Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen 9783110216851, 9783110208153

The main focus of the present collected volume is placed on early medieval personal names, which are examined for their

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Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen
 9783110216851, 9783110208153

Table of contents :
Frontmatter
Inhalt
Vorwort
Eröffnungsvortrag
Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund
Kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit
Sprache und Namen der Wandalen in Afrika
Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts
Die langobardische Anthroponymie zwischen Germania und Romania
Spuren der Vorzeit: Die Flussnamen Sachsen-Anhalts und andere Namengeschichten
Das Forschungsprojekt ‚Altgermanische Toponyme‘, Die Probeartikel AITUI, LUGIDUN und OSAND
Lexikographische Bearbeitung der aus Ortsnamen erschlossenen slawischen Personennamen (am Material des ehem. altsorbischen Sprachgebietes)
Nochmals zu Thietmars Umgang mit slavischen Namen in seiner Chronik
Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande – Betrachtungen zu einem angeblichen Gaunamen im elbslawisch-deutschen Berührungsgebiet
Probleme der Erschließung von Orts- und Personennamen in mediävistischen Quellenwerken zum Alpen-Adria-Raum
Anthroponymie et migrations: les difficultés d’une enquête
Namenüberlieferung und Personennennung im Kontext. Bedingungen und Möglichkeiten von Erfassung und Auswertung in der Datenbank „Nomen et gens“

Citation preview

I Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen

II

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer

Band 66

Walter de Gruyter · Berlin · New York

III

Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen Herausgegeben von Albrecht Greule und Matthias Springer

Walter de Gruyter · Berlin · New York

IV

Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt

ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-020815-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

© Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

Inhalt

V

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Matthias Springer Eröffnungsvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Thorsten Andersson Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund

9

John Insley Kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hermann Reichert Sprache und Namen der Wandalen in Afrika . . . . . . . . . . . . .

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Nicole Eller/Sabine Hackl-Rössler/Jürgen Strothmann Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts. Das interdisziplinäre DFG-Projekt „Die merowingischen Monetarmünzen als interdisziplinärmediävistische Herausforderung – eine Projektskizze“ . . . . . . . .

121

Maria Giovanna Arcamone Die langobardische Anthroponymie zwischen Germania und Romania. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Albrecht Greule Spuren der Vorzeit: Die Flussnamen Sachsen-Anhalts und andere Namengeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Friedrich E. Grünzweig Das Forschungsprojekt ‚Altgermanische Toponyme‘, Die Probeartikel AITUI, LUGIDUN und OSAND . . . . . . . . . 159

VI

Inhalt

Inge Bily Lexikographische Bearbeitung der aus Ortsnamen erschlossenen slawischen Personennamen (am Material des ehem. altsorbischen Sprachgebietes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173

Ernst Eichler Nochmals zu Thietmars Umgang mit slavischen Namen in seiner Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189

Christian Warnke Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande – Betrachtungen zu einem angeblichen Gaunamen im elbslawisch-deutschen Berührungsgebiet

193

Reinhard Härtel Probleme der Erschließung von Orts- und Personennamen in mediävistischen Quellenwerken zum Alpen-Adria-Raum . . . . .

235

Monique Bourin/Pascal Chareille Anthroponymie et migrations: les difficultés d’une enquête

. . . .

251

Walter Kettemann/Christa Jochum-Godglück Namenüberlieferung und Personennennung im Kontext. Bedingungen und Möglichkeiten von Erfassung und Auswertung in der Datenbank „Nomen et gens“ . . . . . . . .

267

Inhalt

VII

Vorwort Vom 25. bis zum 29. Oktober 2007 fand in der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg die internationale Tagung zum Jahr der Geisteswissenschaften statt, deren Überschrift lautete: „Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen“. Die Veranstaltung vereinte Teilnehmer aus sieben europäischen Ländern. Sie fügte sich in die jahrelange Arbeit der Forschungsgruppe „Nomen et gens“ ein. Die Unterzeichner legen hiermit die Beiträge der Tagung in gedruckter und zum Teil erweiterter Fassung vor. Leider sahen sich Prof. Dr. J. van Loon (Antwerpen) sowie Prof. Dr. P. Beck und Dr. P. Chareille (Paris/ Nantes) nicht in der Lage, ihre Vorträge noch rechtzeitig druckfertig zu machen. Nicht vorgetragen wurden 2007 der Aufsatz von N. Eller, S. HacklRößler und J. Strothman sowie der von Ch. Warnke, die in diesem Band enthalten sind. Den Gegenstand der Untersuchungen bilden sowohl Namen von Örtlichkeiten (Fluß-, Orts- und „Gau“-namen) als auch Personennamen. Das behandelte Gebiet erstreckt sich von Skandinavien bis nach Nordafrika sowie von England bis ins nördliche und südöstliche Mitteleuropa. Ein wesentliches Ziel der Tagung war es, die Möglichkeiten und Grenzen der Datenverarbeitung innerhalb der Namenforschung zu zeigen sowie neue Vorhaben vorzustellen. Die Tagung selber wurde vornehmlich in Magdeburg vorbereitet. Die Erstellung dieses Bandes erfolgte vornehmlich in Regensburg, wobei die Druckfertigmachung in den Händen von Michael Faltermeier und Silke Schiekofer lag, denen wir für ihre wertvolle Mitarbeit danken. Ebenso gilt unser Dank dem Verlag de Gruyter und den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, die die Aufnahme des Tagungsbandes in diese Reihe ermöglichten. Januar 2009

Albrecht Greule Matthias Springer

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Inhalt

Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 1–8 © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Eröffnungsvortrag Berlin · New York

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Eröffnungsvortrag Matthias Springer

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich meine Begrüßung ausführlich wiederholen: Ich heiße Sie also in Magdeburg und genauer in der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg herzlich willkommen. Es ist mir ein Bedürfnis, besonders die Teilnehmer und Gäste zu begrüßen, die vom Ausland her den weiten Weg zur mittleren Elbe nicht gescheut haben und die möglicherweise zum ersten Mal die Stadt Magdeburg und das Land Sachsen-Anhalt besuchen. Wir sind versammelt, um über Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen zu sprechen. Unsere Tagung könnte nicht stattfinden, wenn sie nicht in großzügiger Weise von mehreren Seiten unterstützt worden wäre. Folglich komme ich einer angenehmen Pflicht nach, indem ich den Förderern zu Beginn meiner Ausführungen danke. Es sind dies: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die GerdaHenkel-Stiftung, das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt, die Kulturstiftung Kaiser Otto Magdeburg sowie die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Es fügte sich glücklich, daß das Jahr 2007 in Deutschland als das Jahr der Geisteswissenschaften begangen wird. Folglich dürfen geisteswissenschaftliche Unternehmen wie das unsere mit einer erhöhten Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung rechnen. Ich hoffe, daß diese Anteilnahme kein Strohfeuer bildet. Boshafte Gemüter könnten darauf verweisen, daß man am häufigsten von den Dingen spricht, denen man aus dem Wege gehen will. In der Tat ist die Stellung der Geisteswissenschaften gefährdet. Schon vor achtzig Jahren sagte der Philologe Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf: „Heißt es zu schwarz sehen, wenn uns die Furcht ankommt, die Universitäten könnten auf einen ähnlichen Zustand herabsinken, wie er vor 1810 nur zu oft gewesen ist, so daß sie nur den nötigsten Wissensstoff übermittelten und an ein politisches Credo gebunden würden, schlimmer als einst an ein kirchliches … Droht uns nicht die Geistlosigkeit der spätantiken Rhetorik, neben der nur das im Grunde tote Wissen der sieben freien Kün-

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Matthias Springer

ste stand, das den Geist verliert, auch wenn Spezialisten im einzelnen noch so große praktische Erfolge haben.“ Heute wird man hinzufügen müssen, daß es auch ein wirtschaftliches Credo gibt. Nun brauchen Sie nicht zu fürchten, daß ich in Wehklagen ausbrechen wollte – so beliebt dieses Tun auch sein mag. Ich folge lieber dem Satz: „Wer sich beklagt, Verklagt sich selbst und seine eigne Torheit.“ (Grillparzer) Vielmehr möchte ich daran erinnern, daß die Geisteswissenschaftler selber das Heft in die Hand nehmen müssen, wenn sie ihre Fächer aus der Gefahr bringen wollen, völlig an den Rand gedrängt zu werden. Welche Öffentlichkeit soll sich nämlich um Wissenschaften kümmern, die sich nicht um die Öffentlichkeit kümmern und denen der Ruf anhaftet, nichts „praktisch“ Verwertbares hervorbringen zu können? (Ob dieser Ruf berechtigt ist, haben wir hier nicht zu untersuchen.) Ehemals hieß der Inhaber des Amtes, das einer heutigen C 4- oder W 3-Professur entspricht, „ordentlicher öffentlicher Professor“; und unsere Vorgänger waren sich durchaus der Verpflichtung bewußt, die aus einem solchen Amt folgte. Lassen Sie mich das einem Beispiel zeigen: Zu den Marksteinen der sprachwissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts gehört August Schleichers Buch „Die deutsche Sprache“, das 1860 in der ersten Auflage erschien. In seinem Vorwort schrieb Schleicher: „Wäre es mir nicht geglückt, ein für jeden Gebildeten zugängliches und brauchbares Werk zu schreiben, so müßte es als ein verfehltes bezeichnet werden …“ Können Sie sich vorstellen, daß ein heutiger Wissenschaftler ähnliche Worte in einer Vorrede schriebe? Der Ärmste sähe sich sofort dem Verdacht ausgesetzt, gar keinen Beitrag zur hehren Wissenschaft zu leisten und wohl gar der Langweiligkeit die Eigenschaft abzusprechen, ein Ausdruck der Wissenschaftlichkeit zu sein. Übrigens behandelte Schleicher keineswegs nur die deutsche Sprache. Vielmehr ging er von glottogonischen Fragestellungen aus. (Den Gegenstand glottogonischer Untersuchungen bildet die Entwicklung der Sprache und des Sprechens der Menschen überhaupt, also von der Zeit der ersten Menschen an.) Auf jeden Fall steht in Schleichers Buch viel mehr, als der Titel verspricht. Heute hat man beim Vergleich wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit ihren Überschriften häufig das umgekehrte Erlebnis. Wir kehren aus dem 19. Jahrhundert in die unmittelbare Gegenwart – und mehr noch – in eben die Stadt zurück, in der wir uns befinden:

Eröffnungsvortrag

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Magdeburg wird von außen über das Mittelalter wahrgenommen. Bei Dresden oder Stuttgart, Potsdam oder Hannover ist das keineswegs der Fall. Man wird geradezu sagen dürfen, daß die Hauptstadt Sachsen-Anhalts mehr als jede andere der deutschen Landeshauptstädte in mittelalterlichen Bezügen erscheint. Auch beruft Magdeburg sich selber in zunehmendem Maße auf seine mittelalterlichen Wurzeln. Den deutlichsten Ausdruck dieses Sachverhalts bildet die hiesige „Kulturstiftung Kaiser Otto“, die 2003 gegründet wurde und die den Kaiser-Otto-Preis verleiht. Und mehr noch: Schon seit 1998 vergeben die Stadt Magdeburg und die Otto-von-Guericke-Universität zusammen den „Eike-von-Repgow-Preis“. Es ist mir ein besonderes Vergnügen, den ersten Inhaber dieses Preises, nämlich Herrn Eichler, als Teilnehmer unserer Tagung begrüßen zu dürfen. Die mittelalterlichen Bezüge ließen sich beliebig erweitern. Zum Beispiel richtete der Franziskanerorden schon 1228 eine Hochschule in Magdeburg ein, ein studium, wie die zeitgenössische Bezeichnung lautete. Hier wirkte seit 1231 der Bruder Bartholomäus. Während der vierziger Jahre schuf dieser Mönch eine Enzyklopädie, die Jahrhunderte in Gebrauch blieb und in der – soweit ich unterrichtet bin – noch Shakespeare nachschlug. Bartholomäus trug den Beinamen Anglicus. Das heißt, er stammte aus England wie Herr Insley, der jedoch leider nicht in Magdeburg, sondern in Heidelberg wirkt. Nun war Bartholomäus Anglicus nicht unmittelbar aus seiner Heimat nach Magdeburg gelangt, sondern über Paris, wo er als Hochschullehrer gearbeitet hatte, bevor es ihn von der Seine an die mittlere Elbe verschlug. Heute haben wir wie vor 775 Jahren die Ehre, Wissenschaftler, die aus Frankreich kommen, in den Mauern unserer Stadt empfangen zu dürfen: Frau Bourin sowie die Herren Beck und Chareille. Aus dem Gebiet Frankreichs im heutigen Sinne stammen die drei ältesten Nennungen des Namens Magdeburg. Die erste findet sich in einem Kapitular, das Karl der Große 805 zu Diedenhofen/Thionville erlassen hat. Zum selben Jahr und nochmals zu 806 sprach die Chronik von Moissac von Magdeburg. Dann verschwand der Ort für 130 Jahre aus der Geschichte. Wir richten unsren Blick auf Italien, woher Frau Arcamone den Weg zu uns gefunden hat. Vom 10. Jahrhundert bis zum Ende des Mittelalters tritt Magdeburg häufig in Beziehungen zu dem Land südlich der Alpen, so daß lange und viel darüber zu erzählen wäre. Nur an drei Dinge sei hier erinnert: Die 968 erfolgte Gründung des Erzbistums Magdeburg wurde 967 in Ravenna beschlossen. Von den mehr als sechzig Bischöfen, die das entsprechende Schriftstücke unterzeichneten, kamen nur zwei aus Deutschland. Die meisten anderen stammten aus Italien.

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Der Erzbischof Albrecht. II. von Magdeburg, der von 1205 bis 1232 regierte, bekleidete in Oberitalien die Würde eines Reichslegaten und war Graf der Romagna. Schließlich besteht noch heute in Magdeburg eine Ambrosiuskirche, wenn auch nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz. Das AmbrosiusPatrozinium ist in Deutschland außerordentlich selten. Der Name der Kirche läßt eine ungewöhnliche Verbindung zu Italien erkennen. Wenn man von Magdeburg nach Schweden blickt, woher Herr Andersson stammt, so gerät mit Sicherheit und an erster Stelle der König Gustav Adolf in unser Blickfeld. „Der Löwe aus Mitternacht“ gehört aber in die Neuzeit, über die wir nicht zu sprechen haben. Jedoch war schon 1368 ein schwedischer König in unmittelbare Beziehungen zu Magdeburg getreten. Es handelt sich um Albrecht „von Mecklenburg“, der damals den Hansestädten ihre Freiheiten in seinem Herrschaftsgebiet bestätigte. Unter den Orten, die in der Urkunde des Königs namentlich genannt werden, findet sich Magdeburg. Wir schauen wieder nach Westen: Antwerpen, das nach heutigen Begriffen in Belgien liegt und Herrn Van Loons Arbeitsstätte bildet, ist mit der weitreichenden Tätigkeit des Norbert von Xanten (oder von Gennep) verbunden, der den Orden der Prämonstratenser gründete und von 1126 bis 1134 Erzbischof von Magdeburg war. Während des Jahres 1124 hatte Norbert „sein erstes Stift in einer Stadt“, nämlich „St. Michael in Antwerpen“ erhalten. In der frühen Neuzeit wurde er „nicht nur zu einem der Nebenpatrone der Stadt Antwerpen, sondern auch zu einem Apostel der Niederlande.“ Damit trat er neben die Heiligen Eligius und Willibrord, so daß wir einen Verbindungsfaden ins Frühmittelalter knüpfen könnten, wenn wir genügend Zeit hätten. Zwischen Österreich, also Herrn Härtels, Herrn Reicherts sowie Herrn Grünzweigs Heimat, und Magdeburg bestand im 12. Jahrhundert ein sehr enger Zusammenhang, denn der doch wohl bedeutendste der hiesigen Erzbischöfe, nämlich Wichmann (1152–1192), war „der zweite Gründer“ des Klosters Seitenstetten in Niederösterreich. Es sei daran erinnert, daß auch die Stadt Wien, bevor sie ein eigenes Bundesland bildete, in Niederösterreich (oder Österreich unter der Enns) lag. Damit mein Schweifen in der Ferne nicht den Verdacht erweckt, ich würde die Nähe mißachten, sei schließlich erwähnt, daß Leipzig, Frau Bilys und Herrn Eichlers Arbeitsort, bereits zwischen 1161 und 1170 mit dem Magdeburger Stadtrecht bedacht wurde. Indem der Begriff des Magdeburger Rechts fällt, könnten wir die Veranlassung finden, unsere Betrachtungen bis nach Witebsk auszudehnen. Diese Stadt liegt immerhin 1400 km von Magdeburg entfernt, aber nur 475 km von Moskau. Die Selbstzucht

Eröffnungsvortrag

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zwingt mich, die Namen all der Städte zu verschweigen, die längs jener 1400 Kilometer mit dem Magdeburger Recht versehen worden sind. Über Regensburg, Herrn Greules Universitätsort, wäre im gegebenen Zusammenhang auch allerhand erzählen. Ich begnüge mich mit einem einzigen Beispiel: 961 empfing Otto I. dort die Gebeine des heiligen Mauritius, die er feierlich nach Magdeburg geleiten ließ. Als der König 937 hier das Moritzkloster gegründet hatte, mußte er sich mit dem Leib des Innozentius begnügen. Von diesem Blutzeugen aus der Thebaischen Legion hatte man bis dahin wenig gehört. Auf jeden Fall führt die Verehrung dieses Heiligen nach St. Moritz/St. Maurice in der Schweiz, während des 10. Jahrhunderts natürlich ins Königreich Burgund. Ich übergehe die Verbindungen zu den Wirkungsstätten der Sitzungsleiter. Jedenfalls dürfte klar sein, daß gesamteuropäische Bezüge sich aus der mittelalterlichen Geschichte Magdeburgs mühelos ergeben und daß sie nicht an den Haaren herbeigezogen werden müssen. Man wird also sagen können, daß Magdeburg aus einem Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters an ihrer Universität Nutzen zieht, denn er dient dem Ansehen der Stadt. Indem ich das sage, bekenne ich mich zu Goethes Spruch: „Nur die Lumpe sind bescheiden. Brave freuen sich der Tat.“ Die Angelegenheit hat jedoch auch eine ernste Seite: Mit dem Ende dieses Semesters trete ich in den Ruhestand; und mehrere Jahre sah es aus, als ob mein Lehrstuhl ersatzlos wegfallen sollte. Neuerdings haben sich die Dinge jedoch zum Besseren gewendet: Meine Nachfolge ist ausgeschrieben, wenn auch nur als W 2-Professur. Der Wegfall der Mittelalterforschung in Magdeburg wäre nicht nur dem Ansehen der Landeshauptstadt abträglich, sondern auch dem des Landes, denn es bestehen in Sachsen-Anhalt überhaupt nur zwei Mittelalterprofessuren: die meine hier und die in Halle. Hoffen wir also, daß die Vernunft und die Selbstachtung siegen und der Universität Magdeburg die Mittelalterforschung erhalten bleibt! 2007 heißt also das „Jahr der Geisteswissenschaften“. Diese Bezeichnung trägt den Untertitel: „Sprachen des Menschen. Wort – Bild – Gedächtnis.“ In eben diesen Rahmen fügt sich die Überschrift unserer Tagung: „Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen“. Daß die Namen Bestandteile der Sprache sind, wird man nicht bestreiten wollen. Und daß in allen Sprachen der Welt Namen vorkommen, dürfte auch nicht zu bezweifeln sein. Eine andere Frage ist die, ob in allen

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Matthias Springer

Sprachen der Welt die Namen oder wenigstens die Personennamen als eine besondere Wortart vertreten sind. Es können nämlich ganze Sätze als Namen gebraucht werden, zum Beispiel dann, wenn Sie Ihren Sohn „Fürchtegott“ nennen. „Fürchtegott“ ist ein Satz. Damit die anwesenden Linguisten nicht unruhig auf den Stühlen hin und her rutschen, bemerke ich im selben Atemzug, daß Fürchte Gott! nicht nur ein Satz, sondern sogar ein Text ist. Den Nichtlinguisten habe ich zu erläutern, daß der Begriff des Textes hier gleich dem Begriff der obersten sprachlichen Einheit ist, also gleichermaßen Gesprochenes wie Geschriebenes erfaßt. Man könnte die oberste sprachliche Einheit auch mit dem Wort die Äußerung bezeichnen; und das wäre sogar besser, aber es ist nicht üblich. Auf jeden Fall bildet die Namenkunde einen Teil der Sprachwissenschaft. Die Namenkunde ist gewiß derjenige Teil der Sprachwissenschaft, der unter Laien am ehesten Aufmerksamkeit erweckt. Jeder will wissen, was sein Name bedeutet. Jeder will wissen, was der Name seines Wohnorts bedeutet – und so weiter. Nun bildet die Suche nach der ursprünglichen Bedeutung und nach der vormaligen Lautgestalt eines Namens oder sonst eines Wortes, also die Etymologie, ohne Zweifel einen Bestandteil der Namenkunde. Doch beschränkt sich die Namenkunde nicht auf die Etymologie. Zumindest sollte sie es nicht tun. Sei es, wie es sei: Unzweifelhaft entspricht die Beschäftigung mit den Namen den Forderungen des Jahrs der Geisteswissenschaften, die Aufmerksamkeit den Sprachen zuzuwenden. Wie steht es nun mit der Geschichte? Das Wort kommt im Untertitel des Jahrs der Geisteswissenschaften nicht vor. Doch brauchen wir keine Angst zu haben, daß die Geschichte nicht dazu gehöre. Wer sich mit der Vergangenheit beschäftigt, betätigt sich als Historiker – einerlei, ob er sich dessen bewußt ist oder nicht. Nun haben wir gesehen, daß die Etymologie nach vergangenen Formen und Bedeutungen sucht. Zumindest dieser Teil der Sprachwissenschaft – die Etymologie meine ich – ist also zugleich eine geschichtliche Wissenschaft. Im Untertitel des Jahrs der Geisteswissenschaften erscheint auch das Wort Gedächtnis. Was soll das bedeuten? Ist gemeint, daß die Sprache ein Gedächtnis wäre oder ein Gedächtnis enthielte? Oder ist gemeint, daß wir mit Hilfe der Sprache zum Gedenken kommen können, also zu einer Erinnerung? Gehen wir davon aus, daß das letzte gemeint sei. Im Begriff des Gedenkens liegt der Begriff der Vergangenheit beschlossen. Der Zukunft wird man schwerlich gedenken können. Sie dürfte nur zu bedenken sein. Wenn ich vermittels der Sprache zum Gedenken, also zur Erinnerung komme, gelange ich mit Hilfe der Sprache zu einer Kenntnis

Eröffnungsvortrag

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der Vergangenheit. Das heißt, die Sprache bildet eine Geschichtsquelle. Für den Historiker liegt darin nichts Verwunderliches, denn in der Geschichtsforschung gilt der Satz: „Alles ist Quelle“. Die Namen der Vergangenheit bilden jedoch oftmals Quellen besonderer Art. Wir wollen es uns am Beispiel der Elbe veranschaulichen: Der Name des Flusses wird zuerst in der Zeit um Christi Geburt genannt, und zwar von dem griechischen Geographen Strabo. Bevor Schriftwerke an der Elbe selbst geschaffen wurden, sollten noch achthundert oder neunhundert Jahre vergehen. Das heißt, Jahrhunderte bevor ein Land selber Aufzeichnungen hervorbrachte, konnten seine Namen überliefert werden. Es geht aber noch weiter: Der Name Magdeburg kommt zuerst im Jahre 805 vor. Das bedeutet ganz und gar nicht, daß der Name damals erst geschaffen worden wäre. Nach aller Wahrscheinlichkeit konnte er zur Zeit seiner ersten Erwähnung bereits auf ein mehrhundertjähriges Leben zurückblicken. Unsere Erkenntnis läßt sich erweitern: Die meisten der Namen, die in den frühesten Schriftwerken überhaupt erscheinen – ich denke an ägyptische Hieroglyphen oder an Keilschriften – waren zur Zeit ihrer ersten Niederschrift längst in Gebrauch. Die Namen der Vergangenheit gleichen den Funden von Knochen, aus denen die Biologen den Körperbau riesiger, längst ausgestorbener Tiere erschließen. Die Historiker erschließen aus dem Vorkommen bestimmter Namen die Wanderungen ganzer Völker. Ob die biologischen und die geschichtlichen Schlüsse immer fehlerfrei sind, bleibe dahingestellt. Die Auswertung der frühmittelalterlichen Namen setzt das Zusammenwirken von Historikern und Sprachwissenschaftlern voraus. Sie beruht auf einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Damit sind wir bei einem Schlagwort der gegenwärtigen Wissenschaftspolitik angekommen: der „Transdisziplinarität“. Ich kann das Wort kaum aussprechen. Der wehklagende Ruf nach der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachgebiete hat etwas Befremdliches. Wie soll die Forschung sonst vorankommen? „Isolieren ist der Tod Wissenschaft“, sagte Eduard Norden, einer meiner geistigen Großväter. Geistige Väter und Großväter kann man in beliebiger Anzahl haben, ohne daß die Sittlichkeit leidet. Die Erwähnung des notwendigen Zusammenwirkens verschiedener Fachgebiete soll mir die Brücke zum letzten Teil meiner Ausführungen bilden. Die Tagung, zu der wir uns zusammengefunden haben, findet ihre geistigen und persönlichen Grundlagen in der der Forschergruppe „Nomen et gens“. Diese Arbeitsgemeinschaft, die immerhin auf ein siebzehnjähriges Dasein zurückblicken kann, beruht eben auf der fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Sie vereint Althistoriker und Mittelalterforscher, Germa-

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Matthias Springer

nisten, Romanisten und Slawisten. Es sei nicht verheimlicht, daß diese Arbeitsgemeinschaft zugleich eine menschlich angenehme, ich darf sagen: freundschaftliche Gemeinschaft bildete. Unser Magdeburger Treffen stellt insofern einen Einschnitt dar, als zum letzten Mal die im Dienst befindlichen Professoren die Mehrzahl der Forschergruppe „Nomen et gens“ bilden. In sechs Monaten werden sie in der Minderzahl sein. Die gegenwärtige Tagung wird auch dazu dienen, Grundlagen für die zukünftige Arbeit mit dem Namengut des Mittelalters zu schaffen, und zwar sogar auf einer erweiterten Grundlage. Zum Schluß möchte ich allen danken, die an der Vorbereitung mitgewirkt haben. Ich nenne zuerst meinen verehrten Freund Dieter Geuenich, der die Verbindung mit den ausländischen Partnern hergestellt hat, die seiner Einladung gern gefolgt sind. Zweitens drängt es mich, nachdrücklich hervorzuheben, daß die Zusammenarbeit mit meinem verehrten germanistischen Fachgenossen Professor Albrecht Greule als dem Mitveranstalter der Tagung trotz der großen Entfernung zwischen Regensburg und Magdeburg völlig reibungslos und zeitsparend verlaufen ist. Drittens wende ich mich meiner unmittelbaren Umgebung zu: Meine geschätzte Sekretärin Frau Fischer hat als Leiterin des Organisationsbüros die Zügel ständig fest in der Hand gehalten und vor allem auch die finanziellen Angelegenheiten, die nicht immer ganz leicht zu handhaben sind, mit Umsicht und Geschick geregelt. Im Zusammenhang mit der organisatorischen Vorbereitung muß unbedingt auch der Einsatz meiner wissenschaftlichen Hilfskräfte genannt werden. Nach dem ABC geordnet sind das Herr Anders, Herr Kannmann, Herr Schulze und Herr Stollberg. So möchte ich denn unserer Tagung einen reibungslosen Verlauf und allen Gästen einen angenehmen Aufenthalt in Magdeburg wünschen.

Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 9–25 indogermanischem Hintergrund © Copyright Germanische 2009 Walter dePersonennamen Gruyter · Berlinvor · New York

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Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund Thorsten Andersson

Einführung Etwas zögernd habe ich die Einladung angenommen, auf dieser Tagung über germanische Personennamen zu sprechen. Dem, was ich schon veröffentlicht habe (Andersson 1990, 1998, 2003, 2005b), habe ich wenig hinzuzufügen. Gelegentlich lässt sich allerdings die Analyse etwas vertiefen. Vor allem sind in der letzten Zeit Beiträge erschienen, die die Stellung der Frau in der nordischen Wikingerzeit in einer Weise beleuchten, die auch für die Personennamenforschung von Gewicht ist. Genderspezifische Fragen spielen in der Anthroponomastik immer eine wesentliche Rolle1, nicht zuletzt in der Beurteilung germanischer Frauennamen. Zunächst möchte ich hier die Gelegenheit wahrnehmen, auf zwei neue nordische Namenbücher hinzuweisen, die die urnordischen Personennamen bzw. die Personennamen der wikingerzeitlichen Runeninschriften behandeln. Diese Namenbücher, die für das Studium des alten nordischen Personennamenschatzes einen enormen Fortschritt bedeuten, sind beide von Lena Peterson, führender nordischer Personennamenforscherin und Runologin, geschaffen worden. Das wikingerzeitliche Lexikon, „Nordiskt runnamnslexikon“, liegt seit dem Jahr 2000 in einer Internetversion vor; eine vierte Auflage ist 2002 zusätzlich als CD-ROM erschienen, und gedruckt liegt die fünfte Auflage seit 2007 vor (Peterson 2002, 2007a). Das Buch enthält die Eigennamen der wikingerzeitlichen nordischen Runeninschriften, und zwar die zahlreichen Personennamen (über 1 500 Namen), die wenigen Ortsnamen (139 Namen) sowie einige Namen mythischer Gestalten, christlicher Zentralgestalten und Heiliger. Das Lexikon der urnordischen Personennamen, „Lexikon över urnordiska personnamn“, liegt seit 2004 vorerst nur im Internet vor (Peterson 1

Grundsätzlich dazu Brylla 2001.

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Thorsten Andersson

2004). Es umfasst die Zeit von Christi Geburt bis ca. 700, also etwas mehr als die Zeit, die wir gewöhnlich „urnordisch“ nennen (ab ca. 200; s. näher Andersson 2005a, 129, 2006, 559 f.). Hauptquellen sind die urnordischen Runeninschriften (96 Namen). Als Ergänzung sind die nordischen Ortsnamen auf -lev (= dt. -leben), die zum großen Teil mit Personennamen zusammengesetzt sind, sowie das altenglische Beowulf-Gedicht, das ja skandinavische Verhältnisse schildert, herangezogen. Die Ortsnamen sind für die Ermittlung alter Personennamen eine unentbehrliche Quelle, wie es Albrecht Greule (1997, 2002) für den Kontinent hervorgehoben hat, und die -lev-Namen bilden einen gelungenen Anfang. Am allerwichtigsten, nicht nur für die nordische, sondern überhaupt für die germanische Forschung ist die Aufarbeitung des Personennamenbestandes der ältesten Runeninschriften, da es sich hier um sehr frühe Originalurkunden handelt. Das Lexikon kann auch als eine bescheidene Ergänzung zum deutschen Projekt „Nomen et gens“ und zum österreichischen Projekt „Studien zur altgermanischen Namenkunde“ (Nedoma 2002) betrachtet werden. In der alten germanischen Gesellschaft herrschte bekanntlich Einnamigkeit. Die Individualnamen konnten wie alle Eigennamen in drei verschiedenen Weisen gebildet werden: durch Proprialisierung vorhandener Wörter, durch Ableitung und durch Zusammensetzung. Die Proprialisierung von Appellativen und Adjektiven dürfte in allen Kulturen die ursprünglichste Art der Personennamenbildung sein. So gebildete Namen machen eine heterogene, zeitlose Gruppe aus, die auf der ganzen Welt Entsprechungen hat. Sie sind etwa mit Beinamen zu vergleichen, die heute noch oft durch Umfunktionierung von Wörtern des normalen Wortschatzes entstehen. Historisch gesehen haben sich ja auch Beinamen nicht selten zu Individualnamen entwickelt (Andersson 2003, 589 f., 604). Urnordische Personennamen, die durch Proprialisierung entstanden sind, sind z. B. die in Runeninschriften belegten Brai&o¯ f. ‚die Breite‘, Hrab–naz m. ‚Rabe‘ und Wakraz m. ‚wacker‘ (vielleicht ursprüngliche Beinamen; Peterson 2004, 7, 11, 18). Morphologisch deutlicher tritt der Charakter eines Eigennamens in Ableitungen hervor, z. B. *Swartingaz m. (Swerting; Beowulf) ‚der Schwarze‘, Waian- m., zu awn. veig f. ‚Kraft‘ (Peterson 2004, 40, 18). Die Bildung von Personennamen durch Proprialisierung ist ursprünglich auch für das Urindogermanische anzunehmen. Allmählich entwickelt sich aber im Indogermanischen der charakteristische Personennamentyp der zweigliedrigen oder dithematischen Namen. Dieser Namentyp, der somit als gemeinindogermanisch zu betrachten ist, ist u. a. für den germanischen Personennamenschatz kennzeichnend. Der zweigliedrige Namentyp, der ursprünglich in den hohen und höchsten Gesellschaftsschichten zu Hause war, sich aber zu immer weite-

Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund

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ren Kreisen verbreitete, ist, wie Gottfried Schramm in seiner bahnbrechenden Arbeit „Namenschatz und Dichtersprache“ (1957) gezeigt hat, aus Mannbezeichnungen oder Heldenepitheta der indogermanischen und germanischen Heldendichtung entstanden. Schramm knüpft dabei an eine alte Vorstellung des nahen Zusammenhangs zwischen Dichtung und Personennamen an, die u. a. bei Andreas Heusler (1943, 16 f.) und Edward Schröder (1944, 8) zum Ausdruck kommt. Bekannt ist Schröders Äußerung, dass „der Name selbst ein konzentrierter poetischer Heilwunsch“ sei. Später ist die nahe Verwandtschaft zwischen Dichtung und Personennamen von indogermanistischer Seite nachdrücklich unterstrichen worden (Schmitt 1968a, 5, 1973, 1991). Schramm macht in seiner Untersuchung eingehende Vergleiche sowohl mit der griechischen Dichtung, der Ilias und der Odyssee, als auch mit der germanischen Dichtung, dem Beowulf-Epos und altwestnordischen Preisliedern. Ursprünglich bestehen die zweigliedrigen Namen aus sinnvollen Zusammensetzungen. Diese können aus dem nicht-proprialen Wortschatz übernommen oder neu gebildet sein. Dieselbe poetische Ausdrucksweise kann auch sowohl in Dichtung wie in Personennamen unabhängig voneinander erscheinen. Es kann durchaus ein Zufall sein, dass zwei Namen einer nordischen Häuptlingsfamilie des 7. Jahrhunderts, Hariwulfr und Heruwulf r, in überlieferter germanischer Dichtung Entsprechungen haben, ein dritter Name der Familie, Haquwulfr, dagegen nicht (vgl. Andersson 2003, 592). Die Grundstruktur mit sinnvollen Namen ist dann allmählich durch die Variation der Namenglieder gestört worden. Die sinnvollen Zusammensetzungen werden im Anschluss an Otto Höfler (1954) bekanntlich Primärkombinationen genannt, im Gegensatz zu den nicht-sinnvollen Sekundärkombinationen, z. B. ae. Wulfsta¯ n ‚Wolfstein‘ aus Gliedern der Namen der Eltern, Æthelsta¯ n und Wulfgeva (Höfler 1954, 27, 30). Eine Komplikation dieser Unterscheidung besteht darin, dass auch Variationsnamen durchaus sinnvoll sein können. Das ist z. B. mit den gotischen Fürstennamen Theodericus, Fredericus, Euricus und Alaricus der Fall, deren wörtliche Bedeutung, ‚Volksherrscher‘, ‚Friedensherrscher‘, ‚ewiger Herrscher‘ bzw. ‚Allherrscher‘, zweifellos beabsichtigt war (Andersson 2003, 593, 605). Die Grenze zwischen Primär- und Sekundärkombinationen ist also keinesfalls scharf. Personennamen wie urn. Hrab–naz oder Waian-, die durch Proprialisierung oder Ableitung entstanden sind und die wir als eingliedrig oder monothematisch zusammenfassen können, machen oft einen größeren Anteil des Personennamenschatzes aus als die zweigliedrigen (s. dazu Pulgram 1947, 1960). Unter den von Peterson verzeichneten 96 Personennamen der urnordischen Runeninschriften ist nur etwa ein Drittel zweigliedrig.

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Die spezifisch indogermanische und germanische Personennamenstruktur kommt aber, wie gesagt, vornehmlich eben in den zweigliedrigen Namen zum Ausdruck2. Die indogermanische zweigliedrige Namenstruktur lebt im Germanischen nur zum Teil weiter. Teils wird dabei die indogermanische Tradition gut bewahrt, teils wird mit ihr aber radikal gebrochen. Die indogermanische Semantik bleibt, die Morphologie nicht.

Semantik: indogermanische Grundzüge Grundlegende semantische Komponenten der indogermanischen Personennamen sind Religion, Kampf und Ruhm sowie Sippengefühl. Die Bedeutung der Religion, d. h. der Beziehung des Menschen zu höheren Mächten, scheint für die Anthroponymie der Welt ein universaler Zug zu sein. Theophore Namen sind für den germanischen Personennamenschatz charakteristisch (Andersson 2003, 594 f., 2005b, 448 ff.). Germ. *ansu- m.3 und *gu&a- n., die häufigsten Bezeichnungen germanischer Gottheiten, kommen als Erstglied zahlreicher Namen vor, z. B. urn. A(n)sugastiz, ogot. Guduin (Zweitglied: ‚Gast‘ bzw. ‚Freund‘). Dazu treten im Nordischen einzelne Götternamen, praktisch nur awn. Freyr und Qórr, als Erstglied auf. Göttinnennamen kommen in dieser Funktion nicht vor, was aber weniger auffällt, da die Erstglieder Frey- und Qór- offensichtlich eine sekundäre Entwicklung darstellen (Andersson 2003, 595, 2005b, 449). In Bezug auf Genderunterschiede ist es wichtiger, auf Personennamen, ursprüngliche Beinamen, hinzuweisen, die die pagane Priesterschaft bezeichnen. Beispiele sind awn. Véseti m., eigentlich ‚einer, der am Heiligtum (vé n.) „sitzt“, d. h. dem Heiligtum vorsteht‘, und – wahrscheinlich – adän. Guthir (awn. *Gu&vér) m., dessen Zweitglied, awn. -vér, -vir, mit got. weiha m. ‚Heiliger, Priester‘ zusammenzuhalten ist (Andersson 2003, 602). Entsprechende feminine Bildungen fehlen, obwohl das Altwestnordische durchaus gy&ja f. ‚Priesterin‘ neben go&i m. ‚Priester‘ (zu go& ‚Gott‘) kennt. Dieser anthroponymische Gegensatz soll aber nicht übertrieben werden. Die Bedeutung der Frau innerhalb der vorchristlichen religiösen Sphäre scheint z. B. durch den Frauennamen awn. Gu&rún hervorzugehen, der sich – als Primärkombination betrachtet – als ‚eine, die die rúnar, d. h. die Geheimnisse oder die geheimen Kenntnisse der Götter, besitzt‘ verstehen lässt (Andersson 2003, 594). 2 3

Zur Terminologie vgl. Andersson 2003, 593 f. mit Hinweisen. Zur Stammbildung s. Bammesberger 1996.

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Das Sippengefühl kommt in den Personennamen in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck. Indogermanisches Erbe ist die Variation, durch die die Bindung innerhalb der Familie und der Sippe ausgedrückt wird. Ein Beispiel, ae. Wulfsta¯ n, gebildet aus Gliedern der Namen der Eltern, ist schon genannt worden, ein anderes ist die althochdeutsche Generationsreihe Heribrant, Hiltibrant, Hadubrant (Andersson 2003, 604 f.). Die Variation ist eben eine geniale Erfindung, um mit Hilfe der Namen die Verwandtschaft auszudrücken; Otto Höfler (1954, 26) spricht von Sippenkombination. Beachtenswert ist dabei, dass die Namenglieder der Mütter dieselbe grundlegende Rolle spielen wie die der Väter, was mit der späteren überwältigenden Dominanz der Patronymika den Metronymika gegenüber zu vergleichen ist. Die Variation kann als partielle Nachbenennung aufgefasst werden und wird im Laufe der Zeit weitgehend eben durch Nachbenennung innerhalb der Familie ersetzt. In Skandinavien ist Nachbenennung nach Verwandten in der Wikingerzeit das vorherrschende Namengebungsprinzip. Zusätzlich zu der aus dem Indogermanischen ererbten Variation kann im Germanischen die familiale Bindung auch durch Alliteration ausgedrückt werden. Der Stabreim ist ja eine germanische Neuerung, die die Verlagerung des germanischen Akzentes auf die Stammsilbe voraussetzt. Beispiele sind – mit Variation kombiniert – die drei gerade genannten Namen Heri-, Hilti-, Hadubrant. Während die Religion eine universale Rolle zu spielen scheint, hängt die Bedeutung der Zusammengehörigkeit der Familie von der jeweiligen Gesellschaftsstruktur ab. Die Namenbindung zwischen Generationen ist natürlich für Gesellschaften mit Fokus auf Abstammung, während andere Gesellschaften in den Personennamen stärker die Individualität hervorheben können. Die indogermanische Gesellschaft fokussiert die vertikale Verwandtschaft, wie es die Anthropologen ausdrücken (Andersson 2003, 609). Dass diese Verwandtschaft durch die Anknüpfung der Kinder an ältere Generationen ausgedrückt wird, ist bei uns natürlich, während in anderen Kulturen – in einer kürzeren Zeitperspektive – Benennung nach den eigenen Kindern, d. h. durch Teknonymika (‚NN:s Mutter, Vater‘), üblich ist. Während Religion und Abstammung in der Anthroponymie globale Verbreitung haben, ist die Einrichtung auf Kampf und Ruhm typisch für die indogermanischen und germanischen Personennamen. Als Vergleich sei auf die urfinnische Namenstruktur, so wie sie sich im Ostseefinnischen äußert, hingewiesen. Sie zeichnet sich durch Begriffe wie Liebe, Güte, Freude, Anmut, Schönheit, Hoffnung aus, Begriffe, die im Germanischen vom heroischen und kriegerischen Inhalt der Personennamen überschattet

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werden (Stoebke 1964, 148, Andersson 2003, 610, Saarelma-Maunumaa 2005, 159 f.). Die musterbildenden Heldenepitheta der indogermanischen Personennamen stammen aus der Heldendichtung, z. B. der Ilias und der Odyssee. Den vornehmlichsten Gegenstand der heroischen Dichtung stellen die  $, d. h. ‚die Rühme der Männer‘, dar (Schramm 1957, 117 f., Schmitt 1968a, 8, 1968b, 341 f., von See 2006, 14). Griech.  « n. ‚Ruhm‘ ist der Kernbegriff der indogermanischen Heldendichtung, und dieses Wort nimmt eine entsprechende Stellung in der indogermanischen Anthroponymie ein. Sowohl Heldendichtung wie Heldennamen sind durch den Wunsch nach  « Ν   ‚unvergänglicher, unverwelklicher Ruhm‘ gekennzeichnet. Namenbeispiele sind griech. E«/-« (zu « ‚wohlberühmt‘), M«/-« (zu   « ‚großer Ruhm‘) und ähnliche vedisch-indoarische Namen. Zu dieser Namengruppe gehört sicherlich auch germ. Hlewa-, u. a. in Hlewagastiz auf dem Horn von Gallehus, das dann in griech. K « eine direkte semantische Entsprechung hat (Andersson 1998, 21 f., 2003, 592). Ein anderes Namenelement mit der Bedeutung ‚Ruhm‘ ist awn. hró&r m., z. B. in urn. *Hro¯ qiwal&az (s. unten). Im Mittelpunkt steht primär der Ruhm, und der Ruhm war in der alten Gesellschaft in erster Linie eben durch kriegerischen Kampf zu erzielen – in dieser Weise haben Achill und Beowulf ihren Ruhm erworben. Ich glaube, man hat etwas zu stark den kriegerischen Charakter germanischer Namen betont. Die Menge von Kampfwörtern, awn. bo˛& f., gunnr f., hildr f., víg n., wahrscheinlich leikr m. (vgl. Sonderegger 1997, 14), und von Waffenbezeichnungen, brandr m. ‚Schwert‘, geirr m. ‚Speer‘ u. a., gibt den germanischen Personennamen ein durchaus kriegerisches Gepräge, aber es ging, so wie ich es sehen möchte, nicht so sehr um den Kampf des Kampfes wegen, sondern um den Kampf des Ruhmes wegen. „Kampfberühmt“ ist ein zentraler Personennamenbegriff in mehreren indogermanischen Sprachen (Naumann 1912, 637, Andersson 1998, 18 f.). Eine gewisse Bestätigung findet diese Auffassung bei einem Vergleich mit den griechischen Personennamen. Auch in diesen sind zwar die kriegerischen Namenglieder hervortretend, aber daneben kommen – in der fortgeschritteneren Zivilisation der Griechen – Glieder vor, die sich ganz allgemein auf Führerschaft und Teilnahme am politischen Leben beziehen. Dies wird sowohl in den frühen Darstellungen von Fick/Bechtel (1894, 13 f.) und Solmsen/Fraenkel (1922, 113 ff., 154) als auch in einem späteren Beitrag von Ernst Pulgram (1947, 201) unterstrichen. Solmsen/Fraenkel (1922, 114 f.) verzeichnen in ihrem bekannten Überblick über verschiedene Sparten des griechischen Personennamenschatzes zunächst eine Gruppe „Mannhaftig-

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keit, Wahrhaftigkeit, Kraft, Mut“, darunter „Ausdrücke für Kampf, Heer, Sieg“, dann aber auch eine Gruppe „Herrschaft und Führung des Volkes in Krieg und Frieden, in Rat und Tat“, z. B. #A « (‚führen‘ + ‚Volk‘),  « (‚Volk‘ + ‚Führer‘), K  (Zweitglied: ‚waltend‘). Entsprechende Beispiele finden sich nicht so leicht im germanischen Personennamenschatz. Solmsen/Fraenkel (1922, 158) erwähnen zwar neben den charakteristischen germanischen Namen kriegerischen Inhalts auch Namen aus dem Bereich „des Friedenlebens“, die „waltende Tätigkeit des Herrschers, seine Macht, den klugen Rat in der Versammlung“ ausdrücken, aber diese Namen, u. a. solche auf dt. -rat, -wald, sind allgemeinerer Art als die genannten griechischen. Was die Häufigkeit betrifft, mag dazu noch erwähnt werden, dass der Personennamenschatz der urnordischen Runeninschriften neben zahlreichen kriegerischen Namen nur ein paar Beispiele auf -ra¯ &az, -wal&az enthält: Frawara¯ &az, Haira¯ &az, *Hro¯ qiwal&az (Peterson 2004, 8, 9, 12; für *Hro¯ qi- vgl. oben). Wir stoßen hier auf semantische Probleme der vergleichenden indogermanischen Personennamenforschung, die durch Vertreter der verschiedenen Philologien noch näher zu untersuchen und durch Indogermanisten vergleichend zu studieren wären (Andersson 1998, 18 f.). Der kriegerische Zug, der für germanische Männernamen charakteristisch ist, ist auch für germanische Frauennamen kennzeichnend, allerdings mit der schon von Edward Schröder (1944, 10) bemerkten Einschränkung, dass Waffenbezeichnungen als Zweitglied in Frauennamen fehlen. Die Beurteilung der Frauennamen kriegerischen Inhalts gehört zu den interessantesten, gleichzeitig aber auch schwierigsten Fragen germanischer Personennamenforschung. Ehe wir uns ihnen zuwenden, ist es nötig, einen Blick auf die Morphologie indogermanischer und germanischer Personennamen zu werfen.

Morphologie In Personennamen, die durch Proprialisierung entstanden sind, stimmen normalerweise Geschlecht und Genus überein: feminine Substantive werden als Frauennamen, maskuline als Männernamen gebraucht, und von Adjektiven werden je nach Geschlecht verschiedene Flexionsformen benutzt. Urnordische Beispiele dieser normalen Verteilung sind schon genannt worden, der Frauenname Brai&o¯ , die Männernamen Hrab–naz und Wakraz. Dieselbe Struktur eingliedriger Namen finden wir im Griechischen. Zu Tier- und Pflanzenbezeichnungen gehören z. B. Frauennamen wie M ‚Myrte‘,   ‚Löwin‘ und Männernamen wie 5A «

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‚Weinstock‘,  ‚Löwe‘. Auf Abstrakta gehen Frauennamen wie  !  ‚Nachdenken‘ zurück, während Männernamen wie K  « ‚Herrscher‘ Standesbezeichnungen als Ursprung haben (Solmsen/Fraenkel 1922, 133 f.; s. weiter Fick/Bechtel 1894, 314 ff.). Diese natürliche Verteilung maskuliner und femininer Wörter ist bekanntlich auch für die Zweitglieder germanischer zweigliedriger Personennamen kennzeichnend. Neben Männernamen wie awn. Gu&brandr, Vígleikr (s. oben), Qorsteinn (steinn m. ‚Stein‘) stehen Frauennamen wie Hildigunnr, Gunnhildr, Gu&rún (s. oben). Edward Schröder (1944, 5 f., 22 ff.) betrachtete diese Verteilung als ursprünglich, was sich als unhaltbar herausgestellt hat. Nach Gottfried Schramms überzeugender Darstellung (s. oben) wurden die indogermanischen zweigliedrigen Frauennamen ursprünglich durch Movierung entsprechender Männernamen oder Zweitglieder gebildet, und zwar durch o¯ - bzw. ¯ı-/io¯ -Stammbildung (vgl. Sonderegger 1997, 17 f.). Griechische Beispiele sind #A! zu #A «, -  (< *-j), z. B. in #I  , zu -« ‚geboren‘ (Andersson 2003, 596). Alexandra hat dann etwa die Bedeutung ‚mit dem heldenhaften Männernamen Alexander zusammengehörig‘. Deutlicher kann die Abhängigkeit der Frau vom Mann kaum ausgedrückt werden. Diese Bildung von Frauennamen spiegelt gut die Welt der Ilias wider, in der die Männer Helden sind und die Frauen vor allem als Kriegsbeute dienen, darunter Helena und auch Briseis, um die sich Achill und Agamemnon streiten. Reste der indogermanischen Art der Bildung von Frauennamen durch Movierung kommen im Altnordischen vor, was aber Schröder (1944, 6) nicht gebührend berücksichtigte. Awn. -laug f. und -leif f. betrachtet Schramm als feminine Movierungen, germ. *-lauo¯ zu *-lauaz (zu got. liugan ‚heiraten‘, eigentlich ‚eine eidliche Verbindung eingehen‘) bzw. germ. *-laib–o¯ zu *-laib–az ‚Nachkomme, Spross‘. Wichtig aus indogermanischer Sicht sind besonders die ¯ı-/io¯ -Movierungen awn. -elfr f. zu -alfr m. ‚Elf (Naturgeist)‘, -ger&r f. zu -gar&r m., eigentlich ‚Zaun‘, von Schramm als Fürstenmetapher aufgefasst (Andersson 2003, 596 mit Hinweisen). Die im Germanischen vorherrschende Verteilung der Zweitglieder zweigliedriger Personennamen ist als morphologische Neuerung zu betrachten. Vom Gesichtspunkt der Gleichstellung zwischen Frau und Mann aus betrachtet, kann dies als ein Fortschritt angesehen werden, der allerdings dadurch relativiert wird, dass sich im Germanischen eine neue Art femininer Movierung, nämlich durch schwache Flexion, einbürgert, z. B. urn. Ailamundo¯ zu *Ailamunduz (-mundaz?), Finno¯ zu awn. Finnr (zu finnr m. ‚Same; Finne‘; Peterson 2004, 5, 7, 2007b). Auf jeden Fall hat man in unserer Kultur zu allen Zeiten Frauen- und Männernamen unterscheiden wollen; geschlechtsneutrale Personennamen,

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z. B. dt. Eike, Friedel, Kirsten, Toni, sind Ausnahmen. Ein Vorschlag der schwedischen politischen Partei „Feministiskt initiativ“ (FI), die Grenze zwischen Frauen- und Männernamen aufzuheben (För en feministisk politik, Punkt C 28), so dass Männer Lena und Frauen Thorsten heißen könnten, hat außerhalb der Partei wenig Anklang gefunden4. Hier geht es, um zum Hauptthema zurückzukehren, jetzt um die ältere, aus dem Indogermanischen ererbte feminine Movierung von Männernamen und deren Zweitgliedern. Die in nordischen Runeninschriften der Wikingerzeit häufig vorkommenden Namenglieder -ælfr und -gær&r (Peterson 2007a, 101, 263) bekunden diese ältere Struktur.

Semantik: germanische Frauennamen Der hier kurz umrissene morphologische Hintergrund ist für die Beurteilung germanischer Frauennamen von großem Gewicht. Zur Erklärung des auch für die Frauennamen kennzeichnenden kriegerischen Inhalts sind verschiedene Antworten gegeben worden. Karl Müllenhoff zögert nicht. In jenem bekannten Aufsatz von 1852, in dem er sich über die mangelnde Kompetenz des Herrn Förstemann beklagt, dessen Sammlung altdeutscher Personennamen gerade vorlag, betrachtet er die Namen aus dem Blickwinkel des Heldentums. Am einfachsten sind dabei die kriegerischen Männernamen zu verstehen: „Das Ideal des Mannes war der Held.“ Die Frauennamen bereiten ihm auch keine Schwierigkeiten: „Das Ideal des Weibes aber ist in der Mythologie in den göttlichen oder halbgöttlichen Schlacht- und Schicksalsjungfrauen ausgebildet“. Das Heldenideal sei dasselbe, für Männer in der realen, für Frauen in der mythischen Welt zu verwirklichen, und dieses Ideal komme auch in den Frauennamen zum Ausdruck, so dass „wir bei jedem der valkyrischen Natur des Weibes wenigstens eingedenk sein müssen“ (Müllenhoff 1852, 44). Ähnliche Gesichtspunkte sind später mehrmals geäußert worden. Dieses Idealbild der germanischen Frau konnte natürlich nicht unwidersprochen bleiben. Wichtig ist es, zunächst mit Friedrich Kluge (1920, 262) und Anton Scherer (1953) festzuhalten, dass die zweigliedrigen Frauennamen keinesfalls durchgehend kriegerisch sind. Scherer (1953, 21, 29) lenkt vor allem die Aufmerksamkeit auf Zweitglieder wie ahd. -fla¯ t f. ‚Schönheit‘, awn. -frí&r ‚schön‘, frk. -swinda ‚stark‘. Die repräsentativsten 4

Eine mit den geschlechtsspezifischen Vornamen zusammenhängende Spezialfrage ist in den letzten Jahren im schwedischen Reichstag diskutiert worden. Es handelt sich um die Möglichkeit transsexueller Personen, den Vornamen zu wechseln. (Entzenberg 2006, 44 f.)

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Frauennamen sieht Scherer (1953, 25) in eingliedrigen Namen wie ahd. Bl¯ıda ‚die Fröhliche‘, Holda ‚die Holde‘, Liuba ‚die Angenehme, Liebe‘, Staracha ‚die Starke‘, Triuwa ‚die Treue‘. Namen dieser Art zeugen seiner Meinung nach von wahren weiblichen Idealen, „von Idealen, denen wir durchaus Verständnis entgegenbringen können“. Solche Namen, heißt es, „reden von Liebenswürdigkeit und Anstand, von Frohsinn und Klugheit, von Schönheit und Kraft, von Adel und Treue“ (Scherer 1953, 26). Es handelt sich hier in der Tat um einen Typ von Frauennamen, der über die Welt weit verbreitet ist und offensichtlich einen universalen Zug bildet. Es ist aber zu bemerken, dass Scherer neben Liebenswürdigkeit und Schönheit ausdrücklich auch Kraft betont. Die von Scherer hervorgehobene – an sich natürliche – Modifizierung ist wichtig. Andererseits bilden die kriegerischen Frauennamen zweifellos eine charakteristische Gruppe, was eine Erklärung erfordert. Scherer möchte das Kriegerische im Frauennamenschatz als eine Folge der Namenvariation innerhalb der Familie sehen. Aus den Namen der Väter und Großväter seien Erstglieder kriegerischen Inhalts in die Frauennamen integriert worden. Die Variation spielt zweifellos für die starke Übereinstimmung zwischen Frauen- und Männernamen eine wichtige Rolle, genügt aber nicht als Erklärung. Gegen diese Annahme spricht vor allem, dass die beiden beliebtesten Zweitglieder germanischer Frauennamen, awn. -gunnr und -hildr (germ. *-gunq¯ı, *-hil&¯ı < *-hel&-), die beide ‚Kampf ‘ bedeuten, unerklärt bleiben (Andersson 2003, 596 f.). Den richtigen Weg zur Erklärung der kriegerischen Frauennamen hat Gottfried Schramm mit seinem Hinweis auf die indogermanische Sitte der Movierung gezeigt, aber auch ihm bereiten, wie ich anderswo näher ausgeführt habe, eben die beiden genannten femininen Zweitglieder, awn. gunnr und hildr, große Schwierigkeiten. Sie lassen sich nämlich nicht als feminine Movierungen erklären. Wir können meines Erachtens nicht umhin, im Anschluss an Müllenhoff und seine Nachfolger, die Walküren, in der altwestnordischen Überlieferung eben mit Namen wie Gunnr und Hildr5, heranzuziehen, und zwar dürfte die Walkürenvorstellung nicht, wie Schramm meint, erst als sekundäre Stütze gewisser Namen dienen, sondern zusammen mit der Movierung eben die Grundlage germanischer Frauennamen kriegerischen Inhalts bilden (Andersson 1990, 1998, 26 ff., 2003, 597). Diese Auffassung wirft mehrere Fragen auf, die auch in der Frauenforschung der letzten Zeit aufgegriffen wurden. 5

Vgl. den Göttinnennamen Sinthgunt im zweiten Merseburger Zauberspruch; dieser „Name mutet wie ein Walkürenname an und könnte vielleicht als späte Mythologisierung aufzufassen sein“ (Lundgreen 2001, 602).

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Zunächst ist die Frage zu stellen, ob die kämpfenden germanischen Frauengestalten nur in der Mythologie zu finden sind. Tacitus erwähnt in seiner Germania (Kap. 18), dass Frauen am Kampf teilnehmen, und diese Auskunft ist von verschiedenen Seiten durchaus ernst genommen worden. In einem auf Genderfragen eingerichteten Symposium 2006 zieht eine Forscherin, Lydia Klos (2006), neben Erzählungen von Schildmaiden (awn. skjaldmeyjar)6 u. a. die – allerdings seltenen – Frauengräber mit Waffenfunden als Stütze dafür heran, dass Frauen, deren Hetzen (awn. hvo˛t f.) zum Kampf wir durch die Literatur gut kennen, auch als Kriegerinnen mitkämpfen konnten7. Es ist wohl die Frage, in welchem Umfang damit zu rechnen ist. Hauptsächlich sind die kämpfenden Frauen zweifellos in Dichtung und Walkürenmythen zu Hause. Müllenhoff spricht um die Mitte des 19. Jahrhunderts von „Schlachtund Schicksalsjungfrauen“ und von „der valkyrischen Natur des Weibes“. In der deutschen wissenschaftlichen Literatur ist oft die Rede von Schlachthelferinnen. Die Walküren kennen wir aus der nordischen Mythologie vor allem als die Dienerinnen Odins, die in seinem Auftrag die zu fallenden Kämpfer auswählen und sie dann in Walhall bewirten. Am ehesten liegt hier eine Entwicklung vor: Mythische Wesen, die am Kampf teilnehmen und dabei die Toten (awn. valr m.) auswählen (so die Etymologie), treten in den Dienst Odins. Die Geschichte des Wortes awn. valkyrja f., das im Altenglischen eine Entsprechung, wælcyrge, hat, ist aber noch nicht genügend klargelegt (Andersson 1998, 26 ff., Zimmermann 2007; vgl. Zimmermann 2006). Wie können die Schlachthelferinnen die Struktur der germanischen Frauennamen mit beeinflusst haben? Ist die hier zugrunde liegende Mentalität zu erfassen? Für Müllenhoff war es einfach. Das Heldenideal sei für Männer und Frauen ein und dasselbe, mit entsprechenden Männer- wie Frauennamen als Folge. Auf einer abstrakteren, nicht unbedingt auf Waffenkampf bezogenen Ebene verkörpern die Schlachthelferinnen Mut, Tatkraft und Stärke – awn. Qrú&r (zu qrú&r f. ‚Kraft‘) ist eben als Walkürenname bezeugt. Auch Scherer, dem das Walkürenhafte an Frauen missfällt, betont, wie gesagt, neben Liebenswürdigkeit und Schönheit auch Kraft als eine wichtige semantische Komponente germanischer Frauennamen.

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Zur Vorstellung von Schildmaiden s. Ney 2004. Über Gräber mit bewaffneten Frauen s. weiter Steuer 2007, 197, 205. Über solche Gräber im skythischen Raum, die die antiken Amazonenmythen beeinflusst haben, s. Wenskus 1999a, 1999b. Diese Hinweise verdanke ich Prof. Dr. Dieter Geuenich, Duisburg-Essen, bzw. Prof. Dr. Helmut Castritius, Darmstadt.

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Mut, Stärke und Tatkraft sind durchaus weibliche Eigenschaften, die in unsere heutige Vorstellungswelt gut hineinpassen. Es ist somit logisch, dass die kriegerischen Frauennamen jetzt, mit feministischem Vorzeichen, wieder analysiert werden. Einen Anfang – denn auf Fortsetzung ist zu hoffen – bildet ein Aufsatz der norwegischen Forscherin Else Mundal (2002). Ihr Fach ist „norrøn filologi“, und sie hat sich in mehreren Beiträgen mit der Stellung der Frau in der altwestnordischen Gesellschaft eingehend beschäftigt (u. a. Mundal 1998, 1999, 2001). Im Anschluss daran analysiert sie das Verhältnis zwischen den kriegerischen Frauennamen und der Einstellung der Frauen zum bekannten Heldenideal. Sie findet die Anknüpfung an die Walkürenvorstellungen überzeugend, möchte aber die Walküren als Symbol eines Frauenideals sehen, das weitgehend mit dem Männerideal identisch sei (Mundal 2002, 131). Sie macht in ihrer Argumentation auf den wichtigen Gegensatz zwischen Rollen einerseits sowie Charakter und Eigenschaften andererseits aufmerksam. Die Geschlechterrollen sind durchaus verschieden, wie uns aus den Sagas wohlbekannt ist. Die männliche Rolle ist strikt definiert, was nicht zuletzt durch das Abweichen von ihr, durch ergi, hervortritt. Das altwestnordische Adjektiv argr, zu dem das Substantiv ergi f. gebildet ist, kann zusammenfassend als ‚unmännlich‘ wiedergegeben werden. Dazu zählte u. a. die in der Heldenideologie besonders auffallende Feigheit. Der Waffenkampf war eine Aufgabe der Männer, damals wie ja auch – vorwiegend – heute. Die Beteiligung der Frauen kam, so wie es in den Sagas dargestellt wird, oft in ihrem Hetzen zum Ausdruck (s. oben), und die Rolle der Frau als Hetzerin betrachtet Mundal (1994, 1999, 70 f.) ebenso wie der norwegische Historiker Sverre Bagge (1997, 178 ff.) als durchaus historisch. Die Rollen der Frauen und Männer waren verschieden, nicht aber die Wertung der weiblichen und männlichen Charakterzüge, stellt Mundal fest, und damit liege auch kein Hindernis einer gemeinsamen Heldenideologie für Frauen und Männer vor. Mundal fasst zusammen (in Übersetzung): „Mann und Frau in der altwestnordischen Gesellschaft teilten die kriegerische Ehrenkultur.“8 Vor diesem Hintergrund erscheint die Kombination von Kämpfern der realen Welt und Kämpferinnen der mythischen Welt ganz natürlich. Die ausführliche Analyse Mundals beinhaltet eine willkommene Vertiefung der Bedeutung der Walkürenvorstellungen für die Frauennamen. Ihre Auffassung und die 150 Jahre ältere, kurz gehaltene Feststellung von Müllenhoff stimmen, trotz verschiedener Vorzeichen, erstaunlich gut miteinander 8

Mundal 2002, 131: „Mann og kvinne i det norrøne samfunnet delte den krigerske æreskulturen.“

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überein. Frauen und Männer gehören einer auf Heldentum eingerichteten Gesellschaft an, die im Grunde dasselbe Idealbild für beide Geschlechter aufstellt. Kein Wunder dann, dass die Frauen- und Männernamen so ähnlich sind. Den Ausgangspunkt dieser Übereinstimmung bildet allerdings die indogermanische feminine Movierung. Die durch die Walkürenvorstellungen zum Ausdruck kommende Weltanschauung bestimmt die kriegerische Komponente der Frauennamen mit, die auch durch die Variation gestützt wird. So ließe sich wohl der Ursprung der germanischen Frauennamen kriegerischen Inhalts zusammenfassen. Der nahe Zusammenhang zwischen Dichtung und Personennamen sollte auch noch einmal betont werden; er ist grundlegend sowohl für Männer- wie für Frauennamen. Die Helden der Dichtung ebenso wie die des Personennamenschatzes sind Krieger, Kämpfer. Wären sie Bauern oder Gelehrte gewesen, hätte der Namenschatz anders ausgesehen.

Ausblick Mit meinen Ausführungen habe ich versucht, die Grundrisse des alten germanischen Personennamenschatzes zu zeichnen. Die weitere Entwicklung in den verschiedenen gentes und regna wird für das Kontinentalgermanische im groß angelegten Projekt „Nomen et gens“ eingehend analysiert. Dieses Projekt hat schon wesentliche Ergebnisse erbracht, und das ist nur ein Anfang. Ähnliche Studien der englischen und der nordischen Personennamen wären sehr zu begrüßen (vgl. Andersson 2002). Um die alte germanische Personennamenstruktur besser zu verstehen, gibt es mehrere Desiderate. Vor dem indogermanischen Hintergrund wäre ein Vergleich mit der Namenstruktur anderer indogermanischer Sprachfamilien wünschenswert. Die Rolle der heldenhaften, kriegerischen Namen, die für die germanischen Personennamen so charakteristisch ist, ließe sich dann sicherer beurteilen. Im nächsten Schritt wäre ein Vergleich mit Anthroponymien anderer Sprachfamilien und Kulturen zu begrüßen. Durch solche, kontrastierende Vergleiche würden die germanische Namenstruktur und die sich in ihr widerspiegelnde Mentalität noch deutlicher hervortreten. Besondere Aufmerksamkeit erfordern die germanischen Frauennamen. Für ein besseres Verständnis des auch ihnen eigenen kriegerischen Charakters wären weitere Untersuchungen erforderlich. Die Vorstufen des Walkürenbildes der altwestnordischen Literatur müssten sicherer ermittelt werden, und im Anschluss daran wäre der Stellung der Frau in verschiedenen altgermanischen Gesellschaften näher nachzugehen.

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Thorsten Andersson

Es fehlt nicht an Aufgaben für die zukünftige germanische Personennamenforschung. Die von Else Mundal eingeleitete Analyse der Beziehung zwischen Personennamen und Gesellschaft pocht auf Fortsetzungen. Hier liegt eine Herausforderung vor, der die Frauenforschung von heute wohl nicht ausweichen kann.

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Thorsten Andersson

Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 27–42 Kontinentalgermanische in England in altenglischer Zeit © Copyright 2009 Walter de GruyterPersonennamen · Berlin · New York

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Kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit John Insley

Während es viele Fortschritte in mehreren Aspekten altenglischer Personennamenkunde gegeben hat – man denke besonders an das skandinavische Element oder an späte Texte wie das Domesday Book – bleibt die Untersuchung der kontinentalgermanischen Personennamen des Altenglischen unterentwickelt. Das grundlegende Werk zu diesem Thema ist immer noch Thorvald Forssners Uppsala-Dissertation von 1916, ein Buch, das nach wie vor verwendet werden muss. Dazu kommen eine Ergänzung, die Olof von Feilitzen für die Smith-Festschrift 1963 schrieb, und die Untersuchung von Feilitzen und Blunt über die Namen der Münzmeister König Edgars, die 1971 in der Whitelock-Festschrift erschien. Die Forschung hat sich auf die frühmittelenglische Zeit konzentriert. Dies ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass unvergleichbar mehr Material aus dieser Zeit zur Verfügung steht. Forssner bezeichnete die Namen als „Old German“, was eine eher unglückliche Formulierung ist, da sie die dialektale Gliederung verschleiert. Ihm war bekannt, dass das Material heterogen ist, und er bedauerte die Abwesenheit eines Kompendiums der germanischen Personennamen auf dem Gebiet der Romania1. Deshalb war er auf Förstemann (1900) angewiesen, obwohl er versuchte, wo immer es möglich war, Förstemanns Angaben in Einklang mit den romanischen Formen zu bringen. Auf der lexikalischen Ebene ist die Identifizierung kontinentalgermanischer Namen in England relativ einfach. Es gibt Namenelemente wie Agin-, Amal-, Brand-, Erl-, Gôz-, Îsen-, Ôd-, Odel- und Thank-2, die im Altenglischen nicht vorhanden sind, sowie charakteristische Kurznamen wie Drogo3, Fulco4 und Wido5. Auf der morphologischen Ebene finden wir Suf-

1 2 3 4 5

Forssner 1916, S. vi–vii. Vgl. Forssner 1916, S. 273–278. Forssner 1916, S. 60–61. Forssner 1916, S. 98. Forssner 1916, S. 254.

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John Insley

fixbildungen, wie in Hamelin6 und Tezelin7 oder Derekin8 und Tepekin9. Hier habe ich natürlich weitgehend Material aus der Zeit nach 1066 verwendet, da dieses unvergleichbar umfangreicher ist als das Material aus der angelsächsischen Zeit. Das Problem der dialektalen Gliederung ist das gleiche, und nach der Eroberung hat man die Komplikation, dass die Namen in lateinischen Texten eingebettet sind und dass normalisierte latinisierte Formen die volkssprachlichen Varianten verdecken, so z. B. Amalricus für altfranzösisch Amauri10 und Willelmus für altnordfranzösisch Williaume11. In England gibt es nach der Eroberung einige Fälle, wo es nicht möglich ist, kontinentalgermanische Personennamen von altenglischen oder altnordischen Personennamen zu unterscheiden. Formal könnte die Form Osbertus für den ae. Personennamen O¯sbe(o)rht stehen, aber Osbertus ist recht häufig in der Normandie, wo der Name entweder eine Entlehnung aus England in der Zeit vor 1066 war oder – was wahrscheinlicher ist – ein Relikt früherer Siedlungen aus dem ingwäonischen Raum, vgl. altsächsisch Ôsberht12. Oft muss der Kontext entscheiden. Einer der Münzmeister König Eadreds (946–955) hieß Hildvlf 13. Diese Form kann sowohl dem ostnordischen Hildulf entsprechen als auch dem westfränkischen Hildulfus. Eine weitere Möglichkeit wäre ae. Hildewulf. Andererseits ist der Name des Münzmeisters Hildvlf, Hildolf, der in York zur Zeit Æthelreds II. und Knuts tätig war, aller Wahrscheinlichkeit nach skandinavisch14. Der altnordische Personenname Hróaldr erscheint sporadisch in altenglischen Quellen als Hrowald, Rold, Roold usw.15. Es gibt jedoch einen kontinentalen Namen Roald, eine romanische Form des fränkischen Hrôd–owald (< *Hro¯ qa-walda-). Dieser Name war recht beliebt bei den Bretonen, und in England findet man nach der Eroberung Bretonen, die der feudalen Aristokratie angehören und diesen Namen tragen, z. B. Roaldus constabularius, erblicher Konstabler der bretonischen Grafen von Richmond in Yorkshire Anfang des 12. Jahrhunderts. Dieser Roaldus war sicherlich Bretone. Sein Vater hieß Harscod (altbretonisch Hoiarnscoit16) und sein Sohn Alan17. Außerhalb dieser feuda6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Forssner 1916, S. 142. Forssner 1916, S. 229. Insley 1993, S. 59. Feilitzen 1937, S. 383. Forssner 1916, S. 25–26. Vgl. Forssner 1916, S. 255–257. Vgl. Feilitzen 1937, S. 338. Vgl. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 298. Smart 1973, S. 226. Vgl. Björkman 1910, S. 69; Fellows Jensen 1968, S. 219–221. Jackson 1967, S. 211–212 (§ 292). Vgl. Clay 1936, S. 89–95.

Kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit

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len Schicht gibt es allerdings keinen Grund zu zweifeln, dass Roaldus skandinavischen Ursprungs ist, z. B. kann der Roaldus, der ca. 1210 ein toftum und ein croftum in Lea in Lancashire besaß18, kaum Mitglied der feudalen Aristokratie gewesen sein, und man kann davon ausgehen, dass sein Name ein Reflex des skandinavischen Hróaldr war. Feilitzen war bewusst, dass das Bestimmen der dialektalen Provenienz kontinentalgermanischer Personennamen äußerst schwierig ist. Insbesonders sah er den Mangel an Vergleichsmaterial aus Frankreich als ein schwieriges Problem. 1963 schrieb er: On the whole, however, collections like these that deal with specific areas on the Continent are disappointingly few. This is particularly true of France where the works of Drevin, Michaëlsson and Jacobsson cover only a small part of the field, geographically and chronologically. Hence the assignment of the supposed Continental etyma of ME names to their precise area of origin or dialect is often impossible, and it is inevitable that the majority of parent forms adduced should be described rather vaguely as Old German (OG). However, there can be no doubt that the Low German element was very important. A few name bearers are explicitly described as Flemings or Saxons (cf. Ailbodo, Thiedlef) and some themes, such as -l¯ef (see Brunlef) and Su¯ th- (see Sudhard), point distinctively to that provenance19.

Feilitzen konnte sich auf die Arbeiten von Mansion (1924) über Gent, von Schlaug über die altsächsischen Namen (1955, 1962) und von Bohn (1931) über die Personennamen der Werdener Urbare stützen. Er hätte auch die Urkundensammlung von Koch und Gysseling (1950) als Quelle für Namen aus dem Altniederfränkischen verwenden können. Inzwischen ist der Forschungsstand etwas besser. Mansions Arbeit über Gent (1924) wird von Tavernier-Vereecken (1968) fortgesetzt, und das Werden-Material wurde von Heinrich Tiefenbach in einer Reihe von Aufsätzen weiter bearbeitet (vgl. Tiefenbach 1997, 2002). Die Lage für das Westfränkische ist immer noch problematisch, obwohl eine Reihe von Textausgaben, wie diejenigen von Devroey (Polyptychon von Reims) oder Hägermann (Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés), hilfreich sind. In einem Aufsatz über die Namen der Münzmeister König Edgars schrieb Feilitzen 1971: „On general historical grounds it seems reasonable to assume that many of them [i.e. Continental Germanic personal names] are Old Low German, more specifically Old Saxon or Old Flemish (Old Low Franconian), whereas others are undoubtedly of West Frankish origin“20. Dies, scheint mir, ist ein vernünftiger Ausgangspunkt.

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Lumby 1936, S. 24 (no. 75 = Lancashire Record Office, Preston, DDHo H 408). Feilitzen 1963, S. 47. Feilitzen/Blunt 1971, S. 208.

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John Insley

Als Hauptquelle für kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit werden die Namen spätaltenglischer Münzmeister dienen. In der sogenannten „St. Edmund Memorial Coinage“ (ca. 895–915)21, die im südlichen Teil des Danelaws geprägt wurde, sind Münzmeister mit kontinentalgermanischen Namen wie Gvndbert 22, Wandefred 23 und Vvidbald 24 belegt, aber die Münzinschriften dieser Gruppe sind manchmal fehlerhaft25, und weitere Forschung scheint angebracht. Die Lage ist besser, wenn wir uns die Namen der Münzmeister der westsächsischen Könige im 10. Jahrhundert anschauen, und hier habe ich die kontinentalgermanischen Namen der Zeit Athelstans (924–939) und Edgars (959–975) untersucht. Dies lässt sich machen, da wir die Studie Blunts (1974) über die Münzen Athelstans haben und den vorbildlichen Aufsatz von Feilitzen und Blunt (1971) über die Namen der Münzmeister Edgars. Die Münzmeister Athelstans mit kontinentalgermanischen Namen sind wie folgt: Abonel 26, Abun 27, Abbon 28, Adelbert 29, Amelric 30, Arnvlf 31, Bald(e)ric 32, Baldwin 33, Beorard 34, Beorger 35, Berngar 36, Efrard 37, Folcred 38, Fredard 39, Frotger 40, Fvlrad 41, Gislemer 42, Godfred 43, Gvntere 44, Harger 45, Hildebert 46, Hldvlf 47, 21 22 23 24 25

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

Vgl. Smart 1985. Smart 1985, S. 85. Smart 1985, S. 87. Ebd. Beispielhaft ist die Form Pancrad (Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 304), die sicherlich für Qancrad p (*bek- > *pek-) durch expressive Anlautverschärfung in Kurz- und Kosenamen.14 Die Schreibung steht für inlautendes -kk-15. Während diese Geminata bei (b) bereits im Stamm *bekk- (< *bek-) durch expressive Gemination enthalten ist, muss für (a) von westgermanischer Konsonantenverdoppelung von k vor j (*bek-jan-)16 ausgegangen werden. Der Stammvokal e (PECCANE) ist beim Ansatz mit dem Lemma *bekk-an- (b) erhalten. Bei (a) (*bek-jan-) ist entweder die (bereits urgermanische) Hebung von germ. e zu i vor j der Folgesilbe17 unterblieben oder – 9

10 11 12

13 14 15 16 17

Nach Kaufmann 1968, 60 (so auch Förstemann, Sp. 300) handelt es sich beim PN-Stamm „bic“ wohl um die Bezeichnung für eine Stoß- oder Stichwaffe. Aufgrund der hier vorliegenden Ansätze mit dem Suffix -jan- (a) bzw. -an- (b) kann von einem Nomen agentis ‚der Stecher, Stoßer‘ ausgegangen werden. Vgl. auch NeG (Näßl). Vgl. Krahe/Meid III 1969, 96 ff., § 92. Kluge 2002, 701 zu Pickel, picken; vgl. NeG (Näßl). Zur Konsonantenverdoppelung vgl. Krahe/Meid III 1969, 13 f., § 12 und S. 242 f., § 184 (hier nur in Bezug auf Verben). Vgl. Krahe/Meid III 1969, 90 ff., § 91. Vgl. Greule 1996, 1185; vgl. Kaufmann 1965, 34, 42 f.; vgl. auch Felder 2003, 282. Braune/Reiffenstein 2004, 174, § 180. Braune/Reiffenstein 2004, 98 ff., § 96. Vgl. Braune/Reiffenstein 2004, 32, § 30.a); vgl. Krahe I 1966, 56, § 35.

Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts

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falls die Hebung stattgefunden hat (*bek-ja- > *bik-ja-) – der gehobene Vokal i wurde durch romanischen Einfluss wieder zu e abgesenkt.18

5. Morphologie Beim Kurznamen Peccane liegt die Endung -ane vor:19 Diese Endung ist bei maskulinen Personennamen Teil eines Deklinationsparadigmas -a, -anis etc. mit -ane als Endung des Ablativs (bzw. bei fortgeschrittenem Verfall des Kasussystems des Casus Obliquus). Bei den Feminina entspricht dieser Deklination -o, -onis etc. Die Verbreitung solcher Namen besonders in Spanien, Südfrankreich und Italien spricht dafür, dass das Muster auf Deklinationsendungen des Gotischen zurückgeht (Jud 1907, 35–37, 40–52, 114). In den westgermanischen Sprachen der Franken, Langobarden und Alemannen entspricht ihm umgekehrt -o, -onis für Maskulina gegenüber -a, -anis für Feminina. Als Monetarnamen auf -a, -anis sind Atila, Audora (=Adoura?), Baba, Babrica, Bera, Donnane (vgl. Dona), Ela (vgl. Ella in Spanien), Guerda, Peccane, Tinila und Vvita (vgl. Witiza) belegt (Jud 1907, 39). Das gelegentliche Auftreten solcher Namen in Nordfrankreich müsste durch dortige vereinzelte Präsenz von Goten erklärt werden.20 Sie wird durch den Ortsnamen Gueux (Dép. Marne) bestätigt, der im Polyptichon von Saint Rémy von 847 als Gothi erwähnt ist (Jud 1907, 38).

6. Bemerkungen Kluge geht davon aus, dass bei Wörtern wie Pickel, picken „sowohl mit Lautmalerei wie auch mit Entlehnung zu rechnen [ist], da entsprechende Wörter in den romanischen Sprachen erscheinen (vgl. etwa it. beccare ‚hacken‘, frz. bêche f. ‚Grabscheit‘)“ (Kluge 2002, 701). 18 19

20

Vgl. Lausberg I 1969, 145, § 156. Die Ausführungen zur Endung -ane wurden als Textbaustein vom Kollegen der Romanistik, Dr. Rembert Eufe, formuliert. Jud denkt an Goten, die nach der Eroberung Südfrankreichs durch die Franken in die Sklaverei geraten seien: „[…] il n’y a pas de difficulté à admettre qu’après la conquête du midi quelques Visigoths ou quelques Burgondes se soient trouvés transplantés comme esclaves dans le nord de la Gaule.“ Sieht man dies als die einzige Möglichkeit an, würde sich die Frage stellen, wie sich der Sklavenstatus zu ihrer Erwähnung als Monetare fügt. Es wäre dann entweder von Freigelassenen oder von einem niedrigen Rang der Monetare auszugehen. Aber warum sollen nicht auch Goten mit einer anderen sozialen Stellung nach Nordfrankreich gekommen sein?

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Nicole Eller/Sabine Hackl-Rößler/Jürgen Strothmann

Die Verbindung zum Romanischen spielt auch bei Felders Deutung von Peccane eine Rolle. Er favorisiert einen Deutungsansatz mit *Bek(k)(und zusätzlich *Bik(k)-; ae. becca ‚Spitzhacke‘, nhd. Pickel, Bickel) als germanisch-sprachige Entsprechung für gall.-lat. beccus ‚Schnabel‘ (Felder 2003, 282 f.). Daneben führt er außerdem weitere Deutungsmöglichkeiten an (1. zu *Beg- = *B¯e1g- als ostgerm. bzw. got. Entsprechung von westgerm. *Ba¯ g-; 2. zu *Beg(g )- als hypokoristische Entsprechung von Berg- oder als zweistämmige Kürzung), die aber für die vorliegenden Ausführungen zu Peccane nicht übernommen werden.

5 Zum Wert der Merowingischen Monetarmünzen für die Geschichtswissenschaft Die Namen auf den Merowingischen Monetarmünzen (MM) stellen für das 7. Jahrhundert einen einzigartigen Datenbestand dar, da Orts- und Personennamen jeweils aus vergleichbaren Zusammenhängen stammen. Die insgesamt fast 2000 auf Monetarmünzen überlieferten Personennamen bezeichnen mit Ausnahme von Königsnamen und einzelnen Bischofsnamen allesamt Monetare als Personen mit grundsätzlich gleicher Funktion, vermutlich auch ähnlicher gesellschaftlicher und sozialer Stellung. Auch die insgesamt nahezu 800 überlieferten Ortsnamen bezeichnen durchweg Orte mit gleicher Funktion, ob es sich nun um Prägeorte handelt oder – wie für möglich gehalten wird – um Orte, an denen Abgaben erhoben werden.21 In jedem Fall handelt es sich um Orte mit politischer und sicher auch wirtschaftlicher Relevanz für das Frankenreich. Der Befund eines außerordentlich homogenen Datenbestandes zu Personen und Orten mit einer Funktion für die politische Ordnung, wie angenommen werden darf, wird in seiner Bedeutung deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Datenbestand einer zeitgenössischen Liste eines großen Teils der pagi und der zuständigen comites entspräche, wenngleich vermutlich der Rang der comites höher zu veranschlagen ist. Aber ganz ähnlich mag der Bestand einen Schlüssel zum Verständnis der politischen Ordnung unterhalb des königlichen Handelns darstellen. Die relative Homogenität des Datenbestandes ist für die Erforschung politischer, kultureller und wirtschaftlicher Strukturen ein methodischer Glücksfall. Hinzu kommt die Besonderheit, dass die Namen auf den originalen Datenträgern vorliegen, also nicht im Laufe der Zeit durch Abschrei21

Unter anderem Grierson 1991, 25; siehe auch Stahl 1982, 134, der die Münzprägung als Voraussetzung für die Steuererhebung sieht und so die zahlreichen Prägeorte erklärt.

Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts

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ben verändert wurden. Die Schreibungen der Namen auf den Münzen repräsentieren unmittelbar Irrtümer des Stempelschneiders und die zeitgenössische Aussprache, wobei sprachliche Abweichungen zu untersuchen sind und neben der groben Herkunft der Namen als weiteres Mittel dienen könnten, die Herkunft zumindest des Stempelschneiders (der nicht mit dem Monetar identisch sein muss) zu ermitteln. Ähnlich gilt für Schreibungen von Ortsnamen, dass mit ihrer Hilfe – bei entsprechender Parallelüberlieferung – die Münzen vermutlich grob datierbar werden, was neben den Sprachwissenschaften durchaus auch die Geschichtswissenschaft betrifft, etwa bei dem Wandel des Namens von Straßburg von „Argentorate“ zu „Strateburgo“.22 An solchen Fragen zeigt sich die Nähe von Sprach- und Geschichtswissenschaft, denn der Namenswechsel bei Orten hat einen historischen Hintergrund und bedarf neben der sprachwissenschaftlichen auch einer historischen Begründung. Diese Nähe der beiden Disziplinen setzt sich fort mit der Tatsache, dass es zu den Monetaren fast gar keine Parallelüberlieferung gibt. Einer der seltenen Fälle ist die Vita des heiligen Eligius, der die Goldschmiedekunst erlernte und später im Dienst des Königs Münzen herstellte, in der gesamten Vita aber nicht ein einziges Mal als „Monetarius“ bezeichnet wird. Dieser Eligius, der später Bischof von Noyon wurde, muss als eine Art „Obermonetar“ gelten, weil sein Name auf Königsmünzen erscheint und dies sowohl auf Münzen aus Marseille als auch aus Paris.23 Eine zentrale Frage im Hinblick auf die Monetarnamen ist die nach der gesellschaftlichen und sozialen Verortung der Monetare, damit auch auf ihre politische Funktion. Da sich das aus erzählenden Quellen kaum erfahren lässt, ist es notwendig, den Namenbestand mit anderen Beständen abzugleichen. Das können übrigens Sprachwissenschaftler und Historiker gemeinsam tun. Das ist daneben aber eine Frage, deren Beantwortung die Kenntnis und das weitgehende Verständnis des Systems der Monetarmün22

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Greule, Straßburg 2005, 70–72; danach bedeutet der Ortsname Strateburg „(Siedlung / Platz an der) an der Straße bei der befestigten Stadt“ (ebenda 71); der Grund für den Namenswechsel der befestigten Stadt selbst aber ist unklar. Beide Namen sind auf Münzen erhalten: Depeyrot 1998, 118 f.: STRATEBVRGO C und ARGENTORATI FIT sowie ARGENTORATO FIT. Eine Frage etwa ist die, ob die beiden Namen in der Merowingerzeit jeweils als Fremd- oder Selbstbezeichnung zu verstehen sind bzw. als wessen Bezeichnung sie anzusehen sind. Zu Eligius vgl. Scheibelreiter 2004. – Die Datierung der Eligius-Vita ist kompliziert, wobei die herkömmliche Sicht eine starke Überarbeitung in der frühen Karolingerzeit annimmt und so die wenigen klaren Aussagen der Vita mit einem Fragzeichen zu versehen sind, weil sie möglicherweise nicht ganz zeitgenössisch sind. Eine Neubewertung nahm jüngst Bayer 2007 vor, der mit guten Argumenten die Vita ganz ihrem Autor Audoin von Rouen, dem Freund und Bischofskollegen des Eligius zuweist.

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zen voraussetzt, was eine Gemeinschaftsaufgabe für die Geschichtswissenschaft und die Numismatik darstellt. Die Forschergruppe Nomen et Gens (NeG), die aus Historikern und Sprachwissenschaftlern besteht und in ihrer Datenbank, die der Öffentlichkeit in absehbarer Zeit über eine Internetplattform zugänglich gemacht werden soll, einige zigtausend Namen aufgenommen, kommentiert und darüber hinaus prosopographisch erschlossen hat, bietet für das MM-Projekt einen wichtigen Referenzrahmen, sowohl methodisch als auch bei der Untersuchung der Monetarnamen. Dabei unterscheidet sich das Gliederungsinteresse zwischen beiden Projekten, da es im Monetarmünzprojekt wegen der fehlenden Parallelüberlieferung zu Monetaren nur am Rande möglich ist Prosopographie zu betreiben. Das bedeutet, dass bei der Konzeption einer projektinternen Datenbank eine gemeinsame Datenaufnahme für Sprachwissenschaften und Geschichtswissenschaft möglich war. Aufgenommen werden in der bisher noch auf die Berliner Münzen beschränkten MM-Datenbank als Basis der Name und ein ihm zugeordnetes an die germanistischen Lemmata in der NeG-Datenbank angelehntes sprachwissenschaftliches Lemma, nicht etwa die Person. Dabei wird die häufigste Schreibung des Namens zugrunde gelegt; Abweichungen werden aufgeführt, sowohl bei grundsätzlich anderen Schreibungen wie „Elegius“ für Eligius, als auch unter den Lesarten der Münzen. Die Konzeption der Datenbank wird die verschiedensten Abfragen erlauben, auch solche, die weit über die Standardabfrage hinausgehen, an welchen Orten ein bestimmter Name vorkommt. Dazu könnte die Frage gehören, wie viele Hybridnamen in einem bestimmten Departement vorkommen oder ob es eine statistisch greifbare Korrespondenz von Namen und einer bestimmten Münzikonographie gibt. Eine mögliche Frage wäre auch nach Namenelementen in Abhängigkeit von Ort und Raum. Für den Historiker ebenso interessant sind die Ortsnamen, etwa ob das – wie angedeutet – den Namenwechsel betrifft, der zum Teil noch in den Zeitraum der Monetarmünzen fällt, oder die Frage nach der Bedeutung der Münzorte: Sind sie schon auf der spätantiken Tabula Peutingeriana zu finden? Welcher Ort wird auf der Münze jeweils als Civitas, als Vicus oder als Villa bezeichnet? Von einiger Bedeutung für die Fragestellung des Projektes sind auch die vor allem für die Romanistik interessanten Wortendungen, die auf die Kasus der Namen verweisen, die im Falle der Ortsnamen selbst eben oft nicht dekliniert sind, obwohl die Wortendungen in den allermeisten Fällen romanisiert sind. Dabei zeichnet sich ab, dass die Ortsnamen vermutlich im Ablativ oder Kasus Obliquus stehen, vermutlich – anderen Hinweisen

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zufolge – eben meist nicht im Nominativ, was für weitere Fragestellungen von großem Wert ist. So stehen im Hinblick auf die Monetarmünzen Fragen zu den Ortsnamen durchaus gleichberechtigt neben solchen nach den Personennamen. Zudem ist die Identifizierung der Ortsnamen und die Lokalisierung der Orte eine wesentliche Voraussetzung zur Untersuchung der Personennamen. Von erheblicher Bedeutung für unser Verständnis sind die Ortsqualifikationen und weitere Zusätze auf manchen Münzen, die jeweils erklärende Funktion haben und deren separate Aufnahme in die Datenbank ebenso vorgesehen ist wie Angaben zu Gewicht und – wenn bekannt – zum Fundort der Münze.24 Die für die kleine aber komplexe Datenbank bisher gesammelten Daten beruhen wesentlich auf den Münzbeschreibungen der Numismatik und den Namenkommentaren der Sprachwissenschaften sowie auf den Überprüfungen bestehender Lokalisierungen durch die Geschichtswissenschaft und damit auf dem Berliner Bestand. Die Konzeption der Datenbank erlaubt aber durchaus eine Erweiterung auf weitere Referenzbestände. Neben der Arbeit für den Katalog der Berliner Monetarmünzen besteht eine wesentliche Aufgabe der beteiligten Historiker darin, das System der Merowingischen Monetarmünzen so weit möglich auch als Ausdruck des politischen Systems im merowingischen Frankenreich zu verstehen und – neben der Lokalisierungsarbeit – auch damit im Gespräch mit den Sprachwissenschaften und der Numismatik Ergebnisse zu liefern, die diesen wiederum nützlich sein können. Eine wesentliche Beobachtung, die dabei ist, sich zur vorläufigen Erkenntnis zu verdichten, liegt darin, dass – anders als die karolingische politische Ordnung – das Frankenreich des 7. Jahrhunderts noch stark von antiken Strukturen und institutionellen Formen geprägt ist, was sich unter anderem in der in manchen Regionen erkennbaren Kontinuität der Orte und ihrer Funktion als Hauptorte in der Herrschaftsorganisation abzeichnet, wie etwa sehr deutlich im Rheintal. So ist für den Historiker die Frage nach dem Übergang von der Goldzur Silberprägung, von Trienten zu Denaren, ebenso interessant wie für den Numismatiker, sie ist aber nicht so sehr mit dem Edelmetallwechsel verbunden, sondern auch mit den damit einhergehenden Veränderungen

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Aus dem Abgleich von Prägeort und Fundort lässt sich der Geldumlauf feststellen. Erst in jüngster Zeit sind dazu zwei maßgebliche Arbeiten entstanden: Fischer 2000: Der Münzumlauf (Das reguläre Erscheinen dieser Freiburger Dissertation ist angekündigt) und Lafaurie/Pilet-Lemière 2005: Monnaies du Haut Moyen Âge; siehe nun auch Metcalf 2006.

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in der Gestaltung der Münzen, die bald nach 670 eigentlich keine Monetarmünzen mehr sind, weil sie nicht mehr der bis 670 frankenreichweit geltenden Regel folgen, dass auf einer Münze immer (außer bei Königsmünzen und solchen, die dem Fiscus zugewiesen werden) ein oder mehrere Monetare erscheinen. Außerdem wandeln sich die Ortsangaben zu sehr verkürzten, kaum identifizierbaren Abkürzungen. Die Zahl der Prägeorte nimmt mit der Silberprägung deutlich ab, ebenso die Zahl der Monetarnamen. Es lässt sich schließlich kaum noch von einem einheitlichen System reden. Das Geld scheint das zu werden, was es in den folgenden Jahrhunderten vorrangig sein wird: Zahlungsmittel. Nicht, dass es zuvor kein Zahlungsmittel gewesen wäre, aber es hatte darüber hinaus Funktionen in der staatlichen Verwaltung, die ganz wesentlich mit der Finanzverwaltung zusammenhingen.25 Zwischen 670 und der Münzreform König Pippins scheint es so gewesen zu sein, dass die Münzprägung der zentralen Kontrolle weitgehend entglitten ist, während die eigentliche Monetarmünzprägung vermutlich Ausdruck staatlicher Ordnung war. Darauf deuten die vorläufigen Ergebnisse hin. Sollte sich dieser Eindruck weiter verfestigen, bedeutet das für alle beteiligten Disziplinen, besonders aber für die Geschichtswissenschaft, dass die Merowingischen Monetarmünzen auch in ihrer Gesamtheit und nicht bloß als einzelne Prägungen als Quelle anzusehen sind. Dann würden sie nicht mehr bloß als Hilfe bei der Identifizierung von Orten dienen oder als Reservoir von Namen, die hier und da in anderen Quellen wiederkehren, sondern könnten maßgeblich dazu beitragen, das Frankenreich des 7. Jahrhunderts völlig neu zu verstehen, auch mit Konsequenzen für die Beurteilung von Einzelbefunden. So würde bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts von einer nachantiken politischen Ordnung die Rede sein müssen und dieses spannende 7. Jahrhundert selbst müsste als ein wesentlicher Vorbereitungsraum für genuin mittelalterliche Strukturen verstanden werden. Diese Überlegungen sind Ergebnis und Voraussetzung des geschichtswissenschaftlichen Teilprojektes zugleich. Obwohl sie nach der Einbeziehung weiterer Bestände an Monetarmünzen, vor allem des umfangreichen Bestandes der Bibliothèque Nationale de France verlangen, und auch bei weitem nicht abgeschlossen sind oder sein könnten, dienen sie auch der Herstellung des Kataloges der Berliner Münzen, weil so die Einordnung der Münzen und ihres mutmaßlichen Systems in die wirtschaftliche und politische Landschaft des Frankenreiches erleichtert wird, so dass davon

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Siehe für die spätrömische und durchaus auch für die nachantike Münzprägung Hendy 1988.

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neben den geschichtswissenschaftlichen Beiträgen des Katalogs zur Rolle des Geldes etwa auch Lokalisierungen und Lesungen profitieren können. Darüber hinaus verweisen diese Überlegungen auf die Notwendigkeit, die Merowingischen Monetarmünzen und ihr System weitaus stärker als bisher auch in der Geschichtswissenschaft als Quellen zu berücksichtigen. So entsteht aus der Zusammenarbeit von Numismatik, Germanistischer und Romanistischer Sprachwissenschaft und Geschichtswissenschaft ein umfassend kommentierter Katalog zu einem wesentlichen Bestand an Merowingermünzen. Es besteht die Aussicht, dass eine Folge dieses Projektes ist, dass Merowingische Monetarmünzen auf neuer Grundlage als Quelle von Sprach- und Geschichtswissenschaft dienen und neue Fragestellungen auch die Münzen selbst in einem neuen Licht sehen lassen.

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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 137–143 Die langobardische Anthroponymie zwischen © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Berlin · New York Germania und Romania

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Die langobardische Anthroponymie zwischen Germania und Romania Maria Giovanna Arcamone

Die ältesten Texte des frühmittelalterlichen Italiens zeigen von Anfang an neben ererbten Eigennamen hebräischen-griechischen-lateinischen Ursprungs Anthroponyme die sich nicht in die bis dahin übliche lateinische Überlieferung einreihen lassen: es handelt sich um germanische Namen, wie die Forschung schon im 18. Jh. deutlich erkannt hat. An diesen fremden Eigennamen sind die Privaturkunden besonders reich, weshalb sie hier die Basis für einige Überlegungen bilden sollen.1 Dieser Reichtum ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Privaturkunden in diese Untersuchung über die langobardische Anthroponymie einbezogen werden. Wenn auch andere Texte untersucht werden könnten, wie Geschichtsquellen und päpstliche Quellen, die auch gelegentlich konsultiert werden, haben die Privaturkunden mit ihrem unkorrekten Latein den Vorteil, der damals gesprochenen Sprache recht nahe zu sein und erlauben daher Schlüsse über den linguistischen Zustand dieser Anthroponyme und über ihre Anpassungstufe an die damals in Italien gesprochene Sprache. Es ist nicht ganz klar, wie diese Anthroponyme angepasst wurden, weil uns der italienische Sprachzustand der Zeit nicht ausreichend bekannt ist.2 Da er nicht mehr Latein genannt werden kann, spricht man vom Protoitalienischen, denn die italienische Sprache ist reichlich erst seit dem 13. Jh. bezeugt; wie sie früher war, muss man aus spärlichen und verstreuten Belegen erraten.3 Unter diesen Belegen spielen Personennamen und Ortsnamen jedes beliebigen Ursprungs eine wichtige Rolle, wie sie besonders in Privaturkunden vorkommen, wo aufgrund ihres spezifischen Inhalts Personen und Ortschaften reichlich bezeugt sind.4 Es lässt sich sogar behaupten, dass nicht nur die aus dem Lateinischen stammenden Eigennamen auf den Zu1 2 3 4

Siehe CDL. Migliorini 1960, II (Tra il latino e l’italiano, 476–960). Migliorini 1960, III (I primordi, 960–1225). Castellani 1960.

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stand des Italienischen verweisen, sondern dass die germanischen Formen auch und manchmal sogar besser dazu beitragen, Merkmale des Protoitalienischen aufzuzeigen (z. B. siehe unten den Fall Teuderisci