorübergehend erfolgen und wenn die Annäherung an den jeweiligen Referenzwert gewährleistet bleibt. Mit „öffentlich" sind den Staat „aushungern" - und eine unabhängige Zentralbank führt eher zu niedrigen Defiziten als eine abhängige - , aber in letzter Tendenz gibt auch hier die Bank nach, siehe Burdekin/Laney 657. 141

Wirtschaftsdienst 77 (1997), 12 ff., 14 f.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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nach Art. 2 des Protokolls die Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungseinrichtungen gemeint. In den Referenzweiten sind einige der im 2. Kapitel vorgestellten Quoten und Bezugsgrößen zur Beschreibung des staatlichen Finanzierungsspielraumes unschwer wiederzuerkennen. Die Kritik fiel alsbald über sie mit der Begründung her, daß sie eine gewisse Willkür offenbarten 142 , eher das Ergebnis heuristischer Überlegungen denn einer eindeutigen theoretischen Grundlage darstellten und keinen ökonomisch sinnvollen Grund besäßen143, kurz: eine Kompromißlösung bedeuteten und am Durchschnitt der Gemeinschaft orientiert seien 144 . Immerhin sieht Art. 104c (resp. 104) EGV aber im Gegensatz zur haushaltswirtschaftlich reinen ex ante-Regelung des Art. 115 GG eine ständige Überwachung der Haushalte in den Mitgliedsstaaten durch die Kommission und nach Abschluß des Haushaltsjahres auf der Grundlage von Ist-Daten - also ex post - ggf. auch Sanktionen v o r 1 4 5 . Eine eher institutionenökonomische Kritik vermißt hinter den Referenzwerten die Kriterien einer institutionell für die Geldpolitik unbedenklichen Budgetpolitik der einzelnen Teilnehmerstaaten, weshalb sie leicht zur bloß vordergründigen, „normativen" Argumentation verführten. Erst eine vertiefende Analyse der Fristen- und Gläubigerstrukturen der jeweiligen Staatsschulden und der gesamten Zukunftsbelastung schlechthin vermöchte hiernach die nachhaltigen Gefahren für eine solide Geldpolitik der Gemeinschaft und die wahrhaft „unsicheren" EU-Teilnehmer aufzuzeigen 146 . Weiter ist zu bedenken, daß die 142 Bröcker S. 216; weiter Kampmann S. 195. Funke (S. 273) sieht in den zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen ebenfalls Willkürelemente. Bajohr hält die Werte für „ausgewürfelt" (KJ 31 (1998), 433 ff., 437); Starzacher (S. 160 f.) sieht sie „eher als Resultat einer politischen Setzung ...". 143 Zur Heuristik siehe Gackle, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 264 ff., 268; im übrigen vergi. Bröcker S. 216; Funke S. 272ff.; Ohr, Fiskaldiziplin, S. 105; Schmidt/Straubhaar, Wirtschaftsdienst 75 (1995), 434 ff, 434. 144 Fortuny S. 203; Herrmann u. a. S. 50 ff; Matthes, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 409 ff, 409 f.; auch Schmidt/Straubhaar 434. Den Rahmencharakter des EG-Rechts und den weiterhin bestehenden Regelungsbedarf für Deutschland betont Funke S. 278. 145 So Diekmann, Wirtschaftsdienst 78 (1998), 667 ff, 675 f. Bach (Wirtschaftsdienst 77 (1997), 360 ff, 366) und Diekmann (675) bemerken zudem, daß das Verbot übermäßiger Kredite nach EGRecht die Verschuldungsmöglichkeiten nach Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. Hs. GG einschränken kann; so auch Scherf (Konstitutionelle Begrenzung, S. 378 mit den Fn. 26 und 27) schon für konjunkturbedingte Kredite bei einer stärkeren Rezession. Hüde (JZ 1997,269 ff, 274) sieht hier eine „Verfassungsänderung ohne ausdrückliche Änderung des Wortlauts von Art. 109 und Art. 115 GG". Vielleicht bieten deshalb laut Göke (NdsVBl. 1996, 1 ff, 5) die Konvergenzkriterien die besten Aussichten, um einen innerdeutschen Konsens über die Begrenzung der Neu- und Gesamtverschuldung zu finden. Einigermaßen positiv bewertet sie auch Isensee (Würdigung der Schuldengrenze, S. 136). 146

Dazu Hasse, ORDO 48 (1997), 615 ff; andeutungsweise ders. auch schon in: Die „Nach-Maastricht-Ära": Neuorientierungen für den Übergang zur europäischen Währungsunion, S. 135 f. Issing (Disziplinierung der Finanzpolitik in der Europäischen Währungsunion? S. 191 f.) hatte ebenfalls „die ,richtige4, d. h. problemadäquate Messung der Budgetdefizite und der Staatsverschuldung" gefordert. Schmidt/Straubhaar (436 ff, 439,442) fordern zusätzlich zu den nominal gesetzten monetären und fiskalischen Konvergenzkriterien auch realwirtschaftliche. Gandenberger (Europäische Währungsunion und öffentliche Finanzen, S. 18) bemerkt z. B. zum Nebeneinander von Ländern mit Umlagesystemen der sozialen Sicherung (und ihren daraus resultierenden Zukunftsbelastungen, vergi. 1. Kapitel Fn. 5) und solchen mit reinen Transfersystemen ohne Entstehung von Zukunftsansprüchen: „Defizite und Schuldenstände eines Landes wie Dänemark wären insofern anders - nämlich niedriger - zu gewichten als solche eines Landes wie Deutschland".

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Begriffe, die hier zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, hochkomplizierte Aggregate aus unendlich vielen Bestandteilen sind, deren Manipulierbarkeit groß und deren Veigleichbarkeit schwierig ist. Die bei der Einschränkung des Besteuerungsrechts geäußerten Bedenken gelten daher auch hier 1 4 7 . Die Zeitungen kamen bereits häufig auf die „kreative Buchführung" der Finanzminister und ähnliche Euphemismen zurück. Die künftige Handhabung der Referenzwerte und der Sanktionen bleibt daher mit umso größerer Skepsis abzuwarten, als der Einstieg in die Währungsunion bereits mit einer Mißachtung der Regeln begann: Schon vor Beschlußfassung der EU-Mitgliedsstaaten Anfang Mai 1998 über die endgültige Währungsverschmelzung hatte sich herausgestellt, daß der zweite Referenzwert von 60 % „Schuldenstand zu Bruttoinlandsprodukt" bereits nicht mehr dem Durchschnitt der Gemeinschaft entsprach 148. Aber wichtiger war - und ist noch heute - , daß zwei Länder zur Währungsgemeinschaft zugelassen worden sind, deren jeweiliger Schuldenstand sich von diesem Referenzwert weit entfernt hat: Belgien und Italien. Belgiens Schuldenkurve verlief in den neunziger Jahren von 125 % über 135 % auf etwa 122 %, während sie im Falle Italiens etwas ausgefallener war: 98 % - 125 % - ca. 121 % 1 4 9 . Beide Staaten hätten „die Prüfung nicht bestehen dürfen", wurden jedoch aus politischen Gründen nicht ausgeschlossen; das ist klar eine Verletzung des Vertragsrechts 150. Damit sind zwei besonders 147 Vergi, oben zu Fn. 67; weiter Bach 365 (für die staatsrechtliche Praxis oft zu unscharf); Funke S. 275 f. Gandenberger (S. 17) befürchtet die oben erörterten Haushaltsmanipulationen, und Kampmann verweist auf die Schwächen der statistischen Ermittlung der Daten und ihre eingeschränkte Vergleichbarkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (S. 195). Stalder (Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 419) rügt an den beiden Kriterien, daß sie „im Hinblick auf eine Aufrechterhaltung des zukünftigen finanzpolitischen Spielraums ... zu wenig restriktiv" seien und daß eine Nettotilgung überhaupt nicht zur Debatte stünde. Ihr eigener Vorschlag zur Schuldenreduzierung steht, in eine mathematische Formel gebracht, an Kompliziertheit anderen Begrenzungs- bzw. Reduzierungslösungen freilich keineswegs nach. Folglich gelten auch für sie die gleichen Bedenken. 148

Duwendag (Budgetverhalten in den EU-Staaten, S. 89 ff.) sah zwei Drittel der EU-Staaten den Maastricht-Vertrag „krass" mißachten. Vaubel bemerkte Anfang 1998, daß bei der von Deutschland stets geforderten strengen Auslegung der Konvergenzkriterien - und damit auch der Schuldenquote allein Luxemburg sich für die Währungsunion qualifizierte (Wirtschaftsdienst 78 (1998), 85 ff., 87 f.). Bezüglich der künftigen Haushaltsstabilität und der Eingrenzung der Staatsverschuldung erblickt Möschel gegenwärtig die größte Glaubwürdigkeitslücke: „Im Durchschnitt ist der Schuldenstand in der EU von 1991 bis 1997 von 60 % auf 70 % angewachsen. Das ist keine vertrauensbegründende Performance" (JZ 1998,217 ff., 221 f.). 149 Angaben nach Häde, JZ 1998,1088 ff., 1090; zum ,,hochverschuldete(n) ,Kem'-Land Belgien" vergi, weiter Fortuny S. 29 ff., der insgesamt in seinem Buch sich äußerst kritisch mit der Währungsunion auseinandersetzt. Auch laut Selmayr sind die vorgesehenen Einschätzungs-, Beurteilungs- und Prognosespielräume besonders bei der Aufnahme Italiens und Belgiens „zum Teil bis an ihre rechtlichen Grenzen ausgenutzt" worden (AöR 124 (1999), 357 ff., 363). 150 In diesem Sinne Häde 1091 f., 1095; ähnlich auch Jochimsen S. 8 ff. (der überdies der vorzeitigen Demontage des nominierten EZB-Präsidenten Duisenberg eine „schlimme Signalwirkung" beimaß, S. 7). Zu den weiten Beurteilungs- und Ermessensspielräumen der europäischen Entscheidungsgremien sowie zur Bedeutung politischer Gesichtspunkte vergi. Bandilla Rn. 9, 12, 15 zu Art. 104 c und Rn. 32, 39 zu Art. 109 j (jetzt: Art. 121) EGV; zur Prädominanz politischer Erwägungen siehe auch Hasse, ORDO 48 (1997), 615 ff, 615 f. Ohr (Europäische Währungsunion - einrichtiger Schritt für Europa? S. 7) hatte bereits 1992 zu etwaigen Zweifeln an Deutschlands Vertragskonformität erklärt: „Natürlich würde Deutschland in die Währungsunion aufgenommen, da dies ja das erklärte Ziel der anderen Länder ist".

7. Kap. : Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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verschuldungsgeneigte Staaten an der europäischen Währung beteiligt und folglich in der Lage, mit den gegen sie gerichteten Forderungen fast unmittelbar Geld zu produzieren 151 . Die Glaubwürdigkeit auch anderer wesentlicher Normen des europäischen Währungsrechts steht damit bereits heute auf dem Spiel, etwa der Haflungsausschluß der Gemeinschaft oder einzelner Mitgliedsstaaten für Verbindlichkeiten einzelner Regierungen nach Art. 104 b EGV (jetzt: Art. 103) 152 . Es wird teilweise die Bereitschaft der Gemeinschaft bezweifelt, einzelne hochverschuldete Staaten tatsächlich ihrem Schicksal zu überlassen 153 und in der logischen Konsequenz den Gläubigem damit wirklich das - überdies ebenfalls unterschiedlich gewichtete - Bonitätsrisiko 154 zu übertragen. Wenn man es schon beim Eintritt in die 151 Vergi, dazu oben Abschnitt 4. Im Mai 1999 sorgte die Entscheidung der EU-Finanzminister, Italien wegen seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage ein Haushaltsdefizit von 2,4 % (statt der angestrebten 2 %) zu gestatten, zu scharfer Kritik und zu der Überschrift: „Der Euro ist so schwach wie noch nie" (FAZ vom 28.05.1999, S. 13); zu den bisweilen wenig ehrgeizigen Konsolidierungsansätzen und zur partiellen Unfähigkeit, eingegangene Selbstverpflichtungen auch einzuhalten, vergi, weiter Jürgen Stark S. 5. Wenn Heun (JZ 1998, 866 ff., 873) die Gefahren für die Währungsstabilität mit dem Einwand herunterspielt, die öffentliche Verschuldung könne nicht über Notenbankkredite finanziert werden, so ist das richtig und zudem nichts Neues. Er übersieht aber die hohe, fast geldgleiche Wertigkeit etwa von Transferversprechen und Gehaltsverbindlichkeiten schon als solcher. Sie werden ganz gewiß bezahlt; das benötigte Geld findet sich! Schlimmstenfalls monetisiert die europäische Zentralbank das Defizit durch eine Geldmengenexpansion ganz oder teilweise, deren Inflationskosten dann alle tragen, vergi. Klein/Neumann, Fiskalpolitische Regeln und Beitrittsbedingungen für die Europäische Währungsunion: Eine Analyse der Beschlüsse von Maastricht, S. 201 ff. Allemal „werden in der Währungsunion die nationalen Kosten öffentlicher Defizite sinken, weil die negativen Zinsund Wechselkursfolgen der Kreditaufnahme im nationalen Bereich von den Partnerländern mitgetragen werden müssen", so Tietmeyer, Europäische Währungsunion und Notenbank als Gestaltungsaufgabe, S. 37. 152

So Häde 1095. Bofinger (Wirtschaftsdienst 72 (1992), 457 ff., 460) nahm die Vorschrift dagegen zu ihrem Nennwert. Auch der Bericht von Dierdorf (NJW 1998, 3145 ff.) enthält nur einen unkritischen Bericht über die Umsetzung des Maastricht-Vertrages. 153

Vergi, insoweit Bach, Konjunkturpolitik 39 (1993), 1 ff., 13 (fürchtet den moralischen Druck); Duwendag, Budgetverhalten in den EU-Staaten, S. 89 (schließt kaschierte Praktiken nicht aus); Funke S. 269 (Moral-hazard-Effekte); Gäckle, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 264ff., 266 (Frage derzeit nicht zu beantworten); Ohr, Fiskaldisziplin, S. 111 (Haftungsausschluß für Solidaigemeinschaft kaum glaubwürdig); Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 133 (weisen auf den eher empfehlenden Charakter hin). Gandenberger dagegen (Europäische Währungsunion und öffentliche Finanzen, S. 9 ff.) hält diese Sorgen für wenig plausibel, sofern sich nicht Unterstützungsmechanismen einspielen; ähnlich Sievert S. 18 f.: Ein verschuldungsfreudiger Staat mag bündische Solidarität erhoffen: „Entscheidend - und verhaltenslenkend - ist, daß er nicht darauf rechnen kann". Hoffnung in die Disziplinierungsfunktion der „No-bail-out"-Klausel setzt - natürlich - auch Issing (Staat - Markt - Währung, in: FAZ vom 21.09.1999, S. 19). 154

Zum Problem und zum Ausmaß des Bonitätsrisikos in der Gemeinschaft vergi. Bandilla Rn. 1 und 3 zu Art. 104 b EGV (verweist auf die Finanzmärkte als Regulativ und sieht allenfalls in Art. 103 a Abs. 2 EGV bei Einstimmigkeit die Möglichkeit für einen finanziellen Beistand); Baum, Sparkasse 108 (1991), 69 ff, 69 (belegt Zweifel an der disziplinierenden Kraft des Marktes); Bofinger 460 (bejaht Ausfallrisiko); Gäckle 266 (hinreichender Einfluß der Marktkräfte strittig); Gandenberger S. 8 f. (sieht stärkere Differenzierungen bei den Zinskonditionen voraus); Issing, Disziplinierung der Finanzpolitik in der Europäischen Währungsunion? S. 186 f. (wegen des möglichen „indirekten bailout" kann in den Erwartungen der Märkte kein Land faktisch bankrott gehen, womit auch jede differenzierte Reaktion der Finanzmärkte entfällt); Matthes, Wirtschaftsdienst 72 (1992), 409 ff., 410 ff. (disziplinierende Kraft des Marktes fraglich); Schlesinger/Weber/Ziebarth S. 113 ff. (bezweifeln rasche, ausreichende und gleichsam automatische Bonitätsdifferenzierungen durch die Märkte). Henrik Müller und Thomas

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2. Teil: Modelle zur Verhinderung der Staatsverschuldung

Währungsgemeinschaft nicht für opportun hielt, zwei Gründungsmitglieder der EWG „draußen vor der Tür" stehen zu lassen, so wird man die Zweifel nachvollziehen können. Art. 104 b ist immerhin bloß ein Haftungsausschluß, kein kategorisches Unterstützungsverbot. So wie schon bisher die Zentralbank als „lender of last resort" durch Liquiditätszufuhr Haftungsregeln außer Kraft zu setzen vermochte155, so ist auch die beste Absonderung eines überschuldeten europäischen Landes durch die Bonitätsgesetze des Marktes wenig wert, wenn doch die Gemeinschaft ihre hilfreiche Hand ausstreckt und in Brüssel mehr Freude über einen geretteten Sünder herrscht als über vierzehn Gerechte156. Bei aller Kritik darf jedoch die normative Bedeutung des neuen Währungsrechts auch nicht unterschätzt werden. Es hat „wie wohl keine andere Vorschrift die Schuldenerhöhung effektiv gebremst", weil die Mitgliedsstaaten sich in der einen oder anderen Weise anstrengten, den Zulassungskriterien zu genügen157.

7. Die passende Budgetrestriktion Es kann und soll nicht Sinn dieser Arbeit sein, eine der vorgestellten Möglichkeiten zur Schuldeneingrenzung auszuwählen und von ihrem Funktionieren gewissermaßen die Untersuchungen des folgenden dritten Teils abhängig zu machen. Dazu sind die verschiedenen Instrumente zu wenig - wenn überhaupt - erprobt und mit zu vielen Unsicherheiten im Detail behaftet. Daher wird einfach angenommen, es habe der Verfassungsgesetzgeber eine wirksame Budgetrestriktion dergestalt eingeführt, daß eine gewisse überbrückende Verschuldung aus konjunkturellen Gründen, die fortan nicht weiter interessiert, zwar zulässig bleibt, daß aber im übrigen die Kreditaufnahme praktisch unmöglich gemacht wird. Es wird die Nichtvermehrbarkeit der jeweiligen regulären Mittel unterstellt. Dennoch lohnt es sich, noch einen Gedanken auf die verfassungsrechtlich am ehesten passende Schranke zu verwenden. Straubhaar befürchten zudem in Anbetracht der den politischen Gremien der EU überlassenen Wechselkurspolitik (nach Art. 109 des Maastricht-Vertrages (jetzt: Art. 111)) deren wirtschaftspolitische Instrumentalisierung mit der Folge, daß u. a. „sich die Disziplinierung durch die Finanzmärkte abischwächt)" („Das trojanische Pferd der Währungsunion", in: FAZ vom 05.06.1999, S. 15). Eine Konterkarierung der Geldpolitik über die Wechselkurse befürchtete auch schon ein „Memorandum führender deutscher Wirtschaftswissenschaftler zur Währungsunion vom 11. Juni 1992" unter Ziffer 6. 155

Dazu Kratzmann,, Der Staat 35 (1996), 221 ff., 242 ff.

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Dann funktioniert auch Weingasts These nicht mehr, daß ein föderales System den Markt erhalte, weil und wenn u. a. die Mitgliedsregierungen unter einer harten Budgetrestriktion stünden und weder Geld drucken noch Zugang zu unbeschränktem Kredit finden könnten: „This condition is not met if the central government bails out the lower one whenever the latter faces fiscal problems" (Journal of Law, Economics and Organization 11 (1995), 1 ff., 4). Von „liberalen Geistern" wird heute eher eine Konföderation wie der Deutsche Bund als ein letztlich doch zentralisierter Bundesstaat als Wettbewerbsgarant im eben angedeuteten Sinne angesehen, so Radnitzky in FAZ vom 24.11.1999, S. 24. Steht die EU da womöglich schon „auf der Kippe"? Über weitere mögliche negative Wirkungen einer Währungsunion mit verbleibenden selbständigen Volkswirtschaften, wie etwa das „Crowding-out" (vergi. Matthes 413), kann derzeit nur spekuliert werden. 157

So Andel, Finanzwissenschaft, S. 402 f.; ähnlich Selmayr, AöR 124 (1999), 357 ff., 363.

7. Kap.: Möglichkeiten der Verschuldungseingrenzung

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Wie erinnerlich, gibt es sehr gute Gründe für ein Verschuldungsverbot. Immerhin wird mit dieser totalen Kreditrestriktion jedoch die Homogenität von - und damit die Harmonie zwischen - Finanzverfassung und „übriger" Staatsverfassung zugunsten des Vorranges der Finanzverfassung partiell einfach oktroyiert und damit erschwert: Die Interpretation des Grundgesetzes und nicht zuletzt seiner Grundrechte hat sich ohne weiteres prinzipiell nach dieser Vorgabe zurichten („und damit basta", möchte man hinzufügen). Der Einführung etwa der dritten Lösung, des obligatorischen materiellen Haushaltsausgleichs, haftete daher bis auf weiteres, d. h. bis zu einer vielleicht harmonisierenden konkreten Grundrechts interpretation, ein Moment der Willkür an. Dieses würde jedoch bei der Wahl der fünften, der „Bankrott"-Lösung, fehlen. Es steht im freien Willen und Belieben der Inhaber von Geld und Kapital, dem Staat Geld zu borgen oder nicht. Niemand kann ihnen vorwerfen, daß sie einem am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehenden Staatswesen kein Geld mehr anvertrauen möchten, weil ihnen ihr Vermögen wichtiger ist als öffentliche Güter oder die womöglich verfassungsrechtlich abgesicherten Leistungsansprüche von Mitbürgern. Nicht einmal moralisch darf man sich über sie erheben wie damals im Ersten Weltkrieg über jene, die der Losung „Gold gab ich für Eisen" nicht den rechten Geschmack abgewinnen mochten. An das private, gut versteckte Gold kam der Staat an jenen Tagen nur durch freiwilliges Entgegenkommen heran; heute dagegen sind - wie mehrfach betont wurde - Steuererhöhungen stets zulässig, die das gewünschte Resultat auf andere Weise herbeiführen könnten. So gibt es gegen die marktgerechte Kreditverweigerung keine moralische oder rechtliche Berufung, und wenn man sich an Art. 79 GG wendet... Auch in einem höheren verfassungsökonomischen Sinne wäre der zuletzt vorgestellte vorsorgliche Sturz des Staates vom hohen Sockel der erstrangigen Bonität eine passende Lösung. Die staatliche Finanz- und speziell Schuldenpolitik wird zwar in jedem Fall durch Normen der Finanzverfassung geregelt, aber keineswegs determiniert. Es muß der Entschluß zur Kreditaufnahme nach geltendem und künftigem Verfassungsrecht wohl im politischen Prozeß entschieden werden 158. Diesem bis zur Zeichnungsaufforderung hin rein politischen Verfahren gegenüber ist die private Reaktion dagegen, also die Darlehnshingabe oder »Verweigerung, das Ergebnis privaten Interessenkalküls, nämlich die freie Entscheidung derer, von denen Geld, privates Vermögen, erwartet wird. Dieses Kalkül wird gegenüber einem unsicheren Partner natürlich belastet. Die Seite, die etwas haben will, muß sich also weiter als bisher auf das Feld derer begeben, die etwas geben sollen. Sie muß werben und vor allem um ihre Kreditwürdigkeit besorgt sein. Die früh einsetzende Notwendigkeit zum Interessenausgleich verstärkt folglich das Moment des Vertrages und der Gleichberechtigung. Der„homo oeconomicus" im allgemeinen institutionenökonomischen Sinne ist zumindest auf der Seite der Darlehnsgeber exakt die passende, ja notwendige Figur, und der Staat muß sich auf ihn einstellen. Im Prinzip gilt das auch für die engere bankrechtliche Variante im Sinne Bofingers. Derartige letztlich vertragliche Lösungen sind zudem insoweit „ökonomisch", als sie Katastrophen und „worst cases" von vornherein verhindern sollen.

158 Das betonen deutlich Dreißig, Verschuldungsgrenzen, S. 103 f., und Osterloh in Abgrenzung gegenüber dem BVerfG (NJW 1990, 145 ff., 151).

3. T e i l

Das Gewicht der Haushaltsgewalt bei der Interpretation der Grundrechte 8. Kapitel

Problemdefinition 1. Theorienskepsis Wer in die Dogmatik der Grundrechte im allgemeinen wissenschaftlich eindringen und ihre „ans Wunderbare grenzende Mutation" in Teilhaberechte mit Leistungsansprüchen1 im besonderen schriftlich nachvollziehen will, kann sich zunächst angesichts der Materialund Gedankenfülle eigentlich nur so herausgefordert und zugleich unwillkommen fühlen wie einer, der ein Plätzchen an einer beliebten und deshalb bereits ziemlich überfüllten Kletterwand in den Bergen erobern möchte. Wenn er sich dort eingerichtet hat, kommt bald das Gefühl der Vergeblichkeit hinzu. Der Verdruß schlägt ihm nämlich allseits entgegen: Vom „fragwürdigen , Teilhabe'-Verbalismus" ist die Rede und von Kombinationen, die eher Mißtrauen erwecken, als daß sie überzeugen2. Bereits 1976 beklagte Ossenbühl weitergehend „eine zum Teil schon fast überzüchtete Grundrechtstheorie und Grundrechtsdogmatik im Schrifttum" 3, und im Tagungsbericht zur Staatsrechtslehrertagung 1997 in Osnabrück ist über den Beratungsgegenstand „Der Grundrechtseingriff 4 zu lesen: „Moniert wurde die Theorielastigkeit und Hypertrophie der deutschen Grundrechtsdogmatik. Hier sei auch im Hinblick auf die Entwicklung einer gemeineuropäischen Grundrechtslehre eine Reduktion von Komplexität erforderlich" 4. Zahlreiche Einzelbeaibeitungen in Kommentaren und Monographien hatten dieses Urteil längst vorweggenommen und damit vorbereitet. 1

So Ossenbühl, NJW 1976, 2100 ff., 2104; zur „Mutation" weiter: Friauf DVB1. 1971, 674 ff., 675; Hans Peter Ipsen, DÖV 1974, 289 ff., 294; Walter Leisner, DÖV 1975, 73 ff, 73; Lücke, AöR 107(1982), 15 ff, 33. 2 Vergi. Fiedler, Wissenschaftsrecht 7 (1974), 134 ff, 141 (zum ,Teilhabe'-Verbalismus); Abelein (S. 24) wiederum meint die Fülle der Artikel, die das Existenzminimum verfassungsrechtlich gewährleisten sollen (dazu unten im 12. Kapitel). 3 4

NJW 1976,2100 ff, 2100.

Bericht von Hillgruber zum Tagungsgegenstand „Der Grundrechtseingriff 4, in: JZ 1998, 31 ff, 32. Die Kritik richtete sich vor allem gegen das Referat von Bethge, WDStRL 57, 7 ff. Zu nennen sind aus der Aussprache: Starck (104): Grundrechtsintrovertiertheit; rechtsdogmatische Konzentration der Grundrechtslehre auf die Individualfreiheit einerseits und die Rechte der anderen und die Gemeinschaftsinteressen andererseits angebracht; Tettinger (104 f., 107): Soige vor der Überlagerung allen Rechts durch das Staatsrecht; Selbstbescheidung nötig; Rauschning (113 f.): deutsche Grund-

8. Kap.: Problemdefinition

193

Beruhigt und ermutigt beabsichtigt der Verfasser daher, möglichst auf das Klettern zu verzichten und mit der Kasse gemächlich um den Berg herumzufahren, um auf der anderen Seite die Kletterer zu erwarten, wenn sie wieder herabgestiegen sind.

2. Grundrechtsermittlung vor rechtlichem „Vorbehalt des Möglichen66 Anlaß für diese unsportliche Trägheit ist natürlich einmal die inzwischen verbreitete Erkenntnis der weitgehenden Erfolglosigkeit aller Bemühungen, die Grundrechte wirklich „mutieren" zu lassen; es ist in rechtlicher Hinsicht wenig dabei herausgekommen. Doch sodann ist nach dem Grund wiederum hierfür zu suchen, und der liegt ganz einfach im häufig falschen dogmatischen Ansatz, oder im Bilde gesprochen: Die Kasse ist nun einmal partout nicht in die Höhe zu wuchten! Fachspezifischer ausgedrückt lautet die zunächst nur provisorische Grundeinsicht: Die Souveränität des Parlaments bei der Verfügung über die staatlichen Mittel ist gewiß nicht verfassungsexempt 5. Aber was die Gesamtverfassung normiert, wird zwangsläufig entscheidend durch die überaus bedeutungsvolle Haushaltsgewalt mitbestimmt. Sie ist ein Teil des Ganzen, und ohne sie läßt sich die Homogenität des ganzen Grundgesetzes nicht herstellen. Das Grundgesetz muß schon ziemlich deutlich werden, um die Parlamentarier zu bestimmten Ausgaben zu zwingen6. Der Verfasser hatte den dritten Teil zunächst überschreiben wollen: „Der Finanzierungsvorbehalt der Grundrechte als Leistungsrechte", denn nicht selten werden in etwa dieser Weise Ansätze oder Thesen von Leistungsrechten erst erwogen und dann sogleich wieder zurückgestutzt. Aber dieser Ansatz ist schon von der Logik der Grundrechtsbegrenzungen her bedenklich, weil „Vorbehalte" Leistungsrechte voraussetzen, die also nicht einfach erst in verengter Sicht aus den Grundrechten allein theoretisch ersonnen und dann auf ein finanziell „erträgliches" Maß sozusagen „zurückrealisiert" werden dürfen 7. Sie sind entweder rechtsdogmatik kaum zu vermitteln; es sind zu viele Zwischenbegriffe eingeschoben, wie etwa der „Schutzbereich"; Wahl (118): stark akzentuiertes Unbehagen an der Expansion der Grundrechte und der Grundrechtsdogmatik; Huber (141): plädiert für Reduktion von Komplexität, etwa hinsichtlich der Differenzierung zwischen „Beeinträchtigung" und „Eingriff 4. 5

Siehe Hufen, Die Freiheit der Kunst, S. 364 f.: Es haben „nicht nur die Gerichte den Budgetvorbehalt zugunsten des Parlaments zu berücksichtigen ..., sondern umgekehrt (ist) auch der Haushaltsgesetzgeber an die Grundrechte gebunden ... - und dies besonders im Fall staatlich institutionalisierter Grundrechtsvoraussetzungen44. Diese „Institutionalisierung" muß aber erst unter Berücksichtigung der Interpretationsmacht des Parlaments nachgewiesen sein ... Weiter Müller/Pieroth/Fohmann S. 153: keine „Sakrosanktheit44 des parlamentarischen Budgetrechts; Stern/Sachs, Staatsrecht III/1, S. 719 f.: „Der Haushaltsplan ist unter das Recht,subordiniert 4... Der Haushaltsgesetzgeberfindet die im materiellen Recht begründeten Leistungsansprüche vor ..." Gewiß, aber das Gewicht seiner Kompetenz regelt mit, ob es Leistungsansprüche überhaupt gibt. Vergi, schließlich auch Alexy unten im 10. Kapitel zu Fn. 53. 6 Dazu auch Wilhelm Henke, DÖV 1984,1 ff., 5: „Klagbare Ansprüche auf Leistungen gegen den Wortlaut aus absoluten Freiheitsrechten zu gewinnen, setzt jedenfalls größere Anstrengungen anerkannter juristischer Kunstfertigkeit voraus, als bisher darauf verwendet wurden44. 7 Vergi, oben 5. Kapitel zu Fn. 89. In diesem Sinne auch Bieback, EuGRZ 1985,657 ff., 664: „Daß diese Ansprüche ... unter dem Vorbehalt des »wirtschaftlich Möglichen4 stehen sollen, verkürzt das

13 Kratzmann

194

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

von vornherein allein aus dem gesamten Grundgesetz zu entwickeln oder sogleich völlig zu vergessen. Ein solches verfassungsadäquates Prozedere müßte manche Diskussion über „Finanzierungsvorbehalte" u. ä. entbehrlich machen. Der oben so bezeichnete „weiche" Vorbehalt des Möglichen fällt dagegen nicht unter dieses Verdikt. Er ist zwar Teil der leistungsrechtlichen Gmndrechtsinterpretation und nichts anderes als Ausdruck der Erkenntnis, daß eine das ganze Grundgesetz - und damit auch die Vorschriften über eine geordnete und sogar schuldenfreie Finanzwirtschaft - einschließende Norminterpretation bzw. -konkretisierung eo ipso jeweils nur ein finanzwirtschaftlich vernünftiges und erträgliches Anspruchsniveau ergeben kann. Doch er kommt erst zum Zuge, wenn zuvor aus diesem Grundgesetz überhaupt ein ursprüngliches, originäres Leistungs- oder Teilhaberecht entwickelt worden ist.

3. Beschränkung auf Grundrechte mit Leistungscharakter Als selbstverständlich muß übrigens klargestellt werden, daß im Falle der Einführung einer wirksamen Budgetrestriktion in Form eines wie auch immer ausgestalteten Kreditaufnahmeverbotes nicht nur bei den leistungsrechtlich verstandenen Grundrechten möglicherweise Entzugserscheinungen auftreten werden. Sie dürften umfassend zu beobachten sein und gewiß auch nicht ohne erhebliche rechtliche Probleme überwunden werden 8. Jedoch bilden sie, wie bereits eingangs bemerkt, nicht auch den Gegenstand dieser

Problem. Es geht nicht so sehr um die Möglichkeiten eines Staates ..., sondern um die Freiheit des Staates, d. h. des Parlaments,...". Wenn daher Starck (Rn. 19 zu Art. 5 Abs. 1,2) - im Ergebnis durchaus zutreffend - feststellt, es sei um die grundrechtlich abgeleiteten Leistungsansprüche an den Staat wegen verfassungsdogmatischer und -theoretischer Aufklärungsarbeit und dank leerer Staatskassen und hoher Staatsverschuldung ruhiger geworden, so ist wenigstens der zweite Begründungsstrang nicht ganz korrekt. Selbst wenn unser Land im Gelde schwimmen sollte, würde dieses Leistungsvermögen gleichwohl eine unergiebige Verfassungsdogmatik nicht zum Blühen bringen. 8 Zur konkreten Abgrenzung zwischen grundrechtlichen Schutzpflichten ζ. B. und Leistungsrechten vergi, unten 12. Kapitel Fn. 197. Gewiß kosten alle staatlicherseits gewährleisteten Rechte Geld, und Holmes/Sunstein betonen allerdings nach Ablehnung einer auch uns bekannten, vom Supreme Court vertretenen Differenzierung zwischen negativen Abwehrrechten und positiven Berechtigungenfinanziellen Gehalts (The Costs of Rights, S. 35 ff.) - insoweit vom Ergebnis her korrekt: „... all legally enforced rights are necessarily positive rights" (S. 43, auch S. 48), und: „No right is simply aright to be left alone by public officials. All rights are claims to an affirmative governmental response. All rights, descriptively speaking, amount to entitlements defined and safeguarded by law" (S. 44). In diesem Sinne beschränken sie auch verfassungsmäßig gewährleistete Rechte („constitutional rights") keineswegs nur auf die Einhaltung der vermeintlich kostenlosen, rein negativen Zurückhaltung („inaction") des Staates (S. 51 ff.). Eine solche Sicht unterscheidet natürlich nicht zwischen mehr oder weniger teuren Schutzpflichten hier und Leistungspflichten dort, und der „Vorbehalt des Möglichen", herangezogen als „an argument from scarcity" (S. 94 ff.), bezeichnet gänzlich unspezifisch „the limits (by) fiscal constraints" (S. 97). Aber zur Dichotomie von positiven und negativen Rechten heißt es bloß knapp: „It does not appear anywhere in the Constitution ..." (S. 37), was deutlich macht, daß sich Holmes/Sunstein für das spezielle verfassungsrechtliche Problem der „Grundrechte als Leistungsrechte" offenkundig gar nicht näher interessieren. (Hinzu kommt, daß der,Auslöser" ihres Standpunktes, nämlich die höchstrichterliche Ablehnung einer staatlichen Unterstützung der Abtreibung, auf die grundlegend andere Rechtslage bei der Abtreibung drüben zurückgeht, vergi, dazu Tribe S. 1337, 1345 ff.).

8. Kap.: Problemdefinition

195

Untersuchung. Zum einen ist der erwähnte Versuch einer Grundrechtsmutation symptomatisch für einen kaum gebremsten staatlichen Wohlfahrtsehrgeiz schlechthin ebenso wie für die staatliche Selbstüberschätzung. Zum anderen müßten gerade die Kollisionen wirklicher, also ggf. „imitierter" Leistungsgrundrechte mit der verordneten „Finanzierungsdeckelung", die gleichfalls Verfassungsrang hat, wohl die „verfassungsideologisch" härtesten sein, und es werden sich „unter dem Deckel" vielleicht Prioritätenkämpfe von bisher nicht bekanntem Ausmaß abspielen9. Insofern hat die arbeitstechnisch allemal erforderliche Beschränkung zugleich ihren guten wissenschaftlichen Sinn.

4. Notwendigkeit einer „Grundrechtsmutation"? Neben den Zweifeln an einer Grundrechtswandlung sind Anfangszweifel am Sinn schlechthin einer etwaigen Mutation und an der Notwendigkeit der Ausbildung grundrechtlicher Leistungsansprüche zu überwinden. Nicht wenige sind der Auffassung, daß das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20, 28 GG) seine Aufgabe auch ganz gut allein bewältigt hätte. Ein Kenner des Verfassungsrechts der USA und Deutschlands bemerkt: „Beide Länder haben (den erwünschten Sozialstaat) weniger durch positive Grundrechte ... geschaffen ... (als)... durch politische Kräfte, die die legislative und exekutive Tätigkeit bestimmen"10. Schwabe beobachtet das Wachsen der sozialen Einhegung auf der einen Seite und der Leistungsansprüche auf der anderen schon lange vor Inkrafttreten des Grundgesetzes. Für ihn ist die Interpretation von Grundrechten als Quelle von Leistungsansprüchen daher keine Notwendigkeit im Gefolge von sozialen Umwälzungen, sondern eine gleichsam nachgeholte Entwicklungsstufe. Sie wärefrüher eher angebracht gewesen als heute11. Murswiek führt die permanente Ausdehnung staatlicher Leistungen weniger auf die grundrechtliche Teilhabediskussion zurück als vielmehr auf „die anscheinend unvermindert wirksamen Zwänge der,sozialen Realisation4"12. Der Verfasser hatte den fehlenden Leitcharakter vor vielen Jahren einmal mit folgenden Worten artikuliert: „Die liberalen Grundrechte stellen sich staatlichen Anmaßungen ausgeprägt und selbstbewußt entgegen; die Interpretation der Grundrechte als Sozialrechte läuft hinter der Entwicklung her wie der Hase hinter dem Swienegel"13.

9 Hierzu vergi. Bethges einschlägiges Werk (Grundrechtskollisionen, S. 221 ff.) und konkret z. B. unten im 12. Kapitel den 2. Abschnitt. Wenn Holmes/Sunstein bemerken (S. 97): „Nothing that costs money can be an absolute44, so steht diese Rechtsauffassung bei uns zumindest mit der Heranziehung des „Vorbehaltes des Möglichen44 vorerst auf dem Prüfstand; vergi, zur Situation „drüben44 aber auch dies. S. 112. 10

Currie, AöR 111 (1986), 230 ff., 252; a.A. Bleckmann, Staatsrecht Π, S. 257 f. (Rn.33); Scheuner, DÖV 1971, 505 ff., 511. 11 Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 252 ff., 260. Für Bethge gehört die Diskussion über die (originären) Teilhaberechte zu den „kurzlebigen modischen Wellenbewegungen44, siehe NJW 1982, 1 ff., 1. 12 13

Fragen gestufter Teilhabeverhältnisse, S. 648.

Kratzmann, Grundrechte - Rechte auf Leistungen? S. 126. Zustimmend Franke, Neue Politische Literatur 22 (1977), 213 ff., 214. 13*

196

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Nur der Klarheit halber soll festgehalten werden, daß das hier ζ. T. konstatierte Fehlen einer verfassungsrechtlich-politischen Antriebsfunktion die verfassungssystematisch-dogmatische Überfrachtung der Grundrechte nicht ausschließt; diese korrespondiert vielmehr mit einer anderen Entwicklung. Gemeint ist eine „Aufwertung" der Verfassung zum materiellen „Kerngesetz", das wesentliche Teile des Rechts, so des hier interessierenden Leistungs- und Sozialrechts, gleichsam in nuce enthält, weshalb es nur noch deduziert zu werden brauchte14. Teilhaberechte haben so nicht mehr die Kraft von „Verfassungsdirektiven", sondern sinken zu bloßen Derivaten kollektiver Zweckbestimmungen ab15. Wenn es ernst wird, müßten diese Bedenken gründlicher erwogen werden. Wenn die politischen Treibsätze stark und anhaltend genug sind und wenn Geld offenbar hinreichend zur Verfügung steht, kann interpretative Grundrechtsentwicklung in der Tat mehr oder weniger auf die Registrierung des Erreichten hinauslaufen. Der Sinn des ungeheuren wissenschaftlichen Aufwandes ist dann nicht ohne weiteres einsichtig. Läuft dagegen die finanzielle Kraft aus, mag die grundrechtliche Absegnung des Erreichten wenigstens einer allzu schnellen, übereilten und unausgewogenen Rücknahme der ausgeteilten Leistungen im Wege stehen. Schon aus diesem Grunde wird die Arbeit nicht eingestellt; aber unabhängig davon hatte die wissenschaftliche und teilweise sogar praktische Entwicklung eine derartige Schwungkraft entwickelt, daß man sie nicht einfach übersehen durfte und darf.

5. Verbleibende Fragen Dogmatisch bleiben danach die folgenden Bereiche offen: Zum einen muß die Existenz grundrechtlicher Leistungsansprüche kritisch überprüft und damit die Frage geklärt werden, ob der stets unterstellte „Wandel des Grundrechtsverständnisses" 16 wirklich erfolgt und damit auch finanzwirtschaftlich relevant geworden ist. Erst wenn für einzelne Grundrechte ganz unabhängig von der finanziellen Situation der Leistungscharakter feststeht, ist zum anderen zu ermitteln, ob es vielleicht schon dem Wesen der erkannten verfassungsrechtlichen Anspruchsgrundlage selbst entspricht, sich bei vernünftiger und korrekter, also die Kompetenz der Haushaltsgewalt des Parlaments mit einbeziehender Auslegung nur auf das Bezahlbare zu erstrecken, wobei dieses wiederum von der Budgetrestriktion beeinflußt wäre. Bei Heranziehung des Art. 109 Abs. 2 GG kann das Ergebnis kaum fraglich sein. So würde gewissermaßen diskret und lautlos der oben „weich" genannte „Vorbehalt des Möglichen" praktiziert; auf den für den Konfliktfall vorgesehenen „harten" brauchte gar nicht mehr zurückgegriffen zu werden. Erst im anderen Fall wären die gleichsam „unverschämten" Ansprüche von einer mindestens gleichgewichtigen verfassungsrechtlichen „Macht" wieder auf ein finanziell vertretbares Maß zurückzuschrauben. Offene Finanznot erzwingt dann die Konkordanz zwischen Grundrecht und Finanz14

Dazu Ossenbühl, Gutachten zum 50. DJT, S. Β 146. Auch er bezweifelt bei diesen Annahmen die rechtsstaatliche Leitfunktion der Grundrechte. Siehe weiter Wahl, NVwZ 1984,401 ff., 407,409, und unten das 10. Kapitel zu Fn. 14. 15

So Rupp, AöR 101 (1976), 161 ff., 183.

16

So in neuerer Zeit wieder Bethge, WDStRL 57 (1997), 7 ff, 14.

8. Kap.: Problemdefinition

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gewalt; die an sich gewünschte und wünschenswerte echte, immanente Harmonie wäre solchermaßen aber nicht hergestellt. Einheitlich werden die Antworten vermutlich nur begrenzt sein, da die Besonderheiten bei jedem einzelnen Grundrecht zu bedenken sind.

.

Kapitel

Grundrechte - Rechte auf Leistungen? Einführung 1. Zwei Entscheidungskombinationen des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht ist der entscheidende und nach dem Parlament auch der gewichtigste Interpret des Grundgesetzes. In zwei bedeutenden, aber in der Grundgesetzinterpretation nicht einheitlichen Entscheidungssbündeln werden die Schwierigkeiten deutlich, die dabei von den finanziellen Vorgaben der staatlichen Haushalte ausgehen und die sich in den rund fünfzehn Jahren zwischen ihnen nur verdüstert haben. Herausstellen wird sich, daß das höchste Gericht jedenfalls bisher eine grundrechtsimmanente Anspruchsreduzierung nicht oder zumindest nicht ausschließlich praktiziert hat1: a) Anspruch auf den Studienplatz In dem bereits vorgestellten Urteil des Jahres 1972 zur Zulässigkeit des sog. „numerus clausus" an Hochschulen bejahte das Gericht2 angesichts der Tatsache, daß der Staat Leistungen (hier: Studienplätze) anbietet, „ein Recht jedes hochschulreifen Staatsbürgers, an der damit gebotenen Lebenschance prinzipiell gleichberechtigt beteiligt zu werden". Es ging noch weiter und setzte dazu an, „ein(en) objektive(n) sozialstaatliche(n) Verfassungsauftrag zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten für die verschiedenen Studienrichtungen" zu bejahen. Doch mehr geschah nicht, weil die endgültige Bejahung nicht folgte; die Erörterungen des Gerichts besaßen einen rein hypothetischen Charakter3. Es hätte sich dabei um einen unbegrenzten, nämlich nur von der Nachfrage regulierten Leistungsauftrag gehandelt.

1 Der Verfasser hat das schon an anderer Stelle näher ausgeführt: Der Staat 29 (1990), 521 ff., 532 ff. und 528 ff. 2 3

BVerfGE 33,303 ff., 331 ff.

Rittstieg Rn. 128 zu Art 12, siehe auch Rn. 137; a.A. offenkundig v. Brünneck, DÖV 1984,993 ff., 999, und Jach S. 94, 103. Denninger sprach sich unter den gegebenen Umständen für einen objektivrechtlichen Verfassungsauftrag aus, Nachfrage und Angebot in eine vernünftige Relation zu bringen (Staatsrecht 1, S. 161 Fn. 32). Auch Pitschas konnte nicht verstehen, warum immer noch mehr Studienplätze ohne Rücksicht auf den späteren Bedarf geschaffen werden sollten (Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 323, 342); Zweifel auch bei Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 524, und (bezugnehmend auf ihn) Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 17; sehr deutlich insoweit neuerdings auch Manssen Rn. 14 zu Art. 12 Abs. 1 (vergi, weiter Rn. 19).

. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? -

i n u n g 1 9 9

Man mag sich die Konsequenzen beider Aussagen gar nicht ausmalen, zumal es das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ablehnte, womöglich die Bedeutung des Abiturs als des maßgeblichen Zugangsberechtigungsnachweises zu relativieren und dadurch den Widerspruch der „Ungleichbehandlung an sich Gleichberechtigter" aufzulösen4. Der Weg zur Anerkennung der Ungleichheit unterschiedlich befähigter Studienbewerber wäre dann offen, müßte allerdings auch zu fächerspezifischen Eignungsprüfungen führen. Die werden ζ. T. als sehr problematisch gewertet5. Das Gericht nutzte jedenfalls die gewiß schwer zu realisierende und auch hochschulpolitisch bisher kaum durchsetzbare Chance6 nicht, über das Kriterium der „Eignung zum Studium" das Problem des unbegrenzten Anspruchs auf freie Wahl der Ausbildungsstätte nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewissermaßen zu „internalisieren" und damit also normintern zu entschärfen. Es sah den „numerus clausus" sich vielmehr „am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren" bewegen7. Erst anschließend und notgedrungen griff das Gericht auf den Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zurück und billigte gesetzliche Normen, die nach bestimmten Auswahlkriterien - relevant sind Leistungsprinzip, Jahrgangsprinzip, soziale Härtefälle und Ausländerkontingente - die knappen Studienplätze zuweisen8. Es ließ sich in seiner prinzipiellen Haltung jedoch auch nicht daran hindern, daneben den Gesetzgebern in Bund und Ländern sogar die Verletzung des zuvor als denkbar unterstellten Verfassungsauftrags vorzuhalten. Erst vor der Etikettierung dieser Verletzung als „evident" zuckte es zurück, indem es den „Vorbehalt des Möglichen" auf Teilhaberechte erstreckte, „auch soweit (sie) nicht von vornherein auf das jeweils Vorhandene beschränkt sind"9. Es lohnt sich, hier anzuhalten und den Charakter dieses Vorbehaltes näher zu analysieren. Seine oben zitierte höchstrichterliche Beschreibung deutet an sich auf einen „weichen" Vorbehalt hin: Das Bundesverfassungsgericht entwirft eine grundrechtsimmanente Anspruchsreduzierung und bringt zum Ausdruck, daß grundrechtliche Teilhaberechte sich 4 E 33, 303 ff., 338, 344. Das Gericht wiederholte seinen Standpunkt insoweit in BVerfGE 39, 258 ff., 269 f., und sehr deutlich in BVerfGE 43, 291 ff., 313 f. Die prinzipielle Gleichberechtigung hochschulreifer Bewerber betont auch Manssen Rn. 21 zu Art. 12 Abs. 1. 5 Glotz/Faber sehen nicht nur die Gefahr der Bedarfssteuerung über die Qualifikationsbestimmung, sondern eine bloße Verschiebung der ganzen Verteilungsproblematik „nach vorn" bis in die Schule hinein (S. 1371 f., Rn. 9); Schultz sah Schwierigkeiten, die Eignung überhaupt zu belegen (MDR 1973, 106 f., 107). Zur Problematik des Reifezeugnisses siehe BVerfGE 43,291 ff., 320: Prognosewert ungesichert; weiter Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 432ff., 443 f. Zeidler befand demgegenüber, daß der „numerus clausus" nur so lange zu rechtfertigen sei, „wie die bereits auf der Universität befindlichen Minderbegabten laufend und in ... großer Zahl herausgeprüft werden ..." (DÖV 1972,437 ff., 445). 6 Wer als mit den Hochschulinterna nicht Vertrauter z. B. den Leitartikel von Kurt Reumann über »Akademische Wartehallen" (FAZ vom 28.12.1998, S. 1) gelesen hat, muß den Eindruck gewinnen, daß die Politik zumindest nicht begierig ist, an den Universitäten das Leistungsprinzip einzuführen. Siehe dazu auch „Der dritte Arbeitsmarkt" von Konrad Adam (FAZ vom 10.03.1999, S. 49): „Hochschulen ... als Außenstellen der Arbeitsmarktverwaltung"; weiter ist der Kurzbeitrag von Hruschka mit für die hiesigen Verhältnisse deprimierenden „Gedanken zur amerikanischen Juristenausbildung" zu nennen (JZ 1999,455 ff., 457). 7

BVerfGE 33,303 ff., 333; 43,291 ff, 314; 66,155 ff, 178.

8

BVerfGE 33,303 ff, 336 ff, 344 ff.

9

BVerfGE 33, 303 ff, 333 ff Breuer (Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 76) wertet das als Rückzug „auf (eine) pragmatische Linie".

200

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

eo ipso an die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit anpassen müssen, die Konkurrenz mit anderen Ansprüchen an das Sozialprodukt zu bestehen haben und „ein unbegrenztes subjektives Anspruchsdenken" gerade nicht zulassen. Bei einem derartigen leistungsrechtlichen Verständnis - hier: des Art. 12 Abs. 1 GG - entstünde die Homogenität von Rechts- und Finanzstaat gänzlich problemlos, gleichsam wie nebenher. Aber die besagte Urteilspassage war eben nur ein gedanklicher Vorgriff auf die „Idee" eines Teilhaberechts, eine reine Hypothese, deren Umsetzung in die Wirklichkeit das Gericht, von einer Wiederholung abgesehen, seitdem aus dem Wege gegangen ist. Die grundrechtsimmanente Anspruchsreduzierung verblieb folglich im Status der Virtualität und ist, bei Lichte besehen, in die oben aufgeführten drei Vorbehaltskategorien daher auch nicht einzuordnen. Doch selbst die Hypothese eines verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Studienplatzerweiterung bedeutete ein „Warnsignal" an die Adresse der Parlamente10, welches ihnen gleichsam eine Nachfrist eröffnete. Im Grunde war die Drohung mit dem bislang nur hypothetischen Verfassungsauftrag riskant,weil (wenigstens bei der Erziehung von Kindern) der Satz gilt, daß man nur mit realisierbaren Drohungen arbeiten sollte. An anderer Stelle hat das Gericht übrigens erläutert, weshalb es über „nicht evidente" Verfassungsverletzungen hinwegsieht: Es ist „regelmäßig eine höchst komplexe Frage ..., wie eine positive staatliche Schutz- und Handlungspflicht... zu verwirklichen ist". Die Entscheidung hierüber obliege grundsätzlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber11. Kurz nach der Einführung des „Vorbehaltes des Möglichen" verschob das Gericht jedoch die Akzente und stellte das zuvor genannte Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium wie selbstverständlich auch unter diesen Vorbehalt12. Es schwenkte offenbar stillschweigend von einem originären Teilhaberecht auf die ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen um zu einem bloß derivativen Teilhaberecht auf die (oder: an den) vorhandenen (nicht erweiterbaren) Ausbildungsplätze(n)13. In diesem Zusammenhang bedeutet der „Vorbehalt 10 Jörg P. Müller S. 209; Häberle (DÖV 1972, 729 ff., 732) sprach von „Warnschüssen". Nach Schuppert hat das Gericht auf diese Weise „normativen Druck" erzeugt, um den Staat zu einer Verbesserung der „numerus clausus"-Situation zu drängen (Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 25; ders., Der Zugang zu den Universitäten, S. 574); ähnlich Becker/Hauck, NVwZ 1983, 77 ff, 79. 11

BVerfGE 56, 54 ff, 81 (Fluglärmbekämpfung).

12

So schon BVerfGE 33,303 ff, 336; vor allem aber BVerfGE 43,291 ff, 314. Brehm/Zimmerling (Wissenschaftsrecht 33 (2000), 22 ff, 40) sehen wohlrichtig, daß der „Vorbehalt des Möglichen" dogmatisch gesehen nicht das derivative Teilhaberecht, sondern das originäre betrifft, genauer gesagt: betreffen sollte. Das Gericht hat aber nun einmal diesen „Schwenk" gemacht... 13 Abelein (S. 21) stellte sogar fest, daß der Unterschied zwischen dem originären und dem derivativen Teilhaberecht praktisch in sich zusammengefallen sei. Scholz (Rn. 63 zu Art. 12, S. 61) unterscheidet jedenfalls die beiden unterschiedlich ausgestalteten Gewährleistungsbereiche. Alexy sieht (in BVerfGE 43,291 ff. noch „deutlicher") die Unterscheidung zwischen einem abstrakten, verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium, das unter dem Vorbehalt des Möglichen steht, und einem konkreten einklagbaren Individualanspruch auf Erweiterung der Ausbildungskapazitäten (Theorie der Grundrechte, S. 400). Starck (Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 523) betonte dagegen auch das Schwanken der ersten Entscheidung und die mangelnde Vorgabe von Kriterien für den Gesetzgeber besonders; vergi, weiter dens., Entwicklung der Grundrechte in Deutschland, S. 160: „... einige zweideutige Sentenzen".

. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? -

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des Möglichen" nicht mehr als die semantische Übertragung des Begriffspaares „Teilhaberecht - Vorbehalt" auf die Regelungskombination von „Recht - Einschränkung" in Art. 12 Abs. 1 GG. Auf den ersten Blick verwundert diese Konstruktion, da doch an sich das „Vorhandene" ohnehin auch „möglich" ist. Die Kapazität eines universitären Fachbereichs ist aber je nach Interessenlage unterschiedlich zu sehen, daher autoritativ zu bestimmen und folglich normativ festzulegen 14. Um im Interesse der Studienbewerber die Kapazitäten wirklich auszuschöpfen, macht es demnach einen guten Sinn, selbst den derivativen Zulassungsanspruch als im Prinzip unbedingtes, aber einschränkbares Recht zu konstruieren 15. Insoweit hat die Einschaltung des „Vorbehaltes des Möglichen" in diesem Zusammenhang durchaus einen selbständigen dogmatischen Zweck. Irritierend bleibt jedoch, daß er gänzlich unterschiedlich eingesetzt wurde, nämlich einmal beim hypothetischen Verfassungsauftrag auf Kapazitätserweiterung, sodann beim derivativen Zulassungsanspruch. Die zwangsläufige Diskrepanz zwischen Idee und Wirklichkeit muß insoweit zu erheblichen Regelungsunklarheiten führen: Den andiskutierten „Verfassungsauftrag" ließ das Gericht ohne weitere große Debatte offen 16, hielt auch kapazitätsverbessernde Maßnahmen weiterhin für notwendig17. Die sich für ihn aus der Haushaltswirtschaft ergebenen Schranken sind aber, ebenso wie letztlich der „numerus clausus" selbst, trotz der eben durchgeführten knappen Einzelanalysen im Ergebnis nicht sachimmanent entwickelt, sondern „von außen" - wenn nicht an ein Leistungsgrundrecht, so doch - an das umfassend erörterte mögliche Postulat eines Leistungsgrundrechts herangetragen worden18. Denn wohl hatte das Bundesverfassungsgericht mit dem Entwurf eines von den verfügbaren Haushaltsmitteln bereits in sich begrenzten 14

So schon BVerfGE 33,303 ff., 340.

15

So vor allem Schuppert, Der Zugang zu den Universitäten, S. 571 ff.; ders., Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 25; vergi, weiter Jarass Rn. 59 a zu Art. 12 (Art. 12 Abs. 1 geht insoweit über die Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 hinaus); ähnlich auch schon Beckerl Hauck, NVwZ 1983, 77 ff., 79 f.; weitere Belege unten im 12. Kapitel in Fn. 70. Für nicht erforderlich halten diese Konstruktion Heintschel von Heinegg/Haltern, JA 27 (1995), 333 ff., 338; Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 80. Starck kommentiert: Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht „den Hochschulen das alles beherrschende Kapazitätsrecht beschert und die Studentenstatistik zum wichtigsten Merkmal für die Zuteilung von Stellen und Geld befördert" (Über Auslegung und Wirkungen der Grundrechte, S. 23). 16

BVerfGE 43,291 ff., 315.

17

E 43,291 ff., 326. Wenn es heißt, daß das Gericht in der Folgezeit schon die Fragestellung vermieden habe {Dreier Rn. 51 Vorbemerkungen), so wird zumindest diese Entscheidung übersehen. Auch Bieback hält nur das erste „numerus clausus"-Urteil für relevant (EuGRZ 1985, 657 ff., 664). 18 v. Mutius (Verwaltungsarchiv 64 (1973), 183 ff., 192 f.) spricht von den „Bemühungen des BVerfG, den in der Einräumung originärer »Teilhaberechte* verborgenen ,Sprengstoff gleichsam unter Verschluß zu halten". Ich würde diese Rechtsprechung daher insgesamt gesehen auch nicht als „zurückhaltend" (Pieroth/Schlink Rn. 98) oder „sehr vorsichtig" (Rüfrer, Grundrechtliche Leistungsansprüche, S. 385 f.) einstufen. Böckenförde äußerte sich insoweit seinerseits sehr zurückhaltend (Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, S. 13): „... zwar nicht leichten Herzens, aber dennoch unvermeidlich" erkennt das BVerfG ein Strukturproblem sozialer Grundrechte an; und Haverkate (S. 91) leitet die „bis heute unabsehbaren Folgewirkungen" jedenfalls nicht auf den „kühnen" Teil der überschießenden Begründung zurück. Dazu aber unten der Abschnitt 2.

202

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Teilhaberechts auf Erweiterung der Studienplatzkapazitäten bei evidenter Verletzung des einschlägigen Verfassungsauftrages eine immanente, nämlich von den Finanzmitteln bestimmte Begrenzung eben dieses Teilhaberechts durchaus ins Auge gefaßt. Mit der Verneinung der „Evidenz" entfiel jedoch auch dieser Anspruch, blieb Hypothese, und im verbleibenden, wahrlich nicht geringen Raum der nicht evidenten, dafür jedenfalls höchst realen Auftragsverletzung herrschte gewiß nicht willkürlich, aber politik- und finanzbestimmt der Rotstift. Wohl kaum liegt der Grund darin, daß nicht Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG allein das zunächst fast unbedingte Zutrittsrecht zur Hochschule gewährleistet, sondern nur in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht wollte, konnte und mußte in diesen Grenzbereichen zwischen Fiktion und wirklichem Recht Inhalt und Grenzen deutlich trennen19, also die Homogenität von Recht und finanzierbarer Kapazität jedenfalls nach vorläufiger Zurückstellung seiner Hypothese nicht anstreben. b) Anspruch des Trägers einer privaten Ersatzschule auf Förderung Insgesamt widersprüchlich und wechselhaft ist die Rechtsprechung der obersten Gerichte zur angeblich verfassungsrechtlich sanktionierten Privatschulförderung. Eine zusätzliche Erschwerung der Übersichtlichkeit tritt dadurch ein, daß sich Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht gewissermaßen „die Bälle zuwerfen". Der in der Literatur schon längere Zeit brodelnde Streit über die staatliche Förderpflicht erfuhr in den sechziger Jahren zunächst eine autoritative Entscheidung in Gestalt zweier ursprünglich und nachhaltig heftig umstrittener, in der Begründung schwankender Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, das erst einen Subventionsanspruch des Ersatzschulträgers nicht verneinte und dann bejahte20. Für längere Zeit hielt das Gericht an dieser Linie fest und sprach unter bestimmten Voraussetzungen, alllerdings aus nicht immer einheitlichen Gründen, den Trägern privater Ersatzschulen einen Subventionsanspruch zu 21 . In den achtziger Jahren war ein „Kurswechsel"22 zu beobachten: Das Bundesverwaltungsgericht „verobjektivierte" seine Rechtsprechung und reduzierte unter Leugnung einer Bestandsgarantie für die einzelne private Ersatzschule deren verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch vorerst auf die staatliche Finanzhilfe, die zur Erhaltung des privaten Ersatzschulwesens als Institution erforderlich ist 23 . Später führte das Gericht die „Objektivierung" fort und verschob die Grundlage des Förderanspruchs vom verfassungsunmit19

Insofern ganz anders Häberle, DÖV 1972,729 ff., 732.

20

Die bahnbrechenden Entscheidungen waren BVerwGE 23,347 ff, und 27,360 ff. Der Verfasser hatte die ursprüngliche Streitlage ausführlich dargestellt (Grundrechte - Rechte auf Leistungen? S. 35 ff.) und beschränkt sich insofern auf eine Verweisung. 21 Zu verweisen ist in der Sammlung Buchholz noch auf folgende Urteile und Beschlüsse zu Art. 7 Abs. 4 GG: Nr. 6, Nr. 8 (Urteile), Nr. 15 (Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde des Trägers), Nr. 17 (Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde des Staates) und Nr. 21 (Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde des Trägers). 22

Eiselt, DÖV 1987, 557 ff, 559.

23

BVerwGE 70, 290 ff, 292; 74, 134 ff, 136.

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telbaren, also direkt auf Art. 7 Abs. 4 GG gestützten Leistungsanspruch des Ersatzschulträgers auf das jeweilige Leistungsgesetz des Landes, „das seinerseits daran zu messen ist, was an staatlicher Hilfe zur Erhaltung der Institution des Ersatzschulwesens erforderlich ist" 24 . Doch die Objektivierung wird nicht bis zum vollen Maßgabevorbehalt des Leistungsgesetzes und damit zur Minderung der Position des Ersatzschulträgers auf die Betroffenheit durch einen bloßen Rechtsreflex getrieben: „Für die auch dem Grundrechtsinhaber des Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistete Existenzfahigkeit des Ersatzschulwesens hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen. An ihn ist der Auftrag der Verfassung gerichtet, das Ersatzschulwesen durch fordernde Regelungen abzusichern, wenn anderenfalls dessen Bestand als Institution evident gefährdet wäre ..." 2 5 . Bei Verfassungswidrigkeit des Leistungsgesetzes, d. h. bei seinemfinanziellen Ungenügen, bleibt immer noch der Leistungsanspruch nach Maßgabe eines verfassungsgemäßen künftigen Leistungsgesetzes. Er kann ggf. auf dem Verwaltungsrechtsweg mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts (auf dem Weg der Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG) erzwungen werden26. Mit Urteil vom 08.04.1987, das vor der zuletzt genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging, schaltete sich auch noch das Bundesverfassungsgericht ein. Es reduzierte die staatliche Handlungs- und Hilfspflicht in vergleichbarer Weise auf den Fall, daß ohnefinanzielle Unterstützung „der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre", und dabei auf „einen Beitrag bis zur Höhe (des) Existenzminimums der Institution"27. Die weiteren Aussagen lassen immerhin erkennen, daß doch praktisch jeder private Ersatzschulträger den Staat um Hilfe angehen darf, denn das Gericht verweilte bei der Bedürftigkeit der privaten Ersatzschulen, ja zusätzlich bei der „konkreten Hilfsbedürftigkeit jedes einzelnen privaten Schulträgers" 28. Es hatte in dem anhängigen Normenkontrollverfahren allerdings keinen Anlaß, sich insoweit festzulegen. Das holte es in einem Beschluß vom 09.03.1994 nach, demzufolge sich aus Art. 7 Abs. 4 ein Anspruch auf Förderung von Ersatzschulen ergeben kann. Hier argumentiert das Gericht wieder stärker grundrechtlich, wenn es die Pflicht des Staates zur Vorsorge dagegen hervorhebt, daß das Grundrecht des Art. 7 Abs. 4 wegen der darin enthaltenen Anforderungen praktisch kaum noch wahrgenommen wird 29 . Wie zuletzt das Bundesverwaltungsgericht verneinte es dort jedoch einen verfassungsunmittelbaren Anspruch aus dem Artikel und verfolgte diesen Ansatz ebenfalls konsequent: Der gerichtliche Rechtsschutz bezieht sich unter diesen Umständen auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung oder eines ersatzlosen Abbaues getroffener Maßnahmen von Seiten des Gesetzgebers, kurz: auf die 24

BVerwGE 79,154 ff., 155.

25

BVerwGE 79,154 ff., 156.

26

BVerwGE 79,154 ff., 157; vergi, auch Langer NJW 1990,1328 ff., 1331.

27

BVerfGE 75,40 ff., 62 ff., 67,68.

28

E 75,40 ff., 67 f. Wie hier im Ergebnis auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 803 mit Fn. 253 (gegen Eiselt, DÖV 1987, 557 ff, 561), siehe auch S. 982; a. A. offenbar Robbers Rn. 217 zu Art. 7 Abs. 4: „Eine staatliche Handlungspflicht entsteht nicht schon, wenn einzelne konkrete Privatschulen in ihrer Existenz gefährdet sind ...". 29 BVerfGE 90,107 ff, LS 1,114 f. Zu den unterschiedlichen Akzenten in den höchstrichterlichen Begründungen vergi. Schmitt-Kammler Rn. 64 (mit den Fußnoten 187 und 188) zu Art. 7. In ihren Konsequenzen ist die vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene „Wahrnehmungsgarantie" von der „institutionellen" so weit aber nicht entfernt; siehe auch unten Fn. 31.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Feststellung der Verfassungswidrigkeit der bestehenden gesetzlichen Regelung; über die Abhilfe des Verfassungsverstoßes hat der Gesetzgeber zu entscheiden30. Danach kann, im Ergebnis kaum anderes als oben, nur noch das Bundesverfassungsgericht nach Einlegung einer Verfassungsbeschwerde helfen 31. Die verfassungsrechtliche Begründung des - nach Höhe und exaktem Inhalt wie auch immer ausformulierten - angeblichen Subventionsanspruches wird am gegebenen Ort unten untersucht werden. Zu seiner Reduzierung auf die „Institutsgewährleistung" nach der nunmehr vereinten höchstrichterlichen Rechtsprechung darf aber bereits jetzt dreierlei vermerkt werden: - Die unklare Kombination von objektiver Gewährleistung und subjektivem Individualrecht bei überdies ungewissem Garantieadressaten (zumindest in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts) und ungewisser Förderungshöhe verursacht erhebliches Unbehagen. Dieses rührt nicht nur von der schwierigen Konstruktion her, sondern besteht auch deshalb, weil objektives Interesse am Erhalt eines „Grundbestandes" an privaten Ersatzschulen und subjektives Interesse am Erhalt der konkreten eigenen Schule sich keineswegs zu decken brauchen32. Zweifellos ist Art. 7 Abs. 4 GG ein - in der Reichweite allerdings noch unklares - Grundrecht des einzelnen potentiellen Ersatzschulträgers. Das folgt eindeutig aus seinem Satz 1, während die folgenden Sätze sich nur mit den verwaltungsrechtlichen Genehmigungen für private Ersatzschulen und ihren Voraussetzungen befassen. Was danach einem privaten Ersatzschulträger im Ergebnis nicht zusteht, kann einer ephemeren „Institution" erst recht nicht zukommen. Denn ohne diesen grundrechtlichen „Aufhänger" ist jede Institutionenkonstruktion freischwebend und damit der interpretatorischen Beliebigkeit überlassen33.

30

BVerfGE 90, 107 ff., 117.

31

So Jeand'Heur, Methodische Analyse, S. 107; Friedrich Müller, Das Recht der Freien Schule, S. 433; ders., Die Positivität der Grundrechte, S. 125; Müller/Pieroth/Fohmann S. 172. Wenn Jeand'Heur an anderer Stelle diesen subjektivrechtlichen Ansatz gegenüber dem objektiv-institutionellen des Bundesverwaltungsgerichts hervorhebt (JZ 1995, 161 ff, 165), so ist im Ergebnis, d. h. beim Rechtsschutz, letztlich kein Unterschied wahrzunehmen. 32 Vergi, hierzu Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung (§ 113), Rn. 46 (betont den individualrechtlichen Grundrechtscharakter); Eiselt, DÖV 1987, 557 ff., 559 f. (unglückliche Vermischung ganz unterschiedlicher Prinzipien); Grämlich, JuS 1985, 607 ff., 609 f. (individueller Leistungsanspruch mit institutioneller Gewährleistung kaum vereinbar; dem Individium nützt die Nutzung des Grundrechts durch andere nichts); Jeand'Heur, JZ 1995, 161 ff., 165 („grundrechtsdogmatisch ... unbefriedigend"); Langer, NJW 1990,1328 ff., 1332ff. (ähnlich wie Grämlich; Identität von partikularem und allgemeinem Interesse entspricht weder der Wirklichkeit noch ist es verfassungsrechtlich zu fordern); Schlink, EuGRZ 1984, 457 ff, 466 (wenn es auch zu weit gehen mag, jedem Einzelnen zu helfen, so sind doch nur dem Einzelnen Grundrechte eingeräumt); Johann Peter Vogel, Gesetzgebung der Länder und Stand der Debatte, S. 19 („Das Privatschulwesen" ist keine Institution, sondern die Summe der Privatschulen); ders., DVB1.1985,1214 ff, 1216. Hund bemerkt, daß sich der Entscheidung BVerfGE 75,40ff. nicht entnehmen läßt, „wie das Bundesverfassungsgericht den festgestellten Schutz- und Handlungsauftrag an den Gesetzgeber grundrechtsdogmatisch einordnet" (S. 1455, auch S. 1456). 33 Dazu sehr deutlich Bethge, WDStRL 57 (1997), 7 ff, 16: „Die Vorstellung einer Entindividualisierung der Grundrechte ist widersinning. Es gibt keine apersonalen Grundrechte". Zustimmend Tettinger (a.a.O. Aussprache 105); vergi, auch Schmitt-Kammler Rn. 64 Fn. 187: Das Bundesverwaltungsgericht

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- Wenn demnach die Auslegung der in Frage stehenden Norm keinen individualrechtlichen Förder-, Subventions- oder Unterstützungsanspruch ergeben sollte, ist auch der Weg zu den Ergebnissen der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung versperrt. Sehr wohl haben Wissenschaft und Rechtsprechung, wie noch zu zeigen sein wird, aus der verfassungsrechtlichen Absicherung von Institutionen bestimmte Individualrechte von Institutionsmitgliedern abgeleitet. Der umgekehrte Weg ist jedoch nicht möglich; es stellt vielmehr reine Begriffsjurisprudenz dar, im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 „das Privatschulwesen" gewährleistet zu sehen und daraus gewisse Förderansprüche der konkret-hypothetischen Bestandteile dieser „Einrichtung" herzuleiten, deren nachweisbare Existenz wie bei der „Reise nach Jerusalem" alles und nichts zugleich bedeutet34. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Grundrechtsdogmatik, in das individualrechtliche „alles oder nichts" (was, wohlgemerkt, derzeit in forderrechtlicher Hinsicht immer noch dahinsteht) sozusagen „ein bißchen für die Institution" konstitutiv einzuschieben. Hier muß die Dogmatik es halten wie mit der Schwangerschaft ... Dem Bundesverfassungsgericht ist vorsorglich zugutezuhalten, daß es auf eine festgefügte Gesetzgebungs- und Rechtsprechungspraxis stieß, die zumal in Anbetracht des investierten Vertrauens so leicht nicht umzustoßen ist. - Wenn ein Individualanspruch des einzelnen Schulträgers dagegen existieren sollte, wäre seine eben skizzierte Reduktion auf den für die Erhaltung der Institution „Privatschulwesen" erforderlichen zahlenmäßigen Bestand mehr als zweifelhaft und seine Senkung auf die Höhe des „Existenzminimums der Institution" problematisch genug. Letztere ließe sich womöglich rechtfertigen als eine grundrechtsimmanente Schranke für etwa ausufernde Kosten, als eine norminterne - oder auch „internalisierte" - Sparmaßnahme gewissermaßen35. Doch weitere Probleme würden sich daran anschließen: Wenn der Staat „nur verpflichtet" ist, „einen Beitrag bis zur Höhe dieses Existenzminimums der

läßt die Beweisführung für die Instituts-Gefährdung im Einzelfall offen. Unklar bleibt auch die Haltung von Jach, der bei Beschränkung auf die „Existenzsicherung des Ersatzschulwesens" - und nicht einzelner Schulträger - (S. 77 ff, 79), bei Ablehnung einer „liberal-privatistischen Grundrechtssicht" (bezogen auf die Eigenleistungspflicht des Schulträgers, S. 85) und unter Verneinung eines subjektiven, einklagbaren Zuschußanspruches des einzelnen Schulträgers (S. 96) doch eine aus Art. 7 Abs. 4 GG entwickelte „sozialstaatliche Einstandspflicht" erkennt, „die es prinzipiell allen Eltern ermöglicht, bei Aufbringung eines angemessenen Schulgeldes eine Schule infreier Trägerschaft zu gründen und zu nutzen" (S. 87, siehe auch S. 102). 34 So aber Bernhard, DVB1. 1983,299 ff, 302 f. (mit großen Schwierigkeiten, allein die Privatschulgarantie zwischen Institutsgarantien und institutionellen Garantien einzuordnen); Kloepfer/Meßerschmidt, DVB1. 1983,193 ff, 199 (im Ergebnis und nach Überwindung einiger Bedenken); Jeand'Heur, Methodische Analyse, S. 87 (spielt den institutionellen Gesichtspunkt herunter); letztlich auch Grämlich, JuS 1985, 607 ff, 609. Die Unklarheit darüber, ob der individualrechtliche Gehalt des Art. 7 Abs. 4 von seinem objektiven abzuleiten ist oder umgekehrt, wird auch aus der Übersicht von Hund deutlich (S. 1451 ff). 35 So wohl i. E. Gröschner Rn. 104 zu Art. 7: „Handlungspflichten ergeben sich erst bei einer Gefahr für den Bestand des Ersatzschulwesens als Institution", bis zur Höhe des „Existenzminimums" und unter dem Vorbehalt des Möglichen. Eine Maßnahme zur Abwendung unabsehbarer finanzieller Folgen sah auch Kratzmann (Der Staat 29 (1990), 521 ff, 528 f.); ebenfalls offenbar Lübbe-Wolffunten 10. Kapitel zu Fn. 66. Jeand'Heur bemerkt dagegen eine „Dimensionserweiterung" (JZ 1995,161 ff, 165). Möglicherweise deutet ein Kammerbeschluß des BVerfG (1 BvL 27/96), der die Eigenleistungspflicht des Schulträgers erweitert, in diese Richtung; dazu kritisch Jach S. 81 ff.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Institution zu leisten"36, wird der Haushaltsplaner das Geheimnis lüften müssen, wie er im Vorwege die institutionserhaltende Förderung ermitteln soll37. Sie ergibt sich von der Logik her allenfalls aus der ex post-Sicht, sofern man auf den Status quo schaut. Die normative kostenmäßige Erfassung eines im Grunde abstrakten Begriffs kann also nur eine staunenswerte Leistung sein. Aber mit dem Vorstehenden ist das Bundesverfassungsgericht noch nicht ans Ende gelangt. Denn dann folgt in einem weiteren Begründungsschritt wieder in etwas kürzerer Form die bekannte, hier zusätzliche reservatio: „Über diese Beschränkungen hinaus steht die Förderungspflicht von vornherein unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann ..." Sie wird ausgestaltet durch eine ausdrückliche Einladung an den Gesetzgeber: „So darf er etwa bei notwendigen allgemeinen Kürzungen den Gesamtetat für das öffentliche und private Schulwesen herabsetzen .. ." 3 8 . Eindeutiger kann diese sehr allgemeine, rein haushalts wirtschaftliche, also nicht schulspezifische Begrenzung der staatlichen Unterstützungspflicht wohl nicht betont werden, die sich um eine schon im Ansatz entwickelte Homogenität von Grundrecht und staatlicher Leistungsfähigkeit nicht bemüht. Hier hat der Vorbehalt unverfälscht die „harte" Qualität, auf welche immer zurückgegriffen wird, wenn ein an sich begründeter, aber nicht mehr finanzierbarer grundrechtlicher Leistungsanspruch reduziert werden muß. Es ist bei genauem Hinsehen sogar ein sehr „ruppiger" Vorbehalt, weil er nach dem Ziel der Förderung, der Erhaltung „des" Ersatzschulwesens, im Grunde gar nicht mehr fragt.

2. Homogenitätskomponenten Allein dieser schmale, aber bedeutungsvolle Ausschnitt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema „Grundrechte und Finanzen" läßt bereits die bunte Vielfalt der Theorien und Instrumente erkennen, die zu seiner Bewältigung aufgeboten werden: Hypothetische, weit ausgreifende Spekulation, die nicht realisiert wird, steht neben dogmatischrigiderer Textinterpretation, die jedoch auch noch sehr „teuer" ist; Möglichkeiten der Anspruchsreduktion, die nicht genutzt werden, tauchen neben dogmatisch fragwürdigeren Eingrenzungsbemühungen auf (hier: Schaffung der Institution „Privatschulwesen"); die Heranziehung eines dogmatisch nur vorsorglich gedachten grundrechtsimmanenten „Vorbehaltes des Möglichen" erfolgt ohne begriffliche Differenzierung neben seiner Nutzung als „Schranke" in der seit langem ausgereiften Schrankensystematik des Art. 12 Abs. 1 GG. Dabei steht der „aus dem Hut gezauberte" Vorbehalt dem hypothetischen Verfassungsauftrag zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten, den er gleichsam „auf 36

BVerfGE 75,40 ff, 68.

37

Auf diese Frage weisen hin Coons, DVB1. 1986, 386 ff, 393, 396 (der dabei allerdings an den kontrollierenden Richter denkt), und Eiselt, DÖV 1987, 557 ff, 560. Denninger will den staatlichen „Schülerkopfsatz" heranziehen (Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung (§ 113), Rn. 46). 38

BVerfGE 75,40 ff, 68 f.; 90,107 ff, 116 f.; Robbers Rn. 217 zu Art. 7 Abs. 4. Im Prinzip unterscheiden sich diese Vorschläge nicht von der im 5. Kapitel (Fn. 85) aufgezeigten „Lösung". Konsequent ist demgegenüber Jach, wenn er in Anbetracht einer speziellen Schutz- und Förderungspflicht des Staates gegenüber dem Ersatzschulwesen dem „Vorbehalt des Möglichen" nur eine begrenzte Geltung zumißt (S. 93 ff, 96 f., 98 f., 102 f.).

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die Erde zurückholen" soll, weitaus näher als der fast rüde zu nennende Sparvorbehalt dem mühsam entwickelten Subventionsanspruch des Privatschulträgers, den er teilweise zunichte macht. In diesem wenig geordneten Umfeld ist die schon öfters angekündigte Homogenität des Grundgesetzes und seiner Bestandteile in haushaltswirtschaftlicher Hinsicht zu erarbeiten - bei der Ermittlung des Inhalts einzelner Grundrechtsnormen ebenso wie danach, wenn es ggf. gilt, nicht einheitliche oder sogar widersprüchliche Teile des Grundgesetzes finanziell kompatibel zu machen. In beiden Stadien stehen sich eine mehr oder weniger üppige Grundrechtsinterpretation hier und der Wille des Parlaments zur Sparsamkeit oder jedenfalls zur alleinigen Kontrolle über die Finanzmittel dort gegenüber. Sie zerren aneinander - und um den Vorrang bei der Letztentscheidung.

3. Mögliche Bedeutung der Kreditsperre für die allgemeine leistungsrechtliche Interpretation der Grundrechte a) Die leistungsrechtliche Wirkung von Hypothesen Schon vor der Exegese einschlägiger Grundrechtsartikel muß der Verdacht auftauchen, daß selbst das dogmatisch nicht abgesicherte weite Ausgreifen in den Leistungscharakter der Grundrechte noch nach dem Verzicht auf weitere Verfolgung Wirkungen gezeitigt hat. Bloß andeutungsweise hieß es dazu bei Erichsen39: „Wenn auch die von utopischen Vorstellungen hinsichtlich derfinanziellen Ressourcen des Staates gespeiste Theorie der Herleitung originärer Teilhaberechte aus den Grundrechtsnormen sich aus verschiedenen Gründen nicht hat durchsetzen können, so wurde doch inzwischen die Grundrechtserheblichkeit staatlicher Leistung ... erkannt und auch der objektiv-rechtliche Steuerungsgehalt der Grundnormen ... für die Bewältigung leistungsstaatlicher Fragestellungen fruchtbar gemacht". Etwas deutlicher wurde Ossenbühl, demzufolge das Bundesverfassungsgericht „durch im letzten Augenblick eingebaute Bremsen" nicht die abschüssige Bahn hinabglitt 40 . Ein gutes Stück ist es aber wohl doch herabgerutscht. Denn auch wenn unser oberstes Gericht zögerte, den letzten Schritt zu tun, steht mit Blick auf die gewaltig gestiegenen Studentenzahlen fest, daß die „numerus clausus"-Entscheidung das Grundrecht der freien Wahl der Ausbildungsstätte offenkundig in einem erheblichen Ausmaß Wirklichkeit werden ließ - leistungsstaatliche „Wirklichkeit", die vom Gericht mitgestaltet und von der es zugleich bei der Gestaltung mitgetragen wurde41. Politische Kausalbezüge sind stets schwer nachweisbar, aber es ist plausibel, daß die Forcierung des (derivativen) Zugangsrechts und die Androhung eines (originären) Vefassungsauftrags ihren Beitrag zur Veränderung der Hochschullandschaft leisteten. Durch den - ziemlich späten - Rückgriff auf den „Vorbehalt des Möglichen" zündete das Gericht wie bei einer mehrstufigen Rakete nur den letzten Treibsatz nicht; ab ging die Rakete gleichwohl. Auch wenn keineswegs alle Wünsche erfüllt 39

DVB1. 1983,289 ff., 293.

40

NJW 1976,2100 ff., 2104.

41 Es ist auch die „Wirklichkeit", auf die Häberle immer wieder zurückkommt, vergi, erstmals WDStRL 30 (1971), 43 ff., 45 ff., LS 19(6), 20. Weiter dazu unten.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

wurden und werden an den immer weniger „paradiesischen" Hochschulen, ist sie immerhin ziemlich weit geflogen. Das war nicht zuletzt das Werk des Bundesverfassungsgerichts und sollte es ja bewußt auch sein42. b) Zweck einer Budgetrestriktion - Auswirkungen auf den „Vorbehalt des Möglichen" Nach der Verabschiedung von der Kreditaufnahme und ihrer Ersetzung durch das Gebot an jede Generation, sich in finanzieller Hinsicht auf das Ihre zu beschränken, ist zudem die Frage der Budgetrestriktion auch für Grundrechte unweigerlich gestellt, sofern sie nach der unvermeidlichen Reduzierung aller Kreditspielräume nicht schon vorher de facto brisant geworden war. Bisher lag bei relativem Reichtum, offenem Kreditrahmen und einer Leerformel in sachlicher Hinsicht, dem „Vorbehalt des Möglichen", eine rigide Grenze etwaiger Leistungsansprüche im Grunde nicht fest. Mit der verfassungsrechtlichen Einschränkung des Finanzrahmens ändert sich zumindest die äußere Grenze des „Möglichen". Auf dem Kreditwege gewonnene Finanzmittel stehen nicht mehr zur Verfügung und müssen bei der inhaltlichen Festlegung der verfügbaren staatlichen Finanzkraft in allen Varianten des einschlägigen Vorbehaltes fortan weggedacht werden. Wird also die Gerechtigkeit zwischen den Generationen zur Grundnorm der Finanzverfassung erhoben und damit bestimmt, daß keine Generation auf Kosten der nächsten leben darf, liegt bei allem Vorrangsgezerre die Einbeziehung der Grundrechtsnutzung in diese Selbstbescheidung zumindest nahe: Niemand soll seine Grundrechte auf Kosten der Zukunft „ausleben" dürfen 43. Damit muß gleichwohl keineswegs alles gesagt sein. Theoretisch ist nämlich sogar bei der Reduzierung des Finanzrahmens eine Schonung grundrechtlicher Leistungsansprüche dergestalt denkbar, daß sich die Minderung des Budgetvolumens allein auf die nicht grundrechtsbewehrten Ansprüche und sonstigen Staatsausgaben auswirkt. Das muß für etwaige verbindliche Leistungsrechte ebenso gelten wie - eigentlich: erst recht - für „Leistungshypothesen". Deren - pauschal gesagt - proportionale Kürzungen müßten dann ggf. durch andere Verfassungsnormen bzw. -grundsätze erzwungen werden. Folglich kann bis hierher jedenfalls nur gelten, was bereits im Untertitel angedeutet worden ist: Die Budgetrestriktion ist vorerst nicht mehr als ein Regulativ bei der Bestimmung der Reichweite des „Vorbehaltes des Möglichen" bei Leistungsgrundrechten. Nachhaltige Auswirkungen erzwingt sie allein nicht. c) „Geländegewinne" dieser Interpretation Die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ganz vorsichtig hier und da einsetzenden, ebenfalls mit dem Beginn der siebziger Jahre - war es Zufall? - sich machtvoll verstärkenden Tendenzen zur leistungsrechtlichen Umdeutung mehrerer unserer i. d. R. traditio42 43

Vergi, oben Fn. 10.

Rabushka (S. 194) in bezug auf die automatisch wachsenden Sozialausgaben und -ansprüche: „An amendment prohibiting deficits would create a strong incentive to bring these ,uncontrollables' under control"; siehe auch Kettl S. 155.

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nellen, zur Abwehr von Staatsübergriffen bestimmten Grundrechte haben zwischenzeitlich ihren Höhepunkt überschritten und sich eher „nach rückwärts" konsolidiert. Doch mit der Konsolidierung haben sie den Ausgangspunkt allemal hinter sich gelassen. Das gilt ζ. B. für die eben skizzierte Privatschulsubventionierung. Bei allen finanziellen Rückzugsbewegungen besitzen Privatschulen doch einen rechtlich-materiellen Status, von dem man 1948/49 gewiß nicht einmal träumte. Der weite Vorstoß des Bundesverfassungsgerichts in Richtung auf den anforderungsgerechten Ausbau von Studienplätzen ist gewiß bald danach nicht wiederholt worden. Aber selbst er darf, wie gezeigt, keineswegs als bloße Rekognoszierung im verfassungsrechtlichen Vorfeld abgetan werden und damit als erledigt gelten; dazu ist die hochschulpolitische Situation wohl auch wieder einmal zu brisant. Das vom Bundesverfassungsgericht durch sein Drängen auf Kapazitätserweiterung gleichsam verfassungsrechtlich legitimierte „Studienplatzanspruchsdenken" hat in der Hochschulwirklichkeit bis heute tiefgreifende Spuren hinterlassen. Der angedachte Verfassungsaufirag war eben insoweit letztlich mehr als eine bloße Hypothese; das erwiese sich nach seiner Rücknahme spätestens bei der eigentlichen „Folgenbeseitigung". Denn mit der Annullierung wäre es nicht getan; es müßten auch studienplatzwirksam Kapazitäten abgebaut werden, was - Realisierbarkeit unterstellt - rechnerisch erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen und ein beträchtliches Sparpotential offenlegen dürfte. Doch auf der anderen Seite könnten selbst das Abbauen und Rechnen nicht alles sein. Gegebenenfalls ist nämlich bei einer restriktiven Interpretation des Art. 12 Abs. 1 GG nicht nur die Feststellung des fast (aber nicht „evident") verletzten Verfassungsauftrages zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten wieder zurückzunehmen, die das Bundesverfassungsgericht in der heutigen Zeit wahrscheinlich ohnehin nicht noch einmal so formulieren würde. Es wären vielmehr die ganze Bildungspolitik zu ändern, der Vorrang des Studiums zu Lasten anderer Ausbildungsarten zu verringern und zugleich eine tiefverwurzelte und weitverbreitete Geisteshaltung umzukrempeln, die - „numerus clausus" hin, fehlender Bedarf her - letztlich von der freien Beliebigkeit und Zugänglichkeit des Studiums ausgeht44. Eine Modifizierung dieser Wirklichkeit erforderte somit mehr als die Revision der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, nämlich die Veränderung von Politik und Mentalität - und das würde unendlich schwer sein. Bisher sind „nur" - aber immerhin - die Hochschulen vom staatlichen Rotstift - aber nicht zwangsläufig die Studienplätze vom Rechenstift - betroffen, was hart genug für sie ist. Aber wie schwer auch immer: Die durch das Kreditaufnahmeverbot verschärfte Mittelknappheit wird sich hier als zusätzlicher Zwang zur Bescheidenheit beweisen und solchermaßen das Verständnis der Grundrechte im allgemeinen und des Art. 12 Abs. 1 GG im besonderen beeinflussen. 44

So ζ. B. Rupp (AöR 101 (1976), 161 ff., 181 f.), der das Nachhinken der Aufnahmekapazitäten der Hochschulen auf eine Bildungspolitik zurückführte, die allein in den Hochschulen die Garanten für sozialen und beruflichen Aufstieg und für Prestige sah; ihm zustimmend Breuer, Freiheit des Berufs (§ 147), Fn. 306 zu Rn. 78. Ahnlich die Kritik an der damaligen Bildungspolitik von Dichgans S. 556 ff.; Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 330; Schlotter S. 363. Nach neueren Untersuchungen haben Akademiker immer noch überdurchschnittliche Einkommen zu erwarten (Bellmann u. a. S. 13 ff., 55 ff.; Holtzmann S. 193 ff.: „vom Studierenden internalisierte Erträge") und dafür zu Lasten der Nichtakademiker unterdurchschnittlich hohe Ausgaben zu leisten (Grüske, Verteilungseffekte der öffentlichen Hochschulfinanzierung, S. 121 ff.; Holtzmann S. 193 ff.). Daß ζ. B. der Medizinstudent von anderen Menschen Leistungen erwartet, betonte auch Suhr (EuGRZ 1984,529 ff., 538). Hirtschulz entwickelte „grundrechtstheoretisch" einen Verfassungsauftrag zur Refom des gesamten Bildungswesens einschließlich einer qualitativen Veränderung der Hochschulen (S. 332 ff.). 1 Kratzmann

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Weitere „Erfolge" der leistungsrechtlichen Grundrechtsinterpretation bleiben im einzelnen nachzuweisen. Erste, noch unvollkommene Vermutungen über die Wirkungen einer strengen Budgetrestriktion lauten danach etwa so: - Bei anzuerkennenden Leistungsgrundrechten, die ihre Prägung durch Normkonkretisierung erhielten und also eo ipso unter Berücksichtigung der Haushaltskompetenz des Parlaments erfahren haben müssen, wird eine finanzwirtschaftlich bedingte Flexibilität ohnehin unvermeidlich sein, an die folglich angeknüpft werden kann. Hier dürfte - und muß - die mehrfach angesprochene Homogenität relativfriktionslos hergestellt werden. - An dieser Harmonie wird es aber dort fehlen, wo ausdrückliche und nicht auszuräumende Verfassungsvorgaben einer finanziellen Einschränkung entgegenstehen. Die Haushaltsgewalt kann sich im Notfall dann nur noch im Konflikt durchsetzen. - Über potentielle Verfassungsaufträge laut nachzudenken wird kaum mehr zu verantworten sein. - Beim „Rückbau" von Leistungsgrundrechten (einschließlich der „Hypothesenfolgen") wird die verbindliche Mittelbeschränkung zweifellos eine verstärkende Rolle spielen. Diese Reduktion jedoch politisch durchzusetzen, dürfte allemal nicht leicht sein, und allgemeine Grundsätze des Vertrauensschutzes erfordern gleichfalls Beachtung. Sie werden im Einzelfall u. U. verstärkt durch die „klassische" Geltung des in Frage stehenden Grundrechts als traditionelles Abwehrrecht.

10.

Kapitel

Grundrechte - Rechte auf Leistungen? Meinungsstand 1. Ablehnung der „Mutation 44 der Grundrechte Keine Probleme mit der Budgetrestriktion werden diejenigen haben, die einer Mutation der Grundrechte durch Verfassungsauslegung schon bisher nichts abgewinnen konnten. Es dürfte sich bei ihnen, zumindest grundsätzlich, immer stärker um die Mehrheit handeln1. a) Vorrang der parlamentarischen Entscheidung Die Position, in rechtswissenschaftlich propagierten und letztlich vom Verfassungsgericht autoritativ aus den existierenden Grundrechten abgeleiteten Leistungsrechten eine Verletzung der grundgesetzlich festgelegten Kompetenzverteilung („Gewaltenteilung") zu erblicken, fand schon früh namhafte Vertreter. Auf der Staatsrechtslehrertagung 1971 in Regensburg erklärte Martens: „Die kritische Überprüfung der darauf (d. h.: auf die „soziale Erfüllung der Freiheit") gerichteten Tendenzen erweist vielmehr, daß ihre Ergebnisse sich mit den Instrumenten juristischer Grundrechtsauslegung nicht verifizieren lassen"; wollte die rechtsprechende Gewalt gleichwohl unmittelbar vollziehbare originäre Leistungsrechte aus Grundrechtsbestimmungen ableiten, würde sie die Rolle der politischen Führungsorgane usurpieren und dadurch das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung verletzen2. Auf der gleichen Linie hat Starck insoweit sehr eindeutig sein Votum formuliert: „Im Wege der Rechtsfortbildung dürfen ... keine neuen Ansprüche auf staatliche Leistung geschaffen werden", weil anderenfalls die haushaltspolitische Entscheidungskompetenz der Parlamente tangiert wird 3 . Ein erheblicher Teil der Lehre betont mit ihnen, daß die Verteilung von Leistungen auch (vorsichtig formuliert) auf Anstoß der Grundrechte oder etwa zu schaffender sog. „sozialer Grundrechte" dem politischen Entscheidungsprozeß im Parlament nicht entzogen werden dürfte 4. Die Kompetenz zur Sozialgestaltung und zur Leistungs-

1 In der Übersicht von Kröger über die Grundrechtsentwicklung in Deutschland wird das Thema nur noch gestreift (S. 75 ff., 92). 2 WDStRL 30 (1971), 7 ff, 29, 36 und LS 20. 3 Starck WDStRL 34 (1975), 43 ff, 83; weiter ders., DVB1.1978,937 ff, 943 (für die Grundrechte) und 942 (für das Sozialstaatsprinzip); ders., Über Auslegung und Wirkungen der Grundrechte, S. 21 f.; ders., Vorrang der Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 56: Das Gericht würde sich Einfluß auf die Prioritäten des Staatshaushalts verschaffen; ders. Rn. 154 zu Art. 1 Abs. 3. Siehe aber unten bei Fn. 48. Ähnlich Jarass, AöR 110 (1985), 363 ff, 389; ders., Rn. 9 Vorb. vor Art. 1. 4 Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 224ff. (nach zunächst weitergehenden Postulaten für Teilhaberechte als Leistungsrechte, S. 220); Denninger, Staatsrecht 2, S. 163, 165; ders. Rn 27 vor Art. 1;

14*

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

finanzierung obliegt allein dem Gesetzgeber5, und sein Ausgestaltungsvorbehalt ist rechtlich nicht kontrollierbar 6 . Diese Argumente gegen eine leistungsrechtliche Ausweitung der Grundrechte bieten als solche jedoch keine Lösung der Problematik, sondern führen diese nur zirkulär zu ihrem eigentlich „Sitz": Selbstverständlich unterliegt auch der Haushaltsgesetzgeber dem Grundrechtskatalog, wie sich aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt. Wegen seiner Zuständigkeit für die Finanzen und zwecks Erhaltung eines freien - und nach Wahlen möglichst reversiblen - politischen Prozesses in seinen Reihen müssen die Gründe für die Annahme eines der Dezision des Gesetzgebers entzogenen Leistungsrechts jedoch schon sehr solide und überzeugend sein. Im Zweifel gibt es keine, und es ist das gute Recht - besser: die Pflicht - der Haushaltssachwalter, gegenüber den an sie herangetragenen Ansinnen größte Skepsis aufzubieten 7. Damit ist zugleich entschieden, daß eine allgemeine, von den einzelnen konkreten Grundrechten abgehobene leistungsrechtlich akzentuierte Grundrechtsdebatte gewissermaßen „vor der Klammer" nicht gerechtfertigt ist. Anderslautende Ansichten sollen weiter unten im einzelnen kritisch erörtert werden; aber der Verfasser w i l l schon jetzt nicht verhehlen, daß (vorbehaltlich überzeugender Gegenargumente) in seinen Augen nur die spezifische Interpretation eines jeden in Betracht kommenden Grundrechtsartikels gegebenenfalls eine Bindungsdichte ergibt, die auch den Haushaltsgesetzgeber beeindruckt und verpflichtet 8 .

Dreier Rn. 51 Vorbemerkungen; Hesse, Bedeutung der Grundrechte (§ 5), Rn. 30; sehr entschieden ders., Grundzüge, S. 131 f.; Stern, Staatsrecht III/l, S. 990; vergi, auch Schubert/Thedieck, ZRP 1979, 254 ff., 257. Etwas vorsichtiger, nämlich in der Form einer Frage, zeigt Lübbe-Wolff die Möglichkeit auf, daß „mit der Anerkennung originärer Teilhabeansprüche eo ipso" der Konflikt mit der Haushaltskompetenz des Gesetzgebers ausgelöst wird (Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 17 Fn. 19). Vergi, weiter Steiger, Entwicklung im Grundrechtsverständnis, S. 278 f. (Aufzeigen der Problematik). 5 Grabitz S. 43,46; Randelzhofer, BayVBl. 1975, 607 ff., 609; Tettinger, AöR 108 (1983), 92 ff., 127 f. (in bezug auf die Bildungspolitik und mit Kritik am Bundesverfassungsgericht). Hier ist wohl auch Bleckmann (Staatsrecht II) zu nennen, der erst dem Problem ausweicht (S. 258 Rn. 35: „Selbst wenn man voraussetzt, daß die bisherigen Ableitungen der Teilhaberechte dogmatisch zu vertreten sind, ..."), dann die zahlreichen Einwände gegen verfassungsrechtliche Teilhaberechte darlegt (S. 258 ff.) und schließlich zeigt, „daß, wenn diese Ausgaben unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden, ihnen vor allem die Haushaltskompetenz des Parlaments entgegensteht" (S. 271 Rn. 57). 6

Tomandly Der Einbau sozialer Grundrechte, S. 40 f.

7

Denn wie Enders (S. 89 Fn. 413) in einem leistungsrechtlichen Zusammenhang so schön bemerkt hat: „Großzügigkeit bewies man von vorneherein dort, wo man sie sich leisten konnte, in der Literatur ..." Ich teile daher nicht die Ansicht von Stern/Sachs (Staatsrecht III/l, S. 717 ff., 719 f.), daß die Existenz grundrechtlicher Leistungsansprüche ihrer Struktur nach nicht von den Finanzierungsproblemen abhängig sei. Die Mittelvergabe nach demokratischen Vorgaben durch das Parlament ist ein zentraler Grundsatz der Verfassung; nur eine klare gegenteilige Anweisung etwa in einem Grundrechtsartikel kann zu ihrer Bindung fuhren; vergi, auch oben 8. Kapitel Fn. 7. 8 Wie hier Hailbronner, Die Freiheit der Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, S. 62 (Dann folgt aber die „Forderung nach einem verfassungsrechtlichen Schutz faktischer Grundrechtsgeltung"); Friedrich Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 104,121 ff. (seit BVerfGE 75,40 ff., keine „allgemeinen grundrechtstheoretischen Denkfiguren" mehr); Müller/Pieroth/Fohmann S. 82, 122, 125; Stern/Sachs, Staatsrecht III/l, S. 727; Stern, Staatsrecht ΙΠ/1, S. 991.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

213

Es ist im Ergebnis nur eine andere Formulierung dieser Erkenntnis, wenn in den Augen vieler der bekannte „Vorbehalt des Möglichen" etwaige Teilhaberechte politisch bedeutungslos macht9. Doch leicht irreführend ist diese Gedankenkette schon, setzt sie doch etwas voraus, was unter einem Vorbehalt steht. Wenn die Interpretation eines Grundrechts aber keine Hinweise für eine leistungsrechtliche Erweiterung ergeben sollte, bedarf es auch des „Vorbehaltes" nicht, um den Staat von Zahlungspflichten (wieder!) zu erlösen10. Da ist es dann sogar bedeutungslos, daß die Kreditsperre im Hintergrund zum ersten Mal dem „Möglichen" schärfere Konturen verleihen würde. b) Keine Entmündigung des Gesetzgebers Die grundsätzliche Zurückweisung einer leistungsrechtlichen Uminterpretation des Grundrechtskatalogs kann durch ein „argumentum e contrario" noch gestärkt werden. Neben Alexy 11 hat vor allem Böckenförde diesen Gedankengang durch den Entwurf einer ebenso klaren Gegenposition vorbereitet und herausgearbeitet12: Diese besteht für ihn in der Anerkennung einer „objektiv-rechtlichen Grundsatzwirkung der Grundrechte", welche die Nutzung der „Instrumente juristischer Grundrechtsauslegung" (Martens) nicht nur zuläßt, sondern geradezu herausfordert, ja erzwingt. Die Auswirkungen auf das Verhältnis von parlamentarischer und verfassungsgerichtlicher Rechtsbildung sind für ihn gravierend und wären es gewiß mindestens ebenso, wenn aus der objektiven Normwirkung auch noch subjektive Rechte abzuleiten wären: „Die erstere (d. h: die parlamentarische Rechtsbildung) wird von originärer Rechtsetzung zur Konkretisierung herabgestuft, die letztere von interpretativer Rechtsanwendung zur rechtsschöpferischen Konkretisierung heraufgestuft"; „der Gesetzgeber gerät... je länger je mehr in die Rolle eines Verordnungsgebers" 13. So wird die Verfassung von der bloßen Rahmenordnung zur rechtlichen Grundordnung des Gemeinwesens insgesamt und schlechthin - nicht eigentlich aufgewertet, sondern - ausgedehnt. Die Folge muß sein, daß die Gesetzgebung auf den Verfassungsvollzug reduziert wäre 14. 9

Vergi. Abelein S. 23; Breuer, Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 78 (mit Kritik an der „numerus clausus"-Entscheidung; siehe aber unten Fn. 40 f.); Erichsen, Staatsrecht, S. 75; Grimm, Grundrechte und soziale Wirklichkeit, S. 71 (vergi, ebenfalls weiter unten Fn. 42); Hailbronner S. 13 (der Leistungsanspruch läuft leer); Hasso Hofmann, NJW 1989,3177ff., 3185; Jarass, AöR 110 (1985), 363 ff, 388 (zum Studienplatz); Rhinow S. 442 f.; Walter Schmidt, Der Staat, Beiheft 5 (1981), 9 ff, 19; Stern, Staatsrecht III/1, S. 983 f.: Das Bundesverfassungsgericht gibt mit der einen Hand, was es mit der anderen fast wieder wegnimmt. 10

Dennoch argumentiert Bleckmann, Staatsrecht II, S. 258: „Selbst wenn man voraussetzt, daß die bisherigen Ableitungen der Teilhaberechte dogmatisch zu vertreten sind ...", sind die Schranken der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit zu bedenken. 11

In: Theorie der Grundrechte, S. 461 ff, hebt Alexy das verfassungsrechtliche „Dilemma" sozialer Grundrechte klar heraus. 12

Der Staat 29 (1990), 1 ff, 24 ff, 26 ff.

13

Der Staat 29 (1990), 1 ff, 30. Weil er verfassungsstrukturell kein besonderes Problem sieht, teilt z. B. Jeand'Heur diese Sorgen nicht (JZ 1995,161 ff, 166 f.). 14 So die allgemeine Meinung; vergi, ansatzweise schon Bachof, WDStRL 12 (1953), 37 ff, 51; im Prinzip Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 230 f.; Böckenförde WDStRL 30 (1971), 165 Aussprache - (führt zum ständig nicht erfüllten Grundgesetz); der Sache nach Franzke, ZRP 1977, 246 ff, 249 (für die Hochschulpolitik); Hesse, EuGRZ 1978, 427 ff, 434; ders., Bedeutung der

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Es versteht sich, daß nach Böckenförde diese Kompetenzverschiebung nicht der grundgesetzlichen Gewichtsverteilung entspricht. Eine solche Schlußfolgerung ist auch im Prinzip plausibel und einleuchtend: Ein freies demokratisches Verfassungsleben richtet sich auf bisweilen wechselnde und in periodischen Abständen neu legitimierte Mehrheiten ein. Die schwer abänderlichen Verfassungsnormen stellen dagegen ein Prokrustesbett dar, welches fur den politischen Prozeß nur in engen sachlichen Grenzen überhaupt erträglich - aber auch notwendig - ist. Die Gefahr derartiger eher grundsätzlicher Argumentationen liegt allerdings darin, daß es regelmäßig Ausnahmen gibt. Verfassungsgrundsätze erscheinen selten in reiner Form, sondern sind häufig mit anderen Prinzipien vermischt. Aber das Grundgesetz hat uns zwischenzeitlich vorgeführt, wie das Parlament unabhängig von allgemeinen Prinzipienaussagen wirklich auf den Verfassungsvollzug reduziert werden kann. Zu denken ist ζ. B. an den wegen seiner Ausgestaltung heftig kritisierten Art. 16 a, das modifizierte Asylgrundrecht. Hier erfährt der einfache Gesetzgeber in der Sache derart detaillierte Vorgaben, daß ihm eine wohl verfassungskonforme, im wesentlichen aber diskretionäre politische Gestaltung der Materie fortan verwehrt bleibt. Materiellrechtlich ist in Art. 16 a GG selbst das Wesentliche schon entschieden15; der Gesetzgeber führt ggf. noch aus, aber konkretisiert nicht mehr die Verfassung. Doch weil diese Ausnahme explizit und offenkundig von den anderen Grundrechtsnormen abweicht, ist zusätzlich der Umkehrschluß erlaubt, daß „Verfassungsvollzug" in der skizzierten Art bei ihnen noch nicht stattfindet. Der Gesetzgeber und Haushaltsverwalter hat seine maßgebliche, die Grundrechte eigenverantwortlich verwirklichende, politisch gestaltende und Prioritäten bestimmende Position als erste Gewalt im Staate dort vielmehr bewahrt. c) Untauglichkeit der Grundrechte zur Uminterpretation Die bisher vorgestellten Skeptiker ließen immerhin die Dichotomie zwischen grundrechtlichen Verbürgungen und Haushaltsgewalt des Parlaments auf sich beruhen - und die Ergebnisse einer konkreten, grundrechtsspezifischen Auslegung in ihrem Spannungsfeld daher im Prinzip offen. Soweit kommt jedoch gar nicht, wer schon im Ansatz den Grundrechtskatalog gleichsam für „mutationsuntauglich" erklärt, wenn und weil er „als

Grundrechte (§ 5), Rn. 30 (Verfassungsvollzug an Stelle von Politik); ders., JöR 46 (1998), 1 ff., 12 (Grundrechte nicht „Kern der gesamten Rechtsordnung"); Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 67 f.; Ossenbühl, Gutachten zum 50. DJT, S. Β 146; Starch , Vorrang der Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 54; vergi, auch dens., Entwicklung der Grundrechte in Deutschland, S. 158 f.; Stern, Staatsrechts ΠΙ/1, S. 989; ders., Staatsrecht III/2, S. 1774 f. (mit weitgehender Zustimmung zu Böckenförde); Wahl, NVwZ 1984,401 ff., 407,409. Zu erinnern ist weiter an Schupperts Unbehagen angesichts eines bei extensiver Auslegung der Grundrechte „nur schwer kalkulierbaren)", „methodisch »entfesseltein)4 Verfassungsgerichts (Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 22 f.). Von der Definition des Begriffes „Freiheit" her legt Haverkate einen ähnlichen Qualitätssprung dar: „Freiheit, begriffen als Summe sozialer Chancen,... ist kein Kontrollmaßstab, sondern Aufforderung zu originärer richterlicher Sozialgestaltung", deren „Höhenflug" aber zur „Bruchlandung" geraten wird (S. 75 f.). 15

Vergi, ζ. Β. Brenner, AöR 120 (1995), 248 ff; Voßkuhle, AöR 119 (1994), 35 ff, 59.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

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verfassungsrechtliche Antwort auf staatliche Übergriffe" dient, nicht aber „als Prioritätenkatalog für eine staatliche Verteilungspolitik". Diesen Gegensatz hebt Herzog hervor und fügt mit reichlich deutlichen Worten hinzu: „(Der Grundrechtskatalog stellt) infolgedessen ganz andere Rechtsgüter in den Vordergrund ..., als wenn (er) von vornherein dem Zweck gedient hätte ..., eine ... möglichst gerechte Sozialpolitik zu erzwingen. Es besteht nicht der geringste Anlaß anzunehmen, daß genau diejenigen Rechtspositionen", in die vorzugsweise eingegriffen wurde, „vom Staat auch in seiner Sozialpolitik durch Zuwendungen an den Bürger gestützt werden müßten ... (Es) wäre eine umfassende Herleitung sozialer Leistungsansprüche aus den Freiheitsrechten des GG ... nur eine gigantische Fehlinterpretation der modernen Sozialstaatlichkeit"16. Wenn auch in dieser Arbeit eine so weitgehende Umdeutung der Grundrechte gar nicht untersucht werden soll, ist Herzogs Botschaft gleichwohl eindeutig: Abwehrrechte sind mit den vermeintlich korrespondierenden Leistungsrechten schlicht deshalb völlig unverträglich, weil sie eben in keiner Weise korrespondieren! Nicht wenige heben ebenfalls den prinzipiellen Gegensatz von Abwehrrecht hier und Leistungsrecht dort hervor 17. Die Verknüpfung der liberalen Verfassungsordnung mit dem Marktmodell 18 ermutigt auch nicht dazu, gerade vom Staat Leistungen zu erwarten. Aber vorerst ist mit diesen Ansichten nicht mehr gesagt, als daß sich die Aussichten für eine „positive" Uminterpretation der Grundrechte nicht eben verbessern, eher verdüstern. d) Keine interpretatorische Korrektur des Verfassungsgebers Es kann in diesem Zusammenhang gar nicht ausbleiben, daß die Vorgeschichte des Grundgesetzes und damit die Absichten und Intentionen des Parlamentarischen Rates als des Verfassungsgebers ins Blickfeld geraten. Wie noch im einzelnen zu belegen sein wird, waren 1948/49 grundrechtsunmittelbare Leistungsansprüche durchaus nicht erwogen worden19. Diese Erkenntnis führt zu der gerade hier sehr schwierigen Frage, welches Gewicht der sog. „historischen" Interpretation zukommt. Zweifellos unterstützen die damaligen Debatten vor allem im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates die Standpunkte der-

16 Rn. 51 zu Art. 20. Es steht dieser Meinung Herzogs nicht die skeptische Feststellung von Martens (WDStRL 30 (1971), 7 ff., 29 f.) entgegen: „Es ist deshalb weder zufällig noch bedeutungslos, daß die neuerdings als Inhalte der grundgesetzlichen Freiheits- und Gleichheitsrechte ausgegebenen Ansprüche andernorts wörtlich oder sinngemäß in den Katalogen sozialrechtlicher Verbürgungen erscheinen ...". Das sieht Jörg P. Müller bei seiner Bezugnahme auf Martens offenbar anders (S. 166). 17 Vergi. Friesenhahn S. G 30: Teilhabeansprüche nicht im Normprogramm der Freiheitsrechte; Grabitz S. 44: Freiheit und Sozialstaatlichkeit sind inkommensurable Größen (siehe auch S. 46); Hirtschulz S. 326: Leistungsrecht ist unmittelbarer Gegenpol zum Abwehrrecht; Müller/Pieroth/ Fohmann S. 125 („Funktionsgegensatz"); weitgehend Stern/Sachs, Staatsrecht III/l, S. 696,728,745: „Strukturell sind Ergänzungen ... vorstellbar, bleiben ... aber wesensmäßigfremd". Schlink (EuGRZ 1984,457 ff., 465 f.) begnügt sich mit dem traditionellen Eingriffs- und Schrankendenken. 18 So Friedrich Müller, Juristische Methodik und Politisches System, S. 31 f.; Roellecke, JZ 1998, 689 ff., 691 (bezüglich Berufswahl und Arbeitsmarkt). 19 Vergi, hierzu allgemein Erichs en, Staatsrecht, S. 71; Herzog Rn. 50 zu Art. 20; Werner Weber, Der Staat 4 (1965), 409 ff., 412 ff.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

jenigen, die sich mit der Umdeutung der traditionellen Freiheitsrechte nicht anfreunden mögen. Der nachstehende Satz macht ihre Sicht gut deutlich: „Die eindeutige Entscheidung des Verfassungsgebers kann nicht durch eine interpretatorische Schöpfung sozialer Grundrechte in Gestalt positiver grundrechtlicher Anspruchsnormen revidiert werden"20. So mag der Satz unwidersprochen stehenbleiben: Wenn sich der nachweisbare Wille des Verfassungsschöpfers in Text und Systematik seiner Normen hinreichend wiederfindet, wird ein Herumkritteln an ihnen wegen mangelnder Zeit- und Problemnähe kaum Aussicht auf Beachtung finden. e) Wirkung der Bindungsklausel (Art. 1 Abs. 3 GG) Diese Problemsicht gilt auch für die „Feuerprobe" des Art. 1 Abs. 3 GG, demzufolge Grundrechte unbedingte Verbindlichkeit beanspruchen. Die hier relevante Argumentation lautet ζ. B. so: „Wollte man aus Grundrechten Teilhaberechte herleiten, die aus finanziellen Gründen nicht verwirklicht werden können, käme man mit der Bindungsklausel in Konflikt" 21 . Aber es geht hier letztlich nur um das semantische Problem, ob etwa Verfassungsaufträge oder sonstige unvollkommene, also nicht mit eigener normativer Kraft ausgerüstete, gar u. a. wegen Nichtbezahlbarkeit abgelehnte soziale und teilhaberechtliche »Ansprüche" echte „Grundrechte" im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG sein können. Die Semantik interessiert nicht, sondern nur die davor liegende Frage, ob das, was man aus den Grundrechten meint ableiten zu dürfen, überhaupt verbindlich ist. Es ist verbindlich, wenn die Interpretation des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der parlamentarischen Haushaltsgewalt wirklich einen (teilhabe-, leistungsrechtlichen) Anspruch ergibt. Dann erst greift auch Art. 1 Abs. 3 GG ein. Fehlt es dagegen schon an Elementen der Verbindlichkeit, ist die genannte Vorschrift irrelevant 22.

20 Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 92 f. (aber mit folgenden Einschränkungen hinsichtlich dieser Zurückhaltung, siehe weiter unten); ähnlich Hans H. Klein, WDStRL 30 ( 1971 ), 170 (Aussprache). Zustimmend Ingo von Münch Rn. 20 Vorb. Art. 1-19; siehe weiter Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 91. 21 So Starch, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 520; ders., DVB1. 1978, 937 ff., 943; ders., JuS 1981,237 ff., 241; ders. Rn. 156 zu Art. 1 Abs. 3; vergi, weiter Böchenförde, NJW 1974,1529 ff, 1538; Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 93 f.; Hans H. Klein, Grundrechte, S. 65 f.; Oppermann, WDStRL 30 (1971), 168 (Aussprache). 22 Zirkelschlüssig kann daher die Folgerung sein: Weil das Haushaltsgesetz zum Innenbereich des Staates gehört, kann Art. 1 Abs. 3 kaum wirksam werden, so Vogel/Waldhoff Rn. 620 Vorbem. zu Art. 104 a-115; sie gehen dann aber zurückhaltend auf mögliche Ausnahmen ein. Verkehrt herum ist noch eindeutiger der Ansatz von Pieroth/Schlinh (Rn. 100), die den „Vorbehalt des Möglichen" mit Zweifeln versehen, damit den Finanzierungsvorbehalt der Grundrechte von vornherein in Frage stellen und sich auf diese Weise „aus der Nachhand" dem Leistungsrecht nähern: „Das ist nicht unbedenklich, weil die normative Kraft der Grundrechte durch derartige Relativierungen gefährdet wird"; nicht unähnlich äußerte sich Plander, NJW 1972,1941 ff, 1942: „Die Formel befreit aber nicht davon zu prüfen, ob sich aus dem Sinn und der Funktion in concreto einschlägiger Grundrechte engere Bindungen des Gesetzgebers ergeben".

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

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2. Gegenteilige Tendenzen: Neuinterpretation Allein, diese „negative" Eindeutigkeit wird von den Befürwortern eines neuen Verständnisses von Funktion und Aufgaben der Grundrechte gerade nicht gesehen. Für sie stellen die Willensäußerungen und Absichten der Mitglieder des Parlamentarischen Rates keineswegs das letzte Wort dar. Daraus mag sich die „Quadratur des Zirkels" ergeben, wenn man es offenbar für möglich hält, den Willen des Verfassungsgebers zu respektieren und - wohl unter Relativierung des Ergebnisses der historischen Interpretation - den „fundamentale(n) Wandel des überkommenen Grundrechtsverständnisses auch grundrechtsinterpretatorisch" einzuholen und damit zugleich normativ einzubinden23. Andere lösen sich gänzlich vom Ballast der Normentstehung und vom traditionellen Verständnis der Grundrechte als Abwehrrechte. Denn sie halten eine Wandlung der Verfassungstexte durch Neuinterpretation für notwendig, damit die gewandelte Wirklichkeit nicht regellos sich selbst überlassen wird, und sehen in den Grundrechten fortan auch die rechtliche Basis für positive staatliche Leistungsverpflichtungen sowie umgekehrt für soziale Schutzansprüche auf positive Hilfe, Unterstützung und Fürsorge durch den Staat. Die prinzipielle Erweiterung der Handlungslegitimation durch Grundrechte ist das Thema; daß konkret abgeleitete Pflichten und Rechte zu erheblichen Problemen fuhren, wissen die Protagonisten auch24. Die Vorstellung, einen durch unzulängliche Normen verursachten Rückstand grundrechtsinterpretatorisch wieder „einzuholen", ist außerordentlich suggestiv und läßt Methode und Ziel wie selbstverständlich ihren Einsatz dem Interpreten antragen. Bei näherem Hinsehen geht die Suggestion allerdings in Fragwürdigkeit über 25: Die neuere Entwicklung grundrechtlicher Schutzansprüche wird hier nicht in Frage gestellt. Selbstverständlich hat auch ihre Einlösung finanzwirtschaftliche Folgen, die jedoch kaum separierbar übergehen in die allgemeine Finanzierung staatlicher Aufgaben. Gegenstand dieser Untersuchung ist vielmehr der eingeschränktere Bereich der „echten", dafür aber umstritteneren „Leistungsansprüche". Auch im Hinblick auf sie mag es legitim sein, den „Gleichstand" von Grundrechtsgeltung und realisierter Leistungsstaatlichkeit am Ende des 20. Jahrhunderts zu erreichen; notwendig ist sie bestenfalls begrenzt. Abgesehen vom Randthema der Privatschulsubventionierung geht es um die Nutzung staatlicher Lehr- und Ausbildungseinrichtungen, die traditionell ohnehin bereitstehen26, und um den Ausbau des 23

Anders ist Bethges zwiespältiges Votum (Grundrechtskollisionen, S. 219) kaum zu verstehen. Sehr weitgehend Rupp, JZ 1971,401 ff., 402. Siehe weiter Abelein S. 14 (im Prinzip); Bleckmann, Staatsrecht II, S. 257 f. (Rn. 33); Schneider, Funktionen der Grundrechte, S. 33: Wenn die klassischen Grundfreiheiten mehr sein sollen als Freiheiten ohne Verwirklichungschance, so müssen sie mehr enthalten als Verbote, nämlich soziale Leistungsrechte; zu den andersartigen grundrechtlichen Schutzansprüchen vergi, etwa Stern/Sachs, Staatsrecht III/l, S. 732 ff., und den nachstehenden Text. 24

25 Martens (WDStRL 30 (1971), 7 ff., 21) und - auf ihn (mit unklarem Zitat) verweisend Schuppert (Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 18) betrachten die Notwendigkeit des „Einholens" mit klaren Vorbehalten. 26 Die Auseinandersetzungen über Grundrechte als Leistungsrechte beziehen sich weitgehend auf die Nutzung öffentlicher Einrichtungen mit Monopolcharakter; so mehr oder weniger deutlich Wilfried Berg,, Der Staat 15 (1976), 1 ff., 10 f.; Borowski S. 294; Currie, AöR 111 (1986), 230 ff., 250 f.; Friesenhahn S. G 31 ff.; Hufen, Die Freiheit der Kunst, S. 361 ; Lorenz, Juristische Blätter 103 ( 1981 ), 16 ff., 24; Murswiek, Fragen gestufter Teilhabeverhältnisse, S. 648; Rhinow S. 442, 444; Schlink, EuGRZ 1984,457 ff., 465.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Sozialstaates, der nach den Artikeln 20 und 28 GG ebenfalls allemal auferlegt ist und überdies einem machtvollen Bedürfnis entsprach und entspricht. Das Bundessozialhilfegesetz verdankt seine Entstehung kaum dem Druck der (später noch im einzelnen aufgeführten) Grundrechte; umgekehrt hat selbst die ausdrückliche Schutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG die finanzielle Hilfe für die Familie in höchst dürftigem Zustand belassen, weil bis vor kurzem der Familienlastenausgleich eben offenkundig kein Thema war. Die Wirklichkeit zeigt hier somit kaum einen Mangel vorrangig deshalb, weil die Grundrechte noch im „status negativus" verharren. (Möglicherweise hat der hypothetische „Verfassungsauftrag" im Ausbildungsbereich noch am meisten bewirkt.) Eine spezielle Methode vermag im vorliegenden Zusammenhang auch nicht mehr als die Normbindung zu ermitteln, welche die zu interpretierende Grundgesetznorm dem Gesetzgeber äußerstenfalls auferlegt. Gewiß gibt es so etwas wie eine „sozialstaatliche Grundrechtstheorie", welche, richtig gewürdigt, das Grundgesetz nach „leistungsrechtlichen Fundstellen" absucht27; etliche weitere Varianten sind unten noch zu entdecken. Aber auch sie bleibt ein „wissenschaftlicher Theorievorschlag" der Staatsrechtslehre28, welcher als Vertiefung verfassungsrechtlicher Dogmatik die „Bearbeitungsweise" leistungsrechtlicher Problemfalle steuert29 bzw. die Kontrolle juristischer Arbeitsweisen gewährleistet30 und eingedenk des nur sehr begrenzt materialen Charakters des Grundgesetzes doch stets die Zurückhaltung der Verfassungsrechtsdogmatik gegenüber den Dogmatiken anderer Rechtsgebiete garantiert 31. Grundrechtstheorien sind nicht in der Verfassung; sie dienen der Ermittlung ihres Inhalts32. Vielleicht geht auf ihre untergeordnete Funktion sogar die drastische Meinung Böckenfordes zurück, derzufolge die Verwirklichung eines sozialen Leistungsgrundrechts „nicht im Wege einer Interpretation des Verfassungsgesetzes" bewirkt werden kann33. Das ist mindestens eine Unterstützung der hier vertretenen Auffassung, daß der Verfassungssatz deutlich einen Leistungsanspruch gewähren muß, um den Haushaltsgesetzgeber zur Bereitstellung von Finanzmitteln zu zwingen34. Wenn dagegen andere sich streng nur auf die juristische Argumentation ver-

27 Zu dieser Theorievariante vergi. Böckenförde, NJW 1974,1529 ff., 1535 ff; veigl. auch Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 10. Wenn Böckenförde ihr allerdings erst als solcher durchaus differenzierte Folgen für die Grundrechtsinterpretation zuschreibt (1536) und jene dann im Rahmen einer „Grundrechtstheorie des Grundgesetzes" (1537 f.) weitgehend wieder „einsammelt" (1538), dann ist das für eine „Theorie" nicht unproblematisch. 28

Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 369 f. mit S. 349.

29

Friedrich

Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 128.

30

Friedrich

Müller, Juristische Methodik und Politisches System, S. 28.

31

Wahl, NVwZ 1984,401 ff, 409.

32

So Häberle S. 349; Schubert/Thedieck,

33

Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, S. 11,12.

34

ZRP 1979,254 ff, 260.

Jörg P. Müller erklärt: „Justiziabilität setzt voraus, daß hinter der anzuwendenden Norm ein hinreichend auskristallisierter politischer Konsens über die Tragweite der Norm besteht" (S. 21). Der ist ohne die Volksvertretung aber kaum zu erzielen. Wenn in dieser Arbeit so großer Wert auf deren Mitspracherecht bei der Mittelvergabe gelegt wird, so bedeutet das auch hier die Betonung des Demokratieprinzips, das von „Abwägungen" u. a. (dazu unten) nicht ausgehebelt werden darf, veigl. Walter Leisner, JZ 1998, 861 ff, 864 m. w. N.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

219

lassen wollen35, so ist diese Eingrenzung schwer verständlich: Natürlich sind Auslegung und Konkretisierung von Grundrechten juristischer Natur, aber etwa die institutionelle Auslegung kann dabei nicht a priori ausgeschlossen werden, selbst wenn sie in einem Fall, nämlich bei Art. 7 Abs. 4 GG, fragwürdig ist. Im Umkehrschluß bedeutet diese strenge Zügelung der Interpretationslust, daß eine Verfassung wirklich die notwendigen politischen Entscheidungen, ggf. bis hin zu quantitativen Angaben, selbst treffen muß, wenn sie ein verfassungsunmittelbares, also ein echtes „Leistungs"-Grundrecht schaffen will. Nur dann bliebe Raum für eine korrekte verfassungsgerichtliche Kontrolle der Einlösung durch die beiden anderen Staatsgewalten36. Ob aber selbst der Umfang des Art. 16 a GG ausreichte, um gerichtsfeste Leistungsansprüche auszuformulieren, bliebe ggf. noch die Frage.

3. Variationen leistungsrechtlicher Interpretationsansätze Sehr vielfaltig sind die Bemühungen, trotz der aufgezeigten Widerstände in der Lehre und - begrenzt - in der Rechtsprechung dem Grundgesetz wenigstens Rudimente von Leistungsversprechen zu entnehmen. a) Richterrecht Es ist im Prinzip einfach, auf die begrenzte einschlägige Rechtsprechung Bezug zu nehmen. Ramm bejahte die Existenz sozialer Rechte nicht zuletzt „als Teil des Richterrechts"37. Zur Schutzgarantie von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG bemerkte Steiger: „Eine allgemeine Förderpflicht ist in Art. 6 ... nicht ausdrücklich enthalten. Die Entstehungsgeschichte spricht eher gegen als für die Absicht der Verfassungseltem, eine solche zu konstituieren. ... Von genereller Förderung war nie die Rede. Die Förderpflicht ist wie die subjektiv-öffentlichen Freiheitsrechte eine Schöpfung des Bundesverfassungsgerichts. Es hat sie in ihrer dogmatischen Begründung als positive Seite der Schutzpflicht entwickelt ... Nach heutigem Stand der Verfassungsdogmatik läßt sich das Fördergebot entweder auf vom Bundesverfassungsgericht entwickeltes Richterrecht oder auf erne Leistungsbzw. Teilhabefunktion der Grundrechte stützen. Subjektiv-öffentliche Ansprüche erwachsen daraus jedoch in keinem Fall.. ." 3 8 . 35 Zu nennen ist Baduras strikte Betonung juristischer Argumentation gegenüber institutioneller, hermeneutischer und offen ideologischer Grundrechtsauslegung (Grundfreiheiten der Arbeit, S. 13); siehe auch dens., Der Staat 14 (1975), 17 ff., 25. Weiter sind zu erwähnen Rüfiier, Grundrechtliche Leistungsansprüche, S. 390 („... kaum neue verbindliche und justiziable Grundsätze erarbeitet"), und Wiegands „dictum", daß alles, was über die Verteilung vorhandener Güter hinausgeht, ein „factum politicum" und damit eine rein politische Aufgabe ist (DVB1. 1974,657 ff., 660). 36

So TomandU Festschrift Wannagat, S. 635 f; ähnlich Schlink, DÖV 1973, 541 ff., 545. Diese unabänderliche Festlegung würde aber zu dogmatisch unlösbaren teilhaberechtlichen Konflikts- bzw. Spannungslagen führen, so Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 518. 37

Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, S. 17 und S. 18 mit Fn. 4.

38

WDStRL 45 (1986), 55 ff., 84 f.

220

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Sehr präzise sind diese Ausführungen nicht, denn wie, wenn nicht u. a. durch verfassungsgerichtliche , Auslegung", also durch „Richterrecht", ist denn die behauptete „Leistungsbzw. Teilhabefunktion der Grundrechte" ihrerseits entstanden? Aber auch ihre Berechtigung ist in Frage zu stellen. Es mag sich durchaus nach einer Exegese ζ. B. des Art 7 Abs. 4 GG herausstellen, daß diese Norm unmittelbare verfassungsrechtliche Ansprüche von Trägern privater Ersatzschulen nicht rechtfertigt. Dann darf der Verfassungsrechtler nicht mit einem Achselzucken und dem Entschuldigungswort „Richterrecht!" sich anderen Fragen zuwenden. Für die Normexegese ist „Richterrecht" jedenfalls dann keine relevante Begründungskategorie, wenn, wie hier, von Verfassungslücken keine Rede sein kann. Die läßt schon die umfassende Haushaltsgewalt des Parlaments nicht zu. „Richterrecht" ist also nicht die Lösung, sondern die Frage in anderer Fassung. b) Kompromißlösungen Sie ähneln in mancher Hinsicht dem weiten Ausgreifen sowie dem anschließenden „Zurückzucken" des Bundesverfassungsgerichts im „numerus clausus"-Urteil, die Erörterung und anschließende grundsätzliche Ablehnung von Leistungs- und Teilhabegrundrechten bei gleichzeitigem Rückzug auf Kompromiß- bzw. Minimalpositionen. Diese erscheinen in der Sache als durchaus vernünftig und vor allem finanziell nicht unbedingt überzogen. Die Frage taucht jedoch auf, wie „sich nicht ausdrücklich geregelte originäre Teilhaberechte (gleichwohl) begründen" lassen39. Findet sich ein Hinweis im Text, so ist es gut; ohne Begründung hingegen gibt es ein Problem: Wo liegt zwischen der Null und dem Nichts der Kompromiß? Eine „Kompromißlösung ..., (die) unmittelbare grundrechtliche Ansprüche positiven Inhalts in begrenztem Umfang eröffnet, aber nicht... verallgemeinert, ist konstruktiv durchaus möglich", meint Breuer 40. Er setzt an beim Verhältnis zwischen den Grundrechten und dem Sozialstaatsprinzip, vergleicht die „geringe Stringenz" des letzteren mit der „besonderein) Stringenz" der ersteren (Art. 1 Abs. 3 GG!) und gelangt auf diese Weise auf dem Kompromißwege zur Bejahung eines „Minimalstandard(s)... staatlicher Stützung" in bestimmten Fällen, bei denen diese Mindesthilfe „zur Erhaltung der grundrechtlichen Freiheit notwendig" ist. Die grundrechtliche Freiheit muß schon „notleidend ... und der Bürger ohne staatliche Hilfe zur autonomen Ausübung seiner Freiheit nicht mehr in der Lage" sein41. Es soll nicht geleugnet werden, daß vor Gericht Vergleiche nach diesem Schema abgeschlossen werden und daß man in der Politik Absprachen dieser Qualität ohne viele Rückfragen trifft, um ein Problem aus der Welt zu schaffen. Auch ließe sich eine Budgetrestriktion so trefflich berücksichtigen. Im Verfassungsrecht ist ein solches Verfahren 39

So Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 101.

40

Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 93 f.; ders., Jura 1 (1979), 401 ff, 403 f.; ders., Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 78. 41 Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 94; veigl. auch dens., Jura 1 (1979), 401 ff, 404, und dens., Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 78; so weiter bei notleidend gewordener Grundrechtsfreiheit - und trotz gewisser Kritik an Breuer - Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 363 f.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

221

jedoch unbrauchbar und unangemessen obendrein, wird doch gleichsam ein vorstaatlicher und außerrechtlicher sozialer „Minimalsockel" unterstellt. Wenn aber heute die Verfassung allein den Staat konstituiert, so ist der Sozial- und „Sozialrechte"-Staat davon nicht ausgenommen. Hinzu kommen die folgenden Erwägungen: Die beiden „Stringenzen" sind nur schwer gewissermaßen „linear" aufzureihen und gestatten kaum die Bildung einer „Mitte" für den Kompromiß. Überdies läßt keine von ihnen je für sich die Stringenz eines subjektiv-rechtlichen Anspruchs zu. Der liegt jenseits beider - also sowieso nicht in der Mitte! Diese Überlegung ermöglicht daher keine Ableitung eines (Minimal-)Anspruchs aus der Verfassung. Auch ohne derartige Konstruktionen wird die Vorstellung eines „Minimalstandards" immer wieder verfolgt 42 und zum Anlaß genommen, eine Begründung für seine verfassungsrechtliche Absicherung zu suchen. Grimm ζ. B. entnimmt mit der „ganz überwiegenden" Meinung den Grundrechten in der Regel eine nur objektivrechtliche Garantie ihrer materiellen Nutzungsvoraussetzungen, die sich in erster Linie an den Gesetzgeberrichtet.Aber „dort, wo der Gesetzgeber selbst ein Minimum von Grundrechtsausstattung unterschreitet, sind aus dem objektivrechtlichen Gehalt... ausnahmsweise einklagbare Leistungsansprüche des einzelnen Grundrechtsträgers abgeleitet worden" 43. Letztlich geht es um nicht mehr als um „kleine" Sozialansprüche44. Die fortwährende Suche gleichfalls nach dem,»kleinen Sozialanspruch", gerichtet auf die Mindestbefriedigung menschlicher Grundbedürfnisse, gesteht auch Lücke ein45. Murswiek will trotz erheblicher Skepsis46 bei rechtlichen „Grundrechtsvoraussetzungen" einen Minimalstandard akzeptieren, dessen „Konkretisierung ... sich aber an den Besonderheiten des jeweiligen Grundrechts orientieren" muß47. In nicht ganz eindeutiger Trennung vonfinanzwirtschafilicher Relevanz und verfassungsrechtlicher Bindung bejaht Starck sehr zurückhaltend die Möglichkeit verfassungsrechtlicher Teilhabeansprüche, wenn bei Bestimmbarkeit des Anspruchsobjektes und vernachlässigenswerten Geldsummen die Haushaltsverantwortung des Gesetzgebers nicht tangiert ist und sich aus einem Grundrecht eine zwingend erforderliche materielle Sicherung ableiten läßt48. Für Stern kommt eine solche „Umpolung" gar nur „höchst begrenzt", „in extremen Ausnahmefällen" in Betracht49. 42 Der Gedanke des „Minimalstandards" sozialer Grundrechte taucht auch bei Wildhaber auf (S. 385 f.). Trotz vielfaltiger Probleme des Breuerschen Ansatzes empfehlen Heintschel von Heinegg/ Haltern (JA 27 (1995), 333 ff., 341), dieser Argumentation zu folgen; zustimmend offenbar auch Neumann, DVB1. 1997, 92 ff., 97 mit Fn. 72. 43

Grundrechte und soziale Wirklichkeit, S. 57, wobei Grimm u. a. auf Breuer verweist (a. a. O. Fn. 32). Auch die erste Fürsorgeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (E 1,97 ff., 105) ist im Grunde hier anzusiedeln. 44

Grimm S. 71.

45

AöR 107 (1982), 15 ff., 18,25,40,48,48 f.

46

Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 101: „Als generelle Konzeption müßte das so verstandene Minimalstandardpostulat aber ins Uferlose führen ...". 47

Rn 102, 106; die Beispiele wie Straßenbau und sauberes Trinkwasser (Rn. 103 f.) jedoch sind hier nicht erwähnt, fallen vielmehr in die allgemeine „Daseinsvorsorge". 48 JuS 1981,237 ff., 242; ders. Rn. 36 zu Art. 1 Abs. 1, Rn. 154 ff., 157 zu Art. 1 Abs. 3, Rn. 19 zu Art. 5 Abs. 1,2; zur Kritik selbst an der äußerst restriktiven Haltung in Rn. 19 siehe oben 8. Kapitel Fn. 7.

222

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Es bleibt einem späteren Kapitel vorbehalten, auf möglicherweise insoweit einschlägige Grundrechte näher einzugehen und das Ausmaß ihrer leistungsrechtlichen Verbindlichkeit, ihrer „Stringenz" zu erkunden. Wenn etwa eine „Grandrechtsvoraussetzung" im Ergebnis als verbindlich abgesichert zu werten ist, kann selbst der Haushaltsgesetzgeber nicht mehr umhin, die einschlägigen Ansprüche zu befriedigen. Aber allgemein betrachtet ist die bloße Zurückhaltung bei der Bejahung grundrechtlicher Leistungsansprüche in Form der Beschränkung a priori auf „Minimalstandards", „kleine Sozialansprüche", „extreme Ausnahmefalle" u. ä. kein Grund, „wenigstens" diesen bescheidenen Forderungen die verfassungsrechtliche Weihe zuzugestehen. Auch macht das Grundgesetz hinsichtlich der Haushaltskompetenz des Parlaments keinen Unterschied zwischen „überschaubaren" und „nicht überschaubaren" Geldsummen. Anders formuliert: Der „Minimalstandard" ist nicht der Trostpreis des Grundgesetzes für seine Unergiebigkeit im übrigen. Die grundrechtliche Dogmatik hat sich insoweit jedenfalls - es muß erneut betont werden - nur mit dem „alles-oder-nichts"Prinzip zu begnügen. c) Korrektur des formellen anhand des materiellen Verfassungsrechts Einen konstruktiv anspruchsvolleren Weg zu wenigstens minimalen sozialen Grundrechten (wie dem auf das Existenzminimum etwa) ist Alexy gegangen: Wenn die Grundrechte keine Leistungsansprüche verleihen, müssen ihnen ggf. einschlägige Normen zugeordnet werden 50. Eine solche Norm hat er mit dem „Modell sozialer Grundrechte" entwickelt: Es kommen, jedem die leistungsrechtlichen Positionen als soziale Grundrechte zu ..., die vom Standpunkt des Verfassungsrechts aus so wichtig sind, daß ihre Gewährung oder Nichtgewährung nicht der einfachen parlamentarischen Mehrheit überlassen werden kann" 51 . Doch diese Formel ist nur der Ausgangspunkt für den nächsten Schritt: „(D)ie Frage, welche sozialen Grundrechte der einzelne definitiv hat, (ist) eine Frage der Abwägung zwischen Prinzipien", nämlich dem der faktischen Freiheit hier und u. a. dem formellen Prinzip der Entscheidungskompetenz des demokratisch legitimierten Gesetzgebers dort. „Die detaillierte Antwort auf diese Frage ist Aufgabe der Dogmatik der einzelnen sozialen Grundrechte". Die allgemeine Antwort lautet: „Eine leistungsrechtliche Position wird man dann als definitiv grundrechtlich garantiert ansehen müssen, wenn (1) das Prinzip der faktischen Freiheit sie sehr dringend fordert und (2) das Gewaltenteilungs- und das Demokratieprinzip (das das der Haushaltskompetenz des Parlaments einschließt)... durch die grundrechtliche Garantie der leistungsrechtlichen Position und ihr Rechnung tragende verfassungsgerichtliche Entscheidungen in relativ geringem Maße beeinträchtigt werden.

49 Staatsrecht I, S. 935; auch für Maurer ist eine erweiternde Interpretation als Ausnahme nur „in besonders gelagerten Fällen" denkbar (S. 274). Wipfelder wendet sich nur dagegen, „ungehemmt soziale Leistungsrechte ... originär zu entfalten" (ZRP 1986, 140 ff., 145 f.). 50 51

Theorie der Grundrechte, S. 396,398,454 ff.

S. 406 ff., 465ff., 465. An einer Stelle (nämlich in Anschluß an die Ausführungen in Fn. 5) argumentiert Bleckmann ähnlich: Wenn „ein vom Parlament nicht berücksichtigter Anspruch ... ein höheres Gewicht beanspruchen kann als die vom Parlament genehmigten Ansätze", können die Bedenken gegen die Justitiabilität der Teihaberechte unter Umständen überwunden werden (S. 272).

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

223

Diese Bedingungen sind jedenfalls bei den minimalen sozialen Grundrechten erfüllt.. ," 52 . Anders als oben erwähnte Autoren gesteht er übrigens ohne weiteres zu, daß auch minimale soziale Grundrechte in erheblichem Maße finanzwirksam sein können, zumal dann, wenn viele von ihnen Gebrauch machen. Aber: „Die Kraft des Prinzips der Haushaltskompetenz des Gesetzgebers ist nicht unbegrenzt"53. Gegen diese Argumentation sind zwei grundlegende Einwände vorzubringen, die bei dem „Modell sozialer Grundrechte" ansetzen. Schwer nachvollziehbar ist einmal die Abwägung eines erneut in den ungesicherten rechtlichen Raum ausgreifenden, der normativen Absicherung noch bedürftigen „Modells sozialer Grundrechte" mit einem im Grundgesetz ohne Zweifel rechtlich ausgeformten Prinzip. Bei dieser Konstellation kann eine rechtliche Abwägung gar nicht stattfinden. Die „Wichtigkeit" sodann der - Rechtsnormqualität heischenden - faktischen Position ermöglicht eine solche Qualität gleichfalls nicht. Denn indem Alexy nach den Positionen sucht, die vom Standpunkt des Verfassungsrechts aus gleich den ohne weiteres verfassungsrangigen Grundrechten „so wichtig sind, daß ihre Gewährung oder Nichtgewährung" von der verfassungsändernden Zwei-Drittel-Mehrheit entschieden werden muß, erkundet er in diesem Bereich das materielle Verfassungsrecht, welches „an sich" in eine formelle Verfassung gehört. Mit diesem gewissermaßen „klügeren" materiellen Verfassungsbegriff will er das bloß „formelle" Verfassungsrecht korrigieren, das sich mit derfraglichen Position nicht abgegeben hat. Er spricht nicht ausdrücklich von „Korrektur"; doch mit dem einheitlichen Grundrechtsbegriff erfaßt er die „soziale" Variante ohne weiteres mit. Daher läuft seine Argumentation auf eine Erweiterung der überkommenen und in ihrer traditionellen Bedeutung unumstrittenen Grundrechte hinaus. Das ist aber nicht zulässig; der Interpret darf nicht die Rolle des verfassungsändernden Gesetzgebers übernehmen. Der Begriff des „materiellen Verfassungsrechts" ist ein rein heuristischer, der nur Erklärungswert für die Staatslehre besitzt. Im Staatsrecht ist er - ganz abgesehen von seiner Unschärfe ohne Bedeutung, und es dürfen aus ihm auch keine Schlußfolgerungen auf einen formellen Verfassungsrang gezogen werden. d) Regulierung prinzipieller Grundrechte durch den Gesetzgeber Befangen immer noch in der Methode des Ausgreifens und anschließenden Zurückweichens, aber stärker gestützt auf die Konkretisierungsarbeit des Gesetzgebers sind die nachstehenden Versuche, Leistungskomponenten der Grundrechte schlüssig in die Verfassungssystematik einzuordnen. Nur auf den ersten Blick ruppig und unbarmherzig machte Sendler die Vertreibung aus dem juristisch verheißenen verfassungsrechtlichen Paradies deutlich: „Niemand hat in irgendeinem Lebensbereich Anspruch auf staatliche Leistungen im Umfang des optimalen Standards eigener Wünsche und Interessen ..." Aber dann geht es weiter: Vielmehr ist ζ. B. der voraussichtliche Bedarf an Hochschulabsolventen ein legitimer Gesichtspunkt für die 51

Alexy S. 465 f.

53

Alexy S. 466.

224

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

sozialstaatliche Verteilung der Ressourcen durch den Gesetzgeber54. Er teilt bei dieser rechtlich relativ unspezifischen Sicht das immerhin irdisch Vertretbare zu. Komplizierter ist eine Verbindung von Verfassung und Gesetz, die Alexy für eine andere Klasse sozialer Grundrechte als die eben vorgestellten Minimalrechte begründet, nämlich die, die nicht zu einem definitiven Recht des einzelnen führen. Er nennt sie „an sich"Rechte, die eo ipso der Einschränkung bedürfen, wobei er dieses Schema auch auf die Rechte auf positive Leistungen des Staates überträgt 55. Dabei blickt Alexy auf die bereits oben vorgetragene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum „numerus clausus" an den Hochschulen56. „An sich" hat jeder hochschulreife Staatsbürger ein Recht auf Zulassung zum Studium seiner Wahl, unabhängig „von dem geringeren oder höheren Grad der Realisierungsmöglichkeiten". Es ist, ungeachtet des Vorbehaltes des Möglichen, „auf gesetzlicher Grundlage regelbar und ... einschränkbar". Was den von Böckenforde „auf den Punkt gebrachten" Konflikt der beiden Gewalten anbelangt, so sieht Alexy keine unüberwindlichen Probleme: „Die Kompetenz des Gerichts endet an der Grenze des definitiv Gesollten. Die bestimmt sich nicht nur nach dem Gewicht der gegenläufigen materiellen, sondern auch nach dem der gegenläufigen formellen Prinzipien", sprich: vor allem der Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers57. Die oben angebrachten Bedenken gegen die Abwägung gelten natürlich auch hier, insofern Inkommensurables gegeneinander abgewogen wird 58 . Etwas anderes mag gelten beim Rückgriff auf die Argumentationsweise des Bundesverfassungsgerichts im ersten „numerus clausus"-Urteil59. Dort war das Gericht in der Tat von einem im Prinzip unbedingten Zulassungsanspruch eines jeden Studienbewerbers ausgegangen, hatte aber zudem in mehrdeutiger Weise den „Vorbehalt des Möglichen" herangezogen60. Die Frage ist jedoch, ob selbst in diesem Zusammenhang die Konstruktion eines „an sich"-Rechts als eine so glückliche und die Formulierung als eine so „treffende" gelten können. Denn die Inkonsequenz in der Begründung des Bundesverfassungsgerichts schon im ersten einschlägigen Urteil ist, wie bereits oben ausgeführt, nicht zu übersehen: Erst wird gewissermaßen „prima facie" die Gleichheit aller Abiturienten betont, der EinserSchüler ebenso wie der gerade noch vor dem Scheitern Geretteten, der introvertierten Bücherwürmer genauso wie der geborenen Mediziner, dann folgen zur Gesichtswahrung

54 DÖV 1978,581 ff., 586; ähnlich Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 113; ders., Jura 1 (1979), 401 ff., 410; ders., Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 77, 79. 55

Der Staat 29 (1990), 49 ff., 63; ders., Theorie der Grundrechte, S. 468 ff. In Anlehnung an Alexy, aber noch stärker begriffstheoretisch deduzierend, entwickelt Bowwski die Konzeption des „außentheoretischen" sozialen Rechts „an sich" (S. 291 ff., 300 ff., 303 ff., 315 f.). Wenn er dabei einen grundrechtlichen Anspruch auf das Existenzminimum in Höhe von 70 % des durchschnittlichen Lebensund Versorgungsstandards eines einfachen Arbeiter entwickelt (S. 302, 307, 310, 314 f.), ist ein Kommentar fällig, den man sonst so leicht nicht sagt: Davon steht wirklich nichts in der Verfassung! 56

BVerfGE 43,291 ff., 315, 314.

57

Alexy in Fn. 55. Veigl. dens. auch in Kapitel 9 (Fn. 13) zur Haltung des Bundesverfassungsgerichts.

58

Vergi, oben zu c). Gegen Alexys Vorgehen Huster S. 116.

59

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 468.

60

Vergi, oben 9. Kapitel zu Fn. 13.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

225

einige unfreundliche Bemerkungen in Richtung auf den Staat und die Gesetzgeberpraxis „am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren44, und schließlich ist die zwangsläufige Einfuhrung von Zulassungskriterien doch unvermeidlich, bei denen der Schein vernichtet und das Leistungsprinzip wieder auftaucht 61. Das Gericht hat leider nicht gleich zu Beginn, schon bei der Ermittlung der Anspruchsgrundlagen, erwogen und untersucht, ob eine Relativierung der Bedeutung des Abiturs und damit eine Differenzierung der Leistungsfähigkeit durchaus im Sinne seiner Rechtsprechung zu Art. 3 GG das ganze Problem nicht zumindest in seinen grundrechtlichen Aspekten mehr oder weniger aus der Welt geschafft hätte62. Man kann sogar noch weiter gehen: Für Wilfried Berg ist die Bejahung eines Rechtsanspruches aus Art. 12 „ein unüberwindliches Hindernis für die Suche nach sachlichen Verteilungskriterien 4463. Nun ist Sinn und Zweck des im Prinzip unbedingten Rechtsanspruches nicht von der Hand zu weisen64. Aber auch ein a priori durch das Leistungsprinzip und damit den Differenzierungszwang eingeschränkter Zulassungsanspruch könnte seine kapazitätsausschöpfende Funktion erfüllen, wenn man ihn nach dieser Reduzierung für im Prinzip unbedingt erklärte. Dogmatisch und haushaltswirtschaftlich-finanziell wäre allen Beteiligten damit möglicherweise einiges erspart geblieben; nur die Bildungspolitik hätte daran glauben müssen ... e) Der a priori beschränkte Anspruch Von diesem Verfahren des ,,Zwei-Schritte-vor-einen-Schritt-zurück 44 unterscheidet LübbeWolff eine „grundrechtliche Gewährleistung44, die „ von vornherein nur den bedingten und eingeschränkten, d. h. einen präformierten Anspruch44 umfaßt, „der dann einer weiteren Einschränkung durch Gesetz auch weder bedürftig noch fähig ist 4465 . Als einziges Beispiel bringt sie den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht anerkannten, aber bereits institutionell reduzierten grundrechtlichen Anspruch existenzgefährdeter Privatschulen auf staatliche Überlebenshilfe, der „einen originären grundrechtlichen Leistungsanspruch darstellt44: Der „Gesichtspunkt44 des Erhaltens des Privatschulwesens als Institution „begründet nicht nur, sondern begrenzt auch die einschlägigen Ansprüche4466. 61 Vergi, oben 9. Kapitel zu den Fn. 4 ff. Breuer (Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 78 mit Rn. 77) rügt ebenfalls aus methodischen und grundrechtssystematischen Gründen die Argumentationsweise des Gerichts. Er verweist weiter auf die zwangsläufig hervorgerufene Frustration (Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 113). Die Sorge vor dem „unerfüllten" Grundgesetz bzw. vor nicht eingelösten Erwartungen hatten bereits Isensee (Der Staat 19 (1980), 367 ff., 382 f.) und Rupp (AöR 101 (1976), 161 ff., 177) vorgetragen. Gegen Leistungsansprüche „an sich" (vor Alexy) Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 342. 62 So Kimminich, Urteilsanmerkung in: JZ 1972, 696 ff., 699; weiter Kratzmann, Der Staat 29 (1990), 521 ff., 534. Allgemein gegen Alexys Strukturierung auch Stern/Sachs, Staatsrecht ΙΠ/2, S. 220. 63

Der Staat 15 (1976), 1 ff., 19 m. w. N.

64

Veigl. oben 9. Kapitel zu Fn. 15.

65 Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 17,223 f. Diese Einschränkung ist nicht identisch mit der Andeutung im ersten „numerus clausus"-Urteil: „Auch soweit Teilhaberechte nicht von vornherein auf das jeweils Vorhandene beschränkt sind ..." (BVerfGE 33,303 ff., 333). Zustimmend zu Lübbe-Wolff Huster S. 116 Fn. 237. 66

S. 223 f.

15 Kratzmann

226

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Diese griffige Formulierung kann die oben schon aufgezeigten verfassungsrechtlichen Konstruktionsschwächen67 aber nicht ausgleichen. Sie trägt ganz einfach die Brücke nicht vom subjektiven Individualrecht des einzelnen Privatschulträgers nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zur institutionell begründeten Förderung und zugleich zu deren Reduktion in der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es gilt vielmehr in diesem allgemeinen Stadium der Untersuchung noch einmal zu differenzieren: Sollte die Exegese des Art. 7 Abs. 4 ergeben, daß dem einzelnen Träger keine Förderansprüche zustehen, kann auch die zum „Privatschulwesen" zusammengefaßte Summe aller Ersatzschulen keine Forderungen geltend machen. Die zugleich begründende Begrenzung der einschlägigen Ansprüche wäre dann eine - leider nutzlose - dogmatische Selbstverstümmelung aus Angst vor der verfassungsrechtlichen Amputation - wohlgemerkt, noch vor der Heranziehung des „Vorbehaltes des Möglichen" gewissermaßen alsfinalem chirurgischen Eingriff zur Rettung der Staatsfinanzen bzw. zwecks Berücksichtigung einer Budgetrestriktion. Muß dagegen ein individueller Leistungsanspruch aus dem Grundgesetz abgeleitet werden, gibt es keine Begründung für seine durch gesetzliche „Präformation" gelenkte Übertragung auf konkret-hypothetische „Repräsentanten" des Privatschulwesens. Denn für die anderen, die nach dem Kriterium der Institutionsgewährleistung „überzähligen" Privatschulträger bedeutete das die Anspruchsvernichtung. Zudem sind in der Konsequenz die Destinatäre der institutionell verstandenen Subventionspflicht kaum zu ermitteln. Nur unter Zugrundelegung einer nahezu beliebigen „Ist"-Zahl, kaum jedoch einer normativen „Soll"-Zahl, wäre die „Institutionslösung" überhaupt haushaltsmäßig praktizierbar. Spätestens dann wird das Abstraktum vom Umfang her und in seiner konkreten Zusammensetzung zwangsläufig doch erfaßt und festgelegt. Da die Willkür des Gesetzgebers aber gewiß nicht das Ausmaß der Institution und ihre Partizipanden bestimmen darf, ist möglicherweise auch noch aus diesem Grund eine „Rumpf-Institution" vom Umfang oder von der Zusammensetzung her nicht mehr verfassungsgemäß - zumal dann nicht, wenn etwa die angeblich „konkurrierenden" öffentlichen Schulen nicht entsprechend reduziert werden. Unter diesen Umständen wäre die „institutionelle Reduktion" allenfalls unter einem Gesichtspunkt rechtlich tragbar, nämlich als eine andere Form der Sparmaßnahme eines überforderten Staates68, als eine spezielle Variante des „Vorbehaltes des Möglichen". Aber diese Funktion hatte das Bundesverfassungsgericht bereits anderweitig vergeben!69 Sie entfällt somit auch. Müller/Pieroth/Fohmann nehmen in ihrer Untersuchung der Leistungsrechte speziell im Zusammenhang mit der Förderung „Freier Schulen" eine „Interventionsgarantie" anstelle einer „Institutionsgarantie" an70. Diese verpflichtet den Staat, zugunsten der bedürftigen Ersatzschulträger zu intervenieren 71. Auch sie können bei dieser letzlich vergleichbaren Konstruktion natürlich der Frage nicht ausweichen, wann eine Institution aus der „sozialen Realität" verschwindet bzw. nicht mehr hinreichend in ihr repräsentiert ist. Konkrete 67

Siehe oben 9. Kapitel zu den Fn. 33 ff.

68

Vergi, oben 9. Kapitel zu Fn. 35.

69

Siehe oben 9. Kapitel zu Fn. 38 (ausdrücklicher Haushaltsvorbehalt).

70

S. 127.

71

S. 143 f.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

227

Leistungsansprüche gestehen sie wegen der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit des Staates den Ersatzschulträgern nicht zu; diese sind ggf. auf die Verfassungsbeschwerde gegen den Gesetzgeber verwiesen72. f) Rückzug auf das Sozialstaatsprinzip Dogmatisch unkompliziert und einsichtig ist dagegen der komplementäre Standpunkt zur anfangs vorgeführten Ablehnung einer „Grundrechtsmutation": Nur und erst ein Gesetz schafft sozial- und leistungsrechtliche Ansprüche. Denn allein der Gesetzgeber verfügt über den Haushalt, setzt bei beschränkten Mitteln die Prioritäten ihres Einsatzes und wählt aus den vielen Möglichkeiten für grundrechtsbezogene Hilfe, Förderung und Unterstützung die ihm geeignet und finanzierbar erscheinenden aus73. Es gibt folglich keine verfassungsunmittelbaren Leistungsansprüche, sondern nur solche nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzes. Die durch eine Kreditsperre bedingten Einschränkungen lassen sich so relativ einfach bewältigen. Neben dieser eher allgemeinen Rollenverteilung machen einige Autoren vornehmlich im hier problematischen Grundrechtsbereich die unterschiedlichen Regelungsfunktionen deutlich. An einer Stelle setzt Häberle zwar sehr weitgehend bei der „wirklichen" Freiheit der Verfassung an: „Nicht nur das Wesen der Grundrechte als Freiheit, sondern auch das Wesen der Grundrechte als Rechte wäre getroffen, wenn sie nicht durch die tatsächliche Inanspruchnahme aller aktualisiert würden". Aber bald darauf stellt sich heraus, daß er offenbar nicht die jeweiligen Grundrechte meint, sondern etwas anderes - und weniger: „Wesentlicher Sinn des Art. 20 GG ist es, den Individuen ein Mindestmaß an materiellen Gütern zu sichern, ohne welche sie ihre Freiheit praktisch nicht realisieren können"74. Isensee bemerkt zunächst, daß „Grundrechtsvoraussetzungen", von denen die effektive Geltung der Grundrechtsnormen abhängt, nicht Bestandteil der Grundrechtsnorm selbst sind und nicht zu ihren Schranken gehören75. Darauf folgt später für das hier interessierende Thema die Feststellung: „Das Grundgesetz thematisiert die Grundrechtsvoraussetzungen unmittelbar in der Sozialstaatsklausel"; dieses soziale Staatsziel vermittelt als

72

S. 168 ff., 172.

73

So ζ. B. deutlich Bethge, Der Staat 24 (1985), 351 ff., 376 f.; vergi, weiter Häberle, WDStRL 30 (1971), 43 ff., 111 und passim; ders., „Leistungsrecht" im sozialen Rechtsstaat, 470 ff., 473; Isensee, Der Staat 19 (1980), 367 ff., 376 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), 161 ff., 177 f.; Starck, JuS 1981,237 ff., 241; Zacher, Chancen und Grenzen des Sozialstaates, S. 75. 74 75

Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 15 f.

Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung (§ 115), Rn. 7, auch Rn. 9. Frühzeitig hatte das auch schon Quaritsch ausgeführt (Der Staat 5 (1966), 451 ff., 469). Kloepfer hatte noch versucht, gewissermaßen „vor 4' diese Feststellung zu schauen: „... mit der Kennzeichnung als Grundrechtsvoraussetzung (ist)... eine endgültige Entscheidung über die mangelnde grundrechtliche Tatbestandsmäßigkeit einer Position (noch nicht) gefallen ... Die wichtigste Frage bei den Grundrechtsvoraussetzungen ist es ja gerade, ob sie nicht grundrechtlich geschützt sind, ob sie also als .Voraussetzungen4 des ,eigentlichen* Grundrechtstatbestandes selbst an der grundrechtlichen Schutzfolge teilhaben" (Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 17). 15*

228

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

solches dem einzelnen natürlich keinen einklagbaren Leistungsanspruch76. Nach der Anerkennung der wichtigen und auch erkannten Aufgabe, „für jedermann die Voraussetzungen für eine Grundrechtsausübung zu schaffen", schließt Ossenbühl die Erkenntnis an: , Aber sie hat verfassungsrechtlich gesehen nichts mit der Grundrechtsauslegung zu tun, sondern stellt sich dar als eine sozialstaatliche Aufgabe" 11. Er verschiebt somit die gesamte Leistungs- und Teilhabemutation letztlich von den Grundrechten zur fast schon traditionell anmutenden gesetzgeberischen Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips, ausgedrückt in den Artikeln 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG. Für eine etwa unumgängliche Reduzierung des jeweiligen sozialen Standards aus finanziellen Gründen stellt diese Sicht gewiß kein Hindernis dar. In vergleichbarer Argumentation weist Haverkate dem Sozialstaat die „ökonomischsoziale Implementation der Freiheitsrechte" zu 78 . Nach der Feststellung, daß nur das Individuum im sog. „status negativus" die (d. h. seine) Freiheit verwirklichen kann, stellt er die bekannte Kompetenzfrage und beantwortet sie auch: „Es ist unbezweifelbar die Aufgabe des Richters, über den status negativus zu wachen; es ist unbezweifelbar Sache des Parlamentes, über den Ausgleich ökonomisch-sozialer Ungleichheiten zu befinden". Also hat der sog. „positive Freiheitsbegriff' seinen legitimen Platz nicht im Verfassungsrecht, sondern im Gesetzesrecht. Die grundlegende Frage, wo die Thematik eigentlich anzusiedeln ist, hatte schon die Staatsrechtslehrertagung 1971 beschäftigt. So hatte Hesse in der Aussprache ursprüngliche Zweifel angedeutet, ob es bei dem Thema überhaupt um Grundrechtsprobleme ginge79, während Kaiser diese Zweifel weiter äußerte80, und im Ergebnis ähnlich auch Kriele 81 . Von diesen Zweifeln zu trennen und eher bei den „Grundrechtsmutationen" oben anzusiedeln ist dagegen die Verbindung, die Vermischung beider Normebenen bei Lücke82: Es „erfolgt die leistungsrechtliche Umdeutung der Grundrechte unter Zuhilfenahme des Sozialstaatsprinzips ...". Kombinationen dieser - oder noch komplizierterer - Art werden häufig bei den einzelnen Grundrechten und nicht zuletzt vom Bundesverfassungsgericht angewandt; Einzelheiten folgen unten. Doch wenn das Sozialstaatsprinzip mehr sein soll als der Auftrag an den Gesetzgeber, die materielle Basis für Freiheitsrechte zu schaffen, 76 77 78 79 80

Isensee Rn. 158 und 160. NJW 1976,2100 ff, 2105. S. 101 ff, vor allem S. 102,104 f. WDStRL 30 (1971), 146.

Aussprache 156. Aussprache 160. 82 AöR 107 (1982), 15 ff, 32. Eine Kombination hält offenbar auch Denninger für möglich, wenn sich die rein objektivrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, bei bestimmbarem Leistungsanspruch gegen den Staat und evidenter Grundrechtsverletzung durch seine Vernachlässigung der Handlungspflicht zu einem subjektivrechtlichen Individualanspruch verdichtet (Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung (§ 113), Rn. 43). Ablehnend Trute S. 418 f.: Das Sozialstaatsprinzip kann eine leistungsrechtliche Umdeutung der Abwehrrechte nicht bewirken. Siehe weiter jedoch auch Pitschas, der Art. 109 Abs. 2 GG zur komplementären Interpretation des Art. 12 Abs. 1 GG bis hin zum Beschäftigungsdirigismus heranziehen will (Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 340 f.). Ähnlich Schneider, WDStRL 43 (1984), 7 ff, 22, 133 (Aussprache): Priorität des Vollbeschäftigungszieles; dagegen (WDStRL 43, Aussprache): Stern (95), Jörn Ipsen (113 f.), Soell (125). 81

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

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nämlich eine Art „Grundrechtsmutator", so müssen die Freiheitsrechte die Anlage dazu enthalten, sich wandeln zu lassen. Der „Schlüssel" kann nur bei ihnen liegen. g) Grundrechte als „Bestandsgaranten" Nicht wenige sehen die hier relevante normative Wirkung der überkommenen Freiheitsgrundrechte weniger in der offensiven Erfassung der materiellen/sozialen Voraussetzungen ihrer je eigenen realen Geltung als vielmehr in der defensiven Sicherung des jeweils erreichten sozialen oder finanziellen Standards ihrer Wirkungsgrundlagen. Das machte sie im Grundsatz kaum weniger resistent gegenüber den Ansätzen zu einer „Rück-Interpretation" wie die zuvor erörterte institutionelle Gewährleistung, weil der Status quo in beiden Fällen eine maßgebliche Rolle spielt. Die Frage wird lauten, wie weit der möglicherweise verfassungsrechtlich abgesicherte „Bestandsschutz" reicht. Berg hat ihm einen Aufsatz mit dem plastischen Titel „Die Verwaltung des Mangels" gewidmet83. „Die strikte Wahrung (d. h.: erworbener Besitzstände) kann die Manövriermasse in einer »verteilten Welt1 gegen Null schrumpfen lassen"84, lautet die Erkenntnis, die erst recht bei einer harten Budgetrestriktion ohne weiteres einzusehen ist. Entscheidend wird vor allem sein, „ob und in welchem Umfang (bei einer Verteilung) Ziele des Grundgesetzes verwirklicht oder konterkariert werden und ob das Grundgesetz selbst Methoden zur Erreichung solcher Ziele vorschreibt oder jedenfalls bevorzugt"85. „Richtig gesehen folgt aus der Existenz - auch grundrechtlich - fundierter Rechtsansprüche zunächst nur, daß bei der Konkurrenz zwischen einem Anspruchsberechtigten und einem sonstigen Bewerber der erstere vorgeht" 86; doch was geschieht anschließend? „(D)er - nicht für alle erfüllbare Rechtsanspruch (wandelt sich um) in einen Anspruch auf materiale Abwägung: Der Staat muß die Prioritäten nach gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen setzen. Der Verteilungsakt ist hier eine Eingriffsmaßnahme"* 1. Welches sind die Wertentscheidungen? „Neben Schwerpunkten im Bereich der Freiheitsrechte und des Gleichheitssatzes, aber auch im unmittelbaren Zusammenhang mit den Grundrechten, spielt das Gebot der Sozialstaatlickeit eine bedeutende Rolle", und selbstverständlich sind auch „die Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips (zu) berücksichtigen" 8 8 . Auf die einzelnen Verteilungsprinzipien wird im Bedarfsfall weiter unten eingegangen werden. Berg trägt hier die weitreichenden Probleme der Homogenität von Finanzverfassung und (übrigem) Grundgesetz, von verfügbaren Mitteln und Kapazitäten und rechtlichen Verpflichtungen vor, die sich auf allen Ebenen ergeben, wenn vorgeschobene Positionen, die infinanziell üppigeren Zeiten eingenommen worden waren, wieder geräumt werden müs83 Wilfried Berg, Der Staat 15 (1976), 1 ff. Auch Tomuschat befaßte sich mit diesem Thema (Der Staat 12 (1973), 432 ff., 443 ff.). 84

Berg 8.

85

Berg 17.

86

Berg 19; so auch Jach S. 94, 98 f., 102 (hinsichtlich des Förderungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 4 GG); Steiger, Entwicklung im Grundrechtsverständnis, S. 274. 87 88

Berg 20. Bergli.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

sen. Die Lösung soll eine Abwägung der involvierten Verfassungsgüter und obersten Verfassungsprinzipien erbringen; jedoch den Weg zu einer echten Homogenität versperrt sich Berg selbst mit dem Hinweis auf den „Eingriffs"-Charakter der fraglichen Reduktion. Wenn die vom Parlament vertretenen Belange einer geordneten Finanzwirtschaft, hervorgehoben und präzisiert durch das Verbot der Kreditaufnahme, nicht von vornherein in die Interpretation der Grundrechte mit eingehen, ist eine im Grundsatz bruchlose Harmonie von Grundrechtskatalog und Finanzverfassung nicht erreicht. Vielmehr werden erst die Grundrechte sozusagen „autonom" interpretiert und dann die Resultate durch eine gleichfalls autonome „Neuverteilung" ganz oder teilweise wieder aufgehoben. Andere Autoren haben minder ausführlich den verfassungsrechtlich eingebauten „Sperrklinkeneffekt" skizziert: Goerlich weist auf die Wirkungen der Grundrechte als Verfahrensschutz im Sozialstaat hin, die den Haushaltsgesetzgeber daran hindern, als Herr der Grundrechte mit einem Federstrich eine ausdifferenzierte Gesetzgebung einfach zu beseitigen89. „(Es) fuhren Grundrechte und Sozialstaat weiter, wenn man neben ihrer Richtlinienfunktion auf Rahmen und Grenze abstellt, die sie zumal dem Leistungen einschränkenden, umverteilenden Gesetzgeber setzen, wenn also der Leistungsrückruf zum Eingriff wird", erklärt Hufen 90 und schließt sich damit hinsichtlich der Annahme eines Eingriffs Berg an. Lübbe-Wolff läßt neben den schon von ihr erwähnten originären grundrechtlichen Leistungsansprüchen weitere „dogmatische Instrumente" zu, „mit denen sich der individuellen Angewiesenheit auf grundrechtsschützende und grundrechtsfördernde staatliche Leistungen subjektiv-grundrechtlich Rechnung tragen läßt". Das ist „grundrechtlicher Normbestands- und Normanwendungsschutz ... - aber eben wiederum nur für einen begrenzten Bereich, nämlich den der Sicherung gesetzlich im einzelnen bereits vorgesehener Leistungen"91. Lücke vermerkt, daß in Zeiten ökonomischer Stagnation oder gar Schrumpfung „den sozialen Grundrechten neben ihrer dynamischen auch eine »statische4 Funktion zukommt, nämlich im sozialen Bereich Bestehendes und Erreichtes zu sichern und soziale Minimalansprüche festzuschreiben" 92. Nicht für die Grundrechte, sondern für den Sozialstaat beschreibt Zacher sehr einprägsam die insoweit für beide Komplexe gültige Situation: „Mittlerweile ist klar, daß das Gesetz die Kasse nicht füllt. Und so befindet sich das Gesetz auf einem holperigen Rückzug von den vorgeschobenen Fronten maximaler, unter optimalen Bedingungen gegebener Zusagen"93. Und: „Der im Sozialstaat allgegenwärtige Kampf um die Zuwachsraten der Umverteilung wird überlagert durch den Kampf gegen Einschränkungen und Belastungen"94. Für den, der im Sozialstaatsprinzip 89

Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 208. WDStRL 47 (1988), 142 ff., 162. Einschlägig, aber insoweit weniger prägnant, ist das Votum von Erichsen: „Grundrechtserheblich sind daher leistungsstaatliche Maßnahmen dann, wenn sie für die Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit des Bürgers von Bedeutung sind" (Elternrecht und staatliche Verantwortung für das Schulwesen, S. 732). 90

91

Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 225. AöR 107 (1982), 15 ff, 35, vergi, auch 46 (für das Sozialstaatsprinzip). Gegen derartige Verfestigungen Haverkate S. 111. 92

93

Chancen und Grenzen des Sozialstaats, S. 73. Zacher S. 83; weiter ders., Das soziale Staatsziel (§ 25), Rn. 50. Suhr nimmt zwar ein soziales Rückschrittsverbot an, will aber vom „Rückschritt" die andere, bessere Lösung unterscheiden (Der Staat 9 (1970), 69 ff, 92 f.). 94

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

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den Motor für die Realisierung der Grundrechtsvoraussetzungen sieht, formuliert Isensee einigermaßen zurückhaltend: „Das soziale Staatsziel vermag daher nicht, die vorhandenen Grundrechtsvoraussetzungen en bloc zu verfestigen. Möglicher Bestandsschutz, aber nur als abgestufter und relativer Schutz, kann nur von den einzelnen Grundrechten her begründet werden. Sie bilden auch die Basis für einen möglichen Schutz des Vertrauens in die Kontinuität der vorhandenen Einrichtungen"95. Das Gefährliche an dieser durchaus einladenden Defensivstrategie ist die Unklarheit und Schwammigkeit der Grundrechtsverbindlichkeit. Man müßte sehr genau wissen, was ein „ - auch grundrechtlich - fundierter" Rechtsanspruch eigentlich darstellt und wie zwingend ζ. B. „grundrechtsschützende und grundrechtsfördernde staatliche Leistungen" zu gewähren sind. Isensee hat die Schwierigkeiten, den exakten Grundrechtsbezug zu ermitteln, so beschrieben: „Alle Normen werden geprägt durch den Wirkungszusammenhang der Rechtsordnung. Doch deshalb kann nicht jedwede Norm wegen ihrer mittelbaren Nebenund Rückwirkungen auf die Ausübung eines bestimmten Grundrechtes gerade als dessen Voraussetzung qualifiziert und mit besonderer Dignität versehen werden"96. Wenn Mußgnug auf den zumindest politisch (aber damit nicht schon rechtlich) bedeutsamen „stimulierenden Einfluß der Grundrechte" hinweist97, so mag nach den strengen Regeln der Norminterpretation damit alles oder nichts gemeint sein. Die oben angesprochene „leistungsrechtliche Wirkung" selbst von Hypothesen98 läßt den Verfasser dagegen zögern, die Thesen des grundrechtlichen Widerstandes gegen den Rückbau des Sozial- und Leistungsstaates einfach beiseite zu schieben. Zu unübersehbar ist seine heutige Wirklichkeit, und es bedeutete eine Mißachtung seiner Antriebskräfte, wenn man allein ein womöglich einschlägiges Grundrecht als die einzige relevante Norm wertete, die bloß durch einefinanzwirtschaftlich erzwungene Neuinterpretation - „switch on, switch off 4 - im einfachgesetzlichen Normbereich darunter gewissermaßen „tabula rasa" machen könnte. Was der Gesetzgeber über Jahrzehnte entwickelt und ausgebaut hat, ist gegenüber dem theoretisch interpretierten Verfassungsrecht nicht einfach ein Nichts, ein nullum, sondern, wie bereits dargelegt, verfassungsrechtlich legitimiert, präsent und relevant und vor allem selbst die wichtigste Interpretation und Konkretisierung des Grundgesetzes. „Extra constitutionem nulla salus" ist nicht die richtige Erkenntnis; einfachgesetzliche Leistungs- und Teilhaberechte bestimmen die staatliche Wirklichkeit, und ein einschlägiges Grundrecht wäre allemal beim „Rückbau" zu beachten, mag es zuvor berücksichtigt worden sein oder nicht. Die Bezugnahme auf Häberles „wirklichkeitswissenschaftliche" Sicht des Leistungsstaates99 ist wohl offenkundig. Das bedeutet aber nicht, daß der überaus ausführliche und nuancenreiche Bericht Häberles über „Grundrechte im Leistungsstaat" in jeder Hinsicht 95 Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung (§ 115), Rn. 161. 96

Rn. 150.

97

WDStRL 47 (1988), 113 ff., 118.

98

9. Kapitel Abschnitt 3 a).

99

WDStRL 30 (1971), 43 ff., 45 ff., 69 ff. und Leitsätze 19 und 20. Bedenken gegen die unbefangene Übernahme dieses Begriffes bei Scholler (WDStRL 30,177 - Aussprache -).

232

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

akzeptiert werden kann. Der Vorbehalt gilt zumal dort, wo die Homogenität von Finanzund Leistungsstaat auf dem Spiele steht. So ist der Satz: „Grundrechtswirklichkeit ist die Wirklichkeit und Wirksamkeit ihrer - variablen - Dogmatik"100, schwer nachzuvollziehen, weil er die nachhaltig steuernde und problemsortierende - nicht: unter den Finanzproblemen schwankende - Aufgabe der Dogmatik verkennt. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: „Möglichkeit und Wirklichkeit der leistungsstaatlichen und -rechtlichen Seite der Grundrechte werden im Leistungsstaat zu einer abhängigen Variablen vom realen Bruttosozialprodukt" 101. Diese Abhängigkeit nachhaltig sicherzustellen und rechtlich einzufangen, ist Aufgabe einer durchausfixierten Dogmatik102. Wenn mit einer nicht so schnell „variablen" Dogmatik noch das Gebot übereinstimmt: „Grundrechtsdogmatik muß sich bewähren und darf nicht bloß bewahren", so ist das folgende Postulat dagegen bedenklich: „Im Leistungsstaat gilt es, die Grundrechte nicht ,ab', sondern fort- und - wo nötig - umzuschreiben"103. Das mindeste, was man dazu nach dem Vorangehenden sagen muß, ist, daß eine solche Aussage angesichts der Rigidität der Verfassung und der Kompetenzen zuständiger Verfassungsorgane sich als höchst zweifelhaft darstellt. Doch hiervon abgesehen bleibt es das Verdienst Häberles, sich von der vorrangigen Fixierung auf die Verfassung und ihre theoretische Interpretation durch die Literatur gelöst und auf die Bedeutung der „wirklichen", d. h. primär vom Gesetzgeber geprägten gelebten Verfassung hingewiesen zu haben104. Allein deshalb ist jeder „Rückbau" des Leistungsstaates schon politisch und vom gesetzgeberischen Aufwand her sehr schwierig. Daß konkret wiederholt - die derzeitige Hochschullandschaft nicht etwa durch die verspätete Berufung auf einen in Wahrheit schwachen, nämlich vom Status quo der Ausbildungskapazität bestimmten Art. 12 Abs. 1 GG in die Ausgangslage zurückversetzt bzw. in eine antike Trümmerlandschaft ohne Denkmalschutz verwandelt werden kann, ist so offenkundig wie nur irgend etwas. Die zuvor präsentierten Ansichten und Voten zum grundrechtsbedingten „Sperrklinkeneffekt" bedeuten eine Umschreibung der Hindernisse und Schwierigkeiten bei der nachträglichen Anpassung der anspruchsvollen Wirklichkeit an eine weniger anspruchsvolle Verfassungsnorm. Aber um eine exakte und rigide Gmndrechtsinterpretation kommen auch hier die Interpretatoren nicht herum: Nur wenn ein Grundrecht wirklich den Aufbau des Leistungsstaates mitgestaltet, also erzwungen hat, kann es möglicherweise dessen ausfinanziellen Gründen an sich unvermeidlicher Demontage entgegenstehen. h) Viribus unitis Nicht selten werden mehrere Grundgesetzartikel bemüht, um zu bewirken, was eine Norm allein nicht zu erreichen vermag: In den Urteilen zum „numerus clausus" etwa wer100

Aus Leitsatz 20 (136).

101

Leitsatz 19(6) (136).

102

So ließe sich das Votum Schmitt Glaesers verstehen (WDStRL 30,171 f. - Aussprache -).

103

Leitsatz 24 (136).

104 Vielleicht ließe sich noch der Satz zitieren: „Das Wort hat die Grundrechtsdogmatik, die Tat ist Sache des Gesetzgebers" (WDStRL 30 (1971), 43 ff, 75). Vergi, auch dens., „Leistungsrecht" im sozialen Rechtsstaat, S. 473 f.

10. Kap. : Grundrechte - Rechte auf Leistungen? - Meinungsstand

233

den neben Art. 12 Abs. 1 GG der allgemeine Gleichheitssatz (des Art. 3 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsprinzip herangezogen, um das Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium zu untermauern. Ob diese Kombination notwendig ist, um einen Anspruch auf einen vorhandenen Studienplatz zu begründen, mag fraglich sein 105 . Ein Verfassungsauftrag zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze, eine grundgesetzliche Bindung also, kann dagegen nur jeweils aus einer konkreten Norm herausgelesen werden und das korrespondierende subjektive Recht entsprechend auch. Der Gleichheitssatz begründet allein derivative Teilhaberechte, verhindert also den sachwidrigen Ausschluß von vorhandenen Begünstigungen106, und das Sozialstaatsprinzip ist für derartige spezifisch bildungsbezogenen Bindungen zu allgemein und zu schwach. Das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte müßte die erforderliche Bindung also schon allein erbringen. Unten wird sich sodann zeigen, daß das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung des Anspruchs auf das (bereits gewährte) Existenzminimum alle erdenklichen Artikel herangezogen hatte. Beeindruckend war weiter das Aufgebot an Grundgesetzartikeln, um ein Recht auf Bildung zu konstruieren: Art. 2 Abs. 1, 3, 6 Abs. 2, 7, 12 Abs. 1 GG, Sozialstaatsprinzip107. Doch was keine Norm allein schafft, vermag auch hier ihre Häufung nicht zu erwirken, so daß diese Konstruktion ein wenig dem hoffnungsvollen mathematischen Versuch ähnelt, durch die wiederholte Multiplikation oder Additition von Nullen eine Eins zu erzielen 108. i) Abschluß: Verzicht auf Homogenität Die vorangegangenen Interpretationsansätze versuchten meist, sich in der einen oder anderen Form mit den Diskrepanzen zwischen Grundrechtsverwirklichung und engem Finanzrahmen auseinanderzusetzen. Kein Bemühen in diese Richtung liegt mehr vor und keine systeminterne Verarbeitung des Finanzierungsvorbehalts findet statt dort, wo die Mittelknappheit als „faktische Schranke" aller sozialen Grundrechte qualifiziert wird 109 . Denn bei einer solchen Sicht, die das Bundesverfassungsgericht bekanntlich zweimal mit der unverhüllten Berufung der Haushaltsgewalt in die Praxis umgesetzt hat 110 , ist der Geltungsanspruch des fraglichen Rechts an sich unbegrenzt, zumindest insoweit nicht in 105 106

Haverkate bezweifelt dies (S. 90 m. w. N.). Vergi, im übrigen oben 9. Kapitel zu den Fn. 13 ff.

Dazu Lübbe-Wolff, 30 (1971), 7 ff, 21 ff.

Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 17 ff.; Martens, WDStRL

107 Vergi. Kratzmann, Grundrechte - Rechte auf Leistungen? S. 57 ff; neuerdings - in positivem Sinne - Jarass, DÖV 1995, 674 ff. 108

Dazu schon Kratzmann S. 125.

109

Vergi. Böckenförde, NJW 1974, 1529 ff, 1536; Brunner S. 16; Isensee, WDStRL 47 (1988), 226 (Aussprache); Kimminich, JZ 1972, 696 ff, 699; Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 518; ders., JuS 1981, 237 ff, 241. Das gilt sogar für die sozialen Grundrechte des Sozialgesetzbuches I, so Schwerdtfeger S. 549. Stern/Sachs erwähnen noch den rechtslogisch notwendigen „Vorbehalt des Möglichen", der ohne weiteres überall gilt (Staatsrecht III/l, S. 719). Vergi, im übrigen die im 5. Kapitel in den Fn. 68 und 84 weiter Genannten und die in Fn. 85 aufgezeigten Konsequenzen. 110 Siehe oben 9. Kapitel zu Fn. 18 und 38. Hiermit korrespondiert die herrschende Ansicht, daß das Haushaltsrecht wiederum - für sich betrachtet - dem „Innenrecht" des Staates zugeordnet wird, so z. B. Grupp, Haushalts- und Abgabenrecht, S. 160 ff (mit Ausnahmen, S. 162 f.).

234

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Frage gestellt, und wird nur durch den Haushaltsgesetzgeber von außen (exogen) beschränkt. Eine solche Lösung wirkt gewaltsam; eine echte Konkordanz von Finanz- und übriger Staatsverfassung stellt sie nicht her 111.

111 Den extremsten Fall einer solchen Lösung bildet der Staatsbankrott, der stets nur Ausnahmerecht zur Bewältigung vergangener Katastrophen sein kann, aber keine immanente Schranke staatlicher Verpflichtungs- und Leistungsfähigkeit, so Anna Leisner S. 59 ff.

11.

Kapitel

Kreditsperre und Grundrechtsinterpretation Das vorige Kapitel konnte die Entwicklung grundrechtlicher Teilhabe- und Leistungsbezüge wenig ermutigen. Bevor jedoch endlich bei den einschlägigen Artikeln des Katalogs nach zweifelsfreien Ansätzen für eine entsprechende Interpretation gesucht und ggf. anschließend die rechtliche Konsequenz der unterstellten Budgetrestriktion, sprich: Kreditsperre, bei jedem einschlägigen Grundrecht ermittelt wird, ist zuvor deren Geltung auch für den Grundrechtsbereich zu bestätigen. Denn wenn grundgesetzbewehrte Ansprüche an den Haushalt am Ende von den allfalligen Einschränkungen auszunehmen wären, müßten ganz andere Teile des Haushalts deren Einsparungsanteile zusätzlich noch mittragen. Entscheidend ist, welche Faktoren bei einer revidierten Exegese insoweit wirkungsmächtig sind. In Betracht kommen die Prinzipien, die oben im Zusammenhang mit der Erörterung des Demokratiegedankens und anderer Rechtsgrundsätze schon einmal vorgestellt wurden.

1. Restriktive Interpretationskriterien a) Demokratieprinzip Bei der Erörterung etwaiger Verschuldungsgrenzen kam vor allem das Demokratieprinzip ins Blickfeld. Es erwies sich als grundsätzlichfruchtbar bei dem Bemühen, die zeitlichen Wirkungen der Herrschaft einer jeden Generation auf eben „ihre Zeit" zu begrenzen und die folgenden Generationen von ihnen auszunehmen. Es ist damit nach wie vor das Hauptargument gegen eine Kreditaufnahme. Wie immer es jedoch gewendet wird, bleibt es stets ein Prinzip der Herrschaftsgestaltung, welches für eine rechtsimmanente Beschränkung der Grundrechte a priori nicht in Betracht kommen kann. Haverkate hatte eine bisher hier nicht aufgegriffene Widersprüchlichkeit bei der einschlägigen Behandlung des Themas bereits aufgezeigt: „Die teilhaberechtliche Interpretation der Grundrechte läuft darauf hinaus, in ihnen zugleich »Minderheitenschutz4 und Legitimationsbasis der Mehrheitspolitik zu sehen"1. In diese „complexio oppositorum" noch das Prinzip der Mehrheitsherrschaft, das Zielbegriff des Minderheitenschutzes ist, zugleich als intertemporal beschränkenden Faktor der die Teilhaberechte ausgestaltenden Mehrheitspolitik einzubauen, wäre ein Mißgriff und zugleich ein bißchen zuviel der Begriffsverwirrung.

1 S. 101 unter Hinweis auf Hans H. Klein, Die Grundrechte, S. 40,72. Willke (Stand und Kritik der neueren Grundrechtstheorie, S. 220) ist insoweit unklar; er geht im übrigen auf die finanzielle Seite der Teilhaberechtsproblematik praktisch nicht ein (S. 216 ff.).

236

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt b) Die Rechte anderer (Art. 2 Abs. 1 GG)

Es ist spätestens seit der Aufklärung anerkannt, daß das eigene Recht im gleichen Recht des anderen seine Grenzefindet. Immanuel Kant sah die Aufgabe des objektiven Rechts in der „Einschränkung der Freiheit eines jeden auf die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann,... und das öffentliche Recht ist der Inbegriff der äußeren Gesetze, welche eine solche durchgängige Zusammenstimmung möglich machen"2. In zweifacher Ausformung läßt sich dieses Grundprinzip des Zusammenlebens heute im praktizierten Verfassungsrecht wiedererkennen. Zunächst ist auf eine explizite Regelung zu verweisen. Im Grundgesetz schränkt Art. 2 Abs. 1 das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit u. a. durch „die Rechte anderer" ein3. Da dieses allgemeine „Auffanggrundrecht" fur jedermann gilt, läßt sich die Konsequenz so beschreiben: „Die »Freiheit des Individuums* ist eine reziproke Funktion der gleichen Freiheit aller anderen Individuen"4. Eine weitere einschlägige Variante ist nicht direkt aus der Verfassung herauszulesen. Das Ausmaß der jeweiligen gegenseitigen Rechtsreduzierung hin zur „Zusammenstimmung" im Sinne Kants läßt sich nämlich durch das „Prinzip der Verallgemeinerung" ermitteln5. Dieses hilft bei der Kontrolle der Allgemeinverträglichkeit menschlichen Handelns und beginnt diese mit der Frage: Was wäre, wenn alle das (ζ. B. eine bestimmte Grundrechtsausübung) täten? Bei Unverträglichkeit bis hin zur wechselseitigen Rechtsbeeinträchtigung gebietet das Prinzip Einhalt. Es reguliert somit Kollisionen vielfaltiger Ausübungen des gleichen Grundrechts und übt damit in etwa die Funktion aus, die die höchstrichterliche Rechtsprechung bei den Zusammenstößen verschiedener Grundrechte und Verfassungsprinzipien, die für einander verfassungsunmittelbare Schranken bilden, entwickelt hat die konkrete Güterabwägung zwecks möglichst schonenden Ausgleichs der gegensätzlichen Interessen6. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Freiheit von Rundfunk und Fernsehen im 1. Fernsehurteil7 ist übrigens eine klassische Anwendung des „Prinzips der Verallgemeinerung", weil sie wegen der Unverträglichkeit und damit Verallgemeinerungsunfähigkeit individueller Grundrechtsausübung im Rundfunkbereich damals bis auf weiteres diese individuelle Nutzung praktisch auf Null reduzierte8. Der Nutzwert des Prinzips kann wie folgt festgehalten werden: „Der Rückbezug des Ergebnisses der Verallgemeinerung auf die konkrete, aus einem Grundrecht abgeleitete Forderung ... stellt eine rechtliche, auf den Gleichheitssatz gestützte Wertung dar. Wenn nicht alle anderen denkbaren Grundrechtsträger in den Genuß des gleichen Rechts kommen können, soll kei2

Über den Gemeinspruch, S. 144.

3

Vergi, hierzu Kratzmann, Der Staat 29 (1990), 521 ff., 522 f. m. w. N.

4

Suhr, Gleiche Freiheit, S. 16. In der Sache geschieht wenig anderes als die Herstellung „praktischer Konkordanz" im Sinne Hesses (Grundzüge, S. 28), nur daß „das Kind" hier einen speziellen „Namen" erhält. In der Sache besteht auch kein Unterschied zu Fn. 6 mit Text. 5

Hierzu Kratzmann 522 ff.

6

Vergi. BVerfGE 30,173 ff., 195; 73,40 ff., 97; auch BVerwG NJW 1996,3287 ff., 3288.

7

BVerfGE 12,205 ff.

8

Dazu Kratzmann 527.

11. Kap. : Kreditsperre und Grundrechtsinterpretation

23 7

ner es in dieser Form nutzen dürfen, allenfalls in einer anderen, die dann ihrerseits verallgemeinerungsfähig ist und allen potentiellen Interessenten die Gleichwertigkeit ihrer Rechte sichert. Der Grundsatz der Gleichbehandlung vor dem Gesetz ist damit der wichtigste, nämlich regulative Bestandteil des Prinzips der Verallgemeinerung"9. Es ist also letztlich auch ein Vehikel des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Anwendung dieser Grundsätze auf das Verhältnis der (potentiellen) Grundrechtsnutzer untereinander im intertemporalen Verhältnis wurde bisher nicht erprobt und stellte daher etwas Neues dar 10. Zudem bezieht sich Art. 2 Abs. 1 GG nur auf die allgemeine Persönlichkeitsentfaltung und wäre daher allenfalls als allgemeiner Rechtsgedanke auf die anderen einschlägigen Grundrechte zu übertragen. Daß die „Rechte anderer" „gleiche Rechte" sind, wird bei Heranziehung des Gleichheitssatzes immerhin zwingend. Mit der Einführung der Kreditsperre und der Beschränkung einer jeden Generation allein auf die finanziellen Resultate ihrer eigenen Anstrengungen wird das intertemporale Verhältnis der Rechte jeweils anderer zueinander aber virulent. Das vorgelegte Rechtsmaterial ist nicht eben überwältigend, aber doch ausreichend, um diese Verhältnisse „zwischen den Zeiten" so zu verstehen: Der einführende Art. 2 Abs. 1 GG läßt als allgemeiner Rechtsgedanke erkennen, daß die Rechte eines jeden durch die gleichen oder gleichwertigen Rechte anderer begrenzbar sind11. Denn es gibt keinen Anlaß, insoweit bei anderen Grundrechten hiervon abzugehen. Die Kreditsperre fugt dieser Begrenzbarkeit eine zusätzliche zeitliche Dimension hinzu, die sie nicht in ihrem Wesen verändert und unangemessen erweitert. Denn wenig spricht dafür, ζ. B. allen Studienplatzbewerbern einer Generation zuzugestehen, nach ihren Wünschen studieren zu können, dabei künftige finanzielle Ressourcen zu verbrauchen und den Nachfolgern nur Schulden und damit eindeutig verminderte Chancen zu hinterlassen. Kaum etwas spricht dagegen, jede Generation auf die von ihr erwirtschafteten Einkünfte allein zu verweisen und ihnen den Vorgriff auf künftig entstehende Einnahmen zu verwehren. Wenn also jetzt gefragt wird, ob ggf. auch die Träger von Grundrechten einen Konsolidierungsbeitrag zur Anpassung aller Ausgaben an die geminderten Staatseinnahmen zu leisten haben, so muß die Antwort lauten, daß keine Hindernisse bestehen. Schrumpfen die zur Verfügimg stehenden Mittel, so müssen nach dem intertemporal verstandenen „Prinzip der Verallgemeinerung" sich auch die heutigen Träger eines Grundrechts in den engeren Rahmen fügen, weil sie durch die künftigen Rechte künftiger Träger - also nicht eigentlich durch die anderen Anforderungen an den Haushalt heute - in diesen Rahmen verwiesen werden. 9

Kratzmann 535.

10

So Kratzmann (524 f.) ζ. B. wegen Art. 33 Abs. 2 GG für die zeitlich gestreckte Vergabe knapper werdender Lehrerplanstellen. Bis etwa 1981/82 bekam im Grund- und Hauptschulbereich in Schleswig-Holstein fast jeder Bewerber eine Anstellung, ab 1983 dagegen kaum noch ein Einserkandidat, wobei natürlich auch die Fächerkombination eine Rolle spielte. Intertemporal gerecht wäre eine stärkere Berücksichtigung aller Jahrgänge gewesen: So hätten ζ. B. Stellen nicht mit „ausreichenden" Bewerbern besetzt werden dürfen, sondern lieber für bessere Aspiranten des nächsten Jahrganges offengehalten werden müssen. Schulpolitisch wäre so etwas aber kaum durchsetzbar gewesen. 11 Das kommt in Podlechs Kommentierung so zum Ausdruck: ,Auch die Rechte Dritter formulieren also eine Symmetriebedingung" (Rn. 67 zu Art. 2 Abs. 1). Saladin/Zenger gehen in ihrem Buch „Rechte künftiger Generationen" auch auf geltende Texte ein und zitieren Häberles, Henselers und Hofmanns Ausfiihrungen zu Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG (S. 63 ff, 74 f.). Die hier interessierende spezifische Reziprozität der Rechtseinschränkungen wird aber nicht angesprochen.

238

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Letztlich ist es natürlich die Budgetrestriktion, die über das Vehikel der „Rechte anderer" die Finanzmasse auch im Grundrechtsbereich schrumpfen läßt. Insoweit bedeutet sie also noch zusätzlich ein mittelbares Regulativ des „Möglichen" im einschlägigen Vorbehalt12. c) Auswirkungen „der Rechte anderer" auf den „Vorbehalt des Möglichen" Es war klargestellt worden, daß unmittelbar die Budgetrestriktion nur ein, noch unvollkommenes Regulativ bei der Bestimmung des Ausmaßes des „Möglichen" bei Leistungsund Teilhabegrundrechten bildet. Erst die Rechtsbegrenzung durch die gleichwertigen „Rechte anderer" im intertemporalen Verhältnis führt zur umfassenden, d. h. allseitigen, auch die Grundrechtsnutzung beeinträchtigenden Schrumpfung der Finanzmasse. d) Der Gleichheitssatz Oben wurde angedeutet, daß die in jeder Generation veränderten Umstände das Koordinatensystem des Gleichen und Ungleichen verwirren könnten. Das istrichtig,jedoch jeweils erst im nachhinein konkret zu belegen. Bei der unumgänglichen „ex ante"-Sicht jedoch hat kein heutiger Grundrechtsinhaber die Handhabe und damit das Recht, künftigen Inhabern des gleichen Rechts eben dessen Genuß - ceteris paribus! - zu verwehren. Selbst etwaige künftige Koordinatenverschiebungen können nicht die Ausrede dafür bieten, sich falligen Einschränkungen heute zu entziehen. Ein Verstoß gegen grundlegende Verfassungsprinzipien ist in dieser Eingrenzung also auch insoweit nicht zu sehen. e) Der kategorische Imperativ Oben war u. a. das Gebot widerspruchsfreien Verhaltens einer Verschuldungspolitik entgegengestellt worden13. Aus der Sicht der Grundrechtsträger ist im vorliegenden Zusammenhang direkt der „kategorische Imperativ" als eine a priori geltende Richtschnur 14 in Erwägung zu ziehen. Starck hat die von Kant postulierte Verallgemeinerung 15 der individuellen Handlungen auch empirischer Menschen mit den nachstehenden Fragen fruchtbar gemacht für ein verantwortliches Handeln im hier interessierenden Bereich16: „Kann 12

Hier könnte ergänzend das Sozialstaatsprinzip herangezogen werden; vergi, oben 5. Kapitel Fn. 91.

13

Siehe 5. Kapitel bei Fn. 51.

14

Auch Saladin/Zenger betonen zur verwandten „Goldenen Regel", daß sie nur apriorisch zu begründen sei (S. 31 f.). 15 Zur Unterscheidung sei vermerkt: Die Verallgemeinerung der Kantschen Maxime führt zum allgemeinen Gesetz, während sie beim Prinzip der Verallgemeinerung als Testverfahren zur Ermittlung erst der Verträglichkeit und anschließend des passenden konkreten Gleichheitssatzes dient, vergi. Kratzmann 536. 16 ZRP 1981, 97 ff., 99. Eichenhofer geht hierauf auch kurz ein (S. 223), weist im übrigen aber nach, daß „Trittbrettfahren" in rechtlicher Hinsicht wohl seltener vorliegt als auf den ersten Blick zu vermuten ist (S. 224 ff.).

11. Kap.: Kreditsperre und Grundrechtsinterpretation ich wollen, daß meine Inanspruchnahme sozialer Leistungen (im weitesten Sinne) ein allgemeines Gesetz werde? Und: Kann ich wollen, daß mein Verhalten, das zur Inanspruchnahme sozialer Leistungen führt, allgemein gültiges Verhalten ist?" Starck zieht das Fazit, daß die Anwendung des kategorischen Imperativs im Sozialrecht u. a. den Einzelnen zwingt, sein sozialbezogenes Handeln in Gedanken zu verallgemeinern 17. Die geforderte Selbstbeschränkung ist unschwer auf die Vermeidung von Zukunftsbelastungen zu erweitern, wodurch die intertemporale Gleicheit der jeweiligen (Grund-)Rechte noch einmal bestätigt wird.

2. Auswirkungen der Kreditsperre auf die Grundrechtsinterpretation Verfassungsgrundsätze stehen einem synchronisierenden Abgleich der „Leistungsfähigkeit" etwaiger Leistungs- und Teilhabegrundrechte mit der Steuerkraft der Volkswirtschaft prinzipiell nicht mehr entgegen, womit die letzten, stets zurückgestellten verfassungsgrundsätzlichen Bedenken gegen die Einführung der verfassungsrechtlichen Budgetrestriktion beseitigt sind. Diese kann sich ungehindert auf die Grundrechtsinterpretation auswirken, wobei allerdings die eine oder andere konkrete Ausnahme bei bestimmten Grundrechten ggf. nicht ausgeschlossen werden soll. Die letzte, die entscheidende, die Hauptfrage bleibt: Wie wirkt sie sich aus? Wenn ohnehin aus den Grundrechten keine Leistungsverpflichtungen oder sogar -ansprüche abzuleiten sind, scheint die Frage müßig zu sein. Man wird differenzieren müssen. a)... für Leistungs- und Teilhabegrundrechte Läßt sich aus dem Text der Grundrechte mit Hilfe der verfassungsrechtlichen Interpretationsmethoden eine Verpflichtung ableiten, so sind die einschlägigen Leistungen nur aus einer Finanzmasse zu erfüllen, wie sie anteilig auch im Rahmen des allein aus steuerlichen und anderen regulären Einnahmen gespeisten, also verminderten Budgets vertretbar erscheint. Aber mit einer solchen allgemeinen Antwort sind mehr Probleme angedeutet als gelöst: Zum ersten ist der Rang der grundrechtsbewehrten Forderung im Kampf um die knappen Geldmittel, d. h. um die Prioritäten, zu klären. Man könnte in Anlehnung an frühere Aussagen an einen Vorrang denken18; aber es wurde eben im Begründungszusammenhang festgehalten, daß sich die Reduzierung aus dem - durch „die Rechte anderer" erzwungenen - Schrumpfen früherer opulenterer Ansätze ergibt, nicht eigentlich aus der Konkurrenz anderer Haushaltsanmeldungen. Das ist theoretisch gedacht und praktisch zweifellos schwer auszurechnen. Daher darf man kaum mehr sagen als folgendes: Das Grundrecht sorgt dafür, daß diefragliche Verpflichtung im Rahmen des nunmehr „Möglichen" angemessen berück17

Starck 101. Habermann weist auf die Förderung des,,moral hazard" bei der Sanktionslosigkeit verhaltensbedingter Erkrankungen hin (S. 219). 18 Siehe oben 10. Kapitel zu Fn. 86. Unter den vorrangigen, nämlich grundrechtsbewehrten Ansprüchen will Jach der Schutz- und Förderungspflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG noch einen besonderen Rang beimessen (S. 98,99, auch 103).

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

sichtigt wird; eine evidente Mißachtung der „angemessenen" Budgetierung wird ggf. das Bundesverfassungsgericht rügen müssen. Zum zweiten kann theoretisch das entgegengesetzte Problem unangemessener Großzügigkeit entstehen. Buchanan macht darauf aufmerksam: „Betrachten wir einmal die Stellung eines Budgetdirektors ... Gemäß unseren restriktiven Annahmen muß jeder Posten mit der allgemein geltenden Nutzen-Kosten-Vorschrift in Einklang stehen. Wenn dieses Kriterium aber durch das Gesamtbudget erfüllt wird, welcher Anreiz besteht dann noch für die Beamten, einzelne Bestandteile oder Kosten zu senken oder zu streichen, um so den fiskalischen Nettoüberschuß zu vergrößern?" 19 Abgesehen davon, daß wir in Deutschland schon lange nicht mehr Probleme dieser Art hatten, läßt sich hierauf nur antworten, daß die oben im Zusammenhang mit den Kommunalreformen angeschnittenen Budgetierungsgrundsätze die einschlägigen Anreize für Kostensenkungen durchaus kennen und überdies nicht vor grundrechtsbewehrten Ansprüchen Halt zu machen brauchen. Bei deren finanzwirtschaftlicher Alimentierung gelten die Grundsätze strenger Sparsamkeit und Zurückhaltung genauso wie bei anderen Haushaltspositionen auch. b)... als Bremswirkung Bei vergeblichen oder ungerechtfertigten Interpretationsbemühungen scheint die Budgetrestriktion gewissermaßen „ins Leere zu gehen": Wo ein grundrechtlicher Leistungsanspruch nicht besteht, kann er auch nicht beschränkt werden. Dennoch dürfte sie präventiv einen guten Zweck erfüllen und eine ungebremste, finanzwirtschaftliche Belange nicht hinreichend berücksichtigende Interpretationsdynamik a priori gar nicht erst entstehen lassen20. Der drohend in den Raum gestellte „Verfassungsauftrag zur Kapazitätserweiterung" ist insoweit schon erwähnt worden. c)... beim „Rückbau" von Gesetzesrecht Es bleibt das Problem des knappheitsbedingten „Zurückschneidens" eines auf einfachgesetzlicher Basis entwickelten, aber Grundrechtsvoraussetzungen konkretisierenden Anspruchsgefüges. Hier muß bei sorgfältiger Betrachtungsweise differenziert werden. Die adäquate „Rückentwicklung" als solche ist die verfassungskonforme Anpassung des Gesetzesrechts an die neue verfassungsrechtliche Situation, die für das gesamte Recht gilt. Ein „Grundrechtseingriff 4 ist darin allemal nicht zu sehen. Die gänzliche Aufhebung des gesamten Anspruchsgefüges wird schon problematischer. „Grundrechtskonkretisierung" stellt insofern einen passenden Begriff für das Gesetzeswerk dar, als er mehr umfaßt als die Realisierung eines verfassungsrechtlich etwa unabdingbaren Mindestmaßes. Was der Gesetzgeber darüber hinaus verwirklicht, ist verfassungsrechtlich nicht erzwungen und genießt rechtlich auch keinen Bestandsschutz im Verfassungsrang. Theoretisch ist insoweit daher die gänzliche Beseitigung nicht ausgeschlossen. Jedoch

19

Die Grenzen der Freiheit, S. 218.

20

Vergi, oben im 1. Kapitel Stober zu Fn. 27.

11. Kap. : Kreditsperre und Grundrechtsinterpretation

241

würde die Realität des vom Gesetzgeber geschaffenen Standards der Verfassungsverwirklichung geleugnet, wenn dieser Standard wie ein verfassungsrechtliches „nullum" der ungebremsten Demontage überlassen wird. Dem allmählichen Aufbau hat ein von politischen Rücksichtnahmen und vor allem von Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes geprägter geordneter Rückbau zu entsprechen, dessen Tempo allerdings auch durch die Dringlichkeit der Finanzprobleme bestimmt wird 21 . Außerdem ist es, wie sich zeigen wird, nicht ausgeschlossen, daß in bestimmten Konstellationen sogar verfassungsrechtliche Hindernisse in Gestalt des jeweiligen Grundrechts selbst in seiner Funktion als Abwehrrecht auftauchen können. Bei fundamentaler Mißachtung dieser Grundsätze muß ein Gang zum Bundesverfassungsgericht möglich sein.

21 Siehe schon oben 10. Kapitel Abschnitt 3 g). Weitgehend ähnlich Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 255. Die von ihr zusätzlich geforderte „Rechtfertigung durch konkurrierende oder gegenläufige Verfassungspflichten" scheint mir danach aber nicht zwingend angebracht zu sein.

16 Kratzmann

.

Kapitel

Aus den Grundrechten abgeleitete leistungsstaatliche Entwicklungen Nunmehr sind die Erkenntnisse der beiden letzten Kapitel auf konkrete Entwicklungen und Interpretationsprobleme bei einschlägigen Grundrechtsartikeln anzuwenden.

1. Sicherung des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 9 Art. 14 Abs. 2, Art. 19, Art. 20 und 28 - Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaatsprinzip) Die Sicherung der allgemeinen materiellen Lebensgrundlage durch die „Sozialhilfe" nach dem Bundessozialhilfegesetz ist heute wesentlicher und unverzichtbarer Grundbestandteil des Besonderen Verwaltungsrechts einerseits und der zivilen Lebenswelt andererseits. Die Geschichte der Entstehimg dieses Rechtsgebietes ist fast nur noch von wissenschaftlichem Interesse, und an seine Beseitigung denkt selbst in unseren finanzknappen Tagen niemand. Allerdings werden mitunter Leistungsreduzierungen erwogen und ζ. T. auch durchgeführt. Die Übersicht über die verfassungsrechtliche Verankerung der öffentlichen Leistungspflicht hier und der Individualansprüche dort in Rechtsprechung und Literatur ergibt ein buntes, nicht immer klares Bild; bisweilen scheint der jeweils kommentierte Artikel die Haltung des Interpreten zu bestimmen. Die anfängliche Begründung ist jedoch in der eigentlichen Konstruktion wenig anspruchsvoll - und gerade deshalb wohl korrekt. Denn aus Grundgesetzartikeln die staatliche Verpflichtung zur Sozialhilfe etwa in heutiger Form herausinterpretieren zu wollen, bedarf schon einer gewissen juristischen Phantasie1. Den Beginn machte das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1954. Dogmatisch jedenfalls relativ schlicht setzte es sich gar nicht mit der Frage auseinander, ob Grundrechte auch originäre Rechte auf Leistungen bedeuteten, sondern bemühte sich nur, mit Hilfe des Verfassungsrechts aus einfachem Verwaltungsrecht ein klagbares subjektives öffentliches Recht auf Fürsorgeunterstützung zu entwickeln. Es wollte den Fürsorgeempfänger vom bloßen Objekt behördlichen Handelns zum Subjekt mit eigenen Rechten gegenüber der behördlichen Verpflichtung erheben und stellte dafür induktiv - und insofern ziemlich aufwendig - aus zahlreichen Grundgesetzartikeln eine einschlägige Leitidee des Grundgesetzes über das fortan geänderte Verhältnis des Menschen als eines Trägers eigener Rechte und Pflichten zum Staat zusammen. Es wurden genannt Art. 1 und 20 (in Verbindung mit Art. 28) mit Art. 79 Abs. 3, Art. 2 und 19, aber auch Art. 14 Abs. 2, Art. 3 und Art. 2 1

Ablehnend daher anfänglich auch BVerfGE 1,97 ff., 104 f.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

243

Abs. 2 GG 2 . Die von ihm angestoßene Entwicklung wurde schnell unumkehrbar. Erst sehr viel später sprang das Bundesverfassungsgericht sozusagen auf den längst fahrenden Zug, nun wie selbstverständlich, als sei es von Anfang an dabei gewesen. Es berief sich aber nur auf den Sozialstaat3, trug also zur (Komplizierung einer) grundrechtlichen Begründung nichts bei 4 . Nicht wenige Autoren leiten die staatliche Pflicht zur Gewährleistung des Existenzminimums aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ab, sie zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 GG) 5 . Etliche ziehen jedoch zusätzlich das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (vergi, die Artikel 20 und 28) als Stütze heran 6 oder berufen sich noch auf Art. 2 Abs. 1 (Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit) 7. Sodann wird das letztgenannte Recht des Art. 2 Abs. 1 GG als das „allgemeine soziale Grundrecht" bezeichnet8 oder auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf 2 BVerwGE 1, 159 ff., 160 ff. (1954). Enders (S. 89 f. Fn. 413) streicht diese eher bescheidene Begründung des Urteils heraus, und auch Lübbe-Wolffbetont mehrfach, daß die Grundrechte nur argumentativ auf bereits vorhandenes objektives Recht angewandt wurden (Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 15 f., 115,223). Siehe auch den Kommentar von Friauf, DVB1. 1971, 674 ff., 676: Mehr sozialstaatlicher Impetus als dogmatische Klarheit. Im übrigen stimmte er aber zu. 3 BVerfGE 40, 121 ff., 133: „Gewiß gehört die Fürsorge für Hilfsbedürftige zu den selbstverständlichen Pflichten eines Sozialstaates", was letztlich ein bloßes obiter dictum ist, wie Lübbe-Wolff (S. 15 f. Fn. 14) betont. Vergi, weiter BVerfGE 43, 13 ff., 19; 44, 353 ff., 375; 45, 376 ff., 387; 75, 104 ff., 117 ff. (mit Gleichheitssatz: Prozeßkostenhilfe). Bei der Festlegung der Steuerfreiheit für das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder führte das Gericht zwar Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG neben Art. 6 Abs. 1 an (BVerfGE 82,60 ff., 85; NJW 1999,557 ff., 558); Enders (S. 89 Fn. 413) bemerkt aber, daß Gegenstand der Entscheidung ein Abwehranspruch sei, kein Leistungsanspruch. Diese Unterscheidung findet sich nicht bei Duttge (in: Siekmann/Duttge, Rn. 199). 4 Starck (Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 522) meint, es verwundere „der imperiale Stil, mit dem das Gericht nun die Existenz solch eines Anspruchs ohne nähere Begründung feststellt". 5 So v. Arnim WDStRL 39 (1980), 286 ff., 343 f.; Benda, Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht (§ 6), Rn 18; ders., Der soziale Rechtsstaat (§17), Rn. 90 (aber auch gestützt auf die sozialstaatliche Verpflichtung); wohl auch Eugen Hering, DÖV 1975,8 ff., 8 f. (aber auch Sozialstaatsprinzip erwähnt); Höfling Rn. 24 f. zu Art. 1; Hufen, WDStRL 47 (1988), 142 ff., 163 (nichtverfügbarer „Menschenwürdesockel" des Leistungsrechts); Kunig Rn. 30 zu Art. 1; Jörg P. Müller S. 159; Müller/Pieroth/ Fohmann S. 123, 127; Pieroth/Schlink Rn. 361; Podlech Rn. 26 zu Art. 1 Abs. 1; Ryffel, Der Staat 9 (1970), 1 ff., 11 f.; Sachs Rn. 24 f. zu Art. 1; Starck Rn. 36, 38 zu Art. 1 Abs. 1 (was über das Existenzminimum hinausgeht, hängt vom sozialstaatlichen Ermessen ab, Rn. 36 mit Fn. 120); Werner Weber, Der Staat 4 (1965), 409 ff., 435 (Art. 1 Abs. 1 ist „rechts- und sozialstaatlich ambivalent"); Wiegand, DVB1. 1974, 657 ff., 661. 6

So BVerwGE 23,149 ff., 153 (keine Präzisierung dagegen in BVerwGE 27,58 ff., 63 - Hilfe zur Ausbildung -); weiter: Dreier Rn. 94 zu Art. 1 Abs. 1; Dürig Rn. 43 zu Art. 1 Abs. 1 ; ders. Rn. 26 zu Art. 2 Abs. 2 (hier unter zusätzlicher Heranziehung dieser Norm); Goerlich/Dietrich, Jura 14 (1992), 134 ff., 139 f.; Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft (§ 20), Rn. 77 (erwähnt noch den Demokratiegedanken, lobt die „vorbildliche prätorische Leistung" des BVerwG); Jarass Rn. 10 zu Art. 1 (siehe aber auch unten Fn. 9); Ingo v. Münch, Staatsrecht, Rn. 311 ; Neumann, NVwZ 1995,426 ff., 429; Zippelius Rn. 102 zu Art. 1 Abs. 1 und 2. Offenbar zustimmend äußert sich auch Badura (Staatsrecht, S. 258). 7 Bleckmann, Staatsrecht II, S. 258; Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung (§ 113), Rn. 42; Schneider, Funktionen der Grundrechte, S. 33. 8

Ramm, JZ 1972,137 ff, 142 f. (erwähnt aber auch das Sozialstaatsprinzip); ähnlich Walter Schmidt, Der Staat, Beiheft 5 (1981), 9 ff, 13. 16*

244

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Leben und körperliche Unversehrtheit) genannt, dieser allerdings überwiegend mit nur nachrangiger und eingeschränkter Bedeutung als Norm zum bloßen Schutz der „nackten Existenz"9. Es folgen umfangreichere Kombinationen mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG und dem Sozialstaatsprinzip10. Manche berufen sich allerdings im wesentlichen allein auf das Sozialstaatsprinzip11 oder begründen sogar „ein ungeschriebenes, also auf einer den Grundrechtsbestimmungen interpretativ zugeordneten Norm beruhendes soziales Grundrecht" 12. Doch werden diese Konstruktionen auch wegen der a priori begrenzten öffentlichen Mittel abgelehnt bzw. wegen der Schwierigkeit der Präzisierung der staatlichen Pflichten in Frage gestellt13. Es ist heute im Ergebnis müßig zu spekulieren, ob eine oder mehrere oder alle der genannten Grundrechtsnormen - jeweils mit oder ohne Unterstützung durch das Sozialstaatsprinzip - die Ansprüche aus dem alten Fürsorgerecht oder neuerdings aus dem Bundessozialhilferecht auch ohne diese einfachrechtliche „Präformierung" 14 gleichsam „ex nihilo" hätten produzieren müssen, und wenn nicht in vollem Umfange, so doch wenigstens teilweise. Der Sozialstaat war bereits auf dem Weg und hätte diesen gewiß auch ohne Berufung auf Grundrechte weiter verfolgt. Die Heranziehung vieler Normen wirkt gewaltsam und wenig überzeugend; weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der meisten der aufgeführten Artikel bietet irgendwelche Anhaltspunkte für eine (sozial-)leistungsrechtliche Auslegung. Nur so viel läßt sich sagen, daß schon 1954 Art. 1 GG als Schutznorm der Menschenwürde hungernde Menschen nicht akzeptiert hätte15. Er allein garantierte also - und garantiert noch heute - die prinzipielle Existenz von Normen dieser oder vergleichbarer Art, mehr nicht. Die Pflicht des Gesetzgebers zur 9 Bleckmann, Staatsrecht II, S. 625; Dürig Rn. 27 zu Art. 2 II mit Fn. 1 (Recht, vor dem Verhungern bewahrt zu werden; dogmatisch aber unnötig); Jarass Rn. 60 zu Art. 2 (Anspruch, vor dem Verhungern bewahrt zu werden), weniger spezifisch in Rn. 113 zu Art. 20; Kunig Rn. 60 zu Art. 2 (Schutz der nackten Existenz; von nachrangiger Bedeutung); Murswiek Rn. 224 zu Art. 2 (konkretisiert Pflichten bzw. Ansprüche aus dem Sozialstaatsprinzip, Gewährleistung nur der „nackte(n) Existenz"); Podlech Rn. 23 zu Art. 2 Abs. 2 (in der Reichweite unklar); Schulze-Fielitz Rn. 58 zu Art. 2 II („... wenn die Vorenthaltung lebensnotwendiger Mittel zum Tode führen würde ..."); Starck Rn. 195 zu Art. 2 Abs. 2 („... wenn anders das nackte Leben bedroht wäre"); Steiger, Entwicklung im Grundrechtsverständnis, S. 274 ff. (unter Berücksichtigung der Entscheidung für den Sozialstaat). 10 Vergi. Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 95; ders., Jura 1 (1979), 401 ff., 404; Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 99; eher referierend Borowski S. 294 f. Goerlich spricht nur von „den" Grundrechten (Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 207); siehe weiter Maunz/Zippelius S. 179 (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 20 GG) und S. 176 (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 GG); Kimms/Schlünder S. 16 f. (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG i. V. mit dem Sozialstaatsprinzip) bzw. S. 32 (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips). 11

Badura, Der Staat 14 (1975), 17 ff., 41; Lücke, AöR 107 (1982), 15 ff., 48 f.; Maurer S. 243 (ablehnend gegenüber einer leistungsstaatlichen Erweiterung der Freiheitsgrundrechte S. 273 f., wohl auch S. 243 f.); nicht ganz klar Friauf, DVB1. 1971,674 ff., 676 f. (sozialstaatlicher Mindeststandard zur Ermöglichung der Ausübung der Grundrechte). 12

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 398 mit S. 465 ff. Wiegand stützt sich auch auf das Rechtsstaatsprinzip (DVB1. 1974, 657 ff., 661). 13

Abelein S. 24 bzw. Bieback, EuGRZ 1985,657 ff., 666.

14

Durchgehende Formulierung von Lübbe-Wolff,

15

Ähnlich die Argumentation von Jörn Ipsen (Rn. 223).

Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

245

Konkretisierung des Schutzes ist insoweit folglich durch die Maßgabe gebunden, daß es „so etwas wie Sozialhilfe" geben muß16. Durchaus herrschende Ansicht ist es auch dementsprechend, daß der Standard des menschenwürdigen Existenzminimums Schwankungen unterliegt und von der wirtschaftlichen Lage sowie den allgemeinen Vorstellungen vom jeweils Lebensnotwendigen abhängt17. Fernsehen oder Kinderspielzeug18 sind nicht immer als unabdingbar gewertet worden. Art. 1 Abs. 1 GG stellt folglich einen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber dar, der diesem einen weiten Regelungsspielraum eröffnet 19. Das Bundessozialhilfegesetz hat ihn erfüllt, hat ihn sogar weitgehend gut erfüllt 20. Dieses einfache Gesetz stellt somit die heutige Verfassungswirklichkeit im Sozialbereich dar, nicht Art. 1 Abs. 1 GG, und hieraus sind die Fragen nach seiner Bestandskraft zu beantworten. Es gibt gewiß kein Verbot des „sozialen Rückschritts", und die erörterte Budgetrestriktion würde wegen ihrer Auswirkungen auf alle Haushalte, die den Vorgaben des Bundesrechts unterliegen, auch auf die Haushalte der Kommunen und Kreise durchschlagen, die den größten Teil der Sozialhilfe zu tragen haben21. Aber ob die Sozialhilfe sozusagen über Nacht auf das verfassungsrechtliche Minimum reduziert werden darf, könnte doch fraglich sein. Es ist als schwankende Größe schwer zu ermitteln; immerhin tendiert dasrigidere Asylbewerberleistungsgesetz zu einer Annäherung an sie, wie der folgende Abschnitt zeigt. Vor allem dürfte die Mindesthilfe vom gesetzlichen Leistungsniveau nicht unabhängig sein. Die wirtschaftliche Lage und der Lebenshaltungsstandard bestimmen die Ansprüche, und das im einfach-gesetzlichen Regelwerk festgelegte Anspruchsniveau strahlt seinerseits auf diese Wirklichkeit (und damit das Existenzminimum) zurück. So verweist ζ. B. das Bundesverfassungsgericht bei der Konkretisierung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein ohne wei16 Α. A. Enders (S. 89 f.), der „diese subjektiv-rechtliche Konkretisierung des Sozialstaatsgrundsatzes auf Verfassungsebene" lieber den „unter der Menschenwürde stehenden Grundrechte(n)" zuordnen möchte, „solange nur der Ausstrahlung der Menschenwürde auf die Grundrechte ein Sinn zukommt". Dem wäre von der Systematik und dem Sachgehalt des Grundrechtskataloges her gesehen wahrhaftig nicht zu widersprechen - wenn nur die Grundrechte Ansätze für diese Konkretisierung aufwiesen! 17 Vergi. BVerfGE 87, 153 ff., LS 1; 91, 93 ff., 111; BVerwGE 25, 307 ff., 317; Bieback, Verfassungsrechtlicher Schutz gegen Abbau und Umstrukturierung von Sozialleistungen, S. 32; Dreier Rn. 94 zu Art. 1 Abs. 1; Düng Rn. 71 zu Art. 3 Abs. 1; Höfling Rn. 25 zu Art. 1 ; Paul Kirchhof, Der demokratische Rechtsstaat - die Staatsform der Zugehörigen (§ 221 ), Rn. 150; Kunig Rn. 30 zu Art. 1 ; Neumann, NVwZ 1995,426 ff., 429 f. (die Würde ist nicht quantifizierbar); Sachs Rn. 25 zu Art. 1 ; Starck Rn. 36 zu Art. 1 Abs. 1. 18

Dazu Dürig Rn. 71 zu Art. 3 Abs. 1 bzw. VHG Baden-Württemberg ESVGH 38, 130 ff.

19

Es ist daher schwer nachvollziehbar, wenn Lorenz die Verbürgung des unbestimmten Leistungsanspruches dennoch als „mit hinreichender Voraussehbarkeit für bestimmte Abschnitte sozialer und ökonomischer Entwicklung konkretisierbar und damit festgelegt" ansieht (Juristische Blätter 103 (1981), 16 ff., 23). 20 Starck Rn. 36 mit Fn. 120 zu Art. 1 Abs. 1: „... Das BSHG gewährt unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten mehr, als Art. 1 Abs. 1 GG fordert"; Rn. 40:" ... über einen langen Zeitraum (ermöglicht das BSHG)... großzügig die Führung eines Lebens ..., das der Würde des Menschen entspricht"; vergi, weiter Kunig Rn. 30 zu Art. 1. Bieback bemerkt allerdings auch, daß der Regelsatz mehrfach nicht an gestiegene Einkommen und Lebenshaltungskosten angepaßt worden ist (Verfassungsrechtlicher Schutz gegen Abbau und Umstrukturierung von Sozialleistungen, S. 32). 21 Nach Andel (Finanzwissenschaft, S. 255) tragen die kommunalen Haushalte etwa 75 %. Zum Fehlen eines Verbotes des „sozialen Rückschritts" vergi, auch Sachs Rn. 25 zu Art. 1.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

teres auf die Regelsätze des Bundessozialhilfegesetzes und nicht auf einen schwer zu ermittelnden Mindestgehalt22. Allerdings stellt das relative Gebot des Abstandes der Regelsätze zu den unteren Lohngruppen (vergi. § 22 Abs. 4 BSHG) noch eine zusätzliche Verbindung zwischen der wirtschaftlichen Wirklichkeit und dem gesetzlich bestimmten pauschalen Mindestbedarf her. Bei Leistungsreduktionen in Krisenzeiten ist danach das gesetzliche Leistungssystem der Ausgangspunkt etwaiger verfassungsrechtlicher Prüfungen, nicht der (noch nicht erreichte) Mindestgehalt. Ein allzu forscher Rückbau mag daher kurz- bis mittelfristig auf Bedenken stoßen23. Auf die Dauer gesehen beherrscht „das Mögliche" aber auch dieses Feld. Ganz gewiß kann das Recht aber nicht mehr auf Mildtätigkeit und Armenpflege früherer Zeiten zurückkonjugiert werden; Art. 1 Abs. 1 GG würde dem heute erst recht entgegenstehen. Unter dieser Sicht ist die Anfangsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die nur das vorliegende einfache Recht mit verfassungsrechtlichem Segen und mit subjektiven Ansprüchen versah, wirklichkeitsnahe und im Grunde nicht zu beanstanden24.

2. Unterbringung von Asylbewerbern (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 a. F., Art. 16 a GG) Die in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund konjunktureller und vor allem struktureller Wirtschaftsprobleme ständig steigenden Kosten der Sozialhilfe verwandelten sich von einem fast vernachlässigenswerten Randposten zu einer immer bedeutungsvolleren Ausgabenposition vor allem in den kommunalen Haushalten25. Eine ganz spezifische Zuspitzung, ausgelöst in einer ganz anderen „Ecke" des Grundrechtskataloges, erfuhr diese Entwicklung durch die bis 1993 drastisch anwachsenden Zahlen der Asylbewerber. Ihr Anspruch auf Asyl gründete sich auf Art. 16 Abs. 2 Satz 2 a. F. GG. Die Aufwendungen für ihre Unterbringung und ihren Unterhalt entsprachen urspünglich mehr oder weniger

22 BVerfGE 82,60ff., 80,85,94; 87, 153 ff, 170 f.; 91,93 ff, 108 ff, 111 (von der Einkommensteuer zu verschonendes Existenzminimum); dazu Bieback S. 32 und - etwas zirkelschlüssig - Jarass Rn. 47 a zu Art. 3. Wie hier Kunig Rn. 30 zu Art. 1; offenbar auch Höfling Rn. 25 zu Art. 1. 23

Es wäre hier etwa an den üblichen verwaltungsrechtlichen Vertrauensschutz zu denken; ein véritables Übergangsrecht käme nur bei eigentumsrechtlich geschützten Sozialleistungsansprüchen in Betracht, vergi. Bieback S. 40. Bieback betont zusätzlich die Bedeutung des Gleichbehandlungsgebotes nach Art. 3 Abs. 1 GG, welches verhindern soll, daß besonders schutzbedürftige Personen bei Kürzungen „unter die Räder geraten" (S. 33 ff, 40). 24 Rüfner bezeichnet sie als „verfassungskonforme ... Auslegung und Fortbildung des überkommenen Rechts" (Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit (§ 80), Rn. 103). Wenn Sendler (DÖV 1978, 581 ff, 582) die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als „folgenlos" bezeichnet, so mag das richtig sein. Dagegen zu sagen, daß sie „für die Entwicklung der Teilhaberechte kaum von größerer Bedeutung gewesen sei", übersieht, daß zur „Entwicklung der Teilhaberechte" auch das Reduzieren, das Aussondern vieler echter oder vermeintlicher Ansprüche bzw. ihre Zuweisung zu den bloß derivativen Teilhaberechten gehören. 25 Starck (JuS 1981,237 ff, 242) mochte 1981 die verfassungsrechtliche Sicherung des Existenzminimums noch nicht als „Eingriff in die Haushaltsverantwortung des Gesetzgebers" werten; heute ist Alexy s Feststellung richtig, daß die Aufwendungen „in erheblichem Maße finanzwirksam" sind (Theorie der Grundrechte, S. 466).

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

247

denen der eben skizzierten Sozialhilfe, so daß die immensen Kostenfolgen des Anstiegs der Bewerberzahlen unschwer vorstellbar sind. Die erwähnte Zuspitzung trat ein, weil die ursprüngliche schlichte Anspruchsgrundlage: „Politisch Verfolgte genießen Asyl" nach herrschender Auffassung beim verfahrensmäßigen Geltendmachen keine inhaltlichen und formalen Schranken aufwies, welche etwa die Zurückweisung eines Bewerbers gleich an der Grenze gerechtfertigt hätten26. Sie war daher erst mit der rechtskräftigen Ablehnung des Asylgesuches formal erschöpft; nicht selten folgten noch die Probleme der Abschiebung der abgelehnten Bewerber. Vor diesem Hintergrund bedeutete die Anwendung des „Prinzips der Verallgemeinerung" auf diese Rechtslage in seiner letzten Konsequenz, daß jeder der sechs Millarden Menschen in der Welt (ausgenommen natürlich die Deutschen) in gewissen zeitlichen (durch Rechts- oder Bestandskraft bestimmten) Abständen das Recht hatte, sich auf Kosten des deutschen Steuerzahlers für eine unterschiedlich lange Zeit und unter sehr differenzierter Inanspruchnahme der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland auf seine Asylberechtigung „durchchecken" zu lassen. Ein rechtliches Hindernis stand dieser totalen Konsequenz jedenfalls nicht im Wege. Brugger bemerkte zum alten Asylgrundrecht: Es „ist ein erratischer Block in einer Welt, in der kein anderer Staat seinem Volk vergleichbare Opfer von Verfassungs wegen zumutet.... (Es) entspringt aus ihm eine Totalverantwortung für jedwede Not und Unterdrückung in der Welt. Das Grundgesetz bürdet also den Deutschen statt einer zwischen den wohlhabenden Staaten geteilten Solidarverantwortung eine Virtuosenethik auf. Ethische Höchstleistungen können aber nur einzelne erbringen, nicht ganze Völker" 27. Dabei sprach er nur von den echten Flüchtlingen wegen Unterdrückung, also noch nicht einmal von den sog. „Wirtschaftsflüchtlingen" und anderen, die dieses Grundrecht mißbrauchten oder - korrekter formuliert - „mißverstanden". Ein wenig von dieser Haltung verbarg sich möglicherweise auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des „alten" Asylgrundrechts: Es unterlegte ihm „die von der Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmte Überzeugung", daß kein Staat das Recht zu Verfolgung und Menschenrechtsverletzung habe. Das ist für sich gesehen fraglos richtig, Schloß aber im einschlägigen Kontext ein Verständnis nicht aus, wonach Art. 1 Abs. 1 GG gewissermaßen weltweit exportiert und anschließend mit unvermindert unmittelbarer Geltung und in aufwertender Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG wieder reimportiert worden wäre28. Keine nationale Rechtsordnung, zumal keine 26 Dazu BVerwGE 49,202 ff., LS 1,204; BVerwG JZ 1993,90 ff.; Gusy, Jura 15 (1993), 505 ff., 505; Papier, Der Staat 27 (1988), 33 ff., 34; ders., Asyl, S. 8 (vorläufiges Bleiberecht für jeden antragstellenden Ausländer als eine Art „Vorwirkung" des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG); Pieroth/Schlink Rn. 986; Zuleeg Rn. 50,57 zu Art. 16 Abs. 2. Bei eindeutig aussichtslosen Asylanträgen ließ das BVerfG allerdings schon nach altem Recht den verwaltungsgerichtlichen vorläufigen Rechtsschutz genügen; vergi, das Urteil in Fn. 31 unten. Zur lang anhaltenden Kraftlosigkeit des Gesetzgebers siehe Starck, Über Auslegung und Wirkungen der Grundrechte, S. 14 f.; dem hält Papier (Der Staat 27 ( 1988), 33 ff., 35) jedoch entgegen, daß nur eine Verfassungsänderung eine unmittelbar mit dem Verfassungsrecht und einer vorbehaltslosen Grundrechtsgewähr operierende Judikatur korrigieren könne. 27 JZ 1993,119 ff., 120; vergi, weiter Merten, der in seiner Würdigung Helmut Quaritschs hervorhebt, dieser sei in seinen Veröffentlichungen zum Ausländer- und Asylrecht unbeeindruckt gewesen „von deutschem Humanitätsrausch und Weltbeglückungseifer" (DÖV 1999,64 ff., 68). 28

Vergi. BVerfGE 76, 143 ff., 157 f.; 80, 315 ff., 333; für eine unmittelbare (und folglich wegen Art. 79 Abs. 3 GG unantastbare) Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG selbst im Bereich des Asylgrundrechts

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

für den nationalen Bereich schlecht oder recht austarierte Finanzverfassung könnte aber eine derartige, weltweit Berechtigungen verteilende unabänderliche Grundnorm verkraften. Folglich ist sie als solche auch nicht Teil des deutschen Verfassungsrechts 29. Der neue Art. 16 a GG bemüht sich durchaus mit Erfolg, die groteske Rechtspraxis zu unterbinden, indem er nicht den Asylanspruch politisch Verfolgter einschränkt, sondern auf dem Verfahrensweg offenkundig nicht berechtigte Antragsteller gar nicht erst „über die Grenze läßt". Das Bundesverfassungsgericht hat am 14. Mai 1996 in mehreren Verfahren Verfassungsbeschwerden gegen diese Neuregelung weitgehend zurückgewiesen. In diesen Verfassungsstreitigkeiten wurden die eigentlichen Gründe für die Grundgesetzänderung nur vorsichtig angedeutet: Die Fraktionen, die den Antrag auf Änderung des Grundgesetzes einreichten, trugen als deren Zweck vor, „... eine unberechtigte Berufung auf das Asylrecht zu verhindern und diejenigen Ausländer von einem langwierigen Asylverfahren auszuschließen, die des Schutzes ... nicht bedürfen ..." 30 . In der „Flughafen"-Entscheidung weist das Gericht daraufhin, daß schon vor der Grundgesetzänderung der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, „daß bei eindeutig aussichtslosen Asylbegehren den schwerwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber den Individualbelangen der Antragsteller, bis zur rechtskräftigen Entscheidung ihres Antrages in Deutschland bleiben zu können, Vorrang zukommt"31. Unter dem massiven Druck überaus einsichtiger, nicht zuletzt auch finanzieller Interessen des Aufnahmestaates und der Aufnahmegemeinden wurde das alte „Weltgrundrecht" des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG somit von einem großzügigen „Verfahrensgrundrecht" auf ein eher karges, aber materiell im Prinzip immer noch nicht eingeschränktes Asylrecht reduziert. Warfrüher bei einer letztendlichen Anerkennungsquote von weit unter 10 % das Grundrecht fast zu einem bloßen befristeten Aufenthalts- und Versorgungsrecht Pieroth/Schlinky Menschenwürde und Rechtsschutz, S. 672 ff.; Röseler S. 293 (gerade in Bezug auf den Leistungsstandard für Flüchtlinge); Rothkegel, ZRP 1992,222 ff., 225 ff. Roellecke sieht im resultierenden Bekenntnis zu den unveräußerlichen und unverletzlichen Menschenrechten nach Art 1 Abs. 2 GG immerhin eine „Globalisierungsabsicht" (JZ 2000, 113 ff., 117). Andreas Zimmermann schließt dagegen leistungsrechtliche Komponenten im „Menschenwürdekern" des Asylgrundrechts ausdrücklich aus (S. 273 f.). In BVerfGE 94, 49 ff, 102 f. (Sichere Drittstaaten) bereinigte das Gericht dieses Mißverständnis und stellte auch im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG und die dort für unantastbar erklärten Grundsätze des Art. 1 GG das Asylgrundrecht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers. Ob das eine „peinliche Rechtsprechungsberichtigung" war (Merten 68), mag dahinstehen; nach Hasso Hofmann (AöR 118 (1993), 353 ff, 366) galt für das Gericht auch schon früher ,»zweierlei Maß". Vergi, weiter Becker Rn. 21 zu Art. 16 a Abs. 1 : „... die Bundesrepublik (muß sich) nicht die Menschenrechtsverletzungen durch andere Staaten zurechnen lassen ..."; ähnlich zunächst Rothkegel 226 (der dann jedoch diesen „Einwand des Pilatus" ablehnt, vergi, oben); zu dieser Klarstellung siehe weiter Starck Rn. 36mitFn. 123zuArt. 1 Abs. Papier (Der Staat 27(1988), 33 ff, 38 f.; ders., Asyl, S. 12 f.) lehnte einen zwingenden Zusammenhang zwischen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 und Art. 1 Abs. 1 GG schon deshalb ab, weil nur politische Verfolgung, nicht aber jede menschenunwürdige Behandlung den Asylanspruch rechtfertigte. 29 Zur unvermeidlichen Reduktion der universalen Menschenwürdegarantie auf „ein für eine partikuläre Staatsgründung konstitutives Versprechen" siehe Hasso Hofmann 365 ff, 374 f.; für die Differenzierungsfreiheit des nationalen Verfassungsgebers auch Quaritsch, Der grundrechtliche Status der Ausländer (§ 120), Rn. 133 m.w.N. 30 Vergi, die drei Entscheidungen BVerfGE 94, 59 ff. (Sichere Drittstaaten); BVerfGE 94, 115 ff. (Sichere Herkunftsstaaten) und BVerfGE 94, 166 ff. (Flughafenregelung). Zur Stellungnahme der Fraktionen siehe BVerfGE 94,49 ff, 53; 94,115 ff, 117; 94,166 ff, 169. 31

BVerfGE 94, 166 ff, 218; vergi, oben Fn. 26.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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während der Dauer des Asylverfahrens degeneriert, so soll die Neufassung des Asylrechts dazu dienen, überflüssige Aufenthalte im bisherigen Umfang von vornherein zu verhindern und möglichst nur „echte" Bewerber ins Verfahren - und damit ins Land - zu lassen. Im Prinzip soll also die Diskrepanz zwischen Antragszahlen und Anerkennungsquote verringert werden. Selbstverständlich kann man mit äußeren Umständen wie dem tatsächlich zurückgelegten Reiseweg die eine Voraussetzung der materiellen Berechtigung eines Asylbegehrens in Deutschland auch nur unvollkommen umreißen, begrenzen oder ausschließen. Nicht umsonst sind die drei Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die sich primär mit dem Zusammenhang von äußeren Umständen sowie Indizien einerseits und persönlicher Gefahrdung, also dem materiellen Asylanspruch, andererseits auseinanderzusetzen hatten, ziemlich lang geraten, wirkt sich doch das „Verfahren" der Anreise zwecks Antragstellung unmittelbar auf die materielle Berechtigung des Antrags aus32. Aber grundsätzlich bleibt immer noch ein unbedingter Anspruch eines jeden politisch Verfolgten auf der Welt, nach verfassungsentsprechender Überwindung des „cordon sanitaire" in Deutschland Asyl zu erhalten. Aus verfassungsrechtlicher und verfassungsökonomischer Sicht ist die Grundgesetzänderung in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll: Zum einen stellt die auf das Verfahren bezogene Reduzierung des alten Asylgrundrechts die korrekte Anpassung des „Maßstabes des Rechts" an den „Maßstab des Möglichen" dar. Das einschlägige Verfassungsrecht und die Grundsätze einer geordneten und überschaubaren Finanzwirtschaft sind einigermaßen33 „homogen" geworden. Zum anderen ist nach den Grundsätzen der Verfassungsökonomik eine nicht mehr funktionierende, nämlich der innerstaatlichen Handhabung restlos entgleitende und womöglich noch unabsehbare Folgen produzierende Norm beseitigt und durch eine andere ersetzt worden. Zwar gab es Stimmen, welche die Neuregelung als „teilweise nicht notwendig" werteten, weil Verfahrensbeschleunigungen auch nach altem Recht durchsetzbar gewesen wären 34. Aber abgesehen von der politischen Stimmungslage herrschte auch Mißtrauen beim verfassungsändernden Gesetzgeber gegenüber der Rechtsprechung hinsichtlich ihrer Bereitschaft, einschränkende Vorgaben des Asylverfahrensgesetzes nachzuvollziehen, bzw. gegenüber der einfachen Parlamentsmehrheit wegen der Sorge, diese könnte das Grundrecht noch weiter einschränken35. Man sah - zweifellos mit erheblicher Berechtigung - nur in einer grundlegend geänderten Neukonstruktion die Chance, zumindest den rechtlich legitimierten Zustrom nach Deutschland einzudämmen. Zugleich zeigen sich die Grenzen einer von verfassungsökonomischen Erwägungen bestimmten Reaktion auf die tatsächlichen Wirkungen des alten Asylgrundrechts. Seine 32 Die Probleme erinnern an die beifrüheren Verfahrensversuchen, „echte" Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensnot gemäß Art. 4 Abs. 3 GG nach eher äußerlichen Kriterien aus einer großen Zahl von Interessenten „herauszufiltem". Entsprechende Bezüge hatte schon Rottmann nach altem Recht hergestellt (Der Staat 23 (1984), 337 ff., 345). 33

Und mit einigen Vorbehalten; dazu der folgende Text.

34

So Wollenschläger/Schraml,

35

JZ 1994, 61ff., 71.

So Brenner, AöR 120 (1995), 248 ff., 262 mit Fn. 60, bzw. Starck, JZ 1999,473 ff, 475. Henkel (NJW 1993,2705ff., 2710) nimmt wiederum Mißtrauen beim Schöpfer des Asylverfahrensgesetzes an.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Umwandlung in ein Grundrecht unter allgemeinem Gesetzesvorbehalt, in eine bloß objektivrechtliche Gewährleistung oder in einen einfachgesetzlichen Abschiebeschutz36 wäre aus Gründen der Effektivität vielleicht angemessener gewesen. Doch es findet sich hier ein Beispiel für die Konstellation, daß das Grundrecht selbst ein Hindernis für seine Beseitigung ist. Die Mehrheit - oder zumindest eine ausreichende Sperrminorität - stufte seinen ethisch-moralischen Wert sehr hoch ein und fand sich mit seiner prinzipiellen Beseitigimg nicht ab, so daß nur die jetzt Norm gewordenen „politischen Kompromißlösungen"37 in Betracht kamen. Das Grundrecht erwies sich als nicht „abschaffbar", von den völkerrechtlichen Verpflichtungen einmal abgesehen. Somit blieben die rechtlichen Probleme einer Anspruchsnorm und - im Zusammenhang dieser Arbeit besonders wichtig - ihrer finanziellen Konsequenzen erhalten. Denn alles, was der Auslegung unterliegt, kann u. U. gegen die Intention des Normgebers ausgelegt werden. So wurde schon die Meinung geäußert, „daß die erhöhte Regelungsdichte des Verfassungsgesetzes kein probates Mittel ist, um die Gerichte und insbesondere das Bundesverfassungsgericht ernsthaft zu diziplinieren" 38. Die „Hauptkontrolle" durch das Verfassungsgericht hat die Neuregelung jedoch immerhin passiert; wichtig wird fortan die Handhabung in Einzelfällen sein. Jetzt gilt eine neue Norm, die verfassungsökonomisch vermutlich nicht optimal ist und verfassungsrechtlich eben wegen ihrer Regelungsdichte und Detailversessenheit als nicht angemessen und eher unpassend im Rahmen einer Verfassung gilt 39 . Aber das ist wohl das unvermeidliche Schicksal einer „Kompromißregelung", die zwei einander im Grunde diametral widersprechende Verfassungsprinzipien (großzügige Rechtsgewähr und sparsame Haushaltswirtschaft) harmonisieren muß. Daneben finden noch weitere Annährungen der Maßstäbe des Rechts und des Möglichen aneinander statt. Gemäß § 120 Abs. 2 BSHG erhalten Asylbewerber als Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes keine Leistungen der Sozialhilfe mehr, sondern geringere nach Maßgabe dieses Spezialgesetzes40. Die Rechtsprechung hatte die 36 Die grundrechtliche Gewährleistung hält das Bundesverfassungsgericht für entbehrlich (E 94, 49 ff., 103 f.). Papier {Der Staat 27 (1988), 33 ff., 41; ders., Asyl, S. 14) sprach sich für einen Gesetzesvorbehalt aus: Voraussetzungen, Inhalt und Schranken des Asylrechts regeln die Gesetze. Nach Becker (Rn. 17 zu Art. 16 a Abs. 1) wäre eine vollkommene Lösung der Antrags- und Nachweisproblematik bei Art. 16 Abs. 2 Satz 2 a. E nur durch Abschaffung des individuellen Asylrechts möglich gewesen, wozu der verfassungsändernde Gesetzgebers jedoch nicht bereit war. Henkel erwähnt die objektivrechtliche Gewährleistung (2710); ebenfalls Starck (475); Bedenken insoweit bei Schnapp Rn. 39 zu Art. 16. Auf die einschlägigen völkerrechtlichen Bindungen gehen besonders Frohwein/Zimmermann ein (JZ 1996, 753 ff.). 37

Brenner 259.

38

Brenner 262.

39 „Die neuartige Technizität des Verfassungsrechts" behandelt Brenner in seinem zitierten Vortrag; vergi, weiter die einschlägige Kritik von Becker Rn. 23 zu Art. 16 a Abs. 1 (Verzicht auf den Rahmencharakter einer für gesellschaftliche Entwicklungen offenen Verfassung); Henkel (2710); Hesse, JöR 46 (1998), 1 ff., 13 (Umgehung verfassungsgerichtlicher Kontrolle); Voßkuhle, AöR 119 (1994), 35 ff., 58 f. Die Kritik von Franßen (DVB1.1993,300 ff.) ist noch stärker inhaltlich bestimmt („Grundrechtsverhinderungsvorschrift"). Badura dagegen vermerkt knapp: „... kompliziert geraten..., wenngleich im Kern sachlich eindeutig ..." (Staatsrecht, S. 210). 40

BGBl. 1 1993,1074 bzw. Neufassung in BGBl. 1 1997,2022.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

251

Senkung der Unterstützung auf das oben angesprochene verfassungsrechtliche Minimum hin, d. h. „auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche" bzw. auf das zur Sicherung des „Kernbereiches" eines menschenwürdigen Daseins Erforderliche 41, schon nach altem Recht als mit Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG vereinbar erklärt. Im Schrifttum werden dagegen bisweilen Bedenken laut42; es sollten dabei jedoch u. a. nicht die Hinweise afrikanischer Botschaften in Deutschland übergangen werden, denenzufolge die Geldleistungen, welche die Bundesrepublik nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zahlt, ein Einkommen bedeuten, das in den jeweiligen Herkunftsländern häufig dem der gehobenen Gesellschaftsschicht entspricht43. Zwischenzeitlich wurden weitere Einschränkungen der Leistungen an die entsprechenden Ausländer vorgesehen und ζ. T. durchgesetzt, sehr wohl unter Protest von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, die den staatlichen Stellen „Aushungerung der Flüchtlinge" vorwerfen. Das am Ol. September 1998 in Kraft getretene „Zweite Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes" sieht für Ausländer, die vorrangig zum Zwecke des Leistungsbezuges nach Deutschland einreisen bzw. sich der Beendigung des Aufenthaltes hier entziehen, Leistungseinschränkungen bis hin zum Leistungsausschluß vor. Fortan existieren in diesem Lande also drei Existenzminima - das allgemeine sozialhilferechtliche, das um etwa 25 % darunter liegende asylbewerberleistungsrechtliche und schließlich die Leistungsgewährung für den genannten Personenkreis, „soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist". Die Verständnisschwierigkeiten angesichts der Mehrdeutigkeit eines an sich eindeutigen, nämlich nicht steigerungsfähigen (genauer: „senkungsfähigen") Begriffes lassen sich mit der für je unterschiedliche Personengruppen differenziert praktizierten gesetzgeberischen Großzügigkeit noch einigermaßen überwinden; Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten bleiben aber allemal44. Diese Debatte wirft übrigens ein erhellendes Licht auf den Streit über den Charakter des in Frage stehenden Grundrechts und entsprechend über seine etwaigen immanenten Schranken: Ist es ein staatsgerichtetes Abwehrrecht oder gewährt es auch teilhabe- bzw. leistungsrechtliche Ansprüche? Da wird einerseits „der Wesenskern" im „Recht auf Hilfeleistung, auf Fürsorge, auf Schutz ..." gesehen, „das Interesse an Leistungen des Staates" hervorgehoben und damit auch schon die Frage des sozialstaatlichen Gemeinschafts41

BVerwGE 71, 139 ff., 141, bzw. BVerwGE 49,202 ff., 206.

42

Vergi. Bleckmann, Staatsrecht Π, S. 1140 (Einschränkung in „bedenklicher Weise"); Zuleeg Rn. 52 zu Art. 16 Abs. 2 (mit sozialstaatlicher Gleichheit nicht in Einklang zu bringen); offenbar keine Bedenken bei Kimminich Rn. 315 zu Art. 16; ähnlich Quaritsch, Der grundrechtliche Status der Ausländer (§ 120), Rn. 134 (speziell für Massenunterkünfte u.ä.). Zu verweisen ist weiter auf die Begründung von Hasso Hofmann in Fn. 29. 43 Nach Markus Wehner, Die Städte müssen zahlen, in: FAZ vom 05.08.1998, S. 11. In diesem Sinne argumentierte auch Bleckmann, Beschränkung des Asylrechts, S. 64: Bis zur vollen Integration ist davon auszugehen, daß die Bedürfnisse der Asylbewerber sich nach dem Standard ihres (jeweiligen) Heimatstaates richten. Das ist die entgegengesetzte Konsequenz aus der Reduktion von Gewährleistungen „für eine (jeweils) partikuläre Staatsgründung" (siehe Hasso Hofmann in Fn. 29). 44 Hierzu und zu den Einzelheiten der Entstehung des Änderungsgesetzes (BGBl. 1998 I, 2505) sowie den Unklarheiten des neuen § 1 a vergi. Hohm, NVwZ 1998, 1045 ff., 1048 und 1045 ff.; Schmidt-Bleibtreu Rn. 1 ld zu Art. 16 a. Es handelt sich um einen mittelbaren Zwang ähnlich wieder dem, durch längere Dienstzeiten für zivildienstleistende Kriegsdienstverweigerer die „echten" Gewissensverweigerer von den eher unwilligen zu trennen; veigl. auch Becker Rn. 122 zu Art. 16 a Abs. 1 : Verringerung der wirtschaftlichen Anreize für eine Flucht nach Deutschland.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Vorbehalts aufgeworfen 45. Wer andererseits die „durch Art. 16 a I GG gewährleistete Aufenthaltnahme" als „klassische Freiheitsausübung" wertet, „zu deren grundrechtlicher Absicherung es keiner Leistungsansprüche, sondern nur eines Eingriffsabwehrrechts bedarf*, ordnet das Asylgrundrecht dem status negativus zu und schließt zugleich und von vornherein einen verfassungsimmanenten „Vorbehalt des Möglichen" aus46. Vor dem Hinteigrund der schieren Notwendigkeit einer Versorgung, überdies des offenkundigen Interesses vieler Asylbewerber und der Relevanz des erheblichen finanziellen Aufwandes auf Seiten der Kommunen ist die rein abwehrrechtliche Betrachtung, welche die sozialleistungsrechtlichen Aspekte der Asylgewähr entweder übersieht oder formal abspaltet, schlicht weltfremd. Art. 16 a GG bleibt allemal die Norm, die ganz zwangsläufig den Weg zum „Sozialrecht" öffnet. Realistischer dürfte daher sein - nicht zuletzt aus der Sicht des einreisenden Asylbewerbers - die Kombination einer abwehrrechtliche Komponente (Verhinderung der Abweisung an der Grenze) sowie einer leistungsrechtlichen Komponente (Unterbringung und Versorgung danach)47. In der Theorie mag sich das Verhältnis zwischen beiden nach den materiellrechtlichen Aussichten des Asylantrages richten. Es muß bei der derzeitigen Situation nicht bleiben, weshalb der soeben erwähnte und ζ. T. verworfene „Vorbehalt des Möglichen" einmal theoretisch weiterverfolgt werden soll. Dazu muß man sich erneut die Mühe machen und das „Prinzip der Verallgemeinerung" ein weiteres Mal auf das - nunmehr reformierte - Grundrecht anwenden. Die erste Frage würde heute lauten: Was geschähe, wenn nicht mehr sechs Milliarden Menschen, sondern „nur" die wirklich politisch Verfolgten allesamt den Weg nach Deutschland suchten, mehr oder weniger auch fänden und dort Asyl begehrten? Das Szenario ist angesichts der heutigen Lage und Verkehrsverbindungen so gänzlich unwirklich nicht, und seine von Brugger oben gezeichnete ethische Seite wäre weiter maßgeblich. Die Antwort würde wohl lauten: In Anbetracht der vielen Millionen Unterdrückten entstünde immer noch eine Völkerwanderung, und alle mühsam konstruierten Sicherungen „schlügen" glatt „durch". Doch wie wäre dann die Antwort zur folgenden Frage der unbedingten rechtlichen Geltung des Art. 16 a GG zu formulieren? Müßte jeder Flüchtling immer noch - koste es, was es wolle - aufgenommen werden? Es geht hier erneut um die Relevanz des „Vorbehaltes des Möglichen",

45 So schon von Kimminich, JZ 1965,739 ff, 744 f.; für den Charakter als Leistungsrecht offenbar auch Henkel, NJW 1993,2705 ff, 2707; Jörn Ipsen Rn. 945 f. (mit allerdings unklaren Konsequenzen). Offengelassen ist die Frage bei Schnapp Rn. 21 zu Art. 16; in Rn. 34 lehnt er aber die Implikation von „Teilhabe- und Forderungsrechte(n)" (mit wiederum unklarer Bedeutung) ab. 46

So Lübbe-Wolff Rn. 53 zu Art. 16 a; für ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht bzw. den bloßen status negativus weiter Duttge (in: Siekmann/Duttge Rn. 334) und Pieroth/Schlink Rn. 986; nach altem Recht auch Randelzhofer Rn. 111 ff, 117 zu Art. 16 Abs. II S. 2; Rottmann, Der Staat 23 (1984), 337 ff, 345 ff, 357 ff: Abwehrrecht (mit Widerlegungsmöglichkeit im Verfahren), welches gegenüber anderen Rechtsgütern weitgehend abwägungsresistent ist (356 f.). Hinsichtlich der Rechte „im Asyl" auf Sozialleistungen verwies Rottmann aufbereite bekannte Grundlagen wie das Sozialstaatsprinzip und den Schutz der Menschenwürde (346 f., 350 f., 358, 360). In vergleichbarer Weise entnimmt Becker (Rn. 110, 122 zu Art. 16 a Abs. 1) dem Art. 16 a GG gleichfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen und zieht insoweit Art. 1 Abs. 1 und das Sozialstaatsprinzip als „sehr grobe(n) Maßstab" heran; ähnlich Pieroth Rn. 23 zu Art. 16a. 47 So auch BVerwGE 71, 139 ff, 141; Schwartz S. 102 ff, 107, und offenbar Göbel-Zimmermann S. 34. Marx nimmt immerhin neben dem abwehrrechtlichen Kerngehalt des Asylgrundrechts einen ergänzenden Regelungsauftrag an den Gesetzgeber an (Rn. 4 zu § 2 AsylVfG).

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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aber nicht mehr, wie bei der Grundgesetzänderung erörtert, im Falle einer normkonformen Rechtsreduzierung, sondern eines Normenkonfliktes. Die Frage ist im Schrifttum durchaus kontrovers behandelt und überwiegend bejaht worden. Kimminich sieht Grenzen nur dort, wo die Ausübung des Grundrechts mit der Ausübung anderer Grundrechte oder der Beachtung von Grundprinzipien der Verfassung nicht zu vereinbaren ist, was beim Asylrecht jedoch nicht der Fall sei48. Lübbe-Wolff schließt, wie dargelegt, im status negativus den „Vorbehalt des Möglichen" a priori aus49. Pieroth/Schlink legen in diesem Zusammenhang dar: „Grundrechte unterliegen ... keinem Vorbehalt des Möglichen und dürfen nicht nach vorhandenen Kapazitäten bewirtschaftet werden" 50. Für Zuleeg sind Schranken des Asylrechts nur vorstellbar, wenn etwa die Existenz des Staates auf dem Spiele steht und das Land von Asylsuchenden überschwemmt wird; davon sei die Situation in Deutschland aber weit entfernt. Das Asylrecht kenne keine „Opfergrenze", und für eine Erschöpfung der Aufhahmekapazität fehle jeder Beleg51. Randelzhofer erklärt dagegen den Vorbehalt der Endlichkeit staatlicher Ressourcen52, und auch Bleckmann betrachtete - allerdings bei der Erörterung einer möglichen Verletzung der Menschenwürdegarantie - trotz des Wortlautes des Art. 79 Abs. 3 GG dann Eingriffe in Art. 1 Abs. 1 GG als zulässig, „wenn andere wichtige, durch die Verfassung geschützte Rechtsgüter dies zwingend verlangen (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz)". Bei einer Aufzählung der denkbaren Verfassungsprinzipien, die durch eine Überschreitung der Aufhahmekapazität der Bundesrepublik teilweise verletzt werden könnten, erwähnte er das Unvermögen, aufgrund der Bindung erheblicher Haushaltsmittel für die Daseinsvorsorge zugunsten mittelloser Ausländer noch die in der Verfassung festgelegten Aufgaben zu erfüllen, streifte die (gerade 1992 sehr hohe) Belastung der Verwaltungsgerichte und sah auch das Recht der Deutschen auf Wohnung, Arbeit und Schulbildung womöglich tangiert - entsprechende soziale Rechte unterstellt - 5 3 . Schlösse man sich der Bejahung der oben gestellten Frage nach der unbedingten Geltung des Asylgrundrechts an, wären die Folgen für die staatlichen Finanzen, den allgemeinen Lebensstandard und vieles mehr im Extremfall vermutlich wahrhaft gravierend. Ein „Verdrängungskampf 4 zwischen den Grundrechten54 könnte nicht ausgeschlossen werden: Es träte gewissermaßen die „Menschenwürde" der einheimischen Armen gegen den Art. 16 a der Flüchtlinge an, und am Ende ginge dieser Kampf um knappes Geld zu Lasten der von 48

Bonner Kommentar Rn. 159 zu Art. 16.

49

Vergi. Fn. 47; siehe dort auch Rottmann.

50

Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 991.

51

Rn. 48 bzw. Rn. 59 zu Art. 16 Abs. 2.

52 Asylrecht (§ 132), Rn. 57, gegen BVerwGE 39,27 ff., 31. Doch jüngst äußerte in einem Interview mit der Überschrift „Das Asylrecht lässt sich nicht halten" auch Bundesinnenminister Otto Schily u. a. die Meinung, daß „nicht jede Wohltat, die wir einem Menschen zuwenden, einklagbar sein" müsse (Die Zeit Nr. 44 vom 28.10.1999, S. 3). 53 Beschränkung des Asylrechts, S. 59 ff. Schwartz argumentierte von der Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) her im Grunde ähnlich, sah dieses Rechtsgut aber als zu allgemein formuliert und umsetzungsbedürftig an, um dem alten Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG als vollzugsfähige Grenze gegenüberzutreten (S. 172 ff., 218). De constitutione ferenda wollte er die Grenze der Belastung der öffentlichen Haushalte durch Sozialhilfezahlungen an Asylbewerber bei maximal 11 % des BSP festsetzen. 54

Vergi, oben 8. Kapitel zu Fn. 9.

254

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Art. 12 Abs. 1 GG begrenzt geschützten Ausbildungswilligen, um nur eine denkbare Möglichkeit zu erwähnen. Bei einem solchen Konflikt oberster Verfassungsgüter im Sinne Kimminichs müßte zweifellos auch das Asylgrundrecht zurückstecken. Man würde aus rechtlichen und natürlich erst recht aus politischen undfinanziellen Gründen nach weiteren Mitteln und Wegen suchen, um (Grund-)Rechtsstaat und Finanzstaat wenigstens notdürftig wieder in Konkordanz zu bringen, d. h. konkret: um die Flüchtlinge abzuwehren sofern das überhaupt faktisch möglich ist. Wahrscheinlich würde es dennoch - und deshalb - wieder heftige Proteste geben, aber: „Großzügigkeit in diesem diffizilen Bereich (ist) gewiß sehr ehrenwert; doch sie ist... überzeugender, wenn der Großzügige selbst und nicht ein Dritter für die Kosten der Nächstenliebe aufkommt. Meist ist es aber wieder der ohnehin geplagte deutsche Steuerzahler" 55. Es zeigt sich an diesem - hoffentlich niemals aktuell werdenden - Beispiel, daß Notlösungen solcher Art zwar keinen Verfassungsbruch darstellen müssen, aber rechtlich wenig zufriedenstellend sind. Der Rückgriff auf den - dann als „hart" zu qualifizierenden „Vorbehalt des Möglichen" führte hier die gesuchte wirkliche Homogenität zwischen den einschlägigen Bestandteilen der Verfassung nämlich nicht herbei, die der neue Art. 16 a GG zumindest bei einem Vergleich mit dem vorangegangenen Rechtszustand im Prinzip erreicht hat. Es steht daher Verfassungsgebern stets gut an, vor der Gewährung von Grundrechten, erst recht aber vor großen menschenfreundlichen Gesten, das „Prinzip der Verallgemeinerung" einmal ganz gründlich „durchzuexerzieren". Nur wenn noch die letzte Konsequenz verallgemeinerungsfähig ist, nur wenn selbst bei einer Nutzung des Grundrechts durch alle potentiellen Grundrechtsträger keine Rechte Dritter beeinträchtigt werden, die Gleichheit der Rechtsausübung gewährleistet und das Gemeinwohl nicht gefährdet ist, kann das fragliche Grundrecht in die Verfassung geschrieben werden56. Denn allein dann braucht der „Vorbehalt des Möglichen" als Notbremse auf der Verfassungsebene nicht bemüht zu werden, weil das „Mögliche" bereits in der Regelung selbst escomptiert worden ist. Bei „kostenträchtigen" Grundrechten dürfte das folglich kaum jemals der Fall sein.

55 . . . und von der Kompetenz her die jeweilige Kommune, vergi, den Zeitungsbericht in Fn. 43 („In der Ausländerpolitik läßt der Bund die Länder, die Länder lassen die Kommunen allein"). Formal bestimmen die Landesregierungen nach § 10 Asylbewerberleistungsgesetz die zuständigen Behörden und Kostenträger. Das Zitat stammt aus der letzten Neujahrsansprache 1996 des Verfassers als Bürgermeister einer kleinen Stadt. Er war in diesem Amt auch mit den innerbehördlichen Streitigkeiten über die Verteilung der Kosten für geduldete u. a. Flüchtlinge sowie der Unterbringung von (abgelehnten) Asylbewerbem befaßt. 1992 beschlagnahmte er alle verfugbaren öffentlichen Gebäude und stand angesichts der ewigen Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung gleichwohl vor der Frage, ob ein größerer sechsstelliger Betrag für eine neue (ausreichende? überflüssige?) Unterkunft aufgewandt oder gegebenenfalls die städtische Mehrzweckhalle genutzt werden sollte. Im letzteren Fall hätte er sich allerdings bei den (Sport-)Verbänden niemals wieder zeigen dürfen. Er gewann übrigens gemeinsam mit vielen Kollegen die verfassungsökonomisch interessante Erkenntnis, daß es töricht wäre, Probleme solchen Ausmaßes um jeden Preis unbedingt „vor Ort" lösen zu wollen. Dann nähme man sie nämlich in Bonn (oder Berlin) erst recht nicht wahr. 56 Vergi, noch einmal Kratzmann, Der Staat 29 (1990), 521 ff., 522. Wenn Schneider von der „Verallgemeinerungsfähigkeit sämtlicher Grundrechtsfunktionen" ausgeht (Funktion der Grundrechte, S. 35), müßte er eigentlich ähnlich argumentieren.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

255

3. Exkurs: „Vorbehalt des Möglichen" und „Prinzip der Verallgemeinerung 64 Für das Thema dieser Arbeit und speziell dieses Kapitels bedeutet das: Ist die Nutzung eines Grundrechts verallgemeinerungsfahig, regelt sie sich im Rahmen des damit gegebenen jeweilig „Möglichen" mehr oder weniger von selbst, da „alles oder nichts"-Situationen wie beim „numerus clausus" an Hochschulen oderfinanzielle Überforderungen a priori ausscheiden. Die neu hinzutretende Budgetrestriktion gäbe dann in Verbindung mit der Beschränkung durch „die Rechte anderer" nur die noch engere Grenze des „Möglichen" an. Diese Argumentation gilt auch in der umgekehrten Richtung. Ist der Grundrechtsgebrauch dagegen nicht verallgemeinerungsfähig - wie letztlich beim Grundrecht auf Asyl zumindest in dem bis 1993 praktizierten Verständnis - , entfallen die „grundrechtsimmanente" Anpassung der Grundrechtsgeltung an denfinanziellen Rahmen und der gewissermaßen „grundrechtsinterne" Einbau des Finanzierungsvorbehaltes in das Normgefüge. Dann kann diese - letztlich: jede - Budgetrestriktion nur eine äußere, normfremde Schranke für die Grundrechtsausübung setzen, notdürftig gedeckt durch einen harten „Vorbehalt des Möglichen", d. h.: durch das mit demfraglichen Grundrecht konkurrierende Verfassungsgut der geordneten, schuldenfreien Haushaltswirtschaft.

4. Das Recht auf den Studienplatz (Art. 12 Abs. 1 GG) Nach der Sicherung des Existenzminimums ist eine gute Ausbildung die wichtigste Lebensgrundlage, was verständlich macht, daß das Bundesverfassungsgericht in - und teilweise auch: seit - seiner ersten „numerus clausus"-Entscheidung sich so außerordentliche Mühe gab, den Studienplatzbewerbern verfassungskonstruktiv zu helfen. Die häufige Kritik an jener ersten Entscheidung ist vermutlich gerade auf diese mitunter vertrackt wirkenden Anstrengungen zurückzuführen 57. Aber unabhängig davon führt Friedrich Müller gewissermaßen zur ergänzenden Ehrenrettung das Hin und Her, das Zwar und Aber, kurz: die Widersprüche des Urteils auf die Widersprüche der Rechtsordnung selbst zurück 58. Und deren sich aufdrängende Zwiespältigkeit ist leicht in der Grunderkenntnis zusammenzufassen, daß das auf dem Papier verbriefte Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte in der Wirklichkeit der Hochschulen nicht immer eingelöst werden kann.

57 Vergi. Abelein S. 20 f. (Bewegung im Kreis); Breuer, Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 77 f. (zwiespältig, unklar und inkonsequent); Erichs en, Staatsrecht, S. 73 (Zusammenhang schwer zu erschließen); Friesenhahn S. G 30 (es geht nicht um Forderungen und Postulate, sondern um die Konkretisierung gegebener Grundrechtsinhalte); v. Mutius, Verwaltungsarchiv 64 (1973), 183 ff. 186 (widersprüchliches Bild); Rhinow S. 442 (Anspruch erst pompös angekündigt und dann gleich wieder zurückgenommen); ähnlich Stern, Staatsrecht III/l, S. 983 (das Gericht gibt mit der einen Hand, was es mit der anderen fast wieder wegnimmt); Tettinger, Wissenschaftsrecht 23 (1990), 101 ff., 103 („grundrechtsdogmatische Kreationen"); vergi, auch Starck oben im 9. Kapitel Fn. 13. Siehe weiter Bieback, EuGRZ 1985,657 ff., 664: Ihre Bewährungsprobe hat die Konstruktion nicht bestanden. 58

Juristische Methodik und Politisches System, S. 29 ff.

256

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Nach den vorangegangenen allgemeinen Untersuchungen ist die Zwiespältigkeit jetzt relativ leicht aufzulösen. Nicht unwichtig ist zunächst, daß schon im Parlamentarischen Rat nicht die geringste Absicht bestand, Studienplatzbewerbern etwa einen Studienplatz zu garantieren bzw. gar zu schaffen. Aufkommende Bedenken gegen die Einführung eines Rechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte wurden mit dem Hinweis auf die Aufnahmefähigkeit einer Universität als selbstverständliche Voraussetzung eines solchen Rechts sofort erstickt 59. Wichtiger ist sodann das Ergebnis der Interpretation des Wortlautes, die der Entstehungsgeschichte keineswegs widerspricht: Mit der Garantie der freien Wahl zwischen verschiedenen vorhandenen Zielobjekten ist ganz gewiß nicht die Vermehrung der Zielobjekte nach Wunsch oder Bedarf vermacht, vielleicht nicht einmal deren Existenz ganz oder wenigstens teilweise gewährleistet. Schließlich mindestens ebenso wichtig ist die Notwendigkeit, mit der Lektüre desfraglichen Grundgesetzartikels auch das Bewußtsein zu verbinden, daß der gewählten Volksvertretung allein - nach Maßgabe allerdings des weiter unten behandelten Art. 5 Abs. 3 GG - die Kompetenz zusteht, nach eigenem politischen Ermessen Mittel in diesem oder jenem Maße der Hochschulausbildung zu widmen. Somit ist weder Platz für einen Verfassungsauftrag zur Kapazitätserweiterung noch für korrespondierende subjektive Individualrechte von Studienplatzbewerbern. Die herrschende Lehre ist heute durchgehend der gleichen Auffassung. Wenn es mitunter noch hieß, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibe in Anbetracht des irgendwann vielleicht einmal wirklich „evident" verletzten Verfassungsauftrages abzuwarten60, so kann man diese Haltung auch mit schlichter wissenschaftlicher Neugier erklären. Als Haupthindernis gilt vielmehr heute der „Vorbehalt des Möglichen", der ein etwaiges verfassungsunmittelbares (Teilhabe-)Recht auf Bereitstellung des gewünschten Studienplatzes zur Bedeutungslosigkeit verurteilte 61. Nun ist, wie bereitsfrüher vermerkt wurde, ein „Vorbehalt" ohne zuvor nachgewiesenes Grundrecht eine gleichsam in die Luft gehängte Konstruktion; als besser und korrekter erweist sich daher die in der Sache kaum abweichende Feststellung, daß ein Teilhaberecht dieser Art mit der Haushaltshoheit des Parlaments einfach nicht zu vereinbaren ist 62 . Friedrich Müller

59 Siehe 44. Sitzung des Hauptausschusses am 19.01.1949, Protokolle des Hauptausschusses S. 576 (Abg. Dr. Schmid und Kaufmann); veigl. auch die Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR 1 (1951), 137 f. Breuer (Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 77) beanstandet, daß das Bundesverfassungsgericht diesen entstehungsgeschichtlichen Umstand außer acht gelassen hat. 60 So Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 252 f.; Hesse, EuGRZ 1978,427 ff., 433 f. Stern (Staatsrecht ΙΠ/1, S. 983) kommentiert das lange Schweigen des Gerichts dagegen so: „Man darf daraus schließen, daß es ihn verwerfen würde". Einschlägige Zweifel hatte Grabitz schon vorher geäußert (S. 45 Fn. 108). Cellarius (S. 14) dagegen schien noch an ein Eingreifen des Gerichts zu glauben, „wenn entgegen dem Erfahrungsstand keine Verbesserungen vorgenommen werden". Jüngst hat das Gericht in seinem Kammerbeschluß vom 22.07.1999 (1 BvR 709/97; DVB1.1999,1577 ff., 1579) die Möglichkeit einer „evidenten" Verfassungsverletzung immer noch nicht a priori verneint (Mittelkürzungen an der FU Berlin). 61

In diesem Sinne Erichs en, Staatsrecht, S. 75 (als Ergebnis des Urteils); Hailbronner, Die Freiheit der Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, S. 13; Walter Schmidt, Der Staat, Beiheft 5 (1981), 9 ff., 19. 62 So Breuer, Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 77 (der solchermaßen die mangelnde Klarheit des grundrechtsdogmatischen Ansatzes des Bundesverfassungsgerichts rügt); Dreier Rn. 51 Vorbemerkungen; Gubelt Rn. 32 zu Art. 12; Jarass, AöR 110 (1985), 363 ff., 389; Manssen Rn. 14 zu Art. 12 Abs. 1:

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

257

wirft dem Bundesverfassungsgericht danach nur noch vor, es habe nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß in einer „sozialökonomisch auf dem Marktmodell" beruhenden liberalen Verfassungsordnung die „Grenze der Leistungsfähigkeit liberaler Grundrechte" erreicht sei63. Zusätzliche bzw. anders formulierte Argumente untermauern den Standpunkt der herrschenden Auffassung. Ridder machte sich die Aufzählung in Art. 12 Abs. 1 GG für die folgende Überlegung zunutze64: Wenn das Recht der freien Berufswahl zweifellos keinen Anspruch auf die Einrichtung von Berufspraxen gibt, wenn das Recht, den Arbeitsplatz frei zu wählen, keineswegs das Recht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen einschließt, dann kann mit dem Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte auch kaum ein Recht auf die Schaffung von Studienplätzen, Lehrlingsstellen usw. verbunden sein. Folglich hat der „numerus clausus" „mit den sozialstaatlich imperfekten Grundrechten aus Art. 12 GG ... überhaupt nichts zu tun". Diese systematische Interpretation ist umso einleuchtender, als sie auch verallgemeinerungsfähig ist. Eher „bildungspolitisch" näherte sich Rupp der Auslegung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, indem er dem obersten Gericht vorwarf, nicht „gefragt zu haben, welches eigentlich der Inhalt jener objektiv-rechtlich-institutionellen Entstehungssicherung der in Art. 12 Abs. 1 GG enthaltenen Berufsausbildungsfreiheit sei"65. In der Tat hatte es in den „numerus clausus"-Entscheidungen die „Entstehungssicherung" rein quantitativ verstanden: Im Grunde war für alle Abiturienten ein Studienplatz vorzuhalten! Auch ungeachtet der bereits diskutierten Folgen für die Finanzen vor allem der Länder und für die vielen nicht benötigten Hochschulabsolventen bedeutet der quantitative Ansatz - gestützt auf das formale und daher Noten nicht wertende Verständnis des Abiturs - keine rechtsangemessene Auseinandersetzung mit dem Grundrecht: Das Gericht argumentierte zwangsläufig erst „ständig am Rande des verfassungsrechtlichen Abgrunds" und fand dann notgedrungen eine „Brücke" in Gestalt der Zulassungskriterien als gesetzlicher Einschränkungen, die wegen ihrer Charakterisierung als „situationsbedingte Notmaßnahmen" zum Betreten aber wiederum auch nicht gerade einluden, vielmehr die Debatte mit einem inhärenten Manko behafteten: „Was so unwillig als bloßer Notbehelf hingenommen wird, ist entsprechend schwer zu verallgemeinern" 66. Man sollte daher wenigstens mit der überwältigenden

Die „notwendige politische Präferenzentscheidung kann nicht durch einen Akt der Verfassungsinterpretation ersetzt werden"; Martens, WDStRL 30 (1971), 7 ff, 35 ff; Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 95 f.; Rittstieg Rn. 127 zu Art. 12; Tettinger, AöR 108 (1983), 92 ff, 127 f.; vergi, letztlich auch Grimm, Grundrechte und soziale Wirklichkeit, S. 71: „Unterschreitet ein ganzer Sozialbereich den grundrechtlichen Mindeststandard, so daß Abhilfe ... nur noch von kostspieligen strukturellen Veränderungen erwartet werden kann, sind die Grundrechte überfordert". Daher beanstandete Franzke, daß Gerichte mit derartigen „Verfassungsaufträgen" Hochschulpolitik betrieben (ZRP 1977,246 ff, 249). 63 Juristische Methodik und Politisches System, S. 31 f. In staatlicherseits vorgehaltenen Ausbildungseinrichtungen paßt dieses Argument aber nur bedingt; vergi, oben im 10. Kapitel Fn. 26. 64

Sehfahrt tut not! S. 340 Fn. 43.

65

AöR 101 (1976), 161 ff, 181; vergi, dens, im 9. Kapitel Fn. 44.

66 Kratzmann, Der Staat 29 (1990), 521ff., 534. Die genannte Charakterisierung stammt aus BVerfGE 43,291 ff, 316.

1 Kratzmann

258

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Mehrheit alle Ansprüche auf Studienplätze aufgeben, die über eine Teilnahme an dem vorhandenen Bestand hinausgehen. Damit entfällt prinzipiell auch die Berechtigung für „Kompromiß"- oder wenigstens „Minimallösungen", die oben bereits allgemein verworfen worden waren. Breuer will wenigstens „das zur Erhaltung einer grundrechtlichen Freiheit notwendige Minimum" von Hochschuleinrichtungen als verfassungsrechtlich garantiert retten, was für ihn negativ formuliert bedeutet: „Die grundrechtliche Freiheit darf nicht durch eine kategorische, sachlich nicht begründbare Verweigerung freiheitserhaltender Einrichtungen notleidend werden" 67 . Abgesehen davon, daß insoweit eher Art. 5 Abs. 3 GG als Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig ist, weil vom institutionellen Ausmaß der Freiheit im Wissenschaftsbetrieb auch die (insoweit derivative) Freiheit der Berufsausbildung abhängt, schneidet er hiermit das Problem an, ob wenigstens der vorhandene Hochschulbestand vor der, Jculturrevolutionären Vernichtung" geschützt ist. Die Behandlung dieses Sonderthemas folgt konsequenterweise primär weiter unten bei der eigentlichen „sedes materiae", dem Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; mit den eher expansiven Teilhaberechten im Sinne der ersten „numerus clausus"-Entscheidung hat dieser Standpunkt jedoch allemal nur noch wenig gemein. Eher schon der von Scholz68! Im Rahmen der Erörterung von Abwägungsgesichtspunkten zur Kapazitätsberechnung führt er aus: ,Als legitim zulassungsbeschränkendes Gemeinschaftsgut gilt zunächst der allgemeine Maßgabevorbehalt, demzufolge die wirtschaftliche bzw. finanzielle Unfähigkeit des Staates, in angemessener Form für mehr Studienplätze zu sorgen, dem Recht auf Zugang zu den Hochschulen eine wirksame Schranke setzt. Der Staat kann sich zwar nicht in beliebiger Form auf,leere Staatskassen' berufen; er muß auch hier den freiheits- wie sozialgerechten Kompromiß suchen ..." Hier wird noch bei der Schrankenziehung gleichsam „aus der Nachhand" eine eher teilhaberechtliche, „expansive" Korrektur angebracht. Das ehrt den Hochschullehrer, ist aber bei ganz nüchterner Betrachtung weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch (erst recht) aus dem Sozialstaatsprinzip herauszulesen. Was dem Bewerber bleibt, kann man „Maßgaberecht" nennen, welches die nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich unterstellte Konkordanz von Ausbildungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) jedenfalls dann zu Lasten des letzteren - und damit der kapazitätsrechtlichen Verteilungsgerechtigkeit auflöst, wenn sich im Streitfall irgendwo noch ein Studienplatz findet oder ermitteln läßt69.

67

Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 113; ders. (ansatzweise), Jura 1 (1979), 401 ff., 410; ders., Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 78; ähnlich - hinsichtlich des „künstlichen Mangels" - Scholz Rn. 431 zu Art. 12 (S. 61); vergi, auch Kimms/Schlünder S. 195; Tettinger Rn. 12 zu Art. 12; Tettinger/Widera, Wissenschaftsrecht 23 (1990), 199 ff., 210 f.: Das zur Erhaltung der berufsgrundrechtlichen Freiheit notwendige Minimum universitärer Ausbildungskapazitäten muß vorgehalten werden (Hinweis auf BVerfGE 66, 155 ff., 178); WielandRn. 167 zu Art. 12. 68 69

Rn. 451 zu Art. 12.

Zum Maßgaberecht vergi. Häberle WDStRL 30 (1971), 43 ff, 114; zustimmend Böckenförde, NJW 1974,1529 ff, 1536. Zu weit gehen daher Friesenhahn (S. G 32), Ossenbühl (NJW 1976,2100 ff, 2104) sowie neuerdings Burgi (JZ 1999, 873 ff, 878) und Manssen (Rn. 16zuArt. 12 Abs. 1), wenn sie die Teilhabe an vorhandenen staatlichen Ausbildungskapazitäten eher als Problem des Gleichheitssatzes ansehen. Die Gleichheitsfrage ist zumindest im vom Bundesverfassungsgericht initiierten

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

259

Das Grundrecht reduziert sich insoweit folglich auf den Anspruch des angehenden Studenten, in eine vorhandene staatliche Hochschuleinrichtung auf einen nochfreien Platz dort aufgenommen zu werden70. Eine andere Lösung würde zudem eine übergroße Bevorzugung des akademischen Berufssektors bedeuten und damit dem Gebot sozialer Gerechtigkeit widersprechen 71. Der weitere Ausbau des Hochschulwesens zur Verbesserung der Kapazitätssituation ist heute kaum noch ein Thema; im Gegenteil: Der Abbau des vorhandenen Ausbildungsbestandes ist aus mancherlei Gründen, unter ihnen vor allem dem der akuten Finanznot, vielerorts bereits im Gange. Hier sehen sich Finanzminister und Hochschulpolitiker aber möglicherweise durch eine früh geäußerte Richtlinie des Bundesverfassungsgerichts gehindert, derzufolge Beschränkungen bei der Zulassung zur Ausbildung nicht einer „Berufslenkung" dienen dürfen 72. Zwar folgten kurz darauf Einschränkungen dieser Vorgabe, die eine Orientierung „am vordringlichen Kräftebedarf 4 nicht ausschließen73. Aber in der zweiten „numerus clausus"-Entscheidung beanstandete das Gericht wieder - nunmehr sehr konkret - die Stillegung von Kapazitäten trotz Bewerbernachfrage 74. Die Haltung des obersten Gerichts ließe sich dahingehend zusammenfassen, daß bei vorrangiger Orientierung an der Nachfrage nach Studienplätzen Gesichtspunkte des Bedarfs an Absolventen, die auf

Kapazitätsrecht wahrhaft bedeutsam, aber doch nur unter dem Dach des Art. 12 Abs. 1 GG abzuhandeln, so nachdrücklich auch Breuer, Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 82; siehe weiter oben 9. Kapitel Fn. 15. 70 So BVerwGE 102,142 ff., 146 (zum zahnärztlichen Instrumentarium in der Ausbildung); Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 244 ff; Dreier Rn. 51 Vorbemerkungen (bloß derivatives Teilhabe- bzw. Leistungsrecht auf erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazitäten); so auch Jörn Ipsen Rn. 612; Hammer/Nagel, NJW 1977, 1257 ff, 1260 (Sicherstellung der sachgerechten Verwendung der verfügbaren Mittel); Jarass Rn. 54, 59, 59a, 66 zu Art. 12 (Teilhaberecht im Rahmen der Kapazitäten ohne Anspruch auf deren Erweiterung); Rittstieg Rn. 129 zu Art. 12 (Anspruch auf erschöpfende Auslastung der Kapazitäten); Schlink, EuGRZ 1984,457 ff, 465 (Rückgriff auf die schrankenziehende und eingriffsabwehrende Funktion des Grundrechts); Tettinger, Wissenschaftsrecht 23 (1990), 101 ff, 110 (teilhaberechtliche Dimension, neben der abwehrrechtlichen, S. 105 ff); ders. Rn. 131 zu Art. 12; Wieland Rn. 165 zu Art. 12 (Kapazitätserschöpfiingsgebot); siehe auch Schuppert im 9. Kapitel Fn. 15. 71 So Tettinger Rn. 134 zu Art. 12; vergi, weiter das drastische „argumentum ad absurdum" bei Dürig Rn. 113 (Fn. 2) zu Art. 3 Abs. 1. Später wollte Tettinger die umstrittenen Konstruktionen zu Art. 12 Abs. 1 GG einmünden lassen in die - vom BVerfG auch bereits bei Art. 7 Abs. 4 GG praktizierte (E 75,40 ff, 62, 66; 90,107 ff, 117) - Judikatur zu den aus Grundrechten ableitbaren gesetzgeberischen Schutzpflichten (Wissenschaftsrecht 23 (1990), 101 ff, 104). Doch abgesehen davon, daß die vermeintliche „Schutzpflicht" nach Art. 7 Abs. 4 GG in Wahrheit Leistungscharakter aufweist (vergi, zu dieser Unterscheidung oben in Kapitel 8 Fn. 8 und unten Fn. 197), würde diese zusätzliche Kategorie nur Verwirrung in die Abgrenzung von derivativem Teilhaberecht nach Art. 12 Abs. 1 GG hier und Garantie des freien Wissenschaftsbetriebes nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dort (siehe oben Fn. 67 und Text) tragen.

Maurer (S. 274) will aus Art. 12 Abs. 1 GG „wohl" einen Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe ableiten und verweist auf das BAfÖG. Das Grundgesetz gibt für eine solche Ableitung jedoch keine zwingenden Anhaltspunkte.

1*

72

BVerfGE 33, 303 ff, 330.

73

BVerfGE 33, 303 ff, 334 f.

74

BVerfGE 43, 291 ff, 327.

260

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

diesen Plätzen ausgebildet werden, durchaus zu berücksichtigen sind75. In der einschlägigen wissenschaftlichen Diskussion spielt diese weitgehende Ablehnung der „Berufslenkung" eine nicht unerhebliche Rolle, weil sie im Schrifttum nur begrenzt übernommen wird 76 . Wichtig bei einer Beteiligung an dieser Debatte ist vor allem die Trennung der möglichen Gründe für die Rückentwicklung der Studienkapazitäten: Es kann sich handeln um den Rückgang des Finanzierungspotentials, der Nachfrage nach Studienplätzen oder der Nachfrage nach Absolventen der fraglichen Studiengänge. Sie werden jedoch vermengt etwa in dieser Aussage: „Der Bedarf an Hochschulabsolventen muß berücksichtigt werden, weil die finanziellen Ressourcen nicht unbegrenzt sind und es keinen Sinn macht, Akademiker auf ihre spätere Arbeitslosigkeit hin auszubilden. Auch Art. 12 Abs. 1 GG erteilt keinen Verfassungsauftrag hierzu" 77. Der sinnvolle Einsatz von Geld hat mit der Verfügbarkeit von Geld aber nichts zu tun; man kann letzteres auch für bessere Zwecke ausgeben oder - horribile dictu - sogar beim Steuerzahler belassen. Es ist weiter nicht ganz korrekt, die erforderliche Konkordanz zwischen Studienplatznachfrage, gesellschaftlichem Kräftebedarf und finanziellen Mitteln zu betonen78, als ob alle drei Faktoren gleichgewichtig bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich korrekten Studienplatzangebotes seien. Diese Konstellation verbirgt sich übrigens im Grunde ebenfalls in der bekannten Definition des ersten „numerus clausus"-Urteils, derzufolge etwaige „ausgreifende" Teilhaberechte „doch unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen (stehen), was der einzelne vernünftigerweise 79 von der Gesellschaft beanspruchen kann" 80 . Primär setzen jedoch die

75

Nach Pitschas, Wissenschaftsrecht 15 (1982), 229 ff., 237 ff.; ders., Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 264 ff. 76 Im wesentlichen von Gubelt Rn. 29 zu Art. 12; Schmidt-Bleibtreu Rn. 9a zu Art. 12; Seidler, JuS 1976, 700 ff., 703 (strenger Begründungsmaßstab für Bedarfsgesichtspunkte, zu Ausnahmen vergi. 704); im Ergebnis letztlich auch von Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 14 ff.; dems., Schließung einer Hochschule, S. 16 (Kapazitätssteuerung als ausgleichende Optimierung zwischen Nachfrage und voraussehbarer Bedarfsentwicklung); vergi, demgegenüber Breuer, Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 79 (der gerade von seinem Standpunkt der grundrechtlichen Garantie eines „Minimalstandards" aus dessen sozialstaatliche Optimierung für regulierbar erachtet); Jarass Fn. 67 zu Art. 12 (Änderung der Ausbildungskapazitäten durchaus zulässig); Manssen Rn. 19 zu Art. 12 Abs. 1 (fehlende Berufsperspektiven nicht als alleinige Begründung für den Abbau von Studienplätzen zulässig); Papier, DVB1. 1984, 801 ff., 814 (auf „makroökonomischer" Ebene darf die Mittelverschwendung für eine perspektivlose Ausbildung verhindert werden); Rittstieg Rn.137 zu Art. 12 (nur bei willkürlicher Reduzierung der Ausbildungskapazitäten); Tettinger, AöR 108 (1983), 92 ff., 128 (gegen das Verdikt des Bundesverfassungsgsgerichts); ders., Wissenschaftsrecht 23 (1990), 101 ff., 105 ff. (nur die ausschließliche Orientierung am Bedarf bzw. die freiheitsfeindliche, dirigistische Berufslenkung sind verboten); differenzierend zunächst Pitschas, vergi. Fn. 75, später stärkere Betonung der „Lenkungsdimension" (Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 470 f., 487 ff., 581); vergi, schließlich auch die weiter im 9. Kapitel in Fn. 3 Genannten. Eine starke Hervorhebung des Bedarfsgesichtspunktes fand sich bei Martens, WDStRL 30 (1971), 7ff., 37. 77

Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 312, siehe auch S. 323.

78

Pitschas S. 314, 327 ff, 338 f., 581; ähnlich auch v. Brünneck, DÖV 1984, 993 ff, 999, 1001, 1003; Jach S. 93 (bezogen auf Art. 7 Abs. 4 GG); Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 17 (ersatzlose Einsparung nur, wenn Mittel „für andere öffentliche Aufgaben mit gleichrangiger Verfassungsqualität gebraucht werden"). 79

Hervorhebung vom Verfasser.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

261

Haushaltsgesetzgeber allein die Mittel für den Hochschulbereich nach ihren hochschulpolitischen Vorstellungen und unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 3 GG sowie des Art. 109 Abs. 2 GG und damit ggf. der zusätzlichen Budgetrestriktion fest. In der gewissermaßen „logischen Sekunde" vor dem Beginn des Hochschulausbaues hat es daher auch einen „unantastbaren , Leistungs-Kern ... 4 des Art. 12 Abs. 1 GG" 81 nicht gegeben82. Von dem dann jeweils erreichten Kapazitätsstand aus83 mag anschließend gefragt werden, wie weit, wie schnell und wo ein Studienplatzabbau ausfinanziellen Gründen, der in dieser Arbeit ja vorrangig interessiert, selbst bei weiterbestehender Nachfrage zulässig ist 84 . In finanziellen Zwangslagen ist der Haushaltsgesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, unter dem Druck dieser Zwänge den Bestand an Studienplätzen zu veringern 85. Er hat dabei aber die nachrangigen Gesichtspunkte „Nachfrage nach Ausbildung" und „Nachfrage nach Absolventen dieser Ausbildung" so zu berücksichtigen, daß Art. 12 Abs. 1 GG als Abwehrrecht gegen andere als rein haushaltsrechtlich induzierte Einschränkungen beachtet bleibt86. Das kann Konsequenzen in zweifacher Hinsicht haben: Sollten die Auswirkungen der Kürzungen bestimmte Fachbereiche oder Fakultäten härter treffen als andere, so könnte sich dahinter eine unzulässige Berufslenkung verstecken, nämlich eine unter dem Gesichtspunkt der Ausbildungsfreiheit unangemessene Zurücksetzung der Studenten oder Bewerber in den betroffenen Bereichen. Daher würde zu prüfen sein, wie weit die Gründe für die ungleichgewichtigen Kürzungen nachvollziehbar sind, warum letztere nicht proportional erfolgten und welche spezifischen Anforderungen der Nachfrage oder des Bedarfs ggf. den Ausschlag gaben87. Wird der Abbau zu hart, zu drastisch und zu stark entgegen der fortbestehenden Studienplatznachfrage exekutiert, kann sich auch schon ein Gericht unter Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 1 GG „querlegen". Als die beiden Berliner Universitäten die Studienplätze im vorklinischen Bereich der Humanmedizin um 44% bzw. 68% reduzieren mußten, bescheinigte das OVG Berlin dem Landesgesetzgeber, daß die Reduzierung nicht das Ergebnis einer nachvollziehbaren Abwägungsentscheidung sei88. Grundsätzlich stritt das Gericht dem 80 BVerfGE 33, 303 ff., 333; Manssen Rn. 19 zu Art. 12 Abs. 1: „Auch im Hochschulrecht gibt es einen »Vorbehalt des Möglichen*"; vergi, dazu oben Kapitel 5 Abschnitt 6 c). 81

Pitschas S. 329.

82

Denn wo, wenn nicht bei der staatlichen Kapazitäts- und Mittelsteuerung, soll alles angefangen haben? So wohl auch Martens, WDStRL 30 (1971), 7 ff., 37. 83 Den auch das Bundesverfassungsgericht mit seiner Unterscheidung zwischen Status quo und künftigem Ausbau zugrundelegt, vergi. E 33,303 ff., 334; siehe hierzu auch Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 15 f. 84 Fehlt die Nachfrage, können Lenkungsprobleme ohnehin nicht mehr auftauchen, vergi. Karpen S. 16 (kein verfassungswidriger Grundrechtseingriff). 85 So Pieroth/Schlink Rn. 864; ähnlich Tettinger, Wissenschaftsrecht 23 (1990), 101 ff, 110 f., und im Ergebnis auch Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 342. 86 So auch Brehm/Zimmerling (Wissenschaftsrecht 33 (2000), 22 ff, 40), welche aber die neueste, für Kürzungen sehr „aufgeschlossene" Rechtsprechung kritisieren (25,39 f.). 87

So offenbar auch Pitschas S. 264, 581.

88

OVG Berlin NVwZ 1996,1239 ff, 1244.

262

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Land nicht die Kompetenz ab, eine einmal geschaffene Ausbildungskapazität zu Lasten der Studienbewerber zu verringern 89. Bei allem Vorrang für die letztlich entscheidenden haushaltsrechtlichen Belange90 müssen die einzelnen Bestandteile des tief einschneidenden sog. „Sparkonzepts" aber wenigstens auf sachliche Erwägungen zurückgeführt werden können. Denn bei Willkür läge womöglich eine ausbildungsfremde und damit aus dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 GG unzulässige Berufslenkung zu Lasten des schwer getroffenen Fachbereichs vor. Dieses Grundrecht vermag letztlich kaum mehr als die Gewähr für einen sachgerechten und willkürfreien „Rückbau" zu bieten. Auf lange Sicht setzt sich stets die Finanzwirtschaft durch.

5. Förderung der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) Es soll keine Abwertung der Familie sein, wenn das anstehende Thema erst nach der vom Bundesverfassungsgericht inszenierten Dramatik eines „alles oder nichts" bei der Eroberung eines Studienplatzes vorgeführt wird. Aber weder in der Politik noch durchgehend in der Rechtswissenschaft und erst recht nicht im Portemonnaie einer mit Kindern gesegneten Familie hatte der Ruf nach Familienforderung bisher eine vergleichbare - und ihrer wahren Bedeutung entsprechende - Resonanz erfahren. Erst die jüngsten „Paukenschläge" des Bundesverfassungsgerichts zur erforderlichen Steuerentlastung für Familien, die für Experten allerdings nicht gänzlich überraschend kamen, brachten das Thema in die Schlagzeilen. Ihre verfassungsrechtliche Grundlage ist, so sollte man meinen, Art. 6 Abs. 1 GG: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung". Schon früh hob das Bundesverfassungsgericht auch in zwei Kategorienkombinationen die Schutzkomponenten hervor, die sich aus dieser „wertentscheidenden Grundsatznorm" ergeben: Nach dem Wortsinn bedeutet „Schützen" die Förderung des Schutzgutes, die Abwehr von Störungen und Schädigungen und vor allem den Verzicht auf störende Eingriffe. In Handlungskategorien ausgedrückt hat der Staat positiv die Aufgabe, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren und sie durch geeignete Maßnahmen auch zu fördern, und negativ, alles zu unterlassen, was sie schädigt oder sonst beeinträchtigt91. Im Lichte der späteren Rechtsprechung ist die Feststellung wichtig, daß sich die in „positiv" und „negativ" gegliederten Handlungskategorien nicht mit „Förderung" und ,Abwehr" nach dem Wortsinn decken. Der steuerrechtliche „Familienlastenausgleich" ist für das Gericht - jedenfalls bis vor kurzem - keine Pflichtige Benachteiligungsabwehr gewesen, sondern Teil der staatlichen Familienförderung 92. 89

LS 1 der Entscheidung.

90

Den das Gericht allerdings nicht erwähnt.

91

BVerfGE 6,55 ff., 76 (Ehegattenbesteuerung). In BVerfGE 87,1 ff., 35, ist das Unterlassen von Eingriffen dem Freiheitsrecht zugeordnet. 92 So kritisch Pechstein S. 140 ff., 143,144,146; ebenso offenkundig Ingo Richter Rn. 10,10 a zu Art. 6; einschlägige Hinweise auch bei Klaus Vogel, Kindesunterhalt im Einkommensteuerrecht,

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

263

Die entscheidende Frage hinter diesen nur auf den ersten Blick semantischen Vordergründigkeiten lautet jedoch, wo eigentlich die primäre Zielebene eines als soziales Leistungsrecht verstandenen Art. 6 Abs. 1 GG in bezug auf die Familie - sie allein ist fortan das Thema - liegen soll. Deren verfassungsrechtlich herausgestrichener Bedeutung als wesentlicher Bestandteil der sozialen und staatlichen Gemeinschaft entsprechen die ζ. T. faktischen, ζ. T. rechtlich bedingten „Handicaps" auf dem Erwerbsmarkt im weitesten Sinne fraglos mitnichten. Wer sie deshalb „schützen" und ihr helfen will, muß wissen und bestimmen können, wie der soziale Status ohne Handicaps zunächst theoretisch auszusehen hat. Daran werden sich die konkreten rechtlichen Probleme bei der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG anschließen, wenn es darum geht, diesen Status auch rechtskonstruktiv zu erreichen. Denn die Kombinationen von zielgerichteten Leistungen und zielentsprechender Entlastung bieten vor einem solchen Hintergrund Auslegungs- und Wertungsmöglichkeiten genug, selbst wenn sie unter den einheitlichen Begriff „Förderung" fallen. Abstrakt gesehen sind drei Zielebenen eines lastbefreiten oder sogar durch Förderung erreichten Vergleichs- und Bezugsstatus als Maßstäbe vorstellbar. Theoretisch ist es denkbar, die Eltern noch besser zu stellen als vergleichbare Personen im unverheirateten Status. Sodann entfallen wenigstens die „Handicaps" der Familie, wenn die Eltern als ihre „Lastträger" sich finanziell dasselbe leisten können wie kinderlose Paare des gleichen Berufsund Einkommensniveaus, von der Autokiasse über die Restaurantbesuche bis zur Urlaubsreise. Dieser Status ließe sich pauschal durchaus errechnen und wäre durch Steuerentlastungen und Transferleistungen herzustellen. Einer solchen „materialistischen" Sicht stünde schließlich ein eher „idealistisches" Verständnis der Stellung von Eltern gegenüber, welches deren subjektive Zufriedenheit mit ihrer meist doch gewollten und häufig sogar heiß ersehnten Situation ebenfalls in Rechnung stellt und sie Abschläge im materiellen Status in Kauf nehmen läßt. Nicht ohne Berechtigung hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach Förderungswünsche u. a. mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß nach Art. 6 Abs. 2 GG Pflege und Erziehung der Kinder zuvörderst Pflicht der Eltern sei93. Alle drei Statusebenen sind keineswegs unrealistisch, nur daß die letzte sich kaum in Zahlen, konkreten Steuerentlastungen und ergänzenden Finanzleistungen wiedergeben läßt. Verbindlich vorgegeben ist jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm jedoch keine von ihnen. Sofern nicht noch vor allem aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Hinweise auf etwaige verfassungsrechtliche Vorgaben deutlich werden, kann also der Gesetzgeber die gesuchte primäre Zielebene des Schutzgebotes allein nach seiner Beurteilung normativ festlegen und vermittels der kombinierten sekundären Förderungsziele in den einzelnen relevanten Rechtsgebieten anschließend erreichen. In dieser gerichtlicherseits anfanglich höchst selten korrigierten gesetzgeberischen Freiheit könnte die Ursache für die tiefe Unzufriedenheit im Schrifttum mit der tatsächlich realisierten Familienforderung in diesem Lande liegen94.

S. 47 f., 58 f. Wie das Bundesverfassungsgericht dagegen Gröschner Rn. 57 zu Art. 6; Eva Marie von Münch Rn. 20 zu Art. 6 (Steuerrecht und Familienlastenausgleich sind nicht isoliert zu betrachten). Weniger präzise äußerte sich v. Campenhausen, WDStRL 45 (1986), 7 ff., 29: ,Als soziales Grundrecht vermittelt Art. 61 GG für Ehe und Familie einen Anspruch auf Schutz und Förderung". 93

Siehe BVerfGE 43,108 ff., 121; 47,1 ff, 24 ff.

94

Vergi, v. Campenhausen (30) und die Angaben in den folgenden Fußnoten.

264

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Als „Einsatzbereiche" fur die Familienförderung in finanzieller Hinsicht kommen in Betracht die folgenden Rechtsgebiete95: Wohl die Mehrzahl der einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts befaßt sich mit steuerlichen Belastungen, die den Familienverband treffen. Die „familiengerechte Besteuerung" ist also ohne Frage ein Thema für Art. 6 Abs. 1 GG. Einhellig als ungerechte Lastenverteilung kritisiert 96, wenn nicht gar mitunter drastisch als »Ausbeutung" angeprangert97 wird die bisher nur unzulänglich kompensierte Ausnutzung der Familie in der Altersversorgung, die dadurch entsteht, daß Kindererziehende und Kinderlose immer noch zu weitgehend formal als „gleich" behandelt werden98. Unter häufigem Verzicht auf eigenes rentenproduzierendes Einkommen ziehen Eltern Kinder groß, die später nicht zuletzt die - ceteris paribus - besseren Renten der Kinderlosen bezahlen dürfen. Die Herstellung von Beitrags- und Leistungsgerechtigkeit besonders in der Rentenversicherung ist daher eine Aufgabe ersten Ranges. Der Komplex der positiven Transferleistungen ist weniger überschaubar und erfaßt für sich gesehen alle in Geldleistungen ausgedrückten Umverteilungsmaßnahmen. Als Beispiele können das kinderzahlbezogene Wohngeld nach § 2 WoGG genant werden, welches begünstigend-differenzierend Familien mehr gewährt als Nichtfamilien, oder das Erziehungsgeld, das ausschließlich Familien begünstigt99. Schon diese knappe Übersicht läßt erkennen, daß es materiell gesehen von der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsgebietes und von den Intentionen des Gesetzgebers abhängt, ob ein Benachteiligungsausgleich bzw. eine echte Transferleistung vorliegt oder nicht. Pechstein will in diesem Zusammenhang zwischen „Gebenssystemen", „Nehmenssystemen" und gemischten „Gebens-/Nehmenssystemen" unterscheiden100. Diese Qualifizierungen sind durchaus problemadäquat und könnten zur Bewertung gesetzgeberischer Akte sehr nützlich sein. Sie haben nur den Nachteil, daß sie sich am Gegensatz von „Benachteiligungsabwehr" und „Förderung" orientieren, einer Gegenüberstellung somit, der das Bundes95

Die drei folgenden Sachbereiche sind zusammengestellt bei Pechstein S. 174 f., 190.

96

Dazu siehe etwa Gröschner Rn. 60 zu Art. 6; Eva Marie von Münch Rn. 22 zu Art. 6: Risiko der Altersversorgung weitgehend kollektiviert, Finanzierung künftiger Beitragszahler weitgehend privatisiert; eher zurückhaltend Ingo Richter Rn. 10 f. zu Art. 6. 97 Vergi. Robbers Rn. 101 zu Art. 6 Abs. 1 ; Schmitt-Kammler Rn. 41 zu Art. 6 („Transfer-Ausbeutung"); Zeidler, Ehe und Familie, S. 597 ff. (zur „Familienfrau" als „Packesel des Sozialstaates"). Es war auch ein wiederholtes Anliegen desfrüh verstorbenen Dieter Suhr, daraufhinzuweisen, daß die Belastungen der Familie nicht nur unzulänglich kompensiert werden, sondern daß darüber hinaus der als „Generationenvertrag" getarnte Generationenbetrug geradezu eine Ausbeutung der Familie durch die sozusagen „kostenlose Nutzung" des Familienaufwandes für die Kinder im Renten-Tranfersystem durch die Kinderlosen darstellt. Siehe insoweit: Gleiche Freiheit, S. 64 ff.; Transferrechtliche Ausbeutung und verfassungsrechtlicher Schutz von Familien, Müttern und Kindern, in: Der Staat 29 (1990), 69 ff.; zustimmender Kommentar zu „Gleiche Freiheit" vom Verfasser in: Die Verwaltung 24 (1991), 524 f. Auch v. Campenhausen sieht, wie Suhr, die Ausbeutung von kinderreichen Eltern (41 ff.); weiter insoweit Kritik am Gesetzgeber von Soell (WDStRL 47 (1988), 223 f. - Aussprache -). 98

Dazu Pechstein S. 180 („formale Nichtdiskriminierung"); Schmitt-Kammler Rn. 41 zu Art. 6.

99

Vergi. Pechstein S. 175 und vor allem S. 240.

100

So PechsteinS. 239 f.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

265

Verfassungsgericht, wie gleich näher gezeigt wird, bei den Handlungskategorien eben lange Zeit nicht gefolgt ist. Diese Tatsache ist auch sachlich bedeutungsvoll - und daher mehr als nur semantisch relevant - insoweit, als das Gericht den „Vorbehalt des Möglichen" bei dem Förderbegriff seines Verständnisses heranzog und damit nicht nur bei dem von Pechstein etwa101. Daher folgen vorerst die nachstehenden zurückhaltend formulierten Erläuterungen: Eine Steuerreduzierung im fiskalischen „Nehmenssystem" ζ. B. stellt als Steuerdifferenzierung wegen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit ohne weiteres eine Entlastung - und für das Bundesverfassungsgericht zugleich eine Förderung - dar, während Wohngeldzahlungen Transferleistungen sind und daher allemal Fördermaßnahmen bedeuten. Ersetzt jedoch ein Kindergeld ganz oder teilweise Steuerbefreiungen 102, dann entfällt wohl eine echte Transferleistung103, während im Sinne des Bundesverfassungsgerichts immer noch eine „Förderung" vorliegt. Die Anrechnimg von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung läuft auf eine Förderung der erziehenden Mutter durch finanzielle Leistungen hinaus104, weil ihre Erziehungsarbeit nachträglich entgolten wird. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hatte jedenfalls Klaus Vogels praktikable Abgrenzung kaum Aussicht auf Akzeptanz: Beanstandet wird „zu Recht... der fehlende Schutz, ... die steuerliche Benachteiligung der Familie. Erst wenn alle derartigen Benachteiligungen beseitigt sind, dann mögen wir uns darüber unterhalten, welche Förderung der Familie darüber hinaus vielleicht noch erforderlich ist" 105 ; damit faßt er sogar eine tatsächliche Besserstellung der Familie ins Auge. Es deckte sich seine Kategorisierung nicht mit der aus Karlsruhe, und in der Sache könnte eine derartige Staffelung bis hin zur oben skizzierten objektiven „materialistischen" Zielebene der Wohlstandsgleichheit und ggf. sogar darüber hinaus führen - und soweit wollte und will sich das Bundesverfassungsgericht im Prinzip gewiß niemals wagen ... Ein konkretisierender Überblick über die einschlägige verfassungsgerichtliche Judikatur ist nunmehr umso unvermeidlicher, als für lange Zeit der augenscheinlich einschlägige Art. 6 Abs. 1 GG nur eine Nebenrolle spielte: Die bloße Verdoppelung der Freibeträge nach dem Bewertungsgesetz auch bei einer mehrköpfigen Familie schädigt die Familie und ihr Vermögen nur in seltenen Fällen, jeden-

101 Vergi. Fn. 92. Gegen den „Vorbehalt des Möglichen" Moderegger, ZRP 1989,166 ff., 168: „Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Schutzes der Familien erfordert, daß der Finanzminister nicht anderen Ausgaben und Subventionen in verfassungswidriger Weise Priorität einräumen kann". Schon die Konkretisierung dieses Satzes dürfte sehr schwer sein. 102

Dazu BVerfGE 82,60 ff., 78 ff., 92; BVerfG NJW 1999, 561 ff. = JZ 1999, 721 ff, 722 f., mit tw. kritischer Anmerkung von Lehner (JZ 1999, 726 ff). 103

So Pechstein S. 240.

104

So auch Pechstein S. 142 f.

105 WDStRL 45 (1986), 121 f. (Aussprache). Auch Görlich sieht eine „Förderung als tatsächliche Besserstellung" über den Nachteilsausgleich hinaus als zulässig, aber nicht als pflichtig an (NJW 1979, 1575 ff, 1577 f.). Die Abgrenzung von Steiger (WDStRL 45 (1986), 55 ff, 84) ist weniger prägnant. Ähnlich wie Vogel offenbar Schmitt-Kammler Rn. 32 zu Art. 6: „Zur Förderungspflicht gehört (,spiegelbildlich') ein Benachteiligungsverbot..."

266

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

falls „nicht tendenziell", wirkt sich vielmehr in der Praxis meist vorteilhaft aus. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG wurde nicht gesehen106. Bei der Entscheidung über die Verweigerung des Kinderzuschusses (fur einen in den Haushalt aufgenommenen Enkel) zur Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung bejahte das Bundesverfassungsgericht im konkreten Fall wohl eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), leugnete jedoch einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG: Das in dieser Norm enthaltene Gebot positiver Förderung der Familie gewähre noch keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen. Die allgemeine, aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete Pflicht zum Familienlastenausgleich überlasse dem Gesetzgeber die Gestaltungsfreiheit, in welchem Umfange und in welcher Weise er solchen sozialen Ausgleich vornimmt 107. Im Beschluß über die zeitliche Begrenzung einer Waisenrente, die nach dem Gesetz mit der Erreichung des 25. Lebensjahres endet, betrachtete das Bundesverfassungsgericht Art. 6 Abs. 1 GG als Schädigungsverbot konkret nicht als verletzt, weil die Familienbeziehung nicht relevant war, und bemerkte weiter ziemlich kategorisch: Der Artikel gebiete zwar, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fordern und damit auch ihren wirtschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Er gehe aber nicht so weit, daß der Staat gehalten sei, jegliche Belastung der Familie abzugleichen oder jeden Unterhaltungspflichtigen finanziell zu entlasten108. In einemfrühen Beschluß zum Familienlastenausgleich erkannte das Bundesverfassungsgericht, daß die wirtschaftliche Belastung der Eltern durch Unterhaltsverpflichtungen sehr wohl ihre steuerliche Leistungsfähigkeit beeinträchtige. Trotz der mangelnden steuerlichen Abzugsfähigkeit des einschlägigen Aufwandes, dem nur fixe Kindergeldbeträge gegenüberstanden, leugnete es jedoch eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG. Vielmehr traf es für das Steuerrecht die Feststellung, daß der Gesetzgeber nicht durch das Gebot der Familienforderung verpflichtet sei, die nach der sozialen Stellung verschiedenen Aufwendungen in vollem Umfang als steuerliche Entlastung zu berücksichtigen. Pflege und Erziehung der Kinder sei zuvörderst Pflicht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG). Die steuerliche Entlastung (oder die Kindergeldregelung) stelle zudem nicht die einzige staatliche Leistung für die Familie dar 109 . Die „in erster Linie" maßgebliche Begründung für die Verneinung der Verfassungsverletzung war aber eine andere: Selbst bei einem Vergleich der steuerlichen Behandlung von Ehepaaren mit Kindern und (gleich viel verdienenden) kinderlosen Ehepaaren war Art. 3 Abs. 1 GG im Ergebnis nicht verletzt 110. Im speziellen Bereich der durch die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" (Art. 33 Abs. 5 GG) bestimmten Beamtenbesoldung ging das Gericht kurz darauf sehr viel weiter. Es entnahm diesen Grundsätzen - geprägt durch die Wertentscheidungen des Art. 6

106

BVerfGE 23, 74 ff., 83 f.

107

BVerfGE 39,316 ff, 326.

108

BVerfGE 40, 121 ff, 132.

109

BVerfGE 43, 108 ff., 121. Im Rahmen dieser Feststellung berücksichtigte das Gericht alle Leistungen an die Familie bis hin zum Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystem, zum BAföG u. s. w. 110

E 43, 108 ff, 118 ff.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

267

und des Sozialstaatsprinzips - u. a. das Gebot, daß Beamte in der Lebenswirklichkeit unabhängig von der Größe der Familie „sich annähernd das gleiche" sollen leisten können. Dieses Gebot sah es bei Beamten, Richtern und Soldaten mit mehr als zwei Kindern gegenüber Staatsdienern mit weniger Kindern nicht mehr beachtet111. Hier näherte sich das Gericht ganz erheblich der oben skizzierten „objektiven", „materialistischen" Zielebene. Dieser Schritt ist allerdings auf die genannten Berufsstände beschränkt und daher nicht zu verallgemeinern. In kürzlich ergangenen Beschlüssen wiederholt das Gericht seine Rechtsauffassung, wonach die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile von verheirateten Beamten und Richtern mit mehr als zwei Kindern in der Vergangenheit nicht dem Grundsatz „amtsangemessener Alimentation" entsprochen hätten. Bei der Beschreibung der Angemessenheit äußert es sich allerding schon zurückhaltender: Der Dienstherr hat Sorge zu tragen, daß jeder Beamte außer den Grundbedürfnissen ein „Minimum an Lebenskomfort" und seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie befriedigen kann112. Im Rahmen der Frage, ob der Aufwand für eine Hausgehilfin bei berufstätigen Eltern steuerlich absetzbar sei, bestätigte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung, daß der Unterhaltsaufwand für Kinder nicht abgesetzt werden müßte. Art. 6 Abs. 1 GG biete für den Vergleich zwischen Eltern (hier Ehefrau berufstätig, dort nicht) keinen Maßstab. Auch der Hinweis auf die verschiedenen staatlichen Leistungen tauchte wieder auf. Da die Pflege und Erziehung der Kinder zuvörderst den Eltern obliege (Art. 6 Abs. 2 GG), gehörten die Aufwendungen hierfür offensichtlich in den Bereich der (steuerlich nicht absetzbaren) privaten Lebensführung 113. In seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 zur Zulässigkeit einer Kindeigeldkürzung 114 führte das oberste Gericht wie bei einem Slalomlauf noch einmal seine alten Positionen vor, um dann doch einige neue hinzuzufügen: Das Verbot aus Art. 6 Abs. 1 GG, Ehe und Familie zu benachteiligen, wertete es nicht als verletzt, weil Kinderlose überhaupt kein Kindergeld erhielten 115. Die Benachteiligung der Familie bei der Alterssicherung wurde bereits klar festgestellt; doch diesem Mangel sollte das Kindergeld nicht abhelfen 116. Bezüglich der ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Förderpflicht betonte es die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Die Notwendigkeit des Familienlastenausgleichs besage nichts über dessen Umfang und Ausgestaltung; konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen ließen sich aus dem Fördergebot nicht ableiten. Der Staat brauche zudem nicht jegliche Belastung der Familie 111

BVerfGE 44,249 ff., LS 3 und 4,267 ff, 273,279; vergi, weiter E 81,363 ff.

112

BVerfG NJW 1999,1013 ff, 1014. Für Pechstein stellt dieser Verzicht auf diefrühere Vergleichsbetrachtung eine Abmilderung unrealistischer verfassungsrechtlicher Anforderung dar, die sich summenmäßig ohnehin nicht ausgewirkt hat und die folglich bloß eine „rhetorische »Frontbegradigung4 " darstellt (ZBR 2000,1ff., 3). Jedenfalls ist die Anpassung an den allgemeinen Trend der Rechtsprechung nicht zu übersehen. 113

BVerfGE 47, I f f , 24 f.

114

BVerfGE 82,60 ff; vergi, zu dieser verschiedene Rechtsgebiete harmonisierenden Entscheidung auch Felix S. 185ff. Bei einer anderen Kindergeldkürzung für Besserverdienende sah das Gericht keinen Verfassungsverstoß (BVerfGE 91,93 ff.) 115

E 82, 60 ff, 80.

116

E 82, 60 ff, 80 f.

268

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

abzugleichen; überdies stehe auch die staatliche Familienforderung unter dem bekannten „Vorbehalt des Möglichen"117. Erst am verfassungsrechtlich unzulänglichen Ausgleich der geminderten Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen scheiterte die Kindergeldkürzung: Der den Eltern verbleibende Rest garantierte nicht mehr die Steuerfreiheit des für ein menschenwürdiges Dasein der ganzen Familie benötigten Mindesteinkommens. Dieses Ergebnis leitete das Gericht aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) ab 118 . In einem Urteil vom 7. Juli 1992 wurde das Bundesverfassungsgericht wegen der unzulänglichen Berücksichtigung der Erziehungszeiten in der Altersversorgung deutlicher und forderte den Gesetzgeber auf, diese Mängel des Rentenversicherungssystems in weiterem Umfange als bisher auszugleichen. Doch aus Art. 6 Abs. 1 GG wollte es dessen Verpflichtung, im Rahmen der Altersversorgung höhere Leistungen für die Kindererziehung vorzusehen, nicht herleiten. Der Staat sei nicht gehalten, jegliche Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltsverpflichteten zu entlasten. Außerdem gelte, wie bereits bekannt, der „Vorbehalt des Möglichen" auch bei der staatlichen Familienförderung. So kam in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG zur Anwendung, allerdings in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG 119 . Kurz darauf schob das Gericht die verfassungsrechtliche Sicherung des familiären Existenzminimums in den Vordergrund und dekretierte, daß dem Steuerpflichtigen und seiner Familie nach Erfüllung seiner Steuerschuld mindestens das unbelastete Existenzminimum zu verbleiben habe120. In seinen neuesten Beschlüssen zum Familienlastenausgleich vom 10. November 1998, verkündet am 19. Januar 1999, ging das Bundesverfassungsgericht im Ausmaß der Förderung aber einige Schritte weiter, und entsprechend weitreichend war das Aufsehen 121. Ohne eine grundlegende Modifizierung auch der Rechtsgrundlagen vermochte das Gericht diese Änderung jedoch nicht zu konstruieren. Es zurrte vielmehr nach vorbereitender Entfaltung zweier bisher wenig betonter Aspekte des Normcharakters von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG die drei nunmehr maßgeblichen, nur aus Art. 6 GG entwickelten Begründungsstränge so fest zusammen, daß sie kaum noch voneinander zu trennen waren und zu den Ergebnissen nur gemeinsam führten. Danach tragen die Entscheidungen nämlich

117 Zum eingeschränkten Belastungsausgleich vergi. BVerfGE 82, 60 ff., 81; insoweit weniger zurückhaltend als das BVerfG Jörn Ipsen Rn. 318 mit Fn. 18. Zum „Vorbehalt des Möglichen" siehe BVerfG a.a.O. 81 f. Pieroth (Rn. 10 zu Art. 6) vertauscht hier die beiden Ebenen der Einschränkung: Wegen des Vorbehaltes des Möglichen muß der Staat nicht alle Belastungen ausgleichen. 118

E 82, 60 ff., 83 ff.

119

BVerfGE 87, 1 ff., 35, 36 ff.

120 BVerfGE 87,153 ff., 169 ff.; siehe neuestens auch BVerfG NJW 1999,561 ff. = JZ 1999,721 ff. Es braucht hier nur am Rande vermerkt zu werden, daß der zweite Senat (in E 87, 153 ff, 169) den existenznotwendigen Bedarf als Untergrenze für den durch die Artikel 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG beschränkten staatlichen Steuerzugriff wertete. 121 BVerfG NJW 1999,557 ff. = JZ 1999,723 ff. (2. Senat, 2 BvR 1057/91 u. a.). Arndt/Schumacher (NJW 1999,745 ff.) sprechen von einer „Sensationsentscheidung", die sie letztlich auf den Zuständigkeitswechsel vom 1. zum 2. Senat zum 01.01.1990 zurückführen (746, 745 ff.) und ungeachtet formaler Kritik auch unbedingt begrüßen (747).

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

269

- die Grundsätze der (an sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entwickelten) Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, die das Bundesverfassungsgericht in einer langen Reihe von Entscheidungen ausgeformt hatte, hier hingegen explizit allein mit Art. 6 Abs. 1,2 GG in Verbindung bringt, - als eine vierte Sicht des Art. 6 Abs. 1 GG die eines besonderen Gleichheitssatzes (wobei man eigentlich gar nicht weiß, welchen der beiden Gleichheitssätze man hier zuerst anführen soll) und schließlich - als letzte (fünfte) Deutung des Art. 6 Abs. 1 GG die eingangs erwähnte Schutzpflicht als rechtliche Basis der staatlichen Aufgabe, die Kinderbetreuung als die eine der beiden vom Gericht behandelten elterlichen Lasten gleichsam „elterngerecht" zu ermöglichen und zu fördern. An konkretisierendem Aufwand steht die neue der vorangegangenen Rechtsprechung folglich keineswegs nach. In dem „Begründungsknäuel" sind in der vom Gericht benutzten Reihenfolge die nachstehenden Bestandteile auszumachen: - Auf der ersten Vorstufe betonen die Beschlüsse die umfassende Elternverantwortlichkeit für die Entwicklung der Kinder, abgeleitet aus Art. 6 bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. - Auf der nächsten Vorstufe räumen sie staatliche Vorgaben aus dem Weg, die durch die gezielte steuerliche Entlastung nur ganz spezifischer Betreuungs- und Erziehungsmaßnahmen der freien Wahrnehmung dieser elterlichen Erziehungspflicht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG etwa entgegenstehen: „Art. 6 I GG garantiert als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden"122. Mit diesen Maßgaben bereitet das Bundesverfassungsgericht zugleich die Abwendung von den bisher individuell-konkret gewährten, also vom vorangegangenen tatsächlichen Aufwand abhängigen Steuerentlastungen und den Übergang zur generell normativen, nämlich pauschalierten Festsetzung von Erleichterungen für die Familie (oder erweitert: für alle Erziehungsberechtigten) vor. - Dann folgt als einer der beiden im Vordergrund stehenden Begründungsstränge Art. 6 Abs. 1 GG als besonderer Gleichheitssatz, hier einschlägigerweise bezogen vor allem auf das Verhältnis von ehelichen zu anderen Erziehungsgemeinschaften. Im konkreten Zusammenhang verbietet er es, in ehelicher Gemeinschaft lebende, unbeschränkt steuerpflichtige Eltern vom steuermindernden Abzug der Kinderbetreuungskosten und eines Haushaltsfreibetrages auszuschließen. Die bisherigen steuerrechtlichen Regelungen über die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit von Alleinstehenden „benachteiligen die eheliche Erziehungsgemeinschaft erwerbstätiger Eltern gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften und widersprechen damit dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 I und II GG", und die Normen über den Abzug des

122 Vergi, zu den vorstehenden Passagen die Beschlußabschnitte B.I. l.a) und b). Verstärkt wird dieses Abwehrrecht hier noch durch das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG (B.I. 1 .c)), welches seine spezifische Bedeutung aber als fünfte Sicht dieser Norm erst im folgenden (vergi. Fn. 125) entfaltet.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

zuvor nur bei alleinstehenden Eltern anerkannten gesonderten (unzutreffenderweise „Haushaltsfreibetrag" genannten) Erziehungsbedarfs verstoßen gleichermaßen „gegen Art. 61 und II GG, weil sie die eheliche gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften benachteilig(en)". Der besondere Gleichheitssatz erzwingt hiernach - für sich gesehen in relativ unproblematischer Weise die Übertragung von begünstigenden steuerrechtlichen Regeln für alleinstehenden Eltern auf Eheleute. - Sehr viel breiter ist dagegen die Kluft, die der (ausdrücklich gar nicht erwähnte, aber hinzuzudenkende) allgemeine steuerrechtliche, hier auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gegründete Gleichheitssatz zu überbrücken hat, wenn er - von der steuerlichen Leistungsfähigkeit Kinderloser her gewertet - die geminderte Leistungsfähigkeit von Eltern schlechthin statuiert und entsprechend deren steuerliche Verschonung fordert. „Eine Benachteiligung liegt auch vor, wenn Ehepartner oder Eltern wegen ihrer Ehe und Familie und deren Gestaltung von Steuerentlastungen ausgeschlossen werden", und noch deutlicher: „Neben diesen mit Art. 61 und II GG nicht zu vereinbarenden Benachteiligungen der ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften bleibt die steuerliche Berücksichtigung verminderter Leistungsfähigkeit von Eltern insgesamt hinter dem verfassungsrechtlich nach Art. 61 und II GG Gebotenen zurück und benachteiligt Eltern, die nicht die steuerlichen Entlastungen ... in Anspruch nehmen können, auch gegenüber kinderlosen Steuerpflichtigen" 123. Die beiden unterschiedlich spezifischen Gleichheitssätze müssen nicht zwangsläufig die gleiche Entlastung ergeben, werden jedoch vom Bundesverfassungsgericht in den fraglichen Entscheidungen weitgehend zusammengeführt: Unter Hinweis jeweils auf die verminderte Leistungsfähigkeit von Eltern, also mit dem steuerrechtlichen Gleichheitssatz entlehnten Formulierungen fordert das Gericht den Gesetzgeber auf, die beiden bisher nur beschränkt gewährten Steuervorteile, welche primär Ansatzpunkte des besonderen Gleichheitssatzes waren, auf alle Eltern zu erstrecken. Allerdings verfestigt es die Steuerverschonung aufgrund verminderter Leistungsfähigkeit nach dem steuerrechtlichen Gleichheitssatz zusätzlich dadurch, daß es den Betreuungsbedarf und im Ergebnis letztlich auch den Erziehungsbedarf dem jeglicher Besteuerung unzugänglichen Existenzminimum hinzurechnet124. - Diese doppelt begründeten Verschonungsgebote hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls für die Kinderbetreuung schließlich zusätzlich noch „förderrechtlich" untermauert: „Aus der Schutzpflicht des Art. 6 I GG (ergibt sich) auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Die Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt" 125. Das 123

Vergi, zu den Gleichheitssätzen die Abschnitte B.I.2.a) und B.II. bzw. B.I.2.b), 3 und C.

124

Vergi, zu den Entscheidungsvorgaben den Abschnitt D.I.l. und 2., zum Betreuungsbedarf als Bestandteil des kindbedingten Existenzminimums Abschnitt B.I.3. und zur etwas komplizierten Ergänzung des sozialhilferechtlichen, nur einen gewissen Erziehungsbedarf berücksichtigenden Existenzminimums um einen weitergehenden steuerrechtlichen die Abschnitte C.II, und D.II, des abgedruckten Beschlusses; zum letztgenannten Aspekt siehe weiter Arndt/Schumacher, NJW 1999, 745ff., 747. 125

Siehe Abschnitt B.I.4.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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nur knapp ausgeführte Fördergebot wirkt wie ergänzend nebenherlaufend. Man mag seine besondere Bedeutung jedoch darin sehen, daß gerade sein positiver, als solcher sich nicht auf Gleichheitsbezüge beschränkender Gehalt das Gericht mit legitimiert, immerhin namhafte Milliardensummen dem Zugriff des Finanzministers zu entziehen. Die komplizierte Kombination von Abwehrrecht, derivativen Leistungsrechten und im Prinzip originärem, hier aber nur im Rahmen von Gleichheitssätzen wirkenden Förderungsanspruch führt damit zur Garantie des familienrechtlich nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG präzisierten und erweiterten Existenzminimums und darüber hinausgehend zur generellen Minderung der Steuerlast für alle Eltern. Diese Erweiterung des steuerrechtlich bereits im Ansatz entwickelten Familienlastenausgleichs geht (wie angekündigt) mit einer Verschiebung in der dogmatischen Abstützung einher: Als wesentlicher Inhalt derfrüheren Rechtsprechung kann zusammengefaßt werden, daß das Bundesverfassungsgericht Steuerentlastungen ebenso wie (positive) Transferleistungen vorrangig auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG stützte, während es das normativ bloß schwach entwickelte Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG kaum zum Einsatz kommen ließ. Gleichwohl rechnete es den Gesamtkomplex insgesamt der „Familienforderung" zu und unterstellte diese „Förderung" zugleich einheitlich dem „Vorbehalt des Möglichen" 126 . Eine primäre Zielebene für die Förderung hatte es zunächst nicht angegeben; vielmehr hing es von der Leistungsfähigkeit des Staatshaushaltes und von der Leistungsbereitschaft des Haushaltsgesetzgebers ab, wie intensiv der Familienlastenausgleich ausfallt. Er war ursprünglich sehr wechselhaft und zudem äußerst zurückhaltend konzipiert und verhinderte nicht viel mehr als den reinen Steuerdarwinismus; „viel Staat" war mit ihm jedenfalls nicht zu machen127. Erst in neuerer Zeit erfuhr die gesetzgeberische Freiheit durch das Verfassungsgericht eine erste Einschränkung mit der prinzipiellen Herausnahme des - bekanntlich im Grundsatz „verfassungsfesten" - Existenzminimums für die Familie aus dem besteuerungsfähigen Einkommen. Das war wenig genug, wurde damit doch nur ein Normwiderspruch beseitigt. Allein unter den besonderen Bedingungen des Rechts der Besoldung des öffentlichen Dienstes deutete sich zeitweilig eine objektivrechtlich auf relativ hohem Niveau „materialisierte" Vergleichsebene an, die allerdings nicht auf die allgemeine Familienpolitik zu übertragen war. 126 Pechstein bemerkt richtig (S. 144), daß bei Heranziehung des Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab die Steuerdifferenzierung „eigentlich" eine Form der Eingriffsabwehr und keine Förderung darstelle. Zu der „kaum wahrnehmbare(n) Kontur" des Förderungsgebotes vergi, dens. S. 146 mit S. 144 f. Berechtigte Kritik an der unklaren Konstruktion übt auch Schneider in seiner Bemerkung zum ,,soziale(n) Teilhaberecht" von Kindern (NJW 1999, 1303 ff., 1304). 127 Das versteht Häberle hinsichtlich der Erhaltung und Regeneration des „Staatsvolkes" sogar ziemlich wörtlich, vergi. WDStRL 45 (1986), 116 (Aussprache); zurückhaltender insoweit Steiger, WDStRL 45 (1986), 55 ff., 86 (nur von ergänzendem Interesse), v. Campenhausen beklagt durchgehend die mangelnde Entfaltung des staatlichen Förderungsauftrages und die „finanzielle Diskriminierung der Familie" (WDStRL 45 (1986), 7 ff., vor allem 29 und 49). Insoweit ist allerdings der Standpunkt von Schneider (1304) nicht mehr verständlich, wenn er bereits eine Diskriminierung kinderloser Ehen sieht! Zur Abwehr einer solchen Sicht ist der „besondere" Gleichheitssatz des Art. 6 Abs. 1 GG wohl wirklich unverzichtbar. Wenn Paul Kirchhcfhier gleichwohl von einem Freiheitsrecht „der Geborgenheit" spricht, wird das bis vor kurzem jedenfalls nicht jeder nachvollziehen wollen (NJW 1996, 1497 ff., 1497).

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Die jüngsten Beschlüsse hingegen haben diese „schieflastige" Förderkonstruktion weitgehend aufgegeben. Das Förderungsgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG gelangt zwar weiterhin nicht zu vorrangiger Bedeutung; immerhin entläßt das Bundesverfassungsgericht die beiden derivativen (Gleichheits-) Leistungsrechte fortan aus seinem Bann und stellt sie auf eigene, ziemlich stramme Beine. Diese tragen in der Sache nunmehr eine Familienforderung, die in ganz groben Zügen letztlich von der Leistungsfähigkeit der Kinderlosen her bestimmt wird. Diese neue dogmatische Konstruktion greift vor allem auch auf den „Vorbehalt des Möglichen" nicht mehr zurück, was gute Gründe hat. Ein solcher ist gewiß weniger in der Tatsache zu suchen, daß das Existenzminimum in seinem Kern verfassungsrechtlich gewährleistet ist, also „originäre" Qualität hat: Zwischen diesem Kern und seiner Konkretisierung erst im Bundessozialhilfegesetz und neuerdings in den familienrechtlichen Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts ist durchaus noch Raum für finanzwirtschaftlich bedingte Reduzierungen. Aber der tragende Teil der Begründung für die Ausdehnung der Familienforderung liegt eben gerade in der Heranziehung von Gleichheitssätzen, die das Benachteiligungsverbot als Verschonungsgebot und folglich in leistungsrechtlicher Hinsicht zwangsläufig „derivativ" ausgestalten. Diese keineswegs neue Erkenntnis hat im vorliegenden Zusammenhang zwei Konsequenzen: Die eine ist sozusagen sanierender Art. Derivative Leistungsansprüche allein entgehen hier, weil sie nur gesetzgeberische Konsequenz erzwingen und daher wenigstens theoretisch korrigierbar sind, gerade eben dem Vorwurf des unzulässigen Übergriffs in die Haushaltsgewalt des Parlaments. Das ist für den gewissermaßen „kleinen", den besonderen Gleichheitssatz des Art. 6 Abs. 1 GG als solchen offenkundig: Wenn die Vorzugsbehandlung für alleinstehende Eltern(teile) aufgehoben würde, entfiele eo ipso auch ihre Erstreckung auf verheiratete Eltern - sofern nicht das verfassungsfeste, nunmehr erweiterte Existenzminimum betroffen ist, welches sich auch derartigen Korrekturen entzieht. Doch selbst im Großen ist die „Leistungsfähigkeit" als ein spezifischer Korrekturfaktor sogar bei einer gleichheitsgerechten Besteuerung jedenfalls oberhalb des Existenzminimums in Schranken manipulierbar 128, so daß der Staat sich im Ergebnis die gleichen Einnahmen doch wieder verschaffen könnte. (Über nichts anderes wird 1999 in Bonn/Berlin auch nachgedacht worden sein.) Gleichwohl muß zugestanden werden, daß eine gesetzesergänzende Gerichtspraxis solchen Ausmaßes, die einen veritablen Bundeshaushaltsplan fast zu Makulatur werden ließ, mindestens auch schon Politikersatz in ganz großem Stile bedeutet - und die Verfassungsrechtswissenschaft damit an ihre Grenzen führt 129. Doch das bleibe in diesem Zusammenhang dahingestellt. 128 Auch wenn der Grundfreibetrag zur steuerlichen Verschonung des Existenzminimums bei steigendem Einkommen schrittweise kompensiert werden darf (BVerfGE 87,153 ff, 170; 91,93 ff, 109), so ist damit keineswegs bei höheren Einkommen jede steuerliche Ungleichbehandlung auf horizontaler Ebene hinzunehmen (BVerfGE 82,60 ff, 89 f.; NJW 1999,561 ff, 562,563 = JZ 1999,721 ff, 722). 129 Sarkastisch, fast wütend ist die Kritik von Schneider (NJW 1999, 1303 ff), die mit dem Satz endet (1305): „Die demokratisch gewählten Parlamentarier scheinen das Vertrauen des BVerfG verloren zu haben; da wäre es doch einfacher, das BVerfG wählte sich gleich ein neues Parlament!" Einen „Machtwechsel" sieht - doch primär den Gesetzgeber tadelt - Zuck, Der unkontrollierte Kontrolleur, in: FAZ vom 24.07.1999, Bilder und Zeiten S. III.; ähnlich ders., NJW 2000, 1087 f., 1088 (ver-

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Zum anderen sind diese abgeleiteten Leistungsansprüche eo ipso dem „Vorbehalt des Möglichen" als Ausdruck leistungsrechtlicher Haushaltsabhängigkeit bei fortbestehendem originären Gebot der Grundrechtserfüllung prinzipiell nicht zugänglich, obwohl das Bundesverfassungsgericht ihn inzwischen schon auf solche Konstellationen erstreckt hat 130 . Im Rahmen gesetzgeberischer Konsequenz ist weder etwas zu optimieren noch einzusparen. Es wird gleichsam - in der Sprache der Handelspolitik - nur die relative „Meistbegünstigungsklausel" korrigierend angewandt bzw. unterhalb der Grenze des erweiterten Existenzminimums jede Leistungsfähigkeit a priori verneint. Das ist die gerade für die Thematik dieser Arbeit so wichtige neue Erkenntnis. Art. 6 Abs. 1 GG als Förderungsgebot schließlich wiese dieses Hindernis zwar nicht auf und könnte den Vorbehalt wie in der vorangegangenen Rechtsprechung wohl verkraften. Aber im Vordergrund der Beschlußbegründung steht die leistungsrechtliche Variante des Art. 6 Abs. 1 GG offenkundig nicht, und sie entfaltet, wie oben gezeigt, ihre Wirkung in der hier vorgestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur legitimierend und unterstützend im Gefüge des steuerrechtlichen Gleichheitssatzes, nämlich bei der Präzisierung des steuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums. Ohnehin wäre es kaum angebracht, mit dem Vorbehalt eine Freiheit wieder einzuschränken, die nach der maßgeblichen Sicht der Norm eben überhaupt nicht existiert. Im Ergebnis sind der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung heute keine durchschlagenden dogmatischen Einwände mehr entgegenzusetzen, und es bleibt am Rande festzuhalten, daß sie jetzt den Art. 6 Abs. 1 GG wenigstens semantisch in den Vordergrund gerückt hat. Dessen Entstehungsgeschichte gibt aber schon für eine „Förderung" schlechthin nichts her 131 , und das vom Gericht zugunsten der Familie gleichsam „freihändig" konkretisierte Schutzgebot erwies sich hinsichtlich der Zielebene als völlig unergiebig. Zu,»kostspielige" Vorgaben aus Karlsruhe hätten hier sehr viel leichter den Vorwurf richterlicher Usurpation genuin politischer Dezisionen nach sich gezogen. Der Gesetzgeber bleibt daher heute immer noch weitgehendfrei, nachdem mit Hilfe des Gerichts und der von ihm - in der Orientierung an bereits anerkannten Minimalpositionen - sehr maßvoll konkretisierten Artikel 1 Abs. 1, bindet Bedenken gegenüber der „Monopolstellung" des Berichterstatters Paul Kirchhof mit Kritik an der fehlenden Entschlußkraft des Parlaments); weniger kritisch insoweit offenkundig Lehner, JZ 1999, 726 ff., 727 f. (Anm. zu BVerfG JZ 1999, 721 ff.); klar zustimmend, wie schon erwähnt (Fn. 121), Arndt/Schumacher; weiter Klaus Vogel, Kindesunterhalt im Einkommensteuerrecht, S. 62 (am Ende eines Berichtes über die gewundene und nicht widerspruchsfreie Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Arndt/Schumachers Bemerkung (747), daß die Einengung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verfassungsrechtlich begründbar und verfassungspolitisch durch Art. 6 Abs. 1 GG geboten sei, deutet ebenfalls auf die Grenze des Verfassungsrechts, hier: zur Verfassungspolitik, hin. Sie nehmen übrigens die Möglichkeit einer gesetzlichen Abschaffung der ganzen Steuerverschonung nur beim Haushaltsfreibetrag an, vermutlich deshalb, weil der Betreuungsbedarf ausdrücklich vom Gericht dem Existenzminimum zugeschlagen wurde. 130

Zur Heranziehung des „Vorbehaltes des Möglichen" beim Gleichheitssatz siehe den Beschluß zur schulischen Behindertenförderung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (NJW 1998, 131 ff., 132 f.). Auf Korrekturen paßt der Vorbehalt jedenfalls nicht! 131 Dazu Steiger 84; vergi, weiter Robbers Rn. 100 zu Art. 6 Abs. 1: „Art und Umfang der Ausgleichsleistungen sind im einzelnen von Verfassungs wegen nicht vorgeschrieben". Auch Maurer hatte die „Wertentscheidung" des Art. 6 Abs. 1 GG in den Rahmen des Gleichheitssatzes oder des Sozialstaatsprinzips gestellt und danach allenfalls mögliche derivative Leistungs- bzw. Teilhabeansprüche aus dem Gleichheitssatz abgeleitet (S. 274).

1 Kratzmann

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

6 Abs. 1 und 20 GG vor den neuesten Beschlüssen bestenfalls Besteuerungsextreme und Norm Widersprüche durch die Freistellung des Existenzminimums132 beseitigt worden waren. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls zuletzt alles getan, was es bei - und neben - Art. 6 Abs. 1 GG mit seinen Instrumenten überhaupt tun konnte; die nachhaltig unzulängliche und im Grunde törichte Familienpolitik ist dem Gesetzgeber allein anzulasten. Wie erinnerlich, sind die gefährlichsten Zukunftslasten die bisher nicht einmal verbuchten, nämlich u. a. aus der demographischen Entwicklung sich ergebenden. Gewiß ist keine günstigere demographische Kurve durch eine stärkere Familienförderung zu „bestellen"; aber die Frage bleibt im Räume, ob hier nicht Sparsamkeit am falschen Platz getrieben wurde. Vielleicht liegt hier der Grund dafür, daß die nicht völlig unproblematischen Beschlüsse jedenfalls in der Öffentlichkeit weitgehend als legitim angesehen werden 133. Mit dem prinzipiellen Wegfall des „Vorbehaltes des Möglichen" kann auch die in diesem letzten Teil der Arbeit unterstellte Budgetrestriktion nicht zum Tragen kommen. Gesetzgeberische Konsequenz steht, wie gesagt, im Vordergrund, nicht die Einschränkung gesetzgeberischer Großzügigkeit in Anbetracht härter werdender Zeiten. Selbstverständlich sind im Ergebnis sogar hier finanzielle Entlastungen ohne weiteres möglich. Jedoch muß das Parlament über die verfassungsrechtlich unzulässigen Differenzierungen hinweg direkt bei den Steuergesetzen, den Steuersätzen u.s.w. ansetzen, um letztlich Geld einsparen, genauer: gewinnen zu können.

6. Subventionierung der privaten Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 GG) Oben wurde eine Art finanzieller „Ausfallbürgschaft" des Staates für „das Privatschulwesen" als zwar schwer zu begründen und zu berechnen, aber als rechtlich nicht aussichtslos gewertet, sofern das Grundrecht des Art. 7 Abs. 4 GG die Privatschulsubventionierung als materielle Komponente der Voraussetzungssicherung mit umfaßt. Der Text des einschlägigen vierten Absatzes beginnt wahrhaftig mit einer Gewährleistung - aber nur eines Rechts: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird

132 Vergi. Robbers Rn. 104 zu Art. 6 Abs. 1: Es entspricht „der freiheitlichen Rechtsordnung eher ..., auf den Steuerzugriff zu verzichten als zunächst abzuschöpfen und sodann umzuverteilen"; ähnlich Starck Rn. 83 zu Art. 3 Abs. 1. Kritik hieran allerdings bei Badura (Staatsrecht, S. 639 f.): „... hat den Gesetzgeber in einenfinanz- und rechtspolitischen Strudel gestürzt". Doch was der Gesetzgeber einerseits netto zu gewähren hat, kann er nicht andererseits wie brutto seiner Steueigewalt unterwerfen. Dabei wird aber noch nicht einmal berücksichtigt, daß selbst die bescheidenen „Leistungen" an die Familien in beträchtlichem Maße „selbstfinanziert" sind, dazu Pechstein S. 146. 133 Arndt/Schumacher sehen das Gericht nach knapp einem halben Jahrhundert des Zögems an die Stelle der bisher fehlenden „Lobby" für die Familie treten (NJW 1999,745 ff., 747); ähnlich Pechstein, der zudem noch schärfer die systematische Vernachlässigung der Interessen kinderreicher Familien im parlamentarischen Betrieb und die Pflichtvergessenheit des Gesetzgebers rügt (ZBR 2000, 1 ff., 1,4). Heinemann (S. 52) empfiehlt Familienpolitik gegen die Probleme der Rentenversicherung und im weiteren Sinne gegen die Staatsverschuldung selbst. Wenn es 1995 hieß, die neuere Rechtsprechung habe nur „grobe Mißstände" beseitigt {Bach, Institutionelle Beschränkungen der Finanzpolitik, S. 119), so ist das heute allenfalls nur noch beschränkt richtig.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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gewährleistet". Es folgen Genehmigungsvoraussetzungen, die den Standard des Unterrichts und der Lehrkräfte an das jeweilige Niveau in den öffentlichen Schulen binden sowie den rechtlichen und wirtschaftlichen Status der Lehrer sichern. Hierin sehen Rechtsprechung134 und namhafte Stimmen im Schrifttum 135 die Leistungskriterien für einen an sich durchaus legitimen „Verdrängungswettbewerb" des finanziell leistungsfähigeren öffentlichen Schulwesens mit dem privaten und unterstellen als Ausgleich dafür eine Art „Kompensationspflicht" des Staates gleichsam aus „Ingerenz": Er zwingt nämlich durch Verbesserung seiner Schulen die privaten Träger zum Mithalten, ohne daß diesen gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet ist, sich durch hohe Schulgelder von möglichst vielen reichen Eltern anderweitig schadlos zu halten (Abs. 4 Satz 3 am Ende). Doch nicht allen ist diese Schlußfolgerung geheuer. Man führt daher auch die Subventionspflicht lieber auf die seit langem gewachsene einschlägige Landesgesetzgebung zurück 136 , betont gegenüber der herrschenden Auffassung den individualrechtlichen Charakter des Absatzes 4 1 3 7 oder zieht die Gewährleistung des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG als Grundlage heran138. Einige halten sogar von der ganzen verfassungsrechtlichen Absicherung der Privatschulförderung wenig139. Die Fürsorgepflicht des großen öffentlichen Bruders für den kleinen privaten, der ohne Hilfe zurückfallen und ausscheiden muß, ist eine eindrucksvolle Argumentationsfigur, die nicht umsonst sich weitgehend durchgesetzt hat. Nach Ansicht des Verfassers enthält das Grundgesetz gleichwohl nur die skizzierte Fürsoigekonstellation, aber nicht die daraus abgeleitete Pflicht:

134

Siehe BVerfGE 75,40 ff., 66; BVerfG NVwZ 1994, 886 ff., 886; BVerwGE 27,360 ff., 362 ff.

135

Siehe Badura, Staatsrecht, S. 169; Bernhard, DVB1. 1983, 299 ff, 303; Eiselt, DÖV 1987, 557 ff, 561; sehr knapp offenbar Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 207; Häberle, WDStRL 30 (1971), 43 ff, 79 f.; ders., Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 369 Fn. 221 (Betonung der „realen Freiheit"); Haverkate S. 88/89 Fn. 93; Jeand'Heur, Methodische Analyse, S. 100; im Ergebnis Ferdinand Kirchhof, WDStRL 52 (1992), 72 ff, 87; Kloepfer/Meßerschmidt, DVB1. 1983, 193 ff., 198 f., 199 (Ausgleich für den Konkurrenzeingriff durch das übermächtige öffentliche Schulwesen); Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 16 Fn. 15; Friedrich Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 122ff.; Müller/Pieroth/Fohmann S. 127 ff, 138 ff, 143 („venire contra factum proprium"); Pieroth S. 39 f. (Betonung auch des „Sonderfalles"); ders. Rn. 20 zu Art. 7; Rüfner, Grundrechtliche Leistungsansprüche, S. 385; Sendler, DÖV 1978, 581 ff, 583; Johann Peter Vogel, DÖV 1984, 541 ff, 545 ff; ders., DVB1. 1985, 1214 ff, 1217 f.; ders., Gesetzgebung der Länder und Stand der Debatte, S. 15; Wimmer S. 630 (Betonung des Sonderfalles). Eine Tendenz in diese Richtung findet sich bei Erichsen, Jura 1 (1979), 449 ff, 455; dems., DVB1. 1983, 289 ff, 290. Murswiek (Fragen gestufter Teilhabeverhältnisse, S. 647) spricht nur von einem „wohlbegründeten" Sonderfall. 136 So Coons, DVB1. 1986, 386 ff, 391 ff. (Gleichbehandlung für alle, solange Privatschulen gefördert werden); Ansatz auch bei Bernhard 303. 137

Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung (§ 113), Rn. 46.

138

Petermann, NVwZ 1982, 543 ff, 544.

139 So deutlich Schlink, EuGRZ 1984,457 ff, 466 („verfassungsrechtliche Überhöhung" von „politisch akzeptierte^) Privilegien"); offenbar auch Redeker S. 513 f. (Schlußfolgerung in BVerwGE 27, 360 ff, ist „ungewöhnlich und kühn"); ganz allgemein Schwabe S. 276 (zur fraglichen Pflicht des Staates, einen Freiheitsbereich am Leben zu erhalten).

18*

276

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Die Schlußfolgerungen der herrschenden Lehre sind zunächst schon deshalb schwer nachzuvollziehen, weil es „das" staatliche Schulwesen und damit „den" großen Bruder, also den Wettbewerbsteilnehmer „Staat" überhaupt nicht gibt 140 . Von Ausnahmen abgesehen sind Kommunen und Kreise mit ihrer keineswegs einheitlichen Finanzkraft Schulträger. Sie tun erfahrungsgemäß für „ihre" Schulen alles, was in ihren Kräften steht - und das kann sich sehr unterschiedlich auswirken: In einer überforderten kreisfreien Stadt mag der Zustand einer Schule zum Erbarmen sein und den Einsatz freiwilliger Malerkolonnen aus den Reihen der Elternschaft auslösen, während von ländlichen Schulträgern bisweilen die Rede ging, daß sie ihren Schulen „die Türklinken vergolden". Nur die Lehrerschaft ist „staatlich" und unterliegt den Planstellenzwängen des Landeshaushalts. Darüber hinaus wird die Annahme eines ggf. kompensationspflichtigen Wettbewerbs, ausgelöst vom „größeren (staatlichen) Bruder", vom Grundgesetz nicht getragen. Denn nicht das Streben nach der besten Schulausstattung prägt insoweit den Art. 7 Abs. 4 GG, sondern der Gedanke der Einheitlichkeit, und zwar durchaus im Interesse aller Schüler: Sie sollen, wo immer sie zur Schule gehen, gleichwertigen Unterricht und gleichwertige Abschlüsse erhalten. Deshalb steht auch „das gesamte Schulwesen" unter der Aufsicht des Staates (Abs. 1), und deshalb ist eine gewisse Einheitlichkeit der beiden Schulbereiche unabdingbar. Die Vorbildfunktion öffentlicher Schulgestaltung mag das Ergebnis sein heute vermutlich weniger als vor 10 oder 20 Jahren - , doch sie resultiert aus der verantwortlichen Wahrnehmung einer eigenen staatlichen bzw. öffentlichen Aufgabe. Die Strafe von Kompensationszahlungen für vorbildliche Aufgabenerfüllung ist nicht nur dem Grundgesetz, sondern der ganzen Rechtsordnung fremd. Schließlich und in erster Linie gibt der Wortlaut des Absatzes 4 den Haushaltsgesetzgebern der Länder nicht die ausreichend verpflichtenden Hinweise für eine obligatorische Privatschulforderung 141. Unbestritten ist schon, daß der Parlamentarische Rat nichts dergleichen im Sinne hatte; nach einer Intervention des Abg. Dr. Heuß, der den Vorschlag einer Erspamiserstattung einigermaßen rüde zurückwies142, war das Thema erledigt143. Das Beste, was die Protagonisten zum Wortlaut sagen können, ist, daß er nicht gegen ein Recht auf Förderung spricht 144. Doch er ist für sie auch gar nicht die fertige Rechtsnorm, unter die zu subsumieren ist. Diese entsteht erst aus dem Normprogramm als dem Ergebnis der Interpretation aller Sprachdaten des Abs. 4 und dem Normbereich als Verarbeitung aller Realdaten über das ohne staatliche Hilfe nicht lebensfähige Privatschulwesen in ihrer Zusammenfügung. Die Rechtsnorm der Subventionierungspflicht ist aber so kaum zu ent-

140 Abgesehen von den Stadtstaaten. Die Sicht des Verfassers wird bestimmt u. a. auch durch seine Tätigkeit 1980-1984 als Referent in der Abteilung für Grund-, Haupt- und Sonderschulen im SchleswigHolsteinischen Kultusministerium. 141 Nur in Nordrhein-Westfalen kann der Streit wegen der dortigen verfassungsrechtlichen Regelung dahinstehen, so Avenarius S. 1; weitergehend Grämlich, JuS 1985,607 ff., 608. 142

Protokolle des Hauptausschusses, S. 558; vergi, auch JöR 1 (1951), 112.

143

Die Entstehungsgeschichte halten insoweit auch für unergiebig Abelein S. 14; Grämlich 608; Jeand'Heur, Methodische Analyse, S. 69 f. 144 Friedrich Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 127 f.; Müller/Pieroth/Fohmann S. 139. Immerhin geben Pieroth/Schlink zu, daß die Fragen der Privatschulsubventionierung „über den Normtext" hinausgehen (Rn. 683).

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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wickeln, weil der hohe grundgesetzliche Standard hier und die gewiß nicht zuletzt durch ihn verursachte Notlage der freien Ersatzschulen dort nicht durch ein ausdrückliches Kausalverhältnis mit der Folge der obligatorischen ausgleichenden Subventionierung miteinander verbunden sind. Das Grundgesetz hätte insoweit erheblich deutlicher werden müssen. Bezeichnenderweise wird die Argumentation dabei von einer merkwürdigen Logik begleitet: Die normtextferneren historischen und genetischen Auslegungsaspekte, die den Normtext nicht direkt auswerten, müssen ihr zufolge (verständlicherweise!) zurücktreten hinter den grammatischen und grammatisch-systematischen normtextnahen Interpretationskriterien 145. Das bedeutet letztlich, daß eine nachweisbare, im Normtext mittelbar auch zum Ausdruck gelangte Interpretationskomponente - die fehlende Absicht des Normschöpfers - für unbeachtlich erklärt wird, während ein rechtliches Kausalverhältnis in den Vordergrund rückt, nur weil es in der Nähe des Normtextes - nicht steht. Ein weiteres Argument für eine „staatliche" Subventionspflicht ist die „Einsparung von Kosten", die dem öffentlichen Schulwesen nicht entstehen, wenn ein Schüler zur Privatschule geht 146 . Diese auf den ersten Blick ungemein überzeugende Überlegung verliert jedoch stark an Kraft, wenn man sich die Schwierigkeiten der Planung, Finanzierung und späteren Zuteilung der Lehrer, Räume und Einrichtungen für die öffentlichen Schulen einmal näher vor Augen führt: - Es ist schon sehr schwer, anhand der gegebenen Bevölkerungszahlen die langfristige Entwicklung der Schülerzahlen und erst recht deren Aufteilung auf die verschiedenen Schularten zu prognostizieren. - Die Umsetzung der jeweiligen Schülerzahlen in einen konkreten Bedarf an Räumen und fachlich differenziert ausgebildeten Lehrern wiederum ist von nicht fest vorgegebenen Klassengrößen abhängig und wird zudem auch von der Finanznot mit beeinflußt. - Der „Abzug" von Schülern, die Privatschulen besuchen, ist ebenfalls schwer vorauszusagen und fällt häufig kostenmäßig überhaupt nicht ins Gewicht147. Wenn er gleichwohl zu einem Minderbedarf führen sollte, nützt die Schließung vorhandener Räume kostenmäßig wenig; auch können langfristig eingestellte Lehrer nicht einfach entlassen werden. Helfen könnte den Privatschulträgern allenfalls die Beteiligung am interkommunalen Ausgleichsverfahren: Schulträger verlangen bei gesetzlicher Ermächtigung für die Aufnahme 145

Jeand'Heur S. 100 ff.; ders., JZ 1995,161 ff., 165; Friedrich

Müller S. 127.

146

In diesem Sinne Friesenhahn S. G 34 f.; Haverkate S. 88/89 Fn. 93; Hemmrich Rn. 37 zu Art. 7; Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 525. Für das Bundesverfassungsgericht (E 75,40 ff., 65 f.) ist dieser Gedanke allerdings nicht von vorrangiger Bedeutung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ihn in seiner ersten einschlägigen Entscheidung vorgetragen (E 23,347 ff., 350), später dagegen nur noch ergänzend am Rande erwähnt (vergi. E 27, 360 ff., 365 f.). Dagegen auch Eiselt, DÖV 1987, 557 ff., 560 f. (Privatschule erfüllt eigene, nicht öffentliche Aufgaben); ähnlich Kloepfer/Meßerschmidt, DVB1. 1983, 193 ff., 198; Müller/Pieroth/Fohmann S. 255 (Privatschule kein Ersatz für öffentliche Schule); Robbers Rn. 216 zu Art. 7 Abs. 4; Schuppert, Stellungnahme, S. 178. Auch die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen lehnte diesen Gedanken ab (S. 57). 147

So auch Coons, DVB1.1986,386 ff., 395; Kloepfer/Meßerschmidt 198. Wenn z. B. bei vier Jahrgangsklassen an einer konkreten Schule und einem vorgegebenen „Klassenteiler" von 29 bei 4 mal 27 Schülern je 2 Schüler wegen Privatschulbesuchs abgezogen werden, so ist das im Ergebnis ohne Belang. Anders sähe es aus bei einer faktischen Klassengröße von 23 Schülern; ohne die acht „Privatschüler" hätten dann nur drei Klassen gebildet zu werden brauchen.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

von Schülern aus anderen Schuleinzugsbereichen von dem an sich zuständigen Schulträger einen pauschalierten Aufwendungsersatz in unterschiedlicher, nach Schulart differenzierter Höhe, der die Kosten für die staatlichen Lehrer natürlich nicht umfaßt. Dieser interne „Lastenausgleich" ist nicht von schwer nachweisbaren „Einsparungen" abhängig und ließe sich - unter Heranziehung der Art. 3 Abs. 1 GG und 7 Abs. 4 GG - als derivativer Leistungsanspruch mühelos auch auf private Schulträger erstrecken. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat einmal die Andeutung einer solchen finanziellen Gemeinschaft mit dem „Gesamtetat für das öffentlichen und private Schulwesen" gemacht148. Die Ablehnung eines originären Leistungsanspruchs paßt sich gut in das grundgesetzliche Gesamtgefüge ein. Wenn Grundrechte in dieser Hinsicht fast durchgehend aussagelos sind, wäre es sehr verwunderlich, wenn ausgerechnet in einer nicht übermäßig bedeutungsvollen, normtextmäßig ebenfalls unergiebigen Spezialvorschrift etwas anderes gelten sollte. Diese Meinung weicht allerdings von der ganz überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vorgetragenen Ansicht ab 149 . Das Sozialstaatsprinzip150 vermag die erforderliche verfassungsrechtliche Schubkraft nicht zu erbringen: Art. 7 Abs. 4 GG ist ein typisches Freiheitsrecht, das privatem Schul- und Erziehungsverständnis - in Grenzen - entgegenkommen will. Das Sozialstaatsprinzip hat in diesem Bereich schlechthin gar nichts zu suchen, will man es nicht zum Passepartout für alle denkbaren Grundrechtsmutationen aufwerten. Diese Inhaltsbestimmung kann allerdings, ähnlich wie bei Art. 12 Abs. 1 GG und den Studienplätzen, nicht einfach Ermächtigung oder gar Aufforderung zum übergangslosen Rückzug aus jahrzehntelang eingenommen Positionen bedeuten. Vertrauensschutz und Übermaßverbot wären wie dort allemal zu beachten151.

7. Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) In einem giftigen, aber nichtsdestoweniger treffenden Kommentar zum „numerus clausus"-Urteil bemerkte Ridder: „Die Zeche zahlt die Wissenschaft - aus der Substanz, zahlt die mit neuen Leistungspflichten überzogene, im Inneren umverteilte, von außen ausgetrocknete Universität von heute"152. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf eine weitere einschlägige Grundrechtsgarantie, die neben Art. 12 Abs. 1 GG - im Grunde überraschenderweise - weitgehend in den Hintergrund getreten ist: „(Kunst und) Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei" (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Die Universitäten und Hochschulen schließlich stellen die Austragungsorte dieser obersten Kulturformen dar; sie sind den

148

BVerfGE 75,40 ff., 68 f.

149

Ablehnend allerding vor allem auch Martens, WDStRL 30 (1971), 7 ff., 27,33.

150 Das Friauf (OVBL 1971, 674 ff., 679) ergänzend mit heranzog, unter gleichzeitiger Zurückweisung individueller Ansprüche. 151

Jach S. 100; Kloepfer/Meßerschmidt,

152

Sehfahrt tut not! S. 330.

DVB1. 1983, 193 ff., 201.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

279

„Streckungsmethoden" zur Kapazitätsauslastung ausgesetzt153. Der Staat nimmt sie unter einem eigenständigen Aspekt seiner Verantwortung für die Wissenschaft in Anspruch, nämlich für Zwecke der Berufsausbildung: Es ist die wissenschaftliche „Lehre", die in weitem Umfang der Berufsausbüdung dient154. Folglich muß zwangsläufig die Wissenschaftsfreiheit des Abs. 3 Satz 1 mit der Ausbildungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG in irgendeiner Weise „korrelieren". Für Ridder wäre dieser Begriff vermutlich noch geschönt, denn zweifellos setzen die aus der Pflicht zur Berufsausbildung sich ergebenden Vorgaben den verschiedenen Komponenten einerfreien Wissenschaft in differenzierter Weise sehr wohl Schranken. Dementsprechend liegt eine „Kollisionslage" vor, die bei umfassender Sicht über die beiden Grundrechte hinaus auch die Belange des weiteren Hochschulpersonals, Drittinteressen (ζ. B. der Patienten in Hochschulkliniken) und letztlich die Belange des mittelbar ebenfalls betroffenen Publikums erfaßt 155. Die Gleichrangigkeit der Aufgaben von Wissenschaft, Forschung und Lehre einerseits und der Berufsausbildung andererseits liegt nahe; doch geht es gewiß auf praktische Erfahrungen zurück, wenn in einem neueren Kommentar zum Spannungsverhältnis beider Normen zueinander ganz bescheiden steht, daß die Möglichkeiten zur Forschung durch Lehr- und Prüfungsbelastung „nicht... übermäßig" beschnitten werden dürften 156. Aber Wechselwirkung hin, „Austrocknung" her - es ist derselbe Staat, der mit seinen Hochschulen sowohl die Wissenschaftsfreiheit in ihren unterschiedlichen Aspekten lebendig erhält wie auch den Ausbildungsforderungen der Studierwilligen - begrenzt! - genügt. Der leistungsrechtliche Charakter des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG kann daher im Ergebnis kaum von dem des Art. 12 Abs. 1 GG abweichen. Genau genommen bestimmt der erstgenannte Artikel die eher abstrakt wissenschaftsrelevante Natur der Hochschullandschaft, während die Garantie der Ausbildungsfreiheit dagegen - neutral formuliert - der individualrechtliche Reflex des staatlichen Interesse ist, vor allem Studiengänge für Zwecke der Berufausbildung an den Hochschulen einzurichten und sie in erster Linie unter diesem Gesichtspunkt zu organisieren und zu finanzieren 157. 153

Ridder S. 331 f.

154

Dazu Grupp, Zur Stellung der Universitäten in den Zeiten ihres Rückbaues, S. 107; Hailbronner, Die Freiheit der Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, S. 9; Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 24, auch S. 18 f.; ders., Schließung einer Hochschule, S. 18 f.; Lorenz, JZ 1981,113 ff, 114 („Indienstnahme"); Truie S. 423 f.; starke Betonung dieses Aspektes auch in BVerfGE 47,327 ff, 370. 155 So Breuer (Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 86) aus der Sicht des Art. 12 Abs. 1 GG; vergi, im übrigen Jarass Rn. 105 zu Art. 5 (Wissenschaftsfreiheit wird durch das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte des Art. 12 beschränkt); Maunz, BayVBl. 1972,469 f., 470 (Hochschulautonomie nicht sehr weit gezogen); Pernice Rn. 34 zu Art. 5 III (Wissenschaft). 156 Pernice Rn. 38 zu Art. 5 III (Wissenschaft); zur Gleichrangigkeit vergi. BVerwG NVwZ 1987, 687 f.; Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre (§ 145), Rn. 39 f.; Scholz Rn. 136 f. zu Art. 5 Abs. III (mit der Notwendigkeit der Harmonisierung beider Rechtskreise); deutlicher noch gegen die Aushöhlung der Wissenschaftsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG Zwirner, AöR 98 (1973), 313 ff, 338. Für Starck muß das Kapazitätsrecht den Ausgleich leisten (Rn. 381 zu Art. 5 Abs. 3; vergi, auch Manssen Rn. 16, 20 zu Art. 12 Abs. 1); ähnlich Jarass Rn. 68 zu Art. 12; Scholz Rn. 174 zu Art. 5 Abs. ΠΙ und Rn. 448 f. zu Art. 12. Aber ausführlich legen Breuer (Freiheit des Berufs (§ 147), Rn. 83 ff.) sowie knapper Oppermann (Rn. 40) und Scholz (Rn. 174 zu Art. 5 Abs. III) dar, wie normativ gefährdet die Wahrung eines nicht für die Berufsausbildung verplanten wissenschaftlichen Freiraumes ist. 157 Diesen Vorrang betont deutlich Grupp S. 113. Sehr konsequent begründet Ferdinand Kirchhof die materielle Grundausstattung der Hochschullehrer doppelt: Für Forschung und Lehre stützt sie sich

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Es war das sog. „Hochschul"-Urteil zum Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz, welches in einer gleichsam einführenden, die eigentliche Entscheidung aber nicht tragenden Darstellung der einschlägigen objektiv-institutionellen Grundrechtsvoraussetzungen einige vielzitierte Sätze zur Alimentierung der Universitäten und Hochschulen verlor. Aus der Wertentscheidung für eine freie Wissenschaft leitete das Bundesverfassungsgericht u. a. das „Postulat" an den Staat ab, als Kulturstaat schützend und fordernd für diese Freiheitsgarantie einzutreten und dabei mit personellen und finanziellen Mitteln funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen158. Vergleicht man die einschlägigen Passagen der Urteilsbegründung mit denen der anderen, hier schon ausgiebig vorgetragenen „Förderentscheidungen", so fällt auf, daß die Pflicht zur Bereitstellung von Mitteln nicht mit dem „Vorbehalt des Möglichen" versehen worden war. Das bedeutete selbstverständlich nicht, daß das Gericht sie als eine grenzenlose einschätzte; der wahre Grund lag wohl eher in der fehlenden Notwendigkeit. Gründung und Unterhaltung dieser Bildungseinrichtungen sind jedenfalls in Deutschland traditionell stets eine Aufgabe des Staates gewesen159, und gegenüber den eigenen „Kindern" erschien und erscheint ein solcher Finanzierungsvorbehalt wenig angebracht zu sein, weil er sich, wie auch sonst innerhalb von Familien, ohnehin von selbst versteht. Wenn man so will, ist in dieser Organisationskompetenz des Staates auch eine Art immanenter „Vorbehalt des Möglichen" verborgen 160. Bei einer Beschränkung der Konstruktion auf finanzwirtschaftliche Grenzen von Leistungs- bzw. Teilhabegrundrechten hat das Bundesverfassungsgericht den Vorbehalt jedoch zu Recht vermieden. Vor diesem Hintergrund braucht eine institutionellrechtliche, allenfalls staatliche Leistungspflichten hervorhebende Konkretisierung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG durch oberstes Gericht und Schrifttum sich in der Tat nur mehr oder weniger auf die Deskription der Pflege- und Förderungspflicht des Staates zu beschränken. Normativ jedenfalls läuft insoweit das Grundrecht solange gewissermaßen „leer", wie die derzeitige Hochschul- und Forschungslandschaft im Grundsatz erhalten bleibt 161 . Denn in diesem

auf Art. 5 Abs. 3 GG, für Lehre und Ausbildung dagegen auf Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG (JZ 1998, 275 ff., 278 f.). Ein Ansatz zu dieser Differenzierung fand sich auch schon bei Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 24. 158 BVerfGE 35, 79 ff., 114 f.; vergi, weiter BVerfGE 88, 129 ff., 136 f. Haverkate beanstandet (S. 87), daß die Ausführungen des Gerichte insoweit nur „theoretisierendes Beiwerk" darstellten und „obiter dicta" seien, und Kloepfer betont, daß es sich eben nur um ein „Postulat" handele (JZ 1999, 161 ff, 164). A.A. generell Schwabe S. 276. 159 Vergi. Grupp S. 106 f. („Einrichtung der (mittelbaren) Staatsverwaltung"), S. 114; Hufeid, DÖV 1997, 1025 ff, 1028 (Doppelstellung der Universität als selbständige Körperschaft und staatliche Einrichtung); Karpen, Wissenschaftsfreiheit und Hochschulfinanzierung, S. 17; ders., Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 19 f. (stärker die Distanz der Universität zum Staat betonend), 21,22; ähnlich ders., Schließung einer Hochschule, S. 19,22; Trute S. 430 f.; Zuck, Rechtsgutachten, S. 44 („Forschungsgrundversorgung ... durch das öffentlich-rechtliche System der Hochschulen"); siehe auch Hailbronner in Fn. 154. 160 161

So etwa die Argumentation von Uerpmann, JZ 1999, 644 ff, 647.

Vergi, dazu Hufeid 1027 (solange „der Staat seiner Einstandspflicht für die Freiheit der Wissenschaft aufs Ganze gesehen entspricht"); Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 23 („Typus der

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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durch die Aufgaben der Wissenschaftsförderung und der akademischen Berufsausbildung umrissenen Sektor staatlicher Organisationsgewalt gibt es - wie auch sonst im Schwerefeld staatlicher Macht - nach ganz herrschender Lehre im Grundsatz nichts Sicheres, nichts Gewährleistetes und keine absoluten Bestandsgarantien, auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 GG. Als Abwehrrecht und Garant einesfreien Wissenschaftsbetriebes kommt er allenfalls zum Zuge, falls der Staat mit einer Kapazitätseinschränkung mißliebige Forschung „abstrafen" oder sogar zwecks Vernichtung des derzeitigen Hochschul- und Forschungssystems ohne Ersatz durch ein gleichwertiges anderes eine Kulturrevolution einleiten sollte. Im übrigen ist es Sache des Staates, eine Universität zu gründen oder einen neuen Fachbereich bzw. ein spezielles Institut einzurichten, und es liegt auch bei ihm, sie wieder zu verkleinern oder abzuschaffen 162 oder am Ende gar selbst „nach Leistungen" zu finanzieren 163. Um den Ausbau des Hochschulwesens geht es heute aber wahrhaftig nicht mehr, sondern nur noch um den durch Sparzwänge diktierten Rückbau. Es scheint nun eine merkwürdige Art des Schützens und Förderns zu sein, wenn die fragliche Norm ihre Zielobjekte gerade in ihren derzeitigen Existenzkrisen im Stich läßt. Selbstverständlich kommt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zum Zuge; aber so hergeholt die Darlegung der Finanzierungspflicht des Staates gegenüber seinen institutionellen Geschöpfen im eigentlich relevanten, auf den einzelnen Wissenschaftler bezogenen organisationsrechtlichen Kontext des Hochschul-Urteils wirkt, so „schmal bemessen" ist auch der von dieser Vorschrift geleistete Bestandsschutz164. Materielle Qualität weist er auf längere Sicht nicht auf, eher formale Gebote der Rücksichtnahme und des geordneten Verfahrens: Der Hochschule und die jeweilige konkret-traditionelle Ausformung (sind zu) wahren"); ders., Schließung einer Hochschule, S. 22; Papier, Rechtsgutachten, S. 62 f. (Forschungsforderungspflicht „wirkt danach nur ,dem Grunde nach4"); zurückhaltend Scholz Rn. 116 zu Art. 5 Abs. III (Abwehrrecht in Verbindung mit objektiv-rechtlichem allgemeinen Förderungsauftrag grundgesetzlicher Kulturstaatlichkeit); auch Starck Rn. 346 zu Art. 5 Abs. 3 (institutionelle Garantie bleibt orientiert an den Individualrechten); zum „status positivus" der „institutionellen Garantie" weiter Isensee, Rechtsgutachten, S. 169 ff. Für die jeweilige Dauer des Status quo ist weiter zu verweisen auf Karpen, Wissenschaftsfreiheit und Hochschulfinanzierung, S. 16 (Hochschule hat einen Anspruch auf Dotation); Kloepfer, JZ 1999, 161 ff., 164 („Art. 5 Abs. 3 GG (dirigiert) zunächst das Verhältnis Universität - Staat als erste Ebene des Verteilungskampfes"); Knemeyer, BayVBl. 1982, 513 ff., 516 (Hinweis auf Förderungs- und Schutzpflicht); Trute S. 424 (strikt forschungsbezogene Förderpflicht). 162

In diesem Sinne siehe BVerfGE 85, 360 ff., 382,384; implizit auch schon E 51, 369 ff., 382; noch deutlicher in Bezug auf Mittelkürzungen der Kammerbeschluß vom 22.07.1999 (DVB1. 1999, 1577 ff., 1578); Badura, Staatsrecht, S. 174; Bethge Rn. 215 zu Art. 5; Friauf, Rechtsgutachten, S. 101 ff. (jedenfalls für den flächendeckenden Hochschulbereich, im übrigen mit einer nicht unbedenklichen Ausnahme); Grupp S. 106 f., 108 ff., 114; Hufeid 1027 („Maßnahme der Kapazitätsplanung") und 1026 (zur Abwehr-Wirkung des Art. 5 Abs. 3 GG); Isensee S. 172 ff.; im Ergebnis Jarass, AöR 110 (1985), 363 ff., 388 mit 389; ders. Rn. 102, 110 zu Art. 5; Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 23; ders., Schließung einer Hochschule, S. 22; Ferdinand Kirchhof, JZ 1998, 275 ff., 279 f.; Menger, Verwaltungsarchiv 65 (1974), 75 ff., 79; Papier S. 63; Pitschas, Wissenschaftsrecht 15 (1982), 229 ff., 253 ff.; Roellecke, JZ 1969, 726 ff., 731 (deutlich aus der Zeit vor dem „Hochschul"-Urteil; zur weiteren Bibliographie siehe Grupp S. 102 Fn. 24); Rüfner, Grundrechtliche Leistungsansprüche, S. 385; StarckRn. 349 zu Art. 5 Abs. 3 („Das Ausmaß des finanziellen Einsatzes des Staates wird durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 nicht bestimmt...", ähnlich auch Rn. 296 für die staatlichen Kunsthochschulen). Zu den verschiedenen strukturellen Sparmaßnahmen vergi. Erhardt, Wissenschaftsrecht 29 (1996), 307 ff., 309 ff. 163

Zu diesem Reformkonzept Bullinger, JZ 1998,109 ff., 112 ff.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Gesetzgeber hat, will er Kürzungen oder gar Schließungen durchsetzen, sich den von ihm mitgeprägten System- und Sachgesetzlichkeiten hochschulformiger Verfahrensabläufe seinerseits zu unterwerfen; er muß triftige sachliche Gründe vortragen, eine konsistente und nachvollziehbare Planung vorlegen, Übermaßreaktionen vermeiden und die betroffenen Einrichtungen und Institute vor allem hinreichend beteiligen165. Das Grundgesetz kann gleichsam den Abgang in Würde gewährleisten und während der Existenz der Einrichtung die Beachtung der spezifischen Regeln wissenschaftlichen Arbeitens und Verhaltens sowie die wissenschaftsadäquate Verwendung der Finanzmittel sichern. Den Abgang selbst vermag es aber nicht zu verhindern. Für die Thematik dieser Arbeit ist daraus der Schluß zu ziehen, daß eine zusätzliche Budgetrestriktion auf keine rechtlichen Hindernisse stieße; die verminderte Einnahmemöglichkeit würde nur die finanziellen Zwänge im Hochschulbereich verschärfen und in ihren Auswirkungen beschleunigen. Für die an den (noch) existierenden Fachbereichen tätigen Wissenschaftler stehen andere, scheinbar derivative, dogmatisch aber grundlegende Sorgen im Vordergrund, zu denen die um genügende Forschungsmittel allerdings ebenfalls gehören. Mit einer leicht verklausulierten Formulierung ging das Hochschul-Urteil vor allem auf diese Probleme ein: Das individuelle Freiheitsrecht des im staatlicherseits unterhaltenen Wissenschaftsbetrieb tätigen Forschers und Lehrers verstärkte es „in Richtung auf Teilhabeberechtigungen" und sah ein individuales Recht „auf solche Maßnahmen auch organisatorischer Art" als gewährleistet an, die zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes unerläßlich sind 166 . Hinsichtlich der materiellen Aspekte dieser Teilhabeberechtigung hat sich die langanhaltende Auseinandersetzung darüber angeschlossen, welche sächliche, personelle und finanzielle Forschungsausstattung der Hochschullehrer und -forscher erwarten darf. Einige erkennen den Anspruch auf den „absoluten" Begriff der „Grundausstattung"167 oder der „Funktionsgrundausstattung"168 an. Die obersten Gerichte stehen sich in diesem 164 Pitschas 253; er spricht von „limitierte(r) Bestandsgarantie", während Hufeid (1028) einen „relativen Bestandsschutz" sieht. Zur Einordnung der Urteilsbegründung zwischen Institution und Individuum vergi. Fn. 158 oben und Fn. 166 unten. 165 Vergi, zu diesen Aspekten Grupp, Zur Stellung der Universitäten in den Zeiten ihres Rückbaues, S. 112 ff.; Hufeid 1027 f.; Ferdinand Kirchhof JZ 1998, f. 275 ff., 279 f.; Pitschas S. 253 ff.

Man fragt sich, wer den verbleibenden Bestandsschutz überhaupt reklamieren kann, wenn etwa Scholz das Fördergebot rein objektiv-rechtlich versteht (Rn. 116 zu Art. 5 Abs. III - S. 159 -). Der natürliche „Partner" des Staates ist die akademische Selbstverwaltung, die zugleich institutionell garantiert ist, vergi. Grupp S. 101 f.; Hufeid 1027: Die Fakultät selbst kann über Art. 19 Abs. 3 GG den Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG in Anspruch nehmen; vergi, auch Karpen, Abbau von Hochschulkapazitäten, S. 21. Allgemein zum Durchsetzungsrecht der „einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG" vergi. BVerfGE 35, 79 ff., 116; Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre (§ 145), Rn. 36. 166 BVerfGE 35,79 ff., 115 f. Diese letztlich individualrechtliche Basis der ganzen Urteilskonstruktion unterstreicht auch Hufeid 1027. Kloepfer erwähnt hier die „zweite Ebene" des Verteilungskampfes (JZ 1999,161 ff, 164); vergi, dazu den folgenden Text. 167

So Jarass Rn. 110 zu Art. 5 (Anspruch auf bedarfsgerechte Grundausstattung sowie angemessene Berücksichtigung bei der Mittelvergabe); Karpen, Wissenschaftsfreiheit und Hochschulfinanzierung, S. 16; Ferdinand Kirchhof 211 f. (sofern unerläßlich); vorsichtig Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre (§ 145), Rn. 29, siehe auch Rn. 22 und 42; Scholz Rn. 177 zu Art. 5 Abs. III; Starck Rn. 350 zu Art. 5 Abs. 3 („notwendige Grundmittel"; „Mindestausstattung" nach Rn. 359 i. V. m.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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Punkte allerdings frontal gegenüber169. Andere bejahen die Notwendigkeit der „Mindestausstattung" im Sinne eines Minimalstandards170, oder nur eine,/elative" Teilhabe an den der Forschungseinrichtung bzw. dem Fachbereich zur Verfügung gestellten Mitteln 171 . Schwierig an dieser Kontroverse ist die Unklarheit der benutzten Begriffe, so daß ungewiß bleibt, inwieweit die unterschiedlichen Standpunkte hinsichtlich der Ergebnisse wirklich voneinander abweichen172. Die Frage eines „Vorbehaltes des Möglichen" taucht natürlich auch hier auf und könnte zu verfassungsrechtlichen Komplikationen führen, wenn die finanzielle Notlage den Staat zwingen sollte, selbst den Minimalstandard zu unterschreiten. Doch es gibt gute Gründe, diese Notlösung hier nicht näher in Erwägung zu ziehen: Ohne die unabdingbare Ausstattung können Wissenschaftler ihre Aufgabe letztlich nicht erfüllen, so daß die Beschaffung eines „Unterstandards" im Grunde sogar auf eine Mittelverschwendung hinausliefe. Mit dieser aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sich ergebenden Schlußfolgerung korrespondieren rein „etatistische" Momente: Die Forscher und Professoren sind immerhin Staatsbeamte, die jeweils auch auf ihre Anstellung (damit mittelbar auf Art. 33 Abs. 5 GG) und ihre Berufungsverhandlung verweisen können; es wäre töricht vom Dienstherren, hochbezahlte Wissenschaftler ohne Ausstattung zu belassen173. Darüber hinaus besteht bei „der Universitätsfmanzierung ... die Besonderheit, daß der Staat den Bedarf dadurch senken kann, daß er eine Einrichtung schließt oder verkleinert". Bei Nichtfinanzierbarkeit „muß er (die) Kapazitäten durch organisatorische Maßnahmen reduzieren. Damit vermindert er auch den Finanzbedarf 4174, womit das Problem zumindest rechtlich gelöst Rn. 348). Denninger setzt sie mit der angemessenen Minimalausstattung gleich (Rn. 50 zu Art. 5 Abs. 3 I). 168 Dazu Hailbmnner, Die Freiheit der Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, S. 125 ff.; zustimmend Denninger Rn. 50 zu Art. 5 Abs. 3 I. 169 Das Bundesverfassungsgericht bejahte den Anspruch auf eine Grund- oder Mindestausstattung (E 43,242 ff., 285), während das Bundesverwaltungsgericht ihn ablehnte (BVerwGE 52,339 ff., 345); ablehnend offenbar auch Badura, Staatslehre, S. 174. 170

So Sendler, DÖV 1978, 581 ff., 587 f.

171

BVerwGE 52, 339 ff., 348 ff.; Ferdinand Kirchhof,\ JZ 1998, 275 ff., 277 (bei m.E. unklarer Abgrenzung zu der Auffassung in Fn. 167); wohl auch Scholz Rn. 116 (S. 159) zu Art. 5 Abs. III („individuale Institutionsteilhabe"); Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 524; vergi, dens, auch Fn. 173; Trute S. 425 f. Bethge (Rn. 217 b zu Art.5) und Hufen (Die Freiheit der Kunst, S. 368 ff.) bemerken allerdings, daß die tatsächlichen Zuweisungen unter dem Mindestbedarf liegen können; dann würde ein originärer Nachforderungsanspruch entstehen. 172

Zu den unklaren Maßbestimmungen siehe Böckenförde, NJW 1974, 1529 ff, 1536.

173

Zu diesen Gesichtspunkten haben sich geäußert: Denninger Rn. 52 zu Art. 5 Abs. 3 I; Kirchhof 278 (der auch den „Vorbehalt des Möglichen" auf den Anspruch auf die Grundaustattung erstreckt, 278, r.Sp.); Pernice Rn. 47 zu Art. 5 III (Wissenschaft); Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 524; ders. Rn. 346 zu Art. 5 Abs. 3; vergi, weiter dens. Rn. 351: Es geht nicht um ein originäres Teilhaberecht, sondern um ein Teilhaberecht als Konsequenz aus der Einstellung. Hannfried Walter will die „Wissenschaftsfreiheit im Dienst" als, Amtsbeigabe" gewissermaßen gänzlich durch Art. 33 Abs. 5 GG abgedeckt sehen (Wissenschaftsrecht 25 (1992), 247 ff, 258 f.). Für das Freiheitsrecht ist dieser Gedanke nicht ohne Reiz; für die Teilhabeberechtigungen dürfte Art. 33 Abs. 5 GG aber nicht genügen. Zur Bindungswirkung von „Berufungsvereinbarungen in der Finanzkrise" siehe Kloepfer, JZ 1999, 161 ff. 174

So Uerpmann, JZ 1999, 644 ff, 647.

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3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

ist: Aus Status und institutioneller Einbindung ergibt sich ein Anspruch auf Teilhabe an einer Ausstattung, die das Unerläßliche nicht unterschreiten darf. Die eben erwähnten dienstrechtlichen Bindungen hemmen selbstverständlich die Schnelligkeit der Kapazitätsreduzierung. Den engen Rahmen, in den die staatlichen Universitäten gepreßt sind, werden die individualrechtlich verstandenen Freiheitsgewährleistungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wahrlich nicht sprengen, denn sie stecken infinanzieller Hinsicht mitten in diesem Rahmen. Das macht das Grundrecht keineswegs überflüssig, muß es doch die Feinarbeit der gerechten Mittelverteilung besorgen. Gegen das schlichte „Gießkannenprinzip" hat es für die ggf. notwendige Prioritätensetzung bei der Vergabe von Forschungsmitteln zu wirken, und die Wertigkeit von Forschungstätigkeit für die Allgemeinheit hat es ebenfalls mit festzulegen 175. Aber den Staatshaushalt wirft diese ohnehin vom Staate beherrschte und umhegte Wissenschafìsforderung nicht um; von ihr droht ihm nie die Gefahr, die immerhin nach dem „numerus clausus"-Urteil eine Zeitlang im Schwange war. Daher kann der fragliche Satz im Grundgesetz (von seinem Bestandteil „Kunst" abgesehen, auf den danach eingegangen wird) fortan sich selbst überlassen bleiben, denn er ist keine forderrechtliche Norm, sondern allein Ausdruck der staatlichen Schutzpflicht zur Sicherstellung rein wissenschaftsadäquater Kriterien auch bei der Forschungsmittelvergabe. Im Hochschul-Urteil „einen entscheidenden Vorstoß in Neuland" zu sehen176, dürfte nach diesem Überblick jedenfalls nicht seiner wahren Bedeutung entsprechen.

8. Förderung der Kunst (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) Die staatliche Förderung „der" Kunst als einer spezifisch intuitiven Form menschlicher Kreativität und ihrer Erzeugnisse scheint fernliegender als in allen bisher untersuchten potentiellen Leistungsbereichen zu sein. Denn eine präformierte Institutionalisierung ist hier noch schwächer und sporadischer entwickelt als im Wissenschaftsbereich, und für eine Unterstützung scheint in diesem unendlich weiten Feld kein Anfang und kein Ende zu sein: „Garantiert Art. 5 Abs. 3 GG dem Maler ein Atelier oder nur Farbe und Staffelei? 177 Nichts dergleichen garantiert er; nach ganz überwiegender und im Ergebnis unwidersprochener Meinung sind keine Subventionsansprüche aus ihm abzuleiten178. Untätig darf der Staat,

175

Auf den ersten Gesichtspunkt legt Hailbronner (Wissenschaftsrecht 13 (1980), 212 ff., 215 ff.) großen Wert; zum zweiten vergi. Schmitt Glaeser, Wissenschaftsrecht 7 (1974), 107 ff., 121 ff. 176 So Oppermann, JZ 1973,433 ff, 435; Kritik an ihm insoweit auch bei Menger, Verwaltungsarchiv 65 (1974), 75 ff, 79. Gleichfalls genau besehen fehlt die Grundlage für Hufeids offenbar haushaltswirtschaftlich gemeinte Unterstellung (DÖV 1997,1025 ff, 1027): „Solange nicht in Frage steht, daß der Staat seiner Emstandspflicht für die Freiheit der Wissenschaft aufs Ganze gesehen entspricht,..." (zur Fortsetzung des Zitats vergi, oben zu Fn. 161). 177

So Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 93, vergi, auch Rn. 101. Die nach Kunstgattungen unterschiedliche Distanz zum Staat hebt Heuer hervor (NJW 1985, 232 ff, 234). 178 So Bleckmann, Staatsrecht II, S. 876; Geißler S. 46 ff; Heuer, Die Besteuerung der Kunst, S. 99 ff; Jörn Ipsen Rn. 481; Jarass Rn. 84,89 zu Art. 5; Lorenz, Juristische Blätter 103 (1981), 16 ff,

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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dürfen Bund, Länder und Gemeinden nach Meinung einiger aber gleichwohl nicht sein179. Im nicht umfassend strukturierbaren Bereich der Kunst lassen sich doch vier Sektoren mehr oder weniger scharf voneinander abgrenzen. Die Ausbildung erfolgt an den (staatlichen) Musik- und Kunsthochschulen. Sie können daher auch dem zuvor erörterten Wissenschaftsbereich zugeordnet werden. Kostspielig sind Opernhäuser, Theater und Kunsthallen in öffentlicher, ζ. T. staatlicher Hand, also die im eigentlichen Sinne institutionalisierten Erscheinungsformen der Kunst oder Kunstpräsentation. Solange Stadtkämmerer oder Finanzminister meinen, das Haus und seinen Betrieb bezahlen zu können, ist die „Kunstförderung" auch öffentliche Kunstangelegenheit und als solche verfassungsrechtlich kein problematisches Thema180. Kein Verfassungsgericht hat ihnen je nahegelegt, noch mehr Häuser zu bauen, und kein Verfassungsgericht wird sie hindern, ein Haus wieder zu schließen. Bei hinreichender organisatorischer Verselbständigung wird es aber für möglich gehalten, daß ähnlich wie im Wissenschaftsbereich ein Theater etwa Belange und Gesichtspunkte künstlerischer Freiheit auch gegen das Trägergemeinwesen geltend machen kann181. Daß es auf diese Weise im Ernstfall aber seinen Bestand nicht retten kann, versteht sich ebenso wie dort von selbst. Problematisch ist jedoch die gefährdete, weil am Ende nicht vom Staate geforderte Existenz der ergänzenden oder gar konkurrierenden privaten Häuser, in erster Linie der Privattheater und -Orchester. Rechtsprechung und herrschende Lehre lehnen einen aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleiteten Subventionsanspruch der Theaterbetriebe ab und weigern sich auch, Forderungen aus Gleichbehandlung anzuerkennen182. Mit einer Begründung, die jener zur Pflicht des Staates, Ersatzschulen zu subventionieren, nicht unähnlich ist, ging allerdings Nordemann gegen diesen Standpunkt vor. Wie dort sah er ein „Paradoxon besonderer Art: Die staatliche Förderung künstlerischer Betätigung kann zu einer verfassungswidrigen Beschränkung der Freiheit zu künstlerischer Betätigung führen. Fördert der Staat die Kunst in einem solchen Maße, daß nicht geförderte Kunst nicht mehr wettbewerbs23; Pernice Rn. 43,45 zu Art. 5 III (Kunst); Scholz Rn. 40 zu Art. 5 Abs. III; Starck Rn. 285, 294 zu Art. 5 Abs. 3; Wendt Rn. 94 zu Art. 5. 179

In diesem Sinne Heuer, Die Besteuerung der Kunst, S. 94 ff. (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als „Überantwortungsauftrag"); Maihofer S. 1246 ff.; Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, S. 21 ff. Jörn Ipsen (Rn. 481) bemerkt dazu: „Daß es einem ,Kulturstaat' gut ansteht, die Künste zu fördern, versteht sich von selbst...". 180 Dazu Ryffel, Der Staat 9 (1970), 1 ff., 6 f.: „... Bereitstellung von Kultur jeglicher Art und jeglichem Niveau für die Massen ..., etwa durch massivste Subventionierung der Theater...". Dagegen fragt Schwabe (S. 276): „Muß es überhaupt Theater geben, und wenn ja, wie viele?" 181 182

Dazu Ladeur Rn. 26 zu Art. 5 Abs. 3 II; Starck Rn. 298 zu Art. 5 Abs. 3.

So BVerwG NJW 1980, 718; BGH DÖV 1975, 823 ff.; OVG Lüneburg DVB1. 1969, 875 ff.; Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, S. 100 (Inhalt des Anspruchs verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, anders als bei Art. 7 Abs. 4 GG); ders., Jura 1 (1979), 401 ff., 406 („Die grundrechtssichernde Förderung kann nämlich auch anders als durch Subventionen erfolgen"); Scholz Rn. 6,40 zu Art. 5 Abs. III; Steiner, WDStRL 42 (1983), 7 ff., 14 ff. Häberle legt sich nicht fest (AöR 110 (1985), 577 ff., 608ff.); er betont besonders die „organisations- und verfahrensrechtliche ... Dimension der Kunstfreiheit... (als) Ausdruck der Offenheit des verfassungsstaatlichen Kulturkonzepts" (610 ff, 611).

286

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

fähig ist, verliert er zumindest das ihm zustehende Wertungs- und Differenzierungsrecht. Er muß in diesem Fall alle Kunstbeflissenen gleichmäßig fordern oder seine Subventionspolitik ändern". Er Schloß daraus, daß „die staatliche Förderung in diesem Bereich wieder auf ein Maß zurück(zu)schrauben" ist, „das der subventionsfreien Betätigung noch einen Lebensraum läßt 183 . Wir hätten damit den eigenartigen Fall eines sozusagen „negativen" derivativen Teilhaberechts. Nordemann traf insofern eine heikle Seite jeder Kunstförderung, als diese stets der Gefahr der Diskriminierung und Benachteiligung bestimmter Kunstrichtungen ausgesetzt ist 184 . Doch die Pflege und Unterhaltung primär und zunächst der eigenen staatlichen oder kommunalen Kultureinrichtungen stellt keine gleichheitswidrige Diskriminierung der vergleichbaren anderen, der privaten dar. Das Betreiben einer Staatsoper oder eines Stadttheaters als öffentliche Kulturaufgabe trägt die Legitimation in sich und zwingt nicht gleichzeitig dazu, alle ähnlichen privaten Einrichtungen ebenfalls am Leben zu erhalten. Insofern kann die Argumentation zu Art. 7 Abs. 4 GG hier wiederholt werden. Schließlich existiert die unüberschaubare Vielfalt privater und ggf. kommerzialisierter Kunst. Hier gibt es nicht den geringsten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt, wo mit einer etwaigen staatlichen Förderung begonnen werden und wo sie wieder aufhören könnte. Daher wird in diesem Bereich, in welchem für bestimmte Branchen die Subventionierung durch Steuerbefreiung üblich ist 1 8 5 , die einschlägige Freiheit des Gesetzgebers bei der Auswahl von Anlaß und Art der Förderung besonders betont. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Erhebung der vollen Mehrwertsteuer auf Schallplatten186 ist symptomatisch für diese Lage: Trotz Betonung der objektiven verfassungsrechtlichen Wertscheidung für die Freiheit der Kunst und der Aufgabe des Staates, „ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern" 187, ist entscheidend die weitgehende, nicht durch schematische Gleichheitserwägungen eingeschränkte Freiheit des Gesetzgebers188. Kaum anders begründete das Gericht später die Zulässigkeit der Aufhebung eines günstigen Steuertarifs für u. a. künstlerische Tätigkeit189. Immerhin ist anderenorts mehr möglich. So hatte ein Nachbarland eine Subventionierung praktiziert, welche über Steuerermäßigungen und über die Bereitstellung von „Farbe und Staffelei" für jeden Maler weit hinausging und das Programm „Kunst von allen" 190 sehr wörtlich nahm: Vielleicht beflügelt von ihrer großen Tradition, hatten die Niederlande nach dem Krieg ein System der Förderung von Malern und bildenden Künstlern entwickelt, das

183

Kunst und Subvention, S. 220 ff., 222.

184

Zu den Zwängen der Kulturförderung vergi. Bleckmann, Staatsrecht II, S. 876; Ladeur Rn. 24 zu Art. 5 Abs. 3 II; Mahrenholz, Freiheit der Kunst (§ 26), S. 1334 ff. 185

Dazu Heuer, NJW 1985,232 ff.; Paul Kirchhof NJW 1985,225 ff., vor allem 231 f.

186

BVerfGE 36,321 ff.

187

E 36,321 ff., 331.

188 E 36, 321 ff., 332 f.; vergi, aber Pernice , der gleichwohl eine Neutralitätspflicht sieht (Rn. 45 zu Art. 5 III-Kunst-). 189

BVerfGE 81, 108 ff.

190

Häberle, AöR 110 (1985), 577 ff, 609.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

287

seinesgleichen suchte191. Diese konnten ihre Werke natürlich verkaufen; wer das jedoch nicht vermochte (oder wollte), durfte Bilder und Skulpturen zweimal wöchentlich einer Kommission vorweisen, die sie beurteilte, schätzte und zunächst ins Depot wandern ließ. Der Genuß einer Art Leibrente in der Höhe eines Durchschnittseinkommens war dann für viele nicht mehr fern, und im Jahre 1981 wurde ein Jahresetat von 130 Millionen Gulden auf über 3000 Künstler verteilt. Doch auch den Niederlanden ging das Geld aus, Budgetrestriktionen wurden wirksam, die Depots quollen über von Hunderttausenden von Werken, denn irgendwann war auch die letzte Wand in einem Dienstgebäude vollgehängt. 1987 endete dieses künstlerfreundliche Fördersystem zugunsten einerrigideren Stipendienlösung, wobei zugleich die Zuständigkeit vom Sozialministerium auf das Kultusministerium überging 192 . Den reichen Kunstschätzen drohte dagegen die Vernichtung ... Die Gewährleistung der Freiheit der Kunst ist noch weniger als die parallele Garantie im Satz 1 des Art. 5 Abs. 3 GG eine förderrechtliche Norm. Denn wie dort legt der Text zwar auch staatliche Schutzpflichten nahe; anders als bei der Wissenschaftsfreiheit bieten Wortlaut und Normbereich aber nicht einmal den Ansatz für Leistungspflichten, weil die organisatorische und rechtliche Präformierung der Erscheinungsformen von Kunst weitaus schwächer entwickelt ist als jene im Wissenschaftssektor. Einer Budgetrestriktion leistet diese Garantie jedenfalls keinen Widerstand.

9. Unterstützung der Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) In der Gewährleistung der Pressefreiheit hat das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit ebenfalls einen potentiellen „Leistungsbereich" auf der Grundlage einer Schutzpflicht entdeckt. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nämlich „nicht nur ein subjektives Abwehrrecht sondern (garantiert) auch als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt... In dieser Eigenschaft erlegt (es) dem Staat eine Schutzpflicht für die Presse auf und bindet ihn bei allen Maßnahmen, die er zur Förderung der Presse ergreift. Daraus folgt allerdings für den einzelnen Träger der Pressefreiheit noch kein grundrechtlicher Anspruch auf staatliche Förderung" 193. Es sieht den verbilligten Postzeitungsdienst als verfassungskonform an, bringt aber im übrigen vor allem die Sorge zum Ausdruck, daß bei der Förderung Einflußnahmen auf Inhalt und Gestaltung von Presseerzeugnissen und Wettbewerbsverzerrungen unterbleiben194. In der Konsequenz sehen Rechtsprechung und Schrifttum die Gefahr für die Pressefreiheit vornehmlich in der Pressekonzentration; ihre 191 Nach dem Bericht „Bildermüll" von Dirk Schümer in FAZ vom 04.11.1996; siehe weiter die einschlägige Darstellung von Fohrbeck (S. 72 ff.), die auch über ähnliche Bemühungen in den nordischen Staaten berichtete (S. 74 ff.). 192

Für Steiner (WDStRL 42 (1983), 7 ff., 34) ist „in der Kulturverantwortung des Staates einerseits und seiner Sozialverantwortung andererseits eine eher konfliktträchtige Rollenzuweisung zu sehen". Man mag gar nichtfragen, ob nach einer Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG vielleicht auch die Ressortzuständigkeit für die Hochschulen in einem anderen Licht erscheint... 193 194

BVerfGE 80,124 ff, 133.

E 80, 124 ff., 132 ff. Zum Verbot der Einflußnahme durch Pressesubventionen siehe auch Bleckmann, Staatsrecht II, S. 820 f.; Jarass Rn. 30 zu Art. 5, und in der folgenden Fußnote vor allem OVG Berlin, Degenhart, Hoffinann-Riem und Starck.

288

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt

Abwehr erfordert keine pauschalen Unterstützungsmaßnahmen nach dem „Gießkannenprinzip", sondern bedingt gezielte Hilfe für die schwächeren Partizipanden - und das bei strikter inhaltlicher Neutralität 195. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht als Schutzpflichtgebot heutigem Grundrechtsverständnis und macht Rückgriffe auf weniger präzise Regelungsgrundlagen entbehrlich 196. Eigentlich leistungsrechtlichen Charakter weist er damit trotz des einschlägigen Hinweises des Bundesverfassungsgerichts nicht auf 197 ; bei finanziellen Hilfemaßnahmen wie ζ. B. den Verbilligungen im Postdienst steht die umhegende Funktion doch im Vordergrund. Von einem Leistungsrecht wäre die Rede allenfalls dann, wenn man aus dem Grundgesetz etwa Ansprüche auf die Gewährung der Mindestvoraussetzungen für die Gründung einer Tageszeitung ableiten wollte 198 . Aber daran denkt heute niemand im Ernst...

10. Gewährleistung der Rundfunk- und Fernsehfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Gänzlich anders sah es - und etwas anders sieht es immer noch - im Bereich der Freiheit von Rundfunk und Fernsehen aus: Nach den zahlreichen Fernsehurteilen des Bundesverfassungsgerichts 199 garantierte das Grundgesetz ursprünglich das staatsfreie, aber gleichwohl öffentlich-rechtlich verfaßte Medium „Rundfunk und Fernsehen" und stellt mit der Zunahme der Sendemöglichkeiten und dem Aufkommen der Privatsender heute immer noch die öffentlich-rechtliche „Grundversorgimg" sicher. Es war die Knappheit der Freiheitsvoraussetzungen, die zu dieser speziellen Form staatlicher Schutzgewähr durch Organisation führte 200. Es versteht sich, daß der Staat für die Finanzierung dieser „Träger der 195

Siehe zu dieser Problematik OVG Berlin NJW 1975, 1938 ff.; Degenhart Rn. 449 f. zu Art. 5 Abs. 1 und 2; Grimm, Grundrechte und soziale Wirklichkeit, S. 46; Hoffmann-Riem Rn. 163 zu Art. 5 Abs. 1,2; Jörg P. Müller S. 162 f.; Müller/Pieroth/Fohmann S. 127,145 (ansatzweise); Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 498 f.; ders. Rn. 20 (mit Rn. 82) zu Art. 5 Abs. 1,2. 196 Vergi, aber Friesenhahn (S. G 27 f.), der die Wahrung der Pressevielfalt eher aus dem Demokratiegebot ableiten will; ähnlich Schwabe S. 276. Auch Krüger hatte einmal die Möglichkeit einer Finanzierung der Presse wegen Nichterfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe zur Diskussion gestellt (WDStRL 22 (1963), 194 - Aussprache -). 197 Zu dieser Abgrenzung bei Schutzpflichten siehe Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 66 Fn. 228; Jarass Rn. 49 a zu Art. 2; Hans H. Klein, DVB1. 1994, 489 ff., 497; auch Maurer S. 272 („Die Schutzpflicht erfordert in der Regel ein staatliches Tätigwerden, muß aber von der Leistungstätigkeit des Staates im sozialen und im wirtschaftlichen Bereich unterschieden werden ..."); im Ergebnis wie hier auch Starck R. 20 zu Art. 5 Abs. 1, 2. Die Schutz- und Förderpflicht nach Art. 7 Abs. 4 GG trüge, so wie das Bundesverfassungsgericht sie versteht (vergi. E 75,40 ff., 62,66; 90,107 ff., 117; dazu Pieroth Rn. 20 zu Art. 7), dagegen klar leistungsrechtlichen Charakter, vergi. Jach S. 94 f.: Art. 7 Abs. 4 GG ist „in seiner leistungsrechtlichen Komponente eine Ausnahme im Grundrechtsensemble". Die Gewährleistung des Existenzminimums folgt dagegen aus dem ausdrücklichen Schutzgebot des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, vergi. Maunz/Zippelius S. 176. 198 Dazu wieder Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte (§ 112), Rn. 101; zu diesem „sozialstaatlichen" Verständnis der Norm auch Böckenförde, NJW 1974,1529 ff., 1536. 199

Beginnend mit BVerfGE 12,205 ff.

200

Vergi. Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht, S. 488 f.

12. Kap.: Leistungsstaatliche Entwicklungen

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Ersatzfreiheit" Sorge zu tragen hat, wobei die adäquate Sicherung der öffentlich-rechtlichen „Grundversorgung" einen Verzicht auf die Gebührenfinanzierung ausschließt201. Aber dadurch wird diese Freiheitsnorm nicht zu einem Leistungsgrundrecht, wofür u. a. symptomatisch ist, daß Leistungen aus dem Haushalt wegen möglicher Gefahrdung der Unabhängigkeit des Rundfunks sogar ausgeschlossen sind202. Diese Grundrechtsvorschrift ist eine reine Schutz- und Sicherstellungsnorm.

201 Dazu BVerfGE 74, 297 ff., 342; 83, 238 ff., 310 ff.; 90, 60 ff., 90 f.; Bethge, JöR 35 (1986), 103 ff., 110; Degenhart Rn. 631 zu Art. 5 Abs. 1 und 2; Herzog Rn. 239 ff. zu Art. 5 Abs. I, II (breiter Entscheidungsspielraum für den Gesetzgeber); Hoffmann-Riem Rn. 180 ff. zu Art.5 Abs. 1, 2; Jarass Rn. 47 zu Art. 5 (gegen Herzog: vornehmliche Werbefinanzierung unzulässig); Pieroth/Schlink Rn. 578 zu: „Rundfunkfreiheit"; Wendt Rn. 48 zu Art.5. 202 So Bleckmann, Staatsrecht II, S. 841 ff.; Hoffmann-Riem Rn. 181 zu Art. 5 Abs. 1,2. Gegen ein Leistungsrecht auch Jörn Ipsen Rn. 430.

19 Kratzmann

13.

Kapitel

Verfassungsökonomik, Verfassungsrecht und „ Vorbehalt des Möglichen" 1. Leistungen der Verfassungsökonomik Auf die Fragen nach den wahren Ursachen der Staatsverschuldung und nach wirksamen Mitteln, den Politikern und vielleicht auch den Wählern die Freude an ihr zu nehmen, können realistische und phrasenabgeneigte Verfassungsökonomen einigermaßen brauchbare Antworten geben, bei unzulänglicher Empirie ggf. bloß unter Zugrundelegung des denkbar schlimmsten Falles. Ihre Wissenschaft versucht Institutionen für die Menschen und Politiker zu ersinnen, wie sie wirklich sind. Damit wird zugleich die vertragstheoretische Grundlegung der Verfassung durch die Verfassungsökonomik (im Sinne Buchanans vor allem) als ein - wohlgemerkt sehr sublimer - Legitimationstest1 für Veränderungen gerade im hier interessierenden Fall der Staatsverschuldung bedeutungsvoll. Denn die - wie auch immer lautende - Budgetrestriktion würde abgehoben von dieser Wirklichkeit und rechtslogisch „vor" ihr auf der Verfassungsebene festgelegt werden müssen. Politiker und Wähler, „wie sie wirklich sind", haben der unablässigen Kreditaufnahme auf der politisch-parlamentarischen Ebene eben nicht - durch Beschlüsse und Ausgabenverweigerungen die einen bzw. mit Hilfe des Stimmzettels die anderen - den Garaus gemacht, sondern aus einer Mischung von Kalkül, Eigennutz, Unwissenheit, Desinteresse, aber auch Machtlosigkeit und folglich nolens volens, sie gewollt, akzeptiert und hingenommen. Die Feststellung, daß sie „kaum im gemeinsamen Interesse der betroffenen Bürger liegen dürfte", ist daher „nur" eine normative2, und die Frage nach der generationenübergreifenden Rationalität der Verschuldung ist längst im negativen Sinne beantwortet und stellt heute allein das Legitimationsproblem für Veränderungen in anderer Form neu3. Auf der Ebene der Verfassungsgebung ist selbst im Abstand zu aktuellen Finanzierungswünschen und -sehnsüchten der Konsens über die Einführung der Budgetrestriktion gewiß nicht leicht herbeizuführen, aber in Anbetracht der verheerenden, immer deutlicher werdenden und alle Politik bestimmenden Folgen der Staatsverschuldung zumindest heute weit eher denkbar als vor dreißig Jahren. Ein Verfassungsvertrag aller rational denkenden Staatsbürger beließe daher vermutlich das geltende einschlägige Normenwerk des Grundgesetzes nicht mehr dort; der verfassungsändernde Ausschluß der Kreditaufnahme würde somit - als die gewissermaßen in konkrete Rechts1

Vergi, oben im 1. Kapitel Fn. 42 und im 5. Kapitel den Text zu den Fn. 27 ff.; siehe auch Morlok S. 4: „Die Untersuchungsrichtung der Ökonomischen Theorierichtetsich auf die Zustimmungsbedingungen aller für eine bestimmte Regelung ..."; ähnlich Vaubel, Korreferat, S. 311. 2

Vanberg S. 114.

3

Vergi. Kirchner, Konferenzergebnisse, S. 321.

13. Kap.: Verfassungsökonomik

291

technik umgesetzte Modifikation des ursprünglichen „Gesellschaftsvertrages" - die Legitimation für Mehrheitsentscheidungen zugunsten der Staatsverschuldung beseitigen4. Bei ehrlicher Sicht stellt das eine begrenzte Flucht vor den Steuerungs- und Verteilungsproblemen des spätmodernen Staates dar5; aber letztlich sollte die Verfassung schon immer auch Probleme ausklammern.

2. Zurückhaltung bei der Grundrechtsinterpretation Die außerordentlich zurückhaltende leistungsrechtliche Interpretation der Grundrechte paßt in dieses Schema. Der Konsens der Bürger auf der Verfassungsebene über die Begründung reiner Freiheitsrechte, d. h. über den vom Staat und von den Mehrheitsentscheidungen ausgesparten Raum, dürfte leichter herzustellen sein als der über Zahlungs- und Leistungsfixierungen 6. Mit dieser Feststellung stimmt überein, daß die historische Interpretation praktisch keine leistungsrechtlichen Aspekte ergeben hat. Nun ist die historische Verfassungsgebung nicht identisch mit dem Produkt des abstrakten Konsenses auf der Verfassungsebene im Sinne der Verfassungsökonomik: „Die Theorie des Gesellschaftsvertrages ist nicht ein Versuch, Realität zu erklären, sondern Realität an einem Legitimitätskriterium zu messen"7. Aber so weit ist das Ergebnis der Beratungen des Parlamentarischen Rates von den „Legitimitätskriterien" auch nicht entfernt... Aus dieser Zurückhaltung folgt, daß zumindest der harte „Vorbehalt des Möglichen" auch nur sparsam zum Einsatz kommt, weil schon vorher die Haushaltsgewalt des Parlaments sich gleichsam „wie ein Bleigewicht" an alle leistungsrechtlichen Konkretisierungsbemühungen gehängt hatte, die in Anbetracht der meist dürftigen Normgrundlage ohnehin selten kräftig genug waren.

3. Bedeutung des „Vorbehaltes des Möglichen44 Eine Zusammenfassung der Wirkungen dieses mehrschichtigen Vorbehaltes ausreichender Finanzmittel führt zu der folgenden Übersicht:

4

Hierzu Vaubel S. 312 (gegen Sobota S. 306 f.). Dieser grundlegenden Vorstellung Buchanans entspricht letztlich auch der Gedanke Vaubels (S. 313 f.), für die Erweiterung des Umfanges der Staatstätigkeit, besonders des Sozialstaates, oder für die Erhöhung der Besteuerung ein Referendum oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu fordern, jedoch für den umgekehrten Weg der Reduzierung der Staatskompetenzen die einfache Mehrheit genügen zu lassen. 5

Zu diesen siehe Schuppert, Der Staat 28 (1989), 91 ff., 100 ff.

6

Vergi, schon oben im 10. Kapitel Fn. 34.

7

Vaubel S. 312; auch zuvor schon deutlich Buchanan, The American Economic Review 77 (1987), 243 ff., 249. 19*

292

3. Teil: Das Gewicht der Haushaltsgewalt a) Sicherung des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 16 a GG)

Ein weicher Vorbehalt des Möglichen ist in der Gesetzgebung zum Sozialhilferecht wirksam. Die schwankende kommunale bzw. staatliche Leistungsfähigkeit findet sich wieder in wechselnden Regelsätzen, wobei das allgemeine Anspruchsniveau und die gängigen Vorstellungen über ein menschenwürdiges Dasein die Erwartungen an die öffentliche Hand nicht unwesentlich beeinflussen. Entsprechendes gilt bei geminderten Leistungen ebenfalls für das Asylbewerberleistungsgesetz. Eine unerwartete, in ihren Ausmaßen gewaltige Inanspruchnahme auch des neuen Art. 16 a GG, der in offener verfassungsrechtlicher Anerkennung des nur begrenzt „Möglichen" den alten Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG abgelöst hatte, könnte wegen der im Extremfall überwältigenden Kostenfolgen nicht grundrechtsimmanent auf einfinanziell erträgliches Maß zurückgeführt werden; das Grundrecht bietet hierfür keinen Anhaltspunkt. Es müßte vielmehr im Konflikt zwischen ihm und den Erfordernissen der geordneten, schuldenfreien Haushaltswirtschafi (Art. 109 Abs. 2 GG mit der neu eingeführten Budgetrestriktion) und ggf. konkurrierenden anderen Grundrechten als harten Vorbehalten des finanziell noch Möglichen die allseits am ehesten erträgliche Konkordanz gesucht werden. b) Das Recht auf einen Studienplatz (Art. 12 Abs. 1 GG) Dieses Recht wird durch den staatlicherseits jeweils vorgehaltenen Bestand an Ausbildungsplätzen begrenzt. Ein „Vorbehalt des Möglichen" findet daher grundsätzlich keine Verwendung; es fehlt an einer den Bestand übergreifenden staatlichen Leistungsverpflichtung, die einzugrenzen wäre. c) Förderung der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) Lange Zeit stellte das Bundesverfassungsgericht die in ihrer rechtlichen Konstruktion außerordentlich unterschiedlichen, ja disparaten, aber dennoch unter dem Begriff „Förderung" zusammengefaßten Hilfsmaßnahmen zugunsten der Familie einheitlich unter den „Vorbehalt des Möglichen". In Ermanglung eines verbindlich vorgegebenen Zielniveaus der Förderung und in Anbetracht des daraus resultierenden weiten gesetzgeberischen Freiraumes konnte er allerdings nur als ein sehr weicher qualifiziert werden. Heute wendet das Bundesverfassungsgericht den Art. 6 Abs. 1 GG schlicht als (besonderen) Gleichheitssatz mit Meistbegünstigungsgebot an; diese Konstruktion entzieht sich jeder Variante des Vorbehaltes. d) Subventionierung der privaten Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 GG) Ein Anspruch auf finanzielle Förderung privater Ersatzschulen ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen, womit der Vorbehalt a priori entfallt. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zuletzt gewählte reduzierte Hilfe in Gestalt einer Art „Ausfallbürgschaft"

13. Kap.: Verfassungsökonomik

293

bei Gefährdung des grundsätzlichen „Bestandes des Ersatzschulwesens" ist dogmatisch nicht tragfähig und auch als besondere Form einer gewissen „Einsparung" nicht haltbar. Ein vom Bundesverfassungsgericht noch zusätzlich „draufgesetzter" Haushaltsvorbehalt kann unter diesen Umständen nur als ein sehr harter „Vorbehalt des Möglichen" bezeichnet werden8. e) Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit, Förderung der Kunst (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) Abgesehen davon, daß diese Freiheitsgarantien Extremeingriffe kulturrevolutionären Charakters verbieten, verlangen sie weder die Errichtung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen bzw. die Unterstützung von Künstlern noch hindern sie den Abbau entsprechender Einrichtungen bzw. einschlägiger Förderprojekte. Die Norm legt insoweit allein Schutzpflichten auf, welche von einem leistungsrechtlichen „Vorbehalt des Möglichen" nicht erfaßt werden. f) Unterstützung der Presse und Gewährleistung der Rundfunk- und Fernsehfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Diese Norm enthält in haushaltsrechtlicher Hinsicht gleichfalls allein Schutzpflichten bzw. Gewährleistungsgebote, die dem „Vorbehalt des Möglichen" nicht zugänglich sind. Selbstverständlich kosten auch diese Aufgaben Geld, welches knapp werden kann. Doch der spezifisch leistungsrechtliche „Vorbehalt des Möglichen" ist nicht das Vehikel, welches diese allgemeine und überall verbreitete Knappheit zu bewältigen bestimmt ist.

4. Ökonomik und verfassungsrechtlich Mögliches Beim Ergebnis kommen die beiden Wissenschaften über den „nervus rerum", die Finanzen, wieder zusammen. Wenn nicht die (Lehrmeinungen der) Ökonomie, so hat doch die Verfassungsökonomik in ihrer ordnenden, Dynamik steuernden Funktion einer Selbstbescheidung zur Geltung verholfen, die Art. 109 Abs. 2 GG beirichtigem Verständnis auch zum Ziele hatte und die mit seiner Hilfe die Argumentationsfigur des „Vorbehaltes des Möglichen" in ihrem Anwendungsbereich konstruieren kann. Eine Budgetrestriktion erleichtert diese Aufgabe, weil sie zusammen mit Art. 109 Abs. 2 GG den Optimismus der Ökonomen und die Schwäche der Normanwender und Norminterpreten an der Entfaltung in die falsche Richtung hindert.

8 Oder umgekehrt nach der Ansicht Jachs nur als ein begrenzt wirksamer, vergi, oben im 9. Kapitel Fn. 38.

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Huber Rauschning Starck Tettinger Wahl

S.141 ff. S. 113 f. S. 103 f. S. 104 ff. S.117 ff.

Sachregister Amsterdam, Vertrag von 186 „an sich"-Rechte 224 Anspruch auf - das Existenzminimum 242 ff., 292 - das Existenzminimum für Asylbewerber 250 ff., 292 - einen Studienplatz 198 ff., 209, 255 ff., 279, 292 - Familienforderung 262 ff. - Förderung einer privaten Ersatzschule 202 ff., 209,274 ff., 292 f. - Grundausstattung an staatlichen Hochschulen 282 f. - Förderung der Kunst 284 ff., 293 - Unterstützung der Presse 287 f., 293 Außerparlamentarische Kontrolle der Finanzpolitik durch den Kapitalmarkt 184 balanced budget 154 Fn. 61,157 ff. Bankrottfähigkeit des Staates 183 f. - Herstellung der B. 181 ff., 189 f. - durch Verlust seiner Bonität 183,185 f., 191 - Aufnahme in die Verfassung 185 f. Berufsbeamtentum 266 f. Betriebswirtschaftliches Rentabilitätsdenken in der Verwaltung 164, 167 Fn. 41 Bonität des Staates 182 f., 190 Bonitätsrisiko in der Währungsunion 189 f. Budgetierung 168, 240 Budgetlücke (primary gap) 69 Budgetrestriktion 15, 22, 124, 133 Fn. 85, 159, 194, 208,211,235,255,274,293 - und Leistungsgrundrechte 15, 31, 194 f., 239 - und Vorbehalt des Möglichen 208,213, 255 burden of the debt 65 f. Constitutional Economics 23 Constitutional Political Economy 23

Crowding-in 85 Crowding-out 77 ff., 92, 102 - im Aufschwung 84 - in der Rezession 84 Darlehnsgeber als „homo oeconomicus" 191 Demokratieprinzip 114 ff, 132,235 - und Vergabe der Macht auf Zeit 114 ff, 143 - als Grundlage von Herrschaft 119,235 - Relevanz des D. auch bei Nachrangigkeit 121 Differentialwirkungen (von Steuern bzw. Krediteinnahmen) 34 ff, 58, 75, 79,90,94,108 - bei fixem Budgetvolumen 34 ff. - bei Budgeterweiterung 37 f. - beim strukturellen Defizit 52 ff. Distanz - zwischen Steuerstaat und Leistungsstaat 165 f. - Kritik an der D. 166 Dogmatik, begrenzte Wirkung bei Leistungsgrundrechten 193 Fn. 7,218,226,228 Dominoeffekte staatlicher Eingriffe 102 Eigennutz 145 ff. - und öffentliches Interesse 146 f. - von Politikern und Amtsträgem 147 ff, 159 - und Budgetausweitung 148 f. Eigenwert der geordneten Haushaltswirtschaft durch Art. 109 Abs. 2 GG 133, 135 ff, 194, 196, 250, 255,293 Einschränkung der Staatsaufgaben 160 ff. - durch Steuerentzug 170 ff. Ermessensmißbrauch durch Politiker und Beamte 141 ff. „Ersatzschulwesen" („Institution der Ersatzschule") als Förderungsobjekt 203 ff., 226, 274,276,293 Europäische Schuldenbegrenzungsnormen 70, 178 Fn. 90,186 ff.

338

Sachregister

Existenzminimum

Grundrechte

- zum Leben 242 ff., 292

- als Bestandsgaranten („Sperrklinkeneffekt") 229 ff. - beim Existenzminimum 243 ff. - und verfassungsökonomischer Nutzen 27

- fur Asylbewerber 250 f., 292 - der Familie 268,270 ff. - des Ersatzschulwesens (der Institution der Ersatzschule) 203,205 f. Familienförderung 262 ff. Fesselung des Leviathan 172 Finanzabhängigkeit von Leistungsgrundrechten 31, 194,239 f. Finanzverfassung, Unzulänglichkeit der 28, 108 ff., 111 ff. Fragmentierung des amerikanischen Regierungssystems 140,158 Garantie der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1GG) 278 ff., 293 - und wissenschaftliche Grundausstattung 282 - keine förderrechtliche Norm, sondern Schutzpflicht 284, 293 Geldentstehung auf dem Markt 176 f. - durch staatliche Schuldenproduktion 177 f., 181 Geldpolitik der Zentralbank 81,182 Generational Accounting (generational accounts) 16 Fn. 6, 57 Fn. 118 Gerechtigkeit der Lastverteilung zwischen den Generationen 17, 58 ff., 103 f., 117,208 Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Art. 109 Abs. 2 GG) 38,39,97 ff., 99 ff., 104 ff., 107, 108 ff, 111 ff, 135 ff, 196,261 Gewährleistung der Rundfunk- und Fernsehfreiheit 288 f., 293 - als bloße Schutzpflicht 289 Gewaltenteilung 144,211 ff. Gewinnung und Erhaltung der Macht 149 ff. Gleiche Rechte anderer (Art. 2 Abs. 1 GG) 118, 236 ff, 255 Gleichheitssatz, allgemeiner (Art. 3 Abs. 1 GG), im Verhältnis der Generationen untereinander 103,118,238 - Relevanz des G. auch bei Nachrangigkeit 121 f.

Harmonie zwischen Finanz- und Gesamtrechtsordnung 125, 127,134,137, 191,197,210 siehe auch unter „Homogenität" und „Konkordanz" - beim Asylgrundrecht 250 - und allgemeiner Maßgabevorbehalt 128,258 Haushaltsausgleich, formeller 108,110 f. Haushaltsausgleich, materieller 172 ff. - als öffentliches Gut 158 - Probleme des Kreditaufnahmeverbotes beim H. 172 f., 174 ff. Haushaltsgewalt, Interpretationsvorrang der 134 f., 193 f., 211 ff, 214,233,291 Haushaltshoheit des Parlaments 256,262 Haushaltsnettobeitrag 67 Hausväterliche Verschuldungspolitik 28, 71 Fn. 221,128 Homogenität der Finanzverfassung mit der gesamten Verfassungsordnung, strukturelle 75, 124, 125 ff., 131 f., 133 f., 200, 202, 206 f., 210,249,254 siehe auch unter „Harmonie" und „Konkordanz" - Komponenten der H. 206 f. - Verzicht auf H. 202,206 f., 233 f. homo oeconomicus als Vorbild eines rationalen Darlehnsgebers 191 Ideologische Schuldendebatte 74,101 Impuls, konjunktureller 53 ff. Indikatorwirkung der Zinszahlungen 73 „infallibilisti" 182 Institutionelle Nachteile der Parteiendemokratie 143 ff. Institutionenökonomik 20 ff, 147,159,174,186, 187 - moderne 19,21,22 - Neue 22,25,109,141

Sachregister - und Zielgenauigkeit ihrer Instrumente 174 Interpersonelle Verteilungswirkungen der Schuldenzinszahlungen 88 ff. Interpretatorische Einholung eines „Rückstandes" bei Leistungsgrundrechten 217 Investitionsgüter 55 ff., 92 - Definition 56 - Nutzen für spätere Generationen 58 f., 117 Kapazitätsabbau an Hochschulen 259 ff., 281 f. Kapazitätserschöpfung 201,225,258 f. Kategorischer Imperativ 123,238 f. Käuflichkeit der Wähler durch kreditfinanzierte Wahlgeschenke 151 ff. ,»Kleinreden" der Staatsverschuldung 47 Fn. 58, 64 f.

Konsolidierungsbedarf 37,48,69 Konsolidierungsschäden 51 Konstitutionelle Politische Ökonomie 23,72,161 Konstruktionsmängel der Finanzverfassung, intendierte 20 Fn. 13,107, 156 Kosteneinsparungen durch Ersatzschulen 277 f. „Kreative Buchführung" der EU-Finanzminister 188 Kredite für allokative Zwecke 49 f., 96 Kredite für distributive Zwecke 49 f., 96 Kunstförderung 284 ff. - als Schutzpflicht, nicht als Leistungsverpflichtung 287, 293 Leistungsfähigkeit, elterliche 266,268,270,273

Klientelwirtschaft 150 „Kneifen" vor der haushaltswirtschaftlichen Verantwortlichkeit 122 f.

Maastricht-Vertrag 32,70,186 - Konvergenzkriterien des M. 186 ff. Maßgaberecht 258

Kollision zwischen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG 279 Kompromißlösungen, leistungsrechtliche 220 ff., 258 Konjunkturpolitik - Abgrenzung der Schulden durch K. gegenüber strukturellen Defiziten 61 ff. - aktive 39 ff., 45 ff., 54,92 - restriktive Bedingungen für Gelingen 45 - antizyklische 40,47, 62, 107 - passive 39,92 - durch Schulden 39 f., 76 f. - und „Fontänen"-Wirkung 43 f. - Bedeutungsverlust der stabilisierenden K. 46 f., 72 - Illusion der Selbstfinanzierung der K. 43 f., 155 Konjunkturzyklus 43 Konkordanz zwischen Finanz- und übriger Staatsverfassung 24,133, 136,196 f., 234,254 siehe auch unter „Harmonie" und „Homogenität" - speziell: K. zwischen Grundrechten und einer geordneten Haushaltswirtschaft 136 f. Konsolidierung 18, 38,65,77,97 Fn. 17

Maßgabevorbehalt 128,132 Fn. 83,258 Materielles Verfassungsrecht 222 f. Mehrparteienregierungen 144 Methodologischer Individualismus 23,116,159 Fn. 82 Modifizierung öffentlich-rechtlicher Pflichtbindungen durch die Verfassungsökonomik? 146 Multiplikatoreffekt der aktiven Konjunkturpolitik 42 f. „Mutation" der Grundrechte 192,195 f., 278 - Ablehnung der M. 211 ff. - Untauglichkeit der Grundrechte zur M. 214 Neue Politische Ökonomie 24 Neues Steuerungsmodell 164 Fn. 25,167 ff. - und Produkt 167 f. Normalverschuldung des Sachverständigenrates 53 f. Normativität der Lehren der Institutionenökonomik 21 f., 23,24 Fn. 26,25 Normenhäufung, Begründung von Ansprüchen durch 223 f. Nutzen von Schulden 18,45

340

Sachregister

Ökonomische Theorie der Politik 25,109 Fn. 6 Ökonomische Theorie der Verfassung 24 f. Ordnungsökonomik 24

Schutzpflichten und Schutzansprüche 194 Fn. 8,

Parlamentarischer Rat und Ablehnung von Leistungsgrundrechten 215 f., 256,276,291 Positivität der Aussagen der Institutionenökonomik 21

217,259 Fn. 71,284,287,288,289,293 Selbstbeschränkung jeder Generation 15,117 Selbstdisziplinierung der Haushaltswirtschaft 31 Selbstdurchsetzung von Normen 155 f., 185 Sondervermögen 17 Fn. 7, 96 f., 114 Sozialstaatsprinzip 99, 136 Fn. 91, 141,227 ff., 233,242 ff., 258,267 ff., 278

Präambel des Grundgesetzes 118 Präformierter (a priori beschränkter) Grundrechtsanspruch 225 f., 244 Primärüberschuß 69,93

- als dogmatische „Auffangstellung" 227 ff. Spielraum für die Finanzwirtschaft 63 ff. - Aussichtslosigkeit jeder Erweiterung durch Kreditaufnahme 70 f., 93

Principal-Agent-Theorie (Agency-Theorie) 21, 141 ff., 149

- Berechnung 65 ff. - Erweiterung 38,64 Staatliches Schuldengeld 176 ff. Staatsaufgabe

Prinzip der Verallgemeinerung 236 f., 238 Fn. 15, 247,252, 255 Privatisierung 17,161,164 Produktionspotential 42 Prohibition 138 f. Property-Rights-Theorie 21 Quote - benötigte Primärüberschußquote 69 - Finanzierungsquote 68 - Schulden-BSP 68 - Schulden - BSP zur Wachstumsrate 68 - Zinslastquote 17 Fn. 7, 67 - Zinsen-BSP 65 f. - Zins-Steuerquote (Schuldendienstkoeffizient) 67 - Referenzquoten in der EU 70, 186 ff. Rationalität der Wähler 152 ff. Referenzwerte des Maastricht-Vertrages 70, 186 ff. „Reise nach Jerusalem" (bei der Ermittlung der zu fordernden Glieder des „Ersatzschulwesens") 205 Relationaler Charakter einer Verfassung 107 Richterrecht 219 f. Schleier der Unkenntnis (Buchanan) 116 Schuldenabbau (Tilgung) 18, 35 ff., 40, 48, 51, 71,75 Fn. 239

- der Finanzierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 75,97 ff., 102 - der Verschuldung 94,97,99,103 f., 107 Staatsaufgaben, Reduzierung der 160 ff. Staatsaufgabenlehre 161 ff. - normative 161 f. Staatsquote 37 f., 45,49 ff., 74,101, 103 Staatsversagen 24 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz 39, 98, 105, 149 Fn. 42 Steuerentzug 170 ff. Steuerglättung 49,175 Steuerzahlerrevolte 170 Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 103, 105 Fn. 49,113 Strukturelle Verschuldung 48 ff. Sustainability 69 f., 96 Tilgung (siehe Schuldenabbau) Transaktionskostenökonomik 21 Transferansatz 89 Transferleistungen 96,177,187 Fn. 146 - bei der Familienförderung 264 f. Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung 49, 175 Überkonsolidierung 40 Fn. 18 Unmerklichkeit der Kreditfinanzierung 150

Sachregister Unterstützung der Presse 287 f. Vorbehalt des Möglichen 29,123 ff. - Schutzpflichtgebot aus Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG - als Argumentationsfigur 131 288,293 - als Kurzformel für rechtliche Finanzierungsvorbehalte 131 f. Verbot der Kreditaufnahme, unterstelltes 30,190 Verdrängungskampf zwischen Grundrechten 195, 253 f. Verfassungsauftrag zur Bereitstellung von Studienplätzen 198 f., 240 - als Hypothese 198,200 f., 207 f., 218,231 - evidente Verletzung des V. 199,202,256 Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung 108ff., 111 ff. Verfassungsökonomik 20 ff, 25,56 Fn. 110,75, 109,116,121,147 f., 156 f., 168 f., 174,178, 249 f., 290 f. - Aufgaben der V. 28,155 ff. - Nutzenbegriff der V. 26 ff. - und Budgetrestriktion 28, 156,290 f. - und Demokratieprinzip 121 - und Vorbehalt des Möglichen 290 f. Verfassungsvollzug, Reduzierung des Gesetzgebers auf 213 f. Versagen der Finanzverfassung 108 ff, 111 ff. Verschuldung - aus Anlaß der Wiedervereinigung 95 ff. - als Kompetenz 100 - als Machtausübung 101 f. Verschuldungsgeneigtheit - der Armen 91,154 - der älteren Generation 59, 154 Versorgungs- und Pensionslasten 16,117 Fn. 32, 155, 177,187 Fn. 146 Verstöße gegen EU-Referenzwerte 188 f. Vertragstheorie - nach Buchanan 21 ff, 116 - nach North (und Hobbes) 22 Vertrauensschutz 133,205,210,246 Fn. 23,278

-

als Leerformel 131 auf Gesetzesebene 125,133 auf Verfassungsebene 125,133,252 f. Gleichsetzung des Möglichen mit Steuermitteln 127 ff. - Ökonomik und V. 293 - und Homogenitätsproblem 124 f. - und Leistungs- und Teilhabegrundrechte 131 f., 193 f., 213,255,256,291 ff. -

und Existenzminimum 246,292 und Asylgrundrecht 252,292 und Art. 12 Abs. 1 GG 199 ff, 224,292 und Familienförderung 268,271,273,292 und PrivatschulfÖrderung 206, 292 f. und Freiheit der Wissenschaft 280, 293 und Freiheit der Kunst 293 und Presse- und Rundfunkfreiheit 293 und Rechte anderer (Art. 2 Abs. 1 GG) 124 f., 238 - Varianten des V. 132 ff. - harter V. 133,196,206,255,291 ff. - weicher V. 134,194, 196,292 Wachstumsschwäche 52 Währungswettbewerb 178 ff. - zwecks Sonderung der zivilen Marktwährung von der staatlichen Schuldenwährung 181 Wandel des Grundrechtsverständnisses 196 Zeithorizont 143 Zins als Geldpreis 81 ff. Zinslasten 17 Fn. 7,36 f., 44, 56, 65 f. Zinsrobustheit des Staates 83 Zinssteuer 37